116 69 16MB
German Pages [797] Year 2023
RENÉ WIESE, KATHLEEN JANDAUSCH (HG.)
SCH W ESTER N IM GEISTE BRIEFWECHSEL ZWISCHEN GROSSHERZOGIN
ALEXANDRINE VON MECKLENBURG-SCHWERIN UND KÖNIGIN ELISABETH VON PREUSSEN
TEIL 2: 1851–1873
QUELLEN UND STUDIEN AUS DEN LANDESARCHIVEN M ECKLENBURG-VORPOMMERNS herausgegeben von Kathleen Jandausch, Matthias Manke, Martin Schoebel und René Wiese Band 24
SCHWESTERN IM GEISTE Briefwechsel zwischen Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg- Schwerin und Königin Elisabeth von Preußen Herausgegeben von René Wiese und Kathleen Jandausch Teil 2: 1851–1873
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen : Cover, Vorderseite : Wappenschablone mit Monogramm von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, in : LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/ Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1824–1855, Bl. 746, Briefkopf vom 20. Juni 1844 Cover, Rückseite links : Bülow, Paul, nach einer Fotografie: Königin Elisabeth von Preußen, Detail, GK I 10801, F0007148/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Roland Handrick Cover, Rückseite rechts : Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, in : LHAS, 13.1-3 Bildersammlung Dynastien, Gen. XXII, Alexandrine Nr. 16 Korrektorat : Anja Borkam, Jena Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52869-0
Für meinen Vater U. Jandausch, einen Preußen in Mecklenburg
Inhalt
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Häufig genannte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Briefe 1851–1873 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790
Einführung „[…] das waren Preußens beste Tage, […] als es immer hin und her ging zwischen Berlin und Petersburg.“1
Folgt man Goethes Gedanken in den „Wahlverwandtschaften“ (1809), ist männliches Denken auf Vereinzelung, weibliches dagegen auf Zusammenhalt gerichtet, weil das Schicksal der Frauen und „das Schicksal ihrer Familien an diesen Zusammenhang geknüpft“ sind.2 Dem Briefwechsel der Königin von Preußen und der Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin ist zu entnehmen, wie sehr Elisabeth und Alexandrine das Schicksal ihrer regierenden Familien an den dynastischen Zusammenhang Russlands, Preußens und Mecklenburgs knüpften. Imperium, Großmacht und Kleinstaat sollten die Ablegerinnen der großen Revolution von 1789 gemeinsam bekämpfen, sich gegen die „Westmächte“ und den von ihnen getragenen emanzipatorischen Fortschritt stellen.3 Um im Sinne König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen die Autokratie des Ostens mit dem Parlamentarismus des Westens in Form einer historisch gewandeten, christlich-ständischen Monarchie zu versöhnen,4 setzten Königin und Großherzogin vor allem auf die Protektion des Zarenreichs, zumindest solange noch ein direkter Familienzugang zu Kaiser und Hof in St. Petersburg bestand. Dieser Zugang schloss sich 1861, nachdem ihn sechs Jahre zuvor schon der Tod Kaiser Nikolaus’ I. verengt hatte. Alexandrine musste nach dem Ableben ihrer Schwester Charlotte (als russische Kaiserin Alexandra Fjodorowna) erkennen: „Die jetzige Umgebung des Kaisers [Alexanders II.] will alles Deutsche entfernen. Nur Russen sollen Einfluß haben. Nicola sagte immer, daß ginge noch nicht. Rußland wäre noch nicht so weit, er könnte die Deutschen nicht entberen.“5 Die politikbestimmenden, freundschaftlich-familiären Beziehungen Preußens und Mecklenburgs zu Russland gehörten einer von Elisabeth und Alexandrine zunehmend verklärten Vergangenheit an.6
1 Fontane, Theodor: Der Stechlin, Berlin 1975, S. 52. Weiterführend Creutzberger, Stefan: Das deutsch-russische Jahrhundert. Geschichte einer besonderen Beziehung, Hamburg 2022, S. 21–24. 2 Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften, Norderstedt 2017, S. 13. Yalom, Marilyn und Donovan Brown, Theresa: Freundinnen. Eine Kulturgeschichte, München 2019, S. 61; Geyer-Kordesch, Johann: Schwestern im Geiste. Freundschaft, in: Kulturstiftung Anhalt-Dessau (Hg.): Louise Fürstin von Anhalt-Dessau (1750–1811), München 2008, S. 110–125. 3 Man lege dazu den Maßstab des Vernunftgebrauchs, der Autonomie sowie Sorgen- und Furchtfreiheit an. Siehe Stamm-Kuhlmann, Thomas: Der Historiker und der Fortschritt. Überlegungen zu einem schwierigen Thema, in: Universitas 75 (April 2020), S. 22–41. 4 Immer noch instruktiv Engels, Friedrich: Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, in: MEW, Bd. 1, S. 446–453. 5 Brief vom 2. Mai 1856. Dazu Geyer, Dietrich: Das russische Imperium. Von den Romanows bis zum Ende der Sowjetunion, hg. von Jörg Barberowski und Rainer Lindner, Berlin 2020, S. 174– 179. 6 Brief vom 19. Okt. 1856; Stamm-Kuhlmann, Thomas: Preußen und die Heilige Allianz 1815–1840,
10 Einführung Die Zukunft dagegen – neben dem „Fortschritt“ der Schlüsselbegriff der Epoche – scheint in den Briefen nach 1850 fast durchgängig als bedrohlich, ernst, trübe, traurig und dunkel.7 Neben der Revolutionsgefahr stellten die zunehmenden Attentate auf Monarchen das Bedrohliche der Situation unmittelbar vor Augen.8 Um in dieser Gefahr auf seinem Posten auszuharren und nicht in Resignation und Abdankung zu fliehen, blieb zweierlei: erstens die politischen Vorgänge religiös zu deuten als (noch) undurchschaubare göttliche Prüfung, die zur Abwehr der Revolution um der „Guten Sache“ willen durchgehalten werden müsse; und zweitens eben durch den Zusammenhalt der Dynastien auf europäischer Ebene das monarchische System als „stabile Instanz von hoher moralischer Qualität und ästhetischem Schauwert“ zu behaupten.9 Das hielten Elisabeth und Alexandrine gerade dann für wichtig, als in den 1850er Jahren wieder Staatenkriege geführt wurden, deren revolutionäres Potential nicht weniger groß als das der Kämpfe 1848/1849 war. Zudem begannen herrschaftsstützende Rituale der ersten Jahrhunderthälfte zu schwächeln, wie das gemeinsame Gebet der Hohenzollern an den Gedenktagen im Charlottenburger Mausoleum.10 Treue verbürgende Feste wie das der Weißen Rose wurden nur noch nachgespielt,11 und Andenkenstiftungen wie der Luisenorden mussten immer wieder erneuert werden, um zu funktionieren.12 Vor allem die als Gegenbewegung zu den Autonomiebestrebungen der Aufklärung von den regierenden Häusern unterstützte Erneuerung des Christentums sollte das kompensieren.13 Das ist ein Zusammenhang, den 2022 die Kontroverse um die auf König Friedrich Wilhelm IV. zurückgehende Kuppelinschrift des wiederaufgebauten Berliner Stadt-
7
8
9
10 11 12 13
in: Schubert, Anselm und Pyta, Wolfram (Hg.): Die Heilige Allianz. Entstehung – Wirkung – Rezeption, Stuttgart 2018, S. 234–247. Münkler, Herfried: Marx, Wagner, Nietzsche. Welt im Umbruch, Berlin 2021, S. 493–602. Bezeichnend ist die Wahrnehmung Berlins durch Alexandrine im Brief vom 23. Nov. 1868: „wie mächtig groß die Stadt geworden und noch wird, eigentlich zum Erschrecken, mir macht es Angst.“ Dazu auch der Brief vom 7. Juni 1860: „Die constitution erschüttert die Grundfeste, seitdem schwankt alles, und wenn Gott nicht sein Machtwort spricht, halt, bis hier her und nicht weiter, so sinkt Preußen.“ Baumgart, Winfried (Hg.): Der König und sein Beichtvater. Friedrich Wilhelm IV. und Carl Wilhelm Saegert, Briefwechsel 1848 bis 1856, Berlin 2016, S. 263 f. Dazu auch die Beiträge zu Kaiser Alexander II. von Russland, Kaiserin Elisabeth und Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich in Demandt, Alexander (Hg.): Das Attentat in der Geschichte, Köln 1996. Machtan, Lothar: Der Kronprinz und die Nazis. Hohenzollerns blinder Fleck, Berlin 2021, S. 242; Langewiesche, Dieter: Die Monarchie im Jahrhundert Europas, Selbstbehauptung durch Wandel im 19. Jahrhundert, Heidelberg 2013. „Es scheint, die alte Gewohnheit, vereint in das Mausoleum zu gehen, ist auch abgekommen.“ Brief vom 11. März 1872. Brief vom 10. Juli 1869. Brief vom 15. Okt. 1858. Schlögel, Rudolf: Alter Glaube und moderne Welt. Europäisches Christentum im Umbruch 1750– 1850, Frankfurt/Main 2013; Holl, Karl: Die Bedeutung der großen Kriege für das religiöse und kirchliche Leben innerhalb des Protestantismus, in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Bd. 3, Tübingen 1928, S. 302–384.
Einführung
11
schlosses in Erinnerung rief.14 Im Briefwechsel ist immer wieder die Rede davon, die Toten seien glücklich und beneidenswert, die Hinterbliebenen dagegen zu beklagen.15 Die christliche Zielsetzung eines jenseitigen Lebens bei Gott war Maßstab irdischer Belange.16 Die nach 1800 in diesem erneuerten Christenglauben erzogenen Prinzessinnen hielten sich in einer zunehmend verweltlichten Gesellschaft an die segensreichen Wirkung dies- und jenseitiger Gebete.17 In diesem Sinne beteten Kaiser Nikolaus I. von Russland und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen auch als Verstorbene vereint bei Gott für das Wohl ihrer Familien und Völker.18 Königin Elisabeth und Großherzogin Alexandrine waren vor dem Hintergrund der dynastisch-konfessionellen Gemengelage im Deutschen Bund jedoch keine religiösen Eiferinnen,19 sondern setzten vor allem auf Nachahmungseffekte durch das öffentliche Vorleben christlicher Tugenden.20 Sie gaben dem Adel etwa Beispiel als vorbildliche Herrscherwitwen.21 Ihr Gebets- und Trauerkult um die Ehemänner nutzte ausdrucksstarke Gefühle, um das Andenken an die Monarchen wirkungsvoller als jedes Denkmal wachzuhalten.22 Die schmerzhafte und tränenreiche Öffentlichmachung intimer Bereiche wurde durchgehalten in dem Bewusstsein, dass alle Leiden von Gott gesendet seien, um in Demut auf das jenseitige Leben vorzubereiten.23 Je schwerer die Prüfungen seien, desto fühlbarer mache sich die göttliche Liebe.24 Das Wiedersehen der unsterblichen Seelen mit unvorstellbar verklärtem Körper im Himmel setze der irdischen Welt ein besseres Ziel: „Wir sollen uns nicht fest auf Erden fühlen, nur den Blick nach Oben hallten, wo Gnade und Frieden wohnt.“25 Und nur ein konfessionsübergreifend christlich orientiertes Regiment könne im Volk den monarchischen Gedanken erhalten.26 Daraus erwuchs eine von der herrschaftskritischen Öffentlichkeit mitunter belächelte Religiosität, die allerdings 14 „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ 15 Briefe vom 18. Mai 1855 und 25. Mai 1859. 16 Lang, Bernhard und McDanell, Colleen: Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, Frankfurt/Main und Leipzig 1996, S. 471 ff. 17 Briefe vom 9. Aug. 1859 und 7. Febr. 1861. 18 Brief vom 7. Juni 1855. 19 Brief vom 3. Febr. 1857; Gruner, Wolf D.: Vom territorialen Prinzip des „cuius regio, eius religio“ des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation zum multikonfessionellen Staat im Deutschen Bund, in: Forschungen zur Volks- und Landeskunde/Institutul de Cercetări Socio-Umane Sibiu 63 (2020), S. 44–75. 20 Briefe vom 13. Dez. 1855, 19. Febr. 1856, 30. März 1861 und 8. März 1873. 21 Dazu die aufschlussreiche Bemerkung bei Fontane, Theodor: Vor dem Sturm, München 1980, S. 159. 22 Briefe vom 7. März 1858 und 6. März 1865: Allg. dazu Fetting, Martina: Zum Selbstverständnis der letzten deutschen Monarchen. Normverletzung und Legitimationsstrategien zwischen Gottesgnadentum und Medienrevolution, Frankfurt/Main 2013. 23 Brief vom 25. Jan. 1858. 24 Brief vom 7. Dez. 1871. 25 Briefe vom 10. Nov. 1858, 8. März 1860 und 2. Jan. 1863. 26 Briefe vom 27. und 31. Dez. 1872.
12 Einführung die soziale Verantwortung der Monarchie fundamentierte und deren Ausübung oft keine Rücksicht auf das Wohlergehen ihrer Repräsentanten nahm.27 Mit der Schaffung komfortabler Bedingungen für persönliche Monarchenbegegnungen28 versuchte Großherzogin Alexandrine in der beschleunigten Eisenbahn-Raumzeit29 über die russische Kaiserin, die preußische Königin und die Erzherzogin Sophie von Österreich Einfluss auf die antirevolutionäre Politik der drei Reiche zu nehmen. Nur ließ sich weder der preußisch-österreichische Konflikt um die deutsche Hegemonie noch die imperiale Entfremdung Russlands auf diese familiäre Weise moderieren.30 Mehr als Neutralität war im Krimkrieg in Preußen nicht zu erreichen, wobei die ständige Fundamentalopposition des Prinzenpaares von Preußen die Nerven des Königs „im höchsten Grad überreizt[e]“.31 Elisabeth und Alexandrine befürchteten, dass Frankreich die fehlende Einigkeit der deutschen Monarchen wieder machtpolitisch ausnutzen werde. Das hätte vielleicht eine preußisch-österreichische Heiratsallianz abwehren können, aber sie scheiterte 1852.32 Mit den außenpolitischen Unsicherheiten der 1850er/1860er Jahre korrespondierten die innenpolitischen Probleme, die sich für das preußische Königspaar vor allem aus der verhassten Verfassung ergaben. Königin Elisabeth näherte sich nach dem Revolutions trauma vom März 1848 immerhin langsam wieder Berlin und seinem Residenzschloss an.33 Alexandrine fand es unerhört, dass der preußische König seit 1850 nur noch über ein Parlament Zugang zum Volk habe. Das sei noch nie dagewesen.34 Dem widersprach Königin Elisabeth, da seit 1820 schon keine Schulden mehr ohne Mitsprache der Stände aufgenommen werden durften.35 Neben dem ständigen Bekritteln des Parlamentarismus standen auch Auswahl und Amtsführung der königlichen Minister bei den beiden Damen mehr als einmal in der Kritik. Königliche Befehle würden nicht so ausgeführt, dass ihr Sinn und Zweck verständlich werde.36 Kein Wunder, dass dann „schlechte Blät27 „Mein Sohn Fritz war hier im Lande an mehreren Cholera Orten, wo es Noth that, daß Muth eingesprochen und Ordnung gemacht. Ich allein wußte darum und sah ihn mit bangen Herzenschlägen davon fahren. Aber er steht in Gottes Hand und dem empfehle ich ihn.“ Brief vom 6. Sept. 1859. 28 Wie beim Drei-Kaiser-Treffen 1853. Brief vom 4. Okt. 1853. Dazu Paulmann, Johannes: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000. 29 Schivelbusch, Wolfgang: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2015, S. 35–45. 30 Brief vom 27. Jan. 1851. 31 Brief vom 7. April 1854; Blasius, Dirk: „Neutralität und Interessensphäre“. Friedrich Wilhelm IV. und der Krimkrieg, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 26 (2016), 2, S. 179–195. 32 Hamann, Brigitte: Elisabeth. Kaiserin wider Willen, München 2004, S. 22 und 32. 33 Brief vom 21. Jan. 1851. 34 Brief vom 21. Febr. 1854. 35 Brief vom 17. April 1854. 36 Briefe vom 4. April und 11. Mai 1854; Barclay, David E.: Anarchie und guter Wille. Friedrich Wilhelm IV. und die preußische Monarchie, Berlin 1995.
Einführung
13
ter“ das Königtum weiter in Misskredit brächten und gerichtlich-polizeiliches Einschreiten notwendig werde.37 Fast möchte man die für Ehefrau und Schwester schicksalhafte Erkrankung König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen Ende 1857 mit dieser permanenten Unzufriedenheit und Überforderung in Zusammenhang bringen. Des Königs ohnehin nervöser Charakter hatte schon Mitte der 1850er Jahre Verhaltensauffälligkeiten erkennen lassen.38 Seine nächtlichen Spaziergänge in den Schlossparks erinnern an die ambulante Verschrobenheit König Ludwigs II. von Bayern oder Kaiserin Elisabeths von Österreich, die sich schließlich nur noch fern der Residenzen und im Dunkeln zeigten.39 Nach dem Beginn von Wortfindungsstörungen schon 1856 ging es Friedrich Wilhelm IV. im Sommer 1857 bereits so schlecht, dass die Königin geschäftliche Unterredungen untersagte.40 An der Einweihung des Schweriner Schlosses nahm der König zwar noch teil, es blieb aber Königin Elisabeth überlassen, fortan die Vorzüge dieses Traumschlosses als Zentralbau mythisch-historischer Herrschaftserwähltheit zu propagieren.41 Schließlich kam der Tag im Oktober 1857, als der König blass und stumm, vom Schlaganfall gezeichnet, neben seinem Flügeladjutanten in der Kutsche saß.42 Für Elisabeth und Alexandrine begannen mehr als zwei anstrengende Jahre vergeblichen Hoffens auf eine Besserung der gerade für einen Redner-König verheerenden Krankheitsfolgen. Friedrich Wilhelm IV., dem die Sprache nicht mehr gehorchte, setzte sofort seine Repräsentationspflichten aus, weil zu befürchten stand, die Kronprinzessin im falschen Genus anzusprechen oder auf einer Italienreise in Gegenwart des Papstes zu stammeln.43 Versuche, den kranken König aus Furcht vor einem liberalen Kurswechsel noch einmal politisch zu aktivieren, scheiterten.44 Der glänzende und viel bewegte Hof Friedrich Wilhelms IV. schrumpfte nach Einsetzung von Stellvertretung und Regentschaft seines Bruders Prinz Wilhelm auf nur noch wenige Vertraute zusammen: die Königin, Großherzogin Alexandrine, ihre gleichnamige preußische Nichte sowie Leopold von Gerlach. Der auch bald vom König ferngehaltene Generaladjutant wusste: „Wenn dieser reichbegabte Herr stirbt oder versagt, was endet Alles mit ihm: Stände, Vereinigter Landtag, Herren37 Brief vom 12. April 1853. 38 Brief vom 7. März 1854. 39 Briefe vom 31. Jan. 1853, 27. März 1854 und 2. Mai 1856. Dazu Geisthövel, Alexa: Wilhelm I. am „historischen Eckfenster“. Zur Sichtbarkeit des Monarchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Andres, Jan u.a. (Hg.): Die Sinnlichkeit der Macht. Herrschaft und Repräsentation seit der Frühen Neuzeit, Frankfurt/Main 2005, S. 163–185. 40 Denkwürdigkeiten aus dem Leben Leopolds von Gerlach, Generals der Infanterie und General-Adjutanten König Friedrich Wilhelms IV. Nach seinen Aufzeichnungen hg. von seiner Tochter, Bd. 2, Berlin 1892, S. 518; Brief vom 20. Juni 1873. 41 Briefe vom 6. März und 2. Juni 1857. 42 Brief vom 4. Okt. 1858. 43 Briefe vom 9. Dez. 1857 und 5. Jan. 1859. 44 „Übrigens aber ist ihm sein trauriger Zustand nie so schwer geworden wie jetzt, wo die äußere Politick und der Krieg ihn so ängstlich beschäfftigen, und die Entdeckungen, die er im Innern macht, ihn so tief betrüben.“ Brief vom 1. Juni 1859.
14 Einführung haus, Oberkirchenrath, Sanssouci und seine Bauten, Künstler, Freundschaften, Humor und vor allem das wirklich christliche Sündergefühl.“45 Für die Krankengeschichte König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen ist der Briefwechsel eine wichtige Quelle. Die Königin schonte sich bei der Pflege nicht,46 oft mit Alexandrine an ihrer Seite.47 Am Hof war viel neu anzuordnen und umzustellen auf einen behinderten König. Die Frauen besorgten einen Rollstuhl, der offenbar noch aus der Zeit der 1797 verstorbenen Gattin Friedrichs des Großen vorhanden war.48 Schließlich wurde der König in Begleitung von Ehefrau und Schwester mit entstellten Gesichtszügen, mitunter besinnungslos, zwischen seinen Potsdamer Bauten umhergeschoben, öffentlich präsent nur noch durch Bulletins und eine merkwürdige Fotografie.49 Bei der politisch so wichtigen Hochzeit des quasi Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit Victoria von Großbritannien trat das Königspaar gar nicht mehr in Erscheinung, so, „als hätten wir nie gelebt“.50 Das galt auch für die Neuordnung der Regierungsgeschäfte durch den Prinzen von Preußen im Sinne einer die Reaktionszeit hinter sich lassenden „Neuen Ära“.51 Alexandrine blieb nur, ihrer ältesten Schwester die desolate Lage nach St. Petersburg zu berichten.52 Nach dem Tod des Königs am 2. Januar 1861 wohnte Elisabeth sommers wei45 Denkwürdigkeiten aus dem Leben Leopolds von Gerlach, Bd. 2, S. 536 und 563. 46 „Wenn ihr Kleid rauscht, so hört und versteht es sein bedrücktes Gehirn. Sie erkennt er, wenn er keinen Anderen erkennt, und mitten dazwischen fährt er sie oft an in seinem traurigen Zustande.“ Denkwürdigkeiten aus dem Leben Leopolds von Gerlach, Bd. 2, S. 689 und Brief vom 9. Aug. 1859. 47 Briefe vom 2./20. Nov. 1852 und 6. Dez. 1857. 48 „Es ist ein Glück, daß Du den Rath gabst, auch im Zimmer den Rollstuhl zu brauchen und eine Rampe zu machen. Ich begreiffe nur nicht, daß es niemand eingefallen, da man mich ja so lange so herumfahren sieht, und mein armer Fritz sich ebenso bewegte und seitdem Rampen überall angebracht sind.“ Brief vom 30. Okt. 1870. 49 „Hier ist eine bessere Photographie von Fritz. Ich habe davon schon so viel ausgetheilt und brauche immer mehr. Von mir existirt nur ein Scheusal, das ich nicht gerne gebe, und ein so kleines habe ich gar nicht.“ Brief vom 31. Mai 1860. 50 Brief vom 31. Jan. 1858. 51 Brief vom 12. Dez. 1858. 52 „Wir sind eben in der freudigsten Agittation, indem Fritz so klar und besonnen ist, daß Elis ihm gesagt, weil er so klagte über sein nicht Arbeiten und was alles liegen blieb, ob er nicht an Wilhelm die Geschäfte auf 3 Monate übertragen wollte, denn er müßte sich lange ruhig hallten, da hat er sich sehr gefreut und gesagt: ‚Das habe ich schon lange gedacht, es aber nicht aussprechen können.‘ Darauf sagte ihm Elis: ‚Dann mußt Du aber etwas schriftliches unterschreiben, eine Vollmacht, die Wilhelm sicher stellt […]. Hast Du schon mit Wilhelm und den Herrn gesprochen?‘ ‚Ja, mit Wilhelm und Manteufel. Hast Du das Pappier, dann kann ich es gleich unterschreiben? Der gute Wilhelm, daß er es übernehmen will.‘ Nun ist leider das Pappier nicht hier und auch Manteufel fehlt als Zeuge. Es ist nun nach Berlin telegraphiert. Gegen 2 Uhr kann alles in Ordnung sein, wenn Fritz so lange gut bleibt, denn Nachmittags ist er mehr angegriffen und seiner Sprache nicht so mächtig. Das Befinden hat sich bei Fritz in den letzten 3 Tagen so unglaublich zum Vortheil verändert, daß man nicht genug staunen kann. Aber die Ärzte bitten nur immer um Schonung, damit der Kopf nicht zu sehr angegriffen wird. Ein Rückfall wäre fürchterlich. 2 ½ Uhr. Fritz hat Wilhelm zu sich hereinkommen laßen, ihn geküßt und gesagt, wie er ihm danke, daß er ihm die Geschefte abnehmen
Einführung
15
ter am Sterbeort in Sanssouci, im Winter in Charlottenburg. Unterbrochen wurde dieser Wechsel durch häufige Reisen zu den Schwestern der gebrechlich werdenden Königin nach Sachsen oder Bayern. Häufig notierten die Zeitungen und ihre Briefe Tegernsee, Ischl oder Possenhofen, während Alexandrine weiterhin dem für das Haus Mecklenburg herkömmlichen Jahreslauf folgte. In Berlin waren Elisabeth und Alexandrine nun nur noch höfische Randfiguren bei den Diskussionen um Erbhuldigung oder Krönung des neuen Königspaares.53 Mit Wilhelm I. trat die real existierende, machtbewusste und kriegsbereite Militär- und Beamtenmonarchie an die Stelle der ideenreichen, aber ideologisch-unpolitischen Regierungsweise Friedrich Wilhelms IV., erst recht, als Otto von Bismarck 1862 das Amt des preußischen Ministerpräsidenten übertragen wurde – im Budgetkonflikt um das Herr endlich „kräftig der Kammer gegenüber“.54 Als erstes Glück der Regierung ihres Bruders Wilhelm I. galt Alexandrine der Deutsch-Dänische Krieg 1864. In der Familie wurden die Briefe von 1806/1807 wieder vorgenommen,55 und die Großherzogin bekränzte in Ludwigslust die durchmarschierenden preußischen Regimenter mit Lorbeer, bat sich Einquartierungen aus und bewirtete die Offiziere.56 1866 folgte dann der befürchtete „Bruderkrieg“ zwischen Preußen und Österreich und ihren Verbündeten um die Vorherrschaft im Deutschen Bund.57 Zuvor hatte Alexandrine beklagt, dass Bismarcks Gedanke eines gesamtdeutschen, modernen Parlaments alle Gemüter von den Hohenzollern abgewendet habe. Nach der liberalen Wende von 1858 war das der zweite Politikschock, den die 1850 noch mit preußischer Hilfe restaurierte mecklenburgische Ständemonarchie zu überwinden hatte. Besonders furchtbar war der Krieg 1866 für die preußische Königinwitwe, die mit Österreich, Sachsen und Bayern „alle nächste[n] Verwandte[n]“ gegen sich hatte.58 Elisabeth schrieb traurige Briefe an die Schwestern in den schnell besiegten süd- und mitteldeutschen Herrscherhäusern.59 Dem „konfusen“, gegen Preußen, an Großbritannien orientierten Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz musste in dieser Lage deutlich gemacht werden,
53 54 55 56 57 58 59
wollte. Er danke es ihm so. Ich bin so glücklich darüber, sagte er. Darauf hat Elise ihm das Pappier vorgelesen und er hat es unterschrieben. Hinter der Thür stand Wilhelm sein Sohn, Minister Manteufel und Feldmarschall Graf Dohna als Zeugen. Wir, Luise, ihr Mann, Karl und ich standen vor dem Fenster und haben es miterlebt. Es war ein Moment, wo ich hätte auf die Knie fallen mögen und zu Gott beten, daß er Fritz bald ganz genesen laßen und Wilhelm in seiner neuen, schweren Pflicht stärken und Kraft geben.“ Landeshauptarchiv Schwerin (LHAS), 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 72: Brief vom 23. Okt. 1857. Brief vom 22. Juli 1861. Briefe vom 11. Jan. 1859, 25. Sept. 1862 und 6. März 1863. Brief vom 14. Sept. 1863. Brief vom 26. Nov. 1864. Brief vom 16. April 1866. Brief vom 12. Mai 1866. Hamann, Elisabeth, S. 236.
16 Einführung dass es unmöglich sei, die Krise wieder wie 1848/1849 auszusitzen.60 Es brauchte Jahre, um das Zerwürfnis der Strelitzer mit der Schweriner Linie und den Hohenzollern einigermaßen zu beheben.61 Als Rezept zum Umgang mit der preußischen Hegemonie im Kaiserreich empfahl Alexandrine, es still zu tragen, „weil man an der Sache nichts ändert“.62 Die Strelitzer Großherzoginwitwe Marie reichte Alexandrine dazu die Hand. Gegen die aus englischem „Hochmut“ geborene Opposition der Großherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz war jedoch nichts auszurichten.63 Das Gedeihen der Strelitzer Linie des Hauses Mecklenburg wurde in Schwerin immer aufmerksam beobachtet.64 Auch in Neustrelitz regierte eine relativ kleine Familie, die bis 1848 auf den Thronfolger Adolf Friedrich (V.) warten musste und mit dem Tod des Großherzogs Georg 1860 vor einem großen Umbruch stand, zumal der neue Großherzog Friedrich Wilhelm erblindet war.65 Ob diesem der Gedanke an eine Erneuerung des Neustrelitzer Residenzschlosses kam, als er sich durch das neue Schweriner Schloss tastete?66 Eine Bewährung im Krieg, noch dazu gar eine persönliche, war der dem Zivilen verpflichteten Strelitzer Linie durch die Krankheit des Großherzogs verwehrt. Dagegen wirkten Alexandrine und Elisabeth an der Erziehung zum Krieg als Essenz preußischer Tradition mit, obgleich immer wieder Kriegsgräuel beklagt und Frieden ersehnt wurde.67 Da Alexandrine kein eigenes Regiment innehatte, legte sie großen Wert darauf, an der Repräsentation der preußischen Königinregimenter oder des „geliebten“ 1. Garderegiments beteiligt zu werden.68 Elisabeth versorgte diese mit Informationen zu Beförderungen und Versetzungen in der preußischen Armee.69 Die militärische Repräsentation der anderen weiblichen Familienmitglieder wurde genau registriert, zum Beispiel als Kronprinzessin Victoria öffentlich die Uniformjacke des 2. Leibhusarenregiments trug: „Das ist auch noch nicht dagewesen in Preußen. Unsere Mama trug es nur im Reithaus.“70 Dass durch diese Militarisierung und mitverursacht durch die politische Dynamik eines plebiszitären Kaisertums in Frankreich ein noch blutigerer Krieg als 1866 kommen würde, war 1870 abzusehen.71 Bei diesem Krieg sollte vor allem Alexandrines Sohn Fried60 Brief vom 26. Juni 1866; Wiese, René: What times! Die Revolution von 1848/49 in den Tagebüchern des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz, in: MJB 133 (2018), S. 87–108. 61 Brief vom 23. Aug. 1869. 62 Brief vom 12. April 1872; Wiese, René: Mecklenburgs Weg in Preußens Bund, in: Historische Mitteilungen. Im Auftrag der Ranke-Gesellschaft 32 (2020–2021), Stuttgart 2022, S. 361–378. 63 Brief vom 6. Dez. 1862. 64 Brief vom 3. April 1858. 65 Brief vom 11. Sept. 1860. 66 Brief vom 4. Aug. 1858. 67 Bohrer, Karl-Heinz: Das verschwundene Paradigma. Friedrich II., Preußen und der 20. Juli, in: ders.: Kein Wille zur Macht, München 2020, S. 89–116. 68 Briefe vom 28. April 1852, 31. Aug. 1857 und 14. Dez. 1864. 69 Brief vom 27. Jan. 1851. 70 Brief vom 8. Sept. 1863. 71 Brief vom 15. Juli 1870.
Einführung
17
rich Franz II. als Großherzog-General nicht abseits stehen müssen, sondern die Herrschaft des Hauses Mecklenburg mit Feldherrnprestige auf der Höhe der kriegerischen Zeit gehalten werden.72 Nach dem kriegsentscheidenden und für die nächsten Jahrzehnte mentalitätsprägenden Sieg bei Sedan schilderte Alexandrine „eine Begeisterung in Schwerin und in ganz Mecklenburg, wie ich unser Land nie gesehn. Die Häuser flaggten und es wurde Victoria geschoßen. Um 1 Uhr gingen alle Glocken und Abends eine illumination bis in die kleinsten Straßen und Häuser.“73 Obgleich Krieg und Sieg verbunden schienen, blieb es doch gerade im Winter ein gefährlicher und blutiger Feldzug tief in Frankreich.74 Die erneute Proklamation einer französischen Republik provozierte sogar den Wunsch, doch lieber Napoleon III. gegenüberzustehen als fanatischen roten Kommunarden.75 Bald schon brachten bayerische Offiziere exotische Gefangene in die mecklenburgische Residenz. Den 1866 noch verfeindeten Bayern konnte nicht entgehen, dass Alexandrine und ihre Damen sie zuvorkommend in hellblauen Farben empfingen. Eine humane Behandlung von Kriegsgefangenen sah 1870/1871 so aus: „Die Leute haben Hemden, Strümpfe und Leibbinden bekommen, die Offiziere Bouillon und Schokoladetafeln und Schnaps.“76 Elisabeth beklagte weiterhin das Blutvergießen und die „entsezlichen Verluste in meinem Regimente“. Dass der Krieg den Kirchenbesuch hob, freute die Damen.77 Die gehbehinderte Elisabeth schleppte sich um 1870 nur noch durch das Pflichtprogramm einer Königinwitwe als „unbehulfliches, in allem gehemmtes Wesen, das nur eine Last für andre ist“.78 Die agilere Alexandrine dagegen nahm zu ihrem 50-jährigen Mecklenburgjubiläum 1872 zahlreiche Geschenke und viele Glückwünsche entgegen. Von wem die „Beweise von Liebe und Anhänglichkeit“ kamen, wurde genau vermerkt.79 Alexandrine dankte Gott, „der mich an Seine Hand gehallten hat, und daß er mich grade in dieses liebe Mecklenburger Land hat geführt und leben laßen, wo noch echte Treue lebt“.80 Das war eine andere, positivere Bilanz, als sie Elisabeth oder die in den Niederlanden nie glücklich gewordene Schwester Luise ziehen konnten.81 Alexandrine bot, gerade nach längeren Reisen, dem Schweriner Publikum Bälle und Konzerte, damit sichtbar 72 73 74 75 76 77 78
79 80 81
Briefe vom 14. Aug. und 17. Nov. 1870. Brief vom 6. Sept. 1870. Briefe vom 23. Okt. sowie vom 5. und 18. Dez. 1870. Brief vom 30. Sept. 1870. Dazu Ross, Kristin: Communal Luxury. The Political Imaginary of the Paris Commune, London 2016. Brief vom 21. Sept. 1870. Brief vom 25. Aug. 1870. Briefe vom 25. Okt. und 4. Nov. 1870 sowie vom 23. Okt.1870: „Es ist ein Glück, daß Du den Rath gabst, auch im Zimmer den Rollstuhl zu brauchen und eine Rampe zu machen. Ich begreiffe nur nicht, daß es niemand eingefallen, da man mich ja so lange so herumfahren sieht, und mein armer Fritz sich ebenso bewegte und seitdem Rampen überall angebracht sind.“ Briefe vom 11. Juli und 3. Aug. 1872 sowie vom 30. April 1873. Dazu Büschel, Hubertus: Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830, Göttingen 2006. Brief vom 3. Aug. 1872. Brief vom 8. Dez. 1855. Allg. Tamse, Coenraad A. (Hg.): Nassau und Oranien. Statthalter und Könige der Niederlande, Göttingen und Zürich 1985.
18 Einführung wurde, „daß ich ein mal wieder hier bin“.82 Eine Ausnahme davon war ihr Geburtstag, den sie immer still verbrachte, weil ihr Ehemann Großherzog Paul Friedrich „sich an dem Abend legte, um nicht wieder aufzustehen“.83 Die Trauerstörung war ein besonders raffinierter Aspekt des Hofzeremoniells, der bei tiefer Verschleierung in eindrucksvoller Absenz die Großherzoginwitwe ganz dem Blick der städtischen und höfischen Öffentlichkeit entzog.84 Trauer sollte in den 1860er Jahren das Leben am Schweriner Hof immer wieder bestimmen. 1859 starb in Florenz Alexandrines Tochter Luise plötzlich an einem Gehirnschlag. Die Herzogin führte das Wanderleben einer Offiziersfrau, da sie 1850 „nur“ einen österreichischen Standesherrn im Fürstenrang geheiratet hatte. Wann sich Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), der 1867 seinem Vater als Fürst folgte, wo aufzuhalten hatte, bestimmten seine Kommandeure oder der österreichische Kaiser, bei dem die Mecklenburger um Urlaub bitten mussten.85 Herzogin Luise starb als vierfache Mutter und wurde auf Schloss Wagensberg in Slowenien bestattet, bevor der Krieg von 1866 einen Schatten auf die besondere mecklenburgisch-österreichische Familiensituation werfen konnte.86 Zur Wiederverheiratung ihres Schwiegersohns 1867 meinte Alexandrine: „Man kann die Männer doch oft nicht begreifen, aber ich schweige über Alles, nach dem ich so viel erlebt.“87 Nachdem Alexandrines Enkel Nikolaus nach nur einem Jahr gestorben und ein weiterer Enkel Alexander 1859 tot geboren worden war, starb 1862 die kränkliche, durch die vielen Geburten immer weiter geschwächte Großherzogin Auguste. Dass Friedrich Franz II. es die Jahre zuvor „garnicht aushallten“ konnte und ihr auf die Kuren folgte, wurde eigens notiert.88 Für Alexandrine bedeutete der Tod Augustes, die sie religiös und politisch immer auf ihrer Seite gehabt hatte, der erneute Verlust einer Tochter.89 Und der Tod blieb ständiger Begleiter des Hauses Mecklenburg-Schwerin – die moderne Medizin stand erst kurz vor ihrem praktisch-hygienischen Durchbruch. Mit der neuen Großherzogin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) kam wieder „preußisches Blut“90 in die Schweriner Familie. Alexandrine lobte ihre „recht ernste Richtung“ und nach den Jahren mit einer kränklichen Landesmutter Annas jugendliche Gesundheit.91 Ihr noch scheues Benehmen am Hof wurde genau beobachtet, wie auch die am Tanzverhalten abgelesene Schwangerschaft.92 Wieder einmal aber kam 1865 eine Großherzogin im Kindbett zu 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92
Briefe vom 25. Jan. 1858 und 2. Jan. 1864. Brief vom 19. Febr. 1872. Briefe vom 28. April 1852 und 19. April 1862. Briefe vom 21. April 1852 und 5. Jan. 1856: „Ja, ein Seuftzer kann ich manchmal nicht unterdrücken, wenn [ich] sie so sehe. Sie war zu einer andern Stellung berechtigt.“ Briefe vom 19. März 1859 und 5. Aug. 1865. Brief vom 16. Juli 1867. Brief vom 15. Juli 1858. Brief vom 4. März 1862. Brief vom 31. Mai 1864. Brief vom 15. Dez. 1863. Briefe vom 31. Mai 1864 und 9. Aug. 1864.
Einführung
19
Tode. Die dritte Schwiegertochter Marie von Schwarzburg-Rudolstadt hielt Alexandrine mit 18 Jahren dann doch für „etwas sehr jung“ im Vergleich zu ihrem 1823 geborenen Sohn. Maries Entschluss zur Heirat mit Friedrich Franz II. führte Alexandrine unter anderem auf die pastorale Lektüre über ihre Vorgängerin Auguste zurück.93 Und auch Marie wurde gemustert: ihr Benehmen in der Gesellschaft und ihre körperlichen Vorzüge, die allerdings „durch die neumodischen toiletten ganz verhunst“ seien.94 Anders als bei Auguste ängstigte Alexandrine nun nicht mehr die Gesundheitsgefahr der fortlaufenden Schwangerschaften, sondern die Versorgung der wachsenden Nachkommenschaft: „Sehr freuen thun wir uns nicht. Es sind schon so viele Kinder.“95 1876 sollte noch ein Kind, das neunte überlebende, geboren werden. Alexandrine begegnete ihren Enkeln ausgesprochen nahbar: „Es macht mir gar zu viel Freude, sie um mich zu haben, und sie lieben mich sehr“.96 Sie brachte bei häufiger Abwesenheit der Eltern die eigentlich von Kinderfrauen und Bediensteten umsorgten Herzoginnen und Herzöge selbst zu Bett.97 Im Briefwechsel finden sich immer wieder, wie für die erste Jahrhunderthälfte auch, interessante medizinische Bemerkungen, etwa Informationen zu kundigen „Damenärzten“ und brauchbaren Hebammen.98 Die Anordnungen der vor der Entbindung der Großherzoginnen angereisten Mütter wurden von Alexandrine kritisch begleitet und die Vorgänge detailliert geschildert.99 Die Großherzogin kannte sich aus, nicht nur mit Geburten, sondern auch mit dem Sterben. In den blühenden Gärten der französischen Riviera stand sie ihrer lungenkranken Schwester Luise, einer schwierigen Patientin, zur Seite,100 nicht ahnend, dass ihr Enkel, der asthmakranke Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.), in Cannes unter mysteriösen Umständen ums Leben kommen sollte.101 Alexandrines jüngerer Sohn Wilhelm findet im Briefwechsel häufig Erwähnung. Des Herzogs Bankrott und militärischer Ehrverlust blieben jedoch zwischen Großherzogin und Königin weitgehend ausgespart. Zu groß war die Peinlichkeit von Wilhelms die Monarchie mit Skandalen traktierende Charakterschwäche, die von Mutter und Tante auf Langeweile, Leichtsinn und betrügerischen Wucher zurückgeführt oder der „Wirthschaft mit den Tänzerinnen“ zugeschrieben wurde.102 Dessen ungeachtet ermöglichten die Hohenzollern dem apanagierten Mecklenburger Herzog neben der Wiedereinstellung in ihre Armee auch noch eine standesgemäße Eheschließung mit Prinzessin Alexandrine 93 Brief vom 2. März 1868. Siehe das Buch des Schweriner Hofpredigers Jahn, Karl August Wilhelm: Auguste, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin. Ein Lebensbild, Schwerin 1863. 94 Briefe vom 7. und 18. Juli 1868. 95 Brief vom 2. April 1873. 96 Briefe vom 19. Juni und 22. Sept. 1854. 97 Brief vom 2. Okt. 1854. 98 Briefe vom 2. Okt. 1858 und 14. März 1872. 99 Briefe vom 5. April 1864, 10. April 1865, 7. Nov. 1868 und 23. Aug. 1869. 100 Brief vom 6. Jan. 1870. 101 Hergemöller, Bernd-Ulrich: Über die letzten Vorgänge beim Ableben seiner Königlichen Hoheit, Großherzog Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin, im Jahre 1897, in: MJB 119 (2004), S. 279–292. 102 Briefe vom 14. Jan. 1852 und 24. Sept. 1856.
20 Einführung von Preußen (1842–1906). Eindrücklich schilderte die Großherzogin die das Haus Mecklenburg erniedrigenden Audienzen, bei denen ihr Sohn Wilhelm und sie selbst von ihrer Schwägerin Königin Augusta von Preußen zurechtgewiesen wurden.103 Die Ehe stand nicht nur deswegen unter keinem guten Stern. Prinzessin Alexandrine ließ nach Ansicht ihrer gleichnamigen Schwiegermutter Selbstbeherrschung vermissen und hätte von einem liebevollen Gatten „mit Ernst geführt“ werden müssen.104 Herzog Wilhelm war nun gar nicht der Mann dafür und hatte genug mit seiner eigenen Unbeherrschtheit zu tun, und so endete die 1865 von Elisabeth und Alexandrine eingefädelte Ehe im Desaster.105 Darunter litt wieder ein Kind, die 1868 in der Residenz Schloss Bellevue geborene Herzogin Charlotte zu Mecklenburg. Das preußisch-mecklenburgische Ehedrama sah aus der Ferne in Ludwigslust auch noch die greise Erbgroßherzoginwitwe Auguste: „[…] ihr frommer Sinn, ihr Glaube hällt sie. Sie kann recht als Beispiel gelten.“106 Die Einsegnung des Schweriner Erbgroßherzogs erlebte die fast 90-Jährige schwach, aber „ganz bei der Sache“.107 Die gelehrte Fürstin beschäftigte sich immer noch „sehr ernst“ mit ihren theologisch-naturphilosophischen Studien.108 Auch auf ihrer greisen Schwiegermutter ruhte Alexandrines pflegerischer Blick: „Es ist aber unglaublich mit 92 Jahr, in 3 Monaten 93 Jahr, so zu gehen und Treppen zu steigen. Bloß ihre Willenskraft hat es durchgesetzt, denn im Zimmer turkelt sie umher und muß sich an Allem festhallten.“109 Taub und blind, jedoch klaren Geistes starb die Erbgroßherzogin 1871: „Mit ihr geht die alte Zeit ganz zu Ende und viele Erinnerungen.“110 Da auch Alexandrine über 90 Jahre alt werden und Königin Elisabeth um fast 20 Jahre überleben sollte, konnte die Großherzogin noch die Verheiratung ihrer Enkel und Enkelinnen begleiten. Das wurde bei Herzoginnen zu einem heiklen Thema, wenn die erste Verlobung mit dem Skandal einer Wiederauflösung endete.111 Als danach 1872 die Romanows eine Eheverbindung mit Herzogin Marie zu Mecklenburg planten – Schrecken und Überraschung zugleich –, waren sich Alexandrine und Großherzog Friedrich Franz II. einig: „Wünschen thuen wir die Parthie nicht, indessen ausschlagen konnten wir 103 Briefe vom 24. Juli 1865 und 28. Juli 1868; Schönpflug, Daniel: Heirs before the Altar. Hohenzollern Marriages in a Bourgeois Age, in: Müller, Frank Lorenz und Mehrkens, Heidi (Hg.): Sons and Heirs. Succession and Political Culture in Nineteenth-Century Europe, Basingstoke 2016, S. 53– 71. 104 Brief vom 16./4. Dez. 1852. 105 Zum „Mecklenburger Hof“ in Berlin siehe Krieger, Bogdan: Das Königliche Schloß Bellevue bei Berlin und sein Erbauer Prinz Ferdinand von Preußen, Berlin 1906, Reprint Berlin 2008, S. 167. 106 Brief vom 1. Nov. 1862. 107 Brief vom 10. Okt. 1866. 108 Brief vom 9. Sept. 1867. Wiese, René: Erbgroßherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin (1776–1871) – Wegbereiterin der Erweckungsbewegung, in: Tietze, Claudia u.a. (Hg.): Auf den zweiten Blick. Frauen und Männer der Nordkirche vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Husum 2017, S. 217–230. 109 Brief vom 12. Aug. 1869. 110 Brief vom 4. April 1871. 111 Brief vom 8. Aug. 1871.
Einführung
21
sie auch nicht. Aber die Religion wird festgehallten, da wollen wir nun sehen, ob sie dort nachgeben.“112 Königin Elisabeth staunte, dass die Ehe unter diesem Vorbehalt überhaupt zustande kommen könne und eine „lutherische Großfürstin in Rußland möglich wäre“.113 Neben den hochadligen Verbindungen mit regierenden Häusern hatten Alexandrine und Elisabeth auch immer die Versorgung ihrer „Umgebungen“ im Blick. Sie kümmerten sich um verarmte oder verwaiste Adelstöchter114 und sondierten Versorgungsmöglichkeiten im Berliner Luisenstift, an ihren Höfen oder in den mecklenburgischen Jungfrauenklöstern, die Elisabeth für reich hielt.115 Sorgen um das Wohlergehen der Untertanen kamen wenig zur Sprache, was wohl auf den – bei allen sozialen Verwerfungen – aufkommenden Wohlstand in einer sich industriell entwickelnden Gesellschaft zurückzuführen ist, von dem auch ein Agrarexportland wie Mecklenburg bis in die 1870er Jahre durch hohe Getreidepreise profitierte.116 Eingestreut finden sich allerdings misstrauisch-vorwurfsvolle Bemerkungen über Polen, Juden und Spekulanten, wenn Dinge passierten, die Königin und Großherzogin nicht passten.117 Die Überlieferungsgeschichte der Briefe118 ist bereits in der Einführung des ersten Bandes der Edition dargestellt worden. Die editorischen Grundsätze sind dieselben: Die Briefe sind vollständig und ungekürzt wiedergegeben. Um die originale Schreibweise zu bewahren, sind orthografische, grammatische und syntaktische Eigenheiten beibehalten worden, soweit sie den Sinn nicht verdunkeln und die Lesbarkeit erschweren. Bei fehlender Zeichensetzung und stark verschliffenen Wortendungen wurde, da die Briefedition keinen philologischen Ansatz verfolgt, stillschweigend ergänzt und dem heutigen Gebrauch angepasst, da nicht immer klar war, ob tatsächlich grammatische Defizite oder nur Flüchtigkeiten und Verschreibungen vorherrschen. Eckige Klammern kennzeichnen tiefer eingreifende Ergänzungen der Herausgeber oder Auslassungen aufgrund von Unleserlichkeit. Zugunsten des Leseflusses sind alle Abkürzungen stillschweigend aufgelöst worden. Die lateinische Schreibweise ist abweichend von der deutschen Kurrentschrift kursiv gesetzt. Aufgelöst wurden auch alle Anreden, Ränge und Titulaturen, von denen viele heute 112 Brief vom 12. Sept. 1872. 113 Brief vom 24. Sept. 1872. 114 Briefe vom 3. Febr. 1857, 30. Sept. 1870 und 12. Febr. 1872. 115 Briefe vom 12. Febr. 1872 und 4. Dez. 1873. 116 „Da ist das Wasser auch wieder so hoch gestiegen. Es ist Elend überall. Hier im Lande thut der viele Regen sehr viel Schaden, die Kartoffels Krankheit zeigt sich sehr, für die armen Leute recht hart.“ Brief vom 16. Aug. 1855. 117 Briefe vom 11. Aug. 1860, 7. Aug. 1873 und 11. Okt. 1873. 118 LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 45: Briefe der Königin Elisabeth von Preußen an ihre Schwägerin Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, 1837–1873; Nr. 73: Briefe der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin an Königin Elisabeth von Preußen, 1824–1855; Nr. 74: Briefe der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin an Königin Elisabeth von Preußen, 1856–1873.
22 Einführung nicht mehr ohne Weiteres geläufig sein dürften. Für den Umfang der Anmerkungen und die Ausführlichkeit des Personenregisters sind erneut die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen worden, gegen die Aufblähung der Fußnoten und für den Lesekomfort. In den Briefen angeführte Personen werden bei ihrer jeweils ersten Erwähnung in einer Fußnote biografisch kommentiert, wenn dies für den Kontext oder zum Auffinden im Personenregister notwendig ist. „Mglw.“ und „verm.“ erscheint, wenn auf eine Person mit einiger Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. Um auch das Personenregister kompakt und übersichtlich zu halten, bieten die Fußnoten eine Konkretisierung der erwähnten Personen, und zwar mit ihren dem Briefdatum entsprechenden Titeln, Stellungen und Namen, im Register werden sie jedoch mit den Namen und Rängen am Ende ihres Lebens wiedergegeben. Ohne erläuternde Anmerkungen bleibt in der Regel ein Kreis häufig genannter Personen aus der engen Familie und dem Lebensumfeld der Briefpartnerinnen. Zum besseren Verständnis der komplexen dynastischen Beziehungen sind diese Personen dem edierten Text mitsamt der innerfamiliär verwendeten Kosenamen wieder vorangestellt. Ins Personenregister aufgenommen worden sind auch die Komponisten sowie Schriftsteller und Schriftstellerinnen, von denen nur die Werke in den Briefen erwähnt werden. Die zeitgenössische Schreibung der Ortsnamen wurde nur dann in den Fußnoten verbessert, wenn andernfalls eine Auffindung im Register gefährdet schien. Fehler und Versehen sind wie auch für den ersten Band der Briefedition nicht auszuschließen. So wird dort in der Liste der häufig genannten Personen Auguste Gräfin von Harrach, die morganatische Ehefrau König Friedrich Wilhelms III. von Preußen, als Fürstin Lichtenau geführt. Das ist natürlich falsch und muss Fürstin von Liegnitz heißen. Wir danken erneut unseren Mitherausgebern der „Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns“ für die Aufnahme auch des zweiten Bandes der Briefedition in diese Reihe. Frau Dr. Antje Strahl, Rostock, hat wieder das Register erstellt und wertvolle Hinweise gegeben.
Häufig genannte Personen (Kommentierung nur bei erster Nennung oder zur Unterscheidung) Verwandtschaft Adalbert von Preußen, Prinz (1811–1873)
Adalbert
Albrecht von Preußen, Prinz (1809–1872)
Abat, Abbat, Albrecht, Albert
Albrecht von Preußen, Prinz (1837–1906)
Abat, Abbat (Sohn), Lang Abbat
Alexander II. von Russland, Kaiser (1818–1881)
Sache, Sasche
Alexandra Fjodorowna von Russland, Kaiserin, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860)
Charlotte
Alexandra Iossifowna von Russland, Großfürstin, geb. Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911)
Sanni, Sanny, Sany
Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1803–1892)
Adine
Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1842–1906)
Adine, Adinchen, Adi, Ady, Addy,Addi, Addie
Alexandrine von Windisch-Graetz, Prinzessin (1850–1933)
Adini
Amalie Auguste von Sachsen, Königin, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877)
Amelie, Amélie
Amalie von Schweden, Prinzessin (1805–1853)
Amelie, Amélie
Anna von Mecklenburg-Schwerin, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1843–1865)
Anna
Anna zu Mecklenburg-Schwerin, Herzogin (1865–1882)
(Klein) Annchen
Augusta Karoline von Mecklenburg-Strelitz, Großherzogin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge (1822–1916)
Auguste (von Strelitz), Erbgroßherzogin
Augusta von Preußen, Königin und Kaiserin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890)
Auguste, Augusta, die hohe Frau
Auguste von Liegnitz, Fürstin, geb. Gräfin von Harrach (1800–1873), morganatische Ehefrau König Friedrich Wilhelms III. von Preußen
Erlaucht, die Fürstin
Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von HessenHomburg, Erbgroßherzogin (1776–1871)
Mama, Schwiegermama
24
Häufig genannte Personen
Auguste von Mecklenburg-Schwerin, Großherzogin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1862)
Auguste
Carl von Preußen, Prinz (1801–1883)
Karl, Carl
Caroline von Dänemark, Kronprinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876)
Lilli
Charlotte von Sachsen-Meiningen, Erbprinzessin, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855)
Lolo, Lollo
Elisabeth von Hessen-Darmstadt, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885)
Elschen
Elisabeth von Preußen, Königin, geb. Prinzessin von Bayern (1801– 1873)
Elis, Elies, Lore
Friedrich der Niederlande, Prinz (1797–1881)
Fritz (Oranien)
Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, Großherzog (1823– 1883)
(Mein) Fritz
Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin, Großherzog (1851–1897)
Friedrich, der dicke Junge
Friedrich Karl von Preußen, Prinz (1828–1885)
Fritz Karl, Fritz Carl
Friedrich Wilhelm II. von Mecklenburg-Strelitz, Großherzog (1819–1904)
Fritz (Strelitz)
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, König (1795–1861)
(Bruder, König) Fritz, Butt, der Dicke
Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen, Prinz (1831–1888)
Fritz Wilhelm
Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen, Prinz (1794–1863)
Fritz Louis
Georg von Mecklenburg-Strelitz, Großherzog (1779–1860)
Onkel (Georg, George Strelitz)
Georg zu Mecklenburg-Strelitz, Herzog (1824–1876)
Georg, George (Strelitz)
Gustav zu Mecklenburg-Schwerin, Herzog (1781–1851)
Onkel (Gustav)
Helena Pawlowna von Russland, Großfürstin, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873)
Helene, Helena
Helene von Orléans, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwe- Helene (Orleans) rin (1814–1858) Hugo von Windisch-Graetz, Fürst (1823–1904)
Hugo
Johann von Sachsen, König (1801–1873)
Johann, Johannes
Karl von Bayern, Prinz (1795–1875)
Karl, Carl
Katharina zu Mecklenburg-Strelitz, Herzogin, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894)
Cathy, Cathi, Kathi, Katharina, Katy
Konstantin Nikolajewitsch von Russland, Großfürst (1827–1892)
Costy
25
Häufig genannte Personen
Luise der Niederlande, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870)
Luise
Luise von Baden, Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923)
Luise, Wiwi
Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Landgräfin, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901)
Luise, Wiwi
Luise von Schweden, Königin, geb. Prinzessin der Niederlande (1828–1871)
Puttchen, Putchen (Königin)
Luise von Windisch-Graetz, Prinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859)
Luise, Louise, Wiwi
Maria Anna von Preußen, Prinzessin, geb. Prinzessin von AnhaltDessau (1837–1906)
Marianne, Mariann, Marianna, Mariannchen
Marie von Bayern, Königin, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889)
Mariechen
Marija Pawlowna von Russland, Großfürstin, geb. Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920)
Marie, Mariechen, Marichen
Marie von Mecklenburg-Strelitz, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1880)
Marie (von Strelitz)
Marie von Preußen, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-WeimarEisenach (1808–1877)
Mary, Marie (Carl, Karl)
Marie von Sachsen-Altenburg, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862)
(Schwägerin) Marie (Altenburg)
Marie von Sachsen-Meiningen, Herzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888)
Marie (Meiningen)
Marie zu Wied, Fürstin, geb. Prinzessin der Niederlande (1841–1910)
Marietche, Maridche, Marietge, Marietje, Mariechen, Mariche
Marija Alexandrowna von Russland, Kaiserin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1824–1880)
(Kaiserin) Marie, Mary Marie Douci, Duzi, Duci
Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, Gräfin Stroganowa, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819– 1876)
Mary, Marie
Michael Nikolajewitsch von Russland, Großfürst (1832–1909)
Mische, Mishi, Michel, Mischel
Nikolaus I. von Russland, Kaiser (1796–1855).
Nicola, Nicolas, der Kaiser
Nikolaus Nikolajewitsch von Russland, Großfürst (1831–1891)
Nisi, Nicola
26
Häufig genannte Personen
Olga von Württemberg, Königin, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892)
Olga, Olly
Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin, Herzog (1852–1923)
Paul, Paulchen
Sophie Friederike von Österreich, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872)
Sophie
Victoria von Preußen, Prinzessin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1840–1901)
Victoria
Wilhelm von Braunschweig, Herzog (1806–1884)
William
Wilhelm von Preußen, Prinz (1783–1851)
Onkel (Wilhelm)
Wilhelm I. von Preußen, König und Kaiser (1797–1888)
Wilhelm, Helmchen
Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin, Herzog (1827–1879)
Wilhelm, Wilhelmchen, Schnaps
Höfisches Umfeld Brandenburg, Mathilde von, Gräfin, geb. von Massenbach (1798– 1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, geb. Prinzessin von Bayern
Mathild, Mathilde (Brandenburg)
Fersen, Elisabeth (Elise) von, geb. von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen
Elise Rauch, Elise Fersen
Finck von Finckenstein, Karl, Graf (1793–1866), preuß. Offizier und Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von MecklenburgStrelitz (1819–1904) und des Herzogs Wilhelm zu MecklenburgSchwerin, zweiter Kammerherr der Königin Elisabeth von Preußen (1827–1879)
Graf Finkenstein
Gallenfeld, Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen
(Fräulein von) Gallenfeldt, Gallenfeld
Grimm, Heinrich Gottfried (1804–1884), preuß. Generalstabsarzt und kgl. Leibarzt
Grimm
Kamecke, Leopoldine von (1782–1856), Gouvernante der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen
(Fräulein) Kameke
Mandt, Martin Wilhelm von (1799–1858), Leibarzt von Kaiser Nikolaus I. von Russland
Mandt, Mand
Manteuffel, Otto Theodor Freiherr von (1805–1882), preuß. Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten
(Minister) Manteufel, Manteuffel
Meyendorff, Peter von (1796–1863), russ. Gesandter am preuß. Hof
Meyendorf
27
Häufig genannte Personen
Münster-Meinhövel, Hugo Eberhard Graf zu (1812–1880), preuß. General der Kavallerie, preuß. Militärbevollmächtigter in Russland, außerordentl. Gesandter am kurhess. Hof
(Hugo) Münster
Rochow, Theodor von (1794–1854), preuß. Generalleutnant und außerordentl. Gesandter in Russland
Rochow
Schöning, Marie (Mary) von (1820–1909), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen
(Mary) Schöning
Stolberg-Wernigerode, Anton Graf zu (1785–1854), Generalleutnant und preuß. Staatsminister
Stolberg
Briefe 1851–1873
1851 Schwerin, den 16ten Januar 1851 Meine liebe Elis, der so herzlichen und freundlichen Einladung von Dir und Fritz zum Ordensfest kann ich doch nun nicht folgen, da es meinem Herzen und Gefühl so ganz entgegen ist. Der Tod vom lieben Onkel hat mich doch tief ergriffen!1 Die Beisetzung gestern hat mich recht angegriffen. Es rief zu mächtig alle Gefühle und Schmertzen wach, die im gewöhnlichen Leben sich ruhig und gleichmäßig erhallten, aber bei solchen Gelegenheiten so heftig hervorgerißen werden, daß es Mühe macht, sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ich habe zu viel Schmertzliches erlebt und durchgemacht, als daß die Wunde je heilen kann. Sie blutet im Stillen fort. Doch nun nichts mehr davon. Das Ordenfest ist diesmal ein recht tief bedeutungsvolles Fest, was ich zu gern als alte Preußin mitgefeiert hätte und für die Dauer der Glorie der Krone in der neuen, schönen Kapelle gebetet.2 So werde ich es in der Ferne thuen, und das recht aus Inbrunst meines Herzens. Fritz wird Freitag Abend anlangen, und Wilhelm wird am Morgen die Orden vom armen Onkel überbringen.3 Die ganze Feier der Beisetzung war recht schön und ergreifend. Ich war in der Villa4 bei der Einseegnung der Leiche und fuhr dann nach dem Schloß zurück, wo ich den Zug vorüber gehen sah. Der Onkel steht in dem Monument bei seiner Mutter und seinem Bruder Karl, so hatte er es selbst bestimmt.5 Von meiner Luise habe ich vom 12ten aus Prag einen Brief, wo sie sehr glücklich angekommen waren, aber noch nichts vom Tode des Onkels wußten, sondern an eine Menge Feste theilnehmen sollten, wozu ich Ballkleider und dergleichen senden möchte. Sie legt sich Dir noch ganz besonders zu Füßen und dankt so für die liebevolle Theilnahme und wie sie glücklich gewesen wäre, Dich wieder gesehen zu haben. Was macht denn Babau?6 Ich bin schrecklich neugierig, wie sie sich nimmt und wie sie jetzt denkt. Nach der Zeitung ist Hugo Münster7 in Potsdam angekommen, aber ohne alle Bemerkung, ob aus Petersburg. Daher glaube ich nicht recht daran. Ist etwas vorgefallen, daß er express geschickt worden ist? Nun leb wohl, mit treuer Liebe, Deine Adine 1 Herzog Gustav zu Mecklenburg-Schwerin (1781–1851) war am 10. Jan. in Ludwigslust gestorben. 2 150-jähriges Krönungsjubiläum und Fest des Schwarzen Adlerordens zum Andenken an den Erwerb der preuß. Königskrone am 18. Jan. 1701. 3 Rückgabe des Großkreuzes des preuß. Roten Adlerordens und Kgl. Preuß. St. Johanniter-Ordens des Herzogs Gustav zu Mecklenburg-Schwerin. 4 Villa Gustava, Residenz von Herzog Gustav zu Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust, 1830–1832 errichtet. 5 Louisen-Mausoleum im Schlosspark von Ludwigslust, 1809–1810 nach einem Entwurf von Hofbaumeister Johann Georg Barca errichtet für Herzogin Luise von Mecklenburg-Schwerin (1756– 1808). Ihr Sohn Herzog Karl zu Mecklenburg-Schwerin (1782–1833) war ebenfalls dort bestattet worden. 6 Abfällig für Prinzessin Augusta von Preußen, frz. und ital. für Popanz, Buhmann oder Butzemann. 7 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
32
Briefe 1851–1873
Charlottenburg, den 21ten Januar 1851 Zürne nicht, meine Adine, daß ich erst heute für Deinen lieben Brief danke, den mir Dein Wilhelm brachte. Ich wollte die Antwort an Fritz8 mit geben, weil ich glaubte, daß er von Spandau aus wegfahren [würde], da er aber noch nach Berlin ging, war es nicht möglich, und die lezten Tage waren sehr thatenreich. Ich dachte es wohl, daß Du nicht kommen würdest, und eigentlich begreiffe ich es auch, aber der Dicke rechnete so gewiß darauf, daß ich am Ende auch daran glaubte. Es thut mir gar zu leid, daß Du den 18ten nicht mit uns erlebt hast. Es war ein schönes Fest.9 Fritz wird es Dir recht beschrieben haben, und besser als es mit der Feder geht. Das Knieen hatte mir Fritz10 verbothen, bis im Moment des Gebetes. Ich glaube, daß der Schreck allgemein war, es soll aber sehr feyerlich ausgesehen haben. Ich zog mich noch besser heraus, als ich dachte. Zum Glück hatte ich einen Fußsack, auf dem ich kniete. Der Gesang war herrlich. Es ist nur eine schlimme Sache in der Kapelle, es zieht furchtbar. Ich nahm etwas, und besonders, da ich den Tag und die Nacht vorher sehr unwohl war. Auguste aber nahm nichts und wurde auch gleich den andern Tag unwohl. Ich glaube immer, daß der Toast, den Fritz ausbrachte, sie auch am meisten krank machte, denn sie wurde ganz blaß und sprach nachher beynahe gar nicht mehr mit Fritz.11 Ich sagte es gleich Deinem Sohn. Ich habe sie nur wenig erst gesehen, und ich höre, sie reist schon den 30ten ab. Fritz Wilhelm war auf wenige Tage hier. Er ist größer wie sein Vater und Gottlob wohl und stark, aber die Aehn lichkeit mit Karl von Weymar12 hat mich wieder recht frappirt. Noch hat er keine militairische tourneaux,13 aber ich denke, es kömmt noch. Es ist ein gar guter, reiner Mensch. Der 18te war furchtbar fatiguant und ich halb todt. Die erste Nacht in Berlin machte mir einen unbeschreiblichen Eindruck. Den Abend war es mir ganz unheimlich, aber den andern Morgen waren die Zimmer ganz behaglich, und alte Erinnerungen kamen wieder, Bilder einer glücklicheren Zeit. Ich fühlte, daß ich mich nicht entschließen könnte, andre Zimmer im Schloß zu bewohnen, es wäre wie ein neues Leben ohne Erinnerungen, und dazu bin ich zu alt. Tante Wilhelms, die Rede,14 Wanda’s Andenken15 sind mit den Zimmern verwachsen. Du verstehst mich gewiß. Wir gingen in den Dom und zum diné hie-
8 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin war bis zum 20. Jan. zum Ordensfest in Berlin. 9 150-jähriges Krönungs- und Ordensfest zum Andenken an den Erwerb der Königskrone am 18. Jan. 1701. 10 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 11 Politische Differenzen zwischen der konservativen und der liberalen Partei innerhalb der preuß. Königsfamilie, hier zwischen König Friedrich Wilhelm IV. und Prinzessin Augusta von Preußen. 12 Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853), der Großvater mütterlicherseits des Prinzen Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). 13 Verm. frz. tournure = gewandtes Benehmen, Lebensart, Auftreten. 14 Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), 1823–1846 Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, war am 22. März 1847 gestorben. 15 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845).
1851
33
her zurück, aber den Abend wieder nach Berlin in den Propheten,16 den Grünewald17 noch sah. Nachher reiste er ab. Er hat bey uns doch vieles beßer gefunden, wie er dachte, und wird hoffentlich in dem Sinne berichten. Hugo Münster ist in Petersburg. Ich begreiffe diese confuse Nachricht über ihn nicht. Er schreibt, daß es mit Sanni nicht besser geht. Welches Unglück wäre das! Der Würtemberg18 fürchtet, daß Cathi’s Heyrath noch viele Schwierigkeiten machen wird. Es schien, daß man George nicht mehr nach Deutschland lassen will, und darauf besteht er und Onkel George, und er ist ja nur unter der Bedingung auf die Heyrath eingegangen.19 Wie fühle ich mit Dir, meine Adine, wie der Tod Deines Onkels, sein Begräbnis die vielen Wunden wieder aufreissen, die in Deinem Herzen sind.20 Sie heilen nie, aber die Zeit mildert den Schmerz. Hopfgarten21 sagt mir, daß der Verstorbene alle Angehörige liebevoll bedacht hat. Fritz ist heute früh nach Berlin und von da auf die Jagd. Das Wetter ist herrlich. Es ist so still hier, wenn Fritz fort ist, daß man auch nicht einen Ton hört. Ich will nachher nach Bethanien22 fahren, wozu ich immer viel Zeit brauche. Ist der Toast, den Fritz ausbrachte, nicht schön? Seine Freundlichkeit für Manteuffel23 freute mich auch sehr. Deine arme Luise wird recht betrübt seyn. Grüße sie doch recht herzlich von mir. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Mathild geht es gut, sie lachte gestern herzlich. Wir haben über ihre Zukunft gesprochen und sind ganz einig, nur wünscht sie nicht im Schloß zu wohnen, der Töchter wegen.24
16 „Der Prophet“, Oper von Giacomo Meyerbeer (1791–1864). 17 Otto Magnus von Grünewald (1801–1890), russ. Reisemarschall der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg. 18 Prinz August von Württemberg (1813–1885). 19 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) war mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) verlobt und zum russ. General ernannt worden. Die Heirat fand am 4./16. Febr. 1851 in St. Petersburg statt. Das Paar lebte anschließend hauptsächlich im Michailowski-Palast in St. Petersburg, aber auch auf „Schloss“ und Gut Remplin in Mecklenburg-Schwerin, dessen Erwerb aus den Brautgeldern finanziert wurde. 20 Tod von Herzog Gustav zu Mecklenburg-Schwerin am 10. Jan. und seine Beisetzung am 15. Jan. im Louisen-Mausoleum im Schlosspark von Ludwigslust. 21 Ernst von Hopffgarten (1797–1862), mklbg.-schw. Flügeladjutant. 22 Diakonissen-Krankenhaus in Berlin-Kreuzberg, errichtet ab den 1840er Jahren im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 23 Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882), preuß. Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten. 24 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855). Nach dem überraschenden Tod ihres Mannes Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) am 6. Nov. 1850 plante Königin Elisabeth von Preußen, sie zu ihrer Oberhofmeisterin zu ernennen. Sie hatte vier unverheiratete Töchter zu versorgen: Wilhelmine (1821–1902), Luise (1823–1884), Friederike (1828–1893) und Alexandra (1834–1885).
34
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 22ten Januar 1851 Eben, meine Elis, erhielt ich Deinen lieben Brief. Wie kannst Du nur denken, daß ich verlangte, Fritz sollte mir einen Brief von Dir mitbringen nach diesen fatiganten Tagen. Die Feier25 soll aber außerordentlich schön gewesen sein, und ich freue mich, daß Du alles so gut ertragen hast. Es war ein bißchen viel. Der Abend wie die Nacht in Berlin muß schrecklich gewesen sein! Aber es freut mich für Dich, daß der andere Morgen Dir die trübe Erinnerung durch die lieben, langjährigen, frohen Erinnerungen vermischt und in Hintergrund hat treten lassen. Wie fühle ich das mit Dir, daß Du diese Zimmer nicht vertauschen möchtest, da Du so viele Jahre darin gewohnt und mit ihnen verwachsen bist. Der Schmertz bindet auch fest und das Andenken an der geliebten Tante Wilhelm,26 was grade dort so lebhaft sein muß, auch an Wanda27 und der guten alten Reden,28 die Dir so attachiert war und es treu meinte. Ja, viele sind uns voran gegangen. Für Babau29 war dieser Festtag wohl in mancher Hinsicht nicht erwünscht, und ich kann sie mir erblaßen denken bei dem schönen Toast, der uns unsere Herzen mit Freuden erfüllte, auch die Art, wie er Manteufel ehrte, war wohlthuend. Ich war mit meinen Gedanken so viel bei euch, Auguste30 auch, eine treue Preußin. Wir tranken auf das Wohl Preußens. Gott erhallte es, befestige die Krone immer mehr und lasse Preußens Adler hoch fliegen. Aber für die Östreicher warne ich doch. Sie machen gerne Übergriffe. So erleben wir es jetzt. Es war ausdrücklich gesagt, Meklenburg sollte nicht berührt werden oder doch nur flüchtig beim Durchmarsch, was sich Fritz auch ausbedungen. Nun kömmt die Anzeige, daß das Cavallerie Corps in Meklenburg stehen bleiben wird. Es ist von neuem protestiert worden. Nun wollen wir sehen, ob es hilft.31 Von Luise (Schwester) habe ich einen Brief vom 18ten, wo sie mir schreibt, daß Puttchen denn bestimmt nicht in anderen Umständen ist. 5 Monate hat man es sich eingebildet und nun tanzte sie und amüsierte sich prächtig. Was Du mir von Sanny schreibst, ist 25 150-jähriges Krönungs- und Ordensfest zum Andenken an den Erwerb der Königskrone am 18. Jan. 1701. 26 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). 27 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845). 28 Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), 1823–1846 Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen. 29 Abfällig für Prinzessin Augusta von Preußen, frz. und ital. für Popanz, Buhmann oder Butzemann. 30 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862). 31 Durchmarsch österr. und preuß. Exekutionstruppen über Boizenburg und Lauenburg nach Holstein im Auftrag des Deutschen Bundes. Bis zum 4. Febr. wurden das österr. Cheveaux-legers-Regiment Windisch-Grätz mit vier Artilleriebatterien und mehreren Kolonnen, insgesamt 3200 Soldaten und ebenso vielen Pferden in mehreren Städten und Ämtern in Westmecklenburg einquartiert. Der mklbg.-schw. Oberstleutnant und Flügeladjutant Hermann von Zülow (1806–1879) überbrachte am 24. Jan. dem Befehlshaber der österr. Exekutionstruppen Feldmarschallleutnant Ignaz von Legeditsch (1791–1866) den Protest zur Entfernung der österr. Truppen aus Mecklenburg, am 8. Febr. einen weiteren, in dessen Folge der größte Teil der österr. Truppen nach Lauenburg und Holstein verlegt wurde.
1851
35
zu betrübt. Man muß wohl ein großes Geheimnis daraus machen, da der Vater und die Schwestern es nicht ahnen. Marie, meine Schwägerin, schrieb mir neulich, weil sie es gehört, daß Sanny gefährlich sei, und ich möchte ihr Nachricht geben, was ich wüßte. Sie würde es aber nicht weitersagen. Ich fürchte, es wird wie mit Adini, die galoppierende Schwindsucht, obgleich, wie sie in Dobbran war, voll und stark gewesen sein soll. Wenn es wirklich wahr ist mit den Schwierigkeiten bei der Heirath von Cathy und George, so wundert es mich nicht, denn Charlotte sagte mir schon so etwas, man sollte Helene nicht trauen.32 Es ist aber abscheulich, und wenn ich George recht kenne, so läßt er die Ehe eher auseinandergehen, als daß er nachgiebt. Und er kann es auch nicht wegen dem Verhältnis in Strelitz. Außerdem liebt er seine Braut nicht, seine Liebe ist noch in Berlin. Ob man davon vielleicht etwas bei Helene erfahren hat? Das Verhältnis dauert seit Jahren, und sie soll ihn fester wie je hallten. Mein Wilhelm ist darüber so wüthend und sieht die Dame garnicht mehr seit der Zeit.33 Da man die Briefe in Rußland öffnet, so könnte man dahinter gekommen sein. Wir leben natürlich sehr still. Ich sehe des Abends zwei Damen gewöhnlich, dann vergehen die Stunden rasch. Nun leb wohl, von Charlotte selbst hat Münster wohl nichts geschrieben, wie es mit ihrer Gesundheit gehet. Deine treue Adine Wegen dem Schwanenorden ist wohl dies Jahr am 18ten noch nichts geschehn. Fritz sagte doch, er wollte es den Prinzessinnen geben. Schwester Luise schrieb mir darüber, ob man die Entfernten nicht vergeßen würde!34 Wegen Mathilde freue ich mich, daß Du mit ihr gesprochen wegen der Zukunft.35 Daß sie nicht auf dem Schloß wohnen will, ist wegen der Töchter vernünftig, für Dich und die Meldungen aber höchst unbequem. Charlottenburg, den 27ten Januar 1851 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief vom 22ten, der mich sehr erfreute. Ich bin ganz froh, daß Du auch begreiffst, daß ich keine andern Zimmer im Schloß von Berlin bewohnen möchte, so wenig Menschen verstehen das. Wir werden 32 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), und die geplante Heirat ihrer Tochter Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) mit Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876). Die Heirat fand am 4./16. Febr. 1851 in St. Petersburg statt. 33 Person nicht zu identifizieren. Von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin sind Anfang der 1850er Jahre mehrere Beziehungen in Berlin bekannt, u.a. mit der Schauspielerin Edwina Viereck (1826–1856) und der Tänzerin Marie Taglioni der Jüngeren (1830–1891). 34 Geplante Verleihung des preuß. Schwanenordens durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen an alle preuß. Prinzessinnen. 1843 hatte der König den 1440 gestifteten Orden als freiwillige Gesellschaft für alle Geschlechter, Stände und Konfessionen erneuert, ohne dass dieser in der Folge jedoch praktisch wirksam wurde. 35 Nach dem überraschenden Tod von Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) am 6. Nov. 1850 plante Königin Elisabeth von Preußen, dessen Witwe Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), zu ihrer Oberhofmeisterin zu ernennen.
36
Briefe 1851–1873
wohl künftigen Monat auf einige Wochen hinziehen. Ich freue mich schon jetzt auf die Rückkehr. Es wird eine fatiguante Zeit seyn. In Berlin fängt man an, etwas zu tanzen. Jeden Mondtag wollen Arnims von Boizenburg36 empfangen, Budbergs37 Donnerstag und Manteuffel Dienstag. Bis jetzt soll es beyspiellos langweilig gewesen seyn, weil so gar nichts in der Gesellschafft war. Die Babau38 reist den 1ten ab. Sie war seit dem Ordensfest unwohl und kam gestern zum erstenmal zum Familiendiné hieher und war ganz guter Laune. Sie nehmen sich beyde, Mann und Frau, sehr in Acht und sprechen ihre Meinungen nicht aus, was gewiß sehr glücklich ist.39 Gerade den Tag, als ich Dir schrieb, war Fritz Wilhelm in so großer Gefahr.40 Mir schaudert die Haut, wenn ich an die Möglichkeit eines solchen Unglückes denke! Wir können Gott nicht genug danken. Sein Waggon rollte auch hinunter, und er fiel auf seine Herren, bekam eine kleine Contusion am Hinterkopf, aber Gottlob ohne weitere Folgen. Es scheint, daß Wilhelms Kinder schon wie er zu Unfällen bestimmt sind. Wenn sie nur wenigstens immer so gut ablaufen. Wilhelm hat nun das Commando der 4 Armee Korps niedergelegt und wird wohl nach Coblenz zurück kehren, was ich eigentlich bedaure. Ich habe dem Dicken Deine Warnungen vor den Oestreichern gesagt, da ich Dich, wie Du weißt, immer wie eine Prophetin verehre. Er fand, daß Du Recht hättest. Mir will eigentlich diese Occupation von Holstein nicht in den Sinn, da sie sich ja unterworfen haben. Also wozu, die Plage für die Länder? Ich dachte mir wohl, daß Putchen nicht in anderen Umständen wäre, und ich denke mir, ihr ist es vielleicht lieber in diesem ersten Winter mobile zu seyn. Vom Schwanenorden war gar nicht mehr die Rede. Ich trug meinen den 18ten, aber Fritz kam dennoch nicht darauf.41 Benkendorf42 sagt mir, daß die Nachrichten von Sanni nicht gut sind. Man scheint in Rußland wirklich ein Geheimniß daraus zu machen, ich weiß nicht warum. Die Schwierigkeiten wegen George von Streliz sind nun gehoben, sie kamen aber dießmal nicht von Helene, sondern vom Kayser43 selbst, der vom établissement im Ausland nichts wissen wollte und verlangte, er möge in Dienste treten. Nun giebt der Kayser sehr viel Zulage an seine Nichte und an George, und das établissement ist glänzend. Er schrieb nach
36 Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868), ehem. preuß. Ministerpräsident. 37 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), seit 1851 russ. Gesandter in Preußen sowie für Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. 38 Abfällig für Prinzessin Augusta von Preußen, frz. und ital. für Popanz, Buhmann oder Butzemann. 39 Prinzessin Augusta und Wilhelm (I.) Prinz von Preußen als Koblenzer „Opposition“ gegenüber dem Königshof in Berlin. 40 Zugunglück von Avenwedde bei Gütersloh am 21. Jan. 1851, bei dem die Lokomotive entgleiste und drei Menschen ums Leben kamen. Der präsumtive Thronfolger Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen befand sich auf dem Rückweg von Berlin an die Universität nach Bonn und wurde leicht verletzt. 41 Geplante Verleihung des preuß. Schwanenordens durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen an alle preuß. Prinzessinnen. Siehe Brief vom 22. Jan. 1851. 42 Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. Generalmajor und Militärbevollmächtigter in Preußen. 43 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855).
1851
37
Hause, Cathi sehe wieder blühend aus. Sie muß ihm also doch besser gefallen. Von dem Verhältniß hier hatte ich auch gehört. Das ist freylich schlimm.44 Wir haben diese Woche viel militairische Dinés gehabt, und alle bey Fatiguen, so daß ich etwas herunter war. Es ist kälter, aber heute wunderschön, die Sonne glänzend. Die arme Mathild fand ich den 24ten in Thränen. Es war der Geburtstag des lieben Brandenburg.45 Du kennst den Schmerz dieser sonst glücklichen Tage! Da wir wenig in Berlin sind, kann es nicht géniren, daß sie das Schloß nicht bewohnt. Rochow46 wird stündlich erwartet und bringt wohl Nachrichten über Charlottens Befinden, das in der lezten Zeit nicht ganz gut war. Da sie ihn noch sehen wollte, verschob er seine Abreise. Dein Wilhelm soll heute bey uns essen. Was hörst Du von Deiner Luise? Lebe wohl, Du Liebe, auf ewig, Deine alte Elis Berlin, den 23ten Februar 1851 Endlich, meine Adine, bin ich allein und kann Dir vom ganzen Herzen Glück und Segen wünschen zum heutigen lieben Tage. Gott sey mit Dir auf allen Deinen Wegen und lasse Dir das Leben nicht zu schwer seyn. Behalte mir Deine Liebe, die meinem Herzen so wohl thut. Ich hoffe, unsre Angebinde47 sind heute in Deinen Händen, den Schleyer muß ich erklären. Er gehörte Deiner theuren Mutter und wurde mir deshalb angeboten. Er gehört in Deine Hände. Dein Wilhelm wird Dir erzählen, in welch betrübtem Zustand ich bin, im Geduldsgrabe ohne gleichen, und an meiner Schrifft wirst Du merken, daß ich noch liege. Ich bin heute etwas muthlos, denn die Schmerzen, die nach den Blutigeln ganz verschwunden waren, kamen heute Nacht und diesen Morgen wieder. Aber nun geht es wieder gut, und ich freue mich der schönen Sonne für Dich und sehe sie als eine gute Vorbedeutung an. Ich bin nun hier, um zu liegen, statt aus zu gehen und Menschen und Sachen zu sehen, wie ich mir es vorgenommen hatte. Gestehe, daß es ganz erschrecklich ist, und weiß Gott, wie lange es dauern wird. Die arme Agnes48 ist ganz déroutirt49 und weiß nicht recht, an wen sie sich halten soll. Zum Glück ist Marie von Streliz sehr gut für sie.50 Daß ich für diese Gäste so gar nichts thun kann, quält mich 44 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) heiratete am 4./16. Febr. 1851 in St. Petersburg Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894). Das Paar lebte anschließend hauptsächlich im Michailowski-Palast in St. Petersburg, aber auch auf „Schloss“ und Gut Remplin in Mecklenburg-Schwerin. Herzog Georg hatte in Berlin über mehrere Jahre eine außereheliche Beziehung unterhalten. Siehe Brief vom 22. Jan. 1851. 45 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), trauerte um ihren am 6. Nov. 1850 verstorbenen Mann Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850). 46 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Generalleutnant und außerordentlicher Gesandter in Russland. 47 = Geschenke. 48 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 49 Frz. = verwirrt. 50 Großherzog Georg und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz zu Besuch in Berlin.
38
Briefe 1851–1873
auch. Der Onkel ist tauber wie je. Marie scheint wohl und munter. Sie weiß nichts von den Hoffnungen ihrer Schwiegertochter, ich fürchte also, es war ein falsches Gerücht. Der einzige Ball, den ich mit machte, war sehr schön im weissen Saal, der wirklich wundervoll jetzt ist. In diesen Räumen hat man der Erinnerung schlimmer Art viel weniger wie in meinen Zimmern.51 Ich finde so richtig, was Kleist Rezow52 mir auf dem Ball sagte: „Wie danke ich Gott, daß hier wieder ein Fest seyn kann.“ Noch dankte ich nicht für Deinen lieben Brief, der mich so herzlich freute. Wie begreiffe ich Deine Freude, Deine Landsleute zu sehen. Mathild ist beynahe täglich bey mir. Ihre Nähe thut mir wohl. Nun muß ich enden, ich schmiere zu schrecklich. Lebe wohl, meine Adine, Gott segne Dich. Fritz umarmt Dich zärtlich, ich weiß nicht, ob er Dir geschrieben hat oder noch schreiben wird. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Mit Georg53 geht es recht gut, Gottlob. Ludwigslust, den 24ten Februar 1851 Wenn auch nur flüchtig, so muß ich Dir, geliebte Elis, meinen innigstens Dank sagen und Bruder Fritz für die lieben Briefe, die ich heute ganz früh erhielt, und für die wunderschönen Geschenke. Ich bin wirklich ganz beschämt. Sie sind zu manifik. Das draps d’argent,54 die Mantille, die lieben und schönen Schleier von meiner Mama haben mir eine unerhörte Freude gemacht. Wie himmlisch gut von Dir, mir grade diesen Schleier zu bestimmen. Er ist mir ein doppelt theures Andenken. Ich habe wieder so viel schöne Sachen bekommen der ganz anderen Art, andere Räume. Schon die Eisenbahnfahrt hier her machte mir zum ersten mal den Tag weniger schwer, aber ganz in der Früh besuchte ich doch erst meine liebe, theure Stätte. Die Sonne beschien sie so freundlich, schön, aber ein recht herber contrast. Dann fehlte mir Luise wieder sehr, aber die Liebe und die Herzlichkeit von Auguste ersetzt sie mir doch sehr. Sie und Fritz haben mir so viele schöne und nützliche Sachen gegeben, ein Kleid in Silber gestickt, ein Kamin Schirm, ein violetten Samt Aufsatz, Gardinen zu 9 Fenstern für Schwerin, ein Armband, ein Gesangbuch in violettem Samt, eine violette Feder, 2 Dutzend Strü[m]pfe, [einen] dunkel blauen Regenschirm, den ich mir wünschte, schöne frische Blumen. Von Wilhelm eine Pelz Mantille, von Luise ihr Bild im Armband und etwas, was nicht angekommen ist. Von meiner Mama ein points Schnupftuch, von Marie Altenburg55 eine Mütze mit Blumen. Von Charlotte ein hellblau Armband mit 6 chatons,56 die man herausnehmen kann, zu 51 Erinnerungen an die im Berliner Stadtschloss verlebten Revolutionstage im März 1848. 52 Hans Hugo von Kleist-Retzow (1814–1892), konservativer Oberpräsident der Rheinprovinz und Mitbegründer der Kreuzzeitung. 53 Verm. Prinz Georg von Preußen (1826–1902), der in den 1850er Jahren nach Berlin kam. 54 Frz. drap d’argent = Tuch mit zahlreichen Silberfäden. 55 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 56 Frz. = Goldfassungen für Edelsteine.
1851
39
schön und hübsch. Von den übrigen Geschwistern sind Briefe da, aber die Geschenke sind noch nicht angekommen. Von der Gallenfeld eine geheckelte, weiße Decke übers Bett, von der Schöning ein Album mit Zeichnungen von Como, so hübsch gezeichnet und so ehnlich. Von Fräulein Kameke eine geheckelte, wollene Decke über die Füße zu legen und 2 Ansichten in Farbe von Fischbach. Ach, wie hat sich das verändert seit 1835, wo ich zuletzt da war. Du, meine arme Elis, bist noch immer leidend am Knie, wie mir das leid thut, und daß Dir dies in Berlin geschehn muß, wo Du für die Welt recht viel thuen wolltest. Ich denke mir die Anwesenheit von den Strelitzern57 muß Dir recht lieb sein. Es ist dann mehr wie sonst und für Agnes58 ein Trost, um sich anschließen zu können. In Dresden sieht es noch dunkel aus. Östreich nimmt sich wie immer schlecht für Preußen.59 Manteufel wird doch nicht zu viel nachgeben. Preußen stehet nun auf dem rechten Platz und darf nun nicht zu weit gehen. Leb wohl, Gott mit Dir. Ich habe schrecklich viel Briefe zu schreiben, den Strelitzern könntest Du vorläufig sagen, wie ich mich gefreut habe über ihre Briefe. Deine Adine Ludwigslust, den 10ten März 1851 Ich habe mit meiner Antwort gewartet, weil ich glaubte, eine anonce mitsenden zu können, und nun könnte es sich treffen, daß sie bald folgt. Aber heute wollte ich doch so gerne schreiben, weil ich euch alle in Charlottenburg im Monument versammelt weiß, und wir Schwestern sind nun im Geist mit dort. Möge dieser Tag für einen Jeden seinen Seegen enthallten. Ich hätte so gerne diese Tage mit Stille gefeiert. Die Herzen sammeln sich, und man wirft einen ernsten Blick in sein Inneres. Am 7ten, meine geliebte Elis, wirst Du meiner gedacht haben. Ich war ganz früh mit der Eisenbahn nach Schwerin, konnte mit Ruhe und Stille den Trauerort besuchen, dort beten. Es war eine so feierliche Stille im Dom, der Sarg mit schönen Blumen und grünen Bäumen umstellt. Es war so wehmüthig schön. Um 11 Uhr fuhr ich schon zurück, weil man ja nicht wißen konnte, was geschehe, wenn ich den ganzen Tag in Schwerin geblieben. Noch ist Auguste wohl, aber diese Woche wird sie wohl von ihrer Bürde befreit werden. Eine Rechnung ist morgen aus, die andere Sonnabend. Sie ersehnt sich die Erlösungsstunde, denn sie kann kaum noch sitzen, noch liegen oder gehen. Sonst ist sie wohl, mir ist aber doch bange! Meine Luise reiset am 12ten nach Venedig ab, wird sich in Wien einen Tag aufhallten. Ich weiß aber nicht, ob sie sich meldete, und am 16ten mittags hofften sie in Venedig anzukommen, wo sie Adini mit einem Zahn wiederfindet nach einem viertel Jahr Trennung. Sie kann kaum die Zeit erwarten. Es wird auch eine unbendige Freude sein. 57 Großherzog Georg und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz. 58 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 59 Der österr. Ministerpräsident Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800–1852) und der preuß. Ministerpräsident Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882) nahmen an den Dresdner Konferenzen teil, auf denen die dt. Staaten von Dez. 1850 bis Mai 1851 die Wiederherstellung des Deutschen Bundes verhandelten.
40
Briefe 1851–1873
Ich denke mir, daß Du und Fritz nun nach Charlottenburg gezogen seid, da die Strelitzer nach Dessau sind, wohl um die Nichte noch vor ihrer Hochzeit zu sehen. Ich freute mich recht für Dich, daß Mariannchen60 noch nach Berlin gekommen war. Mein Wilhelm schrieb mir sehr entzückt von ihr und sehr glücklich über die schönen Geschenke von euch. Von Charlotte hatte ich vom 27ten einen Brief, wonach es ihr ziemlich gut ging, und sie erzählte von Mazurka Stunden, die bei Georgens wären, wo Mary, Cathy und Doussy tanzen lernten von den Tänzern aus Warschau.61 Die Sonne schiene stark in die Zimmer, daß sie in Schweiß gebadet wären. Sanny wäre in anderen Umständen und hätte bei der Hochzeit erscheinen dürfen und ginge des Morgens im Theater, was im Carneval immer wäre. Nun leb wohl. Ach, ich lege noch einen Brief an Bruder Fritz mit ein von unserm Major von Below,62 der früher in preußischen Diensten gewesen, aber schon länger hier bei der Cavallerie stehet. Er wünscht sehr, daß sein Sohn,63 der im Cadettenhaus und 15 Jahre alt ist, trotz Fleiß nicht Tertia erlangen konnte, noch ein Jahr in Quarta bleiben darf. Die Lehrer wünschen es selbst, allein, ohne hohen Befehl kann es nicht geschehn, und diese Ausnahme ist schon mehrfach vorgekommen. Bitte lege ein Fürwort dabei ein. Der junge Mensch soll sonst sehr gut und lieb sein. Deine Adine Ludwigslust, den 19ten März 1851 Meine geliebte Elis, ich bin Großmama von einen Enkel.64 Auguste hat uns einen prächtigen, dicken und sehr großen Jungen nach 6 Stunden Leiden geschenkt. Es ging alles ganz gut, nur die letzte Stunde war sehr hart. Indeßen entwickelte Auguste so viel Kraft und Muth, und Gott stand ihr gnedig bei. Der Junge wiegt 9 Pfund und hat lange braune Haare, dunkel Augen, gleicht in der Mama ihre Famillie und schien schon Hunger zu haben, denn er steckt seine dicke Hand mit langen Fingern in den Mund, der etwas groß ist. Auguste hat die Nacht gut zugebracht und der Kleine auch. An Fritz sagst Du wohl ein Wort von mir. Deine recht matte Adine 60 Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906). 61 Bei Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) im Michailowski-Palast in St. Petersburg fanden Mazurka-Tanzstunden für seine Frau Herzogin Katharina, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), und Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), statt. Die Mazurka ist ein traditioneller poln. Tanz, der sich ab 1840 von Paris aus als Gesellschaftstanz in Europa verbreitete. Eine Variante war der „Warschauer“. 62 Wilhelm von Below (1801–1876), Major im mklbg.-schw. Dragoner-Regiment, verh. 1834 mit Clara Müller (1813–1895), Halbschwester von Emilie Fontane, geb. Rouanet-Kummer, Ehefrau des Schriftstellers Theodor Fontane. 63 Maximilian von Below (1835–1870). 64 Geburt des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin am 19. März.
1851
41 Ludwigslust, den 26ten März 1851
Wie soll ich Dir danken, geliebte Elis, daß Du mir durch Sell65 geschrieben und Nachricht vom Onkel Wilhelm gegeben.66 Gott wolle ihn uns noch erhallten. Es wäre ein zu großer Schmertz, diesen auch ausscheiden zu sehen. Ja, Du hast recht, es würde sein, als wenn die geliebte Tante uns noch einmal genommen würde. An ihn knüpfen wir so tausend liebe Erinnerungen aus unserem Leben, trauriges und freudiges, mit ihm ginge auch eine ganze Vergangenheit hinfort. Ach, Gott wird gnädig sein und ihn wieder herstellen. Vielleicht bist Du so gut und läßt mir täglich Nachricht geben, bis es besser geht. Hier bei unserer Wöchnerin geht es sehr gut, wie man es sich nur wünschen kann. Das Fieber ist ganz fort. Sie schläft die Nächte hindurch und am Tage auch sehr viel und ißt mit appetit ihre Wassersuppe. Übermorgen wird sie aufstehen und Sonnabend erwarten wir die Mutter,67 die in Köthen ist. Der Kleine schreit sehr, ist aber ein prächtiges Kind und macht uns zu viel Freude. Er wird auch hübscher schon. Wie ich höre, gehen Wilhelms mit Sack und Pack nach London. Sind sie eingeladen oder wollen sie die berühmte Ausstellung sehen?68 Es mag politisch auch recht gut sein. Wenn sie beide nur nicht verdrehter werden. Bunsen ist ganz der Mann dazu.69 Von der Politik weiß ich garnichts. Die kömmt nicht in der Wochenstube, aber der Tod des Schwartzen Mannes70 hat mich doch amüsiert. Ein schlechtes Wort für einen früheren Anbeter, und daß man seine Schwäche so in der Zeitung aufdeckt, daß er alle Prinzessinnen geliebt. Wenn man es nun einmal gethan, dann hätte man auch die Rechte nennen sollen, also mich und nicht Charlotte, an der er nie gedacht. Das nehme ich übel. Der arme Mann! Ich sehe ihn noch, wie er sonst mit meine alte Schimmel in der Wette lief und mit ihm zusammen im Thiergarten ankam. Wie freue ich mich, daß es mit der Kniephausen71 und der Itzenplitz Krähe72 besser geht. Der Hofmarschall Rantzau73 von 65 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), seit 1849 Oberhofmeister der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin. 66 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) hatte einen Schlaganfall erlitten. 67 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), Stiefmutter der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin. 68 „Great Exhibition“, erste Industrie-Weltausstellung vom 1. Mai bis 11. Okt. in London. 69 Christian Karl Josias Bunsen (1791–1860), seit 1841 preuß. Gesandter in Großbritannien. Er war Mitbegründer des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom. 70 Gemeint ist Peter Feddersen Stuhr (1787–1851), Prof. für Geschichte an der Berliner Universität, in jungen Jahren ein Verehrer der Prinzessin Alexandrine von Preußen, gest. am 13. März nach einem Schlaganfall. Siehe Bd. 1, Brief vom 23. Jan. 1845 und Meyer von Waldeck, Friedrich: Stuhr, in: ADB 36 (1893), S. 738–741. 71 Verm. Luise Gräfin von Kielmannsegg (1798–1874), verh. 1820 mit Carl Wilhelm Georg Graf zu Inn- und Knyphausen (1784–1860), seit 1844 außerordentlicher hannov. Gesandter in Preußen und Sachsen. 72 Mglw. Marie von Kröcher (1812–1852), dritte Frau des Grafen Heinrich von Itzenplitz (1799– 1883), preuß. Kammerherr, Regierungspräsident a.D., Gutsbesitzer auf Kunersdorf. 73 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg.
42
Briefe 1851–1873
meiner Mama liegt ohne Hoffnung an einem Schlaganfall in der Art wie der arme Onkel Wilhelm. Laß mir bald Nachricht von ihm geben. Deine alte Adine Sell ist seelig über sein Stern74 und [die] überaus gnädige Aufnahme. Ludwigslust, den 30ten März 1851 Wie viel tausend Mal danke ich Dir für die Briefe und die Nachrichten über dem Befinden des Onkel Wilhelm. Gott sei Dank scheint ja alle Gefahr vorüber, und seine beiden Töchter sind nun um ihn. Elschen wird ihm die behaglichste sein, weil sie so ganz die Manieren und die Art zu sein von der lieben Tante hat. Auch für Dich, meine Elis, freue ich mich dieses Besuchs, da sie Dir Beide lieb sind. Adalbert hat sich auch wieder so bewährt.75 Die Barnim76 ist doch nicht oben? Hier gehet es mit Auguste sehr gut. Sie ist seit Freitag alle Tage aufgestanden. Sie sieht auch gut aus. Die Ankunft ihrer Mutter77 hat ihr nichts geschadet. Der Schlaf und appetiet ist gut. Da werden die Kräfte auch bald kommen. Die Füße sind ihr nur sehr schwach, indeßen versucht sie doch etwas zu gehen. Heute Mittag war auch der Hofmarschall von Schulenburg78 aus Strelitz geschickt. Da haben wir großes Diner gehabt en galla. Neulich kam Alvensleben79 so als Überraschung, daß wir kaum ein paar Menschen zusammen bringen konnten. Morgen ziehet alles von dannen. Ich höre, der alte Herr von Bülow Kummerow, Vater der Ministerin Gräfin von Bülow, soll sehr ehlend sein.80 Sie reiset morgen auch hin. Wir haben auch einen alten treuen Diener verlohren. Der Hofmarschall von Rantzau starb.81 Ein rechter Verlust für 74 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), seit 1849 Oberhofmeister der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, wurde innerhalb der 2. Klasse des preuß. Roten Adlerordens zusätzlich der Bruststern verliehen. 75 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1815–1885) und Königin Marie von Bayern (1825– 1889), geb. Prinzessinnen von Preußen, sowie Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873) besuchten ihren erkrankten Vater Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851). 76 Therese Freifrau von Barnim, geb. Therese Elßler (1808–1878), ehem. Tänzerin, morganatisch verh. 1850 mit Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 77 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), Stiefmutter der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin. 78 Eduard Graf von der Schulenburg (1803–1870), Hofmarschall des Großherzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz. 79 Gebhard Karl Ludolf von Alvensleben (1798–1867), preuß. Oberstleutnant, Kommandeur der Leibgendarmerie und Flügeladjutant König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 80 Ernst von Bülow-Cummerow (1775–1851), Vater von Luise von Bülow-Cummerow (1809–1858), die seit 1830 mit Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident, verheiratet war. 81 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklen-
1851
43
meine arme Schwiegermama. Er war eigentlich alles an ihrem Hof, auch für seine Famillie und alle, die ihn kannten, ein großer Verlust. Er war allgemein geliebt und geachtet. Nun leb wohl, grüße Mariechen und Elschen, und wenn der Onkel wieder so weit ist, daß er sprechen hören darf, sage doch von mir, wie viel Theil ich an seine Leiden genommen. Gott schütze ihn. Leb wohl, Gott mit Dir. Mary und Carl haben mir garnicht geantwortet auf meine annonce, die ich ihnen zusammen gemacht! Was sagst Du dazu, daß Königin Sophie der Niederlande82 in anderen Umständen ist und auf 6 Monate nach Stuttgart gehet. Zu diesem Zweck war sie im Herbst en pompe nach dem Loo83 gereiset. Es ist einzig!!! Deine Adine Wie freue ich mich, daß Du den alten ehrlichen Finkenstein84 zum Kammerherrn genommen hast. Wir freuen uns unbendig, daß Bruder Fritz zur Taufe kommen will. Ernst August will auch kommen.85 Er ist sehr glücklich, daß er zum Pathen gebethen ist. Charlottenburg, den 2ten April 1851 Meine Adine, da ich nicht weiß, ob Abat, der gar nicht wohl ist, Dir geschrieben hat, so will ich Dir sagen, daß unsre Lolo gestern Abend um 9 Uhr glücklich mit einem Sohne entbunden wurde.86 Mutter und Kind waren wohl, und wir sind sehr glücklich, daß es glücklich überstanden und ein Sohn ist. Abat brachte uns die frohe Nachricht heute Morgen und sah ganz misérable dabey aus. Mit dem lieben Onkel87 geht es Gottlob täglich besser, und heute wurde das lezte bulletin ausgegeben. Die Gegenwart seiner Töchter macht ihn sehr glücklich. Mariechen entschloß sich so schnell zu kommen und kam so ängstlich an, denn sie wollte die bessren Nachrichten nicht glauben. Sie ist so lieblich
82 83 84
85
86 87
burg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, verh. mit Eleonore Gräfin von der Goltz (1798–1861), gest. am 28. März in Schwerin. Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), war schwanger mit ihrem jüngsten Sohn Prinz Alexander der Niederlande (1851–1884). Het Loo, Sommerresidenz der niederl. Königsfamilie. Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant und Kammerherr, ehem. Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz und des Herzogs Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin, wurde zum zweiten diensttuenden Kammerherrn bei Königin Elisabeth von Preußen. König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) war ebenso zum Taufpaten von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin bestimmt, wie König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Kaiser Nikolaus I. von Russland, Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz, Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, Großherzoginwitwe Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin und ihr Sohn Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin sowie Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz (1806–1896) und ihr Sohn Prinz Heinrich IV. von Reuß-Köstritz (1821–1894). Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), und ihr ältester Sohn Prinz Bernhard (III.) von Sachsen-Meiningen (1851–1928), geb. am 1. April. Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851).
44
Briefe 1851–1873
und hübsch und viel lebendiger wie sonst, spricht weit mehr. Elschen kam den andern Tag mit Karl.88 Mir ist es eine große Freude, sie zu sehen. Tausend Dank für Deinen lieben Brief und die guten Nachrichten von Deiner Schwieger Tochter.89 Fritz macht sich ein Fest daraus, zur Taufe zu kommen, und hat nur immer die Angst, daß etwas dazwischen kömmt. Alvensleben90 erzählte uns viel. Fama91 hat wohl schon erzählt, daß meine Elisabeth Brühl ihren lang geliebten Alfred Rauch heyrathet?92 Beyde sind so glücklich, daß es eine Freude ist, sie zu sehen. Sie lieben sich ausserordentlich. Natürlich ist es ohne unsre Hülfe93 nicht möglich, aber man thut gerne etwas für diese glücklichen Leute. Mathild war wie ein Engel für Elisabeth, also praktisch in der ganzen Angelegenheit. Vorgestern wurde ihre Alexandra94 in der Mathäikirche eingesegnet, mit einer Menge Kinder. Ich war dabey. Sie will nun bald nach Domanze,95 und während ihrer Abwesenheit soll ihre Ernennung bekannt gemacht werden.96 So hat sie es gewünscht. Wilhelm und Auguste und Kinder sind von Königin Victoria97 wiederholt eingeladen. Fritz Wilhelm wird denn hieher kommen und den Sommer in Potsdamm Dienst thun und den Winter seine Studien vollenden. Beynahe hätte ich vergessen, Dir zu sagen, daß meine Schwester Sophie mir angelegentlich auftrug, Dir zu dem Enkel Glück zu wünschen. Sie sagt, Deine Wiwi sey besonders liebevoll für sie dießmal gewesen. Sie hat sie sehr gern. Tante Voß98 behauptet, Papa Windisch Gräz99 sey in Hannover in einer diplomatischen Sendung! Wie mich das amusirte, kann ich nicht sagen. Erlaucht geht morgen nach Schlesien und dann nach Dresden. Ranzau’s Tod thut mir sehr leid. Welcher Verlust für Deine Schwiegermutter!100 Das accident des armen Fritz von Streliz hat mich entsezt. Jüngken101 soll die Sache sehr ernst und ängstlich nehmen, da er aber immer schwarz 88 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), und ihre Schwester Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), mit ihrem Ehemann Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877). 89 Geburt des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin am 19. März. 90 Gebhard Karl Ludolf von Alvensleben (1798–1867), preuß. Oberstleutnant, Kommandeur der Leibgendarmerie und Flügeladjutant König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 91 = Göttin des Gerüchts, hier Spitzname. 92 Verlobung von Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Sekondeleutnant beim Regiment Gardes du Corps, und Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901), Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen. 93 Der Bräutigam besaß als Sekondeleutnant kein ausreichendes Einkommen für eine Ehe. 94 Konfirmation von Alexandra Gräfin von Brandenburg (1834–1885). 95 Schloss Domanze in Niederschlesien, seit 1832 im Besitz des Grafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1792–1850), Sommersitz seiner Witwe Mathilde. 96 Ernennung von Mathilde Gräfin von Brandenburg zur Oberhofmeisterin von Königin Elisabeth von Preußen. 97 Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901). 98 Verm. Luise Gräfin von Voß, geb. von Berg (1780–1865). 99 Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867). 100 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, gest. am 28. März. 101 Johann Christian Jüngken (1793–1875), Prof. für Chirurgie und Augenheilkunde an der Charité in Berlin.
1851
45
sieht, so hoffe ich noch, es ist nicht so arg. Ich finde es besonders tragisch, daß das Unglück von seinem eigenen Sohn kömmt!102 Stolberg ist hier, um den Onkel zu besuchen.103 Unaussprechlich rührend war Pourta104 lès in den angstvollen Tagen. Er ist jetzt selbst krank. Nun aber muß ich enden, meine Adine. Fritz umarmt Dich zärtlich. Viel Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 4ten April 1851 Tausend Dank, meine liebe Elis, für Deine Briefe mit den vielen, erfreulichen Nachrichten. Erstlich Lollos Niederkunft,105 die Abat wirklich so gut war, mir zu schreiben. Detaills waren aber noch nicht gekommen, ob sie viel gelitten oder wie es überhaubt gegangen ist. Dann, daß es Onkel Wilhelm wieder so gut gehet und zuletzt die Verlobung von Elisabeth Brühl mit Alfred Rauch,106 wo von ich keine Ahnung hatte und was mich ganz ungeheuer freut. Gratuliere sie beide recht herzlich in meinem Nahmen. Ich schrieb es heute schon an Luise in Venedig, die mir am 27ten März schreibt, wo der Einzug vom Kaiser107 gewesen. Es wäre trotz schlechtem Wetter großer Jubel gewesen und er sehr zufrieden von seinem Empfang. Er hat Venedig zum Freihafen ernannt.108 Das hat nun alle Herzen gewonnen. Das Theater Fenice war erleuchtet und alle Damen mit Brillanten besehet. Sie hat sich auch recht geputzt. Von Charlotte hatte ich eben einen Brief, worin sie mir schreibt, daß sie 8 Tage im Bett gelegen, ganz ehlend wäre und kaum schreiben konnte. Hat Münster vielleicht darüber berichtet, und was Mandt109 dazu sagt, und was es ist? Denn sie schreibt darüber weiter nichts. Cecile110 ist recht krank, und Elise Rauch111 konnte sich garnicht 102 Die Verletzung von Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz am Auge, die in den nächsten Jahren zur Erblindung führte, war demnach durch seinen dreijährigen Sohn Herzog Adolf Friedrich (V.) verursacht worden. 103 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), ehem. preuß. Staatsminister, besuchte den erkrankten Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). 104 Friedrich Graf von Pourtalès (1779–1861), preuß. Kammerherr und wirkl. Geheimer Rat, Oberzeremonienmeister von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 105 Geburt von Prinz Bernhard (III.) von Sachsen-Meiningen (1851–1928) am 1. April. 106 Verlobung von Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Sekondeleutnant beim Regiment Gardes du Corps, und Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901), Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen. 107 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 108 Venedig erhielt seinen 1848/1849 verlorenen Status als zollfreies Handelsgebiet zurück. 109 Martin Wilhelm von Mandt (1799–1858), russ. Leibarzt der kais. Familie. 110 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 111 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
46
Briefe 1851–1873
beschäftigen. Also hatte sie niemand, der ihre Briefe schrieb. Nun leb wohl, grüße Mariechen und Elschen. Deine Adine Hier gehet alles gut, Auguste und Fritz legen sich zu Füßen. Sie stehet um 12 Uhr auf und bleibt bis 4 Uhr. Dann gehet sie aus einem Zimmer im andern, zwar noch langsam und schwach, aber alle Tage besser. Charlottenburg, den 16ten April 1851 Ich habe Dir lange nicht geschrieben, meine Adine, weil ich wieder einmal recht unwohl war. Ich habe wieder einen sehr starken Husten bekommen, den ich mir, glaube ich, in Berlin holte, wo ich in einen sehr feuchten Lokal und bey argen Regen Malereyen besah. Es konnte mir nicht ungelegener kommen. Einen merkwürdigen Gnistern112 habe ich immer, wie Du weißt. Gerade als Otto113 in Berlin war, bekam ich starkes Fieber und sah ihn nur eine halbe Stunde heute bey mir. Das große diné war auch wieder ohne mich, was Fritz sehr genirte, und die lezten Tage konnte ich auch Mariechen114 kaum sehen, nicht einmal ordentlich Abschied von ihr nehmen. Gestern ist sie abgereist und fand sich mit Otto in Leipzig. Aus Hof kam die Nachricht per télegraphe, daß sie dort um 2 3/4 angekommen sind. Mariechen konnte Gott sey Dank ganz beruhigt abreisen, der gute Onkel115 ist so wohl, daß er sie bis an den Wagen, die Treppe herunter führen konnte. Er steigt, ohne außer Athem zu seyn, fährt aus und geht. Es ist ein großes Glück. Unser aller Witgenstein sollte uns nicht erhalten werden.116 Sein Tod wird Dir auch ein Schmerz gewesen seyn. Es geht soviel mit ihm unter, eine lange Vergangenheit, so viel Erinnerungen an eine bessere Zeit, und er war ein so treues Herz. Ich sah ihn den 3ten zum leztenmal. Er war zu Bett und sah sehr übel aus, doch war seine Stimme noch kräftig, und er war bis auf einen Augenblick noch klar und bey sich. Er war so dankbar, daß ich gekommen war. Mir war er ein treuer, wohlwollender Freund, der sich in den langen Jahren gleich blieb. Gestern wurde er in den traurigen Dom gebracht, wo er bleiben wird, bis man erfahren hat, ob ihn seine Familie in Witgenstein haben will. Mathild ergriff dieser Verlust sehr. Sie ist Sonntag nach Domanze gereist und hat mir in meiner jetzigen Einsamkeit eine große Lücke gelaßen. Ich gehe noch nicht aus und huste noch und werde gewiß erst ganz hergestellt, wenn die Luft wärmer wird. Natürlich kann ich nicht nach Potsdamm, und das thut mir sehr leid, besonders wegen Fritz. Wir werden morgen alle zusammen hier in der Kapelle zum heiligen Abendmahl gehen und vielleicht Sonnabend nach Potsdamm, zu den Festen. Es wird endlich grün, aber sehr langsam, und es regnet 112 Mglw. niederdt. für knistern, knirschen. 113 König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867). 114 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 115 Prinz Wilhelm von Preußen (1873–1851). 116 Wilhelm Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des kgl. Hauses, gest. am 11. April.
1851
47
alle Augenblicke. Elisabeth und Karl117 bleiben noch länger, was mir für den Onkel118 so lieb ist. Sonntag nahm er das heilige Abendmahl mit all seinen Kindern in dem Schloßzimmer der geliebten Tante. Wie wehmüthig muß die Feyer gewesen seyn! Der kleine Barnim119 soll jetzt viel bey ihm seyn und macht ihm Freude. Man sagt, er sey ein hübsches, kluges Kind. Otto ist alt geworden und sieht jetzt unglaublich seinem Vater in Manieren und Gesicht ähnlich.120 Er ist nit schön. Deine Schwiegertochter ist wohl schon ganz wohl und kräftig? Lolo steht auch auf, soll aber noch sehr blaß und angegriffen seyn. Die Entbindung war schwer, 17 Stunden ununterbrochen Schmerzen und die 2 lezten Stunden gräßlich. Der Kopf ging immer wieder herein. Der Kleine soll allerliebst seyn und sehr kräftig.121 Was fehlt denn Cécilie?122 Elise Rauch ist recht leidend. Ich weiß nicht, ob Münster über Charlottens leztes Unwohlseyn schrieb. Elisabeth und Alfred sind selig, ganz in einander versunken.123 Er sieht ordentlich blühend aus seitdem. Lebe nun wohl, meine Adine, viel Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 16ten April 1851 Wie sehr betrübt mich der Tod des guten lieben Fürsten Wittgenstein,124 obgleich man ihm die Ruhe recht gönnen kann, denn er soll viel gelitten haben. Aber einen so bewehrten, treuen Freund, wie er der Famillie war, und die lange Zeit, die er am Hof zugebracht, so einen sieht man ungern scheiden. So löset sich ein Band nach dem andern. Ich höre, der Hof hat 3 Tage Trauer angelegt. Ich habe auch eine schwartze Schleife getragen. Ich möchte hier in der frohen Zeit nicht schwartz tragen, Das ist eigentlich ein Opfer von mir. Was thut man aber nicht gern, wenn solche Freude und solches Glück in der Famillie eingekehrt! Nach der Taufe krieche ich aber wieder hinein.
117 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), mit ihrem Ehemann Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877). 118 Prinz Wilhelm von Preußen (1873–1851). 119 Adalbert von Barnim (1841–1860), Sohn von Prinz Adalbert von Preußen aus seiner morganatischen Ehe mit Therese Freifrau von Barnim, geb. Therese Elßler (1808–1878), ehem. Tänzerin. 120 König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867), Sohn von König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 121 Prinz Bernhard (III.) von Sachsen-Meiningen (1851–1928), geb. am 1. April. 122 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 123 Verlobung von Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Sekondeleutnant beim Regiment der Gardes du Corps, und Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901), Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen. 124 Wilhelm Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des kgl. Hauses, gest. am 11. April.
48
Briefe 1851–1873
Ich habe die Freude, bei Lollo ihrem Sohn125 auch Gevatter zu stehen. Das macht mir sehr viel Spaß. Der Erbprinz126 schrieb mir einen sehr freundlichen Brief dabei. Es gehet ihr auch sehr gut. Heute sind es bei uns 4 Wochen. Auguste ist ganz wohl, nur noch schwach in den Füßen und kann nicht viel Geräusch ertragen. In diesen 14 Tagen muß sie sich dieses alles noch anschaffen, denn die Tauftage werden fatigant werden. Wir hören, Fritz will gerne das Schloß von Schwerin sehen. Vielleicht wäre ihm der Montag recht, wo am Abend Ball ist, wenn er nicht Dienstag noch bleiben will. Nun leb wohl, Deine alte Adine Ludwigslust, den 27ten April 1851 Tausend Dank, meine liebe Elis, für Deinen Brief, nur leider ersah ich daraus, daß Du wieder Husten und Fieber gehabt, und grade wie König Otto127 da war und Mariechen128 ihre Abreise. So Gott will, ist nun aber alles vorüber, und Du hast nach Potsdam gekonnt, wo es bei dem schönen Wetter ganz himlisch sein muß. Hier ist es wenigstens alles so grün und die Luft so warm, die einen aber todt müde macht. Ich gehe 2–3 Mal spazieren, und das bekömmt mir sehr gut. Wir sind nicht am Grünen Donnerstag zum Abendmahl gegangen, sondern werden es in 8 Tagen thun, am 30ten, wo es grade 6 Wochen sind von der Niederkunft, und zwar hier im Zimmer. Es wird gewiß recht feierlich sein, denn wir bringen ein dankbares und demüthiges Herz mit für alle Gnade und Barmherzigkeit, die der Herr uns und dem Lande erwiesen hat. Auguste nimmt an Kräften zu, und der Kleine wird viel ruhiger, aber auch immer schwerer, und Bruder Fritz wird etwas an ihm zu hallten haben.129 Von meiner Luise habe ich sehr gute Nachricht, obgleich sie am 1ten April eine kleine fausse couche gemacht hat, von einigen Wochen nur, sie aber von Anfang ganz wohl gewesen, muß sich aber doch sehr ruhig hallten. Die Ursache sucht man darin, daß sie in Prag mit einem Stuhl zusammengebrochen ist und sich sehr unsanft auf der Erde gesetzt, und dann bei der Ankunft des Kaisers130 in Venedig sie von 1–5 Uhr auf der Gallerie vom Dogen Palast gestanden hat. Sie kommt im August nach Doberan und wird längere Zeit bleiben. Wie man sagt, wird Bruder Wilhelm mit Frau und Kinders nicht nach London gehen. Das ist mir sehr lieb, da man dort allerlei erwartet. Ich glaube auch, es wird ein Wendepunkt in der Geschichte geben, ruhig gehet es nicht ab, und Deutschland wird es schon düchtig merken. Man muß recht auf der Hut sein. Leb wohl, Deine Adine 125 Prinz Bernhard (III.) von Sachsen-Meiningen (1851–1928), geb. am 1. April. 126 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 127 König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867). 128 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 129 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin wog bereits bei der Geburt 9 Pfund. Siehe Brief vom 19. März. 130 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916).
1851
49 Charlottenburg, den 1ten May 1851
Meine Adine, ich will ein paar Worte für Dich morgen an Fritz mit geben. Er ist heute nach Potsdamm gefahren, um die Garde du corps, die dort seit gestern zusammen sind, reiten zu sehen. Ich erwarte ihn aber heute Abend zurück. Ich beneide ihm die Freude, Dich wieder zu sehen, hoffe aber, du kömmst bald hieher. Wenn Fritz zurück kömmt, findet er mich schon in Potsdamm établirt. Hoffentlich wird es dann wärmer seyn. Jetzt ist es bitterkalt, und ich genieße mehr das herrliche Grün und die Nachtigallen vor meinem Fenster als draußen, obgleich ich alle Tage etwas in den Garten gehe. Ich huste noch immer, einen Tag mehr, den andern weniger, und werde wohl so fortfahren, bis es warm wird. Ich bin nur froh, daß die Nächte ruhiger sind. Dank Dir von Herzen für Dein liebes Briefchen, das mich sehr freute. Fritz hat Dir seitdem geschrieben und Du ihm geantwortet. Warum ist der kleine Schlinger131 zum Pathen erkoren? George von Altenburg und seine Frau132 werden wohl kommen, denn so viel ich weiß ist Therese133 nicht ganz wohl, wird daher noch nicht reisen können. Ich dachte mir gleich, Boddien134 würde Dich nicht entzücken, aber Gerlach135 desto mehr. Fritz wird Dir von der uns ganz unerwarteten Einladung nach Warschau erzählen. Noch kömmt es mir fabelhaft vor, und ich werde erst daran glauben, wenn ich wirklich im Wagen bin. Es scheint, daß nur der große Wunsch, Fritz wieder zu sehen, Charlotte den Gedanken zu dieser Reise gegeben hat. Sie hatte wieder etwas Herzklopfen, schreibt Münster, und konnte der Oster Feyer nicht beywohnen. Es wird doch eine große Freude seyn, sie wieder zu sehen. Gott, welche 11 Jahre waren das! Mir schaudert! Es freut mich so, daß Deine Luise auf längere Zeit nach Hause kömmt, und ich hoffe, daß von ihrer fausse couche136 nicht mehr die Rede ist. Heute Morgen ist eine junge Frau in Berlin gestorben, die Dir in Erinnerung an ihre Mutter137 leid thun wird. Luise Prittwiz,138 die Tochter des Generals,139 ist es. Es wird ein großer Schmerz für den armen Vater seyn. Sie hinterläßt ein einziges Kind, einen kleinen Jungen.140 Wiwi und Anna141 kamen heute 131 Lesebefund. Gemeint ist wohl Prinz Heinrich IV. von Reuß-Köstritz (1821–1894), preuß. Premierleutnant im Regiment Gardes du Corps, der als Taufpate für seinen Neffen Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin bestimmt war. 132 Herzog Georg (1796–1853) und Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 133 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 134 Alfons von Boddien (1802–1857), preuß. Major und Flügeladjutant, Karikaturist und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. 135 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 136 Frz. = Fehlgeburt. 137 Henriette von Prittwitz, geb. von Bergh (1804–1829), ehem. preuß. Hofdame. 138 Luise von Prittwitz (1828–1851), verh. 1848 mit Robert von Prittwitz (1806–1889), gest. am 1. Mai. 139 Karl von Prittwitz (1790–1871), preuß. Generalleutnant und kommandierender General des Gardekorps. 140 Heinrich von Prittwitz und Gaffron (geb. 1849), gest. in frühester Kindheit. 141 Die Prinzessinnen Luise (1829–1901) und Anna von Preußen (1836–1918), Töchter des Prinzen Carl von Preußen.
50
Briefe 1851–1873
ganz betrübt zu mir mit der Nachricht. Prittwiz selbst ist so verändert und gealtert, dies Unglück wird ihn ganz herunter bringen. Heute ist die Taufe in Meiningen, ich denke so viel an Lolo. Marie von Streliz sah ich bey der Durchreise von Dessau. Sie erzählte mir viel und recht amusant. Mit dem Auge ihres ältesten Sohnes geht es leider noch nicht gut. Ich finde den Zustand sehr ängstlich.142 Nun lebe wohl, meine Adine, ich werde Eurer viel denken übermorgen und für den kleinen Täufling beten, daß ihn Gott segne. Grüße Deine Kinder und empfiel mich Deiner Schwieger Mama. Wilhelms sollten vorgestern in London ankommen. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwiglust, den 5ten May 1851 Meine liebe Elis, ich kann Dir nicht die Freude beschreiben, welche wir alle haben, daß mein Bruder wirklich gekommen ist, und den kleinen, prächtigen, dicken Jungen über die Taufe gehallten [hat].143 Und gestern hat er die Gesundheit auf meinen Sohn Fritz mit so schönen und herzlichen Worten ausgebracht, was uns sehr beglückt. Er hat alle Herzen gewonnen. Überhaubt sind diese Tage ein rechter Seegen für unser Haus und dem Land gewesen. Auch der alte Ernst August144 ist so liebenswürdig und freundlich, nur seine Blindheit und Taubheit macht das Zusammensein mit ihm sehr schwer. Schone Dich nur, es wird Dich sehr angreifen. Aber sonst ist es doch prächtig, daß er unser Land gewählt hat, um sich Preußen von neuem freundschaftlich zu nahen, und nun nach Charlottenburg mitgeht. Es ist eine große Sache und sehr sehr wichtiger Schritt.145 Das muß nun die géne146 mit übertragen. Der alte Herr liegt bis 1 Uhr im Bett, und das liebt er sehr, wenn man ihn besucht, und da versteht er einen auch am besten, weil er ungestöhrt ist. Diese Tage sind doch etwas fatigant, und daher habe ich Bruder Fritz nicht nach Schwerin begleitet, weil ich sonst den Ball am Abend nicht hätte durchmachen können. Nun leb wohl. Ach, wenn Du nur wieder ganz wohl bist zur Reise nach Warschau. Charlotte schrieb es mir und freut sich so unbeschreiblich dazu. Gott mit Dir. Auguste sieht wohl aus. Die cour gestern hat sie sehr angegriffen, doch wird sie auf den Ball kommen. Deine Adine 142 Eine Verletzung am Auge von Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz führte in den nächsten Jahren zur vollständigen Erblindung. 143 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen als Taufpate des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin zu Besuch in Schwerin. 144 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) war zum Taufpaten von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin bestimmt. 145 Die Kritik König Ernst Augusts I. von Hannover am preußischen Hegemonialbestreben und an den verfassungspolitischen Zugeständnissen Preußens hatten das Verhältnis zu König Friedrich Wilhelms IV. seit 1848 zeitweise zerrüttet. 146 Frz. gêne = Hemmungen, Verlegenheit, Befangenheit.
1851
51 Ludwigslust, den 10ten Mai 1851
Meine liebe Elis, der heutige Brief wird Dich in Verwunderung setzen, nehmlich, ich habe mich heute entschloßen, nach Warschau zu gehen, und wahrscheinlich wird mich Fritz147 begleiten, um seinen Dank dem Kaiser148 selbst auszusprechen. Nun wüßten wir nur gern, wann der Kaiser in Warschau ankömmt, denn Charlotte will am 12ten schon da sein, und er kömmt einige Tage späther. Wenn du den Tag weißt, bitte schreibe es mir. Mein Fritz wünscht, zum Geburtstag von Auguste am 26ten wieder in Ludwigslust zu sein. Ist der Tag Eurer Abreise nach Warschau schon bestimmt, und bist Du wieder so wohl, daß Du daran denken kannst zu reisen? Ich habe diese Tage viel an Dich gedacht, ob die Anwesenheit von Ernst August149 Dich nicht zu sehr angegriffen. Verzeih diese Anfragen, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Am Freitag dachte ich von hier nach Wittenberge und den Sonnabend, den 17ten um 12 Uhr Nachts nach Berlin bis Granitza,150 am Tage einige Einkäufe zu machen. Deine Adine Potsdamm, den 11ten May 1851 Meine Adine, das ist einmal ein vernünftiger Gedanke, daß Du nach Warschau gehst. Ich begriff schon lange nicht, daß es Dir nicht einfiel, und bin sehr froh, daß Du darauf gekommen bist. Gott gebe, daß ich Dich da sehe! Ich habe leider starke Zweiffel daran. Ich habe mich zum hundertsten Male erkältet und wieder einen colossalen Schnupfen. Wäre nur die Reise nicht so nahe! Wir haben nehmlich vor, am 15ten abzureisen und den 17ten anzukommen. Der Kayser151 kömmt zugleich mit Charlotte an, den 12ten oder 13ten. Wir wollen bis zum 27ten bleiben. Charlotte wünscht, daß ich ihr Agnes und Marianna152 bringe. Sie sind ausser sich vor Glück. Kann ich nicht mit, so erlaubst Du vielleicht, daß sie sich Dir anschließen? Dank Dir tausendmal für Deinen Brief durch Fritz, der sehr entzückt von Euch zurück kam. Das Wiedersehen mit dem alten König153 hat mich tief bewegt. Er war es auch sehr, und so gut und freundlich, so dankbar für jeden Beweis von Liebe, für die Freude, die ihm seine alten Bekannten zeigten. Aber freylich, die heißen Stuben und die Taubheit taugen nicht für den Husten. Ich danke Gott, daß er glücklich heimgekehrt ist und ganz wohl. Er schrieb uns schon, an Fritz und mich. Der Geist ist noch ganz der alte, lebendige. Er wohnte in Charlottenburg in Deiner Stuben, und wir aßen und tranken Thee 147 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 148 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 149 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) zu Besuch in Berlin. 150 Granica in Polen, ein früherer Grenzort. 151 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 152 Die Prinzessinnen Agnes (1824–1897) und Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906), Töchter der 1850 verstorbenen Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen. 153 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851).
52
Briefe 1851–1873
bey ihm, so daß er gar nicht aus seinem Bereich heraus gekommen ist. Ich bin froh für Deine Schwiegertochter, daß sie die fatiguen Tage glücklich überstanden hat. Fritz fand sie sehr wohl aussehen und sehr hübsch. Immer will es nicht warm werden, aber die Gärten sind herrlich frisch und grünen, der Flieder wird prächtig. Alexander Solms154 ist hier von der besten Laune, aber dicker wie je. Nun lebe wohl, Du Geliebte, Gott wolle mir die Freude geben, Dich in Warschau zu sehen. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwiglust, den 15ten Mai 1851 Meine liebe Elis, eben erfahre ich durch einen Brief von meinem Wilhelm, daß Du die Reise nach Warschau ganz aufgegeben hast aus der traurigen Ursache, daß Deine Schwester Leuchtenberg plötzlich gestorben ist.155 Wie leid ist es mir für Dich, daß Du so einen schmertzlichen Verlust gemacht. Es wird Dich recht angreifen, und doppelt bin ich betrübt, daß es in dieser Zeit fällt, wo der lang ersehnte Wunsch des Kaisers und meiner Schwester156 in Erfüllung gehen sollte, Dich in Warschau nach so schrecklicher und trauriger Zeit wiederzusehen. Das wird den ganzen Aufenthalt recht trüben. Ich habe nun sehr den Wunsch, wenn Du in Potsdam oder Charlottenburg bist, von Spandau und Nauen aus, Dich besuchen zu dürfen, und um selbst zu sehen, wie es Dir geht, und Dir meine aufrichtige Theilnahme über den Verlust auszusprechen. Länger wie eine Stunde würde ich mich aber nicht aufhallten, weil ich in Berlin noch manches für Warschau zu besorgen habe. Außerdem werde ich nun wohl, wie Du mir in Deinem letzten Brief sagtest, wenn Du nicht selbst reisest, die beiden Dessauer157 unter meinen Schutz mitnehmen. Auch darüber wollte ich Deine Befehle mir erbitten. Also auf Wiedersehen Freitag Nachmittag. Deine alte Adine
154 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Oberst und Sohn von Königin Friederike von Hannover, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, aus zweiter Ehe. 155 Prinzessin Auguste von Bayern (1788–1851), älteste Schwester der Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1806 mit Eugène de Beauharnais (1781–1824), Herzog von Leuchtenberg, gest. am 13. Mai in München. 156 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855) und seine Frau Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 157 Die Prinzessinnen Agnes (1824–1897) und Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906).
1851
53 Warschau, den 20ten Mai 1851
Du wirst wohl schon die telegraphische Einladung vom Kaiser und meiner Schwester158 erhallten haben, doch noch zu kommen. Beide wünschen es ungeheuer und sprechen alle Tage davon, ob es nicht noch zu machen wäre, bis nun heute der Entschluß gefaßt wurde, es noch einmal zu versuchen. Alles ist berechnet. Wenn Du Donnerstag mit Extrazug bis Breslau gehest, Du schläfst den Freitag bis Schenterhoch,159 und dann den Sonnabend bis Skernewenitzo,160 wo wir alle sein werden, Dich zu erwarten, und wo wir bleiben werden, wenn es Dir lieber ist, um ganz en famillie zu sein wegen der Trauer, die natürlich streng gehallten wird. Auch ich bitte Dich, wenn es Dir möglich ist und es Dir nicht schadet, so komme, um erstlich den Kaiser und Charlotte zu sehen, die einen großen Werth darauf legen, und dann um Dich zu freuen, wie Kaiser und König herzlich zusammen sind, und Du kannst durch Deinen Besuch ich weiß nicht was für ein Heil und Seegen für Preußen und Deutschland sein.161 Ach, komm, ich bitte Dich. Ich würde Dich nicht so bestürmen, wenn ich nicht wüßte, daß es von großen Nutzen und Freude und Heil wär, das kennst Du zu genau. Deine treue Adine Warschau, den 24ten Mai 1851 Meine liebe Elis, die Verzweiflung, daß Du so leidend und krank bist und nicht hast herkommen können, die kann ich Dir nicht beschreiben. Wir waren alle wie vernichtet, denn nach der Einladung von Kaiser und Kaiserin,162 und zugleich am Abend, ehe die Eisenbahn damit abging, Dein Brief mit dem Wunsch herzukommen, wenn es Deine Gesundheit erlaubte, machte uns den Wunsch zur Gewißheit. Nach Deinem Brief gestern an Fritz mußt Du schrecklich aussehen. Sonst geht hier alles recht gut. Es ist wenigstens kein Mißverständnis dazwischen. Nur mehr Herzlichkeit wünschte ich, die man gern entgegen trägt. Am 30ten Nachmittags werde ich mit Dessaus163 in Berlin ankommen, und da erwarte ich auf der Eisenbahn, wohin wir uns begeben sollen. Mein Sohn Fritz wird schon haben fragen laßen, ob Auguste, wenn sie kann, mit nach Berlin kommen darf? Adios, der Courir wartet. Adine 158 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855) und seine Frau Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 159 Tschenstochau (poln. Częstochowa) südlich von Warschau. 160 Skierniewice, Jagdschloss südwestlich von Warschau. 161 Wiederbelebung der Heiligen Allianz vom 26. Sept. 1815 durch das Treffen von Kaiser Nikolaus I. von Russland und König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 162 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855) und seine Frau Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 163 Die Prinzessinnen Agnes (1824–1897) und Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906).
54
Briefe 1851–1873
Altenburg, den 11 Juny 1851 Liebe Elis, im Auftrag von Therese164 soll ich Dir schreiben, daß sie morgen nach Hannover reiset auf einen Tag, weil der alte König165 sie schon vor 2 Monaten in München eingeladen hat, ihn zu besuchen. Sie wird den 13ten bleiben und am 14ten wieder zurückkehren. Sie hat aber sehr, sehr den Wunsch, Dich und Fritz zu sehen, und frägt an, da sie nicht länger ausbleiben kann, ob es möglich wäre, sich ein rendez vous in Magdeburg zu geben, wo sie am 14ten des Morgens 11 Uhr 20 Minuten ankömmt. Sie könnte sich dann bis Nachmittag 4 Uhr aufhallten und dann doch noch abends 10 Uhr in Altenburg sein. Sie bittet Dich nur, die Antwort par telegraph nach Hannover zu senden, damit sie sich danach einrichtet. Eben so wird sie sich einige Tage späther mit Deiner Schwester, die Königin Marie von Sachsen,166 in Leibzig ein rendez vous geben. Es ist 11 Uhr Nacht und ich todt müde. Daher gute Nacht. Die Großherzogin Mathilde von Darmstadt und Eduard167 fand ich hier, morgen reisen beide ab. Deine alte Adine Marienbad, den 30ten Juny 1851168 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen lieben Brief. Ich erwartete schon recht sehnlichst Nachricht von Dir zu haben. Ich freue mich für Dich, daß Deine Reise nach Ischl schon fast bestimmt ist. Wie ich höre, vielleicht schon am 25ten, dann sehe ich Dich also noch auf meiner Durchreise. Ich denke bestimmt am 18ten anzukommen. Marienbad bekömmt mir wieder sehr gut. Das Wetter ist sehr abwechselnd. Es ist enorm voll, viele Preußen, General Zollikofer mit Frau,169 Graf Pückler, Schwiegersohn von der Brandenburg usw.,170 viele Östreicher, Rußen und vor allem Deine Nichte, Gräfin von Würtemberg,171 die ich sehr viel sehe. Wir machen des Nachmittags Promenade zusammen, trinken Kaffee. Sie bedarf der Zerstreuung, der Tod der Mutter172 hat sie sehr, sehr angegriffen. Ihre Gesundheit ist zahrt, und nun der Kummer und Angst um Max, ihren 164 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 165 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851). 166 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 167 Großherzogin Mathilde Karoline von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Bayern (1813–1862), und ihr Onkel Prinz Eduard von Sachsen-Altenburg (1804–1852). 168 Im Original irrtümlich mit „July“ datiert. 169 Wilhelm Ludwig von Zollikofer (1783–1868), preuß. General der Kavallerie, verh. 1834 mit Nanny von Meyerinck (1811–1880). 170 Erdmann Graf von Pückler (1820–1864), verh. 1847 mit Mathilde Gräfin von Brandenburg (1825–1900), Tochter von Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach, Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen. 171 Théodelinde de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1814–1857), verh. 1841 mit Wilhelm Graf von Württemberg, Herzog von Urach (1810–1869). 172 Auguste de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Prinzessin von Bayern (1781–1824), gest. am 13. Mai.
1851
55
Bruder.173 Ich theile ihr immer mit, was ich erfahre. Sie hat aber nur wenig Hoffnung für ihn. Aber das warme Klima wird ihn wieder stärken, wenn er nur Jahre fort bleiben könnte. Wenn ihre cour zu Ende ist am 15ten July, dann geht sie über Stuttgart gleich nach Baden Baden. Die Reise zur Schwester nach Schweden174 hat sie wegen dem Bruder aufgegeben. Schwester Luise schreibt mir noch sehr glücklich über die Tage bei Euch in Sanssouci. Meine Tochter Luise erwarte ich hier am 11ten. Sie bleibt dann die paar Tage mit mir und geht dann zu den Schwiegereltern.175 Leb wohl, Deine treue Adine Noch vielen Dank, daß Du mir Nachricht giebst von Wilhelm.176 Ich wußte garnichts von ihm, nur daß er gestürtzt, das stand in der Zeitung. Marienbad, den 13ten July 1851 Meine liebe Elis, nur schnell diese Zeilen, die mich wieder bei Euch anmelden sollen zum 17ten abends, wohl 10 Uhr, da ich mit dem zweiten Zug von Altenburg abgehe. Ich werde dann bis Dienstag, den 21ten bleiben. Alexander Solms177 sitzt mir gegenüber und legt sich Dir zu Füßen. Da kommt Luise und Hugo vom Baden und küssen Deine Hände. Deine alte Adine Dobbran, den 6ten August 1851 Ich habe Dir nicht eher geschrieben, meine liebe Elis, weil ich weiß, in der ersten Zeit kömmt man zu nichts, da nimmt einen die cour zu sehr in Anspruch. Dann hast Du manche Verwandte dort, und wie ich aus der Zeitung entnommen, ist Deine Schwester Sophie auch angekommen, was mich so für Dich freut, und auch ein gutes Zeichen ist, daß es mit dem kleinen Ludwig gut geht.178 Ich bitte Dich, bringe eine Zusammenkunft179 dort zustande. Es ist wirklich so sehr nothwendig, denn ehe dies nicht gewesen, ist auch noch immer alles zu besorgen. Die Reise von Fritz scheint ja recht gut zu gehen, 173 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), verh. 1839 mit Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), litt seit langem an einer Lungenerkrankung. 174 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876). 175 Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867) und Fürstin Marie Eleonore von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin von Lobkowitz (1795–1876). 176 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin. 177 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Oberst und Sohn von Königin Friederike von Hannover, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, aus zweiter Ehe. 178 Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919). 179 Treffen von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Kaiser Franz Joseph I. von Österreich.
56
Briefe 1851–1873
nun ist er schon in unserer Nähe. Die Gräfin Thun Senden180 will früher abreisen, da es mit einem mal heißt, er wolle sie mit seinem Besuch beehren. Den 8ten. Zu meinem Schrecken entdecke ich den angefangenen Brief in meiner Mappe. Jetzt wird es schon hier recht brillant, alle Bekannte kommen, da das Wettrennen sich naht. Auch manche Ausländer, wie Amerikaner, erscheinen, aber sehen thut man sich wenig. Alle Sonnabend ist Ball, und da der erste so gut ausgefallen ist, so hofft man, daß der zweite noch besser sein wird. Dabei haben wir ein himmlisches Wetter, der schönste Sonnenschein, der durch einen sanften Wind kühl erhallten wird, so daß man dabei leben kann. Das Meer ist wieder schön, so prächtig blau, beinah wie in Italien, der Himmel klahr, der Wald einzig beleuchtet durch die durchdringenden Sonnenstrahlen. Ich bin ganz seelig hier, dabei meine Luise mit Mann und Kind bei mir wohnen im kleinen Cottege, so daß wir uns jeden Augenblick sehen können. Meine kleine Enkelin181 ist sehr niedlich. Sie hat sich embelliert seit Marienbad und liebt mich jetzt sehr. Wenn ich nur erst wüßte, wie es Dir geht. Ich hoffe, der Husten ist schon ganz fort, der in den letzten Tagen zugenommen haben sollte. Ich danke Dir auch sehr für die Grüße durch Mathilde, und das der Brief von der Barbie182 beherzigt werden soll, wenn nur Schöler183 zustimmt. Morgen Mittag erwarten wir Fritz und meine geliebte Auguste mit dem dicken Jungen. Ich freue mich unbendig dazu. Heute ist große Thätigkeit im nechsten Cottege, wo sie hinein ziehen. Am 11ten gehen sie auch nach Strelitz. Ich bleibe aber hier, man behaubtet, George und Frau184 kämen den 14ten hier her und wollten von hier abreisen. Wir selbst wißen nichts darüber. Nun leb wohl, laß mir durch Editte185 Nachricht von Dir geben und gedenke in Liebe Deiner alten, treuen Adine Dobbran, den 28ten August 1851 Dein Brief, geliebte Elis, vom 14ten hat mir große Freude gemacht. Ich konnte ihn aber nicht eher beantworten, da wir ein sehr bewegtes Leben geführt haben. Luise ist so glücklich, einmal wieder hier zu sein und alle Bekannte wiederzusehen, daß wir alles mitmachten, was nur möglich. Und so kam [ich] zu nichts. Jetzt, wo alles fort ist, und wir nun 180 Mathilde von Senden (1802–1854), Tochter des hess. Gesandten in Preußen Carl von Senden, verh. 1831 mit Wilhelm Ulrich Graf von Thun (1784–1862), preuß. Generalleutnant, 1845–1851 preuß. Gesandter in Württemberg, seit 1851 im Ruhestand auf Gut Schlemmin in Pommern. 181 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933). 182 Mglw. Pauline Clementine Ulrike von Wulffen (1800–1880), verh. 1819 mit Wilhelm von Barby (1795–1883), preuß. Generalmajor. 183 Verm. Friedrich Ludwig von Schoeler (1797–1869), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, 1848–1857 Chef des preußischen Militärkabinetts. 184 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876), verh. 1851 mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894). 185 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame Königin Elisabeths von Preußen.
1851
57
Abb. 1: Die Sommerresidenz der Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg in Heiligendamm mit dem Alexandrinen-Cottage im Vordergrund, dahinter das Cottage des Großherzogs, die Burg Hohenzollern und die Logierhäuser.
mehr in Ruhe kommen, will ich auch gleich zu Dir eilen. Du bist so gütig und freundlich, nach Wilhelm186 zu fragen. Er ist hier seit dem 14ten. Er war von Ostende aus nach England, ist entzückt von allem, was er gesehn, und kam dann hier zum Pferderennen und wird seine Badekur hier fortsetzen, weil er selbst das Gefühl hat, daß er in Ostende nicht bleiben würde. Es geht im ganzen gut, nur hat er noch Schmertzen zwischen den Schultern und braucht die Dusche dafür. Sonst ist er heiter und munter, reitet auch, aber mit Maaß. Der Artzt wünscht, daß er im September noch badet und nicht gleich in die Manöver fällt, wo er sich anstrengen müßte. Wir bleiben auch bis zum 15ten September hier. Leider scheint das schöne Wetter mit einem Mal aus zu sein, denn gestern regnete es schon, und heute ist ein Sturm, daß man nicht weiß, wie man zum Hause heraus soll. Die anderen wollen zum Theater nach Dobbran fahren. Ich bleibe zu Haus, das Meer geht so hoch, die Wellen schlagen am Ufer. Es ist ein Sausen und Brausen, zu schön, es mit anzusehen. Mein Brief ist recht Stückwerk, aber Adini187 sitzt neben mir und ist zu lieb. Morgen wird sie 1 Jahr, daher leb lieber wohl. Deine Schwester Sophie ist erst am 20ten gekom-
186 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin. 187 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933).
58
Briefe 1851–1873
men, wie ich gesehen, und Fritz wird jetzt dort sein mit dem Kaiser.188 Gott wolle diese Zusammenkunft segnen. Gott mir Dir. Deine alte Adine Steinfeld bei Schwerin, den 18ten September 1851 Da ich Dich, meine geliebte Elis, wieder in Sanssouci seit einigen Tagen zurückweiss, und mein letzter Brief Dich, fürchte ich, nicht mehr in Ischel gefunden, so will ich mich so wieder einstellen, und um Nachricht von Dir und Deiner Kur bitten. Bilde ich es mir ein oder bist Du so lang in Ischel geblieben, wie Du wolltest? Ich habe mir eingebildet, Du würdest 6 Wochen dort sein, und war sehr verwundert, als ich Deine Abreise las. Habe mich aber gefreut, daß Du in Wien gewesen und in Dresden, da hast Du alle Deine Schwestern gesehen, und mit Sophie warst Du lange zusammen. Wie findest Du den kleinen Ludwig?189 Die Reise, so Gott will, hat Dir an Leib und Seele wohl gethan, einen Seegen hat sie gewiß gehabt, daß Fritz und der österreichische Kaiser sich gesehen und gesprochen.190 In der Zeitung war wenig darüber gesagt, und das schien mir ein gutes Zeichen. Nun muß aber der Bund fest gehallten werden und gepflegt, damit die Demokraten nichts dazwischen bringen können, die, wenn sie auch nun still sitzen, so sind sie nicht unthätig. Ist es wahr, was die Kreutz Zeitung erzählte, das ein Kurier, der immer nach London gesendet wird, die correspondence der Demokraten mit besorgt hat? Es wäre wirklich fürchterlich, wie mißtrauisch möchte man werden! Den 19ten. Wir haben jetzt nach unserer Art großes Manöver, wo bei wir alle Tage sind, da es Auguste sehr interessiert. Schon vor 8 Uhr fahren wir fort und kommen gegen Mittag zurück. Das Wetter ist wunderschön, nur etwas windig, und die Nächte recht kühl, für die Truppen, die im Lager stehen, nicht angenehm. Mein Wilhelm, der sich recht erholt und dem die Seebäder in Dobbran gut bekommen sind, er hat aber doch noch den Schmertz zwischen den Schultern behallten. Und so ist er nach dem Rhein gereiset, nach Düsseldorf und weiter, kömmt dann nach die Manöver zurück. Er möchte zu gerne heirathen, am liebsten Anna,191 aber da ist doch wohl garkeine Aussicht. Es muß ja ein gekröntes Haupt sein? Meine Luise ist gestern mit Hugo zu Gräfin Blücher, sonstige Hofdame Schöning,192 gereiset und bleibt bis Sonntag dort. Sie ging ungern in diesen Tagen. Allein die Blücher
188 Treffen von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Kaiser Franz Joseph I. von Österreich. 189 Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919). 190 Erneuerung der Heiligen Allianz vom 26. Sept. 1815 durch das Treffen von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Kaiser Franz Joseph I. von Österreich. Im Mai hatte sich der preuß. König bereits mit dem russ. Kaiser in Warschau getroffen. 191 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 192 Elisabeth von Schöning (1817–1882), ehem. Hofdame der Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin, verh. 1848 mit Adolf Graf von Blücher-Finken (1821–1875).
1851
59
erwartet bald schon ihre Niederkunft193 und da konnte es nicht späther sein. Ich habe sehr den Wunsch, zu Fritz und Deinem Geburtstag zu kommen und einmal dann Luise und Hugo mitzubringen, die doch gern ihre Aufwartung machen wollen. Wann von den beiden Malen ist es wohl am anpassendsten? Es wird nur auf 1 bis 2 Tage sein. Ich bin jetzt hier in Steinfeld bei meinen Kindern zum Besuch, die sich hier im Herbst aufhallten. Nachdem das kleine Haus194 ausgebaut ist, ist so viel Platz, zwar nur klein, aber jeder von uns hat zwei kleine Zimmer, sehr niedlich, ganz ländlich, in der Art wie in Paretz. Es macht mir viel Spaß, die Lage ist so prächtig am Schweriner See, ein Buchenwald, einzig, wirklich. Bis künftige Woche bleibe ich wohl hier. Nun leb wohl. Ist vielleicht morgen die Hochzeit von Elisabeth Brühl und Alfred Rauch?195 Deine alte treue Adine Steinfeld, den 29ten September 1851 Meine liebe Elis, so verwöhnt von Deiner und Fritzens Güte wage ich mich, meine Person allein zum 11ten Oktober anzumelden, und wenn es erlaubt ist, bis zum 20ten zu bleiben. Meine Luise wird mich diesmal nicht begleiten, da sie eingeladen schon war in der Zeit in Burg Schlitz bei Gräfin Bassewitz196 und in Ivenack bei Graf Plessen,197 wo sie 8 bis 10 Tage fort bleibt. Vielleicht wagt sie es ein ander mal, auch hat sie das Versprechen von Olly, wenn sie von Petersburg zurück kömmt, ein rendez vous mit ihr zu haben. Noch ist aber kein Brief angekommen, und sie schwebt in der größten Ungewißheit. Für Deinen Brief, liebe Elis, danke ich Dir von Herzen. Hast Du wohl schon an Luise nach dem Haag geschrieben? Sie ist in Verzweiflung, seit dem Juny nichts von Dir gehört zu haben. Die Königin hat ja einen Sohn,198 sie soll wunderbar dabei sein und er auch. Es sind unglückliche Menschen, die kein Leid und keine Freude bessern kann! Der König von Würtemberg199 ist zur Taufe hin. Luise war an dem Tag krank, hat mehrere Tage das Bett gehütet mit Fieber und Kopfschmerzen. Sie sagt garnichts, ob sie noch nach Sanssouci kömmt. Ich glaube es beinah nicht, da Fritz Oranien ohne Ende Geschäfte hat. Und vielleicht ist es auch besser, da sie ja alle Jahr krank im November wurde. Karl ist also von Moskau zurück und zufrieden mit seinem Aufenthalt. Ich hoffe, Charlotte hat etwas 193 Geburt von Ludwig Graf von Blücher-Finken (1851–1851) am 13. Sept., gest. am 6. Nov. 194 Raben Steinfeld am südöstlichen Ufer des Schweriner Sees gehörte seit 1847 zum Hausgut der großherzoglichen Familie. Neben dem Ausbau des dortigen Jagdhauses entstand im selben Jahr auch ein Landschaftspark. 195 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Sekondeleutnant beim Regiment Gardes du Corps, heiratete am 20. Sept. in Potsdam Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen. 196 Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz (1801–1855). 197 Gustav Freiherr von Maltzahn, Graf von Plessen (1788–1862), Majoratsherr auf Ivenack. 198 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), gebar ihren jüngsten Sohn Prinz Alexander der Niederlande (1851–1884) am 25. Aug. 199 König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864).
60
Briefe 1851–1873
schönes an Mary und Kinder geschickt. Sonst ist es schlimm. Morgen ist wohl Auguste ihr Geburtstag. Da muß man schreiben, und ich werde das Unglück haben, mit ihr in Sanssouci zusammen zu treffen. Wilhelm sein Sturz scheint doch ernster gewesen zu sein, als man schrieb. Wir wollen heute auf 2 Tage nach einem Jagdtschloß Friedrichs Moor zur Hirschjagt, was mitten in einem Wald liegt und umgeben ist von Wasser und Wiesen.200 Und dabei regnet es, was es kann. Das kann eine rechte verfehlte Parthie werden. Leb wohl, mit treuer Liebe, Deine alte Adine Der Ball in Sanssouci soll allerliebst gewesen sein. Lollo werde ich also nicht mehr finden. Das ist mir leid, grüße sie von mir. Ist Abat von seiner Fußreise zurück? Daß Bruder Fritz nur fest bleibt und nicht seine Einwilligung giebt. Sans Souci, den 30ten September 1851 Meine Adine, der theure Onkel ist nicht mehr!201 Er ward uns so rasch entrißen, daß wir es kaum fassen können! Er ist der lezte all der theuren, die wir schon beweinen, der lezte seiner Génération. Mit ihm ist die alte Zeit ganz dahin, und mir ist, als hätte ich die geliebte Tante202 noch einmal verloren! Du bist auch tief betrübt, das bin ich gewiß, ich komme gar nicht aus den Thränen. Und doch, wenn ich denke, wie schwer er an seinem vereinsamten Leben trug, danke ich Gott, der ihn so sanft und fast ohne Kampf heim geführt zu seinen vorangegangen Lieben. Donnerstag sahen wir ihn zum leztenmal in Charlottenburg. Ich schrieb Dir davon, und ich glaube, ich sagte Dir auch, daß mir sein Athem nicht gefiel. Er hatte auch Husten und Schnupfen, war aber sehr heiter. Sonnabend soll er gar nicht wohl gewesen seyn und Blut gespuckt haben. Davon wußten wir aber nichts. Er schlief gut, und Sonntag schien er sehr wohl, aß mit Adalbert und Georg Gröben203 und war auch den Abend mit ihnen, mußte aber auf Schönleins204 Befehl um 9 Uhr zu Bett, worüber er noch scherzte. Um halb 10 Uhr kam Schönlein und war gleich besorgt für die Lunge, sagte dem andern Arzt, der ihn in seiner Abwesenheit behandelt hatte, er solle die Nacht bleiben und auf der Huth seyn. Um halb 11 Uhr klingelte er, saß in seinem Bett aufrecht, war unruhig und beklommen und stand auf, ging auch noch bis zur chaise longue. Der Arzt kam gleich, legte ihm Senftpflaster auf, ließ ihn zur Ader, aber das Blut floß nicht mehr. Er wurde wieder in’s Bett gebracht, aber schon ohne Besinnung mit gebrochenen Augen. Er röchelte noch, und nach halb 12 Uhr war es vorbey! Adalbert kam 10 Minuten vorher, aber er erkannte ihn nicht mehr! Gestern Morgen wurden wir 200 Jagdschloss Friedrichsmoor in der Lewitz zwischen Schwerin und Ludwigslust, errichtet 1791– 1793. 201 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) war am 28. Sept. in Berlin verstorben. 202 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). 203 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Rittmeister und Adjutant des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). 204 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
1851
61
mit der schmerzlichen Nachricht geweckt. Georg Gröben kam hieher, Du kannst Dir denken, in welchem Zustand. Unser Schreck und Schmerz war namenlos. Um 10 Uhr gingen wir gleich hin. Ach, es war zu schrecklich, diese lieben Räume zu bedecken, wo er das Andenken der geliebten Tante so treu pflegte, wo noch Leben war, und nun alles still für immer! Und Adalbert so in Thränen zu sehen, all die alten, treuen Leute, die uralte L’Estoq,205 die noch Thränen hat und auch ihn überleben muß, und auf derselben Stelle, wo ich die Leiche der geliebten Tante gesehen, nun auch seine! Er lag so schön da, ein Bild des Friedens, gar nicht entstellt, immer derselbe alte Ausdruck wie im Leben. Ihm ist wohl! Aber die armen Kinder, die Töchter206 jammern mich unbeschreiblich, besonders Mariechen, denn Elisabeth war doch schon besorgt, sagt mir Gröben. Ihr wird der Schmerz doch nicht so unerwartet kommen, wenn er auch immer derselbe ist. Uebermorgen ist die Beysetzung. Was wird das wieder für ein Tag seyn? Mein Bruder207 ist heute Morgen abgereist. Der Abschied that mir so weh. Lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Zum Glück hatte ich meinen Brief noch nicht abgeschickt, so kann ich Deinen noch beantworten und von Herzen dafür danken. Die Aussicht, Dich früher und länger zu sehen, entzückt uns, das ist einmal ein kluger Gedanke. Ich hoffe, Wiwi entschädigt uns ein ander mal. Ich habe Luise geschrieben und den énormen Brief den 20ten abgeschickt. Sie sagt mir, daß sie keine Reise mehr machen würden. So leid es mir thut, so muß ich doch sagen, daß ein Herbstauffenthalt hier mich immer sehr für Luise ängstigt. Auguste kömmt den 7ten und bleibt bis zum 21ten. Sie soll übel aussehen. Ich fürchte, die Laune wird nicht brillant seyn. Ich weiß nicht, ob Charlotte Geschenke geschickt hat. Karl kam entzückt und sehr befriedigt zurück. Charlotte ist wohl und machte alles mit. Bis jetzt ist Fritz noch fest gegen Abat.208 Snethlage209 ist schwankend. Lolo wird sehr betrübt seyn, Dich nicht mehr zu sehen. Die Trennung von ihr thut mir sehr weh. Ich weiß nicht, wann Ady abreist. Weymars210 sind gestern durch Berlin gekommen, für uns unsichtbar. Karl fand sie beyde gräßlich in Rußland.
205 Franziska Friederike von L’Estocq, geb. von Koppelow (1759–1856), ehem. Oberhofmeisterin der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 206 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), und ihre Schwester Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 207 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 208 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) plante eine morganatische Heirat mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879), ehem. Hofdame seiner Exfrau Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. 209 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 210 Erbgroßherzog Carl Alexander (1818–1901) und Erbgroßherzogin Sophie von Sachsen-WeimarEisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824–1897).
62
Briefe 1851–1873
Friedrichs Moor, den 1ten Oktober 1851 So ist unser theurer Onkel Wilhelm auch dahin.211 Es hat mich tief erschüttert, der letzte aus dem alten Hause. Mit ihm gehet eine große Vergangenheit zu Grabe. Gestern Abend erst erfuhr ich durch die Zeitung die Todesnachricht. Wir kamen vom Pyrschenfahren, so recht lustig, und mit einem Schlag war alles still und ernst und in Thränen. Mein Wunsch ist, zum Begräbnis nach Berlin zu kommen. Wenn ich nicht heute früh noch erfahre, daß es späther ist, so komme ich morgen mit dem ersten Zug von Wittenberge, wo ich die Nacht bleiben will, im Fall Donnerstagmorgen das Begräbnis ist. Deine Adine Steinfeld, den 23ten Oktober 1851 Ich habe eigentlich garnicht den Muth, Dir zu schreiben, liebe Elis, da Du so ungnädig bist, daß ich früher von Dir fort ging. Du weißt nur zu gut, wie glücklich ich bin, wenn ich bei Dir bin. Ich verwöhne mich so mit Dir, und überhaubt alle Menschen sind so herzlich und freundlich, da muß ich mir schon Gewalt anthun, um fortzugehen. Aber diesmal halte ich es für meine Pflicht, den kleinen prächtigen Enkel212 nicht so ganz allein in Steinfeld zu laßen, da ich auch weiß, daß es meiner geliebten Schwiegertochter ein Trost und eine Freude ist, wenn sie ihren Schatz unter meiner Aufsicht weiß. Ich fand ihn aber mit etwas Schnupfen, der aber heute schon besser ist. Er war im Bade ganz ausgelassen und platschte mit Hände und Füße. Ich bin nun seit gestern Mittag hier ganz eingezogen. Es ist still und ruhig um mich her, was ein sehr wohlthuendes Gefühl ist. Es ist ganz Land, im Hause ist niemand wie der Kleine mit seiner Umgebung, die Gallenfeld und ich. Ganz früh bin ich schon spazieren gegangen, nun sitze ich in meinem kleinen Zimmer und schreibe, arbeite. Gestern Abend wollten wir lesen, es kam aber nicht dazu vor Sprechen. Heute wird es wohl dazu kommen. Zum Diner sehe ich aus Schwerin einige Herrn und Damen. In Ludwigslust war es ganz hübsch, und Luise sehr glücklich, dort bleiben zu können. Morgen wird mein Fritz und meine Auguste das Glück haben, bei Dir zu sein. Ach, nein, Sonnabend erst, ich verwechselte es. Grüße sie beide herzlich. Heute wird nun Deine Schwester213 auch wohl wieder fort reisen, aber die paar Tage werden doch prächtig gewesen sein, wo ihr vereint wart. Ihr werdet doch ruhige Stunden zusammen zugebracht haben. Das ist eine solche Wohlthat. Manchmal zittert mir das Herz, wenn ich daran denke, daß ich mit Charlotte solche Stunden hätte zubringen können, besonders wenn Luise sagt, daß sie sich nach Venedig sehnt, nach dem schönen Klima. Nun leb wohl, grüße Deinen Fritz. Deine Adine 211 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851), gest. am 28. Sept. 212 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin. 213 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877), war mit ihrem Mann König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854) und den Prinzen Albert (1828–1902) und Georg von Sachsen (1832–1904) zu Besuch in Berlin.
1851
63
Steinfeld bei Schwerin, den 13ten November 1851 Am heutigen Tage betete ich für Dich, meine Elis, der Herr gebe Dir Frieden und Glück. Zum 18ten am Nachmittag hoffe ich mich einfinden zu können, um den 19ten mitfeiern zu dürfen. Ich freue mich schon so darauf, und wenn es erlaubt ist, wird mich Luise und Hugo begleiten. Am 20ten werden sie dann weiter reisen, vielleicht nach Böhmen zu den Schwiegereltern.214 Ich fürchte nur sehr, daß uns der liebe Ernst August215 die Zeit trüben wird, denn es geht doch wohl langsam mit ihm zu Ende. Die heutigen Nachrichten klingen doch sehr betrübt. Er wird so wie eine Lampe nach und nach erlischen. Aus Petersburg hatte ich gestern einen Brief von Elise Rauch, wodurch ich erfuhr, daß Charlotte recht krank gewesen. Sie hat sich erkältet und hat das Bett gehütet. Am 5ten November ging es aber schon besser, wo der Kaiser216 in der Festung war und von da Elise besucht, die leider schon nach der Stadt war, weil am selben Tag alles nach Gatchina umziehen wollte, und Charlotte erst späther unwohl wurde. Heute steht ja in der Zeitung angezeigt, daß Alexander am 28ten Oktober geheirathet und sie nebst Nachkommen, Gräfin Battenberg genannt wird!217 Meine Luise war sehr glücklich in Strelitz, wo man sie unendlich liebevoll und herzlich aufgenommen, ebenso Hugo. Von der Dicke von der Mary Cambridge218 sind sie auch ganz entsetzt. Sie findet sie aber recht angenem und herzlich. Sie hat ihr gefallen. Ich bin 2 Tage bei meiner Schwiegertochter hier in Steinfeld gewesen. Sie war sehr erkältet und allein, da Fritz auf Jagdt war. Heute Nachmittag kehre ich nach Schwerin zurück. Das Wetter war schön, daher der Aufenthalt ganz angenehm, und dann ist es so still und ruhig hier. Man kann so schön schreiben. Leb wohl, Deine Adine Tausend Dank für Deinen Brief. Ich hoffe, Du bist nun wieder wohl und wirst dann nach Potsdam ziehen. Ich freue mich schon sehr zu meinen Zimmern, die liebe ich so. Zu Deinem Geburtstag wird wohl ein Concert sein und Mittag en famille? Ich las eben in
214 Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867) und Fürstin Marie Eleonore von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin von Lobkowitz (1795–1876). 215 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) verstarb am 18. Nov. 216 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 217 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), russ. General der Kavallerie und Bruder der Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt, hatte am 28. Okt. heimlich in Breslau die bereits schwangere Hofdame seiner Schwester, Julia Gräfin von Hauke (1825–1895), geheiratet, Tochter des ehem. kongress-poln. Kriegsministers und 1829 zum russ. Grafen erhobenen Hans Moritz Hauke. Wegen der Heirat musste Prinz Alexander den russ. Dienst verlassen. Er trat ein Jahr später als Genralmajor in österr. Dienste. Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt verlieh der Frau seines Bruders und ihren Nachkommen den Titel der Grafen (ab 1858 Fürsten) von Battenberg. 218 Prinzessin Mary Adelaide von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge (1833–1897), hatte aufgrund ihrer Körperfülle den Spitznamen „Fat Mary“.
64
Briefe 1851–1873
der Zeitung, daß Deine Schwester Marie219 unwohl gewesen. Es war doch nichts bedeutendes? Strelitz, den 2ten Dezember 1851 Ich konnte in Schwerin nicht dazu kommen, Dir meine Rückkunft zu melden, geliebte Elis, denn ein Tag zu Haus, das ist ein Wirren und Gelaufe und Gefrage. Aber die Fahrt ging sehr schnell und ohne Aufenthalt. Schnee fand ich bis Wittenberge ziemlich viel, in Meklenburg wenig oder garnicht, dafür sehr viel Schmutz. Und nun gestern hier her zu Wagen von Güstrow aus kam ich in 9 Stunden. Es liegt abwechselnd viel Schnee und dann kleine Stellen garkeiner, daher das Fahren sehr holprig ging, zuletzt wurde er glatt. Ich wurde sehr herzlich von Tante und Onkel220 in meinen Zimmern empfangen, mußte gleich viel erzählen. Dann zog ich mich rasch an und ging zum Thee herauf, wo die Herzogin von Cambridge mit Tochter221 und Lilli war, die auch sehr freundlich und herzlich waren, dann die Hofdamen und einige Herrn. Wir schwatzten viel, und der Onkel machte seine Parthie. Nach 11 Uhr war alles aus, und ich schlief höchst sanft in einem enormen, zweischläfrigen Bett, wo ich erst fürchtete, frieren zu müßen. Nun warte ich, zum Kaffee gerufen zu werden um ½ 10 Uhr, wo man en famille ißt nach englischer Art. Was dann aus mir wird, weiß ich nicht. Den 3ten. Gestern Abend gegen 12 Uhr fiel ich todmüde in mein Bett, denn den ganzen Tag war ich in Bewegung. Von ½ 10 Uhr bis ½ 2 Uhr bin ich von einer Hand in die andere gegangen, erst Caffeé, dann zum Onkel herauf, der mir alles zeigte in seinem Zimmer, was mich sehr interessierte. Dann zur Cambridge, von da zur Erbgroßherzogin und dann zu Lilli, die nicht zu Haus war. Dann gingen wir alle zusammen spazieren, etwas auf und ab, wo es trocken war, dann Diner, Nachmittag kam Marie von Cambridge zu mir, wo wieder bis zum Concert geschwatzt wird. Das Concert, was übrigens ganz hübsch war, amüsierte mich, zuletzt soupierten wir unter uns. Heute scheint die Sonne, das sieht recht freundlich aus. Ich erwarte nun wieder, zum Caffeé gerufen zu werden. Du bist nun in Deinen lieben, warmen Zimmern in Charlottenburg, und ich denke mit Neid daran, das Karnikel222 in meine hübsche Zimmer wohnt. Ich sehe sie darin ganz dick und zerstreut umhergehen und ganz uncomfortable établiert. Morgen früh reise ich nun wieder ab und hoffe, Luise dann vorzufinden. Wir gehen heute Abend ins Theater. Ich war so darüber verwundert, aber der Onkel nimmt diese Trauer ganz leicht, er hat den König223 8 Jahre nicht gesehen und die correspondence war trübe Art zuletzt gewesen. Kurtz, nur so lange, daß der arme König nicht begraben war, sind sie nicht ausgegangen.
219 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 220 Großherzog Georg und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz. 221 Prinzessin Auguste von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1797–1889), mit ihrer Tochter Prinzessin Mary Adelaide von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge (1833–1897). 222 Nicht zu ermitteln. 223 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) war am 18. Nov. verstorben.
1851
65
Mir thut es wehe diese Gleichgültigkeit, denn ich liebte den alten Herrn von Herzen. Mit treuer Liebe, Deine Adine Schwerin, den 15ten December 1851 Wie es scheint, hat sich in diesen 8 Tagen Frankreich wieder beruhigt, aber was für Greulthaten sind geschehn. Die Kreutzzeitung mag noch so viel schimpfen, Louis Napoleon hat uns für den Moment gerettet, denn nun kann man gewiß wißen, was einem bevorsteht, und kann seine Maßregeln nehmen. Aus rechtlicher Sicht kann er nie zum Thron und Regieren kommen, wenn einer aber nun jetzt nur allein so die Welt retten kann, so ist es besser, daß er es ist, als wenn ein Joinville sich dazu hergegeben, und diese Famillie zum zweiten Mal so sich der Macht bemächtigt hätte.224 Helene225 freilich denkt anders, und hat nun zu ihrem Trost den Freund Thiers226 nach Frankreich. Der wird auch nicht ruhig sitzen und Napoleon durch Nichtsthun seine Dankbarkeit für das Einspannen beweisen. Die Zukunft wird uns noch manches Ernste bringen. Da politisiere ich, wie mir das wenig ähnlich sieht. Von Strelitz will ich noch berichten. Die Mary227 hat mich in dem ersten Augenblick nicht so frappiert, als wie ich sie öfter sah. Da konnte ich förmlich nicht darüber weg. Es ist eine Dicke, wie man sie sich nicht zweimal denken, noch finden kann. Es ist schade, denn der Kopf ist eigentlich schön, dabei ist sie von einer Lebendich[keit], was ihr garnicht steht. Den 16ten. Mein Brief wurde gestern nicht fertig, denn Weihnachten nimmt mich schon sehr in Anspruch. Ich hoffe, es soll ein recht heiteres Fest werden, denn mit den Kindern und Kindeskindern kann es einen gar heiteren Abend geben. Es ist zu hübsch, daß ich nun wieder Spielsachen kaufen kann. Da möchte man die Läden leerkaufen. Wir hoffen sehr, daß mein Wilhelm zum Heilig Abend kömmt, da er nie schreibt. So weiß ich nichts von ihm. Ich hoffe, er ist vernünftig und fleißig, und man ist wieder zufrieden mit ihm. Aus Petersburg hatte ich von Elise Rauch einen Brief. Es ist nun wohl 8 Tage, da waren Münsters228 noch nicht zurück. Charlotte ging es abwechselnd gut. Sie waren noch 224 Mit dem Staatsstreich vom 2. Dez. übernahm der frz. Staatspräsident Charles Louis Napoleon (III.) Bonaparte (1808–1873) bis zum 5. Dez. die Macht in Frankreich und ließ sich ein Jahr später als Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen erklären. François von Orléans, Prinz von Joineville (1818–1900), war der drittälteste Sohn des 1848 gestürzten Königs der Franzosen und Thronkonkurrent der Kinder seines 1842 verstorbenen Bruders Ferdinand Philippe von Orléans, Herzog von Chartres (1810–1842). 225 Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858). 226 Adolphe Thiers (1897–1877), ehem. frz. Staatsminister und späterer Staatspräsident, der Charles Louis Napoleon Bonaparte (III.) seine Unterstützung verweigerte und zunächst ins Exil gehen musste. 227 Prinzessin Mary Adelaide von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge (1833–1897), hatte aufgrund ihres Übergewichts den Spitznamen „Fat Mary“. 228 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), 1850–1856 preuß. Militärbevollmäch-
66
Briefe 1851–1873
in Sarskoi Selo, und Elise ging es viel besser, so daß sie wieder dort sein konnte. Von Fritz Strelitz vergaß ich zu sagen, daß ich ihn entsetzlich ehlend aussehen fand, und sehen thut er garnichts.229 Er will Ende Januar, weil die Herzogin230 fortgeht, nach Dresden und dort 14 Tage bleiben, um Schmalz231 wiederzusehen und sich behandeln zu lassen. Die Strelitzer Herrschaften kommen im Februar nach Berlin, auch Lilli. Schaffe der doch einen Mann, man wünscht es so für sie, denn sie ist oft recht traurig.232 Nun leb wohl, verzeih diesen flüchtigen Brief. Arme Lolo, die vom Papa mißbraucht wird zu seinen Plänen. Darauf gieb nur nichts. Wie kann sie anders, wenn er sie beredet und vorstellt, daß es zu seinem Glück ist. Fritz muß festhallten.233 Deine alte Adine Schwerin, den 29ten December 1851 Meine liebe Elis, ich habe wieder für vieles zu danken. Zuerst für Deinen lieben Brief und dann für die schönen Geschenke. Das graue chinesische Tuch und das Kleid, beides wunderschön. Und die Bilder von Paretz sind mir liebe Erinnerung aus meiner Jugend und an die paar Tage, wo wir beide dort so froh und zufrieden waren, und diese bleiben mir auch zu lieb im Herzen, wie alle Liebe, die Du mir stets bewiesen, und Dein Vertrauen, was Du gegeben. Du hast aber auch mein Herz mit fester unerschütterlicher Liebe an Dich gekettet, was nicht wankt und weicht in Treue für Dich. Das neue Jahr wird Freud und Leid bringen wie immer. Möge es uns gewabnet finden, wie es auch komme, und Gottes Gnade und Barmherzigkeit und dann nahe sein. Ich denke mir, ein Schaltjahr ist immer noch wichtiger und anders wie sonst. Es hat sich wenigstens bis jetzt bestetigt. Unser Weihnachten war dies Jahr wirklich sehr hübsch. Erstlich waren wir alle zusammen und dann die beiden Enkel.234 Vielleicht kömmt es nie wieder so. Es war wirklich im Sinn des Wortes ein Fest. Wilhelm wird Dir davon erzählen. Er war wenigstens tigter in Russland, verh. seit dem 23. Okt. mit Bertha von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 229 Eine Verletzung am Auge von Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz führte in den nächsten Jahren zur vollständigen Erblindung. 230 Prinzessin Auguste von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1797–1889). 231 Heinrich Gottlieb Schmalz (1777–1861), sächs. Augenarzt. 232 Die geschiedene Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876). 233 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) versuchte, die Heirat mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879) nun über die Familie seine Tochter Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen, zu erreichen, da sein Bruder König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die Heirat weiterhin verweigerte. Siehe u.a. die Briefe vom 29. und 30. Sept. 1851. 234 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. März 1851, und seine Cousine Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz, geb. am 29. Aug.1850.
1851
67
den Heiligen Abend bei uns. Er wird Dir vielleicht auch erzählen, daß mein Sohn mit Auguste den Plan hat, diesen Winter nach Berlin zu kommen, wenn Du und Fritz es erlauben, und einige Zeit zu bleiben. Nur wünschen wir zu wissen, wann der Carneval in Berlin anfängt. Luise, Hugo und ich werden aber nicht so lange bleiben oder vielleicht späther kommen. Aus Petersburg hatte ich gestern einen Brief von Elise Rauch. Charlotte hatte von dem Nahmenstag 48 Stunden Herzklopfen, so daß sie den Tag alles mitmachen konnte. Ihre Augen sollen gar zu schlecht werden. Sie darf nun garnicht schreiben und lesen. Das ist recht ängstlich, und ihre Sehnsucht nach Sanssouci würde immer stärker. Nun leb wohl, Gott mir Dir und Fritz im Neuen Jahr. Er sei Euch schützend zur Seite. Deine treue Adine Charlottenburg, den 29ten Dezember 1851 Heute, meine Adine, bekam ich Deinen lieben Brief in Berlin und eile, Dir gleich dafür zu danken. Es rührte mich so, was Du mir über Parez und über den Wechsel des Jahres sagst. Gott lohne Dir Deine Liebe zu mir, die ich so von Herzen erwiedere, und gebe Dir und den Deinen ein glückliches, ungestörtes Jahr, uns Allen Frieden und Ruhe, und stärke und erleuchte Alle, die die Macht haben. Daß Jahr endigt mit traurigen Verlusten. Gestern Nachmittag starb die alte Massenbach, Mathilds Mutter.235 Sie war 84 Jahre alt und wurde die lezte Zeit sehr schwach, dennoch ist der Schmerz derselbe für die armen Töchter.236 Es ist schon so entsezlich traurig, die arme Mathild, die kaum erst anfing wieder auf zu leben, in neuem Schmerz versunken zu sehen, aber auch für mich und für ihre neue Stellung ist es sehr betrübt und verdirbt mir recht den Winter, in dem ich so auf sie gerechnet hatte, auf ihren Einfluß auf die Gesellschafft. Heute Nacht starb auch unser guter, alter Schilden!237 Das wird Dir gewiß wehe thun. Das Ende war sanft, aber er hat viel gelitten. Ich kann nicht sagen, wie sein Verlust mich schmerzt. Es ist auch wieder ein Abschnitt, der lezte aus der alten Zeit, der so viel erlebt hatte, und eine so treue Seele. Nun ist er mit Deinen Eltern, die er so unbeschreiblich liebte! Ich war heute bei Mathild und fand sie in Thränen. Dann ging ich in’s Schloß, um 96 Kinder der Warteschulen238 zu beschenken, was sich morgen wiederholen wird, und nachher zur alten L’Estoq,239 die ich ganz munter fand und beweglich, nur der Athem fängt an, etwas kürzer zu werden. 235 Charlotte von Massenbach, geb. du Genée (1768–1851), gest. am 28. Dez. 236 Gemeint sind die Töchter von Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795– 1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen. 237 Friedrich Anton Freiherr von Schilden (1773–1851), Oberhofmeister der Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 29. Dez. 238 Soziale Einrichtungen der christl. Inneren Mission zur Betreuung von Kindern armer, erwerbstätiger Familien bis zum Schuleintritt. 239 Franziska Friederike von L’Estocq, geb. von Koppelow (1759–1856), ehem. Oberhofmeisterin der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg.
68
Briefe 1851–1873
Wie kann ich so lange schreiben, ohne für das schöne Geschenk zu danken, an dem Du Antheil hast. Es ist eine Art jatte240 in schönem Porcellan. Es sind jetzt Blumen darin, und sie steht im Saal auf einer prächtigen Tischdecke, die mir Fritz geschenkt. Tausend Dank denn, meine Adine. Wie freute es mich, daß unsre Gaben Dir gefallen, das graue Tuch war ein wahrer Fund, und ich legte gleich Beschlag darauf. Wilhelm hat mir viel vom frohen Abend bey Euch erzählt, und auch von dem sehr erfreulichen Plan Deines Sohnes. Warum willst Du nicht so lange bleiben, er will hie nur 14 Tage bleiben, sagt mir Wilhelm, warum denn noch weniger! Wir bescherten hier im Eßsaal, und es war sehr hübsch und Gottlob alles zufrieden. Fritz hat mich wieder ungeheuer beschenkt, schön und nüzlich. Ich bin ganz beschämt davon. Heute aß Budberg241 hier, nachdem er sein Creditif als Gesandter über geben hatte. Er ist sehr froh über dieses avancement. Der Sturz von Lord Palmerston242 entzückt alle Menschen. Es ist ein ungeheures Glück. Gestern Abend hatten wir Musik im Eßsaal und nur wenig Menschen. Es war ganz hübsch. Da sah ich die Witwe Ziethen, geborene Schulenburg243 wieder nach langen Jahren. Sie ist recht verändert und war sehr bewegt. Sie stellte ihre Tochter vor, die leider recht garstig ist, nur blendend weiß.244 Mit ihr wurde mir die Tochter des bayerschen Gesandten vorgestellt, ein allerliebstes Mädchen, so hübsch und gescheut.245 Das ist endlich einmal wieder eine angenehme Erscheinung. Anne Rochow war auch da als Braut,246 durch ihre Großmutter Wartensleben247 vorgestellt, die ihr zu Liebe wieder ausgeht. Wir gehen den 1ten nach Potsdamm auf 8 Tage und kommen dann hieher zurück, um von hier aus nach Berlin zu ziehen. Ich glaube, nach dem gewöhnlichen Maaß gerechnet fängt der Carnawal den 25. Januar an. Gott wolle doch Charlottens Sehnsucht nach der Heimath befriedigen. Die Schwäche ihrer Augen betrübt mich so! Von Bertha Münster248 hatte ich einen langen Brief. Sie scheint sehr zufrieden und dankbar für den gnädigen Empfang. Lebe nun wohl, meine Adine, Gottes Seegen mit Dir. Fritz umarmt 240 Frz. = Schale. 241 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), seit 1851 russ. Gesandter in Preußen sowie für Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. 242 Henry John Temple, 3. Viscount Palmerston (1784–1865), seit 1846 brit. Außenminister. Nachdem er ohne Zustimmung der brit. Königin und des Kabinetts den Staatsstreich in Frankreich durch Charles Louis Napoleon (III.) Bonaparte (1808–1873) gebilligt hatte, wurde er am 22. Dez. zum Rücktritt gezwungen. 243 Amalie Gräfin von Zieten, geb. von der Schulenburg (1807–1853). 244 Marie Gräfin von Zieten (1834–1911). 245 Karoline Fideline von Malsen (1833–1904), Tochter von Konrad Adolf von Malsen (1792–1867), seit 1849 bayr. Gesandter in Preußen. 246 Anna von Rochow (1824–1874), verh. am 3. Juni mit Wichard von Rochow (1822–1886), preuß. Sekondeleutnant. 247 Charlotte Dorothea Caroline Gräfin von Wartensleben, geb. Moers (1784–1852). Ihre Tochter Mathilde war seit 1817 mit dem preuß. Generalleutnant Theodor von Rochow, preuß. Gesandter in Russland, verheiratet. 248 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen, seit dem 23. Okt. verh. mit Hugo Eberhard Graf zu MünsterMeinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
69
Dich und wünscht Dir Glück zum neuen Jahr. Den 31ten wollen wir hier in der Kapelle zum Abendmahl gehen. Denke unser! Tausend Liebes Deinen Kindern, mit treuer Liebe, Deine alte Elis
1852 Schwerin, den 7ten Januar 1852 Meine liebe Elis, dies sind die ersten Zeilen, die ich Dir im Neuen Jahr schreibe. Ach, möchte es ein schönes, geseegntes Jahr werden. Mir ist aber recht bange! Der Kriegsminister ist also wirklich gewechselt. Den Interimistischen kenne ich garnicht, kann also kein Urtheil fällen. Ich kenne nicht mal den Nahmen in der preußischen Armee.1 Möge er seine Stelle gut ausfüllen. Dann trägt man sich mit dem Gerücht umher, daß Manteufel nicht bliebe wegen dem auswärtigen Departement, weil er das nicht verstände. Graf Arnim-Boitzenburg wird als Nachfolger genannt.2 Man kann freilich in der jetzigen Zeit alles erwarten, darum schweige ich darüber. Wir haben dann wirklich die Absicht, nach Berlin zu kommen. Fritz und Auguste wollen, wenn es Euch recht ist, am 31ten des Monats auf 14 Tage und vielleicht darüber kommen. Ich will am 3ten noch einen Ball hier geben und dann am 7ten Februar nach Berlin kommen mit Luise und Hugo auf 8–10 Tage. Gestern hat unser Carneval begonnen mit einem großen Galla Ball bei Fritz. Es wurde bis 3 Uhr mit enormer Lust getanzt. Wir Zuschauer sind aber halb tod. Alle Woche sind 2 Bälle und manche werden noch eingeschoben. Diesen Brief wird Dir unser neuer Legationsrath Herr von Bülow3 mitbringen. Er ist schon früher in Berlin gewesen, und man hatte ihn gern. Er ist der Neffe von der Ministerin Bülow (Humbold) in Potsdam,4 ein Freund von Fritz, der sich [in] allen Verhältnißen treu bewehrt. Ich empfehle ihn Deiner und Fritzens Gnade! Dieser Tage wirst Du wohl nach Charlottenburg zurückkehren. Den 9ten. Endlich wird mein Brief nun abgehen. Minister Graf Bülow5 ist erst gestern nach längerer Abwesenheit zurückgekehrt, und so lange hat Herr von Bülow warten müßen. Nach der Zeitung heute kehrt ihr heute nach Charlottenburg [zurück], habt aber allerlei Kurtzweil in Potsdam gehabt, sogar einen Ball im Schloß. Nun leb wohl, Ewig Deine treue Adine 1 Auf den preuß. Kriegsminister August von Stockhausen (1793–1861), dessen persönliche und sachliche Differenzen mit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen bereits nach einem Jahr im Dienst nicht mehr überbrückbar waren, folgte am 31. Dez. 1851 der preuß. Generalmajor und Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements Alexander von Wangenheim (1792–1867), der allerdings nur mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt wurde. Der Auslöser für die Entlassung war letztendlich die Verweigerung, höhere Soldzahlungen für die Offiziere einiger Garde-Regimenter im Parlament zu vertreten. 2 Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868) war 1848 kurzzeitig preuß. Ministerpräsident und für Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin zu liberal in seinen Ansichten. 3 Bernhard von Bülow (1815–1879), mklbg.-schw. Legationsrat und Gesandter am preuß. Hof. 4 Gabriele von Humboldt (1802–1887), verh. 1821 mit Heinrich von Bülow (1792–1846), 1842– 1845 preuß. Minister der Auswärtigen Angelegenheiten. 5 Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident.
1852
71
Gott sei Dank scheint garnichts daran zu sein, daß Manteufel abgeht, aber Schwartzenberg6 seine Politik mit Frankreich ist höchst eigenthümlich. Sollte er mit schlechten, unrechten Principien sich vereinigen können? Soll es ein Schreckschuß für Preußen sein? Ich verstehe es nicht. Schwerin, den 12ten Januar 1852 Meine liebe Elis, ich schreibe Dir heute schon wieder, diesmal betrifft es meinen Sohn Wilhelm, der mich gebeten, Dir und Fritz zu versichern, daß an dem Gerede, was von ihm in Berlin umher läuft, als wenn ihm die Idee gekommen, sie, die Marie Taglioni7 zu heirathen, es wäre auch kein Gedanke, denn er hielte sich zu gut dazu. Freilich hatte er die cour gemacht, das sei aber auch Alles. Ich möchte Dich nun bitten, liebe Elis, wenn Du ihn siehest, ihm recht freundlich vorzustellen, wie er sich schade durch sein leichtsinniges Betragen, und wie er mich dadurch betrübe und er sich selbst in der Welt schade. Von Dir wird es mehr Eindruck machen, obgleich er meine Ermahnung ganz dankbar aufgenommen. Lebe wohl, verzeih diese Bitte, denn es lag mir sehr am Herzen. Deine alte treue Adine Charlottenburg, den 14ten Januar 1852 Meine Adine, für zwey liebe Briefe habe ich Dir zu danken. Den ersten gab mir Dein Wilhelm Sonntag. Nach Tisch nahm ich ihn bey Seite und sprach ernst mit ihm über die Taglioni.8 Die Gerüchte über eine Heyrath sind leider sehr verbreitet und kommen nicht allein von Karl, wie Wilhelm es glaubt. Er versichert hoch und theuer, es sey nichts daran. Ich erlaubte mir, ihm zu sagen, daß, wenn ihn die Gerüchte ärgerten, er auch nichts thun müsse, um sie zu bestärken, und nicht ewig in dem Haus zu seyn. Ich glaube wohl, daß er an keine Heyrath denkt, aber die Eltern werden daran denken, und er wird im Nez seyn, ehe er sichs versieht. Das habe ich ihm auch gesagt. Er nahm alles sehr freundlich auf und versicherte immer, er habe ein reines Gewissen. Diese ganze Wirthschafft mit den Tänzerinnen taugt überhaupt für die jungen Herren nicht. Sie können sich nur dabey in jedem Betracht zu Grunde richten. Gestern kam nun Dein zweyter Brief, und da war ich doppelt froh, daß ich in Deinem Sinn gehandelt hatte. Ich bin heute wahrhaft betäubt und zu nichts zu brauchen. Gestern Abend bekam ich einen Brief von meinem Schwager Johann,9 der mir sagt, daß Amelie sehr unwohl ist, seit 2 Tagen zu Bett. Er sucht mich zu beruhigen und hat mich statt deßen furchtbar geängstigt. Er nennt mir nicht einmal die Krankheit, ich kann mir also alles denken. Ich habe heute durch den Telegraphen um Nachrichten gebeten und bin im Fieber bis dahin. Wil6 Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800–1852), österr. Ministerpräsident. 7 Marie Taglioni die Jüngere (1831–1891), ital. Tänzerin in Berlin. 8 In Berlin kursierendes Gerücht, Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin wolle die ital. Tänzerin Marie Taglioni die Jüngere (1831–1891) heiraten. 9 Prinz Johann von Sachsen (1801–1873).
72
Briefe 1851–1873
helm, der heute hier essen wird, bringt Dir den Brief und wird Dir erzählen, daß General Bonin so gut wie ernannt ist zum Kriegs Minister.10 Fritz ist zufrieden mit seine Unterredungen mit ihm. Wangenheim11 war Ingénieur Offizier, und Du kennst ihn gewiß. Er ist groß, alt und trägt eine blonde peruegue. Seit vorigem Jahr ist er im Kriegs Ministerium angestellt, daher seine Vertretung des Kriegs Minister interimistisch. Es thut mir doch leid, daß es nicht mehr ging mit Stockhausen,12 denn es ist ein braver Mann, wenn auch durch seine Kränklichkeit sehr launig. Die Gerüchte über Manteuffel sind Gott sey Dank ganz falsch. In den Kammern fängt es an, scharf her zu gehen. Wir freuen uns sehr, Fritz und Auguste den 31ten zu sehen, begreiffen aber nicht, warum Du so spät kömmst. Wenn Du den 3ten einen Ball giebst, kannst Du doch den 5ten kommen. Das wird wieder ein klötriger13 Besuch werden. Ich sehe es schon kommen, Strelizen wollen mit Lilli Mitte Februar kommen. Den neuen Bülow14 erinnere ich mir nur dunkel. Wir wollen den 17ten nach Berlin ziehen, die milde Luft ist glücklich für das Schloß. Sonst ist das dunkle Wetter und der beständige Regen höchst unangenehm. In Potsdamm hatten wir herrliche Tage. Ich ging und fuhr viel herum, und Fritz war mehreremale auf der Jagd, was ihm immer so gut bekömmt. Wir hatten Theater und Ball, wo es sehr heiter zuging. Lebe nun wohl, meine Adine, grüße Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 19ten Januar 1852 Du wirst heute recht fatigiert sein nach dem Ordensfest, was nun glücklich überstanden. Ich hoffe, es wird Dir nicht schaden, und Gott gebe, liebe Elis, daß Du es mit ruhigem Herzen hast mitmachen können, und Du bessere Nachricht von Deiner Schwester Amélie hast. Mein Wilhelm sagte mir, die Nachrichten wären schon beruhigender gewesen, wie er Dich gesehen. Er hat mir auch erzählt, wie Du friedlich und herzlich mit ihm gesprochen. Wir wollen hoffen, daß es Frucht bringe. Er spricht ungern darüber. Unsere Bälle hier waren recht hübsch. Es ist unbendig getanzt worden. Fritz Perponcher15 findet man sehr schön und bezaubernd. Um Deine Ungnade nicht ganz zu verdienen und mein Besuch im Februar nicht klötrig16 wird, werde ich am 2ten Februar er10 Eduard von Bonin (1793–1865), im März 1852 zum preuß. Generalleutnant und Kriegsminister ernannt. 11 Alexander von Wangenheim (1792–1867), preuß. Generalmajor, seit 1833 Vorstand der Ingenieurabteilung des Allgemeinen Kriegsdepartements, seit April 1851 dessen Direktor, von Jan. bis März 1852 geschäftsführender Kriegsminister. 12 August von Stockhausen (1793–1861), am 31. Dez. 1851 aufgrund von Differenzen mit dem preuß. König als Kriegsminister entlassen. 13 Niederdt. klöterig = schwach, kümmerlich. 14 Bernhard von Bülow (1815–1879), mklbg.-schw. Legationsrat und Gesandter am preuß. Hof. 15 Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909), preuß. Premierleutnant und Adjutant des Prinzen Georg von Preußen (1826–1902). 16 Niederdt. klöterig = schwach, kümmerlich.
1852
73
scheinen. Was sagst Du nun dazu, ist das nicht herrlich? Ob Luise und Hugo mich gleich begleiten werden, weiß ich nicht. Wäre es aber möglich, daß, wenn sie kommen, im Schloß wohnen und vielleicht über mir, in Bruder Wilhelms alten Zimmern, um ganz nahe bei uns zu sein? Dann wäre Mecklenburg-Schwerin auf einem Fleck. Mein Sohn Fritz und Auguste kommen am 31ten, um sich etwas auszuruhen, denn Auguste ist noch schwach und sieht sehr blaß und übel aus. Ich glaube, sie werden um Erlaubniß bitten, den kleinen dicken Friedrich mitzubringen, um ihn zu präsentieren. Und da es weiches Wetter ist, kann es ihm nicht schaden. Leb wohl, Deine treue Adine Da die Gallenfeld17 mich nicht begleiten wird, und Luise doch auch eine Dame haben muß, wenn sie ausgeht, so werde ich die älteste Tochter vom Minister Graf Bülow18 mitbringen und die Schöning.19 Schwerin, den 30ten Januar 1852 Ehe ich mich nun selbst einstelle, will ich Dir noch einige Worte senden und Dir danken, daß Du so freundlich mein früher Kommen aufgenommen hast. Am 2ten werde ich in Begleitung von Luise und Hugo erscheinen, so um 4 Uhr werden wir wohl im Schloß ankommen. Es will mir wunderbar erscheinen, einmal wieder nach Berlin zu kommen, und umgeben von meinen verheiratheten Kindern. Gott wolle geben, daß es eine ungetrübte Zeit bleibt und wir das Beisammensein recht genießen können. Wir haben einen sehr brillantnen Carnaval. Es wird so viel getanzt, viele Herren und Damen aus dem Lande sind dazu hier. Nach unsern Art ist es sehr voll. 2 Bälle hatten wir, über 200 Personen. Wie ich höre, ist den letzten Ball bei Euch auf dem Schloß von 900 Personen gewesen. Wenn ich denke, daß ich mich in dieser Menschenmasse hinein stürtzen soll, so wird mir Angst und bang, aber Dich zu sehen und mit Dir zu sein, läßt mich dies leicht überwinden. Von Petersburg habe ich durch Elise Rauch ziemlich fleißig Nachricht. Charlotte muß wieder viel von Herzklopfen leiden und ist recht sehr angegriffen. Mandt ist aber nicht besorgt. Feste sind garnicht, das italienische Theater zieht alles an. Nun leb wohl, meine Elis, auf Wiedersehen am Montag. Was wird nur am 3ten am Geburtstag sein?20 Deine alte Adine 17 Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 18 Elisabeth Gräfin von Bülow (1831–1906), Tochter von Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.schw. Ministerpräsident. 19 Marie (Mary) von Schöning (1820–1909), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 20 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877), feierte ihren 44. Geburtstag.
74
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 4ten März 1852 Meine liebe Elis, wie undankbar werde ich Dir erscheinen, auf deinen lieben Brief vom 23ten nicht geantwortet zu haben. Dann hast Du mir auch das Program vom Maskenzug mit Anmerkungen gesendet, was mir so viel Spaß gemacht. Allein, es war mir nicht möglich zu schreiben. Nun aber, wo es endlich ruhiger hier geworden ist, ist es mein erstes Geschäft, Dir und Fritz noch so recht zu danken für alle Liebe und Freundlichkeit, womit ihr mich wieder so beglückt habt bei meinem Aufenthalt in Berlin. Ich gedenke der Zeit mit Freude und Dankbarkeit, denn man muß jetzt Gott doppelt dankbar sein, daß er nach so schrecklichen Jahren es so wieder zurück geführt, daß man sich der Freude wieder hingeben kann wie in besseren Jahren. Gott möge allen Menschen nun noch mehr Kraft und Muth geben, das letzte Schlechte noch abzuwerfen.21 Mit Onkel George gehet es Gott sei Dank täglich besser, aber unser Schreck und Angst war nicht gering, wie er am 28ten so krank wurde an Erkältungsfieber. Bei ihm und in seinem Alter war es wirklich ganz entsetzlich. Allein, seine gute Natur und sein Wille, schneller besser zu werden, macht, daß er sich eigentlich schon ganz wohl fühlt und wohl am Sonnabend abreisen wird. Marie22 wird Dir dann von hier erzählen. 370 Menschen waren zum Diner und Ball. Es ging auch alles recht gut, aber fatigant war es. Wir alle waren mit unseren Kräften zu Ende. Nun kamen noch dazu 2 Todesfälle hier, die uns nahe gingen, die jüngste Schwester von Linchen Jasmund23 starb für uns ganz plötzlich, da sie in ganzer Besserung war, und die Frau von meinen Sekretär Zöllner.24 Ersteres geht uns sehr nahe, da wir sie unendlich liebten, und dann war sie für die Armen so gut, besorgte für Auguste und mir alle unsere Gaben. Die alte Mutter25 ist stark taub, und für die lebte sie auch ganz. Es ist ein zu großer Verlust, den wir machen. Mit Marie besehen wir, was es zu sehen gibt. Sie ist aber in Verzweiflung, noch hier zu sein. Uns geniert es garnicht, sondern es macht uns Freude, sie länger zu haben. Nun leb wohl, verzeih dies Geschmier, aber ich schreibe in Eile. Mit Auguste ist es noch beim alten. Sie macht nichts mit, erscheint nur ab und zu und liegt auch oft, wenn wir bei ihr sind. Deine alte Adine
21 Gemeint ist, zu den Zuständen vor der Revolution von 1848 zurückzukehren. 22 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1888), zu Besuch zunächst in Schwerin zum Geburtstag von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, anschließend in Berlin. 23 Julie von Jasmund (1818–1852), gest. am 27. Febr., Schwester der preuß. Hofdame Karoline von Jasmund (1808–1875). 24 Julie Thym (gest. 1852), verh. mit Carl Zöllner (1792–1855), mklbg.-schw. Hofrat, Intendant des Schweriner Hoftheaters und Sekretär der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 25 Karoline Ernestine von Jasmund, geb. von der Goltz (1782–1864).
1852
75 Schwerin, den 29ten März 1852
Wie lange habe ich Dir nicht geschrieben, und damit strafe ich mich immer am meisten, weil ich dann garnichts von Dir höre. Aber ich wollte Dir doch etwas Interessantes schreiben, und wartete unsere Reise nach Hamburg ab, von der wir am Freitag Abend zurück kamen, sehr befriedigt. Ich werde aber mit dem Tadel anfangen. Die Rossi26 ist sehr stark und auseinander gegangen, daher stand ihr der kurtze Rock in der Regimentstochter nicht.27 Sie hatte einen dicken Bauch, ohne in anderen Umständen, ihr Spiel gefiel mir auch nicht, und als Gräfin Rossi garnicht, denn sie gab die Rolle etwas gemein und blieb im 2ten Akt auch so. Ihre Stimme hat an Stärke verlohren, daher das Orchester sehr schwach spielen muß, aber einen Klang hat sie in der Stimme, eine Weiche und Zahrtheit und eine Fertigkeit, die unerhört ist. Sie reißt das Publikum förmlich mit sich fort. Ich finde, sie macht zu viel ordentliche Kunststücke, man hört nicht genug die einzelnen Töne. Sie sagte mir, sie müßte ihre Stimme sehr schonen, bleibt aber in Hamburg bis Ende April. Vielleicht gehen wir noch einmal hin, um sie in anderen Rollen zu sehen. Sie selbst mag die Marie nicht gern singen. Das Wetter war im Ganzen gut, nur sehr kalt. Wir liefen aber viel herum. Hier zurückgekehrt, fanden wir die Wagner28 vor, die heute in Montechi29 auftritt und übermorgen in Propheten.30 Es ist kein Billet mehr zu haben. Ich werde nun beide Stimmen der großen Künstlerinnen vergleichen können, übrigens sind es ganz andere Stimmen und Rollen, die sie geben. Eben bekomme ich einen Brief von Luise, die Nachricht von Charlotte, es ginge ihr besser. Sie war an der Grippe recht krank. Sie gedenkt, Anfang Mai nach Berlin zu kommen, bis Ende des Monats zu bleiben und dann nach Schlangenbad zu gehen und zum 13ten July in Peterhof zurück zu sein, vielleicht in Stettin einschiffen. So war es vorläufig bestimmt. Es kann sich aber noch oft ändern. Daß die beiden Jungs31 nicht nach Berlin kommen dürfen, hat man freundlich aufgenommen, aber mit Schmertz, weil Charlotte und den Jungs eine große Freude verdorben, sie so glücklich sich in Berlin gefühlt, und nun mit der Mama es doppelt genießen wollten. Wegen meiner Reise nach Petersburg ist noch nichts bestimmt, aber wie es scheint, wünscht man mich mehr zum Winter, weil ich da Charlotte nützlicher sein kann. Ich selbst will nichts wählen, sondern nach den dortigen Wünschen mich richten. Wenn ich zum Winter gehe, kann es erst im November sein, da Auguste ihre Niederkunft Ende September erwartet oder Anfang Oktober. Es wird ein kühles Vergnügen sein. Hast Du etwas aus Wien gehört, wie die Großfürsten 26 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Opernsängerin, zum Gastspiel in Hamburg. 27 „Die Regimentstochter“, Oper von Gaetano Donizetti (1797–1848). 28 Johanna Jachmann-Wagner (1828–1894), Sängerin in Berlin, zum Gastspiel am Hoftheater in Schwerin. 29 „Die Familien Capuleti und Montecchi“, Oper von Vincenzo Bellini (1801–1835). 30 „Der Prophet“, Oper von Giacomo Meyerbeer (1791–1864). 31 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909) waren auf Reisen, zu diesem Zeitpunkt in Bayern und Österreich, anschließend nach Italien und in die Niederlande.
76
Briefe 1851–1873
gefallen haben? Man hat ihnen viele Feste gegeben, wie ich in der Zeitung gelesen. Sie werden nun nach Rom und Neapel gehen, eine himmlische Reise machen und zuletzt nach dem Haag kommen. Dann wird Luise aber schon fort sein, die sich denn ungeheuer freut, nach Berlin zu kommen. Sie hat auch die Idee, Puttchen in Schonen aufzusuchen, wo sie auf dem Gut vom Kronprinzen sein werden.32 Wie steht es denn mit der Heirathsidee von Mary, die wechseln wie der Wind. Wer ist denn nun der Begünstigte?33 Nun leb wohl, ich habe Deiner viel gedacht, wie es sich in der Kammer so ganz anders machte, als man es wünschte. Möge Fritz nie bereuen, es so aufgefaßt zu haben. In der Welt hat es einen starken Stoß gegeben. Gott mit Dir, Deine alte Alex Schwerin, den 10ten April 1852 Endlich, meine geliebte Elise, komme ich auch wieder zum Schreiben. Diese Woche war vorzüglich der ernsten Prüfung und Gedanken gewidmet, da wir am Grünen Donnerstag zum Abendmahl gingen. Es war das erste Mal, daß Auguste mit uns und der Gemeinde ging, und daß Luise wieder mit mir war. Es war daher doppelt schön, und mit so recht dankbarem Herzen zu Gott trat ich zum Tisch des Herrn, freilich durchdrungen von meiner Nichtigkeit und Schuld, die sich so recht fühlbar dabei macht, aber auch wieder der freudige Aufblick zu Gott, daß er uns reuige Sünder gnädig annimmt. Ich sah aus der Zeitung, daß ihr alle Geschwister in der Capelle von Charlottenburg zum Abendmahl gegangen seid. Möge der Herr uns alle gesegnet sein lassen! Ich hoffe, daß Dein Husten sich endlich legen wird, freilich war bei Sonnenschein immer Ostwind, und das ist Dein Feind. Es ist aber auch so kalt geworden, ganz Winter, denn heute ganz früh soll Schnee gelegen haben, nun regnet es. Ich hatte vor einigen Tagen eine Antwort von Bruder Wilhelm auf meinen Geburtstagsbrief, und da hatte ich so hingeworfen, daß es ihm auch leid gewesen sein muß, die Abstimmung der Kammer.34 Natürlich antwortete er mir das Gegentheil und schickt mir eine gedruckte Schrift, die mir garnicht gefallen, weil das ganze Ding von einem falschen Standpunkt aufgefaßt ist. Es passet nicht für Preußen. Es ist so sein Untergang. Da steht nun wieder mein Urtheil. Aus Petersburg habe ich garnichts weiter wieder gehabt. Wie es scheint, kömmt Rochow bald zurück, dann wird man bestimmteres und näheres erfahren. Auf jeden Fall hat mein Sohn Fritz an [den] österreichischen Kaiser um Nachurlaub erbeten, um die Kaiserin doch noch zu sehen.35 Ich hoffe, er wird es nicht ungnädig aufnehmen und es Hugo 32 Kronprinz Karl (XV.) von Schweden und Norwegen (1826–1872), verh. 1850 mit Prinzessin Luise der Niederlande (1828–1871), mit der Geburt auch Herzog von Schonen. 33 Hochrangige Heiratsprojekte von Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877), für ihre beiden Töchter Prinzessin Luise (1829–1901) und Prinzessin Anna (1836–1918), die 1854 und 1853 zwei hess. Landgrafen heirateten. 34 Verm. ging es wieder um die zwischen Königtum und Parlament strittige Finanzierung des Staates. 35 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin bat beim österr. Kaiser um Sonderurlaub
1852
77
nicht entgelten laßen. Der Tod von Felix Schwartzenberg36 ist so wohl für Österreich als auch besonders für Preußen sehr wichtig. Sein einstweiliger Nachfolger37 ist aber auch nicht viel besser für Preußen gestimmt, besonders wie damals Radowitz38 ihn so schäuslich behandelte. Nun, man muß das Beste hoffen. Hast Du neuerdings etwas von Abat seiner Idee gehört, oder ist er still darüber? Er schrieb mir vor längerer Zeit einmal wieder, und da damals der 10te März eben gewesen, so ermahnte ich ihn, an der theuren Entschlafenen zu denken, ob die sich freuen würde über solche Heirath.39 Seitdem schweigt das Schreiben. Ich freue mich, daß Du auch die hübschen tableaux von den Radziwills Kindern40 gesehen. Ich fand es ganz einzig schön und rührend, da es alle ihre eigenen Kinder waren. Nun wird Mathilde Radziwill41 wohl bald nach Magdeburg ziehen. Mathilde ist also nach Domanze. Sie kommt aber doch bald zurück. Ich denke, [eine] wie sie wird Dir fehlen, da Du mit ihr Dich aussprechen kannst, wenn Du willst. Leb wohl, Gott mit Dir, Deine treue Adine Schwerin, den 21ten April 1852 Kaum habe ich Dich verlaßen, geliebte Elis, als schon wieder statt meiner ein Brief ankommt. Erstlich will ich Dir und Fritz danken, daß ihr uns so freundlich und herzlich die 4 Tage aufgenommen. Es war mir der Sonntag vorzüglich ein lieber Tag, wo ich dich am Nachmittag bei mir in mein liebes Cabinet gesehen, und wir soviel schwatzten. Dann ist es aber auch wegen einer Anfrage um toiletten, nehmlich ob bei den gewöhnlichen Diners hohe Kleider angezogen werden, wenn Charlotte da ist, oder wie sonst bei Euch ausgeschnitten. Wir wollen unsere Kleider danach machen laßen.
36 37 38 39
40 41
für seinen Schwager Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), österr. Major im 7. UlanenRegiment „Erzherzog Franz Ferdinand“. Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, wollte bei dem geplanten Treffen mit ihrer preuß. Familie in Schlesien auch Prinz Hugo und seine Frau Luise, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, sehen. Der österr. Ministerpräsident Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800–1852) war am 5. April in Wien gestorben. Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein (1797–1865), österr. Ministerpräsident und Außenminister. Joseph von Radowitz (1797–1853), preuß. Generalleutnant, 1850 als Außenminister zurückgetreten. Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin nutzte das Andenken der Königin Luise von Preußen, um ihrem Bruder Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) die unstandesgemäße Heirat mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879) zu vergällen. Die sechs Kinder von Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. Generalleutnant, geb. 1833– 1845. Mathilde Gräfin von Clary und Aldringen (1806–1896), verh. 1832 mit Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870). Dieser war als preuß. Generalleutnant zum Kommandierenden General des IV. Armeekorps in Magdeburg ernannt worden.
78
Briefe 1851–1873
Hier fand ich alles wohl. Auguste hat sich selbst erholt und sieht gut aus. Der kleine Friedrich hingegen hat etwas Schärfe42 im Gesicht, was er sich gekratzt und daher schauderhaft aussieht. Adini ist wieder ganz wohl mit rothen Bäkchen und sehr lustig. Die Kälte und Schnee hat uns bis hier her begleitet. Heute ist es etwas milder, und ich ging gern spazieren. Gestern Abend brachten wir den Abend en quatre43 zu, und ich gedachte nach Charlottenburg, wo ihr mit italienischer Musik ergötzt werdet. Wie waren die Sänger im Zimmer? Sie haben wohl noch mehr gewonnen, da ihre Manier prächtig ist. Heute Abend wollen wir nach dem Theater zu Graf Bülow44 gehen, und morgen Mittag die ganze Famillie zum Verlobungsdiner haben. Ich sprach heute einen Herrn, der in Hamburg gewesen und die Sontag45 am Freitag noch hat singen hören. Der sagt, daß Haus wäre ganz angefüllt gewesen, und sie [hätte] großen Beifall eingeerntet, daher zufrieden abgereist. Das ist mir doch recht lieb, denn es wäre schade, wenn sie mit Groll im Herzen den Norden verlaßen. Sie ist nun nach Bremen. Das Herumziehen ist doch schaudervoll. Ach, ehe ich es vergeße, wenn Du Deiner Schwester Sophie schreibst, bitte sage ihr doch, wie sehr ich dem Kaiser46 dankte, daß er Hugo 4 Wochen Nachurlaub gegeben. Es würde meine Schwester sehr freuen, die es gewünscht hatte, Luise und Hugo zu sehen. Nun leb wohl, mache nur, daß Dein Husten bald ganz fort geht und kein Begleiter für das Leben würde. An Fritz viel Liebes. Deine alte Adine Wie ist das Wiedersehen mit Karl und Fritz Karl gewesen? Ich hoffe besser, als man erwartete. Schwerin, den 28ten April 1852 Meine liebe Elis, ich hoffe, daß es mit Deinem Husten bei dem schönen Wetter ganz gut geht. Freilich ist Dein Feind, der Ostwind, immer noch, und das ist schlimm. Die Trockenheit ist daher auch schrecklich, und man ist in Staub eingehüllt. Fritz bitte ich zu danken für seinen Brief vom 26ten, den ich gestern empfing, und wenn kein anderer Befehl kömmt, so werde ich mich am 3ten nachmittags par Eisenbahn in Potsdam einstellen. In Nauen finde ich wohl einen Wagen. Ich finde, Charlotte macht recht starke Touren mit [der] Eisenbahn. Das ist ein Zeichen, wie sie sich sehnt, Euch wiederzusehen und das liebe Vaterland. Wenn sie nur wohl ist und nicht Herzklopfen bekömmt. Nun ist sie schon 2 Tage unterwegs. Von Luise hatte ich einen Brief, die wohl 1 oder 2 Tage vor Charlotte in Potsdam anzukommen gedenkt. Der gute Fritz [Oranien] kann wieder nicht eher fort. Sie hat das 42 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin mit Schorf im Gesicht vom Kratzen. 43 Frz. = zu viert. 44 Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident. 45 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Opernsängerin, zum Gastspiel in Hamburg. 46 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916).
1852
79
project, im Juny nach Schweden zu gehen, um Puttchen zu sehen, im July wieder zurück zu sein in Potsdam. Meine Luise ist mit Hugo nach Ivenack gegangen zur Hochzeit von Alex Maltzahn,47 kömmt morgen zurück und Sonnabend ziehen wir alle nach Ludwigslust. Der kleine Friedrich sieht noch furchtbar aus.48 Adini ist aber ganz wohl und hübsch. Auguste erholt sich sehr in der schönen Luft. Der Tod vom Großherzog von Baden wird die Famillie doch in große Trauer versetzen.49 Wir sind auch wieder in die Tinte gestiegen,50 die heute ausgezogen werden sollte. Ich denke, bis Breslau behallte ich sie, aber bei der Ankunft von Charlotte wollte ich sie ablegen. Wie wird es denn wohl in Potsdam sein? Leb wohl, verzeih meinen sehr dummen Brief, allein, ich werde schon so viel geplagt mit dem Einpacken, zum Auswählen der Kleider und Putz und zu den verschiedenen Orten. Auf Wiedersehen am Montag. Deine treue, alte Adine Schwerin, den 28ten April 1852, Abend 11 Uhr Herr von Reitzenstein51 kam heute Abend zu mir und brachte mir Grüße von Bruder Fritz und zugleich eine Einladung zum Sonntag, um die Parade vom 1ten Garde Regiment zu sehen. So tentant52 dies auch für mich wäre, so kann ich doch es nicht ausführen, da wir Sonnabend erst nach Ludwigslust kommen, wo wir wenigstens einen Tag noch zusammen sein wollten. Aber es ist zu liebenswürdig von Fritz, an mich gedacht zu haben. Ich hoffe, wenn Charlotte da ist, wird eine Parade sein, und ich [werde] dann das geliebte Regiment sehen. Nun komme ich auch mit einer Bitte, liebe Elis, wenn Fritz vielleicht erst am 5ten nach Sagan ginge, es mir wißen zu laßen, weil ich dann lieber auch erst am 4ten käme, um mit meiner Luise so lange wie möglich zusammen zu sein. Dies schreibe ich im Hemd, weil ich eben zu Bett gehe und der Brief morgen nicht zu späth zur Eisenbahn soll. Verzeihe dies Geschmier. Deine alte Adine
47 Alexandrine Freiin von Maltzahn (1833–1895), Tochter von Gustav Freiherr von Maltzahn, Graf von Plessen (1788–1862), heiratete am 28. April auf Ivenack Woldemar von Suckow (1822–1860), mklbg.-schw. Rittmeister. 48 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin mit Schorf im Gesicht vom Kratzen. 49 Großherzog Leopold I. von Baden (1790–1852) war am 24. April in Karlsruhe gestorben. 50 Gemeint ist Trauerkleidung. 51 Karl Freiherr von Reitzenstein (1797–1878), preuß. Oberst und ehem. Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 52 Frz. = verlockend.
80
Briefe 1851–1873
Ludwigslust, den 1ten Mai 1852 Vor einer Stunde hier angekommen, fand ich Deinen lieben Brief hier vor. Tausend Dank, geliebte Elis, daß Du mir trotz Deinem Unwohlsein geschrieben. Ich bin ja ganz außer mir, daß Du wieder Husten und Schnupfen hast. Ich bitte dich, schone Dich nur recht. Vielleicht wird es bald besser, da das Wetter wärmer geworden und der Ostwind aufgehört hat. Verliehre nicht den Muth. Wenn ich nur bei Dir wäre. Ich wollte Dich trösten und aufheitern. Da Fritz erst am 5ten gehet nach Sagan, so werde ich mich am 4ten Nachmittags einfinden und, wenn Du erlaubst, zu Dir nach Charlottenburg kommen und auch da wohnen, denn sonst habe ich garnichts von Dir. Vielleicht kann ich von Spandau abgeholt werden. Seit gestern regnet es. Die ganze Natur lebt auf, die Menschen wie die Pflanzen, denn die Trockenheit war furchtbar. Es wird Dir auch gut thuen. Ich werde den Himmel recht inbrünstig bitten, daß er Dich schnell herstellt. Von Elise Rauch hatte ich auch einen Brief, worin Charlotte sagen ließ, sie sei noch recht angegriffen, vorzüglich der Körper und wäre mager geworden zum Erschrecken. Das wird ein recht trauriger Anblick sein, denn dann zittert der Kopf sehr. Nun Gott gebe uns aber ein frohes Wiedersehen und Zusammensein. Ich bin heute eigentlich ganz wehmüthig, da meine Luise nun von Schwerin schon ganz Abschied genommen. Da ist der Anfang der langen Trennung und des Abschieds! Nun lebwohl, es wäre prächtig, wenn Schwester Luise auch mit nach Breslau käme, aber wie voll wird es werden. Deine treue Adine Die zerstöhrten Hoffnungen in Strelitz sind recht traurig.53 Steinfeld, den 21ten Juny 1852 Ich eile Dir zu schreiben, liebe Elis, ehe Du nach Dresden reisest. Ich hoffe, Du bist wohl und nicht zu angegriffen von den fatiegen der schlesischen Reise, die für mich die schönsten Erinnerungen enthällt, denn mit Dir zu reisen und so viel um Dich sein zu können, war für mich schon ein so großer Genuß, und dann durch Deine Liebe und Güte und Fritz seine Gnade das lieb Thal54 einmal wieder sehen zu können, war eine unbeschreibliche Freude, an der ich lange zehren werde. Die ganze Zeit war auch so begünstigt durch [das] Wetter, nichts hat sie getrübt. Die letzte Fahrt nach Wang setzet noch die Krone dem Ganzen auf. Ich lebe noch ganz [in] der Vergangenheit. Es sind grade 8 Tage, daß wir nach Wang heraufstiegen.55 53 Mglw. die zunehmende Erblindung von Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz oder eine Fehlgeburt seiner Frau Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 54 Hirschberger Tal in Schlesien, wo die Hohenzollern zahlreiche Schlösser besaßen. 55 Die Kirche Wang ist eine mittelalterliche Stabholzkirche aus Vang in Norwegen. Nach Freigabe zum Abriss erwarb sie 1841 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen vom norw. Maler Johan Christian Clausen Dahl. Auf Initiative der Gräfin Friederike von Reden wurde sie in Krummhübel (heute
1852
81
Seit gestern Abend bin ich hier in Steinfeld bei meine Kinder, was mir sehr lieb ist, obgleich die Herzogin von Köthen mit Dutti56 noch hier ist und bis Sonnabend bleibt. Ich gehe morgen wieder nach meinem Grünhaus, was mir recht öde ist, da ich noch garnicht wieder dort gewohnt, seit Luise verheirathet und fort ist.57 Aber die große Ruhe dort thut mir gut, seit 2 Monat war ich immer herumgereiset, und da sehnt man sich, in sein Eigenthum zu sein. Das Wetter ist herrlich. Gestern hatten wir zwar ein starkes Gewitter, aber die Luft ist warm geblieben. Hier sind so schöne Promenaden zu Wagen und zu Fuß zu machen in den schönsten, dicken, großen Buchenwäldern, wo noch keine Axt gewesen ist. Ich dachte an Dich, wie mich Fritz darin herumfuhr. Die Wege sind neu gemacht und führen theils am See von Schwerin am Abhang, der mit Buchen bewachsen, oder mitten durch die Wälder durch. Von meiner Tochter Luise habe ich 3 Briefe, alle Tage geschrieben. Erst aus Wien noch, wo sie entzückt ist von der Gnade Deiner Schwester Sophie, und dann von Pest. Die Stadt gefiel ihr sehr, und dort war Hildegarde58 unendlich freundlich für sie. Am 18ten sind sie nun eingezogen in Alberti,59 wo Hugo stationiert ist. Sie haben ein ganz kleines Haus gefunden mit einem Garten, was sie vorzüglich bestimmt hat, es zu nehmen. Die Gegend wäre ganz hübsch, und der Ort auch. Es amüsiert sie sehr, die verschieden Costume, die equipagen auf dem Lande, alles wäre so ganz eigenthümlich. Nur die Frauen sehen aus wie überall, und sie meint, es würde dort ganz gut Leben sein. Heute sind wohl Nisi und Mishi in Sanssouci.60 Wie ging es mit Anna,61 und wie war Mary mit Mariechen von Baiern?62 Nun leb wohl, und gedenke in Liebe Deiner dankbaren Adine Eben, wie ich die Adresse an Schwester Luise machen will, weiß ich den Ort nicht, wo sie sich aufhällt. Bitte füge ihn auf der Adresse zu und sende ihn ab.
56
57 58 59 60 61 62
Karpacz) am Schwarzen Berg in Brückenberg wiederaufgebaut und am 28. Juli 1844 in Anwesenheit des preuß. Königs eingeweiht. Herzogin Auguste von Anhalt-Köthen, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1794–1855), mit Prinzessin Johanne (Jenny) zu Schoenaich-Carolath, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1820–1878), Tante und Schwester von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin. Also seit Okt. 1849. Erzherzogin Hildegard von Österreich-Teschen, geb. Prinzessin von Bayern (1825–1864). Heute ungar. Albertirsa bei Budapest. Prinz Hugo von Windisch-Graetz diente dort als österr. Major im 7. Ulanen-Regiment „Erzherzog Franz Ferdinand“. Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909) waren auf Reisen durch Deutschland, Italien und die Niederlande, jetzt in Berlin zu Gast. Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889).
82
Briefe 1851–1873
Steinfeld, den 28ten Juny 1852 Tausend Dank für Deinen Brief vor der Abreise nach Pilnitz. Du wirst, so hoffe ich, eine recht ruhige und stille Zeit bei Deinen Schwestern zubringen und sie recht genießen können. Nach der Zeitung hast Du eine Gemähldeausstellung besucht. Das ist das einzige, was man von Dir erfährt. Nach den Zeitungen scheint es nun fest bestimmt zu sein, daß Charlotte am 30ten von Schlangenbad abreiset und also mit Fritz am 3ten July in Sanssouci ankommt. Wenn es so bleibt, wirst Du auch wohl erst an demselben Tag in Sanssouci anlangen. Da ist nun meine Idee, am 2ten nach Berlin zu gehen und Fräulein von Kameke zu sehen, und mit dem letzten Zug nach Sanssouci zu gehen, solltest Du aber schon da sein, dann mit dem Zug um 7 Uhr von Berlin abzufahren und zum Thee bei Dir zu sein, wenn es Dir recht ist. Wie leid ist es mir, daß Hiller63 nicht auch mit ist. Ich sehe Boddin64 lang und taktlos immer hinter Fritz herstapeln, wenn er nicht sonst anderes Unheil anstellt. Die Abreise muß höchst traurig und stürmisch gewesen sein. Ich freue mich, daß ich nicht mit war, mich bringt es um solche Scenen. Ich bin seit gestern hier in Steinfeld bei meine Kinder und bleibe bis Donnerstag. Gestern Abend saßen wir bis 10 Uhr draußen, so warm war es, Und dafür regnete es heute bis 11 Uhr. Die Luft ist noch sehr heiß, und man muß fürchten, daß noch mehr Regen kömmt, was doppelt schade, da die Rosen so verdorben werden, und sie sind so schön voll und duften bis hier in meinem Zimmer. Ich glaube, Pilnitz kann auch mehr Sonne als Regen vertragen. Hast Du vielleicht die beiden großen Palais von Albert bemerkt an der Elbe und die großen schönen Gärten? Ist es aber nicht recht geschmackvoll gebaut? Sie sind beide wundervoll, aber das Geld? Was wird nun werden?65 Meine Luise ist nach Jasz Bereny66 gewesen, wo der Kaiser67 einen glänzenden Einzug gehallten. Leider ist sie zu späth gekommen, weil die Stunde verändert worden war und sie es nicht mehr erfahren konnte. Aber hier soll sich die Eigenthümlichkeit grade der Ungarn am meisten gezeigt haben, da es der Districk der Kumanen und Jazigier.68 Indeßen wäre es doch amüsant gewesen, den Ort so festlich geschmückt zu sehen, und die Volksmenge in ihren verschiedene Costume. Auch die Frauen sahen hübsch und absonderlich aus. Ihr kleines Haus in Alberti ist zum Glück recht kühl zu hallten, da die glü63 Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866), preuß. Major und Flügeladjutant König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 64 Alfons von Boddien (1802–1857), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Karikaturist und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/1849. 65 Im Auftrag des geschiedenen und dynastisch isolierten Prinzen Albrecht von Preußen entstanden 1850–1854 an der Elbe bei Dresden das Schloss Albrechtsberg sowie die benachbarte Villa Stockhausen für Friedrich Ludwig Albert von Stockhausen (1810–1858), den Kammerherrn des Prinzen. Zur Finanzierung der Palastanlage ließ sich der Prinz sein Erbe auszahlen. 66 Jászberény, Stadt in Ungarn. 67 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 68 Historische Landschaft in Ungarn mit eigener Kultur und Geschichte. Volksgruppe der Kiptschak (Kumanen) und Jász mit Sonderrechten.
1852
83
hende Hitze sie sonst erstickte. Auch das Wasser ist gut, was eine Seltenheit ist. Nun leb wohl, ich hoffe und wünsche, daß der Husten in Pilnitz bleibt und nicht Dein treuer Begleiter wird. Luftveränderung ist manchmal bei so etwas gut. Deine treue Adine Deinen Schwestern empfehle ich mich. Auguste und Fritz legen sich Dir und den Herrschaften zu Füßen. Steinfeld, den 3ten July 1852 Meine liebe Elis, diese Zeilen sollen mich zu Sonntag, also morgen Abend 8 Uhr in Sanssouci bei Dir anmelden. Ich werde über Berlin gehen, um Fräulein von Kameke zu sehen, die ich sonst wohl nicht zu sehen bekommen würde. Tausend Dank für Deinen lieben Brief aus Pilnitz. Also heute kehrst Du auch nach Sanssouci zurück, und Deine beiden Schwestern machen selbst Reisen. Leb wohl, auf Wiedersehen. Montag werden wir Charlotte wohl erst um 8 Uhr erwarten können, und Fritz morgen Abend späth. Deine alte Adine Steinfeld, den 20ten July 1852 Zu meinem wahren Schreck erfahre ich eben durch einen Brief von Schwester Luise, daß Du einen cholorine Anfall69 gehabt. Wie hast Du das nur gemacht, vielleicht erkältet? Was bei der schrecklichen Hitze nur zu leicht geschehn kann. Ich hoffe nur, daß es nicht wieder kömmt, aber Du wirst nun angegriffen sein. Luise ist heute noch bei Dir wegen dem Offiziersschießen. Das ist für sie immer ein zu großes Fest, und den Abend, denke ich, wird wohl die Musik sein, die die Offiziere am 6ten Juny uns bringen wollten. In Charlottenburg warst Du auch nicht, aber an den Särgen unserer Lieben fanden wir uns von Nah und Weit im Gebet zusammen. Ich war nun vom 14ten bis heute ganz ruhig in Steinfeld bei meine Kinder, wo ich mich immer glücklich fühle. Der kleine Friedrich ist ein zu liebes Kind, so eine Lustigkeit und Heiterkeit habe ich nie bei Kindern gesehen. Heute Abend gehe ich nach mein Greenhaus, wo ich bis zum 24ten bleibe und dann ganz früh nach Dobbran übersiedle. Ich hoffe, das Wetter wird nun noch so schön bleiben, wie bis jetzt. Am Sonntagnachmittag war in Schwerin ein starker Regen von einer Stunde. Dann war es vorbei. Hier her ist es aber garnicht gekommen. Die Luft ist heute etwas frischer, was uns belebt, denn Auguste und ich, wir waren wirklich kraftlos. Am Sonntag war sie sogar ängstlich schwach. Es hat sich aber gegeben, nachdem sie sich recht ruhig hielt. Von Charlotte hört man noch garnichts. Wenn Du etwas erfährst, läßt Du es mir gewiß wißen. Die Reise, sollte ich denken, muß ganz himlisch gewesen sein. Nun leb wohl, etwas Interessantes zu schreiben, ist von hier unmöglich. An Fritz viel Liebes. Ach, wie himlisch 69 Cholerine = Magen-Darm-Erkrankung, Brechdurchfall.
84
Briefe 1851–1873
schön war unser Zusammensein mit Charlotte und [dem] Kaiser und auch Dir, meine Elis, warst zufrieden. Du hast auch einen angenehm Eindruck von der Zeit! Deine treue alte Adine Dobbran, den 25ten July 1852 Meine liebe Elis, Du wirst meinen Brief heute recht egoistisch finden, denn er enthällt nichts wie Bitten, die zwar mich nicht betreffen, sondern meine Kinder. Also das Erste ist, ob Du Bruder Fritz in meinem Namen bitten willst, daß er nun so gnädig ist und den Urlaub an Herr von Maltzahn70 nach Merseburg sendet, auf 3 Monate, um nach Ungarn zu gehen, und zwar vom 1ten August an. So schreibt mir meine Luise gestern. Dann wünscht mein Wilhelm sehr dringend zu wißen, ob er versetzt wird von Potsdam oder nicht. Wenn er versetzt [wird], so wäre es ihm lieb nach Charlottenburg.71 Er wünscht es in diesen Tagen zu wißen, weil er sein Quartier in Berlin dann aufgeben will, was sehr theuer ist. Ich bin nun seit gestern hier in mein liebes Cottege am Meer, wo es so himlisch ist. Das Meer ist so blau und der Himmel klahr, dabei die Luft belebend und frisch. Ich bin ganz seelig. Hier am Damm ist alles besetzt, aber nur von wenig Bekannte. Fritz und Auguste kommen am 27ten, bis dahin bin ich sehr allein, was mir aber sehr zusagt, denn es ist köstlich ruhig. Marie von Altenburg72 wird wohl erst Anfang August kommen, weil am Montag die Großherzogin von Weimar73 zu ihr kommt auf einer Durchreise und nach einigen Tagen wieder da zurück will. Es ist wirklich arg. Nun leb wohl. Ich wünschte, Du hättest etwas von dieser Luft in Sanssouci. Verzeih diesen Brief. Deine Adine [Heiligendamm] Cottege, den 31ten July 1852 Meine liebe Elis, ich habe Dir zu danken für zwei liebe Briefe und für die rasche Antwort auf meine vielen Fragen, und nun sende ich Dir den Brief von Charlotte zurück, den ich auch gestern durch Luise aus Muskau74 erhielt. Man sieht recht, wie sie glücklich bei 70 Gustav Freiherr von Maltzahn (1817–1871), Gutsbesitzer auf Sarow, preuß. Sekondeleutnant im 12. Husaren-Regiment, in Merseburg stationiert, verh. 1840 mit Cecilie Freiin von Maltzahn (1823– 1863). Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, war mit ihrem Ehemann nach Ungarn gezogen, wo Prinz Hugo von Windisch-Graetz als österr. Major im 7. Ulanen-Regiment „Erzherzog Franz Ferdinand“ diente. 71 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war als Rittmeister dem Regiment Gardes du Corps in Potsdam aggregiert. 72 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 73 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland (1786–1859). 74 Schloss Muskau war seit 1846 im Besitz von Prinz Friedrich und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1852
85
Euch und in Sanssouci war. Es wird nachträglich dem armen Herzen wohl thuen, wenn daß erst die Seereise verwunden hat. Die Arme muß schrecklich gelitten haben. Ich kann das beurtheilen und mitfühlen. Ich hatte vergeßen einen Brief von Elise Rauch, die mir auch schreibt, daß Charlotte nun ganz wohl und munter wäre, der Kaiser sehr heiter und sehr erfreut, so viele Preußen um sich zu haben. Er zeigte ihnen selbst alles. Es wären auch sehr viele Feste militärischer Art. Schwester Luise schreibt sehr zufrieden aus Muskau, wo sie ein stilles, häusliches Leben führt. Die Umgebung wäre recht liebenswürdig. Mit Lesen und Musik, Arbeit vertrieben sie sich die Zeit. Sie machen Promenaden zu Wagen und zu Fuß. Das schöne Wetter begünstigt es auch. Bis jetzt ist es auch hier sehr schön, heute ist starker Wind, aber warm, das Meer so prächtig beleuchtet. Ich muß immer hinaus sehen und komme mit dem Schreiben nicht aus der Stelle. Am 3ten werdet ihr wohl nach Charlottenburg gehen und vielleicht von dort abreisen. Am Monument wirst Du an uns 3 Schwestern gedenken. Nun leb wohl, Gott laß Dir Deine Cour glücklich gelingen. Ich darf auch dorthin wohl manchmal schreiben. Mein Sohn Fritz geht Montag fort nach Ungarn, und am 3ten und 4ten kommt Marie75 hier her. Deine treue Adine Dobbran, den 23ten August 1852 Erst heute, meine liebe Elise, komme ich dazu, Dir für deinen Brief vom 10ten August zu danken, und ich habe mir selbst recht im Licht gestanden, nicht ehe geschrieben zu haben, denn man erfährt auch garnichts von Dir, keine Zeitung bringt Nachricht von dort. Es ist, als wenn Du aus der Welt wärest. Das ist so unheimlich. Du wirst aber dort gewiß recht glücklich sein, da Deine Schwester Sophie schon dort war, und Du alles gefunden, wie es die frühern Jahre war. Der Kaiser76 hat seinen Geburtstag in Ischel gefeiert. Ich denke mir, er wird sehr glücklich sein, nun mit seiner Famillie zu sein nach der furchtbar angreiffenden Reise in Ungarn, die aber so viel Seegen bringen wird. Das Volk soll ganz elektrisiert sein und sich für ihren Kaiser todtschlagen laßen. Mein Fritz hat noch seine Aufwartung am Kaiser in Wien gemacht und ist sehr entzückt von ihm. Er findet ihn so männlich und kräftig. Von meiner Luise habe ich Gott sei Dank gute Nachricht. Sie ist in Keeskemet,77 wo das Regiment vereint exerziert. Dort soll es aber schäuslich sein, sie ist ganz désperat,78 Hitze zum Sticken, Staub und viele Fliegen und nirgens Schatten noch Grünes. In Alberti war sie viel zufriedener, obgleich es ein kleiner Ort ist. Bruder Fritz scheint nach der Zeitung fleißig zu baden und dann immer kleine Fahrten zu machen. Nun ist diese schöne freie Zeit auch für ihn aus, und die Manöver in den verschiedenen Provinzen beginnen. 75 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 76 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 77 Kecskemét in Ungarn, Garnison des österr. 7. Ulanen-Regiments „Erzherzog Franz Ferdinand“, bei dem Prinz Hugo von Windisch-Graetz als Major diente. 78 Lat. desperat = verzweifelt, hoffnungslos.
86
Briefe 1851–1873
Fritz Wilhelm kömmt in diesen Tagen zurück. Er hat sehr gefallen in Petersburg, und alle Preußen, wenn sie auch nicht schön und liebenswürdig, so sind sie doch ausgezeichnet worden. Pritwitz79 hat ein recht schönes Geschenk vom Kaiser80 bekommen, den Degen mit Einschrift. Ich freue mich, daß der Kaiser ihn erkannt. Charlotte gehet es recht gut. Sie findet selbst, daß sie kräftiger geworden nach dem Bad. Nur muß sie sich sehr fatigieren mit den Fremden und seufzt nach der schönen Ruhe in Sanssouci. Schwester Luise war sehr glücklich über den Besuch von Karl mit Luise.81 Ersterer soll so liebenswürdig gewesen sein, und Wiwi auch recht gut und sehr glücklich, und Erlaucht wie immer so lieb und gut. Wir leben jetzt recht still. Das Wetter ist unvergleichlich schön. Das Meer wird aber recht stürmisch, recht herbstlich. Frau von Schlieben,82 sonst Magdeburg, nun bei ihrem Vater Erksleben83 in Brandenburg, ist mit ihrer Tochter84 hier und hörte so viel Klatschgeschichten, daß es mir immer bange wird, wenn ich sie sehe. Nun adios, meine Auguste legt sich zu Füßen. Wir bleiben zum 6ten September in Dobbran, meine Schwägerin Marie bis zum 14ten. Deine treue Adine Deine Schwester und Brüder empfehle mich. Königin Sophie denke ich mir nicht erfreulich.85 Dobbran, den 7ten September 1852 Meine liebe Elis, Dein lieber Brief hat mir große Freude gemacht, und ich danke Dir, von ganzem Herzen dafür. Ich hatte schon so Sehnsucht nach Nachrichten, daß ich eben schreiben wollte. Wie bin ich froh, daß Dir Ischel dies Jahr so gut thut und Du Dich so zufrieden fühlst. Vergangenes Jahr fehlte Dir Deine Schwester so. Der Kaiser86 soll zu lieb jetzt sein, aber ich fürchte auch, daß ihm diese rasende fatiege schaden würde. Ischel hat ihn wohl gestärkt und neu belebt. Mein Fritz kam von seiner raschen Reise in Ungarn und von Paris so unwohl zurück, ganz entkräftet und mit Fieber, was ihn nun verlaßen, und er zu seinem Manöver nach Wismar gegangen ist. Auguste ist auch von hier schon fort und bleibt einige Tage in Schwerin, um in der Nähe von Fritz zu sein. Ich reise Donnerstag ab und gehe dann mit 79 Karl von Prittwitz (1790–1871), preuß. Generalleutnant und kommandierender General des Gardekorps. 80 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 81 Prinz Carl von Preußen mit seiner Tochter Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901). 82 Agnes von Schlieben, geb. von Erxleben (1811–1870), verh. mit Georg Sigismund Adolf von Schlieben (1797–1849), preuß. Kammerherr, Oberlandesgerichtsrat in Magdeburg. 83 Otto von Erxleben (1788–1856), preuß. Major und Gutsbesitzer auf Selbelang. 84 Person nicht zu identifizieren. 85 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877). 86 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916).
1852
87
ihr nach Ludwigslust, wo wir die Zeit abwarten wollen, wo die Stunde der Erlösung schlägt.87 Sie ist nicht so stark88 wie das erste Mal und auch kräftiger. Der Kleine89 ist nicht hübsch, aber ein zu lustiges Kind, immer heiter und vergnügt, singt den ganzen Tag und liebt mich sehr. Gestern Abend sind Frau von Thilau, geborene Jagow,90 hier von Putbus gekommen, um mich zu sehen und kann nicht genug erzählen, wie Dein Fritz wohl und heiter gewesen wäre und wie ihm das Bad gut bekommen. Das hörte ich auch, hätte man in Stettin gefunden. Aber Bruder Wilhelm soll an seinem Kopf doch viel leiden. Es scheint, als wenn die Reise ihm nicht bekommen.91 Er durfte niemand sehen. Es ist doch ein eigenes Schicksal, was ihn heimsucht. Mir scheint es, als wenn Fritz Wilhelm ein gleiches wiederführe, denn er hätte doch ein furchtbares Unglück auf dem Meer haben können.92 Gott nimmt sie aber wunderbar in seinen Schutz. Ja, die neue Ernennung93 in Berlin macht wieder viel Aufsehen und erregt viel Mißtrauen, von allen Seiten laufen schon Briefe ein, die sehr unglücklich lauten. Er ist und bleibt ein böser Dämon, und grade jetzt in dieser Zeit, wo wieder eine Krisis ist mit dem Zoll. Charlotte geht es im Ganzen gut, Elise Rauch giebt manchmal Nachricht. Jetzt ist hier die Frau von Schlieben (Erxleben),94 was sie alles weiß, das ist wirklich merkwürdig und wirklich nicht bloß Lügen. Sie muß viele Correspondenten haben. Meine Nachrichten über Bruder Wilhelm schöpfe ich vor allem von ihr. Graf Schlieben95 in Potsdam giebt ihr Nachricht. Das Wetter diesen Sommer war doch zu schön, wir haben es auch genoßen. Seit dem 1ten ist es kühler geworden, aber doch so reine, klahre Luft. Gott geleite Dich glücklich heim. Deine Adine
87 88 89 90
91 92
93 94 95
Die Geburt von Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin am 19. Sept. Hier im Sinne von dick durch die Schwangerschaft. Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin. Luise von Jagow (1802–1886), verh. mit Karl von Thielau (1796–1862), preuß. Major, Kammerherr und Landstallmeister, Gutsbesitzer auf Ogrosen in der Lausitz. Ihr Vater war preuß. Generaladjutant gewesen, ihre Mutter Hofdame bei Königin Luise von Preußen, anschließend Oberhofmeisterin der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. Wilhelm (I.) Prinz von Preußen (1797–1888) kam am 4. Sept. von einer Reise aus Stettin zurück. Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888) war am 1. Sept. von einer längeren Reise aus St. Petersburg zurückgekehrt und offenbar auf der Rückfahrt über die Ostsee in einen schweren Sturm gekommen. Der Prinz hatte wie sein Vater bereits mehrere Unglücksfälle überstanden. Siehe Brief vom 27. Jan. 1851. Kontext unklar. Agnes von Erxleben (1811–1870), verh. mit Georg Sigismund Adolf von Schlieben (1797–1849), preuß. Kammerherr, Oberlandesgerichtsrat in Magdeburg. Georg Graf von Schlieben (1831–1906), Sekondeleutnant im 1. Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam.
88
Briefe 1851–1873
Ludwigslust, den 1ten Oktober 1852 Es war meine Absicht, Dir heute zu schreiben, weil ich wußte, daß Du nach dem geliebten Sanssouci zurückkehrtest, als man mir heute früh beim Anziehen Deinen lieben Brief aus Muskau96 brachte. Du hast mir eine doppelte Freude gemacht, denn natürlich hatte ich lange nichts von Dir gehört, und nun erfuhr ich auch gleich, wie es Dir gefallen hat bei Luise in Muskau, die unglaublich glücklich gewesen sein wird, denn sie fürchtete sehr, daß aus dem Vorschlag von Bruder Fritz nichts werden würde. Es hat Dir also auch so gut gefallen. Der Park muß wunderschön sein. Ich sollte eigentlich auch hin, allein dies Jahr, wo ich so wenig zu Haus bin und die lange Trennung von den Meinen vor mir habe, machte, daß ich garnicht darauf einging. Ach, der Gedanke eines halben Jahres Abwesenheit liegt zentnerschwer auf mir, und heute, wo es trübe [ist] und regnet, bin ich melankolisch. Sonst hätte ich keine Ursache dazu, da es mit Auguste so gut geht, wie man es sich nie hätte denken können. Bruder Fritz hatte ich am 19ten die Niederkunft gleich angezeigt und gebeten, es Dir zu schreiben, weil ich garnicht wußte, wo ich Dich aufsuchen sollte. Der kleine Neugeborene97 ist sehr klein und fein, ganz das Gegentheil von seinem ältesten Bruder. Er sieht Paul etwas ähnlich, was mich eigentlich freut. Ich hoffe, er wird so hübsch, wie es Paul als Kind gewesen sein soll. Meine Absicht ist, am 12ten Oktober nach Sanssouci zu kommen, den 13ten ganz in Berlin zu bleiben, um meine Einkäufe für Petersburg zu machen, den 14–15–16 dann bei Euch zu bleiben, und den 16ten abends mit dem Nachtzug nach Ludwigslust zurückzukehren, weil ich am 18ten zur Hochzeit nach Schwerin geladen bin von Perponsche und Adelheid Bülow,98 dort einige Tage bleibe, um Abschied zu nehmen, und dann die letzte Zeit ruhig mit den Kindern zu bleiben. Den 3ten November soll die Taufe sein. Es ist auch der Hochzeitstag, und am 7ten reise ich dann ab, bleibe bei Euch bis Montag und Dienstag Abend und setze meine Reise dann fort nach Norden. Dies sind meine Pläne. Vielleicht werden sie noch geändert, denn es ist doch noch 5 Wochen hin. Du wirst auch die armen Schweden recht bedauert haben, die 10 Tage nach ihrer Ankunft den zweiten Sohn verlohren haben.99 Deine Adine Von Charlotte sind gute Nachrichten.
96 Schloss Muskau war seit 1846 im Besitz von Prinz Friedrich und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 97 Geburt von Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin am 19. Sept. 98 Adelheid Gräfin von Bülow (1833–1891), Tochter des mklbg.-schw. Ministerpräsidenten Hans Graf von Bülow, verh. am 20. Okt. mit Ludwig Nikolaus Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1827–1914). 99 Prinz Gustav von Schweden und Norwegen, Herzog von Uppland (1827–1852), war am 24. Sept. gestorben.
1852
89 Sans Souci, den 7ten Oktober 1852
Zwey Worte des Dankes für Deinen lieben Brief, meine Adine. Wir freuen uns sehr, Dich so bald wieder zu sehen. Durch einen Brief von Stenglin100 ist eine Unsicherheit entstanden, weil er sagt, Du würdest den 12ten in Berlin bleiben. Keller101 hat ihm geschrieben, um ihn zu fragen. Luise ist heute nach Schildau und kömmt auch den 12ten hier an, so schrieb sie mir. Wenn sie nur gutes Wetter in Schildau hat. Die Stürme sind gräßlich diesen Herbst. Wir sind schon 8 Tage hier. Unterwegs im Waggon las ich vom Tod des zweyten Sohnes meiner armen Joséphine.102 Es schmerzte und entsezte mich diese Nachricht unbeschreiblich. Sie jammert mich so, die Arme! Als ich nach Berlin kam, Bethanien gegenüber, sagte mir Fritz, daß Fräulein von Ranzau sterbend, vielleicht schon todt sey.103 Wie erschrak ich! Der Verlust wäre ein so unersezlicher! Sie war auch ihrem Ende sehr nahe, aber Gott sey Dank, es geht besser und viel rascher, wie die Aerzte je hoffen durften. Von Charlotte hatte ich einen lieben Brief am Abend meiner Ankunft hier. Ich hätte gerne gleich der Münster,104 die ich hier fand, die Antwort mit gegeben, aber ein sehr schlimmer Finger hinderte mich daran. Die Seereise bey den Stürmen wird auch angenehm gewesen seyn! Morgen gehen wir nach Berlin in die Ausstellung, geben ein großes diné in Charlottenburg. Uebermorgen ist Anna’s Einsegnung in der Kapelle von Charlottenburg,105 und Sonntag gehen wir Alle mit ihr zum heiligen Abendmahl in der Kapelle und wollen nach Tisch hieher zurück kommen. Auguste ist wohler und recht guter Laune. Wenn es nur bleibt! Sie will nur 14 Tage hier bleiben.106 Wie freue ich mich, daß es Deiner Schwieger Tochter so gut geht. Grüße sie von mir und Fritz, und küsse den dicken Jungen107 in meinem Namen. Nun lebe wohl, meine Adine, auf Wiedersehen bald, so Gott will, und mit treuer Liebe, Deine alte Elis
100 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 101 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Hofmarschall und Intendant der kgl. Gärten. 102 Prinz Gustav von Schweden und Norwegen, Herzog von Uppland (1827–1852), Sohn von Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807– 1876), gest. am 24. Sept. 103 Marianne von Rantzau (1811–1855), Oberin des Berliner Diakonissen- und Krankenhauses Bethanien, war an Krebs erkrankt und starb am 5. Jan. 1855. 104 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 105 Konfirmation von Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 106 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, kehrte nach 14 Tagen in Berlin in ihre Residenz nach Koblenz zurück. 107 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) zu Mecklenburg-Schwerin. Siehe Brief vom 19. März 1851.
90
Briefe 1851–1873
Ludwigslust, den 8ten Oktober 1852 Ich danke Dir gleich, meine liebe Elis, für Deinen Brief, den ich am Morgen bekommen, und melde mich zum 12ten am Nachmittag zwischen 4–5 Uhr in Sanssouci an. Den 13ten werde ich um Erlaubniß bitten, nach Berlin zu gehen wegen den Einkäufen, von da an aber bei Euch bis zum 16ten abends zu bleiben. Ich freue mich auch, daß Schwester Luise mit mir zugleich dort ist. Morgen werde ich recht mit meinen Gedanken bei Euch in Charlottenburg sein. Wie gern wäre ich schon zu dieser heiligen Handlung108 gekommen. Allein, ich wollte und konnte Auguste nicht allein laßen, besonders, da ihre Mama109 dies Mal nicht bei ihr sein kann. Da fällt mir ein, wird die Verlobung von Anna mit Fritz Hessen110 vielleicht in den Tagen sein, wo ich bei Euch bin, und muß man dann eine Robe haben? Bitte laße mir darauf antworten, daß ich es Montag mit dem ersten Zug habe, damit ich weiß, ob ich eine mitnehmen muß. Also Auguste ist auch in Potsdam. Wie es scheint, bleibt sie so kurtz, wie es nur irgent möglich ist. Mir wäre es lieber, sie nicht zu treffen! Nun leb wohl, auf Wiedersehen, Deine alte Adine Ludwiglust, den 22ten Oktober 1852 Meine liebe Elis, ich hatte zwar mündlich an Adelaide Perponscher111 den Auftrag gegeben, Dir zu sagen, daß ich also wirklich ein rendezvous mit Luise in Bodenbach112 haben werde, und zwar am Montag um 11 Uhr in Berlin eintreffen werde und um 12 Uhr wieder fort über Dresden nach Bodenbach, wo ich am Abend um 11 Uhr ankommen kann. Daß Du und Fritz es nicht übel nimmt, daß ich so durchfahre, ohne mich zu zeigen, und ebenso werde ich am Mittwoch Abend nur durchfahren. Ich bitte nur um Erlaubniß, mich die Stunde im Schloß aufzuhallten, die ich mich aufhallten muß, bis der andere Zug abgeht. Meine Luise ist mit Hugo nach Fünfkirchen113 gewesen. Sie kommen anderthalb Meilen von dort in ein Schloß Bolly,114 was schön sein soll. Die Gegend wäre nicht übel, und sie ginge mit gutem Muth hin. Am 20ten ist nur das gros wieder abgegan108 Konfirmation von Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 109 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 110 Kurz nach ihrer Konfirmation verlobte sich Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) mit Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 111 Adelaide Gräfin van Reede (1792–1861), verh. 1816 mit Hendrik George Graf von PerponcherSedlnitzky (1771–1856), niederl. Gesandter in Preußen. 112 Treffen mit Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, in Bodenbach am Eisenbahngrenzübergang zwischen Sachsen und Böhmen. 113 Pécs, Stadt in Südungarn, neue Garnison des österr. 7. Ulanen-Regiments „Erzherzog Franz Ferdinand“. 114 Schloss Bóly, 25 Kilometer südöstlich von Pécs.
1852
91
gen. Adini115 erwartet sie in Pest. Ich bin in Schwerin 2 Tage gewesen und habe die Hochzeit bei Bülows116 mitgemacht. Der Polterabend war ziemlich still. Es wurde etwas getanzt. Adelheit sah wie eine Sylve117 aus, ganz rosa. Dein Bild übergab ich mit Adelaide118 zusammen, weil sie es so wünschte, und Louis119 war erst ganz versteinert, aber dann ganz aufgelöst vor Dank. Er hat ihn selbst schriftlich ausgesprochen, wie ich höre. Sie haben sehr schöne Geschenke bekommen. Louis hat eine Schleife von Brillanten mit sehr schönen Steinen gegeben und Ohrringe, die Schwiegermama 2 Armbänder, eins mit bunten Steinen und Brillanten, und ein einfaches goldenes mit Talisman, worunter das Bild von Louis, und eine silberne Reisetoilette. Der alte Perponsche120 ein süperbes Poinskleid,121 ganz vollständig mit hoher und ausgeschnittener taille und Schleier. Ebenso eins hatten sie von ihren Eltern122 als Brautkleid. Dann Silberzeug von der einen Großmama, silberne Kaffekanne und Milchtopf mit Teller, von der anderen Poinsschleier.123 Ihre Geschwister124 haben ihr ein Theeservice gegeben, von den Brüdern Perponsche125 eine süperbe Uhr, vom zukünftigen Schwager 2 silberne Brodkörbe. Am Hochzeitstag war Adelheit sehr hübsch, so frisch und hübscher Ausdruck, prächtiger weißer Atlas mit 2 breiten poins volans und Schleier. Der Kranz stand ihr so gut. Nun leb wohl, meine Theegesellschaft kommt. Adios, grüße Luise, vielleicht ist sie Montag in Berlin. Die Verlobung ist ja nicht am Dienstag gewesen.126 Warum? Und wann ist sie nun? Deine Adine Ludwigslust, den 31ten Oktober 1852 Noch habe ich Dir nicht geschrieben, geliebte Elis, und Dir danken können für die Freude, die Du und Fritz mir gemacht habt dadurch, daß ihr mich aufgesucht in Berlin. Es war zu liebevoll von Euch, und ich habe es recht in tiefstem Herzen erkannt. Du bist 115 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933). 116 Adelheid Gräfin von Bülow (1833–1891), verh. am 20. Okt. mit Ludwig Nikolaus Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1827–1914). 117 Mglw. von lat. silva = Wald, im Sinne einer Waldfee. 118 Adelaide Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin van Reede (1792–1861). 119 Ludwig Nikolaus Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1827–1914). 120 Hendrik George Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1771–1856), niederl. Gesandter in Preußen. 121 Frz. Points = mit der Nadel genähte Spitze. 122 Luise von Bülow-Cummerow (1809–1858), verh. 1830 mit Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident. 123 Jeanette Gräfin von Bülow, geb. Schmucker (1783–1855), und Friederike von Bülow, geb. Fließbach, gesch. Zander (geb. 1780). 124 Elisabeth (1831–1906) und Marie Gräfinnen von Bülow (1834–1882) sowie Hans Graf von Bülow (1839–1887). 125 Wilhelm (1819–1893) und Friedrich Grafen von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909). 126 Kurz nach ihrer Konfirmation verlobte sich Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) mit Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884).
92
Briefe 1851–1873
gestern wirklich nach Leslingen127 gegangen und kommst, wenigstens nach der Zeitung, heute Abend zurück. Da hoffe ich, soll dieser Brief Dich empfangen. Meine Reise nach Bodenbach war denn eine rechte Wonne für mich, da ich Luise sehr wohl fand, und wir beide waren so recht glücklich, uns aussprechen zu können, was schriftlich schwierig und umständlich ist. Es kam über uns beide eine solche Ruhe und Befriedigung, daß wir feierlich unter Thränen schieden, aber doch beruhigt von einander gingen. Außerdem ist Bodenbach ganz wundervoll gelegen. Das Wirthshaus ist reinlich und gut. Wir haben Teschen besehen und bei der Gelegenheit erfahren, daß der Bundesgesandte Graf Thun128 nach Berlin kömmt. Er und seine Frau waren eben abgereiset, um ihre arangements zu machen. Die Kinder waren noch dort. Das Wetter war schön mit Sonnenschein. Auch haben wir die Fabrik besehen und [sind] sonst noch umhergegangen. Die Hochzeit von Prinzessin Gabriele129 ist bis zum 3ten November verschoben wegen dem Tod der jungen Fürstin Windisch Grätz,130 Schwiegertochter vom Feldmarschall,131 worüber sie alle sehr betrübt sind. Hugo hat in Prag die Nachricht bekommen, daß ein Fürst Taxes132 in Florenz gerne mit ihm tauschen will und lieber nach Ungarn gehen. Noch war es nicht bestimmt. Sie hoffen, vor meiner Abreise es mir noch wißen zu laßen. Das wäre nun eine sehr große Freude für mich, aber nun ein bedeutendes weiter, indessen Florenz ist mir auch lieber als Fünfkirchen.133 Wegen meinem Sohn Wilhelm muß ich noch ein paar Worte sagen. Er wünscht 1 Jahr Urlaub zu nehmen. Ganz bin ich zwar nicht damit einverstanden, indessen mein Sohn Fritz meint, da jetzt wieder Einschub gekommen ist und Wilhelm wieder keine chevadron134 bekäme, wäre es ebenso gut, er reisete ein halbes Jahr und würde dann mit mehr Freude seinen Dienst thuen als jetzt. Also wäre es sehr gnädig von Fritz, wenn er ihm doch lieber 1 Jahr Urlaub gebe, dann kann er ja immer früher wiederkommen. Mit treuer Liebe Deine Adine 127 Auf Jagdschloss Letzlingen fanden im Spätherbst die Hofjagden der preuß. Könige statt. 128 Friedrich Graf von Thun und Hohenstein (1810–1881), österr. Diplomat, geb. in Tetschen (Děčín), 1850–1852 Bundestagsgesandter in Frankfurt am Main, wurde als außerordentlicher Gesandter nach Berlin versetzt, verh. 1845 mit Leopoldine Gräfin von Lamberg, Freiin von Stein und Guttenberg (1825–1902). 129 Prinzessin Gabriele von Windisch-Graetz (1824–1917), heiratete am 3. Nov. Friedrich Wilhelm Edmund Graf von Schönburg-Glauchau (1824–1897). 130 Prinzessin Maria Hedwig (Wixa) von Lobkowitz (1829–1852), verh. 1850 mit Prinz Alfred (II.) von Windisch-Graetz (1819–1876), gest. am 19. Okt. 131 Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862), österr. Feldmarschall. 132 Fürst Emerich von Thurn und Taxis (1820–1900), österr. Major beim 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“ in Florenz. 133 Pécs, Stadt in Südungarn, Garnison des österr. 7. Ulanen-Regiments „Erzherzog Franz Ferdinand“, bei dem Prinz Hugo von Windisch-Graetz als Major stationiert war. 134 = Schwadron, synonym verwendet zu Eskadron, eine militär. Einheit der Kavallerie. Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war als Rittmeister dem Regiment Gardes du Corps in Potsdam aggregiert und wurde am 27. Nov. mit der Führung der 5. Kompanie und 3. Eskadron beauftragt.
1852
93
Abb. 2: König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen im Kreise seiner Jagdgesellschaft, die der König im Herbst in Letzlingen versammelte, Genregemälde des preußischen Hofmalers Eduard Grawert.
Petersburg, den 19ten/7ten November 1852 Meine theure Elis, anstatt wie sonst um diese Zeit zu Dir zu eilen und zu gratulieren, muß ich die Feder zur Hand nehmen. Das ist eine rechte Entbehrung, aber meine Wünsche und Gebete kommen aus einem treuen liebenden Herzen, was Dir bis in den Tod unverändert treu bleibt. Eben war Charlotte hier zum zweiten Dejeuner, um die Preußen zu empfangen. Wir tranken [auf ] Deine Gesundheit. Rochow ist leider krank und konnte nicht kommen, er hatte gestern Fieber, aber Münster und Bertha135 und Graf Henkel.136 Sie sieht nicht recht gut aus, ist mager geworden, ist aber wohl, und ich freue mich doch sehr, sie hier zu haben. Noch ist aber solche confusion um mich herum, daß ich mich kaum besinnen kann. Meine Reise ging sehr glücklich und rasch. Graf Fersen137 sorgte von der Grenze an prächtig für uns. Zum Glück waren die Flüsse noch offen. Bei Kofnov138 war zwar Eis135 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 136 Lazarus Graf Henckel von Donnersmarck (1817–1887), preuß. Legationsrat und Legationssekretär in Russland. 137 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister. 138 Kaunas in Litauen, russ. Kowno.
94
Briefe 1851–1873
gang, aber so schwach, daß man mit einer Fähre ganz gut herüber kam. Der nächste Übergang Dünaburg139 war die Fahrt ganz aufgehallten. Freilich die Brücken waren nicht mehr und die letzte bei Osknovo140 stand ganz fest. Hier kamen wir um ½ 7 Uhr an anstatt um ½ 9 Uhr, sodaß niemand da war zum Empfang. Charlotte selbst kam mit unausgemachten Locken, und ich war schon im ersten Zimmer, als sie hereinkam, aber die Wonne, sie wiederzusehen und auch recht gut aussehend zu finden. Die beiden Jungens141 waren mit ihr. Der Kaiser142 war ausgefahren und kam späther. Die Damen kamen auch eine nach der anderen, ebenso die Herrn. Wir blieben erst zum Thee bei mir mit Rochow und Münster. Es wurde viel gesprochen hin und her. Dann gingen wir zu Charlotte herauf. Von die Pracht der Zimmer machte man sich keine Idee, und dabei so confotaible.143 Es steht so voll Sachen, daß man sich kaum drehen kann, eins schöner wie das andere. Wir gingen früh zu Bett. Der Tod von Max wird sehr tief gefühlt, und Charlotte wie die andern Kinder denken wie wir über die Zukunft von Mary.144 Den andern Mittag fuhr ich zu ihr in dem schönen prachtvollen Palais und fand sie so recht, wie man es sich wünschen kann, so durchdrungen von Trauer und Leid, aber ganz natürlich. Sie weinte bitterlich, konnte aber auch von andern Dingen sprechen. Zu schmertzlich ist es, wenn man die 6 Kinder alle in Schmertz sieht. Marussi145 trägt ihre Locken nicht mehr, und da ist sie weit weniger hübsch. Mary kommt alle Tage auf längere Zeit zu der Mama, wo ich sie neulich fand. Da kann sie einen Moment heiter sein. Dann fällt sie wieder zusammen. Sie spricht mit großer Liebe und Herzlichkeit von Max und bezieht so alles auf ihn. Heute wird Sasche mit Frau146 erwartet. Es taut und regnet und ist glatt, daher weiß man nicht, wann sie ankommen. Ich hatte die letzten Reisetage 18° Kälte, die sogar in meinen großen Wagen, auf Schlitten gesetzt, den Charlotte geschickt, eindrang. Doch hat es keinem von uns geschadet, etwas Schnupfen und Husten abgerechnet, was aber wohl mehr von dem einen Zimmer kam, was theils warm und zugig war. Heute und morgen haben wir die Trauer abgelegt, erst für Dich und morgen für Mischel seinen Nahmenstag, wo auch Messe in weiß ist. Nun leb wohl, Charlotte dankt so innig Dir und Fritz für die Briefe. Sie haben ihr so viel Freude gemacht, dem Kaiser ist auch die Stelle vorgelesen worden. Er sieht auch klar, wie die Sachen stehen, und ich nahm mir die Freiheit, die Sachen so zu sagen, wie sie wirklich sind. 139 Daugavpils in Lettland, dt. Dünaburg. 140 Verm. Ostrow in Russland. 141 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 142 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 143 = Komfortabel. 144 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), verh. 1839 mit Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), litt seit mehreren Jahren an einer Lungenerkrankung und war am 20. Okt./1. Nov. in St. Petersburg gestorben. Die sechs Kinder waren zu diesem Zeitpunkt zwischen einem halben Jahr und elf Jahren alt. 145 Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914). 146 Thronfolger Großfürst Alexander (II.) von Russland (1818–1881) und seine Frau Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880).
1852
95
Leb wohl, Gott mit Dir, ein eigenes Geschenk habe ich nicht für Dich wie sonst. Es kommt späther. Adine Grüße alle Damen und Herrn, und über die Maltzahn147 freut man sich. Mathildes Brief habe ich vorgelesen. Charlotte dankt. Petersburg, den 26/14ten November 1852 Meine liebe Elis, wenn ich meinem Herzen gefolgt wäre, so hätte ich Dir gleich geantwortet auf Deinen Brief, der mir eine solche ungeheure Freude gemacht hat. Aber ich wollte den preußischen Courier abwarten, der erst morgen geht. Briefe in der Ferne zu erhallten, ist ein zu großes Glück. 8 Tage hatte ich garkeine Nachricht, aber nun ziemlich viel hinter einander. Oft wird mir das Herz groß nach meine Kinder und Enkel, und ich möchte einen Blick zu ihnen hin thuen. Wir leben hier so still und einsam, was mir aber grade so lieb ist. Hier in der Stadt ist ein ganz anderes Leben wie im Sommer. Bis 12 Uhr ist doch ziemlich alles ruhig. Das heißt, um 10 Uhr zum Caffee kommen alle 4 Jungens und die 2 Schwiegertöchter, und die 4 Söhne von Sache, prächtige Jungens, die aber ein Lermen machen, daß man kaum sprechen kann. Charlotte verträgt es unbegreiflich und ist nun, seitdem das Herzklopfen [vor]über ist, unglaublich kräftig. Meyendorfs,148 die angekommen sind, können sich nicht genug verwundern. Gestern, wo es nur 2° Kälte war und kein Wind, ist sie mit Mary im Schlitten ausgefahren, was ihr gut bekommen. Sonst fährt sie nur im zuhen149 Wagen auf Schlitten gesetzt. Vor einigen Tagen bin ich mit dem Kaiser in der Ermitage gewesen, wo nun das Museum hereingekommen ist und ungeheuer angebaut ist.150 Ich bin nur sehr schnell durchgegangen und doch brauchten wir 5/4 Stunden. Den andern Tag benutzte Charlotte es als Promenade, und da haben wir nur einen kleinen Theil besehen. Es sind an Bilder, aber an einländische Alterthümer aus der Krimm, und anderem ächt goldene Lorbeerkränze. Das ist wohl das schönste. Alles prächtig aufgestellt. In den prächtigsten Räumen Parket von allem möglichen Marmor ausgelegt, in verschiedenen Figuren und Formen. Die ist wohl den Bildern vorzuziehen, von denen einige doch auch sehr schön sind. Ich 147 Mglw. über die Heirat von Alexandrine Freiin von Maltzahn (1833–1895) mit Woldemar von Suckow (1822–1860) am 28. April auf Ivenack. 148 Peter Baron von Meyendorff (1796–1863), ehem. russ. Gesandter in Preußen, 1850–1854 in Österreich, verh. 1830 mit Sophie Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868). 149 = zu, geschlossen. 150 Kaiser Nikolaus I. von Russland ließ 1839–1851 nach Plänen von Leo von Klenze an den alten Palast ein neues Gebäude mit einem eigenen Eingang anbauen, um die Zarenresidenz und die Sammlung der Eremitage zu trennen. Am 5./17. Febr. 1852 hatte der Kaiser die „Neue Eremitage“ eröffnet und sie als Museum erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn auch unter starken Einschränkungen. Bis dahin war die Gemäldesammlung nur Mitgliedern der Zarenfamilie und des Hofes zugänglich gewesen.
96
Briefe 1851–1873
möchte, Fritz könnte diese Samlungen sehen. Es würde ihn entzücken. Der Kaiser hat auch viel Freude daran. Eben komme ich von einem famillien Diner a quinque151 von Sache. Marie, finde ich, hat sehr gewonnen. Sie sieht wohl aus, ist sehr freundlich und herzlich und chosant. Du weißt, daß es ihnen nicht geglückt ist, Alexander152 in Östreich anzubringen. Ich glaube, sie bedanken sich, so eine Person sich mit auf dem Halz zu laden. Solche hat man schon genug. Sie meinen, da er keine ordentlichen Abschied hat, würde kein Offizier mit ihm dienen wollen. Kurtz, er ist ganz gescheitert. Luise153 hat Alexander in Wien wieder gesehen und findet ihn sehr verändert, vorzüglich entsetzlich ernst geworden. Die Soltikof154 sagt, er wäre unendlich freundlich und verliebt mit seiner Frau,155 verlangte, daß sie ganz als Prinzessin angesehen werden sollte, was ganz Darmstadt in Aufruhr bringt. Sie nehme sich aber bescheiden. Wegen beide habe ich gefragt, und Mary hat selbst allen Schwestern einen Brief geschrieben mit allen möglichen détailles gleich den ersten Tag, der freilich über Schweden gegangen. Heute sind die Nachrichten über den König156 sehr viel besorglicher, aber Eugenie157 geht es besser. Das Geschwür ist in der Leber aufgegangen, aber man fürchtet die Folgen. Den 27ten. Heute ist ein freundlicher sonniger Tag mit 10° Kälte, aber still ohne Wind. Das liebe ich sehr. Da wird Charlotte nicht ausgehen dürfen. Mir sind die liebsten Stunden mit ihr am Nachmittag, wenn sie bei mir liegt in mein hübsches Eckchen, Elise Rauch liest vor, um ½ 8 Uhr bis nach 8 Uhr kommt der Kaiser und trinkt Thee. Mary kommt dann öfters. Sie ist viel stiller geworden noch, seitdem ich hier bin, und ist so recht durch und durch ernst und traurig. Sie hat entsetzlich viel zu thun, da sie die Geschäfte allein führt. Der Geschäftsmann von Max158 ist gestern angekommen. Neues weiß ich nicht zu schreiben, von Politik ist in den letzten Tagen nichts gesprochen worden, nur daß man Louis Napoleon nicht mit der Zahl 3 anerkennen will,159 auch wegen Griechen-
151 Frz. = Familiendiner zu fünft. 152 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), ehem. russ. General der Kavallerie und Bruder der Thronfolgerin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von HessenDarmstadt, hatte am 28. Okt. 1851 heimlich in Breslau Julia Gräfin von Hauke (1825–1895) geheiratet, die Hofdame seiner Schwester und Mündel des russ. Kaisers. Wegen der Heirat musste Prinz Alexander den russ. Dienst verlassen. Er trat 1852 in österr. Dienste und erhielt 1853 den Charakter als Generalmajor. Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt verlieh der Frau seines Bruders und ihren Nachkommen den Titel der Grafen von Battenberg, ab 1858 der Fürsten von Battenberg. 153 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin. 154 Elizaveta Pawlowna Gräfin Saltykowa (Soltikoff ), geb. Gräfin Stroganowa (1802–1863). 155 Julia Gräfin von Battenberg, geb. Gräfin von Hauke (1825–1895). 156 König Oskar I. von Schweden und Norwegen (1799–1859). 157 Prinzessin Eugénie von Schweden und Norwegen (1830–1889). 158 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), verh. 1839 mit Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), war am 20. Okt./1. Nov. in St. Petersburg verstorben. 159 Charles Louis Napoleon Bonaparte (1808–1873), seit 1852 als Napoleon III. Kaiser der Franzosen.
1852
97
land, daß Adalbert erst griechisch werden soll, daß dies sein Vater nicht zugeben will.160 Adios, schreibe bitte bald. Deine alte Adine Grüße Mathilde, und wir gratulierten zum Enkel.161 An die Brüder viel Liebes von mir. Charlotte grüßt herzlich. Es geht ihr gut, und sie läßt Fritz fragen, ob er sich erinnert, daß in Potzdam ein alter Franzose sie besucht, ein Marquis D’Argent Arget, der von Friedrich II. Zeit hergestammt hätte.162 Dann wollte ich Dich fragen, ob Du weißt, dass Anna,163 als Charlotte damals abgereiset, so ganz außer sich gewesen ist über Nisi, sodaß Fritz Hessen164 mit Karl darüber gesprochen und er verlangt hat, mit Anna eine conversation zu haben. Das ist dann arangiert worden im Garten. Er hat ihr gesagt, er sähe, daß sie ihn nicht liebte, sondern den Nisi, und daß er gerne zurücktreten wollte, obgleich sie Nisi nie heirathen könnte. Das hat dann Anna nicht gewollt, aber allerdings gesagt, daß sie den Cousin sehr liebte. Es würde sich aber geben. Sie ist aber unfreundlich geblieben. Darauf hat Karl Charlotte geschrieben und gebeten, Anna zu schreiben und ihr mütterlich zuzureden, und sie zu bestimmen, wenn sie einmal Fritz nehmen wollte, auch freundlich zu sein und ihrer Pflicht dann nachzukommen.165 Das hat Charlotte dann auch gethan. Dies ist ein Klatsch, aber ich weiß, Du wirst es nicht weitersagen. Es wird Dich aber interessieren. Ach, meine Elis, wann werden wir uns wiedersehen? Ich küße Dich herzlich und in Liebe Adine Petersburg, den 29ten November 1852 Ich weiß eigentlich nicht, ob ich recht thue, Dir zu schreiben, was folgt, aber ich denke, Du könntest mit Stolberg und Gerlach166 darüber sprechen, wie sie die Sache ansehen. Vor 3 Tagen kam der Kaiser,167 wie er [es] öfter thut, wenn Charlotte bei mir ist, mit 160 Prinz Adalbert von Bayern (1828–1875) war seit 1844 Erbprinz von Griechenland, da sein Bruder König Otto I. von Griechenland (1815–1867) kinderlos blieb. Für den griech. Thronfolger bestand die Bedingung, bei Herrschaftsantritt zum griechisch-orthodoxen Glauben überzutreten. Beide waren Söhne des abgedankten Königs Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 161 Friedrich Graf von Pückler (1852–1910), geb. am 13. Nov., Sohn von Erdmann Graf von Pückler (1820–1864) und Mathilde Gräfin von Pückler, geb. Gräfin von Brandenburg (1825–1900). 162 Paul de Magallon d’Argens (1784–1859), Enkel von Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d’Argens (1703–1771), frz. Schriftsteller und Philosoph, preuß. Kammerherr bei König Friedrich II. von Preußen, verh. 1749 mit der Tänzerin Barbe Cochois (ca. 1725–1780). 163 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918). 164 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 165 Die Hochzeit von Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) und Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884) fand am 26. Mai 1853 in Charlottenburg statt. 166 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Oberstkämmerer und Minister des kgl. Hauses, sowie Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 167 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855).
98
Briefe 1851–1873
einem Brief, den er verlas, und sagte, er ist von Schneider.168 Ich war so verwundert, diesen Nahmen zu hören, daß ich ganz verwundert den Nahmen wiederholte, und er antwortete, er schreibt alle Woche an Orloff169 geheime Briefe. Ich kann nicht sagen, wie mich das entsetzte von einem Mann, der so viel in der Nähe von Fritz ist, und der um viele Dinge weiß, weil man in ihm Vertrauen setzt. Ich muß nun zwar sagen, daß ich nicht fand, das er unrechte Dinge schrieb, indeßen hörte ich hernach, daß er auch über unsere Famillie, wer es auch sei, berichtet. Dies scheint mir außerordentlich gefährlich und unrecht. Ich weiß auch, daß jemand in Berlin [mit] ihm darüber gesprochen, daß man es für unrecht hielte, daß er sich dazu hergegeben. Er hat geantwortet, laßen sie es nur gehen, es ist besser, ich schreibe die Sachen, wie sie sind, denn es sind mehrere böswillige Correspondenten, die die Sachen verdrehen. Das ist freilich auch wahr, aber es hat mich doch ganz ungeheuer betrübt, daß ein Mann wie Schneider so etwas thut. Ich wollte Dir es nur mittheilen, damit Du darüber sprechen möchtest, und wenn es gut befunden, daß man ihn warnt. Nur bitte ich dringend, daß mein Nahme an Schneider nicht genannt [wird], denn es ist beßer, daß ich höre die Briefe vorlesen als viele Andere, und das möchte dann nicht geschehn. Noch eins, Rochow, sagt man, hat die Absicht, nicht wieder her zukommen, und wie man mir erzählt, hat Meyendorf170 gemeint, man sollte dann keinen Militair wieder herschicken, sondern einen Diplomaten. Mir scheint das nicht richtig, erstlich steht ein Militair dem Kaiser immer näher, und dann ist jetzt von Östreich ein solcher hier, Mensdorf,171 ein liebenswürdiger Mann, der von den Damen entsetzlich verzogen wird und sehr in Gnaden bei der kaiserlichen Famillie [ist], von oben besonders. Aber die Wahl bei uns im Militair ist sehr schwer, denn es muß ein Ehrenmann sein mit gesundem Menschenverstand, der fest und klahr in seinen Ansichten ist und dem Kaiser frei und offen antworten kann. Ein Diplomat wird und kann solche Stellung nie einnehmen, und wen sollte man hersenden? Bernsdorf172 ist viel zu stolz und schroff, Graf Schulenburg,173 den man nennt, kenne ich freilich zu wenig, würde vielleicht mit Nesselrode174 gut stehen, der überhaubt ein Ehrenmann durch und durch ist. Er theilt alle Depeschen an Rochow mit, besucht ihn, wenn er krank ist, und spricht offen mit ihm. Er ist ein heller Kopf ohne Leidenschaft. Du kannst den Brief an Stolberg und Gerlach ganz mittheilen, wie er da ist, denn es ist garnichts unrechtes darin. 168 Louis Schneider (1805–1878), Schauspieler, Theaterdichter und Militärschriftsteller, Vorleser von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 169 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. General der Kavallerie und Generaladjutant, seit 1844 Oberkommandeur des Gendarmenkorps und Leiter der geheimen Polizei. 170 Peter Baron von Meyendorff (1796–1863), ehem. russ. Gesandter in Preußen, 1850–1854 in Österreich. 171 Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly (1813–1871), österr. Generalmajor und seit 1852 Gesandter in Russland. 172 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), bis 1851 preuß. Gesandter in Österreich, seit 1852 in Neapel. 173 Gustav von der Schulenburg (1814–1890), stammte aus einer nichtgräflichen Linie. Er war preuß. Legationsrat und Legationssekretär in Frankreich, ab 1853 Gesandter im Kurfürstentum HessenKassel. 174 Karl Robert Reichsgraf von Nesselrode (1780–1862), russ. Reichskanzler.
1852
99
Charlotte grüßt Dich herzlich, liebe Elis, und dankt so sehr für den hellblauen Mantel. Er hat ihr so sehr viel Freude gemacht. Ich gab ihn gleich den andern Tag nach meiner Ankunft, und bis jetzt habe ich es vergeßen, Dir zu schreiben, bis Charlotte mich danach fragte und es noch einmal auftrug, Dir zu danken. Sie hat heute Herzklopfen wieder und fürchtet nun sehr, über 8 Tage es wieder zu bekommen, wenn die Eidleistung von Mische175 ist. Leb wohl, grüße alle Bekannte, Stolberg und Gerlach. Deine treue Adine Petersburg, den 2ten Dezember/20ten November 1852 Geliebte Elis, ich nehme heute Deine sehr große Gefälligkeit in Anspruch, nehmlich wie Du es mir schon angebothen hast, Sachen zu Weihnachten zu schicken, von denen ich Geschenke machen könnte. Da hier nun wirklich alles über die Begriffe theuer ist und nicht schöner wie bei uns, so möchte ich Dich bitten, mir 3 Porcelan Gruppen von Hengstmann176 zu senden, Stück 30–50 Reichsthaler. Es soll für die Großfürstinnen sein, die eine Leidenschaft dafür haben, so Herren und Damen in Reifröcken, tanzend, spielend und so weiter. Es muß recht hübsch sein und ein bischen fein, wenn sie weniger kosten, ist es noch beßer. Dann möchte ich, daß Du mir berloks177 für Nisi und Mische sendest, Pantoffel oder was sonst hübsch ist. Vielleicht könnte mein Sohn Wilhelm Dir dazu behülfllich sein. Dabei erinnere ich Bruder Fritz, daß er Wilhelm auf meine Bitte nach Berlin versetzte, damit er dort vom Rittmeister etwas unter Aufsicht genommen, ihn mehr beschäftigt.178 Den 3ten. Gestern war der Tag der Thronbefestigung des Kaisers, alles war an dem ganzen Tag in galla, nur wir nicht, gingen auch nicht mal zur Messe, nur der Hof. Am 27ten erst wird es von der Famillie gefeiert, nach der Revolution.179 Der Kaiser sprach sehr viel diese Tage darüber und erzählte, unter andern hat man jetzt erst unter den Pappieren von Wolkonsky180 Sachen gefunden, die man damals garnicht hat finden können, Briefe von Kaiser Alexander und Großfürst Konstantin,181 und Pappiere und Akten, die über die Thronentsagung von letzterm ausgefertigt, und mehreres anderes, was darauf Bezug 175 Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister, übernahm am 26. Nov./8. Dez. das Kommando der russ. Garde-Artillerie-Brigade. 176 Friedrich Hengstmann, preuß. Hoflieferant und Inhaber der Kgl. Porzellan- und Gesundheitsgeschirr-Manufaktur. 177 Berlocke, von frz. breloques = Anhängsel, im Sinne von Schmuckanhänger. 178 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war als Rittmeister dem Regiment der Gardes du Corps in Potsdam aggregiert und mit der Führung der 5. Kompanie und 3. Eskadron beauftragt. Er hatte hohe Spielschulden. 179 Dekabristenaufstand v.a. von Offizieren der russ. Armee am 14./26. Dez. 1825 nach dem Tod von Kaiser Alexander I. von Russland und der zunächst unklaren Thronbesteigung seines Bruders Kaiser Nikolaus I. von Russland. 180 Fürst Sergei Grigorjewitsch Wolkonski (1788–1865), Dekabrist, 1825 Verbannung nach Sibirien, 1856 Rückkehr nach Amnestie durch Kaiser Alexander II. von Russland. 181 Kaiser Alexander I. von Russland (1777–1825) und sein Bruder Großfürst Konstantin Pawlowitsch
100
Briefe 1851–1873
hatte. Die alte Wolkonsky kam gestern mit ihrem Sohn182 und brachte alle Dosen ihres Mannes, die Charlotte gern alle auf einem Fleck sehen wollte. Da habe ich eine geschenkt bekommen mit dem Cottege von Charlotte. Die Brillant Dosen waren aber nicht dabei. Den Mittag bis Abend 11 Uhr haben wir in Anitschkof183 zugebracht, weil Charlotte mir es zeigen wollte. Es machte mir die größte Freude, denn dort haben sie doch ihre glücklichsten Jahre zugebracht. Es ist delicios eingerichtet und doch sehr grandios, freilich nicht so wie im Winterpalais. Einige Zimmer sind übrigens etwas verändert worden, aber nicht die Wohnzimmer. Da fand ich denn alle alte Geschenke und Andenken von ihrer Hochzeit, Kindererinnerungen, Bilder von den Brüdern, von mir mit Mathilde Brandenburg. Nein, ich kann nicht sagen, wie es mich amüsiert und interessiert hat. Zum Thee hatten wir unsere Gesellschaft von Palermo,184 und grade hingen die Bilder dort, wo wir saßen. Meyendorf geht es hier ganz gut. Er wird sehr geliebt und geachtet vom Kaiser. Die Frau185 ist scharmant, sie ist unendlich gut für meine Damen, in Gesellschaften in der Stadt nimmt sie sich ihrer an. Charlotte dankt herzlich für Deinen Brief, der gestern hier ankam. Sie freut sich, daß der Pelzmantel Dir gefallen. Man trägt solche viel hier in der Famillie. Es amüsierte mich sehr, was Du über die Krüdener186 schreibst. Sie ist mit Dir einverstanden. Meyendorf hat Charlotte erst die Augen über sie geöffnet. Sie konnte es nicht glauben, auch über die Ustinof.187 Nun leb wohl, Marie Douzi188 ist so liebenswürdig, so freundlich, kommt oft zum Eßen und zum Thee. Darüber freuen sich dann sehr Charlotte und der Kaiser. Deine alte Adine Die Sachen zu Weihnachten brauchen erst gegen unser Neujahr hier zu sein, da am 6ten Januar hier erst beschert wird.
von Russland (1779–1831) als designierter Thronfolger, der jedoch bereits 1822 auf den Thron verzichtet hatte. 182 Fürstin Maria Nikolajewna Wolkonskaja, geb. Fürstin Rajewskaja (1805/1806–1863), und ihr Sohn Fürst Michail Sergejewitsch Wolkonski (1832–1909), russ. Kollegien-Sekretär. 183 Anitschkow-Palais in St. Petersburg. 184 Zur gemeinsamen Reise nach Palermo, Neapel, Rom, Florenz und Venedig siehe Teil 1, Briefe vom 26. Nov. 1845 bis 8. Mai 1846. 185 Sophie Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868), verh. 1830 mit Peter Baron von Meyendorff (1796–1863), ehem. russ. Gesandter in Preußen, 1850–1854 in Österreich. 186 Amalie von Krüdener, geb. von Lerchenfeld (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839), verh. 1825 mit Georg Alexander von Krüdener (1786–1852), russ. Diplomat. 187 Ustinow, Familie aus russ. Briefadel. Mglw. Sofja Alexandrowna Polyanskaja (1808–1866), russ. Hofdame, verh. mit Michail Michailowitsch Ustinow (1800–1871), russ. Diplomat. 188 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880).
1852
101
Charlottenburg, den 3ten Dezember/21ten November 1852 Du bist ganz von Gold, meine Adine, da hatte ich schon zwey liebe, interessante Briefe von Dir aus Petersburg. Tausend, tausend herzlichen Dank dafür. Heute gerade nahm ich mir vor, Dir noch zu danken für Deine lieben Wünsche zum 19ten und für Deinen Antheil an dem allerliebsten Bild, das ich von Euch habe und das mich so freute, als ich heute Morgen beym Aufstehen mit dem größten Brief überrascht wurde. Ich las ihn mit dem größten Interesse zuerst für mich und dann, als Gerlach189 fort war, auch an Fritz. Jedes détail interessirte uns so. Deine unerwartete frühe Ankunft, die Du so anschaulich beschreibst, muß sehr hübsch gewesen seyn. Es ist so prächtig anzukommen, wo man mit Freude und Liebe empfangen wird, und nach einer kalten Reise, wie die Deine, ist es nebenbey auch eine Wohlthat. Der sonnige Tag mit 10 Grad Kälte, über den Du Dich freust, schaudert mich. Wir hatten schon ein paar Mal etwas Kälte gehabt, aber sie bleibt nicht und es ist ganz mild, der Rasen im Garten ganz grün. Eben brachte man mir das Bulletin unseres armen Karl. Ihr wißt jetzt schon, welchen fatalen Sturz er vorigen Dienstag machte? Lezten Sonntag sagte er uns, in 11 Tagen würden es 30 Jahre seyn, daß er nicht einen Tag im Zimmer geblieben sey. Ich sagte ihm noch, berufe es nur nicht, und Dienstag stürzte er auf der Jagd jämmerlich. Es war ein großer Schreck und Angst. Der Schenkel oder die Hüfte ist nicht gebrochen, er kann aber das Bein nicht heben, und die Ärzte meinen, der Knochen sey gespalten, sie können es aber nicht bestimmt aussprechen. Jedenfalls wird es eine sehr lange Geschichte werden. Gott erhalte ihm die Geduld und Heiterkeit, die er bis jetzt hat und die auch wahrhaft rührte. Er war auch so dankbar den Herrn, die ihn von Drewiz bis zur Eisenbahn auf einer Karre trugen. Alle halfen mit und suchten, ihm seine Leiden zu erleichtern. Sein ehemaliger Gröben190 trug ihn die ¾ Meile, ohne sich ablösen zu lassen. Das rührte ihn sehr. Diese lezte Nacht war nicht ganz ruhig. Er wurde gestern umgebettet, und das verursachte ihm Schmerzen, die er nicht hat, wenn er ruhig liegt. Er mußte auch gestern Ricinus Oehl nehmen, was keine Kleinigkeit ist, wenn man sich nicht rühren kann. (Während ich schreibe, läßt mir Finkenstein191 einen rührenden Dankbrief eines alten Mannes [bringen], dem ich zur goldenen Hochzeit eine Bibel gab.) Mary möchte ich nicht als Pflegerin haben.192 Ich finde sie unerträglich. Gestern glaubte sie, ich früge nach ihrer Gesundheit, und klagte und war ganz verwundert, als ich sagte, daß ich von Karl spräche, versichert immer, er litte gar nicht, auch wenn er selbst klagt. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Wie hast Du mir gefehlt den 19ten. Ich dachte, Du müßtest herein kommen. Es war ein ermüdender Tag, weil er so gar früh anfing. Ich bekam wieder prächtige Sachen, so 189 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 190 Albrecht Graf von der Gröben (1818–1864), preuß. Rittmeister und bis 1852 Adjutant des Prinzen Carl von Preußen. 191 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant und Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 192 Pflege des bei einem Jagdunfall verletzten Prinzen Carl von Preußen durch seine Frau Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach.
102
Briefe 1851–1873
schöne Rubine von Fritz und eine Menge andres. Der Mantel von Charlotte ist herrlich und freute mich ungeheuer. Euer Bild ist allerliebst. Es ist von Mayer193 und war auf der Ausstellung. Es stellt ein liebes Kind in der Wiege vor, von zwey ältren Kindern bewundert. George von Streliz seufzte, als er es ansah. Ich fand ihn recht wohl aussehend, und Fritz war heiter troz seinem Unglück. Nach dem Concert am Abend empfahlen sie sich. Die Wagner194 sang vortrefflich, heiteres und ernstes gleich gut. William195 brachte mir ein allerliebstes déjeunée mit Ansichten aus Venedig. Er blieb nur wenig Tage und will im März wieder kommen. Vorgestern sind wir hieher gekommen. Fritz, der mit der größten Mühe Sans Souci verließ, weil das Wetter so herrlich war, entschloß sich nun auch mit schwerem Herzen hieher zu kommen und war ganz froh, daß wir in einem dichten Nebel einzogen und das Wetter seitdem dunkel und feucht ist. Wir gingen gleich den ersten Abend in den Concert Saal, wo Paulus196 von Mendelsohn sehr schön gesungen wurde. Es war aber sehr leer. Gestern Abend waren wir zu Hause mit Massows197 und Mathild und dem kleinen Proffessor Ranke, der uns sehr interessant vorlas aus seinem neusten geschichtlichen Werke.198 Seit gestern also ist ein Kayser mehr in der Welt!199 Was wird er uns bringen, Gutes gewiß nicht. Soviel ich weiß, ist der dicke Adalbert200 (der jetzt die Masern hat) ganz entschlossen, preußisch zu werden. So sagte er mir wenigstens voriges Jahr. Soviel ich weiß, hat sich mein Bruder201 geflissentlich gar nicht in die ganze Angelegenheit gemischt und blieb bis jetzt ganz passif dabey. Ich denke mir Euer Familien Leben sehr gemütlich und angenehm, wenn nur die Ursache dieser Stille nicht so traurig wäre. Arme Mary!202 Wie öde wird ihr das schöne Palais jetzt vorkommen! Sie hat mir einen gar hübschen, rührenden Brief geschrieben. Es ist gewiß recht gut, daß sie viel zu thun hat. Das zieht vom Schmerze. Schade, daß
193 „Das jüngste Brüderchen“, Gemälde von Johann Georg Meyer von Bremen (1813–1886), Genremaler. 194 Johanna Jachmann-Wagner (1828–1894), Sängerin an der kgl. Hofoper in Berlin. 195 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884). 196 „Paulus“, Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847). 197 Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, seit 1837 Intendant der kgl. Gärten, verh. 1849 mit Auguste Freiin von Canitz und Dallwitz (1822–1904). 198 Leopold Ranke (1795–1886), Prof. für Geschichte an der Universität Berlin, 1841 von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Historiographen des preuß. Staates ernannt. Verm. las er aus „Französische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert“, deren erster Band 1852 erschien. 199 Charles Louis Napoleon Bonaparte (1808–1873) ließ sich am 2. Dez. zum Kaiser der Franzosen ausrufen und nannte sich Kaiser Napoleon III. 200 Prinz Adalbert von Bayern (1828–1875), Erbprinz von Griechenland. 201 Der 1848 abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 202 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), nach dem Tod ihres Mannes Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, am 20. Okt./1. Nov. in St. Petersburg.
1852
103
Alexander203 nicht in Oesterreich bleiben konnte, denn in Darmstadt wird seine Gegenwart mit der Gemahlin nicht angenehm seyn. Aus Schweden sind die Nachrichten immer traurig für den König, der noch sehr gefährlich krank zu seyn scheint.204 Aber Eugénie205 ist in der Genesung. Beyden darf die arme Joséphine nichts von ihrem Schmerz um den Bruder206 merken lassen. Das ist furchtbar! Was Du mir von Anna207 sagst, wußte ich zum Theil, aber nicht mit den détails. Mary war damals furchtbar aufgeregt und erzählte mir von scénen zwischen Vater und Tochter. Ich beschwor sie, der Tochter gar nicht mehr von der Heyrath zu sprechen bis nach der Einsegnung, und sie dann zu fragen, ob sie Fritz heyrathen wolle oder nicht, und es ganz ihrer eigenen Entscheidung zu überlassen, denn mir schien der Mann und die Lage wirklich nicht so wünschenswerth, um sie dazu zu zwingen. Als ich wiederkam, war alles ruhig und innig, und Anna versicherte mich, sie sey zufrieden und werde es immer mehr. Fritz ist gestern nach Kopenhagen gereist und hatte wegen Karls Sturz ein paar Tage zugegeben. Das fand Anna das einzige gute an dem Unglück, den Beweis, daß sie ihn gern sieht. Das beglückt mich wahrhaft. Sie fährt ihn aber doch zuweilen ganz ordentlich an. Agnes und Ernst sind ganz anders zusammen.208 Sie lieben sich und sehen selig aus. Den 1ten März soll die Hochzeit seyn. Wiwi Karl ist noch in Weymar sehr glücklich dort.209 Deiner Wiwi mag das Herz doch geklopft haben, als sie Alexander wieder sah.210 Noch hörte ich nicht, wohin Hugo211 versezt ist. Stolberg ist sehr glücklich über einen Enkel Kleist, der in Kolberg den 26ten das Licht der Welt erblickte.212 Nun lebe wohl, 203 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), ehem. russ. General der Kavallerie und Bruder der Thronfolgerin Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, hatte am 28. Okt. 1851 heimlich in Breslau Julia Gräfin von Hauke (1825–1895) geheiratet, die Hofdame seiner Schwester. Er trat 1852 noch in österr. Dienste. Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt verlieh der Frau seines Bruders und ihren Nachkommen den Titel der Grafen von Battenberg, ab 1858 der Fürsten von Battenberg. 204 König Oskar I. von Schweden und Norwegen (1799–1859), verh. 1823 mit Josephine de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876). 205 Prinzessin Eugénie von Schweden und Norwegen (1830–1889). 206 Prinz Gustav von Schweden und Norwegen, Herzog von Uppland (1827–1852), war am 24. Sept. verstorben. Er war der Lieblingsbruder von Prinzessin Eugénie gewesen. 207 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, war in Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) verliebt, heiratete jedoch wie abgesprochen am 26. Mai 1853 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 208 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) war verlobt mit Erbprinz Ernst (I.) von SachsenAltenburg (1826–1908). Die Heirat fand am 28. April 1853 statt. 209 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 210 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, und Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), der nach seiner unstandesgemäßen Heirat mit Julia Gräfin von Hauke (1825–1895) aus dem russ. Militärdienst ausscheiden musste und nun in österr. Dienste wechselte. Siehe Brief vom 26./14. Nov. 1852. 211 Prinz Hugo von Windisch-Graetz wurde als österr. Major in das 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“ nach Florenz versetzt. 212 Geburt von Hans Anton von Kleist-Retzow (1852–1908) am 26. Nov. als Sohn von Charlotte von
104
Briefe 1851–1873
meine Adine, grüße Charlotte herzlich von mir. Fritz umarmt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Welches Glück, daß Charlotte so wohl und kräftig ist. Gott erhalte sie so. Wenn sie sich nur nicht erkältet. Den Franzosen, nach dem sie fragt, vergas ich beynahe. Fritz weiß nichts von ihm. Wir erinnern uns wohl einen alten Marquis d’Argent,213 der in Potsdamm geboren, Page bei Prinzeß Ferdinand214 und dann preussischer Offizier war und vor einigen Jahren nach Sans Souci kam. Daß er aber diesen Sommer in Potsdamm war, wußten wir nicht. Grüße Bertha.215 Ist ihr übles Aussehen vielleicht von guter Vorbedeutung? Petersburg, den 16ten/4ten December 1852 Auf Befehl von Charlotte soll ich meinen Brief anfangen mit einem Dank an Mathilde für den geschnittenen Kopf von Filzis, der ihr so ungeheure Freude gemacht hat. Sie hatte ihn gestern an einem schwartzen Sammtband als Armband. Dann soll ich Dir, liebe Elis, tausend Liebes sagen. Sie konnte nicht schreiben, der Artz hat es ihr von neuem verbothen, obgleich es nicht schlechter geht, aber um das gesunde Auge nicht zu schaden. Selbst Olly schreibt sie nicht, seit ich hier bin, erst einmal ein paar Worte. Es geht Charlotte bis jetzt +++216 und unberufen recht gut. Das Herzklopfen zögert diesmal, vielleicht wartet es bis Sonnabend, wo der Nahmenstag vom Kaiser ist. Da werdet ihr auch wohl ein Diner in Charlottenburg haben. Wir haben Messe ganz weiß en toilette, um 11 Uhr, ausgeschnitten und mit Brillanten, ein trauriger Anblick so früh. Dein Brief, den ich heute bekam vom 10ten, hat mir wieder eine solche Freude gemacht. Du bist so lieb, einzig gut. Hier beschäftigt Napoleon217 sehr. Man ist auf seiner Hut, man traut dem Frieden nicht. Er hätte garnicht besser handeln können, als er es gethan, um hier Mißtrauen zu erwecken. Man wacht und glaubt, das von einer ganz anKleist-Retzow, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1821–1885), und Hans Hugo von KleistRetzow (1814–1892), preuß. Oberpräsident der Rheinprovinz. 213 Paul de Magallon d’Argens (1784–1859), Page bei Prinzessin Luise von Preußen, geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt (1738–1820), preuß. Fähnrich, frz. Hauptmann, 1823 Eintritt als Ordensbruder in den Hospitalorden von Saint-Jean-de-Dieu (Johanniter- oder Malteserorden). Er war der Enkel von Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d’Argens (1703–1771), frz. Schriftsteller und Philosoph, preuß. Kammerherr bei König Friedrich II. von Preußen. 214 Prinzessin Luise von Preußen, geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt (1738–1820), verh. 1755 mit Prinz Ferdinand von Preußen (1730–1813). 215 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 216 Gemeint ist wohl „drei Kreuze machen“ im Sinne eines Dankgebets und als Ausdruck der Erleichterung. 217 Charles Louis Napoleon Bonaparte (1808–1873) ließ sich am 2. Dez. zum Kaiser der Franzosen ausrufen und nannte sich Kaiser Napoleon III.
1852
105
deren Seite der Angriff kommen wird, von der Türkei her, um die Aufmerksamkeit von Deutschland anzuziehen und die Streitkräfte zu schwächen und dann erst auf Deutschland zu gehen, wenn es ihm passet. Jetzt ist es ihm noch zu früh, besonders da man es erwartet. Wie steht es denn mit seiner Heirath?218 Hier sind Nachrichten aus Dresden gekommen, als wenn Albert219 die Braut davontrüge. Das hat große Freude bereitet. Ich wollte, es wäre wahr, doch Du sagst garnichts darüber. Tausend Dank sage ich an Bruder Fritz, daß er Wilhelm nach Berlin versetzt.220 Ich hoffe, er wird sich dieser Güte werth zeigen. Ermahne ihn nur und auch in meinem Nahmen. Er sollte einmal hier sehen, wie die beiden Jungens221 eifrig sind im Dienst und wie sie arbeiten müßen. Heute sind sie den ganzen Tag in Peterhof. Eben bekomme ich einen Brief von meiner Luise aus Venedig, wo sie seelig ist, vom 5ten December. Es wäre himmlisches Wetter, Sonnenschein, blauer Himmel, blaues Wasser. 2 Tage wollen sie sich aufhallten und dann weiter nach Florenz, worauf sie sich sehr freut. Es ist unendlich gnädig vom Kaiser,222 daß er die Wünsche von Luise erfüllt und sie nach Italien versetzt.223 Ich weiß wohl, daß es eigentlich Sache bewirkt, der ohne, daß es Luise noch Hugo auch wußten, schon es dem Kaiser gesagt, daß es von Rußland aus gewünscht würde. Mich freut es unendlich, da man hoffen kann, daß sie dort einige Zeit bleiben werden. Den 17ten. Rochow ist krank geworden und glaubt nicht vor Sonntag oder Montag reisen zu können. Es ist recht traurig, daß er so stinkt. Mit rechter Reinlichkeit könnte er es doch verhindern. Ach, da habe ich einen Wunsch von Elise Rauch vorzutragen. Sie sagt zwar nicht, daß ich es Dir schreiben soll. Sie sprach mir nur gestern darüber, als sie eben einen Brief von Blansche erhallten hatte, ob es nicht möglich wäre, daß Bruder Fritz ihr die 150 Reichsthaler laßen könnte, die Spiegel gehabt.224 Es geht ihr nehmlich sehr schlecht. Der reiche Onkel Spiegel225 giebt ihr nun sehr, sehr wenig oder nichts, und sie weiß nicht, von was sie leben soll, besonders da die Erziehung der Tochter dazu kömmt. 218 Heirat von Napoleon III., Kaiser der Franzosen (1808–1873), mit Eugénie de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), am 23./30. Jan. 1853. 219 Prinz Albert von Sachsen (1828–1902). 220 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin blieb als Rittmeister weiterhin dem Regiment Gardes du Corps aggregiert, wurde aber nach Berlin versetzt. Er hatte hohe Spielschulden. 221 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) war russ. Generalmajor und Kommandeur der Leibgarde des Ulansky-Regiments, sein Bruder Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909) russ. Generalfeldzeugmeister und Kommandeur der Garde-Artillerie-Brigade. 222 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 223 Prinz Hugo von Windisch-Graetz wurde als österr. Major in das 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“ nach Florenz versetzt. 224 Blanka von Rauch (1817–1905), verh. 1843 mit Roderich Freiherr von Spiegel von und zu Peckelsheim (1815–1852), preuß. Rittmeister im Regiment der Gardes du Corps, der am 23. Okt verstorben war. Er hinterließ die Tochter Alexandrine Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim (1844– 1917). 225 Adolf Freiherr von Spiegel von und zu Peckelsheim (1809–1871), Herr auf Helmern und Burg Peckelsheim, Erbmarschall des Fürstentums Paderborn und Landrat des Kreises Warburg.
106
Briefe 1851–1873
Elise giebt ihr und allen Geschwistern die Weihnachtsgelder, die der Vater sonst gegeben. Das macht schon viel aus, überhaubt, es ist eine gute, ehrliche Person, die hier durch ihr offnes Aussprechen ihrer Meinung doch manches Gute stiftet. Endlich haben wir gestern ausführliche Nachrichten von Karl gehabt, der muß ja nahmenlos gelitten haben, und wie Du es auch schreibst, seine Nerven so gereitzt. Aber Gott sei Dank hat er nun Linderung von der Maschine, und das Beispiel von Neumann226 läßt hoffen, daß er nicht lahm bleibt. Aber es ist doch sehr traurig, das lange Liegen. Eben komme ich vom Kaffee, und da hat Rochow gemeldet, daß der Kaiser von Östreich227 noch vor Weihnachten nach Berlin käme. Das hat dann große Freude gemacht, da schon einmal die Nachricht sich hier verbreitet, er wäre nicht angenommen worden wegen schlechter Jahreszeit und Rekruten, daher die Truppen sich nicht so gut presentieren konnten! Mir war es leid, denn wäre er im Frühjahr gekommen, so hätte es ausgesehen, als wenn er den Besuch en passant gemacht, weil er dann nach Petersburg kömmt, und schon jetzt sind die Truppen bestimmt, die dann hier her kommen werden. Gott gebe seinen Seegen zu dieser Vereinigung. Es wäre doch ein sehr großes Glück, wenn der neue Kaiser diese alte alliance wieder von neuem hervorruft und verstärkt.228 Dann steht Deutschland fest. England laße man nur heraus, dem ist doch nicht zu trauen. Die Queen229 nennt Neppel230 schon mon frere.231 Sie sollten aber auch eine schäusliche Angst haben für Frankreich, da sie diesen Augenblick ganz schwach und mittellos sind. Sie müßen Flotte wie Landtruppen neu schaffen und verbessern. Wie kann eine solche Macht so sinken! Gestern Abend hat Charlotte ihren Thee bei mir herunter bringen laßen. Es waren 6 junge Damen eingeladen und einige junge Adjudanten, dazu die Meiendorf232 und 2 junge Proteges von Helene, Herr Rubinstein,233 ein Klavierspieler, und eine junge Person, deren Nahmen ich nicht mehr weiß, welche eine prächtige Stimme hat und allerliebst singt. Es wurde Musik gemacht, was etwas Neues bei uns war, aber ganz scharmant und sehr gefiel. Leider war Charlotte recht leidend an Kopfweh und etwas Herzklopfen. Heute geht es besser, und wir werden wohl famillien Diner haben von 21 Personen, weil die Oldenburgs,234 deren ältesten Kinder und die Enkel über 7 Jahr alt miteßen. Mary kommt auch. Seit die 6 Wochen vorüber sind, will sie manchmal kommen. Sie jammert mich 226 August Wilhelm von Neumann (1786 –1865), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Chef des reitenden Feldjägerkorps. 227 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) zu Besuch in Berlin. 228 Erneuerung der Heiligen Allianz zwischen Russland, Österreich und Preußen vom 26. Sept. 1815. 229 Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901). 230 Spitzname für den Kaiser Napoleon III. (1808–1873), der in der Familie schon für Kaiser Napoleon I. gebraucht wurde. 231 Frz. = mein Bruder, im Sinne einer Verwandschaftsanrede besonderer Vertraulichkeit. 232 Sophie Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868), verh. 1830 mit Peter Baron von Meyendorff (1796–1863), ehem. russ. Gesandter in Preußen, 1850–1854 in Österreich. 233 Anton Grigorjewitsch Rubinstein (1829–1894), Hofpianist bei Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg. 234 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst zuständig für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser, verh. 1837 mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871).
1852
107
recht sehr, denn sie wird immerfort von der Welt beurtheilt werden, da sie leicht ist und sich nicht genieren mag. Sie hat recht viel fons235 und ein prächtiges Herz. Sie hätte aber einen Mann haben müßen, der sie sehr liebte und mit Ernst zu führen gewußt hätte.236 Nun leb wohl, die Sängerin hieß Freiburg.237 Wenn ich kann, schreibe ich noch vor Neujahr. Deine treue alte Adine Noch muß ich Dir danken, daß Du mir so fleißig schreibst. Du glaubst nicht, wie es mich glücklich macht. An Mathilde viel Liebes von Charlotte und mir. Wir denken recht, recht oft Deiner, liebe Elis. Petersburg, den 20ten/8ten Dezember 1852 Meine liebe Elis, bitte nimm freundlich diesen kleinen Arbeitskoffer als Weihnachtsgabe an. Rochow wird ihn Dir überbringen, da er Dir selbst alles mündlich besser erzählen kann, als ich schreibe. So erwähne ich nur des gestrigen Abends, wo Musik bei den Majestäten war. La Blache mit reitzender Tochter,238 Mario,239 sangen himmlisch. Es war ein großer Genuß, nur konnte ich es nicht so recht genießen, da ich furchtbare Schmertzen im Kopf habe und den ganzen Tag gelegen, gehungert. Heute ist es bloß Kopfweh, aber auch nicht brillant. Leb wohl, meine liebe, liebe Elise, bitte sende auch einige Schachteln mit bleierne Soldaten für die kleinen Jungens,240 9 Schachteln, auch vielleicht von Pappa ausgeschnitten. Dann das Tagebuch von Prophet,241 Charlotte will es gerne haben. Sie küßt Dich. Von Karl haben wir lange nichts gehört. Deine Adine Petersburg, den 30ten/18ten December 1852 Dein lieber prächtiger Brief von 16 Seiten kam heute Mittag an, wie ich noch bei Charlotte war nach dem Kaffee. Das war ein Freudengeschrei, denn wir hatten auf Dich, meine Elis, gerechnet, daß Du gewiß schreiben werdest, wenn der liebe Gast242 abgereist 235 Lat. = Quelle, Brunnen. 236 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), verh. 1839 mit Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), war am 20. Okt./1. Nov. in St. Petersburg verstorben. 237 Person nicht zu identifizieren. 238 Luigi Lablache (1794–1858), ital. Opernsänger, mit seiner jüngsten Tochter Marie Isabelle Lablache (1831–1881), Opernsängerin, verh. 1853 mit Ernest Baron de Caters (1815–1876). 239 Giovanni Matteo De Candia, genannt Mario (1810–1883), ital. Opernsänger. 240 Söhne von Thronfolger Großfürst Alexander (II.) von Russland (1818–1881). 241 Unklar. 242 Treffen von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) mit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in Berlin.
108
Briefe 1851–1873
sein würde. Und so haben wir uns dann nicht getäuscht. Es ist zu lieb von Dir, daß Du so ausführlich und viel geschrieben. Jedes Wort und alles, was Du über den lieben jungen Kaiser sagst, hat uns so glücklich gemacht, wie schon bloß die Idee, daß wir ihn in Berlin wußten. Und alle Briefe von noch verschiedenen Händen geschrieben, sprachen sich dahin aus, wie so außerordentlich der junge Herr gefallen durch sein festes männliches Wesen, seine militairische Haltung und Kenntniß, die er immer zu erkennen gab. Das Interesse, was er an allem nahm, seine Worte, die er den Offizieren gesagt, alles ist entzückt von ihm. Möge nun recht viel Seegen aus dieser Zusammenkunft hervorgehen, und die Einigkeit recht befestigen. Wenn wir so einig und fest bleiben, fallen alle anderen Deutschländer dem Bündniß zu, und wir sind stark, unüberwindlich. Die Fürstin Lieven243 schrieb heute an Charlotte, daß Flaan244 ihr geschrieben, bleibt man in Deutschland so einig, wie es diesen Augenblick ist, so können wir garnichts machen. Die arme Fürstin Lieven ist aber so schwach, daß sie nicht mehr selbst schreiben kann, sondern nur diktiert, was sie sehr geniert und unglücklich macht. Ihr Sohn245 geht nicht zu ihr nach Paris, weil man geschrieben, daß man ihre Tage für gezählt erkennt. Wie danke ich Dir auch, daß Du mir meine Aufträge so gütig besorgt hast. Ich hoffe, sie kommen nun bald an, denn am 6ten ist hier Heilig Abend. Den 31ten/19ten. Wie froh war ich gestern, als ich Dir schrieb, und bald darauf bekam der Kaiser einen Brief von Budberg,246 der ihm sagte, daß Fritz nicht, wie es erst zwischen den 3 Mächten beschloßen war, nicht mon frère247 an Napoleon zu sagen, sondern daß er nun darauf besteht, mon frère ihn zu nennen, weil er sonst das Andenken an Papa verletzte, der Louis Philip248 so angeredet!!!249 Kannst Du Dir daraus einen Vers machen, daß wenn einer einen Fehler gemacht, der andere es hinterher auch so thut, und außerdem Östreich aufgefordert, ein gleiches zu thun? Du kannst denken, daß der Kaiser sehr böse ist, denn sein Brief ist bereitz seit 8 Tagen in Paris. Übrigens würde er es auch nicht geändert haben. Aber wenn man etwas verabredet hat von solcher Wichtigkeit und besonders, wo es so darauf ankommt, daß es von allen 3 Mächten zugleich geschah, um so recht fest und dadurch umso mehr einen starken Eindruck zu geben, und dann im Stich gelaßen wird, das kann nicht erfreuen und schwächt von neuem das Vertrauen. Charlotte und ich waren wie vernichtet und lamentierten, als wir alleine waren, weil wir die Ursache nicht begreifen dieses Abspringens. Münster wußte noch nichts aus Berlin und erwartet mit Ungeduld Nachricht. 243 Fürstin Dorothea von Lieven, geb. von Benckendorff (1785–1857), Witwe des russ. Generals und Diplomaten Fürst Christoph Andrejewitsch von Lieven (1774–1839), führte einen Salon in Paris. 244 Lesebefund. Person nicht zu identifizieren. 245 Verm. Fürst Paul von Lieven (1806–1866). 246 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen. 247 Frz. = mein Bruder, im Sinne einer Verwandschaftsanrede besonderer Vertraulichkeit. 248 Louis-Philippe I. von Orléans, König der Franzosen (1773–1850). 249 Damit störte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen eine Absprache mit dem russ. und österr. Kaiser. Dies kam einer politischen Anerkennung des neuen Kaisers der Franzosen Napoleon III. gleich, wie bereits durch die Königin von Großbritannien. Siehe Brief vom 16./4. Dez. 1852. Es zeigt die Hinfälligkeit der im Krimkrieg endgültig zerbrechenden Heiligen Allianz.
109
Da habe ich recht lange politisiert, aber es lag mir so am Herzen, daß Du genau weißt, was vorgeht, denn ich bin überzeugt, als Du mir schriebst, wußtest Du nichts davon. Es ist zu traurig, daß solche Sachen immer wieder vorkommen. Der Kaiser250 war so froh und heiter über diese große Einigkeit und sah mit Zuversicht in der Zukunft. Wieder auf dem Aufenthalt vom jungen Kaiser251 zu kommen, freute es uns sehr, daß Bruder Wilhelm auch enchantiert von ihm gewesen, denn wie man sagt, hat es einige Mühe gemacht, ihn nach Berlin zu bringen. Karl seine Verzweiflung kann ich mir denken, im Bett gefesselt zu sein, wenn er grade so viel Werth darauf gelegt, die honneurs dem Herrn zu machen, den er auch achtet und liebt. Gott sei Dank, daß es ihm nun so gut geht, und er keine Schmertzen mehr hat. Wie mag das Transportieren im Nebenzimmer gegangen sein, zum Weihnachten? Albert schreibt ziemlich fleißig. Er scheint mit der einen Idee sehr beschäftigt.252 Es ist traurig. Grüße Mathilde, Deine Damen und Herren, Stolberg und Gerlach, den Schwartzen und Hiller.253 Ich wünsche Ihnen allen ein glückliches Neues Jahr. Mit Bangen geht man aus dem Einen im Andern. Das verfloßene war doch zu den sehr glücklichen zu rechnen, die Besuche von 2 Kaisern in Berlin gehört zu den ersten Sternen. Gott wird ja geben, daß das Gute begonnen, nun weiter gepflegt und gehegt wird. Deiner, meine Elis, möge der Herr seine besondere Gnade angedeihen laßen und Dich stärken und kräftigen in den Stürmen des Lebens, denn Du wirst immer von allen Seiten besonders bestürmt. Gott seegne Fritz und gebe ihm Festigkeit in seinem Bündniß. So lebe denn wohl. Am heutigen Tage, ein freundlicher Gedanke fliegt vielleicht zu mir. Ich gedenke aller meiner Lieben, und dazu gehörst Du ja sehr. Gott sei mit uns allen. Charlotte küßt Dich, wie oft sprechen wir mit der herzlichsten Liebe von Dir, auch so der Kaiser. Deine treue Adine Meine Luise ist am 12ten December in Florenz angekommen bei warmer Sonne und warmer Luft, daß sie bloß im Kleide auf dem Balkon stand. Die Wohnung von Hugo ist so groß, daß sie bequem alle darin wohnen können. Sie ist ganz glückselig.254
250 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 251 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 252 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) plante seit langem die unstandesgemäße Heirat mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879). 253 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Oberstkämmerer und Minister des kgl. Hauses, der Generaladjutant Leopold von Gerlach (1790–1861) sowie die Flügeladjutanten Adolf von Bonin (1803–1872), „der Schwarze“, und Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866). 254 Versetzung von Prinz Hugo von Windisch-Graetz als österr. Major in das 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“ nach Florenz.
1853 Petersburg, den 7ten Januar 1853/26ten [Dezember 1852] Ich sende Dir hier die Liste meiner sehr vielen und schönen Geschenke. Du glaubst nicht, wie der Concert Saal hübsch aussah mit den 17 Weihnachtsbäumen und all den vielen Spielsachen für die Enkel, und dann die vielen eleganten toiletten Gegenstände der weiblichen Famillie. Du wirst schreien über die Dinge, die ich erhallten. Es ist auch zu arg. Ich war stumm und beschämt, freute mich aber sehr über alles. Charlotte hatte vom Kaiser 2 Armbänder bekommen, eins ganz mit Brillanten und einem großen Almandin,1 und ein goldenes mit blauer Emaille mit Brillant Sternen und Almandin, ein Kleid mit Goldstreifen eingewirkt, ein Huth, mehrere coiffuren und Mützen, 2 Öhlgemählde und so weiter. Meine Damen haben jede eine große, schöne Porzelan Lampe bekommen. Die Schöning meint, sie könnte sich hinter ihrer verstecken. Stenglin2 [bekam] blaue Porcelan Armleuchter, und dann war im Nebenzimmer ein Tisch mit den schönsten Porzelanen, die wurden durch das Loos unter den anwesenden Damen und Herren vertheilt. Charlotte hatte leider den ganzen Tag sehr starkes Kopfweh, woran sie noch leidet. Es ging aber gestern gegen Mittag besser, so daß sie in der Hälfte der Messe im Neben Cabinet erschien, und als das lange Knien vorbei war, kam sie heraus zur großen Freude des Kaisers und aller Menschen. Die Messe dauerte 2 Stunden, aber die Musik war zu schön, besonders das Te Deum. Von der Capelle durchzog man alle Säle, die Sänger und Priester paarweise voran, dann der Metropolit,3 neben dem ging der Kaiser mit gezogenem Säbel bis nach der Bildergallerie, wo das Bild vom Kaiser Alexander4 hängt, und da war eine kurtze Messe zum Andenken desselben. Darauf küßte die Famillie das Kreutz, und dann ging es wieder alle Säale durch, nur das die aufgestellten Soldaten und Fahnen mit Weihwasser besprängt wurden. Charlotte ging allein mit 3 Pagen gefolgt, und dann kamen wir 3, Marie,5 Sanny und ich. Wir alle waren sehr en beauté.6 Charlotte [hatte] ein dunkelblau Samt an, eine prächtige Farbe mit Gold und Hermelin besetzt, auf dem Kopf ein roth Pavoikek7 mit große, weiße Steine besetzt, ebenso vorne die Knöpfe. Marie war in carmoisin8 Samt mit Zobel besetzt, was so vornehm aussieht, eben so roth pavoinek, auch
1 Eisentongranat als Edelstein verarbeitet. 2 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 3 Nicanor, Nikolai Stepanowitsch Klementiewski (1787–1856), Metropolit von Nowgorod und St. Petersburg. 4 Kaiser Alexander I. von Russland (1777–1825). 5 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 6 Frz. = in Schönheit, stilvoll. 7 Russ. powojnik = weicher, urspr. bäuerlicher Hut aus Brokat mit Silber- und Goldfäden. 8 Frz. = Karmesin, roter Farbton.
1853
111
mit großen Steinen besetzt und das Kleid vorn herunter. Sanny [hatte] weißen moir9 mit Gold gestickt und lauter Rubine an, sie war sehr schön. Ich meine roth mit Silber gestickte Robe, weiß moire antique mit Silber, die Strahlen mit Federn und einen Schleier auf meinem Haubt und chatons10 um den Halz. Ich hatte dieses kleine Blatt genommen, weil ich Dir nur die Liste schicken wollte, und ein paar Worte sollten sie begleiten, denn ein Courir sollte heute fort. Da entdeckte es sich, daß es ein östreichischer ist und der erst morgen Nachmittag geht. Nun möchte ich Dir einen politischen Klatsch machen, nehmlich vor allem sage an Manteufel oder laß durch Gerlach11 ihm sagen, wenn etwas von Wichtigkeit in der Politik vorgenommen wird, daß die Gesandschaft davon in Kenntnis gleich gesetzt wird, damit man dem Kaiser12 doch mit einer Antwort entgegen kommen kann. Wenn er von Budberg13 Briefe erhällt seit 4–5 Tagen, hat er die Nachricht, daß Preußen nun mon frére an Napoleon sagen will und Östreich dazu auch aufgefordert hat, nachdem erst die 3 Mächte einig waren, es ihm nicht zu sagen, und danach sind hier die Depeschen schon längst nach Paris. Also steht Rußland nun allein so mit mon ami14 da. Davon weiß aber weder Münster noch Henkel15 ein Wort und können garnichts darauf antworten. Der Kaiser ist nun sehr böse darüber, und ist beinah krank davon geworden. Uns hat die ganze Sache viel Kummer gemacht, denn es war so schön, endlich einmal die 3 Mächte einig zu sehen, und der Kaiser war so froh. Diese Handlung hat einen argen Stoß gegeben dem kaum wiedergewonnenen Vertrauen. Meiendorf, der in solchen Fällen unser Trost ist, kann nicht ausgehen, indem sein ältester Sohn die wirklichen Pocken bekommen. Die Mutter hat sich mit ihm ausquartiert, um daß ihr Mann mit den beiden andern Söhnen frei bliebe.16 Da legt sich heute der jüngste auch, und man weiß noch nicht, ob es nicht auch die Pocken werden. Ich war heute bei Helene, die war sehr beschäftigt, den großen Salon mit Blumen und allerlei Sophas zu arangieren zu Sonntag, wo ihr Geburtstag ist und sie ein Concert geben will, wo Mademoiselle Lablanche17 auch singen wird. Es sollen viele Menschen eingeladen werden, und wir werden dann unsere schönen Kleider von Weihnachten anziehen, ich mein’s mit Silberstreifen und Marie und Sanny mit Gold und Silber. Ich fürchte nur, sie werden wenig éffect machen. Charlotte geht es nachmittags eigentlich ganz gut, nur ist ihr der 9 10 11 12 13 14
Frz. moiré = Gewebe mit einer Maserung bzw. wellenartigem Schimmer. Frz. = Fassungen aus Gold für Edelsteine. Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen. Frz. = mein Freund, statt der vertrauteren, Gleichrangigkeit ausdrückenden Anrede „mon frère“. Siehe Brief vom 30./18. Dez. 1852. 15 Lazarus Graf Henckel von Donnersmarck (1817–1887), preuß. Legationsrat und Legationssekretär in Russland. 16 Peter Baron von Meyendorff (1796–1863), ehem. russ. Gesandter in Preußen, 1850–1854 in Österreich, verh. 1830 mit Sophie Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868), und ihre drei Söhne Alexander (1831–1855), Rudolph (1832–1883) und Ernst (1836–1902). 17 Marie Isabelle Lablache (1831–1881), Opernsängerin, verh. 1853 mit Ernest Baron de Caters (1815–1876).
112
Briefe 1851–1873
Kopf noch angegriffen, und sie ist den ganzen Tag recht still und ruhig geblieben. Sie lag bis 1 Uhr im Bett, hat nur Marie und Sanny gesehen, allein gegeßen. Der Kaiser und die beiden Jungens18 und ich, wir haben bei Sache gegeßen, und nun ist sie wieder allein geblieben, hat sich vielleicht etwas vorlesen laßen. Das weiß ich nicht. Gegen 9 Uhr gehe ich zum Thee herauf, dann soll Ribeaupierre19 vorlesen, und die Damen vom Dienst und Liven20 um 10 Uhr, wenn der Kaiser kömmt, damit er Unterhaltung hat. Ich werde morgen Mittag bei Peter von Oldenburg21 eßen. Das ist eine Kinderwirtschaft dort, alles dreht sich um diese. Sie spricht auch garnichts anderes. Nun leb wohl, meine Elis. Die Weihnachtssachen, welche Du mir senden wolltest, sind noch nicht hier! Deine treue alte Adine Ich füge hinzu, daß der Kaiser auch auf Östreich in dieser Angelegenheit schlecht zu sprechen ist. Petersburg, den 9ten Januar 1853/28ten [Dezember 1852] Gestern, wie ich Dir einen langen, kleinen, grünen Brief schrieb, durch einen östreichischen Courier, wußte ich nicht, daß heute Schuvaloff22 als Courier nach Berlin geht, was mir wirklich recht fatal ist, da ich Dir ein langes und breites über Politik schrieb, was ich grade gerne rasch in Deine Hände haben wollte, und nun kräpelt der weiß Gott wie lange bis Warschau. Es war, daß man veranlaßen soll, doch hier die Gesandtschaft oder Münster recht rasch die wichtigen Nachrichten zu kommen laßen möchte, weil die nie etwas wißen, Budberg23 natürlich schrieb gleich, und dann kommt so ein Gewitter und niemand kann darauf antworten, wenn der Kaiser24 davon spricht. So ist es nun mit dem Titel mon frère, wo die 3 Mächte einig waren, Napoleon nicht zu geben. Darauf gehen die hiesigen Depeschen mit mon ami nach Paris und 8 Tage darauf schreibt Budberg, daß Preußen es nicht mehr will und Östreich aufgefordert hat, ein gleiches zu thuen, und dies sich angeschloßen.25 Du kannst denken, wie das aufgenommen worden ist, niemand wußte etwas davon und noch sind kein Brief darüber an der Gesandtschaft gekommen, 18 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 19 Alexander Iwanowitsch Ribeaupierre (1781–1865), russ. Diplomat, seit 1844 Oberkammerherr am russ. Hof. 20 Verm. Wilhelm Freiherr von Lieven (1799–1880), russ. Generalleutnant und Generaladjutant. 21 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser, verh. 1837 mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 22 Peter Grigorjewitsch Schuwalow (1826–1882), Legationssekretär der russ. Gesandtschaft am preuß. Hof. 23 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen. 24 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 25 Streitigkeit über die Anrede des neuen Kaisers der Franzosen Napoleon III. mit „mon frère“ oder „mon ami“ zwischen Russland, Preußen und Österreich und damit über die politische Anerkennung des neuen frz. Regimes. Siehe Briefe vom 30./18. Dez. 1852 und 7. Jan. 1853/26. Dez. 1852.
1853
113
also muß man still hallten und nur suchen zu kalminiren.26 Alle übrige Bemerkungen enthallte ich mir, ob es recht oder unrecht. Der arme Rochow ist noch leidend in Berlin angekommen, wie er geschrieben. Heute ist Helene ihr Geburtstag, da sind wir alle hingewesen zum gratulieren, und heute Abend giebt sie ein Concert. Charlotte geht auch hin, das Kopfweh ist ganz fort, und das Herzklopfen hörte vor 24 Stunden auf, worüber sie sehr glücklich ist. Gestern habe ich bei Peter von Oldenburg27 gegessen mit Münsters, es war ganz hübsch, aber die Kinder bleiben die Haubtsache. Leb wohl, verzeih zwei Mal das Selbe geschrieben zu haben, aber es ist mir daran zu thun, daß Du es erfährst. Deine alte Adine Die Kisten sind noch nicht hier, obgleich Pefferkuchen und Baumkuchen von Bruder Fritz gestern ankam. Petersburg, den 12ten Januar 1853/31ten [Dezember 1852] Meine liebe Elis, gestern Abend kam Dein lieber Brief vom 5ten und heute endlich die Kisten mit dem schönen Porzelan. Es war also eine ungeheure Freude, es wurde ausgepackt und alle Figuren zerbrochen. Du kannst Dir meinen Schreck denken und meine Verzweiflung. Man will sehen, was man wieder herstellen kann. 2 Figuren einzeln sind ganz geblieben, und die Tasse, welche Du für mich bestimmt, die reitzend ist, und ich danke Dir tausend Mal, und wie weiter ausgepackt, fand ich die manifiken Blonden,28 für Die ich tausendmal danke, und welche mir unendlich willkommen sind. Aber sie sind zu prächtig, vielleicht thue ich sie schon morgen zu Neujahr zur Messe an. Wir sind seit 8 Tagen immer weiß oder grau, weil Weihnachten, Helene und George ihr Geburtstag und nun Neu Jahr. Dies ewige Ablegen der Trauer ist höchst langweilig. Ich muß noch einmal auf die Porzelanfiguren kommen und Dir danken für die Besorgung, denn sie sind wunderhübsch und fein und hätten hier viel Freude verbreitet. Die Soldaten werde ich morgen unter den kleinen Jungens29 vertheilen und damit liebes Kind machen. Dem armen Rochow muß man wohl nachsehen, daß er das Paket und die mündlichen Aufträge vergeßen. Ich danke Dir aber, daß Du den Koffer so gütig aufgenommen hast. Charlotte grüßt Dich herzlich und ist dankbar, daß Du es so aufgenommen, wie sie es hier verstehen wegen den Nahmen, der Leuchtenberg.30 Außerdem läßt sie Dir sagen, daß sie immer ganz glücklich wäre, wenn ein Brief von Dir ankäme und ich ihr daraus 26 Frz. calmer = beruhigen. 27 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser, verh. 1837 mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 28 Blonde, von frz. blondes = geklöppelter Kanten oder Spitze aus cremefarbener Seide. 29 Söhne von Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881). 30 Mglw. Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876).
114
Briefe 1851–1873
vorlese, weil Du so hübsch schreibst und immer aller berührst, was man gerne wißen wollte. Die Nachrichten von Karl sind ja ganz himlisch. Wie müßen wir Gott danken, daß er ihn so bewahrt hat bis jetzt. Nun wollen wir hoffen, daß es so bleibt, und er bald anfangen kann zu gehen.31 Der Tod von Luise Pückler ist zu traurig.32 Der arme, dämliche Sylvius, was soll er anfangen, da er selbst so schwach ist. Die arme Marianne Rantzau,33 daß sie wirklich rettungslos ist, ist ja zu schrecklich, wie wird sie aber glücklich gewesen sein, Dich noch zu sehen. Aus Meklenburg habe ich oft und immer gute Nachrichten. Meiner Schwiegertochter geht es recht gut. Sie fühlt sich viel kräftiger, und mein dicker Enkel34 spricht oft von mir. Das macht mich so glücklich. Paul Friedrich35 soll ein sehr schönes Kind werden, dem bin ich eine ganz fremde Person, wenn ich im August zurückkehre. Aus Florenz habe ich auch gute Nachrichten.36 Sie hat nur an Zahnweh, dicker Backe und Zahngeschwür gelitten, was sie sehr angegriffen, und warum sie die Sommerluft nach Frost garnicht genießen kann. Mit Elise Rauch geht [es] endlich viel besser. Sie fährt täglich aus und ist wieder heiterer. Hast Du wohl an Blanche37 wieder gedacht? Da nun Neujahr ist, wird auch wohl bei ihr der Geldmangel sehr fühlbar werden. Hier sagt man, kann man ein Stück Geld loswerden, was Beine hat, auch ohne welche kömmt gekrochen und gratuliert und macht die Hand auf. Ich gebe nichts, erst wenn ich abreise, dann geht das Ehlend an. Der Kaiser ist heute sehr ernst. Freilich ein Jahreswechsel ist für jeden, hoch oder gering, ein ernster Moment, und jeder sieht wohl mit Ernst in der Zukunft. Nur auf Gott vertraut, der macht es, wie es am besten ist. Der Fürst Paskewitsch38 ist vorgestern angekommen und aß heute Mittag hier. Den 13ten. Heute ist nun rußisch Neujahr. Es ist schon große Bewegung auf der Straße von Fußgängern und Equipagen. Es ist noch nicht 10 Uhr, daher ich noch nicht zum Caffee zu Charlotte gerufen bin. Um 11 Uhr ist Messe und baise mains. Die Sonne arbeitet sich mit Mühe aus dem grauen Himmel heraus, aber ob sie aushalten wird zu scheinen, weiß ich nicht. Überhaubt, die Sonne ist ein Luxusartikel. Ich habe Dir noch garnicht erzählt, daß ich am Dienstag bei Münsters gegeßen. Sie hatten meine Damen zu einem Kalbsbraten eingeladen, weil sie den nie bekommen, und als ich dies hörte, fuhr ich en surpriese39 mit. Es war niemand weiter da, und wir hatten nur 4 Gerichte, alles gut 31 Nach seinem schweren Jagdunfall. Siehe Brief vom 3. Dez./21. Nov. 1852. 32 Louise Isabelle von Pückler, geb. de Constant Rebecque (1809–1852), verh. 1833 mit Sylvius von Pückler (1800–1859), preuß. Kammerherr, gest. am 27. Dez. 1852. 33 Marianne von Rantzau (1811–1855), Oberin des Berliner Diakonissen- und Krankenhauses Bethanien, war an Krebs erkrankt. 34 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. März 1851. 35 Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. Sept. 1852. 36 Nachrichten von Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin. 37 Blanka Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim, geb. von Rauch (1817–1905), war nach dem frühen Tod ihres Mannes am 23. Okt. 1852 mit ihrer Tochter Alexandrine (1844–1917) in finanziellen Schwierigkeiten. 38 Iwan Fjodorowitsch Paskewitsch, Graf von Eriwan, Fürst von Warschau (1782–1856), russ. General, auch österr. und preuß. Generalfeldmarschall, 1831–1855 Statthalter von Polen. 39 Frz. = zur Überraschung.
1853
115
gekocht, und es schmeckte mir prächtig. Es war so amüsant. Es schien auch ihnen Freude zu machen. Sie wohnen klein und niedlich, und da sie ja kaum Feste geben wollen, so ist es für sie genug, aber mehr wie 4 Zimmer haben sie nicht. 1 Januar 1853. Liebe Elis, ich muß Dich mal umarmen, Dich und Fritz, und endlich meinen Glückwunsch zum Jahr 1853 sagen, welches wir heute hier beginnen. Frieden, Frieden! in aller Art, den Menschen, der Erde und in den Herzen. Deine Briefe machen meine Wonne. Es ist jedesmal ein Fest, wenn wir 2 Schwestern so einen Brief zusammen lesen können. Nachtisch. Diese Zeilen von Charlotte geschrieben, werden Dir Freude machen. Sie hat Dich so herzlich lieb. Wir sprechen recht oft von Dir, dann muß Dir das rechte Ohr klingen. Von Wien ist heute ein sehr dummer Brief angekommen, worin Bulen40 den Kaiser lobt, so standhaft bei seiner Meinung geblieben zu sein, und wie das für seine Kraft spreche. Man erwartet mit Ungeduld oder eigentlich wohl mehr Neugierde, ob mon amie angenommen worden ist.41 Kisselof42 war nach den Tuillerinen43 bestellt, also ist wohl keinem Zweifel unterworfen, welche Schande für die deutschen Fürsten, die aus Furcht mon frére gesagt. Napoleon wird sich in’s Fäustchen lachen. Nun leb wohl, die Messe war lang. Es wird aber zu schön gesungen, dann baise mains. Charlotte hatte ein weiß Atlaskleid, vorne herunter mit Marabu’s besetzt.44 Und die Jacke auch. Charlotte und die Töchter tragen eigentlich nichts anderes als Jacken. Doch heute war alles in ausgeschnittenen Kleidern und coiffuren. Natürlich ganz weiß. Schreibe bitte bald, daß macht uns zu viel Freude. Weißt Du, wir haben jetzt uns einen General ausgedacht, den Rochow ersetzen kann. General Schack in Cöln,45 der hat den Charakter von Rauch.46 Deine alte Adine
40 Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein (1897–1865), seit 1852 österr. Ministerpräsident und Außenminister. 41 Strittige Anrede des neuen Kaisers der Franzosen Napoleon III. mit „mon frère“ oder „mon ami“. Siehe Briefe vom 30./18. Dez. 1852, 7. Jan. 1853/26. Dez. 1852 und 9. Jan. 1853/28. Dez. 1852. 42 Nikolai Dmitrijewitsch Kisseljow (1802–1869), russ. Botschafter in Paris. 43 Tuilerien-Palast in Paris, Residenz von Kaiser Napoleon III. 44 Kleine Zeichnung vom unteren Teil des Kleides. 45 Hans Wilhelm von Schack (1791–1866), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 15. Division in Köln. 46 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
116
Briefe 1851–1873
Berlin, den 31ten/19ten Januar 1853 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für Deinen lieben und interessanten Brief vom 12–13, der mich so sehr freute. Die Zeilen, die Charlotte hinzu sezte, haben mir so besonders viel Freude gemacht und mich tief gerührt. Danke ihr doch recht herzlich in meinem Namen dafür, da ich Dir eben erst geschrieben hatte, so habe ich noch etwas mit meiner Antwort gewartet. Wie es mich désolirt, daß die Porzellanfiguren gebrochen ankamen, kann ich nicht sagen, und wie lange sind sie unterwegs geblieben! Da muß etwas unterwegs auf der Post mit ihnen vorgegangen seyn. Vielleicht hat man die Kiste geöffnet oder herum geworfen? Alle Figuren, die ich wieder nach Dresden zurück schickte, kamen wohlbehalten und unversehrt an und waren auch in der Berliner Porcellanfabrick gepackt, wie die Kiste an Dich. Ich habe mir, fürchte ich, einen schlechten Ruf gemacht als Commissionärin. Es freut mich sehr, daß Dir unsere Blonden47 gefallen und Du sie brauchen kannst. Wie mußte ich lachen über die offenen Hände am Neujahrstag, denen Du nichts geben willst. Ich sah Dein Gesicht dabey und hörte Deine Stimme. Könnte ich sie doch wirklich hören und Dich sehen! Welche Wonne wäre das. Ausser dem Coburg,48 der ein paar Tage hier war, vergeht der diesjährige Carnawal ohne allen Besuch. Die Strelizer wollten den 5ten Februar kommen. Da wir aber den 9ten oder 10ten nach Charlottenburg zurück wollen, und ich wirklich Fritz nicht bereden kann, länger hier zu bleiben, da er hier so entsezlich geplagt wird und nicht in die Luft kam, so baten wir, sie möchten etwas früher kommen. Nun wollen sie aber nicht den Carnawal in Streliz durch ihre Abreise stören und haben es nun ganz aufgegeben. Es scheint ihnen selbst leid zu seyn und uns auch, sie nicht zu sehen. Ich freue mich zwar sehr nach Charlottenburg zurück, aber für meine Person könnte ich noch länger hier bleiben, denn bey dem milden Wetter ist es recht angenehm in meine Zimmern, und ertrage ich auch alles Gott sey Dank bis jetzt sehr gut, aber Fritz ist wirklich sehr übel daran. In Potsdam war er schon zweymal zur Jagd und blieb dann ein wenig dort, und Sonnabend Abend fuhr er nach Charlottenburg und lief noch lange im Garten herum. Gestern Morgen bey scheuslichem Wetter fuhr ich zum Café zu ihm, und um 11 Uhr kam die ganze Familie, um mit Karl in die Schloßkirche zu gehen. Er hatte eine Sehnsucht darnach und ging recht gut auf seinen zwey Stöcken, zum erstenmal in Uniform, bis zur Kapelle, aber er war sehr blaß und ist unbeschreiblich mager. Doch wollte er während der Lithurgie stehen wie wir. Mir war Angst und bange. Es ging aber doch Gottlob ganz gut. In den Zimmern von Sophie Charlotte49 erwartete ihn ein kleines Frühstück, dem er sehr wacker zusprach. Ich sah es nicht, denn seit seinem Unglück kann er nicht leiden, wenn man ihn essen sieht. Ich ging also hinauf und aß etwas mit Mathild, die den Morgen von Potsdamm gekommen war schon um 8 Uhr, nachdem sie bis 3 Uhr bey Ingenheim50 auf dem 47 Blonde, von frz. blondes = geklöppelter Kanten oder Spitze aus cremefarbener Seide. 48 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha (1818–1893). 49 Zimmer von Königin Sophie Charlotte von Preußen, geb. Herzogin von Braunschweig und Lüneburg (1668–1705), im Schloss Charlottenburg. 50 Gustav Adolf Wilhelm Graf von Ingenheim (1789–1855), Sohn von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen aus seiner morganatischen Ehe mit Julie von Voß, seit 1787 Gräfin von Ingenheim,
1853
117
Ball war. Strauß51 predigte gestern. Sein Dankgebet für Karls Genesung war recht schön und ergreiffend. Gott wolle ihm diese Prüfungszeit recht segnen. Er macht viel Fortschritte, aber in der Hüfte ist noch keine rechte Gelenkigkeit. Ob er viel und sicher reiten wird in der Folge, ist, fürchte ich, noch in Frage gestellt. Die alte Keller,52 die dasselbe Unglück hatte, hat jetzt noch eine Grippe dazu bekommen und ist sterbend. Der arme Keller53 ist im trostlosen Zustand, der Schmerz um die Mutter, die Erwartung von Jenny’s54 Niederkunft und der Carnawal dazu, es ist beynahe zu viel. Frau von Kleist, geborene Stolberg,55 ist auch noch recht leidend nach den Wochen in Coblenz. Der Carnawal ist recht animirt, und eine Menge ganz hübsche Mädchen und Frauen beleben ihn. Die Potsdammer Gesellschafft ist viel hier. Ich habe schon viel überstanden, seitdem ich Dir schrieb, das Ordensfest, zwey Bälle bey uns, ein ganz großer im weißen Saal, ein kleinerer im Rittersaal, wo zu viel Menschen waren und eine gräuliche Hize. Ich spielte nach dem Soupé mit dem Würtemberger,56 Alvensleben57 und Gräfin Henkel.58 Es amusirte mich sehr. Dann war ich bey Manteuffel, von der Heyd59 und Redern,60 und heute wollen wir zu Graf Arnim Boizenburg61 gehen, und Freytag zum Minister Bonin.62 So war ich bey jedem einmal und kann auf meinen Lorbeern ruhen. Anna und Fritz Wilhelm63 tanzen zu sehen, ist eigentlich mein einziges Interesse bey den Bällen. Sie amusiren sich beyde so prächtig, es ist ihnen noch alles so neu. Anna siht allerliebst aus. Der Prinz von Hessen siht nicht jung aus, wenn er tanzt. Es ist kein warmes Brautpaar. Dein Wilhelm scheint auch sehr en train zu seyn. Ich sehe ihn immer in Bewegung.
51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
Kunstsammler und Mäzen mit Salons in Rom und Berlin, 1826 nach seiner Konversion zum katholischen Glauben aus Berlin verbannt. Friedrich Strauß (1786–1863), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin und Prof. für Praktische Theologie. Amalie Gräfin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1771–1853), verh. mit Christoph Graf von Keller (1757–1827), preuß. Diplomat, gest. am 1. Febr. 1853 in Potsdam. Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten. Jenny Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1813–1900), verh. 1838 mit Alexander Graf von Keller (1801–1879). Charlotte Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1821–1885), verh. 1851 mit Hans Hugo von KleistRetzow (1814–1892), preuß. Oberpräsident der Rheinprovinz. Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant. Gebhard Karl Ludolf von Alvensleben (1798–1867), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Kommandeur der Leibgendarmerie. Mglw. Luise Antoinette Benediktine Friederike Sophie Karoline Gräfin Henckel von Donnersmarck, geb. Freiin von Wildungen (1797–1857). August von der Heydt (1801–1874), Bankier und preuß. Handelsminister. Wilhelm Graf von Redern (1802–1883), preuß. Obersttruchsess und Generalintendant der kgl. Hofmusik. Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868), ehem. preuß. Ministerpräsident. Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalleutnant und Kriegsminister. Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) und Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884) heirateten am 26. Mai 1853 auf Schloss Charlottenburg.
118
Briefe 1851–1873
Was sagst Du denn zu der Heyrath Napoléons?64 Der Mann hört nicht auf zu überraschen. Mir scheint es kein ganz kluger Streich seinerseits, aber ich mag mich irren. Seine Rede an den Senat ist famos. Die Hiebe auf Oestereich und Mecklenburg hätte er sich sparen können.65 Ich finde es auch einzig, sich als parvenue66 mit Stolz hinzustellen und sich dabey Napoleon III. zu nennen und zu verlangen, wie ein Souverain aus einem alten Haus behandelt zu werden. Das ist doch ganz unlogisch und soll auch in Paris nicht gebilligt werden, auch die ganze Heyrath keinen guten Eindruck machen. So sagte mir Benkendorf67 und schreibt seine Tante.68 Ich dachte gestern Abend an den Ofen in St. Cloud.69 Georg70 kennt die neue Kayserin und findet sie sehr schön und einnehmend, aber Lionne dans toute la force du terme.71 Es könnte dem Gemahl doch manche Verlegenheiten und Aerger bereiten. Er soll ganz ungeheuer verliebt seyn, und diesmal scheint mir das Herz mit dem Verstand durchgegangen zu seyn. Hier wird kaum von etwas anderm gesprochen. Von unsren Kammern hört man nicht viel reden, was immer ein Glück ist, und die Verhandlungen mit Minister Bruck72 versprechen Gott sey Dank einen glücklichen Erfolg. Prokesch73 in Frankfurt könnte unangenehm werden, Bismark74 fürchtet sich aber nicht vor ihm. Budberg75 war in Dresden auf einen Tag und fand Rochow leider sehr
64 Heirat von Kaiser Napoleon III. mit Eugénie de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), am 29./30. Jan. 1853. 65 Rede von Kaiser Napoleon III. am 22. Jan. im Tuilerien-Palast vor Senat, gesetzgebender Körperschaft und Staatsrat über seine bevorstehende Heirat, in der er die fehlende Abstammung seiner zukünftigen Frau aus einem alten europäischen Fürstenhaus rechtfertigte. Unter anderem bezog sich der Kaiser auf die Heirat des letzten frz. Thronfolgers Ferdinand Philippe von Orléans, Herzog von Chartres (1810–1842), mit Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) und sprach von einer „vollendeten Fürstin“, aber aus einem „untergeordneten Fürstenhause und von anderer Religion“. Siehe Kgl. Preußischer Staats-Anzeiger Nr. 20 vom 24. Jan. 1853 und Werke Napoleons III. Aus dem Französischen übersetzt von August Victor Richard, Bd. 3, Leipzig 1857, S. 252. 66 Frz. = Emporkömmling. 67 Konstantin Graf von Benckendorff (1817–1858), russ. Generalmajor und Militärbevollmächtigter in Preußen. 68 Fürstin Dorothea von Lieven, geb. von Benckendorff (1785–1857), Witwe des russ. Generals und Diplomaten Fürst Christoph Andrejewitsch von Lieven (1774–1839), führte einen gut vernetzten Salon in Paris. 69 Schloss Saint-Cloud, Residenz von Kaiser Napoleon III. im Südwesten von Paris. „Ofen“ bezeichnet die Hochzeitsnacht. 70 Verm. Prinz Georg von Preußen (1826–1902). 71 Frz. = eine Löwin im ganzen Ausmaß des Wortes. 72 Karl Ludwig Freiherr von Bruck (1798–1860), ehem. österr. Handelsminister, leitete die österr. Delegation zur Unterzeichnung von Zoll- und Handelsverträgen zwischen Österreich und Preußen. 73 Anton Prokesch Freiherr von Osten (1795–1876), 1849–1852 österr. Gesandter in Preußen, wechselte 1853 als österr. Gesandter zum Bundestag in Frankfurt am Main. 74 Otto von Bismarck (1815–1898), seit 1851 preuß. Gesandter beim Bundestag in Frankfurt am Main. 75 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen.
1853
119
elend. Fritz fand die Idee von General Schack76 nicht so übel, aber ich hoffe immer noch, Rochow geht wieder zurück. Dein Diné bey Münsters muß sehr amusant gewesen seyn. Beyde schrieben an Mathild davon. Deine surprise hat sie sehr erfreut. Die Sehnsucht Deiner Damen nach Kalbsbraten ist sehr komisch. Alle détails, die Du mir giebst, freuen mich immer so, Du glaubst nicht wie sehr. Es beschämt mich, daß Ihr meine Briefe gern habt. Sie haben doch nur Interesse, weil sie von hier kommen, und können es auch nur für Euch haben, durch Eure Liebe für die Heimath. Morgen werdet Ihr viel an Luise denken. Es ist auch Adinchen Geburtstag.77 Sie wird schon 11 Jahre alt, ist sehr groß, aber leider nicht immer wohl. Das Kind leidet schwer an Migraine wie der Papa. Ich habe wieder an Blanche78 erinnert. Neulich war ich bey Elisabeth,79 die ich recht wohl fand, und die Kleine schon kräftiger, aber doch noch recht klein und dünn. Sie sind beyde wie die Kinder mit dem Kinde. Nun will ich enden und Dich und Charlotte in Gedenken umarmen. Fritz thut es auch. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Petersburg, den 5ten Februar/24ten [Januar] 1853 Unerhört lange habe ich Dir nicht geschrieben, geliebte Elis, aber es wollte sich nicht eher machen. Seit Dienstag sind wir aus der Trauer um Max80 heraus, und 3 Monate sind es schon, seit dem Tod. Am 1ten als am Todestage war ich mit Charlotte bei Mary in der Messe. Dort weinte sie viel, hernach gingen wir zu ihr hinein und auch in die Zimmer von Max, die sehr hübsch sind. Das Zimmer, wo er gestorben, ist eigentlich sein Ankleidecabinet, nur klein und schmal. Was mir aber leid war, daß grade hier und im Schreibzimmer nur die allerhöchsten unanständigen Bilder aller Art hängen, wirklich, ich sah nie so etwas. Welch ein Anblick für seine Frau und den Kindern. Charlotte sprach mir auch darüber, daß das schrecklich gewesen, was er für eine Freude an so etwas gehabt. Am Mittwoch waren wir
76 Hans Wilhelm von Schack (1791–1866), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 15. Division in Köln, den Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin für die Nachfolge von Theodor von Rochow in Russland vorgeschlagen hatte. Siehe Brief vom 12. Jan. 1853/31. Dez. 1852. 77 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, und ihre Nichte Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, hatten beide am 1. Febr. Geburtstag. 78 Blanka Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim, geb. von Rauch (1817–1905), war nach dem frühen Tod ihres Mannes am 23. Okt. 1852 mit ihrer Tochter Alexandrine (1844–1917) in finanziellen Schwierigkeiten. 79 Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Rittmeister beim Regiment Gardes du Corps, und ihre Tochter Elisabeth von Rauch (1852–1853). 80 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), verh. 1839 mit Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), war am 20. Okt./1. Nov. 1852 in St. Petersburg verstorben.
120
Briefe 1851–1873
zum ersten Mal im Theater.81 Das Haus ist sehr groß und hoch, recht hell und erinnert mich an die Skala in Mailand, aber es ist nicht so elegant und schön wie unser Opernhaus in Berlin. Es sollte der Barbieri82 gegeben werden, allein Mario83 ist krank. Dafür wurde Céréntola84 gegeben, eine anyjante85 Oper. Die Viardo86 sang zuletzt sehr schön, in der Höhe fehlen ihr ordentlich Thöne. Nun ist sie auch krank, sodaß heute garkeine Oper sein kann. Vielleicht gehen wir ins französische Theater.87 Es ist aber noch ungewiß. Die Heirath von Napoleon88 finden wir alle sehr gut, da er ja selbst sagt, er ist nur ein Parvenue, und da kann man zufrieden sein. Auch freut es mich, daß er keine deutsche Prinzessin gefunden. Die neue Kaiserin hat übrigens den allerschlechtesten Ruf. Es sind manche Herren allerlei Länder, die sie genau kennen. Die Briefe von der Lieven89 sind sehr interessant und amüsant. Alle Nachrichten stimmen darüber ein, daß er sich in Frankreich den allergrößten Schaden gethan mit dieser Heirath, weil es den Stolz der Nation beleidigt und daß er sich Parvenue nennt. Fritz seinen Brief bekam ich gestern. Noch habe ich nicht Zeit gefunden, ihn vorzutragen, und eile auch nicht damit, da sich der Sturm nun gegeben, und ich ihn damit nicht wieder heraufbeschwören wollte.90 Nun leb wohl, Gott mit Dir, Deine treue Adine Petersburg, den 8ten Februar/27ten [Januar] 1853 Tausend herzlichen Dank, meine liebe Elis, für Deinen lieben und interessanten Brief vom 31ten, der mich, ich kann wohl sagen, uns beiden Schwestern, wieder so sehr erfreut, daß Dich ihre wenigen Zeilen gefreut. Gott sei Dank, geht es bis jetzt leidlich mit ihrer Gesundheit. Sie ist doch in dieser Woche 3mal im Theater gewesen und auch bei 8° Kälte ausgefah81 82 83 84
Bolschoi-Theater in St. Petersburg. „Der Barbier von Sevilla“, Oper von Gioachino Rossini (1792–1868). Giovanni Matteo De Candia, genannt Mario (1810–1883), ital. Opernsänger. „La Cenerentola“ („Aschenputtel oder der Triumph des Guten“), Oper von Gioachino Rossini (1792–1868). 85 Frz. ennuyant = langweilig. 86 Pauline Viardot-García, geb. García (1821–1910), frz. Opernsängerin, Komponistin und Pianistin. 87 Michailowski-Theater in St. Petersburg, auch „Théâtre Michel“, benannt nach Großfürst Michael Pawlowitsch von Russland (1798–1849), an dessen Namenstag das Theater am 8. Nov. 1833 eröffnet wurde. 88 Heirat von Kaiser Napoleon III. mit Eugénie de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), am 23./30. Jan. 1853. 89 Fürstin Dorothea von Lieven, geb. von Benckendorff (1785–1857), Witwe des russ. Generals und Diplomaten Fürst Christoph Andrejewitsch von Lieven (1774–1839), führte einen gut vernetzten Salon in Paris. 90 Es ging noch immer um die strittige Anrede des Kaisers der Franzosen, Napoleons III., mit „mon frère“ oder „mon ami“ und damit die politische Anerkennung seines Regimes. Siehe Briefe vom 30./18. Dez. 1852, 7. Jan. 1853/26. Dez. 1852, 9. Jan. 1853/28. Dez. 1852 und 12. Jan. 1853/ 31. Dez. 1852.
1853
121
Abb. 3: Die Heirat Napoleons III. mit Eugénie de Montijo sorgte an den europäischen Höfen für besonderes Aufsehen, da weder der Kaiser der Franzosen noch die Gräfin von Teba nach den althergebrachten Maßstäben regierender Familien eine legitime dynastische Herrschaft begründen konnten.
ren. Aber wir sind immer in Angst, daß es ihr schaden kann. Wir haben diese letzten Tage Kälte gehabt bis 10°, aber Sonnenschein, und [da] kein Wind war, so war es wirklich himlisch. Gestern, wie ich Schlitten fuhr, hat man mich die Newa herunter gefahren und weit auf dem Meer heraus. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, so etwas kennt man bei uns nicht. Von Bruder Wilhelm hatte Charlotte gestern einen sehr lieben Brief, der uns wirklich sehr gefreut. Er war so ganz wie sonst. Der schreibt auch, daß in Koblenz ganz Frühjahr wäre, die Mandelbäume blühen, Erdbeeren, einige Sträucher [haben] große, grüne Blätter. Wie ist das doch so unnatürlich und gewiß schädlich. Die Natur scheint auch confus zu werden. Napoleon mit seiner Heirath und parvenue ist wirklich unbegreiflich.91 Wenn er aber recht viel Geld ausgiebt, viele Feste giebt, so wird das Volk wieder ganz zufrieden sein. Die toilette der Kaiserin bei der Heirath scheint mir auch ganz parvenue, im Hachen Kleid mit Brillanten besetzt und das Diadem von Marie Louise dazu.92 Es ist wirklich recht traurig, alle seine tollen Streiche schlagen ihm zum Vortheil aus, aber sie werden ihm doch sein Grab graben. Aber was dann? Die Frage drängt sich auf und keiner hat eine Antwort. Nun leb wohl, mitten im Brief muß ich aufhören, da der Courir fort will. An Fritz viel Liebes. Deine Adine 91 Heirat von Kaiser Napoleon III. mit Eugénie de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920) am 23./30. Jan. 1853. 92 Erzherzogin Marie-Louise von Österreich (1791–1847), verh. 1810 mit Kaiser Napoleon I. (1769– 1821).
122
Briefe 1851–1873
Petersburg, den 28ten/17ten Februar 1853 Wie danke ich Dir für Deinen lieben Brief, liebe Elis, vom 12ten, der mir kurtz vor meinem Geburtstag zukam, und woraus ich sah, daß ich Dir nicht gedankt hatte für den früheren vom 17–31ten Januar. An meinen sehr alten vom 23ten wirst Du wie immer nach Deiner gewohnten Liebe meiner gedacht haben. Wie ist er aber so ganz anders gefeiert worden, wie ich ihn seit 11 Jahren zugebracht. Aber es war ja so viel Liebe und so viel Wohlwollen, die ihn mir so recht arangiert, daß alle andern davor schweigen mußten. Und es ging auch besser, als ich mir gedacht. Das Erwachen war traurig, das Herz voll Thränen und mein ganzes Wesen versetzte sich nach dem traurigen, lieben Ort, wo ich immer an dem Tag zuerst hingehe. Bald aber kamen so viel Menschen, und Geschenke regnete es von allen Seiten. Ich werde Dir die Brillanten in Berlin zeigen. Der Kaiser gab mir sehr kleine chatons,93 und daran hingen 3 große Rubine mit großen, schönen Steinen umgeben. Doch ich will lieber die Liste einlegen. Es waren so schöne Sachen, daß man sich schämen muß, so etwas zu bekommen. Um 11 Uhr schickte mir der Kaiser seine sämtlichen Elamajor, das sind alle General- und Flügeladjutanten und Commandeurs der Garde. Charlotte war so gut und ging mit mir heraus zum baise mains. Sache stellte mir die meisten der Herren vor, die ich nicht kannte. Das Diner war nur ganz klein a cinque,94 um daß Charlotte ruhig blieb, dann toilette machen konnte. Um ½ 8 Uhr waren wir in der Hermitage versammelt zum Theater, was ganz wie das im Neuen Palais ist, nur ohne die Logen. Es war alles in Galla in weiße Hoiho:95 mit Ordensband der Kaiser, in roth Garde Kosaken, was ihnen so schön steht. Alle Damen höchst elegant in Brillanten glänzend, wir auch herrlich geschmückt. Es wurden einzelne Scenen aus Marie, die Tochter des Regiments96 gegeben, worin die Tochter von Lablanche97 sang. Es war ganz hübsch, dann ein Theil eines Ballets. Von hier aus ging man in den schönen Bildersälen von der Hermitage, wo soupiert wurde und was wunderschön beleuchtet war. Um 12 Uhr kamen wir erst halb tot zu Bett. Die Fete war wunderschön. Den 1ten März. Leider wurde ich gestern nicht fertig mit dem Brief, und kam heute Dein lieber Brief vom 22–23, wofür ich Dir tausend Dank sage und für alle Wünsche, so auch für die Geschenke, die wohl bald ankommen werden. Dann danke ich Dir auch tausend Mal, daß Du mir noch detailles über das schreckliche attentat vom theuren Kaiser von Österreich gegeben.98 Du kannst denken, welches Entsetzen und welchen Eindruck es hier gemacht. Es kam natürlich par telegraphe und also nur kurtz. Die Angst, bis nach 2 Tagen wieder Nachricht kam, daß man wußte, daß es nicht gefährlich. Mir scheint es aber sehr bedenklich, denn eine Kopfwunde ist unergründlich. Es schaudert einen bei 93 94 95 96 97
Frz. = Fassungen aus Gold für Edelsteine. Frz. = zu fünft. Lesebefund. Bedeutung unklar. „Die Regimentstochter“, Oper von Gaetano Donizetti (1797–1848). Marie Isabelle Lablache (1831–1881), Opernsängerin, Tochter des ital. Opernsängers Luigi Lablache (1794–1858), verh. 1853 mit Ernest Baron de Caters (1815–1876). 98 Am 18. Febr. hatte der ungar. Schneidergeselle János Libényi (1831–1853) versucht, Kaiser Franz Joseph I. von Österreich auf einem Spaziergang in Wien zu erstechen.
1853
123
dem Gedanken, was hätte werden können. Auch in Charlottenburg will man eine verdächtige Person festgenommen haben. Ja, man muß sehr, sehr Acht geben, denn es ist wieder alles mögliche im Gange. England zeichnet sich darin sehr vortheilhaft aus, solchen Heert bei sich zu dulden. Sie haben aber kein Gesetz dagegen. Das ist auch sehr groß und erhaben und spricht für die Freiheit.99 Gott schütze nur den theuren, jungen Kaiser, daß nichts nachkommt. Von Amelie von Schweden100 hatte ich auch eben einen Brief, die mir auch viel darüber schreibt. Odonelle101 muß sich unbeschreiblich glücklich preisen, seinem Herrn das Leben gerettet zu haben. Aber welch ein Augenblick, und Deine arme Schwester Sophie. Sie ist dem Sohn fast ohnmächtig in die Arme gesunken, hat sich aber schnell gefaßt und soll still und ruhig immer nur dem Kaiser sein. Unser Kaiser102 hier hatte ein ganz verzogenes Gesicht, als er uns die Nachricht brachte. Er ist auch im Ganzen nicht recht wohl. Das Blut steigt ihm zu Kopf. Er hat Schwindel und Schwäche in den Beinen. Er läßt sich aber nicht gehen. Charlotte grüßt Dich herzlich. Sie hat an Fritz alle diese Briefe geschickt und hat diese Schritte gethan, weil Albert ihr keine Ruhe läßt. Sie denkt sonst eigentlich so wie Du und ich, und ich meine, Abat ist verrückt auf diesem Punkt.103 Ich fürchte, Bruder Karl thut zu viel mit seinem Bein. Er sollte vernünftiger sein. Hier ist nicht viel im Carnawal bei den Höfen. Marie scheint in anderen Umständen und darf sich nicht fatigieren.104 Aber einen schönen Ball haben wir bei ihr gehabt. Sanny wollte 2 Bälle geben, die scheint eine fausse couche105 gemacht zu haben. Man weiß es aber nicht. Das ist aber gewiß, daß sie beinah 3 Wochen immerfort Blutverluste hat und im Bett liegen muß. Helene wollte einen Ball geben, aber mit einem Mal will sie nicht. Ich habe neulich bei ihr gegeßen um 6 Uhr und kam um 12 Uhr zu Haus, weil nach dem Kaffee ein kleines französisches Stück von den besten französischen acteurs aufgeführt, und dann 3 tableaux mouvante, worin Katy mitwirkte. Es war scharmant. Nun leb wohl, Der Brief muß noch fort. Deine treue, alte Adine
99 Angesichts der politischen Auffassungen der Großherzogin sicher ironisch gemeint. 100 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853), im Exil am Wiener Hof. 101 Maximilian Graf O’Donell von Tyrconell (1812–1895), österr. Oberst und Flügeladjutant, rettete dem österr. Kaiser das Leben. 102 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 103 Geplante Heirat von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879), die von seinen Geschwistern, namentlich dem preuß. König und der russ. Kaiserin, als unstandesgemäß abgelehnt wurde. 104 Die Frau des russ. Thronfolgers, Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), war schwanger mit ihrer Tochter Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. am 5./17. Okt. 1853. 105 Frz. = Fehlgeburt. Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin von SachsenAltenburg (1830–1911).
124
Briefe 1851–1873
Petersburg, den 19ten/7ten März 1853 Gestern kam Dein lieber Brief, geliebte Elis, und da will ich gleich heute antworten, da Charlotte auch eben an Fritz schreibt. Von Schwester Luise hatte ich auch gestern einen Brief, und die schreibt mir noch über Abats Angelegenheit.106 Glaube Du nur nicht, daß Charlotte oder ich unsere Meinung verändert haben. Ich bin unerschütterlich fest, Charlotte aber bekömmt so viel lamentable Briefe von Abat, und er setzt so ganz allein seine Hoffnung in ihr, daß sie ihm Glück bringen soll, daß sie sich veranlaßt fühlte, alle die Personen selbst zu befragen, wie sie über die Sache dächten, die er genannt, also Lollo und Snetlage.107 Über letzteren seine Antwort war sie sehr verwundert und fand sie für einen Prediger nicht offen und fest genug. Mir scheint, als wenn er, wie damals Strauß108 es auch war, mehr für Abat [ist] als wie andere. Ich denke, Fritz bleibt auch fest, nur eine Entscheidung wäre wohl sehr nöthig. Wir leben hier seit Montag in dem strengen Fasten, mit 2mal Gebet am Tage, und Mittwoch und Freitag Messe noch außerdem, was fatigant ist. Ich mache alles mit, weil es doch eine Stunde der stillen Andacht geweiht ist, wo ich mich samle, und meine Seele sich zu Gott erhebt. Der Gesang ist so himlisch schön, daß es nur noch mehr erhebt und zum Gebet auffordert. Von morgen an wird aber wieder ausgegangen und Menschen gesehen. Charlotte küßt Dich und grüßt. Es geht ihr gut. Das Herzklopfen war diesmal etwas früher gekommen, und da es in den Gebeten fiel, griff es mehr an, aber dauerte kaum 24 Stunden, und so ist sie heute ganz munter. Nur der Abschied von mir liegt ihr schon wie mir in den Gliedern. Ich glaubte, ich hätte es Dir schon geschrieben, daß ich über Berlin reisen würde. Am 6ten ganz früh komme ich an und werde um Erlaubniß bitten, bis Mittag dort bleiben zu dürfen, da umgepackt werden muß, und ich darum doch da sein muß, dann aber, da ihr wahrscheinlich schon in Potsdam seid, herüber kommen und dann den ganzen 7ten April da bleiben, nur am Abend wieder nach Berlin, da ich am andern Morgen 7 Uhr abreise, über Dresden nach Prag gehe, und dann so immer weiter bis Florenz. In Wien werde ich mich einen Tag aufhallten, um den Kaiser und Deine Schwester109 zu sehen. Du bist so unbeschreiblich freundlich gewesen und hast meine Kinder aus Schwerin eingeladen, und sogar meinen lieben, kleinen Enkel Friedrich, der heute 2 Jahre wird. Wie danke ich Dir dafür. Wenn das Wetter es erlaubt, möchte ich noch um den kleinen Paul betteln. Es ist wohl recht unbescheiden! Auf das Wiedersehen mit Euch allen, ihr Lieben, freue ich mich sehr. Der Abschied hier wird mir aber sehr, sehr schwer, weil ich sehe, wie ich Charlotte nothwendig und nützlich bin, da sie wirklich sehr allein ist. Ich werde Dir mündlich darüber erzählen. Mary war einen Tag unwohl. 106 Geplante Heirat von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879), die von seinen Geschwistern, namentlich dem preuß. König und der russ. Kaiserin, als unstandesgemäß abgelehnt wurde. 107 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 108 Friedrich Strauß (1786–1863), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin und Prof. für Praktische Theologie. 109 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) und seine Mutter Erzherzogin Sophie von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern.
1853
125
Man war besorgt, und sie mußte 5 Tage liegen. Nun hat sie aber nichts mehr gezeigt, doch wird sie sich die 7 Monate sehr ruhig hallten müßen.110 Immer vergaß ich zu erzählen, daß ich im Cottege Deinen Schrank fand mit den Ansichten von Venedig, worüber Charlotte sich immer von neuem freut. Nun leb wohl, Severin,111 der abreiset morgen, nimmt den Brief mit. Die point echarpe112 ist noch nicht aufgefunden. Deine treue Adine Petersburg, den 24ten/12ten März 1853 Meine liebe Elis, Du wirst wohl gehört haben, daß meine Luise am 17ten niedergekommen ist,113 so viel früher, als wie wir es erwartet. Gott wolle nur geben, daß es ferner gut geht. Ich habe die Nachricht par telegraphe in 5 Tagen gehabt. Die Briefe können aber erst am 30ten hier sein mit details. Das ist wirklich schrecklich, die Entfernung. Wenn alles gut bleibt, so werde ich noch 14 Tage hier zugeben bis zum 13ten Aprill, da ich doch erst nach 4 Wochen dort sein könnte, und da kömmt es nun nicht mehr darauf an, ob es früher oder späther. Eigentlich will Stenglin114 mich garnicht mehr hinreisen laßen wegen die großen Kosten, aber da muß ich mich doch noch erst lange besinnen. Charlotte und der Kaiser sind so unendlich gütig und freundlich für mich, daß sie mich gerne bis zu ihrem Ostern hier behielten. Allein, das wird zu lange.115 Der Kaiser in seiner Freude gab mir gestern einen weißen Schal, was mich wirklich sehr rührte. Du bist wohl so gütig und läßt an meinen Wilhelm und an Fräulein Kameke wißen, daß ich erst späther in Berlin ankomme, vielleicht den 17–18. April. Charlotte grüßt herzlichst. Es geht ihr ziemlich, das Reißen im Kopf ist vorüber, und das Herzklopfen hällt noch seine 8 Tage, ehe es wiederkömmt. Den Brief von Fritz habe ich nun neulich vorgelesen. Es ging ganz gut ab. Daß Pritwitz116 den Abschied genommen, thut uns allen unendlich leid, und wie alle Briefe sagen, ist man sehr im Garde Corps betrübt und kann sich nicht darüber trösten. Wer wird nun das Garde Corps bekommen? Ich hoffe, ein recht alter, treue Preuße, der das Corps zu ehren weiß und seine Stellung. Deine alte Adine 110 Die Frau des russ. Thronfolgers, Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), war schwanger mit ihrer Tochter Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. am 5./17. Okt. 1853. 111 Dimitri Petrowitsch Severin (1792–1865), russ. Gesandter in Bayern. 112 Frz. écharpe = Schal. Nachdem bereits das Weihnachtspaket stark beschädigt in St. Petersburg angekommen war, fehlte nun das Geburtstagsgeschenk. 113 Geburt von Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934) am 17. März. 114 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 115 Das orthodoxe Osterfest wurde erst am 1. Mai gefeiert. 116 Karl von Prittwitz (1790–1871), preuß. Generalleutnant, Abschied als kommandierender General des Gardekorps am 8. März.
126
Briefe 1851–1873
Mary117 reiset in 14 Tagen von hier ab, über Dresden und Weimar und Stuttgard. Sie will sich nur da aufhallten, wo es durchaus nothwendig ist, denn sie will die Kinder nicht zeigen, die mit Ausschlag überzogen sind. Auf dem Rückweg wird sie über Berlin gehen und sich dann einschiffen. Petersburg, den 2ten April/21ten [März] 1853 Meine liebe Elis, ich hoffe zwar, bald einen Brief von Dir zu bekommen, da Du weißt, daß ich länger bleibe, aber ich will Dir doch Nachricht von Charlotte geben, die seit 2 Tagen garnicht wohl ist. Sie hat sich am Mittwoch erkältet beim Besuch de l’Institut des Orfelins,118 wohin ich sie nicht begleitet hatte, indem ich es schon gesehen und während der Zeit die berühmten Kirchensänger des Graf Scheremetieff119 hörte. Es soll in den Schlafsäälen sehr kalt gewesen sein. Kurtz, sie hat etwas Fieber, bis jetzt Gott sei Dank nur schwach, und Kopfweh, Reißen in Kopf und Gliedern, und nun ist gestern Nachmittag Herzklopfen dazugekommen. Das alles wird sie sehr herunterbringen. Sie hatte sich bis jetzt gut gehallten. Alles war so froh darüber. Jetzt soll hier die schlimmste Zeit aber anfangen, wo das Frühjahr eigentlich anfangen will, die Sonne schon wirkt, aber die Kälte noch ihre Macht behällt. Ich bin neugierig, wie lange ich mich hallten werde. Übrigens, nach der Zeitung und Briefe ist es bei uns auch recht hübsch kalt. Danke Dir, meine Damen sind am Mittwoch mit Stenglin120 nach Moskau. Der Kaiser hatte es ihnen vorgeschlagen. Montag kommen sie zurück. Eigentlich tentierte es mir sehr, auch hinzugehen, aber ich hoffte, unterdessen Briefe aus Florenz zu bekommen, mit detaills über Luise, um danach meine Reise zu bestimmen. Aber nichts habe ich bekommen. Aber Mandt hat vorgestern einen Brief von Demidof,121 der ihm Nachricht von Luise schreibt, weil er glaubt, [dass] es Charlotte interessieren könnte. Danach ging alles gut. Der Artzt ist auch sein Artzt und hat ihm alles erzählt. Zuerst ist man besorgt gewesen, da es nach seiner Rechnung 20 Tage zu früh gekommen. Allein, das Kind122 ist gesund, und Luise hatte die erste Nacht gut geschlafen, und es wäre nicht die geringste Besorgnis da, daß es ferner gut ginge. Gott wolle es geben! Aber solche Entfernung ist auch furchtbar. Daß ich jetzt nicht zu reisen brauche, ist mir aber sehr lieb, denn es soll so viel Schnee liegen, daß man garnicht fort kommen kann. Mary hat auch ihre Abreise verschoben auf unbestimmte Zeit. 117 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 118 Frz. l’institut des orphelins = Waisenhaus. 119 Dmitri Nikolajewitsch Graf Scheremetew (1803–1871), russ. Offizier und Kammerherr, ab 1856 Hofmeister am kais. Hof. Er stiftete sein Vermögen wohltätigen Zwecken und unterhielt auch einen eigenen Chor. 120 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 121 Anatoli Nikolajewitsch Demidow, Fürst von San Donato (1813–1870), russ. Großindustrieller und Förderer von Kunst und Wissenschaft, lebte v.a. in Paris und in seiner Villa di San Donato bei Florenz, verh. 1840 mit Mathilde Bonaparte (1820–1904), einer Nichte von Kaiser Napoleon I. 122 Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934), geb. am 17. März in Florenz.
1853
127
Nachmittag. Charlotte grüßt Dich und Fritz herzlich. Es geht ihr heute etwas besser, und ich hoffe, Montag wird sie wieder heraus können. Heute habe ich endlich die Freude gehabt, 4 Briefe aus Florenz auf ein Mal zu erhallten. Die gute Luise hat am 16ten während ihrer Schmertzen mir noch einen Brief geschrieben, dann mit Bleistift am 17ten, als alles vorüber war. Hugo hat alle Tage bis zum 19ten geschrieben, sodaß ich nun ganz beruhigt bin und wieder frei aufathmete. Aber ich war fast krank, als immer keine Nachricht kam. Nun leb wohl, Gott mit Dir. Deine treue Adine Petersburg, den 3ten April/22ten [März] 1853 Ich habe gestern ganz vergessen, Dir zu schreiben, daß kein englischer noch französischer noch preußischer und rußischer Courier etwas von einem Paket wißen will, was ihm von Berlin aus anvertraut wäre. Also ist die schöne Echarpe123 verlohren. Vielleicht könntest Du von Berlin aus Nachforschungen anstellen, an wen das Paket abgegeben sei. Ich bin sehr betrübt darüber, wie gerne hätte ich mich hier damit geschmückt. Gestern Abend bekam der Kaiser par télegraph die Nachricht, daß man in Berlin ein dépos von Waffen gefunden, und 80 Menschen arrétiert seien.124 Also auch dort läßt sich so etwas sehen. Wie man wohl aufmerksam sein muß. Welches Glück, daß man es entdeckt. Das wird wieder viel Licht in manches werfen. Die Liste der avancements ist auch gekommen. Gratuliere in meinem Nahmen Neumann und Hiller.125 Weißt Du, daß ich an letzteren gedacht, daß der hier her sehr gut passen würde? Denn ich meine immer, [für] Münster wäre es sehr gut, wenn er ein Regiment bekäme. Mit einer Frau hier leben, ist kostbar und geht doch nicht recht. Mündlich wollte ich Dir dies alles erzählen. Da ich aber nicht weiß, wann ich nun reise, wollte ich es schreiben, da diesen Augenblick so viel Cavallerie Regimenter zu vergeben sind. Sie, die Münster,126 thut diesen Augenblick Dienst bei mir, wenn ich spazieren fahre, indem meine beiden Damen nach Moskau sind. Es amüsiert uns beide sehr. Nur hat sie leider die Todesnachricht von ihrer Schwägerin127 bekommen, was sie sehr betrübt. Ich will heute mit Elise Rauch hinfahren, um sie zu sehen. Elise geht es nun ziemlich gut. Vielleicht bringe ich sie mit heraus. Es ist aber noch nichts bestimmt, da sie eigentlich doch 123 Frz. écharpe = Schal. 124 Verhinderung eines Attentates bzw. Aufstandes in Preußen wie zuvor in Österreich. Siehe Brief vom 28./17. Febr. 1853. 125 Beförderung des preuß. Generaladjutanten August Wilhelm von Neumann (1786–1865) zum General der Infanterie und des preuß. Flügeladjutanten Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866) zum Oberstleutnant. 126 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 127 Marie von Arnim (1830–1853), verh. 1848 mit Bernhard von der Marwitz (1824–1880), preuß. Rittmeister und Majoratsherr auf Friedersdorf, gest. am 25. März.
128
Briefe 1851–1873
Charlotte sehr nützlich ist, und wenn ich abreise, eine Lücke bleibt. Sonst, für sie, wäre es gewiß gut. Gestern war es ein himlischer Tag, die Sonne schon so warm, daß es in den Straßen, wo sie hineinscheint, alles taut. Auf der andern Seite der Straße friert es aber. Diese Nacht sind es 15° Kälte gewesen, nun, 10 Uhr, nur 9°. Den 4ten. Mit Charlotte geht es wieder ganz gut. Der Kopf ist ihr nur noch matt, und dann hustet sie manchmal, doch so unbedeutend. Bei ihr muß nur alles mehr beachtet werden. Sie weiß daher nicht, ob sie das Fest von der Garde a Cheval128 am Mittwoch mitmachen wird. Erst wird Parade im Reithaus sein, und dann Diner im Winterpalais in den schönen großen Säälen. Ich freue mich sehr, die mitzuerleben. Menschikof129 hat gestern geschrieben, daß die Geschäfte ruhig ihren Weg gehen, und man hoffe, zur Zufriedenheit. Der junge Rose130 hat sich sehr voreilig benommen. Frankreich wollte noch mehr thun als wie England, und da haben sie sich sehr blamiert. Jetzt ist alles wieder beruhigt. Die Armeecorps von hier sind bald alle zusammen, und ich denke mir, daß der Kaiser sie im Mai besehen wird. Doch weiß man nichts darüber. Einige Menschen wollen resonnieren, daß der Kaiser diese Armeecorps so schnell zusammengezogen hat. Allein, mit den Türken muß man deutlich und mit Nachdruck sprechen, sonst geht es nicht. Meine Damen sind eben aus Moskau zurückgekommen und ganz entzückt vom Kremmel und den alten Kirchen. Nachtisch. Leb wohl, meine Elis, ich habe heute die entscheidende Antwort von meinem Sohn Fritz bekommen und werde nun nicht nach Florenz gehen. Das ist ein großes Opfer, und wie wird Luise betrübt sein. Es hat mir Thränen gekostet, aber alle Liebe, die mir hier bewiesen wird, und die Freude, die mein Hierbleiben an Charlotte und den Kaiser macht, muß mich aufrecht hallten. Aber ich darf mich nicht gehen laßen, denn mein Kind, mein armes Kind wird es schrecklich leid sein. Laß es Fräulein Kameke und Wilhelm wißen. Bis zum 7ten Mai bleibe ich und hoffe, Pfingsten in Schwerin zu sein, Freitag den 13ten in Berlin anzukommen, den Tag dort zu bleiben, und Sonnabend nach Schwerin. Leb wohl, bitte besorge mir einen täglichen Huth und einen eleganten Frühjahrsputz in Seide oder Stroh. Deine Adine Charlottenburg, den 12ten April/31ten März 1853 Für zwey ganz liebe Briefe habe ich Dir zu danken, meine Adine. Gottlob, daß Du im zweyten so gute Nachrichten von Charlotte geben konntest. Sie hat doch das Unwohlseyn sehr schnell überwunden, und das scheint mir ein großer Fortschritt. Ich bin auch meinen Husten in ein paar Tagen los geworden und konnte täglich dabey ausgehen, denn 128 Frz. garde à cheval = Garde zu Pferde. 129 Fürst Alexander Sergejewitsch Menschikow (1787–1869), russ. General. Er war Ende Febr. 1853 nach Konstantinopel entsandt worden. Dort eskalierte der russ.-osman. Konflikt zum Krieg der Großmächte. Der Krimkrieg begann. 130 Hugh Rose (1801–1885), brit. Oberst und Chargé d’affaires (Geschäftsträger der Botschaft) in Konstantinopel.
1853
129
die Luft war mild und schön. Jetzt stürmt es wieder, und der Wind, von Spandau kommend, ist sehr scharf und kalt, auch will sich die visitation noch nicht rühren. Wegen der écharpe131 habe ich mich genau erkundigen laßen, aber noch nichts erfahren können. Es ist mir ganz unbegreifflich. Die Hüte habe ich gleich bey der Zierlein132 bestellt, die ja oft für Dich arbeitet und Deinen Geschmack kennt. Wilhelmchen sagte ich Deinen Auftrag Sonntag bei Tisch, ich hatte Deinen Brief den Morgen bekommen, und Fräulein Kameke ließ ich auch gleich Deine veränderten Pläne sagen. Ich begreiffe wohl, daß es Dir sehr schwer wurde, auf die Reise nach Florenz zu verzichten. Aber für Charlotte ist Dein längeres Bleiben gewiß eine große Wohlthat, und Du bist ja auch gerne bey ihr und wirst eine weniger schwierige Rückreise haben. Wie freue ich mich, Dich in einem Monat wieder zu sehen. Fritz hofft sehr, Du wirst einen Tag wenigstens hier zugeben. Ich will mich schon mit einem Tag begnügen, aber weniger wäre gräßlich. Wir würden ja kaum die Zeit haben, zusammen zu sprechen nach der langen Trennung, denn jeder würde etwas von Dir haben wollen natürlich. Da der Kurfürst133 den 15ten kömmt, hat Fritz Potsdamm für’s erste auf gegeben, oder wird wenigstens nur zum exerciren den 18–19. hinüber gehen. Der hohe Besuch ist nicht angenehm, wir werden uns aber en quatre134 seyn, um ihn gut zu empfangen und ihn bey guter Laune zu erhalten, um Anna’s135 Zukunft, die ja leider von ihm abhängt. Ich predige auch Anna, recht freundlich mit ihm zu seyn. Bertha Münster136 war gewiß sehr glücklich, mit Dir ausfahren zu dürfen. Der Tod ihrer Schwägerin137 wird sie tief betrüben. Es ist ein großes Unglück für den armen, jungen Mann und die 4 kleinen Kinder. Die Mama Münster und Frau von Rochow waren in Fredersdorf zu Taufe und Begräbniß und kamen sehr traurig zurück.138 Heute also reist Mary ab!139 Das wird ein schwerer Abschied von den ältesten Kindern seyn, aber gewiß werden die Kleinen ganz
131 Frz. écharpe = Schal. 132 W. Zierlein, Putz- und Modewarenhändler und kgl. Hoflieferant in Berlin. 133 Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875). 134 Lesebefund. Frz. = zu viert. 135 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) heiratete am 26. Mai Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 136 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 137 Marie von Arnim (1830–1853), verh. 1848 mit Bernhard von der Marwitz (1824–1880), preuß. Rittmeister und Majoratsherr auf Friedersdorf, gest. am 25. März. Sie hinterließ vier Kinder: Sibylle (1849–1918), Gebhard (1850–1899), Albert (1851–1900) und Eberhard von der Marwitz (1853– 1903). 138 Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872), und Mathilde von Rochow, geb. Gräfin von Wartensleben (1797–1884), waren zum Begräbnis von Marie von der Marwitz, geb. von Arnim (1830–1853), gest. am 25. März, und zur Taufe von deren jüngsten Sohn Eberhard von der Marwitz (1853–1900), geb. am 12. März. 139 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876).
130
Briefe 1851–1873
hergestellt. Denke Dir die Freude, heute Morgen war Nazmer140 hier in voller Uniform, ganz geheilt, ganz wohl und munter. Die Kur war über alle Erwartung wirksam und hat das Uebel mit der Wurzel gehoben. Seine liebe Frau141 ist glückselig und sieht vortrefflich aus. Sie war vorgestern Abend hier ohne ihn, weil er ein etwas entzündetes Auge hatte. Sie sind beyde sehr eingenommen für den Arzt in Cannstadt,142 der so gründlich und sorgfältig ist. Er hat auch eine junge Gagarin143 ganz geheilt, deren Gesicht mit Flechten bedeckt war von Kindheit auf. Olga war sehr gütig für Nazmers, auch der König von Würtemberg144 ließ ihn kommen und war sehr gnädig für ihn. An Deiner Stelle hätte ich der Versuchung, nach Moskau zu gehen, nicht widerstehen können. Karl nimmt dir’s förmlich übel, daß Du nicht dort warst. Freylich warst Du damals in Angst. Ich begreiffe nicht, daß Du nicht früher Briefe hattest. Die Großherzogin Witwe von Toskana ist Pathin der Kleinen.145 Sie fand sie doch sehr klein. Von den Entdeckungen, die Hinkeldey146 hier und in Rostock machte, schrieb ich Dir das leztemal.147 In den Zeitungen wirst Du alle détails finden. Wir schliefen auf einem Vulkan. Die schlechten Blätter bemühen sich, die Sache als eine Kleinigkeit, die des Lärmens nicht werth ist, darzustellen, mögen aber innerlich arg erbost seyn. Es ist ein Glück, daß bey dieser Gelegenheit die Gesundheits Pflege Vereine aufgehoben wurden.148 Darin steckten die allerschlechtesten Elemente unter einer wohlthätigen Form. Wenn die Gerichte Hinkeldey nur nicht wieder im Stich laßen und freysprechen, wo sie strafen sollten. Fritz unterbrach mich eben und läßt Dir sagen, er wäre outrirt149 gegen Dich, daß Du nur so kurz hier bleiben willst, und würde Dir noch einen groben Brief schreiben. Gräfin Benkendorf ist vorgestern glücklich, aber schwer mit einem Sohn niedergekommen.150 Es geht ihr gut. Erlaucht wollte nach Dresden gehen, wurde aber unwohl und kam noch 140 Der asthmakranke Oldwig von Natzmer (1782–1861), preuß. General der Infanterie a.D. und Generaladjutant. 141 Luise Henriette von Natzmer, geb. Freiin von Richthofen (1801–1878). 142 Albert Veiel (1806–1874), dt. Arzt und Dermatologe, gründete 1837 in Cannstatt die „Heilanstalt für Flechtenkranke“ als erste Hautklinik Deutschlands. 143 Verm. Prinzessin Tatjana (Tana) Sergejewna Gagarina (1834–1920), Tochter des Fürsten Sergej Sergejewitsch Gagarin (1795–1852), Oberkämmerer und Leiter der kais. Theater, und der Fürstin Isabella Adamowna Gagarina, geb. Gräfin Walewska (1800–1886). 144 König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864). 145 Großherzogin Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1796– 1865), wurde Taufpatin von Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934), geb. am 17. März in Florenz. 146 Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey (1805–1856), Generalpolizeidirektor in Berlin. 147 Neben der Niederhaltung der Opposition in Preußen gingen auch die mklbg. Regierungen im sog. Rostocker Hochverratsprozess gegen liberal-demokratisch engagierte Personen vor. Siehe Briefe vom 28./17. Febr. und 3. April/22. März 1853. 148 Der erste der zahlreichen Gesundheitspflegevereine wurde 1849 durch den Berliner Bezirk der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung gegründet und diente der gemeinsamen Beschaffung medizinischer Unterstützung. Der Verein war als Arbeiterorganisation den reaktionären Regierungen suspekt. 149 Frz. outriert = aufs Äußerste gebracht, übertrieben, im Sinne von aufgebracht. 150 Prinzessin Luise von Croy (1825–1890), verh. 1848 mit Konstantin Graf von Benckendorff
1853
131
nicht fort. Als wir Sonnabend die Parade bey ihr sahen, lag sie im Bett und erschien nicht, doch besuchte ich sie nachher und fand sie auf der chaise longue. Sie hat einen Hexenschuß. Die Parade des 2ten Garde Regiments und der beyden Grenadier Regimenter war wunderschön, besonders aber Kayser Franz unbeschreiblich schön. Ich dachte soviel des lieben, jungen Kaysers und der Parade an seinem frohen Tage, wo er das Regiment vorbey führte.151 Wer hätte damals ahnden können, daß er nur durch ein Wunder einem Meuchelmörder entgehen sollte.152 Die Nachrichten von ihm sind gut, Gottlob. Erlaucht unterbrach mich heute Morgen, wir kamen so in’s Schwazen, daß es hohe Zeit zur toilette war, als sie wegging. Sie will morgen nach Dresden auf 3 Wochen reisen. Eben komme ich vom diné mit den Ratibors, Mann und Frau,153 und Hohenlohes, Mann und Frau154, und Schlegell155 mit mehreren seiner Offiziere. Mathild kam wegen eines argen Schnupfens nicht. Nun lebe wohl, meine Adine, wir wollen in’s Schauspielhaus fahren, ein hübsches Stück zu sehen. Es heißt „Mathilde“.156 Tausend Liebes an Charlotte. Der Dicke umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Petersburg, den 16ten/4ten April 1853 Meine liebe Elis, schon lange wollte ich Dir antworten und danken für Deinen Brief vom 2ten April, aber Charlotte war 14 Tage recht unwohl. Sie hatte sich erkältet, und es war etwas grippig geworden, und da sieht sie dann gerne, wenn man immer um ihr ist. Auch habe ich in den Tagen grade zwei Briefe schreiben müßen, die sie mir diktierte. Du wirst die wohl gelesen haben. Es war mir sehr peinlich, daß ich grade den Sekretär dazu abgeben mußte, aber Charlotte wollte es nicht länger aufhallten, weil sie meinte, die Sache müßte nun zu Ende kommen, und es ist gewiß auch besser. Aber Abat wird trostlos sein, und ich mag nicht die Tage und Stunden durchmachen, die er nun zu durchleben hat. Wenn er nur nicht zum Äußersten greifft. Glaubst Du, daß der König von Sachsen157 sich dazu verstehen wird, da Abat dort eine Besitzung hat? Ich zweifle daran! Wir haben ihn (1817 –1858), russ. Militärbevollmächtigter in Preußen, hatte am 29. März ihren Sohn Paul Graf von Benckendorff (1853–1921) geboren. 151 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich war seit der Thronbesteigung 1848 Regimentschef des preuß. Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2. 152 Am 18. Febr. hatte der ungar. Schneidergeselle János Libényi (1831–1853) versucht, Kaiser Franz Joseph I. von Österreich auf einem Spaziergang in Wien zu erstechen. 153 Herzog Viktor I. von Ratibor (1818–1893), Fürst von Corvey, bis 1840 Erbprinz zu HohenloheSchillingsfürst, preuß. Standesherr und Politiker, verh. 1845 mit Prinzessin Amelie zu Fürstenberg (1821–1899). 154 Fürst Hugo zu Hohenlohe-Oehringen (1816–1897), württemb. Oberst, Politiker, Gutsbesitzer und Montanindustrieller, verh. 1847 mit Prinzessin Pauline zu Fürstenberg (1829–1900). 155 Wolf Benno Ludwig von Schlegel (1801–1860), preuß. Oberst und Kommandeur des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2. 156 Mathilde, Lustspiel von Roderich Benedix (1811–1873). 157 König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854).
132
Briefe 1851–1873
sehr gebeten, sich nicht aufzuregen, sondern sich im Willen Gottes zu ergeben, der es doch nicht zugeben will.158 Mache nur, daß Röschen159 jetzt fort geht, aber nicht dahin, wo sie mit ihm zusammen treffen kann. Das ist auch schwer. Nun genug der Sache. Wie leid ist es uns, daß Du am Ende des Winters doch wieder einen Husten bekommen hast. Aber jetzt hoffe ich, wirst du Dich mehr schonen können. Die beiden Paraden sollen sehr gut ausgefallen sein. Benkendorf160 und Albert schrieben es, worüber wir ganz glücklich waren. Wer wird nun das Garde Corps bekommen? Wir hofften, Bruder Wilhelm, aber man sagt, er hätte es abgeschlagen. Da sitzt sie161 gewiß dahinter, dann könnte sie keine Rolle spielen. Ach, ich sagte ja noch kein Wort der Theilnahme über Lorchen.162 Ich kann Dir versichern, daß wir alle so Theil darüber nahmen, weil wir wißen, wie Du ihn lieb hattest. So ein zweites Lorchen findet sich nicht. Übrigens ist es von Augusta hübsch, daß sie ihren Dir gesendet. Wie rührend, daß er den Kopf noch immer nach Dir gewendet, wie er schon im Sterben war. Welche Lücke jetzt wird es bei Euch sein. Am 13ten Mai hoffe ich in Berlin zu sein. Am 7ten reise ich ab. Gott will, die Flüsse und Wege werden dann doch kein Hindernis mehr sein. Leb wohl, ich muß zum Diner zu George und Kathy. Deine alte Adine Petersburg, den 21ten/9ten April 1853 Welche Freude, welcher Jubel, wieder ein neuer Brief von Dir, meine geliebte Elis. Charlotte war grade wieder bei mir nach ihrem Unwohlsein, und sie freut sich immer ebenso, wenn ein Brief von Dir kömmt wie ich. Dann sagt sie immer, ach, lese nur schnell, schnell, und der Brief wird verschlungen. Es geht ihr wieder ganz gut, nur stellt sich das Herzklopfen öfter ein. Es ist nun schon zweimal nach 4 Tagen wieder gekommen. Das verstimmt sie und macht sie kleinmüthig. Es greifft sie natürlich mehr an, aber sie schont sich mehr und giebt auf sich acht, was ihr schaden könnte. Es ist wohl das Frühlingswetter, was es mehr befördert. Wir haben heute himmlischen Sonnenschein, 10° in der
158 Geplante Heirat von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879), die von seinen Geschwistern, namentlich dem preuß. König und der russ. Kaiserin, als unstandesgemäß abgelehnt wurde. 159 Rosalie von Rauch (1820–1879). 160 Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. Militärbevollmächtigter in Preußen. 161 Erneut wird Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, der negativen Beeinflussung des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen verdächtigt, die lieber in Koblenz eine Art Gegenhof zu Friedrich Wilhelm IV. unterhielt, als ihrem Mann das Kommando über das prestigereiche Gardekorps zu gönnen. 162 Königin Elisabeth von Preußen hatte 1840 nach dem Tod ihres Schwiegervaters König Friedrich Wilhelm III. von Preußen einen seiner acht Papageien (Lorchen) aus dem Königlichen Palais in Berlin bekommen.
1853
133
Sonne, im Schatten 5–7°, ganz milde Luft, gestern dagegen Schneegestöber bei Wärme. Das wird machen, daß das Eis bald unsicher wird und aufgeht. Meine Reise ist nun bestimmt auf den 7ten abends, wo wir am 6ten erst nach Gatschina gehen, was ich immer noch nicht kenne, und es liegt auf meinem Weg. Eigentlich möchte mich der Kaiser bis zum 13ten Mai behallten, wo hier gewöhnlich die erste große Parade ist. Aber ich finde, es ist endlich einmal Zeit, daß ich fort komme, und dann sehne ich mich auch zu meinen Kindern und zu Haus. Pfingsten möchte ich doch gern in Mecklenburg sein, daher wird Fritz auch diesmal Gnade für Recht ergehen laßen und mir erlauben, nur den Freitag, den 13ten, mit Euch zuzubringen. Wenn ich im Juny nach Marienbad gehe, werde ich mich dann einige Tage aufhallten. Ich bin sehr begierig, wie der Besuch vom Kurfürsten163 ablaufen wird. Du schreibst mir gewiß darüber. Es wird fatigant sein, so angestrengt aimable zu sein, wenn das Herz kalt dabei ist. Die arme Mary war 8 Tage ehlend und leidend. Sie ist vor einigen Wochen auf einen gewißen Theil gefallen und [hat] sich den Rücken sehr erschüttert, darauf vor 8 Tagen spielt sie mit den Kindern und stößt sich so heftig mit dem Kopf an einer Tür, daß sie vor Schmertz hinfällt und seit der Zeit immer übel ist, nicht eßen kann, nervös ist, weint und immer heftige Schmertzen, so daß sie im Bett liegen mußte. Seit gestern geht es so viel besser, daß sie zur Mama164 gekommen ist. Sie ist blaß und mager geworden und ganz schwach. Ihre Reise ist daher noch ungewiß, ob sie vor oder nach mir reiset. Nachtisch. Charlotte grüßt Dich herzlich, und der Kaiser hat mir schon neulich aufgetragen, Dir zu sagen, er würde gar zu gerne Lorchen ersetzen und wollte auch im Bauer sitzen und ganz artig sein.165 Er ist oft sehr guter Laune, meist aber ernst. Wegen meiner Abreise ist noch nichts fest bestimmt, aber ich hoffe, ich komme den 7ten Mai fort. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Den 28ten April ist wirklich die Hochzeit von Agnes,166 und Fritz geht hin. Das ist hübsch von ihm. Wir haben uns hier so gefreut, daß Natzmer167 wirklich ganz hergestellt ist. Es ist wie ein Wunder, wenn sich die Schärfe nur nicht wieder auf die Augen wirft. Bleibt er in Berlin, dann grüße ihn und die liebe Frau.168 Charlotte läßt auch viel herzliches sagen. Der Kaiser von Östreich hat nun bestimmt abgeschrieben, daß er nicht dies Jahr herkömmt. Er soll eine ernste Cour erst brauchen. Daß die Parade vom 2ten Garde163 Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875). 164 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 165 Königin Elisabeth von Preußen hatte 1840 nach dem Tod ihres Schwiegervaters König Friedrich Wilhelm III. von Preußen einen seiner acht Papageien (Lorchen) aus dem Königlichen Palais in Berlin bekommen. 166 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) heiratete am 28. April Erbprinz Ernst (I.) von Sachsen-Altenburg (1826–1908). 167 Der asthmakranke Oldwig von Natzmer (1782–1861), preuß. General der Infanterie a.D. und Generaladjutant. 168 Luise Henriette von Natzmer, geb. Freiin von Richthofen (1801–1878).
134
Briefe 1851–1873
regiment und der beiden Grenadier Regimenter so ausgezeichnet gewesen, hatte Benkendorf169 schon berichtet, und der Kaiser170 erzählte es uns, ganz glücklich darüber. Nun leb wohl. Gott mit Dir, Deine Alex Petersburg, den 6ten Mai/24ten [April] 1853 Meine liebe Elis, ich bin einige Tage recht krank gewesen, so daß ich glaubte, ich werde ein Krankenlager machen, aber Mandt sein energisches Eingreiffen und mein fester Wille, die Osternacht wenigstens vom Nebenzimmer mitanzusehen, brachten mich wieder auf die Beine, aber so schwach, daß ich mich noch nicht erhole. Mein Kopf und Beine sind schwach. Dieser Brief soll eigentlich mich nun, so Gott will, wirklich zum 20ten anmelden. Da es mich aber sehr nach Haus zieht, so bitte ich um Erlaubniß, am 21ten abreisen zu dürfen. Der Abschied wird mir furchtbar schwer, weil ich weiß, wie ich Charlotte fehlen werde. Sie ist auch recht matt und angegriffen nach dem letzten Anfall von Grippe. Und das Herzklopfen kommt immer den 5ten Tag. Das macht sie nun ganz unglücklich. Am Freitag, dem 13ten, gehen wir nach Gatschina, und am Sonnabend reise ich ab. Leb wohl, auf Wiedersehen. Abat hat einen ruhigen, in Gott ergebenen Brief an Charlotte geantwortet. Wolle der Herr mit ihm sein, und keine dummen Streiche machen.171 Deine alte Adine Der Nahmenstag gestern war ziemlich still, nur Messe en toilette und baise mains. Petersburg, den 11ten Mai/29ten [April] 1853 Zwar geht heute keine Post, aber da morgen der letzte Tag hier in Petersburg ist, und ich nicht weiß, ob ich da noch Zeit finde, zu schreiben, so thue ich es heute, um Dir, meine Elis, meine desperation,172 daß ich Dich und Fritz wahrscheinlich nicht in Berlin oder Potsdam finde auf meiner Durchreise. Denn es heißt hier, daß ihr am 18ten nach Dresden und Wien geht. Nein, das wäre wirklich zu betrübt, und doppelt, da ich mich doch in Berlin aufhallten muß, um Anna173 Sachen von Charlotte zu bringen. Dann 169 Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. Militärbevollmächtigter in Preußen. 170 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 171 Geplante Heirat von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) mit seiner langjährigen Geliebten Rosalie von Rauch (1820–1879), die von seinen Geschwistern, namentlich dem preuß. König und der russ. Kaiserin, als unstandesgemäß abgelehnt wurde. 172 Frz. = Verzweiflung. 173 Zur Heirat von Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) am 26. Mai mit Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884), Witwer der Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844).
135
1853
Abb. 4: Königin Elisabeth von Preußen hatte einen der acht Papageien König Friedrich Wilhelms III. von Preußen geerbt, den Rosella-Sittich Lorchen. Das Präparat befindet sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Schloss Charlottenhof und könnte der 1853 gestorbene Papagei der Königin sein.
müßen Rechnungen in Ordnungen gebracht werden mit den Kaufleuten. Kurtz, ich bin in Verzweiflung. Auf mein Glück, daß es sich noch wenden könnte, ruhe ich nicht, da mir in der letzten Zeit so viel mißglückt ist. Ehe ich Mitte Juny nach Marienbad reise, werde ich dann einige Tage bei Euch bleiben, ungefähr vom 15–18ten. Nun adios, morgen soll noch große Parade sein. Gestern haben wir von weitem die Cavallerie Probeparade von Sache hallten sehen. Heute regnet es recht stark und ist dabei ganz warm. Auch bekommt die ganze Natur etwas grünlichen Schimmer, aber höchst schwach. Grüße Fritz. Deine Adine Am Freitag, den 20ten komme ich, so Gott will, in Berlin an, ganz in der Frühe. Ludwigslust, den 30ten Mai 1853 Leider habe ich Dir noch garnicht schreiben können, geliebte Elis, obgleich es mich sehr dazu hinzog. Indessen, in diesem Hochzeitsverein wirst Du meinen Brief nicht vermißt haben. Heute ist mit dem Ball im Weißen Saal die Feste beschlossen, und niemand wird damit unzufrieden sein, besonders wenn die Hitze so groß ist wie bei uns. Diesen Augenblick ist ein Gewitter mit Regen, der uns wahrscheinlich eine Landparthie verdirbt, was schade ist, der Regen ist mir aber fast lieber.
136
Briefe 1851–1873
Den 31ten. Wir haben die Parthie nach dem Saugarten bei Jasnitz doch gemacht, und sie ist vollkommen geglückt, denn die Schweine zeigten sich en masse beim Futterplatz, und die Luft im erfrischten Wald war köstlich. Gegen 10 Uhr kamen wir erst zurück. Morgen verlaßen wir Ludwigslust. Ich ziehe nach meinem Greenhaus, und meine Kinder nach Steinfeld, wohin ich einige Tage von Sonntag an folgen will. Eben kam Fritz mit der frohen Nachricht, daß Bruder Wilhelm am Sonnabend früh in Schwerin sein will, zur Einweihung des Monumentes der Gefallenen in Baden.174 Leider will er nur einen Tag bleiben. Da wird sich viel zusammendrängen. Von der Hochzeit von Anna175 kann ich noch nicht viel erfahren und möchte sehr gern wißen, wie sie ist. Ob sie froh aussieht, und wie der Ofen176 gewesen, oder ob er wie Ernst177 ist, so tugendhaft. Das ist doch zu lächerlich. Die Oberlippe ist eben so für die arme Elisabeth,178 die kreutz unglücklich ist, und man glaubt, es wird auseinander gehen. Aus Petersburg habe ich schon 2mal Briefe gehabt. Nach dem letzten Brief ging es Charlotte besser. Die Jugend thut alles mögliche, um sie aufzuheitern, was auch ganz gelungen ist. Seitdem, daß sie nach Sarskoe Selo gezogen, weiß ich nichts. Die orientalische Frage scheint aber nicht glücklich ausgefallen zu sein. Wer weiß, was sie noch bringt.179 Darüber werde ich nichts von dort erfahren. Ich bin sehr glücklich, hier in mein liebes Meklenburg zu sein, mit meinen Kindern und Enkeln vereint. Ich bin denn wieder mit solcher Liebe und Herzlichkeit von aller Welt empfangen worden. Fritz und Auguste überraschten mich in Warnow,180 der letzte Aufenthaltspunkt an der Grenze, wo ich sie am allerwenigsten erwartete. Das war eine unbeschreibliche Freude. Der Geburtstag von Auguste wurde nach gewohnter Art gefeiert. Da man uns aber in Berlin glaubte, waren nicht so viel Fremde gekommen, da es zu späth bekannt wurde. Nun leb wohl, ich hoffe, Du hast die fatiegen gut überstanden. Deine alte Adine Ich küße Fritz herzlich.
174 Feierliche Enthüllung eines Denkmals für die in den Kriegen 1848 und 1849 in Schleswig und Baden gefallenen mklbg. Soldaten am 4. Juni auf dem Exerzierplatz im Schweriner Haselholz in Anwesenheit des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen, der die Truppen in Baden kommandierte. 175 Heirat von Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) und Prinz Friedrich Wilhelm von HessenKassel-Rumpenheim (1820–1884) am 26. Mai in Charlottenburg. 176 Mit „Ofen“ ist die Hochzeitsnacht gemeint. 177 Heirat von Erbprinz Ernst (I.) von Sachsen-Altenburg (1826–1908) und Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) am 28. April. 178 Fürst Leopold III. zur Lippe (1821–1875), verh. 1852 mit Prinzessin Elisabeth von SchwarzburgRudolstadt (1833–1896). 179 Folge der gescheiterten russ.-osmanischen Verhandlungen war der Krimkrieg 1853–1856. 180 Groß Warnow an der preuß.-mklbg. Grenze.
1853
137 Ludwigslust, den 31ten Mai 1853
Geliebte Elis, ich wollte Dir vorschlagen, ob es Euch vielleicht recht wäre, wenn ich mit Bruder Wilhelm am Sonntag, dem 5ten nach Potsdam käme, den 6–7 bleibe und den 8ten wieder fort ginge. Dann könnte ich Dich und Fritz in Ruhe genießen und würde dafür dann erst am 17ten auf meiner Durchreise kommen, den 18ten bleiben und den 19ten weiter nach Marienbad gehen. Dann sehe ich Deine Schwester Sophie und geniere nicht weiter. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Schwerin, Steinfeld, den 14ten Juny 1853 Meine liebe Elis, da ich Dich nun in Sanssouci zurück weiß, so melde ich mich wieder schriftlich, denn sonst vergißt Du mich. Aber im Ernst, mir ist nicht bange dafür, sondern es ist meinem Herzen ein Bedürfnis, mich mit Dir zu unterhalten. Die Tage in Pilnitz mit Deinen Schwestern werden Dir nur zu schnell vergangen sein, und nun wird man sich da rüsten zu der Vermählung.181 Wenn die Zeitung recht berichtet, so hast Du Mary in Dresden gesehen. Wie fandst Du sie geistig wie körperlich? Hat sie etwas von Charlotte ihrer Gesundheit gesagt? Ich hoffe, das Schiff heute wird mir einen Brief bringen. Die ganze kaiserliche Famillie ist nach Peterhof übergesiedelt, weil es damals so schön warmes Wetter war. Wenn sie aber den kalten Nordost gehabt wie hier, werden sie [es] düchtig kalt gehabt haben. Schwerin war jetzt in seiner ganzen Schönheit, das frische Grün, der Flieder in voller Pracht und duftend, dann der Goldregen mit seiner Prachtfarbe, die ganze Natur war wie in einem Festanzuge. Wir haben es recht genoßen, haben viele schöne Spazierfahrten gemacht, denn das Gehen ist noch meine schwache Parthie, obgleich es besser geht. Von meiner Tochter Luise habe ich vom 3ten einen Brief, wonach sie einige Tage recht besorgt war um ihre kleine Olga,182 die so unbeschreiblich schwach geworden war, daß der Artzt darauf bestanden, eine Amme zu nehmen. Nun hofft sie, daß sie sich danach erholt, aber das Kind ist ihr immer von Anfang an schwach vorgekommen, und sie wäre doch besorgt. Gott wolle geben, daß es ihr erhallten bliebe. Ich erwarte nun mit Angst die nächste Nachricht. Meine Schwiegermama in Rudolstadt183 ist auch sehr krank an einer Brustentzündung gewesen. Es geht aber schon besser. Hast Du nun bestimmte Nachricht, wann Deine Schwester Sophie nach Sanssouci kömmt? Und ist es gegründet, daß Max von Baiern184 zu Euch kömmt? Mit meinem Sohn Wilhelm ist es nun so arangiert worden, daß 181 Heirat von Prinz Albert von Sachsen (1828–1902) mit Prinzessin Carola von Wasa (1833–1907) am 18. Juni in Dresden, nachdem diese im Jahr zuvor zum katholischen Glauben übergetreten war. 182 Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934), geb. am 17. März. 183 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, zu Besuch bei ihren Schwestern Fürstin Karoline (1771–1854) und Prinzessin Luise Ulrike von Schwarzburg-Rudolstadt (1772–1854), geb. Prinzessinnen von Hessen-Homburg. 184 König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864).
138
Briefe 1851–1873
er in Berlin bleibt und ein Offizier von hier, ein Leutnant von Koppelow,185 wird sein ganzes Haus übernehmen.186 Die Leute stehen unter ihm, und er bekömmt das Geld in Händen. Das ganze ist auf 2 Jahre. Nun gebe Gott, daß Wilhelm vernünftig ist und sich sein Schicksal nicht selbst zerstöhrt. Bitte theile dies an Butt mit und zugleich dankte ich ihm sehr, daß er mir selbst mitgetheilt, daß meine Wünsche wegen dem Leutnant Lützow187 in Erfüllung gehen. Am Freitag den 17ten hoffe ich selbst danken zu können. Deine alte Adine Marienbad, den 24ten Juny 1853 Auch von hier, meine Elis, bekömmst Du wieder Briefe von mir. Der Reisetag war fürchterlich heiß bis Leibzig, wo ein starkes Gewitter die Luft etwas abkühlte. In Plauen, wo ich die Nacht blieb, fand ich die Gräfin Bassewitz Schlitz188 mit ihrem gebrochenen Fuß. Es geht ihr so gut, wie es einem bei solchem Unglück gehen kann. Der Artzt dort soll gut sein, das Wirthshaus recht ordentlich und ein gutes Bett, wo sie 6 Wochen liegen bleiben muß. Es ist zu schrecklich. Hier in Marienbad ist es schon sehr voll, aber das Wetter ganz schäuslich, beständig Regen, und es ist kalt. Ich gehe mit 2 Mänteln übereinander des Morgens am Brunnen. Gesellschaft ist wenig, und die hällt nicht zusammen. Fritz Louis189 hat einen kleinen Kreis von Damen und Herren, der alle Nachmittage zusammen kömmt zum Kaffee. Ist es schönes Wetter, so gehet man an verschiedene Orte, regnet es, so bleibt man in einem großen Saal. Ich bin aber nicht dabei, da es meist junge Leute sind. Da werden Spiele gespielt, etwas getanzt, kurtz, man amüsiert sich so gut wie möglich. Eine Fürstin Lichtenstein ist dabei, der Mann ist in Böhmen Commandierender,190 eine Fürstin Schönburg, geborene Schwartzenberg,191 mit der bin ich viel. Dann sind viele preußische Offiziere hier, Thümen mit Tochter,192 Gröben von
185 Paul von Koppelow (1826–1878), mklbg.-schw. Premierleutnant im Grenadier-Garde-Bataillon und Bataillonsadjutant, 1853–1856 als Begleiter von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin abkommandiert. 186 Der durch hohe Spielschulden zu befürchtende Bankrott des Herzogs Wilhelm zu MecklenburgSchwerin sollte durch eine vermögensrechtliche Kuratel abgewendet werden – vergeblich. 187 Louis von Lützow (1831–1882), mklbg.-schw. Sekondeleutnant im Dragoner-Regiment, Sohn von Ludwig von Lützow (1793–1872), ehem. mklbg.-schw. Geheimer Ratspräsident und Erster Minister. 188 Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz (1801–1855). 189 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). 190 Honoria Gräfin Chonloniewska, verw. Kowniacki (1813–1869), verh. 1839 mit Fürst Eduard Franz von Liechtenstein (1809–1864), österr. Feldmarschallleutnant. 191 Fürstin Aloysia Eleonore von Schönburg-Hartenstein, geb. Prinzessin von Schwarzenberg (1803– 1884), verh. 1823 mit Fürst Heinrich Eduard von Schönburg-Hartenstein (1787–1872). 192 Wilhelm von Thümen (1792–1856), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 6. Division in
1853
139
der Leibcompanie,193 Herr von Kleist,194 der das 2te Garderegiment kommandiert, ein Herr von Alvensleben195 vom 1ten Garderegiment, ein General Rommel aus Münster mit hübscher Tochter196 und so weiter. Bis jetzt sind wenige Meklenburger anwesend, was mir sehr lieb ist. Heute bekam ich einen Brief von Elise Rauch vom 18ten, wo Charlotte Deinen Brief aus Dresden bekommen hat, der ihr viel Freude machte. Sie hatte aber nach 3 Tagen wieder Herzklopfen und war angegriffen. Den anderen Tag erwartete sie Königin Anna.197 General Budberg198 war ihr an der Grenze entgegengeschickt. Ribeaupierre199 und Katharina Thiesenhausen200 sind zum Dienst ernannt. Niemand freute sich zur Ankunft. Am 17ten sind die Kinder von Mary nach Kiel gegangen. Das Schiff kömmt nach Swinemünde, um Luise zu holen. Am 28ten reisen George und Katy ab, landen in Wismar, und das Schiff soll die Oldenburger201 zurücknehmen. Die ganze Flotte ist beinah in Bewegung, um die Famillie zu bringen und zu holen. Heute kömmt nun Luise nach Sanssouci, und ich sehe sie nicht. Das ist traurig, wenn mein Brief ankommt, und sie ist noch da, dann küße sie von mir und Fritz Oranien und Mariechen. Die Münster202 ist sehr gnädig aufgenommen worden, hat eine Abendparthie mitgemacht. Leb wohl und empfehle mich Deiner liebenswürdigen Schwester, die wieder so gut und lieb für mich war. Deine Adine
Brandenburg an der Havel, und verm. seine unverheiratete Tochter Marie von Thümen (1824– 1899). 193 Wilhelm von der Gröben (1810–1892), preuß. Hauptmann und Kommandeur der Leibkompanie. 194 Ferdinand von Kleist (1797–1867), preuß. Oberst und Kommandeur des 2. Garde-Regiments zu Fuß. 195 Karl Johann von Alvensleben (1807–1877), preuß. Hauptmann und Kompaniechef im 1. GardeRegiment zu Fuß. 196 Theodor von Rommel (1793–1868), preuß. Generalmajor und Brigadekommandeur. Tochter nicht zu identifizieren. 197 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865), Schwester von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 198 Verm. Alexander Bogdanowitsch Freiherr von Budberg (1804–1879), russ. Generalmajor und Kommandeur der Leibgarde des kais. Husaren-Regiments. 199 Alexander Iwanowitsch Ribeaupierre (1781–1865), russ. Diplomat, seit 1844 Oberkammerherr am russ. Hof. 200 Katharina von Tiesenhausen (1803–1888), russ. Hofdame. 201 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser, verh. 1837 mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 202 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
140
Briefe 1851–1873
Marienbad den 11ten July 1853 Welche Freude, wieder einen eigenhändigen Brief von Dir, meine geliebte Elis. Tausend Dank dafür und für die beiden übersendeten Briefe. Luise ist doch eine zu gute Seele, selbst in die paar Tage, daß sie in Stockholm [gewesen ist], uns zu schreiben und noch so ausführlich! Wie freut es mich, von ihr zu hören, daß Puttchen sich so zum Vortheil verändert hat. Ich hörte es auch schon hier von der Gräfin Lowenhielm,203 doch war ich etwas ungläubig. Die Kinder sollen delicios sein und besonders der Kleine,204 wie ein Bachus so stark und kräftig. Der Tod des alten Kikeriki205 thut mir wirklich sehr leid. Er war ein unbeschreiblich guter, alter Herr, und ich schäme mich, wenn ich an Sanssouci denke, an vergangenes Jahr, wie ich mich aufgeführt habe, wie ich gebrüllt habe im Nebenzimmer, als er bei Charlotte war. Ach Gott, und welcher Nachfolger,206 das arme Land, nun wird man erst seinen ganzen Wert erkennen. Die arme Großfürstin207 bedaure ich auch von Herzen, denn sie hatte ihn wirklich gern und war so an seine Albernheiten gewöhnt. Ich lege auch heute gleich Trauer an, kann aber garnichts Schwartzes bekommen. Als Onkel muß ich erst ganz schwartz sein. Die Besuche nehmen bei Euch garnicht ab, und da Mariechen mit Max208 gekommen ist, so wird es Dir lieb sein, sie beide zu sehen. Es ist doch auch politisch von Wichtigkeit, und sie bleiben ziemlich lange, wie ich höre. Die Trauer wird aber in den Vergnügungen stöhrend sein. Was nur Mary und Auguste thun werden? Ob sie wohl gleich nach Weimar eilen? Ich denke es doch, auch Carl wird wohl von Baden Baden kommen. Job Witzleben209 hat an seine Mutter,210 die hier ist, geschrieben, daß sie auch nach Heidelberg gewesen sind, um Mary211 von Stuttgart durchkommen zu sehen, und es wären ihnen die Thränen in die Augen gekommen, so schrecklich hätten sie sie verändert gefunden. Nach einem Brief von Elise Rauch ist sie auch sehr krank gewesen in Kronstadt an einem Blutverlust, wo sie zu Eis haben ihre Zuflucht genommen. Nun ist sie nach England. Die Oldenburg212 ist nach meiner Idee die, die am meisten Verstand 203 Augusta Gräfin von Schönburg (1783–1859), verh. 1826 mit Carl Axel Graf von Löwenhielm (1770–1861), schwed. Offizier, Diplomat und Minister, Sohn aus einer außerehelichen Beziehung von König Karl XIII. von Schweden und Augusta von Fersen (1754–1846), die mit dem schwed. Hofkanzler Fredrik Adolf Löwenhielm (1743–1810) verheiratet war. 204 Prinz Carl Oscar von Schweden und Norwegen, Herzog von Södermanland (1852–1854). 205 Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853) war am 8. Juli gestorben. 206 Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901) galt der Großherzogin als liberaler Sonderling unter den deutschen Fürsten. 207 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland (1786–1859). 208 Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889), verh. 1842 mit König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864). 209 Job von Witzleben (1813–1867), preuß. Rittmeister und Adjutant des Prinzen Carl von Preußen. 210 Auguste von Witzleben, geb. von Splittgerber (1785–1858). 211 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), nach dem Tod ihres Mannes am 20. Okt./1. Nov. 1852. 212 Verm. Prinzessin Therese von Oldenburg, geb. Prinzessin von Nassau (1815–1871).
1853
141
hat. Auch findet man sie hübsch. Der arme George in Hummelshain mag wohl viel leiden.213 Ich wollte ihn auf meiner Rückreise besuchen. Ich weiß aber nicht, ob er mich annimmt. Ich habe erst geschrieben. Nach Rudolstadt wollte ich auch, es soll mit Mama langsam besser gehen. Und nach Weimar wollte ich auch, aber nun wird nichts davon. Auch habe ich solche tiefe Trauer nicht mit, wie [ich] dazu brauchen würde.214 Nun leb wohl. Die arme Mathilde, welche so Brustkrämpfe bekommt. Ich hoffe, daß sie nun wieder ganz besser ist. Deine Adine Marienbad, den 19ten July 1853 Meine geliebte Elis, ich weiß, daß Du unser aller gedenkst und für uns am Sarge gebetet haben wirst.215 Bruder Wilhelm wird der einzige sein von uns, der in Charlottenburg mit war. Der Tod des alten Weimar216 hat mit leid gethan, doch das schrieb ich schon. Diese Zeilen sollen mich nun wieder einmal bei Euch anmelden, aber nur für einen sehr flüchtigen Besuch, ich komme den 25ten um 10 Uhr morgens in Berlin an, indem ich von Apolda in der Nacht mit dem Zug abgehe, und werde mich ein paar Stunden in Berlin aufhallten und um 12 Uhr mit der Eisenbahn nach Sanssouci abfahren, dort bis den Abend bleiben und die Nacht in Berlin schlafen und von da am andern Morgen nach Dobbran gehen. Ich schreibe dies so ausführlich, damit Du meine Pläne kennst, und ich möchte nicht gern etwas daran ändern. Fritz reiset in dieser Zeit viel herum. Morgen kömmt er nach Cassel. Das ist auch ein wichtiges Ereigniß, und man freut sich dort unendlich dazu. Wenn die Zeitung wahr spricht, so finde ich Mariechen von Baiern217 nicht mehr in Berlin. Das ist mir leid. Leb wohl, Deine treue Adine [Heiligendamm] Cottege, den 1ten August 1853 Leider konnte ich Dir nicht gleich in den ersten Tagen von hier schreiben, geliebte Elis, und nun bist Du heute von Sanssouci abgereiset. Ich hoffe, daß in Wien Dich diese Zeilen treffen, wo Du Dich aufhällst, wenn die Zeitung nicht lügt. Durch Dresden bist Du wohl nur durchgereiset, oder ist Abat vielleicht schon abgereiset? Meine diesmalige 213 Herzog Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853) starb am 3. Aug. auf Jagdschloss Hummelshain, nachdem er bereits am 28. Mai die Regierungsgeschäfte aus gesundheitlichen Gründen an seinen Sohn Erbprinz Ernst (I.) von Sachsen-Altenburg (1826–1908) übergeben hatte. 214 Nach dem Hofzeremoniell hätte Großherzogin Alexandrine wegen des Todes von Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853) am 8. Juli bei einem Besuch in Weimar komplett schwarze Trauerkleidung tragen müssen, die sie auf ihrer Kurreise aber nicht mitführte. 215 Todestag von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1776–1810). 216 Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853) war am 8. Juli gestorben. 217 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889).
142
Briefe 1851–1873
Durchreise bei Euch, ihr Lieben, war wirklich zu kurtz, indeßen ich hoffe, im Herbst einen längeren Aufenthalt zu machen. Doch vor Deinem Geburtstag wird es nichts werden, da meine Kinder halb und halb den Plan haben, nach Florenz zu Luise zu reisen, worin ich sie sehr bestärke, und dann werde ich während der Zeit meine Enkel zu mir nehmen, denn ich habe kein Geld, noch so eine Reise zu unternehmen, wozu mich zwar die Kinder gerne bereden wollen. Hier in Dobbran haben wir ganz hübsche Gesellschaft vorgefunden, untern andern einige Östreicher, die Gräfin Bellgarde218 mit ihrem sehr schwächlichen Sohn und einer Tochter, die östreichische Gesandtin in Coppenhagen ist, Herr und Frau …219 Sie ist nicht hübsch, aber angenehm und lustig und heiter. Dann ein Graf Stadion aus Böhmen mit einer hübschen Frau.220 Dann ist aus Dresden eine Familie, deren Nahmen ich mir nicht erinnere, die Töchter sind Bräute, und die Bräutigams sind auch mit. Einer ist der Sohn von der Frau Friderici.221 Diese Famillie scheint mir sehr gemein, aber reich. Dann ist Correa de Sa222 mit Frau und der brasilianische Gesandte d’Araujo223 mit Famillie hier. Du siehest, wir sind mit außerordentlich Ausländer heimgesucht. Das bringt aber Leben in der Gesellschaft. Gestern Abend, als ich die Zeitung zur Hand nahm, finde ich den Tod von Kettler.224 Nein, wie mir das leid thut. Ich kann es nicht sagen. Die arme Frau und die Kinder. Das ist ein sehr harter Schlag! Wie mußte ich an der früheren Zeit denken, an den Schnellsegler und die schöne Hülle,225 an Kätzchen und so weiter. Nein, wie thut mir dieser Tod leid. Ich kann mich garnicht darüber beruhigen. Er muß gleich den andern Tag nach meiner Abreise gestorben sein. Ich sprach ihn grade noch länger im Neuen Palais beim Lehrbataillonen Fest. Er steht so deutlich vor mir, Gott wie traurig!!! 218 Julie Gräfin von Bellegarde, geb. Freiin von Gudenus (1795–1865), und ihr Sohn, mglw. Heinrich August Graf von Bellegarde (1825–1871). 219 Der Name wurde freigelassen. Julie Gräfin von Bellegarde (1822–1884), verh. 1846 mit Edmund Graf von Hartig (1812–1883), 1851–1856 österr. Gesandter in Dänemark. 220 Rudolf Graf von Stadion (1808–1882), österr. Kammerherr und Geheimer Rat, Fideikommissherr in Böhmen, verh. 1850 mit Gisela Gräfin Hadik-Futak (1825–1890). 221 Henriette Auguste von Friederici, geb. Freiin von Feullner, sächs. Hofdame von Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, verh. 1829 mit Gustav von Friederici, sächs. Generalmajor (1800–1860). In Heiligendamm hielten sich ein Kammerjunker und ein Gutsbesitzer von Friederici aus Dresden auf. 222 Chevalier Corrêa de Sá, bis 1834 portug. Legationssekretär in Preußen, lebte mit seiner Frau als Privatmann in Berlin. 223 Marcos Antônio de Araújo (1805–1884), brasil. Gesandter in Preußen, verh. mit Maria Cristina Josefina Adele Vaugbelle, mit drei Kindern. 224 August Joseph Freiherr von Ketteler (1805–1853), preuß. Major im 1. Garde-Ulanen-Regiment, verh. 1848 mit Cäcilie Wilhelmine Karoline von Luck (1822–1908), Tochter des preuß. Generals und Generaladjutanten Hans von Luck (1775–1859). Er war am 27. Juli verstorben und hinterließ drei Kinder. Sein Sohn Clemens Freiherr von Ketteler (1853–1900) wurde nach seinem Tod am 22. Nov. geboren. 225 Spitzname für die noch unverheiratete Cäcilie Wilhelmine Karoline Freifrau von Ketteler, geb. von Luck.
1853
143
Ich bin so frei, Dir eine Rolle zu senden, die eigentlich für die Fürstin Schönburg226 bestimmt. Es ist mein Bild und ein paar rußische Pantoffeln, die ich Dich bitte, ihr zu geben in Ischel. Verzeih, ich wollte in Sanssouci Dich mündlich darum bitten und habe es vergessen. Leb wohl, grüße die arme Amelie von Schweden,227 und die Scharnhorst228 möchte mir von ihr Nachricht geben. Deiner Schwester Sophie und dem Kaiser empfehle ich mich. Deine treue Adine [Heiligendamm] Cottege, den 16ten August 1853 Deinen lieben Brief, meine Elis, bekam ich vor ein paar Tagen, und ich eile, Dir dafür zu danken. Ich sehnte mich schon sehr nach Nachricht von Dir selbst. Durch Paula Bellgarde,229 die ihrer Mutter230 fleißig schrieb, hörte ich schon von Deinem Aufenthalt in Schönbrunn, und auch durch einen Brief von der lieben Amelie von Schweden, die mir trotz ihrer Schwäche einen ziemlich langen Brief sendete.231 Deine Anwesenheit hat ihr gut gethan. Sie fühlt sich gekräftigt und wäre für ihr Leben gern mit Dir gleich nach Ischel gegangen, wo Du erst 14 Tage allein geblieben. Ich denk mir, diese Ruhe wird Dir sehr willkommen gewesen sein nach all den vielen Besuchen. Nun bist Du wieder mit Deiner Schwester Sophie vereint, und da geht für Dich ein neues Leben an. Der Tod vom armen George von Altenburg,232 dachte ich mir wohl, daß es Dir recht wehe thun würde. Ich bin tief betrübt und fühle mit der armen Marie alles so lebhaft mit. Sie soll ihren Schmertz mit großer Ergebung tragen, aber ihre Briefe sind herzzerreißend, und das Ende von dem armen George soll furchtbar gewesen sein. Er hat die Besinnung bis zuletzt gehabt und den Tod so nach und nach herannahen gefühlt. Er soll entsetzlich gelitten haben, und die Trauer im ganzen Lande sehr aufrichtig und tief sein. Denn von Ernst233 verspricht man sich nicht viel. Der Minister Larisch234 ist auch grade jetzt sehr krank. Du wirst Dich wundern über den schwartzen Rand, aber ich betraure ihn als meinen Schwager. Meine Kinder waren in Strelitz zum Geburtstag vom Onkel und hatten die Freude, Fritz dort zu sehen. Sie brachten aber die Nachricht mit, daß Fritz wahrscheinlich nicht 226 Fürstin Aloysia Eleonore von Schönburg-Hartenstein, geb. Prinzessin von Schwarzenberg (1803– 1884), die Großherzogin Alexandrine im Juni in Marienbad kennengelernt hatte. 227 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853) lebte in Hacking bei Wien und war schwer erkrankt. 228 Sophie Freiin von Scharnhorst (1796–1876), langjährige Hofdame der Prinzessin Amalie von Schweden. 229 Pauline Gräfin von Bellegarde (1830–1912), österr. Hofdame. 230 Julie Gräfin von Bellegarde, geb. Freiin von Gudenus (1795–1865), zur Kur in Doberan und Heiligendamm. 231 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853) lebte in Hacking bei Wien und war schwer erkrankt. 232 Herzog Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853), gest. am 3. Aug. auf Jagdschloss Hummelshain. 233 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908). 234 Alfred von Larisch (1819–1897), seit 1853 Staatsminister in Sachsen-Altenburg.
144
Briefe 1851–1873
nach Dobbran kömmt, weil er wieder einen Leuchtturm einweihen will am 22ten,235 und da geht sein Weg nach der anderen Seite. Es thut mir zu leid. Wir haben auch so hübsche Gesellschaft, die man gerne zeigt. Gestern sind 2 Herren von Bethmann236 aus Frankfurth am Main angekommen, der eine ist preußischer Konsul dort. Beide haben ihre Frauen mit, die werden sehr elegant sein. Die gute Gräfin Bellgarde ist Montag abgereiset, was mir zu leid ist, denn ich habe sie sehr lieb, und wir sehen uns viel. Bitte grüße die Fürstin Schönburg.237 Ich erhielt gestern einen liebenswürdigen Brief von ihr wegen mein Bild und Pantoffel. Ich danke Dir auch sehr, daß Du die Güte gehabt hast, meine Unbescheidenheit, Dir die Sachen zu senden, nicht übel genommen hast. Die Mutter und Schwester von Graf O’Donelle238 sind hier und beides zu liebenswürdige Menschen. Die Tochter spielt süperbe Clavier. Sie können sich garnicht trösten, daß sie nicht in Dresden gewesen sind, wie Sophie dort war, aber die Alte war krank in Töplitz, wo sie Homburger getrunken, der ihr schlecht bekommen ist. Von Linda239 hatte ich auch vor kurtzem einen Brief, wo sie mir auch von ihrer schweren Prüfung schreibt, in anderen Umständen zu sein. Ich glaubte, sie wäre ganz getrennt. Das ist ein, auch ein trauriges Schicksal. Elise Rauch ist am 10ten in Berlin angekommen, doch hat sie mich nichts merken laßen. Am 11ten war sie auch nicht in Ivenack, wo meine Kinder sich einige Stunden aufgehallten hatten. Daher weiß ich aus Petersburg seit 14 Tagen nichts. Nach der Zeitung ist Rochow wieder dorthin zurück. Das freut mich sehr. Münster ist zu scharf, Luise schreibt es mir auch. Die alte Münster240 liebt man sehr am Hof und wird viel gesehen. Deine treue Adine Wie lange bleibst du in Ischel? [Heiligendamm] Cottege, den 7ten September 1853 Gestern Mittag erhielt ich Deinen lieben Brief, aus zwei einzelnen Blättern bestehend, aus Ischel und Salzburg, was mich sehr amüsierte. Habe Dank, meine geliebte Elis, daß Du meiner so liebreich gedacht, und daß Du mir gleich détaills über den Tod von der 235 Grundsteinlegung des Leuchtturms Greifswalder Oie am 24. Aug. durch den preuß. König. 236 Moritz von Bethmann (1811–1877), preuß. Konsul in Frankfurt am Main, verh. mit Maria Freiin von Bose (1819–1882), sowie sein Bruder Alexander von Bethmann (1814–1883), Gutsbesitzer auf Křinec in Böhmen, verh. 1840 mit Johanna Friederike von Heyder (1816–1894). 237 Fürstin Aloysia Eleonore von Schönburg-Hartenstein, geb. Prinzessin von Schwarzenberg (1803– 1884), die Großherzogin Alexandrine im Juni in Marienbad kennengelernt hatte. 238 Christine Gräfin O’Donell von Tyrconell, geb. Prinzessin de Ligne (1786–1867), und ihre Tochter Euphemia (1823–1890), Mutter und Schwester von Maximilian Graf O’Donell von Tyrconell (1812–1895), österr. Oberst und Flügeladjutant. 239 Théodelinde de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1814–1857), verh. 1841 mit Wilhelm Graf von Württemberg, Herzog von Urach (1810–1869), war schwanger mit ihrer jüngsten Tochter Mathilde Gräfin von Württemberg (1854–1907), geb. am 14. Jan. 1854. 240 Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872).
1853
145
lieben Amelie von Schweden giebst.241 Ich fand ihren Tod in der Kreutzzeitung und war tief betrübt darüber. Ich dachte mir gleich, daß es der Herzkrampf gewesen, der ihr Ende so schnell gebracht. Ach, sie jammert mich unbeschreiblich, daß sie so allein gestorben ist. Ihre geliebte Sophie in Ischel und der Bruder242 in der Schweitz. Es wird für sie die letzten Stunden erschwert haben, denn sie hatte ein Herz von Liebe. Du weißt, daß sie mir noch einen langen Brief geschrieben, als Du, liebe Elis, von Wien fortgereiset. Dein Besuch hatte sie so glücklich gemacht. Sie liebte Dich unbeschreiblich. Es ist ein zu trauriger Gedanke, daß man so liebe Geschöpfe nie wieder sehen soll! Ich sehe sie so deutlich vor mir mit ihren schönen, dunklen, blauen Augen, die einen sehr durchbohrend ansehen konnten, und ihren listigen Blick, und dabei diese Herzensgüte und die Fülle von Liebe. Dieser Brief wird Dich in Dresden finden, und da will ich gleich ein paar Fragen thun, nehmlich mein Sohn Fritz wünscht sehr, daß wir beide nach Berlin kommen möchten zur Parade, wo unsere mecklenburgischen Truppen auch dabei sein werden. Auguste ist aber mitten in ihren kalten Seebädern, die ihr so gut thuen, und sie sie daher nicht unterbrechen möchte. Daher werde ich mich wohl auf den Weg machen und am 15ten Nachmittags in Berlin ankommen. Werde ich Dich dann in Charlottenburg finden? Und wo dürfte ich mich am 16ten einfinden, um mit Dir zur Parade zu fahren? Ich bin nehmlich so dreist zu glauben, daß Du mich mitnimmst. Ich wollte dann den 17ten bleiben und am 18ten wieder zurück, weil am 19ten der erste Geburtstag vom kleinen Paul ist.243 Werden wohl in den beiden Tagen ein großes oder größere Diners sein? Wenn am 15ten abends irgent ein Fest sein sollte, so werdet ihr wohl verzeihen, wenn ich nicht erscheine, da es der Geburtstag von meinem lieben Paul war. Noch muß ich dir sehr danken, daß Du mir so ausführlich schriebst über die Braut vom Kaiser.244 Diese 14 Tage der Freiheit in Ischel, wo das Brautpaar so ungeniert hat leben können, wird ein Glanzpunkt in ihrem Leben bleiben. Das kommt so nie wieder. Mit treuer Liebe, Deine Adine Deiner Schwester empfehle ich mich. Ludwigslust, den 23ten September 1853 Tausend Dank, meine geliebte Elis, daß Du mir gleich das Briefchen von Elise geschickt, was mich sehr interessiert, auch sehr, daß es ihr so gehet wie mir, daß wenn man Charlotte eine Freude machen kann und ihr wirklich nützlich ist, daß man dann nicht anders kann, als nachgeben und länger bleiben, wenn man so dringend und herzlich gebeten 241 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853) war am 31. Aug. verstorben. 242 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 243 Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. Sept. 1852. 244 Verlobung von Prinzessin Elisabeth (Sisi) in Bayern (1837–1898) mit Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) am 19. Aug. in Ischl.
146
Briefe 1851–1873
wird. Zu Fritz seinem Geburtstag werde ich mich wohl auch einfinden und über mein länger oder kürtzer Bleiben es darauf ankommen laßen. Denn es wird doch nichts mit den Plänen machen. Es kommt immer anders. Wir sind denn gestern hier nach Ludwigslust gekommen, um unseren Herbstaufenthalt hier zu machen, anstatt daß Fritz und Auguste nach Italien gereist. Diesmal sind mir diese schönen Aussichten wirklich recht in der Quer gekommen, weil ich im Frühjahr so gerne zu meiner Tochter Luise wollte, und dies geht nun auch nicht, da die Niederkunft im Mai oder Ende April fällt.245 Ich bin déspérat.246 Auguste ist aber diesmal recht wohl, kräftig und munter, ganz anders wie die beiden Erstenmale. Ich fahre heute Nachmittag nach Schwerin, wo ich 8 Tage bleibe, um auch mal mein Greenhaus etwas zu genießen und die Bekannten wiederzusehen. Vom 8ten Oktober an bin ich dann in Ludwigslust. Dobbran haben wir so ungern verlaßen, da es ganz himlisch noch war, so warm. Die Sonne schien so prächtig, das Meer einzig beleuchtet. Es war so ruhig dort, denn kein Mensch war mehr da. Es war ein ganz ländlicher Aufenthalt. Nun leb wohl, ich will zu meinem Enkelchen und dann einige Besuche machen, vor allem zu der sehr kranken Generalin Both.247 Gott mit Dir. Wir lange bleibt Anna248 noch in Berlin? Und was wird aus den Plänen werden? Deine Adine Was wird aus Elise Rauch? Bleibt sie so lange, oder was wird sie thuen? Schwerin, den 26ten September 1853 Wie soll ich Dir danken, liebe Elis, mir gleich die glückliche Niederkunft von Lollo geschrieben zu haben.249 Die Arme, daß sie so viel gelitten hat. Ich glaube, das ist jedesmal, was mich wundert, da ihr Bau das Gegentheil erwarten ließ. Mein Fritz und Auguste sind zu Gevatter gebeten. Ich glaube aber, eine Frau, die in anderen Umständen ist, darf es nicht annehmen. Es soll den Kindern Unglück bringen, oder ist dieser Aberglaube nicht in Berlin? Ich bin hier in Schwerin in mein Greenhaus. Das Wetter ist aber grausenhaft schlecht, daß ich morgen nach der Stadt ins Palais ziehe, es müßte denn mit einem Mal schönes Wetter werden. Bis Freitag bleibe ich hier und sehe zu Tisch und zum Thee einige Menschen, was mir Freude macht. Von Schwester Luise habe ich einen langen Brief bekommen, wo sie denn entzückt von Moskau schreibt und vom Fest der Chevalier Garde, wo leider Charlotte Herzklopfen 245 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920), geb. am 14. Mai 1854. 246 Frz. = verzweifelt. 247 Johanna Freiin von und zu der Tann (1785–1863), verh. 1816 mit Carl Wilhelm Ludwig Hartwig von Both (1778–1860), mklbg.-schw. Generalleutnant und Gouverneur von Schwerin. 248 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) hatte am 26. Mai Prinz Friedrich Wilhelm von HessenKassel-Rumpenheim (1820–1884) geheiratet. Das Ehepaar residierte in Dänemark, im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel, in Weimar, in Berlin, auf Gut Panker in Holstein oder auf Schloss Rumpenheim. 249 Geburt von Prinzessin Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen (1853–1923) am 23. Sept.
1853
147
bekommen. Es war nur um 1 Uhr Parade und Messe, das Theater und Ball war verschoben auf den folgenden Tag. Dann schreibt sie auch noch, wie sehr der Kaiser gebeten, daß sie noch bei Charlotte bleiben möchte, bis er zurück wäre, damit sie nicht so allein sei, und da hatte sie nach manchem Kampf das Opfer gebracht, Fritz250 allein abreisen zu laßen. Aber es wäre ein solches Glück, wenn man Charlotte eine Freude machen könnte, daß es über alles weghübe. Es ist etwas sehr eigenes, wenn man denkt, daß sie Kinder und Schwiegertöchter hat und doch allein ist. Aber die Verhältnisse bringen es so. Helene hat ein Fest in Kamenoi Ostrof251 gegeben, wobei sie so jung und hübsch ausgesehen hat. Es ist ein proverbe la partie de dama252 von der Volnys (Leonti Fee)253 und Mondidie254 in Perfektion gespielt, dann tableaux mit Gesang und Pantomime, scharmant von Personen aus der Gesellschaft aufgeführt. Luise kann sich nicht genug wundern, wie Helene nur immer sucht, sich zu amüsieren. George und Katy sind in Berlin gewesen. Wie sehen sie aus? Nun sind sie in Strelitz. Haben sie nicht von Mary erzählt, wie es ihr geht und ob sie zum Winter nach Rußland geht? Mir will es immer scheinen, als wenn sie die Rückkehr sehr verzögert. Bitte sage doch an Fritz meinen innigsten Dank für die Gnade, daß er Wilhelm zum Major gemacht.255 Ich habe mich sehr darüber gefreut. Und dann möchte ich auch noch so recht danken für die Gnade, die er für meine lieben Meklenburger Truppen gehabt, sie schwärmen aber auch sehr.256 Nun leb wohl, ich hoffe, wenn ich im Oktober nach Sanssouci komme, wirst Du mit mir zufrieden sein. Deine treue alte Adine Ich las in der Zeitung, daß die Leiche von Amelie von Schweden nach Oldenburg gebracht ist, und der Bruder sie begleitet hat.257 Ich bin noch immer so betrübt über den Tod. Ich kann es nicht sagen, ihr Bild steht immer vor mir auf dem Tisch.
250 Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881). 251 Kamenny Ostrow (russ. = Steininsel) in der Newa in St. Petersburg, auch „die Inseln“ genannt, entwickelte sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts zum villenreichen Vorort von St. Petersburg. 252 Frz. = ein Sprichwort „Das Damespiel“. 253 Léontine Volnys, geb. Fay (1810–1876), frz. Schauspielerin am Michailowski-Theater in St. Petersburg, verh. 1832 mit Charles Joly, genannt Volnys (1803–1893). 254 Alexis Jean-Louis Labriche, genannt Montdidier (gest. 1869), frz. Schauspieler am MichailowskiTheater in St. Petersburg. 255 Beförderung von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin zum preuß. Major am 21. Sept. 256 Vom 12. bis 21. Sept. fanden bei Berlin Manöver des preuß. Gardekorps und des 3. Armeekorps statt, an denen auch mecklenburg-schwerinsche Truppenteile teilnahmen. 257 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877) begleitete den Leichnam seiner Schwester Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853) zur Beisetzung nach Oldenburg.
148
Briefe 1851–1873
Ludwigslust, den 1ten Oktober 1853 Verzeih, meine liebe Elis, wenn ich Dir heute schreibe, aber ich habe eben in der Zeitung gelesen, daß Therese von München258 so schwer erkrankt sei, und da möchte ich gerne wißen, ob es wahr ist, und ob Du direkte Nachricht von ihr hast. Es wäre zu traurig, wenn sie ihren Brüdern so schnell folgen sollte. Ich hoffe, es ist nur eine falsche Zeitungsnachricht. Fritz Oranien ist ja endlich auch angekommen. Die Seereise muß fürchterlich gewesen sein. Luise schrieb mir durch ihn und meint, am 8ten abzureisen von Petersburg. Ich möchte, sie ginge zu Lande. Es ist wirklich jetzt ängstlich bei diesen Stürmen. Charlotte soll es doch jetzt ziemlich gut gehen. Sie habe am Festtag von Chevalier Garde und den Tag nach der Parade Messe und Diner gehabt, und dann Theater und Ball, alles in Jelagien.259 Nun sind sie in Zarskoe Selo etabliert. Der Abschied von den beiden Schwestern wird recht schwer werden, denn nun kann keine dritte Schwester mehr zur Gesellschaft kommen. Wenn nur erst Elise Rauch wieder bei Charlotte ist, dann ist schon vieles wieder gut. Wann Mary und Olga nach Petersburg gehen, weiß niemand. Letztere hat einen Besuch von Helene gehabt in England. Sie ist aber nicht sehr enchantiert von ihr. Morgen Mittag erwarten wir Fritz Carl. Er will einige Jagdten hier mitmachen. Ich fürchte aber, sie werden schlecht ausfallen. Das Wild ist so sehr flüchtig. Fritz kam eben von so einer Jagdt zurück, ganz naß und durchfrohren. Mein Sohn Wilhelm kommt auch zu meiner großen Freude. Nun leb wohl. Am 13ten hoffe ich Dich wiederzusehen und Luise dann auch dort zu finden. Ich küße Butt. Deine alte Adine Ludwigslust, den 4ten Oktober 1853 Ich danke Dir tausend Mal, meine Elis, für Deine beiden Briefe. Die Reise von Fritz nach Warschau hat natürlich alle Menschen sehr überrascht.260 Aber ich bin glückselig darüber, denn welch ein Glück, wenn sich diese 3 Monarchen sprechen und einigen, was in dieser verhängnisvollen Zeit zu thuen ist, und daß sie Hand in Hand dem Feinde entgegen treten, woher er auch kommen mag. Das selbst Sehen und Sprechen ist so viel beßer, als wenn da hin und her geschrieben wird. Das giebt fast immer Mißverständnisse. Münster wird etwas angegriffen gewesen sein, so immer auf der Eisenbahn zu liegen, aber wenn etwas Gutes dabei bezweckt worden ist, so wird er der erste sein, welcher sich glücklich fühlt, in seinem Beruf gehandelt zu haben. Der liebe Gott wird Fritz in seinen väterlichen Armen halten und ihn schützen, damit ihm die Reise nichts schadet. Die Nachtreise wird recht kalt gewesen sein. Ich denke mir aber, daß Fritz sich gehörig dafür
258 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 259 Insel Jelagin in der Mündung der Newa mit dem Jelagin-Palast als Zarenresidenz. 260 Der preuß. König reiste zu einem Treffen mit den Kaisern von Russland und Österreich, um über den drohenden Krieg mit dem Osmanischen Reich zu sprechen, dem Russland dann am 16. Okt. den Krieg erklärte.
1853
149
geschützt haben wird. Für die Nachricht von Therese261 danke ich Dir auch herzlichst. Aber welcher Zukunft geht die Ärmste entgegen, wenn man auch eine Brustwassersucht befürchtet. Das soll der schrecklichste Tod sein, den man sich denken kann. Fritz Karl kam am Sonntagmittag hier an, war so freundlich und liebenswürdig, wie ich ihn nie gesehen und keine Ahnung hatte, daß er sein könnte. Er hat ein Diner von alten Weibern mitgemacht, zum Trost war das Offizierscorps unserer Dragoner auch gebeten, und da bewegte er sich mit so viel Leichtigkeit dazwischen herum, daß ich mich sehr freute. Am selben Abend sind die Herrn zur Jadgt nach Friedrichsmoor gefahren, von wo sie heute Abend erst zurückkommen, und in der Nacht mit dem Schnellzug kehrt Fritz Karl nach Berlin zurück. Die Herzogin Pauline von Nassau262 kömmt heute nach Berlin und bleibt wohl morgen. Wie sieht sie aus, noch hübsch? Und wie ist die Tochter?263 Ich kann mir Helene recht denken, wie sie im Sommer war. Sie genießt in follen Zügen ihre Freiheit und freut sich hübsch, dabei zu sein! Die Taufe von Lollo werde ich also wohl miterleben. Man ist wohl in runde Kleider mit Brillanten, nicht wahr? Mary264 werde ich auch auf ihrer Durchreise in Berlin sehen. Deine Adine Die Reise von Fritz Oranien muß gräslich gewesen sein, wenn Luise nur eine gute Seereise hat. Wenn der Kaiser265 nur zum 8ten zurück sein kann, sonst bleibt sie noch länger aus. Ludwigslust, den 5ten November 1853 Meine Elis, ich will Dir heute Nachricht geben von unserer lieben Anna,266 welche gestern um 12 Uhr hier ankam, noch ganz verweint und matt vom Abschied. Es ist ihr unendlich schwer geworden, sich von Euch und Berlin zu trennen, doch war sie sehr liebenswürdig und ließ sich alles gefallen, was man mit ihr aufstellte. Erst wurde bei Auguste gefrühstückt, dann fuhren die beiden Fritzens267 aus, und wir blieben mit den Kindern sitzen bis nach 2 Uhr, dann fuhr Auguste mit Anna etwas umher. Um ½ 5 war Diner, Minister Graf Bülow mit Frau und Tochter268 waren noch hier vom Tag vorher vom 261 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 262 Herzogin Pauline von Nassau, geb. Prinzessin von Württemberg (1810–1856). 263 Prinzessin Helene von Nassau (1831–1888), seit 26. Sept. verh. mit Fürst Georg Viktor zu Waldeck-Pyrmont (1831–1893). 264 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 265 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 266 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918) hatte am 26. Mai Prinz Friedrich Wilhelm von HessenKassel-Rumpenheim (1820–1884) geheiratet. 267 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin und Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 268 Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident, mit seiner Frau Luise Gräfin
150
Briefe 1851–1873
Hochzeitstag, wo großes Diner gewesen war. Dies erfreute Anna, ein bekanntes Wesen hier zu treffen. Dann waren noch ein paar Damen und Herren gebeten. Nachtisch zogen wir uns um und liefen dann zu die Kinder, um sie zu Bett bringen zu sehen. Sie waren beide sehr liebenswürdig, und Friedrich269 verliebte sich ordentlich in Anna. Er umarmte sie und küßte sie und sah sie schmachtend an. Es war zu komisch. Um ½ 9 Uhr war Thee mit dem Hof und ein paar Damen. Wir spielten auch Kartenspiele. Todtmüde kamen sie gegen 11 Uhr in ihr Bett. Heute hörte ich noch nichts von Anna. Fritzens sind früh zur Jagdt, und ich will Anna späther etwas herumfahren, und unter anderem die Villa Gustava von Wilhelm ihr zeigen.270 Auguste will mit Anna Caffee zusammen trinken, und ich wollte Dir schreiben. Grüße Luise von mir, und ich dankte für ihren lieben Brief. Nun leb wohl. Caroline271 wird nun wohl bald abziehen. Deine treue Adine Eben kömmt Anna zu mir. Sie hat gut ausgeschlafen und küßt Dich tausendmal. Schwerin, den 3ten December 1853 Meine liebe Elis, ich melde mich, seit Mittwoch hier wieder eingetroffen, aber so erkältet und miserabel an Kopfweh, daß ich garnichts vornehmen konnte, sondern auf der chaiselonge lag, bis es Zeit war, mich der Welt zu widmen. Gestern haben wir bei Sell getauft, und ich mußte für Auguste das Kind hallten, was groß und stark ist.272 Das Wetter ist himlisch, freilich kalt, und der Wind hielt die ersten Tage meine Zimmer mehr wie kühl. Ich bin denn so froh, hier endlich in mein liebes Schwerin zu sein, daß ich es gewiß nicht so bald verlaße. Seit anderthalb Jahren habe ich nicht mein Palais bewohnt, und da giebt es viel aufzuräumen, aber mein Kopf wollte mir eine gründliche Aufräumung noch nicht erlauben. Meine Kinder und Enkel habe ich alle wohl gefunden, und wir freuen uns nun sehr, einmal wieder ruhig mit einander leben zu können. Ach, wenn die Menschen doch das Leben natürlich nehmen wollten, wie glücklich würden sie sein. Ein Leben wie in Weimar muß eine Hölle auf Erden sein, die Großfürstin,273 welche fürchtet, sich etwas zu von Bülow, geb. von Bülow-Cummerow (1809–1858) und verm. ihrer einzigen noch unverheirateten Tochter Elisabeth Gräfin von Bülow (1831–1906). 269 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. März 1851. 270 Villa des Herzogs Gustavs zu Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust, die sein Großneffe Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin geerbt hatte. 271 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854) reiste am 7. Nov. aus Potsdam ab. 272 Taufe von Auguste Freiin von Sell (1853–1935), geb. am 1. Nov. als Tochter von Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), Oberhofmeister der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, und seiner Frau Charlotte Freifrau von Sell, geb. Edle von Hochstetter (1819–1908), ehem. Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 273 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland (1786–1859).
1853
151
vergeben, und Sophie274 von ihrer Seite auch. Sie sprach mir darüber, und da erzählte ich ihr von meinem Leben, und wie ich es gleich von Hause aus eingerichtet hatte, und daß ich das glücklichste Leben von der Welt zu Haus führte, und daß ich nirgens glücklicher wäre. Da antwortete sie mir, ich bin neugierig, wie es sich hier machen wird. Also schien von ihrer Seite garkein guter Wille da zu sein. Ich war recht froh, von Eisenach und Weimar fort zu sein. Es ist an beiden Orten kein gemütliches Leben. Von der Fusion sagte mir Helene275 kein Wort, erst in Weimar erzählte es mir die Tante. Ich denke mir, Helene billigt es und wird sich neutral verhallten, bis der Paris276 mündig ist. Er ist sehr groß und schlank, aber ganz schief, der Kopf und die Figur, dann stößt er an beim Sprechen, als wenn ihm Zähne fehlten. Er ist aber doch ein hübscher Mensch. Der Chartre277 ist groß für sein Alter, aber sehr blaß, die Augen ganz blaß blau, die sich beim Sprechen beleben. Er schien mir unerhört lebendig. Meine Schwiegermama, die ich in Eisenach treffen sollte, war unwohl und kam nicht. Darauf meldete sie sich den Tag nach meiner Abreise an, aber die Fürstin Mutter278 soll entsetzlich schwach geworden sein, Schlafsucht und Schwindel, was sie sehr ängstigt und wohl mit Recht. Nun adios, ich habe schrecklich viele Briefe zu beantworten. Deine Adine Schwerin, den 9ten December 1853 Ich habe eben einen schönen Brief an Fritz geschrieben, noch einmal wegen der Maltzahnschen Angelegenheit.279 Ich bath noch dringend, die 4000 Reichsthaler ihm zu erlaßen, weil er nur allein dadurch gerettet werden kann. Bitte sage auch ein Wort zu [seinen] Gunsten. Er geht sonst unrettbar zu Grunde, und eine schleunige Antwort muß bald kommen, weil es der letzte Moment ist. Für Deinen lieben Brief habe ich ja so tausend Mal zu danken, da du noch immer unwohl warst. Als ich damals schrieb, ahnte ich garnichts davon, und gleich nacher fand ich es in der Zeitung, daß der Umzug nach Charlottenburg darum verschoben wäre. Jetzt
274 Prinzessin Sophie der Niederlande (1824–1897), verh. 1842 mit Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901). 275 Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) war mit ihren Söhnen 1848 aus Paris ins Exil nach Eisenach geflohen zu ihrem Onkel mütterlicherseits, Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853). Die Fusion meint das Zusammengehen mit der anderen, bereits 1830 geflohenen bourbonischen Königslinie zur Wiedererrichtung der 1848 erneut gestürzten frz. Monarchie. 276 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894). 277 Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910). 278 Fürstin Karoline von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1771–1854), Schwester von Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 279 Friedrich von Maltzahn (1807–1888), als Gutsbesitzer von Lenschow und Herzberg in finanziellen Schwierigkeiten.
152
Briefe 1851–1873
hoffe ich aber, wird der Husten bald überwunden sein, denn es war auch in den letzten Tagen so mild, heute freilich weniger. Wir leben hier ziemlich still und einförmig. Ich balge mich noch mit einige Diners herum. Montag gebe ich mein letztes größeres, dann sind die Menschen befriedigt. Das Theater besuche ich fleißig und bin manchmal abends bei Gräfin Bassewitz Schlitz,280 die nicht ausgehen kann, da sie noch sehr lahm ist an dem gebrochenen Fuß. Fritz und Auguste waren beinah 2 Tage abwesend nach Ludwigslust zur Hochzeit von Fräulein von Rantzau.281 Da bin ich viel bei den Kindern gewesen, die einen Nachmittag bei mir zugebracht haben, was ihnen sehr neu und viel Spaß gemacht. Fritz Wilhelm ist ja doch nun abgereiset, und [hat], wie ich sehe, den nächsten Weg nach Italien genommen. Das finde ich sehr vernünftig, denn die Jahreszeit ist nicht gemacht, um durch die Schweitz zu gehen. Fritz Carl ist auch von seinen Jagdten zurück. Ist er befriedigt und entschieden zurück gekehrt? Aus Petersburg habe ich länger nichts gehört, auch nicht gewißes vom Kriegsschauplatz.282 Der katholische Kirchenstreit nimmt eine sehr häsliche Wendung, da von allen Seiten ihm Recht gegeben wird, das heißt katholische Seite.283 Nun adios, Deine alte Adine Schwerin, den 20ten December 1853 Meine liebe Elis, ich hoffe, daß dieser Brief Dich nun ganz hergestellt antrifft und Du Deine Weihnachtsankäufe und Besuche in den Anstallten284 hast machen können. Tausend Dank für Deinen lieben Brief. Die Münster285 wird himlisch gewesen sein, wenn sie von Petersburg erzählt. Ich habe zwei Briefe von Elise Rauch gehabt. Im letzten schreibt sie dann, wie glücklich der Kaiser über die beiden Sänger ist. Am Sonntag ist Tedeum im rußischen Costum gewesen, und nach alter Sitte die 2 hingebrachten türkischen Fahnen von einem detachement Chevalier Garde in den Straßen herumgetragen worden. Charlotte hatte leider grade Herzklopfen, ist aber bei der Messe gewesen, hernach sich sehr
280 Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz (1801–1855). 281 Auguste von Rantzau (1822–1894), Tochter des mklbg.-schw. Hofmarschalls Carl von Rantzau (1782–1851), verh. am 7. Dez. mit Theobald von Böhl (1815–1883), mklbg.-schw. Landrat, Gutsbesitzer auf Cramon. 282 Ausbruch des Krimkrieges zwischen Russland und dem Osmanischen Reich. 283 Im Badischen Kirchenstreit, bei dem die Bischöfe staatlichen Einfluss auf die Belange ihrer Bistümer zurückdrängen wollten, stand Preußen auf Seiten der badischen Regierung, während Österreich die römisch-katholische Kirche unterstützte. 284 Gemeint sind Besuche der preuß. Königin in Waisenanstalten und Krankenhäusern, wie in der mecklenburgischen Familie insbesondere zur Weihnachtszeit. 285 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
153
1853
angriffen gefühlt. Die Raschel286 macht viel Aufsehen und verdreht die Köpfe. Der Kaiser war auch einige Tage recht unwohl, aber die Freude über die glänzenden Waffenthaten seiner Truppen haben ihn leicht genesen laßen. Mandt ist nun auch endlich wieder in Petersburg. Das beruhigt alle Menschen. Der Therese von Oldenburg287 geht es garnicht gut. Ihr Zustand erregt Besorgniß. Von hier kann ich garnichts interessantes schreiben. Gott sei Dank sind wir gesund und sehr mit Weihnachten beschäftigt. Leb wohl. Daß Fritz nichts für die Maltzahns288 thuen will, ist schrecklich. Ich weiß nicht, was aus Ihnen werden soll. Deine alte Adine Ich sende Dir ein Mützchen. Ich hoffe, es wird Dir gut stehen. Schwerin, den 27ten December 1853 Meine liebe Elis, wie schön hast Du und Fritz mich wieder beschenkt. Wirklich, es ist zu prächtig und dabei so geschmackvoll. Habet tausend Dank dafür. Noch weiß ich nicht, ob ich es mir gleich machen lassen soll, oder ob ich es mir nicht lieber zum Frühjahr zur Taufe aufhebe, und es dann zur Robe nehme. Im Juny kann man doch nicht Sammt mit Hermelin anthuen. Ach, das Weihnachtsfest war sehr heiter und froh, und ich genoß es so recht mit dankbarem Herzen, da ich ja voriges Jahr nicht hier war und nun die beiden Enkelchen, welche sich so freuten und so glückselig waren. Wilhelm war ja auch dazu hier, also war ja unsere kleine Famillie ganz zusammen. Luise freilich fehlte, aber die ist ja unerreichbar. Sie hat mir eine sehr schöne, große Schale von grünem Stein geschickt, so edle forte. Von Fritz habe ich rothe Gardinen zum Saal geschenkt bekommen, und eine schöne, braune Samt Mantille. Von Auguste ein süperbes schwartzes Kantentuch und weiße Gardinen in mein Schlafzimmer und eine hübsche Mütze mit Blumen. Von Wilhelm ein Armband, was in einer Nuß ist, und im Schloß ist sein dagerotip.289 Von die Geschwister, sagt man, ein Teppig, aber angekommen ist er nicht. Von der Fürstin eine Glasschaale und von Marie von Altenburg eine weiße Atlas Mantille. Gestern hatte ich einen Brief von Elise Rauch mit sehr vielen interessanten Nachrichten. Am Nahmenstag des Kaisers ist die Nachricht vom Sieg an der asiatischen Grenze angekommen, die Bebutof erfochte.290 Erst ist gewöhnlich Messe gewesen und dann Te Deum im rußischen Cos286 Gastspiel der frz. Schauspielerin Elisabeth Rachel Félix (1821–1858) in St. Petersburg. 287 Prinzessin Therese von Oldenburg, geb. Prinzessin von Nassau (1815–1871), verh. 1837 mit Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser. 288 Friedrich von Maltzahn (1807–1888), verh. 1836 mit Amalie Gräfin von Moltke (1817–1902), als Gutsbesitzer von Lenschow und Herzberg in finanziellen Schwierigkeiten. 289 = Daguerrotypien. Louis Daguerre (1787–1851) hatte das erste kommerziell nutzbare fotografische Verfahren mitentwickelt und 1839 vorgestellt. 290 Wassili Ossipowitsch Bebutow (1792–1858), russ. Generalleutnant. Als Kommandeur eines Korps der kaukasischen Armee besiegte er am 1. Dez. in der Schlacht von Başgedikler den osman. Mar-
154
Briefe 1851–1873
tum, was Charlotte beides mitgemacht hat, aber hinterher sehr ermattet und angegriffen gewesen. Überhaubt greift sie sich zu sehr an mit Damen sehen. Dann sind viele Auszeichnungen und avencements gewesen. General Lambert,291 der sehr von Marie Douzi ausgezeichnet wird, und er liegt ihr zu Füßen, ist von Elisabethgrad nach Petersburg zur Garde a Cheval gekommen. Das wird große Freude machen. Eben war Frau von Maltzahn Lenschow292 hier und sagte mir mit tiefer Rührung und Dankbarkeit gegen Fritz, daß er ihnen die 4000 Reichsthaler wirklich geschenkt hat. Aber ich möchte Fritz auch noch so recht herzlich für die Gnade danken, denn er rettet diese Famillie vom Untergang, und er macht mir persönlich eine ungeheure Freude dadurch. Gott wird ihn dafür seegnen. Ich weiß auch jetzt aus sicherer Quelle, daß Fritz Karl durch Friedrich von Dessau293 um die Schwester294 angehallten, und er das Jawort erhallten, noch ehe der Vater295 etwas davon gewußt. Was wird Mary dazu sagen, und auch Karl? Ich bedaure die arme Marianne. Sie wird eine Hölle auf Erden haben, sonst freut es mich, wenn Fritz sie wirklich liebt. Nun leb wohl, meine Elis, dies ist mein letzter Brief in diesem Jahr, was man wohl für ein glückliches hallten konnte. Was wird das Neue Jahr bringen? Es wird ein Ernstes gewiß werden, Krieg oder Frieden! Du aber, meine Elis, behallte mich lieb wie bisher und erhallte mir Dein Vertrauen, wodurch ich zu glücklich mich fühle. Du weißt aber auch, wie mein Herz an Dich hängt. Gott gebe Dir ein glückliches Jahr, gebe Dir Gesundheit und viele Freude. Deine treue alte Adine Charlottenburg, den 31ten Dezember 1853 Unsere Briefe haben sich gekreuzt, meine Adine. Beyde hatten wir zu danken, aber ich bin darüber betreten, daß der Familienteppich nicht den 24ten erschien. Wenn er nur schön ist, ich habe ihn nicht gesehen. Du sollst meinen Brief morgen früh haben, zum neuen Jahr mit meinen treuen, herzlichen Segens Wünschen. Gott geleite Dich und segne Dich, meine Adine, und gebe Dir und den Deinen Glück und Gesundheit, und Deinen Enkeln Gedeihen. Sage das auch von mir Deinen Kindern. Wir haben das Jahr schall Abdülkerim Nadir Pascha (1807–1883), wodurch die osman. Invasion in Armenien verhindert wurde. 291 Karl Karlowitsch Graf Lambert (1815–1865), russ. Generalmajor, seit 6. Dez. Kommandeur des Leibgarde-Kavallerie-Regiments. 292 Amalie von Maltzahn, geb. Gräfin von Moltke (1817–1902), verh. 1836 mit Friedrich von Maltzahn (1807–1888), als Gutsbesitzer von Lenschow und Herzberg in finanziellen Schwierigkeiten. Trotz der Hilfe musste er 1856 Herzberg und 1871 Lenschow verkaufen. 1873 folgte der Konkurs. 293 Erbprinz Friedrich (I.) von Anhalt-Dessau (1831–1904). 294 Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906) verlobte sich mit Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885). 295 Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871).
1853
155
mit dem heiligen Abendmahl heute Morgen in der Kapelle beschloßen. Es war eine stille, wohlthuende Feyer, wie immer an dem Tage. Ich hatte viel zu danken, denn Fritz und ich sind noch zusammen, und der Herr hat ihn bewahrt in Seiner Gnade. Wir haben manche Freude, manches Glück erlebt, aber die geliebte Amelie von Schweden hat uns dieß Jahr genommen, und das ist ein unaussprechlicher Schmerz, ein unersezlicher Verlust.296 Sophie schreibt mir wieder so traurig darüber in einem Brief, den ich heute bekam. Sie kann sich in die schmerzliche Entbehrung nicht finden! Uebermorgen kömmt der Kayser297 zurück. Sie hatte ihn später erwartet. Heute gingen, außer unseren Hausgenoßen und Schloßwachen aller Klassen, Marie und Karl mit uns zum heiligen Abendmahl, Stolberg und Gröben mit seiner Frau.298 Es schneit unaufhörlich, aber es ist nicht kalt. Gestern war der Wind furchtbar, Spandauer Wind, schneidend. Ich ging doch in den Garten. Du hast allerliebste Geschenke bekommen. Wilhelms Plan ist charmant. Mathild hat auch einen Brief von Elise Rauch vom 24ten gehabt. Charlotte hatte öfter Herzklopfen, konnte aber doch den 18 beym Te Deum seyn. Ich erfuhr erst durch Deinen Brief, daß Fritz das Gesuch der Familie Malzahn erfüllte und freue mich sehr darüber.299 Ich habe ihm in Deinem Namen gedankt. Du weißt nun, daß Mariannchen hier war und die Eltern freundlich mit ihr waren. Ehe sie wegging, gab ihr Fritz Karl ein Armband, das sie sehr freute.300 Aber ich sagte Dir das? Sie spricht sehr hübsch über ihre Zukunft, weiß recht gut, daß sie viel Schweres für sie enthalten wird. Aber sie hat Fritz gern, und das erleichtert ihr alles. Wie rührte mich das Ende Deines Briefes, meine Adine. Behalte Du mich auch lieb wie bisher. Ein treues Herz ist ein solcher Segen. Lebe wohl, Du Liebe, zum leztenmahl in diesem Jahr, wo wir so manche frohe Stunde zusammen erlebt haben. Möge mir die Freude auch im künftigen recht oft werden. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Dein Bruder Wilhelm hatte wieder die Grippe und lag zu Bett. Er ist auf, aber noch matt. Die Bescherung wird erst heute in Coblenz seyn. Schwerin, den 31ten December 1853 Dieses Blatt, geliebte Elis, soll Dich am Neujahrs Morgen begrüßen und Dir sagen, wie ich Dich liebe, wie Deine Freundschaft mich glücklich macht. Erhallte sie mir aber auch bis meines Lebens Ende. Gott seegne Dich und den lieben Fritz und erhallte Euer häus296 Tod von Prinzessin Amalie von Schweden am 31. Aug. 297 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 298 Karl Graf von der Gröben (1788–1876), preuß. General der Kavallerie, Generaladjutant und kommandierender General des Gardekorps, verh. 1816 mit Selma Freiin von Dörnberg (1797–1869). 299 Friedrich von Maltzahn (1807–1888), verh. 1836 mit Amalie Gräfin von Moltke (1817–1902), als Gutsbesitzer von Lenschow und Herzberg in finanziellen Schwierigkeiten. Trotz der Hilfe musste er 1856 Herzberg und 1871 Lenschow verkaufen. 1873 folgte der Konkurs. 300 Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau hatte sich mit Prinz Friedrich Karl von Preußen verlobt und traf sich mit dessen Eltern Prinz Carl und Prinzessin Marie von Preußen.
156
Briefe 1851–1873
liches Glück. Noch muß ich danken für Deinen lieben Brief vom 27ten. Das war noch eine rechte Freude im Alten Jahr. Ich küße Dich dafür. Daß Weihnachten so hübsch und zur allgemeinen Zufriedenheit gewesen, gehört wirklich zu einem Glücksfall. Auch hier habe ich noch zu danken für den Antheil an dem Teppig, den mir die Geschwister senden wollen, denn noch ist er nicht hier angekommen. Ich freue mich sehr dazu, mein Prachtzimmer wird dies Jahr sehr glänzend sein. Nun aber leb wohl. Morgen haben wir eine große Cour, und ihr seid in Potsdam mit den Halloren.301 Erkälte dich nur nicht mit dem Herumziehen aus einem Schloß im Andern. Von Charlotte habe ich selbst einen Brief bekommen, wo sie garnicht von der Gesundheit spricht, aber viel von dem Glück, Olly dort zu haben. Sie wäre des Abends öfter unten bei ihr, weil sie viel liegen müßte. Der Kaiser wäre ernst und sähe nicht rosig in der Zukunft. Der Undank und das mit Fleiß Mißverstehen der Engländer betrübte ihn und erregte ihn.302 Adios, Gott mit Euch. Deine treue Adine
301 Die Salinenarbeiter in Halle pflegten ein besonderes Brauchtum. Alljährlich sandten sie zu Neujahr eine Deputation von drei Halloren an den preuß. König, die ihm poetisch gratulierten und ihm bei Tisch eine Wurst und Soleier überreichten. Sie brachten ihm auch die ersten Lerchen als Lehnsgabe dar. 302 England stellte sich im Krimkrieg auf die Seite des Osmanischen Reichs gegen Russland.
1854 Schwerin, den 9ten Januar 1854 Vielen tausend Dank für Deinen lieben Brief und für die übersendeten Briefe und [das] Armband von der lieben Amelie.1 Es war mir zu wehe, wie ich es auspackte. Es wurde mir von neuem klahr, daß ich sie nie wieder sehen werde, und daß sie uns auf immer entrißen ist. Ich habe noch so manche lieben Andenken von ihr, unter anderem ein kleines Armband mit ihren Haaren, was ich so viel getragen, dann ihr Bild, ihr Zimmer und so weiter. Alles ist mir doppelt lieb. Der schöne Teppich ist glücklich angekommen und wird zum 10ten, wo ich meinen Ball gebe, paradieren. Ich freue mich so dazu und sage Dir und Fritz tausend Dank dafür. Vorgestern habe ich aus Strelitz Antwort erhallten, daß man mich gerne zum Geburtstag von Marie2 am 21ten sehen würde. Wenn es Wetter und Schnee erlaubt, werde ich dann am 20ten hinreisen, 21–22–23ten bleiben und den 24ten zurückkehren. Ich hoffe, daß dann aller Schnee fortgetaut, denn es ist jetzt halzbrechend, hier in den Straßen zu fahren, und so soll es auch auf den Landstraßen sein. Wir haben aber den Schnee benutzt zu hübschen Schlittenfahrten. 2 Parthien sind gemacht mit 18 Schlitten, zuerst nach Friedrichsthal, wo wir dejeunierten und durch die Straßen herumfuhren, und am 6ten nach Steinfeld, wo getanzt und gegeßen wurde und mit Fackeln zu Haus fuhren. Hieraus hat sich auch eine Verlobung entwickelt. Die Hofdame von Auguste, Fräulein von Bülow mit einem jungen reichen Graf Bassewitz Dalwitz.3 Vorgestern haben sie sich verlobt. Sie ist 20 und er ist 22 Jahre alt. Diesen Winter wird sich ein jüngerer Bruder Graf Bassewitz4 in Berlin vorstellen, alles Brüder von dem, der früher bei der Garde du Corps gestanden und die Werder zur Frau hat.5 Nun lebwohl. Wenn Du Deinem Vetter Gustav6 antwortest, bitte danke ihm herzlich für die mir gesendeten Sachen. Deine alte treue Adine
1 Prinzessin Amalie von Schweden, gest. am 31. Aug. 1853. 2 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1888). 3 Verlobung von Charlotte von Bülow (1834–1911), mklbg.-schw. Hofdame von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, mit Heinrich Graf von Bassewitz (1831–1911). 4 Alexander Graf von Bassewitz (1833–1907). 5 Adolf Graf von Bassewitz (1813–1887), preuß. Leutnant a.D., Gutsbesitzer auf Prebberede, in erster Ehe verh. 1838 mit Bertha von Werder (1819–1851), in zweiter Ehe verh. 1852 mit Elisabeth von Werder (1825–1872). 6 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877).
158
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 23ten Januar 1854 Meine liebe Elis, tausend herzlichen Dank für Deinen Brief vom 19ten des Monats. Gestern dachte ich viel an Dich beim Ordensfest und hoffte, daß es Dir nichts geschadet. Zum Glück war es garnicht kalt. Eben erhallte ich aus Dessau eine formale Anzeige von der vollzogenen Verlobung von Marianne mit Fritz Carl. Ich hatte keine Ahnung, daß es schon so weit sei, und freue mich, daß nun alles überwunden ist und Fritz Carl im Hafen angekommen. Aber Marianne ist noch nicht eingesegnet. Das wird nun wohl bald geschehn, und die Hochzeit erfolgt dann auch rasch. Ist schon bestimmt, wo er wohnen wird? Du siehest aus meinem Brief, daß ich nicht nach Strelitz bin, sondern nun auch wohl garnicht hinkomme. Marie hatte die Grippe und der böse Husten hielt sie im Bett. Am 29ten sollen die Feste nachgeholt werden, aber dann kann ich nicht fort, da am 30ten der letzte Ball hier bei Fritz ist, und im Februar, wo ich hin könnte, wollen sie nach Berlin. Der Onkel freut sich sehr zu dem Aufenthallt dort. Wenn wirklich Hoffnungen bei Katy wären, so wäre es ja ganz himlisch, und ich würde mich sehr freuen. Wie würde man in Strelitz jubeln. Der Tod der guten, alten Viereck7 und Valentin Massow8 haben mir beide zu leid gethan. Die alte Kinderzeit ist mit beiden dahin gesunken. Nun ist nur noch die Haak9 vom Hof von Papa und Mama übrig. Gott gebe, daß die arme Loen10 erhallten bleibt. Die zurück getretenen Masern sind so gefährlich. Hier ist auch ein junges Mädchen daran gestorben, ein Fräulein von Schack.11 Unsere Bälle sind bis jetzt sehr gut ausgefallen. Alles tanzt mit Passion, die toiletten sind einfach, aber frisch und hübsch. Es scheint sich noch eine Heirath zu machen, die wohl nächstens bekannt werden wird. Ich hatte einen Brief wieder von Elise Rauch, wonach es Charlotte gut ging. Bei Helene waren Tableaux, und die Raschel12 declamierte an ihrem Geburtstag, wo Charlotte auf 2 Stunden gewesen. Der Kaiser nicht, der sehr ernst gestimmt, England und Frankreich sollten gerade ihre Note übergeben.13 Wie ist Auguste über diesen Krieg zu sprechen? Findet sie England noch so himlisch? Übrigens ist man in Berlin sehr türgenfreundlich 7 Henriette Gräfin von Viereck (1766–1854), 1793–1810 Hofdame bei Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz. 8 Valentin von Massow (1793–1854), preuß. Generalleutnant und Flügeladjutant, gest. am 18. Jan. 9 Henriette Elisabeth (Lisinka) Johanna Ulrike Gräfin von Hacke, geb. Gräfin von Tauentzien (1785– 1859), ab 1804 Hofdame bei Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz. 10 Gabriele Freifrau von Loën, geb. von Bülow (1822–1854), verh. 1842 mit Leopold Freiherr von Loën (1817–1895), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 11 Mglw. Bertha von Schack (1817–1854), gest. am 11. Jan., Tochter von Adam Reimar Christoph von Schack, ehem. mklbg. Gesandter beim Bundestag in Frankfurt am Main, Gutsbesitzer auf Groß Raden, Brüsewitz und Zülow. Eine jüngere Tochter der mklbg. Linie der Familie von Schack, die in diesem Zeitraum verstarb, konnte nicht ermittelt werden. 12 Gastspiel der frz. Schauspielerin Elisabeth Rachel Félix (1821–1858) in St. Petersburg. 13 Diplomatische Versuche, den Krieg der Großmächte gegen Russland noch zu verhindern, scheiterten.
1854
159
gesinnt in vielen Kreisen. Nun adios. Ach, ehe ich es vergeße, Elise Rauch ist ganz durchdrungen von Dank, daß Fritz an Blanche14 die 100 Reichsthaler gelaßen hat. Sage es ihm mit meinDank dabei. Adine Charlottenburg, den 30ten Januar 1854 Du sihst, meine Adine, daß wir noch im lieben, ruhigen Charlottenburg sind, aber leider wird die Herrlichkeit nicht mehr lange dauern. Wir müßen uns entschließen, übermorgen nach Berlin zu ziehen. Heute Abend sind wir dort auf einem Ball bey Radzwill,15 kommen aber zur Nacht wieder hieher. Es ist eine Galgenfrist, das Ordensfest und die Cour sind glücklich überstanden. Wenn nur in der wunderschönen Kapelle nicht der Zug so unleidlich wäre, und ohne Abhülfe leider! Es ist gar zu schade. Das Fest war lange und fatigant, es waren so ungeheuer viel Menschen da, ebenso auf der Cour. Das Concert war schön, eine Menge Herrn und Damen wurden mir vorgestellt, das Corps diplomatique ist ungeheuer zahlreich. Lolo, die diese fête nie gesehen, fand sie sehr schön. Wir kamen den andern Tag hieher zurück. Augustens toilette war unbeschreiblich! Sie hat gar keinen Geschmack. Uebrigens ist sie Gottlob freundlich und guter Laune. Wenn es nur von Dauer ist. Redern16 gab Freytag einen Ball, wo wir nicht waren. Fritz war den Tag auf der Jagd bey Köpnick und kam spät abends wieder zurück. Aus Streliz hatte ich einen Brief von Marie, der mich sehr erfreute, denn mir war bange für sie. Sie kömmt 12 Tage nach dem Onkel, der den 5ten in Berlin seyn will. Schade, daß Du nun nicht mehr hingehen kannst. Daß Du gar nicht hieher kommen willst, ist hart! Dank Dir herzlich für Deinen lezten Brief. Du wirst unterdeßen die Lythographie der geliebten Amelie17 erhalten haben. Findest Du sie nicht sehr ähnlich und schön? Den 17ten ist auch meine dicke, alte Lerchenfeld18 in Wien gestorben! Welcher Schmerz das für mich ist, kann ich nicht beschreiben. Wir liebten sie Alle so und liebten in ihr so vieles, so viele Erinnerungen gehen mit ihr unter. Ihr ist wohl, sie hat viel gelitten und war zulezt in wahrhaft trostlosem Zustand. Bella19 hat mir geschrieben und mir 14 Blanka Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim, geb. von Rauch (1817–1905), war nach dem frühen Tod ihres Mannes am 23. Okt. 1852 mit ihrer Tochter Alexandrine (1844–1917) in finanziellen Schwierigkeiten. 15 Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), verh. 1832 mit Mathilde Gräfin von Clary und Aldringen (1806–1896). 16 Wilhelm Graf von Redern (1802–1883), preuß. Obersttruchsess und Generalintendant der kgl. Hofmusik. 17 Prinzessin Amalie von Schweden, gest. am 31. Aug. 1853. 18 Maria Anna Philippine Walburga Gräfin von Lerchenfeld-Köfering, geb. Groschlag (1775–1854), ehem. Palastdame von Königin Karoline von Bayern, geb. Prinzessin von Baden, gest. am 17. Jan. in Wien. 19 Deren Schwiegertochter Isabella Philippine Gräfin von Lerchenfeld-Köfering, geb. Gräfin Waldbott von Bassenheim (1817–1889).
160
Briefe 1851–1873
einen Ring geschickt, den die Verstorbene von meiner Mutter20 hatte und den sie mir vermachte. Es rührte mich sehr. Es ist ein böser Winter! Die arme Loén21 ist wohl etwas besser, aber viel Hoffnung darf man nicht haben. Eine förmliche Verlobung ist wohl noch nicht in Dessau gewesen, vielmehr Versprechung.22 Uebrigens wurde Mariechen auch verlobt vor der Einsegnung.23 Marianne soll den 3ten März eingesegnet werden, aber gestern sagte mir Fritz Karl, er gedächte erst im Herbst zu heyrathen. Ich kenne nicht seine Gründe. Er ist sehr glücklich. Heute also hast Du den lezten Ball bey Deinem Sohn, und wir wollen den ersten großen Mitwoch geben. Die Heyrath der ältesten Bülow freut mich sehr, denn es war doch unangenehm für sie, daß die jüngeren Schwestern vor ihr heyratheten.24 Ihr habt immer einen Grafen Bassewitz in réserve, wie es scheint. Der junge, den ich Mitwoch kennen lernte, wird wohl auch nicht lange warten.25 Münster schreibt oft. Die erste Neuerung des Kaysers ist wohl begreifflich. Du weißt wohl, daß Orlof26 in Wien ist und auch hieher kömmt? Ich kann mir denken, wie dem trägen Mann die Reise in dieser Jahreszeit unerträglich ist. Ich aber freue mich, ihn zu sehen. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 7ten Februar 1854 Meine liebe Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief noch aus dem ruhigen, warmen Charlottenburg. Nun bist Du in Berlin, und ein Fest jagt wohl das andere. Aber mit ruhigem, heiterem Sinn bist Du gewiß nicht dabei, da ja jetzt ein Wendepunkt in der Politik einzutreten scheint. Orloff seine Sendung, will man wißen, sei als nicht gelungen zu betrachten. In der Zeitung steht noch nichts davon.27 Ach, ich meine, es sei recht einfach, wenn man schon vor 5–6 Monaten gleich zu Rußland gestanden und erklährt hätte, wenn England und Frankreich die Partei der Türken ergreiffen, Preußen und Östreich die von Rußland nehmen, dann bin ich überzeugt, wären die Westmächte nicht so aufgetre20 Königin Karoline von Bayern, geb. Prinzessin von Baden (1776–1841). 21 Gabriele Freifrau von Loën, geb. von Bülow (1822–1854), verh. 1842 mit Leopold Freiherr von Loën (1817–1895), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 22 Verlobung von Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906) mit Prinz Friedrich Karl von Preußen. 23 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 24 Elisabeth Gräfin von Bülow (1831–1906), älteste Tochter des mklbg.-schw. Ministerpräsidenten Hans Graf von Bülow (1807–1869), heiratete am 28. Juni Rudolf Graf von Bassewitz-Schlitz (1823–1877). 25 Alexander Graf von Bassewitz (1833–1907). 26 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. General der Kavallerie und Generaladjutant, seit 1844 Oberkommandeur des Gendarmenkorps und Leiter der geheimen Polizei. 27 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. General der Kavallerie und Generaladjutant, versuchte Österreich und Preußen im Sinne der Heiligen Allianz auf die Seite Russlands zu ziehen.
1854
161
ten. Die 3 Mächte wie Rußland, Östreich und Preußen bietet man nicht so leicht den Kampf. Und noch, meine ich, sei es Zeit, es zu thuen, obgleich schon viel terrain verlohren ist. Aber das neutral sein bringt keinen Seegen, denn während der Zeit rüsten sich die Westmächte, so viel sie können, und sind dann fertig, ehe man sich’s versieht, und führen ihren Schlag aus. Meine Ansicht ist, fest zusammen zu hallten und kräftig gemeinsam auftreten. Dann ist man der Stärkere und flößt Furcht und Respeckt ein. Da habe ich einmal wieder recht resonniert. Ich fürchte, Bruder Wilhelm ist etwas stark vom englischen, blauen Dunst umnebelt, den Auguste geschickt unterhällt.28 Der Tod der guten alten Lerchenfeld29 thut mir sehr leid, wenn mich auch nicht solche Erinnerungen, wie Du sie gehabt, an sie fesselte, so hatte ich sie doch recht lieb. Sie war für mich immer so herzlich und gütig. Der Ring, den sie Dir vermacht, muß Dir recht viel Werth sein. Wie danke ich Dir und Gustav für die Lithograhie von der lieben Amelie.30 Es ist recht ehnlich und schön. Es machte mir einen unbeschreiblichen Eindruck, als ich es aufrollte, denn wenn einem der Tod so vor Augen geführt wird, ist es immer sehr ergreiffend. Die arme Loen31 soll auch noch immer in Lebensgefahr sein, und man glaubt, die schwindenden Kräfte hallten die Schwäche nicht lange aus. Wie traurig für den Mann und die Kinder. Onkel George, denke ich, wird nun in Berlin sein, obgleich ich seine Ankunft noch nicht gelesen. Von Charlotte habe ich Nachricht durch Elise Rauch. Sie ist leider recht leidend an häufigem Herzklopfen, was fast alle 2–3 Tage wieder kommt, und neulich waren nur 24 Stunden dazwischen. Dazu kam eine Erkältung, die sie im Bett hielt. Mandt wendet alles an, um zu erleichtern. Allein die jetzige Gemüthsbewegung über den Krieg und die Politik machen es recht schwer. Ich fürchte sehr für Charlotte, wenn das so beibleibt. Ihre Kräfte werden doch auch immer geringer. Gott wolle alles zum Guten wenden. Es wird einem doch Angst und Ernst ums Herz, wenn man den Blick in der Zukunft hebt. Leb wohl, dies ist ein Brief mit allem Durcheinander. Deine treue Adine
28 Prinz Wilhelm (I.) und Augusta von Preußen vertraten in „Opposition“ gegenüber dem russ. orientierten preuß. Königshof die Auffassung Großbritanniens gegen die russ. Eroberungspolitik. Der präsumtive preuß. Thronfolger Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen sollte sich dann 1855 mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) verloben. 29 Maria Anna Philippine Walburga Gräfin von Lerchenfeld-Köfering, geb. Groschlag (1775–1854), ehem. Palastdame von Königin Karoline von Bayern, geb. Prinzessin von Baden, gest. am 17. Jan. in Wien. 30 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877) hatte ein Bild seiner verstorbenen Schwester Prinzessin Amalie von Schweden geschickt. 31 Gabriele Freifrau von Loën, geb. von Bülow (1822–1854), verh. 1842 mit Leopold Freiherr von Loën (1817–1895), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Sie starb am 16. Febr. in Berlin und hinterließ drei kleine Kinder.
162
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 11ten Februar 1854 Meine liebe Elis, da du mich mehrere Mal aufgefordert hast, nach diesem Winter nach Berlin zu kommen, so habe ich mich entschloßen, am Dienstag auf 8 Tage Euch, ihr Lieben, zu besuchen. Zu meinem traurigen 23ten möchte ich aber wieder zurück sein. Unser Carnaval ist zu Ende, nur am Montag ist noch ein Thee dansant, und den werde ich auf diese Art noch mitmachen. Wolltest Du mich also gütigst bei Fritz anmelden? Ich hoffe, ihr beide schmeißt mich nicht hinaus. Onkel George und Marie mit Lilli werde ich also schon dort finden. Das freut mich auch! Erbgroßherzogs,32 wie ich höre, gehen nach Hannover. Über Politik bin ich auch neugierig, etwas zu hören. Orloff ist ja nun garnicht nach Berlin gekommen, wie schade!33 Auguste, wie es scheint, werde ich nun nicht mehr sehen, aber Bruder Wilhelm bleibt wohl noch in diesem Augenblick. Wie der wohl denkt? Verzeih, wenn ich hier schon ende. Ich habe aber sehr starkes Kopfweh. Der arme Stolberg34 ängstigt mich unbeschreiblich. Gott erhallte ihn. Bitte laß in meinem Nahmen nach ihm fragen. Der alte regierende Graf Stolberg35 liegt auch im Sterben. Auguste36 hatte heute Nachricht. Welche Wonne, auf Wiedersehen zu sagen. Deine Adine Berlin, den 12ten Februar 1854 Meine Adine, ich nahm mir vor, Dir heute zu schreiben in unsrem gemeinsamen Schmerz, denn ich weiß es ja, daß Deine Thränen auch um den theuren Verstorbenen fließen!37 Da kam Dein lieber Brief heute Morgen und erfreute mich durch die frohe Hoffnung, Dich so bald zu sehen. Danke Dir für den guten Gedanken, aber Du wirst recht stille 8 Tage hier zubringen, denn Du begreiffst wohl, daß wir unfähig sind, einen Ball zu geben. Ich hätte so gewünscht, Dich im weißen Saal zu sehen! Fritz ist vernichtet von Schmerz, es zerreißt mir das Herz. Die Familie ist verbunden in ihrem tiefen Schmerz. Morgen Abend oder in der Nacht wird die theure Leiche nach Wernigerode gebracht und die ganze Familie geht mit. Ihm ist wohl! Es ging so schnell, daß wir noch 32 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm und Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 33 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. General der Kavallerie und Generaladjutant, versuchte Österreich und Preußen im Sinne der Heiligen Allianz auf die Seite Russlands zu ziehen. 34 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Oberstkämmerer und Minister des kgl. Hauses. 35 Henrich Graf zu Stolberg-Wernigerode (1772–1854) verstarb am 16. Febr. auf Schloss Wernigerode. 36 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. Ihre Mutter und Stiefmutter waren geborene Gräfinnen zu Stolberg-Wernigerode. 37 Tod von Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Oberstkämmerer und Minister des kgl. Hauses, am 11. Febr. in Berlin.
1854
163
betäubt davon sind! Wir waren kaum ängstlich, so war schon alle Hoffnung vorbey. Wir haben ihn noch viel gesprochen, aber er wußte es nicht, lag mit geschlossenen Augen und ohne Bewußtseyn. Ach, es ist ein unaussprechlicher Schmerz, einen so treuen, lieben Freund zu verlieren! Lebe wohl, meine Adine. Fritz umarmt Dich. Wir erwarten Dich mit offenen Armen! Auguste38 ist gewiß recht betrübt? Grüße Sie von mir und Fritz. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Berlin, den 23ten Februar 1854 Das erste, was ich heute unternehme, meine Adine, ist Dir von ganzem Herzen, wiewohl leider! schrifftlich, Glück und Segen zu wünschen. Schon in der ersten Stunde des lieben Tages betete ich für Dich aus Grund meines Herzens. Gott wolle Dir Alles gewähren, was Du Dir wünschest und Dich in Deinen Kindern segnen. Mir erhalte Deine Liebe und lass uns hoffen, daß wir uns bald und mit leichtem Herzen wieder sehen werden. Von Münster kam gestern ein sehr neuer Brief, den er schreibt während der Canonenschüße, die die Geburt des jungen Großfürsten39 feyerten, und brachte also die Nachricht fast eben so schnell wie der Telegraph. Der Kayser fing an sich zu beruhigen, Gott sey Dank. Aber gegen Münster sind die Leute nicht freundlich und lassen ihn ihren ganzen Zorn fühlen.40 Gestern war Keller41 wieder hier. Die lieben Stolbergs sind wieder in dem traurigen Haus,42 und Amelie Dönhof43 besuchte sie gestern, fand sie ruhig und ergeben und die Gräfin44 froh, ihre Kinder noch um sich zu haben. Ich war eine Stunde bey Marie45 während ihrer Sizung und fand das Bild so weit zurück, daß sie die Plage gewiß noch lange haben wird. Wie kann sie sich diesen Greuel geben! Als ich zurück kam, wurde mir gesagt, die arme Rose Caniz46 habe eben die Nachricht bekommen, daß ihre jüngste Schwester am Nervenfieber ganz rasch und unerwartet gestorben sey!47 Denke Dir den Schmerz! 38 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. Der verstorbene Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode war ihr Großonkel. 39 Das einzige Kind, das zu dieser Zeit in der Zarenfamilie geboren wurde, war kein Großfürst, sondern Großfürstin Wera Konstantinowna von Russland (1854–1912), geb. am 4./16. Febr. 40 Preußen blieb entgegen der Wünsche des russ. Kaisers im Krimkrieg neutral. Die Missstimmung bekamen die preuß. Diplomaten in Russland deutlich zu spüren. 41 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten. 42 Rückkehr nach Berlin nach der Beisetzung des verstorbenen Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854) in Wernigerode. 43 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1871), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 44 Luise Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Freiin von der Recke (1787–1874). 45 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1888), ließ sich offenbar in Berlin malen. 46 Rosalie (Rose) Gräfin von Kanitz (1824–1862), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 47 Luise Gräfin von Kanitz (1830–1854).
164
Briefe 1851–1873
Sie wußte gar nicht, daß sie krank war, und hatte bey Manteuffel noch viel getanzt, und Montag war die Schwester schon gestorben, bey einer Tante, bey der sie seit ihrer frühesten Kindheit war, in der Gegend von Leipzig, ein blühendes, hübsches Mädchen von 23 Jahren. Rose ist gestern Abend abgereist, um der Beerdigung bey zu wohnen. Welcher Winter ist das! Schmerz und Verlust, wo man hinblickt! Mary kam zu mir und blieb lange, erzählte viel von Auguste mit großer Aufrichtigkeit und ohne Illusionen.48 Dann kam Gräfin Schlieffen,49 die ich zum Erschrecken verändert fand, und dann ging ich spät aus und drehte unsere lieben Promenaden. Das diné tête à tête mit Fritz war eine wahre Wohlthat. Das Concert war wirklich sehr schön, und die Gallerie sah wunderhübsch aus mit den vielen Menschen, die Hize war nicht so arg, wie ich fürchtete. Im Rittersaal, wo alles versammelt war und wir viel sprachen, war sie viel ärger. Budberg50 hofft, daß Benkendorf51 nicht für immer weggeht, und sagte so natürlich, daß es für ihn ein großer Schmerz ist, ihn zu verlieren, daß ich kaum an das schlechte Verhältniß zwischen beyden glauben kann. Die Lind52 sang herrlich, und Onkel George, der ganz in der Nähe des Orchesters saß, war entzückt von ihr. Auch die Wagner53 sang sehr gut, und die Spielenden waren auch ausgezeichnet. Heute will ich mit Onkel George bey der Herzogin von Sagan54 essen, und Marie und Lilli mit mir. Lebe nun wohl, meine Adine, und grüße Deine Kinder. À propos, sage mir, was Deinem Wilhelm Freude machen würde zum Geburtstag? Ich habe zwar Fräulein Kameke schon bitten lassen, Dich darnach zu fragen, es ist aber besser zweymal, um sicher zu seyn. Fritz umarmt Dich und wünscht Dir von Herzen Glück. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 25ten Februar 1854 Meine liebe Elis, die 8 Tage, die ich wieder mit Dir habe zubringen können, haben mich sehr glücklich gemacht, und ich danke Dir aus Grund meiner Seele für alles Liebes, was Du mir jedes Mal erzeigst, wenn ich mit Dir bin, und für alle Briefe, die Du mir so fleißig schreibst. Auch dafür danke ich Dir, daß Du mich hast mitgenommen zu der Spazierfahrt. Das waren die ruhigsten Momente, wo wir ungestöhrt sprechen konnten. Ach, wenn man nur helfen könnte. Der Aufstand in Griechenland scheint sehr um sich zu 48 Prinzessin Marie von Preußen über ihre Schwester Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. 49 Katharina Gräfin von Schlieffen, geb. Katharina Petrowna Schuwalowa (1801–1858), verh. 1823 mit Karl Graf von Schlieffen (1798–1845), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant. 50 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen. 51 Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. Militärbevollmächtigter in Preußen. 52 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 53 Johanna Jachmann-Wagner (1828–1894), Sängerin an der kgl. Hofoper in Berlin. 54 Herzogin Dorothea von Sagan, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1793– 1862).
1854
165
greiffen.55 Er könnte Rußland helfen. Aus der Zeitung sehe ich, daß Budberg56 lange conference mit Manteufel gehabt. Wie mag die abgelaufen sein? Mathilde schickte mir ein Lonjette und schrieb mir dabei, daß sie einen Brief von Charlotte und einen von Elise Rauch gehabt nach der Todesnachricht vom lieben Anton Stolberg.57 Sie sind dort ebenso trostlos wie wir alle. Gott allein weiß, warum er es gethan. Daher darf der Mensch nicht murren und nicht fragen. Aber es ist ein schwerer und harter Verlust, der ebenso wenig zu ersetzen ist wie der gute Rauch.58 Mein Geburtstag feierte ich recht froh mit meine Kindern und Enkel, aber ganz still. Mittag und Abend waren wir nur unter uns. Ich habe auch hier sehr schöne Geschenke bekommen. Fritz gab mir ein kleine, die copie von Mama59 ihrem Bilde in Strelitz und einen schönen Fecher. Auguste gab mir ein grau moirée antique Kleid, 2 Dutzend Morgenschnupftücher, 2 Mützen, ein Album, um die Zimmer von Papa und Ernst August60 herein zu thun, die Bilder der Kinder, Photographie. Wilhelmchen ein reitzendes Armband, von Mama61 eine kleine Brosche mit ein Pensée, von Marie aus Altenburg 2 Mützen, von den Damen Fensterkißen und ein Spiegel, wo der Rahmen von Ledern gemacht ist, was wie geschnitztes Holz aussieht, einige Fußkißen. Von der Tochter der Vietinghof62 eine Ansicht von Venedig im Mondschein in Öl gemahlt, von Elise Bülow63 ein Kasten, worauf die Festung und die Boerse in Petersburg bei Mondschein, und forne liegen 2 Dampfschiffe mit bunte Lampen illumeniert, wie es am Nahmenstag von Charlotte war. Nun leb wohl, ich will, daß der Brief gleich fort soll, und habe noch viele Briefe zu schreiben. Deine alte Adine
55 Aufstand in Epirus, auf das Griechenland gegenüber dem Osmanischen Reich Anspruch erhob. 56 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen, der den preuß. Ministerpräsidenten und Außenminister Manteuffel im Krimkrieg auf die Seite Russlands zu ziehen versuchte. 57 Tod von Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Oberstkämmerer und Minister des kgl. Hauses, am 11. Febr. in Berlin. 58 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generalleutnant, Generaladjutant und Militärbevollmächtigter in Russland. 59 Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz. 60 Ansichten der Räume von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen verm. im Kronprinzenpalais in Berlin als Residenz ihrer Kindheit, und ein Bild von König Ernst August I. von Hannover (1771– 1851), gest. am 18. Nov. 1851. 61 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 62 Verm. Alexandrine von Vietinghoff (1833–1915), Tochter von Marie von Vietinghoff, geb. von Moltke (1803–1883), ehem. Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, verh. mit Jasper von Vietinghoff (1801–1851), mklbg.-schw. Major und Bataillonskommandeur. 63 Elisabeth Gräfin von Bülow (1831–1906), Tochter von Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.schw. Ministerpräsident.
166
Briefe 1851–1873
Berlin, den 7ten März 1854 Heute, meine Adine, denke ich viel an Dich, und es drängt mich, es Dir zu sagen. Ich habe auch endlich einmal ein wenig Zeit heute Morgen, was mir lange nicht geschah. Ich fürchte, Du bist böse, daß ich Deinen lieben Brief vom 25ten noch nicht beantwortete, aber ich komme jetzt zu nichts, überdem ist es schwer, über das zu sprechen, was einen jetzt am meisten beschäfftigt. Jeder Tag bringt etwas neues, aber selten angenehmes. Fritz bleibt fest bey der Neutralität troz allem, was man thut, um ihn nach Westen zu drängen, von einer Seite, wo man es kaum für möglich gehalten hätte.64 Es thut mir weh, daß man dort nicht fest bleibt, aber die Lage ist auch unbeschreiblich schwer. Wenn nur der Kayser Nicolas es endlich einmal anerkennen wolle, daß Fritz der einzige ist, der nichts gegen ihn thut. Aber er scheint es einmal beschlossen zu haben, seinen ganzen Zorn auf ihn zu werfen und alles andere ruhig einzustecken. Selbst nach dem insolenten Brief des Franzosen65 décorirte er seinen Gesandten, umarmte ihn wie oft, und Charlotte beschenkte die Gesandten mit einem schönen Shawl.66 Solche Dinge begreifft man nicht. Rochow und Münster haben viel zu leiden und zu hören, aber Charlotte ist immer billig und beschwichtigend und Rochows ganzer Trost. Auch George67 und der Würtemberger68 zeigten sich vortrefflich für uns. Dieser lezte kam gestern früh an, nachdem er Mitwoch abgereist war und alles leidlich wohl verließ, auch Charlotte, Gottlob. Das schrieb auch Rochow. Sie habe wohl zuweilen Herzklopfen, sey aber kräftig dabey, die Cesarewna69 hingegen sehr angegriffen. Cathi rundet sich schon sichtlich.70 Hast Du wohl die Rede des Franzosen bey Eröffnung des Senats gelesen?71 Solche Insolenz gegen Rußland und 64 König Friedrich Wilhelm IV. blieb entgegen den Wünschen des russ. Kaisers im Krimkrieg neutral. Wilhelm (I.) Prinz von Preußen trat für die Westmächte gegen Russland ein. Ebenso bereitete der preuß. Gesandte in Großbritannien, Christian Karl Josias Bunsen (1791–1860), ohne Absprache ein Bündnis mit Großbritannien vor. 65 Frz. = anmaßend, unverschämt. Schreiben des Kaisers der Franzosen Napoleon III. an Kaiser Nikolaus I. von Russland vom 29. Jan. Die Enttäuschung Kaiser Nikolaus I. über die neutrale Haltung Preußens überwog sogar die der Konfrontation mit Frankreich. 66 Engl. = Schal, Umhängetuch. 67 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz war russ. General und lebte mit seiner Frau Herzogin Katharina, geb. Großfürstin von Russland, in St. Petersburg im Michailowski-Palast. 68 Verm. Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant, Bruder der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg. 69 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 70 Herzogin Katharina zu Mecklenburg-Strelitz, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), war schwanger mit ihrem Sohn Herzog Nikolaus, geb. und gest. am 11. Juli 1854. 71 In seiner Rede zur Senatseröffnung am 2. März erklärte sich Napoleon III. zum europ. Friedensvermittler und nannte den Krimkrieg einen gerechten Krieg. Die frz. Allianz mit dem Osmanischen Reich, zu der England und bald auch Österreich gehörten, wendete sich gegen die russ. Eroberungspolitik am Schwarzen Meer. Der Kaiser betonte, auch Preußen habe sich von Russland abgewandt. Die frz. Allianz solle ihm und den dt. Staaten helfen, gegen die russ. Dominanz in Europa zu bestehen.
1854
167
Deutschland ist unerhört. Bunsen72 ist wie toll und Fritz in höchster Entrüstung über ihn. Der arme Dicke wird so geplagt in jeder Art, so geärgert und beständig überlaufen, daß seine Nerven im höchsten Grad überreizt sind und mir wirklich Angst und bange für ihn ist. Ich möchte, wir wären schon in Charlottenburg, wo er bey dem schönen Wetter wenigstens in die Luft gehen könnte. Wir werden vielleicht den 10ten dort bleiben oder erst den Mondtag gehen, wo die Strelizer uns verlassen. Der Onkel will aber schon Sonnabend weggehen. Fritz hat sie gebeten, länger zu bleiben, um Auguste von Streliz noch einen Gottesdienst in der neuen Capelle beywohnen zu lassen.73 Der Ball bey Bloomfield74 war eine arge Prüfung. Ich habe sie leider nicht so bestanden, wie ich sollte. Auf meinem dummen Gesicht siht man alles. Zu meinem Erstaunen, aber auch innerlichen Freude, hat Fritz den Gesandten noch nicht zum diné sehen wollen. Ich werde ihn nicht dazu überreden. Auguste75 ist bekümmert, aber doch vernünftig. Der arme Fritz76 siht recht schlecht. Gräve77 sagt, für das kranke Auge wäre nichts zu thun, das andere sey aber ganz gesund. Gott erhalte es ihm. Heute werde ich Marie Stolberg78 und Charlotte Kleist79 bey mir sehen. Die liebe Gräfin Stolberg und Bertha80 waren vorige Woche bey mir. Wir weinten viel zusammen. Die alte Gräfin Münster aus Hannover81 machte uns Sonnabend in einem kleinen Concert bey uns einen tüchtigen Schreck. Sie fiel ohnmächtig hin, auf die Erde, und lange konnte man sie nicht aufheben und wegbringen. Ich glaubte sie todt, vom Schlage getroffen! Es war der Anfang einer ernsten Leberkrankheit, und sie ist noch nicht ausser Gefahr. Die armen Töchter jammerten mich unbeschreiblich. Sonntag hatte ich 23 Kinder bey mir und gab ihnen eine Lotterie. Es war sehr amusent, 16 Radziwill, 3 Schlegell, 2 Massows,82 der kleine Dolphus 72 Christian Karl Josias Bunsen (1791–1860), preuß. Gesandter in Großbritannien. Er bereitete ohne Absprache ein preuß.-brit. Bündnis gegen Russland vor, was zu seiner Entlassung führte. 73 Einweihung der neuen Kapelle im kgl. Schloss in Berlin. 1845–1853 wurde unter den Architekten Friedrich August Stüler (1800–1865) und Albert Dietrich Schadow (1797–1869) dem Schloss ein 70 Meter hoher, achteckiger Kuppelbau über dem Eosander-Portal hinzugefügt. In der Kuppel war auch die Schlosskapelle untergebracht. 74 John Bloomfield, 2. Baron Bloomfield (1802–1879), 1851–1860 brit. Gesandter in Preußen. 75 Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 76 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz war auf einem Auge erblindet. 77 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin. 78 Prinzessin Marie von Reuß-Köstritz (1822–1903), verh. 1842 mit Eberhard Graf zu Stolberg-Wernigerode (1810–1872). 79 Charlotte Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1821–1885), verh. 1851 mit Hans Hugo von KleistRetzow (1814–1892), preuß. Oberpräsident der Rheinprovinz. 80 Luise Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Freiin von der Recke (1787–1874), mit ihrer Tochter Bertha Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1816–1861). 81 Wilhelmine Charlotte Gräfin zu Münster, geb. Prinzessin zu Schaumburg-Lippe (1783–1858), Witwe des brit. und hannov. Ministers Ernst Graf zu Münster (1766–1839). 82 Verm. die Enkel des Fürsten Anton Radziwill (1775–1833) sowie die Kinder von Wolf Benno Ludwig von Schlegel (1801–1860), preuß. Oberst und Kommandeur des preuß. Kaiser Franz GardeGrenadier-Regiments Nr. 2, und von Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des kgl. Hauses.
168
Briefe 1851–1873
Streliz83 und Adinchen.84 Ich war zulezt todt müde und im Schweiß, aber die Kinder glückselig, nur das arme Adinchen mußte bald fort wegen rasenden Kopfwehe. Ihr Vater ist leidend am Fuß. Wilhelm war wieder recht unwohl von der Grippe und sah erbärmlich aus. Gestern fuhr er wieder aus. Mathild sah ich seit Sonnabend nicht. Sie ist gar nicht wohl und siht übel aus. Ich will sie heute besuchen. William kömmt heute. Gestern aßen wir bey Erlaucht en famille. Lebe nun wohl, meine Adine, ich umarme Dich in Gedanken. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 11ten März 1854 Gestern an dem Tag, wo unsere Gedanken sich vorzüglich begegnen, und wo Du im Monument mit den Brüdern gewesen sein wirst, wenn sie wieder ausgehen dürfen, hätte ich so gerne Dir geschrieben und gedankt für Deinen lieben Brief vom 7ten, wo Du meiner mit so viel Liebe gedenkst. Allein, es war bei uns Bettag, und da waren wir erst in die Kirche, wo uns der Dom Chor85 so herrlich durch seinen Gesang erbaute und erfreute. Sage doch Fritz, wie sehr mein Sohn und wir alle und ganz Schwerin ihm dankbar wären, daß er die Erlaubniß dem Dom Chor gegeben, hier her zu kommen. Gestern Abend gaben sie ein geistliches Concert im Dom, der erleuchtet war. Sie sangen prächtig, und die Stimmen klangen herrlich in der schönen Kirche. Es war auch ziemlich besucht. Heute Abend werden sie noch in der Vesper singen und dann zu Wagen bis Ludwigslust fahren, wo sie mit dem Schnellzug nach Berlin zurückkehren. Und ich hoffe, sie werden morgen in der schönen Schloßkapelle nicht heiser sein und Auguste von Strelitz erfreuen. Es freut mich, wenn sie vernünftig denkt, ich traue [dem] aber nicht recht.86. Die Aufsätze in der Kreutzzeitung sind ganz vortrefflich. Ich lese sie mit Freuden. Wenn den confusen Menschen doch die Augen aufgingen. Es ist alles so einfach und klahr. Alles, was Du mir schreibst, und andere Nachrichten verfollständigen und bestettigen, erfreut mich wahrhaft. Wenn Fritz nur standhaft bleibt. Ich fürchte, bei dem ersten Anlauf bleibt es nicht. Er wird noch mehrere Stürme aushallten müßen. Die Democraten unter dem Nahmen von England und Frankreich werden nicht so leicht nachlaßen. Möge Gott die Sendung von Gröben und Fürst von Hohenzollern87 seegnen und sie gelingen laßen. Ich schrieb an Charlotte und bath sie, in meinem Nahmen dem Kaiser zu sagen, wie Fritz allein bis jetzt festhielt an der Neutralität und nie irgent etwas gethan, was gegen Rußland wäre. Hinge83 84 85 86
Herzog Adolf Friedrich (V.) von Mecklenburg-Strelitz (1848–1914). Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. Gastspiel des Berliner Kgl. Hof- und Domchors in Schwerin. Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge, blieb eine in Großbritannien verwurzelte Preußenkritikerin, hier im Hinblick auf die preuß. Neutralität im Krimkrieg. 87 Karl Graf von der Gröben (1788–1876), preuß. General der Kavallerie und Generaladjutant, war auf diplomatischer Mission in London. Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885), preuß. Generalleutnant, war als Gesandter nach Frankreich geschickt worden.
1854
169
gen Östreich doch unendlich schwankend wäre und sich hinlänglich deutlich ausspräche, daß es sich vorbehielte, seine Waffen dahin zu wenden, wo es seine Politik erheischte. Die Politik ist etwas schäusliches! Übrigens glaube ich, sieht es in Ungarn garnicht sicher aus. Dort sind auch viele Griechen und werden nicht alzu wohl gelitten. Nun, es zieht auch genug Truppen dort zusammen. Wie ist William gesonnen? Ist er wohl taktfest? Ich sollte es meinen, wie ich ihn kenne. Wie lange bleibt er? Er sollte Lilli heirathen!88 Ach, appropo, die Naka Schliefen heirathet Fritz von Perponscher?89 Nein, wie ich mich darüber wundere, weil ich wenigstens garnichts davon gehört, daß er sich viel um sie bekümmert. Mathilde ist sehr betrübt, daß sie nicht ihre Schwiegertochter werden konnte. Ist Nacka denn recht glücklich? Ich fürchte, sie bekömmt einen recht kranken Mann, aber schön und gut ist er. Der Schrecken, welchen die alte Münster90 in dem Concert gemacht, muß furchtbar gewesen sein. Wie mag es ihr nun gehen? Adios, am Montag werdet ihr nun wohl nach Charlottenburg ziehen. Ich freue mich für Dich und für Fritz, dem ersten Anlauf ist er doch nicht so ausgesetzt. Manteufel und Bonin,91 das heißt die Minister haben sich recht schwach, um nicht schlecht zu sagen, benommen. Ich schickte sie fort, den Kriegsminister vor allem. Ist unser Manteufel92 jetzt in Berlin? Ich fand ihn mit Fritz nach Potsdam auf der Eisenbahn angegeben. Das ist recht gut, wenn der mit ihm ist. Nun leb wohl, Gott sei schützend mit Euch. Deine treue alte Adine Schwerin, den 12ten März 1854 Gestern Abend, als ich den Brief von Mathilde wider durchlas, entdeckte ich meinen Irrthum, daß Nacka Schliefen mit einen Grafen Pappenheim93 versprochen ist und nicht mit Fritz Perponcher.94 Wie war es möglich, daß ich mich so verlesen? Wer ist denn der Graf Pappenheim? Den einen Mittag war einer zum Diner, blond und elegant. Ist es der vielleicht? Dann ist es eine sehr kurtze Bekanntschaft. So scheint es aber dieses Jahr mode zu sein. 88 Heiratsplan für den noch unverheirateten Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) und die geschiedene Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821– 1876). 89 Das war ein Irrtum. Anastasia Gräfin von Schlieffen (1827–1898) war nicht verlobt mit Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909), preuß. Premierleutnant und Adjutant des Prinzen Georg von Preußen. 90 Wilhelmine Charlotte Gräfin zu Münster, geb. Prinzessin zu Schaumburg-Lippe (1783–1858), Witwe des brit. und hannov. Ministers Ernst Graf zu Münster (1766–1839). 91 Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalleutnant und Kriegsminister. 92 Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, Kommandeur des 5. Ulanen-Regiments. 93 Anastasia Gräfin von Schlieffen (1827–1898) heiratete am 11. Juli Ludwig Graf zu Pappenheim (1815–1883), bayr. Rittmeister. 94 Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909), preuß. Premierleutnant und Adjutant des Prinzen Georg von Preußen.
170
Briefe 1851–1873
Noch füge ich hinzu, wie deutlich und klar ist die Note von unserem Kaiser95 an die Gesandten und wie wahr ist alles. Aber die Westmächte wißen es gewiß besser und werden schreien dagegen. Nun adios, Deine Adine Schwerin, den 21ten März 1854 Gestern hatte ich die Freude, wieder einen lieben Brief von Dir zu bekommen. Mir kam es schon vor, als sei es entsetzlich lange her, daß Du nicht geschrieben, und mit Bedauern sehe ich, daß Du auch wirklich Schnupfen und Husten gehabt. Gott sei Dank, daß es Dir besser geht. Die Luft ist noch abscheulich kalt trotz freundlicher Sonne, die schon alles belebt, und man aus dem Fenster sehend glaubt, es sei Frühjahr und warm. Seit gestern, wo Frühlingsanfang ist, schneit es ziemlich stark, besonders des Morgens, einige Stunden. Natürlich bleibt er nicht liegen. Tausend Dank für die Wünsche zum Geburtstag meines lieben Enkels.96 Es ist ein liebes Kind, voll schöner Eigenschaften, und Gott wolle ihn so erhallten und diese gut entwickeln. Auguste und Fritz waren sehr gerührt, daß Du des Tages gedacht, und danken von Herzen dafür. Es geht ihr bis jetzt außerordentlich gut.97 Sie ist noch so mobiel und sieht wohl aus. Am 18ten April werden wir wohl nach Ludwigslust herübersiedeln. Das ist aber auch der äußerste termien. Ich bin gespannt auf die Rückkehr von Gröben.98 Wie macht es mich so glücklich, daß er so prächtig, wahr und fest war. Wenn Bunsen nur abberufen würde.99 So lange er im Dienst [ist], schadet er. Die Briefe von Charlotte kann ich mir denken. Elise Rauch schrieb mir gestern, daß Charlotte so froh wäre über die Nachrichten aus Berlin. Sie wäre ganz muthlos und matt gewesen. Der Kaiser hat seine Häfen und Flotten bereiset. Am 17ten sollte er zurückkehren. Die englische Flotte in der Ostsee ist ein rechtes Unglück. Wenn sie auch wegen dem Eis noch nichts unternehmen kann, so ist sie doch da und dann wird sie nicht sobald wieder herausgehen. Etwas wird sie gewiß in der Tasche stecken, irgent eine Insel, um auch hier Aufpasser zu sein. Ich fürchte, Manteufel wird nicht so glücklich sein in Wien, und vom Hohenzollern100 hört man garnichts. Ich fürchte immer, Östreich wird uns mit in der Patsche ziehen, denn die wollen in Trüben fischen, das heißt die Donaumündung wiederhaben.101 Die Rede von Manteufel ist äußerst vorsichtig, was aber mich 95 96 97 98
Antwort von Kaiser Nikolaus I. von Russland auf frz. und brit. Vermittlungsversuche. Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. März 1851. Bevorstehende Geburt von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) am 14. Mai. Karl Graf von der Gröben (1788–1876), preuß. General der Kavallerie, Generaladjutant und kommandierender General des Gardekorps. 99 Christian Karl Josias Bunsen (1791–1860), preuß. Gesandter in Großbritannien. Er bereitete nach Beginn des Krimkrieges ohne Absprache ein preuß.-brit. Bündnis gegen Russland vor, was zu seiner Entlassung führte. 100 Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885), preuß. Generalleutnant und Gesandter in Frankreich. 101 Obgleich 1849 von Russland aus der Revolution gerettet, beteiligte sich Österreich nicht aktiv am
1854
171
dabei schmerzt, ist, daß Preußens König nicht mehr allein mit seinem Volk sprechen und fordern [kann] wie sonst, sondern nun ganz constitutionsmäßig an der Kammer geht und es durch der geht. Das ist in Preußen noch nie dagewesen. Wilhelm ist nach Coblenz auf 8 Tage. Ach, wie wird ihm der Kopf wieder noch mehr verdreht werden. Das ist doch zu traurig, daß er so irre Ansichten hat. Ich sehe eben aus der Zeitung, daß Gröben und der Fürst von Hohenzollern zurück sind. Was sie nur gebracht haben? Über Fritz sein Festhallten an der Neutralietät kann ich mich nicht genug freuen. Wie lange wird das aber gehen? Mit Zuversicht kann man aber nicht in der Zukunft sehen. Es ist eine trübe Zeit. Die Strelitzer sind nun über 8 Tage zurück. Der arme Onkel war prächtig, fand ich diesmal, sein Geist ist so klahr, und wie liebt er uns alle. Marie war sehr glücklich, so viel mit Dir sein zu können. Jetzt wird es ihr recht einsam vorkommen im stillen Strelitz. Nun leb wohl, mit treuer Liebe, Deine Adine Luise scheint doch recht krank gewesen zu sein, da sie der Fagel102 aufgetragen, uns Nachricht von ihr zu geben. Ich hoffe, es kömmt bald wieder ein Brief. Der Sohn von Puttchen103 muß sehr gefährlich krank gewesen sein. Nun scheint er in Besserung. Schwerin, den 27ten März 1854 Geliebte Elis, ich muß Dir gleich schreiben und Dir meine Verwunderung, aber große Freude aussprechen über der Verlobung von Luise Karl mit dem Alexis von Hessen Barchfeld.104 Karl zeigte es mir gestern selbst an. Ich habe geschrien und gezappelt mit Hände und Beine. Nein, ist es wirklich wahr, daß die arme Luise doch einen Mann bekömmt? Das freut mich aber so. Es wäre wirklich so nicht länger gegangen. Liebt er sie denn wirklich oder hat man es ihm eingeredet? Weißt Du auch, daß wir schon darüber sprachen, als ich in Berlin war, und Marie von Strelitz und ich fanden es immer passent, besonders wegen der Geistesverwandtschaft. Die Eltern scheinen mit der Wahl recht zufrieden. Wie ist Mary105 aber heruntergekommen mit ihren Plänen für die Tochter, sie sollten alle Kaiserinnen und Königinnen werden. Über diesen Jubel vergeße ich ganz, Dir Krimkrieg, sondern tat alles, um einer russ. Dominanz in Südosteuropa entgegenzuwirken und selbst Gebietsgewinne wie in der Walachei und in Moldau zu erzielen. 102 Wendela Fagel (1827–1894), niederl. Hofdame, Tochter des niederl. Diplomaten Jacob Baron Fagel (1766–1835), verh. 1855 mit Guillaume Albert Charles Herman van Goedecke (1816–1885), niederl. Major und Kammerherr von Prinz Friedrich der Niederlande. 103 Prinz Carl Oscar von Schweden und Norwegen, Herzog von Södermanland (1852–1854), gest. am 13. März. 104 Verlobung von Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, mit Prinz Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). Der Heirat am 27. Juni 1854 folgte 1861 die Scheidung. 105 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach.
172
Briefe 1851–1873
zu sagen, wie ich mich erschrak, daß Bruder Fritz sich so verletzt hat am Auge. Gott sei Dank ist es unter dem Auge. Das kommt von den nächtlichen Promenaden bei stark finsterer Nacht. Mir ist nur unbegreiflich, daß ich erst gestern dies alles erfuhr. Es muß garnichts bekannt gewesen sein, oder man hat es erst nur leicht genommen. Mit Schwester Luise geht es auch nur langsam besser. Sie hat mir wieder schreiben laßen, da sie sich noch zu schwach fühlte, um selbst zu schreiben. Die Krankheit und nun der Tod des Kindes von Puttchen hat sie sehr erschüttert.106 Leb wohl, Gott schütze Euch. Aus Wien sollen ja bessere Nachrichten kommen, und wenn es wirklich gelingt, Östreich, Preußen und ganz Deutschland vereint neutral zu bleiben, so haben wir dies ganz allein Bruder Fritz zu danken, und das wird ihm Gottes Lohn und Seegen bereiten. Deine treue Adine Schwerin, den 27ten März 1854 Meine liebe Elis, Du wirst mich vielleicht zudringlich finden, wenn ich mich zu morgen Nachmittag anmelde, aber ich höre, [dass] Fritz seine Verletzung doch ernster ist, als man es machen will, und da komme ich selbst, um zu sehen und zu hören, wie es steht. Jetzt kann ich grade so schön fort, da Auguste noch wohl ist, und Dich weiß ich auch unwohl. Da muß ich selbst kommen. Finde mich nur nicht zu lästig. Wenn es Dir recht ist, werde ich die erste Nacht in Berlin zubringen und dort auch absteigen. Im Schloß läßt Du wohl sagen, wenn ich Dich sehen kann und herauskommen darf, um Dich nicht zu stöhren, wenn Du bei Fritz bist. Bitte grüße ihn von mir und melde meine Ankunft. Ein paar Tage denke ich zu bleiben, und wenn Du mich lieber in Charlottenburg hast, so wirst Du es bestimmen. Auf Wiedersehen, so Gott will auf morgen. Deine alte Adine Eben höre ich, daß Bruder Wilhelm gestern ankommen soll. Ach, daß er nur nicht die Unterhandlung mit Östreich führt, die Fritz so schön begonnen. Er kann alles verderben! Schwerin, den 4ten April 1854 Meine liebe Elis, zuerst muß ich Dir meinen Dank aussprechen für den freundlichen und herzlichen Empfang, den Du mir, und Fritz, zutheil werden ließest. Es hat mich sehr beglückt, und außerdem war mir dieser Aufenthalt in so vielen Beziehungen von großem Werth. Erstlich, daß ich Fritz besser fand, als ich geglaubt, und ihn eigentlich wohl verließ. Und dann, daß ich das Glück hatte, von ihm selbst zu hören, wie er fest und stark seinen Willen in der Politik durchführen will. Da wird ihm der Seegen des Herrn begleiten, und das Werk wird gelingen. Aber seine Minister müßen vor der Welt besser seine Befehle aus106 Prinz Carl Oscar von Schweden und Norwegen, Herzog von Södermanland (1852–1854), gest. am 13. März.
1854
173
führen, denn die weiß von allen den Ansichten nicht ein Wort und selbst in Berlin nicht, so es sogar sorgfältig verborgen wird und widersprochen. Ich hoffe, die Ministersitzung wird Fritz nicht geschadet haben, denn er war beim Caffee schon sehr preocupiert.107 Ich dachte soviel auf meiner Reise daran, wie es wohl gegangen. Gestern erfahren wir, daß George von Strelitz aus Petersburg angekommen ist. Ist das schon eine Antwort auf Lindheim?108 Gott wolle auch hier seinen Seegen geben, daß eine Verständigung zustande kommt! Wie geht es mit Hessen seine Conference? Ich möchte immer alles auf einmal wißen. Hier fand ich Auguste ganz wohl, sie muß sich nur ruhiger verhallten. Ihre Mama und Schwestern109 bleiben bis Donnerstag, und dieser Besuch macht sie sehr glücklich. Wie geht es Mathilde? Grüße sie von mir. Ich fand sie wirklich recht krank den Morgen. Sie macht mir Sorge, was Haug110 gesagt hat, nachdem er sie gesehen. Ist Adjutant Manteufel111 schon zurück? Ich bin heute wie ein Fragezeichen. Verzeih, die Zeitung wird übrigens heute wohl mehrere Fragen beantworten. Aber der Brief muß vor der Ankunft fort. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Schwerin, den 10ten April 1854 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen Brief vom 7ten mit all den guten Nachrichten. Leider wurde mir aber gestern durch die Kreutzzeitung etwas schwach, als ich sah, daß das Protokol von Wien mit den 3 Mächten auch von Preußen unterschrieben wäre, wie Minister Manteufel gesagt in der Kammer, nach anderen Nachrichten erst wird.112 Ich hoffe, daß hieraus nicht Schlimmes folgt, daß es nicht zu andern Dingen benutzt werden kann, um Preußen mehr zu binden. Besser wäre gewesen, Fritz hätte sich nicht dazu verstanden und wäre fest geblieben. Dann wären wir die Kammer vielleicht dabei loß geworden und die Anleihe wäre nach alter preußischer Sitte grade zugemacht worden.113 Wie groß und stark hätte da Preußen gestanden, welchen überwältigen Eindruck hätte das in
107 = voreingenommen, befangen. 108 Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862), preuß. Generalleutnant, Generaladjutant und Kommandeur des 6. Armeekorps. 109 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), und ihre Töchter, die Prinzessinnen Luise (1832–1862) und Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907). 110 Dr. Hauck, preuß. Oberstabsarzt und Regimentsarzt des Garde-Kürassier-Regiments in Berlin, in dem auch Wilhelm Graf von Brandenburg (1819–1892), der Sohn von Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach, als Rittmeister diente. 111 Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, Kommandeur des 5. Ulanen-Regiments. 112 Das Wiener Protokoll vom 9. April zwischen Großbritannien, Frankreich, Österreich und Preußen konstatierte die Integrität des Osmanischen Reichs und damit verbunden die notwendige Räumung der von Russland besetzten Donaufürstentümer Moldau und Walachei. 113 Der preuß. Ministerpräsident Otto Theodor Freiherr von Manteuffel hatte in der Sitzung der zweiten Kammer am 8. April die Kreditbewilligung zur Mobilmachung der preuß. Armee beantragt.
174
Briefe 1851–1873
der politischen Welt gemacht. Wie würde das Vertrauen gewachsen sein. Wie hätte sich alles dann an Preußen angeschloßen und es gesucht als Stütze!!! George von Strelitz ist in Strelitz gewesen, hat dort viel vom Kaiser114 und von der Liebe und Aufopferung des Volkes erzählt. Nun ist er in Berlin zurück. Wie lange bleibt er wohl? Von Schwester Luise hatte ich gestern ein paar Zeilen. Sie ist noch sehr matt und hat noch nicht ihr Zimmer verlaßen. Das Kopfweh hatte sich mehrere Tage hintereinander eingestellt. Kurtz, sie fühlt sich noch nicht wohl, und es wären nun schon 4 Wochen, daß sie krank sei. Wenn Luise nur einmahl nach Marienbad ordentlich an Ort und Stelle gebrauchen wollte. Es würde ihr gewiß helfen. Heute gehen nun Fritz und Auguste mit Kind und Kegel nach Ludwigslust. Ich folge Mittwoch, ich glaube, in 8 bis 14 Tagen werden wir wohl ein Kleines haben.115 Gott wolle geben, daß alles gut geht. Heute scheint die Sonne so freundlich, und es ist kein Wind wie gestern, der in Sturm ausahrtete. Dafür ist Nordostwind auch nicht lieblich. Ach, die Flotten, die ängstigen mich, wie wird das noch alles werden.116 Ich wußte kein Wort von George von Strelitz seiner Ankunft. Fritz hat in meinem Beisein nie davon gesprochen. Denn sonst glaube ich, wäre ich in Berlin geblieben, um recht genau zu wißen, wie es Charlotte geht und wie der Kaiser ist. Überhaubt hätte [ich] ihn gerne gesprochen. Minister Manteufel und Bonin entließe ich ganz bestimmt, das wüßte ich.117 Sie thuen Fritz und Preußen einen zu großen Schaden. Erstlich gehorchen sie nicht, das ist schon allein dazu gemacht, dann bringen sie Fritz doch am Ende zu Dingen, die er mit seinem rechten und ruhigen Verstand doch selbst für nicht gut hällt. Und Bruder Wilhelm, was kann man mit dem beginnen, wenn er so gegen den Willen von Fritz handelt und sich am Fenster mit den schäuslichen Menschen zeigt?118 Ich faße es nicht, wie er so etwas wagt. Das einzige Mittel ist wirklich, daß Fritz sich entschlöße, und recht ruhig und brüderlich mit ihm zu sprechen und ihm von der weichen Seite nimmt. Er wird sonst ein Rebell, und man müßte ihn einsperren. Nun leb wohl, verzeih meine Herzensergüsse, aber ich bin so voll von allen diesen Dingen. Deine treue Adine Sprich Fritz bitte von meinen Befürchtungen. 114 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 115 Bevorstehende Geburt von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) am 14. Mai. 116 Eine brit.-frz. Kriegsflotte unter dem brit. Admiral Charles John Napier (1786–1860) war in die Ostsee zur Blockade der russ. Häfen verlegt worden. 117 Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882) blieb bis 1858 im Amt als preuß. Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Eduard von Bonin (1793–1865) wurde dagegen am 5. Mai als preuß. Kriegsminister entlassen. Ihm folgte Friedrich Graf von Waldersee (1795–1864), preuß. Generalmajor und zuvor Oberkommandeur der Bundestruppen in Frankfurt am Main. 118 Wilhelm (I.) Prinz von Preußen hatte Ende März in Koblenz Mitglieder der „Wochenblattpartei“ empfangen, in der liberal-konservative Politiker 1851–1861 für einen Anschluss Preußens an die Westmächte wirkten. Das Verhalten des Prinzen von Preußen verschärfte den politischen Konflikt mit seinem Bruder König Friedrich Wilhelm IV. nicht nur über die Neutralität im Krimkrieg.
1854
175 Ludwiglust, den 13ten April 1854
Heute bekam ich diesen Brief von Charlotte, und beim Lesen dachte ich daran, ihn Dir zu senden, damit Du selbst sehen solltest, wie man dort hoch erfreut ist über Fritz. Da fand ich am Ende die Aufforderung von ihr selbst, den Brief zu senden. Der eine Punkt, wo sie von sich selbst schreibt und von der Canonade von Cronstadt, hat mir das Herz zerrißen,119 weil ich ja immer selbst die Idee habe, sie übersteht die Angst und die Agitation des Krieges nicht. Gott wolle solches Unglück verhüten. Ich schrieb ihr schon zurück und meinte, Gott gebe in solchen Momenten mehr Muth und Kraft und Stärke, als man sich selbst zutraut. Das hattest Du, meine Elis, so wunderbar bewiesen in den Tagen des März und die folgende Zeit.120 Gestern gedachte ich viel zu Euch nach Charlottenburg bei der Einsegnung von Klein Abat.121 Es wird feierlich gewesen sein, und er selbst wohl sehr bewegt und ergriffen! Heute seid ihr alle zu Comunion in Charlottenburg gewesen wie auch hier. Der Herr möge uns dies Mahl gesegnet sein laßen, wie bedarf man solcher Seelenstärkung in dieser Zeit der Bewegung, um sich selbst nicht zu verliehren. Gestern bin ich hier in Ludwigslust angekommen. Auguste ist sehr wohl und freut sich, hier viel im Garten sein zu können. Nun leb wohl. Willst Du vielleicht den Brief von Charlotte an Schwester Luise senden? Er wird sie auch erfreuen. Deine alte Adine Was macht die Brandenburg?122 Charlottenburg, Oster Montag, den 17ten April 1854 Für zwey liebe Briefe habe ich Dir zu danken, meine Adine, und hätte es gerne früher gethan, wenn ich Zeit gehabt hätte. Eben wegen diesen Mangel an Zeit und weil ich jetzt eilige Briefe zu schreiben habe, werde ich vielleicht nicht in diesen Tagen dazu kommen, Luise zu schreiben. Daher schicke ich Dir Charlottens Brief zurück, denn gewiß schreibst Du früher an Luise wie ich. Wie hat er mich bewegt, der Brief. Arme Charlotte, wie begreiffe ich, was in ihr vorgeht. Gott wolle sie stärken und kräftigen. Es wird eine schwere Zeit werden, und ich wäre froh, wenn ich sie und die anderen Frauen und Kinder der Familie in Moskau wüßte, im Mittelpunkt des Reiches, in der alten Hauptstadt. Ich meine, da wären sie so geborgen und an ihrem Plaze, aber sie wird das nicht wollen, um beym Kayser zu bleiben. Lindheim123 sagte an Mathild, Olga sey in anderen Umständen. 119 Angriff der brit.-frz. Kriegsflotte im Ostseeraum unter dem brit. Admiral Charles John Napier (1786–1860) auf Kronstadt nach dem Eintritt Großbritanniens in den Krimkrieg. 120 Während der Märzrevolution 1848 in Berlin. 121 Konfirmation des Prinzen Albrecht von Preußen (1837–1906). 122 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen. 123 Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862), preuß. Generalleutnant, Generaladjutant und Kommandeur des 6. Armeekorps.
176
Briefe 1851–1873
Sie frug ihn zweymal, ob sie auch recht verstanden, und er wiederholte es, aber sonst sprach niemand davon. Hast du es auch gehört? Ich kann es nicht glauben.124 Von Rochow sind die Nachrichten etwas beßer. George bleibt nun noch länger, und sein Bruder125 kömmt morgen, ihn auf ein paar Tage zu besuchen. Fritz schickt Dir das Protokoll, das Dich so ängstigte, aber mit Unrecht.126 Es war nur die Art, wie es Manteuffel in der Kammer vorbrachte, die ihm mehr Wichtigkeit gab. Ich habe Fritz Deinen Brief vorgelesen. Was Du von dem Anleihe machen auf alt preußische Art sagst, ist nicht richtig, denn im Gesetz vom Jahr 1820 hat Papa befohlen, daß keine solche Anleihe ohne die Genehmigung der Reichsstände gemacht werden darf.127 Uebrigens wären wir die Kammern nicht los geworden, man muß ihnen nur nicht weiß machen, daß sie so wichtig sind. Mit Bonin128 ist Fritz sehr unzufrieden. Wären wir nur mit Oesterreich im Reinen, aber das ist noch nicht der Fall, denn wir können uns nicht in einen Krieg verwickeln lassen, der uns nichts angeht. Ich begreiffe wirklich nicht, wie man in Wien solche Neigung zum Westen haben kann. Für den Kayser, meinen Neffen, jammert es mich so, daß er in der glücklichsten Zeit seines Lebens so geplagt wird.129 À propos, es war nie die Rede davon, Wilhelm nach Wien zu schicken. Fritz hatte den Plan, Neumann130 zu schicken, es wird aber wohl auch unterbleiben. Man liebt dergleichen nicht in Wien. Dein Sohn ließ anfragen und da kam es zur Sprache. Die Einsegnung war sehr schön und Abat antwortete so gut, so ruhig.131 Von den Abwesenden sprach Snethlage132 und auch Abat in seinem Glaubensbekenntnis, aber ohne die Mutter133 zu nennen. Es machte mir einen so traurigen Eindruck. Das heilige Abendmahl wurde zu unsrer aller Freude auch hier in der Kapelle gefeyert und war sehr zahlreich. Beynahe die ganze Garnison, alles was zum Schlosse gehört, die Familie in extense, selbst Alexis und sein Bruder Jahdebusen.134 Es waren 252 Menschen. Fritz war so 124 Die Ehe mit Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891) blieb kinderlos. 125 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz. 126 Wiener Protokoll vom 9. April zwischen Großbritannien, Frankreich, Österreich und Preußen. Siehe Brief vom 10. April 1854. 127 Preuß. Staatsschuldengesetz vom 17. Jan. 1820. Königin Elisabeths Ausführungen beweisen, dass sie das Staatsrecht der Monarchie besser kannte als eine geborene Prinzessin von Preußen wie Alexandrine. 128 Eduard von Bonin (1793–1865) wurde am 5. Mai als preuß. Kriegsminister entlassen. Ihm folgte Friedrich Graf von Waldersee (1795–1864), preuß. Generalmajor und zuvor Oberkommandeur der Bundestruppen in Frankfurt am Main. 129 Am 20. April unterzeichneten Preußen und Österreich ein „Schutz- und Trutzbündnis“, in dem sie sich Beistand für den Verteidigungsfall zusicherten und dem auch die Staaten des Deutschen Bundes beitreten sollten. Am 24. April heirateten Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) und Prinzessin Elisabeth (Sisi) in Bayern (1837–1898). 130 August Wilhelm von Neumann (1786–1865), preuß. General der Infanterie und Generaladjutant. 131 Konfirmation des Prinzen Albrecht von Preußen (1837–1906). 132 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 133 Die geschiedene Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), die außerhalb Preußens in einer Beziehung mit dem verheirateten Johannes van Rossum (1809– 1873) lebte. 134 Prinz Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905), heiratete am 27. Juni Prinzessin
1854
177
lieb für Wilhelm, küßte ihn, ehe er zum Altar ging. Ich dachte, Wilhelm würde ihm dann etwas sagen, zur Entschuldigung, aber ich irrte mich. Den andern Tag sprach er mit ihm über Politick, aber unbekehrt.135 Adinchen136 ist seit Sonnabend bey uns und glückselig. Gestern lud ich alle ihre kleinen Freundinnen ein, und sie suchten Ostereyer in Erlauchts Garten und tollten später im Saal herum, und meine gute Dönhof137 mit ihnen. Ich besuchte gestern Mathild und war nicht zufrieden mit ihrem Aussehen und ihrer Stimmung, doch fuhr sie zum erstenmal aus. Es war so schön warm, heute ist es wieder kalt. Mir ist doch sehr bangesein hier! Gerlachs Frau138 ist sehr krank an einer Lungenentzündung, was bey der schwächlichen Gesundheit recht ängstlich ist. Solms Baruth139 ist auch noch immer schwer krank. Fritz geht es Gottlob gut, nur ist er noch oft matt. Er will morgen nach Potsdamm gehen. Vielleicht folge ich Donnerstag, ich habe aber gebeten, daß es noch kein vollkommenes établissement sey, möchte noch einmal zurückkommen. Luise hat mir auch geschrieben. Sie war gewiß recht krank. Nun lebe wohl, meine Adine, grüße Deine Kinder. Fritz umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 22ten April 1854 Ich sehe Dich nach der Zeitung noch immer nicht nach Potsdam gefahren und da wird mir ganz bange, daß Du vielleicht unwohl geworden bist. Fritz scheint fleißig zu exerzieren oder zu besehen, und Theater ist auch dort. Also kömmt es mir vor, als wenn der Aufenthalt doch länger dauert, wenn nicht schon fester Sitz in Potsdam genommen wird. Das Wetter war so wunderschön in den letzten Wochen, und gestern war es hier sogar stickend heiß. Heute ist es trübe und kühl, aber kein Regen, wonach der Mensch und die Natur lechzt. Wir leben hier sehr still und regelmäßig. Auguste ist wohl, aber nachgrade unbehülflich. Vom 23ten bis 28ten ist unsere Rechnung zu Ende.140 Die Kinder gedeihen prächtig. Sie sind den ganzen Tag im Garten, wo es sehr grün ist, und die Fahrten im Wald sind prächtig. Nun zur Beantwortung Deines lieben Briefes, liebe Elis, für den ich Dir herzlich danke, so auch Fritz, daß der mir das Protocol gesendet, was mich sehr interessiert hat. Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Sein Bruder Prinz Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1831–1890) war preuß. Leutnant zur See, im Okt. 1854 zum Korvettenkapitän befördert. 135 Offener Konflikt zwischen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und dem Thronfolger Wilhelm (I.) Prinz von Preußen über die Neutralität Preußens oder den Anschluss an die Westmächte im Krimkrieg. 136 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906). 137 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1871), preuß. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 138 Johanna von Gerlach, geb. von Küssow (1796–1857), verh. 1819 mit Leopold von Gerlach (1790– 1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 139 Friedrich Graf zu Solms-Baruth (1795–1879), preuß. Standesherr und Mitglied des preuß. Herrenhauses. 140 Bevorstehende Geburt von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin am 14. Mai.
178
Briefe 1851–1873
Aber beruhigt hat es mich nicht, denn es sind einige Stellen darin, die nach meiner Ansicht recht gefährlich für Preußen werden können, unter andern, la nécessité de constater de nouveau l’union des quartre Gouvernements.141 Etwas, was man ja gerade vermeiden wollte, denn dies scheint mir doch immer mehr für die Westmächte und gegen Rußland. Die Neutralität geht immer mehr verlohren, was Preußen wie Deutschland nur allein frei hallten konnte und retten vor einem Krieg, in den sie doch nun mehr oder weniger mit hineingezogen werden wird. So scheint mir auch der Abschluß mit General Hess142 auch dahin zu führen. Verzeih meine Freimüthigkeit. Ich will wünschen, daß ich mich irre und Unrecht habe.143 Aber nun nichts mehr von Politik. Luise sendete mir unter der Zeit auch ein paar Zeilen von Charlotte und einen Brief von Münster, der statt Elise Rauch schrieb, die sich erkältet und krank ist. Alles voll Freude und Glück über Fritz und Preußens Haltung. Der arme Rochow soll sehr, sehr krank sein, wenn es auch im Moment eher etwas besser ging. Doch wäre die Frage, ob seine Kräfte es aushielten. Heute kömmt nun die Kaiserbraut144 in Schönbrunn an, das wird ein großer Jubel sein. Und heute ist die Hochzeit in Altenburg von Friedrich von Dessau.145 Wie wird der Ofen sein!146 Von Olga, daß sie in anderen Umständen sei, weiß ich kein Wort. Indessen kann es sein, daß man es sehr geheim hällt. Ich werde einmal so auf den Busch schlagen, ohne jemand zu nennen. Es wäre ein unbeschreibliches Glück. Nun, leb wohl, ich sende die Copie des Protocols, wo ich die Stellen unterstrichen habe, die mir ängstlich und gefährlich scheinen. Preußen hat aber bis jetzt das Verdienst, Östreich wenigstens an einem raschen unüberlegten Schritt gehindert zu haben. Und das wird in Rußland immer anerkannt werden. Wie geht es der Rantzau in Bethanien?147 Du bist bei der Einsegnung von Anna Stolberg148 dort gewesen. Es soll so schön gewesen sein. Diesen Herbst und Sommer waren wir noch mit ihm, dem guten Stolberg, zu einer Einsegnung da. Wir hörten seinen Husten. Grüße Mathilde von mir. Adios, Deine alte Adine
141 Frz. = die Notwendigkeit, die Union der vier Regierungen zu bekräftigen. Aus dem Wiener Protokoll vom 9. April zwischen Großbritannien, Frankreich, Österreich und Preußen. Siehe Brief vom 10. April 1854. 142 Heinrich von Heß (1788–1870), österr. Feldmarschall und Kommandeur der Truppen in Galizien. 143 Darüber eingeschoben: „Nein, darin habe ich mich geirrt, wenn die Zeitung recht berichtet, und das freut mich innig.“ 144 Heirat von Prinzessin Elisabeth (Sisi) in Bayern (1837–1898) mit Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) am 24. April. 145 Heirat von Erbprinz Friedrich (I.) von Anhalt-Dessau (1831–1904) mit Prinzessin Antoinette von Sachsen-Altenburg (1838–1908) am 22. April. 146 „Ofen“ diente als Umschreibung für die Hochzeitsnacht. 147 Marianne von Rantzau (1811–1855), Oberin des Berliner Diakonissen- und Krankenhauses Bethanien, war an Krebs erkrankt. 148 Feierliche Einsegnung von Anna Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1819–1868), Tochter des verstorbenen Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, am 18. April als Diakonissin im Diakonissen- und Krankenhaus Bethanien in Berlin.
1854
179 Charlottenburg, den 1ten May 1854
Ich habe immer mit meinem Dank für Deinen lieben Brief gewartet, meine Adine, weil ich zugleich zu dem erwarteten, frohen Ereignis149 Glück wünschen wollte, aber das scheint noch nicht so nahe, wie Du glaubtest. So will ich denn schreiben, vielleicht wird es dadurch beschleunigt. Ich habe mich an’s Fenster meines Wohnzimmers gesezt und die Thüre daneben weit aufgemacht, um Adinchen bey der Clavier Stunde zu überwachen, die sie im grünen Sallon bey Kullack150 nimmt. Fräulein Seebach151 habe ich auf 8 Tage Urlaub nach Hause gegeben, während dem bleibt Adi bey uns. Sie kam gestern zu Tisch und war doch ganz wehmüthig gestimmt über die Trennung von ihrer Seebach, obgleich sie selbst die Idee dieses Urlaubs anregte. Weißt Du denn, daß auf dem Albrechtsberge bey Dresden ein Sohn geboren ist nach 30 stündigen schweren Leiden?152 Ich hörte es zufällig durch einen Brief Georgine’s153 von ihrer Mutter.154 Aber gestern sagte mir Lolo, ihr Vater habe es selbst ihrer Mama geschrieben und sehr glücklich. Nun hat jeder einen Sohn, Marianne und er, und die armen, hiesigen Kinder sind so verlassen!155 George von Streliz ist gestern Abend abgereist, nachdem er 4 Wochen hier war, statt 8 Tage, wie er glaubte. Ich sah es, wie es ihm doch immer schwer wird, Deutschland zu verlasssen. Er war ganz bewegt, als er Abschied nahm. Rochows Tod156 hat ihm viele Thränen gekostet. Welcher Verlust ist das wieder für Fritz, ganz unersezlich, denn seine Stellung war einzig in seiner Art. Charlotte und der Kayser sollen am aller traurigsten seyn, schreibt Münster. Für Charlotte ist der Verlust auch wirklich sehr groß. Er war ihr so von ganzem Herzen ergeben. Sie war sein Halt, sein Trost bey jeder Gelegenheit. Von seinem Ende, von der zu frühen Ankunft der armen Anna157 hat Dir wohl Elise158 détails gegeben.
149 Bevorstehende Geburt von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin am 14. Mai. 150 Theodor Kullak (1818–1882), preuß. Hofpianist und Klavierlehrer, Mitbegründer des Stern’schen Konservatoriums in Berlin, 151 Fräulein von Seebach, Gouvernante der Prinzessin Alexandrine von Preußen. 152 Wilhelm Graf von Hohenau (1854–1930), Sohn des Prinzen Albrecht von Preußen, geb. am 25. April auf Schloss Albrechtsberg. 153 Georgine von Bergh (1812–1883), verh. 1841 mit Carl Friedrich Freiherr von Wilkens-Hohenau, 1821–1842 und 1853–1861 kurhess. Gesandter in Preußen. 154 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780 –1870), preuß. Hofdame und Oberhofmeisterin. 155 Prinzessin Marianne (1810–1883) und Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) waren geschieden und hatten jeweils einen Sohn aus morganatischer Beziehung: Johann Wilhelm von Reinhartshausen (1849–1861) und Wilhelm Graf von Hohenau (1854–1930). Die drei ehelichen Kinder lebten ohne die Eltern in Berlin. 156 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Generalleutnant und außerordentlicher Gesandter in Russland, gest. am 20. April in St. Petersburg. 157 Anna von Rochow (1824–1874), verh. 1852 mit Wichard von Rochow (1822–1886), preuß. Sekondeleutnant. 158 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
180
Briefe 1851–1873
George war nicht unzufrieden mit dem Protokoll, das ich dir schickte. Die Haupt Aufgabe ist jetzt, Oesterreich nicht zu weit gehen zu lassen. Mir scheint, daß das Verlassen der kleinen Walachey jeden Vorwand eines Vorgehens gegen Rußland nimmt.159 Gott wolle es so fügen. Manteuffel ist heute Morgen von Wien zurück gekommen und drüben bey Fritz. Ich erwarte ihn mit Ungedult, denn er soll mir recht viel erzählen. Er hat geschrieben, daß er eigentlich zufrieden abreiste von Wien. Ich habe schon viele détails von den Festen160 in Wien durch meine Schwestern und durch Sophie Scharnhorst.161 Alles ist in Jubel und Entzücken. Elis162 gefällt ausserordentlich. Man findet sie allerliebst, und sie giebt sich die größte Mühe, höflich zu seyn. Es ist doch schwer, so blutjung in solche Stellung zu kommen. Du kannst Dir denken, daß ich in den Tagen der Ankunft und der Vermählung nahe in Wien wie hier war. Meine Schwester Luise163 hat Gott sey Dank alles glücklich überstanden, ohne […],164 und soll merkwürdig wohl seyn. Wir waren nur wenige Tage in Potsdamm. Das Wetter war zu scheuslich, die Kälte durchdringend. All die schönen, blühenden Kirschbäume, die ganz prächtig waren, sind erfroren, auch ein Theil des Weins. Es war jammervoll anzusehen. Hier schicke ich Dir die avencemens165 und Versezungen. Von Bonin166 nahm ich gestern mit Thränen Abschied. Georg Gröben167 ist Flügeladjutant geworden. Es ist auch jetzt noch immer kalt und schlecht, aber wenigstens hat es tüchtig geregnet, was sehr nothwendig war. Frau von Gerlach,168 die wir gerettet glaubten, ist doch immer noch nicht recht, und Schönlein169 besorgt. Ich bekam so viel Abhaltung, daß ich erst jetzt nach dem diné zum Ende komme. Adinchen sizt hier im Kabinet und legt sich Dir zu Füßen. Manteuffel sprach ich lange und ausführlich, er mußte mir ungeheuer viel erzählen. Fritz geht nachher nach Potsdamm und kömmt morgen wieder. Mit der Ranzau170 geht es wieder nicht gut. Die
159 Das Wiener Protokoll vom 9. April zwischen Großbritannien, Frankreich, Österreich und Preußen konstatierte die Integrität des Osmanischen Reichs und damit verbunden die notwendige Räumung der von Russland besetzten osman. Donaufürstentümer Moldau und Walachei. 160 Festlichkeiten zur Heirat von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) und Prinzessin Elisabeth (Sisi) in Bayern (1837–1898) am 24. April. 161 Sophie Freiin von Scharnhorst (1796–1876), langjährige Hofdame der verstorbenen Prinzessin Amalie von Schweden in Wien. 162 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898). 163 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 164 Wort nicht zu entziffern. 165 Frz. avancements = Beförderungen. 166 Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalleutnant, wurde am 5. Mai als preuß. Kriegsminister entlassen. 167 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Rittmeister und Flügeladjutant. 168 Johanna von Gerlach, geb. von Küssow (1796–1857), verh. 1819 mit Leopold von Gerlach (1790– 1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 169 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 170 Marianne von Rantzau (1811–1855), Oberin des Berliner Diakonissen- und Krankenhauses Bethanien, war an Krebs erkrankt.
1854
181
Einsegnung in Bethanien war sehr schön.171 Fritz war auch dabey. Die ganze Familie Stolberg war zugegen und sehr bewegt. Fritz Louis ist aus Oldenburg und Dessau zurück und findet die junge Frau charmant.172 Friedrich soll ganz ungeheuer verliebt seyn. Ich will nachher in’s Theater gehen, in Richard den Dritten.173 Die Schuckmann174 bleibt unterdessen bey Adinchen. Mathild fand ich vorgestern so munter und so gut, und heute sagt mir ihr Sohn,175 es ging ihr heute gar nicht gut. Sie war die Nacht so unruhig, aber Stosch176 findet nichts dabey. Nun lebewohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 4ten Mai 1854 Tausend herzlichen Dank, meine Elis, für Deinen Brief vom 1ten des Monats. Noch immer ist kein Kind einpassiert, aber vielleicht morgen. Alle Rechnungen gehen dann ganz zu Ende. Auguste war diese Nacht nicht ganz wohl, jetzt zwar ist alles vorüber, sie ist im Garten und gehet umher, indeßen könnte es doch Ernst werden.177 Mir schlägt das Herz dabei. Es ist doch immer eine schlimme Sache. Wie ist das gut von dir, daß Du Adinchen zu Dir genommen hast, wenn es auch nur auf kurzte Zeit ist. Ich möchte, Du behältst sie ganz. Es wäre ein solches Glück für das verlaßne Kind, denn Abat wird sich nun noch weniger um sie bekümmern, da auf dem Albrechtsberg ein mänliches Individuum angekommen ist. Wie schrecklich!!!178 George von Strelitz wird nun wohl schon nahe an Petersburg sein, denn morgen ist der Nahmenstag von Charlotte. Ich erhielt noch ein paar Zeilen von ihm vor seiner Abfahrt, wo er ganz entzückt von Fritz schreibt und ihn den Retter nennt von Deutschland, denn nur ihm hätte man es zu danken, wenn Östreich noch nicht loß gegangen wäre, und ihm hoffte man den Frieden zu verdanken. Mein Herz schlägt immer hoch vor Freude, wenn Fritz sein schönes, festes Benehmen auch von andern erkannt wird. Wie liebevoll und mit welcher Auszeichnung hat der Kaiser die Leiche vom armen Rochow179 171 Feierliche Einsegnung von Anna Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1819–1868) am 18. April als Diakonissin im Diakonissen- und Krankenhaus Bethanien in Berlin. Sie wurde gleich zur Stellvertreterin der erkrankten Oberin Marianne von Rantzau ernannt. 172 Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906), verlobt mit Prinz Friedrich Karl von Preußen. 173 „König Richard III.“, Drama von William Shakespeare (1564–1616), im Schauspielhaus in Berlin. 174 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), Erzieherin von Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855). 175 Verm. Wilhelm Graf von Brandenburg (1819–1892), preuß. Rittmeister im Garde-Kürassier-Regiment. 176 August Wilhelm von Stosch (1783–1869), Ober-Medizinalrat und Leibarzt der Königin Elisabeth von Preußen. 177 Bevorstehende Geburt von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin am 14. Mai. 178 Wilhelm Graf von Hohenau (1854–1930), Sohn des Prinzen Albrecht von Preußen aus seiner Ehe mit Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch, geb. am 25. April auf Schloss Albrechtsberg. 179 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Generalleutnant und außerordentlicher Gesandter in Russland, gest. am 20. April in St. Petersburg.
182
Briefe 1851–1873
die letzte Ehre erzeigt. Elise Rauch schrieb mir zum ersten Mal seit ihrer Krankheit. Sie muß recht krank gewesen sein, es war eine Darmentzündung. Sie fühlte sich auch noch leidend. Wie kann ich mir denken, daß du in dieser Zeit recht viel mit Deinen Gedanken in Wien warst. Die Feste müßen wunderschön gewesen sein, und die junge Kaiserin ganz bezaubernd.180 Der junge Ehemann wird wohl überglücklich sein. Tausend Dank, daß Du mir das avancement geschickt. Bonin181 ist noch nicht General, aber doch fort von der Person von Fritz. Das thut mir für Euch leid. Lebe wohl. Es ist 5 Uhr Nachmittag, und ich will mit Auguste ausfahren. Sohn Fritz ist auf der Jagdt. Deine alte Adine Ludwigslust, den 11ten Mai 1854 Wenn mein Herz voll ist, dann muß ich Dir schreiben, meine liebe Elis, wenn es auch noch nicht an der Zeit ist, sondern aus der Reihe. Aber gestern kam hier der Vertrag an, welchen Preußen mit Östreich abgeschlossen, und der nun an alle Fürsten Deutschlands gesendet wird, damit sie beitreten sollen.182 Er enthält aber Dinge, worüber unter Anderm hier großes Bedenken getragen wird, da es gleich allen Menschen aufgefallen, daß es ganz gegen Rußland ist und sehr vortheilhaft für die Westmächte. Um nicht zu sagen, Rußland will man ein Gängelband anlegen, die Westmächte läßt man machen, was sie wollen. Denen hätte man doch auch Bedingungen vorschreiben können, denn sie scheinen Dinge zu unternehmen, wie mit Odessa,183 die doch unverantwortlich sind. Ihnen geht alles durch. Ich hätte das Geschrei erleben mögen, wenn die Rußen sich so etwas unterstanden hätten. Übrigens sind die verschiedenen Berichte von den verschiedenen Nationen wirklich sehr interessant zu lesen. Jeder modelt es sich nach seiner Art. Ich hallte aber auf den rußischen Bericht. Nun möchte ich aber doch wirklich wißen, ob Fritz es wünscht und wünschen kann, daß man diesen Vertrag gegen sein Gewißen unterschreiben soll. Mir scheint, es wäre besser gewesen, der Bundestag hätte etwas Entschiedenes geäußert, denn wie wir Mecklenburger denken, so glaube ich, denken manche hohe gekrönte Häupter. Deutschland würde gewiß in 2 Hälften fallen, wenn man anfragte, vielleicht diesmal der größere Theil für Frieden und Neutralität und für Rußland stimmen. Wie schade, daß Preußen sich von Östreich am Schleptau nehmen läßt. Es ist dies nicht einem König von Preußen würdig, der allein in dieser Sache den Ausschlag geben sollte, da er das Recht auf seiner Seite hätte, und ich glaube, sagen zu können, den 180 Festlichkeiten zur Hochzeit von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) und Prinzessin Elisabeth (Sisi) in Bayern (1837–1898) am 24. April. 181 Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalleutnant, wurde am 5. Mai als preuß. Kriegsminister entlassen und Kommandeur der 12. Division in Neisse. 182 Am 20. April unterzeichneten Preußen und Österreich ein „Schutz- und Trutzbündnis“, das Beistand für den Verteidigungsfall zusicherte und dem auch die Staaten des Deutschen Bundes beitreten sollten. 183 Zerstörung der Hafenbatterien vor Odessa durch die brit.-frz. Flotte am 22. April.
1854
183
größeren Theil Deutschlands für sich. Leb wohl, die Eisenbahn ruft. Verzeih meine Offenherzigkeit, sage es aber Fritz mit vielen herzlichen Grüßen. Bonin und Bunsens Abberufung184 hat große Freude bereitet. Bonin ist nun ganz gewiß an seinem Platz, da er ein vorzüglicher Militär ist. Deine alte Adine Ludwigslust, den 14ten Mai 1854 Liebe Elis, ich habe das Glück, Dir melden zu können, daß Auguste heute Abend ¼ 8 Uhr glücklich mit einem Töchterchen niedergekommen ist.185 Zuletzt hat sie eine Stunde viel gelitten, weil der Kopf sehr groß war, und es mit dem Gesicht oben lag, doch ging alles glücklich, wenn auch langsam. Nun liegt sie in ihr Bett, klagt über Nachwehen, was aber immer ist. Gott wird ja geben, daß alles weiter gut geht. Die Kleine gleicht an Friedrich und hat lange braune Haare. Leb wohl, ich hoffe, Du wirst frohe Tage in Dresden zubringen. Tausend Dank für Deinen Brief. Deine müde Adine Ludwigslust, den 30ten Mai 1854 Wie danke ich Dir von Herzen, meine liebe Elis, daß Du am 25ten meiner mit so viel Liebe und Theilnahme gedacht. Ich glaubte nicht, daß Du Dich dieses Tages erinnern würdest. Desto tiefer empfand ich es nun. Der andere Tag, der nun ein doppelter Festtag bei uns ist, da es der Geburtstag von meinen beiden Schönkindern ist,186 wurde natürlich diesmal stiller gefeiert, obgleich Auguste sich doch ihren Geburtstagstisch vor dem Bett ausgebeten hatte, und sie viel Freude an ihren Geschenken hatte. Du warst den Tag zur Verlobung nach Dessau,187 was dort gewiß eine große Freude gemacht, dann bist Du nach Magdeburg und Letzlingen gegangen und nun, denke ich mir, wirst Du in Sanssouci wieder ankommen. Daher schreibe ich Dir dorthin und will auch gleich Dir einen Theil der Antwort von Bruder Wilhelm auf meinen zweiten Brief abschreiben. Er hat übrigens meinen Brief recht freundlich aufgenommen. Ich bath ihn darin, recht herzlich und dringend, einen versöhnenden Schritt zu thun, damit wir am 7ten nach alter Art in treuer Liebe zusammen am Sarg von Papa beten könnten, und es dürfte nichts zwischen uns 184 Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalleutnant, wurde am 5. Mai als preuß. Kriegsminister entlassen und Kommandeur der 12. Division in Neisse. Christian Karl Josias Bunsen (1791– 1860) war als preuß. Gesandter in Großbritannien abberufen worden, nachdem er ohne Absprache ein preuß.-brit. Bündnis gegen Russland vorbereitet hatte. 185 Geburt von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) am 14. Mai. 186 Gemeint sind die Schwiegerkinder Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, und Prinz Hugo von Windisch-Graetz, die am 26. Mai Geburtstag hatten. 187 Verlobung von Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906) mit Prinz Friedrich Karl von Preußen.
184
Briefe 1851–1873
Geschwistern stehen, vorzüglich zwischen Fritz und ihm.188 Dann setzte ich ihm nach meiner Ansicht auseinander, warum Bonin entlaßen worden ist,189 da man bis jetzt Gehorsam von seinen Ministern verlangt und vorzüglich bei den Soldaten und so weiter. Nun seine Antwort: „Ich habe bereits den Schritt gegen den König gethan, den er mir durch Gröben190 kund that, daß ich ihn thun sollte. Es war dies nämlich das Verlangen, daß ich über die mißverstandenen Worte, als habe ich im Nahmen der Armee! gegen Bonins Entlaßung protestiert, … mein Bedauern aussprechen möge, dergleichen Mißverständnis veranlaßt zu haben. Wenngleich ich nun bereits vor meiner Abreise dies mir vom König selbst ausgesprochene Mißverständnis dahin ihn aufgeklärt hatte am 6ten Mai, … daß, wenn ich im Namen der Armee protestiert hätte, er mir hätte den Kopf vor die Füße legen laßen müßen, indem Cüstrin191 dies nicht sühnen könnte und ich allerdings annehme, daß diese Äußerung hinreichend sein würde, um zu beweisen, daß ich an einer solchen Äußerung niemals gedacht haben könne, … so habe ich doch nach Gröbens Mitteilung augenblicklich noch die Ansicht bedauernd dem König eingeschickt, daß es mir sehr leid sei, Äußerungen gebraucht zu haben, die mißverstanden werden konnten. Du wirst mir zugeben, daß, wenn man seinen Kopf einsetzt, jede andere Erklärung nur leicht sein kann! Somit hoffe ich also, alles beseitigt zu haben, sodaß der 7te Juny ein wahrhafter Versöhnungstag sein wird!!“ Dies sind nun Wilhelm seine eigenen Worte, anders berührt er nicht. Gebe Gott, daß unser Wiedersehen ein freudiges sein wird. Freuen thue ich mich nicht auf die Silberne Hochzeit,192 und ich wäre lieber nicht gekommen, aber ich fand, es sah unfreundlich aus. Meine Idee ist, am 6ten Nachmittags in Sanssouci zu sein, und bis zum 13–14 zu bleiben, dann wieder hier her zurück zu kehren, wo am 24ten die Taufe sein wird. Mein Sohn Fritz wird auch noch selbst schriftlich seine Bitte Dir aussprechen, eine Pathenstelle bei sein Töchterchen anzunehmen. Auguste hegt sehr den Wunsch, daß es Dir nicht unangenehm sei. Charlotte wird auch Deine Frau Gevatterin sein, und ich glaube, die Königin von Hannover.193 Also in ganz anständiger Gesellschaft wirst Du Dich finden. Leb wohl. 188 Konflikt zwischen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und seinem Thronfolger-Bruder Wilhelm (I.) Prinz von Preußen über die Haltung der Monarchie im Krimkrieg. Zudem hatte der Prinz von Preußen als Erster preuß. Offizier den König aufgefordert, die Entlassung des Kriegsministers rückgängig zu machen, und damit gedroht, Berlin zu verlassen. 189 Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalleutnant, wurde am 5. Mai als preuß. Kriegsminister entlassen und wurde Kommandeur der 12. Division in Neisse. 190 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Rittmeister und Flügeladjutant. 191 Verm. Anspielung auf die Küstriner Festungshaft des wegen Verrats eigentlich von König Friedrich Wilhelm von Preußen (1688–1740) zum Tode verurteilten Kronprinzen Friedrich (1712–1786). Der Bezug auf den hohenzollernschen Vater-Sohn-Konflikt spiegelt das schwierige, durch Thronfolge und militärischen Gehorsam belastete Verhältnis der Brüder wider. 192 Feier zur Silbernen Hochzeit von Prinz Wilhelm (I.) und Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, am 11. Juni in Potsdam vor dem Hintergrund der über den Krimkrieg zerstrittenen Familie. 193 Taufpaten für Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin waren Königin Elisabeth von Preußen, Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen und Königin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907).
1854
185
Die alte Schöning, die Großmutter von meiner Schöning, ist vor 8 Tagen gestorben.194 Sehr gnädig würde Fritz sein, wenn er dem Sohn195 300 Reichtsthaler davon ließe. Sie hat 800 Reichsthaler Pension als Oberhofmeisterin der Geier.196 Deine Adine Ludwigslust, den 26ten Juny 1854 Meine liebe Elis, Deiner liebe Einladung zu folgen, kann ich nicht wiederstehen, der Vermählung von Luise Karl im Neuen Palais mitbeizuwohnen.197 Ich hatte es schon immer gewünscht, aber die Vernunft sprach dagegen, da es mir einen Tag wieder fortnimmt. Aber ich bin sehr schwach, und besonders da ich niemand in der Quäre bei dieser Gelegenheit komme, da keine vornehmen Prinzeßinnen dabei sind. Ich kann doch wohl eine rothe Sammtschleppe nehmen? Bitte antworte mir darauf, sonst kann ich auch ein Tüll mit Gold gestickt anthuen, nicht recht frisch mehr. Bitte laß mir par télégraph antworten: Du kannst Sammt anthuen oder thue die Tüll mit Gold an! Ich hatte sie hier zur Taufe an und für hier ging es ganz gut. Fritz Wilhelm wird wohl von der Taufe198 erzählt haben. Das Königspaar aus Hanno199 ver wollte kommen, aber sie hatte Angst, weil die Bonne von den Kindern hier das Scharlachfieber bekommen. Sie ist aber ganz abgesperrt auf einem andern Flügel, wo keine Verbindung ist. Ich werde am Donnerstag mit dem Nachtzug kommen, um ½ 5 Uhr und in Berlin einige Stunden schlafen und Fräulein von Kameke einen Augenblick sehen. Ist es Euch aber lieber, daß ich gleich nach Sanssouci komme von Nauen, so laße es mir hier her wißen. Ich kann nicht anders kommen, da ich am Mittwoch zur Hochzeit von Gräfin Elise Bülow in Schwerin200 bin, die um 4 Uhr nachmittags ist. Nun leb wohl, auf Wiedersehen, Deine Adine
194 Elisabeth Ernestine von Schöning, geb. Freiin von Maltzahn (1760–1854), war am 14. Mai gestorben. Sie war ab 1827 Oberhofmeisterin der Prinzessin Luise von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Bernburg (1799–1882), in Düsseldorf. Ihre Enkelin war Marie (Mary) von Schöning (1820– 1909), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 195 Georg von Schöning (1822–1858), preuß. Premierleutnant und Adjutant im 3. Dragoner-Regiment. 196 Lesebefund. 197 Heirat von Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901) und Prinz Alexis von Hessen-PhilippsthalBarchfeld (1829–1905) am 27. Juni. 198 Taufe von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin, geb. am 14. Mai. 199 König Georg V. (1819–1878) und die zur Taufpatin gebetene Königin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907). 200 Elisabeth Gräfin von Bülow (1831–1906), älteste Tochter des mklbg.-schw. Ministerpräsidenten Hans Graf von Bülow (1807–1869), heiratete am 28. Juni Rudolf Graf von Bassewitz-Schlitz (1823–1877).
186
Briefe 1851–1873
Marienbad, den 2ten July 1854 Meine liebe Elis, gestern Abend 7 Uhr bin ich hier angekommen und fand denn die Wege aufgelöst, denn 4 Wochen durch hat es hier unaufhörlich geregnet, alle Menschen in voller Verzweiflung. Fritz Louis kam gleich. Er klagte immer über Schwindel, sieht aber gut aus. Brauchitsch201 empfing mich, ist sehr zufrieden mit seiner Kur. Seine Frau ist auch hier, die sah ich noch nicht. Heute Mittag ißt Fritz Louis und Brauchitsch bei mir. Sein Kreiß, der sich um ihn gesammelt, ist fast schon auseinander. Mir ist das ganz lieb, dann bin ich unabhängiger, denn zuerst gehe ich nicht gern aus und suche mir dann selbst meinen Umgang. Prinzeßin Croy mit 3 Töchter202 ist hier. Sie geht garnicht aus. Die älteste Tochter ist wie gelähmt am Arm. Die jüngere soll hübsch sein. Sie sind in Wien erzogen. Fürst Karl und Fritz Schwartzenberg sind hier gewesen,203 und wie mir Fritz Louis sagt, unglücklich, daß ihre Truppen gegen Rußland marschieren sollen. Sie finden es zu undankbar. Das soll aber die allgemeine Stimmung in der östreichischen Armee sein. Verzeih diesen uninteressanten Brief, aber ich wollte doch gleich ein Lebenszeichen geben. Lebt noch der Landgraf von Barchfeld,204 und wie geht es dem jungen Paar?205 Viel Liebes an Fritz, Deine alte Adine Sans Souci, den 10ten July 1854 Meine Adine, Dein Wilhelm hat Dir schon einen Brief von mir angekündigt. Er bat mich, den Wunsch des Kaysers und von Charlotte bey Dir zu vertreten. Ich thue es, da ich es versprochen, obgleich gegen meine eigene Ueberzeugung, denn ich glaube, der Entschluß wird Dir unendlich schwer werden, besonders das Aufgeben der Reise nach Florenz. Und doch wirst Du Mühe haben, es abzuschlagen, denn Deine Nähe würde beyden manches erleichtern, und die arme Charlotte braucht gewiß jetzt mehr wie je Erheiterung. Ich bin dessen so gewiß, daß ich mir nicht erlauben will, Dir abzurathen, wenn ich auch weiß, daß solche Reise keine Kleinigkeit ist. Es ist dabey wirklich merkwürdig, wie Du immer Rußland in schweren und traurigen Zeiten sehen sollst, denn es 201 Eduard von Brauchitsch (1798–1869), preuß. Generalmajor, verh. 1842 mit Auguste von Schenck (1819–1892). 202 Prinzessin Johanna von Croy, geb. Prinzessin zu Salm-Salm (1796–1868), verh. 1824 mit Prinz Philipp von Croy (1801–1871), preuß. Oberst und Flügeladjutant, und verm. die drei jüngsten Töchter Stephanie (1831–1906), Amalie (1835–1897) und Marie (1837–1915). 203 Fürst Karl Philipp zu Schwarzenberg (1802–1858), österr. Feldzeugmeister und Militär- und Zivilgouverneur von Siebenbürgen, und sein Bruder Fürst Friedrich Karl zu Schwarzenberg (1800– 1870), österr. Generalmajor. 204 Landgraf Karl von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1784–1854), kurhess. Generalleutnant, starb am 17. Juli. 205 Prinz Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905), verh. am 27. Juni mit Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901).
1854
187
wird kein angenehmer Winter seyn, der nächste. Nun muß ich noch von Manteuffel erzählen, der gute und freundliche Briefe mitbrachte und auch gute Nachrichten von Charlotte, die er besser fand wie vor 2 Jahren. Sie geht rüstig und rasch. Der Kayser ist sehr mager geworden und sehr bekümmert. Mary206 soll ausserordentlich kriegerisch gestimt seyn und gewiß gegen Oesterreich. Die Césarewna207 ist sehr mager, Elise Rauch besser. Manteuffel hat sich sehr gut und klug benommen, und man war dort sehr zufrieden mit ihm. Der Kayser hat ihm eine sehr schöne Dose mit seinem Portrait gegeben, Charlotte einen wunderschönen, weißen Showl für seine Frau.208 Gestern kamen gute Nachrichten aus Wien nach Gortchakoffs209 Ankunft mit der Antwort. Gott gebe, daß sie sich bestätigen. Was von Wien kömmt, ist jetzt entscheidend! Charlotte schreibt, daß man von Oranienbaum210 die englische Flotte mit bloßen Augen sehen kann und daß man Landpartien dorthin aus Petersburg macht, um sie zu sehen. Man ist ganz ruhig bey dieser gefährlichen Nähe. Ich hoffe, Du hast beßres Wetter in Marienbad, wie wir hier. Kaum ist es ein paar Tage schön, so regnet es wieder in Strömen. Onkel George kömmt nicht, er ist nicht wohl. Ob und wann Marie kömmt, weiß ich nicht. Lolo ist aus Altenstein zurück. Wiwi211 war ganz glückselig, heiter, hübsch, sanft, dies alles, die beyden lezten Tage. Der Anfang war stürmisch, sie war sehr ungezogen, und der Ofen212 über alle Beschreibung gräßlich. Sie war ganz unvorbereitet und nahm es tragisch, hielt eine Strafpredigt. Von Mathild sind Gottlob die Nachrichten gut. Mansouroffs,213 die gestern hier waren, sahen sie in Wildbad. Die armen Leute ließen dort ihre Tochter,214 ihr einziges Kind, an Krücken gehend zurück. Sie hat sich das Bein verrenkt. Mansouroff siht selbst elend aus, will aber doch nach Rußland, seine Dienste an zu bieten. Morgen ist Nakka’s Hochzeit.215 Sie wird in der Friedenskirche getraut, und es wird eine große Hochzeit seyn. Der Vetter Pi206 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 207 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 208 Bertha Freifrau von Manteuffel, geb. von Stammer (1807–1891), verh. 1841 mit Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882), preuß. Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten. 209 Fürst Alexander Michailowitsch Gortschakow (1798–1883), russ. Gesandter in Österreich. 210 Oranienbaum (bis 1948), heute Lomonossow. 211 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901). 212 „Ofen“ diente als Umschreibung für Hochzeitsnacht. Heirat von Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901) und Prinz Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905) am 27. Juni. Die Ehe wurde 1861 wieder geschieden. 213 Alexander Pawlowitsch Mansurow (1788–1880), russ. General und Generaladjutant, Gesandter in Hannover (1847–1852) und den Niederlanden (1857–1866), verh. 1826 mit seiner Cousine Agrippina Iwanowna Trubezkaja (1789/1793–1861). Die Ehe der beiden wurde von der russ. Kirche aufgrund der nahen Verwandtschaft nicht akzeptiert, so dass sie meist im Ausland lebten. 214 Zinaida Alexandrowna Mansurowa (1830–1889). 215 Heirat von Anastasia Gräfin von Schlieffen (1827–1898) und Ludwig Graf zu Pappenheim (1815– 1883), bayr. Rittmeister, am 11. Juli.
188
Briefe 1851–1873
erre Schouwaloff wird auch dabey seyn mit seiner allerliebsten Frau, einer Tochter von Isabelle Gagarin.216 Nun aber muß ich enden. Ich umarme Dich in Gedanken, und Fritz thut es auch. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Marienbad, den 12ten July 1854 Einen lieben Brief habe ich noch garnicht beantwortet, als heute Dein zweiter ankam, was mich sehr befremdete. Nun war ich sprachlos, als ich den Inhalt gelesen, denn bis [zu] dieser Stunde ist kein Brief von meinem Wilhelm noch einer aus Petersburg angekommen, mit der verkündeten Einladung zu diesem Winter. Tausend Dank, meine Elis, daß Du mir geschrieben und für alles Liebe, was Du mir sagst, aber ich bin in großer Aufregung und Bestürzung über diese Einladung. Ich weiß nicht, was ich thuen soll. An beiden Orten, wo mich der Winter hinführen soll, bin ich nützlich, und Luise sah ich nun 2 volle Jahre nicht. Schon, daß ich zu den letzten Wochen nicht kam, hat sie eigentlich tief betrübt, und beide Reisen zu verbinden, wenn ich es auch wollte und könnte, erlaubt meine Kasse nicht, und der Kaiser217 kann auch nicht in dieser Zeit des Krieges mir wieder Reisegeld geben. Es ist ein schwerer Kampf! Nun, zu entscheiden brauch ich mich nicht gleich. Vielleicht gibt es eine glückliche Lösung. Was Du mir sagst über die ersten Nachrichten auf der Ankunft von Gortschakof218 in Wien, bin ich sehr glücklich. Ach, wenn Gott doch dem jungen Kaiser219 das rechte eingeben wollte. In seinen Händen ruht das Wohl und Wehe von Deutschland und vielleicht von Europa. Es ist eine große Verantwortlichkeit, die Gott ihm übergeben hat! Gott wird die vielen Gebete erhören, die zu ihm aufsteigen. Morgen ist nun der Geburtstag von Charlotte. Mir scheint, Gott stärkt sie sichtlich und gibt ihr Kraft in dieser schweren Zeit. Wenn sie nur nicht späther zusammenbricht. Mir geht es hier im regnichten Marienbad bis jetzt ganz gut, besonders seitdem ich Ferdinandsbrunnen trinke. Das Wetter ist im Ganzen noch erträglich. Wir haben zwar Regen, doch auch manche schöne Tage. Heute scheint es aber beim Regen bleiben zu wollen. General Brauchitsch und Frau220 sehe ich viel. Er war sehr glücklich, daß Du seiner gedacht, und er wagt es, sich Dir zu Füßen zu legen, seiner hochverehrten Königin. Beide sind sehr zufrieden mit der Kur. Sie machen die allergrößten Fußpromenaden und sind sehr heiter. Leider reisen sie übermorgen ab. Der Dichter Putlitz221 ist hier und ein 216 Peter Grigorjewitsch Schuwalow (1826–1882), zweiter Legationssekretär der russ. Gesandtschaft in Preußen, verh. mit Maria Sergejewna Gagarina (1829–1906), Tochter von Fürstin Isabella Adamowna Gagarina, geb. Gräfin Walewska (1800–1886). 217 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 218 Fürst Alexander Michailowitsch Gortschakow (1798–1883), russ. Gesandter in Österreich. 219 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 220 Eduard von Brauchitsch (1798–1869), preuß. Generalmajor, verh. 1842 mit Auguste von Schenck (1819–1892). 221 Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), Gutsbesitzer auf Retzin, Schriftsteller, ab 1863
1854
189
sehr amüsanter Mensch. Er ist so lustig und voll guter Einfälle. Sein Schwiegervater, Königsmark,222 ist ja nach Petersburg, wohl mit einer besonders wichtigen Mission. Das wird ihn sehr beglücken. Wie habe ich mich amüsiert über Wiwi Karl. Das muß ja etwas ganz Schaudervolles gewesen sein, und die Strafpredigt, ich bin beinah gestorben vor Lachen beim Lesen Deines Briefes.223 Gestern war nun die Hochzeit von Nakka.224 Die hat also auch den Ofen überstanden, schauderhaft.225 Ist es wahr, daß Deine Schwester Sophie zu Dir nach Sanssouci kömmt? Oder ist es nur eine Zeitungsnachricht? Über Deine Abreise ist nun wohl noch nichts bestimmt, alles hängt vom Ausspruch des jungen Kaisers ab. Wenn er Frieden erhällt, wird er einen großen Nahmen in der Geschichte machen. Entscheidet er anders, so wird sein Nahme nicht so fleckenlos stehen bleiben. Bruder Fritz hingegen steht hoch in dieser Angelegenheit. Alle Menschen nennen seinen Nahmen mit Seegenswünschen, denn sein Bemühen wird anerkannt, das heißt von den rechtlichen Menschen und leidenschaftslosen! Ich bete täglich für ihn, und der Herr wird ihn so erhallten. Ich habe eben Nachricht bekommen, daß mein Freund Kettelhot,226 mit dem ich hier zusammen bin seit Jahren, und der gestern Abend hier zum Besuch war von einem nahen Gut des Grafen Nostitz,227 der Schlag die Nacht getroffen hat. Man weiß noch nicht, ob er am Leben bleibt. Es würde mir sehr leid thun, wenn er sterben sollte. Er ist ein amüsanter Gesellschafter, eigentlich ein Original. Leb wohl, ich umarme Fritz. Gott seegne Euch beide, Deine treue Adine Marienbad, den 24ten July 1854 Heute, meine liebe Elis, wirst Du garnicht so weit von hier vorbeikommen, denn Dein Weg führt Dich durch Hof, und das ist eine kleine Tagesreise. Aber bei der Hitze, die wir seit 8 Tagen haben, wird die Reise sehr fatigant und beschwerlich sein. Der Aufenthalt in München, auch nicht erholend, aber interessant, und Mariechen228 wird seelig sein, Euch Intendant des Hoftheaters Schwerin, verh. 1853 mit Elisabeth Gräfin von Königsmarck (1825– 1901). 222 Adolf Graf von Königsmarck (1802–1875), preuß. Major a.D. und Schlosshauptmann von Rheinsberg. 223 Heirat von Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901) und Prinz Alexis von Hessen-PhilippsthalBarchfeld (1829–1905) am 27. Juni. Die Ehe wurde 1861 bereits wieder geschieden. 224 Heirat von Anastasia Gräfin von Schlieffen (1827–1898) und Ludwig Graf zu Pappenheim (1815– 1883), bayr. Rittmeister, am 11. Juli. 225 „Ofen“ diente als Umschreibung für die Hochzeitsnacht. 226 Friedrich August Freiherr von Ketelhodt (1786–1854), Diplomat und Hofmarschall im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, gest. am 19. Juli an einem Schlaganfall. 227 Joseph Graf Nostitz-Rokitnitz (1821–1890), österr. Major und Kammerherr, Besitzer der Herrschaft Plan-Gottschau mit der Residenz Schloss Planá (dt. Plan), 10 Kilometer südlich von Marienbad. 228 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889).
190
Briefe 1851–1873
2 Tage dort zu besitzen. Die Ruhe dann in Ischl wird Dir wohlthuend sein, und Gott wird ja geben, daß Du die Zeit ungetrübt zubringst. Allein, der politische Himmel ist furchtbar dunkel. Gott erleuchte den jungen Kaiser.229 Er wird viel Unheil in der Welt hervorrufen, wenn er so bei bleibt, denn er geht mit der Revolution Hand in Hand. Er ahnt es wohl nicht, und er glaubt auch wohl niemand, wenn man es ihm sagte. Ich bewundere, wie man die Zeiten noch immer so übersteht, denn man ist in einer beständigen Angst und Aufregung, und die Badekur dabei. Ach, was werden wir noch für Trübsalen und Kummer zu ertragen haben! Gott giebt Kraft und Muth zu allem Schweren. Wie der arme Nikola wohl leidet bei diesem Undank und Halzstarrigkeit. Er wäre es nicht fähig. Von Schwester Luise hatte ich gestern einen Brief. Die machte mir eine Beschreibung vom König von Portugal.230 Er soll so deutsch aussehen und sein Bruder231 auch. Es würde mich interessiert haben, ihn zu sehen. Eben kam die Zeitung, und die meint, Eure Reise sei aufgeschoben. Ich sende aber meinen Brief nach München. Da mag er warten. Bei der Hitze hier kann man nur früh morgens oder am Abend 7 Uhr ausgehen. Ich lebe wie in einem Kloster bei zugesperrten Fenstern, doch zum Diner sehe ich ab und zu einige Herren, die mir grade angenehm sind. Croy232 sehe ich öfters. Gestern aß er bei mir, ganz aufgelöset vor Glück über sein Generalwerden. Schon seit 4 Wochen hoffte er darauf und war so agitiert, daß er manchmal nicht wußte, was er that. Er war dabei so amüsant zerstreut. Schrieb ich schon, daß ich den alten Metternich besucht in Königswart?233 Er ist mager, aber kräftig und noch voller Verstand und noch eben so eingebildet von sich wie früher. Es ist aber sehr interessant in seiner Unterhaltung. Die Gräfin Sandor mit Tochter234 ist nun in Marienbad, macht aber keine Bekanntschaft, da ihr Mann auch hier ist, und wie […]235 und scheint ganz vernünftig, ein Arzt und Kammerdiener verlaßen ihn nie. Nun leb wohl, grüße Mariechen, und wenn Therese236 da ist, auch. Mit alter treuer Liebe, Deine Adine Am Sonntag, dem 30ten, reise ich nach Haus und freue mich sehr dazu. 229 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 230 König Peter V. von Portugal (1837–1861). 231 Infant Ludwig (I.) von Portugal, Herzog von Porto (1838–1889). 232 Prinz Philipp von Croy (1801–1871), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 13. KavallerieBrigade. 233 Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich (1773–1859), ehem. österr. Haus-, Hof- und Staatskanzler, auf seinem Schloss Königswart (tschech. Kynžvart) in Böhmen. 234 Leontine Gräfin Sándor von Szlavnicza, geb. Prinzessin von Metternich-Winneburg (1811–1861), Tochter des Fürsten Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich, verh. mit Móric Graf Sándor von Szlavnicza (1805–1878), österr. Kammerherr, mit ihrer Tochter Pauline Gräfin Sándor von Szlavnicza (1836–1921). 235 Wort nicht zu entziffern. 236 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854).
1854
191 Dobbran, den 10ten August 1854
Meine liebe Elis, ewig lange habe ich nichts von Dir gehört. Ich hoffe aber, daß Du meinen Brief in München bekommen hast. Wie es Dir nur in Ischl gehen mag, ob Du zufrieden bist mit Deinem Aufenthalt? Die ersten Tage hast Du gleich Besuch von Kaiser und Kaiserin237 bekommen. Nach den vielen Umständen, die wegen […]238 der Reise gemacht, wird es wohl wahr sein, daß sie in anderen Umständen ist.239 2 Tage ist sie nur geblieben, etwas wenig für so eine weite Reise. Du hast, wie es scheint, keinen Einfluß auf den jungen Herrn gehabt, denn die Kriegslust scheint nur gesteigert, da sogar die Traktate mit Preußen nicht gelten sollen. Was wird daraus werden? Es wird immer dunkler im Horizont, und mir ganz bang. Gott hilft aber in der Stunde der Gefahr. Was sagst Du zu dem Unfall, dem Costy so glücklich entgangen ist? Elise Rauch schreibt es mir ganz umständlich. Lutke,240 Istomin,241 alle haben ihn gewarnt. Dieses amerikanische Schnellseglerboot, was nur zum Wettfahren bestimmt ist, auf offener See zu fahren, er hat sich nicht sagen laßen und ist mit 4 Adjutanten und einem Unteroffizier gefahren. Gleich hinter Kronstadt zieht er die Seegel auf, das Meer ging hoch, ein Windstoß und das Boot ist unter Wasser und alle verschwunden. Zum Glück hatten die warnenden Herren ein Ruderboot mitgeschickt. Costy rettete sich durch Schwimmen, Istomin und 2 Adjutanten mit dem Unteroffizier werden von den Matrosen gerettet, aber der eine Adjutant Fürst Gallizien ertrinkt, einziger Sohn seiner Eltern.242 Costy soll in Verzweiflung sein, und auf alle hat es einen furchtbaren Eindruck gemacht. Nachtisch. Gott, welche Nachricht, Dein Schwager, der König von Sachsen, todt und von einem Pferd erschlagen.243 Nein, das ist ja ein furchtbares Unglück. Wir sind alle tief davon ergriffen, da er für Fritz und Wilhelm, meine Kinder, immer so unbeschreiblich gütig und liebevoll war. Deine arme Schwester,244 welch ein Schlag. Es ist garnicht zu faßen. Ach, sage ihr ein Wort der Theilnahme, denn zu schreiben wage ich ihr nicht. Dein Fritz hat sich ja auch wieder gestoßen an der steinernen Bank. Er wird doch nicht 237 Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) und Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898). 238 Wort nicht zu entziffern. 239 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich (1855–1857), geb. am 5. März 1855. 240 Friedrich Benjamin Graf von Lütke (1797–1882), russ. Vizeadmiral und Generaladjutant, Militärgouverneur von Reval, ehem. Erzieher von Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland. 241 Konstantin Iwanowitsch Istomin (1805–1876), russ. Konteradmiral und Flügeladjutant, Stabschef des Oberkommandeurs des Hafens Kronstadt. 242 Prinz Jewgeni Alexandrowitsch Galitzin (1822–1854), russ. Kapitänleutnant der Flotte und Adjutant von Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland, bei der Testfahrt am 17. Mai ertrunken, einziger Sohn von Fürst Alexander Fjodorowitsch Galitzin (1796–1864) und Fürstin Nadeshda Iwanowna Galitzina, geb. Gräfin Kutajsowa (1796–1868). 243 König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854) verunglückte am 9. Aug. bei einem Ausflug in Tirol, als sein Reisewagen an einer steilen Stelle kurz hinter Imst ins Schleudern geriet, und er von einem Pferd am Hinterkopf getroffen wurde. Er starb an den Folgen seiner Verletzungen im nahen Gasthof „Neuner“. 244 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877).
192
Briefe 1851–1873
geheilt von seinen Nachtwanderungen. Es kann einmal ein schlechtes Ende nehmen. Leb wohl, morgen reise ich nach Strelitz auf 3 volle Tage. Deine treue Adine Dobbran, den 19ten August 1854 Ich eile, Deinen lieben Brief, liebe Elis, zu beantworten, damit sich unsere Briefe nicht wieder kreutzen. Also zuerst tausend Dank für Deinen Brief, nachdem ich schon recht sehr mich sehnte. Ich konnte mir denken, wie Du tief erschüttert gewesen bist über das gräsliche Unglück des Königs von Sachsen, und Deine arme Marie.245 Mein Fritz war in Dresden zum Empfang der Leiche, denn er verehrte den König sehr und hat auch das Glück gehabt, Deine Schwester zu sehen auf dem Weinberg, die er unbegreiflich gefaßt gefunden, wenn auch natürlich tief gebeugt. Ihr hoher Geist hällt sie aber empohr, und ihr Interesse bleibt gleich lebhaft. Deine Schwester Amélie hingegen wäre ganz ermattet gewesen unter diesem harten Schlag, und das Herausreißen aus ihrem stillen Leben.246 Du wirst vielleicht von Fritz selbst erfahren haben, daß ich am 16ten den Nachmittag in Charlottenburg bei ihm zugebracht. Von Strelitz aus war es so nah, daß ich den Wunsch nicht unterdrücken konnte, ihm einen kleinen Besuch zu machen und selbst zu sehen, wie es mit seinem Bein stände. Ich fand ihn eigentlich ganz gut, Grimm war am Abend sehr zufrieden. Er schonte nur aus Gehorsam noch den Fuß. Am andern Abend war mein Sohn Fritz bei ihm, und da ist schon die Rede gewesen, daß er heute Nachmittag nach Puttbus abreisen würde. Mir hat er versprochen, im September nach Dobbran zu kommen, und zwar auf mehrere Tage, und hoffte Dich in Puttbus zu sehen und Dich zu bereden, uns auch zu besuchen. Das ist aber alles so schön, daß ich daran nicht glaube. Übrigens ist dann Dobbran auch schon kalt und feucht, und ich denke mir, Du wirst lieber Deine beiden Schwestern in Dresden besuchen, die wohl sehr dieser Freude bedürfen, besonders Marie. Wie ist doch auch ihre äußere Lage so anders geworden. Gott prüft die Menschen schwer. In der Politik weiß ich garnicht mehr Bescheit. Es scheint mir gänzliche Ungewißheit und Düsterheit zu herrschen! Ich weiß nur, daß ich unseren Kaiser247 bewundere. Hier in Dobbran sind jetzt mehrere Ausländer angekommen, die ganz angenehm sind. 2 Gräfinnen Rantzau aus Holstein, eine Priorin aus Kloster Preetz, eine Gräfin Kastel, ihre Nichte.248 Dann eine Gräfin Rechberg aus Baiern mit 245 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877) nach dem tödlichen Unfall ihres Mannes. 246 Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), folgte mit ihrem Mann Prinz Johann von Sachsen (1801–1873) auf den sächs. Thron, da die Ehe ihrer Schwester kinderlos geblieben war. 247 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). 248 Mathilde Gräfin von Rantzau (1797–1887), Priorin des adligen Damenstifts im Kloster Preetz, ihre Schwester Wilhelmine Gräfin von Rantzau (1802–1893), Konventualin im Kloster Preetz, und eine ihrer Nichten Sophie (1828–1881) oder Mathilde (1835–1904), Gräfinnen zu Castell-Rüdenhausen.
1854
193
Sohn,249 eine Frau von Coburg, Oberhofmeisterin am Koburger Hof, mit Tochter und Nichte250 und so weiter. Dann 2 Bettmanns aus Frankfurt.251 Kurtz, es ist ganz belebt. Das Wetter ist jetzt etwas unfreundlich und kühl, was nach der großen Hitze sehr auffällt. In Strelitz fand ich die Famillie doch sehr betrübt und gebeugt über den Tod des Kindes von George.252 Marie meint, sie würden in dieser Art recht hart geprüft. Der Onkel ist ganz innerlich zerknirscht über den Tod der Rossi253 und ist so still und in sich gekehrt, freute sich aber sehr, daß ich zu seinem Geburtstag kam und ein paar Tage blieb. Es zerstreute ihn. In Hohenzieritz war am 12ten Diner von 10 Personen und Thee, und nur, um das Sterbezimmer254 zu sehen. Leb wohl, Gott mit Dir, Deine Adine Schwerin, Greenhaus, den 16ten September 1854 Zu meinem großen Leidwesen erfuhr ich eben, daß Du unwohl in Dresden geworden bist und daher erst gestern nach Sanssouci gekommen bist. Ich habe so lange nichts von Dir gehört, daß es mir schon ganz unheimlich wurde. In unserer Correspondence ist auch eine Unordnung eingerißen, die mich desotiert, und daher schreibe ich nun wieder, um es abzuhelfen. Am 13ten haben wir alle, es war wie eine Völkerwanderung, Dobbran mit schwerem Herzen verlaßen, da es so unbeschreiblich schön war und man nicht wißen kann, ob wir alle so wieder dort vereint leben werden, und ob es in solcher Ruhe sein wird. Ich fürchte immer, künftiges Jahr wird es schlimm aussehen. Der Herbst, die Stürme, die Kälte wird die Ostsee bald von den fremden Flotten befreien und dort Freiheit geben. Aber was wird das Schwartze Meer nun auftischen? Mich bangt schrecklich für die vereinte Expedition.255 Das Schwartze Meer hat aber sehr seine Tücken! Die Cholera muß fürchterlich dort auf den Schiffen wüthen. Wie viele Menschen sind dort so umgekommen, ohne Pulver gerochen zu haben. Unser Kaiser256 sein Gemüth soll entsetzlich gelitten haben. Elise Rauch schreibt mir in jedem Brief, wie er sich verändert hätte, 249 Walpurga Gräfin von Rechberg, geb. Gräfin von Rechberg (1809–1883), und ihr Sohn Otto Graf von Rechberg (1833–1918), 1853–1857 Jurastudent an der Universität München. 250 Thekla Freifrau von Coburg, geb. Gräfin Vitzthum von Eckstädt (1799–1880), Oberhofmeisterin in Coburg, verh. 1817 mit Emil Freiherr von Coburg (1779–1827), illegitimer Sohn des Prinzen Ludwig Karl Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1755–1806), ihre Tochter Marie Freiin von Coburg (1827–1901) und eine Miss Barner. 251 Moritz Freiherr von Bethmann (1811–1877), preuß. Generalkonsul in Frankfurt am Main, verh. mit Maria Freiin von Bose (1819–1882), sowie sein Bruder Alexander von Bethmann (1814–1883), Gutsbesitzer auf Křinec in Böhmen, verh. 1840 mit Johanna Friederike von Heyder (1816–1894). 252 Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Strelitz (1854–1854), geb. und gest. am 11. Juli. 253 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Opernsängerin, gest. am 17. Juni. 254 Sterbezimmer von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1776– 1810), in Schloss Hohenzieritz, das 1813 der Strelitzer Hofbaumeister Christian Philipp Wolff (1772–1820) eingerichtet und dekoriert hatte. 255 Allianz der frz. und brit. Flotten in der Ostsee und im Mittelmeer vor den russ. Küsten. 256 Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855).
194
Briefe 1851–1873
alt und grau geworden, immer klagend über Hinfälligkeit und Schmertzen im Kreutz. Mandt aber versichert, es wären nur moralische Leiden und nicht gefährlich. Gott wolle geben, daß er sich nicht irrt. Charlotte, weißt Du, leidet an den Augen, das gute Auge ist schlechter geworden, und sie darf nun garnicht mehr schreiben und lesen. Das ist doch auch ein rechtes Unglück. Ich hoffe, Du hast Fritz wohler mit seinem Fuß angetroffen, als wie es heißt. Mir und uns allen ist eine große Freude verdorben worden, daß er nicht nach Dobbran kam. Es war schon alles eingerichtet, und ich reisete auf 2 Tage nach Burg Schlitz zur Gräfin Bassewitz,257 um die zu besuchen, und wurde einen Morgen mit dieser Hiobs Post geweckt. Ich konnte mich erst garnicht darin finden. Es war ein Jammern und Klagen von allen Seiten. Und wie ich nach Dobbran zurückkam, da fand ich alles in Verzweiflung. Es ist auf aller Art ein Jammer. Ich denke mir, daß Schwester Luise nun in Sanssouci sein wird. Es war ihre Absicht, die Manöver mitzumachen und späther dann einen längeren Aufenthalt bei Euch zu machen. Ich möchte auch anfragen, ob ich wohl am 10ten Oktober kommen darf und 8 Tage bleiben? Meine Absicht ist, bis zum 5ten Oktober hier ruhig mit meinen Enkeln zu bleiben, die mir anvertraut, da Fritz und Auguste am 19ten eine Reise über Wien, Ischl nach dem Salzburgischen machen wollen und so um den 5ten Oktober nach Stonsdorf wollen. Da bringe ich die Kinder über Berlin, wo wir die Nacht bleiben, nach Bunslau. Dort übernachten sie wieder und reisen zu Wagen am 7ten weiter, und ich will dann am 6ten nach Muskau, Luise besuchen, die mich immer wieder eingeladen hat, und dort 3 Tage bleiben. Von Tochter Luise hatte ich gestern einen Brief, worin sie mir schreibt, daß sie sehr befürchtet, aus Florenz fortzukommen. Der Oberst sollte nun kommen und dann würde es sich entscheiden.258 Aus Furcht vor der Cholera wäre Cordon gezogen und Quarantäne.259 Dies alles müßte ich durchmachen! Leb wohl, Deine Liebe hat gewiß am heutigen Tag meiner gedenken laßen. Der Schmertz ist wie am ersten Tag. Deine Adine Schwerin, Greenhaus, den 22ten September 1854 Wie habe ich mich gefreut, als ich nach langer Zeit endlich wieder Deine liebe Handschrift sah, aber leider fand ich die Bestättigung in Deinem mir so lieben Brief, daß Du garnicht wohl bist. Und Ischl, was Dir sonst so gut gethan, damit bist Du nicht zufrieden. Wie ist mir das so leid aus vielen Ursachen. Die Erkältung in Pilnitz im Frühjahr, die hat Dir doch sehr geschadet und hat sich recht festgesetzt. Schone Dich nur recht, damit der böse Herbst es nicht verschlimmert. Es ist hier in Schwerin schon recht kalt 257 Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz (1801–1855). 258 Das österr. 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“, in dem Prinz Hugo von WindischGraetz als Oberstleutnant diente, erhielt am 1. Juli mit Oberst Leopold Freiherr von Mallowetz (1812–1876) einen neuen Kommandeur und wurde anschließend nach Graz in die Steiermark verlegt. 259 Frz. Cordon sanitaire = Isolationsgebiet bei Ausbruch einer Seuche.
1854
195
und feucht, denn es regnet viel. Ich hoffe, daß es meinen Enkeln nicht schaden wird, da das Haus, was ich bewohne, recht warm ist, und sie da ungehindert umherlaufen können und sich auf diese Art viel Bewegung machen, denn im Garten ist es naß und kalt. Es macht mir gar zu viel Freude, sie um mich zu haben, und sie lieben mich sehr, sogar die kleine Marie zappelt vor Freude, wenn ich sie rufe. Schwester Luise und Lollo genießen gewiß die Manöver Freuden in vollen Zügen. Für letztere ist es so der Schwanengesang. Welch ein Unterschied, wenn sie in Meiningen sitzen werden. Wie mir Luise schreibt, hat Bruder Fritz die Idee, wenn er aus dem unglücklichen Schlesien zurückkommt, auch nach Muskau zu gehen, und vielleicht hat sie auch die Freude, Dich dort zu sehen. Diese Besuche werden wohl noch in diesem Monat sein, schade, sonst fänden wir uns alle dort zusammen, ein congres de famillie. Dabei fällt mir ein, daß Abat etwas im Schilde führt. Ich weiß nur nicht, was. Er will aber etwas von Fritz verlangen. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen! Aus Petersburg habe ich gute Nachrichten. Charlotte wie der Kaiser haben sich etwas erholt. Was wird aber die Expedition in die Krim bringen?260 Ich fürchte mich sehr. Gott stehe Rußland bei. Hast Du nicht den jungen Kaiser in Ischel auf andere Gedanken bringen können? Wie finde ich die Idee von Deiner Schwester Marie unglücklich, sich das Brühlsche Palais geben zu laßen zum Wohnen.261 Ich finde, es sieht so entsetzlich melankolisch aus, daß sie dort gewiß noch mehr an ihrem Schmertz und Kummer leiden wird als anderswo. Die Reise nach Ischel mit der geliebten Schwester wird ihr wohl thun, aber dann die Rückkehr nach Dresden wird furchtbar sein. Nun leb wohl, grüße Fritz und Luise, wenn sie noch da sind. Letzterer werde ich nächstens schreiben. Dein treue Adine Wie schrecklich traurig ist der plötzliche Tod der Prinzessin Karl von Rudolstadt, die letzte Schwester von meiner Schwiegermama.262 Die Arme wird schwer geprüft in ihrem Leben, alle Geschwister zu überleben, nur ein Bruder noch in Homburg.263
260 Nach der Landung der alliierten brit., frz. und osman. Truppen bis zum 19. Sept. auf der Krim, nördlich von Sewastopol, folgte ein Tag später ein erster Sieg der Alliierten über die russ. Truppen unter ihrem Oberbefehlshaber Fürst Alexander Sergejewitsch Menschikow (1787–1869) in der Schlacht an der Alma. Am 9. Okt. begann die Belagerung der russ. Festung Sewastopol durch die Alliierten, die fast ein Jahr bis zum 8. Sept. 1855 dauerte. 261 Das Brühlsche Palais in Dresden, 1737–1753 für den sächs. Premierminister Heinrich Graf von Brühl (1700–1763) errichtet, sollte für Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877), als Witwensitz dienen. 1900 wurde das Palais für den Bau des neuen Ständehauses abgebrochen. 262 Prinzessin Luise Ulrike von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1772– 1854), verh. 1793 mit Prinz Carl Günther von Schwarzburg-Rudolstadt (1771–1825), gest. am 18. Sept. Sie war die letzte lebende Schwester der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 263 Landgraf Ferdinand von Hessen-Homburg (1783–1866).
196
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 2ten Oktober 1854 Meine liebe Elis, ich melde mich und meine lieben Enkelchen am Donnerstag Abend in Berlin an. Du bist so gnädig gewesen und hast erlaubt, daß sie mit mir im Schloß wohnen dürfen. Ob ich aber die Freude haben werde, Dich den Abend in Sanssouci auf ein paar Stunden zu sehen, weiß ich noch nicht, da ich die Kinder gern selbst zu Bett bringen will, da sie ohne ihre alte Bonne sind, die bei Mariechen bleiben muß. Wenn aber der Zug um 7 Uhr nach Potsdam geht, dann komme ich. Fritz wird auch wohl dann von Schlesien zurück sein, welche Freude und Trost wird seine Anwesenheit verbreitet haben.264 Leider finde ich ihn nicht mehr in Muskau, und Du kömmst auch nicht dorthin. Das thut mir für Luise leid. Du hast nun eine recht ruhige Zeit in Sanssouci gehabt und schöne warme Tage. Das wird Dir gut gethan haben. Ach, wie traurig lauten die Nachrichten von dem Kriegsschauplatz. Ich hoffe nur, daß Sebastopol sich hällt.265 Wenn das fällt, was wird dann! Der arme Kaiser, er überlebt es nicht.266 Er soll zu sehr herunter sein, und Mandt, der nun nach Deutschland geht, es ist unverantwortlich. Leb wohl, auf vielleichtiges Wiedersehen. Deine alte Adine Schwerin, den 4ten Oktober 1854 Meine Elis, ich werde, wenn Du erlaubst, um 7 Uhr mit dem Zug von Berlin aus morgen Abend nach Sanssouci kommen. Meine Enkelchen werden mich nicht begleiten. Fritz hat mir von Berchtesgaden sagen laßen par télégraph, daß ihre Reise sich so verspätet hätte, daß die Kinder nun ruhig hier im Greenhaus bleiben sollten, mit dem Beding, daß ich nichts in meiner Reise ändern sollte. So reise ich nun, aber mit schwerem Herzen, die Kinder hier zurück zu laßen. Gott wird, hoffe ich, über sie wachen. Es sind zu liebe Kinderchen. Gott sei Dank, hat sich die schreckliche Nachricht von Sebastopol nicht bestättigt.267 Der Herr wird mit dem Kaiser sein und mit der Gutensache. Leb wohl, auf Wiedersehen. Deine Adine Tausend Dank für Deinen lieben Brief. 264 Oder-Hochwasser im Spätsommer 1854 mit Deichbrüchen, massiven Überschwemmungen und Schäden. 265 Nach dem Sieg in der Schlacht an der Alma marschierten die alliierten brit., frz. und osman. Truppen auf die Festung Sewastopol auf der Krim. Am 9. Okt. begann die Belagerung der Festung, die fast ein Jahr bis zum 8. Sept. 1855 dauerte. 266 Eine geradezu prophetische Aussage. Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855) verstarb am 2. März 1855 an einer Lungenentzündung. 267 Die Belagerung der russ. Festung Sewastopol auf der Krim durch die alliierten Truppen begann am 9. Okt. und dauerte fast ein Jahr bis zum 8. Sept. 1855.
1854
197 Schwerin, den 24ten Oktober 1854
Meine liebe Elis, wie gerne wäre ich eigentlich noch den einen Tag nach Sanssouci geblieben, aber es war so viel besser, da gleich Friedrich und Mariechen die Windpocken bekommen und zwei Tage recht krank waren. Heute scheinen nun die bösen Tage überstanden, aber sie sehen furchtbar im Gesicht aus, Auguste wird sich heute bei ihrer Ankunft sehr wundern. Mir ist nur lieb, daß ich aus der Verantwortlichkeit heraus komme, obgleich sie noch unter meiner Aufsicht bleiben, da sie noch nicht nach der Stadt ziehen dürfen und im Greenhaus bleiben müßen. Gestern bekam ich einen lieben Brief von Luise, die mir noch gute Nachrichten über die Krim giebt. Der liebe Gott wird schon helfen, aber es ist eine harte Prüfung für den Kaiser. Charlotte soll auch so ergeben schreiben. Die nächsten Tage müßen doch etwas Entscheidendes bringen. Gott wird ja geben, daß Fritz seinen Vertrag festhällt und nicht wankt.268 Dann werden die Schwankenden eine Stütze an ihm finden. Er muß nur nicht glauben, daß er nachgeben muß, wenn sie eine andere Miene annehmen. Sage ihm das von mir mit tausend Grüßen. Morgen erwarten wir die Großherzogs von Oldenburg.269 Wenn das Wetter so schäuslich bleibt, wie es seit 3 Tagen ist, dann werden sie sich sehr langweilen. Man kann ihnen nichts zeigen als das Schloß. Von der hübschen Gegend werden sie keine Ahnung haben. Wie lange bleibt der Wasa270 bei Dir? Er wohnt doch in den neuen Kammern. Das ist für seinen Fuß auch wohl besser. Nun leb wohl, verzeih diesen dummen Brief, aber ich sitze bei den Kindern, und die machen einen solchen Lärm und fragen so viel nach Dir, daß ich ganz dumm werde. Viel Liebes an Luise, Deine alte Adine Schwerin, den 28ten Oktober 1854 Meine liebe Elis, ich schreibe Dir schon wieder heute, aber der plötzliche Tod von der guten Therese271 hat mich so tief erschüttert und wird Dich natürlich ebenso ergriffen haben, denn mit ihr ist wieder ein treues, edles Herz auf Erden weniger, das für ihre Verwandten immer warme Liebe empfand. Es ist für ihre Kinder und viele Verwandte ein unersetzlicher Verlust und auch gewiß für Deinen Bruder272 ein herber Verlust. Er wird nun noch mehr erkennen, was er für eine Lebensgefährtin in ihr gehabt. Sie liebte ihn treu und wahr und hat manches Schwere ertragen. Gott, es ist schrecklich zu denken, daß Therese an der Cholera gestorben ist. Sie soll sich unendlich für diese Krankheit gefürch268 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen blieb bis zum Ende des Krimkrieges neutral. 269 Großherzog Peter II. von Oldenburg (1827–1900), verh. 1852 mit Prinzessin Elisabeth von Sachsen-Altenburg (1826–1896). 270 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 271 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854), gest. am 26. Okt. an der Cholera. 272 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) hatte zahlreiche öffentliche Affären.
198
Briefe 1851–1873
tet haben. Sie ruht nun in Frieden, und ihr mag noch manches Trübe erspart worden sein. Denn die Zukunft wird immer ernster. Die Nachrichten von Sebastopol sind nicht schlecht, aber das Herz klopft doch noch immer in banger Erwartung, was noch kommen wird. Östreich rüstet sich noch immer mehr gegen einen Feind, der nicht existiert, den es nur ganz allein heraufbeschwört.273 Ihm scheint das Anrücken der Garden in Warschau wieder eine feindliche Demonstration_________! Der Oldenburg274 wird der Überbringer dieses Briefes sein. Er ist ganz gut gesonnen, wenn auch nicht immer ganz klahr. Elisabeth ist eine herzige Frau. Nun leb wohl, heute [in] acht Tagen komme ich nach Sanssouci über Berlin und bleibe Sonntag bei Euch. Montag geht es dann weiter. Deine treue Adine Schwerin, den 3ten November 1854 Liebe Elis, ich komme also morgen Nachmittag nach Berlin und werde zum Thee in Sanssouci sein. Heute morgen bekam ich aus Florenz die Nachricht, daß Hugo seine Regiment nach Steiermark marschieren muß.275 Er wird aber Urlaub nehmen zu der Wochenzeit. Auf Wiedersehen, morgen, so Gott will. Deine Adine Wie schön die Nachrichten aus der Krim.276 Florenz, 7 Uhr morgens, den 17ten November 1854 Ich melde einen Enkel, theure Elis, was der Telegraph Dir schon gleich heute bringen wird.277 Wir können Gott nicht genug danken, daß er Louise so glücklich und schnell geholfen hat. In 6 Stunden war der kleine Mann da, für Luise ihre Kinder recht groß und stark, gut gebaut, mit einer enormen Nase und langen Fingern, großen Augen. Louise hat auch nicht so gelitten wie sonst, und nun ist sie glückselig, liegt in ihr Bett und muß sich ruhig hallten.
273 Seit dem 9. Okt. wurde die Festung Sewastopol auf der Krim durch die alliierten Truppen belagert. Österreich hatte nach der russ. Besetzung der Donaufürstentümer Walachei und Moldau Truppen in größerem Umfang an die russ. Grenze verlegt und band so einen Teil der russ. Armee. 274 Großherzog Peter II. von Oldenburg (1827–1900), verh. 1852 mit Prinzessin Elisabeth von Sachsen-Altenburg (1826–1896). 275 Prinz Hugo von Windisch-Graetz diente als österr. Oberstleutnant im 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“, das von Florenz nach Graz in der Steiermark verlegt wurde. 276 Am 25. Okt. hatten die russ. Truppen in der Schlacht von Balaklawa immerhin einen kleinen Erfolg gegen die Alliierten zu verzeichnen, der allerdings dem Krimkrieg keine Wendung brachte. 277 Geburt von Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1854–1920) am 17. Nov.
1854
199
Noch konnte ich keine Minute finden, um Dir oder Schwester Luise ein Lebenszeichen geben zu können, denn die ganz veränderte Lebensweise, manche arangements ließen mir keine Zeit. Meine Reise ging schnell und glücklich, ohne irgent einen Unglücksfall. Ich kam am Montag um 6 Uhr in Florenz an, da auf den Appeninen viel Schnee lag und es glatt war. Luise war mir mit Adini eine Stunde weit entgegen gekommen. Ich fand sie wohl aussehend, aber viel stärker wie sonst, dabei unglaublich schnellfüßig und munter, obgleich etwas bange für den erwarteten Moment, der nun Gott sei gelobt so schnell vorüber gegangen ist. Ich fuhr also mit ihr in einem offenen Wagen bei einer Kälte von 2–3° im Pelzmantel gehüllt in ihr Haus, was scharmant in einem Garten liegt. Ihr salon ist sehr groß und hoch deliziös eingerichtet, mit vielen verschiedenen établissement. Dort dinierten wir und tranken Thee, und um 9 Uhr fuhr ich von Luise begleitet nach meinen Hotel de Britagne,278 was nun, nachdem ich etwas eingerichtet, recht wohnlich ist. Es kostete etwas Mühe erst. Den anderen Morgen stand ich späth auf, zum Kaffee kam Luise, um 12 Uhr fuhr ich zu ihr, wo die Kindchen denn ganz deliziös sind. Adini ist recht stark und blühend und spricht so ausländisch deutsch, denn sie spricht englisch und italienisch, was zu komisch ist. Olga ist so klein und fein, wie ich nie ein Kind gesehen. Erst fand ich sie schäuslich, aber nun finde ich sie hübscher. Sie läuft, es ist wie ein Feenkind, große braune Augen. Sie gleicht wohl Hugo und wird hübsch werden. Um 3 Uhr fuhren wir in den Caschin,279 wo Musik war. Die Bäume sind noch alle belaubt, bis vorgestern war aber eine Kälte zum Erfriehren. Nun ist es ganz warm und oft heiß. Es regnet nur viel. Von der Stadt und Gallerie sah ich noch nichts. Die visite bei Hof machten wir einige Stunden, um 6 Uhr aßen wir, und um ½ 8 Uhr fuhren wir den Abend ins Theater, was Luise liebt und gewohnt ist. Ich finde es etwas langweilig, weil immer dasselbe gegeben wird. Es ist la Dame au camelia, hier Violetta genannt.280 Die Sängerin ist vortrefflich und spielt sehr gut. Der Sänger hat [etwas] ernstes, und spielen thut er garnicht. Dann ist ein Ballet. Die Foco281 tanzt scharmant, ist leicht wie eine Feder, so gratiös. Um 12 Uhr komme ich dann recht müde in mein Bett. Nun hast Du in Eile entworfen unsere Lebensart. Von heute an bin ich hier bei Luise den ganzen Tag. Nun leb wohl, wenn Du an Lollo nach Meiningen schreibst, bitte melde ihr die glückliche Niederkunft von Luise. An Schwester Luise, Fritz und Bruder Karl übernimmst Du auch wohl gütigst diese Meldung. Deine Adine
278 Heute das „Hotel Bretagna Heritage“ am Fluss Arno in der Altstadt von Florenz. 279 Parco delle Cascine, historische Parkanlage in Florenz. 280 Den Roman „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas d.J. (1824–1895), erschienen 1848 in Paris, verwendete 1853 Giuseppe Verdi (1813–1901) als Vorlage für seine Oper „La traviata“. 281 Sofia Fuoco, geb. Maria Brambilla (1830–1916), ital. Ballerina, verm. am Teatro della Pergola in Florenz.
200
Briefe 1851–1873
Florenz, den 19ten November 1854 Meine liebe, liebe Elis, ich küße Dich von ganzem Herzen zum heutigen lieben Geburtstag. Ich betete für Dich zum Himmel um recht reichen Seegen und Glück für Dich. Ach, daß ich heute fern sein muß, wo ich doppelt gern in Deiner Nähe bin! Ich folge mit einem Gedanken alles, wie es in Charlottenburg sein wird, wo ihr seit einigen Tagen hingezogen seid, wie mir Luise schreibt. Das war der erste Brief aus der Heimath, und ich lechze nach Briefen und Nachrichten, wie es in Sebastopol geht. Nach Nachrichten von hier scheinen 2 Ausfälle mit Glück ausgeführt zu sein, wo furchtbar viel Bluth gefloßen ist.282 Da es gute Nachrichten sind, so kann man es schon glauben, [für] andere erwarte ich erst Bestätigung. Die hiesige Famillie scheint ziemlich unserer Ansicht, bestimmt die beiden Großherzoginnen,283 und da kann ich dann frei sprechen. Hugo natürlich ist ganz prächtig darin, überhaubt spricht sich jeder ziemlich frei aus.284 Luise und ihrem Sohn geht es gut. Sie ist sehr vernünftig und ruhig. Ich habe die beiden anderen Kinder bei mir. Sie sind recht artig und spielen für sich. Adini fährt mit mir und der Schöning in den Cassinen285 und geht ganz vernünftig spazieren. Gestern war Militärmusik, die sehr schön spielte. Da waren eine Menge Wagen mit Damen, die dabei hielten, und die Herren kommen herum und machen conversationen. Des Abends im Theater werden Besuche in den Logen gemacht. Da nun immer dieselbe Oper und Ballet gegeben wird, so ist das scharmant, sonst würde man sterben vor Langweile. Ich amüsiere mich, dies mit anzusehen und [zu] beobachten. Serra di Falco286 fand ich hier, und der besuchte mich in der Loge. Das ist mein Kurmacher. Gerne hätte ich Dir von hier eine Kleinigkeit geschickt, allein, ich bin noch nicht vor die Thür gekommen, als bei Luise. Morgen werde ich vielleicht in die Gallerie287 gehen. Gott schütze Dich, und behallte mich so lieb wie bis jetzt, denn ich hänge mit ganzer Liebe an Dich. Deine treue Adine An Butt viel Liebes.
282 In den Schlachten von Balaklawa am 25. Okt. und Inkerman am 5. Nov. konnten die russ. Truppen den Alliierten schwere Verluste beibringen, ohne jedoch die Belagerung von Sewastopol aufbrechen und dem Krimkrieg eine Wendung geben zu können. 283 Großherzogin Maria Antonia von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien (1814–1898), und ihre Schwiegermutter Großherzogin Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1796–1865). 284 Frei sprechen heißt hier im Sinne Preußens gegen Österreichs Russlandpolitik. 285 Parco delle Cascine, historische Parkanlage in Florenz. 286 Domenico Lo Faso Pietrasanta, Herzog von Serradifalco (1783–1863), ital. Architekt, Archäologe und Schriftsteller. 287 Berühmte Gemäldegalerien in Florenz im Palazzo Pitti und in den Uffizien.
1854
201
Charlottenburg, den 26ten November 1854 Meine Adine, für zwey liebe Briefe habe ich Dir zu danken und thue es von ganzem Herzen. Wie lieb von Dir, daß Du mir den 17ten selbst noch geschrieben hast und meiner den 19ten so liebevoll dachtest. Tausend Dank dafür! Gottlob, daß es Deiner Luise so gut geht und dem Kleinen mit der langen Nase.288 Schwester Luise lachte sehr über diese Nase und über Dein nüchternes Urtheil über Deine zweyte Enkelin.289 Ich denke, sie wird doch noch hübsch werden. Die Beschreibung Deines Lebens in Florenz, des Theaters, der dortigen Gebräuche interessirte uns ausserordentlich. Serra di Falco290 ist also Dein Courmacher in der Loge. Der wird doch auch am Ende langweilig werden, wie die täglich wiederholte selbe Oper. Aus der Dame aux Camélias hat man eine Oper gemacht, das muß einzig seyn.291 Ich freue mich, daß Du mit den Großherzoginnen292 und mit Hugo offenherzig sprechen kannst über Politik. Die Schlacht am 5ten war furchtbar mörderisch und nicht glücklich!293 Seitdem ist nichts vorgefallen, und seit mehreren Tagen kamen gar keine Nachrichten. Die arme Charlotte soll doch sehr herunter seyn, vor Angst und Sorgen. Gott bewahrte ihre lieben Söhne wunderbar den 5ten in dem schrecklichen Kugelregen.294 Gott wolle sie weiter schüzen! Lord Bloomfield295 ist in Berlin zurück. Die Gemahlin kömmt auch bald, wird aber wohl kaum ausfahren, denn sie hat mehre Verwandte in der Krimm verloren.296 Wir sind schon sehr mit der Hochzeit beschäfftigt.297 Marianna kömmt übermorgen an hier in Charlottenburg, und Mitwoch ist Einzug und Trauung. Viel auf einmal, Leopold298 bestand darauf. Lolo kam gestern Abend an. Morgen sind es 31 Jahre, daß ich in Potsdamm ankam und Dich kenne, meine Adine. Behalte mir Deine Liebe. Ich hatte Dich immer so lieb seit den langen Jahren. Die Kälte bey Deiner Ankunft muß recht 288 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1854–1920), geb. am 17. Nov. 289 Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934). 290 Domenico Lo Faso Pietrasanta, Herzog von Serradifalco (1783–1863), ital. Architekt, Archäologe und Schriftsteller. 291 Den Roman „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas d.J. (1824–1895), erschienen 1848 in Paris, verwendete 1853 Giuseppe Verdi (1813–1901) als Vorlage für seine Oper „La traviata“. 292 Großherzogin Maria Antonia von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien (1814–1898), und ihre Schwiegermutter Großherzogin Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1796–1865). 293 Unter großen Verlusten gelang es den russ. Truppen am 5. Nov. in der Schlacht bei Inkerman nicht, die alliierte Belagerung von Sewastopol zu durchbrechen. 294 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891), russ. Generalmajor, und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister, nahmen an der Schlacht von Inkerman am 5. Nov. teil. 295 John Bloomfield, 2. Baron Bloomfield (1802–1879), 1851–1860 brit. Gesandter in Preußen. 296 Georgiana Bloomfield, Baroness Bloomfield, geb. Liddell (1822–1905). 297 Heirat von Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906) mit Prinz Friedrich Karl von Preußen am 29. Nov. 298 Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871).
202
Briefe 1851–1873
unangenehm gewesen seyn. Hier ist es jetzt wieder milder, aber grau und trauriger Himmel. Mit Mathild geht es leider immer nicht gut, auch hat sie es aufgegeben, bey der Hochzeit zu erscheinen. Es kostete ihr gewiß viel Mühe, aber sie that es so einfach, ohne zu klagen, und machte mir es dadurch weniger schwer, obgleich es mir sehr leid that. Frau von Massow299 wird sie bey den Festen ersezen. Auguste hat einen starken Schnupfen, aber es geht besser, und sie geht wieder aus. Den 1sten reisen sie und Wilhelm wieder ab, wenigstens wird sie nicht zu lange die Greuel haben, in Berlin zu seyn. Fritz umarmt Dich herzlich. Es geht ihm Gottlob gut, und bis jetzt hat er Gott sey Dank keinen Schnupfen (unberufen). Den 4ten Dezember gehen wir nach Potsdamm. Es ist so hübsch hier, so warm und bequem. Lebe nun wohl, meine Adine, tausend Liebes an Wiwi und mit treuer Liebe, Deine alte Elis Auguste sagt mir eben, daß sie erst den 2ten abreisen wollen, was auch viel anständiger ist. Dein Wilhelm war bey Tisch und recht wohl, nur fühlt er noch etwas am Knie. Florenz, den 26ten November 1854 Eben beim Erwachen brachte man mir Deinen lieben Brief vom 21ten, für den ich Dir tausend Dank sage. Ich sehnte mich schon lange nach einem Brief, meine Elis, denn die machen mich immer so glücklich. Du hast ein Talent, alles zu berühren, was mich interessieren kann. Du hast mit Recht gedacht, daß meine Gedanken am 19ten beständig bei Dir waren! Ich hoffe, meine Kinder werden Dich nicht geniert haben, aber ich weiß, sie machten sich ein Fest daraus, denn beide verehren Dich sehr. Daß sie nach Hannover gereist zur Jagdt, davon wußte ich nichts. Es freut mich, denn es ist ein Zeichen, daß Auguste300 wohl ist und aufgelegt zu Ausflüchten, was ihr recht gut thut. Du klagst so über Kälte. Die habe ich nun in reichen Maßen auf der Reise gehabt, dafür regnet es aber diese ganze Woche in Ströhmen und die Luft ist kalt und kühl. Ich glaube, daß sie recht ungesund ist. Ich habe wenigstens viel Kopfweh. Meiner Luise geht es bis heute durch Gottes Gnade recht gut, und sie wird heute Mittag zuerst aufstehen. Zum Glück scheint endlich einmal die Sonne. Ob sie aber bleibt, ist sehr zweifelhaft. Der Kleine301 nimmt zu und wird etwas weniger häslich. Die beiden Mädchen sind liebe Kinder. Olga, die kleine zahrte Puppe, wird immer niedlicher, Adini ist eine kleine Schönheit und ziemlich artig. In diesen Tagen bin ich im Palazo Pitti und Uffizien gewesen. Was das für ein Genuß ist, die schönen Bilder recht ruhig und still anschauen zu können und in ihren Anblick sich
299 Auguste von Massow, geb. Freiin von Canitz und Dallwitz (1822–1904), verh. 1849 mit Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall Friedrich Wilhelms IV. von Preußen und Intendant der kgl. Gärten. 300 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, war chronisch lungenkrank. 301 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1854–1920), geb. am 17. Nov.
1854
203
zu vertiefen. In Pitti ist eine Madonna von Murillo,302 die mich ganz vorzüglich anspricht, dann die Madonna de la Seggiola von Raphael,303 die Judit304 und noch einige andere Madonnas und Portraits. In den Uffizi ist so viel, daß man, wie ich es durchgegangen bin, noch nicht weiß, was ich eigentlich gesehen. Ich werde aber morgen wieder hin und dann nur einige Säle vornehmen. Die großherzogliche Famillie hat seit gestern die Freude, die Luitpold bei sich zu haben mit 4 Kindern.305 Sie ist seit 8 Jahren nicht zu Haus gewesen. Morgen will ich versuchen, ihr meinen Besuch zu machen. Ich hoffe, Gott wendet alles zum Guten, aber die Verstärkung der Westmächte ist sehr bedenklich. Indeßen, die Rußen ziehen auch Verstärkung an sich. Wenn Östreich nur ruhig bleibt, dann kann noch alles gut werden.306 Leb wohl, Gott mit euch ihr Lieben. Adine Florenz, den 1ten December 1854 Eben beim Aufstehen brachte man mir Deinen lieben Brief vom 26ten, der mich wieder so glücklich machte, und ich danke Dir von Herzen für die lieben Worte, die Du mir über unsere 31jährige Liebe und Freundschaft sagst. Am liebsten fiele ich Dir um den Halz und küßte Dich dafür. Aber meine Liebe zu Dir ist auch treu und unerschütterlich, davon kannst Du überzeugt sein. Meiner Luise geht es nach 10 Tagen bis jetzt, unberufen, wie anderen nach 4 Wochen. Nur heute fürchte ich, sie angegriffen zu finden, denn Hugo ist gestern Nachmittag wirklich abgereist,307 was ihr tausend Thränen gekostet, obgleich sie doch wieder auch recht vernünftig war und sich nicht zu sehr gehen ließ, um sich nicht zu schaden. Aber ihre dick verweinten Augen zeigten, wie die Thränen doch recht wieder kamen. Es ist uns allen auch leid, denn er ist ein lieber Wirt, immer heiter und höflich bedacht, uns Freude zu machen, und so ein prächtiger, redlicher, treuer Mensch, auf den Verlaß ist. Verzeih, daß ich mich so lange über ihn ausgelaßen. Der Kleine308 fängt auch an, recht niedlich zu werden. Er nimmt sehr zu. Olga wird so allerliebst, sie wird stärker und hat mehr Farben, ist dabei ein so freundliches Kind, ist schälmisch und lustig. Adini ist viel zurückhaltender, lange nicht so zuvorkommend. Gestern Vormittag, wo es ein himlischer Tag war, bin ich nach Fiesolie309 gewesen, von wo 302 „Madonna und Kind“, Gemälde von 1655/1660 von Bartolomé Esteban Murillo (1618–1682). 303 „Madonna della Seggiola“, Gemälde von 1513–1514 von Raffael da Urbino (1483–1520). 304 „Judith mit dem Haupt des Holofernes“, Gemälde von 1613–1614 von Artemisia Gentileschi (1593–1652/1653). 305 Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912), mit ihren Kindern Ludwig (1845–1921), Leopold (1846–1930), Therese (1850–1925) und Arnulf von Bayern (1852–1907). 306 Österreich schloss am 2. Dez. ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien gegen Russland. 307 Das österr. 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“, in dem Prinz Hugo von WindischGraetz als Oberstleutnant diente, wurde von Florenz nach Graz in der Steiermark verlegt. 308 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1854–1920), geb. am 17. Nov. 309 Fiesole, exklusiver Vorort der Oberschicht von Florenz, und das Kloster San Francesco.
204
Briefe 1851–1873
man den himlischen Blick auf Florenz herunter hat und auch die fernen Berge sehen kann. Es ist ein Kloster mit einem kleinen freundlichen Ort, der auf einem hohen Berg liegt. Man fährt eine Stunde herauf, anfangs zwischen Mauern. Dann wendet sich der Weg und man sieht nun in dem reichen Thale herab. Neben der Straße sind die himlischsten Villas mit Gärten, wo Lorbeer, Rosen, Zipressen, Rododendron in dicken Bäumen über die Mauern ragen, und die Blicke durch die Thorwege sind reitzend. Oben, auf der allerschönsten Aussicht, konnte ich nicht herauf, weil es späth [war] und ich Hugo abreisen sehen wollte. Aber den nächsten schönen Tag will ich dazu benutzen. Der Mond schien so hell und so klahr am Abend, daß ich noch eine Fahrt durch die Stadt machte, der Dom, die Uffizi und Pitti nahmen sich prächtig aus. Nun leb wohl, Luise grüßt Dich herzlich und dankt sehr für Dein Andenken. Ich habe am 29ten viel zu Euch gedacht, wie wohl der Ofen310 gewesen, oder ob er nicht stattgefunden wegen Ursachen. Ob Mariechen wohl hübsch war am Hochzeitstag und die übrigen Tage?311 Daß Auguste und Wilhelm bis zum 2ten December bleiben, ist doch passend, noch passender wäre es, wenn sie die Feste alle mitgemacht. Ich finde, die Tochter hätte ihren Geburtstag noch feiern können.312 Gott mit Dir und seegne Fritz für seine Friedensbemühungen. Remon313 ist überglücklich über Fritz seinen Brief und die schönen Medaillen. Deine treue Adine Grüße alle Geschwister, das junge Paar und Lollo, wie die wohl glücklich ist, wieder nach Berlin gekommen zu sein. Charlottenburg, den 8ten Dezember 1854 Meine Adine, zwey liebe Briefe von Deiner Hand liegen vor mir. Tausend Dank dafür, sie erfreuten mich unschreiblich. Du bist zu lieb, so oft zu schreiben, und hast doch gewiß nicht viel Zeit bey der Pflege Deiner Luise. Gottlob, daß es ihr gut geht, aber wie traurig, daß Hugo weg mußte. Sein Regiment ist also dennoch fort. Weiß Gott, wie es jetzt gehen wird. Seit dem Allianz Vertrag Oesterreichs mit den Westmächten,314 der wie eine Bombe mitten in die Friedens Hoffnungen fiel, und nachdem sich eben Deutschland näher an Oesterreich angeschlossen hatte, ist unsere Lage schwieriger wie je, und ich muß gestehen, daß ich in meiner Dummheit gar nicht fasse, was es zu bedeuten hat. England wird 310 „Ofen“ diente als Umschreibung für die Hochzeitsnacht. 311 Heirat von Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906) mit Prinz Friedrich Karl von Preußen am 29. Nov. 312 Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter von Prinz Wilhelm (I.) und Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, feierte am 3. Dez. ihren 16. Geburtstag. 313 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Diplomat und Historiker, preuß. Legationssekretär in Rom und Geschäftsträger in Florenz. 314 Österreich schloss am 2. Dez. ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien gegen Russland.
1854
205
versichern, es sey nur, um den Frieden zu befördern. Gott gebe, daß dem so sey! Die Mezeley in der Krimm ist gründlich, und die Anglofranzosen scheinen sich dort für den Winter nieder zu lassen, um im Frühjahr wieder anzufangen. Ich kann mir nicht denken, daß das Bewußtseyn, einen neuen mächtigen Verbündeten mit einer schlagfertigen Armee zu haben, sie friedfertiger stimmt. Doch genug davon, ich will Dich nicht auch noch mit unserm Jammer plagen. Welchen Genuß muß Dir die Kunst gewähren, und die herrliche Gegend. Es ist doch eine Wonne, einen Winter in Florenz zu zu bringen. Da wir jetzt nach unsrer Art warme Tage haben, so denke ich, ist es dort heiß. Ich hoffe, Dein Kopfweh ist vorüber? Es ist beynahe 10 Uhr und Fritz noch nicht da zum Frühstück. Er ist spät aufgestanden, weil er gestern sehr verschnupft war und fiebrig. Aber heute geht es ihm Gottlob wieder gut, und er darf auch ausgehen, aber bey Tag laut Schönlein.315 Fritz Oranien ist heute abgereist, troz unserm Flehen und troz der Heiserkeit, die ihn dieser Tage plagte. […]316 Florenz, den 16ten December 1854 Tausend Dank, meine geliebte Elis, für Deinen lieben Brief vom 9ten December, der eben hier ankam. Alle Nachrichten, die Du mir giebst, interessieren mich sehr. Die Politik, finde ich, ist ein Turm zu Babel. Ich ärgere mich so, daß ich garnicht darüber schreiben mag. Nur so viel ist gewiß, die östreichische Politik ist eine falsche und schlechte! Eben bekam ich auch einen Brief von Elise Rauch vom 4ten, wonach es zwar etwas besser ging mit Charlotte, sie war aber doch noch sehr krank. Ich zittere für jedes Unwohlsein und wie viel mehr jetzt, wo auch die Angst und die Sorge um die Söhne dazu kömmt.317 Gott wird ja gnädig über sie wachen, ihr die Kräfte bald wieder geben, der sie so sehr bedarf. Und der arme Kaiser, der nun zu alle den großen Sorgen nun auch noch diese, die seinem Herzen die allertheuerste ist, haben muß. Er muß auch eine Gesundheit und Nerven haben, mehr, wie man von ihm erwarten kann. Gott wird aber ihm wie der Guten Sache beistehen. Wenn ich bei Charlotte sein könnte, wie würde mich das glücklich machen. Ein Wort von mir würde ihr mehr Trost geben, aber es muß wohl so besser sein, und wenn ich dabei an mich selbst denke, so glaube ich, ich würde es kaum dies Jahr haben aushallten können, alle diese verschiedene Gemüthsbewegungen durchzumachen. Es muß aufreibend sein. Gott wolle Charlotte nur erhallten, das Gegentheil ist garnicht auszudenken. Gestern war hier ein so himlischer Tag, den ich benutzte, um einmal die Gegend von der anderen Seite des Arno anzusehen, und den Blick nach den Bergen zu haben, wo ich nun schon oft gewesen. Die Stadt Florenz lag da so unendlich schön vor uns, so ganz anders, als wie man sie sonst sieht, und der Blick darüber fort war reitzend. Dann ging ich noch in den Cassinen318 bis um 5 Uhr. Vorgestern dagegen schien 315 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 316 Rest des Briefes fehlt. 317 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891), russ. Generalmajor, und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister, nahmen am Krimkrieg teil, u.a. auch an der Schlacht von Inkerman am 5. Nov. 318 Parco delle Cascine, historische Parkanlage in Florenz.
206
Briefe 1851–1873
auch die Sonne. Es war aber eine eisige Kälte, daß alles mit dicke Pelzmäntel fuhr. Ich trage meinen sehr viel, so warm mußt du Dir Florenz nicht denken. Pelze braucht man sehr oft. Es giebt aber dann wärmere Tage dazwischen. Die Beschreibung von der triumphierenden Miene des jungen Ehemannes hat mich und Luise ungeheuer amüsiert.319 Welches Glück, daß Mary und Agnes320 sie darauf vorbereiten konnten. Der Strauß von der armen Caroline321 finde ich so etwas rührendes, daß ich es garnicht sagen kann. Ach, ihr ist wohl bei dem Herrn. Mein Brief wird wohl Heilig Abend ankommen. Leider habe ich Dir noch nichts von hier senden können. Ich hoffe, es mitzubringen. Leb wohl, das alte Jahr geht nun seinem Ende entgegen. Es war sehr traurig. Wird das nächste nicht noch viel schrecklicher werden? Adios, Deine Adine Charlottenburg, den 23ten Dezember 1854 Meine Adine, gestern erhielt ich Deinen lieben Brief und will Dir dafür danken. Er erfreute mich sehr, denn mir wurde schon die Zeit lang, seit den lezten Nachrichten von Dir. Ich begreiffe nicht, daß Du den 16ten noch nicht die telegraphischen Berichte aus Gatchina hattest? Seitdem müßten sie täglich gekommen seyn. Gottlob, es geht ja besser, und nun, [da] die Söhne zurück sind, wird die arme Kranke auch ruhiger seyn.322 Wenn sie nur in der Stadt wäre, da meine ich, müßte alles leichter seyn, für sie und für die Umgebungen. Ich habe seitdem noch andere Besorgnisse gehabt, für meinen ältesten Bruder, den eine tiefe und lange Ohnmacht dem Tode sehr nahe brachte in Darmstadt, wo er noch bey seiner Tochter ist.323 Es ging denn immer besser, die Kräfte nahmen zu, und es kamen keine Berichte mehr, als gestern wieder eine sehr beunruhigende Nachricht kam. Er hatte wieder eine Ohnmacht und war sehr schwach. Du kannst Dir meine Angst denken. Aber eben kam wieder eine bessere Nachricht. Er findet sich nach einer sehr guten Nacht gestärkt, und Max und Mariechen324 sind heute früh in Darmstadt angekommen. Ich denke, es wird ihn freuen, besonders Mariechen zu sehen, die er so unaussprechlich 319 Heirat von Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906) mit Prinz Friedrich Karl von Preußen am 29. Nov. 320 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 321 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854), gest. am 28. Nov., einen Tag vor der Hochzeit. 322 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, erholte sich von einer Erkrankung in Schloss Gattschina. Ihre Söhne, die Großfürsten Nikolaus (1831–1891), russ. Generalmajor, und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister, waren von der Front auf der Krim zurückgekehrt, wo sie an der Schlacht von Inkerman am 5. Nov. teilgenommen hatten. 323 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) zu Besuch bei seiner Tochter Großherzogin Mathilde Karoline von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Bayern (1813–1862). 324 König Maximilian II. Joseph (1811–1864) und Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889).
1854
207
liebt. Er ist so unglücklich seit Theresens Tod,325 daß ich nicht weiß, ob man ihm ein längeres Leben wünschen darf, aber für uns Alle wäre sein Verlust ein großer Schmerz. Ueber die Politik will ich auch lieber schweigen. Ich ärgere mich so, daß ich ganz bitter bin, und das thut so weh, wenn man die Menschen liebt, die einen solchen Kummer machen. Es scheint mir leider nur zu wahrscheinlich, daß da, wo man glaubt, zum Frieden zu kommen, man nur einen allgemeinen, gräßlichen Krieg entzünden wird, denn die neuen Verbündeten wollen den Krieg.326 Das Elend der Anglofranzosen in der Krimm soll gräßlich seyn. Das läßt sich denken. Ich glaube, die Kälte wäre noch besser als dieser beständige Regen. Er ist auch hier schrecklich, und heute Nacht heulte der Sturm, daß man nicht schlafen konnte. Heute endlich scheint die Sonne, das thut wohl und giebt wieder Muth, der einen jetzt in den dunkeln Tagen doppelt stärkt. Unsere Luise327 ist nun auch fort. Aus Hannover hatte ich einen Brief von ihr. Sie fehlt mir recht, es that mir so wohl, ihr mein Herz aus zu schütten und so ganz von ihr verstanden zu werden. Der Abschied war sehr traurig. Sie riß sich mit Mühe von uns los. In diesem kritischen Augenblick war auch die Trennung nun so schwer. Ich hoffe, mit Deiner Luise und ihrem Kleinen328 geht es ganz gut? Ich denke, sie wird bald ausgehen können, obgleich Deine Beschreibung des Klima’s nicht so einladend ist, wie ich dachte. Aber wie schön muß es doch seyn, wie herrlich die Aussichten. Morgen wird auch ein froher Tag bey Euch seyn und Deine Enkel recht erfreut werden. Deine Kammerfrau329 hat unsere Gaben mit genommen und wird sie Dir hoffentlich morgen aufbauen. Dein Wilhelm ist nach Hause, Wilhelm von Baden330 auch, und Moriz.331 Und Wiwi und Alexis332 finden [es] für gut, noch weg zu bleiben. Mir ganz recht, denn viel Freude gewährt ihr Anblick nicht, aber für die Eltern333 ist es eben nicht freundlich. An der Schwiegertochter334 haben sie viel Freude, sie ist auch gar lieblich. Luise wird Dir von dem Theater und dem Balle geschrieben haben? Ich bin froh, daß es vorbey ist. Das Herz ist einem jetzt zu schwer, um dergleichen ruhig zu ertragen. Diesen Brief wirst Du in den lezten Tagen des traurigen Jahres empfangen. Laß Dir für das neue Glück und Segen wünschen, auch an Luise und ihre Kinder. Gott wolle, daß 325 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854), gest. am 26. Okt. 326 Die Abwendung Österreichs von Russland sorgte für familiäre Missstimmungen zu den Habsburgern. 327 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 328 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, mit ihrem Sohn Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1854–1920), geb. am 17. Nov. 329 Sophie Klockow und Helene von Seydewitz waren Kammerfrauen bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 330 Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897), preuß. Hauptmann beim 1. Garde-Regiment zu Fuß. 331 Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg (1829–1907), preuß. Premierleutnant, dem Garde-HusarenRegiment aggregiert. 332 Landgraf Alexis (1829–1905) und Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901). 333 Prinz Carl und Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 334 Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1837–1906).
208
Briefe 1851–1873
es besser werde, wie das jetzige. Er allein kann uns helfen, die Menschen verderben alles! Fritz umarmt Dich. Er war einige Zeit sehr heiser und verschnupft, aber nun Gottlob geht es ihm wieder gut. Da kümmt er eben herein. Wir haben ein diné mit Damen gehabt, und nun eile ich zu enden, damit der Brief heute noch fort kömmt. Lebe wohl, Du Liebe, Gott segne Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Luise umarme ich. Florenz, den 26ten December 1854 Verzeih, wenn ich heute nur einen sehr flüchtigen Dank schreibe für die wunderschönen Kragen und Tücher, die mich unendlich erfreut, weil ich mir dergleichen gewünscht, aber ich bin 3 Tage recht unwohl gewesen an ein Erkältungsfieber mit Kopfreißen, Zahnweh, was sich in Zahngeschwür und dicker Backe auflösete. Grade an Heilig Abend war ich am miserabelsten, habe mich aber herausgemacht, was mir gut bekommen. Gestern war ich mit Luise zur Kirche, und Freitag geht sie nun ganz wieder aus. Wir werden an dem Abend bei einer Gräfin Bobrinsky335 sein, die Weihnachten an viele Kinder geben will, auch an Adini. Am 1ten Januar werde ich auch am Abend am Hof auf einem Galla Ball sein mit einfacher moirée antik Kleid und einige Brillanten, die ich mithabe. Gott schütze Dich und Fritz im Neuen Jahr und gebe letzterem die Kraft, mit starkem Arm die gerechte Sache so zu schützen, wie bis jetzt, was sogar hier anerkannt wird. Du hast auch wieder Besorgniß gehabt um Deinen ältesten Bruder.336 Die letzte Nachricht, die die Luitpold337 gehabt, sind besser. Er ist auch hier, wir haben uns gestern verfehlt. Gott mit euch, liebe immer Deine treue Adine Tausend Dank für die telegraphischen Berichte aus Petersburg. Gott, wie krank ist die arme Charlotte gewesen und wie sie nun wohl schwach ist. Die Freude über die Ankunft der beiden Söhne338 wird sie schneller genesen laßen. Es war recht barmherzig, daß ihr meiner auf diese Art gedacht und die Berichte habt zukommen laßen. Was wird das Neue Jahr bringen? Östreich nimmt sich mehr wie wunderbar. 335 Mglw. Julia Gräfin Bobrinskaja, geb. Junosha-Belinskaja (1804–1892), verh. 1822 mit Paul Graf Bobrinsky (1801–1830), Enkel von Kaiserin Katharina II. von Russland, gest. bei einem Duell in Florenz. 336 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 337 Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912). 338 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891), russ. Generalmajor, und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister, waren von der Front auf der Krim zurückgekehrt.
1854
209 Florenz, den 30ten December 1854
Meine geliebte Elis, dies sind nun die letzten Zeilen aus diesem schrecklichen Jahr. Gott gebe uns ein besseres im Neuen Jahr. Behallte mich so lieb und zeige mir immer Dein treues Herz, denn Du weißt, wie sehr ich Dich liebe und wie ich Dich verstehe. Dies ist ein Glück, was wir uns recht bewahren wollen, damit die Menschen es nicht antasten können, denn die verderben alles, da sie jetzt viel weniger verstehen, was wahre Liebe und treue Freundschaft. Welch eine Beweiß liefert die jetzige Politik davon. Doch davon wollen wir schweigen. Es ist wirklich nicht gut, sich damit zu beschäftigen. Ich werde so bitter, und die Galle läuft mir über. Wenn Fritz sich nur davon frei hällt, daß man ihn nicht nach und nach hineinzieht in ihre Schlechtigkeit, ohne daß er es gewahr wird. Das ist immer meine Angst, denn er meint es so wahr und gut, aber das benutzen die anderen. Ich würde die Westnächte nun allein laufen laßen, und mich frei nach allen Seiten stellen und nicht Angst haben. Gestern habe ich hier ein Kinderfest mitgemacht bei einer Gräfin Bobrinsky,339 die Weihnachtsbäume mit den hübschen Spielsachen vertheilte. Es war scharmant. Daran reihte sich ein kleiner Ball, der scharmant war. Ich sah da die elegante Welt von Florenz. Es war mir, als [wenn] man im Theater war. Ich kannte vom Ansehen die Menschen, und mich beachteten sie wenig. Es gab 2 sehr hübsche Frauen, die Hügel, östreichische Gesandtin,340 und eine Gräfin Ferrary, geborene Moltke aus Dänemark,341 beide blond, schlank, zahrt, blaue Augen, sehr lebendig, die andere sanft und weich. Viele Frauen mit 2– bis 3deutigem Ruf, aber amüsant anzusehen. Auch einige schöne Männer. Die toiletten wie bei uns, alle in Seiden, elegante Kleider, Blumen und Brillanten. Sehr vortheilhaft sticht Luise in dieser eleganten Welt hervor. Sie sieht vornehm und einfach aus, wird auch von allen mit einer gewißen Achtung behandelt, ohne unbequem zu sein. Verzeih, daß ich mein Kind lobe, aber Du verkennst mich nicht darin. Man bedauert im allgemeinen, daß Luise und Hugo fort ziehen, denn man liebt sie beide, und sie ziehren die Gesellschaft. Luise ist aber auch sehr betrübt, diesen schönen Aufenthalt zu verlaßen. Es wird ihr so bald nicht wieder so gut werden, eine solche Garnison zu bekommen.342 Ich finde nur, wenn man so die Villas besieht, daß man da rechte Lust haben könnte, hier zu leben, denn die Gegend ist zu reitzend. Es muß zu himlisch sein. Die Mondhelle ist auch so etwas ganz besonderes. Die Luft ist nun seit dem Mondwechsel hell und klahr, aber die Luft ist hart, da der Wind sehr unangenehm ist. 339 Mglw. Julia Gräfin Bobrinskaja, geb. Junosha-Belinskaja (1804–1892), verh. 1822 mit Paul Graf Bobrinsky (1801–1830), Enkel von Kaiserin Katharina II. von Russland, gest. 1830 bei einem Duell in Florenz. 340 Elizabeth Freifrau von Hügel, geb. Farquharson (1831–1913), verh. mit Carl Freiherr von Hügel (1795–1870), österr. Gesandter in der Toskana. 341 Bertha Gräfin di Ferrari-Corbelli, geb. Gräfin von Moltke-Huitfeldt (1832–1857), verh. mit Luigi Graf di Ferrari-Corbelli (1806–1883). 342 Das österr. 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“, in dem Prinz Hugo von WindischGraetz als Oberstleutnant diente, war von Florenz nach Graz in der Steiermark verlegt worden.
210
Briefe 1851–1873
Den 31ten. Nun noch ein Lebe wohl, Gott mit Euch und uns aus dem alten Jahr. Die Nachrichten von Charlotte waren gestern nicht so gut. Gott schütze sie und gebe ihr Kraft, die Krankheit zu überstehen. Elise Rauch schrieb vom 12ten December, daß sie immer mit der Politik beschäftigt wäre, und auf ihr ausdrückliches Verlangen hätte man ihr den neuen Vertrach vom 2ten December zwischen den 3 Mächten gesagt. Da hätte sie 2 Ohnmachten gehabt!343 Östreich bringt sie vielleicht in’s Grab. Gott bewahre uns für solches Unglück. Deine treue, alte Adine
343 Österreich hatte am 2. Dez. im Krimkrieg ein Bündnis mit den Westmächten Frankreich und Großbritannien geschlossen.
1855 Potsdamm, den 4ten Januar 1855 Seitdem ich Deinen lieben Brief vom 26ten Dezemer habe, meine Adine, will ich Dir immer dafür danken und komme nicht dazu. Endlich heute wird mir’s möglich, und zugleich meinen recht verspäteten Dank zu sagen für Deinen Antheil an dem allerliebsten Bild, das ich zu Weihnachten bekam. Es ist eine Ansicht des Chiemsees in Bayern, die mir große Freude machte. Dein Andenken am 1ten Januar hat uns sehr gerührt. Leider hat man es versäumt, in den zahlreichen dépèchen, die die russischen zu Dir weiter bringen, auch unsere Glückwünsche aus zu sprechen, aber im Herzen waren sie treu und herzlich, das weißt Du wohl. Du wirst Dich mit uns über die Nachrichten von Charlotte gefreut haben, die nun Gottlob ohne Herzklopfen ist und endlich in Petersburg. Das ist ein ungeheurer Fortschritt, und gewiß wird jetzt die Genesung schneller gehen. Mit meinem Bruder1 geht es auch wieder besser. Aber in voriger Woche hatte er einen neuen Rückfall und man erwartete sein Ende! Gottlob, die Kräfte haben sich wieder, aber mit 68 Jahren wiedersteht man schwerlich solchen wiederholten Stürmen! Mariechen und Max2 sind noch in Darmstadt, und der Kranke freut sich sehr ihrer Gegenwart. Mariannen unterbrach mich und saß lange mit mir in meinem Kabinet. Sie kömmt gern zu mir. Mittags und abends haben wir es ihnen frey gestellt zu kommen, wann sie wollen. Uebermorgen kehren wir nach Charlottenburg zurück, aber vielleicht kommen wir künftige Woche wieder auf ein paar Tage hieher. Das Wetter ist wieder etwas besser, wiewohl dunkel, aber die lezte Woche des Jahres und am Neujahrstage war es furchtbar, Sturm und Regen ohne Unterlaß, und egyptische Finsternis.3 In der Kapelle,4 wo wir den 31ten zum Abendmahl gingen und den Neujahrstag den Gottesdienst hatten, konnte man kaum etwas sehen, und der Wind peitschte dermaßen an die Fenster der Kuppel, daß man fürchten mußte, sie herein fallen zu sehen. Ich kann mir in Jahren keinen so stürmischen Winter erinnern. Gott gebe nur, daß das ganze Jahr nicht dem ersten Tag gleiche. Ruhig und glücklich, fürchte ich, wird es nicht werden. Die Zukunft liegt dunkel vor uns und mir ist oft recht bange. Manteuffel ist noch in Wien. Man empfing ihn gnädig und hörte ihn ruhig an. Der junge Herr5 will aufrichtig den Frieden, aber seine Alliirten wollen ihn nicht, und da ist immer zu fürchten, er wird mit fort gerissen.6 Sie sollten doch Mitleiden mit ihren armen Soldaten haben, die furchtbar aussehen. Noch sagte ich Dir nicht, wie leid es mir thut, daß Du so unwohl warst, und gerade in den Weihnachtstagen. Ich hoffe, nun geht 1 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 2 König Maximilian II. Joseph (1811–1864) und Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 3 Ägyptische Finsternis: biblische Plage aus dem 2. Buch Mose, die drei Tage andauerte. 4 Schlosskapelle im neuen Kuppelbau des kgl. Schlosses in Berlin, eingeweiht im März 1854. 5 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 6 Österreich hatte am 2. Dez. 1854 im Krimkrieg ein Bündnis mit Großbritannien und Frankreich gegen Russland geschlossen.
212
Briefe 1851–1873
es Dir wieder ganz gut. Luise erholte sich nicht so schnell von ihrem quälenden, heftigen Unwohlseyn, das sie sich wohl durch Erkältung unterwegs zu zog. Alexis und Wiwi7 sind wie die Bomben nach dem Fest zurück gekehrt. Es sind sonderbare Leute. Gewiß wäre es beßer, wenn sie in Barchfeld blieben. Mit der lieben Mathild ging es die lezte Zeit immer schlimmer. Jetzt steht sie schon gar nicht mehr auf, wenn ich komme, sizt unbeweglich da, aber am Neujahrstage war sie doch munter und kräftiger, weniger muthlos, zufrieden mit einer neuen Kur. Sie wird électrisirt und meint, sie fühle die gute Wirkung durch den Körper. Gott gebe es! Ich fürchte sehr für sie! Meine arme Ranzau8 wird immer schwächer, und es dauert wohl nicht mehr lange. Nun will ich enden, um etwas aus zu fahren. Lebe wohl, meine Adine, grüße Luise herzlich von mir. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Fritz umarmt Dich. Florenz, den 9ten Januar 1855 Heute Morgen beim Erwachen brachte man mir Deinen lieben Brief vom 4ten des Monats. Tausend herzlichen Dank, geliebte Elis. Mit welcher Freude nehme ich die Feder in der Hand, weil sich ein schwacher Hoffnungsschimmer zeigt, daß Frieden werden könnte, da Nicola ja alles ohne Rückhallt angenommen hat, was man in Wien beschloßen!9 Dies glaube ich, hatten die Westmächte nicht gedacht. Was werden sie nun thun? Werden sie wieder andere 4 Punkte herausfinden, und wird Östreich sich noch fester mit ihnen verbinden wie am 2ten December? Ich finde, Nicola nimmt sich so groß und so herrlich, denn nach meiner Ansicht giebt er zu viel nach, und doch wird man ihn nicht begreifen und tausend Kleinigkeiten seinen Entschlüssen beimessen. Die Menschen sind wirklich meist so klein und engherzig, daß sie große Seelen und große Handlungen nicht verstehen und beurtheilen können. Sie suchen immer noch eine Hinterthür. Wir haben das Neue Jahr mit dem schönsten, klahrsten, hellen Mondschein in der Nacht begonnen und bei Tag den klahren Sonnenschein, der erwärmte. Ich hoffe, daß das schöne Wetter auch die Vorhand im Jahr behällt und nicht die nordischen Stürme in der Politik Recht behällt. Es sieht ja wirklich besser aus, und der Herr wird helfen. Ihn jammern gewiß die armen, geopferten Menschen. Es ist auch zu furchtbar. Hier aus Florenz werden auch die östreichischen Truppen nach und nach herausgezogen. Die Gutgesinnten sind sehr besorgt darüber, da man sich auf die hiesigen Truppen, welche um das
7 Landgraf Alexis (1829–1905) und Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901). 8 Marianne von Rantzau (1811–1855), Oberin des Berliner Diakonissen- und Krankenhauses Bethanien, war an Krebs erkrankt und starb einen Tag später am 5. Jan. 9 Österreich drängte im Januar auf Friedensverhandlungen zwischen Russland und den Westmächten unter seiner Regie in Wien.
1855
213
doppelte vermehrt wurden, nicht verlaßen kann. Der Großherzog10 hat es aber gewünscht, weil es der Stadt so viel kostet, und nun kostet es noch mehr, und der Verdienst ist weniger durch die Famillien, die mit fort sind. Aus Petersburg hörte ich seit dem 2ten nichts, was ein gutes Zeichen ist. Gott gebe Charlotte Kraft, sich bald zu erholen. Von Luise habe ich vom 31ten ein paar Zeilen. Sie war aber noch recht matt. Mein Brief ist mager, aber du solltest meinen herzlichen Dank gleich empfangen. Von Deinem ältesten Bruder11 hast Du auch wieder befriedigende Nachricht. Der letzte Anfall muß sehr schlimm gewesen sein. Luitpold12 ist auch nach Darmstadt, wo nun fast die ganze Famillie beisammen sein wird und den Vater freuen wird. Gott mit Dir und dem lieben Fritz, der ein Friedensengel für Deutschland ist. Deine treue Adine Am 16ten reisen wir von hier, 2 Tage bleibn wir in Venedig, den 24ten bin ich in Wien, den 27ten, wills Gott, in Berlin, wo ich 3 Tage bleibe mit Erlaubniß, den 1ten Februar nach Schwerin. Florenz,13 den 22ten Januar 1855 Tausend Dank, meine liebe Elis, für Deinen Brief, der mich hier empfing. Und nun sitze ich noch hier, da solcher Sturm ist, daß man uns heute nicht abreisen laßen wollte. Die Wagen sind schon alle voraus fort, und nun weiß man nicht, wie wir nachkommen. Sonst konnte ich zu Land fort. Die ganze Reise war bis hier schon schäuslich, denn den letzten Abend in Florenz fiel so viel Schnee. Über die Appeninen konnten wir nur Schritt fahren, so schneite es, und wir blieben oben in ein ziemlich gutes Wirtshaus die Nacht. Freilich war es kalt, so daß wir die Betten dicht am Kamminfeuer stellen ließen. Den 2ten Tag konnten wir aber bis Ferrara gehen, und am 3ten Tag kamen wir um 9 Uhr hier in Venedig an. Die Kinder hatten wir zum Glück einen Tag vor uns von Florenz fort geschickt, und die hatten eine ganz gute Reise. Gestern und vorgestern sind wir dann hier herumgefahren und haben besehen, was wir konnten. Überall lag Schnee und gestern regnete es. Es ist wirklich schrecklich, Italien in solchem Zustand zu sehen. Ich finde es so demüthigend und traurig. Eben komme ich aus der Markuskirche vom Platz, und bin bei der Ingenheim14 gewesen, die an Gesichtsschmertzen leidet und nicht ausgeht. Er ist wohl und munter, hat bei mir gegessen, und im Theater sahen wir uns. Die ganze Famillie Pourtales15 ist hier, hat mich besucht und wollen im Februar nach Berlin. Er ist recht verändert, obgleich 10 11 12 13 14
Großherzog Leopold II. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1797–1870). Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912). Brief aus Venedig. Eugenie Gräfin von Ingenheim, geb. de Thierry (1808–1881), verh. mit Gustav Adolf Wilhelm Graf von Ingenheim (1789–1855), illegitimer Sohn von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, Kunstsammler und Mäzen mit Salons in Rom und Berlin. 15 Friedrich Graf von Pourtalès (1779–1861), preuß. wirkl. Geheimer Rat, bis 1853 Oberzeremonienmeister von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, verh. 1811 mit Luise Gräfin de Castellane-
214
Briefe 1851–1873
sehr erholt. Sein Herz zieht ihn nach Berlin zu seinem König und Königin, allein, er fände sich zu schwach, um sich zu zeigen. Aber wenn die Sehnsucht zu arg würde, dann käme er doch noch einmal. Die junge Claris16 sah ich, sie ist stark, aber im Gesicht hat sie einen ängstlichen, kranken Zug. Man meint, sie leidet an der Brust. Die Gräfin Fickelmon,17 dann Graf Tolstoi von Sache mit Frau.18 Die Ministerin … aus Petersburg mit einem sehr kranken Sohn.19 Es war zu amüsant, diese Gesichter nach einander im Theater zu erkennen. Auch die Tochter von Rochow ist hier, die einen Engländer geheirathet.20 Die Herzogin von Berry21 kommt erst morgen nach Venedig, den Herzog von Chambeaur mit Frau22 besuchte ich gestern. Sie ist heslich, aber sehr liebenswürdig. Beide legen sich zu Füßen, sie wohnen himlisch. Nun adios, morgen um diese Zeit werde ich wohl ganz ausgehölt in Triest liegen, denn morgen früh geht es fort ohne Gnade und Barmherzigkeit. Da diese Verzögerung eingetreten, und vielleicht noch mehrere durch Schnee kommen, so werde ich nur 2 Tage bleiben können. Deine treue Adine Petersburg, den 16ten März 1855 Hier in Petersburg zu sein und den theuren Kaiser nicht zu sehen, ist etwas ganz Schreckliches.23 Immer und immer glaube ich, wenn ich bei Charlotte sitze, besonders des Abends, ich muß seinen Schritt hören und seine Stimme. Alles ist stumm und schweigsam, und dies
16 17
18
19 20
21
22
23
Norante (1793–1881), sowie seine Söhne Albert (1812 –1861) und Wilhelm Graf von Pourtalès (1815–1889), preuß. Diplomaten, mit deren Familien. Fürstin Elisabeth Alexandra von Clary und Aldringen, geb. Gräfin von Ficquelmont (1825–1878), verh. 1841 mit Fürst Edmund von Clary und Aldringen (1813–1894). Dorothea Gräfin von Ficquelmont, geb. Gräfin von Tiesenhausen (1804–1863), verh. 1821 mit Karl Ludwig Graf von Ficquelmont (1777–1857), österr. General, Diplomat und Staats- und Konferenzminister. Fürst Edmund von Clary und Aldringen erwarb 1855 für seine Schwiegereltern in Venedig den Palazzo Clary-Ficquelmont als Alterssitz. Iwan Matwejewitsch Tolstoi (1806–1875), leitete als russ. Stallmeister den Hofstaat des Thronfolgers Alexander (II.) von Russland, verh. 1844 mit Jelisaweta Wassiljewna Tulinowa (1826–1870). Er wurde aber erst 1866 in den Grafenstand erhoben. Name ist freigelassen. Verm. Elisabeth Karoline Luise Gräfin von Ugarte, geb. von Rochow (1822–1896), Tochter des ein Jahr zuvor verstorbenen preuß. Gesandten in Russland Theodor von Rochow, verh. 1845 mit Joseph Graf von Ugarte (1804–1862), österr. Diplomat. Ihre Tochter Anna Theodora wurde am 1. Mai in Venedig geboren. Herzogin Marie Caroline von Berry, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien (1798–1870), verh. 1816 mit Prinz Charles Ferdinand d‘Artois, Herzog von Berry (1778–1820), hatte 1844 den Palazzo Vendramin-Calergi in Venedig erworben. Henri d’Artois, Herzog von Bordeaux und Graf von Chambord (1820–1883), verh. 1846 mit Prinzessin Maria Theresia von Österreich-Este (1817–1886). Das Paar lebte im Exil auf Schloss Frohsdorf bei Wien oder in Venedig. Henri (V.) war der Thronprätendent der 1830 gestürzten Bourbonendynastie in Frankreich. Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855) war am 2. März an einer Lungenentzündung gestorben.
1855
215
ist kaum zu ertragen. Und wie es Charlotte erträgt, ich weiß es nicht. Sie ist so matt, so schwach, daß sie kaum sich hällt, und dabei ist nun die ganze Famillie so zahlreich, die will sie doch sehr. Da ist denn so viel Lärm, so viel Unruhe um sie, daß sie oft alles fort schickt. Seit gestern haben wir nun etwas mehr Ordnung hereingebracht, so daß die Nacht ziemlich war. Aber der Tag morgen wird sie wieder ganz umwerfen, denn sie geht nach der Festung, macht die Gebete mit, bis daß der Sarg geschloßen wird. Wie sie es ertragen wird, ich weiß es nicht, aber Gott giebt den Schwachen Kraft, und sie hat eine Elastizität in sich, die sie immer wieder hebt. Wie schrecklich übel Charlotte aussieht, davon macht man sich keine Begriffe, gelb die Haut, wie auf die Knochen angetrocknet. Doch wenn sie sich zurecht gemacht mit Mütze und Schleier, sieht sie gut aus. Es ist um sich tod zu weinen, wenn sie in der Festung, von Sache und Costy geführt, sich vor dem Sarg niederbeugt und dann diese schlanke, biegsame Gestallt über den Sarg sich beugt. Alles ist natürlich und gratiös. Und den Morgen, wie sie zum ersten Mal mit den beiden jüngsten Jungs24 am Sarge stand, umarmte sie sie unter heißen Thränen. Die Scene hat sie aber zu sehr angegriffen, etwas Erkältung kam dazu, so daß sie Schmerzen im Kopf und Gliedern bekam. Heute geht es besser, aber matt ist sie und sieht doch dabei mehrere Menschen, wie die Prinzen, die geschickt werden. Der Erzherzog25 ist gut aufgenommen, aber heimlich ist es ihm nicht. Sache sah, als ich ankam, sehr ehlend aus. Jetzt finde ich es weniger. Marie26 ist tief, tief gebeugt, herzlich kindlich und natürlich mit Charlotte. Sie ist auch garnicht wohl, aber geht doch täglich 2mal zum Gebet nach der Festung. Heute war ich auch dort ohne Charlotte. Sie hatte es gewünscht, sonst bleibe ich bei ihr in der Zeit. Olly ist sehr angegriffen, Mary sehr traurig, aber sie ist und bleibt lebendig. Costy und Sany sind so wie gute Kinder, durch und durch traurig, nur erhellt vom Andenken an den Kaiser. Von mir noch ein Wort. Ich bin von der ganzen Famillie mit der größten Herzlichkeit aufgenommen worden. Es ist wirklich rührend, weil sich grade darin ihre Liebe für die Mama ausspricht. Charlotte küßt Dich und Fritz. Selbst schreiben, daran ist nicht zu denken, aber alle Beweise von Liebe thuen ihr wohl, und dazu gehört vorzüglich die Deine, liebe Elis, die Du so den Kaiser geliebt. Heute sah ich von weitem das Profil des theuren Kaisers, was mich fast umbrachte. Es ist, so wie ich es sah, noch sehr schön. Nun wurde mir erst klahr, daß er es war, der dort im Sarge lag. Friede seiner schönen Seele! Das erzählen zu hören, wie er die letzten Stunden gewesen, den festen Blick auf sein Ende gerichtet, ohne Schwanken und Wanken, in seinem Glauben gestorben, obgleich es ihm nicht leicht wurde, da er es nicht so nahe geglaubt und er das Reich so gerne friedlich in die Hände von Sache gelegt. Das hat er ihm mehrere Male ausgesprochen, alles Liebe und Herzliche, was er Charlotte gesagt, wie er ihre und Sachens Hand gedrückt, so lange er es konnte und Leben hatte. Nun leb wohl, mein Brief wird gefordert. Ich küße Fritz. Er soll nur treu, ohne Wanken an Rußland hallten, dann kann es ihm nur gut gehen. Der Seegen von Papa und vom Kaiser ruht auf ihm. Deine treue Adine 24 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 25 Erzherzog Wilhelm von Österreich (1827–1894), österr. Feldmarschallleutnant. 26 Die neue Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880).
216
Briefe 1851–1873
Abb. 5: Seit dem 18. Jahrhundert wurden die Mitglieder der Zarenfamilie in der Kathedrale der Peter-und-Paul-Festung in St. Petersburg beigesetzt, auch Kaiser Nikolaus I. von Russland.
Arme Mathilde, sie hat ausgelitten.27 Es hat Charlotte doch sehr wehe mitten in ihrem Schmertz gethan. Ihr ist wohl, sie ruht in Frieden. Petersburg, den 26ten März 1855 Ich habe so unbeschreiblich lange nichts von Dir gehört, geliebte Elis, daß ich es garnicht aushallten kann. Du bist einige Tage nach Dresden gewesen zu Deinen Schwestern, und da auch dort solche Trauer28 noch ist, wie die, die uns hier umgiebt, und Du dort treue, liebe Herzen gefunden, die auch den neuen Schmertz, den Dein Herz empfindet, theilen, so wird Dir der Aufenthalt wohl gethan haben. Du hast dort Dich verstanden gefühlt. Das läßt den Schmertz leichter tragen. Du hast Dich aussprechen können, was Dir in Berlin so ganz fehlt, nun auch die gute Mathilde Dir genommen ist.29 Das ist doch auch ein Verlust, der Dir nicht zu ersetzen ist und immer fühlbar wird. Wir leben hier nun recht still und traurig. Die Trauer nimmt immer mehr zu, da nun die äußere Aufregung vorüber ist und das regelmäßige Leben begonnen [hat]. Es macht sich bei Charlotte auch sehr fühlbar. Seit 4–5 Tagen ist sie so hinfällig, so matt, sieht zum Erbarmen aus, und gestern war sie selbst in einem furchtbaren Zustand, da sich ein starker Husten eingestellt, der sie sehr angreifft, und manchmal krampfig wird, wo sie kaum die Kraft hat, zu husten. Dabei ist eine Art Erstickung, und das Herzklopfen wird dann so arg, daß wir in 27 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 5. März. 28 Nach dem tödlichen Unfall von König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854) am 9. Aug. 1854. 29 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 5. März.
1855
217
der größten Besorgniß sind. Ist dieser Anfall vorüber, dann dauert es lange, ehe sie sich erholt, und gestern Abend ließ sie sich von Ribeauspierre30 vorlesen, um nicht zu sprechen. Aber sie konnte immer keine Luft bekommen und blieb sehr hinfällig. Mandt gab ihr etwas, was aber nicht gleich half. Eben höre ich, daß die Nacht gut gewesen ist, aber am Morgen hat sie wieder gehustet. Ich gehe bald hinüber und werde dann noch [da]zu schreiben, wie ich sie fand. Sache und alle sind sehr gnädig und freundlich für das 6. Kürassierregiment gewesen.31 Charlotte hat allen Offizieren, den 3 hier und den anderen in Brandenburg, das Bild vom lieben Kaiser gegeben, und selbst den Wachtmeistern ein kleines. Es sind Prinzen hier wie Sand am Meer. Heute geht Berbel Solms32 fort und viele hergesandte Herren. Ein Vetter Taxis ist hier, den ich noch nicht gesehen. Fritz Hessen33 kam vorgestern Abend und gestern Christian.34 Eben komme ich von Charlotte. Sie läßt Dich herzlich grüßen und hätte Dir schon gern ein paar Worte geschrieben, aber sie wäre es nicht imstande, und heute hat sie noch Kopfweh dazu bekommen, sah aber doch Max Taxes,35 der ein ehrlicher, biederer Mensch zu sein scheint. Dann ließ sie sich von Ribeauspierre vorlesen, und vorher hat sich Kokot Troubetskoy als Braut vorgestellt, von einem Fürst Gallizien, Schwiegersohn von Stroganof.36 Seine Frau ist 2 Jahre tot, ein kleines Kind hat er von 2 Jahren. Sie scheint sehr glücklich und zufrieden. Nun adios, bitte schreibe mir bald. Deine treue Adine Lieven37 ist aus Wien zurück, erzählt sehr interessant. Die Furcht vor Frankreich, Krieg mit ihm zu bekommen, hällt sie auf dem falschen Weg. Man hofft viel von Bruck, der klug [ist] und Buhl hasst.38
30 Alexander Iwanowitsch Ribeaupierre (1781–1865), russ. Diplomat, seit 1844 Oberkammerherr am russ. Hof. 31 Andenken für das preuß. 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ (Brandenburgisches). 32 Prinz Bernhard zu Solms-Braunfels (1800–1868), hannov. General der Kavallerie. 33 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 34 Der dän. Thronfolger Herzog Christian (IX.) von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1818–1906). 35 Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802–1871). 36 Fürstin Ekaterina Nikititschna Trubezkaja (1831–1918), verh. 1855 mit Fürst Pawel Wassiljewitsch Galitzin (1822–1871), in erster Ehe verh. mit Natalia Alexandrowna Gräfin Stroganowa (1828– 1853), Tochter des russ. Generals und Generaladjutanten Alexander Grigorjewitsch Graf Stroganow (1795–1891). 37 Wilhelm Freiherr von Lieven (1799–1880), russ. Generalleutnant und Generaladjutant, zur Ankündigung der Thronbesteigung von Kaiser Alexander II. von Russland in Wien. 38 Schlechtes Verhältnis zwischen Karl Ludwig von Bruck (1798–1860), österr. Finanzminister, und Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein (1797–1865), österr. Ministerpräsident und Außenminister.
218
Briefe 1851–1873
Petersburg, den 29ten März 1855 Meine Ungeduld, Nachricht von Dir zu haben, hat gemacht, daß sich unsere Briefe gekreutzt, und nun geschiet es vielleicht wieder. Aber ich muß Dir gleich heute danken für Deinen lieben Brief, der mir so viel Freude machte. Charlotte küßt Dich herzlich. Deine Briefe, die sie immer so freuen, haben nun in diesem Augenblick doppelten Werth für sie, da Du so gut weißt, Deinem tiefen Schmertz und Deinen Gefühlen Worte zu geben, und dann thut es ihr so wohl, daß Du den geliebten Kaiser so ganz verstandest in seiner Größe, und den Werth zu schätzen wußtest. Alles, was Du sagst über seine Todten Maske, ist tief empfunden und wahr. Ich habe sie nicht gesehen, nur die Hand, die Elise Rauch hat. Auch die hat mir einen schrecklichen Eindruck gemacht, da sie ja leider zu späth abgegossen worden ist. Als ich an Charlotte sagte, daß Professor Rauch39 beides mit Thränen gesehen, sprach sie den Wunsch aus, ob er nicht eine Büste danach machen könnte, und noch viel lieber eine Statue, wie Papa seine liegend.40 Wollest Du an Rauch fragen, ob er es unternehmen wollte? Dann könnte Charlotte ja noch entscheiden, ob es wirklich und wie es gemacht werden sollte. Ich denke mir, Rauch wird es gerne thuen, da er den Kaiser so geliebt. Fritz Carl hatte seinem Vater über den Eindruck der Todtenmaske geschrieben, und das hatte Karl ganz umgeworfen, daß er aus dem Weinen nicht herauskommen konnte. So war er neulich auch, als er die Adresse des Berliner Bürgermeisters41 vorlesen wollte, die sehr hübsch und tief gefühlt geschrieben war. Sonst ist Karl munter und lustig, was Charlotte oft stöhrte, denn sie ist durch und durch zerschlagen von Schmertz und Leid, außerdem plagt sie der Husten sehr. Gestern hatte sie sich erkältet, indem sie nach dem Zimmer vom Kaiser herunter gegangen war, und es sehr zugig im Gang war, da ein Fenster in Ollys Zimmer offen war, und die Thüre nicht zu. Darauf kommt sie gleich zurück zu sich, und da machte man die Fenster eben zu, sodaß die Luft kalt war. Kurtz, sie hustete fürchterlich und fühlte sich krank, hatte Angst für Fieber. Aber Gott sei Dank, ist das nicht gekommen. Sie hat die ganze Nacht geschlafen und hustet heute wenigstens mit Leichtigkeit. Sie fürchtet, daß ihre Brust angegriffen ist, da sie 3 Monate hustet. Mandt ist aber nicht besorgt. Er sagt nur, die Jahreszeit jetzt, wo das Frühjahr kommen will, ist für sie immer gefährlich. Also können wir noch angstvolle Zeiten durchmachen. Gott wird es nach seinem Willen einrichten. Man darf ja nicht hoffen und wünschen, Er hat zu gebieten. Das haben wir hier recht vor Augen. Morgen ist in der Festung Panachit, da es 4 Wochen vom Tode ist.42 Ach, das sind schreckliche Momente, wenn wir alle einer 39 Christian Daniel Rauch (1777–1857), dt. Bildhauer, Prof. an der Kgl. Akademie der Künste in Berlin. 40 Grabmal für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, 1846 von Christian Daniel Rauch (1777– 1857) errichtet, Marmorsarkophag mit Gisant des Verstorbenen im Mausoleum Charlottenburg. 41 Heinrich Wilhelm Krausnick (1797–1882), 1834–1848 und 1851–1862 Oberbürgermeister von Berlin. 42 Russ. panikhida = orthod. Gedenkgottesdienste für Verstorbene. Kaiser Nikolaus I. von Russland war in der Kathedrale der Peter-und-Paul-Festung aufgebahrt, wo sich bis heute die Grablege der Romanows befindet.
1855
219
nach dem anderen am Grabe niederknien und den Goldenen Sarg küßen, oder eigentlich den Unterbau mit Draps d’Or,43 der immer mit frischen, schönen Blumen bedeckt ist. Vom Kriegsschauplatz sind gute Nachrichten. Das wird Münster besser berichten als ich. Sie haben nehmlich, die Rußen, eine Redute so angebracht, daß sie sich zwischen die Franzosen und Engländer geschoben, und sie sehr genieren. Bis jetzt haben sie jeden Angriff glücklich abgeschlagen und mit Verlusten für die Feinde.44 Nun leb wohl, der Brief soll fort. Wilhelm Baden45 läßt sich hier nichts merken von westmächtlich gesonnen, nur bei Mary hat er die Engländer verteidigt. Eben kam ein Brief aus Paris, wo Östreich hat sagen laßen an Napoleon,46 die guten Worte, die er nach Rußland hatte sagen laßen, hätten nichts zu bedeuten, es wäre eine Form. Wie gefällt Dir das? Adine Petersburg, den 5ten April 1855 Meine liebe Elis, in meinem letzten Brief schrieb ich Dir, daß Charlotte ihr Gesundheitszustand mir ängstlich war. Gott sei Dank kann ich heute sagen, daß es etwas besser geht, obgleich er so schwankend ist. Auch berichtete ich par télégraph, daß ein Consulte von Ärtzten gewesen, bestehend aus Mand, Markus47 und Karrell.48 Was diese nun gefunden, ist mir nicht bekannt, aber sie haben ihr Isländisch Moos49 gegeben mit etwas anderem darin, und das scheint helfen zu wollen, obgleich der Husten noch immer da ist und heftige Anfälle kommen. Aber mir scheint es im ganzen doch besser. Es ist kein Krampfhusten mehr, der sie zu ersticken drohte, und sie daher nicht so erschöpft. Sie kann öfter Schleim auswerfen, nicht bloß Speichel. Das Herzklopfen ist immer da, aber nicht so unerträglich stark. Ihre Schwäche ist groß, und wenn sie durch 3 Stuben geht, hat sie keine Luft und kann sich garnicht erholen. Doch hat sie seit 2 Tagen die Gebete in der Fastenwoche am Nachmittag bei sich gehabt. Das erste Mal hat es sie sehr angegriffen und ergriffen, da sonst der Kaiser ja immer dabei war. Sie weinte viel. Das zweite Mal ging es besser, und sie faßte da den Entschluß, am heutigen Tage das Abendmahl zu nehmen. Gestern war Beichte, was sie im Cabinet vom Kaiser that. Da hat sie viel geweint. Hernach kam ich mit Elise Rauch noch zu ihr. Sie ließ uns holen, und die las von Termin eine sehr schöne Predigt vor, was Charlotte sehr beruhigte, und so höre ich, daß sie gut geschlafen hat und nun zum Abendmahl gehen will. Die Nacht von gestern war nicht gut, und dann muß sie ein Pulver nehmen, was ich garnicht gut finde, denn es schwächt hernach. Aber es muß sein, um daß die Kräfte nicht ganz ausgehen. Ihr Anblick ist wirk43 44 45 46 47
Frz. draps d’or = Tücher aus Gold. Belagerung der russ. Festung Sewastopol durch die alliierten Truppen von Okt. 1854 bis Sept. 1855. Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897), preuß. Hauptmann im 1. Garde-Regiment zu Fuß. Napoleon III., Kaiser der Franzosen (1808–1873). Michael Antonowitsch Marcus (1789–1865), russ. Militärarzt und Geheimer Rat, seit 1837 Leibarzt von Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 48 Philipp Jakob von Karell (1806–1886), russ. Militärarzt und Leibarzt der kais. Familie. 49 Isländisches Moos, eine Strauchflechte, enthält Schleimstoffe gegen Halsschmerzen und Reizhusten.
220
Briefe 1851–1873
lich schrecklich. Die Haut ist wie auf den Knochen angeklept, dabei blaß wie der Tod. Die ganze Figur ist wie ein Strich, denn von der Magerkeit macht man sich keinen Begriff. Dieser Monat April ist ein sehr böser für Kranke, und wenn die Newa aufgeht, sehr ungesund. Gott wird ja nach seinem gnädigen Willen handeln. Mandt wünschte eigentlich, daß Charlotte diesen Sommer von hier fort ginge, allein, sie hat ganz bestimmt erklährt, nicht ehe, als bis die tiefe Trauer aus wäre. Im Herbst und Winter, das fühlt sie selbst, müßte sie im Ausland zubringen, am liebsten in Palermo. Doch hiervon sprich bitte nicht, es giebt dann gleich Zeitungsartikel und soviel Geschrei. Überhaubt muß abgewartet werden, wie die Politik sich gestalltet. Jetzt erfährt man garnichts von Politik. Sache ist sehr geheimnisvoll damit. In meiner Gegenwart wird nie davon gesprochen. Wie anders war das unter Nicola! Indeßen, etwas mehr Verschwiegenheit konnte nicht schaden. Nun leb wohl, nach Ostern werde ich wieder schreiben, obgleich dann Karl wird mündlich interessanter erzählen können, der Mittwoch den 11ten abreisen will, und heute geht er mit George Strelitz und dem Prinzen von Baden50 zum Abendmahl. Ich habe mich nicht angeschloßen. Erstlich gehe ich lieber bei mir in Schwerin, und dann habe ich so viel zu thuen mit toilette zu Ostern, anprobiren von Kleidern, coiffuren, ändern laßen, kurtz, es ist eine Unruhe, denn mit dem ewigen Trauer ablegen kommt man nicht zur Ruhe. Leb wohl, Gott mir Dir und Fritz. Deine Adine Die plötzliche Abberufung von Graf Henkel aus London, der früher hier war, und sein Abschied hat alle treuen Diener betrübt.51 Petersburg, den 7ten April 1855 Vor ein paar Tagen ist erst ein Brief von mir abgegangen, aber doch will ich heute den Courier benutzen, um Dir zu danken für Deinen lieben Brief, geliebte Elis. Die Überschwemmung und schrecklichen Wege, wie der zertrümmerte Telegraph, brachte uns 8 Tage keine Kunde.52 Wir lebten ganz von dem Ausland abgeschnitten, was wirklich ein peinliches Gefühl gab. Was kann nicht in 8 Tagen geschehn? Charlotte dankt auch von Herzen für Deine lieben Worte über das Bild vom lieben Kaiser. Nicht wahr, es ist prächtig. Es ist, als wenn er schliefe, so jeder _______.53 Gott, welche Nachricht, eben kommt Karl weinend herein und bringt mir die Trauerkunde, welche in der Zeitung steht. Die liebe Lollo ist also auch zu dem Herrn einge-
50 Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897), preuß. Hauptmann im 1. Garde-Regiment zu Fuß. 51 Lazarus Graf Henckel von Donnersmarck (1817–1887), als preuß. Legationssekretär und Legationsrat bei den Gesandtschaften in Spanien, Russland und zuletzt in Großbritannien. 52 Frühjahrshochwasser an Oder, Weichsel, Warthe und weiteren Flüssen in Polen, mit Überschwemmungen und Schäden an Straßen, Brücken und Eisenbahnstrecken. 53 Satz abgebrochen.
1855
221
gangen.54 Gott, Deine Wege sind unerforschlich, aber oft recht schwer, darin zu wandeln nach Deinem Willen. Es ist ja zu schrecklich, die liebe Lolo, die so blühend und lebenslustig. Sie hat ausgelitten. Dies ist wieder eine Trauer, die tief im Herzen dringt und eine Wunde mehr schlägt. Der arme George,55 der arme Abat, wie werden sie diesen Schlag ertragen? Eben ließ mich Charlotte holen, die diese Trauerkunde auch in der Zeitung gefunden. Sie ist mit uns allen recht betrübt und küßt Dich und Fritz, liebe Elis, weil sie weiß, wie sehr ihr Lollo geliebt. Nun will ich dem armen Abat schreiben. Gott sei mit Euch, ihr Lieben. Deine alte Adine Charlotte geht es leidlich. Petersburg, den 11ten April 1855 Meine liebe Elis, eben komme ich von dem Moskauer Eisenbahnhof, wohin ich meinen Wilhelm begleitet, der mit Fritz Hessen56 und Christian von Dänemark57 nach Moskau ist und von da am Sonnabend zurückreiset. Die Wege sollen auf allen Seiten fürchterlich sein, sodaß man nicht ohne Angst seine Lieben von sich läßt.58 Gott wird ihn schützen, aber nach allen schweren Verlusten, die wir gemacht, wird einem das Herz recht schwer. Der Tod von Lollo ist garnicht zu überwinden.59 Man wird so matt und muthlos. Tausend Dank, daß Du uns den Brief von Marie Meiningen60 gesendet. Ich bewundere sie, daß sie die Kraft gehabt, Dir beide Tage zu schreiben, aber man kann viel im ersten Augenblick leisten, hernach wird es einem zu schwer. Die arme Lollo, welche noch solche Freude über ihren Sohn gehabt, und auch noch die Trauerkunde erfuhr, und nun mit dem lieben Kinde zusammen vor dem Stuhl des Herrn erschienen ist. Es scheint, als wenn sie kaum Zeit gehabt, ihr Ende zu ahnen. Es war ja aber auch, wie ein Gedanke nur, vom Leben zum Tode. Der arme George und die lieben Kinder, welcher Verlust für sie.61 Auch Abat Vater wird ganz geknickt sein. Wir haben noch keinen Brief von ihm. Du, meine arme Elis, bist auch recht gebeugt über den Tod von Lollo. Ich wußte es wohl, da Du sie wie Deine Tochter geliebt. So geht ein geliebtes Wesen nach dem andern 54 Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), war am 30. März im Kindbett gestorben. 55 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 56 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 57 Der dän. Thronfolger Herzog Christian (IX.) von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1818–1906). 58 Frühjahrshochwasser an Oder, Weichsel, Warthe und weiteren Flüssen in Polen, mit massiven Überschwemmungen und Schäden an Straßen, Brücken und Eisenbahnstrecken. 59 Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), war am 30. März im Kindbett gestorben. 60 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 61 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914) mit seinen Kindern Prinz Bernhard (III.) (1851–1928), Prinz Georg Albrecht (1852–1855) und Prinzessin Marie Elisabeth (1852–1923).
222
Briefe 1851–1873
von uns. Es wird öder um uns, die Gräber wachsen, aber auf Gott muß man schauen und den Glauben recht festhallten. Es könnte einen leicht zum Schwanken kommen, es ist viel, was auf uns einstürmt. Wir sind hier auch nicht ohne Sorge um Charlotte. Es ist so abwechselnd. Manchmal entwickelt sie viel Kraft, kann viel leisten, spricht mit starker Stimme, hustet fast garnicht, aber dann wieder fällt sie so zusammen, hat keine Luft, hustet ununterbrochen, liegt dann so hinten über auf dem Stuhl, das Herz klopft so stark, kurtz, daß man wirklich glaubt, sie kann nicht lange leben. So war es gestern Abend. Mit Sorge verließen wir sie, und heute soll sie im Bett bleiben, weil die Ärtzte fürchten, sie könnte sich bei dem feuchten Wetter im Zimmer erkälten und Fieber bekommen. Das würde sie nicht überstehen. Du kannst also sehen, was wir für Tage hier zubringen. Karl seine unerschöpfliche Laune erheitert sie und uns alle, obgleich es nicht immer angenehm ist. Denke Dir nur, daß ich eigentlich Charlotte nicht wünschen kann, daß sie lange lebt, obgleich alle Kinder, Sache, Marie, voller Liebe und Aufmerksamkeit sind. Aber das Leben wird ihr immer schwerer werden, denn mit der Zeit wird sich doch manches ändern und sie wird sich allein fühlen, und der Schmertz wird immer tiefer, immer schwerer zu tragen. Man sagt hier, sie sei sehr nöthig noch für die Famillie, für das Land, denn freilich darf man so etwas kaum wagen auszusprechen, aber Gott wird sie erhallten oder sterben laßen, wie er es gerade an der Zeit findet, und da kann kein Mensch mitsprechen. Gestern waren die 40 Tage vom Tode des geliebten Kaisers, da waren wir en famille in der Festung, wo halb Todtenmesse62 und halb Ostermesse war. Die Gesänge stachen scharf voneinander ab, es machte sich recht schön. Alexander Darmstadt war in Östreichischer Uniform da.63 Es schnitt mir im Herzen. Besser wäre es gewesen, Sache hätte ihn noch nicht kommen laßen. Es machte einen zu schlechten Eindruck. Charlotte hat es aber erlaubt, als Sache sie darum gefragt. Nun hat er auch ein Regiment bekommen, das mißfällt noch mehr. Es ist auch zu kurtze Zeit, vom Tode erst 40 Tage! Heute habe ich einmal einige ruhige Stunden gehabt, und da habe ich Dir ordentlich schreiben können. Mary ist erfüllt von Schmertz und ist sorgend für die Mama. Olga ist wie ein sanft waltender Engel. Ihre Abreise fürchte ich für Charlotte, Anfang Mai wollen sie fort. Alle Gemüthsbewegung ist Charlotte gefährlich. Den 12ten. Nun kann ich heute noch zufügen, daß wir gestern einen ziemlichen Angsttag durchgemacht, weil man fürchtete, daß Charlotte Fieber bekommen würde. Da sie aber bis 4 Uhr zu Bett geblieben ist und die Gliederschmertzen sich gegeben, auch das Kopfweh besser war, so ist dies abgewendet worden. Die Ärtzte fürchten nichts mehr als Fieber, da ihre Schwäche so groß war, daß sie dann unterliegen würde. Heute hörte ich auch noch nichts, da sie noch schläft, aber der Schlaf ist niemals natürlich und daher auch nicht stärkend. Gestern Abend war bei ihr Thee wie immer, aber die Kinder blieben 62 Russ. panikhida = Gedenkgottesdienst für Kaiser Nikolaus I. von Russland in der Kathedrale der Peter-und-Paul-Festung. 63 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), österr. Generalmajor und Bruder der russ. Kaiserin, hatte nach seiner unstandesgemäßen Heirat mit Julia Gräfin von Hauke (1825–1895), der Hofdame seiner Schwester, den russ. Militärdienst verlassen müssen und war 1853 in österr. Dienste gewechselt.
1855
223
nur kurtze Zeit, und Ribeauspierre64 las vor, was freilich fast alle Abende ist. Und er erzählt dazwischen, das amüsiert und fatigiert Charlotte weniger. Er ist auch wie eine alte Chronik. Nun hätte ich eine Bitte an Fritz. Graf Fersen,65 der bei mir ist, und Oberjägermeister, [hat] an Karl eine Bärenjagdt gegeben, [und] wünscht sich sehnlichst den Stern vom rothen Adler. Es wäre nun von Fritz sehr gnädig, wenn er diesen Wunsch erfüllte, mir vielleicht die Freude macht vor meiner Abreise, ihn übergeben zu dürfen. Noch eine Bitte habe ich, ob Du bei Humbert66 oder wo Du willst, einige Schmucksachen aussuchtest, natürlich in Gold oder Emaille, um hier Geschenke zu machen an die Kammerfrauen und Kammermädchen von 30 Reichtsthalern an bis 200 Reichsthaler, Brochen, Ohrringe, Armbänder, Medaillons, Tuchnadeln. Vielleicht hat man in schwartzer Emaille etwas mit dem Bild des theuren Kaisers, oder könnte etwas bestellen. Du hast so viel Geschmack. Verzeih meine unbescheidene Bitte, aber ich weiß mich an niemand zu wenden, der es verstände. Leb wohl, Deine treue Adine Späther. Charlotte fühlt sich nicht wohl und heiser, ohne grade zu wißen, was ihr fehlt. Karl und ich eßen bei ihr. Petersburg, den 15ten April 1855 Meine liebe Elis, wie bist Du wieder so engelsgut, mir wieder einen so lieben Brief zu schreiben am 7ten April mit all den detailles von Lollos Beerdigung,67 von dem Wiedersehen von Albert und Marianne,68 von den Kindern, von der Schuckmann,69 alles, alles, jedes Wort hat uns Geschwister so interessiert. Das Wiedersehen am Sarge von den lieben Eltern muß schrecklich gewesen sein, und die Ankunft von Marianne, die nichts ahnte, da habe ich das größte Mitleid mit ihr. Die conversation muß auch eigenthümlich gewesen sein, aber es war recht gut, und Lolo hat sich gewiß von ihrer lichten Höhe herab darüber gefreut. Ach, aber daß sie uns entrißen ist, daß wir sie nicht wiedersehen sollen, ist zu schrecklich, und das werden wir lange nicht überwinden, ebenso wie den Tod vom 64 Alexander Iwanowitsch Ribeaupierre (1781–1865), russ. Diplomat, seit 1844 Oberkammerherr am russ. Hof. 65 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof, bat um Verleihung des preuß. Roten Adlerordens. 66 Hofjuweliergeschäft Humbert & Sohn, das sich bis 1889 in der Schlossfreiheit 2 in Berlin befand. 67 Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), war am 30. März im Kindbett gestorben. 68 Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, inzwischen geschieden und im Exil in morganatischen Beziehungen lebend, trafen sich bei der Beerdigung ihrer ältesten Tochter Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 69 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin von Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen.
224
Briefe 1851–1873
theuren, lieben Kaiser. Ach, Charlotte läßt Dir sagen, daß sie sich so freute, daß Du Adini zu Dir nehmen wirst.70 Sie hat es schon immer gewünscht, und der Kaiser auch. Er hätte öfter darüber gesprochen. Du weißt, daß ich Dir auch schon mehrere Mal diesen Gedanken aussprach. Das Herumreisen schadet ja nichts. Du kannst ja Adini in Charlottenburg etablieren und dort laßen, bis Du von Potsdam nach Sanssouci ziehst, und sie dann wieder da laßen, so lange es geht. Die Haubtsache ist, daß sie allein unter Deinem Schutz steht, Dir Rechenschaft von allem gegeben wird und Du sie öfter siehst, und daß Adini weiß, Du hast ihr allein etwas zu sagen, und sie Dir übergeben ist. Das wird einen sehr guten Einfluß auf sie haben und ihr das Herz öffnen, das sie hat, da sie im Schreiben es so gut aussprechen kann. Der arme Sohn Abat, der sich so gefreut, die Mutter zu sehen, und es vor der Welt nicht gezeigt, wie ist das traurig für ein junges Gemüth und Herz. Bruder Karl ist etwas erkältet gewesen und hat zwei Nächte geschwitzt. Das hat ihm gut gethan. Er will gern fort, aber die furchtbaren Wege und der Eisgang bei Dünaburg und die schreckliche Überschwemmung in Preußen hallten ihn noch zurück. Die Überschwemmung in Preußen soll furchtbar sein und auf Jahre großen Schaden angerichtet haben. Bei uns in Mecklenburg ist es auch gewesen.71 Den 16ten. Mit der Gesundheit von Charlotte geht es immer gleich. Der Husten ist manchmal stärker oder schwächer. Die Kräfte sind ebenso, man kann eigentlich garnichts darüber sagen. Mand, mit dem ich ausführlich sprach, sagt, diesen Moment sehe er keine Gefahr, wenn aber irgent etwas Unvorhergesehenes dazu tritt, so kann man für nichts stehen. So lange Lunge und Herz stich hielten,72 so ginge es, aber daß könne kein Mensch berechnen, und daher müßten sie, die Ärtzte, die arme Charlotte keinen Augenblick aus den Augen laßen und müßten sie hüten. Daher erlauben sie ihr nicht, nach Anitschkof73 zu ziehen, was sie krankhaft wünscht. Wenn nur die Fahrt hin im Wagen ihr nicht schaden könnte, so glaube ich, wäre die Luft jetzt dort gesünder, denn die feuchte Ausdünstung der Newa ist grade jetzt für alle Menschen ungesund, und aufgehen thut sie immer noch nicht. Vor ein paar Tagen habe ich bei Münsters mit Karl gegeßen, Brauchitsch, Minister Werter, die beiden Damen, niemand sonst war da.74 Es war scharmant. Schrieb ich schon, Alexander Darmstadt75 ist hier seit 8 Tagen, ist von der Famillie sehr freund70 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), jüngste Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 71 Dem Neujahrshochwasser an der Elbe folgte ein verheerendes Frühjahrshochwasser an Oder, Weichsel und Warthe mit Überschwemmungen und Schäden. 72 Im Sinne von standhalten. 73 Anitschkow-Palais in St. Petersburg. 74 Essen bei Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland, verh. 1851 mit Bertha von der Marwitz (1817–1879), mit Eduard von Brauchitsch (1798–1869), preuß. Generalmajor, verh. 1842 mit Auguste von Schenck (1819–1892), und Karl von Werther (1809–1894), preuß. Gesandter in Russland, verh. 1846 mit Mathilde Sophie Adelheid Lobo da Silveira, Gräfin von Oriola (1827–1889). 75 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), österr. Generalmajor und Bruder der russ. Kaiserin, hatte nach seiner unstandesgemäßen Heirat mit Julia Gräfin von Hauke (1825–1895), der Hofdame seiner Schwester, den russ. Militärdienst verlassen müssen und war 1853 in österr. Dienste gewechselt.
1855
225
lich aufgenommen worden. Sonst spricht man viel darüber, daß er so bald nach dem Tod des Kaisers gekommen ist, und jeder fürchtete, er würde in Dienst wieder treten. Er hat aber selbst an mehrere Herren gesagt, die Ursach, warum der den Dienst verlaßen, wäre noch derselbe. Er könne nie wieder hier eintreten. Das hat die Gemüther beruhigt. Er hat aber ein Regiment bekommen, und das mißfällt auch. Nun adios, Deine Adine Der Brief von Fritz an Sache hat viel Freude gemacht, besonders, daß er darin sagt, das Wedel76 aus Paris zurück sei und alles abgebrochen. Heute reist Napoleon mit Kaiserin Teba77 nach London. Das ist recht demüthigend für England. Mandt gab mir eben diesen Brief für Fritz. Er ist gerührt und selig über Fritz seinen Brief. Petersburg, den 19ten April 1855 Liebe Elis, ich eile, Dir heute noch ein paar Zeilen zu schreiben, um Dir gute Nachricht von Charlotte zu geben. Diese ganze Woche bis heute hat sie sich so erholt. Der böse Husten scheint ganz fortzugehen. Sie hustet eigentlich garnicht mehr und fühlt sich selbst besser. Das Herzklopfen ist noch da, aber schwach, und Mandt hofft, daß es bald ganz aufhört. Sie hat wirklich eine gute Probe abgelegt. Gestern ging die Newa auf, ein Moment, den man so gefürchtet. Dann war Todten-Messe mit großer sortie,78 wo sie natürlich nicht dabei war. Aber schon die ganze Sache ist doch so traurig, wir waren alle in unsere große Schleier bei ihr, vorher und nachher. Die sortie war im Winterpalais. Es hatte so etwas ligaberes.79 Wir gingen durch die helle Saale bei Tag um 1 Uhr, von einer Seite alle Herren, von der anderen alle Damen in der tiefen Trauer. Dann war der Gesang so wunderbar schön, der so ergreifft in der großen Kirche. Darauf fuhren wir, Olly mit Mann,80 Mary und ich, Sany – Costy, die beiden Jungs81 nach dem Corps de genis,82 was in dem Palais ist, wo Kaiser Paul ermordet worden ist, um das Model von Sebastopol zu sehen. Bei der Gelegenheit kamen wir dicht an dem schrecklichen Zimmer vorbei, die Thür ist aber zugemauert.83 Als wir zurückkamen, war Fürst Labanofs Schwieger76 Heinrich von Wedell (1784–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, Gouverneur der Bundesfestung Luxemburg. 77 Eugénie, Kaiserin der Franzosen, geb. de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), verh. 1853 mit Kaiser Napoleon III. 78 Frz. = zeremonieller Ausgang nach dem Gedenkgottesdienst für Kaiser Nikolaus I. von Russland. 79 Lat. von ligare = Verbindendes. 80 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 81 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 82 Frz. corps de génie = Ingenieurkorps. 83 Zimmer von Kaiser Paul I. von Russland (1754–1801) in der Michaelsburg, in dem derselbe am 12./24. März 1801 ermordet worden war. Das Schloss hatte sich der Kaiser nach mehreren Morddrohungen als hochgesicherte Residenz auf einer kleinen Insel zwischen den Flüssen Fontanka, Moika und zwei Kanälen bauen lassen. Seit 1820 war darin die Hauptingenieurschule untergebracht.
226
Briefe 1851–1873
sohn84 aus Sebastopol angekommen, der viel erzählen mußte. Es hat viele Menschenleben gekostet, aber von hier keine Bekannten. Ihm folgte ein Courier von dort mit der Nachricht, daß das Bombardement 7 Tage ununterbrochen fort gedauert. Bei Thee kam par télégraph aus Wien ganz schlechte Nachrichten. Wir waren alle so niedergedrückt. Dann ließ Olga Kirchengesänge sich vorsingen von Lwoff.85 Charlotte ließ die Sänger heraufkommen. Es war prächtig. Das Ende war, daß ich wieder herausging, so griff es mich an, und als ich im Salon hereinkam, lag Charlotte auf ihre chaiselonge auch wieder. Dann unterhielten wir uns nur vom Ende Kaiser Pauls, bis Karl um 11 Uhr abreisen mußte, was Charlotte sehr, sehr leid that. Erst weiß man nicht, ob sie sich wiedersehen, und dann erheiterte er sie doch sehr. So endete dieser Tag, und doch hat Charlotte gut geschlafen und ist wohl. Von Abat kam ein Brief an Charlotte, ganz ausführlich das Gespräch zwischen ihm und Marianne, und dann ihr Besuch bei Röschen.86 Ich möchte wißen, wie Du darüber denkst. Ich finde den Besuch unter aller Würde. Sie vergiebt sich als Frau und Prinzessin, und das um Verzeihung bitten von ihrer Seite, nein, es ist schäuslich. Nach der Art, wie der Brief geschrieben ist, so scheint es, als wenn er Vortheil daraus ziehen will für die Stellung von Röschen zu dieser Famillie, die mir nicht verändert scheint. Wenn auch Marianne schrecklich Unrecht hatte, Röschen desweniger nicht minder, und Marianne ist hernach erst so ganz tief gefallen, wo sie jetzt steht. Und Abat hat eben so viel Schuld. Er stellt sich wie ein Engel hin. Nun adios, ich muß zum Eßen zu Charlotte. Ich hoffe, Preußen bleibt seiner schönen Rolle getreu und hällt sich vom Westen frei, was auch kommen mag, wenn Deutschland nur zu Preußen hielte. Deine treue Adine Petersburg, den 11ten/23ten April 1855 Meine liebe Elis, gestern bekam ich Deinen lieben Brief vom 14ten, und da mußte ich gleich antworten. Obgleich vorgestern erst ein Brief von mir abgegangen ist, habe tausend Dank wieder dafür. Du schreibst so interessant und giebst mir auch Aufschluß über die Ankunft meines Sohnes Fritz, die ich in der Zeitung fand. Mein Sohn Wilhelm ist auch endlich am 22ten in Schwerin angekommen. Ich wußte seit Moskau nichts von ihm. In der Hinsicht ist der télégraph prächtig, aber wie er unterbrochen war nach Berlin und nach Warschau, das war ganz schäuslich.
84 Mglw. ein Schwiegersohn des Fürsten Alexei Alexandrowitsch Lobanow-Rostowski (1787–1848), dessen Töchter ausländische Diplomaten geheiratet hatten. 85 Alexei Fjodorowitsch Lwow (1798–1870), russ. Violinist, Komponist und Leiter der kaiserl. Sängerkapelle. 86 Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, inzwischen geschieden und im Exil in morganatischen Beziehungen lebend, trafen sich mit seiner zweiten Ehefrau Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879), zugleich ihre ehem. Hofdame, auf Schloss Albrechtsberg.
1855
227
Was Du mir über Mariann ihren Besuch in Albrechtsberg sagst, ist mir aus der Seele geschrieben.87 Du wirst es auch in meinem gestrigen Brief gefunden haben. Abat sein ganzes Benehmen dabei ist mir verdächtig, auch weiß ich zufällig, daß er sehr großen Werth darauf legt, daß er Röschen an Euch beiden seine Frau genannt, und ihr ihm nichts darüber gesagt. Er findet, daß ihm das Hoffnung giebt zur Annäherung. Also muß Fritz sehr auf seiner Huth sein. Es ist wohl schlecht, daß ich so etwas von meinem Bruder schreibe, aber wir sind ja alle so oft angeführt worden! Charlotte ist nun nicht ganz so streng wie wir und meint, wenn Marianne es aus christlicher Demuth gethan, so wäre es schön, doch es ist ihr auch zu viel. Und ich habe die Gelegenheit genommen, ihr noch einmal recht alles zu erzählen, und auseinander gesetzt, wie Abat lügt und danach handelt, wie es ihm Vortheil bringt. Du glaubst nicht, wie Charlotte eigentlich zu bewundern ist und zu achten, daß sie bei so schmertzlichen Erfahrungen, die sie gemacht, so reines Herzens geblieben und an den Schlechtigkeiten der Menschen nicht glauben kann und will. Ich finde es ordentlich rührend, aber sie wird dafür sehr mißbraucht. Charlotte geht es im ganzen gut, das Herzklopfen ist nur jetzt wieder ärger nach allen politischen Nachrichten. Seit 11 Tagen dauert das bombardement und kostet viele Menschenleben, und von den ausgezeichneten Offizieren blieben die meisten.88 Heute kam Nachricht, daß das Feuer nachließe, und die Russen einen kleinen Vortheil erhielten. Gott wolle sie schützen und ein glückliches Ende herbeiführen. In Wien ist die conference gestöhrt durch die Abreise der Vertreter von Frankreich und England.89 Östreich schwankt, England soll ihm unerhörtes Geld bieten zu den Finanzen. Gott gebe, daß es sich nicht fangen läßt. England ist sonst ein gutes Beispiel dafür. Nun leb wohl, ich danke für der Grauzeuge, ich hoffe, sie komme bald an.90 Wie ist Wilhelm aus Coblenz zurück gekommen? Sie kommt nun wohl auch bald zur Einsegnung.91 Du hast nun die Freude, Anna mit Kind92 in Berlin zu haben. Die arme Lolo, die nun im Grabe ruht. Bitte habe nur Geduld mit Adini, die wird Dir noch Freude machen. Deine treue Adine Du fragst, ob wir Schleier tragen, wie die Woroncoff.93 Freilich tragen wir sie immer, nur bei Charlotte nicht, wenn wir allein da sind. Charlotte selbst geht nie anders in ihrem Zimmer, nur wenn sie heiß hat oder Beängstigungen, dann legt sie ihn ab. 87 Siehe Anm. 85. 88 Artilleriebeschuss der von den Alliierten belagerten russ. Festung Sewastopol auf der Krim. 89 Erfolglose Friedensverhandlungen in Wien zwischen Großbritannien, Frankreich und dem Osmanischen Reich sowie Russland unter österr. Leitung. 90 Königin Elisabeth von Preußen hatte für Großherzogin Alexandrine Grauzeug (graue Tuchwaren) bei einem kgl. preuß. Hoflieferanten bestellt. 91 Prinz Wilhelm und Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, zur Konfirmation ihrer Tochter Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923) in Charlottenburg. 92 Prinzessin Anna von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Preußen (1836–1918), mit ihrem Sohn Prinz Friedrich Wilhelm (1854–1888). 93 Fürstin Jelisaweta Xawerjewna Woronzowa, geb. Branizkaja (1792–1880), verh. 1819 mit Fürst Michail Semjonowitsch Woronzow (1782–1856), russ. General der Infanterie und Generaladjutant,
228
Briefe 1851–1873
Heute ist bei Euch in Brandenburg die Trauerfeier für den Kaiser und die Übergabe der Uniform.94 Es wird gewiß schön und feierlich sein. Petersburg, den 2ten Mai 1855 Gestern mit Deinem lieben Brief und dem 1ten Mai scheint das Frühjahr auch hier einkehren zu wollen. Wie sind seit Sonntag hier im freundlichen und gemüthlichen Anitschkof,95 wo sich Charlotte so wohl fühlt und sich so freut, unter den lieblichen Erinnerungen ihrer Jugend zu leben, denn hier sind alle Geschenke, die sie bei ihrer Heirath mitnahm, aufgestellt. Alle Bilder von der Famillie, von Freundinnen, die damals sehr jung und hübsch waren, findet man hier, was einem so wunderbar erscheint, so alt sind wir nun schon alle geworden. Viele sind im bessern Leben eingegangen wie Elise Radziwill,96 die Tante Wilhelm,97 Tante Radziwill,98 die gute Mathilde Brandenburg, deren Bilder Charlotte den Kindern vermachen will. Sie spricht oft von ihrem Testament, aber einen nahen Tod glaubt sie nicht, und ich auch nicht mehr. Sie hat bei ihrer großen Schwäche viel Lebenskraft in sich. Gestern war sie sehr angegriffen, sie hatte schlecht geschlafen, und dann machte ihr die große Parade, wobei wir alle zugegen sein mußten, weil Sache es wünschte, natürlich Charlotte nicht, aber es machte ihr doch Gemüthsbewegung. Marie, Olly und ich, wir fuhren zusammen und hatten die ganze Zeit dicke Thränen in den Augen bei dem Front herunterfahren. Dann gingen wir in ein prächtiges Zelt, was mit Gold gewirkte Teppiche behangen war und rothem Sammt. Das Wetter war so attenizös,99 warm zu sein, kein Wind, so daß wir [es] zu heiß bekamen in unsern Pelzmantel. Die Trauer war auch bei dieser Gelegenheit abgelegt, alles weiße Wolle, aber da die meisten, wie Marie selbst, nur schwartze Mäntel hatten, so waren wir auch so, und das fand ich ganz passend. Die Parade war übrigens sehr schön, die Regimenter Infanterie sehr stark, und man muß [hin]nehmen, daß alte Leute und Rekruten darin waren, die Kavallerie sehr schwach, aber prächtige Pferde und gut geritten. Im Ganzen war Sache zufrieden. Charlotte ist so gerührt über das Trauerfest in Brandenburg.100 Von allen Seiten sind Briefe mit Beschreibungen hier angekommen, wie Benkendorf und Budberg,101 alle entzückt und tief gerührt über die Art, wie das ganze gehallten worden ist. Charlotte weinte
Generalgouverneur von Neu-Russland und Bessarabien, Statthalter im Kaukasus, trat 1855 in den Ruhestand. 94 Trauerfeier mit Übergabe der Uniform des verstorbenen Kaisers an das in Brandenburg an der Havel stationierte preuß. 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“. 95 Anitschkow-Palais in St. Petersburg 96 Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834). 97 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). 98 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 99 Frz. von attention = aufmerksam. 100 Trauerfeier mit Übergabe der Uniform des verstorbenen Kaisers an das in Brandenburg an der Havel stationierte preuß. 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“. 101 Konstantin Graf von Benckendorff (1817–1858), russ. Militärbevollmächtigter in Preußen, und Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen.
1855
229
mit aus Dankbarkeit und Trauer. Sache, alle, alle sind so erfreut darüber. Überhaubt, Preußen steht jetzt hoch hier und wird von allen Seiten anerkannt, was es für Rußland und dem ganzen Wohl von Deutschland thut. Gott wolle es Fritz lohnen, seine Treue an Nicola, es wird seine Früchte tragen. Freilich, jetzt scheint jeder Lohn von Rechtlichkeit nicht mehr auf Erden belohnt zu werden. Das Schlechte nur macht sich geltend. Aber Gott wird schon zu seiner Zeit die Anerkennung austheilen. Der Mordanfall auf Napoleon,102 der sonst in der Welt Entsetzen und Abscheu erregte, findet Bedauern am Mißlingen, und er führt eine Rede voll Odace.103 Sein Besuch in England war für das Land und die Königin eine fürchterliche Demüthigung. Was wird er nun thun, geht er nach Wien oder die Krim?!!! Die Nachrichten gestern aus der Krim lauten günstiger für die Rußen. Es ist ihnen gelungen, tranchen zu errichten während einem Ausfall, die den Franzosen entgegen arbeiten. Gott wolle Sebastopol schützen, wie viel Blut muß fließen, es ist fürchterlich. Die Jungen104 bleiben hier. Ihre Abwesenheit hielt Charlotte nicht aus. Sie haben fürs erste Beschäftigung erhallten und können hier nützen. Die Zeuge, welche Du von Gerson ausgesucht, sind gestern angekommen.105 Der liebe Mann hat aber noch soviel dazu gepackt, daß es 2 enorme große Kisten geworden und leider unter der Adresse von Charlotte [an]gekommen, die selbst Zoll bezahlen muß, der sehr hoch gekommen ist, und wenn es an mich kommt, da ich fremd bin, kostet es nichts. Ebenso wird die Kiste mit Goldsachen der Armee auch viel kosten. Und sie spart gerade jetzt, so viel sie kann, um es den Blessierten zukommen zu laßen, entweder direkt in Geld oder Leinen en masse, Medizin und so weiter, was natürlich entsetzlich viel gebraucht wird.106 An die Krankenpflegerinnen wird viel gesendet, die dort wie Engel erscheinen, so viel Gutes thun sie. Die Bomben fliegen immer um sie herum. So war anfangs ein Lazaret ausgesetzt. Beim Verladen sind zwei getödtet, und die Schwester, wie sie gewarnt, hat eine contusion107 bekommen. Da sind die Blessierten während dem Bombardement nach einem entfernten Ort gebracht worden, und die Schwestern haben ihren Trägern Muth eingesprochen, damit sie die armen Unglücklichen nicht hinfallen ließen. Aber auch die Blessierten haben die Schwestern gebeten, sich in Acht zu nehmen, daß ihnen nichts geschehe.
102 Attentat des Italieners Giovanni Pianori (1823–1855) auf Kaiser Napoleon III. am 28. April in Paris. 103 Frz. audace = Dreistigkeit. 104 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891), russ. Generalmajor, und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister, hatten an der Schlacht von Inkerman am 5. Nov. 1854 teilgenommen. 105 Das von Großherzogin Alexandrine gewünschte Grauzeug (graue Tuchwaren) hatte Königin Elisabeth bei dem kgl. Hoflieferanten Herrmann Gerson (1813–1861) bestellt, ein jüd. Modemacher und 1849 Gründer des Kaufhauses Gerson, und von diesem nach Russland schicken lassen. Siehe Brief vom 11./23. April 1855. 106 Karitatives Engagement der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, im Krimkrieg. 107 Lat. contusio = Prellung, Quetschung.
230
Briefe 1851–1873
Die Sachen, die du ausgesucht bei Gerson, sind sehr hübsch und alle gekauft worden. Er hatte aber so vieles noch hineingelegt, daß Du ihn recht ausschelten kannst, da er viel zurück erhällt. Die Kiste wird wohl unter Deiner Adresse zurückgehen müßen! Charlotte ist heute so wohl, und die Luft so warm, daß sie heute um 2 Uhr ausfahren wird, und ich daher erst nachmittags den Brief schließe, um Nachricht zu geben. Wegen Adi entscheide Dich nur, sie ganz zu Dir zu nehmen.108 Albert wünscht es selbst. Er schrieb an Charlotte, daß sie jetzt bei Dir wäre, was ihn sehr freute, weil es Adi gut thuen würde. Seine Heirath bleibt doch etwas unglückseliges.109 Nun sitzt er immer in Dresden, anstatt mit seinen Kindern zu sein. Er weiß kaum, daß er welche noch hat. Daß Adi nach der Friedenskirche zieht, war Fritz schon voriges Jahr seine Idee. Es ist ein bischen weit von Dir, sonst eine allerliebste Wohnung. Habe nur Geduld mit ihr, sie wird noch ganz gut werden. Und wenn sie sieht, daß Du Dich ihrer so liebevoll annimmst, das wird ihr so wohl thun. Sie kennt ja kein Mutterherz. Es wird ihr das Herz aufschließen, denn sie hat gewiß viel Gefühl. Sie ist nur nicht auf die rechte Art genommen worden. Nachtisch. Die Ausfahrt ist Charlotte gut bekommen. Sie meinte zu fühlen, daß ihr die Luft gut gethan. Sie fuhr nur eine kleine Strecke die Perspektive110 zur Helfte und die kleine Mosköi,111 wo Holz gelegt ist. Nun adios, Gott sei schützend mit Euch und uns. Der 5te Mai, ihr Namenstag, wird noch ein schrecklicher Tag sein. Morgen ist Panachit112 für Adini, ihr Namenstag. Deine treue Adine Grüße meinen Wilhelm. Petersburg, den 9ten Mai 1855 Deinen lieben Brief bekam ich gestern, wie ich bei Charlotte saß, und konnte gleich Deinen Auftrag ausrichten und las ihr vor, was Du über den Geburtstag von Sache sagst und ihren eigenen Gefühlen. Auch alle Festtage sind doppelt Trauertage, weil man den Schmertz noch viel greller fühlt, und hier noch mehr, weil solche Tage gefeiert werden müßen ohne Barmherzigkeit. Davon gab der Nahmenstag von Charlotte einen Beweis. 108 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, wurde unter die Aufsicht von Königin Elisabeth von Preußen gestellt. 109 Unstandesgemäße Heirat von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) mit Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879) am 13. Juni 1853 in Sachsen-Meiningen. Das Paar wohnte anschließend im Schloss Albrechtsberg in der Nähe von Dresden. Die drei Kinder aus erster Ehe blieben in Berlin zurück. 110 Der Newski-Prospekt, ursprünglich bezeichnet als „Große Perspektivstraße zum Alexander-NewskiKloster“, ist eine 4,5 Kilometer lange Prachtstraße mit zahlreichen Adelspalästen im Zentrum von St. Petersburg. 111 Verm. Moika = kleiner Fluss in St. Petersburg, der den Newski-Prospekt kreuzt und in die Newa fließt. 112 Russ. panikhida = orthod. Gedenkgottesdienste für Verstorbene, hier für Prinzessin Alexandra von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844).
1855
231
Es war zu schrecklich. Sie kam mir wie ein Opfer vor. Sie machte das alles so natürlich und still ab, um niemand zu stöhren. Heute sind wir sehr beschäftigt mit der Hochzeit von Cocotte Trobetskoy, die mit in Berlin war. Sie heirathet einen Wittwer Fürst Galizin, seine Frau starb vor 2 Jahren und war Tochter von Nathalie Stroganof, die immer sehr kränklich war.113 Dann ist in der Stadt noch eine Hochzeit, die zweite Tochter der Smirnof mit Fürst Andre Trobetskoy,114 Bruder der Marie Stolepin, jetzige Woronsof.115 Sein ältester Bruder ist angekommen aus Italien mit seiner Frau, Tochter der Tailloni.116 Die machte viel Aufsehen. Sache hat ihn äußerst kalt empfangen und ihm derb den Kopf gewaschen. Die Hochzeit von Cocotte Trobetskoi ist hier in der kleinen Kirche. Charlotte zieht sie an, das heißt, den Schleier und sonst die Brillanten aufgethan. Diesmal bekömmt sie keine wegen der Trauer. Charlotte geht nicht mit zur Trauung, wir sind aber eingeladen, an [die] 50 Menschen werden es mit den famillen sein. Nach der Trauung geht das Paar noch zu Charlotte, und dann fährt alles zu den Neuvermählten, wir nicht. Marie Douci war ein paar Tage unwohl. Sie hatte sich erkältet und durfte nicht herkommen. Heute Abend hofft sie, zu Charlotte kommen zu können. Sie ist allerliebst für die Mama, sehr herzlich und attentiös,117 kommt mit ihren Arbeiten und bleibt dann eine Stunde. Heute ist die ganze männliche Famillie zu Dampfschiff nach Cronstadt. Nachmittags kommen sie wieder. Ach, wie mir Angst ist für die Krim, kann ich nicht sagen. Es geht doch garnicht gut, und die Franzosen senden immer neue Truppen. Es ist fürchterlich. Hier ist man voller Muth, und Gott erhallte es ihnen. Die Ostseeflotte macht mich weniger besorgt. Was Du mir über Albrecht sagst, ist, als wenn ich es geschrieben, so denken wir gleich, und dabei ist er so dumm und macht so viele Menschen zu Vertrauten. Er ist unverbesserlich. Die grauen Zeuge sind erst den 1–2 Mai angekommen und haben viel Abgang gefunden. Es kommt aber doch noch viel zurück. Die Goldsachen sind noch nicht da. Fritz sein Unwohlsein ist recht fatal, aber natürlich, und daß er am Kaiser kein Beispiel nehmen will, der sich doch sein Ende so allein herbeigezogen hat. Den 10ten. Gestern Abend erhielt ich Deinen zweiten Brief vom 4ten, wo Du mir schriebst, daß Fritz das kalte Fieber bekommen. Wie ist das unangenehm und ein so an113 Fürstin Ekaterina Nikititschna Trubezkaja (1831–1918) heiratete am 9. Mai 1855 Fürst Pawel Wassiljewitsch Galitzin (1822–1871), in erster Ehe verh. mit Natalia Alexandrowna Gräfin Stroganowa (1828–1853), Tochter des russ. Generals und Generaladjutanten Alexander Grigorjewitsch Graf Stroganow (1795–1891) und der Natalia Viktorowna Gräfin Stroganowa, geb. Kochubey (1800– 1855). 114 Fürst Andrei Wassiljewitsch Trubezkoi (1822–1881), russ. Zeremonienmeister, verh. 1855 mit Sofia Nikolajewna Smirnowa (1836–1884), Tochter der Alexandra Ossipowna Smirnowa, geb. Rosset (1809–1882), russ. Hofdame. 115 Fürstin Maria Wassiljewna Trubezkaja, verw. Stolypina (1819–1895), russ. Hofdame, verh. 1851 mit Fürst Semjon Michailowitsch Woronzow (1823–1882), russ. Generalmajor. 116 Fürst Alexander Wassiljewitsch Trubezkoi (1813–1889), russ. Oberst a.D., im ital. Exil verh. mit Marie Gräfin Gilbert de Voisins (1836–1901), Tochter der ital. Tänzerin Marie Taglioni (1804– 1884), mit der er während ihres Engagements in St. Petersburg eine Affäre hatte. 117 Frz. von attention = aufmerksam.
232
Briefe 1851–1873
klebender Gast. Doch muß man Gott danken, daß es nichts Ernsteres geworden. Man wird jetzt immer gleich so bang. Charlotte geht es im Ganzen unbegreiflich gut, nur seit 3 Tagen hat sie etwas Abweichen,118 was sie mitunter angreifft. Gestern Abend war sie unbegreiflich rührig bei der Hochzeit von der kleinen Trobetskoy, die allerliebst aussah, ein weiß pou de soie119 Kleid mit 2 Röcke und darauf eben so breite Kanten, ein Kranz von Orangenblüthen und ganz leichter Tüllschleier mit 2 Brillant Nadeln angesteckt. Sie war im Ganzen so deliciös, ihr Wesen so hübsch. Nach der Trauung kam sie noch zu Charlotte herein, und sie sah auch einige alte Damen. Dann ging alles fort und wir blieben allein. Schuwalof120 las sogar noch etwas vor, um zu beruhigen. Er hatte die neue Uniform an, ein Waffenrock ebenso gestickt wie sonst die kleine Uniform, nur bis unten herunter. Es sieht gut aus.121 Tausend Dank, daß Du uns Nachricht von Fritz gegeben. Gott schütze Euch. Deine Adine Petersburg, den 15ten Mai 1855 Meine liebe Elis, eben kam Dein lieber Brief vom 8ten. Habe tausend Dank. Gott sei Dank, daß es mit Fritz wieder ganz gut geht. Ich denke, bei Euch wird das Wetter auch so schön sein wie hier. Heute ist es so himmlisch, alles wird mit Macht grün und alles auf einmal. Morgen wird nun bestimmt nach Zarskoe Selo gezogen, und bei diesem Wetter wird es Charlotte nicht schaden, da die Zimmer geheitzt gewesen sind, und nun seit 8 Tagen die warme Luft von außen hinein hat dringen können. Den 16ten. Gestern wurde ich zum spazieren fahren geholt, worauf ich nicht mehr rechnete, da es 7 Uhr war. Wir sind aber doch noch nach den Inseln gefahren, in Jelagin122 standen andere Pferde mit einer Calesche, und da sind wir die Inseln durchfahren, und dann wieder im zugemachten Wagen zurück gefahren, wo es doch schon kühler war, denn wir kamen erst um 8 ½ Uhr zurück. Bis jetzt fühlt sich Charlotte gestärkt, obgleich gestern ein böser Tag war, da sie vor 10 Uhr nach der Festung gefahren war mit Nisi, und vor dem Essen war sie nach dem Winterpalais, um Marie noch dort zu sehen, wollte aus ihrem Zimmer einiges sich holen, und war dann im Cabinet vom Kaiser gewesen, wo sie so furchtbar geweint. Sie sagte, es wäre ihr gewesen, als sei er erst eben gestorben. Zum Eßen kamen noch George und Caty, allein, sie fühlte sich am Abend nicht besonders, matt. Wie die Nacht gewesen, hörte ich noch nicht. Ich will nun auch noch nach der Festung, um am Grabe zu beten. Ach, das ist doch ein Schmertz, den man wohl nie überwinden wird. Heute um 3 Uhr fahren wir nun alle zusammen nach Zarskoe Selo. Es wird eine Völkerwanderung werden mit allen Kindern, Ammen, Bonnen, Weibern und Männern. Der Aufenthalt, den denke ich mir nicht sehr reitzend. Es kann aber besser werden, 118 = Durchfall. 119 Frz. = Seidenraupe, im Sinne eines Seidenkleides. 120 Andrei Pawlowitsch Graf Schuwalow (1817–1876), russ. Oberhofmarschall. 121 Kleine Zeichnung des Uniformrockes. 122 Insel Jelagin in der Mündung der Newa mit dem Jelagin-Palast als Zarenresidenz.
1855
233
als man es sich erwartet. Der erste Augenblick wird für Charlotte auch schmertzlich sein, obgleich sie seit 2 Jahren nicht dort gewohnt haben. Aber das Andenken an Adini123 wird nun doppelt wehmüthig sein. Es ist heute so heiß, schon 29° im Schatten, und die dicken, wollenen Kleider dazu, die wirklich strenge getragen werden. Es ist jetzt gleich 12 Uhr, und vor 9 ½ Uhr fuhr ich noch nach der Festung, wo es mir vorkam, als wenn man sich nun erst für ewig trennte. Ich habe schrecklich geweint. Als ich zurückkam, fand ich Charlotte im Garten sitzen. Dann ließ sie sich im kleinen Rollstuhl fahren, und dann tranken wir im Schatten am Hause Kaffee, wo wir bis jetzt geseßen mit Olly und ihrem Mann124 und die Pillar.125 Dann kam Sanny noch, und nun sitze ich in mein Zimmer und werde gebraten. Albrecht bleibt sich doch immer gleich. Daß er Addi126 bei sich haben wollte, und dann gleich abreisete. Die Goldsachen sind seit 5 Tagen hier. Habe vielen Dank. Ich habe einiges zur Auswahl behallten. Das Bild von Mathilde wird coppiert werden. Nun adios, ich muß fort, Charlotte küßt Dich herzlich. Deine Adine Zarskoe Selo, den 30ten/18ten Mai 1855 Gestern, meine geliebte Elis, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 20ten–21ten, der mich unendlich freute, denn Du hast mich entsetzlich schmachten laßen, und wäre meine Reise nach Moskau nicht gewesen, so hättest Du schon einen verzweifelten Brief von mir bekommen. Dies war Deine Rettung. Meine Reise nach Moskau wurde so schnell beschloßen und ausgeführt, daß ich niemand davon benachrichtigen konnte. Es war gerade die 5 Tage, die ich abwesend, eine solche Hitze dort, im Schatten 29°, und ich von morgens bis abends auf den Beinen und nicht im Schatten, sondern auf dem Steinpflaster, das furchtbar ist, herumgeseßen, so daß, als ich hier wieder ankam, wo nur 10° Wärme war, gleich bis 5–6° herunter sank, ich mich erkältet und auch fatiguant hatte, ganz krank war, Fieber, Kopfweh, Gliederschmertzen und fast immer liegen mußte, um die ganzen Stunden zum Diner und Thee erscheinen zu können. Nun seit gestern geht es wieder gut, und daher eile ich, Dir Nachricht von hier zu geben. Charlotte hält sich bis jetzt wunderbar gut. Die warmen Tage hatten ihr so gut gethan. Jetzt muß überall geheitzt werden, um es nur im Zimmer aushallten zu können. Sie fährt garnicht aus, zieht sich warm an, wozu nun unsere Flanell Kleider herrlich sind, aber in Moskau bei 29° kaum zu ertragen waren. Wir leben hier außerordentlich still und gleichmäßig. Um 10 oder 10 ½ Uhr trinken wir Caffee bei ihr, Olly, Karl und die beiden Jungens.127 Um 11 Uhr kommt 123 Prinzessin Alexandra von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844), gest. in Zarskoje Selo. 124 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 125 Anna Karlowna Pilar von Pilchau (1832–1885), seit 1849 russ. Hofdame. 126 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 127 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891) und die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909).
234
Briefe 1851–1873
Marie mit ihrer Arbeit, und jetzt liest sie uns die selbstgeschriebenen Memoires der Kaiserin Katharina128 vor bis 12 ½ Uhr, wozwischen Sache kömmt. Dann fährt sie fort, Olly bleibt wohl bis 1 Uhr, dann geht sie zu sich. Dann kommen die Damen vom Dienst oder andere Menschen. Um 2 Uhr wird ausgefahren im hübschen Garten, wo man weite oder kurtze Promenaden machen kann. Manchmal wird Sany in Pavelowsky besucht. Um 3 Uhr ist man zurück, und dann bleibt jeder in seinem Zimmer. Um 4 ¼ Uhr wird diniert, Olly, Karl, die Jungens und ein oder 2 Herren werden dazu eingeladen, öfter kommen auch Sachens. Um 5 ½ Uhr verzieht sich wieder jeder in sein Zimmer, um 8 Uhr gehe ich zu Charlotte, wo sie sich von 7 Uhr an vorlesen läßt von Elise Rauch. Um 8 ½ Uhr macht sie sich etwas zurecht und gehet ins rothe Eckcabinet. Gewöhnlich ist Marie dann schon da und ließt wieder vor bis 9 ½ Uhr, oder sie arbeitet. Dann kommt Sache und holt sie ab. Und leider bringt er jetzt immer traurige Nachrichten,129 die natürllich entsetzlich ernst stimmen. Aber ich habe das Gefühl, wenn der Kaiser noch lebte, so würde man dies noch viel lebhafter fühlen und erfaßen. Ach, überhaubt, er fehlt schrecklich. Mir kommt es vor, als wenn alles erlahmt wäre, was garnicht der Fall ist, aber die Freudigkeit fehlt bei allem, das Leben, um das sich alles drehte. Man lebt so hin, man weiß nicht, warum. Und wenn die Jungens nicht etwas Lebendigkeit hineinbrächten mit ihrer Jugend und Lebendigkeit, so wäre es, glaube ich, hier Charlotte entsetzlich drückend. Sie werden aber auch bald fort[gehen] nach Warschau, wo sie Besichtigungen machen müßen. Olly reiset morgen Abend fort. Das ist das aller traurigste. Sie ist wie ein guter Engel, in der Famillie still waltend und ebnend, alle haben Vertrauen zu ihr. Ich möchte, sie könnte auf Mary besser einwirken, da wird über kurtz oder lang eine Heirath zum Vorschein kommen, obgleich ich garnichts darüber weiß.130 Aber mein inneres Gefühl sagt es mir, man braucht sie nur anzusehen. Heute sind es 3 Monate vom Tod des Kaisers, ein ganzer Abschnitt! Die ganze Famillie, die wohl ist, fährt nach Petersburg in die Festung. Ich wollte auch erst mit, aber dann bleibt Charlotte stundenlang allein, und da will ich sie nicht verlaßen. Sie wird wohl auch die Panachit131 hier in der kleinen Capelle von Adini haben an der Stelle, wo sie gestorben ist. Costy ist seit mehreren Tagen in Kronstadt, wo 13 Schiffe sich gezeigt, die sich 128 Memoiren der Kaiserin Katharina II. von Russland (1729–1796). Kaiser Nikolaus I. von Russland hatte nach seiner Thronbesteigung die bis dahin kursierenden Abschriften einsammeln lassen und selbst das Original gelesen, versiegelt und ins Archiv gegeben. Im März 1855 ließ sich der neue Kaiser Alexander II. von Russland ebenfalls das Originalmanuskript vorlegen. Danach entstanden weitere Abschriften in Moskau und St. Petersburg, worauf auch die 1859 erschienene dt. Erstausgabe in Hannover beruht. 129 Über die russ. Lage im Krimkrieg. 130 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) führte nach dem Tod ihres Mannes eine morganatische Beziehung mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). Die Heirat hatte bereits heimlich am 13./25. Nov. 1853 in der Palastkirche des Mariinsky-Palastes stattgefunden, wurde jedoch erst nach dem Tod des Vaters durch den neuen Kaiser Alexander II. von Russland am 12./24. Sept. 1856 legitimiert. 131 Russ. panikhida = orthod. Gedenkgottesdienste für Verstorbene, hier für Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855) und seine Tochter Prinzessin Alexandra von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844).
1855
235
aber mehr heruntergezogen haben und dort sich sammeln. Noch ahnt man nicht, was sie unternehmen wollen! Hier schicke ich ein paar Worte mit, die ein Offizier aus Alexandropol geschrieben.132 Sie werden Fritz und Dich erfreuen, daß man in so weiter Ferne, Preußens Halltung erkennt. Hier spricht sich Sache sehr oft [an]erkennend aus, hoffend, daß Fritz felsenfest hällt, denn dadurch wird Östreich etwas gehallten. Daß Du Charlottenburg mit Potsdam vertauschtest, wußte ich garnicht, aber wie schrecklich muß Charlottenhof und das Neue Palais sein, mit dem stinkigen, stehenden Wasser, wie muß das ungesund sein. Ich habe mir schon gedacht, ob Schönhausen nicht gesünder diesen Augenblick gewesen. Von der Einsegnung von Louise Wilhelm133 haben wir schon so viel gehört, und von so verschiedenen Personen, und alle stimmen darüber ein, daß es sehr schön und feierlich gewesen, und daß Louise eine große Festigkeit in der Bibel bewiesen durch ihre schnellen und richtigen Antworten, und ihr ganzes Wesen allerliebst gewesen. Sehr rührend ist zu lesen, wie Wilhelm selbst darüber schreibt. Er liebt diese Tochter unbeschreiblich. Ich komme eben herauf nach der Panachit. Es war so schrecklich traurig, diese beiden Wesen nun vereint zu wißen und uns entrißen. Es hat mich so schrecklich ergriffen, da es auch das erstemal für mich war seit 11 Jahren an dieser Stelle, wo ich Adini sterben sah, nun sie mit ihrem Vater vereint nennen zu hören, und doch sind sie die Glücklichen und Beneidenswerthen, und wir die Beklagenswerthen. Sanny war mit uns, da sie diesen Augenblick nicht ganz wohl und nicht lange stehen konnte. Alexander134 verläßt uns heute Abend. Er war sehr bewegt, denn weiß Gott, wann er einmal wieder hier her kommen kann, wie sich die Politik gestalltet. Marie wird ihn auch sehr vermissen. Sein Wesen ist nicht angenehm, er scheint nicht in einer guten Gesellschaft zu leben!!! Durch Olly sende ich Dir für die Brandenburgs ein prophiel von Mathilde, was Charlotte auch hatte, und ich sehr ähnlich fand, besonders in der Zeit, wo es gemacht, vor einigen 30 Jahren. Du bist wohl so gut und beförderst es zu den Töchtern.135 Sehe es Dir aber erst an. Von Moskau habe ich noch garnicht gesprochen. Daß ist denn eine solche wunderbar schöne Stadt, von der einen Seite noch sogar orientalisch. Der Kremmel ist aber das Schönste, eigentlich sollte man garnichts anderes ansehen. Der ganze alte Teil, Terema,136 ist wunderbar, die Zimmer alle klein, aber mit Pracht, viel Gold und Sammt, und der Blick von 132 In den Brief eingelegt ist der Auszug eines Briefes aus Alexandropol: „Alles ist entzückt hier über die Haltung Preußens und man verehrt den König mit einer Wärme und einem Enthusiasmus, nicht nur unter den Offizieren, sondern bis in die untersten Schichten der Armee, daß es ihn freuen und für sein edles, ritterliches Festhalten am guten Recht envers et contre tout einigermaßen belohnen würde, wenn Er es wüßte.“ 133 Konfirmation der Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen, in Charlottenburg. 134 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), österr. Generalmajor und Bruder der russ. Kaiserin, hatte nach seiner unstandesgemäßen Heirat mit Julia Gräfin von Hauke (1825–1895), der Hofdame seiner Schwester, den russ. Militärdienst verlassen müssen und war 1853 in österr. Dienste gewechselt. 135 Gemeint sind die fünf Töchter der verstorbenen Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 5. März. 136 Terem-Palast, 1635–1636 errichtetes, erstes steinernes Wohngebäude russ. Bauart im Kreml.
236
Briefe 1851–1873
dort auf die Stadt zu schön. Der neue Anbau vom Kaiser137 ist so grandios und prachtvoll, 4 große Saele an einander, die die Nahmen der ersten Orden tragen und ihre insignien, wunderbar schön gemacht. Mir ist der Georgen Saal am liebsten. Nun adios, Charlotte läßt mich holen. Deine treue Adine Bethe für Rußland, die Nachrichten sind garnicht gut. Den 1ten Juny. Leider habe ich gestern vergeßen, diesen Brief fortzuschicken, und kann ich hinzufügen, daß gestern Sache mit allen Prinzen nach Oranienbaum138 ist, um die Flotte zu sehen, die sich mehr vor Kronstadt aufgestellt.139 Sie sind die Nacht dort geblieben und kamen mittags zurück, da das bombardement noch nicht begonnen. Olly ist darum noch geblieben, will nun heute fort und hofft am 7ten in Berlin zu sein. Noch sind wir in tiefer Trauer mit Schleier. Peterhof, den 7ten Juny 1855 Meine liebe Elis, am heutigen Tage wäre ich gerne mit Euch in Charlottenburg und betete an dem Sarge des theuren Papa, wie ich es so gewohnt bin zu thun. Dort möchte ich Fritz um den Halz fallen und danken, daß er sich so prächtig nimmt in der politischen Halltung. Papa würde ihn loben, denn er allein hällt das Gleichgewicht, hielt Östreich noch vom Abgrund. Alles ist gespannt, was nun Östreich thun wird, nachdem die Conferenzen aufgegeben sind.140 Charlotte und ich werden zwischen 10–11 ein Panachit141 in der kleinen Kirche für Papa haben und für den Kaiser. Ach, es ist schrecklich zu denken, daß sie nun beide uns entrißen sind, aber tröstlich, sie vereint zu wißen. Sie werden vereint für das Wohl ihrer Kinder zu Gott beten und für ihre Völker. Seit Dienstag, den 5ten abends sind wir hier im schönen Peterhof, wo es wirklich ganz himlisch ist, die schöne, reine Luft des Meeres, das Grün so ganz jung und frisch, das Wetter schön, wenn auch etwas kühl noch. Die Ankunft und das hier leben ist für Charlotte wie für alle entsetzlich schwer. Der liebe Kaiser war hier das Leben, die Seele des Ganzen. Er selbst lebte hier auf nach der Stadtluft, sein schaffender Geist fand hier terrain genug, um neue Anlagen zu machen, neue Bauten. Die Kaskaden vor dem Schloß sind von weißem Marmor und die Figuren vergoldet. Gestern, wo alle Wasser sprangen und die Sonne schien, war es wirklich ein prachtvoller Anblick, und er hätte seine Freude daran. Dies alles macht Thränen vergießen, wenn man denkt, daß er es nicht mehr sieht. Vieles wird noch 137 Zentrales Palastgebäude im Großen Kremlpalast, 1838–1849 im Auftrag von Kaiser Nikolaus I. von Russland erbaut. 138 Oranienbaum (bis 1948), heute Lomonossow. 139 Niemand konnte die mächtige brit. Flotte daran hindern, in die Ostsee ein- und bis Kronstadt weiterzufahren. 140 Erfolglose Friedensverhandlungen in Wien zwischen den alliierten Mächten Großbritannien, Frankreich und dem Osmanischen Reich sowie Russland unter österr. Führung. 141 Russ. panikhida = orthod. Gedenkgottesdienste für Verstorbene.
1855
237
gearbeitet, was er befohlen hat. So ist noch der Aufenthalt entsetzlich traurig. Charlotte ist auch wie in sich hinein gegangen, so klein und so matt, fährt aber wie sonst manchmal aus. Des Abends machen wir größere Fahrten, bis jetzt nur für uns. Späther wird es wohl mit dem Hof sein, wie es zuletzt schon in Zarskoe Selo anfing. Und doch scheint alles noch zu früh. Die Jugend bringt aber Leben in alles hinein. Mische geht auf 5 Wochen nach Warschau und Umgegend, um die Artillerie zu besichtigen.142 Nisi geht Dienstag nach Finland, um genies Angelegenheiten [zu besichtigen]143 und kömmt auch zum Geburtstag zurück. Ach, der 7te–13te July werden schreckliche Tage werden. Auf Luise ihre Ankunft freut sich Charlotte, und wenn nichts dazwischen kommt, so werden wir 3 Schwestern wirklich hier vereint sein, ohne den lieben Kaiser, der es so sehr gewünscht. Ach, daß er fehlt, ist zu furchtbar. Gott muß wohl wißen, zu wessen Heil er es so gewollt. Da muß man sein Haupt neigen und schweigen. Ogaroff144 bringt Dir diese Zeilen, er ist Luise und Fritz Oranien entgegen geschickt. Nun, leb wohl. Ach, Du hast mir noch nicht geantwortet, ob Fritz meine Bitte erfüllt wegen dem Orden für Fersen.145 Bitte antworte mir darauf. Ich muß mich wegen meinem Geschenk danach richten. Deine alte Adine Camijn ostrof,146 den 18ten Juny 1855 Meine liebe Elis, wie wirst Du Dich wundern, einen Brief von hier zu bekommen. Ich bin vor einer Stunde auf einen Tag zur Tante147 gekommen, die mich schon oft eingeladen. Und da das Wetter so schön war, bin ich heut hergedampft, natürlich im Regen. Die Luft war aber warm und das Meer ruhig, so daß die Fahrt ganz angenem war. Ich bin bei Jelagin148 gelandet und fuhr nun durch den Inseln hier her, es war ganz scharmant. Um 4 Uhr werden wir mit der Tante herumfahren, um 6 Uhr Eßen, was den Abend gemacht werden wird, ist mir unbekannt. Nun will ich zu Katy und George, die mit uns gefrühstückt haben. Den 19ten. Gestern habe ich mich noch viel herumgetrieben, wir sind nach 4 Uhr umher gefahren, nach der Forstakademie,149 was höher wie die Inseln lieget, ein schöner 142 Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), russ. Generalfeldzeugmeister und Kommandeur der Artillerie der Garde-Infanterie. 143 Frz. von corps de génie = Ingenieurkorps. Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831– 1891), russ. Generalmajor, war zum Generalinspektor für Ingenieurwesen ernannt worden. 144 Verm. Nikolai Alexandrowitsch Ogarjow (1811–1867), russ. Generalmajor und Generaladjutant. 145 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof, hatte um die Verleihung des preuß. Roten Adlerordens gebeten. 146 Kamenny Ostrow (russ. = Steininsel) in der Newa in St. Petersburg, auch „die Inseln“ genannt, entwickelte sich seit Kaiser Alexander I. von Russland Anfang des 19. Jahrhunderts zum Vorort von St. Petersburg mit zahlreichen Villen der Petersburger Elite. 147 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 148 Insel Jelagin in der Mündung der Newa mit dem Jelagin-Palast als Zarenresidenz. 149 Die 1803 in Zarskoje Selo gegründete Forstakademie war die älteste ihrer Art und wurde 1834 in vier neu erbaute Gebäude in einen der ältesten Parks St. Petersburgs verlegt.
238
Briefe 1851–1873
Park oder Walt, der mit Blumen, Wegen und Pflanzen aller Art durchwoben ist. Von einer Seite ist die Forstakademie und von der andern Seite eine Menge Landhäuser, hübsche und hesliche, überhaubt sind die Inseln unerhört bewohnt. Am Nachmittag bis späth in der Nacht soll ein Leben sein, dann fährt und gehet alles spaziren, alle beaumonde150 aus der Stadt kommt auch heraus, es ist an mehrern Stellen Musik, kurtz, man amüsirt sich prächtig. Vorgestern bekam ich einen recht alten Brief von Dir vom 3ten Juny, ich begreiffe nicht, wo der sich herum getrieben hat, und eben brachte man mir wieder einen vom 12ten, habe tausend Dank für beide. Das ist immer eine ganz besondere Freude, wenn ein Brief von Dir ankommt. Du hast von Olga grade denselben Eindruck wie ich, sie ist eine Friedensreiche, sie fehlt sehr hier. Über Deine Bemerkung über Mary darf ich jetzt nichts mehr antworten, doch sprich bitte niemand von Deinen Ahnungen.151 Marie Dussi hat 8 Tage das Fieber gehabt und sieht sehr ehlend aus. Sontag Abend sind sie erst nach Peterhof eingezogen, und leider regnete es gestern viel, und heute ist es windig und kühl. Ich hoffe nur, daß das Meer nicht unruhig ist. George und Katy gehen mit mir nach Peterhof, um ihren Besuch zu machen. George will morgen nach Kronstadt. Die Flotte ist seit 4 Tagen fort gegangen, wenn sie wiederkommen, bringen sie wohl Verstärkung mit. Schwester Louise, hofften wir, würde sich heute schon auf den Weg machen, denn sie kommt nun erst den 26ten an, und dann ist es nur 14 Tage, daß ich noch mit ihr bin. Denn am 15 July Nachts denke ich abzureisen, und werde Euch wohl dann in Sanssouci treffen, wo ich aber nur einige Stunden bleiben werde, da ich sehr nach Dobbran eile, um dort wenigsten 8 Tage sein zu können. Nun Adio, der Brief ist kurtz und dumm. Charlotte war gestern nicht wohl, eine leichte Erkältung im Kopf, sonst ging es ihr gut. Der Tod der Plessen Ivenack152 thut uns recht leid. Deine alte Adine Peterhof, den 30ten Juny 1855 Meine liebe Elis, ich fange heute meinen Brief schon an, damit er am Montag gewiß abgehen kann. Wir erwarten heute Luise schon um 2–3 Uhr Nachmittags, daß ist denn eine Freude, und doch ist diese so mit Trauer umgeben, und mit Thränen gemischt, daß ist zu schmertzlich. Wenn aber die ersten Tage [vor]über sein werden, so bleibt es doch immer eine Freude, daß wir 3 Schwestern hier vereint sind und somit ein Lieblingswunsch des geliebten Kaisers erfüllt, freilich ohne ihn. Aber von dort oben blickt er liebend und mit Zufriedenheit auf uns nieder, denn ich bin gewiß, auch von dort umgiebt er seine Theuerste, wie sonst auf Erden, und bereitet ihr durch sein Gebet und Fürsprache noch manchen Trost und manche Freude. 150 Frz. beau monde = die schöne Welt, im Sinne von vornehmer Gesellschaft. 151 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) führte nach dem Tod ihres Mannes seit 1853 eine morganatische Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 152 Cecilie Freifrau von Maltzahn, geb. von Rauch (1795–1855), gest. am 10. Juni.
1855
239
Den 2ten July. Unmöglich war es gestern, nur ein Wort hinzu zu fügen, ich bin früh aufgestanden, um Dir etwas in Ruhe zu schreiben, par télégraphe, der, wie mir scheint, etwas schneller jetzt geht, 7 Stunden aber doch braucht, und Du also am Sonnabend Abend die Nachricht von Luisens Ankunft noch gehabt, wie Deine Antwort gestern Mittag sagte. Es scheint aber, als wenn Fritz wieder Fieber gehabt. Ist denn die Reise nach Erdmannsdorf noch nicht bestimt, da Du nichts davon erwähnst? Es würde ihm gewiß gut thun, Luftveränderung ist so nothwendig. Nun von hier zu sprechen, wir waren alle in Snamensky153 versammelt, wo Luise wohnt, um sie zu empfangen. Charlotte und ich waren schon gegen 1 Uhr hingefahren und saßen da ganz établiert mit Arbeit und ließen uns vorlesen. Gegen 2 Uhr kam die ganze famille an, und gleich darauf Louise. Das Wiedersehen zwischen den beiden Schwestern war sehr, sehr traurig, doch faßte sich Charlotte gleich, weil sie Andern nicht zur Last fallen will. Erst blieben wir noch etwas zusammen sitzen, dann fuhren wir beide nach dem Cottege, wo Luise um 4 Uhr folgte zum Eßen und wo wir mit Nisi und Mariechen154 allein aßen. Nachtisch blieben wir bis 6 Uhr, dann fuhr Luise wieder zu sich, nachdem ihr jeder Fleck, jeder Baum Thränen entlockt, da sie gerade hier immer mit dem Kaiser war, und er ihnen dann alles Neue zeigte und sich freute, da sie seit 20 Jahr alles entstehen haben sehen. Am Abend fuhren wir noch etwas spazieren, da das Wetter schön und mild geworden war, Thee tranken wir in Asenky,155 aber alles nur unter uns. Sache und Marie kamen auch hin. Das Wiedersehen von allen den Orten, die der Kaiser so hegte und pflegte, thuet so wehe, er hatte Freude an alles, an jedem Baum, an den Blumen, an den Springbrunnen, wie die Wege hübsch gezogen waren, kurtz, er war ein Mensch, wie es wenige waren. Sache hat keine Freude an dergleichen, vielleicht kömmt es ihm noch. Charlotte hat das Wiedersehen nicht geschadet, ihre Gesichtsschmertzen haben ganz aufgehört, und sie kann wieder besser gehen, hällt sich besser. Aber Luise sagt auch, ihre ganze Erscheinung hat etwas rührendes, das Gepräge von Schmertz in dem kleinen, blaßen, mageren Gesicht, und die Ergebung in ihrem Unglück. Sie kann manchmal gut aussehen sogar, so wie es warmes Wetter ist, daß sie viel im Freien sitzen kann, dann erholt sie sich, erkältet sich aber auch leicht. Wir hatten vergangene Woche nach einem furchtbaren Gewitter kalte Tage, daß Feuer gemacht werden mußte im großen Zimmer, wo der Nordost Wind so recht darauf stand. Die Oldenburgs156 sind nun nach einer Abwesenheit von einem Jahr wieder zurück. Therese sieht wie eine leidende Frau aus, aber nicht ängstlich, indessen ihr Zustand ist sehr bedenklich, und sie selbst weiß es, es gehen immer kleine Geschwüre in der Lunge auf, die wieder zuheilen, so lange dies die Natur thut, lebt sie. Ihre Kinder sind alle heslich. 153 Schloss Snamenka, ehem. Herrenhaus Znamenskaya, auf dem Weg von St. Petersburg nach Peterhof, 1835 von Kaiser Nikolaus I. von Russland für seine Frau Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, als Sommersitz erworben. 154 Verm. Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910), Tochter von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 155 Ort nicht zu identifizieren. 156 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser, verh. 1837 mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871).
240
Briefe 1851–1873
Sacha,157 die älteste Tochter, ist sehr blond, weiß und roth, mit blaßen, blauen Augen und sehr großer Nase. Sie scheint aber ein gutes Kind. Die kleine Therese158 sieht aus wie die Großmutter und ist sehr hübsch, ein Meklenburgisches Gesicht oder Darmstädtisches. Die Jungens159 sind schäuslich. Vom Kriegsschauplatz sind noch immer gute Nachrichten, es fällt nichts Besonderes vor. Hier liegen die feindliche Schiffe ganz ruhig und mächtig da, man erwartet in diesen Tagen ihre Verstärkung. Ob sie etwas unternehmen oder wieder nur unschuldige Städte unter der Parlamenten Flagge beschießen, daß weiß man nicht.160 Ich werde vielleicht nichts dergleichen mehr hier erleben. Meine Absicht ist noch, am 15ten Abend abzureisen. Ich mag gar nicht daran denken, es wird ein schweres Scheiden sein. Nun leb wohl. Werde ich Dich und Fritz am 21ten July in Berlin und Sanssouci treffen, wo ich den Tag denke mich aufzuhallten? Deine treue Adine Ach, bitte danke Fritz für den übersendeten Orden für Fersen,161 es wird ihn sehr glücklich machen. Peterhof, den 6ten July 1855 Es ist mir nur wenig Zeit gegönnt, Dir zu schreiben, meine liebe Elis, und Dir zu danken für Deinen lieben Brief vom 28–29ten Juny, wo Du ausführlich sagst, wie Fritz wieder 3 Tage Fieber bekommen, was Du uns par télégraph schon hattest sagen laßen. Es ist zu fatal, und ich hoffte, daß nun bald Anstallt getroffen wird, eine Reise zu machen, und ein Ort bestimt, wohin ihr geht. Denn daß wird das einzige Mittel sein, um das Fieber loß zu werden. Mir ist es übrigens sehr leid, daß ich Dich am 22ten bei meiner Durchreise in Sanssouci nicht mehr treffe. Ich kann viel erzählen, in aller Art. Heute um 1 Uhr fahren wir mit Dampfschiff nach Jelagin,162 um dort den sonst so frohen und schönen Tag zu feiern, der nun ein zu trauriger, schmertzlicher geworden ist.163 Gott gebe an Charlotte Kraft, auch diesen Tag ohne großen Nachtheil überleben zu können. Aber der Herr scheint sie ja ausersehen zu haben, daß sie auch vieles, vieles Schwere durchmachen soll. Er prüft sie fast zu sehr, und wenn sie dies alles überlebt, kann sie noch recht alt werden, denn sie erholt sich doch jetzt, wenn auch Tage der Schwäche und Hinfälligkeit kom157 Prinzessin Alexandra von Oldenburg (1838–1900), verh. 1856 mit Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891). 158 Prinzessin Therese von Oldenburg (1852–1883). 159 Die Prinzen Nikolaus (1840–1880), Alexander (1844–1932), Georg (1848–1871) und Konstantin (1850–1906) von Oldenburg. 160 Gemeint ist mglw. das Bombardement der russ. Festung Bomarsund auf Åland im Aug. 1854 unter „Parlamentärsflagge“, also weißer Flagge. 161 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof, erhielt den preuß. Roten Adlerorden. 162 Insel Jelagin in der Mündung der Newa mit dem Jelagin-Palast als Zarenresidenz. 163 Geburtstag des verstorbenen Kaisers Nikolaus I. von Russland (1796–1855) am 6. Juli.
1855
241
men. Wir haben zwar keinen bestendigen Sommer, aber doch viel warme Tage, die ihr so gut thun. Auch braucht sie Bäder von Salzwasser und von Molken abwechselnd. Luise jetzt hier zu haben, ist doch ein sehr großes Glück. Sie kennt grade das Sommerleben hier und kann so viel liebe Erinnerungen mit ihr theilen. Dann liest sie viel vor, kurtz, ihr Umgang ist eine Wohlthat, und in der Hinsicht bin ich ruhig und kann reisen. Aber der Gedanke, wenn der Herbst und Winter kommt, wo Charlotte dann so ganz allein ist und mit dem vielen Kummer im Herzen, der ängstigt mich sehr. Ich werde, da ihr nicht in Sanssouci seid, die Nacht von Montag auf Dienstag den 17ten abreisen und am 22ten morgens in Berlin sein, mich bis 11 Uhr aufhallten, um Fräulein Kameke zu sehen, die sehr schwach sein soll und nun glaubt, sie wird nicht mehr lange leben. Dann kehre ich nach Meklenburg [zurück], wo ich glaube, ruhig bleiben zu können, da meine Tochter Louise, vielleicht, wenn Hugo Urlaub erhallten kann, im Oktober zu uns kömmt. Jetzt marschiert das Regiment in der Umgegend von Wien und Himberg an der Eisenbahn nach Bruck.164 Dieser 3malige Umzug mit Kind und Kegel in 5 Monaten ist ein bischen viel. Östreich scheint ja jetzt, als wenn es auf dem Weg umkehren will und einen besseren einschlagen. Recht trauen thue ich [dem] nicht. Nun adios, Gott mit dir und Fritz, Deine alte Adine Robscha,165 den 13ten July 1855 Der sonst so schön und heiter gefeierte Geburtstag von Charlotte haben wir still und traurig hier in Rubscha zugebracht. Es waren nur die Kinder hier, ohne Enkel und Umgebung. Wir waren 12 Personen mit Wilhelm,166 der gestern Morgen uns hier schon empfing. Dies Wiedersehen und die Ankunft hier war zu traurig, denn hier war Charlotte nie ohne den Kaiser gewesen und nur beim Manöver, wo alles heiter und vergnügt war, Gesang und Musik, auch wohl Tanz die Lust erhöhte. Jetzt floßen Thränen der Trauer und Wehmuth. Charlotte konnte sich erst garnicht faßen, aber wie immer wurde sie bald Herr ihres Schmertzes und konnte heiter sein, ließ sich viel erzählen. Wilhelm war sehr weich und ist es noch und wurde von allen mit Herzlichkeit empfangen und begrüßt. Sache freut sich so, ihn hier zu haben. Morgen wird Parade sein. Heute Morgen um 10 Uhr kam Charlotte zu mir, sah blaß aus, war still, traurig. Ich gab ihr ein kleines Geschenk. Dann kam Wilhelm, die beiden Jungs,167 Louise und Fritz,168 jeder gab ihr eins, 164 Das österr. 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“, in dem Prinz Hugo von WindischGraetz als Oberstleutnant diente, war 1854 von Florenz nach Graz, 1855 nach Himberg bei Wien verlegt worden. 165 Ropscha-Palast südwestlich von St. Petersburg, den Kaiser Nikolaus I. von Russland 1826 seiner Frau Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, geschenkt hatte. 166 Wilhelm (I.) Prinz von Preußen (1797–1888). 167 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 168 Prinzessin Luise und Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881).
242
Briefe 1851–1873
ohne zu gratulieren. Darauf gingen wir im Garten, Caffeenten. Es war herrliches Wetter. Dann kamen Sache, Marie und Mary und Costys, und dann gingen wir in die Messe, eine kleine freundliche Kirche. Der Gesang war herrlich und machte von neuem Thränen fließen, da ein Lieblingsgesang vom Kaiser gesungen wurde. Nachdem jeder in sein Zimmer gegangen, versammelte man sich um 1 Uhr zum 2ten Dejeuner im Garten, von wo ich mit Charlotte etwas im Garten herumfuhr. Es ist sehr freundlich und ländlich hier und recht still, was für diese Zeit passet. Das Diner war im Haus, da es mit einem Mal sehr kalt wurde. Danach fuhr alles fort, nur wir blieben bis nach 9 Uhr, um späth nach dem Cottege zu kommen. Nach 10 Uhr langten wir dort an und soupierten noch und gingen zu Bett. So war denn der schwere Tag auch vorüber. Charlotte litt sehr daran, ließ es sich nur selten merken. Den 14ten. Eben ist Parade, Wilhelm zu Ehren. Sache ist unendlich freundlich für ihn und freut sich so, ihn hier zu haben. Es thut ihm ordentlich gut, mit jemand sich auszusprechen. Auf England wird viel geschimpft, wo er doch mit einstimmt. Es sind aber auch zu handgreifliche Dinge, die in der Ostsee vorfallen. Aus Sebastopol sind Nachrichten vom 10ten und 11ten July, wo das Bombardement auf 2 Bastionen wieder angefangen. Am Montag in der Nacht auf Dienstag reise ich nun ab, mit recht schwerem Herzen, denn Gott allein weiß, was die Zukunft bringt, ob ich Charlotte wiedersehen werde. Mein Trost ist, daß sie gern zu dem Herrn eingehen wird, wenn die Scheidestunde schlägt. Sie hat zu viel Kummer auf Erden, und ihr Herz zieht sie dem Kaiser nach, der schon jetzt den Frieden gefunden. Ich gönnte ihr diese Ruhe auch. Wie leid es mir ist, Dich und Fritz nicht zu sehen, kann ich nicht sagen, denn es wird lange dauern, ehe ich zu Euch kommen kann, wegen den Wochen meiner Schwiegertochter.169 Louise und Wilhelm jetzt hier bei Charlotte zurückzulassen, ist mir zu lieb. Es wird ihr leichter über meine Abreise helfen, denn Scheiden bleibt immer schmertzlich, besonders wenn der Kummer und Thränen die Herzensbande noch fester gezogen. Nun leb wohl, Gott gebe, daß Bruder Fritz der Aufenthallt in Erdmannsdorf gut thut. Wenn es nur nicht zu feucht ist. Deine treue Adine Große Freude hat an Charlotte Dein Brief gemacht und die beiden Depeschen vom 12– 13ten. Steinfeld, den 25ten July 1855 Meine theuerste Elis, Dein lieber, lieber Brief vom 20–21ten July wurde mir wirklich in Berlin übergeben bei meiner Ankunft. Das war eine unbeschreibliche Freude, aber es war mir garzu leid, Dich nicht sehen zu können, und Fritz, der damals wieder Fieberanfälle gehabt. Ich hoffe nur, daß es nicht wiedergekommen ist. Ich dachte, der Rathensberg170 169 Bevorstehende Geburt von Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856) am 18. Aug. 170 Mglw. Schloss Ruhberg.
1855
243
müßte gesünder zu bewohnen sein als Erdmannsdorf, wo es abends immer feucht ist. Oben ist eine so reine Luft, und mit allen bequemen Möbeln vom Schloß müßte es himmlisch sein, wenn nur das Wetter auch gut ist. Seit Königsberg regnet es fast immer. Heute ist es noch ohne Regen, aber sehr warm. Meine Reise war schrecklich nach der sehr schweren Trennung, und doch schied ich ruhig, da Louise und Wilhelm bei ihr bleiben, und die meine Abwesenheit unbemerkbar machen. Die Chaussee war furchtbar schlecht, da aller Handel diese eine Straße geht, und brachen die Wagen immer fort, an mein Wagen nicht, nur alle Schrauben gingen verlohren. In allen Nachtquartieren kamen wir zu späth, konnten nur 2–3 Stunden ruhen. So kamen wir in Königsberg an, da waren Wolkenbrüche, und Ströhme von Regen fielen, sodaß alles wieder voll Wasser war, die Fahrt von Marienburg nach Dirschau Schritt vor Schritt gemacht werden mußte, die Brücken und Wege mit dem Wasser gleich. Es war eine hesliche Fahrt. Von da an war die Eisenbahn unsicher, da sie durchgeweicht und von der Seite ausgerißen, doch kamen wir ohne Unglücksfälle in Stettin an, aber 3 Stunden zu späth zum Zug. Ein Extrazug führte uns um ½ 8 Uhr in Berlin ein. Dort zog ich mich um, ging um 9 Uhr zu Fräulein von Kameke, die ich so krank und leidend fand, so verändert, so schlimme Züge im Gesicht, daß ich mir sagen mußte, daß ich sie nicht wiedersehen würde, daher mein Abschied von ihr mich ganz überwältigte, und ich in Thränen aufgelöset war, da ich es nicht so erwartet hatte. Ich möchte fast den Himmel bitten, daß er sie nicht lange so leiden läßt. Es war aber doch sehr schmertzlich. Dafür war hier die Ankunft himmlisch. Fritz fand ich schon in Grabow, in Ludwigslust alle Bekannte, und hier auf dem Bahnhof Auguste, sehr stark, aber wohl und mobiel. Das war eine solche Wonne, als wir uns umarmt hielten. Auch hier waren alle bekannte Damen und Herrn versammelt, die sehr herzlich mich begrüßten mit Musik. Da es Sonntag war, waren viele Menschen hingeströhmt, warfen Blumen im Wagen. Es schien eine allgemeine Freude, mich wiederzusehen. Ich fuhr gleich mit meinen Kindern nach Steinfeld, wo die Kinder jubelnd mit Blumenkränzen mich empfingen. Hier bleibe ich nun bis Freitag, dann gehe ich nach Dobbran bis zum 10ten August, dann nach dem heißen, sandigen Ludwigslust zur Wochenpflege. Gott wolle seinen Seegen zu der Zeit geben. Der Tod von meinem Sekretär Zöllner171 hat mich sehr erschüttert, besonders die Art. Er hat sich todt geschoßen auf einer Reise in Würtzburg. Leider sind meine Finanzen, die er in großer Unordnung zurückgelaßen, daran schuld. Es ist furchtbar. Nun leb wohl, verzeih diese flüchtigen Zeilen, aber ich will den Brief heute fort schicken. Von Dobbran schreibe ich wieder. An Fritz tausend Liebes, sein Besuch wäre zu schön gewesen. Deine treue Adine
171 Carl Zöllner (1792–1855), mklbg.-schw. Hofrat, Intendant des Hoftheaters in Schwerin und langjähriger Sekretär der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, hatte am 18. Juni auf einer Reise nach Würzburg Selbstmord begangen.
244
Briefe 1851–1873
Ludwigslust den 16ten August 1855 Liebe Elis, tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 12ten. Ich war so glücklich, von Dir selbst zu hören, daß es Dir und Fritz gut gehet im schönen Gebirg. Die Luft muß stärken, und ihr macht so viele und große Partien, daß man daraus schon erkennen kann, daß ihr alle wohl seid. Was wird aber die nasse und feuchte Luft in Sanssouci hervorbringen? Fritz wird vielleicht garnicht dort bleiben dürfen. Das wäre doch recht traurig, das liebe Sanssouci! Oder Fritz dürfte wenigstens nicht nach dem Neuen Palais und Siam gehen, sondern immer nach der andern, sandigen Seite. Auch eine schöne Gegend! Nun geht es bald nach Preußen. Da ist das Wasser auch wieder so hoch gestiegen. Es ist Elend überall. Hier im Lande thut der viele Regen sehr viel Schaden, die Kartoffels Krankheit zeigt sich sehr, für die armen Leute recht hart. Der Besuch von Bruder Wilhelm muß Euch sehr lieb gewesen sein, um endlich einmal recht ausführlich von allem aus Rußland zu hören. Wenn auch vielleicht er nicht alles so aufgefaßt hat, wie vielleicht es wirklich ist. Nicht wahr, das traurige Verhältnis ist doch zu schrecklich?172 Die arme Charlotte leidet unendlich daran. Es ist ihr ein Kummer, den sie garnicht überwinden kann, denn es greifft so im täglichen Leben. Die Heirath für Nisi173 scheint sich in Wohlgefallen aufzulösen. Er kann sich nicht entschließen, und das ist mir lieb, denn er oder sie wären unglücklich geworden. Welch ein Stoß wird das wider der Gesundheit der Mutter174 geben, die sich aufrichtete an diesem Gedanken. Sie gehen gewiß nach der Schweitz zurück. Mary ist an dem allem Schuld, sie hat machen wollen. Luise schreibt mir vom 9ten und sagt auch, daß Charlotte wohl wäre, ihr Lebensglück ist aber gebrochen. Nun, das weiß und fühlt jeder mit ihr. Das bombardement von Sweaborg wußten sie natürlich auch noch nicht.175 Es mag schrecklich da aussehen, aber auf keinen Fall so, wie es aus Paris geschrieben wird. Auguste legt sich zu Füßen, noch geht es ihr gut, aber lange wird es doch nicht mehr dauern. Sie dankt für Deine gnädiges Andenken und freut sich, daß Dir Stonsdorf gefallen hat. Die Mama176 schrieb sehr glücklich über den Besuch. Leb wohl, der Brief muß fort. Deine Adine Umarme Fritz.
172 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) führte nach dem Tod ihres Mannes seit 1853 eine morganatische Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 173 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) verlobte sich 1855 mit Prinzessin Alexandra von Oldenburg (1838–1900). 174 Prinzessin Therese von Oldenburg, geb. Prinzessin von Nassau (1815–1871). 175 Beschuss der russ. Festung Suomenlinna (schwed. Sveaborg) vor Helsinki durch die brit.-frz. Flotte. 176 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896).
1855
245 Ludwigslust, den 25ten August 1855
Meine liebe Elis, leider konnte ich Dir nicht früher meinen Dank sagen für Deinen lieben Brief, der mich so freute, und nachdem, was ich in der Zeitung lesen [konnte], daß Fritz oft nach Berlin zu Manöver und Parade, so muß er sich ganz wohl fühlen, und die feuchte Luft [hat] keinen nachtheiligen Einfluß gehabt. Ich hoffe nur, daß es ferne so gut gehen wird. Hier in unserer Wohn- und Kinderstube geht alles über Erwarten gut. Auguste war von Anfang an garnicht angegriffen, und daher erholt sie sich unendlich rasch. Sie sieht so gut aus und ist so munter und so kräftig, daß ich mich oft frage, ob es wirklich Auguste ist. Ich hoffe, der Herr wird sie auch ferner beschützen bis zur Taufe nach 6 Wochen. Auguste hatte nur sehr gewünscht, daß es eine kleine Elisabeth geworden wäre.177 Sie hatte so wenig an einen Sohn gedacht, daß sie noch immer keine Nahmen finden können. Der Kleine sieht sehr komisch aus, mit etwas großer Nase und großen blauen Augen. Wie ich sehe, ist Fritz Oranien noch in Berlin bei euch. Er wird Dir mit mehr Muße aus Petersburg erzählen können. Nicht wahr, die traurige Geschichte mit Mary ist, um nicht darüber fort zu kommen.178 Es bleibt ein nagender Kummer für Charlotte und für die ganze Famillie, die nicht die Hände mit im Spiel gehabt. Die unglückliche affaire bei Sebastopol hat den Rußen fürchterlich viel Menschen gekostet und noch leider nichts geholfen. Ihre Lage ist schrecklich, denn die Allierten haben nun Vortheil über sie durch ihre Stellung. Meine Luise, nach der Du Dich so gütig erkundigst, ist seit 4 Wochen in Mödlingen bei Wien mit dem Regiment. Es ist ganz nahe von Laxenburg und Weilburg. Denke Dir, sie hatte sich bei der Kaiserin179 gemeldet, und da wurde sie zum Diner befohlen, und die Kaiserin empfing sie sehr freundlich und führte sie selbst zu Tisch, in dem sie ihr den Arm gab. Ist das nicht unendlich gnädig? Und der Kaiser180 selbst [soll] sehr freundlich gewesen sein. Die Gegend ist reitzend. Sie haben ein sehr hübsches Quartier und sind sehr zufrieden. Sie hofft, zu Weihnachten her zu kommen und bis März zu bleiben. Das wird eine sehr hübsche Zeit werden. Nun leb wohl, wie mag es Möllendorf181 gehen? Er hat wohl einen Schlaganfall gehabt. Deine Adine Ludwigslust, den 4ten September 1855 Tausend Dank für Deinen lieben Brief, den ich heute Morgen erhielt. Ich eile, Dir schon gleich dafür zu danken, weil ich ein Blatt einlege für Mariann, wie ich es mit Auguste in der Wochenpflege hallte, und es ihr immer so gut bekommen. Vielleicht richtet sie sich 177 Geburt von Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856) am 18. Aug. 178 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) führte nach dem Tod ihres Mannes seit 1853 eine morganatische Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 179 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898). 180 Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) von Österreich. 181 Johann Carl von Möllendorff (1791–1860), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der GardeInfanterie in Berlin.
246
Briefe 1851–1873
danach, denn der Augenblick der schweren Stunde muß nahe sein.182 Gott wolle sie in seinen gnädigen Schutz nehmen. Ich weiß nicht warum, ich fürchte, sie wird schwer niederkommen. Die Zimmer, wo sie ihre Wochen hallten wird, werden traurige, liebe Erinnerungen enthallten. Arme Lollo! Das ist auch ein Verlust, den man nicht überwinden kann. Sie ruht in Gott und hat Frieden und hat ausgelitten. Sie darf man nicht bedauern, aber wir Armen, die wir unsere Lieben hergeben müßen und weiter leben. Charlotte hat die Nacht zum 30ten in Petersburg zugebracht, und [ist] dann in der Festung gewesen, von da [sie] nach Peterhof zurückkehren wollen. Sache und Marie mit Kinder und Umgebung sind nach Sarskoe Selo gegangen, weil es schon zu kalt in der Ferme ist. Wie lange Charlotte noch dort bleibt, ist ungewiß. Man spricht von einer Reise von Sache nach Warschau. Weiß Du etwas gewißes darüber? Der arme Alexis183 soll zu sehr schwer krank am Nervenfieber liegen. Erst in diesen Tagen wird es sich entscheiden, welche Wendung es nehmen wird. Wie mag es Luise184 dabei sein? Du weißt, daß ich die Gräfin Adele Bassewitz185 sehr liebe und befreundet bin. Die liegt in Dobbran auch schwer krank am Nervösen Gastrischen Fieber. Man hat wenig Hoffnung, ich weiß nicht, was ich ihr wünschen soll, denn sie war gar zu schwach im Kopf, und daß kann nach solcher Krankheit nur noch schlimmer werden. Nun leb wohl, Gott mit Euch, viel Liebes an Fritz. Gott sei Dank, daß es ihm gut geht. Wie mag sich mein Wilhelm nehmen, kein Commandierer des Garde Curassier Regiments?186 Adine Ludwigslust, den 10ten September 1855 Gleich heute danke ich Dir, liebe Elis, für Deinen lieben Brief und für die Mittheilung Eurer Reisepläne, von denen ich keine Idee hatte. Ich hoffe nur, das Wetter wird auch recht schön sein, damit ihr Stolzenfels recht genießen könnt. Es ist gewiß recht gut, wenn ihr Euch vereint in den Rheinprovinzen sehen laßt. Wie gefällt Dir der lange Besuch von Bunsen187 bei Auguste, grade jetzt, und die Zeitung spricht auch von einem Besuch von Fritz Wilhelm in London.188 Ich hoffe, es ist nicht wahr, denn jetzt, wo England so gedemütigt ist, daß die Königin in Paris war, ist es eine Schande, dort hinzugehen.189 Du wirst 182 Bevorstehende Geburt von Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888) am 14. Sept. 183 Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). 184 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901). 185 Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz (1801–1855), gest. am 23. Sept. 186 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war seit dem 31. Okt. 1854 dem preuß. Garde-Kürassier-Regiment in Berlin als Major aggregiert und wartete immer noch auf ein selbständiges Kommando. 187 Christian Karl Josias Bunsen (1791–1860) war als preuß. Gesandter in Großbritannien abberufen worden, nachdem er ohne Absprache ein preuß.-brit. Bündnis gegen Russland vorbereitet hatte. 188 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen war in London auf Brautschau und verlobte sich 1856 mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901). 189 Gegenbesuch von Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901) bei Kaiser Napo-
1855
247
wohl schon wißen, daß Sache mit Marie, Costys und den beiden jungen Großfürsten190 nach Moskau am 13ten geht, dort ein sortie191 aus dem Kremel nach der Katedrale haben wird, was man sehr gewünscht. Sonst wird nichts sein und am andern Tag machen sie eine Andachtsfahrt nach dem Kloster Troitza.192 Charlotte und Luise folgen am 15ten nach Moskau und werden in der Villa Orlowa wohnen, dort 2 Tage still zu bringen und dann auch nach Troitza gehen. Wenn das Wetter schön ist, wird Charlotte länger in Moskau bleiben, weil man einen Übergang wünscht zum Herbst, und da ist Moskau nach meiner Ansicht sehr passend und wird von allen sehr gebilligt. Alles andere wäre in der jetzigen schweren Zeit für Rußland nicht angebracht. Was werden die nächsten Tage wieder von Sebastopol bringen? Etwas Entscheidendes werden die Allierten gewiß noch unternehmen. Ein halber Braunschweiger und Mecklenburger, ein Herr von Bülow, ist auch geblieben.193 Es ist kein Verlust weiter, aber es thut doch wehe, da wir ihn viel gekannt haben. Der Tod vom guten Ingenheim194 thut mir recht leid. Ich hätte ihn gerne noch einmal wiedergesehen, nachdem er mir die Unannehmlichkeit in Venedig gemacht. In Wisbaden ist er gestorben. Hat er oder sie dort das Bad gebraucht? Die arme Gräfin Bassewitz195 ist jetzt sehr krank in Dobbran am Gastrischen Nervösen Fieber, und man wünscht ihr eigentlich nicht, daß sie durchkommt, weil sie dann wohl ganz kindisch wird, da sie im Sommer einen Schlaganfall gehabt, der ihr die Kopfnerven angegriffen. Fritz war vorigen Freitag in Dobbran, um die Kronprinzeßin von Sachsen196 zu besuchen, hat bei ihr Thee getrunken und fand sie sehr hübsch und heiter. Auch Anna197 fand er recht hübsch. Er ist sehr glücklich, daß er ihnen sein Cottage überlaßen konnte. Ich freue mich, daß Alexis198 wieder in Besserung ist, wenn er sich nur hernach recht schont, denn die Kranken bleiben lange unendlich schwach, körperlich und geistig, und wenn sie
leon III. und seiner Frau Kaiserin Eugénie, geb. de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920) in Frankreich vom 17. bis 28. Aug. 190 Die Großfürsten Nikolaus (1831–1891) und Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 191 Frz. = zeremonieller Ausgang. 192 Kloster der Dreifaltigkeit und des Heiligen Sergius (Troize-Sergijew-Kloster), russ.-orthod. Männerkloster in Sergijew Possad, nordöstlich von Moskau. 193 Friedrich von Bülow-Wendhausen (1814–1855), braunschw. Kammerjunker, seit 1855 in russ. Militärdienst, am 11. Juni in Sewastopol gefallen als Ordonanzoffizier des russ. Generals Dmitri Jerofejewitsch Graf von der Osten-Sacken (1793–1881). 194 Gustav Adolf Wilhelm Graf von Ingenheim (1789–1855), illegitimer Sohn von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, verh. mit Eugenie de Thierry (1808–1881), Kunstsammler und Mäzen mit Salons in Rom und Berlin, gest. am 4. Sept. in Wiesbaden. 195 Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz (1801–1855), gest. am 23. Sept. 196 Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907), verh. 1853 mit Kronprinz Albert (I.) von Sachsen (1828–1902). 197 Prinzessin Anna Maria von Sachsen (1836–1859) heiratete 1856 Erbgroßherzog Ferdinand (IV.) von Toskana, Erzherzog von Österreich (1835–1908). 198 Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905).
248
Briefe 1851–1873
sich da nicht unendlich pflegen, so kann es schlimme Folgen haben. Nun, wir haben es ja an der armen Luise199 gesehen! Dein Besuch bei Massows in Steinhöfel200 wird dort große Freude machen. Kennst Du es schon? Für Marianchen werde ich 20 Binden senden, die Auguste gut findet.201 Bei ihr habe ich aber wenig Ehre eingelegt mit ihrer Figur, weil sie die Binden nicht fest um machen konnte. Sie bekam Schmertzen. Sie müßen sehr fest gezogen werden, sonst hilft es nicht. Gott gebe Marianchen eine gute Stunde, der Herr wird ihr zur Seite stehen! Auguste küßt Deine Hände, es geht ihr wieder gut, sie hatte sich erkältet, wie und wo, wißen wir nicht, und hatte einen starken Husten und Schnupfen bekommen mit Fieber, was sie zurückgebracht hat. Nun erholt sie sich wieder. Leb wohl, grüße Fritz, Gott wird ja geben, daß ihm die vielen Fatigen nichts schadet. Deine alte Adine Der Prinz von Baden202 in Pest ist ja so krank. Ludwigslust, den 17ten September 1855 Meine liebe Elis, ich muß einmal mein Herz wieder ausschütten über die Reise von Fritz Wilhelm nach England,203 wenn sie wirklich wahr ist, ich zweifle noch daran. Aber wie ist es möglich, daß er hingehet in diesem Augenblick, wo die Königin so gemein gewesen ist und sich zu demüthigen vor Napoleon und ihn besucht hat und am Grabe von Napoleon allerhand sperentien gemacht.204 Außerdem, wo wir doch mit Rußland so verwand sind, daß man doch nicht gerade seine Feinde besucht. Und soll er sich die Prinzeßin besehen, die erst 13 Jahre alt ist, also doch sich noch nicht entscheiden oder doch vor 2 Jahre nicht heirathen kann.205 Nein, es ist eine Unschicklichkeit, Tacktlosigkeit, und von ihm thut es mir leid, daß er sich schicken ließ. Übrigens begreiffe ich auch nicht, wie Fritz es ihm hat
199 Prinzessin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901), war 1846 selbst lebensgefährlich und über einen längeren Zeitraum erkrankt. 200 Familie von Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Intendant der Königlichen Gärten, nach dem Tod seines Bruders Valentin von Massow (1793–1854) Erbe des Gutes Steinhöfel. 201 Unterstützung zur bevorstehenden Geburt von Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888) am 14. Sept. 202 Verm. Prinz Karl von Baden (1832–1906), österr. Rittmeister im 7. Kürassier-Regiment. 203 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen war in London auf Brautschau. 204 Gegenbesuch von Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901) bei Kaiser Napoleon III. und seiner Frau Kaiserin Eugénie, geb. de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), in Frankreich vom 17. bis 28. Aug. Neben der Weltausstellung wurden das Grab von Kaiser Napoleon I. und ein Ball in Versailles besucht. 205 Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Die Verlobung mit Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen wurde erst im Mai 1856, nach dem Ende des Krimkrieges, offiziell bekanntgegeben.
1855
249
Abb. 6: Königin Elisabeth und Großherzogin Alexandrine war die Bedeutung der Belagerung der Festung Sewastopol für den Ausgang des Krimkriegs deutlich bewusst. Dass die erste Materialschlacht der Geschichte unter großen Verlusten für Russland verloren ging, verdunkelte die politische Zukunft der auf Interventionen des Zarenreichs setzenden monarchischen Reaktion.
erlauben können. Schon die Politik erlaubte es nicht, aber wahrscheinlich wird Auguste es schon so abgemacht haben, daß es schwer war, dann abzuschlagen. Wie mag es nun mit der armen Marianne gehen? Ich denke mir, die Tochter wird nicht sehr gut empfangen sein.206 Wie war und ist Fritz Carl dabei? Mein Bruder Carl ist zu Gevatter hier gebeten. Noch haben wir aber keine Antwort. Sache hat es angenommen und par télégraph sehr freundlich gedankt.207 Jetzt ist nun die ganze kaiserliche Famillie in Moskau, wenn Sebastopol keine Änderung gemacht. Ach Gott, über dieses Unglück kann man doch garnicht fort.208 Ich leide entsetzlich daran, und ein paar Tage war ich ganz krank davon. Deine Reise wird nun bald angetreten werden. Ich weiß garnicht, wohin ich Dir schreiben soll. Wann kömmst Du in Stolzenfels an? Nun, leb wohl, Gott geleite Euch beide. Deine treue Adine
206 Geburt von Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888) am 14. Sept. 207 Prinz Carl von Preußen und Kaiser Alexander II. von Russland als Taufpaten für Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), geb. am 18. Aug. 208 Am 8. Sept. hatten die russ. Truppen nach fast einjähriger Belagerung kapituliert und die Festung Sewastopol geräumt.
250
Briefe 1851–1873
Mittwoch Abend kömmt die Kronprinzeßin von Sachsen209 und geht Donnerstag Mittag weiter. Ludwigslust, den 18ten September 1855 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen lieben Brief. Ich eile, gleich zu antworten, da gestern ein Brief an Dich abging, und bitte um Verzeihung für meine etwas starken Herzensergießungen über Fritz Wilhelms Reise___________!210 Du antwortetest mir grade alle die Fragen, die ich gestern an Dir that, und somit bin ich vollständig instruiert wegen Deiner Reise, die mir äußerst fatigant scheint, da alle Tage an einem anderen Ort zugebracht wird. Das arme Stolzenfels wird kurtz zugemessen, nur 6 Tage, aber die Nachbarschaft211 wird auch nicht machen, daß man gerne länger bliebe. Wann kömmt der Sohn zurück? Es macht überall den schlechtesten Eindruck. Ich freue mich, daß Fritz Carl doch ein Gefühl für sein kleines Töchterchen212 hat. Es wäre sonst zu schrecklich gewesen. Wie kann ich mir Deine Gefühle denken bei dem Wohnzimmer, arme liebe Lollo. Nun leb wohl, Gott geleite Dich und Fritz auf Eurer Reise. Der Besuch in Weimar bei der armen Tante213 freut mich so für sie, aber für Deine Lunge bedaure ich es. Deine treue Adine Ludwigslust, den 7ten Oktober 1855 Meine liebe Elis, diese Zeilen sollen Dich in Sanssouci empfangen und Dir sagen, wie dankbar ich bin für Deinen lieben Brief aus Brühl. Gott sei Dank, daß Dein Unwohlsein und der Husten schnell vorüber gingen. Die fatiegen müßen auch groß gewesen sein, denn als ich Deine Reiseroute las, sagte ich gleich an Auguste, wenn das nur die Königin aushällt. Ich will mich freuen, wenn ich Dich und Fritz gesund in Sanssouci weiß. Laß mir bitte par télégraph Nachricht geben. Wegen meinem Kommen sind Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten. Erstlich wird die Taufe,214 wie mir Carl sagte, am 12ten sein, und wir haben am 14ten Oktober die Einweihung der Schloßkirche in 209 Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907). 210 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen war in London auf Brautschau und verlobte sich mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901), was aber erst im Mai 1856 offiziell wurde. 211 In Koblenz residierten Prinz Wilhelm (I.) und Prinzessin Augusta von Preußen, die mit ihrer „liberalen“ politischen Orientierung die preuß. Königsfamilie reizten. 212 Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888), Tochter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, geb. am 14. Sept. 213 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland (1786–1859). 214 Taufe von Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888), Tochter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, geb. am 14. Sept.
1855
251
Schwerin.215 Also könnte ich immer nur zum 15ten kommen. Nun bleibt aber meine Schwägerin Marie von Altenburg bis zum 19ten bei uns. Dann möchte ich meinen Aufenthalt bei Euch so einrichten, daß ich mit Schwester Luise zusammentreffe, wenn sie von Petersburg zurückkehrt. Und das wird wohl die letzten Tage dieses Monats sein. Und dann wollte ich gerne zu Deinem Geburtstag bleiben, und 2mal die Reise zu machen, das erlauben meine Mittel mir jetzt nicht. Ich muß vernünftig sein und nicht alles thun, was mir durch den Kopf geht. Es wird mir aber sehr schwer, denn ich habe eine wahre Sehnsucht, Dich und Fritz wiederzusehen. Es liegt so vieles dazwischen, seit wir uns nicht gesehen, sehr viel Trauriges und Schweres. Vielleicht könnte ich die letzten Tage [des] Oktobers kommen. Die Verlobung von Luise und dem Regent freut mich sehr und war lange zu erwarten.216 Heute erhielt ich einen Brief von ihr selbst mit der Anzeige. Aus Petersburg habe ich vom 4ten einen télégraphen, wo es Charlotte wieder gut geht. Die armen Meyendorfs sollen tief gebeugt sein, aber still ergeben in Gottes Willen.217 Es ist sehr traurig. Sache ist ja jetzt auf der Krim mit allen seinen Brüdern. Ich hoffe, die jüngsten bleiben bei der Armee, freilich wird es Charlotte sehr schaden, denn die Angst kann sie kaum tragen. Meine Luise hat viel Sorge mit ihrer kleinen, zweiten Tochter Olga,218 die Varioliden gehabt, darauf wassersüchtig wurde und nun Masern bekommen, was ihr aber das Leben gerettet. Natürlich ist die Kleine entsetzlich schwach, und ihr Herkommen im Dezember sehr fraglich geworden. Es wäre auch zu viel Glück, alle 7 Enkel zu Weihnachten um mich versammelt zu haben. Nun leb wohl, mein Sohn Fritz wird am 15ten nach Sanssouci kommen. Deine alte, treue Adine Ludwigslust, den 19ten Oktober 1855 Meine liebe Elis, ich muß Dir recht von Herzen danken, daß Du mich an diesen beiden Tagen so oft hast bei Dir behallten. Es war mir ein so großer Genuß, einmal wieder nach 7 Monaten mich mit Dir aussprechen zu können, eine Wohlthat, die ich so recht zu schätzen weiß. Nun möchte ich aber auch gerne wißen, wie es Dir und Fritz geht nach
215 Einweihung der umgebauten und erweiterten Schlosskirche (die zweite prot. Kirche weltweit) am 14. Okt. im Zuge des Umbaus des Schweriner Schlosses, neogotische Ausführung ab 1851 durch den Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner (1802–1861), die innere Ausgestaltung nach August Stüler (1800–1865). 216 Verlobung von Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen, mit Prinz Friedrich (I.) von Baden (1826–1907), Regent des Großherzogtums Baden für seinen Bruder Großherzog Ludwig II. von Baden (1824–1858). 217 Alexander Baron von Meyendorff (1831–1855), ältester Sohn des russ. Diplomaten Peter Baron von Meyendorff (1796–1863). Er diente als russ. Stabskapitän beim Generalstab und starb am 27. Aug. bei der Belagerung von Sewastopol. 218 Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934).
252
Briefe 1851–1873
Abb. 7: Während Stilzitate der Renaissance das Schweriner Schloss prägen, ist die Schlosskirche 1855 bereits zwei Jahre vor Fertigstellung des Umbaus um einen neugotischen Chor erweitert worden: ein deutliches Zeichen des Großherzogs Friedrich Franz II. für die glaubensfeste Erneuerung des Gottesgnadentums in Mecklenburg.
1855
253
den vielen Fatiegen und hin und her fahren. Heute wird die Großfürstin219 auch wohl abgereiset sein und Dir dadurch eine große Erleichterung werden, obgleich sie so prächtig und achtungsvoll ist, aber ihre Taubheit! Ich hoffe nur, daß die Cholerine220 Euch beide nun ganz verlaßen hat, und die Leute auch besser sind, damit ihr ruhig in Sanssouci bleiben könnt. Meine Schwägerin Marie von Altenburg verläßt uns Sonntag, was mir leid ist, denn der Aufenthalt hat ihr gut gethan. Sie hat sich hier erholt, und dann ist sie mir eine liebe Gesellschaft. Fritz und Auguste reisen Montag bis Donnerstag nach Eutien zu den Oldenburgern,221 die sie dringend eingeladen haben, sodaß ich mit meiner Schwiegermama und meinen Enkeln hier allein zurück bleibe. Aus Petersburg ist wohl von den Schwestern keine weitere Nachrichten eingegangen. Nun leb wohl, dies ist nur ein kleiner Zettel des Dankes für Deine Liebe. Deine alte Adine Hier lege ich eine Bitte ein, von einem Schneider aus Berlin für Fritz, den ich diesen Augenblick erhielt. Ich kenne ihn aber nicht. Ludwigslust, den 24ten Oktober 1855 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreute. Heute bist Du nun allein, da Fritz nach Letzlingen auf 2 Tage ist.222 Mein Sohn Fritz ist seit Montag in Eutin mit Auguste bei den Oltenburger Herrschaften 223 und ganz außer sich, daß er Letzlingen versäumt, was er sofort erfahren hat. Ich hatte ihm zwar vorgeschlagen, am Donnerstag Nacht noch nachzugehen und Freitag die Jagdt mitzumachen. Er wird es aber nicht thun. Dein Vetter Wasa 224 war noch in Eutin, wie meine Kinder ankamen, aber den andern Tag reiset er schon zu Dir und wird Dich nun beglücken. Ich finde ihn auch wohl noch, denn meine Idee ist, am 1ten November zu kommen, wenn ihr mich haben wollt. Ich wollte über Berlin gehen, um Fräulein Kameke zu sehen, und komme dann zum Thee nach Sanssouci. Indessen schreibe ich wohl noch bis dahin. Von Luise weißt Du wohl nichts. Ich habe lange keine Nachrichten, denn wenn Elise Rauch krank ist, dann fehlen sie mir oft. Für Benkendorf 225 219 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 220 Cholerine = Magen-Darm-Erkrankung, Brechdurchfall. 221 Zu Besuch im Eutiner Schloss, Sommerresidenz von Großherzog Peter II. (1827–1900) und Großherzogin Elisabeth von Oldenburg, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1826–1896). 222 Auf Jagdschloss Letzlingen fanden im Spätherbst die „Letzlinger Hofjagden“ der preuß. Könige statt. 223 Großherzog Peter II. (1827–1900) und Großherzogin Elisabeth von Oldenburg, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1826–1896). 224 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 225 Konstantin Graf von Benckendorff (1817–1858), russ. Generalmajor und Generaladjutant, russ. Militärbevollmächtigter in Preußen, wechselte 1856 als außerordentlicher Gesandter nach Württemberg.
254
Briefe 1851–1873
freut es mich, daß er bei der Armée bleibt, es war so sehr sein Wunsch, aber schade, wenn er von Berlin ganz fort käme. Ach, die Rußen haben zu viel Unglück, es wird einem ganz miserabel. Was wird nun daraus werden? Ob Sache noch in Nicolajef bleibt? Nun leb wohl. Mein Brief ist Stückwerk, denn die Kinder, die nun oben bei mir [sind], fragen so viel und wollen dies, dann das haben, daß ich ganz confus werde. Deine alte, treue Adine Schwerin, den 8ten December 1855 Meine geliebte Elis, wie undankbar muß ich Dir erschienen sein, noch kein Lebenszeichen von mir gegeben zu haben, und daß ich Dir und Fritz noch garnicht so recht innig gedankt habe für alle Liebe und Freundlichkeit, die Ihr mir beide wieder erwiesen in den schönen 4 Wochen, die ich bei Euch zugebracht. Wir haben viele schöne Momente erlebt, wie der Geburtstag von Fritz und sein militärisches Jubiläum.226 Solche Momente bleiben für die Ewigkeit. Luise ist nun auch fort und im Haag wohl angekommen. Noch hörte ich nichts. Ihr wurde die Abreise auch recht schwer, außer ihr Fritz zieht sie nichts nach Holland. Das finde ich eigentlich doch recht unglücklich, denn ich freue mich immer, daß ich am glücklichsten in mein Meklenburg bin. Jetzt habe ich mich auch ganz eingekrahmt, was etwas Mühe machte, da seit einem Jahr ich eigentlich nicht in Schwerin war, und da hatte sich so viel aufgehäuft. Meine Kinder sind nun endlich auch aus Ludwigslust herübergekommen. Die Enkelchen sind sehr damit zufrieden, daß sie so viel schöne Spielsachen vom Winter vorgefunden. Meine Tochter Luise kommt nun bestimmt zum 18ten. Möge die Kälte bis dahin nicht zunehmen. Jetzt ist gerade so schönes Wetter. Ich gehe täglich recht weit. Es ist nur so glatt. Heute erhielt ich von Münster Nachricht von Charlotte, die ihm aufgetragen hatte, uns Schwestern zu schreiben wegen der Verlobung von Nisi, die allgemein viel Freude macht.227 Er selbst hällt sich für verliebt, wenn es nur vorhält. Von der Verlobung von Elise Rauch228 schreibt er noch nichts, da sie noch krank war am 27ten November und bald versuchen wollte, auszufahren. Diese Verlobung hat mich unendlich überrascht. Niemand ahnte etwas davon. Nach Briefen von Elise hat es sie selbst sehr überrascht und hat es nicht glauben wollen, daß es Fersen ernst wäre. Dann hat sie sich aber doch entschloßen. Nach allem Anschein wird sie glücklich werden. Er hat die leichtsinnige Zeit hinter sich. Er wird sie auf Händen tragen. Sie kömmt in eine sehr angenehme Lage, er ist reich, hat ein süperb eingerichtetes Haus, schöne Güter, kurtz, was man sich wünschen kann. Was aber aus Charlotte werden soll, weiß ich nicht. Sie ist ihr zu un226 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte am 15. Okt. seinen 60. Geburtstag und das 50-jährige Jubiläum der Verleihung seines Offizierspatents gefeiert, siehe Teil 1, Abb. 1. 227 Verlobung von Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) mit Prinzessin Alexandra von Oldenburg (1838–1900). 228 Verlobung von Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), russ. Hofdame, mit Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof.
1855
255
entbehrlich, da sie in Rußland wie in Preußen von allem Bescheid weiß, in allen Geheimnißen eingeweiht und dabei immer discret. Ich finde es für Charlotte schrecklich. Münster schreibt, daß er Charlotte nicht gut gefunden, und daß sie uns sagen ließe, sie wäre sehr schwach und fühlte sich täglich schwächer werden. Dies hat mich recht erschreckt. Wenn es nur gut geht. Der Winter ist immer so gefährlich für sie, und die Anwesenheit von Anna229 ist nicht gemacht, sie zu stärken. Sache und Marie waren in Zarskoe Selo. Man erwartet sie aber bald in der Stadt. George und Caty denken am 14ten in Strelitz anzukommen, so auch Münsters. Das ist nicht mehr fern. Nun leb wohl, diese Zeilen werden Dich und Fritz beim Caffee finden, wo ich so oft mit Euch geseßen. Grüße Keller und Gerlach.230 Der tägliche Morgengruß: Guten Morgen, lieber Onkel.231 Deine treue, alte Adine Meinem Sohn Wilhelm viel Schönes. Denkt Fritz vielleicht an Prinz Reuß VII232 wegen dem avancement? Schwerin, den 13ten December 1855 Wie danke ich Dir, meine liebe Elis, mir heute gleich die besseren Nachrichten von Charlotte geschrieben zu haben. Mein Herz ist mit Dank gegen Gott erfüllt, daß er die geliebte Schwester erhallten. Ihr ist es freilich keine Freude, denn die paar Worte, die Münster sagt, von mannigfaltiger agitation, da ist gewiß Mary233 wieder im Spiel, und das wird ihr noch viel Wehe bereiten. Ob es sich wohl bestättigt, daß Kars [vor]über ist? Das ist seit einem Jahr das erste frohe Ereigniß auf dem Kriegsschauplatz.234 Möge es sich nun zum Glück wenden. Dein Brief, liebe Elis, kam gerade, als ich nach der Kirche fahren wollte zum Abendmahl, und nun konnte ich Gott so aus voller Brust preisen. Seit anderthalb Jahren war ich nicht zum Tisch des Herrn gegangen. Ich sehnte mich so danach, und daher hatten
229 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865), Schwester von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 230 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten, sowie Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 231 Verm. ist König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gemeint in der Anrede durch Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906). 232 Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), Bruder der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, Legationssekretär bei der preuß. Gesandtschaft in Frankreich. 233 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) führte nach dem Tod ihres Mannes seit 1853 eine morganatische Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 234 Nach dem Fall von Sewastopol am 8. Sept. konnte die russ. Armee am 29. Nov. nach mehrmonatiger Belagerung die osman. Festung Kars in Nordanatolien einnehmen.
256
Briefe 1851–1873
wir diese ruhige Zeit gewählt. Es war mir sehr ergreiffend, wieder nach 11 Jahren in der Schloßkirche es zu thuen. Gott möge es mir seegnen. Bruder Fritz ist also wirklich nach Strelitz zu Schlitten. Welche Freude wird der alte Onkel haben. Gott weiß, ob er bei der anscheinend anhaltenden Kälte wird nach Berlin kommen können. Von Fritz ist es aber sehr aimable. Ich hoffe, es wird ihm nichts schaden, den Magen wird er sich aber gewiß verderben. Verzeih diese flüchtigen Zeilen, aber ich kann nicht mehr schreiben. Noch tausend Dank für die beiden Briefe. Elise Rauch schrieb mir gestern vom 1ten December, um die Verlobung anzuzeigen.235 Sie scheint sehr zufrieden und glücklich, war aber auch damals besorgt um Charlotte. Nun, Gott hat es zum Bessern gewendet. Deine Adine Schwerin, den 16ten December 1855 Eben bekam ich meinen Brief von Elise Rauch mit einer Bestellung an Rf. Rauch,236 und da schreibt sie mir folgendes: „Gestern Abend war ich von 7–9 Uhr bei der Kaiserin, welche zwar auf, doch recht schwach und matt. Karell237 ist nicht besorgt, doch mir gefällt das dérangement der Verdauung garnicht. Die Kaiserin hat beständig disposition zum Abweichen,238 muß fortwährend nach jeder genommenen Mahlzeit heraus, klagt dabei über beständige Schwäche und Hinfälligkeit und Beklemmungen und ist noch magerer geworden, was fast unmöglich erscheint. Ich habe die Kaiserin auffallend verändert gefunden, ganz durchsichtig, und Münster nahm einen traurigen Eindruck hinweg. Er nahm von ihrer Majestät Abschied, als sie den ganzen Tag fieberte. Der Kaiser239 hat auf eine consultation bestanden, und der Artzt der Königin Anna240 wird heute dazu gezogen. Ihre Majestät sind mit Karelles Behandlung sehr zufrieden, wünscht selbst Mandt nicht zurück, und ich habe ihm schreiben müßen, vorläufig nicht zu kommen!! Das letztere begreife ich, Charlotte denkt gewiß, wenn sie der Krankheit unterliegt, so kann man ihn nicht anfeinden, und es wäre sonst niemand da, der ihn schützte. Ich verstehe sie darin vollkommen.“ Du wirst auch finden, daß diese Nachrichten über Charlotte doch recht beunruhigend klingen. Ich bin in großer Sorge, will aber nichts wünschen und nichts hoffen. Ich lege alles in Gottes Hand. Er wird es wohl machen. Thränen laufen mir dabei über die Backe. Noch schreibt Elise Rauch, daß Charlotte bis gegen Abend im Bett bleibt und 235 Verlobung von Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), russ. Hofdame, mit Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof. 236 Abkürzung und Person nicht zu ermitteln. 237 Philipp Jakob von Karell (1806–1886), russ. Militärarzt und Leibarzt der kais. Familie. 238 = Durchfall. 239 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 240 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865), Schwester von Kaiser Nikolaus I. von Russland.
1855
257
nachher im Toilettenzimmer. Sie hätte auch großes Verlangen nach dem Winterpalais, könnte aber vor dem 6ten Januar dort nicht hin, weil unter ihren Zimmern gearbeitet wird für das junge Ehepaar,241 was dort Wohnung bekommen soll. Nun adios, wenn Du Nachricht bekömmst, theilst Du sie mir wohl mit. Ist Fritz wohl zurückgekehrt aus Strelitz? Deine treue Adine Schwerin, den 20ten December 1855 Bei 10° Kälte schreibe ich Dir, geliebte Elis, um zu danken für Deinen lieben Brief, der sehr viel Interessantes enthielt. Gott sei Dank scheint es ja, als wenn es mit Charlotte besser ginge. Ich habe mich furchtbar geängstigt. Nun sind weiter keine Nachrichten gekommen, und da muß man hoffen, daß es ein gutes Zeichen ist. Gott schütze sie. Ich möchte auch Münster sprechen, er kann gewiß viel erzählen. Wir werden beide glücklich sein, in Berlin zu sein. Die Kälte ist ihnen aber nachgekommen. Die Armen müßen schrecklich frieren. Man kann nicht soviel geben, wie täglich Bettelbriefe kommen. Seit gestern Mittag ist Luise hier mit Mann und Kindern.242 Das ist eine große Wonne, alle sind unverändert, nur der kleine Hugo ist groß geworden, Olga nicht schmächtiger, als ich sie in Florenz sah, und sehr munter, Adini etwas magerer. Das ist aber ein Leben mit all den Kindern, es ist zu hübsch. Gestern und heute haben wir Diners der Baron Biels243 zu Ehren, deren beide Töchter versprochen sind. Die jüngste heirathet Albrecht Maltzahn, ein Neffe vom Cummerower, Sohn vom Sommersdorfer.244 Alle sehen sehr glücklich aus. Von Schwester Louise habe ich auch einen Brief mit Seuftzer nach Berlin und Petersburg. Die wird nie warm in Holland, wie finde ich das unglücklich, so heimatsloß. Der Tod vom jungen Wilhursky ist furchtbar.245 Es war ein so vortrefflicher Mensch, hatte sich in der Krim so vortrefflich benommen, und als Sohn und Freund war er ausgezeichnet. 241 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) hatte sich mit Prinzessin Alexandra von Oldenburg (1838–1900) verlobt. 242 Prinz Hugo und Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, mit ihren Kindern, den Prinzessinnen Alexandrine (1850–1933) und Olga (1853–1934) sowie Prinz Hugo (1854–1920). 243 Wilhelm Freiherr von Biel (1789–1876), mklbg. Gutsbesitzer und bekannter Pferdezüchter, verh. 1833 mit Mary Blake (1799–1873). 244 Am 11. April 1856 fand eine Doppelhochzeit statt: Mary Luise Ellen von Biel (1835–1926) heiratete Detlev von Bülow (1829–1886), mklbg.-schw. Sekondeleutnant, Sohn von Gottlieb von Bülow (1795–1841), lauenburgischer Erblandmarschall und Gutsbesitzer auf Gudow. Ihre jüngere Schwester Karoline von Biel (1838–1907) heiratete Albrecht Freiherr von Maltzahn (1821–1877), Sohn von Karl Freiherr von Maltzahn (1797–1868), Gutsbesitzer und Pferdezüchter ehemals auf Sommersdorf, später auf Vollrathsruhe, und Neffe von Rudolf Freiherr von Maltzahn (1794–1868), Gutsbesitzer und Pferdezüchter auf Kummerow. 245 Michail Michailowitsch Graf Wielhorski-Matjuschkin (1822–1855), russ. Staatsrat, Mitglied der Rotkreuz-Gesellschaft, gest. am 21. Nov./2. Dez. an einer Gehirnentzündung in Simferopol.
258
Briefe 1851–1873
Die Meyendorfs liebten ihn wie ihren Sohn. Nun leb wohl, die Kinder rauben mir das Denken. Deine treue Adine Luise küßt Deine Hände. Wo wird Weihnachten und Neu Jahr zugebracht? Schwerin, den 31ten December 1855 Meine liebe Elis, am Schluß des Jahres muß ich Dir noch Mal danken für alle Liebe und Freundschaft, die Du mir so vielfältig bewiesen, und die mein ganzes Glück ausmachen. Bleibe auch ferner so für mich, denn ich hänge mit treuer Liebe an Dich! Auch an Fritz sage meinen Dank für die vielen Beweise seiner Liebe. Möge Euch beide Gott in seinen gnädigen Schutz nehmen und Euch lange erhallten. So ein Abschnitt in der Lebenszeit bleibt doch ein zu ernster Tag, den man nicht so leicht überschreitet, und er wird von Jahr zu Jahr ernster und schwerer. Mir wenigstens liegt er schwer auf dem Herzen. Wie viel Liebes haben wir wieder dem Himmel zurück geben müßen, wie viel Thränen sind gefloßen, wieviel bittere Erfahrung mehr haben wir gemacht. Und das Herz ist recht zusammengedrückt von Schmertz, der Blick nach oben und das Gebet allein kann uns Menschen den frohen Muth noch geben weiterzuleben, und das Bauen auf Gottes Gnade, die Ergebung in seinen Willen stärkt und kräftigt uns von Neuem. Und so lege ich in Gottes Hand voll Vertrauen das Neue Jahr. Es wird uns nichts zu Schweres auferlegen, und uns in seiner Hand hallten. Amen. Für Deinen lieben Brief vom 28ten habe ich herzlich zu danken. Möge der Aufenthalt in Potsdam euch nichts schaden. Es ist schön, daß Du von dem Umzug nach Berlin einige Tage in Charlottenburg noch sein kannst. Das Wetter ist ja auch milder, und ich denke, wir behallten es, denn in Petersburg ist es ebenso, wie mir Elise Rauch vom 25ten scheibt, was auch gleich einen günstigen Einfluß auf Charlotte ausübte. Sie findet sie besser, auch stehet sie zum Eßen auf. Der appetit nahm zu, und so könnte Elise mit Ruhe am 11ten Januar heirathen, was sie sonst nicht gethan hätte, obgleich Fersen es sehr gewünscht.246 Die Braut Oldenburg247 soll wirklich in ihrem Glück embellieren. Die Verlobung wird am 8ten Februar/27ten Januar alten Stils sein, nachdem am 7ten/26ten [Januar] die Einsegnung gewesen, und am 15ten/3ten oder 17ten/5ten [Februar] noch im Trauerjahr die Vermählung, weil am 5ten März/20ten Februar Fasten beginnt, und da keine Heirath sein darf. Charlotte giebt sich viel mit dem trousseau248 ab. Mary besorgt die Hauptstücke, und Charlotte arrangiert die Diamanten, die magnifique werden. Das giebt ihr Zerstreuung, sonst scheint wieder Sturm gewesen zu sein. Man will mit Gewalt den
246 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), russ. Hofdame, heiratete am 30. Dez. 1855/11. Jan. 1856 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof. 247 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) hatte sich mit Prinzessin Alexandra von Oldenburg (1838–1900) verlobt. 248 Frz. = Aussteuer.
259
Mann bei sich wohnen haben. Die Mutter will es nicht zugeben. Es ist das selbe Verhältniß da wie hier mit Abat, ein kleiner Finger und man ist verlohren.249 Nun leb wohl, meine geliebte Elis, Louise küßt Deine Hände. Ihr Hiersein ist für mich ein großes Glück, für die Freude und für manche andere kann ich Gott nicht genug danken. Aber es ist alles doch so trübe! Gott mit Dir und Fritz im Neuen Jahr. Den Geschwistern bitte sage auch viel Liebes. Möge Gott uns noch manches Jahr zusammen laßen. Deine treue Adine
249 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) führte nach dem Tod ihres Mannes seit 1853 eine morganatische Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878).
1856 Schwerin, den 15ten Januar 1856 Tausend Dank für Deinen lieben Brief, dem ich schon mit Sehnsucht entgegen sah. Wie leid ist es mir, daß Fritz sein Unwohlsein Hindernis in den Festen giebt. Aber nun scheint es ja ganz vorüber, und vielleicht ist morgen doch der Ball, was ich wie Du wünsche für die fremden Fürsten und übrigen Fremden. Wir haben heute unsern 2ten Ball, obgleich Auguste einen Grippeanfall hatte und noch sehr hustet und verschnupft ist. Sie wird auch nicht tanzen, aber doch erscheinen. Eben komme ich vom Schlittenfahren und höre, daß Östreich äußerst patzig ist, und meint, nach dem Rußland viel zu viel schon aufgegeben hat, es soll alles annehmen, was sie vorgeschrieben, und ganz unterthäniger Diener sein. Ich hoffe, Rußland antwortet recht derb und ziehet Krieg vor, für so einen schimpflichen Frieden, daß wäre gegen seine Ehre.1 Und Preußen, hoffe ich, bleibt so schön fest und frei stehen, wie bis jetzt. In solche Schmach kann es doch nicht willigen. Östreich ist und bleibt scheußlich und bindet sich eine Ruthe, die es einmal düchtig fühlen wird. Wer wird ihnen dann helfen! Von Charlotte habe ich par télégraph Nachricht von ihrem 1ten Januar, wo sie sagt, es ginge ihr leidlich, nur die Schwäche [ist] groß. Noch hörte ich nichts von der Hochzeit von Elise Rauch.2 Alfred3 wird wohl ausführlich berichten. Daß Fritz ihr den Bruder geschickt, macht sie überglücklich. Sie schrieb, sie schliefe die Nächte nicht aus Freude. Wie wohl der Ofen war?4 Ich bin sehr neugierig, wie Luischen5 sich in Berlin machen wird, noch ist sie nirgens erschienen, und ob Auguste gnädig bleiben wird, sie sinket gewiß nach links. Der Fürst Hohenlohe6 ist ja gewählt als President. Ich hoffe, es ist eine gute Wahl. Nun adios, grüße die Geschwister. Meine Luise küßt die Hände. Sie war sehr glücklich die 3 Tage in Strelitz und fand alles himmlisch, man verzieht sie dort sehr. Ja, ein Seuftzer kann ich manchmal nicht unterdrücken, wenn [ich] sie so sehe. Sie war zu einer andern Stellung berechtigt. Aber sie ist wahrhaft glücklich, und das ist die Haubtsache. Fritz und Auguste haben den Tag der Abreise noch nicht bestimmt, gleich nach dem 1 Friedensverhandlungen in Paris zur Beendigung des Krimkrieges zwischen Russland und Großbritannien, Frankreich und dem Osmanischen Reich sowie Österreich und Preußen. 2 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), russ. Hofdame, heiratete am 30. Dez. 1855/11. Jan. 1856 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof. 3 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Rittmeister und ab 1856 Eskadronchef im Regiment Gardes du Corps, zur Hochzeit seiner Schwester Elise von Rauch in St. Petersburg. 4 „Ofen“ diente als Umschreibung für die Hochzeitsnacht. 5 Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen, hatte sich verlobt mit Prinz Friedrich (I.) von Baden (1826–1907), Regent des Großherzogtums Baden für seinen Bruder Großherzog Ludwig II. von Baden (1824–1858). 6 Prinz Adolf zu Hohenlohe-Ingelfingen (1797–1873), preuß. Generalleutnant der Landwehr und Politiker, Präsident des preuß. Herrenhauses, das nach einer Verfassungsänderung im Sinne König Friedrich Wilhelms IV. nicht mehr auf Wählbarkeit beruhte, sondern als ständischer Gegenpol zum Abgeordnetenhaus nur noch erbliche, ernannte oder durch kgl. Präsentationsrecht berufene Mitglieder hatte.
1856
261
Carneval oder vielleicht schon zum letzten Ball mardi grae,7 ich werde es gleich schreiben, wenn es bestimmt. Sie wünschen sehr, die 3 ältesten Kinder mit zu nehmen, Friedrich, Paul und Mariechen, Deine Pathen. Gott mit Dir und Fritz, den ich küß. Er soll fest bleiben. Deine Adine Schwerin, den 25ten Januar 1856 Meine liebe Elis, wie danke ich Dir so innig für Deine Theilnahme an unserer Trauer. Ja, es war ein Schlag aus heiterem Himmel, denn der kleine Nicola8 war gar nicht krank, oder niemand hat es geglaubt als seine alte Wärterin. Die war schon längere Zeit besorgt, indem der Kleine seit 2 Monaten einen furchtbaren Milchausschlag hatte, was man für gesund hiellt. Sie fand aber, daß er mager wurde und matter. Allein, selbst Auguste, die sonst so gut alles versteht, was bei Kindern gut ist, bemerkte es nicht und war gar nicht besorgt. Dienstag Morgen konnte der Kleine nicht schlucken, was Besorgnis erregte, aber nach angewandtem Mittel gab es sich. Es war Ball bei Hof, wo Auguste noch recht heiter tanzte. Die Nacht verging ganz ruhig und gut. Gegen Morgen um 7 Uhr fand die Kosson,9 daß er sich verändert. Er schien so ängstlich, indessen, auch dies gab sich. Um 9 Uhr, da wurde er gleich so krank. Auguste wurde aus dem Bett geholt, ich wurde geholt. Die Mittel, welche angewendet, halfen. Gegen Mittag, da kam ein Brustkrampf und endete schnell daß zahrte Leben. Wir sind tief betrübt. Fritz und Auguste suchen sich im Willen des Herrn zu finden. Sie ringen schwer mit sich, aber ihr Glaube wächst in der Noth. Morgen Abend wird die Leiche eingesegnet und Sonntag früh im Dom bei sein Großvater beigesetzt.10 Wir werden bei allem dabei sein, es ist ein schwerer Gang. Auguste und Fritz sind so dankbar und gerührt, daß Du so liebevoll ihnen gedenkst. Es macht sie glücklich in ihrem Schmertz, die große Theilnahme. Ich bin auch ganz wie vernichtet. Ich glaubte nicht, daß der Tod so eines kleinen Kindes so wehe thun könnte. Gott prüfet unser Haus schwer, aber er hilft auch! Deine treue Adine Schwerin, den 19ten Februar 1856 Tausend herzlichen Dank, meine Elis, für Deinen lieben Brief vom 15ten. Nun denke ich mir aber für gewiß Dich im warmen Charlottenburg etabliert. Und bei dem Ostwind, der seit Sonntag unverändert weht, wird es Dir doppelt lieb sein, Berlin verlaßen zu haben, und auch nicht böse, alle Feste hinter Dir zu haben. Die Bälle dies Jahr müßen nach allen 7 Frz. mardi gras = fetter Dienstag, frz. Bezeichnung für den Faschingsdienstag. 8 Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), geb. am 18. Aug. 1855, gest. am 23. Febr. 9 Caroline Cosson, Kinderfrau der Kinder von Großherzog Friedrich Franz II. von MecklenburgSchwerin. 10 Grab Großherzog Paul Friedrichs von Mecklenburg-Schwerin (1800–1842) im Schweriner Dom.
262
Briefe 1851–1873
Beschreibungen fürchterlich gewesen sein, da alle Lokale zu klein für die Masse der Menschen. Recht abstechend11 ist unser Leben hier, wir gehen noch gar nicht aus. Ich sehe nur, wenn Freunde kommen, ein paar Menschen zum Diner. Im Theater werde ich von Donnerstag an wieder gehen. Morgen sind es 4 Wochen von dem Tod des kleinen Nicola,12 und uns ist es, als wenn es gestern gewesen! Sehr wohl that uns allen das Abendmahl, was wir gestern zusammen genommen haben. Mit Luise waren wir so viele Jahre nicht zusammen gegangen. Es hat mir unendlich wohl gethan, denn dort findet man doch am deutlichsten die Liebe Gottes und darin Trost und Kraft für so viel Schweres. Eben bekam ich einen Brief von Charlotte durch Orloff.13 Wie lange sah ich kein Wort von ihrer Hand. Sie schreibt recht offen durch diese sichere Gelegenheit. Über den Frieden14 sagt sie auch, daß er viele Ihrer Seuftzer kostet, und sie glaubte noch nicht an Frieden. Der 5te Punkt unbekannt kann ein Stein du rupture15 werden, aber bei ihnen wünsche man Frieden, wenigstens die Weisen und Vernünftigen. Die jungen Eheleute16 sind schnell zum Ziel gekommen und sehr zufrieden. Am 4tenTag bekam sie colique, grade als großes baisemaines,17 alles abbestellt. Die arme Charlotte hat doch viel durchzumachen gehabt! Sie hofft, wenn Frieden [ist], heraus zu kommen nach Sanssouci, nach Muskau zu Luise, nach Stuttgart, und ein Bad zu bemühen. Sie leidet an Unterleib, verdaut zu schnell, magert immer mehr ab. Dies finde ich doch recht ängstlich. Daß nimmt ihr die Kräfte und kann zehrend werden! Gott wird ja helfen! Der Besuch von Ernst von Altenburg18 hat ja ein Lauf Einladung zu Folge gehabt an Fritz, ich dachte es mir gleich. Wie freue ich mich, daß Auguste sich dies Mal in Berlin gefallen.19 Es war ja aber auch so brillant, so viele Fürstlichkeiten, und darin bewegt sie sich denn gern. Ehe ich schließe, muß ich Dir doch von Herzen danken, daß Du die arme Fräulein von Kameke besucht hast. Es hat sie zu glücklich gemacht, obgleich sie in den Tagen sehr viel gelitten. Ich freue mich denn doch auch, sie wiederzusehen, wenn ich nach Berlin komme. Du erlaubst wohl, daß ich in Berlin wohne. Heute ist wieder Winter, 4° kalt und Schnee, mit Ost Wind, was mein Zimmer höchst kühl erfüllt. Leb wohl, viel Liebes an Fritz. Deine treue Adine 11 Im Sinne von sich stark abhebend, merklich unterscheidend. 12 Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), geb. am 18. Aug. 1855, gest. am 23. Febr. 13 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. General der Kavallerie und Generaladjutant, seit 1844 Oberkommandeur des Gendarmenkorps und Leiter der geheimen Polizei. 14 Friedensverhandlungen in Paris zwischen dem Osmanischen Reich, Frankreich, Großbritannien und Sardinien, Österreich sowie Russland. Preußen wurde erst am 18. März zu den Verhandlungen dazu gebeten. Der Pariser Frieden beendete am 30. März 1856 den Krimkrieg. 15 Frz. = zum Bruch, im Sinne von Stein des Anstoßes. 16 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) hatte am 6. Febr. Prinzessin Alexandra von Oldenburg (1838–1900) geheiratet. 17 Frz. baisemains = Handkuss, im Sinne einer Handkusszeremonie. 18 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908). 19 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, hielt sich meist in ihrer Residenz in Koblenz auf, wo sie mit ihrem Mann Wilhelm (I.) Prinz von Preußen als Koblenzer „Opposition“ eine Art Gegenhof gegenüber dem Königshof in Berlin unterhielt.
1856
263 Schwerin, den 7ten März 1856
Meine liebe Elis, gestern beim Ankommen hier brachte man mir die Telegraphen, die mir Gott sei Dank beruhigende Nachricht von Dir brachte, und heute auch wieder. Ich danke Gott dafür, daß er Dich für größeren Leiden bewahrt, aber größere Ruhe wirst Du noch lange bedürfen. Ich kann wohl sagen, daß ich Dich mit einiger Sorge verließ, obgleich nach dem Ausspruch der Ärzte nicht daß Schlimmste zu befürchten war. Aber man wird zaghaft, und Gottes Wege sind nicht unsere Wege. Daß hat er uns deutlich daß letzte Jahr gezeigt. Unbedingt muß man an ihm glauben und seinen Glauben fester werden laßen an seine Liebe! Hier ist es mir sehr öde in meinem Haus, wo 3 Monate daß regste Leben herrschte. Die Trennung von Luise wurde mir sehr sehr schwer. Nun ist sie auf dem Wege nach Breslau. Die Kinder sind alle mit ihr und wohl abgereiset. Heute ist für mich der schreckliche Trauer Tag, und war doppelt traurig, da der kleine Nicola nun neben Paul steht. So zwischen die beide Särge zu stehen, war entsetzlich schmertzlich. Ihnen ist aber wohl und als Engel sehen sie liebend auf uns herunter. Leb wohl, Dank für Deine Liebe, laß mir auch noch Nachricht ferner zu kommen. Deine treue Adine Schwerin, den 12ten März 1856 Ich schreibe Dir heute, geliebte Elis, weil ich mir denken kann, wie Fritz erschüttert sein wird von dem Tode von Hinkeldei.20 Und ich kann nicht leuchnen, daß es mir eben so ging, als ich es in der Zeitung las und späther ausführlich erzählen hörte. Wenn ich auch nicht sein Freund war, da ich fand, [dass] er über seine Befugnis heraus ging, so hat er doch viele Verdienste um den Staat. Und seine Stellung mag verführerisch gewesen sein, aber daß Lügen war etwas Schlimmes. Ich muß immer an der guten Mathilde denken! Bei den Briefen von Gerlach und Niebur21 war es auch so eine Sache. Wie schwer wird es aber sein, diese so wichtige Stellung wieder zu besetzen. Möge nur ein sehr rechtlicher Mann dazu gewählt werden! Nun möchte ich auch gerne wissen, wie es Dir geht, ob jede Spur verschwunden ist. Ich danke Dir auch sehr für die telegraphische Nachricht. Von meiner Tochter Luise habe ich vom 9ten einen Brief, wo sie erst den Morgen in Wien angekommen waren, anstatt 20 Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey (1805–1856), Generalpolizeidirektor in Berlin. Als enger Vertrauter Friedrich Wilhelms IV. agierte er gegen Demokraten genauso energisch wie gegen adlige Kritiker des Königs. Hinckeldey wurde durch eine adlige Verschwörung zum Duell provoziert und am 10. März von Hans von Rochow (1824–1891) getötet, ohne dass der König eingegriffen hätte. 21 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, und Marcus Niebuhr (1817–1860), preuß. Kabinettsrat im Ministerium des Kgl. Hauses. 1855 stahl ihnen der ehemalige Polizeibeamte Carl Techen Schriftstücke mit vertraulichen Informationen über den Krimkrieg und verkaufte diese z.T. an die frz. Gesandtschaft.
264
Briefe 1851–1873
den Abend vorher. Ihr Zug hatte aber den Zug in Oldenburg um 5 Minuten verfehlt. Und sie haben von Mittag bis abends 9 Uhr dort liegen bleiben und dann die ganze Nacht durchreisen müssen. Alle sind aber wohl angekommen. Die Kinder sprechen viel von der Großmama und den Cousins. Zu Deiner Schwester22 hoffte sie im Lauf des Tages zu gelangen. Am 10ten wollten sie nach Mädlingen heraus. Aus Petersburg habe ich Nachricht, daß es Charlotte zimlich ginge. Aber alle Mittel, die man anwendet, um ihr kräftigere Speise zu geben, schlügen fehl. Ihr Magen verträgt nichts. Und daß ängstigt, Elise! Die Krönung,23 wenn sie wirklich statt finden kann, soll erst im July sein, was Charlotte ihre Pläne sehr durch kreutzt, weil sie dann erst Mitte August heraus könnte. Aus Paris erfährt man hier nichts, also weiß ich auch nicht, ob man sich Hoffnung machen kann, daß Frieden24 wird. Seit gestern laße ich mich malen von Kaulbach,25 auf großen Wunsch von Auguste. Es ist wirklich eine Liebesgabe, denn ich thue es sehr ungern. Nun Gott mit Euch, ihr Lieben. Deine treue Adine Schwerin, den 2ten Mai 1856, 11 Uhr Vormittag Als mein Brief eben fort war, meine geliebte Elis, kam Dein lieber Brief, für den ich herzlich danke. Verzeihe, daß ich so in der Quere geschrieben, aber ich denke, Nachricht aus Petersburg zu haben, ist so viel werth, daß Du es nicht übel nimmst. Ich dachte mir wohl, daß die Abreise von Charlotte verschoben werden würde. Vielleicht ist es recht gut, und es wird bis dahin wärmer werden. Ich hoffe, bis zur Ankunft von Charlotte wird sich Fritz wohler fühlen und sich mehr beruhigen. Denn wenn er aufgeregt ist, dann ist schlimm mit ihm sein. Du hast es dann auch nicht leicht. Wie schade, daß Fritz nicht volle 8 Tage in Dresden sein konnte. Es hätte seine Nerven gestärkt und ihm gewiß recht wohl gethan, schon mit anderen Menschen zu verkehren. Also schönes Wetter hättet ihr in Dresden, und könntet recht die liebliche Gegend genießen. Nun leb wohl, viel Liebes an Fritz. Die [Nachricht] vom Fritz Strelitz, wie schrecklich ist es doch. Ich kann mir denken, wie die arme Auguste26 dabei leidet. Es ist eine traurige Zukunft.27 Deine alte Adine
22 23 24 25 26
Erzherzogin Sophie von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). Krönung von Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881) am 14./26. Aug. in Moskau. Der Pariser Frieden beendete am 30. März den Krimkrieg. Friedrich Kaulbach (1822–1903), dt. Porträt- und Historienmaler. Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 27 Eine Augenverletzung führte über mehrere Jahre zur Erblindung des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz.
1856
265 Schwerin, den 13ten Mai 1856
Tausend Dank, meine geliebte Elis, für Deinen lieben Brief und für den Télégraphen von gestern, wonach Charlotte denn wohl heute abgereiset sein wird. Der Herr möge mit ihr sein, denn ihre Schwäche muß sehr groß sein. Ich hatte gestern einen Brief von Münster vom 6ten, wo er sagt, er findet, daß, seit dem er zurück sei, Charlotte noch magerer geworden sei und recht hinfällig wäre. Aber der Gedanke der Reise sei etwas Krankhaftes, daher man nicht wieder sprechen dürfte, um nicht zu schaden. Und er hielt sie auch aufrecht, denn sie freute sich sehr zu Sanssouci, wo sie recht still mit der Famille leben will. Gott wolle ihr beistehen auf der Reise. Sie wird wohl nur kleine Tagereisen machen können. Und daher glaube ich nicht, daß sie am 18ten an der Grenze ist. Welche traurige Freude wird es für Charlotte sein, Fritz gleich an der Grenze zu finden. Es ist aber gewiß so recht gut. Dann hat sie sich schon mit ihm ausgesprochen über ihren großen Verlust,28 und daß thut ihr immer gut. Die arme Elise muß doch in einem sehr bedenklichen Zustand sein. Ich fürchte sehr für ihr Leben. An eine Intrige, Elise von Charlotte zu entfernen, zweifelte ich schon lange nicht.29 Die jetzige Umgebung des Kaisers will alles Deutsche entfernen. Nur Russen sollen Einfluß haben. Nicola sagte immer, daß ginge noch nicht. Rußland wäre noch nicht so weit, er könnte die Deutschen nicht entberen. Ich wußte garnicht, daß Du, geliebte Elis, wieder so hustest und Fieber gehabt. Das war gewiß der Ost Wind und der scheusliche Wind mit Kälte. Wir haben ordentlich gefrohren. Seit gestern ist es recht schön und warm. Und alles Laub ist so frisch und foll. Daß wird Dir auch gut thun, wenn Du nach Sanssouci gehest. Laß nur die Zimmer erst düchtig durch heitzen, damit Du Dich dort nicht erkältest und ganz frisch bist, wenn Charlotte kommt […]30 Steinfeld, den 21ten Mai 1856 Viel tausend Mal danke ich Dir, liebe Elis, für Deine herzliche Theilnahme um den Tod meiner lieben Fräulein von Kameke.31 Es ist ein recht großer Schmerz, eine so treue Seele von der Erde scheiden zu sehen, an der ich mit ganzem Herzen hing. Aber ihr ist wohl recht der himmlische Friede zu gönnen, denn sie hat unsäglich gelitten und trug die Schmertzen, die große Geduld und Ergebung. Wenn ich nun wieder nach Berlin komme, wie wird es mir wehe thun, sie nicht mehr besuchen und sehen zu können, sondern sie auf dem Kirchhof zu sehen! Wie ich höre, ist Fritz doch wohl abgereiset, und heute kommt nun Charlotte nach Gumbinnen, morgen nach Königsberg. Welch ein Wiedersehen für beide, denn er wird 28 Am 18. Febr./2. März 1855 war Kaiser Nikolaus I. von Russland an einer Lungenentzündung gestorben. 29 Elisabeth (Elise) Gräfin von Fersen, geb. von Rauch (1820–1909), Hofdame aus Preußen der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 30 Rest des Briefes fehlt. 31 Leopoldine von Kamecke (1782–1856), ehem. Gouvernante der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, war nach längerer Krankheit verstorben.
266
Briefe 1851–1873
sie gewiß furchtbar schwach und verändert finden. Du bist wohl so gut und giebst mir per télégraph Nachricht, wenn Fritz Dir berichtet, und ob sie einen Tag ausruht in Königsberg oder nicht, und wann und um welche Stunde sie in Sanssouci erwartet wird. Auguste ihr Geburtstag den 26ten macht, daß ich wenigstens unnütz früher fort von hier will. Jetzt will ich zu mein Sohn Fritz herunter gehen, der sich an der Bank beschädigt hat, mit einer Pistole, die ihm aus der Hand und im Gesicht geflogen. Sie hat ihm ein Riß unter dem Auge verursacht. Es ist nichts Gefährliches, aber er muß sich still und ruhig hallten. Leb wohl auf baldiges Wiedersehen. Hier in den frischen Buchenwäldern ist es himmlisch. In Sanssouci wird es recht kühl sein. Bitte gieb mir nur immer Nachricht, wenn welche von Charlotte kommt. Deine treue Adine Da kam eben von Keller32 Nachricht. Also ist Charlotte wohl, Gott sei Dank. Marienbad, den 7ten July 1856 Meine geliebte Elis. Neues kann ich Dir nicht schreiben, was Dir der geliebte Fritz nicht mittheilt.33 Aber vor allem möchte ich Dir herzlich danken für Deinen Brief aus dem Neuen Palais, der mir so viel Freude machte und mich sehr interessierte. Von Fritz kann ich Dir nur sagen, daß er ein sehr folgsamer Kur Gast ist, nichts ißt, was er nicht darf, darin sehr gewißenhaft ist. Leider kann ich ihn noch nicht beim Brunnen Trinken noch auf der Promenade begleiten, weil mich daß Fieber, was mich vor 8 Tagen plötzlich überfiel, mich so mitgenommen hat, daß ich noch nicht ordentlich gehen kann. Die Beine sind ganz kraftlos, und ich schleppe mich mit Mühe, trinke aber wieder meinen Brunnen mit Erfolg. Und es geht doch auch täglich besser. Aber ich kann an garnichts theilnehmen. Die Luitpold34 sah ich erst 3mal nur en visiete. Ich habe mich recht erschrocken, wie ich sie verändert gefunden. Und mir scheint ihr Zustand bedenklich. Denn nach den Krankheiten, die sich immer wiederholt hatten, hat sie seit 5 Monat garnicht ihr Günten35 gehabt. Aber es fehlt ihr nichts. Sie kann Berge steigen ohne fatige, ist nur unbeschreiblich mager und hat ein ganz Siechisches Gesicht bekommen. Auguste von Strelitz sah ich 2 Mal. Sie war herzlich und freundlich wie immer. Fritz Strelitz ist zufrieden mit der Kur. Nur die Sonne, welche auf dem Boden hier mehr wo wie anders blendet, thut ihm wehe. Auch ist ihm hier am fremden Ort mehr klahr geworden, wie wenig er sieht. Er kann im Zimmer die Gegenstände nicht recht unterscheiden. 32 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten. 33 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war auch zur Kur in Marienbad. 34 Die chronisch lungenkranke Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821– 1912). 35 Lesebefund, mglw. Umschreibung der Menstruation.
1856
267
Wie geht es Dir nur mit den heißen Bädern? Fritz erzählte mir etwas aus Deinen Briefen, daher frage ich grade zu. Fühlst Du, daß die Bäder Dir gut thun für Dein schmertzendes Bein? Nun leb wohl, grüß Deine Umgebung, mit treuer Liebe, Deine alte Adine Du wirst auch mit Wehmuth des sonst so frohen Tages gedenken. Charlotte war nicht recht wohl, Schnupfen und Husten, mußte einige Bäder aussetzen. Heute haben wir ihr zusammen telegraphiert, Nachmittags kann Antwort hier sein. Marienbad, 6 ¼ Uhr früh, den 18ten July 1856 Mein Scheide Gruß von hier soll Dir gesendet werden, wenn ich fort bin. Fritz zu verlaßen, thut mir zu leid. Wenn ich ihn auch nicht grade amüsiert, so füllte ich eine Lücke aus. Und Gott sei Dank, unberufen verlaße ich ihn wohl. Der Brunnen bekömet ihn. Oft veranlaßt er ihn, die Promenade schnell zu verlaßen. So noch gestern, wo wir Nachmittags Caffee im Padhorn bei Strelitzens36 [ge]trunken und wir zu Haus fuhren, war er in einer großen Angst, bis wir unser Haus erreichten. Ich denke, die Strelitzer und die Luitpold37 werden ihn etwas zerstreuen und amüsieren. Mit Fritz Strelitz will es noch immer nicht gut gehen. Er sieht blaß aus und ist verstimmt. Er hat oft Schmertzen, und die Sehkraft nimmt nicht zu. Gott wolle geben, daß es noch kommt. Ich hoffe, Dir, geliebte Elis, geht es gut. Bei dem schönen Wetter erholt sich alles und bekommt Lebensmuth. Leider kann man hier so wenig Fahrparthien machen. Leb wohl, ich will mit Fritz auf der Promenade noch Abschied nehmen von den Bekannten. Dann fahre ich um 7 ½ Uhr ab. Deine treue Adine Dobbran, den 18ten August 1856 Endlich muß ich Dir doch schreiben, geliebte Elis, und Dir danken für Deine warme Theilnahme bei dem Schmertz um meinen Wilhelm.38 Ich habe vorgestern einen Brief von ihm aus Mitau vom 12ten, wo er den Brief von Fritz abwartet, um dann über Riga nach Koppenhagen zu gehen, wo er in eben dem Ort seinen Aufenthalt nehmen wird. Was die Veranlaßung zu dem Telegraph aus Petersburg gegeben hat, weiß ich nicht. Ich denke 36 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm und Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge, zur Kur in Marienbad. 37 Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912). 38 Im Sommer 1856 war Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin zum wiederholten Mal bankrott. Diesmal führten die auf Offiziersehrenwort gemachten Schulden durch seine Entlassung aus der preuß. Armee zu einem Skandal, den die fluchtartige „Reise“ des Herzogs ins Ausland noch verschlimmerte.
268
Briefe 1851–1873
mir, man mag gefragt haben, warum er in Mitau sei, und da hat er vielleicht gesagt, daß er nach Moskau die Einladung erwarte. Er scheint jetzt etwas ruhiger und ergebener. Hier im schönen Dobbran haben wir noch nicht viel Ruhe gehabt. Agnes, Ernst39 und Marie von Altenburg fand ich vor, und sie baden schon alle im Meer, wie es scheint mit Zufriedenheit. Die Gesellschaft, die ich hier vorfand, ist ganz charmant. Vorzüglich hat der Herzog und die Herzogin von Ratibor40 alle Herzen gewonnen, durch ihre Freundlichkeit und daß sie bei allem dabei waren. Leider reisen sie Mittwoch ab. Ein großer Ball, von den Herrn hier gegeben zur Ankunft von Fritz und Auguste, macht wohl den Schluß der sehr brillanten Zeit, die vorüber ist. Heute sind meine Kinder schon ganz früh nach Schwerin gefahren, weil es heute ein Jahr ist, daß der arme, liebe, kleine Nicola41 gebohren wurde. Auguste kann diesen Schmertz noch garnicht überwinden. Wir alle gehen am Nachmittag noch, weil morgen große Parade sein soll und dann das Schloß besehen werden wird.42 Am Abend kehren wir zurück nach Dobbran. Das Wetter ist im Ganzen schön und die See prächtig zum Bade. Nachmittags regnet es aber öfter. Wie freue ich mich, daß Charlotte doch am Freitag glücklich angekommen ist und nur 24 Stunden, grad lange genug, um seekrank zu sein, unruhiges Meer gehabt. Jetzt wird sie sich haben ausruhen können. Aber die Gemüthsbewegung um Mary43 wird ihr nicht wohl thun. Und überhaupt, wie ist doch alles so ganz anders geworden! Wie geht es Dir und Fritz im schönen Sanssouci? Ich hoffe, ihr seit auch dort recht in Ruhe, und Fritz schimpft nicht mehr so. Deinem Bruder44 empfehle ich mich. Nun leb wohl, Gott mit Dir. Deine treue Adine Dobbran, den 6ten September 1856 Meine liebe Elis, ich schreibe Dir heute mit ein ganz zerbrochenes Herz. Denn gestern nahm ich in Hamburg einen sehr, sehr traurigen Abschied von meinem Wilhelm.45 Es 39 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908) und dessen Frau Herzogin Agnes von SachsenAltenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 40 Herzog Viktor I. von Ratibor (1818–1893), Fürst von Corvey, preuß. Standesherr und Politiker, und seine Frau Herzogin Amelie von Ratibor, geb. Prinzessin zu Fürstenberg (1821–1899). 41 Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), geb. am 18. Aug. 42 Das nach dem 1843 begonnenen Umbau fertiggestellte Schweriner Residenzschloss. Die Einweihungsfeierlichkeiten fanden vom 26. bis zum 28. Mai 1857 statt. 43 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom, während die Kinder aus der ersten Ehe in Russland zurückblieben. 44 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 45 Im Sommer 1856 war Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin zum wiederholten Mal bankrott. Diesmal führten die auf Offiziersehrenwort gemachten Schulden durch seine Entlassung aus der preuß. Armee zu einem Skandal, den die fluchtartige „Reise“ des Herzogs ins Ausland noch verschlimmerte. Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin bemühte sich unterdessen um eine Einigung mit den Gläubigern seines Bruders.
1856
269
war schrecklich, denn auch er war ganz vernichtet und so schrecklich weich. Er sieht ein, daß er allein sich dies alles zugezogen. Aber es hat ihn auch stark getroffen, und er fürchtet so sehr, daß es seinen Wiedereintritt in die Preußischen Armee unmöglich macht, weil er gehört, daß über ihn noch unvortheilhafte Gerüchte gingen. Und nun ist sein großer Wunsch, um dies niederzuschlagen, daß König Fritz ihm die Gnade erweise, ihm die Uniform wieder zu bewilligen. Ich weiß nun nicht, wie mein Bruder jetzt darüber denkt. Sonst würde mein Sohn Fritz die Bitte unterstützen. Aber eine Fehlbitte möchten wir auch nicht thun. Du bist wohl so gut und frägst danach, ob wir schreiben dürfen oder nicht. Heut Abend tritt Wilhelm seine Reise an, zunächst nach Genf und dann Marseille, wo dann erst fest bestimmt wird, wohin sie ihre Schritte wenden wollen, ob Spanien dann so ruhig ist, daß sie dort hin können. Gott wird ja geben, daß ich meinen Wilhelm wiedersehe und dann gebessert. Eben erwarten wir Budberg46 zum Abschied. Darum sind wir hier herein gekommen. Es ist groß Diner. Das Wetter ist feucht, aber milde. Nun leb wohl. Wie es Dir wohl geht in diesem Militairischen Leben? Bald seit ihr wohl in Königsberg. Werder47 und Döhnhoff48 sind vortrefflich für Wilhelm gewesen, er ist ihnen sehr dankbar. Deine treue Adine Dobbran, den 18ten September 1856 Noch immer sind wir hier, wo es wirklich nicht mehr so reitzend ist. Denn es ist stürmisch, Regen und kalt, zwar diesen Augenblick scheint die Sonne, und ich habe meine Promenade wie sonst machen können. Unsere Briefe, geliebte Elise, haben sich gekreutzt, und so eile ich nur, Dir herzlich zu danken, daß Du meiner in Bromberg gedacht. Und wie es scheint, hast Du Dich von Deinem Fieber erholt, denn auch der Zeitung hast Du viel beschaffet. Döhnhof49 ist zur Exzellenz geworden, bitte gratuliere ihm von mir. Die Güter in Preußen sind gewiß wunderschön, besonders Döhnhofstädt. Wie sie, die gute Gräfin,50 wohl glücklich gewesen ist. Nun kommen aber wieder fatigante Tage für Dich bei der Vermählung.51 Das trousseau52 muß nach der Beschreibung der Zeitung superbe sein. Wie sonderbar aber, daß die Geschenke des Bräutigams 46 Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), russ. Gesandter in Preußen und Mecklenburg, wechselte als Gesandter nach Österreich. 47 Franz Karl von Werder (1788–1869), preuß. Generalleutnant und Kommandierender General des I. Armeekorps in Königsberg. 48 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Schlosshauptmann von Königsberg und Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 49 Ders. 50 Angelique Gräfin von Dönhoff (1793–1866), Gutsbesitzerin auf Dönhoffstädt als Erbin ihres Bruders Stanislas Otto Graf von Dönhoff (1795–1816), verh. mit Georg Heinrich August von DohnaLauck (1779–1845). 51 Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen, heiratete Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907) am 20. Sept. im kgl. Schloss in Berlin. 52 Frz. = Aussteuer.
270
Briefe 1851–1873
und der Königin von England53 mit dort ausgestellt waren! Wie nur die hohe Frau bei allem diesem sein wird! Aus Moskau haben wir gestern durch Sell54 Briefe gehabt, der ganz entzückt von der Pracht, von der Ordnung, von dem Volk ist. Dann die Haltung von Sache bei den Seremonien.55 Er wäre oft sehr bewegt gewesen, Kaiserin Marie hingegen so angegriffen, daß man gesehen hätte, wie sie mit Mühe alles durchgeschleppt hätte. Charlotte [soll] so ausserordentlich schön gewesen sein und alles bis zuletzt ausgehalten, obgleich für sie der Tag nicht ohne große emotion gewesen sei. Sell schreibt wirklich sehr hübsch, weil er nicht als blosser neugieriger Zuschauer da war, sondern er mit dem Herzen es mitgemacht, da er sehr attachiert dem Kaiserhaus und der guten Sache ist. Von meinem Wilhelm haben wir noch keine Nachricht seit seiner Abreise, nur ehe er in [den] Wagen stieg von Hamburg noch einige herzliche, sehr traurige Worte. Er wird jetzt in Genf sein. Morgen ist Paulchen sein Geburtstag.56 Den feiern wir noch hier, und am 20ten gehen wir nach Schwerin auf 2 Tage und dann nach Ludwigslust. Fritz und Auguste mit Ernst und Agnes57 gehen zur Jagdt nach Friedrichsmoor auf 4–8 Tage. Man sagt, Weimars Fürst58 wolle uns heimsuchen von Berlin aus. Oh, schauderhafter Gedanke, in Ludwigslust ist um diese Zeit kein Mensch. Welch einen lumpigen Eindruck werden diese hohen Personen von uns mitnehmen. Nun leb wohl, an Fritz viel Liebes, an Wilhelm und Auguste wie [das] Brautpaar viele herzliche Grüße. Deine treue alte Adine Schwerin, den 24ten September 1856 Da Du so bald wieder abreisen willst, eile ich, gleich Dir zu danken für Deinen lieben Brief, mit so interessanten detaills der Vermählung.59 Graf Eberhart Stolberg,60 der Sonntag hier war, um mit auf der Jagdt zu gehen, hatte uns schon viel erzählen müßen. Luise schreibt mir, daß Du ihr einen Brief von Fritz Wilhelm abgeschrieben mitgetheilt [hast] aus Moskau. Du, geliebte Elise, hast mich wohl ganz vergessen. Sell hat nun auch berichtet, aber ich finde, man kann nicht genug davon hören und lesen. Charlotte muß nun seit gestern unterwegens sein. Wie schade, daß Fritz und Du sie nicht sehen werdet. 53 Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901). 54 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), mklbg.-schw. Oberhofmeister bei Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. 55 Feierlichkeiten zur Krönung Kaiser Alexanders II. von Russland am 14./26. Aug. 1856 in Moskau. 56 Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin, geb. am 19. Sept. 1852. 57 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908) und dessen Frau Herzogin Agnes von SachsenAltenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 58 Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901). 59 Heirat von Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen, mit Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907) am 20. Sept. im kgl. Schloss in Berlin. 60 Eberhard Graf zu Stolberg-Wernigerode (1810–1872), preuß. Staatsbeamter und Politiker.
1856
271
Welchen Tag kann sie denn in Breslau oder Dresden sein? Ich werde auch nicht hin können, da wir das ganze Haus voll Gäste haben. Seit gestern ist Auguste mit Agnes61 und Marie Stolberg62 in Friedrichsmoor zur Jagt, wo sie bis Sonnabend bleiben. So lange bleibt Marie63 und ich mit unseren Enkelchen hier in Schwerin, auch um meinen Fuß etwas zu schonen, der noch immer nicht besser werden will. Das Wetter ist aber zu abscheulich. Und heute ist nun der Abschied von Luise. Sehr betrübt wird er nicht sein, da sie der Famille ganz fremd. Ist denn wirklich als Fest Oper Donna Diana?64 Ich kann in der Zeitung nichts anderes finden. So etwas ist mir noch nicht vorgekommen: garkein Oper. Sonst wurden neun dazu componiert, dann alte aufgewärmt. So stieg er herab. Man hätte ja, um dem Herzog von Coburg65 zu schmeicheln, eine seiner schäuslichen Opern geben können!!! Dabei fällt mir Henric IV. Reuß66 ein. Der rückt den Thron von Kösteritz immer näher. Er hat den Feldmarschal beerbt in Östreich und wird sehr reich.67 [Heinrich] XI. [und] XII.68 sind hier zur Jagdt. Der [Heinrich] VII.69 ist mit Hatzfeld70 in diplomatischen Angelegenheiten, kommt vielleicht späther. Die Reise der Großfürstin Marie71 muß furchtbar gewesen sein, aber welche Idee, zu Meer zu gehen. Von den Stürmen in den Tagen macht man sich keine Idee. Wir waren ja noch in Dobbran damals. Ich bin so froh, da fort zu sein, es war zu kalt schon. Von meinem Wilhelm haben wir noch keine Zeile. Ich weiß nichts von ihm. Die Liebe, welche er sich erwirbt, ist unbegreiflich. In der Tiefe meines Herzens urtheile ich auch wie Döhnhof.72 Ich fürchte, der Leichtsinn ist tiefer wie alles. Doch man muß hoffen und dem lieben Gott vertrauen. Die Schulden sind alle ganz bezahlt. Die Gläubiger haben aber bedeutend herunter laßen müßen, da sie 61 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 62 Prinzessin Marie von Reuß-Köstritz (1822–1903), verh. 1842 mit Eberhard Graf zu Stolberg-Wernigerode (1810–1872). 63 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin. 64 „Donna Diana“, komisches Lustspiel von Joseph Schreyvogel, alias Karl August West (1768–1832). 65 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) hatte u.a. die 1854 in Gotha uraufgeführte Oper „Santa Chiara“ komponiert. 66 Prinz Heinrich IV. von Reuß-Köstritz (1821–1894), preuß. Premierleutnant a.D. 67 Am 15. Sept. war Fürst Heinrich LXIV. von Reuß-Köstritz, ältere Linie (1787–1856), österr. Feldmarschall und General der Kavallerie, gestorben. Von ihm erbte Prinz Heinrich IV. von Reuß-Köstritz die Herrschaften Ernstbrunn und Hagenberg in Niederösterreich. 68 Verm. gemeint die Prinzen Heinrich XII. (1829–1866) und Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1830–1897), Brüder von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. Da alle männlichen Mitglieder der Familie von Reuß seit mehreren Jahrhunderten Heinrich genannt wurden, konnte man leicht durcheinanderkommen. 69 Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), war seit 1854 Legationsrat bei der preuß. Gesandtschaft in Frankreich. 70 Maximilian Graf von Hatzfeldt-Trachenberg (1813–1859), seit 1849 preuß. Gesandter in Frankreich. 71 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. 72 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Schlosshauptmann von Königsberg und Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen.
272
Briefe 1851–1873
schändlich betrogen. Ich hoffe immer, daß diese unglückliche Begebenheit mit Wilhelm einen günstigeren Einfluß haben wird und man diese schäusliche Wucherer etwas ernst anfaßt und ein wachsames Auge auf sie hat. Denn es ist ordentlich, wie jetzt alles in der Welt eine speculation geworden. Es geben Menschen ihr Geld dazu her, damit die Wucherer spekulieren können. Ich meine, die Polizei müßte dies nicht leiden. Es gehen zu viel junge Leute zu Grunde. Nun leb wohl. Ich bitte Dich, nimm Dich auf Deiner Reise recht in Acht, daß Du nicht wieder krank wirst. Die Feierlichkeiten haben Dich doch wohl angegriffen, obgleich Charlottenburg Dir ein Zufluchtsort war. Gott mit Dir. Deine alte Adine Ludwigslust, den 9ten Oktober 1856 Geliebte Elis, ich wußte Dich nicht auf der Reise zu finden. Daher habe ich meinen Dank für Deine lieben Zeilen verschoben, die Du mir vor Deiner Abreise gesendet. Jetzt bist Du im lieben München. Wenn es auch recht anders geworden, als Du es früher gekannt, so bleibt es doch eine Freude, in der Vaterstadt zu sein. Und München ist gewiß so recht aus Herzes Grund glücklich, Dich dort zu haben, wenn ihr nun einige ruhige Stunden zusammen haben könnt. Wir sind hier in der Erwartung der beiden Weimarschen Herrschaften,73 die uns morgen auf 2–3 Tage beglücken wollen. Am Sonntag werden sie nach Schwerin geführt, um das Schloß74 zu besuchen. Meine Schwägerin Marie und ich bleiben hier, besonders da ich mit meinem umgeknickten Fuß noch garnichts mitmachen kann. Und daß verhindert mich auch leider leider, zum 15ten kommen zu können. Wie gern hätt ich Dich wieder gesehen und dem lieben Fritz meinen herzlichen Glückwunsch selbst ausgesprochen und gedankt für alle Gnade und Liebe, die er meinem Wilhelm noch in dieser traurigen Zeit gezeigt. Dafür wird mein Sohn Fritz mit Auguste die Erlaubnis sich nehmen, zum 15ten Oktober zu kommen, den 14ten abends ankommen und den 17ten wieder fort. Es wird mir unendlich schwer, zu Haus zu bleiben. Ich hoffe aber späther. Es ist alles so im Ungewißen wegen meiner Schwägerin Marie, die eigentlich den Monat November hier bleiben wollte, nun aber früher gehen wird, da Sanny aus Petersburg nach Altenburg kommt auf 3 Wochen und sie diese wenigstens die letzte Woche noch sehen will. Und ich muß zum 29ten November auch wieder hier sein, weil es der Geburtstag von meiner Mama ist und sie 80 Jahre wird. Da möchte ich doch nicht fehlen. Von Charlotte habe ich die besten Nachrichten. Und wie es nach der Zeitung scheint, hast Du sie in Augsburg gesehen. Agnes75 schrieb mir, sie wäre in Altenburg so heiter und munter gewesen, [habe] ordentlich Farben gehabt. Charlotte schrieb mir aus Warschau einen langen Brief. Sie wünschte sehr, mich zu 73 Großherzog Carl Alexander (1818–1901) und Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824–1897). 74 Das nach dem 1843 begonnenen Umbau fertiggestellte Schweriner Residenzschloss. Die Einweihungsfeierlichkeiten fanden vom 26. bis zum 28. Mai 1857 statt. 75 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897).
1856
273
sehen, und ich sie nicht minder, aber mein Fuß hindert mich an alles. Unter andern schrieb sie mir, daß alles in anderen Umständen. Bei ihr war Kaiserin Marie und Mary.76 Dies macht sie nun sehr unglücklich, und sie geht nach der Schweitz. Die Bombe wäre nun geplatzt. Doch Du wirst daß alles viel besser wissen, denn Charlotte hat gewiß davon gesprochen. Von der Krönung77 schreibt sie begeistert, wie sie halb im Himmel und auf der Erde bei ihrem Sohn gewesen und wie alles so liebevoll für sie gewesen wäre. Fritz Oranien ist ihr so ein Trost und Stütze gewesen. Sie hätten sich so verstanden, ohne Worte. Nun leb wohl. Wann werde ich Dich nun wiedersehen? Ich sehne mich nach Deiner Liebe. Deine treue, alte Adine Ludwigslust, den 14ten Oktober 1856 Geliebte Elis, wie schwer es mir wird, nicht zu Euch, ihr Lieben, kommen zu können. Zum lieben 15ten Oktober kann ich nicht seyn. Ich schwankte noch heute früh, ob ich gehen sollte oder nicht. Aber mein Fuß ist noch so ein Hindernis in freien Bewegungen, daß ich Euch und mir zur Last gefallen wäre und mir zu letzt selbst wieder sehr geschadet. Also bleibe ich fest sitzen und sehe meinen Fritz mit schweren Herzen ziehen. Die arme Auguste, welche sich so freute, ihre Aufwartung machen zu können, muß auch zurück bleiben, weil Oldenburgs78 sich zu morgen gemeldet und behaubteten, kein anderen Tag finden zu können. Wir sind wühtend. Im November hoffe ich aber einige Tage finden zu können, um Dich, geliebte Elis, mit meiner Gegenwart belästigen zu können. Gott segne Dich und Fritz, Deine treue alte Adine Ludwigslust, den 19ten Oktober 1856 Tausend herzlichen Dank, geliebte Elis, für Deinen lieben Brief und die lieben Worte, daß ihr mich vermißt. Ich hoffe nun gegen Mitte November, wenn ihr mich haben wollt, nach Sanssouci kommen zu können, indem Sanny den 4ten November in Altenburg ankommen will und meine Schwägerin Marie alsdann bald hin will, ich denke, so den 8ten. Indessen ist noch nichts darüber bestimmt. Am 15ten habe ich ordentlich daran gelitten, 76 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880), war schwanger mit ihrem Sohn Großfürst Sergei Alexandrowitsch von Russland (1857– 1905), geb. am 29. April/11. Mai 1857. Ihre Schwägerin Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) war schwanger mit ihrem Sohn Gregori Grigorjewitsch Graf Stroganow (1857–1859), geb. am 9./21. Mai 1857. Dieser stammte aus ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 77 Krönung von Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881) am 14./26. Aug. in Moskau. 78 Großherzog Peter II. (1827–1900) und Großherzogin Elisabeth von Oldenburg, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1826–1896).
274
Briefe 1851–1873
daß ich nicht selbst meine Glückwünsche an Fritz aussprechen konnte. Außerdem war so vieles, was mich tentierte,79 dort zu sein, unter anderm Fritz Oranien, der gewiß so interessiert erzählte. Nun wird er endlich bei Luise sein, die so lange allein war. Wegen Nizza ist wohl noch nichts bestimmt. Sagte Fritz etwas davon? Von Charlotte weiß ich garnichts, seit dem sie in Stuttgart ist. In der Zeitung steht, als wenn sie gestern abgereiset wäre nach Genua. Münster ist wohl noch nicht zurück. Rudolphi80 ist schon nach Petersburg abgereiset. Wir wollen hoffen, daß er zu der Stelle passet. Eine freundschaftliche Stelle wird es wohl aufhören zu sein, oder vielmehr eine Famillen Stellung wird es wohl nicht mehr sein, wie Rauch und Münster es waren.81 Vielleicht ist es so besser. Wie freue ich mich auch, von Dir zu hören, daß Du Charlotte so wohl und erholt gefunden hattest. Nun gerade auf der Reise und nach Moskau ist dies wieder ein Wunder. Mandt war ja in Berlin. Hat er Charlotte vielleicht in Breslau oder Stuttgart gesehen? Sie wünschte es damals. Jetzt wird auch Graf Kisselow82 durch Berlin kommen, um nach Paris zu gehen. Er ist ein sehr liebenswürdiger Mann und für mich sehr gut gesinnt. Vielleicht kannst einen Gruß von mir anbringen, wenn er sich bei Dir präsentiert. Es ist mir sehr leid, daß ich ihn nicht sehen kann. Er ist auch ein großer Verehrer von Helene.83 Die wird ihn ungern verliehren. Hast Du auch die Idee, zur Hochzeit nach Dresden84 zu gehen und Deine Schwester zu sehen? Denn nach Sanssouci kommt sie doch wohl nicht, obgleich die Nähe groß ist. Nun leb wohl. Gott mit Dir, an Fritz tausend Liebes, Deine alte Adine Ludwigslust, den 25ten Oktober 1856 Verzeihe, geliebte Elis, wenn ich so in die queir schreibe. Aber Auguste schrieb mir, daß ihr mir Grimm schicken wolltet, so bald er besser sei. Mir geht es aber so gut jetzt, und ich habe einen Stiefel, der mich schützt für Umkippen. Und so bin ich ganz geborgen. Ich bitte also dringend, ihn mir nicht zu senden, da es jetzt ganz unnütz wäre, ihn diese Reise machen zu laßen. Wie geht es Fritz? Ich hörte, er sei so verschnupft gewesen. Kein Wunder, wenn man so viel umher reiset. Deine treue Adine
79 Frz. = versuchte, antrieb. 80 Karl Albert von Rudolphi (1799–1864), neuer preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 81 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) und Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), Vorgänger im Amt als preuß. Militärbevollmächtigte in Russland. 82 Pawel Dmitrijewitsch Kisseljow (1788–1872), russ. General und Reformer, neuer russ. Gesandter in Frankreich. 83 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 84 Prinzessin Margarete von Sachsen (1840–1858) heiratete am 4. Nov. in Dresden ihren Cousin Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896).
1856
275 Ludwigslust, den 30ten Oktober 1856
Meine liebe Elis, habe tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 27ten Oktober und für die Nachricht von Charlotte ihrer glücklichen Ankunft in Nizza. Doppelt erfreulich, da gleich der andere Tag die Nachricht brachte, was sie für einer Gefahr entkommen war. Ich kenne den Weg und weiß, was daß heißen will. Ich war so schwindlich im Wagen, daß ich mich umsetzen mußte, um nicht den steilen Abhang anzusehen. Der königlichen Famille danke ich nur weniger ungerne, meine in ihrer Nähe zu haben. Ach, Elisabeth von Genua!!!85 Du gehest also auf ein paar Tage nach Dresden. Daß wird große Freude machen. Am 8ten denkst Du wieder zurückzukehren. Dann wirst Du mir vielleicht erlauben, am 10ten oder 11ten November zu Euch zu kommen. Dann will meine Schwägerin Marie von Altenburg uns auch verlaßen, wenn nicht Sanny, die uns versprochen hat, auf einen Tag herzukommen, zu späth kommt. Die Wege sollen so schlecht sein. Meine Schwiegertochter kommt morgen zurück. Sie ist in Saabor bei ihrer Schwester Carolath86 gewesen und von da auf einen Tag zur Schwägerin nach Trebschen.87 Der Besuch in Strelitz ist aufgegeben, da der Onkel unwohl war und ihre Gegenwart nicht wünschte. Es soll im gewöhnlichen Leben dort großer Trübsinn herrschen, denn der Anblick des armen Fritz soll zu traurig sein.88 Die Hochzeit von Rauch89 soll nächstens sein. In Albrechtsberg sind auch wieder Hoffnungen, wie ich zufällig hörte.90 Hast Du nichts erfahren, ob Charlotte sie gesehen hat? Ich hoffe nicht. Albrechts Sohn ist nun endlich und mal wieder nach Bonn zum Studieren.91 Wie lange er wohl da still bleiben wird! Den Besuch der Königin Sophie92 zu Deinem Geburtstag finde ich sehr aimable. Mir wäre es aber lieber gewesen, wenn Sie eine andere Zeit gewählt, denn ich kann leider jetzt nur 14 Tage bleiben, da ich am 28ten gerne wieder hier sein will zum Geburtstag von meiner Mama, die 80 Jahr alt wird.93 Ich 85 Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912), Witwe von Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822– 1855). Am 4. Okt. hatte sie heimlich, innerhalb der Trauerzeit und nicht standesgemäß ihren Kammerherrn Nicolò Giuseppe Effisio, Marchese Rapallo (1825–1882) geheiratet. 86 Prinzessin Johanne (Jenny) von Reuß-Köstritz (1820–1878), verh. 1843 mit Prinz Ferdinand zu Schoenaich-Carolath (1818–1893). Schloss Saabor (Zabór) in Niederschlesien war im 18. und 19. Jahrhundert die Residenz der jüngeren Linie der Fürsten zu Schoenaich-Carolath. 87 Prinzessin Luise Caroline von Reuß-Greiz (1822–1875), verh. 1854 mit Fürst Heinrich IV. von ReußKöstritz (1821–1894). Die Herrschaft Trebschen befand sich seit 1765 im Besitz der Fürsten Reuß. 88 Eine Augenverletzung führte über mehrere Jahre zur Erblindung des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz. 89 Fedor von Rauch (1822–1892), mklbg.-strel. Kammerherr und Reise- und Hofstallmeister, heiratete am 28. Okt. in Neustrelitz Elisabeth Gräfin von Waldersee (1837–1914), mklbg.-strel. Hofdame. 90 Bevorstehende Geburt von Friedrich Graf von Hohenau (1857–1914), Sohn des Prinzen Albrecht von Preußen, geb. am 21. Mai 1857 auf Schloss Albrechtsberg. 91 Der am Militärdienst interessierte Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) studierte in Bonn Jura. 92 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), verh. 1839 mit König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890). 93 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, feierte am 28. Nov. ihren 80. Geburtstag.
276
Briefe 1851–1873
bin sehr erfreut, daß Du mein Bild so ähnlich findest und es copieren laßen willst. Es ist auch das Ganze ein hübsches Bild.94 Denke, ich wußte garnicht, daß Adlerberg95 mit seiner Frau wirklich Benkendorf96 ersetzen sollte. Den Mann kenne ich garnicht. Amalie hat sich in Simpheropol wirklich wundervoll genommen für die Blessierten und Kranken.97 Sie hat großen Nutzen gestiftet und daher freue ich mich, sie wieder zu sehen. Nun leb wohl, geliebte Elis, an Fritz tausend Schönes, Deine alte Adine Ludwigslust, den 10ten November 1856 Geliebte Elis, ich melde mich nun wirklich zu morgen an. Ich werde die Nacht reisen und in Berlin ausschlafen, und mich dann zu Deinen Befehlen stellen. Wie ich eben durch Meirings98 Brief erfahre, kommst Du auch grade nach Berlin und willst die Ausstellung besuchen. Dann kannst Du gleich das Original mit der Coppi vergleichen. Ich freue mich so, Dich auf diese Art ein paar Stunden früher wieder zu sehen. Wenn ich um 11 Uhr in der Akademie bin, werde ich Dich wohl treffen.99 Tausend Dank für Deinen lieben, letzten Brief, wo Du mir von der unglücklichen Heirath Deiner Nichte sprichst.100 Charlotte schrieb an Olly, der König von Sardinien101
94 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin hatte sich auf Wunsch ihrer Schwiegertochter von Friedrich Kaulbach (1822–1903) malen lassen. Siehe Brief vom 12. März 1856. 95 Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Oberst und seit 1856 Gouverneur von Taurien (mit Simferopol), verh. 1855 mit Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839). 96 Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. Generalmajor und Generaladjutant, russ. Militärbevollmächtigter in Preußen, wechselte 1856 als außerordentlicher Gesandter nach Württemberg. 97 Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), kümmerte sich als Ehefrau des Gouverneurs von Taurien um verwundete Soldaten und Waisen des Krimkrieges. Am 31. Dez. 1854 hatte sie ein Waisenhaus in Simferopol gegründet, das später „Amalie Adlerberg Waisenhaus“ hieß. 98 Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann und wirkl. Geheimer Rat. 99 Besuch der Ausstellung in der Kgl. Preuß. Akademie der Künste in Berlin. Dort wurde offenbar auch die Kopie des Porträts von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, gemalt von Friedrich Kaulbach (1822–1903), vorgestellt. Siehe Briefe vom 12. März und 30. Okt. 1856. 100 Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912), Witwe von Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855). Am 4. Okt. hatte sie heimlich, innerhalb der Trauerzeit und nicht standesgemäß ihren Kammerherrn Nicolò Giuseppe Effisio, Marchese Rapallo (1825–1882) geheiratet, mit der Folge, im Exil ihre beiden Kinder nicht sehen zu können. 101 König Viktor Emanuel II. von Sardinien-Piemont (1820–1878). Er war der Bruder des verstorbenen Prinzen Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855).
277
1856
hätte ihr gleich sehr erzürnt darüber gesprochen. Sie gefällt sich in Nizza, aber es wäre nicht Palermo. Leb wohl, auf Wiedersehn, Deine alte Adine Ludwigslust, den 4ten December 1856 Meine geliebte Elis, unbegreiflich ist es mir selbst, daß ich Dir erst heute schreibe, wo es beinah 8 Tage ist, daß ich fort bin, und wo es mir so schwer wurde, mich von Euch loßzureißen. Ich habe wieder durch Deine Liebe so glückliche Tage bei Dir und dem lieben Fritz verlebt und hätte sie zu gern noch länger ausgedehnt. Aber hier brauchte man mich auch, wenn ich auch Auguste wohler vorfand, als ich glaubte. Meine Schwiegermama war auf dem Schloß bei meiner Ankunft umgeben von den Urenkeln, die auch alle wohl waren, obgleich Friedrich noch sehr gelb ist.102 Fritz war auf der Eisenbahn, wo uns das Schneetreiben beinah umwarf. So bin ich denn wieder umgeben von meinen lieben Kindern. Auguste erholt sich täglich mehr. Und Sonnabend kommt dann alles mit Sack und Pack nach Schwerin, wohin ich morgen Mittag vorausgehe und mich freue, dort für’s erste ruhig bleiben zu können. Die Kälte ist heute wieder bis 11° gestiegen, aber alles sieht so freundlich aus. Die Bäume hängen voll Schnee, worauf die Sonne glänzt. Von Wilhelm habe ich gestern einen Brief aus Granada, wo es ihm unendlich gefällt. Er ist bezaubert von der Alhambra103 und ist täglich hingegangen, um sie ganz zu genießen. Die Reise dahin mitten durch dem Lande ist sehr beschwerlich und fatigante gewesen. Zuletzt haben sie Kälte gehabt, auf die sie garnicht eingerichtet. Um sich in ihrem Zimmer zu wärmen, nehmen sie Kohlenbäcken. Nur im Eßsaal ist ein Kamin. Er hat dort mehrere Maler kennen gelernt, einen, der für König Fritz die Alhambra früher schon gemahlt und nun den Hof der Löwen104 arbeitet. Ich glaube, Werner105 heißt er. Überhaubt wären doch noch manche Gebäude aus der Maurischen Zeit vorhanden. Nur wären sie meist mit dicken Kalk übertüncht. Bald wird er nun in Madrit sein und sich dort länger aufhallten. Er wagt es, sich Dir und Fritz zu Füßen zu legen. Seine Sehnsucht zurück ist immer sehr groß. Nun leb wohl. Ich hoffe, die Kälte schadet Dir nichts und Fritz erkältet sich nicht bei seinen nächtlichen Promenaden. Deine treue Adine Wie schön war die Rede von Fritz bei der Eröffnung des Landtags.106 102 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin hatte offenbar gerade eine Gelbsucht überstanden. 103 Maurische Burganlage auf dem Sabikah-Hügel von Granada in Spanien. 104 Hof der Alhambra mit zwölf Wasser speienden Brunnenlöwen. 105 Carl Friedrich Heinrich Werner (1808–1894), dt. Aquarell- und Architekturmaler, auf seinen Auslandsreisen 1856–1857 in Granada tätig. 106 Thronrede des preuß. Königs zur Eröffnung von Herrenhaus und Abgeordnetenhaus am 30. Nov. im Weißen Saal des Berliner Schlosses.
278
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 13ten December 1856 Geliebte Elis, wie danke ich Dir, daß Du mir so schnell geantwortet, da Du noch nicht mit Deinem Geburtstags Brief fertig bist. Heute nehme ich mir auch die Freiheit, Dir die Niederkunft von meiner Tochter Luise mit einer Tochter anzuzeigen, am 11ten des Morgens um 8 ½ Uhr in 5 Stunden, leicht und glücklich.107 Ich bin zu glücklich, daß diese Sorge nun auch hinter mir liegt, und danke Gott, daß er mein geliebtes Kind gnädig in seinen Schutz genommen. Hier geht es mit meiner geliebten Auguste auch ganz gut. Es ist nun wieder alles in Ordnung. Und so kann man sie als genesen ansehen. Friedrich hatte einen sehr hartnäckigen Anfall von Husten und Asma.108 Er sieht ehlend aus und ist so mager, doch seit gestern wieder auf und lustig im Zimmer herum spielend. Dieses Wetter, was wir nun haben, Wärme und Regen, gestern Nachmittag sogar ein heftiges Gewitter mit Blitz und Donner und dann heller freundlicher Mondschein, das ist doch gewiß recht ungesund. Mit Elise Fersen soll es ja ganz leidlich gehen. Sie hat aber rasend ausgehallten. Aus Nizza habe ich von Meyendorf einen Brief, mit lauter guten Nachrichten von Charlotte. Sie fährt täglich im offenen Wagen aus, manchmal zu Wasser im Haven. Und sogar einen Ritt zu Esel hat sie gewagt, der sehr gut bekommen ist. Dabei blühen Veilchen und Rosen, und man könnte doch täglich mehrere Stunden im Garten sein, aber Abende und Morgende kalt. Und dies ist, was Charlotte unangenehm ist. Auch fehlt es an Abwechslung von Freunden. Helene schien danach noch nicht angekommen zu sein. Von Schwester Luise habe ich einen Brief. Sie sagt kein Wort von Reisen. Ist denn Alexis wirklich auf und davon?109 Karl soll so etwas geäußert haben? Bitte grüße die Famille und theile ihnen die Niederkunft von Luise mit. Nun leb wohl, an Bruder Fritz tausend Liebes. Deine treue alte Adine Schwerin, den 14ten December 1856 Heut, meine geliebte Elis, erscheine ich als lebendiges Fragezeichen. Es betrifft das Jubiläum von Bruder Wilhelm am Neu Jahrstag.110 Ob es in der Art sein wird, wie bei Bruder König111 mit representanten der ganzen Armee, und ob denn Diner ist, wo alle daran 107 Geburt von Prinzessin Marie von Windisch-Graetz (1856–1929) am 11. Dez. 108 Erste Anzeichen des chronischen Bronchialasthmas, das Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) zeitlebens begleiten und auch seine spätere Regierungstätigkeit gravierend beeinträchtigen sollte. 109 Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905), verh. 1854 mit Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901). Die Scheidung folgte 1861. 110 Wilhelm (I.) Prinz von Preußen feierte am Neujahrstag 1857 das 50-jährige Dienstjubiläum in der preuß. Armee anlässlich der Verleihung des Offizierspatents als Leutnant. 111 Das 50-jährige Dienstjubiläum von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war am 15. Okt. 1855 feierlich begangen worden.
1856
279
theilnehmen würden? Nehmlich, wenn es erlaubt ist, so möchten mein Sohn Fritz und ich dazu hin kommen, wenn es nicht geniert. Ich denke, wir sind auf dem Fuß, daß Du es aufrichtig sagen wirst. Auguste ist doch noch immer recht matt und sieht erbärmlich aus, so daß doch am Neu Jahrstag sie nicht erscheinen würde. Wird der Neu Jahrstag in Potsdam gefeiert? Wir würden aber erst am Tag selbst ankommen, um denn Sylvester mit Auguste noch zu verleben. Nun bin ich zu Ende mit meinen verschiedenen Fragen und bitte sehr um Verzeihung um diesen Brief. Dein alter Plage Geist Adine Schwerin, den 26ten December 1856 Meine geliebte Elis, wie hast Du und Fritz mich wieder schön beschenkt, wirklich zu schön. Ich war ganz erstarrt. Das Weihnachts Kind ist eine zu hübsche Idee und stand mitten im Saal. Es wird, so lange ich lebe und dann nach meinem Tode, immer an Weihnachten seinen Platz mitten unter den Weihnachtsgaben behallten. Und das Kleid, das war für mich ein kühner Wunsch und schien mir unerreichbar. Ich sah das Zeug bei Charlotte in Sanssouci, und da gefiel es mir so ungeheuer. Ich werde es aufbewahren zur Einweihung vom Schloß, die im Mai sein soll.112 Ich habe so viele schöne Gaben erhallten. Fritz und Auguste haben mich so reich beschenkt: ein groß Öhlgemählde, eine schwartze Kanten Mantille, eine kleine Etagere von couleur, einen weißen Marmor Tisch, ein klein Kasten von Eisen mit Stahl beschlagen, und coiffure, 2 Dutz[end] Strümpfe, und das Bild von Bruder Fritz mit Bismark113 im Wagen, Pferde und Leute sind am ähnlichsten. Aus Wien von Luise das Bild vom kleinen Hugo [als] Armband, reitzend muß der Junge geworden sein, und eine Arbeitstasche von meiner Enkelin Adini selbst gemacht, ganz allerliebst. Ich hoffe, dies Dir bald selbst zeigen zu können. Denn also mit Eurer Erlaubniß werde ich Mittwoch Nachmittag in Charlottenburg ankommen, es ist Sylvester. Ich hoffe, daß ich nicht stöhrend sein werde, da ich glaube, mich zu erinnern, daß ihr an dem Tage zum Abendmahl gehet. Ich werde über Berlin kommen. Mein Sohn Fritz kann mich nicht begleiten, da er doch in Schwerin Neu Jahr sein muß und auch Auguste und Kinder nicht verlaßen mag. Aber am 2ten wird er denn seine Wünsche nachträglich bringen. Bis zum 4ten gedenken wir zu verweilen. Den Geschwistern schreibe ich nicht meinen Dank für den schönen Teppich, da ich es bald selbst thun kann. Nun leb wohl. Unser Weihnachten hatte viel trübes und wehmütiges mitten in der Freude. Mein Wilhelm fehlte und ist so weit entfernt. Und der kleine Nikola114 fehlte auf ewig. Auguste war auch recht traurig. Aber wie sie immer so vernünftig ist, ließ sie es sich 112 Das nach dem 1843 begonnenen Umbau fertiggestellte Schweriner Residenzschloss. Die Einweihungsfeierlichkeiten fanden vom 26. bis zum 28. Mai 1857 statt. 113 Gemälde von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen mit Friedrich Alexander Graf von Bismarck-Bohlen (1818–1894), preuß. Major und Flügeladjutant, seit 1856 Kommandeur der Leib gendarmerie. 114 Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), gest. am 23. Febr.
280
Briefe 1851–1873
nicht merken, bis wir alleine waren. Da brach sie in Thränen aus, die Arme, und die Hoffnung des Ersatzes schlugen auch fehl. Nun leb wohl, auf Wiedersehen, so Gott will, Deine dankbare treue Adine
1857 Schwerin, den 6ten Januar 1857 Meine geliebte Elis, ich glaube, ich habe eigentlich Dir garnicht am Neu Jahr so recht meine Wünsche ausgesprochen, die doch so warm und innig für Dein Glück waren. Möge der Herr Dich und Fritz noch lange Jahre erhallten, zum Glück für unsere Famille und für Preußens Glück. Ja, da seit ihr beide so recht nothwendig. Auch möchte ich Dich bitten, noch an Fritz zu sagen, wie glücklich er mich gemacht hat durch die Erlaubnis, daß mein Sohn Wilhelm wieder die Preußische Uniform anlegen darf.1 Ich glaube, in der ersten Überraschung habe ich so garnicht recht gedankt, noch gesagt, wie mich auch die Art, wie er es gethan, gerührt hat. Hier in Schwerin fand ich einen langen und lieben Brief von Wilhelm aus Madrit vor, wo er am 25ten December erst angekommen war, wieder nach einer beschwärlichen Reise. Er schien weich gestimt, und der Ton des ganzen Briefes war ein ruhiger und gesammelter. Vielleicht wird diese Zeit ihm doch noch gut thun, denn Spanien interessirt ihn außerordentlich. Hier fand ich Auguste doch in den paar Tagen wirklich viel besser, so auch Friedrich. Sie ißt jetzt wieder mit dem Hof und sieht Menschen, geht auch im Theater. Am Freitag werde ich einen Ball geben, der eigentlich heute sein sollte. Allein, mehrere Todesfälle in der Gesellschaft machten, daß ich ihn lieber verschob. Da will Auguste auch kommen, wenn sie wohl bleibt. Ihr seit nun noch still in Potsdam und habt wohl keine Fremde aus Berlin zum Diner, das ist die Erholungs Zeit. Grüße Mariann und sage ihr, wie viel Freude mir ihr Bild macht. Es wurde hier sehr bewundert. Nun leb wohl, wegen Neuchatelle2 scheint es ja nach der Zeitung wirklich friedlicher. Deine treue, alte Adine Der Tod der Herzogin Louis von Würtemberg3 wird recht viel Herzens Trauer geben, denn sie war sehr geliebt von ihren Verwandten. Olly liebte sie auch so sehr.
1 Nach seiner bankrottbedingten Entlassung aus der preuß. Armee im Sommer 1856 erhielt Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin mit dem Ehrenrecht, weiterhin Uniform zu tragen, auch die Hoffnung auf eine Wiedereinstellung als Offizier. 2 Frz. Neuchâtel = Kanton Neuenburg in der Schweiz. Das Fürstentum Neuenburg befand sich seit 1707 unter preuß. Herrschaft und war 1815 durch den Wiener Kongress als „Schweizer Kanton und preussisches Fürstentum“ anerkannt worden. Unabhängigkeitsaufstände führten nach 1848 zur Ausrufung der République et Canton de Neuchâtel. Anhänger Preußens besetzten am 29. Aug. 1856 das Neuenburger Schloss. Ihre Gefangennahme und die von König Friedrich Wilhelm IV. verlangte Freilassung führten die Eidgenossenschaft und Preußen an den Rand eines Krieges. 3 Die am 2. Jan. nach fast 40-jähriger Witwenschaft verstorbene Herzogin Henriette von Württemberg, geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg (1780–1857), verh. 1797 mit Herzog Ludwig (Louis) von Württemberg (1756–1817), preuß. Generalfeldmarschall.
282
Briefe 1851–1873
Potsdamm, den 9ten Januar 1857 Fritz ist auf die Jagd gegangen, und ich habe einen stillen Morgen, meine Adine, recht um zu schreiben gemacht. Draußen ist Schnee und dunkler Himmel, aber doch weit weniger kalt wie gestern, und die Zimmer sind warm und heimlich. Dein lieber Brief freute und rührte mich sehr. Du hast mir ja so viel Liebes am Neujahrs Morgen gesagt, und Fritz versichert, Du habest ihm so herzlich gedankt, daß er ganz beschämt war. Wilhelms Brief an Dich in weicher, gesammelter Stimmung erfreut mich sehr. Wohl mag das für ihn einsame Weihnachtsfest wehmütig gewesen seyn.4 Galen5 schrieb von seiner Ankunft, und daß Alvensleben6 ihn länger in Madrid erwartet habe. Die Reise in dieser Jahreszeit mag auch beschwerlich genug seyn. Der erste Tag hier war ein wahrer Frühlingstag, die Terrasse von Sans Souci so warm und sonnig, alle Thüren der Zimmer auf, ich hätte gleich dort bleiben mögen und hatte Frühjahrs illusionen. Aber der Sonntag war Schnee, noch ohne Kälte, die erst später kam und gestern tüchtig war, aber schöne Sonne, und eine Promenade im neuen Garten war sehr erquickend. Außer dem diné den ersten Tag haben wir sehr wenig Menschen gesehen, lebten still, und das that Fritz wirklich sehr gut. Er ist so beruhigt, nur heute hat er Schnupfen. Die Geschwister aßen hier den Sonntag, und Augusta nahm dermaßen Beschlag auf mich, daß ich keinem andern ein Wort sagen konnte. Mariannen ist viel bey mir mit ihrer allerliebsten Kleinen,7 die meine ganze Wonne ist. Sie kömmt den Morgen, diné und Thee ermüden sie schon sehr. Dein Auftrag machte ihr viel Freude. Seit gestern hat sie einen furchtbaren Schnupfen, wollte aber doch diesen Abend auf unsern jährlichen Ball im Bronzezimmer kommen. Das ist keine Freude für mich, solcher Ball, besonders ohne meine gute Luck.8 Aber die Jugend hier freut sich immer schon so lange darauf. Ich war neulich beym alten Luck,9 denn sie durfte nicht wissen, daß ich da war. Wie that mir ihr leerer Stuhl so weh, wo ich sie noch vor wenigen Wochen so munter und so aimable sah. Die arme Loulou10 jammert mich unbeschreiblich. Sie verschluckt ihre Thränen und pflegt ihre Mutter mit Aufopferung ihrer eigenen Kräfte und ohne Hoffnung! Doch waren die beyden lezten Nächte beßer und ohne opium. Die Kranke soll immer heiter seyn und hat doch selbst keine Hoffnug auf Besserung. Der Alte ist wohl und guter Dinge, sieht die Gefahr nicht ein. Durch den Brand in Monbijou, bey dem Alexis sehr thätig war, erfuhren wir erst, daß er gar nicht abgereist war.11 Es ist eine Geschichte ohne gleichen, aber viel zu lange, um 4 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee auf eine fluchtartige Auslandsreise geschickt worden. 5 Ferdinand Graf von Galen (1803–1881), preuß. Gesandter in Spanien. 6 Werner von Alvensleben (1802–1877), preuß. Oberst, 1856 in den Ruhestand versetzt, 1856–1857 militärischer Reisebegleiter von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin. 7 Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888). 8 Cécile von Luck, geb. de Saint-Luce Oudaille (1798–1857), war schwer erkrankt. 9 Hans von Luck (1775–1859), preuß. General der Infanterie und Generaladjutant a.D. 10 Luise von Luck (1833–1873), jüngste, noch unverheiratete Tochter von Hans und Cécile von Luck. 11 Brand im Berliner Schloss Monbijou, Wohnsitz von Landgraf Alexis (1829–1905) und Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901).
1857
283
sie zu schreiben. Genug, das Ehepaar ist jetzt auf ’s beste zusammen, aber wie lange mag es dauern!12 Anna13 ist noch immer leidend, an periodischem Zahnweh. In Monbijou waren Bilder und Sachen aus dem Palais in großer Gefahr, aber Gottlob, es ist auch nicht das geringste verdorben, und überhaupt wenig am Dach beschädigt.14 Morgen wollen wir nach Charlottenburg zurückgehen und sehen zum diné die früher schon angekündigten geistlichen Herrn. Costi kömmt Sonntag früh nach Berlin und will den Tag dort bleiben, Mondtag nach Hannover weiter gehen. Er wird dort tiefe Trauer finden. Der Tod der Herzogin Louis15 ist ein großer Schmerz für ihre zahlreiche Nachkommenschafft. Ich freue mich sehr, daß Du Deine Schwiegertochter und den kleinen Friedrich besser fandest. Grüße sie und Fritz, und nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 26ten Januar 1857 Ich weiß nicht gewiß, geliebte Elis, ob ich Dir noch gar geschrieben habe seit Deinem lieben Brief aus Potsdam vom 9ten Januar. Aber das weiß ich, daß ich mich schrecklich nach Nachricht von Dir sehne. Der August von Würtemberg16 hat mir zwar viel erzählen müßen, und demnach ging es Dir gut, so auch Fritz, der jetzt Jagten abhällt. Der Besuch vom Würtemberg war sehr flüchtig. Und ich fürchte, für seine Mühe wird er nicht sehr zufrieden mit den Jagten gewesen sein, da das Wetter sehr ungünstig einwirkte. Er war aber sehr liebenswürdig, und er erzählte viel. Nun ist ja auch Friede anstatt Krieg. Es mag so besser sein, aber unserer Armee hätte ich gewünscht, daß sie sich einmal wieder hätte bewehren können. Und den Schweitzern hätte ich es gegönnt, daß man bei ihnen ausgefegt hätte. Und dann habe ich die Furcht, daß man das arme Neuchatelle jetzt abgiebt, was seit Friedrich I. an Preußen gehörte und viele treue Herzen dort für Preußen schlagen. Und dann ist ja der Wille der Democraten erfüllt, es abzureißen. Auf welche Art es ihnen nun gelungen ist, daß gillt ihnen gleich.17 Hier haben wir nun den Jahrestag des Todes vom kleinen Nikola wieder erlebt.18 Ein schwerer Tag für meine beiden Kinder und für mich. Auguste war still ergeben in Gottes Willen, konnte viel weinen und freute 12 Die Scheidung der Ehe folgte 1861. 13 Verm. Prinzessin Anna von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Preußen (1836–1918). 14 Im Schloss Monbijou war seit 1820 auch das Museum für Vaterländische Alterthümer eingerichtet worden, in den nächsten Jahren ständig erweitert um Gemälde, Schmuck und Porzellan aus dem Besitz der Hohenzollern. 15 Herzogin Henriette von Württemberg, geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg (1780–1857), verh. 1797 mit Herzog Ludwig (Louis) von Württemberg (1756–1817), gest. am 2. Jan. 16 Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant. 17 Nachdem eine Einmischung Großbritanniens drohte, wurde der Konflikt um den Kanton Neuenburg unter Vermittlung von Kaiser Napoleon III. (1808–1873) im Vertrag von Paris am 26. Mai dadurch beigelegt, dass Preußen auf das Fürstentum Neuenburg verzichtete. 18 Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), gest. am 23. Febr. 1856.
284
Briefe 1851–1873
sich, daß das Kind bei Gott ist und ihm dient. Allein, der Schmertz bleibt gleich groß. In Berlin ist der Carnaval nun im Gange und für Dich freut es mich, daß die Mittwoch Kur überstanden ist. Die milde Witterung wird Dir auch angenem sein, obgleich der viele Schnee ohne Frost ein Meer von Schmutz giebt, der schrecklich ist. Bei uns ist Mittwoch der erste Galla Ball. Auch ein schwerer Tag für Auguste, weil es der Fest Ball im selben Saal ist, wo sie voriges Jahrs vom Ball am Sterbe Lager des Kindes stand und dann an sein Grab weinte. Aber wie sie sanft und ergeben ist, so macht sie alles so still und ohne Aufsehen es ab, nur weynen. Und ich vor allem fühle und leide mit ihr. Aus Nizza habe ich vom 26ten vorigen Monats Nachricht, wo Mische eben angekommen, was für Charlotte eine so unaussprechliche Freude gewesen sein soll. Die Erwartung hatte ihr Herzklopfen gegeben, was dann aber schnell verging. Meyendorfs sind nun wohl schon lange fort von Nizza, um nach Petersburg zu gehen. Ich finde es für beide Theile recht hart, für Charlotte, weil Meyendorfs ihr so lieb und so liebenswürdige Gesellschaft sind, und für den armen kränklichen Mann, von Italien nach Petersburg zu reisen. Man hätte ihnen die Erlaubnis geben können, bis im Frühjahr zu bleiben. Wenn Mische fort ist, so hat Charlotte niemand als ihre Umgebung! Das ist recht wenig. Von Elise Fersen weiß ich garnichts, wie mag es ihr gehen? Nun leb wohl. Onkel George kommt ja nach Berlin. Marie bleibt bei Fritz.19 Gott mit Dir. Deine alte Adine Schwerin, den 3ten Februar 1857 Geliebte Elis, wie habe ich zu danken für [Deinen] lieben Brief und für die Mandarinen, die mich entzückt haben, durch Geschenk und Geruch und noch mehr schmecken, besonders wenn Graf Keller20 noch immer keinen Werth darauf legt. Und sie verfaulen leicht. Hier haben sie vielen Beifall. Aber ich muß Dir doch ganz besonders dafür danken, daß Du meiner gedacht hast. Ich hoffe, es geht Dir gut und [dass] Deine Damen wieder wohl sind. Hier sind bis jetzt keine krank. Dafür sterben aber die Menschen. So wird heute unser lieber Oberjägermeister von der Lühe21 begraben, der an der Herzbeutel Wassersucht gestorben ist. Es ist ein Verlust auf aller Art, als Mensch wie als Forstmann. Und mein Fritz, der ihn ganz besonders liebte, betrauert ihn sehr. Dann ist ja Boddin in Gleiwitz gestorben, wohl von wenigen betrauert.22 Selbst in der Famille war er nur wenig be19 Eine Augenverletzung führte über Jahre zur Erblindung des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz. 20 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten. 21 Adolf Hans von der Lühe (1795–1857), mklbg.-schw. Oberjägermeister und Chef des Hof-JagdDepartements. 22 Alfons von Boddien (1802–1857), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Karikaturist und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/1849,
1857
285
liebt. Gott habe ihn seelig und sei seiner Seele gnädig. Diese beiden Todesfälle machen aber, daß viele junge Mädchen nun im Karneval nicht ausgehen können, was eine Lücke in so kleiner Gesellschaft macht. Mittwoch und Freitag sind Bälle in der Stadt und Donnerstag soiré auch in der Stadt. Künftige Woche sind alle Tage besetzt mit Bällen und soireen. Am Freitag den 14ten gebe ich einen Ball. Meine Auguste macht bis jetzt alles mit und sieht auch wohler aus. Was ihr Herz aber dabei empfindet, mögen Worte nicht zu beschreiben. Sie läßt es niemand merken. Hast Du auch von dem Prozeß gehört, den der alte Reuß Henri Jenkendorf mit seinem Neffen dem IV. angefangen?23 Er war dessen Vormund, hat alles für die ganze Famille Reuß geordnet, auch die Erbschaft in Östreich für den Reuß IV. Und nun, da dieser es antritt, entdeckt er mit einem Mal, daß er vielleicht mehr Ansprüche hat, und fängt einen Prozeß an. Daß betrübt die ganze Famille sehr. Er mag vielleicht Recht haben. Dann hat er aber die Vormundschaft nicht gewißenhaft geführt, denn wenn er gewinnt, ist Reuß VII.24 ganz aus der Erbschaft seines Vaters25 ausgeschloßen, da der Reuß IV. in Trebschen bleibt. Doch bitte sprich nicht weiter davon, es möchte der Famille nicht recht [sein]. Auch eine Bitte hätte ich an Fritz. Boddin hinterläßt seiner Frau und Tochter gar nichts.26 Er hat alles durchgebracht. Vielleicht giebt Fritz beiden etwas oder erhöht die Pension. Sie haben sonst nichts zu leben. Hier sende ich einzelne Abschriften aus einem Brief von Elise Fersen und von Charlotte über die rußische Taufe.27 Ich finde, man geht doch etwas hart mit ihr um, und auch mit dem Mann, denn er ist doch kein Preußischer Unterthan, sondern ein Ruße. Und übrigens herrscht ja in Preußen Glaubens Freiheit. Ich finde es auch nicht Recht. Indessen, das müßen die Eheleute allein unter sich abmachen, wie sie ihr Kind taufen laßen wollen. Wir können sie nicht verdammen und haben auch nicht das Recht. Und warum will Fritz ihn nicht sehen, wenn er nach Berlin kommt? Er geht ihm ja garnichts an, er ist ein Fremder. Verzeih, daß ich das nach meiner alten Art ganz ehrlich sage. Elise leidet unendlich unter dieser Sache, und sie hällt fest an ihrem Glauben, das weiß ich. Adieu, Deine Adine
23
24 25 26 27
Sohn des mklbg.-schw. Generalmajors und Generaladjutanten Johann Caspar von Boddien (1772– 1845), gest. am 31. Jan. in Gleiwitz am Nervenfieber. Erbschaftsprozess zwischen Prinz Heinrich LXXIV. von Reuß-Köstritz (1798–1886), Gutsbesitzer auf Neuhoff, Jänkendorf, Kaana und Burkersdorf, und seinem Neffen Fürst Heinrich IV. von ReußKöstritz (1821–1894) um die Herrschaften Ernstbrunn und Hagenberg in Niederösterreich. Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), Legationsrat bei der preuß. Gesandtschaft in Frankreich. Prinz Heinrich LXIII. von Reuß-Köstritz (1786–1841), preuß. Major, Gutsbesitzer auf Trebschen, Klipphausen, Burkersdorf und Stonsdorf. Alfons von Boddien (1802–1857) hinterließ seine Ehefrau Mathilde von Boddien, geb. von Poremsky (1814–1887), und die Tochter Henriette (Harriet) Frieda von Boddien (1842–1914). Elisabeth (Elise) Gräfin von Fersen, geb. von Rauch (1820–1909), aus Preußen stammend, evang. Glaubens und in Russland verheiratet, hatte ihre Tochter Alexandra Gräfin von Fersen (1856–1940) russ.-orthod. taufen lassen.
286
Briefe 1851–1873
Diese Stellen schreibe ich aus dem Brief von Elise Fersen ab: „Am 17ten Januar ist die kleine Sachanka28 getauft worden. Dies war ein schwerer Tag für mein Mutterherz, das Kindchen zu einer anderen Kirche übergehen zu sehen. Sie wißen, wie ich über alles denke und wie es in meinem Inneren aussieht. Ich habe hierin gewiß nicht als Egoistin gehandelt. Mein Gewißen ist frei von allen Vorwürfen. Daher thuen alle die Demüthigungen recht wehe. Mögen die Menschen mich richten, wie sie wollen, falsch beurtheilen und ich in ihrer Achtung sinken. Ich kann es nur bedauern, daß man so viel Geschrei über eine Privatangelegenheit macht, die Eheleute nur allein unter sich abzumachen haben. Mein Kind ist doch keine Jüdin geworden, und ich hoffe doch zu Gott, daß wir bei unserm Herrn und Heiland, ob Griechische, Katholische oder Protestantische, alle gleich sind, wenn wir überhaubt nach Seinem Willen leben, fest an ihm glauben.“ Charlotte hat wohl von allem dem gehört und schrieb folgendes: „Die Geschichte von Fersens Kind in Hinsicht der Rußischen Taufe fand ich so einfach. Denn vor allem muß man denken an die Zukunft des Kindes. Die ganze Famille von Fersen, Kinder, Tanten, Ohms, sind Griechisch. Sterben die Eltern einst, so bleibt dies arme Kind ganz einzig und allein Protestantisch unter den Verwandten und wird kaum deutsch verstehen, um eine Predigt zu vernehmen. Ich sah das so oft, wie solche Kinder fremd werden ihrer Kirche und Sehnsucht nach der Rußischen empfinden und nicht wißen, zu was sie sich entscheiden sollen. Darum verstand ich es vollkommen, denn Fersen selbst ist in diesen Fall und Elise gab es zu. Die Arme hat nun so eine schwere Lage, daß es, fürchte ich, ihrer Gesundheit schaden könnte. Ich glaubte nicht, daß man in Preußen diese Sache so aufnehmen würde, die ihm garnichts angeht, da Gott sei Dank kein Protestantischer Pabst existiert. In dieser Sache bin ich die Schuldigste, weil ich so alt bin und so viel Erfahrung habe, um vor die Zukunft zu beurtheilen, wie es einst mit diesem Kinde stehen würde. Es giebt sehr viele Deutsche in Petersburg, die ihre Famille im Evangelischen erhalten haben. Aber die, wo eine allein und fremd dasteht, sah ich viel Ungewißheit und Kampfe verwalten.“ Berlin, den 23ten Februar 1857 Gott segne Dich, meine Adine, mit seinem besten, reichsten Segen und gebe Dir Freude und Trost an Deinen Kindern. Früh schon habe ich für Dich gebetet. Unsere Gaben sind hoffentlich schon in Deinen Händen, und Du nimmst sie freundlich auf? Eine Ansicht aus dem lieben Palais noch zu schaffen, war leider nicht mehr möglich.29 Die Seidewiz30 schickte die Liste derer, die Du schon hast, da ist das Esszimmer das einzige, das fehlt von 28 Alexandra Gräfin von Fersen (1856–1940). 29 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin sammelte Interieuransichten ihrer Kindheitsresidenz, des Kronprinzenpalais in Berlin, vor 1856, als der Architekt Heinrich Strack (1805– 1880) mit dem Umbau für Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen begann. 30 Verm. Josephine Gräfin von Seydewitz (1798–1875), Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach.
1857
287
denen, die ich habe. Bitte sage mir, ob es das ist, das Du noch wünschest? Tausend Dank für Deinen lieben Brief. Du sagst nicht, ob Dich ein Unwohlseyn am Schreiben gehindert? Marie Stolberg31 sprach nur von einer Erkältung, die Du Dir zu gezogen, auch Graf Bülow,32 mir war ganz bange. Wir haben diesen lezten Mitwoch gesehen. Er wird Dir von der Comödien erzählen, von dem sehr hübschen Spiel unserer Amme. Es war nicht das lezte Fest. Morgen, am mardi gras33 haben wir ja immer einen großen Ball, bey dem diesmal die Quadrillen34 wiederholt werden, die heute beym französischen Gesandten35 erschienen und die Gesellschafft seit Wochen beschäfftigen, die Jugend amusiren und die Mama’s gründlich ermüden und langweilen wegen der endlosen Proben. Prinzessin Friedrich von Dessau ist hier mit ihren Töchtern.36 Die jüngste ist groß und schlank und sehr hübsch. Es wundert mich, daß sie Michel nicht gefiel.37 Mariann besuchten wir lezten Freytag und fanden sie sehr wohl und frisch, behaglich auf ihrer chaise longue liegend. Die Kleine,38 die etwas schwach und mager war, ist schon ganz rund geworden, und die Älteste39 ist zu lieb mit dem kleinen Schwesterchen. Fritz Karls Gesicht strahlt, wenn er sie ansieht. Er war so vortrefflich diesmal, so freundlich und dankbar für die überaus glückliche Entbindung. Es hat mich ganz glücklich gemacht. Wie schade, daß Du nicht hieher gekommen bist. Der lezte Subscriptions Ball war besonders brillant.40 Ueberhaupt war der Karnewal sehr animirt. Ich bin sehr müde und sehne mich nach Ruhe, doch war ich bis jetzt Gottlob wohl, auch Fritz, und wir haben uns hier ganz gut befunden. Onkel George bekam wieder etwas Husten und hatte nicht den Muth zu kommen. Er will es im Sommer nach holen. Wir haben einen herrlichen Winter gehabt, ohne strenge Kälte, und die lezten Tage waren wahre Frühlingstage, so mild und sonnig. Heute ist es kälter und Nebel. Ich war eben zwey Stunden in der Elisabeth Schule41 und bin ganz müde davon. Auguste reiste 31 32 33 34
35 36
37 38 39 40 41
Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident. Frz. mardi gras = fetter Dienstag, frz. Bezeichnung für den Faschingsdienstag. Auf dem letzten Karnevals-Hoffest des Jahres am 24. Febr. im kgl. Schloss in Berlin wurden mehrere Quadrillen in Kostümen gegeben: Quadrille der Offiziere des Grenadier-Garde-Bataillons König Friedrichs II., Quadrille Espagnol (Andalusische Bauern), Quadrille Pompadour (Zeit Ludwig XIV.), Quadrille Breton (Bretagnische Bauern) und Brandenburgische Quadrille (Posadowsky-Dragoner, Ansbach-Bayreuth-Dragoner). Lionel de Moustier (1817–1869), seit 1853 frz. Gesandter in Preußen. Prinzessin Marie von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1814–1895), mit ihren jüngeren, unverheirateten Töchtern Prinzessin Bathildis (1837–1902) und Prinzessin Hilda von Anhalt-Dessau (1839–1926). Heiratsprojekt für Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909) mit Prinzessin Hilda von Anhalt-Dessau (1839–1926), die unverheiratet blieb. Prinzessin Elisabeth von Preußen (1857–1895), geb. am 8. Febr. Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888). Dritter und letzter Subskriptionsball am 19. Febr. im Opernhaus in Berlin. Königliche Elisabethschule in Berlin, gegründet 1748 durch Pastor Johann Julius Hecker (1707– 1768) als älteste, öffentliche Mädchenschule in Preußen. 1827 hatte die damalige Kronprinzessin Elisabeth von Preußen das Protektorat über die Schule übernommen. Mit der Umbenennung in
288
Briefe 1851–1873
mit Stéphanie Hohenzollern42 den 12ten nach Weymar, wo sie noch ist. Sie war guter Laune, aber oft leidend. Wilhelm kam schon Mitwoch zurück. Er hat sich Gottlob wieder ganz erholt. Möllendorf weinte Ströme über seinen eigenen Entschluß, den Abschied zu nehmen.43 Ich glaube aber, daß es wirklich nicht mehr ging. Brauchitsch hat die Division in Danzig bekommen,44 und Bonin seine Brigade.45 Daß Brauchitsch weggeht, thut mir schrecklich leid. Schölers Abgang schmerzt Fritz, es ist auch ein großer Verlust, aber er fühlt sich so krank, daß er nicht bleiben wollte.46 Manteuffel hat seine Stelle.47 Fritz Karl und Würtemberg haben Garde Divisionen,48 wie es sonst war. Wie fatal, daß Dein Wilhelm wieder zu viel ausgegeben hat.49 Wie hat er denn das gemacht? Mandt war hier, kam aus Nizza. Er ist im Ganzen zufrieden, nur daß das Herzklopfen gar nicht aufhört, ist ihm sehr unangenehm.50 Nun lebe wohl, meine Adine, viel Schönes Deinen Kindern. Fritz umarmt Dich, Glück wünschend. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Berlin, den 6ten März 1857 Ich wollte Dir gestern, am Geburtstag Deines Wilhelm, schreiben, an den ich viel auch in meinem Gebet dachte, aber ich kam nicht dazu. Gott wolle ihn segnen und ihm die traurigen Erfahrungen zu Heil und Segen werden lassen.51 Tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 27ten. Auf die Gesundheit Deines ältesten Sohnes habe ich getrunken und seiner gedacht. Wie schade, daß seine Frau unwohl war und der Ball unterbleiben
42 43 44 45 46 47 48
49
50
51
Königliche Elisabethschule wurde der Namenstag der Königin am 19. Nov. zu einem besonderen Schulfesttag. Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859). Johann Carl von Möllendorff (1791–1860), Kommandeur der Garde-Infanterie in Berlin, verabschiedet am 3. Febr. als General der Infanterie. Eduard von Brauchitsch (1798–1869), preuß. Generalmajor und Generaladjutant, Kommandeur der 2. Infanterie-Division in Danzig. Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Generalmajor und Generaladjutant, Kommandeur der 1. Garde-Infanterie-Brigade in Potsdam. Friedrich Ludwig von Schoeler (1797–1869), preuß. Generalmajor und Chef des preuß. Militärkabinetts, nahm am 12. Febr. wegen eines Nervenleidens seinen Abschied. Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Chef des preuß. Militärkabinetts. Prinz Friedrich Karl von Preußen, preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 1. Garde-Division, sowie Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 2. Garde-Division. Nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee musste Herzog Wilhelm zu MecklenburgSchwerin aufgrund von Finanzierungschwierigkeiten auch auf seiner Auslandsreise weiter Schulden machen. Martin Wilhelm von Mandt (1799–1858), ehem. russ. Leibarzt der kais. Familie, war 1855 nach Deutschland zurückgekehrt und visitierte nun Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee.
1857
289
mußte. Es freut mich, daß Du zufrieden mit unsern Geschenken warst und daß sie zu rechter Zeit ankamen. Ich habe leider nicht die Gallerie aus dem Palais und auch nicht den Eingang und die Treppe.52 Nun ist das lezte Zimmer neben dem Eßzimmer ganz abgebrochen. Jeder Stein fiel mir auf ’s Herz! Und welches Geld der unglückliche Bau kostet, Du glaubst es nicht, es ist ärger, wie ein neues Haus und wird doch nichts Ordentliches! Wir sind noch in der Stadt, wie Du siehst. Wir wollten Mitwoch nach Charlottenburg. Da aber Fritz gestern nach Potsdamm in’s Theater ging und Michel überdieß heute ankommen sollte (er kömmt erst künftige Nacht um 1 Uhr), so haben wir unsern Umzug auf morgen verschoben. Wir werden ein Familiendiné für ihn haben, und den Abend reist er über Breslau und Warschau nach Hause. Charlotte, die selbst an Fritz geschrieben, sagt ihm, daß er im July wieder kommen würde, seiner Braut bis Berlin entgegen.53 Charlotte klagt über Husten und immer über das Clima, obgleich sie selbst sagt, daß den 28ten Februar 13 Grad Wärme ohne Sonne waren. Mandt hatte erzählt, sie würde erst nach ihrem Ostern, die den 19ten April sind, nach Rom gehen. Olga aber schreibt, sie würde zur heiligen Woche hingehen und sie mit ihr. Karl reist den 14ten dieses [Monats] nach Nizza und geht mit Charlotte nach Rom. Fritz hätte die größte Lust, auch nach Rom zu gehen, und Charlotte möchte ihn dazu bringen. Ich fürchte aber, die Geschäfte erlauben es ihm nicht. Die Taufe der Kleinen54 soll nun den 13ten März seyn, heute über acht Tage. Marianna ist sehr wohl, Gottlob, und die Kleine soll auch runder werden. Ich denke, Charlotte wird doch gewiß nach Wildbad, das ihr so gut gethan hat, und dann mit der Braut nach Rußland gehen. Darüber hörte ich aber noch nichts. Der kleine Sohn von Nisi ist sterbend.55 Es soll ein so schönes, starkes Kind seyn, und nun durch Erkältung krank geworden, schreibt Warinka Nilidoff ihrer Schwester,56 die einige Zeit hier bey Elise Fersen wohnte. Elise soll wunderschön und blühend aussehen, aber nur erst wenig ausgehen. Gestern war der lieben Mathild Todestag, eine gar zu traurige Erinnerung. Ich ging zu ihren Töchtern,57 die sehr hoch wohnen, aber hübsch am Ende der neuen Dorotheen Straße. Wir saßen in einem allerliebsten Thurm mit der Aussicht nach dem Thiergarten und dem ehemaligen Exercier Plaz, wo nun Kroll58 ist und die vielen 52 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin sammelte Interieuransichten ihrer Kindheitsresidenz, des Kronprinzenpalais in Berlin, vor 1856, als der Architekt Heinrich Strack (1805– 1880) mit dem Umbau für Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen begann. 53 Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909) hatte sich verlobt mit Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891). 54 Taufe von Prinzessin Elisabeth von Preußen (1857–1895), geb. am 8. Febr. 55 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch Romanow (1856–1929), geb. am 6./18. Nov. 1856. Die Information war falsch. 56 Verm. Warwara Arkadjewna Nelidowa (1814–1897), russ. Hofdame und langjährige Geliebte von Kaiser Nikolaus I. von Russland, und eine ihrer noch vier lebenden Schwestern. 57 Die vier unverheirateten Töchter der verstorbenen Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 5. März 1855. 58 Kroll’scher Garten, später Kroll’sche Oper, 1843–1844 errichteter Gebäudekomplex mit Sälen und Gesellschaftsräumen für Bälle, Konzerte und Festlichkeiten.
290
Briefe 1851–1873
hübschen Häuser. Sie waren sehr bewegt, die armen Kinder. Es ist nun ganz ruhig hier geworden, nach dem die lezten Tage des Karnewals noch sehr belebt waren. Die Quadrillen waren recht hübsch im weißen Saal am mardi gras,59 besonders die Brandenburgische, an deren Spize Dönhofs Sohn und eine sehr hübsche Gräfin Sauerma allerliebst aussahen.60 Es wurde ungeheuer viel, mit wahrer Rage getanzt. Dienstag war ein ganz hübsches Concert bey uns, worin Clara Novello61 sang. Ihre Stimme ist noch immer wunderschön. Der Tod der Rochow62 hat Dir gewiß auch leid gethan! Für sie war dieses sanfte Ende eine Erlösung, sie hat viel gelitten. Humboldt macht uns viel Sorge.63 Schönlein64 glaubt nicht, daß er ganz hergestellt wird, obgleich seyn Fuß wieder Beweglichkeit hat. Er ist selbst sehr ängstlich über seinen Zustand. Wenn es ihn nur auf heilsame Gedanken brächte! Grimm war auf so gutem Wege, aber leider hat das Uebel gestern wieder angefangen. Brauchitsch ist sehr betrübt,65 Bonin sehr zufrieden,66 so auch der Würtemberg.67 Fritz Karl wäre, glaube ich, lieber nach Danzig, aber für Marianna ist es mir lieb, daß er noch in Potsdamm bleibt.68 Fritz Karl hat auch große Reise-Projekte nach dem Süden. Fritz will nichts von Marienbad hören, aber ich möchte, er ginge wieder hin, es hat ihm Gottlob so unglaublich wohl gethan. Ich soll wieder nach Tepliz, aber wann, weiß ich noch nicht. Nach dem schönsten Frühlingswetter hatten wir gestern kalt und heute Schnee, er ist aber schon wieder verschwunden. Nun lebe wohl, meine Adine, Fritz umarmt Dich. Viel Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
59 Frz. mardi gras = fetter Dienstag, frz. Bezeichnung für den Faschingsdienstag. 60 Brandenburgische Quadrille, aufgeführt auf dem letzten Karnevals-Hoffest am 24. Febr. im kgl. Schloss in Berlin, an der Spitze Karl Graf von Dönhoff (1833–1906), preuß. Kammerjunker, Sohn von Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), preuß. Schlosshauptmann und Oberhofmeister, und mglw. Anna Gräfin von Sauerma-Ruppersdorf (1837–1918). 61 Clara Novello (1818–1908), engl. Opernsängerin mit ital. Wurzeln. 62 Caroline von Rochow, geb. von der Marwitz (1792–1857), ehem. Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, gest. am 23. Febr. 63 Alexander von Humboldt (1769–1859), Wissenschaftler und Naturforscher, hatte im Febr. einen Schlaganfall erlitten. 64 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 65 Eduard von Brauchitsch (1798–1869), preuß. Generalmajor und Generaladjutant, wurde als Kommandeur der 2. Infanterie-Division nach Danzig versetzt. 66 Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Generalmajor und Generaladjutant, erhielt das Kommando über die 1. Garde-Infanterie-Brigade in Potsdam. 67 Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant, blieb Kommandeur der 2. Garde-Division in Berlin. 68 Prinz Friedrich Karl von Preußen, preuß. Generalleutnant, blieb Kommandeur der 1. Garde-Division in Potsdam.
1857
291 Berlin, den 28ten März 1857
Ich habe eben etwas Zeit, meine Adine, und will sie benuzen, um einen Brief an Dich anzufangen und für den Deinen herzlich zu danken. Wir sind zur Parade hieher gekommen und werden auch ein großes diné hier haben, um den Abend in’s Theater zu gehen. Es ist nicht schön heute, sehr trübe, regnet alle Augenblicke. Die Parade war nur kurz und klein. Der Würtemberg,69 der so lange zum rasend werden am Gesichtsschmerz gelitten wie seine Schwester,70 erschien wieder und sieht erbärmlich aus, ganz blaß und mager. Er sagte mir, ein Auffenthalt von Charlotte in Wildbad sey nun zweiffelhaft, hingegen von Baden die Rede. Daß ihre Pläne sich ganz geändert haben, seitdem ich Dir schrieb, wirst Du wohl jetzt wissen? Sie geht den 9ten oder 10ten nach Rom auf 3 bis 4 Wochen, dann nach Neapel und Palermo. Fritz reist den 14ten ab von hier und findet sie mit Gottes Hülfe in Rom, wo er 14 Tage zu bleiben denkt. Charlotte ist glückselig in dieser Erwartung, und Fritz freut sich sehr darauf. Noch spricht man hier nicht über diese Reise, also bitte ich Dich, nicht zu viel davon zu sprechen, obgleich es bald offiziell genug seyn wird. Karl hat eine sehr schöne Reise gemacht, fand es schon in Lyon ganz warm, und in Marseille und Toulon vollständige Sommerhize, Orangen, Veilchen, Palmen. In Antibes auf französischen Boden kam ihm Charlotte mit Costi und Olga entgegen. Er fand sie wohl. Er bleibt nur kurz in Nizza, geht nach Turin und dann nach Rom. Aus München habe ich Gottlob vortreffliche Nachrichten. Auguste71 hat kein Fieber mehr, viel Apetit, und die Kräfte kommen schon wieder. Gott bewahre sie vor schlimmen Folgen in der Zukunft. Nun bin ich in Angst um meine Nichte Sidonie,72 die das Scharlachfieber hat, was bey einem starken, vollsäftigen Körper ängstlich ist, aber Gottlob bis jetzt hat die Krankheit ihren normalen Verlauf. Wenn es nur Amelie selbst nicht bekömmt, das wäre schrecklich! Die Verlobung von Wilhelm von Barchfeld73 fand wirklich statt, gerade am Tage, wo er voriges Jahr den verrückten Brief an Addi schrieb. Für Luise ist diese Schwägerin höchst fatal und für Alexis die Sache auch sehr unangenehm.74 Mary ist wieder wohl. Zu einer Aenderung der Natur ist sie eben nicht zu jung. Sie ist ja schon 29 Jahre alt. Wie unbegreifflich ist es von Charlotte, ihre Tochter in Genf besuchen zu wollen!75 Wenn sie einmal in diese ménage hinein gerathen ist, dann kann sie in Peters69 Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant. 70 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 71 Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912), litt an einer chronischen Lungenkrankheit. 72 Prinzessin Sidonie von Sachsen (1834–1862), Tochter von Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern. 73 Prinz Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1831–1890) verlobte sich mit Prinzessin Maria von Hanau und zu Hořowitz (1839–1917), Tochter des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel aus einer morganatischen Beziehung. 74 Landgraf Alexis (1829–1905) und Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901). 75 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morga-
292
Briefe 1851–1873
burg nicht mehr zurück. Wenn sie doch das bedenken wollte! Elise Fersen war diese Tage bey mir mit Mutter Lorchen.76 Sie sieht blühend und vortrefflich aus. Der Ostwind ist endlich vorbey. Er war gräßlich und ich froh, in Charlottenburg zu seyn. Editha77 ist gar nicht wohl seit ihrer Ankunft aus Paris, auch Amelie Dönhof78 ist unwohl. Virginia79 und Editha waren von vielem sehr entzückt in Paris. Erstere, glaube ich, besonders von den Moden und den reichen Kaufleuten, und Editha von Versailles und den herrlich frischen Blumen. Nun will ich enden, meine Adine, und Dich in Gedenken umarmen und Deine Kinder grüßen. Lebe wohl, Du Liebe, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Charlottenburg, den 13ten April 1857 Wie oft schon, seitdem ich Deinen lieben Brief habe, meine Adine, habe ich mich hingesezt, um Dir dafür zu danken, und immer kam etwas dazwischen. Heute endlich habe ich Zeit, obgleich der gute Hengstenberg,80 wiewohl sehr schön, doch endlos predigte, aber wir essen um 4 Uhr und da ist der Morgen länger. Wir haben, wie Du es dachtest, am grünen Donnerstag das heilige Abendmahl genossen, hier in der Kapelle mit einem großen Theil der Familie. Fritz Louis und Georg81 waren nicht wohl. Adalbert ließ seinen Sohn in der Garnisonkirche einsegnen und ging mit ihm dort zum heiligen Abendmahl.82 Hingegen kam Fritz Wilhelm für die Feyer aus Breslau hieher, was uns sehr freute. Er reist heute Abend zurück. Ich habe für alle, nah und fern, gebetet, und Du gewiß auch. Gott wolle uns alle mit Seinem Frieden segnen. Was Du von Fritzens Reise sagst und Deine Freude für ihn und für Charlotten, gab mir Stiche in’s Herz, denn der arme Fritz hat diese lang ersehnte Reise schon längst wieder aufgegeben, und mit einer Ruhe und Selbstverläugnung, die mich sehr rührte. Charlotte ist sehr betrübt darüber. Als er sich entschloß, nach Rom zu gehen, glaubte er, die unglückselige Neufchâteler Angelegenheit würde bis dahin beendigt seyn. Sie ist es aber nicht, dank den lieben Engländern, die auch hier wieder wie überall eine erbärmliche Rolle spielen und den Eigensinn der Schweizer auf ’s kräftigste unterstüzen.83 So lange
76 77 78 79 80 81 82
83
natischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. Laurette von Rauch, geb. Reichsgräfin von Moltke (1790–1864). Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. Virginie Gräfin von Hacke (1823–1881), Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Wilhelm von Hengstenberg (1804–1880), seit 1854 vierter Hof- und Domprediger in Berlin. Prinz Georg von Preußen (1826–1902). Konfirmation von Adalbert von Barnim (1841–1860), Sohn von Prinz Adalbert von Preußen aus seiner morganatischen Ehe mit der ehem. Tänzerin Therese Freifrau von Barnim, geb. Elßler (1808– 1878). Nachdem eine Einmischung Großbritanniens drohte, wurde der Konflikt um den Kanton Neuen-
1857
293
nun das Loos dieser treuen Neuenburger nicht auf eine oder die andre Art entschieden ist, hält es Fritz für unrecht, eine so weite Reise zu machen. Es ist sehr traurig! Ich sollte nicht mit reisen, aber entgegenkommen, und wir hatten ähnliche Pläne gemacht, zu schön, um erfüllt zu werden. Wir waren schon so nahe daran, daß die Entsagung doppelt schmerzlich ist, aber es mag auch so besser seyn. Charlotte soll heute in Rom eintreffen und einen Monat dort bleiben. Ich werde wohl Anfang May nach Dresden gehen, wohin meine Schwester Sophie kömmt, die ich nun seit bald 3 Jahre nicht sah. Darauf freue ich mich, aber mit Zagen, denn das Scheitern unsrer schönen Pläne hat mich eingeschüchtert. Dein Sohn hat uns so dringend und liebevoll eingeladen. Sein Brief ist gar lieb und freundlich. Wir kommen sehr gern und freuen uns sehr, das schöne Schloß vollendet zu sehen und Schwerin im Glanz des Frühlings.84 Warum macht Ihr Euch die Tage so fatiguant? Du sagst selbst, sie würden sehr fatiguant seyn. Sage mir bitte, welche Art von toilette man braucht? Wie wird Dein armer Wilhelm sich nach Hause sehnen an dem Tage! Nun also ist er in Algier. Das wird ihn gewiß sehr interessiren. Heute ist meiner armen Linde 43ter Geburtstag.85 Ihr ist wohl, sie hatte viel zu tragen im Leben, an ihrem kränklichen Körper und an ihrer unglücklichen Ehe. Mein Bruder86 kam noch an ihr Sterbebett auf ihr dringendes Verlangen. Seine Gegenwart hat ihr die lezten Augenblicke erleichtert. Ihr Mann hat sie sehr gepflegt und war wirklich aufrichtig betrübt. Der Schmerz der Kinder soll herzzereißend gewesen seyn. Nun muß ich enden, meine Adine, ich bin so oft unterbrochen worden. Viel Liebes Deinen Kindern. Fritz umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 16ten April 1857 Geliebte Elis, Dein Brief an mich hat eine solche Freude verbreitet. Daß Du wirklich unsern großen Wunsch erfüllen willst und auch zur Einweihung87 her kommst, nein, das ist zu himmlisch. Gott wird ja verhüten, daß etwas dazwischen kommen wird. Obgleich der Gedanke zu schön ist! Wenn nur die fatiegen, die bei solchen Festen nicht ausbleiben können, Dir nicht zu viel werden, besonders der erste Tag. Allein, man ist hier in Meck-
84 85
86 87
burg unter Vermittlung von Kaiser Napoleon III. (1808–1873) im Vertrag von Paris am 26. Mai dadurch beigelegt, dass Preußen auf das Fürstentum Neuenburg verzichtete. Im Gegenzug gewährte die Schweiz den Preußenunterstützern Amnestie. Einladung von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen als Ehrengäste zur feierlichen Einweihung des umgebauten Schweriner Schlosses vom 26. bis zum 28. Mai. Théodelinde de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1814–1857), verh. 1841 mit Wilhelm Graf von Württemberg, Herzog von Urach (1810–1869), gest. am 1. April. Sie hinterließ vier Kinder im Alter von 8 bis 15 Jahren. Verm. Prinz Karl von Bayern (1795–1875). Einladung von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen als Ehrengäste zur feierlichen Einweihung des umgebauten Schweriner Schlosses vom 26. bis zum 28. Mai.
294
Briefe 1851–1873
lenburg so gewohnt, daß alle Mecklenburger Landstände zum Famillen-Fest gehören, und legen solchen großen Werth darauf, daß man die Cour und Diner am selben Tag haben muß, wenn man nicht alle tief betrüben will. Doch hoffe ich, wird es sich arangieren laßen, daß sie leicht abgemacht wird. Die Idee ist nun diese: Um 10 Uhr am 26ten Mai, Auguste ihrem Geburtstag, wird von ihrem Palais der Umzug in Staats-Galla-Wagen gehallten. Wir sehen das von meinem Palais mit an und fahren dann, wenn Fritz und Auguste in ihren Zimmern angekommen sind, nun auch im Schloß, wo Auguste erst die Glückwünsche empfängt, und dann geht man in die Kirche, aber alles in elegant montiertem Kleide mit Huth. Um 12 Uhr soll dies aus sein und jeder kehrt in sein Zimmer ein. Fritz und Du werden im Schloß wohnen. Wenn ihr nun am Abend vorher kämet, so würdet ihr die Nacht im Großherzoglichen Palais zubringen und am 26ten auch erst nach dem Schloß gehen. Um 3 Uhr ist dann am 26ten Cour bei Fritz und Auguste. Und dann würde man Euch abholen und in einen Saal oder Zimmer führen, wo nur knixCour ist und die Nahmen der Damen und Herren genannt würde. Darauf ist Diner, dies nun en manteaux. Abends ist nichts als für das Volk ein Fest im Schloß Garten, der illumeniert würde, was man vom Fenster sehen kann. Je nachdem, [wie] die Kräfte sind, trinkt man Thee zusammen oder jeder [geht] in sein Zimmer. Den 27ten würde vielleicht Parade sein, Diner auf dem Schloß mit den anwesenden Fremden und abends Galla Theater. Den 28ten kann der Morgen benutzt werden, wie man will, mittags Famille Diner, um Ruhe zu haben. Ich gebe aber bei mir großes Diner den Fremden, und abends ist Galla Ball auf dem Schloß. Damit beschließen die Feste. Ich habe Dir, geliebte Elis, nun alles recht ausführlich geschrieben, damit Du alles genau weißt. Zu dem Diner am 28ten würde ein sehr schön Seidenkleide und diadem auch auf thun, aber auch coiffure mit viele Stufen, abends im Theater natürlich weniger schöne Kleider, weil man sich alles verdürbe. Auf dem Kopf bliebe man wohl. Der Galla Ball wäre eben so. Nun aber, wie schrecklich schade, daß Fritz nicht nach Rom [kann]. Die abscheulichen Engländer.88 Und nun hat die Queen wieder eine Tochter.89 Es ist wirklich zu betrübt, daß dieser schöne Plan so gescheitert ist. Charlotte wird trostlos sein, und Fritz, welche Wonne [wäre es] für beide Theile, sich dort getroffen zu haben. Ich bin ganz geschlagen und fühle mit Euch. Auch für Dich wäre [es] also [ein] idealischer Plan gewesen. Es ist zum Weinen. Ja, man muß glauben, daß es so besser sein muß, aber schade bleibt es doch. Luise schickte mir einen Brief von Charlotte vom 7ten April, wo sie am 9ten sich einschiffen wollte. Sie geht ungern jetzt von Nizza, weil es nun erst anfängt, schön zu werden, und die Stille und Ruhe in der warmen Luft ihr so gut thut. Den Monat Juny will sie in Wildbad zubringen, wozu sie uns beide einladet, um uns in Ruhe zu sehen. Allein, ich bin dann in Marienbad und kann nicht hin. In Sanssouci würde sie nur ein paar Tage bleiben. Vielleicht kann ich sie auf der Rückreise nach Sanssouci unterweges auffangen. 88 Nachdem eine Einmischung Großbritanniens drohte, wurde der Konflikt um den Kanton Neuenburg unter Vermittlung von Kaiser Napoleon III. (1808–1873) im Vertrag von Paris am 26. Mai dadurch beigelegt, dass Preußen auf das Fürstentum Neuenburg verzichtete. 89 Geburt von Prinzessin Beatrice von Großbritannien und Irland (1857–1944) am 14. April.
1857
295
Nun leb wohl, geliebte Elis, nimm Dich nun jetzt doppelt in Acht, daß Du Dich auf der Ausflucht nach Dresden nicht erkeltest, damit Du nach Schwerin kommen kannst. Wir sind zu glücklich in dieser Hoffnung. Fritz und Auguste legen sich Dir zu Füßen und können keine Worte finden vor Wonne und Dank, daß Du kommen willst. Deine treue Adine Schwerin, den 31ten Mai 1857 Geliebte Elis, schon heute plage ich Dich mit meinem Brief. Aber ich muß Dir und Fritz noch so aus Herzens Grunde herzlich danken, daß Ihr unserm Feste den schönsten Schmuck gegeben durch Euren Besuch und Anwesenheit.90 Es war zu lieb von Euch, uns und dem ganzen Lande diese Freude zu bereiten, was aber auf das Tiefste anerkannt worden ist und auf keinen undankbaren Boden gefallen ist. Ich hoffe nur, daß Du, geliebte Elis, nicht zu fatigent gewesen bist und ein freundliches Andenken an diese für uns unvergeslichen Tage behallten wirst. Am Freitag folgten wir Dir auf Deine Reise und am kühlen Abend gedachten wir, daß ihr, so Gott will, glücklich in Charlottenburg angekommen seid und heut am schönen Pfingsfeste, was uns armen Kindern immer mit traurigen Gefühlen durchwebt ist,91 im geliebten Sanssouci etablirt bist. Marie von Strelitz, die nun bei Dir ist, wird Dir sagen, welch schönen Abend wir in Steinfeld am Freitag zugebracht. Es war zu schade, daß Du nicht auch diese Gegend mit den schönen Buchenwäldern kennen gelernt. Sage bitte auch an Marie, wie sehr uns ihre Anwesenheit beglückt und erfreut hat. Meiner Schwiegertochter geht es Gott sei Dank gut.92 Gestern hat sie einen ganz stillen und ruhigen Tag zugebracht. Verzeih noch eine Frage. Hat Fritz vielleicht die Idee, von Marienbad aus zum 13ten July nach Wildbad zu gehen und Charlotte am Geburtstag zu sehen? Leb wohl, Gott lohne Euch Eure Liebe, die ihr uns bewiesen. Deine treue, alte Adine Sans Souci, den 2ten Juny 1857 Meine Adine, obgleich wir uns so bald wieder sehen, so Gott will, schreibe ich Dir doch noch meinen Dank für Deinen lieben Brief, damit Dein Sohn und Deine Schwiegertochter in dem meinigen den Ausdruck unsrer Dankbarkeit finden für die liebevolle Aufnahme in Schwerin. Es waren so frohe Tage, an die wir so gerne denken. Wir sind mit den angenehmsten, wohlthuendsten Eindrücken zurückgekommen und voll des Entzü90 Besuch von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen als Ehrengäste zur feierlichen Einweihung des umgebauten Schweriner Schlosses vom 26. bis zum 28. Mai. 91 Am 7. Juni 1840, Pfingstsonntag, war König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840) gestorben. 92 Schwangerschaft mit Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920), geb. am 8. Dez.
296
Briefe 1851–1873
Abb. 8: Neben der Schlosskirche war der Goldene Saal das repräsentative Herzstück des Schweriner Schlosses. Er ging beim Brand des Schlosses 1913 verloren.
Abb. 9: Die Königswohnung im Schweriner Schloss geht auf die Anwesenheit König Friedrich Wilhelms IV. und Königin Elisabeths von Preußen bei der Einweihung des Schweriner Schlosses 1857 zurück. Die Zimmer beherbergten auch fortan hochrangige Gäste des Großherzogs.
1857
297
ckens über das herrliche Schloß, das mir noch immer eher wie ein schöner Traum als wie eine Wirklichkeit vorkömmt.93 Wie oft schon haben wir es beschrieben und die schönen Photographien gezeigt. Marie von Streliz hilft uns treulich darin, denn auch sie schwärmt dafür. Ich habe ihr Deinen Auftrag gleich gesagt, sie hat seitdem selbst Deinem Sohn geschrieben. Ich habe nur ein Bedauern, daß ich nicht in Steinfeld war, wovon mir Marie soviel erzählte. Es muß allerliebst seyn. Ich bin sehr froh, daß es Deiner Schwiegertochter gut geht. Jetzt kann sie sich wohl ausruhen in ihrer schönen Burg und wird viel in dem allerliebsten Gärtchen seyn. Unsre Rückreise war recht fatiguant durch den Besuch im Stift.94 Wir kamen erst um 11 Uhr nach Charlottenburg und den andern Tag hieher. Ich war todtmüde und habe eben nicht viel Zeit zum Ausruhen gehabt. Es melden sich so viele Leute, daß die diné’s nicht aufhören. Heute haben wir ein ganz polnisches. Fritz von Streliz kam mit seiner Mutter hieher und wurde leider so unwohl. Es war auch zu bitterkalt, und er nimmt sich so gar nicht in Acht. Ach, es ist zum Weinen, ihn in seinem trostlosen Zustand zu sehen.95 Er siht beynahe gar nichts mehr, und hier im fremden Ort, wo er sich gar nicht finden kann, kömmt ihm seine Lage noch trauriger vor. Man möchte immer weinen, wenn man ihn ansiht, den jungen Mann so ganz abhängig, ganz hülflos. Marie leidet unaussprechlich dabey. Gestern aß Nesselrode96 hier, recht wohl und munter, geht wieder nach Kissingen. Elise Fersen war auch hier, um Abschied zu nehmen. Wir bekamen auch gestern den Reiseplan des Kaysers.97 Sie schiffen sich, heißt das Kayser und Kayserin, den 30ten Juny mit Michel ein nach Kiel, bleiben die erste Nacht in Hamburg, die zweyte in Göttingen und wollen den 5ten July in Darmstadt ankommen, dort einen Tag bleiben, dann nach Wildbad gehen, von da nach Kissingen, von wo der Kayser wieder nach Hause reist. So viel wir wissen, reist Charlotte den 14ten von Wildbad ab. Fritz hat nicht die Absicht, zum 13ten nach Wildbad zu gehen, wenigstens sprach er nie davon. Und auch eine Kur wäre wohl, eine weitere Hetzreise mit obligatem Stuttgardt und vielleicht Carlsruhe, nicht zu wünschen. Fritz braucht Ruhe. Ich bin sehr betrübt für meine Schwestern und ihre Kinder wegen dem Tode der kleinen Sophie98 in Ofen. Das ist doch zu traurig, und doppelt so, da diese Reise für Kinder eine so große Unvorsichtigkeit war. Die armen Eltern kamen noch vor dem Tode nach Ofen zurück. Wenige Stunden nachher verschied das arme Kind aus Entkräftung. Sie soll allerliebst gewesen seyn. Die glänzende Reise ist furchtbar unterbrochen worden!
93 Besuch von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen als Ehrengäste zur feierlichen Einweihung des umgebauten Schweriner Schlosses vom 26. bis zum 28. Mai. 94 Verm. das Kloster Stift zum Heiligengrabe in der Prignitz. 95 Eine Augenverletzung führte über mehrere Jahre zur Erblindung des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz. 96 Karl Robert Reichsgraf von Nesselrode (1780–1862), 1845–1856 russ. Reichskanzler. 97 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 98 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich (1855–1857), älteste Tochter von Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) und Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837– 1898), gest. am 29. Mai in Buda.
298
Briefe 1851–1873
Du findest hier meinen guten Gustav,99 der übermorgen ankömmt von Dresden. Die Luft fängt endlich an, milder zu werden. Wir haben entsezlich hier gefroren, aber der Himmel ist wolkenlos und Sans Souci reizend. Lebe nun wohl, meine Adine, hoffentlich auf baldiges, frohes Wiedersehen. Grüße Deine Kinder herzlich von mir. Fritz umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Heute kam Grimm zum erstenmal wieder seit seiner Krankheit. Ich kann den Eindruck nicht los werden, ein dünnes, altes Männchen mit langer Nase und großen Augen, die noch so unsicher drein schauen. Er fühlt sich aber besser. Marienbad, den 27ten Juny 1857 Geliebte Elis, Dein Briefchen hat mich hoch erfreut, und ich werde gleich Deinen Auftrag an Charlotte ausrichten. Aber ein paar Worte von Dir selbst hätten ihr doch mehr Freude gemacht. Du kannst ja nur etwas größer schreiben, denn sie liebt Dich sehr. Übrigens ist jetzt Luise da, und die kann ihr Deine Briefe vorlesen. Eben bei unserm Caffé erhielt ich einen Brief von Luise. Sie findet Charlotte sehr wohl und munter. Sie geht viel und sieht alle Abend einige Menschen. Wegen der Abreise wäre noch nichts bestimt, entweder gleich nach dem 13ten July, wenn [sie] den nicht auf der Villa von Olly zubringt. Auch spukt eine Idee, nach Muskau zu Luise und Fritz Oranien zu gehen, vielleicht von Weimar aus. Allein, nichts ist fest bestimt. Ich denke immer, den 17ten oder 18ten kommt sie nach Sanssouci, worauf sie sich so freut. In Euern Plänen wird es dann keiner Änderung bedürfen. Nun möchte ich mich bei Dir, geliebte Elis, zum Sonntag Nachmittag anmelden. Fritz100 sagte mir, er reisete Sonntag von hier nach Carlsbad. Und da werde ich den Tag vorher mich auf den Weg machen, auch bis Karlsbad, Sonntag um 6 Uhr früh nach Teplitz. Ich hoffe, Graf Döhnhof101 wird mir eine Wohnung in Deiner Nähe finden, denn ich möchte den 6ten in Teplitz bleiben und reise dann am 7ten mit Fritz nach Wien, wo ich einige Tage bleibe, um Luise und Kinder zu sehen.102 Durch Fritz höre ich, daß Du zufrieden bist mit den Bädern. Ich muß doch den guten Dicken sehr loben. Er bemüht die Kur sehr streng und ordentlich. Und der Erfolg scheint bis jetzt höchst befriedigend. Wir sind sehr viel mit Amalie Adlerberg, die zu scharmant ist. Er ist sehr still.103 Eine
99 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 100 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 101 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Schlosshauptmann von Königsberg und Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 102 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, mit ihren vier Kindern. 103 Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz
299
1857
Fürstin Fugger104 ist auch hier, die ich sehr gerne habe. Und die gute Angelik Döhnhof105 mit ihrer Schwärmerei für Fritz, und [die] ganze Famille ist ausserordentlich unruhig. Jetzt muß ich toilette machen zur Einweihung unserer Kirche.106 Leb wohl, meine geliebte Elis, auf baldiges Wiedersehen. Deine treue Adine Ach, die Post ist schon fort, also morgen geht der Brief fort. Wien,107 den 10ten July 1857 Verzeih die confusion in meinem Kopf, daß ich nicht weiß, wo ich bin, anstatt Wien Marienbad [zu] schreiben. Ich sende Dir durch den Kammerdiener von Fritz den gewünschten Huth, doch sah ich ihn nicht selbst, da er erst angefertigt werden mußte in aller Eile. Noch muß ich Dir so recht von Herzen danken für Deine liebevolle Aufnahme in Teplitz. Die kurtzen Augenblicke mit Dir waren mir so lieb. Auch möchte ich, daß Du Fritz in meinem Nahmen noch recht dankst für alle Liebe und Freundschaft, die er mir die ganze Zeit in Marienbad und auf der Reise hier her bewiesen hat. Hier habe ich ihn nur flüchtig gestern bei [dem] großen Diner gesehen und will nun noch ein Lebwohl sagen an der Eisenbahn. Deine Schwester und Schwager108 waren sehr freundlich gegen mich. Von dem Äussern der Kaiserin109 bin ich entzückt. Sie hat prechtige braune Augen, ist weiß wie Schnee. Der Ausdruck soll jetzt lange nicht mehr so lieblich sein seit dem Tod des Kindes.110 Der Kaiser war auch ausserordentlich gnädig. Denke nur, Luise war auch zum Diner und wurde ausserordentlich geehrt, saß zwischen 2 Erzherzögen.111 Nun will ich Dir noch schnell mittheilen, was Luise112 mir gestern aus Wildbad mittheilte, daß (1773–1839), verh. 1855 mit Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Oberst und seit 1856 Gouverneur von Taurien. 104 Fürstin Franziska Fugger von Babenhausen, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Jagstberg (1807–1873), Witwe des Fürsten Anton Anselm Fugger von Babenhausen (1800–1836). 105 Angelique von Dohna-Lauck, geb. Gräfin von Dönhoff (1793–1866), Gutsbesitzerin auf Dönhoffstädt, Witwe des Georg Heinrich August von Dohna-Lauck (1779–1845). 106 Evang. Kirche in Marienbad, erbaut 1853–1857 und finanziert durch eine öffentliche Sammlung unter Schirmherrschaft des preuß. Königs. 107 Darunter gestrichen: „Marienbad“. 108 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), und ihr Mann Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878). 109 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898). 110 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich (1855–1857), gest. am 29. Mai in Buda. 111 Das österr. 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“, in dem Prinz Hugo von WindischGraetz als Oberstleutnant diente, war 1855 nach Himberg bei Wien verlegt worden. Die Stellung seiner Frau als einer geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin war am Wiener Hof aufgrund ihrer Verheiratung mit einem nichtregierenden Fürstenhaus zeremoniell problematisch. 112 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
300
Briefe 1851–1873
Charlotte den 14ten abreiset und am 16ten in Sanssouci ankömmet, 14 Tage bleibt, den 30ten sich einschiffen will. Sache wird den 25ten in Sans Souci sein und den 27ten sich einschiffen. Alles ist wohl und heiter. Nun leb wohl, geliebte Elis, ich hätte Dir ein paar Tage Ruhe gegönnt in Sanssouci, ehe Charlotte angekommen. Deine treue, alte Adine Den 15ten komme ich späth nach Berlin und bleibe die Nacht. Strelitz, den 12ten August 1857 Es ist wirklich zu arg, daß ich erst von hier aus Dir, geliebte Elis, schreiben kann. In Dobbran war so viel Unruhe mit dem Pferderennen und Hitze, daß ich zu nichts kam. Und doch hatte ich so Sehnsucht, Nachricht von Dir und Fritz zu bekommen, um zu wißen, wie die nun endlich eingekehrte Ruhe Euch beiden bekömt, ob Fritz sich wieder ganz erholt und recht vernünftig lebt. Heute ist nun der Geburtstag vom guten alten Onkel,113 den ich recht wohl gestern Abend fand, besser wie in Sanssouci und glückselig, George mit Frau und Kind114 zu haben, die unmittelbar vor mir in Strelitz angekommen waren. Im Vorbeifahren vor Remplin begegnete ich George und Katy, die ausgefahren waren. Ich stieg aus und machte meinen Besuch bei ihnen. Wie das Schloß schön wird, was nach und nach ausgebaut wird und wie daß eingerichtet, mit welchem Luxus und comfor, hat man keinen Begriff. Ich fand mich in Petersburg wieder, obgleich die meisten Zimmer im Schatten sind. Aber es ist alles mit einem Geschmack, wie man selten findet, und so schöne Möbel, Porcelan, Broncen usw.115 Die heißen Stunden blieb ich in einer kleinen Stadt in Staffenhagen bei einem Herrn von Brandenstein, dessen Sohn mit Wilhelm reiset.116 Und so kam ich gegen 9 Uhr ganz kühl hier an. Der heutige Tag wird ziemlich ruhig vergehen, um ½ 10 Uhr Kaffe mit Marie und Auguste117 auf dem Balkon, wo es kühl ist und der hübsche Blick nach dem Garten ist, wo alle die schönen Geschenke, die Fritz118 seit Jahren an [den] Onkel schenkt, aufgestellt sind. Um 12 Uhr wird erst dem Onkel gratuliert, vorher Parade. Wegen [der] Hitze und vielen Menschen wird nicht nach Hohenzieritz zum Eßen gefahren, sondern 113 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz feierte am 12. Aug. seinen 78. Geburtstag. 114 Herzogin Helene zu Mecklenburg-Strelitz (1857–1936), geb. am 4./16. Jan. in St. Petersburg. 115 1852 hatte Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz mit den Brautgeldern seiner russ. Frau das Gut und Schloss Remplin als Familienfideikommiss für sich und seine Nachkommen gekauft und residenzartig umbauen lassen. Das Haus Mecklenburg-Strelitz besaß damit ein bedeutendes, landstandsfähiges Gut im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. 116 Werner Friedrich Hartwig Freiherr von Brandenstein (1792–1864). Dessen Sohn Georg Freiherr von Brandenstein (1827–1897), mklbg.-schw. Premierleutnant, war Begleiter von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin auf dessen fluchtartiger Auslandsreise nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee. 117 Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 118 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
1857
301
en famille gegessen, abends dann aber soireé in die Orangerie, was heiß und fatigant werden könnte. Die Prinzeßin von Dänemark (Luise von Dessau)119 ist mit Marie aus Rumpenheim gekommen, so daß viele Fürstlichkeiten [hier] sind. Mein Sohn ist auch ganz früh angekommen, geht die Nacht zurück nach Schwerin, wo Auguste heute ankömmt.120 Ich werde bis morgen Abend bleiben und die Nacht zurück nach Dobbran reisen, denn die Hitze ist heute groß. Durch George habe ich gehört, daß Charlotte sehr wohl ist. Alle Menschen sind glückselig. Sie ginge so schnell und gut, hat Katy den anderen Tag nach ihrer Ankunft in Orangenbaum121 besucht und wäre unermüdlich. Macht Lönn122 seine Berichte schon ordentlich? Hier will man wißen, daß Fritz Wilhelm zur Hochzeit von Mische nach Petersburg ginge.123 Ist es wirklich wahr? Die Kleine von George ist sehr hübsch, sieht dem Papa und Mama ehnlich. Nun leb wohl, geliebte Elis, mit Sehnsucht sehe ich einem Brief von Dir entgegen. Deine treue Adine Dobbran, den 31ten August 1857 Geliebte Elis, ich glaube fast, ich habe Dir noch garnicht gedankt für Deinen lieben Brief, mit der Einlage von Charlotte, der mir so viel Freude gemacht. Nun sind alle Feste in Petersburg überstanden und alles ist in Peterhof, wo es eben so himlisch sein muß wie bei uns hier am Meer. Hier hätte ich [mir] Fritz mit Dir und liebenswürdiger Wärme hergewünscht. Diese herliche, stärkende Luft, wo es mir zu heiß ist, wäre recht etwas für Euch gewesen, um von der Welt auszuruhen. Wir führen dies Jahr ein so stilles und ruhiges Leben, laßen [die] Badegesellschaft ganz für sich leben. Die amüsiren sich prächtig für sich, und wir sind glücklich für uns, genießen das himlische Wetter so recht in vollen Zügen. Wenn der September auch noch so bleibt, so werden wir den Monat hier zubringen. Es kann sich aber leicht ändern. Wie freue ich mich zu hören, daß Fritz die Flußbäder so gut bekommen. Nun kommen aber die Manöver. Wird er die in Magdeburg mit machen? Wenn es ihm nur nicht zu fatigiert. Das Feuer in Magdeburg124 ist zu schrecklich gewesen. Überhaubt hört man so viel von Feuersbrünsten. In Indien geht es furchtbar zu. England wird für all sein Unglück, was es in der Welt verbreitet, düchtig ge119 Prinzessin Luise von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1817–1898), verh. 1842 mit Herzog Christian (IX.) von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1818–1906), dän. Thronfolger. 120 Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. 121 Oranienbaum (bis 1948), heute Lomonossow. 122 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), seit Juli 1857 preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 123 Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909) heiratete am 16./28. Aug. in St. Petersburg Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891). 124 Am 24. Aug. hatte ein großer Brand zahlreiche Wohn- und Wirtschaftsgebäude in Magdeburg zerstört oder beschädigt. König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen besuchten die Stadt auf dem Weg zu den Herbstmanövern.
302
Briefe 1851–1873
straft.125 Meine Schwiegermama ist jetzt hier bei uns und ist glückselig, hier am Damm zu wohnen. Die schöne Luft thut ihr gut. Sie wird ganz kräftig, macht wieder große Promenaden, woran sie noch garnicht gedacht, seit sie im Winter krank gewesen. Sie ist so heiter hier und bleibt 8 Tage. Dann muß sie leider fort, weil das Quartier noch bestellt ist. Das Bad ist noch so besucht wie kein Jahr. Alle Quartiere sind den September über besetzt. Nun leb wohl. Ich werde wohl nicht nach Berlin kommen, wenn der Kaiser126 kömmt, da Marie von Altenburg bei mir wohnt und ich den 15ten eigentlich nicht gern in der Welt verbringe, wenn ich nicht grade schon darin bin. Du weißt wohl nicht, wann er mit Kaiserin Marie wieder bei Euch durch kömmt? Auch möchte ich gern zum 3ten Oktober in Sanssouci sein, zum Jubiläum vom 1ten Garde Regiment, wenn es gefeiert wird?127 Nun leb wohl, geliebte Elis. Ich freue mich, daß William in Sanssouci war. Nun ist wohl alles ausgeglichen. An Fritz tausend Liebes. Mein Fritz reiset morgen auf einen Monat fort, um alle möglichen Manöver mit zu machen. Deine treue, alte Adine Schwerin, den 6ten December 1857 Meine theuere Elis, eben wirst Du daß heilige Abendmahl nehmen und den Trost des Herrn empfangen. Der Herr wird Dich segnen und Dir Kraft geben, die schweren Tage und das Leid, was er Dir auferlegt, zu tragen. Es ist eine Prüfungs Zeit für Dich und für uns alle, die den theueren Bruder so lieben.128 Es soll uns zum Heil gereichen und dem lieben Kranken auch. Der Herr will uns den Weg zeigen, der nur zu ihm allein führt, durch Glaube und Hoffnung. Und Er ist die Liebe, der seine Kinder nicht verläßt. Und wenn wir es auch nicht mit menschlichen Augen erkennen können, so möge diese heilige Handlung Dich recht erquicken und wohlthun. Unter vielen Thränen fuhr ich vorgestern nach Berlin. Es wurde mir zu schwer, mich von Dir zu trennen. Ich bin wirklich so eingebildet zu glauben, daß ich Dir doch manchmal nützlich war und auch Fritz eine kleine Abwechslung brachte. Wenn ich so beim Caffe, Eßen und Abend erschien, ich fühlte 125 Der Indische Aufstand von 1857 (Sepoyaufstand) gegen die Kolonialherrschaft der Britischen Ostindien-Kompanie wurde durch brit. Truppen bis Anfang 1859 brutal niedergeschlagen. Er führte zur Auflösung der Britischen Ostindien-Kompagnie und zur Umwandlung des größten Teils von Indien in eine Kronkolonie. 126 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 127 Das preuß. 1. Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam war das Leibregiment der preuß. Könige, die zugleich Regimentschefs waren. 128 Nachdem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 6. Okt. eine Reise nach Primkenau in Schlesien „wegen leichten Unwohlseins“ abgesagt hatte, verschlechterte sich seine Gesundheit. In der Nacht vom 8. zum 9. Okt. erlitt er einen Schlaganfall („heftige Congestionen nach dem Gehirn“), der auch zu dauerhaften Gedächtnis- und Sprachstörungen führte. Siehe Kgl. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 239 vom 10. Okt. und Brief vom 25. Dez. 1857. Die Stellvertretung der Regierungsgeschäfte übernahm am 23. Okt. zunächst für drei Monate Wilhelm (I.) Prinz von Preußen. Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin unterstützte ihre Schwägerin bei der Pflege des kranken Königs vom 1. Okt. bis zum 5. Dez.
1857
303
wohl, wie sehr einfältig ich oft war. Aber ich kann mich nicht anders machen, als ich bin, und habe daher recht um Verzeihung zu bitten, wenn ich Dir manchmal zur Last war. Aber treu meine ich es. Und meine Liebe zu Dir ist in dieser schweren Zeit, wenn es möglich wäre, noch inniger geworden, wie ja überhaubt die Herzen in ernster, schwerer Zeit sich mehr an einander und sich mehr auf schließen. Verzeih mir also alles, was ich Dummes und Ungeschicktes gethan. Ein großer Trost war mir, gestern in Ludwigslust Deine tröstliche Antwort schon vorzufinden, denn ich lebe noch ganz mit Euch, ihr Lieben, fort. In Ludwigslust fand ich meine Schwiegermama mit 81 Jahren so wohl und rüstig, wie ich es garnicht erwartet. Deine und Fritzes Grüße haben sie unendlich beglückt. Bei meiner armen Alexandrine Klein war ich auch, die tief tief betrübt über den Tod ihrer Mutter ist, eben so ihre beiden unversorgten Schwestern.129 Aber sie tragen diesen großen Verlust mit solcher kindlichen Ergebung und leben so fort in dem wahrhaft schönen, christlichen Ende ihrer Mutter, der ihnen Trost gewehrt. Es ist wirklich erhabend, wie sie sind. Hier in Schwerin fand ich meinen Sohn auf dem Bahnhof und mehrere Damen, die mir näher stehen. Ich fuhr gleich auf dem Schloß zu Auguste, wo ich mit Jubel von den Enkeln empfangen wurde, ebenso von ihr, die so wohl und hübsch aussieht, trotz ihrem großen Umpfang.130 Alles war voll Liebe und Freude, mich wieder zu haben. Um 10 Uhr gehe ich zur Kirche, wo ich für Dich und den lieben Fritz beten werde. Gott wird unser Flehen erhören und ihn immer besser und klarer werden laßen, und daß das Sprechen nur auch bald besser wird. Gott stärkte Dich in inniger treuer Liebe. Deine alte Adine Schwerin, den 7ten December 1857 Verzeih, wenn ich heute schon wieder schreibe, aber dies Mal ist es ein Auftrag von Schwester Luise, die mich noch in Charlottenburg glaubte, wo ich förmlich auch noch immer mehr bin als hier. Von jedem Abschnitt des Tages möchte ich wißen, wie es dem lieben Fritz geht und wie es Dir geht, meine geliebte Elis. Wenn ich doch jetzt zum Caffee herauf gehen könnte im kleinen Cabinet und Dir helfen, rathen und wüßte, wie Fritz und Du geschlafen, wie der Besuch vom Minister Manteufel abgelaufen. Kleist131 soll Sonnabend ganz entzückt gewesen sein, wie er Fritz prächtig und gut gefunden. Aber nun zu meinem Auftrag. Luise läßt Dir sagen, wie viel sie Deiner am 29ten gedacht habe, wo es 34 Jahr von Deiner Hochzeit und wo Du uns als liebe Schwester geschenkt wurdest. Ich vorzüglich segne den Tag, denn Du, geliebte Elis, bist mir so unbeschreiblich lieb und 129 Alexandrine von Klein (1826–1873), mklbg.-schw. Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, und ihre unverheirateten Schwestern Amalie (1829–1907) und Friederike von Klein (1830–1915) nach dem Tod der Mutter Eleonore von Klein, geb. von Oertzen (1797– 1857), gest. am 12. Nov. 130 Bevorstehende Geburt von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920) am 8. Dez. 131 Mglw. Adolf von Kleist (1793–1866), preuß. Jurist, Vizepräsident des Geheimen Obertribunalgerichts a.D. und Jugendfreund König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.
304
Briefe 1851–1873
werth. Ich bete täglich für Dich, daß der Herr Dir Kraft geistig wie körperlich giebt, diese Prüfungs-Zeit durch zu machen. Luise sagt, der Tag müßte recht wehmüthig gewesen sein, wie jetzt alles in dieser Zeit. Auch hatte sie Deinen Auftrag an Fritz132 ausgerichtet wegen dem Buch von Gagern,133 worüber Du Dich und Dein Bruder Carl134 so geärgert. Es hatte ihn sehr amüsiert. Den andern Tag, den 4ten, sollte Fritz Wilhelm kommen, worauf sie sich sehr freute. Er wird bei ihr wohnen. Am Sonnabend wollte der König135 ihm ein Diner mit Famille und Hof geben. Die Besuche bei der Marquise136 wären fatigant. Das Entzücken der jüngeren Marquise137 von Louis Napoleon138 ginge ihr zu weit. Es wäre die Rede gewesen von der soirée mit den jeux d’esprit.139 Da sagte sie, die Amélie von Griechenland140 wäre so störend dabei gewesen, sie hätte so garnicht hinein gepaßt. Wie Luise bemerkt, nach ihrem Gefühl wäre der hohe Gast der aller fremdeste gewesen! Nun leb wohl, Geliebtes, ich küße Fritz herzlich. Hier ist die größte Theilnahme und im Lande. Deine treue Adine Ich hoffe, Treskow141 schreibt bald. George Gröben142 schrieb mir gestern sehr ausführlich und recht befriedigend. Etwas rechne ich ab, da er nicht die Stunden im Zimmer erlebt [hat]. Schwerin, den 8ten December 1857 Da Du immer so gnädig bist und Dich wie der liebe Fritz für unsere Famille interessierst, so melde ich denn die glückliche Niederkunft meiner Schwiegertochter mit einem prächtigen Jungen.143 Es ging alles so nach Wunsch, zwar anfangs langsam, dann aber rascher, 132 Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881). 133 Biografie von Heinrich von Gagern (1799–1880), liberaler Politiker und 1848 Präsident der Frankfurter Nationalversammlung, über seinen Bruder, den niederl. General Friedrich von Gagern (1794–1848), der 1848 als Befehlshaber der Bundesarmee beim „Heckeraufstand“ in Baden gefallen war. Siehe Gagern, Heinrich von: Das Leben des Generals Friedrich von Gagern, 3 Bde., Leipzig 1856–1857. 134 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 135 König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890). 136 Verm. Claire Éléonore d’André, geb. Reynaud de Lascours de Boulogne (1803–1887), verh. 1828 mit Antoine Joseph Maurice Baron d’André, gen. Marquis d’André (1789–1860), frz. General, Senator und Gesandter in den Niederlanden. 137 Verm. Thérèse Pauline Béatrice d’André (1838–1910), Tochter des frz. Gesandten in den Niederlanden, verh. 1857 mit Guillaume Stanislas Florestan Bauquet, Marquis de Grandval (1809–1875). 138 Kaiser Napoleon III. (1808–1873). 139 Frz. = Denkspiele. 140 Königin Amalie von Griechenland, geb. Prinzessin von Oldenburg (1818–1875), verh. 1836 mit König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867). 141 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 142 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. 143 Geburt von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920) am 8. Dez.
1857
305
und dadurch behielt sie Kraft zum allerletzten Moment. Der Kleine hatte gleich eine sehr vernehmliche Stimme und sieht ganz hübsch aus, mit braunem Haar und dunkelblauen Augen. Gott wird ja geben, daß alles gut bleibt und ich wirklich nach Weihnachten kommen kann, ohne Sorgen zurück zu laßen. Für Deinen lieben, herzlichen Brief, der für mich so viel Beweise der Liebe enthielt, kann ich garnicht genug danken, da ich ja weiß, daß es grade in Deiner einzigen Ruhe Stunde geschrieben war. Gott vergelte Dir dies. Jedes Wort, was mir zu kömmt über Fritz sein Befinden, beglückt mich, und ich sehe mit Ungeduld der Poststunde entgegen. Treskow schreibt mir alle 2 Tage, George Gröben gab mir noch Sonnabend ausführlich Nachricht.144 Bitte danke Treskow dafür. Leider muß ich schnell schließen, die Eisenbahn ruft. Gott mit Dir und Fritz. Ich bete für Euch beide. Deine alte Adine Charlottenburg, den 9ten Dezember 1857 Drey liebe Briefe habe ich schon von Dir, meine Adine. Tausend herzlichen Dank dafür und für die frohe Nachricht durch Telegraph.145 Ich hatte eben Deinem Sohn geantwortet, als Deine dépèche ankam, da nahm ich mir vor, lieber schrifftlich heute zu antworten. Die glückliche Entbindung erfreute mich schon an sich sehr, aber doppelt, weil Du nicht zu warten hattest und zu rechter Zeit ankamst und auch, so Gott will, durch nichts verhindert seyn wirst, wieder zu kommen. Nein, wie kannst Du Dich so schlecht machen und behaupten, Du seyst ungeschickt gewesen, und ich weiß nicht was! Das kannst Du im Ernst nicht glauben. Du warst ja so lieb und hülfreich und tröstlich für mich, und so besonnen in Deiner Hülfe, so vortrefflich! Deinem Sohn und Auguste wünsche ich von Herzen Glück. Fritz geht es Gottlob gut. Er hatte gestern bis gegen Mittag eine so vollkommene Klarheit, daß er ganz glückselig war. Es blieb leider nicht, aber ich meine, es kann wieder kommen. Es war auch mehr eine äußere Ursache, die ihn störte, Aufregung zuerst über den Wagen und dann über militärische Veränderungen. Dadurch konnte er vor Tisch nicht schlafen. Dann war auch vor dem Ausfahren der Würtemberger146 bey ihm, und gleich drauf Fritz Wilhelm, der sehr entzückt vom Haag erzählte und von der Aufnahme in Luisens Haus. Das war ein wenig zu viel. Doch war der Apetit gestern vorzüglich, und nach seiner Suppe konnte er die Matroshka Münster147 sehen eine Viertelstunde, und das ging ganz gut, bis auf die Verwechselung der Geschlechter. Der Anfang der Nacht war nicht ruhig, dann aber vortrefflich. Statt dem Sopha steht jetzt eine zweyte chaise longue in meinem Wohnzimmer, worauf sich Fritz vor Tisch legt. Vorgestern schlief er da ganz vortrefflich und heute auch. Ich kann dann auch ruhen, und so ist uns beyden 144 Hermann von Tresckow (1818–1900) und Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Majore und Flügeladjutanten. 145 Geburt von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920) am 8. Dez. 146 Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant. 147 Verm. Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Oberst, ehem. preuß. Militärbevollmächtigter in Russland und seit 1856 Kommandeur des Regiments Gardes du Corps.
306
Briefe 1851–1873
geholfen, und ich bin so froh über das amusement, das sich Fritz selbst ausdachte. Der Besuch des Minister Manteuffel war nicht glücklich, und er nahm einen greulichen Eindruck mit fort, den ich ebenso empfand. Fritz sprach nicht gut und hatte die unbegreiffliche Idee, ihm alle Namen vorzulesen, die er schon weiß, und die gingen nicht einmal gut. Für jemand, der ihn noch nicht gesehen hatte, also gar nicht beurtheilen kann, daß das in unsern Augen ein Fortschritt ist, mußte das schmerzlich seyn. Dann fing er von Geschäfften an, und das ging auch nicht, ich war ausser mir. Mit Edwin Manteuffel148 ging es gestern weit besser, und endlich auch mit Meyrink,149 der den Abend hier war. Wrangel150 kam heute auf einen Augenblick, und vor einer Stunde Humboldt,151 Massow152 und Meyrink. Das war wieder zu viel auf einmal, und es wollte mit dem Sprechen nicht gehen. Ueberhaupt, so wohl ich Gottlob Fritz übrigens finde und auch heiter, so wenig finde ich Fortschritte im Sprechen. Aber das wird ja, so Gott will, kommen. Treskow153 hat auch an Luise geschrieben und wird an Loén154 schreiben. Wie schön sprichst Du vom heiligen Abendmahl und von der schweren Prüfung, die uns Gott auferlegte. Ach, wenn wir sie nur gut und treu bestehen und uns Seinem Willen ganz unterwerfen. Wäre er nicht König, wie ruhig könnte man in die Zukunft sehen, geduldig abwarten, aber so! Du kannst Dir denken, daß unser guter Gerlach155 mit dem besten Willen mir die Sorge für die Zukunft aufspart. Manteuffel scheint die englischen Reise Pläne zu wissen, durch wen, weiß ich nicht.156 Da ist eben Weiß,157 der mich unterbricht. Er sagt, der alte Luck158 sey doch schon sehr stumpf und schliefe viel. Nun lebe wohl, meine Adine. Fritz umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
148 Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Chef des preuß. Militärkabinetts. 149 Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann und wirkl. Geheimer Rat. 150 Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877), preuß. Generalfeldmarschall, Oberkommandierender in den Marken und Gouverneur von Berlin. 151 Alexander von Humboldt (1769–1859), Wissenschaftler und Naturforscher, hatte selbst im Febr. einen Schlaganfall erlitten. 152 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses. 153 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 154 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), seit Juli 1857 preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 155 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 156 Mglw. die Heirat von Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901). 157 Dr. Weiß, preuß. Oberstabsarzt und Geheimer Sanitätsrat, Regimentsarzt im 1. Garde-UlanenRegiment, Leibarzt von Prinz Carl von Preußen. 158 Hans von Luck (1775–1859), preuß. General der Infanterie und Generaladjutant a.D.
307
1857
Schwerin, den 10ten December 1857 Meine liebe Elise, eben erhielt ich Deinen lieben Brief von gestern, mit so abwechselnden Eindrücken. So recht, wie ich es kann, und mein Herz ist doch recht schwer, so fern von Dir zu sein. Denn ich sah mich so ganz zu Euch versetzt und durchlebte jede Stunde mit. Gott wolle nur hier alles gut erhallten wie bis jetzt, aber es sind nur erst 2 Tage. Auguste hat ziemlich ruhige Nächte, bis jetzt noch kein Fieber. Der Kleine159 gedeiht auch, schreit etwas heiser und mit feiner Stimme, ist ein kleines, niedliches Kind. Die neue Einrichtung der chaiselonge für Fritz in Deinem Wohnzimmer finde ich sehr gut. Da hast Du doch mehr Ruhe. Möge der Himmel den lieben Fritz in seinen Schutz nehmen und ihn immer besser werden laßen. Wenn nur das Sprechen endlich einmal einen Fortschritt machen wollte! Es war doch zu schade, daß Minister Manteufel ihn so wenig gut gesehen und auch die 3 andern Herren. Siehe nur recht darauf, geliebte Elis, daß er nicht zu viel Menschen hintereinander und auf einmal sieht. Daß kann sein Kopf nicht leisten. Es kann so leicht etwas zu viel geschen, was schadet. Es liegt oft in solcher Kleinigkeit. Schrieb ich schon, daß es mit der Fürstin Reuß160 ihr Herkommen sehr ungewiß ist, indem die unglückliche Tochter Luise161 sehr krank ist? Sie hat Bluterbrechen gehabt und ist sehr schwach. Aber ich habe schon mit meinem Sohn gesprochen, daß vielleicht Marie Stolberg162 dann kommen kann und mich ablösen, damit ich Auguste in guten Händen weiß und ruhig sie verlaßen kann. Verzeih, wenn ich hier schon schließe, aber ich habe ein bischen viel zu schreiben, und die 3 Kinder nehmen mich auch in Anspruch. Gott nehme Dich und Fritz in seinen gnädigen Schutz. Deine alte, treue Adine Schwerin, den 14ten December 1857 Meine geliebte Elis, recht lange habe ich Dir nicht geschrieben, obgleich meine Gedanken immer bei Euch Lieben weilen. Aber von hier kann ich eigentlich garnichts schreiben, was Dir nur irgent interessiren könnte. Auguste war 3 Tage garnicht gut. Sie bekam den 3ten Tag Fieber mit zunehmenden Schmertzen im Leibe, was den Artz weiter nicht beunruhigte. Es stöhrte sie aber im Schlaf und nahm ihr die Kraft. Seit gestern geht es nun besser, und sie ist heute umgebettet worden, was besser ging, als wir erwarteten. Durch Treskow163 habe ich so fleißig Nachricht gehabt und so ausführlich, daß ich nicht genug dankbar sein kann. Nun hoffe ich auf morgen, wo Hohenloh164 berichtet. Doch so werden die Briefe gewiß nicht sein, da er auch von anderen Dingen schreibt, die mich interessieren. Natürlich von Dir, geliebte Elis, gab er mir auch Nachricht und meint, Du hieltest Dich bewun159 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920), geb. am 8. Dez. 160 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 161 Prinzessin Luise von Reuß-Köstritz (1832–1862) war schwer krank. 162 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 163 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 164 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant.
308
Briefe 1851–1873
dernswerth, auch von Niebur165 und so weiter. Gott wolle Dir seine Kraft ferner schenken und auch den geliebten Fritz täglich segnen und neue Lebenskraft geben und ihn mit Muth beleben. Ich darf mich garnicht so lebendig zu Euch denken und in Gedanken alles mit durchmachen. Dann wird mir das Herz so schwer, so fern von Dir zu sein. Und hier bin ich doch auf diesen Augenblick sehr nöthig, denn Auguste ist garzu schwach. Dies wird sich hoffentlich bald geben. Nun leb wohl, von Charlotte hatte ich hier einen Brief mit so viel Theilnahme. Sie will genau wißen, wie es mit Fritz steht. Ich soll ihr kein Geheimniß machen. Sie könnte alles ertragen nach dem, was sie selbst ertragen hat müßen. Nur Gott hilft in der Noth und wendet alles nach seinem Willen, auf ihn bauen wir fest. Ich bin Dir immer nahe mit meinen Gedanken und möchte Dir helfen. Deine treue Adine Sag an Fritz tausend Liebes. Charlottenburg, den 20ten Dezember 1857 Ich bin trostlos zu hören, meine Adine, daß Du 4 Tage ohne Nachrichten warst. Ich war so überzeugt von Hohenlohes166 Pünktlichkeit, daß ich ganz ruhig war. Durch den Telegraphen hast Du heute schon erfahren, daß Fritz in der Kapelle war, oder vielmehr mit mir in der Porcellankammer an der Thür, wo wir ganz gut hören konnten. Wilhelm und Auguste, Fritz Wilhelm, Fritz Karl und Addy saßen auf unsern gewöhnlichen Pläzen. Fritz hatte auch durchaus wie sonst in der Kapelle seyn wollen, aber die Aerzte fürchteten mit Recht die Hize, die vielen Menschen, nach den langen, einsamen Gewohnheiten und dem ersten Eindruck der Orgel und des Gesangs. Strauß167 predigte ganz kurz. Das Ganze dauerte nicht eine Stunde. Fritz hielt es gut aus, aber er ist doch jetzt sehr angegriffen, und man merkte es gleich am Sprechen. Die Nacht war über alle Beschreibung gut und ruhig. Jetzt eben sind wir im Regen sehr viel herum gefahren, an gehen ist nicht zu denken, und er legte sich in diesem Augenblick auf die chaise longue. Die ganze Woche war sehr gut. Er sah allerley Leute, und Mitwoch fühlte er sich so klar und gut, daß er vor Glückseligkeit weinte. Wie unglücklich muß er seyn, daß diese kleine Besserung ihn so beglückte. Die ersten Thränen schienen mir auch ein Fortschritt, denn er klagte ja, daß sie ihm fehlten seit der Krankheit. Deine beyden lieben Briefe beantworte ich recht spät, meine Adine. Verzeihe es mir, Du weißt selbst, wie gemessen meine Zeit ist. Noch sind die Geburtstags Briefe nicht alle beantwortet! Von Loén168 kam gestern ein recht interes165 Marcus von Niebuhr (1817–1860), preuß. Kabinettsrat im Ministerium des Kgl. Hauses. Der Diebstahl vertraulicher Dokumente 1855 hatte bei ihm zu gesundheitlichen Problemen geführt. Siehe Brief vom 12. März 1856. 166 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 167 Friedrich Strauß (1786–1863), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin und Prof. für Praktische Theologie. 168 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), seit Juli 1857 preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
1857
309
santer Brief. Man verzieht ihn unglaublich bey Charlotte und bey Sache. Einen Tag aß er ganz allein mit Charlotte und der Tiesenhausen!169 Ich kann mir ihn gar nicht so denken. Charlotte las ihm zwey Briefe von Dir vor. Von Luise hatte ich vor einigen Tagen einen lieben Brief. Dein lezter Brief machte mich etwas besorgt für Deine Schwiegertochter, desto mehr freute mich die heutige Nachricht, daß sie aufgestanden ist. Ich hoffe, ihre Gesundheit wird Dich nicht hindern, zu uns zu kommen. Aber ich bitte Dich, so sehr wir uns freuen, Dich wieder zu sehen, komme nur, wenn Du ganz ruhig seyn kannst und sie selbst Dich nicht zu ungern mißt. Ihre Schwester170 soll hoffnungslos seyn, schreibt Anna Reuß171 an Addy. Es ist sehr traurig, aber für das arme Wesen doch ein Glück. Wilhelm wird wohl nach England gehen, denke Dir.172 Fritz fürchtet es ganz recht, und natürlich eben so Manteuffel und Gerlach.173 Wir beyde, Du und ich, hatten das anders beurtheilt, und ich fürchte doch, daß es im Land keinen guten Eindruck machen wird. Auguste sieht erbärmlich aus, ist sehr leidend, und ich begreiffe nicht, wie sie die Fatiguen der Reise und der Feste ertragen wird. Das junge Paar soll über Brüssel, Cölln, Hannover den 6ten Februar in Potsdamm ankommen, dort den 7ten als einen Sonntag bleiben und den 8ten in Berlin einziehen. Ich werde sie im Schloß von Berlin empfangen und dann vor dem diné fort fahren oder gleich nach Potsdamm, wenn Fritz schon dort ist, oder ihn in Charlottenburg abholen. So lange er noch nicht ordentlich spricht, will er die neue Nichte nicht sehen. Fritz Wilhelm hat sich nach der Cour einen Polonaisenball ausgebeten. Stell Dir vor, daß er durchaus einen Fackeltanz wollte, und daß man ihn mit Mühe davon abbrachte. Es soll ein Theater pari seyn, ein Ball bey Wilhelm und ein Familien diné bey Karl und damit gut. Fritz ist es sehr quälend, bey all dem fern zu seyn. Nach Niebuhr174 haben wir ein paar Mal gefragt in Bethanien. Es geht Gottlob besser, nach sehr heftigen Krämpfen ist er wieder ruhig und bey sich. Toni Perponcher und ihre Schwiegermutter175 sind nun hier und waren schon einen Abend bey mir. Erlaucht kam auch 2 mal, und gestern die 4 Schwestern Brandenburg mit den Brüdern.176 Meyrink177 169 Katharina von Tiesenhausen (1803–1888), russ. Hofdame. 170 Prinzessin Luise von Reuß-Köstritz (1832–1862) war schwer krank. 171 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907). 172 Wilhelm (I.) Prinz von Preußen reiste mit seiner Frau zur Hochzeit seines Sohnes Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901), die am 25. Jan. 1858 in London stattfinden sollte. Dass die Hochzeit in London stattfand, wurde als politisches Signal gedeutet. 173 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 174 Marcus von Niebuhr (1817–1860), preuß. Kabinettsrat im Ministerium des Kgl. Hauses. Der Diebstahl vertraulicher Dokumente 1855 hatte bei ihm zu gesundheitlichen Problemen geführt. Siehe Brief vom 12. März 1856. 175 Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825–1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, mit ihrer Schwiegermutter Adelaide Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin van Reede (1792–1861). 176 Die Kinder der verstorbenen Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795– 1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 5. März 1855. 177 Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann und wirkl. Geheimer Rat.
310
Briefe 1851–1873
ist der treueste von Allen. Adalbert war gestern Mittag bey mir, und Fritz Louis und Georg178 kamen dieser Tage. Fritz Louis leidet noch immer an den Blutgeschwüren. Hohenlohe179 war vortrefflich und Fritz so angenehm, auch Treskow.180 Werder ist nun heute eingetreten.181 Man sagt viel Gutes von ihm. Ich fürchte, im Sprechen wirst Du noch wenig Fortschritte finden. Nun lebe wohl, meine Adine, Gottes Segen mit Dir und Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Fritz umarmt Dich. Loulou Luck ist glückliche Braut.182 Schwerin, den 25ten December 1857 Geliebte Elis, welche Freude hast Du mir und Fritz gemacht mit den vielen, schönen Geschenken. Aber vor allem beglückte mich Dein liebes Zimmer aus Sanssouci, wo sich so viele schwere und schmertzliche Augenblicke von diesem Herbst daran knüpfen, grade bei dem Schreibtisch, wo ich so oft stand und lauschte auf die Bewegung im Kranken Zimmer und wo wir beide so herbe Thränen vergoßen in der Nacht vom 8–9ten Oktober und dem Gott wieder aus voller Seele dankten für das erhalltene Leben vom geliebten Fritz.183 Und daran knüpfen sich liebliche Erinnerungen von früheren, frohen Zeiten und vor allem, wo ich so viele Beweise Deiner Liebe und Freundschaft erhielt. Kurtz, daß Zimmer ist mir zu lieb, und ich danke Dir von ganzem Herzen dafür. Wie mag die Weihnachten gestern Abend bei Euch gewesen sein? Ich telegraphierte heute Morgen darum, erhielt aber keine Antwort. Nein, wie sonderbar, eben bringt man Deine telegraphische Antwort. Gott wolle Fritz nun immer weiter helfen und die Besserung fortschreiten laßen. Hier geht es Gott sei Dank recht gut mit Auguste. Sie hat sich gestern auch auf ihrer chaiselonge nach dem Weihnachten bringen laßen, zwar im Neben Zimmer, von wo sie alle mit ansehen konnte und recht heiter war. Heute Vormittag wurde es wiederholt, und es ist beides gut bekommen, aber schwach ist sie doch noch. Indessen kann ich sie Dienstag, so Gott will, ruhig verlaßen und zu Euch, ihr Lieben, kommen bis zur Taufe. Gräfin Marie Stolberg184 wird während der Zeit bei Auguste bleiben. Nun leb wohl, ich muß zu Auguste. Fritz und Sie küßen Deine Hände. Deine alte Adine 178 Prinz Georg von Preußen (1826–1902). 179 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 180 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 181 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 182 Luise von Luck (1833–1873), jüngste Tochter des Generals Hans von Luck, heiratete am 22. April 1858 Hermann Otto von Schenck (1824–1911), preuß. Rittmeister im Garde-Husaren-Regiment. 183 In der Nacht vom 8. zum 9. Okt. hatte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen einen Schlaganfall erlitten, der mit Gedächtnis- und Sprachstörungen seine Regierungsunfähigkeit zur Folge hatte. 184 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903).
311
Das Zimmer von Fritz hat Dir Freude gemacht, daß hoffe ich. Charlottenburg, den 27ten Dezember 1857 Noch zwey Worte, ehe ich die große Freude habe, Dich zu sehen, meine Adine, vor allem den herzlichen Dank für zwey liebe Briefe und das liebe Schmerzens Zimmer, das mich so ungeheuer freut und so treu ist. Aber dann noch etwas über Fritz. Ich fürchte, Du machst Dir Illusionen über seinen Zustand. Die Aerzte sind zufrieden und finden im allgemeinen Zustand einen täglichen Fortschritt. Ich hoffe es und will es auch in vieler Hinsicht glauben, aber im Sprechen ist nicht der geringste Fortschritt, dieselbe Verwechselung der Geschlechter und der Alter, dieselbe Noth mit den Namen. Nur kann er einen Tag besser wie den andern nachsprechen und die Namen finden, ohne sie zu lesen. Ach, es ist ein Jammer, und der Muth möchte mir zuweilen sinken, aber Gott hilft mir. Ich bin noch wohl und lasse ihn nicht merken, wie betrübt ich oft bin. Eine neue Vollmacht an Wilhelm ist wieder im Werke.185 Fritz ist darüber ganz im klaren, daß es seyn muß. Aber noch sind Differenzen über die Zeit, das alles macht mir auch viel Kummer. Mündlich mehr. Du mußt Dich vorbereiten, auch Klagen zu hören und den armen Fritz auch oft recht gedrückt zu sehen. Die Prüfung ist furchtbar für ihn. Es freut mich sehr, daß es Auguste gut geht. Grüße sie und Fritz und sage ihr, wie ich das Opfer fühle, daß sie uns bringt, indem sie Dich entbehren wird. Lebe wohl, meine Adine, so Gott will auf baldiges Wiedersehen. Deine alte Elis
185 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte nach seinem Schlaganfall seinem Bruder und Thronfolger Wilhelm (I.) Prinz von Preußen am 23. Okt. für drei Monate die Stellvertretung der Regierungsgeschäfte übertragen. Die Krankheit des Königs machte eine dreimonatige Verlängerung der Vollmacht notwendig.
1858 Schwerin, den 20ten Januar 1858 Meine geliebte Elis, vielleicht amüsiert es Dich zu hören, daß die Taufe heute Mittag 1 Uhr statt gefunden hat in der Schloß Kirche.1 Es war recht feierlich und schön, und die Sonne beschien die heilige Handlung, was wunderbar war, da es den ganzen Tag über furchtbar gestürmt und geregnet hat. Der kleine Johann Albrecht wurde erst durch Ernst von Altenburg2 gehallten und dann von mir. Er war sehr artig und weinte nicht. Es war aber nicht ohne Wehmuth, durch die Rückerinnerung an den kleinen Entschlafenen.3 Auguste fand ich gestern Abend recht erholt und wohl, aber noch nicht ganz bei Kräften. Doch hat sie die heilige Handlung ganz gut überstanden. Heute Mittag ist noch ein zimlich großes Diner, wo sie natürlich nicht erscheint. Ich habe mich in Ludwigslust gestern doch mehr Stunden aufgehallten, weil ich hörte, meine alte Mama sei recht unwohl. Ich überraschte sie, was sie sehr erfreute, fand sie mit Schnupfen und starkem Husten, der sie sehr angreift und matt macht, da sie auch des Nachts nicht schlafen kann. Sie fühlt sich so unwohl und hinfällig. Zum Glück hat sie kein Fieber und doch auch etwas appetiet. Von dem Befinden meiner Mama werde ich nun meine Rückreise abhängen laßen. Gestern Abend erhielt ich durch Treskow4 Nachricht, daß Wilhelm glücklich in London angekommen5 und der geliebte Bruder Fritz den Tag über sich gut gefühlt hat. Daß hat mich zu glücklich gemacht, bitte grüß ihn von mir. Gott wolle doch helfen und die Fortschritte anhallten bleiben laßen. Hier von allen Seiten wird die größte Theilnahme bewiesen. Die Nachricht gestern von Luise war nur ein Umstand besser, daß sie etwas Nahrung bei sich behallten. Sie scheint mir doch sehr, sehr krank. Maritche6 hat nun auch geschrieben. Den Brief füge ich bei. Nun leb wohl. Der Herr gebe Dir Kraft, meine geliebte Elis, und erhallte Dich gesund. Deine treue, alte Adine Charlottenburg, den 22ten Januar 1858 Ich wollte Dir all diese Tage schon schreiben, meine Adine, da kam gestern Dein lieber Brief. Dank Dir tausendmal dafür und für den von Marietge. Ich las sie beyde an Fritz vor,
1 2 3 4 5
Taufe von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920), geb. am 8. Dez. 1857. Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908). Herzog Nikolaus zu Mecklenburg-Schwerin (1855–1856), gest. am 23. Febr. 1856. Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. Reise Wilhelms (I.) Prinz von Preußen zur Hochzeit seines Sohnes Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) am 25. Jan. in London. 6 Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910), Tochter von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1858
313
während wir im Grunewald langsam krügelten,7 bey hellem, aber windigen Wetter. Gottlob, mit Luise geht es ja gut. Wir sind sehr glücklich darüber. Vorgestern Abend wartete ich umsonst auf die dépèche und war schon sehr besorgt, als sie in der Nacht ankam, ich weiß nicht aus welcher Ursache, und wurde mir beym Erwachen gebracht. Gestern Abend kam eine noch viel bessere, Gott sey Dank, und nun hoffe ich, ist sie in der Genesung. Als Fritz die Ankunft von Wilhelm in England8 erfuhr, dachte er gleich daran, Dich es wissen zu lassen, und trug es Treskow9 auf. Und ich war den Tag so besonders zufrieden mit Fritz, daß ich ihm sagte, dieß noch bey zu fügen. Er war auch ganz vortrefflich, troz dem scheußlichen Wetter, das nur für Euren Täufling10 eine Ausnahme machte, wie es scheint. Mitwoch klagte er wieder sehr, es war aber wirklich nicht so schlimm. Nur war er den Abend so entsezlich abgespannt, daß es mich ängstigte und ich noch spät Abel11 holen ließ, der mich beruhigte. Gestern war er eigentlich gut, aber sehr trübe gestimmt und mit seinem Zustand beschäfftigt, troz der schönen Sonne. Aber den Abend, wo Frau von Bergh und Pauline Néal12 und Kleist13 hier waren, war er besonders gut, sprach lebendig und gut und hatte große Lust, lange zu bleiben. Wir zogen uns um 9 ¼ Uhr zurück, und um halb 10 Uhr kam Erlaucht und blieb eine Viertelstunde mit uns im Kabinet. Da war er auch sehr gut, und obgleich er nicht besonders viel heute Nacht schlief, ist er doch zufrieden mit seiner Nacht, aber nicht so mit seinem heutigen Zustand, versteht wieder schwerer und behauptet, ganz confus zu seyn, was er der Kälte zuschreibt, die aber gar nicht bedeutend ist, nur 3 Grade. Jetzt eben geht er spazieren, und nachher wollen wir nach dem Berliner Schloß fahren und dort den weißen Saal und Fritz Wilhelms Zimmer sehen.14 Der gute Junge war Mitwoch Abend hier und war tief bewegt beym Abschied.15 Er rührte mich unbeschreiblich durch seine Liebe und Dankbarkeit. Er gab mir ein kleines Andenken, ein médaillon, das mich wirklich sehr erfreut. Es ist ein so guter, treuer Mensch. Gott segne ihn. Denselben Abend war Meyrink16 hier und der Polizey President Zedliz,17 ein sehr an7 Lesebefund. 8 Wilhelm (I.) Prinz von Preußen zur Hochzeit seines Sohnes Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) am 25. Jan. in London. 9 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 10 Taufe von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920), geb. am 8. Dez. 1857. 11 Christian Wilhelm Ludwig Abel (1826–1892), preuß. Militärarzt, Stabsarzt des Invalidenhauses Berlin und Oberarzt am medizinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut. 12 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780–1870), ehem. preuß. Hofdame bei Prinzessin Wilhelmine von Preußen, und ihre Schwester Pauline Gräfin von Neale (1779–1869), ehem. preuß. Hofdame bei Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen. 13 Mglw. Adolf von Kleist (1793–1866), preuß. Jurist, Vizepräsident des Geheimen Obertribunalgerichts a.D. und Jugendfreund König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 14 Abschluss der Restaurierungsarbeiten der Deckengemälde im Weißen Saal des Berliner Stadtschlosses. 15 Verabschiedung von Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen vor seiner Abreise nach London zur Hochzeit mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) am 25. Jan. 16 Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann und wirkl. Geheimer Rat. 17 Constantin von Zedlitz und Neukirch (1813–1889), seit 1856 Polizeipräsident von Berlin.
314
Briefe 1851–1873
genehmer Mann. Gestern kam Massow18 nach Tisch und später Wichern.19 Könnte doch Fritz nur noch einen Funken seiner alten Heiterkeit haben. Die trübe Stimmung, die in allem schwarz sieht, ist mir am schwersten zu tragen. Die détails der Taufe und über Augustens Befinden haben uns sehr interessirt. Was Du von Deiner alten Mama sagst, ist ängstlich, nur daß sie noch Apetit hat, beruhigt mich. Nun lebe wohl, meine Adine, denke mein und bete für mich. Das Herz ist mir oft recht schwer. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ich danke Dir immer nicht genug für Deine Liebe und Deine Geduld in unsrer traurigen Existenz. Ich fürchte, die Abende waren Dir oft lästig. Den lang gesuchten Namen der französischen Dame haben wir in den Briefen der alten Lehndorf20 gefunden. Schwerin, den 25ten Januar 1858 Heute ist nun die Vermählung vom guten Fritz Wilhelm.21 Gott möge sein Glück befestigen und ihn seegnen. Es ist doch ein sehr wichtiger Tag. Möge er auch für Preußen seegensreich sein. Da wir alle so mit Bangigkeit der Zukunft entgegen sehen, so wird es grade vielleicht alles recht gut werden. Auf Gott muß man doch alle seine Sorgen werfen. So ist es ja auch mit der Krankheit vom geliebten Fritz. Gott wird helfen nach seiner Gnade. Und wenn Fritz sich auch noch mehr an Ihn wendet und Ihm vertraut, er würde mehr inneren Frieden und mehr Ruhe bekommen. Die Leiden der Menschen sind ja von Gott gesendet, um ihn für den Himmel vorzubereiten und ihn demüthig und geduldig zu machen. Und wenn wir die recht nach Seinem Willen anwenden, desto lieber hat uns der Herr. Ich hoffe, daß bei diesem so abwechselnden Wetter Fritz sich leidlich befindet. Es ist nicht so anhalltend kalt, und die schöne Sonne, welche gestern so prächtig leuchtete, belebte alle Menschen. Uns hier leuchtete sie zum Kirchgang von meiner lieben Schwiegertochter,22 die noch blaß aussieht und noch nicht ganz so kräftig ist, wie sie sein müßte. So hat sie doch gestern ein Diner mit gemacht und es gut ausgehallten. Der kleine Johann Albrecht ist ein bischen unruhig, wird aber recht stark dabei. So hübsch wie die andern Kinder finde ich ihn nicht. Er hat so helle Augen. Heute eße ich auch wieder bei meinen Kindern, um die Vermählung von Fritz Wilhelm zu feiern.
18 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses. 19 Johann Hinrich Wichern (1808–1881), dt. Theologe der Inneren Mission, seit 1857 preuß. Oberkonsistorialrat und vortragender Rat im Ministerium des Innern für Gefängnis- und Armenwesen. 20 Mglw. Pauline Gräfin von Lehndorff, geb. Gräfin von Schlippenbach (1805–1871), Witwe des Karl Graf von Lehndorff (1770–1854), preuß. Generalleutnant. 21 Heirat von Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) am 25. Jan. in London. Die Verbindung und der Ort der Hochzeit bereiteten dem Berliner Hof Sorge vor westlichem Einfluss und weiterer Abwendung von Russland. 22 Erster Kirchgang von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von ReußKöstritz, nach der Geburt von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin.
1858
315
Gott sei Dank kam vorgestern so gute Nachricht von Schwester Luise, da Fritz Oranien nur selten Nachricht senden wird. Aber krank ist sie sehr gewesen, und wie sie wohl matt ist und schrecklich aussehen. Da hat der Herr auch geholfen! Mit meiner alten Mama, habe ich eben Nachricht, soll es auch besser gehen. Sie hat wieder mehr geschlafen und hat appetiet. Dann erholt sie sich gewiß bald. Nun leb wohl. Wenn alles so hier bleibt, komme ich doch wohl zum Einzug,23 ob aber zum Geburtstag von Marie Karl weiß ich noch nicht, da von einem Ball auf dem Schloß die Rede ist. Ich gebe am Freitag einen bei mir, damit die Menschen einen kleinen Spaß haben und merken, daß ich ein mal wieder hier bin. Leb wohl, Gott gieb Dir Kraft in Deiner schweren Aufgabe. Du bist zu gut, meine Anwesenheit so hoch anzuschlagen. Ich langweile mich nie bei Euch, noch beim Thee. Im Gegentheil, ich bin glücklich, wenn ich nützen kann. Deine treue, alte Adine Der Großherzog Ludwig von Baden ist ja verstorben und erlöset von seinem Leiden.24 Schwerin, den 29ten Januar 1858 Meine liebe Elis, gestern durch einen Brief von Hohenlohe25 sah ich, daß der Montag für Fritz garkein guter Tag gewesen ist und daß grade dieser Hochzeitstag26 ihn so trüb gestimmt. Zwar ging es die beiden darauf folgenden Tage schon wieder besser, aber die anhalltende Kälte von 10–11°, fürchte ich immer, thut ihm doch schaden. Und ich verlebe alle diese Tage in Angst um ihn. Auf Dich, meine geliebte Elis, muß daß auch recht drückend wirken. Der Herr gebe Dir nur Kraft, diese Seelen Leiden zu ertragen und daß Dein Körper nicht erliegt. Aber der Herr hilft auch da, wo er Schweres auferlegt. Ich möchte nur recht ehrlich von Dir wißen, ob ich nicht zu oft und zu lange bleibe und ob ich Dir und Fritz nützlich sein könnte, wenn alle diese Feste sein werden.27 Denn sonst komme ich lieber, wenn sie vorbei sind, denn ich mache mir garnichts aus diesen fatiganten Tagen und wollte ja nur 2 Tage im Ganzen mit machen. Ach, das Herz wird mir so schwer sein, wenn ich mich da herum bewegen soll und Dich und den armen Fritz in trüben Prüfungstagen weiß. Daß ihr beide dabei fehlen müßt, ist etwas zu trauriges. Ich habe eigentlich auch garnicht den Muth, mich zu zeigen. Ich werde mich garnicht genug zusammen nehmen können. Ich schreibe Dir dies alles, denn es fehlt mir der Muth, Dir
23 Feierlicher Einzug des Brautpaares am 6./7. Febr. in Potsdam und am 8. Febr. in Berlin. 24 Großherzog Ludwig II. von Baden (1824–1858) war am 22. Jan. im Alter von 33 Jahren gestorben. Aufgrund einer Geisteskrankheit war er bereits 1852 für regierungsunfähig erklärt worden. Die Regentschaft führte sein Bruder Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907), der mit Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923) verheiratet war. 25 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 26 Heirat von Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen mit Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) am 25. Jan. in London. 27 Feste zum Einzug des Brautpaares am 6./7. Febr. in Potsdam und am 8. Febr. in Berlin.
316
Briefe 1851–1873
dies so zu sagen. Denn wir dürfen uns zusammen nicht zu sehr hingehen laßen, um Fritz nicht unsere trüben Gedanken zu zeigen. Er trägt ja selbst schon so schwer. Hier bei uns ist bis jetzt alles wohl. Auguste erholt sich, fährt täglich aus, nur gestern nicht bei der großen Kälte, sieht aber Menschen zum Eßen, und des Abends bleibt sie noch still zu Haus. So wird sie auch heute nicht zu meinem Ball kommen, den ich gebe, damit die Menschen meine Anwesenheit doch merken. Am Dienstag giebt Fritz einen kleinen Ball im Königssaal, wo Auguste erscheinen wird. Meiner alten Mama geht es auch wieder gut. Ich war gestern auf ein paar Stunden bei ihr. Sie hat auch schon wieder mitgegessen, obgleich die Beine etwas matt sind. Von Schwester Luise kamen ja nur gute Nachrichten. Ich sende heute einen Brief von Maritche, der eigentlich schon vor 3 Tagen in Deinen Händen hätte sein sollen. Verzeih diese Nachläßigkeit. Heute wird wohl Wilhelm aus London angekommen sein und recht viel erzählen. Meine Kinder hier legen sich zu Füßen. Mein Sohn Fritz wird doch nach Berlin kommen, weil Fritz Wilhelm ihn wiederholt eingeladen hat. Es thut ihm nur zu leid, daß er Dich und Fritz nicht wird sehen dürfen. Deine Adine Wirst Fritz und Du nach Potsdam gehen, wenn der Einzug ist? Charlottenburg, den 31ten Januar 1858 Ich wollte Dir schon lange schreiben, meine Adine, und kam nicht dazu. Du weißt ja, wie ich nach jedem Augenblick hasche, um zu schreiben, und wie selten sie sind. Da kam nun Dein zweyter Brief, ohne den Brief von Marietge, den Du mir darin verhießest. Statt dessen schickte ich Dir einen, den ich gestern erhielt und der Gottlob sehr gute Nachrichten bringt. Ich habe Dir auch ganz befriedigende zu geben. Nach dem traurigen Montag, wo besonders die Aufregung so trostlos war, ist Fritz die ganze Woche ganz heiter und zufrieden gewesen, obgleich er immer über die Benommenheit seines Kopfes viel klagte und sie der Kälte zuschrieb. Doch gewöhnte er sich an die reine, kalte Luft, machte enorme Promenaden zu Fuß bis Bellevue, schlief ganz unglaublich gut, ißt mit dem größten Apetit. Du mußt nicht glauben, daß er nicht betet oder Hülfe nicht beym Herrn sucht. Das thut er immer, aber die trübe Stimmung und die Aufregung sind körperlich. Und davor habe ich in der lezten Zeit etwas beobachtet, was mich betrübt und ängstigt, weil es natürlich immer zunehmen muß. Sein Zustand ist ihm schon lange nur zu klar, aber seine Lage wird ihm immer klarer und drückender, je mehr die Kräfte zunehmen. Das ist traurig, und dagegen ist das beste Mittel eine Reise, sobald Ostern vorbey ist. Gestern Abend fing das Wetter an umzuschlagen, es war ein gewaltiger Sturm die ganze Nacht, den Fritz gar nicht hörte, so gut schlief er. Aber heute merkte man doch etwas die Aenderung der Luft an ihm, sie ist immer so rasche. Es ist mir doppelt leid, daß Hohenlohe28 heute ab gereist ist. Er heitert ihn auf und ist so sorgsam. 28 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant.
1858
317
Hier hörte ich auf, um mit Fritz bey scheußlichem Wetter aus zufahren, nachdem er schon gegangen war. Er war Gottlob sehr heiter und sagte selbst, er begreiffe nicht, warum er so guter Laune wäre. Das ist eine Gnade Gottes, für die wir Ihm nicht genug danken können. Wilhelm, der gestern Morgen angekommen ist und um 12 Uhr hier war, fand Fritz nicht, weil er schon nach Bellevue gegangen war. Da blieb er etwas bey mir und erzählte mir allerley und sehr befriedigt von seiner Reise und von der Braut.29 Die Feste waren prächtig, das Wetter ungewöhnlich schön für London. Auguste soll sehr angegriffen und ermüdet seyn. Unsere Neffen30 haben sehr gefallen, und die Herzogin von Cambridge hätte gern unsern langen Abbat zum Schwiegersohn.31 Ein schrecklicher Gedanke. Wilhelm kam heute zur Kirche, Karls wollten auch kommen, aber ich ließ bitten, es zu unterlassen. Mehr wie je bin ich überzeugt, daß Fritz vor allem der Ruhe bedarf, und besonders den Morgen, wo er auch nach den besten Nächten oft so benommen ist, daß man ihm mit der größten Mühe die einfachsten Sachen nicht beybringen kann. Ich habe Karl dieß alles durch Wilhelm auseinander sezen und ihn bitten lassen, lieber einmal den Abend auf eine Stunde zu kommen. Fritz bleibt jetzt bis halb 10 Uhr im Saal, ohne den Nächten zu schaden. Wir sind noch immer entschieden, auf einige Tage nach Potsdamm zu gehen, bis hier wieder Ruhe wird, wenn die Kälte nicht zu groß ist bis dahin. Was Du von der Festzeit sagst, rührte mich sehr.32 Mir selbst wird es furchtbar seyn, so gepuzt die junge Frau ohne Fritz zu empfangen. Der Anblick des weißen Saales, der recht schön geworden ist, machte mich neulich ganz wehmüthig. Wenn ich auch übrigens froh bin, der Fatigue enthoben zu seyn, so ist die Ursache doch gar zu traurig, und es ist ein eigenes Gefühl, daß so alles ohne uns dort vor sich gehen wird, als hätten wir nie gelebt. Wenn Du auch zu den Festen kommst, so glaube ich aufrichtig gesagt, es wäre besser, Du wohnst in der Zeit in Berlin, auch wenn wir hier bleiben, damit Fritz nicht zu viel davon hört. Es betrübt und agitirt ihn gar zu sehr, und wir könnten doch nicht umhin, vor ihm davon zu sprechen. Du weißt, wie er dann alles wissen will. Sonst weißt Du ja, daß es uns eine Freude ist, Dich zu sehen. Und daß Du kein Opfer für den geliebten Fritz scheust, das weiß ich und bin oft tief gerührt davon. So wirst Du auch meine Angst in dieser ohnehin unruhigen Zeit begreiffen. Fritz wird die junge Ménage33 wohl den 9ten sehen, ehe wir weggehen. Deinen Sohn34 werde ich kaum erblicken. 29 Prinzessin Victoria von Preußen, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1840–1901). 30 Darüber etwas Unleserliches eingefügt und von dort Tintenstrich über die ganze Seite nach unten gezogen, so auch auf der ersten Seite des Briefes. 31 Heiratsprojekt von Prinzessin Auguste von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1797–1889), für ihre Tochter Prinzessin Mary Adelaide von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge (1833–1897), mit Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 32 Feste zum Einzug des Brautpaares Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1840–1901), am 6./7. Febr. in Potsdam und am 8. Febr. in Berlin. 33 Frz. = Haushalt des Prinzen Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen. 34 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin.
318
Briefe 1851–1873
Dein Ball war gewiß recht hübsch Freytag. Gestern gaben Adlerbergs35 eine Gesellschafft, alles war entzückt von der allerliebsten Wohnung. Ihnen hatte man noch verschwiegen, daß unser lieber Benkendorf vorgestern in Paris gestorben ist. Es ist mir ein unaussprechlicher Schmerz. Es war eine so treue Seele, aber ihm ist wohl, wenn er hätte in dem traurigen Zustande bleiben müssen. Was wird denn aus der Frau36 werden, die gar nicht gemacht ist, um allein zu stehen, und in Rußland doch recht fremd ist? Gestern erfuhr ich noch durch den Telegraphen den Tod einer alten Gouvernante37 in Freyburg im Breisgau. Ich habe ihr viel Thränen nach geweint. Heute kam Amelie Dönhof38 wieder in die Kirche. Sie sieht noch etwas gedunsen aus. Das ist mal ein langer Brief, und ich begreiffe selbst nicht, daß ich soviel zu Stande gebracht habe. Es war nur, als spräche ich mit Dir. Zu Luisens Geburtstag gratuliere ich Dir von Herzen. Addy wird 16 Jahr alt. Sie ist recht ordentlich, aber wie jung sieht sie doch noch aus, troz ihrer Größe. In dem Alter war ich eine ganz gemachte Person. Ich will suchen, einen Augenblick zu ihr zu gehen, um dann Fritz in Bellevue auf zu suchen, wo immer ein Zimmer geheizt ist. Lebe nun wohl, meine Adine, Du schreibst wohl bald, ob Du jetzt kümmst oder später. Mir bangt entsezlich vor dem Einzug, vor der Ankunft. Ich werde froh seyn, wenn das vorbey ist. Den 25ten läuteten die Glocken hier.39 Es war so feyerlich. Ich schrieb an Fritz Wilhelm während dem. Mit den Canonen wartete man bis zur Ankunft der telegraphischen Nachricht, und das dauerte lange. Wir waren in Fritz Wilhelms Zimmer, gingen aber noch vor dem Schießen fort. Fritz umarmt Dich, und nun endlich addio und viel Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 2ten Februar 1858 Kaum war meine Depesche fort, als die Schöning mit dem Brief von Rose Canitz40 kam. Ich bitte also sehr um Verzeihung und die Bemerkung, daß Wilhelm es lieber sehen 35 Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Generalmajor und Generaladjutant, Militärbevollmächtigter in Preußen, und seine Frau Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839). 36 Konstantin Graf von Benckendorff (1817–1858), russ. Generalleutnant und Generaladjutant, ehem. russ. Militärbevollmächtigter in Preußen, seit 1856 russ. Gesandter in Württemberg, gest. am 29. Jan. in Paris, hinterließ seine Frau Luise, geb. Prinzessin von Croy (1825–1890), und fünf Kinder im Alter von 1 bis 8 Jahren. Sie wurde einige Jahre später Oberhofmeisterin bei Königin Olga von Württemberg, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892). 37 Marie Karoline (Charlotte) Freiin von Roggenbach (1780–1858), ehem. Hofmeisterin der Prinzessinnen Elisabeth Ludovika und Amalie Auguste von Bayern. 38 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 39 Feste zum Einzug des Brautpaares Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1840–1901), am 6./7. Febr. in Potsdam und am 8. Febr. in Berlin. Die Glocken läuteten zum Hochzeitstag am 25. Jan. in London. 40 Rosalie (Rose) Gräfin von Kanitz (1824–1862), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen.
1858
319
würde, wenn ich zum Einzug käme.41 [Das] macht, daß ich also Freitag den 5ten des Morgens in Berlin ankommen werde und den Morgen benutzen muß, um mir noch einiges anzuschaffen, da ich nur auf 2 Tage toilette habe, zum Einzug und zum Ball von Wilhelm. Die übrigen Tage fehlen mir ganz. Es ist doch recht schade, daß ich 5 Tage ganz von Euch, Ihr Lieben, verband sein werde. Es wird mir vorkommen – auf jeden Fall recht traurig. Gott gebe nur, daß die festlichen Tage Fritz nicht zu sehr aufregen und schaden mögen. Wie es scheint, wollt ihr nun erst am 9ten nach Potsdam gehen, da die junge Frau ihren Besuch vorher machen soll. Es wird den jungen Peer gewiß sehr glücklich machen, daß Fritz sie sehen will.42 Gott wird ja verhüten, daß es ihm schadet. Ach, welch Gefühl für uns alle, ihn und Dich unter uns fehlen zu sehen. Es wird so ein trüber Fahden durch das Ganze gehen. Ich dank auch sehr für den Brief von Maritge und schäme mich fürchterlich, daß ich den verheißenen Brief nicht eingelegt habe, den ich wohl verwahrt in meiner Mappe fand. Gott sei Dank erholt sich Luise. Sie muß aber rasand schwach sein, da sie kaum auf ihren Füßen stehen kann. Ich fürchte, sie ist überhaubt zu früh aufgestanden und erholt sich daher schwer. Dein Brief, liebe Elis, hat mir zu viel Freude gemacht, da Du mir sagst, es sei Dir, als wenn Du mit mir sprechest. Vielleicht ist [es] Dir auch ganz recht, wenn ich beim Einzug mit Dir bin. Wir verstehen uns ohne Worte, und es wird doch ein recht schwerer Augenblick für Dich sein. Heute Abend ist auf dem Schloß nur der kleine Ball im Königssaal. Ich hoffe, er wird so hübsch sein, wie man meinen gefunden. Wenigstens wurde mit Lust getanzt. Das Wetter ist auch wieder ganz schön, aber die Nacht und heute bis 10 Uhr war ein Sturm mit Schneegestöber, daß man das Schloß nicht sehen konnte. Und 3 Fuß hoch liegt der Schnee in den Straßen. Es war ganz furchtbar. Bei allem Wetter denke ich immer an Fritz, wie es ihm wohl bekömmt. [Bei] dieser vielen plötzlichen Veränderung habe ich immer Furcht, daß es ihm schadet. Nun leb wohl, Freitag Mittag werde ich mich in Charlottenburg einfinden, und, wenn es erlaubt ist, mit Euch eßen. Bis dahin, Deine treue, alte Adine Charlottenburg, den 23ten Februar 1858 Der Telegraph hat Dir schon unsere Glückwünsche und auch Deine liebe Antwort gebracht, meine Adine. Aber ich muß Dir doch noch sagen, wie ich für Dich gebetet habe heute Morgen, und Glück und Segen für Dich und für Deine Lieben erfleht habe. Fritz ist heute besonders wohl und kam zu mir, als ich noch lange nicht fertig war, und erfreute sich an meinem Schreck. Bey dieser grausigen Kälte von 11 Graden und fürchterlichem Ostwind ist es doppelt erfreulich. Er ist jetzt nach Bellevue gefahren, und Auguste wird heute zu mir kommen mit Stéphanie.43 Lieber hätte ich jede allein gesehen. Von Wilhelm
41 Feste zum Einzug des Brautpaares am 6./7. Febr. in Potsdam und am 8. Febr. in Berlin. 42 Aufwartung bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen auf Schloss Charlottenburg. 43 Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859).
320
Briefe 1851–1873
habe ich heute noch nichts gehört, gestern aber war Grimm zufrieden.44 Victoria45 war bey Wilhelm, für einen ersten Ausgang im schlimmen Tag. Wir fuhren gar nicht lange herum, und dann konnte ich gar nicht gehen, so arg war der Nordostwind. Ich rettete mich gleich in die Orangerie. Fritz aber ging nach gewohnter Art dem Wind schnurstracks entgegen, bekam auch einen tüchtigen Schnupfen davon und sagte dem alten Humboldt46 nach Tisch ganz sonderbare Sachen. Hingegen, als Massow47 nachher kam, war es schon besser. Den Abend kam nur Gröben,48 und da ging es ganz gut, die Müdigkeit war aber groß und der Schlaf vortrefflich. Ich hatte Dir beym Abschied noch so vieles sagen mögen, aber vor Fritz mochte ich nicht so viel danken, besonders für Deine Liebe und Treue. Erhalte sie mir auch ferner. Ich hoffe, Dein Husten ist nun ganz verschwunden und Du schonst Dich bey dem schlimmen Ostwind, damit er nicht wiederkomme. Oberst Weymarn49 sahen wir gestern. Fritz sprach ganz gut, nur einmal sagte er Hize statt Kälte. Doch nun muß ich schließen, meine Adine. Ich umarme Dich in Gedanken und bin mit treuer Liebe, Deine alte Elis „Tausend Lieben Deinen Kindern. Ein Deinen freudigen Geburtstag herzliches Wort, Fritz“50 Schwerin, den 25ten Februar 1858 Meine liebe Elis, wie soll ich Dir und Fritz meine Freude recht aussprechen über die lieben Worte, die seine Hand mir geschrieben. Die Thränen liefen mir vor Rührung die Backen herab. Ich kann es in Worten garnicht so sagen, aber Dein Herz wird es mir nach fühlen. Wie viel Beweise von Liebe gebet ihr lieben Beiden mir, ich bin ganz beschämt, und ich bewahre sie tief im Herzen. Welche Freude, daß die Kälte Fritz nicht schadet, möge der Herr ihn so erhallten und weiter helfen. Haben ihn die vielen Besuche nicht angegriffen? Es war wieder etwas viel auf einmal. Gestern bin ich den ganzen Tag eingesperrt gewesen, heute wieder im zugemachten Wagen ausgefahren, darf aber nicht zum Diner noch Thee auf dem Schloß, um den Prinzen August von Würtemberg51 nach der 44 Wilhelm (I.) Prinz von Preußen hatte sich auf dem Rückweg vom Schauspielhaus den Fuß verstaucht. 45 Prinzessin Victoria von Preußen, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1840–1901). 46 Alexander von Humboldt (1769–1859), Wissenschaftler und Naturforscher, hatte selbst im Febr. 1857 einen Schlaganfall erlitten. 47 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses. 48 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. 49 Alexander von Weymarn (1824–1905), russ. Oberst und Flügeladjutant, Kommandeur des kais. Hauptquartiers. 50 Von König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen eigener Hand. 51 Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. Generalleutnant und komm. General des Gardekorps.
1858
321
Jagt zu sehen. Er kommt wohl noch zu mir. Gestern wurde daraus nichts, da ich mich früh nieder gelegt. Meine Schwiegertochter sitzt auch wegen Husten auf dem Schloß eingesperrt, wir schreiben uns, um von einander zu hören. Leb wohl, meine liebe Elis. Wenn Du mich künftigen Monat auf ein paar Tage einmal haben willst, kannst Du es nur schreiben. Deine treue, alte Adine Addie hat mich recht erfreut durch ein kleines Geschenk, ein Nadelkißen in Perlen, worauf genähet ein blaues Band mit dem Wort Sanssouci, als Erinnerung des trüben Herbstes, wo wir uns alle so von Neuem nahe gerückt sind. Es ist garzu hübsch von ihr. Schwerin, den 4ten März 1858 Ich habe seit 4 Tagen vergebens auf Nachricht von Euch, ihr Lieben, gewartet. Sonnabend schrieb Gröben52 mir zum letzten mal, und Treskow,53 der sonst so fleißig und ausführlich Nachricht gab, ist ganz verstummt. Es wäre möglich, daß heute ein Brief ankömmt. Mir ist aber so bang zu Muth, denn ich bin verwöhnt. Entweder bin ich bei Euch oder alle 2 Tage bekam ich Kunde. Und eigentlich habe ich doch keinen andern Gedanken als Euch, Ihr Lieben. In all den Festen hier waren meine Gedanken so oft bei Dir, geliebte Elis. Und so gern hätte ich gewußt, ob ich mich freuen dürfte, daß es besser ging, nach den wenig guten 14 Tagen, die ich in Deiner Nähe war, oder ob die anhalltende Kälte geschadet hat. Heute scheint das Wetter umzuschlagen. Daß wird sich bei dem armen Fritz fühlbar machen und bei Dir auch. Dann wird das Bein wieder mehr schmertzen. Wir haben hier viele Feste gehabt, nach unserer Art ganz großartig. Sonnabend Abend kamen die Strelitzer Erbgroßherzogs,54 wo noch ein kleines Concert war mit den schon angekommenen Fremden, die dann gleich vorgestellt wurden. Sonntag, der Geburtstag, war aber zu thatenreich. Um 9 Uhr fuhr ich auf dem Schloß, meinem Sohn gratulieren, um ¾ Uhr Kirche, dann etwas dejeuner und vom ganzen Hof gratulation, darauf Fahnenweihe, die das neu errichtete 4. Battalion bekam,55 dann Parade, um 3 Uhr Cour, von der ich mich dispensierte wegen rasendem Kopfweh, und kam erst um 4 Uhr, wo die Strelitzer auch erst geholt wurden. Dann ging es gleich zum Diner, wo schon alles an seinen Plätzen stand. Fritz Strelitz brachte die Gesundheit von meinem Sohn Fritz so wundervoll aus. Ich wußte garnicht, daß er so hübsch sprechen konnte. Nach dem war dann eine leichte Cour für Auguste Strelitz, wo die Damen vorgestellt wurden. Auch dem armen, blinden Fritz wurden Herren vorgestellt. Dann zog man sich schnell um, und um
52 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. 53 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 54 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm und Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 55 Am 24. Okt. 1857 war aus den mklbg.-schw. Regimentern ein viertes Bataillon mit Garnison in Schwerin eingerichtet worden.
322
Briefe 1851–1873
7 ½ Uhr fuhr man in [das] Theater [zu] Wilhelm Tell.56 Wir waren aber halb tod, und um 10 Uhr zogen wir uns zurück, jeder in sein Zimmer. Den Montag war der Morgen ruhig, gegen 1 Uhr dejeuner auf dem Schloß. Und dann fuhren die beiden Augusten57 etwas spazieren. Um ½ 4 Uhr war Diner bei mir, wo nur die Landstände und einige Offiziere vom 24. Regiment58 und von dem Hannoverschen Regiment waren. Um 6 Uhr war man zu Haus und konnte sich ausruhen bis gegen 9 Uhr, wo der Ball im großen, goldenen Saal war. Auguste Strelitz tanzte und schien sich zu amusieren, überhaubt war sie unendlich freundlich und gnedig. Das alte Schloß schien ihr sehr zu gefallen. Sie besah es am Dienstag noch ganz en detailles, und der arme Fritz, auf dem man alles beschreiben mußte. Und auch einiges faßte er an, um die Form der Zimmer zu wißen und der Möbel. Gestern morgen reiseten sie dann ab. Bis Ludwigslust bin ich mit ihnen gefahren und besuchte die liebe Mama, der ich nur viel von Berlin erzählen mußte. Und sie war so dankbar und gerühret, daß Fritz ihrer immer mit so großer Theilnahme gedenkt und auch für Dein Andenken. Ich fand sie recht wohl, der schäusliche Ostwind läßt sie aber nicht aus dem Haus, was recht vernünftig ist, und dadurch erhällt sie sich gesund. Meine Schwiegertochter hat doch alle diese fatiege besser überstanden, als wir erwartet, denn ein starker Husten greifft sie sehr an, und sie sieht ehlend aus, obgleich sie in toiletten recht hübsch war. Mein Sohn hatte wenig Freude von diesen Tagen, da er furchtbar an Zahnweh litt, und einen schlimmen Fuß, so daß er heute und morgen sich still zu Haus hallten soll. Da ist ein Brief von Treskow mit wirklich zimlich guten Nachrichten. Er meint wenigstens nach längerem Sehen und Sprechen mit Fritz einen Fortschritt bemerkt zu haben, in der Klarheit des Geistes und der Fähigkeit, einen Gedanken fest zu hallten. Das ist doch sehr erfreulich, sonst sind die Schwankungen nach wie vor. Auguste59 hat Dich auch wieder besucht, und mit Wilhelm soll es wirklich besser werden mit dem Fuß. Auguste von Strelitz war sehr unglücklich, Fritz nicht selbst gesehen zu haben, weil sie meint, der Onkel George würde es garnicht begreiffen und verstehen und es empfinden, daß man sie nicht zugelaßen. Ich habe es ihr nun so gut wie möglich auseinander gesetzt. Leb wohl, geliebte Elis, Gott stärke Dich in Deinem Liebes Dienst und stärke Fritz mit Glauben und Ergebung, Deine treue alte Adine Par télégraph habe ich vom 7ten des Monats von Charlotte Nachricht, daß sie die Grippe von Neuem hat und im Bett liegt. Morgen ist der Geburtstag von meinem Wilhelm. Und Sonntag wirst Du gewiß in Liebe meiner gedenken und des lieben Paul.
56 Wilhelm Tell, Drama von Friedrich von Schiller (1759–1805). 57 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin und Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz. 58 Das preuß. 24. Infanterie-Regiment „Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin“, deren Regimentschef die Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin waren. 59 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. von Prinzessin Sachsen-Weimar-Eisenach.
1858
323 Charlottenburg, den 6ten März 1858
Ich habe Dir heute schon per télégraph geschrieben, meine Adine, aber ich hatte mir immer vorgenommen, Dir heute endlich zu danken für 3 liebe Briefe, und schäme mich, daß ich es nicht früher that. Nachdem ich mich so lange gegen den Schnupfen gewehrt hatte, mußte ich doch dem beständigen Ostwind unterliegen. Aber es ist schon im abnehmen, und ich bin ganz wohl dabey. Fritz ängstigte sich den ersten Tag, nun er aber sieht, daß es nichts ist, ist er ganz ruhig. Er geht eben spazieren, troz dem Schnee und scheußlichen Südwind. Es ist aber doch weniger kalt wie diese Tage. Ich finde Fritz wirklich jetzt auf gutem Wege. Die Ruhe thut ihm so wohl. Den Abend wird nur eine, höchstens zwey Personen geladen, da ist er denn ganz heiter und gut. Die Fahrten sind auch abgekürzt. Das kam eigentlich von selbst, da wir die lezte Zeit immer später ausfahren, es ist aber gewiß recht gut. Man muß wieder gut machen, was anfangs durch zu viel Nachsicht versäumt wurde. Wenn es so fort geht ungestört, dann hoffe ich viel. Grimm wünscht sehr, daß er eine lange Zeit so ganz ruhig, ohne Erregung froh oder trübe gehalten wird. Wilhelm war sehr glücklich über seinen Besuch, wobey ich leider nicht war. Er soll auch ganz gut gesprochen haben. Treskow60 begreifft nicht, daß sein Brief so spät ankam. Er hatte Dienstag geschrieben, weil Gröben61 den Sonntag geschrieben hatte. Wie lieb bist Du, unsrer soviel zu denken und Dich nach Nachrichten vom lieben Fritz zu sehnen. Ich dachte mir gleich, daß seine Schrifft Dich erfreuen, aber auch recht bewegen würde.62 Er kam selbst auf den Gedanken, aber die Ausführung! Das war eine Arbeit, und doch in all dem Elend mußte ich ganz unbändig lachen, und er auch, so herzlich wie in gesunden Tagen. Wohin hast Du seine Büste gestellt? Ich dachte viel Deiner Söhne im Gebet, besonders gestern mit großer Wehmuth an Deinen armen Wilhelm, der so ferne von der Heimath ist.63 Meine Schwester Amelie64 dachte auch seiner und schrieb es mir gestern. Es war gestern der lieben Mathild Todestag vor Jahren, und der Geburtstag der kleinen Tochter des jungen Kaysers, die auch schon nicht mehr ist.65 Das wird ein betrübter Tag für die Eltern66 gewesen seyn. Ich las in der Zeitung, daß Wilhelm Euer Dragoner Regiment bekömmt.67 Das ist gewiß eine sehr weise Maßregel. Da hat er Beschäfftigung und ist unter Deinen und des Bruders Augen, fern von den hiesigen Verfüh60 61 62 63 64 65
66 67
Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. Geburtstagsgruß des Königs von eigener Hand, siehe Brief vom 23. Febr. 1858. Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin befand sich nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee auf einer fluchtartigen Auslandsreise. Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). Der 5. März 1855 war der Todestag von Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, und der Geburtstag von Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich (1855–1857), gest. am 29. Mai 1857. Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) und Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898). Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin wurde nach seiner Rückkehr von seiner Auslandsreise dem mklbg.-schw. Dragoner-Regiment in Ludwigslust als Oberstleutnant nur aggregiert.
324
Briefe 1851–1873
rungen. Wann kömmt er wieder? Du hast Dich auch über die 3te [Tochter] von Fritz Karl entsezt.68 Ich gestehe, daß ich kindisch erschreckt war. Sie war recht elend diese Woche, es geht aber wieder gut, Gottlob. Hier unterbrach mich Mary, die ich in ewigen Zeiten nicht gesehen hatte. Sie hatte viel zu erzählen. Victoria sah ich einmal hier, gerade an Deinem Geburtstag. Sie war gar lieb und herzlich. Auguste war auch ein Paar mal hier. Mit Wilhelm geht es gut. Eure Festtage müssen recht schön, aber recht fatiguant gewesen seyn, und der arme Gefeyerte, der so leidend während dem war. Das ist traurig. Wie jämmerlich muß es gewesen seyn, den armen Fritz von Streliz in dem ihm neuen Haus herum gehen zu sehen. Es thut mir leid, daß seine Frau darüber klagt, daß sie Fritz nicht gesehen haben. Ich höre, daß Onkel George auch in dem Sinn an Gräfin Voß69 geschrieben hat. Aber wie ist es möglich, nicht einzusehen, daß er in der Zeit mehr Ruhe noch brauchte wie sonst? Und ich meine, wenn Dein regierender Sohn ihn nicht sah, hatten alle andern kein Recht, es zu verlangen. Es freut mich sehr, daß Deine Schwiegertochter so glücklich alles überstanden und Deine Mama auch wohl ist. Da ist Fritz zurück, nun schnell addio, meine Adine, grüße Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Loén70 schrieb vom 25ten Februar, daß Charlotte nicht ganz wohl gewesen sey. Er habe einen Abend bey ihr zugebracht, wo sie um 10 Uhr zu Bett sollte und statt dessen erst um halb 1 Uhr ihn entließ. Wie viel werde ich morgen Deiner gedenken, und auch Fritz, der mir eben aufträgt, es Dir besonders zu sagen. Schwerin, den 7ten März 1858 Meine theuere Elis, heute Morgen kam mir Dein lieber Brief zu, grade als ich aus dem Dom gekommen war, wo ich am Sarge des theuren Paul gebetet und geweint habe. 16 Jahre sind es schon seit dem schrecklichen Tag. Ewig bleibt er aber neu und frisch, und sein Andenken bleibt so im treuen Volk. Dein Brief hat mich so erfreut, da Du selbst findest, daß Fritz auf bessern Wegen ist. Man muß ja alles thuen, was dahin wirken kann, es so zu erhallten. Ich freue mich [über] die Strenge von Grimm, und ich werde gewiß nichts thuen, was eine Stöhrung machen könnte. Ich werde nicht ehe wieder bei Euch, Ihr Lieben, erscheinen, bis Grimm es erlaubt. Nur eins möchte ich bitten, wenn an eine Reise gedacht wird, daß ich dann vor der Abreise Abschied nehmen kann. Heute ist ein furchtbares Wetter, ein Schneesturm, der so arg ist, daß man das Schloß nicht sehen kann, und man riskiert, auf dem Weg dahin mit dem Wagen umgeworfen zu werden. Da werden wieder alle Eisenbahnen stecken bleiben, keine Briefe kommen, und ohne alle Nachricht sitzet man da. Vielleicht kann der Telegraph aushelfen, der mir vom 2ten 68 Geburt von Prinzessin Anna von Preußen (1858–1858) am 26. Febr. Sie war die dritte Tochter von Prinz Friedrich Karl und Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau, und verstarb bereits am 6. Mai im Alter von 9 Wochen. 69 Luise Gräfin von Voß, geb. von Berg (1780–1865). 70 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
1858
325
Nachricht von Charlotte brachte, daß sie seit dem 28ten wieder im Bett an der Grippe [ge]legen, nach dem sie schon besser gewesen, wie ja auch Loen71 bereits gemeldet. Wie danke ich Dir, daß Du meines armen Wilhelms gedacht und auch Deine Schwester Amalie. Es thut dem wehen Herzen wohl, wenn man ihm Liebe und Theilnahme zeigt, wie ja Du und der liebe Bruder Fritz beide meiner heute gedencken wollt. Bitte sage es recht an Fritz, denn daß rühret mich so, daß er bei seinen Leiden doch der Anderen nicht vergißt. Gott wird die Gebete erhören, die so vielfach zu Ihm aufsteigen, für die Herstellung vom geliebten Kranken. Wie wird aber das Wetter heute auf ihm einwirken, das milder und doch so schäuslich ist. Gott gebe nur, daß Dein Schnupfen nun ganz fort geht, eben so der Husten. Ich ängstigte mich wirklich sehr, als ich von dem leichten Unwohlsein in der Zeitung las, denn jetzt darf Dir garnichts anwehen, noch weniger wie sonst. Nur gut, daß Fritz es ruhig aufnahm. Treskow72 schrieb mir heute auch wieder eben so gute Nachrichten. Sein erster Brief war vom 2ten, und er kam am 4ten erst an. Wo er so lange gesteckt, begreiffe ich nicht. Die Büste von Fritz steht in meinem Salon, wo ich des Abends zubringe, mir grade gegen über. Ich finde sie zu ähnlich. Sie macht mir sehr viel Freude. Nun leb wohl, meine liebe Elis, und habe Dank für alle Liebe, Deine treue, alte Adine Den Damen und Herren meine Empfehlungen. Charlottenburg, den 16ten März 1858 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für Deinen lieben, rührenden Brief vom 7ten. Es rührte mich besonders, daß Du gerade an dem Tag daran dachtest, mir zu schreiben.73 Der März ist ein trauriger Monat, kaum ein paar Tage ohne trübe oder scheußliche Erinnerungen. Von hier kann ich Dir Gottlob gute Nachrichten geben. Fritz macht wirklich Fortschritte, und oft fühlt er es selbst, aber nicht immer, denn in dem, was ihn am meisten incommodirt,74 in der Sprache, geht es freylich noch nicht gut. Übrigens aber ist er so lebendig, hat ein solches Interesse an allem, sieht Gott sey Dank so wohl aus, daß man sich nur freuen kann. Gestern Morgen, wo ihn Grimm bey mir im Album beschauend [fand], hatte er dieselbe Idee wie ich, daß er ganz war wie sonst, und da sprach er auch so gut. Viel Wechsel ist im Tage, das kennst Du, bald sehr heiter, dann wieder außer sich über seinen Zustand. Es ist wahr, daß auch das Geringste Einfluß auf ihn hat. Sonnabend waren wir bey Wilhelm. Ich holte ihn in Bellevue ab, und da ich später wegfuhr, weil Charlotte und Julie Brandenburg75 bey mir waren, fürchtete ich, zu spät zu kommen. Es war aber gerade das Gegentheil, er war eben erst angekommen, sehr ermüdet und etwas 71 Ders. 72 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 73 Todestag von Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin (1800–1842) am 7. März. 74 Frz. von incommoder = etwas, das belästigt, Unannehmlichkeiten oder Umstände macht. 75 Charlotte (1821–1902) und Julie Gräfinnen von Brandenburg (1823–1884), Ehrenstiftsdamen in
326
Briefe 1851–1873
echouffirt.76 Da machten wir noch eine kleine Fahrt und gingen dann erst zu Wilhelm. Der Aermste hatte eben einen Versuch zum Stehen gemacht, der mißglückte.77 Er hatte viel Schmerzen gehabt und sah übel aus. Fritz wurde so müde, daß wir bald weggingen, und unterwegs war er so herunter, daß er ganz blaß und gezogen aussah. Es erschreckte mich sehr, und ich ließ zu Hause gleich den Arzt kommen. Er legte sich auf ’s Bett und schlief etwas, und dann war er ganz wohl, aß mit dem größten Apetit und sah den Abend Bonin78 und Lené,79 mit denen er viel Pläne ansah. Es war nur die zu lange Promenade gewesen, die ihn so ermüdete. Die Predigten versteht er jetzt ganz vortrefflich, das ist ein großer Fortschritt. Er hatte wieder angefangen, Gerlach und Keller,80 aber erst zwischen 10–11, hereinkommen zu lassen. Das taugt aber nichts, und ich habe gestern Gerlach verboten zu kommen. Heute kam er, aber Fritz fragte zum Glück erst nach ihm, als er nach Bellevue ging und Gerlach schon fort war. Ich hoffe, dadurch dieser werdenden Gewohnheit gesteuert zu haben. Ich komme mir immer wie in einer belagerten Stadt vor, immer abwehrend. Wenn ich nur wüßte, wie es mit der Einsegnung und dem heiligen Abendmahl in der Charwoche werden wird!81 Fritz fürchtet sich darauf und will nicht davon sprechen. Wie rührt mich, daß Du gar nichts thun willst, was stören könnte. Gott lohne es Dir! Das ist die rechte Liebe, die nur an das Wohl des Geliebten denkt. Charlotte hat an Fritz geschrieben, oder vielmehr an Elise Fersen dictirt. Sie war noch zu Bett damals. Endlich ist die Luft milder und vollkommenes Thauwetter, ein arger Schmuz. Gestern regnete es, da konnte man nicht den Anfang der Sonnenfinsternis82 sehen, nur die eigenthümliche, unheimliche Dunkelheit. Aber das Ende konnten wir hier recht gut auch sehen. Wilhelm geht jetzt wieder etwas. Es dauert doch entsezlich lange. Karl, Albrecht und Fritz Louis waren den 10ten hier. Aber nur Abbat konnte in’s Mausoleum gehen, die beyden andern waren zu misérable, und Karl sah wirklich erbärmlich aus, doch war Weiß,83 der gestern hier war, zufrieden mit seinem Zustand. Von Marianne und der armen Kleinen84 brachte er uns gute Nachrichten. Das Kind fängt an, stärker zu
76 77 78 79 80 81 82 83 84
Heiligengrabe, Töchter der verstorbenen Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen. Frz. echauffieren = sich aufregen, sich durch Anstrengung oder Aufregung erhitzen. Wilhelm (I.) Prinz von Preußen hatte sich auf dem Rückweg vom Schauspielhaus den Fuß verstaucht. Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Generalmajor und Generaladjutant. Peter Joseph Lenné (1789–1866), General-Gartendirektor der kgl.-preuß. Gärten. Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, und Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten. Konfirmation von Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, am 31. März. Sonnenfinsternis in Norddeutschland am 15. März. Dr. Weiß, preuß. Oberstabsarzt und Geheimer Sanitätsrat, Regimentsarzt im 1. Garde-Ulanen-Regiment, Leibarzt von Prinz Carl von Preußen. Prinzessin Anna von Preußen (1858–1858), Tochter von Prinz Friedrich Karl und Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau, geb. am 26. Febr., gest. am 6. Mai im Alter von 9 Wochen.
1858
327
werden, und er hofft, sie wird noch recht kräftig. Hohenlohe85 sah ich wieder so ungern scheiden. Er ist prächtig für Fritz, so erheiternd und doch auch so bestimmt. An den Nachfolger kann ich mich immer noch nicht gewöhnen. Amelie Dönhof86 ist wieder unwohl. Ihre Schwester87 war auch bey mir und gestern Mathilde Radziwill, die nur auf 2 Tage in Berlin war, um ihre Mutter zu sehen.88 Victoria hatte sich wieder etwas erkältet, es geht aber wieder gut. Ich habe sie nicht wieder gesehen und höre durch Adinchen von ihr. [Die] Damen und Herrn empfehlen sich Dir zu Gnaden. Meyrink89 kömmt immer sehr treu einen Tag um den andern. Fritz ist fort und weiß nicht, daß ich Dir schreibe. Fast hätte ich vergessen: Von einer Reise ist bis jetzt nicht die Rede. Fritz macht sich, glaube ich, nichts daraus. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 20ten März 1858 Glaube nur nicht, geliebte Elis, daß ich Dir gleich wieder mit einem langen Brief komme. Nein, ich will Dir nur danken für Deinen lieben Brief, der mich so glücklich gemacht und mich so erfreut, und für alle détaills, die Du mir über Fritz seinem Befinden giebst. Gott erhöre unser Gebet und gebe Fortdauer alle die Beweise von Besserung. Welches Glück, daß Fritz selbst das Gefühl von Fortschritt hat und heiter sein soll. So schreibt mir Werder90 auch. Die Adjutanten übertreffen sich jetzt im fleißigen Schreiben, was ich ihnen sehr danke. Ich kann mir denken, daß Hohenlohe91 sehr gut für Fritz ist, da er auch so viel Humor hat, was Fritz schon immer amüsiert, und er weiß ihn richtig zu nehmen. Ich habe auch gestern einen Brief von meinem Wilhelm aus Amerika, aus Monto Video vom 3ten Februar gehabt, worin er mich bittet, ihn Dir und dem lieben Fritz zu Füßen zu legen. Er war nun im Begriff, seine große Reise nach dem Innern des Landes zu machen, erst nach Buenos Eyres, von da nach dem Uruguay hienauf nach Parana, dann etwas zurück nach Rosario, von wo er noch schreiben wird. Dann geht es zu Pferde durch die Pampas nach Mendoza, wo sie neue arangemens zur Gebirgsreise machen müßen, um über die Cordellere de los Andes nach Valparaiso und St. Jago zu gehen, und wollen noch nach Capulco und Mexico über Havanna nach England zurückkehren.92 Vor dem August können sie aber nicht zurück sein. Die Trennung dehnt sich noch länger aus. Wenn ihn 85 86 87 88 89 90 91 92
Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. Verm. Therese Gräfin zu Eulenburg, geb. Gräfin von Dönhoff (1806–1885). Prinzessin Mathilde Radziwill (1836–1918) zu Besuch bei ihrer Mutter Fürstin Mathilde Radziwill, geb. Gräfin von Clary und Aldringen (1806–1896). Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann und wirkl. Geheimer Rat. Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. Die geplante Reiseroute war demnach: Montevideo, Buenos Aires, Uruguay (Fluss), Paraná (Argen-
328
Briefe 1851–1873
aber die Reise wirklich bessert und zu seinem Glück beförderlich wäre, dann muß man nicht klagen, sondern sich freuen. Und mir scheint, als wenn dieser Theil der Reise ihn wirklich interessiert. Gott führe ihn mir nur wirklich zurück! Leb wohl, heute ist wirklich Frühlingswetter. Ich habe eben eine große Promenade zu Fuß gemacht. Noch tausend herzlichen Dank für Deinen Brief, an Fritz viel, viel Liebes, Deine treue Adine Charlottenburg, den 30ten März 1858 Für zwey liebe Briefe habe ich Dir zu danken, liebe Adine, und werde es nur so unvollkommen thun können, denn mir scheint, ich habe täglich weniger Zeit, wenigstens am Morgen. Du wirst durch die Adjudanten wissen, daß es Gottlob gut geht, wenn auch Schwankungen oft noch vorkommen. Die Stürme der lezten Wochen thaten ihm nicht gut, und der Uebergang nachher in die warme Luft. Alle Uebergänge taugen nicht, wenn aber dieß schöne Wetter anhält, wird es gewiß sehr wohlthätig seyn. Gestern ging er zu Fuß nach Schloss Grunewald. Er fuhr nur bis an den Wald, durch den ärgsten Sand. Ich fuhr später hin und sezte mich mit ihm in die warme, heimlige Stube und las ihm einen Brief von Loén93 vor, mit recht guten Nachrichten von Charlotte, aber recht ängstlichen von der armen Cathi, die eine fausse couche gemacht hat,94 und überdem eine Lungenentzündung, Ashma. Man gab sie einen Tag fast ganz auf. Aber vom 24ten schreibt Loén, daß es schon besser war, und telegraphisch erfuhren wir noch gestern Abend, daß Gefahr und Fieber verschwunden waren. Der arme George war auch krank und soll munter seyn wie je, so daß es Cathi sehr ermüdete, mit ihm zu sprechen. Da kömmt Fritz, hat vortrefflich geschlafen und ist ganz heiter, Gottlob. Fritz ist nach Bellevue gegangen, und ich benuze schnell einen freyen Augenblick, ehe Adinchen kömmt. Heute ist der Todestag von der lieben Lolo, und morgen ist Adinchens Einsegnung.95 Sie ist in einer recht guten Stimmung. Ich ängstige mich mehr wie sie, bin auch besorgt für Fritz, obgleich mir Snethlage96 versprochen hat, es soll nicht zu lange dauern. Uebermorgen werde ich früh mit Fritz zum heiligen Abendmahl gehen, und die Familie um 10 Uhr. Dabey werden wir seyn, aber Fritz wird doch die Zeit haben, ruhig zu frühstücken und sich aus zu ruhen. Gott wolle es ihm segnen und uns Allen. Dir auch, meine Adine, denn ich denke, Du gehst auch am Grünen Donnerstag zum heiligen Abendmahl? Wilhelm besuchte uns vorgestern. Wir fanden ihn vorgestern auf der Terrasse, als wir von der Promenade
93 94 95
96
tinien), Rosario (Argentinien), Pampa, Mendoza (Argentinien), Anden (Cordillera de los Andes), Valparaiso (Chile), Santiago de Chile, Acapulco de Juárez (Mexico), Mexico Stadt, Havanna (Kuba). Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. Herzogin Katharina zu Mecklenburg-Strelitz, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), hatte eine Fehlgeburt erlitten. Todestag von Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831– 1855), am 30. März und Konfirmation ihrer Schwester Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842– 1906) am 31. März. Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin.
1858
329
kamen. Mit dem Fuß geht es gut, aber er siht nicht wohl aus, und heute ließ er sagen, er habe in der Nacht einen Rheumatismus im Rücken bekommen, daß er sich nicht bewegen kann. Loén schreibt, daß Charlotte vortrefflich aussieht und wohl bald ausfahren wird. Wie freue ich mich, daß Du so gute Nachrichten von Deinem Wilhelm hast. Gott wolle ihn gesund heimführen.97 Er hat doch noch viel vor, recht beschwerliche Reisen. Grüße ihn herzlich von mir. Morgen um 12 Uhr ist die Einsegnung. Denk an Addy und bete für sie! Da liegt ein Brief von Gustav,98 den ich noch nicht las. Er ist in Düsseldorf, um Stephánie99 noch zu sehen. Von den Geschichten wegen der Hochzeit in Berlin hast Du keinen Begriff.100 Stillfried101 hat sich übertroffen in Unausstehlichkeit. Der alte Dohme102 ist ganz krank davon geworden. Sie soll durchaus wie eine preußische Prinzeß behandelt werden! Lebe nun wohl, meine Adine, und grüße Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 3ten April 1858 Meine geliebte Elis, welche Freude, daß Du mir wieder selbst geschrieben hast und doch recht gute Nachricht von Fritz hast geben können. Wie mögen aber diese drei fatiganten Tage ihm bekommen sein? Ich dachte so viel an ihn und an Dich, wie das heilige Abendmahl Euch wieder zusammen gestärkt haben wird, nach dem schweren halben Jahr, was nun hinter ihm liegt. Es muß aber auch sehr ergreiffend gewesen sein, und Gott wird Euch beide seegnen und unter seinen besondern Schutz nehmen und unser aller Flehen erhören. Die Einsegnung von Addie103 scheint auch sehr schön gewesen [zu] sein. Tresko104 schreibt recht interessant über alles und besonders, daß er Fritz so gekräftigt findet und heiter und auch alles leicht begreift. Ach, solche Nachrichten thuen wohl, und vielleicht sehe ich es von Weiten rosieger an, aber es beglükt doch. Sage bitte an Treskow meinen Dank. Ich bemerkte aber, daß seine Briefe immer 3 Tage gingen, vom 31–1ten. Es muß vergessen worden [sein], an dem Abend, wo der Brief geschrieben wird, nach Berlin geschickt zu werden. Den andern Morgen ist dann die Eisenbahn fort. Er muß ein mal danach forschen. Seine Briefe sind mir immer die liebsten. Es steht so viel darin, und 97 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee auf eine fluchtartige Auslandsreise geschickt worden. 98 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 99 Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859). 100 Hochzeit von Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859) mit König Peter V. von Portugal (1837–1861) am 29. April als sogenannte Prokurativtrauung, d.h. Trauung durch Stellvertreter. 101 Rudolf Freiherr von Stillfried-Rattonitz (1804–1882), preuß. Oberzeremonienmeister. 102 G. Dohme, preuß. Hofrat, Hofstaatssekretär und Buchhalter im Hofmarschallamt. 103 Konfirmation von Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, am 31. März. 104 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant.
330
Briefe 1851–1873
sein Urtheil ist einfach und richtig. Es war recht seltsam dies Jahr, daß alle unsere Verwandten am Grünen Donnerstag das Abendmahl genommen, also erst bei Euch die ganze preußische Famille, in Petersburg dort die Famille, da Ostern mit unserm zusammen trifft, wir hier in Schwerin, meine Tochter in Ungarn und meine Schwägerin Marie in Altenburg. Es war mir ein gar schönes Gefühl, so uns vereint vor Gottes Thron zu wißen. Und Schwester Luise ihr Mariedchen wurde eingesegnet.105 Möge der Herr uns sein Mahl gesegnet sein laßen. Das schöne Frühlings Wetter, was alle Menschen belebt, ist gänzlich verschwunden, heute kalter Ost Wind und Schnee in der Luft. Am Palmsonntag hatte ich solch argen Schwindel, daß ich gar nicht aus dem Bett konnte. Erst um Mittag gelang es mir nach allerhand kühlen. Nun bin ich wieder ganz gesund und fühle nichts, aber 2 Tage war mir schlecht zu Muthe. Es machte auch wohl der schnelle Übergang von Kälte zu Wärme. Welche Freude, daß Loen106 Charlotte so wohl aussehend findet. Aber die arme Kathy, Gott sei Dank, daß sie gerettet ist. Wie traurig aber auch ist die vereitelte Hoffnung, und in Strelitz braucht man so Nachkommen.107 Nun leb wohl, Gott geleite Euch, ihr Lieben. Besonders viel Liebes an Fritz, Gott behüte ihn, Deine alte Adine Charlottenburg, den 13ten April 1858 Du hast mich wieder recht erfreut, aber auch beschämt, meine Adine, durch Deinen lieben Brief, den ich gestern erhielt. Verzeihe mein langes Schweigen (Ich schreibe eben am Frühstückstisch neben Fritz, weil ich sonst zu nichts komme). Eben geht er hinüber und sagt Dir tausend Liebes. Er bleibt jetzt länger hier den Morgen. Dann mußte ich in der lezten Zeit oft jemand sehen, und fahre auch, seitdem der abscheuliche Wind immer so arg wehet, früher aus, um noch im Thiergarten etwas zu gehen, ehe ich Fritz in Bellevue abhole, denn da ist mehr Schuz zu finden wie in dem hiesigen Garten. So ist nun mein Morgen kürzer noch wie sonst. Die lezte Zeit waren wir viel im Grunewald. Das werden die Adjudanten geschrieben haben? Wenn man einmal den gräßlichen Sand überwunden hat, ist es im Wald gar hübsch zu gehen, denn die Fußwege sind fest, und das alte Schlößchen liegt so freundlich am blauen See. Die Zimmer sind geheizt, und wir établiren uns immer ein wenig dort. Ich schrieb Dir zulezt am Tage vor Addys Einsegnung.108 Das war ein Tag tiefer Bewegung. Ich kam gar nicht aus den Thränen. Du glaubst nicht, wie vortrefflich, wie gesammelt Adinchen war, unbekümmert um die vielen Menschen. Sie antwortete so gut und las mit lauter Stimme und mit solcher Ueberzeugung ihr seeliges Glaubensbekenntnis, dass sie ganz allein abgefaßt hatte, ohne daß daran etwas geändert 105 Konfirmation von Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910), Tochter von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 106 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 107 Herzogin Katharina zu Mecklenburg-Strelitz, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), hatte eine Fehlgeburt erlitten und war darauf lebensgefährlich erkrankt. 108 Konfirmation von Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, am 31. März.
1858
331
worden. Sie sah hübsch aus, weil ihr Ausdruck so hübsch war. Sie machte mir große Freude auch beym heiligen Abendmahl, wo sie so ergriffen war. Gott wolle ihr die Zeit zum Segen, für Zeit und Ewigkeit seyn lassen. Sonnabend vor Ostern kam sie hieher und ist noch bey uns und rührend glücklich, und doch ist jetzt unser Leben so still und einförmig. Ich wünsche nicht, daß sie schon bey der prokurativ Heyrath109 erscheine, ausser zur Familientafel. Ich meine, künftigen Winter sey es passender, sie ausgehen zu lassen. Die Conferenzen, Umständlichkeiten und Dummheiten bey dieser Gelegenheit übersteigen alle Begriffe. Man glaubt, in einem Krehwinkel zu seyn. Nun von der Hauptsache, von unserm lieben Kranken. Die stille Woche hat ihn doch unbeschreiblich angegriffen, und dabey das abscheuliche Wetter. Er war besonders so niedergeschlagen und verlor auch den Apetit, der aber Gottlob seit gestern wieder gekommen ist, und der Schlaf ist fast ohne Ausnahme ganz vortrefflich. Die Erneuerung der Stellvertretung von Wilhelm machte ihm wenig Eindruck.110 Ich dankte Gott dafür, denn ich hatte mich sehr davor geängstigt. Eben schneit es furchtbar. Es ist alles besser wie der ewige, trockene Wind. Ich kann mir kaum erinnern, ein solches Frühjahr ohne alle Anstalt zum Geänderten gesehen zu haben. Die Kälte hielt uns ab bis jetzt, nach Potsdamm zu gehen. Es war mir gar zu leid, nicht bey der Taufe der kleinen Anna zu seyn.111 Marianne hatte es so gewünscht. Es soll kein hübsches Kind seyn und Marianne noch recht angegriffen aussehen. Ich hoffe, Dein Schwindel ist nicht wieder gekommen? Wie erschreckte es mich. Ich bitte Dich um Gottes Willen, nimm Dich in Acht. Fritz entschloß sich erst nach der Einsegnung, mit der ganzen Familie zum heiligen Abendmahl zu gehen, was eine große Freude für alle, besonders für Addy, war. Gott wolle uns den Segen erhalten, zur Stärkung in der schweren Prüfung. Fritz hat doch einige hübsche Fortschritte gemacht, obgleich er immer viel klagt. Er hat gestern geschrieben und sehr gut, nicht dictirt, auch nicht copirt, sondern ganz seine eigenen Ideen. Eben unterbrach mich Werther,112 der übermorgen nach Petersburg geht, und nun muß ich nach Bellevue. Lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Wie glücklich, daß Elise Fersen ihre Stieftochter verheyrathet.113 109 Hochzeit von Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859) mit König Peter V. von Portugal (1837–1861) am 29. April als sogenannte Prokurativtrauung, d.h. Trauung durch Stellvertreter. 110 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte am 23. Okt. nach seinem Schlaganfall seinem Bruder und Thronfolger Wilhelm (I.) Prinz von Preußen die Stellvertretung der Regierungsgeschäfte übertragen. Da der preuß. König weiterhin regierungsunfähig war, erfolgte zum zweiten Mal eine dreimonatige Verlängerung. 111 Taufe von Prinzessin Anna von Preußen (1858–1858), geb. am 26. Febr. 112 Karl von Werther (1809–1894), preuß. Gesandter in Russland. 113 Sophie Gräfin von Fersen (1832–1863) heiratete Alexej Grigorjewitsch Plechtchejew (1833–1880). Sie war die Tochter von Olga Gräfin von Fersen, geb. Gräfin Stroganowa (1808–1838), und Paul Graf von Fersen (1800–1884), der in zweiter Ehe mit Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1908) verheiratet war.
332
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 19ten April 1858 Geliebte Elis, ich bitte Dich, quäle Dich nicht, mir zu schreiben. Denn ich weiß ja, wie Deine Zeit beschränkt [ist] oder eigentlich Du garkeine Zeit hast. Thue es nur, wenn es grade sich macht, obgleich grade Deine Briefe mir zu lieb sind. Denn Du weißt, wie lieb ich Dich habe. Und durch Dich erfahre ich ja am besten den Gesundheitszustand vom geliebten Kranken. Der Fortschritt, mit allein schreiben und selbst seine Gedanken auf dem Pappier zu bringen, finde ich ganz ungeheuer, und ein solcher, meine ich fast, ist noch nicht da gewesen. So entwickelt sich es sich nach und nach, und so wird es mit dem Sprechen auch kommen. Wie ihm wohl jetzt die Wärme bekömmt, die schon seit einigen Tagen anhällt. Aber trocken ist es dabei zum Entsetzen. Vielleicht zieht ihr nun bald nach Potsdam. Wie glücklich wird er dann sein, der geliebte Fritz. Bitte grüße ihn vom alten Alex. Der Grunewald scheint wirklich, wenn der Sand überstanden ist, eine angeneme Abwechslung. Bescheiden finde ich es aber sehr. Wie schön, daß die Erneuerung der Stellvertretung Fritz so garnicht berührt.114 Es ist doch immer ein neuer Abschnitt. Ich dachte mir, es würde nun auf ein halbes Jahr sein. Allein, die Anwesenheit der Kammer machte es wohl so wünschenswerth. Wir haben hier in Schwerin auch eine bewegte Zeit gehabt, mit Ministerwechsel. Leider geht Minister Graf Bülow115 im Herbst ab, wegen seiner Gesundheit, die freilich nun sich vielleicht wieder befestigt. Aber seit 2 Jahren hat es ihm doch schon gehindert, die Geschäfte ganz treu nachzukommen, wenn er es auch vielleicht nicht so glaubt. An seine Stelle wird ein Herr von Oertzen116 kommen, der Bundesgesandte in Frankfurt am Main war, ein recht ausgezeichneter Mann. Dann geht Herr von Brock117 ab, der die Finanzen hatte. Der will nicht hinter Herr von Oertzen gehen an dessen Stelle. [So] hat der frühere Minister von Levetzow118 sie angenommen, mehr aus Liebe und Anhänglichkeit zu meinem Sohn Fritz als aus Liebhaberei. Denn er ist reich, hat ein schönes Gut und war nun ganz frei und unabhängig. Diese Veränderungen werden doch manche andern nach sich ziehen, und dabei macht man traurige Erfahrungen. Eben bekam ich einen Brief von Bismark119 mit ganz guten Nachrichten. Schönhausen ist auch ein Spazierfahrtveränderung.120 Wenn erst alles grün wird, dann ist alles
114 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte nach seinem Schlaganfall seinem Bruder und Thronfolger Wilhelm (I.) Prinz von Preußen am 23. Okt. die Stellvertretung der Regierungsgeschäfte übertragen. Da der preuß. König weiterhin regierungsunfähig war, erfolgte zum zweiten Mal eine dreimonatige Verlängerung. 115 Hans Graf von Bülow (1807–1869), mklbg.-schw. Ministerpräsident. 116 Jasper von Oertzen (1801–1874), seit 1851 mklbg. Gesandter beim Bundestag in Frankfurt am Main, 1858–1869 mklbg.-schw. Ministerpräsident. 117 Heinrich Adolph Diederich von Brock (1802–1878), mklbg.-schw. Staatsminister für Finanzen, Gutsbesitzer auf Käselow. 118 Theodor Diederich von Levetzow (1801–1869), 1857–1867 mklbg.-schw. Staatsminister für Finanzen, Gutsbesitzer auf Lelkendorf und Karnitz. 119 Friedrich Alexander Graf von Bismarck-Bohlen (1818–1894), preuß. Major und Flügeladjutant, seit 1856 Kommandeur der Leibgendarmerie. 120 Barockschloss und Park Schönhausen in Niederschönhausen.
1858
333
hübscher, aber Potsdam ist es nicht! Luise von Baden121 ist wirklich in Berlin. Daß macht sie wohl sehr glücklich, ist wohl verändert, doch herzlich und freundlich wie sonst. Sie ist doch wohl nicht zu der verdrehten Hochzeit gekommen. Glaube mir, Stillfried122 ist nicht allein, der daß alles so machen will. Auguste protegiert zu sehr die Sache, wie sie ist, und da begegnen sie sich.123 Nun leb wohl, Gott mit Euch, ihr Lieben, Deine alte Adine Schwerin, den 24ten April 1858 Meine geliebte Elis, bei dem schönen Wetter, denke ich mir, werdet ihr nach Potsdam ziehen. Und dies wird eine Freude für Fritz sein und ihm Lebensmuth geben. Ich denke mir, im Inneren hat er gewiß Sehnsucht nach Potsdam und Sanssouci. Die Luft ist nur mitunter noch hart von dem starken Wind, der in einem Tag mehrere Mal wechselt, und man weiß eigentlich garnicht, was man anthun soll. Schwerin fängt sich auch an zu schmücken mit frischem Grün. Es geht eben sehr langsam wegen der großen Dürre, nach Regen schreit alles. Die lieben Buchenwälder haben erst dicke Knospen. Ich finde, im Frühjahr, wenn sich das Leben überall reget, bekommt man Sehnsucht, man möchte fliegen. Mir geht es dies Jahr sehr so. Ich sehne mich nach Dir, geliebte Elis, und möchte Dich sehen und hören, wie Du der Zukunft entgegen gehest. Es ist mir manchmal so bang um das Herz. Und dann denke ich, der Herr macht es am Besten, sein Wille geschehe, auf Ihn muß man alle seine Noth legen, ihm vertrauen. Am nächsten Freitag ist ja wohl die eigenthümliche Heirath.124 Wir haben ein Programm bekommen. Die Trauung in der Kirche ist mit so seltsammen Gebräuchen und Ceremonien verbunden. Wilhelm, der allein sitzt oder steht, und die complimente, die die Braut ihm machen muß, ist daß immer so? Nun leb wohl. Addie ist noch bei Euch, wie glücklich sie wohl ist. Deine treue, alte Adine An den lieben Fritz tausend Liebes.
121 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 122 Rudolf Freiherr von Stillfried-Rattonitz (1804–1882), preuß. Oberzeremonienmeister. 123 Festlichkeiten zur Hochzeit von Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859) mit König Peter V. von Portugal (1837–1861) am 29. April in Berlin als sogenannte Prokurativtrauung, d.h. Trauung durch Stellvertreter. Am 18. Mai folgte die Trauung in Lissabon. Die Braut begleitete der preuß. Oberzeremonienmeister Rudolf Freiherr von Stillfried-Rattonitz (1804–1882), der für seinen Einsatz zum Grafen von Alcantara ernannt und somit in den portug. Hochadel erhoben wurde. 124 Hochzeit von Prinzessin Stephanie von Hohenzollern-Sigmaringen (1837–1859) mit König Peter V. von Portugal (1837–1861) am 29. April.
334
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 9ten Mai 1858 Geliebte Elis, meine Gedanken weilen noch immer bei Dir. Und ich bin Dir so dankbar, daß Du mich den Vormittag allein gesehen hast, obgleich ich weiß, daß es Dir die wenige Zeit, die Dir nur bleibt, raubte. Allein, es verlangte mich so danach, Dich ein mal wieder zu sprechen und zu sehen, denn ich war Monate lang so damit verwöhnt worden, und auch von Dir selbst zu hören, wie Du den ganzen Zustand von Fritz eigentlich findest. Gott wird daß wenige, was doch schon besser ist, immer erweitern und befestigen, wenn es auch so sehr langsam geht. Dann ist [es] auch wohl von mehr Bestand. Ich hoffe, daß Fritz sich nun weniger angegriffen fühlt und muthiger ist, denn das ist für ihn und für Dich, geliebte Elis, kaum zu ertragen. Gott wird die Gebete erhören. Wir haben unsere Reise glücklich zurückgelegt, und Friedrich war sehr glücklich, Onkel König und Tante Königin gesehen zu haben, und erzählte es gleich hier.125 Er sagte, der Onkel sah blaß aus und sprach garnicht, und Tante hat mir Erdbeeren geschenkt. Hier war die Freude unbeschreiblich groß. Fritz, Auguste mit den beiden Kindern waren auf dem Bahnhof, und da war ein Jubel sehr groß. Wir fanden alles sehr wohl. Ich muß zur Kirche. Noch tausend Dank für Deine Liebe, die Du mir immer gleich herzlich beweisest. Mein Herz hängt aber auch in Trauer um Dich. An Fritz sage recht viel von mir. Es war mir so ein Trost und so eine Freude, ihn wieder zu sehen. Gott mit Euch. Wie mag es Mariann gehen und wann und wo ist die Beisetzung der armen Kleinen?126 Deine alte Adine Charlottenburg, den 15ten May 1858 Verzeihe, meine Adine, wenn ich erst heute ein Lebenszeichen gebe und so spät Deinen lieben Brief beantworte, der mich doch sehr erfreute. Ich bekam ihn noch hier, den Montag oder vielmehr Sonntag Abend, und den andern Tag gingen wir nach Potsdamm. Das war kein angenehmer Auffenthalt, es war kalt und regnete, und Fritz war sehr melancholisch, hatte selbst keine Ruhe, bis wir wieder fort waren, und seitdem wir hier sind, geht es Gottlob wieder gut. Es ist sonderbar, wie wenig gut ihm Potsdamm [tut], nach dem er sich doch unaufhörlich sehnt. Wir hoffen nun, Montag nach Sans Souci zu übersiedeln. Das, hoffe ich, soll ihm gut thun, es ist schon so schön dort. Ueberhaupt, troz dem schlechten Wetter war Potsdamm doch sehr reizend an seinen blühenden Obstgärten, die wie beschneit aussahen. Marianne sahen wir noch vor ihrer Abreise nach Dessau. Sie ging ungern, und wie es scheint, es wäre besser gewesen, wenn sie mit Mann und Kindern geblieben wäre. Die Mädchen127 sollten erst heute nach reisen. Fritz Karl war so gut und lieb für sie, fuhr immer mit ihr aus. Mit den Kindern, besonders Mariechen, ist er rüh125 Alexandrine besuchte den kranken König mit ihrem 7-jährigen Enkel, Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897). 126 Prinzessin Anna von Preußen (1858–1858), gest. am 6. Mai im Alter von 9 Wochen. 127 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888) und Elisabeth von Preußen (1857–1895).
1858
335
rend. Sein Gesicht strahlt, wenn sie auf seinem Schoße sizt. Marianne sah wieder etwas wohler aus und war auch etwas heitrer. Als ich sie Freytag vor acht Tagen sah, jammerte sie mich in die Seele. Sie war ganz von Schmerz vernichtet und weinte unaufhörlich. Die kleine Leiche128 sah aus wie ein schlafendes Kind, gar hübsch. Heim129 hielt eine kurze Feyer, ehe sie weggebracht wurde. Fritz Karl brachte sein Kind selbst nach Berlin. Er ist Mitwoch arg gestürzt, beschädigte sich an einer Hand und einem Fuß, es geht aber schon besser. [Die] arme Addy ist recht misérable, sie hat die Gelbsucht und siht erbärmlich aus, so mager und so matt. Doch hofft sie, noch vor Pfingsten sich in Sans Souci zu établiren. Von Anna130 haben wir gute Nachrichten. Gestern Abend war Gräfin Voß131 hier, und der Domchor sang, was Fritz große Freude machte und ihm wahrhaft wohl that. Gräfin Voß erzählte mir, daß Marie von Streliz so leidend sey. Hast Du etwas davon gehört? Man darf gar nicht an die Möglichkeit denken, sie zu verlieren. Sie hält doch alles dort. Wie hast Du Deine alte Mama gefunden? Gottlob, daß Du zu Hause alles wohl fandest und Friedrich132 glücklich heim gebracht hast. Die Verlobung von Bülow mit Paula Linden133 wird Dich gefreut haben. Sie ist ein allerliebstes Mädchen. Gestern war Schlieffens Hochzeit.134 Ich dachte den Abend an den Ofen135 und bilde mir ein, daß _____. Es bleibt mir in der Feder. Lebe wohl, meine Adine, Gott lohne Dir Deine Liebe und Treue, Du kennst die meine. Fritz umarmt Dich. Viel Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 20ten Mai 1858 Geliebte Elis, Du wirst wohl schon erfahren haben, daß Helene Orleans am 18ten früh gestorben ist. Uns kam die Nachricht aus heiterem Himmel, da wir keine Ahnung hatten, daß sie die Grippe gehabt. Dies erfuhren wir gestern in Ludwigslust, als ich zur lieben, alten Mama fuhr. Ich kann nicht anders sagen, als daß es mir sehr leid thut. Nun treten die früheren Jahre, als ich im Lande kam und sie 7 Jahre alt war, wieder frisch vor die Seele. Späther, als sie eben herangewachsen war, waren wir sehr uns nahe getreten. Dann freilich lagen trübe Jahre zwischen, wo wir nichts von einander wußten, bis der Tod des Herzogs alles milderte, und zuletzt die Revolution, die Flucht mein Herz ihr wie-
128 Prinzessin Anna von Preußen (1858–1858), gest. am 6. Mai im Alter von 9 Wochen. 129 Albert Heym (1808–1878), Hofprediger und erster Pfarrer an der Friedenskirche in Potsdam. 130 Prinzessin Anna von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Preußen (1836–1918). 131 Luise Gräfin von Voß, geb. von Berg (1780–1865). 132 Der 7-jährige Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897). 133 Verlobung von Bernhard Vollrath von Bülow (1820–1864), mklbg. Gesandter beim Bundestag in Frankfurt am Main, mit Pauline (Paula) Gräfin von Linden (1833–1920), Dichterin und Malerin. 134 Heirat von Wilhelm Graf von Schlieffen (1829–1902), Majoratsherr auf Schlieffenberg und Forschungsreisender, mit Amélie Gräfin von der Gröben (1839–1898) am 14. Mai. 135 „Ofen“ diente als Umschreibung für die Hochzeitsnacht.
336
Briefe 1851–1873
der ganz zu wendete.136 Und der Besuch in Mecklenburg glich alles wieder aus. Auch war ich bei ihr in Eisenach. Dort sah ich sie zum letzten Mal, so daß wir wieder wie früher zusammen sein konnten. Und dies freut mich in diesem Augenblick wirklich sehr. Für Helene ist es ein Glück, daß der Herr sie heim geholt. Nun wird sie Friede und Ruhe finden, was sie beides auf Erden nie hatte. Ihre Söhne137 sind auch erwachsen, also auch diese Pflicht hat sie ganz erfüllt. Ihr Lebenszweck war eigentlich erledigt. Noch haben wir keine Nachricht von ihr letztes Ende, da der Telegraph vom Herzog von Aumale138 wie eine Zeitungsanzeige nur war. Die arme Mama konnte es erst garnicht faßen. Dann aber lösete sich die Erstarrung in Thränen auf. Und als ich wieder zu ihr kam nach einer Stunde, war sie sehr weich und mild und so lieb und herzlich für mich. Es hat sie gefreut, daß ich bei ihr war, und sie sagte, sie sind ja mein Trost, ich bin nun sehr allein. Wenn es nur nicht noch kommt bei Mama, sie ist doch recht schwach. Mein Bruder Wilhelm hat ihr geschrieben, und daß hat sie sehr gefreut. Vielleicht kannst Du ihm dies sagen. Nach der Zeitung geht es Fritz gut in Sanssouci. Vergebens wartete ich auf einen Brief vom Adjutanten, morgen würde wohl einer kommen. Zu gern hätte ich gewußt, wie die erste Nacht dort gewesen und welchen Eindruck der Aufenthalt selbst auf ihm gemacht. Zu Pfingsten gehet ihr wieder nach Charlottenburg, wohl wegen der Kirche. Nun leb wohl. Dir, hoffe ich, bekömmt daß ruhige Leben und die Luft in Sanssouci gut. Deine alte Adine
136 Zur dynastischen Integration der seit 1830 in Frankreich regierenden Orléans hatte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen die Heirat von Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) mit dem frz. Thronfolger Ferdinand Philippe von Orléans, Herzog von Chartres (1810–1842), am 30. Mai 1837 durchgesetzt, gegen den Willen von Großherzog Paul Friedrich und Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, die mit einer in Frankreich von Gnaden des Großbürgertums revolutionär auf den Thron gekommenen Dynastie nichts zu tun haben wollten. Für Herzogin Helene hatte sich dagegen die Chance geboten, in Paris als Königin der Franzosen zu regieren. Unterstützt wurde sie von ihrer Stiefmutter, der Erbgroßherzoginwitwe Auguste, die sogar diplomatisch den Großherzog als Familienchef bei den Eheverhandlungen vertrat. 1842 war Helenes Ehemann Ferdinand Philippe bei einem Unfall ums Leben gekommen. Im Zuge der Revolution von 1848 in Frankreich hatte Helene erfolglos versucht, den Thron für ihren ältesten Sohn Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894), zu erlangen. Nach der Flucht des Königs ging auch sie mit ihren Söhnen ins Exil nach Eisenach zu ihrem Onkel mütterlicherseits Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853). Mecklenburg war nach dem Streit von 1837 keine Option. Am 18. Mai starb Helene in Richmond, zu Besuch bei den frz. Verwandten, die in England im Exil lebten. 137 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894), und Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910). 138 Henri von Orléans, Herzog von Aumale (1822–1897), Sohn von Louis-Philippe I. von Orléans, König der Franzosen.
1858
337
Sans Souci, den 23ten May [1858], Pfingst Sonntag Ich habe Dir wieder für zwey liebe Briefe zu danken, meine Adine. Wie hat mich Helenens Tod139 frappirt und weh gethan für alle, die sie beweinen, denn ihr ist wohl in Ruhe und Seligkeit nach einem schwer geprüften Leben. Ich freue mich so für Dich, daß Du wieder ganz gut wie sonst mit ihr warst. Das ist nun ein großer Trost für Dich, doch begreiffe und theile ich von Herzen Deinen Schmerz. Deine liebe, alte Mama war so gut, mir zu antworten, auch an Wilhelm, dem ich gleich sagte, wie sie seine Briefe gefreut hat. Sie ist so alt und mußte auch noch diese Tochter überleben, für die sie so viele Jahre ganz gelebt hatte.140 Sie jammert mich so unbeschreiblich. Durch Victoria, mehr noch aber durch Augusta erfuhr ich détails über die lezten Tage, Augenblicke der Verstorbenen.141 Welche Gnade Gottes, daß Er ihr den Schmerz des Abschieds von ihren Kindern142 erspart hat, daß sie so ruhig aus Schwäche hinüber schlief in ein besseres Leben. Für die Söhne ist ihr Verlust zu schwer. Sie sind so verlasssen. Der Tod in der Verbannung ist hart. Heimatlos und ohne Zukunft verließ sie ihre Kinder! Du siehst, daß wir nicht nach Charlottenburg gegangen sind. Ich habe mir einmal wieder einen furchtbaren Stadtschnupfen und einen Husten hier geholt. Ich bin jetzt zu empfindlich gegen die Luft von lange unbewohnten Zimmern. Ich hätte vielleicht gestern, wo es sehr warm war, hinüber fahren können, aber dann vielleicht riskirt, dort zu bleiben, was Fritz auch schwer geworden wäre. So ging er denn heute in die Friedenskirche, und das bekam ihm Gottlob sehr gut. Gestern schrieb er einen Brief an Strauß,143 um ihm zu sagen, daß wir nicht kämen, und das war ein ganz ordentlicher Brief. Es geht Gottlob gut, und er freut sich sehr der schönen Promenaden, geht viel und oft und ist selbst zufrieden und heiter. Meyrink144 ist mit uns. Heute Abend kömmt der ehemalige Schwarze, ist Exzellenz und General Adjudant,145 Manteuffel General.146 Er war heute hier, siht erbärmlich aus. Wie schön muß es jetzt in Euren Wäldern seyn und in Steinfeld. Dank Dir von Herzen für die détails über Marie von Streliz. Ach, die lauten traurig. Gott helfe. Fersen147 139 Tod von Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) am 18. Mai. 140 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, Stiefmutter der Herzogin Helene seit 1818. 141 Herzogin Helene von Orléans war in Richmond bei einem Besuch exilierter frz. Verwandter an der Grippe gestorben. Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, war Helenes Cousine mütterlicherseits. 142 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894) und Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910). 143 Friedrich Strauß (1786–1863), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin und Prof. für Praktische Theologie. 144 Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann. 145 Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 146 Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. Generalmajor und Chef des preuß. Militärkabinetts. 147 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof.
338
Briefe 1851–1873
war in Berlin, geht nach Paris, wo er behauptet, daß sein Bruder148 jährlich im Frühjahr stirbt. Voriges Jahr, scheint es, blieb er gesund, denn er kam nicht hier durch. Er war gestern bey einem großen diné bey Wilhelm. Nur drey Prinzessinnen waren vorhanden, Mary, Landgräfin149 und Erlaucht. Victoria durfte noch nicht nach Berlin. Von Mariann sind gute Nachrichten, Fritz Karl ist gestern nach Dessau. Addy ist seit gestern hier, noch gelb und matt, aber doch besser. Lebe nun wohl, meine Adine, Fritz umarmt Dich und ich auch. Viel Liebes Deinen Kindern. Was macht Friedrich?150 Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Es wurde mir so entsezlich schwer, heute nicht mit Fritz in die Kirche gehen zu können! Schwerin, den 26ten Mai 1858 Wenigstens anfangen muß ich heute Dir, geliebte Elis, zu schreiben, in Erinnerung des vergangnes Jahres, wie Du und der geliebte Fritz uns die Ehre und Freude machten, hier beim Einzug im Schloß zu sein.151 Wie froh und vergnügt waren wir damals alle. Dies Jahr ist dies alles getrübt, der arme, geliebte Fritz krank. Und durch den Tod von Helene152 ist doch eine trübe Wolke über alles gebreitet. Es wird daher nichts sein als gratulation vom Hof im Galla. Und mittags sollte eigentlich in Steinfeld gegessen werden, allein, es ist kalt, 9° und stürmisch, und wir werden im Waffen Saal eßen mit einer kleinen Gesellschaft. Den 27ten. Heute ziehen wir mit Sack und Pack auf 8 Tage nach Ludwigslust, um bei der armen Mama zu sein, die sonst so allein ist mit ihrem Schmertz, der sie, da sie nun ruhiger wird, fast erdrückt. Ich war am Dienstag bei ihr und fand sie sehr herunter, ganz geknickt, und sie freute sich bei dem Gedanken, daß wir in ihrer Nähe nun einige Zeit sein würden. Sie spricht es so aus, daß wir ihr lieb sind, was garnicht in ihrer Art ist, dafür uns doppelt beglückt. Dein Brief, geliebte Elis, hat sie sehr gerührt und gefreut. Sie sagte es mir gleich, als ich bei ihr war. Wir sind dann schon hier in Ludwigslust, und ich fand Mama wohl. Sie spricht viel über Helene, aber ihr Kopf ist recht angegriffen, und so vergißt sie leicht, was eben geschen. So wußte sie nicht, daß schon Nachricht seit der Beisetzung da ist und daß sie am Sonnabend gewesen.153 Sie glaubte, es sei [am] Montag, 148 Gustav Jakob von Fersen (geb. 1812), gest. in Paris. 149 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901). 150 Der 7-jährige Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897). 151 Besuch von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen als Ehrengäste zur feierlichen Einweihung des umgebauten Schweriner Schlosses vom 26. bis 28. Mai 1857. 152 Tod von Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) am 18. Mai. 153 Beisetzung von Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, am 22. Mai in der katholischen Kapelle zu Weybridge in England, wo bereits ihr Schwiegervater LouisPhilippe I. von Orléans, König der Franzosen, begraben lag.
1858
339
wie es der Lehrm von Paris ihr gesagt. Uns ist es auch leid, es nicht gewußt zu haben. Wir wären doch gern in Gedanken dort gewesen. Ludwigslust ist jetzt recht schön frisch grün, und der Flieder ist ganze Pracht. Aber freilich, Schwerin ist zu schön, alle Tage bin ich in den Buchen Wäldern herum gegangen und gefahren. Für den lieben Brief mit aller Theilnahme und mit den Nachrichten über Euch dankte ich noch garnicht, und doch war es doppelt so gut von Dir, mir zu schreiben, wo Du leider unwohl warst an Husten und Schnupfen. Das Wetter ist aber auch ganz dazu gemacht. Fritz aber scheint große Fuß Promenade zu machen und viel zu fahren. Nach der Zeitung ist Victoria wieder ganz gut mit ihrem Fuß. Und wie es scheint, geht sie nach Gotha, wo ihr Papa154 erwartet wird. Nun leb wohl, verzeihe den gestückten Brief, aber ich wollte doch gern antworten. Deine alte, treue Adine Schwerin, den 25ten Juny 1858 Vielleicht kömt heute Nachricht von Euch, Ihr Lieben. Seit 8 Tagen weiß ich garnichts, als was die Zeitung sagt. Und danach befürchte ich fast, daß mein Brief Dich kaum noch in Sanssouci findet oder doch wohl schon sehr beschäftigt mit Reise Arangements. Wie es scheint, geht ihr nun zu erst nach Tegernsee und dann nach Kreut.155 Übrigens, wenn der Wind und die Kühle so anhällt, braucht man nicht nach dem Hoch Gebirge zu gehen. Die Luft ist frisch genug, doch für Fritz ist auf jeden Fall eine Zerstreuung gut, und Dir auch, geliebte Elis. In der geliebten Heimath wird für Euch beide Heil sein, und Gottes Seegen wird gewiß mit Euch sein. Nach der Zeitung hätte Marichen von Baiern ein rechtes Unglück haben können, wie sie den Berg herabgestürtzt ist.156 Und die arme Hofdame, welche sich den Fuß so beschädigt hat. Wie ich gedacht, so kam ein Brief von George Gröben.157 Also der 29te ist zur Abreise bestimmt, und die Döhnhof und Hacke reisen mit.158 Daß freut mich sehr, daß die Döhnhof mit kann, sie ist Dir so angenem. Ebenso finde ich die Wahl der Adjutanten ganz vortreflich, und wie glücklich werden sie sein, dem geliebten Herrn folgen zu dürfen und ihm nützlich zu sein. Herr Meyring und Graf Döhnhof,159 dachte ich mir auch, würden treue Begleiter sein. Mir ist das Herz ganz schwer, Euch, ihr Lieben, so in der Ferne ziehen zu sehen. Und doch freue ich mich so 154 Prinzgemahl Albert von Großbritannien und Irland, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861). 155 Schloss Tegernsee und Wildbad Kreuth in Bayern. 156 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), war passionierte Bergsteigerin. 157 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. 158 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873) und Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdamen bei Königin Elisabeth von Preußen. 159 Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann, und Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Schlosshauptmann von Königsberg und Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen.
340
Briefe 1851–1873
für Euch. Die schöne Gegend, die schöne Luft, neue Gegenstände, alles wird dazu beitragen, die Genesung von Fritz zu beschleunigen und die Gesundheit zu befestigen. Ich bete immer für Euch, aber doppelt wird mein Gebet Euch begleiten. Gestern hatte ich von der guten Meyendorf160 aus Peterhof einen Brief mit guten Nachrichten von Charlotte. Das Wetter soll aber kühl und unfreundlich sein. Von der Einweihung der Isakkirche161 schreibt sie kein Wort, und die muß doch recht schön gewesen sein. Und wie interessant, die Vollendung dieses riesen Werks erlebt zu haben. Der theuere Nicolas hatte mich dazu eingeladen, wenn sie eingeweiht werden sollte. Es sollte damals ein Jahr nach seinem Tod stattfinden. Nun ruht er schon 3 Jahre in Frieden und seegnet von den lichten Höhen dieses Werk. Mein Sohn Wilhelm, den wir fast schon am 16ten dieses Monats in London erwarteten, hat, da er Geld und Erlaubniß erhallten, seine Reise auszudehnen, und da es nach Mexiko nicht ging, so hat er sich nach Nord Amerika gewendet, nach Neu Jork, von wo er am 20ten July nach England abreiset. Anfang August können wir ihn dann hier erwarten. Dann sind es 2 Jahre, und Gott wird ja geben, daß ihm diese Prüfungs Reise gut gethan und zum Heil gereiche.162 Von meiner Schwiegertochter haben wir recht gute Nachricht aus Pyrmont. Bis jetzt bekömmt ihr das Bad vortreflich. Ende July oder anfangs August kehrt sie, so Gott will, recht gestärkt zurück. Gestern war ich in Ludwigslust, um Mama zu sehen, die recht wohl ist, aber die Kräfte wollen nicht recht wieder kommen. Sie sagt selbst, sie wäre so fertig und so lebensmüde und müße immer noch leben. Vom 20ten July an erwarten wir die Söhne von Helene,163 die die Großmama und Fritz besuchen wollen. Mama fürchtet sich sehr für den Besuch. Leb wohl, Gott geleite Euch, Ihr Lieben, an Fritz 1000 Schönes. Adine Tegernsee, den 12ten July 1858 Endlich!, wirst Du sagen, meine Adine, und so sage auch ich, aber es ging eben nicht früher, denn hier, wo Fritz gar nicht liest oder schreibt, mit Doktor Abel,164 ist meine Zeit auch mehr zugemessen. Glücklicherweise hast Du Nachrichten durch die Adjudanten und bist beruhigt. Nun endlich Dank für zwey liebe Briefe, wovon ich den einen noch in Sans Souci bekam und den andern hier vor wenig Tagen. Gottlob! Bis jetzt ging alles gut, und wenn auch der wirklich schönen, glänzenden Tage nur wenig bis jetzt waren, so konnte Fritz doch immer ausgehen und sich der herrlichen Gegend erfreuen. Seit gestern 160 Sophie Baronin von Meyendorff, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868). 161 Einweihung der 1818–1858 erbauten Isaakskathedrale in St. Petersburg mit der drittgrößten Kuppel der Welt. 162 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin beendete seine zweijährige Auslandsreise, die er nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee fluchtartig angetreten hatte. 163 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894), und Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910). 164 Christian Wilhelm Ludwig Abel (1826–1892), preuß. Stabsarzt des Invalidenhauses Berlin und Oberarzt am medizinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut.
1858
341
aber fällt unaufhörlich ein förmlicher, solider Landregen, und zum erstenmal war Fritz gestern Abend schwermüthig und muthlos, doch schlief er ganz vortrefflich und rennt in diesem Augenblick im Regen herum. Er siht sehr wohl aus und hat auch schon etwas zugenommen. Nirgends kann er bequemer und besonders ruhiger leben wie hier, nichts Störendes oder Aufregendes, ein regelmäßiges Leben, die herrlichste Gegend, vortrefflich stärkende Luft und ein Hausherr, wie mein guter Bruder,165 der alles so zweckmäßig und sorgsam eingerichtet hat und keinen andern Wunsch hat, als es ihm bequem und angenehm zu machen, und dabey so besorgt, ihn zu géniren, daß er nicht einmal alle Tage zu unserm Thee kömmt. Ich wünschte, Keller,166 der gestern abgereist ist, hätte sich die Einrichtungen, die Haltung der Leute, die Ordnung zu Herzen genommen zur Nachahmung. Wir erwarten Stüler167 und Reumont,168 den ich Fritz schon früher vorgeschlagen hatte. Er meinte aber, er könne noch nicht mit ihm sprechen. Nun aber hat er ihn selbst verlangt. Die Reise, auf die ich mich so sehr gefürchtet hatte, ist für mich die angenehmste Erinnerung geworden, denn in langer Zeit sah ich Fritz nicht so gut wie damals. Das Wetter war schön, nicht zu warm, nur wenig Personen im Waggon. Er war so ruhig und fühlte sich mit jedem Tage besser, schlief, ohne aufzuwachen, während wir alle bey dem heillosen Lärm kein Auge schließen konnten. Der König Max,169 den mein Bruder und ich gebeten hatten, jetzt nicht in die Gegend zu kommen, um Fritz nicht aufzuregen, ist auf seiner Gebirgsreise dennoch gestern Abend nach Kreuth gekommen. Fritz weiß es nicht, aber wie wird es sonderbar in den Zeitungen aussehen, daß er so nahe war, ohne ihn zu sehen! Es ärgert mich! Ich hatte mir lezten Donnerstag ein rendez vous mit meiner Schwester170 gegeben, auf der lezten Station der Eisenbahn von München, und wer nicht kam, war sie, die mit einer furchtbaren Migraine auf dem Lande bleiben mußte. Ihre Kinder kamen, und mein Neffe Karl von Oesterreich mit Margarethe.171 Das war wohl eine große Freude, aber Luise nicht zu sehen, ein großer Schmerz und sehr entmuthigend, denn diese Migraine verläßt sie beynahe gar nicht, und diesmal hatte sie 12 Stunden Erbrechen. Es sind eine Menge Leute hier und in der Umgegend, élégante Damen. Da ich sie aber nicht begegne, géniren sie mich nicht. Adinchen schwimmt in einem Meer von Seligkeit. Luft und Molken bekommen ihr sehr gut, sie macht angenehme Spaziergänge. Amelie Dönhof172 wird als eine Art Böckchen173 nach Hause kommen, so 165 Prinz Karl von Bayern (1795–1875) auf Schloss Tegernsee. 166 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten. 167 August Stüler (1800–1865), preuß. Geheimer Ober-Baurat und Architekt des Königs. 168 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Legationsrat, Ministerresident in Florenz und Historiker. 169 König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864). 170 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 171 Erzherzog Karl Ludwig (1833–1896) und Erzherzogin Margarete von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1840–1858). 172 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 173 Vergleich mit Henriette Auguste Bock (1762–1845), ehem. Erzieherin der Prinzessin Luise der
342
Briefe 1851–1873
stark wird sie schon. Mir geht es gut. Ich lebe viel in der Vergangenheit, woran jeder Winkel im Schloß, jeder Baum, jeder Berg mich erinnert. Da beschleicht mich Wehmuth und unaussprechliche Sehnsucht nach allen, die den lieben Ort belebten. Es ist mir oft wie ein Traum, daß ich hier bin und in so ganz andern Verhältnissen, mit Sorgen, die ich früher nicht kannte! Wir gehen nicht nach Kreuth, das war schon lange aufgegeben. Es war auch ganz unmöglich, denn es ist so überfüllt, daß man gar keine Kranke mehr aufnehmen kann. Die Verlobung von George von Meiningen174 hat der Schuckmann175 viele Thränen gekostet, aber es war doch nicht zu denken, daß ein so junger Mann unverheyrathet bleiben würde. Du hattest recht gesehen in Berlin, wo, wie es scheint, seine Liebe entstand. Ich freue mich sehr über Mariannens Auffenthalt in Dobberan künftigen Monat. Sie liebt Dich so, daß schon Deine Nähe ihr wohl thun wird. Wie werde ich an Dich denken bey der Rückkehr Deines Wilhelm.176 Gott wolle ihn kräftigen in seinen guten Vorsäzen. Ich kann mir denken, was Charlotte bey der Einweihung der Isacks Kirche empfinden mußte. Die Feyer war gewiß herrlich, und die Kirche soll ein Weltwunder seyn.177 Nun ist Fritz zurück und wird frühstücken wollen. So lebe denn wohl, meine Adine, und grüße Deinen Sohn. Auguste ist wohl noch nicht zurück? Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Morgen [ist es] ein Jahr seit Fritzens erster Erkrankung in Pilniz.178 Seitdem habe ich keine Ruhe mehr. Fritz sagt Dir tausend Liebes. Glaubst Du, daß der Brief Luise interessiren könnte, so schicke ihn ihr, denn ich weiß nicht, wann ich dazu kommen werde, ihr zu schreiben. Ludwigslust, den 15ten July 1858 Geliebte Elis, welche Freude wurde mir heute [zuteil], als ich hier her zu meiner Mama fuhr, ein Brief von Dir. Du bist zu engelsgut, mir so ausführlich zu schreiben, und ich bin Dir so dankbar dafür, da ich ja weiß, wie Deine Zeit besetzt ist. Aber welches Glück, daß Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 174 Verlobung von Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914) mit Prinzessin Feodora zu Hohenlohe-Langenburg (1839–1872), nach dem Tod seiner ersten Frau Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855). 175 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin von Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 176 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin beendete seine zweijährige Auslandsreise, die er nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee fluchtartig angetreten hatte. 177 Einweihung der 1818–1858 erbauten Isaakskathedrale in St. Petersburg mit der drittgrößten Kuppel der Welt. 178 Die ersten Anzeichen einer schwereren Erkrankung des Königs von Preußen waren am 13. Juli 1857 aufgetreten beim Besuch der Schwestern der Königin in Pillnitz. Die Zeitungen meldeten damals ein Unwohlsein aufgrund großer Hitze. Am 8./9. Okt. hatte er jedoch erneut einen Schlaganfall erlitten, der zur Regierungsunfähigkeit führte.
1858
343
Fritz in Tegernsee ein so heilsamen Aufenthalt macht, so in Ruhe, ohne äußere Aufregung. Ich fürchte aber doch, daß König Max179 von den Bergen herabsteigt und einen Besuch macht. Es ist von ihm nicht sehr taktvoll, so in die nächste Nähe zu kommen, wenn er vorüber fahren soll. Nun, vielleicht macht sich alles besser, als man vorher sagt. Ich kann mir denken, wie Dein Bruder Carl180 alles aufs beste und bequemste eingerichtet hat. Er soll, wie er es überhaubt ist, ein sehr liebenswürdiger Wirt sein. Bitte empfehle mich ihm angelegentlichst. Wie sind seine Töchter,181 hast Du sie wohl ein mal gesehen? Dir, geliebte Elis, wird der Aufenthalt gewiß recht wohlthätig sein. Amalie Döhnhof182 als seeliges Bökchen183 mir zu denken, fällt mir sehr schwer. Also erholt sie sich auch in der schönen Bergluft. Und was macht Editte?184 Hat sie den Tod von Graf Jablonofski185 überwunden und tröstet sie Tresko?186 Meine Mary Schöning erfreut sich sehr, wenn ich sage, daß ich einen Brief von ihm habe. Manchmal laße ich ihr die Freude, einen zu lesen. Übrigens bin ich beiden Adjutanten sehr dankbar für ihr fleißiges Schreiben. Bitte spreche es ihnen in meinem Nahmen aus, damit sie auch so fleißig bleiben. Von Charlotte hatte ich heute auch einen Brief. Es geht ihr gut. Sie war in Peterhof und schrieb im Freien. Sie sagt über Fersen, daß seine Schwägerin, eine Gräfin Soltikof,187 schlechten Einfluß auf ihn ausübte durch moquerien,188 damit er keine Freude an Häuslichkeit finden soll. Sie war immer ganz gegen die Heirath, weil sie sonst dort regiert. Meine Damen sahen sie auf einem Diner bei Fersen und fanden sie nicht lieblich. Hier bei meiner Mama ist große Aufregung, weil schon morgen die Söhne von Helene189 ankommen. Man erwartete sie erst übermorgen. Sie werden bei Mama wohnen, wirklich recht schlecht. Aber Mama wollte nichts geändert haben, wie sie es seit 40 Jahren gehabt. Die Umgebung ist außer sich. Nun leb wohl, meine Mama empfehlet sich den Majestäten. Sie freut sich innig mit mir, daß es Euch, Ihr Lieben, gut geht. Mein Sohn Fritz ist die Nacht auf einige Tage zu Auguste nach Pyrmont, die länger dort bleiben muß wegen Erkältung. Er konnte es gar-
179 König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864). 180 Prinz Karl von Bayern (1795–1875) auf Schloss Tegernsee. 181 Caroline Sophie (1817–1889), Maximiliane Theodore (1823–1895) und Franziska Sophie (1827– 1912), Gräfinnen von Bayrstorff, aus der morganatischen ersten Ehe mit Marie-Anne-Sophie Petin, Gräfin von Bayrstorff (1796–1838). 182 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 183 Vergleich mit Henriette Auguste Bock (1762–1845), ehem. Erzieherin der Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 184 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 185 Grafen von Jabłonowski, poln. Adelsgeschlecht. Person nicht zu identifizieren. 186 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 187 Elizaveta Pawlowna Gräfin Saltykowa (Soltikoff ), geb. Gräfin Stroganowa (1802–1863), Schwester der ersten Frau von Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Jägermeister am kais. Hof, verh. in zweiter Ehe mit Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1908). 188 Frz. = Gespött, Sarkasmus. 189 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894) und Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910).
344
Briefe 1851–1873
nicht nicht aushallten, er mußte sie wieder sehen. Montag ist er zurück, weil dann die Orléans nach Schwerin kommen. Ich möchte, es wäre erst vorüber. Deine treue, alte Adine An Fritz viele herzliche Grüße, an Addi und Damen und Herrn die besten Grüße, an Remon,190 wenn er dort ist, auch. Er wird Fritz sehr angenem sein. Dobbran, den 19ten August 1858 Geliebte Elis, ich muß Dir doch in meiner Freude schreiben, wo ich nun umgeben bin von meinen Kindern. Ach, ich danke Gott innigst, daß Er mir Wilhelm so gesund und glücklich zurück gebracht hat.191 Und Er gebe nur ferner seinen Seegen, daß diese Prüfungs Zeit recht gute Früchte trägt. Wilhelm macht uns den Eindruck als gesund an Leib und Seele. Er hat ein ganz anderen Ausdruck, sein Wesen hat etwas ruhigeres, gesetztes, obgleich er sehr heiter und glücklich ist, wieder in der Heimath zu sein. Das Wiedersehen in Hagenow war etwas Unbeschreibliches. Das Gefühl, was ich hatte, als ich Wilhelm umarmte, war überweltlicher. Ich hatte immer das Gefühl, als wäre es zu schön, als daß es wirklich sein könnte. Und doch dankte ich in meinem Herzen dem Herrn für diese Gnade. Luise war mit ihm von Berlin zusammen gekommen. Und so standen wir alle vereint in unserem Glück. Fritz und Auguste waren mit mir gekommen. Auguste hat sich in den ruhigen Tagen in Steinfeld doch etwas erholt. Sie ist aber doch sehr schwach, und die Ärzte drängen ernstlich darauf, daß sie den Winter im Süden zubringen soll, was wir alle auch als nothwendig ansehen, obgleich die Gefahr noch nicht da ist, aber doch leicht kommen kann, wenn sie noch einen Winter in Schwerin zubringt. Da die Luftröhre von dem ewigen Husten, und die Schleimhäute haben sehr gelitten, so daß durch aus eine Ruhe für die Theile nothwendig ist. Aber der Entschluß, allein so weit fort zu gehen, wenn auch Fritz sie begleiten und späther besuchen kann, so ist die Trennung doch sehr hart. Die 3 ältesten Kinder werden wohl mitgehen und der kleine Johann Albrecht mir bleiben. Allein, der Ort ist noch nicht bestimmt, wohin sie gehen wird, vielleicht nach der Schweitz Montreu oder nach Italien Genua.192 Uns alle macht diese Reise recht traurig. Für Fritz ist es auch hart. Und da die neuen Minister193 doch noch nicht so eingearbeitet sind, so kann er nicht zu lange fort bleiben. Montag kommt Fritz auch hier her, und Donnerstag reiset Luise ab, bleibt den Tag noch in Steinfeld, und Freitag geht Wilhelm dann mit ihr nach Ungarn auf einige Tage. Dann werden wir alle auseinander 190 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Legationsrat, Ministerresident in Florenz und Historiker. 191 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war von seiner zweijährigen Auslandsreise zurückgekehrt, die er nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee fluchtartig angetreten hatte. 192 Als Aufenthaltsort für die lungenkranke Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin wurde schließlich Vevey nördlich von Montreux gewählt. 193 Jasper von Oertzen (1801–1874), mklbg.-schw. Ministerpräsident, und Theodor Diederich von Levetzow (1801–1869), mklbg.-schw. Staatsminister für Finanzen. Siehe Brief vom 19. April.
1858
345
gerißen. Im Oktober wird Auguste fortreisen. Bei Reise fällt mir ein, daß ja Eure schöne projectierte Reise nach Como ganz aufgegeben ist. Wie schade, ich dachte mir, sie würde Fritz entzücken, und er würde recht Freude davon haben. Er scheint aber mehr Sehnsucht nach Sanssouci und Ruhe zu haben. Gott wird ja geben, daß es das Rechte ist. Schwester Luise wird wohl bald durch Berlin kommen, um nach Muskau zu gehen. Ich hatte so den flüchtigen Gedanken, sie dort zu besuchen. Allein, nun geht es nicht, da ich doch die letzte Zeit gern mit Auguste bleiben möchte. Wilhelm legt sich dem Bruder Fritz zu Füßen, und Ihr möchtet ihm gnädig bleiben. Luise küßt die Hände. Sie ist wohl und glückselig, ist sehr mager geworden. Deine alte Adine Tegernsee, den 20ten August 1858 Tausend Dank für zwey liebe Briefe, meine Adine. Dieser ist nun der lezte, den ich Dir hier schreibe. Wir wollen den 29ten abreisen, langsam nach Hause heimkehren und dort, so Gott will, alles in Ruhe finden und nur noch die Erinnerung an die jetzigen, glänzenden Tage, die ich sehr froh bin, nicht zu erleben. Du wirst durch die Adjudanten wissen, daß Schönlein’s194 Plan, eine Reise nach Italien, an dem ausgesprochenen Widerwillen von Fritz und an seiner Sehnsucht nach Sans Souci scheiterte. In manchem Betracht bin ich froh, nach Hause zu kommen, wäre ganz glücklich darüber, wenn ich nicht so viel Besorgnis für die Zukunft hätte und nicht glaubte, daß Fritz vielleicht selbst noch wünschen wird, sich zu entfernen. Der 23te Oktober195 rückt immer näher und drückt ihn glaube ich mehr, wie er es selbst sagt. Er war wieder recht traurig in der lezten Woche, troz des herrlichen Wetters, aber nun geht es wieder gut, und in aller Traurigkeit hatte er doch immer die bestimmte Hoffnung der Genesung. Das ist sehr viel werth. Gott wolle es ihm erhalten. Er geht eben zum zweytenmal diesen Morgen mit Treskow196 spazieren und ist sehr heiter, spricht gut und versteht leicht. Die Nachrichten aus Berlin durch Auguste und Wilhelm an mich und in den Zeitungen über den englischen Besuch197 interessiren ihn sehr, ohne ihm gerade regrets198 zu geben. Wie die arme Luise199 da hinein geschneit ist, fasse ich nicht. Freylich ist sie auf der Durchreise, aber wie wird sie sich isolirt finden ohne 194 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 195 Am 23. Okt. lief nach einem Jahr die Stellvertretung des weiterhin regierungsunfähigen Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen durch den Prinzen von Preußen ab. Bereits am 7. Okt. übernahm Wilhelm (I.) offiziell die Regentschaft und er konnte beginnen, die Politik neu auszurichten und die Regierung umzubilden. 196 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 197 Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901) und ihr Ehemann, der brit. Prinzgemahl Albert, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861), nutzten die Reise des preuß. Königspaares nach Tegernsee, um vom 17. bis 28. Aug. ihre älteste Tochter Prinzessin Victoria von Preußen, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1840–1901), und deren preuß. Familie in Berlin und Potsdam zu besuchen. 198 Frz. = Bedauern. 199 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, auf der Durchreise nach Muskau.
346
Briefe 1851–1873
Dich, ohne uns und in dem engen, englischen Familienkreis, dabey von Auguste nie verwöhnt. Ich kann mir ihren Auffenthalt nicht unangenehm genug denken. Wie freut es mich, daß Du nun all Deine Kinder bey Dir hast und die Enkel. Sage mir, wie Du Wilhelm findest? Grüße ihn und Wiwi und Fritz und Auguste von mir. Du sagst gar nichts von den jungen Orléans.200 Wie haben sie Dir gefallen? Die armen Jungen jammern mich so! Adinchen bringen wir ganz rund und blühend wie ein Röschen nach Hause. Sie hat zwey hohe Berge bestiegen, ist viel in der Luft und selig. Die arme Schuckmann201 hat durch ihre Willenskraft das viele Gehen und Steigen ausgehalten, mir war es ein Räthsel und ängstigte mich oft. Editha und Stüler,202 überhaupt auch die beyden Adjudanten sind Alpenkrank, behaupte ich, sie können nicht genug klettern. Stüler ist heute Morgen abgereist, ein wahrer Verlust für uns. Er hat sehr viel und allerliebst gezeichnet. Reumont203 geht mit uns nach Hause. Der neue Arzt204 gefällt mir, er ist fest und ruhig und hat eine gute Art mit Fritz. Grimms Abreise hat mich tief betrübt. Er fehlt mir sehr. Ich hoffe, Mariechen205 noch irgendwo zu sehen, meine Schwester Charlotte206 künftigen Montag hier auf ein paar Stunden und so Gott will meine Schwester Luise207 noch einmal. Es wäre doch schrecklich, wenn ich sie in der ganzen, langen Zeit nur einmal gesehen hätte, 2 Stunden. Da ist Fritz und grüßt Dich herzlich. Die Umgebung, Reumont und vor allem Addy liegen Dir zu Füßen. Lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Luise hatte mir vor der Abreise nach Berlin geschrieben. Mein Bruder208 küßt Dir die Hände. Wie er gut für uns ist, glaubst Du nicht! Dobbran, den 25ten August 1858 Ich hoffe, mein Brief trifft Dich noch in Tegernsee, wo dann wohl schon alles im Packen begriffen ist. Aber ich möchte Dir sogleich danken für Deinen lieben Brief, der mich so erfreut, weil ich daraus sehe, daß es Fritz doch im Ganzen besser geht, der wieder heiter 200 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894) und Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910). 201 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin von Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), seit 1857 von deren Schwester Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906). 202 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, und August Stüler (1800–1865), preuß. Geheimer Ober-Baurat und Architekt des Königs. 203 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Legationsrat, Ministerresident in Florenz und Historiker. 204 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), neuer Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 205 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 206 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873). 207 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 208 Prinz Karl von Bayern (1795–1875) auf Schloss Tegernsee.
1858
347
ist. Gestern Abend kam auch noch ein Brief von Hohenlohe209 mit eben so guten Nachrichten. Bitte danke noch ein Mal beiden Adjutanten für ihr fleißiges Schreiben. Es war eine solche Wohlthat, so oft und ausführlich Nachricht von Euch beiden Lieben zu erhallten. Gott schütze Euch! Ja, die Zukunft bedrückt Fritz auch wohl. Und ich weiß nicht, ob es Dir auch so geht, die Monate und Wochen fliegen vorüber mit einer Schnelligkeit, und man möchte sie gern fest hallten. Der 23te Oktober210 wird da sein, man weiß nicht wie, und dann steht man vor einem Wendepunkt ernster Art, es mag sich entscheiden, wie es will. Ich hoffe, Du hast Deine beiden Schwestern211 noch gesehen? Ach, in Wien ist ja große Freude über den Kronprinzen.212 Bitte, wenn Du ein Mal an Deine Schwester Sophie213 schreibst, meinen Glückwunsch zu sagen zum Enkel. Schwester Luise habe ich auch nicht beneidet, in diesen englischen Famillen Kreis hineingefallen zu sein. Die Königin Victoria scheint auch infatigabel.214 Die fährt durch Berlin selbst von ½ 11 Uhr bis 1 Uhr. Denke ich mir fürchterlich bei der Hitze. Wir haben hier wenigstens die 8 Tage, daß Luise und Wilhelm hier waren, immer schönes Wetter gehabt. Morgen reisen wir von hier ab bis Schwerin Steinfeld, wo ein Tag geblieben. Und am Freitag den 27ten reisen Luise und Wilhelm nach Ungarn. Ich kehre Sonnabend den 28ten nach Dobbran zurück, wo ich bis zum 7ten September gedenke zu bleiben. Nun leb wohl. Luise und Wilhelm küßen Dir die Hände und sind sehr glücklich, daß Du ihrer gedacht. Eben bekomme ich ein Telegramm von Fritz, daß er heute Mittag die Geschwister hier überraschen will. Er wollte nehmlich Montag kommen. Da fielen die Bundes Inspektion215 wie eine Bombe in Schwerin herein und er konnte nicht fort. Gott seegne Dich, meine geliebte Elis, und den lieben Fritz. Wenn ich ein mal nach Sanssouci kommen darf, wirst Du uns wohl schreiben. Ich werde es geduldig erwarten. Deine treue, alte Adine Sans Souci, den 13ten September 1858 Drey Briefe von Dir liegen vor mir, meine Adine, und sehen mich mahnend und strafend an. Es ist auch arg, daß ich so lange schon hier bin, ohne Dir zu schreiben. Aber hier, wo 209 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 210 Am 23. Okt. lief nach einem Jahr die Stellvertretung des weiterhin regierungsunfähigen Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen durch den Prinzen von Preußen ab. Bereits am 7. Okt. übernahm Wilhelm (I.) offiziell die Regentschaft und er konnte beginnen, die Politik neu auszurichten und die Regierung umzubilden. 211 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich (1792–1873) und Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern (1808–1892), geb. Prinzessinnen von Bayern. 212 Geburt des Kronprinzen Erzherzog Rudolf von Österreich (1858–1889) am 21. Aug. 213 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). 214 = Unermüdbar. Für den Besuch der Königin von Großbritannien und Irland vom 17. bis 28. Aug. in Berlin und Potsdam war ein umfangreiches Programm organisiert worden: Festessen, Manöver, Ausflüge sowie Theater und Musik. 215 Aufgrund der mangelhaften Ausbildung und Ausrüstung des Militärs in einigen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes fanden seit 1846 regelmäßige Musterungen bzw. Bundesinspektionen statt.
348
Briefe 1851–1873
ich ausser der Zeit, die ich mit Fritz zubringe, auch die meisten derer sehe, die nicht bis zu ihm gelangen können, bleibt mir kaum ein Augenblick der Ruhe im Tage. Böger,216 der viel strenger und leider auch besorgter ist wie unsere alten Aerzte, hatte solche Angst, daß nach der großen Ruhe in Tegernsee der Contrast mit dem hiesigen Leben ihm schaden könnte, daß wir nur die Personen den Abend sehen, die mit uns waren. Gerlach, Massow, Kleist217 sind ganz ausgeschlossen, und freylich ist es nothwendig, consequent zu seyn. Der Unterschied der Luft, die wir hier warm und schwer fanden, drückte Fritz anfangs sehr. Nachher wurde es kühler, und das Wetter ist so wundervoll und so beständig, daß es eine wahre Wohlthat ist. Heute ist ein wahrer Sommertag. Fritz ist viel draußen, sizt auf der Terrasse am Nachmittag, auch oft Vormittag, und ist jetzt wieder guten Muthes. Wenn er so traurig ist, das ist gar nicht zu ertragen. Als ich Dir das lezte Mal in Tegernsee schrieb, hatte er gerade so ganz prächtige Tage, wo er wirklich war wie sonst und so glückselig. Das dauerte ohngefähr 5 Tage, da kam ein gräulicher Schnupfen, der ihm den Kopf entsezlich einnahm und dem kurzen Glücke ein Ende machte. Aber was einmal war, kann ja wieder kommen. An der Hoffnung und an dem Vertrauen auf den Herrn halte ich mich. Sonst bin ich jetzt oft recht muthlos und habe auch noch so viele Besorgnisse und Kummer in diesem Augenblick, daß ich Mühe habe, vor Fritz zu verbergen, was mich peinigt. Luise kömmt Donnerstag. Ich habe sie par telegraph gebeten, zuerst nach Berlin zu gehen, wie sie es selbst vorschlägt, was nachher [ist], müssen wir sehen. Mir bangt etwas davor, so sehr ich mich freue, sie wieder zu sehen. Ich schrieb es ihr gestern, eine reine Freude giebt es nicht mehr für mich, und ich bitte nur Gott, daß Er mir wie bisher Kraft und Gesundheit gebe und erhalte. Das Losreißen von Tegernsee und von meinem Bruder218 war schwer. Fritz schluchzte laut, es zerriß mir das Herz. In München sahen wir flüchtig Luitpolds219 und die Infantin,220 und meine Schwester Luise221 mit zwey ihrer Töchter fuhren mit uns nach Augsburg. Luise hatte eben eine arge Migraine überstanden, gerade während den Hochzeitsfesten ihrer ältesten Tochter,222 und war daher ganz wohl und munter. Das war eine große Freude für mich, ein wenig in Ruhe mit ihr zu sprechen. Zwischen Augsburg und Nürnberg kam ich unerwartet mit meinem Neffen Ludwig von 216 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), neuer Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 217 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses, und verm. Adolf von Kleist (1793–1866), preuß. Jurist, Vizepräsident des Geheimen Obertribunalgerichts a.D., Jugendfreund König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 218 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 219 Prinz Luitpold (1821–1912) und Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864). 220 Amalia von Bourbon, Infantin von Spanien (1834–1905), verh. 1856 mit Prinz Adalbert von Bayern (1828–1875), Erbprinz von Griechenland. 221 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 222 Hochzeit von Prinzessin Helene (Néné) in Bayern (1834–1890) mit Erbprinz Maximilian Anton von Thurn und Taxis (1831–1867) am 24. Aug. in Possenhofen.
1858
349
Oesterreich223 zusammen, was mich und ihn sehr freute. Dann sah ich noch Nakka Pappenheim mit ihren allerliebsten Mädchen,224 und in Leipzig meine beyden Schwestern,225 die Fritz viel besser fanden als vor acht Wochen. Sie freuten sich, seine alte Art wieder zu finden. Er ist sehr beschäfftigt mit dem Plan, im Oktober nach Meran zu gehen, aber noch will er nichts vom Winter im Ausland hören. Und doch wäre es zu unvernünftig, im November, in dem traurigsten, unangenehmsten Monat zurück zu kommen. Will er also nicht wegbleiben, so ist es besser, wir reisen gar nicht. Die ganze Zukunft ist wie ein Chaos vor uns. Victoria sieht wohl aus, nicht stark.226 Ihr zweyter Bruder ist bey ihr.227 Deine Luise hat Dich bald wieder verlassen, aber ich denke, Wilhelm ist wieder bey Dir. Ich kann mir Deine Seligkeit beym Wiedersehen denken.228 Nun muss ich enden, lebe wohl, meine Adine, und grüße Deine Kinder. Auguste wird wohl bald abreisen?229 Deine Mary230 hat eine Rivalin weniger. Henrieta Waldersee heyrathet einen reichen, äußerst braven und tugendhaften Schweizer, einen Herrn Hottinger, und schreibt recht zufrieden.231 Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 2ten Oktober 1858 Geliebte Elis, ich muß Dir schreiben in der Erinnerung des vergangenen Jahres, wo wir morgen am 3ten Oktober das schöne Fest des 1ten Garde Regiments feierten und zugleich das Jubileum vom lieben, lieben Fritz, da der Tag so wohl und so glücklich war.232 Uns war zwar das Herz mitten in dem Jubel recht schwer, wenn wir des geliebten Papas gedachten. Und nun, wie sieht es nach einem Jahr so ganz anders aus! Die Hand des Herrn liegt 223 Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919). 224 Anastasia Gräfin zu Pappenheim, geb. Gräfin von Schlieffen (1827–1898), verh. 1854 mit Ludwig Graf zu Pappenheim (1815–1883), bayr. Major, mit ihren Töchtern Hedwig (1855–1919) und Maria (1857–1940). 225 Königin Maria Anna (1805–1877) und Königin Amalie Auguste von Sachsen (1801–1877), geb. Prinzessinnen von Bayern. 226 Schwangerschaft mit Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941), geb. am 27. Jan. 1859. 227 Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von SachsenCoburg und Gotha (1844–1900). 228 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin war von seiner zweijährigen Auslandsreise zurückgekehrt, die er nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee fluchtartig angetreten hatte. 229 Die lungenkranke Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin reiste zur Kur nach Vevey am Genfersee. 230 Marie (Mary) von Schöning (1820–1909), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, blieb unverheiratet. 231 Heirat von Henriette Gräfin von Waldersee (1826–1876), aus einer morganatischen Linie des Hauses Anhalt-Dessau, mit Jakob Heinrich Hottinger (1815–1876) am 7. Okt. 232 Feier am 3. Okt. 1857 zum 50-jährigen Jubiläum des preuß. 1. Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam, dem Leibregiment der preuß. Könige, die zugleich dessen Regimentschef waren, und zugleich zum 50-jährigen Dienstjubiläum von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen als Offizier, der wenige Tage danach einen Schlaganfall erlitt.
350
Briefe 1851–1873
Abb. 10: Den König in der Öffentlichkeit präsent zu halten, wurde nach der Erkrankung Friedrich Wilhelms IV. 1857 immer schwieriger. Bilder mussten die Verheimlichung des von Schlaganfällen gezeichneten Herrschers kompensieren.
schwer auf uns, auf der Famille, wie auf ganz Preußen und am aller schwersten auf Dich, meine Elis. Aber Du bestehst die Prüfung, wie es der Herr will, in Dehmuth und in Gott Ergebenheit. Er giebt Dir die Kraft und den Muth, Deine schwere Aufgabe und seinen Willen zu tragen. Grade in diesen Tagen wird der Herr ganz besonders mit Dir sein. Die Reise nach Meran und vielleicht Italien scheint nach allen Nachrichten fest zu stehen. Ich hätte wohl sehr den Wunsch, Dich und Fritz vor der Abreise noch zu sehen, weiß aber nicht, wie der Artzt darüber denkt, und wie Du es glaubst, ob es angehen kann. Meine Schwiegertochter geht nicht vor dem 15ten oder 20ten Oktober. Also könnte ich 1–2 Tage nach Berlin kommen und von da meinen Besuch machen. Dies ist nur ein Wunsch, den ich ausspreche. Aber wenn es für Fritz besser ist, daß ich nicht komme, so weißt Du, bin ich die Erste, die darauf verzichte, aus Liebe zu ihm. Du läßt mir wohl ein Wort Antwort wißen, wenn Du nicht schreiben kannst, durch Editta Haack233 und den Adjutanten. Mein Herz ist sehr betrübt, es stürmt etwas viel auf einmal auf mich ein. Gott ist den Betrübten nahe, und ich hallte im Gebet zu ihm. Leb wohl, meine geliebte Elis. Die Reußische Famille ist etwas stark hier wieder vertreten. Der Garde Husar mit seiner kleinen Frau, die sehr niedlich ist (Hochberg), ist seit 3 Tagen hier.234 Sie ist furchtbar verlegen
233 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 234 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), preuß. Premierleutnant à la suite im GardeHusaren-Regiment in Potsdam, hatte am 6. Juni Anna Gräfin von Hochberg, Freiin zu Fürstenstein (1839–1916) geheiratet.
1858
351
und spricht garnicht. Die Fürstin Mutter235 ist hier, geht Montag fort. Der Berliner236 wird auch erwartet. Hast Du auch von dem besorglichen Zustand von Auguste in Baden237 gehört? Man erzählt sich hier, daß sie im Innern einen Schaden hätte. Ich hoffe, es ist übertrieben. Wenn es der Fall [ist], dann sollte sie nach Würtzburg gehen zu dem Damen Artz, der so sehr geschickt ist und nur Frauen behandelt.238 Gott mit Dir, meine theure Elis. An Fritz viel Liebes. Deine alte, treue Adine Sans Souci, den 4ten Oktober 1858 Als Dein lieber Brief gestern ankam, meine Adine, hatte ich mir schon vorgenommen, Dir endlich zu schreiben, aber da ging es gestern wieder nicht. Du glaubst nicht, welche unangenehmen Geschäffte ich jetzt habe und wie ich beständig von Fragenden und Berathenden unterbrochen werde, wenn ich einmal allein bin. Keller und Usedom239 sind meine treuen Freunde und Beystände. Es handelt sich darum, unsere Lage hieher zu stellen, alles zu ordnen, damit später kein Schatten des Confliktes zwischen Wilhelm und uns entstehen kann und noch [be]vor ich das verhängnisvolle Wort gegen Fritz ausgesprochen habe.240 Ein Unwohlseyn, das mich erschreckte und ängstigte, verschob die peinliche Mittheilung. Und nun erwarte ich Wilhelms Rückkehr morgen Abend und daß er, wie ich hoffe, diese Vereinbarung unterzeichnet, um es dem armen Fritz zu sagen. Wie ich mich darauf ängstige, Worte beschreiben es nicht. Ich kann mir durchaus keinen Begriff machen von dem Eindruck, den die Mittheilung auf ihn machen wird. Seit ein paar Tagen ist er besser, namentlich gestern Abend, wo Gräfin Papenheim241 zum Abschied hier war, war er besonders klar und heiter. Aber diese Nacht schlief er nicht so gut wie gewöhnlich, und er steht überhaupt seit dem lezten Unwohlseyn später auf, wird sehr
235 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 236 Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1830–1897), preuß. Premierleutnant à la suite im GardeKürassier-Regiment in Berlin. 237 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, kurte seit Anfang September in Baden-Baden. 238 Friedrich Wilhelm Scanzoni, ab 1863 Scanzoni von Lichtenfels (1821–1891), seit 1850 Professor für Geburtshilfe und Leiter der Frauenklinik an der Universität Würzburg. Er wurde mehrfach am russ. Hof tätig. 239 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten, und Guido von Usedom (1805–1884), preuß. Diplomat, Gesandter am Bundestag in Frankfurt am Main als Nachfolger von Otto von Bismarck (1815–1898). 240 Zur Übernahme der kgl. Macht durch Wilhelm (I.) Prinz von Preußen am 7. Okt. musste die neue Stellung des preuß. Königspaares sowie seine und des Hofstaates Versorgung geregelt werden. Das „verhängnisvolle Wort“ war die Ablösung der Stellvertretung durch die Regentschaft und damit das Eingeständnis, dass der König nicht mehr gesund werden und nie mehr regieren würde. 241 Anastasia Gräfin zu Pappenheim, geb. Gräfin von Schlieffen (1827–1898), verh. 1854 mit Ludwig Graf zu Pappenheim (1815–1883), bayr. Major.
352
Briefe 1851–1873
geschont. Böger242 ist sehr sorgsam, streng wohl, besonders als die arme Luise hier war. Aber ich kann ihm nicht genug danken, daß er die Herren, die kamen und gingen, wenn es ihnen einfiel, daran gewöhnt hat, erst zu kommen, wenn man sie ruft. Was ich in dieser ganzen lezten Zeit ausgestanden habe, war so arg, daß ich an den traurigen Winter in Charlottenburg mit Sehnsucht dachte. Da war ich doch, ausser meiner Sorge um Fritz, ruhiger, hatte nicht so viel Peinliches zu ertragen, auch noch mehr Hoffnug wie jetzt. Und wie nothwendig ist Hoffnung, um sich bey solcher Pflege aufrecht zu erhalten! Aufgeben darf man sie ja nicht, aber die Länge der Zeit schwächt sie doch. Uebermorgen ist es ein Jahr! Jede Minute des schrecklichen Tages ist mir gegenwärtig, wie wir ihm entgegenfuhren, wie er blaß und stumm neben Georg Gröben243 saß, der für ihn sprach, und alles Furchtbare, das folgte. Der Herr hat damals geholfen. Er wird uns nicht verlassen. Heute vor einem Jahr waren wir in der Friedenskirche. Es war ein warmer, sonniger Tag, wir gingen nachher zu Adinchen, um ihrem Vater zu gratulieren,244 nicht ahnend, daß wir das nächste Mal die Kirche am Abend in Schmerz und Thränen betreten würden, um das theure Leben zu bitten. Ich will davon aufhören, sonst höre ich nicht auf zu weinen, und Fritz darf das nicht sehen, er ist eben aufgestanden. Der Tod unsrer lieben Margarethe245 hat ihn auch sehr ergriffen, er liebte sie besonders. Welcher Schmerz der Verlust für mich ist, kannst Du Dir denken, und meine Sorge um meine arme Schwester.246 Sie ist wohl, aber so tief betrübt. Es war ein gar zu liebes Wesen, so glücklich, so harmlos heiter, frisch und gesund. Man dachte so gerne und so ruhig an sie, an ihr glückliches247 Loos mit einem Mann, der sie über alles liebte, und in einer Familie, deren Liebling sie war. Für Franz und Sophie248 war sie wie eine wirkliche Tochter, und sie liebten sie als solche. Der arme junge Witwer wird nun nach Dresden kommen, das wird ein schreckliches Wiedersehen seyn. Er ist ganz vernichtet vor Schmerz. Deinem Wilhelm wird der frühe Tod auch wehe gethan haben. Er kannte sie von frühester Kindheit an, und sie hatte ihn besonders gern. Ich bekam heute einen Brief von Luise, die natürlich wie Du sehr den Wunsch hat, Fritz noch zu sehen. Der Abschied von Luise hat ihn entsezlich angegriffen. Es müßte also nicht in der Form eines Abschieds seyn, sondern ein rendez vous, das Ihr beyden Euch gebt in Berlin. Ich will aber noch mit Grimm sprechen, der zurück ist. Wann wir gehen, weiß ich noch nicht, aber ich denke bald. Fritz geht sehr ungern und ist überhaupt sehr traurig. Vom Winter im Ausland will er noch nichts wissen, und Italien 242 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), neuer Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 243 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. 244 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 245 Erzherzogin Margarete von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1840–1858), verh. 1856 mit Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896), war auf einer Reise nach Oberitalien an Typhus erkrankt und am 15. Sept. auf Schloss Monza mit 18 Jahren verstorben. 246 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 247 Auf dem Wort ist ein Tintenklecks. Auf der Seite oben schrieb die Königin: „Verzeihe den Klex!“ 248 Erzherzog Franz Karl (1802–1878) und Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872).
1858
353
scheint ihm zuwider zu seyn. Darüber schwebt also noch im Dunkel, und nur Meran ist sicher, das war sein eigner Wunsch. Hier unterbrach mich Fritz, der zum Frühstück kam. Das Wetter wurde wundervoll, und ich ging mit ihm wie jeden Morgen nachher auf den Terrassen, auch unten bey den Damen. Er meinte, morgen wäre der Jahrestag seiner Erkrankung. Man siht, wie er doch immer daran denkt. Später fuhr ich mit ihm nach der neuen Orangerie, wo der große Saal ganz fertig ist und schon mit Bildern behangen. Er ist wunderschön.249 Fritz Wilhelm und Victoria fanden wir dort. Sie sieht blaß aus und wird oft schlimm.250 Nachher fuhr ich zu Adinchen wegen Abats Geburtstag und trank chôcolade im Garten. Niemand hatte des Tages gedacht wie ich, was dem armen Kind schwer wurde. Ihre Freude war daher groß, als ich kam. Wilhelm ist heute Abend erwartet. Ich finde die attention sehr verdrießlich, von Warschau nach Baden zu eilen bey einer so kühlen Ehe. Ich hatte auch schon von der Krankheit gehört, die Du erwähnst und die furchtbar wäre.251 Sie spricht nur immer von kranker Leber und angegriffenen Nerven. Sie soll erbärmlich aussehen. Wilhelm war sehr zufrieden in Warschau. Sache war gar zu gut und theilnehmend in unserm Unglück. Auch für meinen Bruder Karl252 war er so freundlich. Wegen dem Arzt in Würzburg253 fällt mir ein, daß ich bey Olga Gräfin Adlerberg254 sah, die lange bey ihm war und nicht zufrieden mit dem Erfolg seiner Behandlung. Olga ist recht mager, der Gemahl desto stärker.255 Ich habe nicht lesen können, welcher Reuß256 noch erwartet wird? Es mag doch ein wenig viel werden. Ja, wohl war es eine unbeschreibliche Wohlthat, mit der treuen Luise recht von Herzen zu sprechen. Der Abschied von ihr war mir sehr schwer. Hohenlohe war in Norderney, Treskow auch bey Verwandten, aber nicht lange.257 Alfred und Werder gehen diesmal mit, Rose Caniz, Anna Alvensleben, Gerlach, Keller und Kaniz.258 Später wird 249 Orangerieschloss oder Neue Orangerie, erbaut nach Entwürfen des Königs 1851–1864 am Nordrand des Parks von Sanssouci mit einem Gemäldesaal für Werkkopien von Raffael (1483–1520). 250 Schwangerschaft mit Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941), geb. am 27. Jan. 1859. 251 Treffen Wilhelm (I.) Prinz von Preußen in Warschau mit seinem Neffen Kaiser Alexander II. von Russland zur Erläuterung der preuß. Regentschaft. Anschließend reiste Wilhelm nach Baden-Baden, wo Prinzessin Augusta von Preußen seit Anfang September kurte. 252 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 253 Friedrich Wilhelm Scanzoni, ab 1863 Scanzoni von Lichtenfels (1821–1891), seit 1850 Professor für Geburtshilfe und Leiter der Frauenklinik an der Universität Würzburg, mehrfach am russ. Hof tätig. 254 Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839), verh. 1855 mit Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Generalmajor und Generaladjutant, Militärbevollmächtigter in Preußen. 255 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 256 Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1830–1897), preuß. Premierleutnant à la suite im GardeKürassier-Regiment in Berlin. 257 Die Flügeladjutanten Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann, und Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major. 258 Das preuß. Königspaar begleiteten auf der Italienreise: die Flügeladjutanten Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Rittmeister, und Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Hauptmann, die Hofdamen Rosalie (Rose) Gräfin von Kanitz (1824–1862) und Anna Gräfin von Alvens-
354
Briefe 1851–1873
gewechselt und die Tegernseer Reise Gesellschafft kömmt uns nach. Selma Gröben259 brachte mir Deine Grüße, sie ist jetzt nach Preussen gereist. Die Schwiegertochter kömmt bald nieder, sonst wäre Georg mit uns gereist.260 Es ist zu schade! Nun lebe wohl, meine Adine, noch tausend Dank für die 3 lieben Briefe. Fritz umarmt Dich. Herzliche Grüße Deinen Kindern und mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 15ten Oktober 1858 Mein erstes Gebet heute war für unsern lieben Fritz. Gott möge die 1000 Gebete erhören und ihn bald ganz herstellen und daß Qualvolle seines Zustandes mildern. Ich kann nicht sagen, wie mich sein Anblick am Sonntag bewegt hat. Ich fand, er hatte so etwas gedrücktes und so ganz das Gefühl der wenigen Fortschritte in seiner Gesundheit. Ich denke nur, es war auch viel von der ganzen Zeit, das Unterschreiben,261 und dann die ganz Reise, welche ihm doch wenig Freude machte. Die Abreise, dies alles lag schwer auf ihm, ohne es viel aussprechen zu mögen. Ach, er mag innerlich alles recht tief fühlen, aber der liebe Gott wird ihm helfen. Am Herz zerreißensten ist doch, wenn er so jammert. Und man kann ihm so garnicht helfen, als Muth einsprechen. Dich, meine Elis, habe ich bewundert, wie Du so treu und still ergeben, mit der innigsten Liebe ihn immer gleich freundlich und geduldig umgiebst. Und doch, von der andern Seite, ist es ein so beglückendes Gefühl, ihm nützlich zu sein und ihm seine Prüfung tragen zu helfen und zu erleichtern. Nachmittags. Verzeih diesen so stümpernen Brief. Allein, ich wurde immer unterbrochen und dann kam die Stunde der Abreise von Auguste. Der Abschied vom kleinen Johann Albrecht262 wurde ihr sehr schwer und überhaubt das Scheiden von hier. Ein Trost blieb uns noch, daß wir uns in 10 Tagen wiedersehen mit den 3 Kindern. Aber dann wird es für mich recht einsam und still werden. Eure Abreise von Potsdam und zuletzt der
leben (1826–1889), Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten, und Adolph Freiherr von Canitz und Dallwitz (1810–1868), zweiter Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 259 Selma Gräfin von der Gröben, geb. Freiin von Dörnberg (1797–1869), verh. 1816 mit Karl Graf von der Gröben (1788–1876), General der Kavallerie und Generaladjutant. 260 Elisabeth Gräfin von der Gröben, geb. Gräfin zu Münster-Ledeburg (1824–1908), verh. 1854 mit Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Major und Flügeladjutant. Bevorstehende Geburt ihrer Tochter Asta Gräfin von der Gröben (1858–1915) am 9. Nov. 261 Der regierungsunfähige König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte am 7. Okt. nach fast einem Jahr der Stellvertretung die Regentschaft seinem Bruder Wilhelm (I.) Prinz von Preußen übertragen. 262 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920), geb. am 8. Dez. 1857, blieb in Mecklenburg, während seine Mutter Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin aufgrund ihrer Lungenkrankheit mit den älteren drei Kindern den Winter in Vevey am Genfersee verbrachte.
1858
355
Abschied auf der Anhalter Eisenbahn263 muß herzzerreißend gewesen sein. Aber Euern Herzen wohlgethan [haben] die Beweise der Liebe, welche sich so freiwilig kund gaben. Möge Fritz nur bald Zerstreuung auf der Reise finden. Eben kam Deine Antwort aus Augsburg, welche Freude grade heute noch von Euch zu hören. Und es scheint, daß es Fritz recht gut geht. Leb wohl, Gott mit Euch. Deine alte, treue Adine Ehe ich es vergesse, Schwester Luise hat einen sehr großen Wunsch, ob Du nicht an ihr Mariechen den Louisen Orden264 geben wolltest, wie es Papa festgesetzt für seine Enkelin, wenn sie eingesegnet sind. Du kannst es vielleicht von Meran aus bestellen, daß er ihr gesendet. Sie legt natürlich einen großen Werth darauf. Ludwigslust, den 31ten Oktober 1858 Geliebte Elis, ich will wenigstens meinen Brief anfangen, um Dir so recht innig zu danken für Deinen Brief vom 21ten, den ich in Heidelberg nachgeschickt bekam. Es war die erste Nachricht, die [ich] von Euch, ihr Lieben, hatte. Mir war schon so bange, es ginge Fritz nicht gut. Zeitungen hatte ich auch nicht gelesen. Luise265 in Karlsruhe sagte mir schon, daß sie einen Brief von Dir gehabt hatte, wonach es Fritz gut ginge. Aber nun es aus Deinem Brief es wirklich bestettigt zu sehen, macht mich so glücklich und dankbar zu Gott. Von meiner Reise will ich Dir noch schreiben, daß ich also am 22ten Ludwigslust mit den 3 Enkeln verließ und ging bis Braunschweig, wo wir die Nacht blieben. Den andern Morgen besahen wir das ganze Schloß und die Kirche mit dem Famillen Gewölbe.266 Um 1 Uhr reisten wir weiter über Kassel bis Frankfurt am Main, wo wir erst um 10 ½ Uhr Nachts ankamen. Den andern Morgen konnten wir noch den Kaiser Saal besehen und die Kinder die Kamele im Zoologischen Garten.267 Dann fuhren wir weiter über Heidelberg, Karlsruhe nach Baden Baden, wo wir um 3 Uhr ankamen. Das war dann eine große Freude. Ich fand Auguste sehr erhollter. Sie fühlte sich auch wohler in dieser wärmeren Luft. Sie hatte auch schon einige Partien gemacht, nach Straßburg herüber, was ihr viel Spaß gemacht. Dann war sie nach dem Schloß Eberstein,268 nach dem 263 Der Anhalter Bahnhof in Berlin. 264 Der preuß. Louisenorden war der höchste Damenorden Preußens. Er wurde am 3. Aug. 1814 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Gedenken an seine 1810 verstorbene Ehefrau Königin Luise gestiftet. 265 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 266 Braunschweiger Residenzschloss, neu erbaut nach der Zerstörung durch Brand in der Revolution 1830, sowie der Braunschweiger Dom mit der Familiengrablege der Welfen („Welfentumba“). 267 Im Kaisersaal im Römer, dem Rathaus von Frankfurt am Main, fanden seit 1612 die Krönungsbankette nach der Kaiserwahl statt, bekannt v.a. durch die Bildnisse aller 52 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Der Zoologische Garten in Frankfurt am Main war wenige Monate zuvor als zweitältester Zoo nach Berlin durch eine Bürgerinitiative eröffnet worden. 268 Schloss Eberstein (Neu-Eberstein), seit 1660 im Besitz der Markgrafen von Baden, Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Großherzöge von Baden zum Landschloss umgebaut.
356
Briefe 1851–1873
Murchthal,269 und mit mir besah sie am Montag das Großherzogliche Schloß, was der seelige Großherzog270 sehr schön eingerichtet. Und von da sind wir noch nach der Ruine Schloß Baden271 gefahren. Sie bestieg nun freilich nicht mit die Ruine. Aber das Ganze dauerte doch beinah 3 Stunden. Des Abends blieben wir immer allein, um 5 Uhr Diner, aber mit Hof. Ich machte an dem Tag noch meine visiete bei der Großherzogin Stephanie,272 die ich in 30 Jahren natürlich sehr alt gefunden habe, aber liebenswürdig wie immer, sehr theilnehmend für Fritz und Dich, meine Elis. Sie sprach mit Liebe von Euch beiden und erinnerte sich mit Freuden, wie Du oft bei ihr getanzt im Pavillon.273 Dann machte ich die Bekanntschaft von der Fürstin von Fürstenberg (Reuß),274 sehr leidend am Kopf, aber recht hübsch. Das Häuschen der Großherzogin Stephanie ist reitzend eingerichtet. Sie sieht alle Abend Menschen. Am Dienstag fuhr Fritz nach Karlsruhe, um seine Aufwartung zu machen, und ich nach Gernsbach, wo damals unsere Jäger sich im Badischen Krieg ausgezeichnet.275 Auch besuchte ich das Grab eines gebliebenen Jägers und kam dann zurück, wo ich noch auf der Promenade umherging. Die Großherzogin Stephanie kam dann noch zu mir, weiter war an dem Tag nichts. Am Mittwoch, den 27ten um 7 Uhr, schlug dann die schwere Scheidestunde, die natürlich Thränen schwer war. Es war nur schrecklich, als der Eisenbahnzug sich so langsam in Bewegung setzte und mir alle meine Lieben so fortführte. Nun, sie stehen in Gottes Hand, und er wird uns nach seinem Willen wieder froh zusammen führen. Aber es ist recht schwer, so allein zurück zu bleiben. Und hier nun im lieben Mecklenburg komme ich mich sehr vereinsamt vor. Also am Mittwoch, den 27ten, blieb ich noch bis 11 Uhr in Baden, konnte nicht einmal mehr in der schönen Gegend mich ergucken, da es regnete. Dann dampfte ich bis Karlsruhe, wo ich meinen Besuch bei Luise Baden machte, die mich mit dem Großherzog276 am Bahnhof empfing, sehr freundlich und herzlich war. Alle beide waren sehr freundlich für mich. Luise sah blaß aus, aber nicht krank, und meinte auch, ganz wohl jetzt zu sein. Ich ging erst zu ihr, in ihrem sehr schön und prachtvoll eingerichteten Zimmer. Dann brachte sie mich zu mir, wo etwas gefrühstückt 269 Murgtal im Schwarzwald unterhalb von Schloss Eberstein. 270 Das Neue Schloss war seit 1479 Residenz der Markgrafen von Baden auf dem Florentinerberg in Baden-Baden. Seit dem 19. Jahrhundert als Sommerresidenz genutzt, hatte Großherzog Leopold I. von Baden (1790–1852) das Schloss 1843–1847 von Friedrich Theodor Fischer restaurieren lassen. 271 Das Alte Schloss (Schloss oder Burg Hohenbaden) diente nach der Verlegung der Residenz auf das Neue Schloss 1479 als Witwensitz. 1599 wurde es durch einen Brand zerstört und 1830 als Ruine baulich gesichert. 272 Großherzogin Stéphanie von Baden, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1789– 1860), verh. 1806 mit Großherzog Karl Ludwig Friedrich von Baden (1786–1818). 273 Pavillon im ehemaligen Schlosspark des Barockschlosses von Mannheim, den Großherzogin Stéphanie von Baden als englischen Landschaftsgarten hatte umgestalten lassen. 274 Prinzessin Elisabeth Henriette von Reuß-Greiz, ältere Linie (1824–1861), verh. 1844 mit Fürst Karl Egon III. zu Fürstenberg (1820–1892), bad. General und Oberhaupt der schwäb. Linie des Hauses Fürstenberg. 275 Am Gefecht in Gernsbach am 29. Juni 1849 hatten während der badischen Revolution auch mklbg. Jäger als Teil der Bundestruppen teilgenommen. 276 Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907).
1858
357
wurde. Da kam die Großherzogin Sophie277 hin, die ich sehr verändert gefunden. Die Züge sind so groß und stark. Sie war sehr bewegt, als sie mich sah, da sie lebhaft an Amalie erinnert wurde, mit der ich 1841 dort war, als Cecile gebohren wurde, die ja in anderen Umständen ist, im dritten Monat, wie sie mir sagte.278 Auch sie war recht herzlich. Dann kam die Markgräfin Wilhelm279 mit der Tochter, die Braut von Unter Lippe [ist],280 und die jüngste, welche hübscher [als] die der andern ist, sehr frisch und lebendig.281 Als die alle fort, wollte ich ihnen meine visieten machen. Da kam Luise und begleitete mich. So äusserlich ist das Verhältniß mit der Schwiegermutter sehr gut. Der Sohn scheint mir nur übertrieben Rücksichten für sie zu haben. Ihr Palais liegt mitten in einem sehr schönen Garten und ist deliziös eingerichtet, mit Eleganz und doch sehr heimlich und gemüthlich. Die Markgräfin nahm uns nicht an. Um 4 Uhr war Diner nur mit dem engeren Hof, und die Mama,282 die sehr an Drüsen am Halz leidet, im hohen Kleid, aber sehr schön: Lilla Kleid mit volans in weißem Samt, mit bunten Blumen darin und Perlen um. Luise war rosa und [hatte] eine schöne Schnuhr Perlen um. Sie sah sehr hübsch aus und scheint mir eine sehr liebenswürdige, gediegene Person, ganz anders, wie wir mehr gehallten. Den Großherzog fand ich embelliert und viel natürlicher. Das Schloß ist manifik eingerichtet, alles so durch und durch gediegen. Das Großherzogliche Paar brachte mich nach der Eisenbahn, wo in ihrem Vagon, den sie mir schon nach Baden geschickt, ich bis nach Heidelberg geschickt wurde. Den andern Morgen bin ich nach Ladenburg gefahren, habe das Grab vom Hauptmann Schreeb besucht (Bruder einer ehemaligen Hofdame).283 Dann, als ich zurück, fuhr ich über den Wolfsbrunnen284 nach dem alten Schloß,285 wo grade die Sonne schien, ich es also sehr alles besehen konnte. Um 2 Uhr fuhren wir nach Frankfurt am Main in 2 Stunden. Und am Sonnabend Mittag war ich hier, bei Schnee und Eis. Es war schäuslich kalt auf der Eisenbahn. Und ich bin froh, nun zurück zu sein, wo ich Wilhelm fand, der sich Dir zu Füßen legt. Gestern habe ich bei ihm gegessen. Mama ist auch ganz wohl, und 277 Großherzogin Sophie Wilhelmine von Baden, geb. Prinzessin von Holstein-Gottorf (1801–1865), Tochter von König Gustav IV. Adolf von Schweden, verh. 1819 mit Großherzog Leopold I. von Baden (1790–1852). 278 Großfürstin Olga Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891), verh. 1857 mit Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). Sie war schwanger mit ihrem ersten Sohn Großfürst Nikolai Michailowitsch (1859–1919), geb. am 14./26. April. 279 Markgräfin Elisabeth von Baden, geb. Prinzessin von Württemberg (1802–1864), verh. 1830 mit Markgraf Wilhelm von Baden (1792–1859), Präsident der 1. Kammer der Badischen Ständeversammlung. 280 Heirat von Prinzessin Sophie von Baden (1834–1904) mit Fürst Woldemar zur Lippe (1824–1895) am 9. Nov. 281 Prinzessin Leopoldine von Baden (1837–1903). 282 Großherzogin Sophie Wilhelmine von Baden, geb. Prinzessin von Holstein-Gottorf (1801–1865). 283 Der Bruder einer ehem. Hofdame, Helmuth von Schreeb (1804–1849), Hauptmann im GardeGrenadier-Bataillon, war Ende Juni 1849 bei Ladenburg gefallen und lag dort begraben. 284 Der Wolfsbrunnen war eine historische Brunnenanlage in Heidelberg-Schlierbach. 285 Das Heidelberger Schloss war bis zu seiner Zerstörung 1689–1693 im Pfälzischen Erbfolgekrieg die Residenz der Kurfürsten von der Pfalz.
358
Briefe 1851–1873
Johann Albrecht ist stärker und sieht ganz blühend wieder aus. Er erkannte mich. Nun leb wohl, ich ziehe nun heute mit dem Kleinen nach Schwerin im Winter Quartier. Deine alte Adine An Fritz viel Herzliches, Gott mit Euch. Schwerin, den 10ten November 1858 Geliebte Elis, ich hoffe, mein Brief trifft Dich in Verona, wo Dein Nahmenstag gefeiert werden sollte und wo zu Addi nebst ablösendem Hofstaat eintreffen werden. Ach, die Glücklichen, die Dich wiedersehen und die ihren Glückwunsch mündlich bringen können. Ich komme nur mit diesem Blatt, wohinein ich mein ganzes Herz lege, was Dir ohne Worte sagen soll, was ich für Dich fühle. Worte sind zu arm, und man möchte jetzt keine Worte sagen, nur Dich anblicken, denn in meinen Augen würdest Du alles lesen, herzinnige Liebe, treue Freundschaft, Bewunderung und Verehrung, und viel Kummer über die Gegenwart. Laß mich darüber schweigen, Gott kann ja helfen in aller Beziehung. Aber es ist dunkel um uns, und wie wird es sich erhellen. Der Herr allein weiß, warum es so kommen sollte, und seine Wege sollen uns dunkel bleiben, damit wir nur fester und fester an ihm glauben, an ihm hallten und uns still ergeben, damit wir lernen sollen, ohne Glaube und Hoffnung kann der Mensch hier auf Erden nicht existieren. Wir sollen uns nicht fest auf Erden fühlen, nur den Blick nach oben hallten, wo Gnade und Frieden wohnt. In Meran ist auch so schlechtes Wetter wie hier. Wir haben Schnee und Kälte bis zu 10°, dann wieder Tau Wetter. In Vevey ist es bei der Ankunft von meinen Kindern auch ganz schäuslich gewesen, Sturm, Schnee, Kälte. Der arme Herr von Sell286 ist den ersten Abend im Dunklen, beim zu Haus gehen, in ein Bachen gefallen, wo man ihn mit Mühe heraus gezogen hat. Die Hofdamen sind beinah verbrant, da ein Kammin unten durch gebrannt ist und die Balken halb verbrand waren. Das war der erste Abend, den andern Morgen war es klar und schön, wie in ein Jamer Tag. Daß hat natürlich Auguste für ihren Halz nicht gut gethan. Heute ist nun Fritz von Vevey fort. Daß wird sehr hart gewesen sein, das Scheiden. Er will Sonnabend Wilhelm in Berlin gerne sprechen, um über die Zukunft von meinem Sohn287 etwas Bestimtes zu erfahren. Am 20ten ziehet daß junge Paar im Palais ein, um es am 21ten mit einem großen Fest einzuweihen, und zugleich der
286 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), mklbg.-schw. Oberhofmeister bei Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. 287 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin hatte im Aug. seine zweijährige Auslandsreise nach Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee beendet. Er wurde nach seiner Rückkehr zunächst als Oberstleutnant dem mklbg.-schw. Dragoner-Regiment in Ludwigslust aggregiert, wünschte jedoch die Rückkehr in die preuß. Armee, worüber Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen zu entscheiden hatte.
1858
359
Geburtstag von Victoria.288 Ich freue mich, daß ich nicht dabei sein muß. Berlin wird mich überhaubt nicht so bald wiedersehen. Ich habe mich eines andern besonnen. Ich sende diesen Brief noch nach Meran. Noch glaube ich, habe ich kein Wort gesagt über Deinen lieben Brief vom …,289 der mich ja so überglücklich gemacht. Wie danke ich es Dir so, daß Du mir so ausführlich geschrieben. Ich habe ihn auch an Luise geschickt. Es war mir so unendlich lieb zu wißen, daß Fritz sich dort wohler fühlt und heiterer war. Gott wolle ihn behüten und nichts Trübes seine Ohren berühren. Auch Dir, meine Elis, seegne der Herr und gebe Kraft zu so viel Schwere zu tragen. Es ist eine Zeit voll Trübsaal. Am 13–19ten werde ich Deiner lebhaft gedenken und für Dich beten, was ich ja täglich thue, denn meine Gedanken begleiten Dich immer. Deine treue, alte Adine Schwerin, den 12ten December 1858 Geliebte Elis, wie danke ich Dir von ganzer Seele für Deinen langen Brief, der mich so unbeschreiblich glücklich machte. Im Ganzen scheint auf Fritz die Reise einen günstigen Einfluß auszuüben. Die schöne, erquickende Luft, die reitzende Gegend, daß viele Sehenswerthe muß ihn angenem anregen, ohne ihm zu fatigieren. Den prächtigen Bilder Gallerien darf er sich aber wohl nur flüchtig widmen. Es würde wohl sonst zu sehr angreiffen. Du scheinst aber alles recht zu genießen und hast auch dabei die Freude, Deine Nichte Anna290 viel zu sehen. Es freut mich, daß Du die alte Großherzogin auch so gern magst. Die Veränderung nach 30 Jahren mit dem Großherzog muß furchtbar gewesen sein.291 Er ist aber ein so braver Herr, nur schwach. Mein Brief wird Dich kaum noch in Florenz finden, wenigstens aber der Abreise nach Rom. Wie wird es Dir da gefallen? Die Wohnung auf dem Capitol kenne ich nicht. Herr von Kanitz292 wollte sie mir damals nicht zeigen, wohl aber die Aussicht auf die Stadt und auf dem Forum. Das ist was zauberhaftes, wenn man da das alte Rom in Trümmern vor sich liegen sieht, mit den einzelnen, alten, schönen Ruinen, Säulen, Triumphbögen, das schöne Colisseum und die vielen Tempel, alten prächtigen Kirchen mit den großen mosaique Bildern. Eine ist dort ganz in der Nähe, nur klein, die hat grade hinter dem Altar so ein mosaique Gemählde oder Nische wie in der Friedenskirche.293 Du wirst nun mit Rom so liiert werden, wie ich mit 288 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen zogen im Novmber 1858 aus dem Berliner Stadtschloss in das für sie umgebaute Kronprinzenpalais in Berlin. 289 Datum ist freigelassen. 290 Großherzogin Anna Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1836–1859), verh. 1856 mit Erbgroßherzog Ferdinand (IV.) von Toskana, Erzherzog von Österreich (1835–1908). 291 Großherzogin Maria Antonia von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien (1814–1898), verh. 1833 mit Großherzog Leopold II. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1797–1870). 292 Karl Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), preuß. Gesandter in Neapel, Turin und Rom. 293 Gemeint ist die Friedenskirche in Potsdam, 1845–1848 erbaut nach Skizzen von König Friedrich
360
Briefe 1851–1873
Florenz. Ach, damals hatte ich auch so viel Angst um Charlotte. Und nun bin ich es wieder. Durch Loen294 wirst Du wißen, daß sie recht krank ist. Karell295 telegraphiert mir heute, daß es anfangs eine rheumatische, katarrhalische Beschwerde gewesen, seit 3 Tagen starker fiberhafter Bronchial-Katarrh, zum Theil in den entfernteren Bronchien, daher das Koche296 auf der Brust. Zum Glück erfolgte einiger Auswurf. Dies, die vorigen Worte „Bronchien“ soll Luftröhre, Schleimhäute, wie man mir sagt, heißen, die sich nach der Lunge ziehen. Du kannst [Dir] denken, in welcher Angst ich bin. Gott wird helfen nach seinem Willen. Sie leidet viel. Elise Fersen schrieb mir schon vor 8 Tagen, daß ihr Unwohlsein zugenommen und man ihr den Tod von Mandt nicht hat sagen dürfen.297 Es hat sich schnell verschlimmert. Vor 3 Jahren war sie ja auch auf dem Tod, sie genas, und der Kaiser starb.298 So sind die Wege des Herrn dunkel. Ach, möchte er an den armen Wilhelm Licht schicken und ihm die Augen öffnen.299 Der arme Fritz, der von nichts weiß und sich zurück sehnt, ja Gott sei dank, daß er so fern ist. Wie kann nur Wilhelm sagen, im Nahmen des Königs, das ist ja eine grobe Lüge. Der würde sein Verfahren jetzt nicht billigen. Ich hätte wohl die corespondence lesen mögen, die Manteufel Dir geschickt! Aus Vevey habe ich gute Nachrichten. Mein Fritz reiset am 20ten zu Weihnachten hin und bleibt bis Mitte Januar da. Daß Wilhelm in preußische Dienste tritt, weißt Du ja längst.300 Fritz hatte es ihm in Marienbad gleich versprochen. Er war nur hier eingetreten, um sich im Dienst zu üben und thätig zu sein. Nun leb wohl. Den Adjutanten meinen Dank für ihre Briefe, den Damen und Addi viel Liebes. Deine alte Adine
Wilhelm IV. von Preußen. Die Apsis schmückt ein veneto-byzantinisches Mosaik aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts aus Murano bei Venedig. 294 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 295 Philipp Jakob von Karell (1806–1886), russ. Militärarzt und Leibarzt der kais. Familie. 296 Lesebefund. 297 Martin Wilhelm von Mandt (1799–1858), ehem. russ. Leibarzt der kais. Familie, war 1855 nach Deutschland zurückgekehrt und am 20. Nov. in Frankfurt/Oder gestorben. 298 1854 war Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, schwer erkrankt. Kaiser Nikolaus I. von Russland starb am 18. Febr./2. März 1855. 299 Wilhelm (I.) von Preußen hatte kurz nach der Übernahme der Regentschaft das „reaktionäre“ Ministerium unter Ministerpräsident Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882) entlassen und am 5. und 6. Nov. 1858 ein neues Ministerium unter Ministerpräsident Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885) ernannt. Am 8. Nov. läutete er per Erlass die „Neue Ära“ seiner Regierungsgrundsätze und Ziele ein. 300 Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen stellte seinen Neffen Herzog Wilhelm zu MecklenburgSchwerin nach dessen Bankrott und Zwangsabschied zwei Jahre zuvor wieder in die preuß. Armee ein, zunächst als Major à la suite beim 11. Husaren-Regiment in Düsseldorf.
1859 Rom, den 4ten Januar 1859 Gottes Segen mit Dir und den Deinen in diesem Jahr, meine Adine. Er lasse es in Seiner Gnade besser für uns werden, wie das eben geschlossene. Das nun liegt sehr dunkel vor mir. Nach menschlichen Begriffen ist durchaus nicht zu berechnen, noch voraus zu sehen, was aus uns werden wird. Aber der Herr wird es am besten [wissen], was uns Noth thut, und Ihm wollen wir vertrauen. Den 5ten. Ich bin gestern nicht weit gekommen, wie Du siehst, und werde auch wohl heute nicht viel weiter kommen, denn wirklich, ich stehle mir nun die Augenblicke zum Schreiben. Den Morgen vor dem Frühstück, wenn Saße1 nicht kömmt oder Schöning2 Anfragen hat, dann später vor dem Ausfahren, wenn Fritz in seinem Zimmer liest. Wir essen um 5 Uhr bey der Rückkehr unserer Fahrten, den Abend spielt Fritz Billard. Während dem habe ich Zeit, bin aber oft so müde und mein Piedesta3 in so übler Beschaffenheit, daß ich mich etwas legen muß. Um halb 9 Uhr Thee, um 10 Uhr auseinander, dann noch etwas Zeitungslecture für mich und zu Bett. Nun meinen herzlichsten Dank für Deinen Antheil an dem schönen Armband, das meinen Tisch den 24ten schmückte. Auch Luise finde hier meinen Dank. Ich habe heute einen langen und lieben Brief von ihr bekommen und bitte Dich, ihr diesen zu schicken. Gott sey Lob und Dank, daß wir für Charlotte beruhigt in’s neue Jahr gehen konnten. Da ich dieselbe Krankheit vor 11 Jahren hatte, jünger und kräftiger war, so weiß ich, was es für ein Leiden ist, von dem man sich so schwer erholt. Ich habe mich entsezlich geängstigt und durfte Fritz nichts sagen, erst hier und als es besser ging. Gott gebe es, daß Du selbst wieder ganz hergestellt von der Grippe seyst. Eure Telegramme kamen alle während dem Thee den 1ten, und Addy und Abbat halfen mir zu antworten. Es war eine Freude, beyde großen Kinder hier zu haben und das Weihnachtsfest mit ihnen zu feyern. Fritz hat mich gar schön und nüzlich beschenkt, war so lieb den Abend, freute sich an andrer Freude. Es geht ihm Gottlob gut, und er gesteht es selbst, was viel ist. Jeden Morgen hat er eine neue Freude an dem selben, sonnigen Tage, an der herrlichen Aussicht von meinem Fenster. Ich weiß nicht, ob du in der oberen étage des Hauses warst? Einen kleinen Coridor mit balcon hat Keller4 zu einem hübschen Kabinet für mich gemacht, wo wir frühstücken und essen. Ganz Rom liegt da vor mir. Die ersten Strahlen der Sonne sehe ich in der St. Peters Kuppel glänzen. Von meinem Schlafzimmer sehe ich das alte Rom, das Colosseum, einen Theil des Forums, das Capitol. Es ist zauberhaft und immer helles Wetter, wolkenloser Himmel,
1 Paul Heinrich Theodor Sasse (1793–1863), preuß. Legationsrat und seit 1827 Kabinettssekretär von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen. 2 Eduard Schöning (gest. 1889), preuß. Geheimer Hofrat, Geheimer Kämmerier und Rendant der Schatulle von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 3 Ital. piedestal = Untergestell, im Sinne von Beinen und Füßen. 4 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Oberhof- und Hausmarschall und Intendant der kgl. Gärten.
362
Briefe 1851–1873
nur heute war es trüber, und wir Verwöhnten waren ganz désoulirt5 darüber. Rosen und Narcissen, Orangenbäume, alle Früchte in unserm Gärtchen, zwey herrliche Pinien und eine Palme, die Fritz vor 30 Jahren pflanzte, die herrlichen Villen alle grün und voll Blumen, und die Kirchen und Klöster! Zum Vatican war ich noch nicht und werde damit noch warten. Den 6ten. Heute werde ich doch wohl zum Schluß kommen. Gestern Abend unterbrach mich die Theestunde mit unserm kleinen Kreis, noch kleiner, seitdem meine arme Dönhöf6 sehr leidend ist, fast seit unserer Ankunft hier. Es ist wohl ihr gewöhnliches Leiden, aber die Kräfte wollen dießmal gar nicht wiederkommen und reichen kaum hin, um das Bett zu verlassen. Sie ängstigt mich dießmal sehr und jammert mich so, denn sie freute sich so auf die Reise. Wohl war die Reise von Florenz hieher recht zum Erkälten gemacht. Es schneite am Tage unserer Abreise und war bitterkalt, besonders im Großherzoglichen Pallast in Siena, wo wir die Nacht blieben und wo der Erbgroßherzog7 uns empfing und mit uns die Kirchen besuchte. In der Kreuzzeitung ist ein gar dummer Artickel aus Siena, angeblich von jemandem aus unserm Gefolge, erfunden von Anfang bis zu Ende, auch die Artickel aus Florenz sind meist erfunden.8 Die arme Dönhof hat sich wohl sehr erkältet. Addy hatte auch Kopfweh gestern Abend und erschien nicht, und Stüler9 war in Tivoli, Reumont10 immer lehrreich und angenehm und gestern dans ses beaux atours,11 denn er wollte noch auf einen Ball gehen. Heute ist ein herrlicher Tag, wolkenlos. Erlaucht hier zu sehen, war eine große Freude. Sie ist aber leider auch nicht recht wohl und muß sich schonen. Von Deiner Schwiegertochter12 brachte sie gute Nachrichten, nur meint sie, sie würde [es] doch sehr kalt in dem Hause haben. Fritz wird wohl ihre weitern Pläne entschieden haben. Mary13 ist wieder recht wohl und von der besten Laune. Ich habe bis jetzt nur den Cardinal Reisach aus Bayern14 und Leonilla Witgenstein mit ihrem Mann15 gesehen. Jetzt eben erwarte ich meine alte Gesanglehrerin Siccord, 5 6 7 8
9 10 11 12 13
14 15
Frz. von désoler = betrübt, traurig sein. Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. Erbgroßherzog Ferdinand (IV.) von Toskana, Erzherzog von Österreich (1835–1908). Die Zeitungen berichteten ausführlich über die Reise des preuß. Königspaares nach Italien, vom 23. Nov. bis 20. Dez. in Florenz, vom 20. bis 23. Dez. in Siena und ab dem 23. Dez. in Rom. Die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung) berief sich am 28. Dez. zum Aufenthalt in Siena auf Informationen aus dem kgl. Gefolge. August Stüler (1800–1865), preuß. Geheimer Ober-Baurat und Architekt des Königs. Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Legationsrat, Ministerresident in Florenz und Historiker. Frz. = in seinem wunderschönen Staat, im Sinne von Galakleidung. Die lungenkranke Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin kurte den Winter über in Vevey am Genfersee. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. Karl August von Reisach (1800–1869), bis 1856 Erzbischof von München und Freising, lebte als Kardinal in Rom. Leonilla Iwanowna Barjatinskaja (1816–1918), verh. 1834 mit Fürst Ludwig Adolf Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (1799–1866), ehem. russ. Feldmarschall.
1859
363
jetzige Fürstin Ruspolé!!!,16 die sich rasend freut, mich wieder zu sehen. Meinen Neffen Karl von Oesterreich17 fand ich noch hier und sah ihn viel. Der hiesige Auffenthalt that ihm gut, doch ist er immer sehr betrübt und spricht viel von seinem so bald entschwundenen Glück. Er jammert mich gar zu sehr. Der Papst18 zeigt bey jeder Gelegenheit die größte Theilnahme für Fritz und möchte ihn so gerne an einem dritten Orte wie zufällig treffen, aber Fritz hat die größte Scheu davor, weil er meint, er könne nicht mit ihm sprechen, und wolle ihn erst sehen, wenn er wieder ganz wohl seyn wird! Es thut mir leid, denn so wäre es gewiß am besten, sich zu treffen. Vor ein paar Tagen, wo Addy und Abbat auf der Kuppel von St. Peter waren, glaubte der Papst, es sey Fritz, und kam gleich herunter in die Kirche, wo sie ihn fanden. Da wurde er enttäuscht, war aber doch sehr freundlich und wohlwollend mit ihnen, und sie kamen entzückt nach Hause. In der Peterskirche war ich erst einmal und ganz überwältigt. Ueberhaupt, wie schön sind die Kirchen, wie reich. Die Villen entzücken mich auch. Wir waren schon in mehreren, eine schöner wie die andre. Nur die Villa Borghese,19 wo wir gestern waren, entsprach nicht meiner Erwartung. Zum Casino fehlte der Custode, wir konnten also nicht hinein, und der Garten ist durch die révoluzion schmählich zugerichtet, die schönsten Bäume abgehauen, hübsche Häuser bis auf den Grund zerstört. Es ist ein Jammer. Die Briefe aus Berlin sind immer traurig, und wie könnte es auch anders seyn! Gott wolle helfen. Ich höre, Wilhelm ist traurig und fängt an einzusehen.20 Da ist schon meine Ruspoli, geschwind lebewohl. Viel Liebes Deinem Wilhelm. Ich sprach ja gar nicht von ihm in meinem lezten Brief, sondern von Eurem ehemaligen Wilhelm. Fritz ist wohl noch nicht zurück? Mein Fritz umarmt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 11ten Januar 1859 Geliebte Elis, in diesem Jahr habe ich Dir, glaube ich, noch nicht geschrieben und noch kein Wort der Wünsche ausgesprochen, die doch so mein Herz erfüllen und bewegen. Eigentlich braucht man auch nicht Worte, denn Du weißt, wie innig ich bete für den 16 Pauline Therese von Sicard (gest. 1868), verh. 1845 mit Don Eugen Ruspoli (1814–1878). Sein älterer Bruder Johann Nepomuk (1807–1876) führte den Fürstentitel. 17 Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896), verh. 1856 mit Erzherzogin Margarete von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1840–1858), verst. am 15. Sept. 1858 auf einer Reise nach Oberitalien an Typhus. 18 Papst Pius IX. (1792–1878). 19 Die Villa Borghese, ehem. Landgut und Sommerresidenz der Fürstenfamilie Borghese, war zu einer ausgedehnten Parkanlage umgewandelt worden. Im 1613–1616 erbauten Casino ist die Galleria Borghese untergebracht. 20 Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen hatte kurz nach der Übernahme der Regentschaft das „reaktionäre“ Ministerium unter Ministerpräsident Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882) entlassen und am 5. und 6. Nov. 1858 ein neues Ministerium unter Ministerpräsident Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885) ernannt. Am 8. Nov. läutete er per Erlass die „Neue Ära“ seiner Regierungsgrundsätze und Ziele ein.
364
Briefe 1851–1873
theueren Bruder, daß Gott ihn gänzlich herstellt, und für Dich, meine Elis, daß Du Gesundheit und Kraft behällst, ihm eine so treue Pflegerin und Stütze zu bleiben. Aber Gott wird die Gebete erhören. Seit dem 24. December habe ich keinen Brief aus Rom, wo mir Hohenlohe21 schrieb. Treskow22 muß mich ganz vergessen haben. Und somit weiß ich garnichts aus Rom, als daß Schwester Luise mir eben schrieb, daß sie Briefe gehabt vom 1ten Januar, wonach es Fritz gut ginge und er Freude an Rom hat. Daß wäre ja ein so rechtes Glück, da ihm eigentlich der Gedanken, dort hin zu gehen, nicht zu angenem war. Ich denke mir, wenn Du nur erst ganz gesund wieder bist nach der schrecklichen Reise, Du auch recht viel Genuß an den Herlichkeiten haben wirst. Der Blick vom Capitol ist himlisch schön und Euere Wohnung zwar hoch, aber bequem, mit dem Blick auf ganz Rom. Ich sitze noch immer in meinem Zimmer an den Nachwehen der Grippe. Ich fahre zwar aus und war gestern in der Kirche, bin aber noch so matt und nervös angegriffen. Das Wetter ist auch nicht schön, gestern 10° Kälte, heute 1° Wärme mit Regen und Sturm. Aus Petersburg durch Elise Fersen haben wir oft Nachricht von Charlotte, die nun endlich soweit ist, daß sie im Neben Zimmer auf der chaiselonge 1 Stunde auf sein kann, aber natürlich über alle Begriffe schwach. Die rußischen Weihnachten, die Geschenke zu wählen und zu bestimmen, hat sie die letzten Tage angenem zerstreut. Aus Berlin hörte ich neulich, daß Wilhelm den Ministern23 am Neu Jahr folgendes gesagt hätte: „Wie sie mit Wort und That und mit ihm dahin wirken sollten, daß die verbreiteten Gerüchte von bevorstehenden Aenderungen und zu befördernden, lieberalen Institutionen aufhören möchten. Er wolle, wie er es in dem Program und sonst vielfältig den Ministern erklärt habe, so das Regiment führen, daß wenn, wie bei der fortschreitenden Besserung des Königs zu hoffen, derselbe noch in diesem Jahr die Regierungs Gewalt wieder übernehmen werden, keine Änderung in dem Princip und in den früheren conservativen Regierungsmaasregeln bemerkt werden.“ Die Worte sind schön und kamen ihm wohl aus dem Herzen, aber die Minister können und wollen nichts davon hören. Es stand auch in keiner Zeitung!!! Ach, wie traurig liegt die Zukunft vor uns. Was wird nur mit Östreich und Frankreich? Erstere haben das 3te Armee Corps schon fort nach Italien geschickt.24 Nun leb wohl, grüße mir Fritz auf das Herzlichste. Ich hoffe, Addi bleibt den Winter und Frühjahr mit Dir. Abat läßt sie Dir gewiß. Gott sei schützend mit Euch, Deine alte Adine Mein Sohn Fritz kehrt den 21ten zurück. Auguste soll sich sehr erholen. 21 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 22 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 23 Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen hatte kurz nach der Übernahme der Regentschaft am 5. Nov. 1858 ein neues Ministerium unter Ministerpräsident Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885) ernannt. Am 8. Nov. läutete er per Erlass die „Neue Ära“ seiner Regierungsgrundsätze und Ziele ein. Jede Verlautbarung des Prinzregenten wurde im Umfeld des Königs genau beobachtet. 24 Sardinischer Krieg von 1859 zwischen Österreich und Sardinien-Piemont sowie Frankreich.
1859
365 Rom, den 11ten März 1859
Wo soll ich Worte finden, um Dir meinen Todesschreck, aber vor allem meinen Schmerz aus zu drücken, meine arme, arme Adine.25 Ach Gott, welcher Schlag, so unerwartet, so entsezlich. Gott gebe Dir Kraft, ihn zu tragen, Dich in Ergebung in Seinen Willen zu fügen. Er allein kann Dir helfen, und zu Ihm bete ich für Dich, aus Grund meines Herzens. Ach, wäre ich bey Dir, könnte ich mit Dir weinen! Du weißt, wie ich Deine Luise von Kindheit auf geliebt! Es ist hart, die zu beweinen, die einen überleben sollten. Wie jammerst Du mich, meine Adine, und Hugo und die armen, kleinen Kinder und Deine Söhne. Welcher Riß in Eurem Familienleben. Ich saß gestern Abend in meinem Zimmer, wie schon alles im Hause zu Bette war, und ordnete Papiere, da brachte man mir die dépèche! Ich wußte anfangs gar nicht, was ich las, zudem sind die dépèchen immer etwas mangelhaft déchiffrirt, aber wie die Wahrheit wirklich vor mir stand, was ich da empfand, kann ich nicht sagen, und meine Thränen flossen bitter und unaufhaltsam. Jedes neue Unglück ist in meinen jetzigen Tagen so doppelt schwer zu tragen, weil ich den Kummer an Fritz verbergen muß. Ich habe ihm heute Morgen auf Bögers26 Rath gesagt, ich hätte Nachricht von Dir, daß Du sehr besorgt um Dein theures Kind wärest. Er erschrack sehr und frug, ob es wirklich so schlimm wäre. Ich sagte ja, da jammerte er sehr und sagte, es wäre vielleicht jetzt schon vorbey, aber er glaubte doch nicht, daß ich das Schrecklichste schon wüßte. Ich werde es ihm dann morgen sagen und zittere schon davor. Es geht ihm heute sehr gut und hat vortrefflich geschlafen. Gestern war der Wind kalt und durchdringend, das fühlte er gleich. Wir gedenken, den 23ten März nach Neapel auf 14 Tage zu reisen und dann zur Charwoche zurück zu kommen, und nach Ostern über Florenz, Genua, Nizza langsam heimzukehren, wenn der Krieg27 keinen Strich durch die Rechnung macht. Gott bewahre uns davor. Lebe wohl, Du Geliebte, Gott sey mit Dir. Im Gebet bin ich mit Dir. Sage Deinen Söhnen, wie ich mit ihnen fühle, und dem armen Hugo. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 15ten März 1859 Meine innig geliebte Elis, wie sehnt sich mein Herz nach Dir, und erst heute komme ich dazu, Dir schreiben zu können. Ach, der Herr hat mich schrecklich schwer heimgesucht, mein einzig geliebtes Kind mir genommen.28 Es ist fast zu viel, aber ich beuge mich. Denn 25 Die 34-jährige Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, war am 9. März in Venedig gestorben. Sie hinterließ ihren Ehemann Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) und vier kleine Kinder im Alter von 2 bis 8 Jahren. 26 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 27 Sardinischer Krieg von 1859 zwischen Österreich und Sardinien-Piemont sowie Frankreich. 28 Die 34-jährige Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, war am 9. März in Venedig gestorben. Sie wurde am 21. März auf Schloss Wagensberg in Slowenien, der Residenz der Familie von Windisch-Graetz, beigesetzt.
366
Briefe 1851–1873
was der Herr thut, ist wohl gethan, und ich klammere mich fest an ihn, damit mein Glaube recht fest bleibt. Mein Kind, mein liebes Kind ist tod, und hier auf Erden soll ich es nicht wieder sehen. Das Ende war so plötzlich, so aus heiterem Himmel, denn sie war die Faschings Nacht bis 4 Uhr in der Fenice29 gewesen, das Masken Getriebe mit anzusehen, kam heiter und vergnügt zurück, der Kammerfrau viel erzählend. Sie schlief bis 2 Uhr, wo sie aufstand und toilette machte, darauf ihre Promenade machte, aber nach einer Viertelstunde schon zurück kehrte, indem sie sehr klagte über heftiges Kopfweh, und ließ sich Chloroform geben zum Einreiben und ging in [den] Salon mit einem Buch. Um ¾ 5 Uhr will ein Diener ihr etwas bestellen und findet sie ohne Sprache und in Krämpfen. Die Kammerfrau stürzt herein, rief noch einen Artz. Mit der Jungfer rieben sie ihr Hände und Füß, weil die ganz verdreht. Ihren Bemühungen gelingt es, daß sie wieder Besinnung bekömt, und sagt: „Es geht besser, kein Artz, es geht vorüber.“ Sie wollten Luise Wasser einflößen, aber vergebens. Der Mund war fest zugepresst und der Pulz, welcher schwach wieder gekehrt, verschwand. Die Krämpfe kehrten immer heftiger und heftiger wieder. Noch hat sie an ihre Engländerin30 gesagt: „Küss Olga.“31 Dann nannte sie noch den Ort Sarvar, wo Hugo in Garnison steht.32 Darauf verlohr sie die Besinnung und in einer Viertelstunde hauchte sie ihre Seele aus. Eigentlich weiß niemand, was ihr Ende so beschleunigt. Der Artz in Venedig sagt zwar, sie müße ein absess im Kopf gehabt, was sich plötzlich ergossen hätte, vielleicht beschleunigt durch den Chloroform.33 Man muß ja eigentlich den lieben Gott auf den Knien danken, daß er Luise vielleicht von großen Leiden befreit. Dann ruht sie in den Armen des Herrn in Frieden, ihr ist wohl. Nur wir Armen, die ihr unter heißen Thränen nachblicken, wir sind zu beklagen, und vor allem der arme Hugo, der nicht den Trost hat, an ihr Sterbe Bett zu stehen und ihre erkaltende Hand in der seinen zu haben! Er hat es in Wien erfahren und kam erst am 11ten mittags in Venedig an, wo ihm das Furchtbarste erst klar wurde, denn er konnte es nicht faßen. Die armen, verlaßenen Kinder, für die Luise eine sorgfältige, liebende Mutter war. Ach, der Herr hat sie aus ihrem vollen Glück genommen. Er allein weiß, warum. Meine beiden Söhne sind nach Venedig, um den letzten Liebesdienst der geliebten Schwester zu erzeigen. Bei mir ist nun Schwägerin Marie aus Altenburg, die ich darum gebeten, mein alte Mama war auch 2 Tage hier. Ich bin wohl, aber gebrochenen Herzens, matt und hinfällig. Gott wird mir ja helfen, von ihm nur kommt Trost und Kraft. Verzeih, daß ich so viel von mir schreibe, aber es ist Dir vielleicht lieb, detaills über Luise ihren Tod zu haben, die Dich sehr liebte und verehrte, wie auch den lieben Onkel König. Dank für alle Liebe, Dir Ihr ihr im Leben erzeigt, Deine treue, tief betrübte Adine 29 Teatro La Fenice, Opernhaus in Venedig. 30 Verm. eine englische Gouvernante für die Kinder von Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin. 31 Prinzessin Olga von Windisch-Graetz (1853–1934). 32 Prinz Hugo von Windisch-Graetz wurde 1859 vom österr. 4. Dragoner-Regiment „Großherzog von Toscana“ zum zweiten Oberst im österr. 11. Husaren-Regiment „Herzog Alexander von Württemberg“ befördert, mit welchem er am Sardinischen Krieg in Italien teilnahm. 33 Verm. starb die Prinzessin also an einer Hirnblutung infolge eines geplatzten Aneurysmas im Kopf.
1859
367 Schwerin, den 19ten März 1859
Geliebte Elis, gestern kam Dein so lieber Brief an, der erste seit meinem großen Schmertz. Du fühlst so tief mit mir, denn Du hattest Luise lieb. Du hast sie eigentlich unter Deinen Augen aufwachsen sehen, und sie liebte und verehrte Dich ganz vorzüglich, eben so den Onkel König. Möchte es ihm nur nicht schaden, wenn er erst die ganze Wahrheit erfährt. Denn es wird sein weiches Herz erschüttern. Heute habe ich einen Brief von meinem ältesten Sohn aus Venedig, der so erschüttert schreibt von dem armen Hugo. Sein Jammer wäre zum Stein erbarmen, schwankend, ohne Thränen, dennoch milde, geht umher, anscheinend ruhig, das Herz aber von verzehrendem Schmertz durchwühlt. Seine Gedanken sind nur mit ihr, der Verklährten, beschäftigt. Das Leben habe keinen Zweck, keinen Werth mehr für ihn, und er sehnte sich ihr nach. Ach, wie verstehe ich diesen Schmertz, ist er nicht noch eben so bei mir wie vor 17 Jahren.34 Die Wunde hielt immer und die Sehnsucht bleibt, wenn auch solche lange Zeit dazwischen liegt und ich heiter und froh sein kann. Aber im Herzen sieht es immer gleich traurig aus, da liegt es im Verborgenen, wie ein Heiligthum. Den Hergang des traurigen Ereignißes wißen wir, und ich schrieb sie Dir. Eine Stunde hat es doch gedauert und momentane Hoffnung sich gezeigt. Aber plötzlich, wie mit einem Schlag, war das Leben entflohen. Fritz hat mit dem Artz vom 11ten Regiment35 gesprochen. Der eigentliche Hausartz war krank, und dieser ist bei den Kindern. Er sagt, wie man erst behaubten wollte, das Chloroform, woran Luise gerochen, sei garnicht Schuld, hätte garkeinen Einfluß ausgeübt. Daß zeigen die vorgekommenen Erscheinungen, die den Tod bestimmt. Er vermuthet vielmehr eine allmälige Bildung eines Absesses, der nun zur Reife gediehen, sich im Kopf ergossen.36 Die Annahme (denn Hugo hat keine section gewünscht, daher sie unterblieben, aber dagegen zur Erhaltung der Leiche eine Einsprüßung37 gemacht, welche auf einer Seite des Kopfes auf eine Hemmung gestoßen ist) wird unterstützt durch die Art der Krämpfe und das plötzliche Ende. Luise litt viel an Kopfweh und großer nerveuser Aufregung in der letzten Zeit, die vielen aufgefallen ist. Eine Erkältung kann auch dazu gekommen sein, denn nach der Cavalcina (Redute im Opernhaus)38 ist sie um 6 Uhr früh in einer Gondel spazieren gefahren, hat beim zu Haus kommen sich schlecht und erkältet gefühlt, sich zu Bett gelegt, um 2 Uhr aufgestanden, dann nach 3 Uhr wieder spazieren gegangen, von wo sie mit starkem Kopfweh zurück gekommen. Dann folgt das bekannte Ende. Mir geht es schwach. Ich bin oft recht hinfällig, aber wie Gott will, ich hallte still. Der Schmertz um die geliebte Luise ist zu groß. Gott schenke Euch eine glückliche Reise und Aufenthalt in Neapel. Ach, da ist es himlisch. Möge Du alles in Ruhe genießen können und Fritz Freude dort haben, Deine trauernde, treue Adine 34 Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin war 17 Jahre zuvor, am 7. März 1842, gestorben. 35 Dr. Hermann Grund, Regimentsarzt des österr. 11. Husaren-Regiments „Herzog Alexander von Württemberg“, in dem Prinz Hugo von Windisch-Graetz als zweiter Oberst diente. 36 Verm. starb die Herzogin also an einer Hirnblutung infolge eines geplatzten Aneurysmas im Kopf. 37 Verm. im Sinne von Einspritzung. 38 Ital. cavalchina = Redoute, Maskenball im Theatersaal des Opernhauses La Fenice.
368
Briefe 1851–1873
Rom, den 23ten März 1859 Endlich, meine Adine, haben wir Nachrichten von Dir durch Mary Schöning erhalten. Mit vielen Thränen habe ich den Brief an Fritz vorgelesen, der auch tief bewegt war. Ach, meine Adine, wie jammerst Du mich, wie tief muß Dein Schmerz seyn, wie viel und Schweres hast Du zu tragen! Dein lieber Brief vom 4ten that mir so weh. Er war noch so harmlos, so ohne Ahndung von dem unbeschreiblichen Unglück, das nach wenig Tagen auf Dich fallen sollte. Deine arme Luise mußte noch so viel leiden, alle Bitterkeit des Abschieds fühlen und fern von Hugo, das finde ich entsezlich. Gott sey mit Dir und gebe Dir Kraft. Ich bete viel für Dich, und auch Fritz. Den Tag, als ich Dir schrieb, sagte ich ihm, Luise sey sehr krank, was ihn schon sehr erschreckte. Den Abend sagte ich ihm, wir wollen recht für Adine beten. Den andern Morgen war sein erstes Wort: „Hast Du Nachrichten? Ja, schlechte. Oh, dann ist es gewiß aus!“ Er war tief betrübt und so besorgt für Dich. Ich telegraphirte Deinem Sohn um Nachricht, und die Antwort kam den andern Tag aus Vevay!39 Es ist schwer, Dich allein in Schwerin zu wissen, in so tiefem Schmerz. Aber ich hoffe, Dein Wilhelm kann noch bey Dir bleiben. Deine Schwägerin Marie ist so gut, aber doch recht still. Ist sie Dir wirklich ein Trost? Mary sah ich diese Tage wieder nach ihrer Rückkehr aus Albano, wo sie seit dem Tode ihres Kindes mit Stroganof allein gewesen war.40 Sie war sehr bewegt, aber ergeben. Den andern Tag kam sie wieder, und ich las ihr der Schöning Brief vor. Du kannst Dir denken, mit welchem schmerzlichen Interesse sie zuhörte. Wie bist Du gut und wie rührt mich Deine Treue tief. Vor einer Stunde bekam ich Deinen herzzerreißenden Brief vom 15ten. Ich las ihn Fritz vor, von Thränen erstickt. Ach, wohl hast Du recht, daran fest zu halten, was Gott thut, das ist wohl gethan, und Er allein weiß, wozu ihr frühes Ende und so viel Schmerz über Dich kam. Wir armen Menschen können das nicht verstehen. Mein Gott, was ist das Leben! Hat denn Luise früher so viel an Kopfweh gelitten? Ich kann es mir nicht erinnern. Ich denke, hätte sie ein Geschwür gehabt, sie müßte schon lange furchtbar ausgestanden haben. Ist denn der Arzt nicht mehr gekommen? Ach, verzeihe die vielen Fragen, Du weißt ja, wie mich alles interessirt. In solchen schrecklichen Augenblicken fühle ich recht das Traurige einer so weiten Entfernung, die Briefe gehen so langsam, zu Hause könnte ich viel mehr von dir, Du Arme, hören. Ach, könnte ich mit Dir weinen. Die armen, kleinen Kinder hat sie wohl nicht wieder gesehen. Wie wird sie ihnen fehlen, die sorgsam treue Mutter. Hugo jammert mich unbeschreiblich. In seiner Familie wird er wenig Trost für das verlorne Glück finden, und daß er fern seyn mußte. George von Streliz ist voll warmer Theilnahme, und alle, die Dich kennen und lieben. Wie betrübt es mich jetzt, daß ich die theure Luise nicht mehr in Verona sah! Ja, sie hat mich lieb gehabt, das weiß [ich], und hatte Vertrauen 39 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin besuchte seine lungenkranke Frau, die sich den Winter über zur Kur in Vevey am Genfersee aufhielt. 40 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. Am 13. Febr. war ihr gemeinsamer Sohn Gregori Grigorjewitsch Graf Stroganow (1857– 1859) in Rom verstorben.
1859
369
in mich. Wie ist es doch traurig, die zu verlieren, die einen so länger überleben sollten. Meine arme, schwer geprüfte Schwester41 nimmt so warmen Antheil an Deinem Schmerz und hätte Dir gerne geschrieben, fürchtete aber, Dir lästig zu seyn. Fritz umarmt Dich. Es geht ihm im Ganzen gut, aber sein Zustand und besonders seine Stimmung ist sehr schwankend. Er freut sich auf Neapel, wohin wir den 28ten reisen, da wir früher keine Wohnung bekamen. Ich muß jetzt immer nach Hause schreiben, daß er noch weit entfernt ist, ganz hergestellt zu seyn, da uns zu Ohren gekommen ist, daß man glaubt, er ist vollkommen geheilt. Ich begreiffe nicht, woher die Nachricht kam. Vieles ist besser, aber anderes und auch die Sprache leider auf dem alten Standpunkt. Es wäre zu traurig, wenn man sich zu viel erwartete. Snethlage42 fehlt uns sehr, aber Fritz war es eine Gewissenssache, ihn [nicht] seinen Confirmanden zu nehmen. Heym43 ist vortrefflich, aber ersezen kann er ihn nicht. Der Frühling ist herrlich, und wir benuzen unsere Zeit nach Kräften. Wie kannst Du glauben, daß Du zu viel von Dir gesprochen hast! Ich kann ja nicht genug erfahren, möchte in jedem Augenblick wissen, wie es Dir geht. Der 19te März, ein doppelter Trauertag für Dich, ein Tag furchtbarer Erinnerung für uns und der Geburtstag Deines Enkels!44 Welcher Contrast. In Steyermark, in dem herrlichen Lande, ruht Dein geliebtes Kind. Des Herrn Frieden mit ihr und mit Dir, meine arme Adine! Ich hoffe, Deine Schwiegertochter kömmt bald wieder, ihre Nähe wird Dir wohl thun. Deine arme, alte Mama überlebt viel. Sie hat ein trauriges Alter.45 Lebe nun wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 31ten März 1859 Meine geliebte Elis, wie bist Du so gut, so viel Theil an meinem Schmertz zu nehmen, und auch der liebe Fritz. Ach, das thut so wohl, von seinen Lieben verstanden zu werden. Ich war recht besorgt, diese Trauer Nachricht könnte Fritz vielleicht schaden, aber Gott sei Dank geht es ihm ja im Ganzen besser. Den Wunsch, Neapel zu sehen, finde ich ein ganz besonders gutes Zeichen. Möchte er nur dort Befriedigung finden und Du, geliebte Elis, den Aufenthalt ohne Stöhrung genießen können. Der Vesuf wird doch so liebenswürdig sein und sich recht sehen laßen. Es sind grade heute 13 Jahre, daß wir den Vesuf bestiegen. Es bleibt doch eine schöne Erinnerung. Schwester Luise schickte mir heute einen Brief von Elise Fersen, worin die sagt, daß gegen Ende Juny die Reise von Charlotte angetreten werden soll. Welchen Weg, sei noch unbestimmt. Glaubst Du 41 Königin Amalie Auguste von Sachsen hatte bereits vier ihrer Kinder verloren, zuletzt Erbgroßherzogin Anna Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1836– 1859), gest. am 10. Febr. 42 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 43 Albert Heym (1808–1878), Hofprediger und erster Pfarrer an der Friedenskirche in Potsdam. 44 Geburtstag von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin am 19. März. 45 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, war zu diesem Zeitpunkt 82 Jahre alt.
370
Briefe 1851–1873
Abb. 11: Die Ehe des großherzoglichen Paares von MecklenburgSchwerin war standes- und krankheitsbedingt von häufigeren Trennungen geprägt. Die vielen Kuraufenthalte der kränklichen Großherzogin ließen Großherzog Friedrich Franz II. seiner Frau unter anderem in die Schweiz folgen.
denn, geliebte Elis, daß Charlotte Fritz sehen dürfte in Sanssouci? Ich hatte mir schon gedacht, eine Begegnung auf der Reise wäre das Leichteste gewesen. Allein, daß läßt sich nicht bewerkstellen, da ihr dann schon längst in Sanssouci sein werdet. Daß wäre etwas ganz Unabhängiges und hätte nicht an sonst erinnert. Charlotte wird erst nach Ems und dann nach Schlangenbad, und wie es scheint, rechnet sie noch darauf, mich dort zu sehen. Ich fürchte nur, ich werde ihr wenig sein und mir werden manche herben Stunden bevorstehen! Ich weiß nicht, ob ich Dir im letzten Brief schrieb, daß es ganz erwiesen ist, daß meine arme Luise ein Geschwür im Kopf gehabt. Es sollen solche Fälle geben, aber selten, daß sich ein Geschwür heimlich im Kopf bilden, wo von der Kranke nichts merkt, aber eine große Aufregung der Nerfen und Unruhe verursachen. Und nur erst, wenn sich das Blut ergißt, dann treten diese Krämpfe ein, die unrettbar zum Tode führen. Das Bewußtsein ist dann doch nur momenthan und nur vorübergehend vorhanden. Man meint daher, daß sie nicht viel gelitten. Gäbe es Gott, aber nun ruhet sie aus von allen Mühseligkeiten des Lebens. Den armen Hugo erwarte ich am 4ten Aprill. Er sehnt sich zu sehr nach mir, um sich recht auszusprechen und sich verstanden zu wißen. Seine Famille bietet ihm nicht viel Trost. Auch soll dann über die Kinder bestimt werden, wo und wie man sie am besten erziehen kann.46 Die armen 46 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, hatte vier kleine Kinder im Alter von 2 bis 8 Jahren hinterlassen. Prinz Hugo von Windisch-Graetz wurde 1859 zum zweiten Oberst im österr. 11. Husaren-Regiment „Herzog Alexander von Württemberg“ befördert, mit welchem er am Sardinischen Krieg in Italien teilnahm.
1859
371
Kinder! Deine arme Schwester Amalie ist zu gütig, in ihrem unendlich großen Schmertz auch meiner zu gedenken.47 Bitte sage ihr doch, wie sehr ich es erkenne und wie ich nun so ganz mit ihr fühlen konnte, was es hieße, seine Kinder zu verlieren. Der Herr hat viel, viel Kummer über uns gebracht. Möchte ich es nur recht so anwenden, wie Er es von mir verlangt. Nun leb wohl. Am Sonnabend erwarte ich meinen Fritz ganz in der Frühe von Hannover, wo er einen Besuch gemacht, wegen Militair Sachen Rücksprache zu nehmen. Mein Wilhelm ist am 26ten in Düsseldorf angekommen, sehr freundlich von seinem Vorgesetzten aufgenommen.48 Heute hatte ich einen Brief von ihm, noch behagt es ihm nicht sehr dort. Grüße Fritz, Addi, die Damen und Herrn. Remon49 hat mir einen so theilnehmenden Brief geschrieben, ich hoffe, er hat meine Antwort erhallten. Deine traurige Adine Schwerin, den 14ten April 1859 Geliebte Elis, dieser Brief wird Dich, hoffe ich, gesund in Rom wieder antreffen und Du [wirst] recht zu frieden mit dem Aufenthalt in Neapel gewesen sein. Eigentlich schreibe ich heute, um anzufragen, wann und wohin ich den Luisen Orden von meiner Engels Luise Dir zurück stellen kann.50 Es wurde dem armen Hugo sehr schwer, sich davon zu trennen, weil sie ihn beständig getragen. Daher habe ich ihm das Ordensband gelaßen. Daß schadet auch wohl nichts, wenn das Kreutz ohne dem Bande zurück kommt. Dann soll ich im Nahmen von meinem armen Schwiegersohn Dich bitten, ein Andenken von Luise anzunehmen. Es besteht in einem Armband, Brosche und Ohrringe von Onix und kleinen Brillanten, ein Geschenk von meinem Sohn Wilhelm. Du warst immer so unbeschreiblich gut für die liebe Verklährte, daß Du es darum vielleicht annimmst. Den Orden wie diesen kleinen Schmuck werde ich solange behallten, bis Du mir wißen läßt, wohin ich ihn senden soll. Am liebsten würde ich beides Dir selbst übergeben, aber weiß Gott, wann wir uns wiedersehen. Es ist ja alles ungewiß auf dieser Erde. Mein armer Schwiegersohn war 8 Tage bei mir. Obgleich es entsetzlich schmertzlich war, ihn so allein ankommen zu sehen, so that es uns beiden sehr gut, uns so recht viel von Luise zu unterhalten und zu erzählen. Ihn über Luise sprechen zu hören, ist das rührenste, was man sich 47 Königin Amalie Auguste von Sachsen hatte bereits vier ihrer Kinder verloren, zuletzt Erbgroßherzogin Anna Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1836– 1859), gest. am 10. Febr. 48 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin durfte zwei Jahre nach Bankrott und Zwangsabschied wieder in die preuß. Armee eintreten, zunächst als Major à la suite beim 11. Husaren-Regiment in Düsseldorf. Sein Vorgesetzter war Oberstleutnant Wolf von Pfuel (1809–1866). 49 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Legationsrat, Ministerresident in Florenz und Historiker. 50 Der preuß. Louisenorden war der höchste Damenorden Preußens. Er wurde am 3. Aug. 1814 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Gedenken an seine 1810 verstorbene Ehefrau Königin Luise gestiftet. Jede Enkelin von König Friedrich Wilhelm III. erhielt den Louisenorden nach ihrer Konfirmation. Siehe Brief vom 15. Okt. 1858.
372
Briefe 1851–1873
denken kann. Diese Liebe, diese adoration, dies nur allein für einander und in einander Leben, so etwas findet man auf der ganzen Welt nicht wieder. Daher kann ich auch nicht begreiffen, wie Hugo ohne Luise weiter leben soll – und es doch muß. Für ihn wäre der Krieg51 eine große Erleichterung, aber ist der Krieg einmal begonnen, weiß niemand, wann er endet. Am Sonntag Abend reise ich also nach Vevey zu meiner Schwiegertochter ab, wo ich bis zum 11ten Mai denke zu bleiben, und dann am 17ten nach Wagensberg,52 Luise ihren Geburtstag unter Thränen und Gebet an ihrem Sarge zu zubringen. Gott, welcher Gedanke und welche fürchterliche Wahrheit. Nun leb wohl, bete für mich, denn ich brauche Kraft, ich bin zu tief gebeugt. Deine treue Adine An Fritz tausend Liebes, Gott behüte ihn. Rom, den 29ten April 1859 Was mußt Du von mir denken, meine Adine! Drey liebe, rührende Briefe mit dem schmerzlichen, schwarzen Rand liegen vor mir und noch sagte ich Dir kein Wort des Dankes und der Antwort! Wenn ich in Neapel auch gar zu wenig Zeit hatte, so ist es seit unserer Rückkehr, wo uns die Hize zu einer andern Tagesordnung zwang, noch ärger. Wenn es nicht zu heiß ist, besehen wir Vormittag noch einiges und fahren dann den Nachmittag auf längere Promenaden aus. Nun gleich meinen Dank für die lieben Briefe und auch für einen Deiner lieben Schwiegertochter, den ich in Neapel empfing und der mich tief rührte und so sehr interessirte. Sie soll nicht zürnen, wenn ich hier in diesen Zeilen dafür danke. Es war gar zu lieb von ihr, mir zu schreiben. Ich kann nicht sagen, wie ich froh bin, daß Du jetzt mit ihr und mit den Kindern bist. Ihre Liebe wird Dir wohlthun und ein Balsam seyn für Dein armes, wundes Herz. Wie mag Dein Wiedersehen mit Hugo herzzerreißend gewesen seyn, aber gewiß auch wieder wohlthun seine große Liebe und Treue für Deine Luise. Mary Schöning schreibt an Finkenstein,53 sie hätte nie einen traurigern Mann gesehen. Ach, Gott thut alles zum Besten, man darf nicht fragen, warum solches Band zerrißen werden mußte. Es rührt mich sehr, daß er mir ein Andenken von Luise geben will, ich freue mich darauf. Aber das Kreuz des Luisenordens gieb ihm wieder, er soll es behalten.54 51 Prinz Hugo von Windisch-Graetz wurde 1859 zum zweiten Oberst im österr. 11. Husaren-Regiment „Herzog Alexander von Württemberg“ befördert, mit welchem er am Sardinischen Krieg in Italien teilnahm. 52 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, war am 21. März auf Schloss Wagensberg in Slowenien, der Residenz der Familie von Windisch-Graetz, beigesetzt worden. 53 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant a.D. und erster Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 54 Der preuß. Louisenorden war der höchste Damenorden Preußens. Er wurde am 3. Aug. 1814 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Gedenken an seine 1810 verstorbene Ehefrau Königin
1859
373
Wir sind nun unsrer Abreise sehr nahe, und unsere Pläne sind durch den drohenden Krieg und vor allem durch die Katastrophe in Toskana ganz gestört.55 Wir gehen nach Ancona und von da zu Wasser nach Triest, dann mit Auffenthalten von einem Tag in Wien und Dresden in kleinen Tagereisen zurück, theils der Hize wegen, die dieses Jahr ungewöhnlich früh eingetreten ist, und weil wir nicht vor dem 21ten May zurück seyn sollen. Wie fürchte ich mich vor der Rückkehr. Du warst jetzt auch in Berlin, und es mag Dir schwer genug geworden seyn, Du Arme! Fritz ist sehr erregt und besorgt wegen der Unruhen in Italien, dem kommenden Krieg. Sein trauriger Zustand drückt ihn mehr wie je, in einer Zeit, wo er gerne thätig seyn möchte. Es zerreißt mir das Herz für ihn. Wir scheiden beyde ungern von Rom, wo es uns gut ging und wo wir viel Wohlwollen und Theilnahme fanden. Es thut so wohl in einer Lage wie die unsrige! In Neapel hatten wir leider viel schlechtes Wetter, aber doch auch herrliche Tage, die für alles entschädigten. Meine Nichte56 sah ich selten. Die Krankheit des Königs erlaubte ihr nicht, sich viel von Caserta zu entfernen.57 Ich war zweymal dort und besuchte das erstemal die Königin,58 die sehr freundlich für mich war. Ihre Kinder umgaben sie, sehr liebe Kinder, die ältesten Mädchen allerliebst. Costi war sehr krank, auch Sanny, doch erholte sie sich schneller wie er, der erbärmlich aussah. Im Schloß zeigte mir der Castellan Dein Zimmer, und als ich ihm sagte, daß Deine Luise eben gestorben sey, war er ausser sich: „una cosi buona Principessa“,59 sagte er immer. Nun muß ich schließen. Wie es mit Charlottens Wiedersehen seyn wird, weiß ich noch nicht. Euer Zusammenleben in Sans Souci ist wirklich unmöglich. Ein kurzes Wiedersehen wäre das einzige, was Fritz nicht schaden könnte. Ich fand einen langen Brief von Charlotte hier bey der Rückkehr aus Neapel. Es geht ihr Gottlob gut. Cécile’s Niederkunft60 hat sie gewiß sehr gefreut. Meine Schwester Sophie war so betrübt über Deinen schweren Verlust und trug mir auf, Dir ihre herzliche Theilnahme aus zu drücken. Wie danke ich Dir und Deiner Schwiegertochter die vielen détails, die mich so schmerzlich ergriffen. Fritz umarmt Dich zärtlich. Grüße Deine Schwiegertochter und küsse die Kin-
55
56 57 58 59 60
Luise gestiftet. Jede Enkelin von König Friedrich Wilhelm III. erhielt den Louisenorden nach ihrer Konfirmation. Siehe Briefe vom 15. Okt. 1858 und 14. April 1859. Mit dem Ausbruch des Sardinischen Krieges hatte sich Großherzog Leopold II. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1797–1870), geweigert, sich auf die Seite von Sardinien und Frankreich gegen Österreich zu stellen, und die Neutralität des Großherzogtums erklärt. Eine ital. Volkserhebung zwang ihn am 27. April ins Exil nach Wien. Prinzessin Marie in Bayern (1841–1925), verh. am 3. Febr. 1859 mit Franz (II.) Maria Leopold von Bourbon, Kronprinz von Neapel-Sizilien (1836–1894). Königspalast in Caserta, etwa 40 Kilometer nördlich von Neapel, in den sich der todkranke Ferdinand II. von Bourbon, König beider Sizilien (1810–1859), zurückzogen hatte, gest. am 22. Mai. Königin Maria Theresia beider Sizilien, geb. Erzherzogin von Österreich (1816–1867). Ital. = eine so gute Prinzessin. Großfürstin Olga Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891), verh. 1857 mit Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909), hatte am 14./26. April ihren ersten Sohn Großfürst Nikolai Michailowitsch von Russland (1859–1919) geboren.
374
Briefe 1851–1873
der. Wie viel Bekannte starben seit unsrer Abreise in Berlin. Ich zittere, wenn ich eine Zeitung ansehe. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Das Andenken, das mir Hugo bestimmt hat, schicke mir, wenn ich in Sans Souci zurück seyn werde. Gott weiß, wann und wie wir uns wiedersehen werden. Bern, den 9ten Mai 1859 Geliebte Elis, aus so weiter Ferne muß ich Dir doch noch meinen Dank sagen für den lieben Brief aus Rom vom 29ten, der mich so sehr gefreut. Ich bekam ihn in Vevey selbst, als wir abreiseten. Und daß erleichterte mir den Abschied aus der schönen Gegend, wo es so still und friedlich war. Auf Befehl von meinem Sohn Fritz mußten wir am 7ten abreisen, weil man den Krieg in Deutschland sehr nahe glaubte.61 Nun scheint es wohl, als wenn Napoleon den Krieg allein in Italien fertig machen will. Dann wird es wohl erst bei uns loßgehen. Die Zukunft ist recht dunkel. Auch auf Eure Reise hat die Begebenheit Einfluß, da Ihr nur von Ancona nach Triest gereiset seid. Das schöne, liebe Venedig hast Du nicht wieder gesehen, was für mich ein Ort des Schmertzes geworden ist. Eigentlich weiß ich nicht recht, wohin ich meinen Brief senden soll. Doch scheint mir Dresden das Sicherste, wenn er auch lange liegen bleibt. Welche Freude für Deine 3 Schwestern, daß Du sie sehen wirst, erst Sophie in Wien, und dann in Dresden die arme Amalie wäre beinah des zu vielen Schmertzes erlegen, aber der Herr hat sie noch gnädig behütet.62 Empfehle mich doch und sage, wie viel ich ihrer dächte. Der Herr hat sie schwer heimgesucht. Wie tief fühle ich das jetzt mit ihr. Auguste legt sich Dir zu Füßen und freut sich, wenn Dir ihre Briefe lieb gewesen sind. Ach, mit ihr die 14 Tage zuzubringen, hat mich mächtig aufgerichtet. Ihre Liebe und sanfter Trost ist so wohl thuend. Jetzt bin ich eigentlich auf meiner Pilgerfahrt nach Wagensberg.63 In einer Stunde reisen wir weiter bis Zürs.64 Wir machen auch nur kleine Tagereisen. Morgen geht es über den Bodensee nach Friedrichshafen, und die Nacht bleiben wir in Ulm. Den 11ten reise ich noch mit Auguste bis Augsburg. Dort trennen wir uns. Sie geht bis Nürnberg und den 12ten nach Altenburg, wo sie 3 Tage still bleibt und Fritz hin kommen will. Ich gehe bis München, wo ich den 12ten bis nachmittags bleibe, den 13ten nach Salzburg, den 14ten Linz, 15ten Wien, 16ten Wagensberg, dort bis den 18ten, mittags nach Gratz, 61 Der Sardinische Krieg zwischen Österreich und Sardinien sowie Frankreich blieb trotz preuß. Mobilmachung auf Italien beschränkt. 62 Königin Amalie Auguste von Sachsen hatte bereits vier ihrer Kinder verloren, zuletzt Erbgroßherzogin Anna Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1836– 1859), gest. am 10. Febr. 63 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin besuchte zum Geburtstag am 17. Mai das Grab ihrer verstorbenen Tochter Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, auf Schloss Wagensberg in Slowenien. 64 Darunter gestrichen „Thun“ (in der Schweiz).
1859
375
19ten Wien, 20ten Prag, 21ten Marienbad. Dies ist, soweit es bis jetzt alles bestimmt ist. In La Faraz65 war es zu schön, und verwöhnte uns so, daß wir danach nichts recht gelten laßen wollen. Leider ist es auch trüb, keine Alpen zu sehen. Und so war der Zweck, unserer gestriger Tag in der Art verfehlt. Doch hat Auguste sich ausgeruht und das ist auch gut. Wie schrecklich wird Euere Rückkunft in Sanssouci sein, und was mag der arme Fritz leiden, in diesem wichtigen Moment nicht selbst regieren zu können. In Berlin ist man sehr confus, hat den Kopf verlohren. Auguste ist aber doch nach Coblenz und giebt sich in den sicheren Händen der Rheinländer! Ich hoffe, in Wien zu erfahren, wie es Euch, Ihr Lieben, gegangen ist. Also, am 21ten denke ich doppelt Euer. Der alte Humbold66 ist ja auch gestorben. Nun leb wohl, Gott geleite Euch. Ich grüße Fritz herzlichst. Die Adjutanten werden mir wohl nach Marienbad schreiben. Deine treue Adine Am 16ten und 17ten gedenke meiner in Liebe. Es werden schwere, schwere Tage sein. Marienbad, den 25ten Mai 1859 Geliebte Elis, von hier, wo ich nun seit dem 22ten bin, muß ich doch gleich ein Lebenszeichen geben, daß ich nach der furchtbar schweren Reise nach Wagensberg67 gesund zurück gekehrt bin. Aber meine Seele ist zu Tode betrübt und doch auch gehoben, daß ich den Ort kenne, wo meine liebe Luise ihre letzte Ruhestätte gefunden! Es ist ein lieblicher Ort. Das Schloß, was klein, aber viel Raum in sich schließt, liegt auf einem hohen Berg, umgeben von hohen Bergen, die alle mit den schönsten Buchenwäldern bewachsen sind, und die innere Einrichtung ganz von Luise angeordnet und ausgeführt, ist zu deliziös, ganz im mittelalterlichen Geschmack. In jeder Sache sah man ihr Wirken und Schaffen. Alles ist mit solchem Geschmack gemacht. Sie muß oder sie war vielmehr sehr glücklich dort, denn es hat etwas Romantisches, poetisch, so recht zum Schwärmen gemacht, und für ein solch glückliches Paar ein idealischer Aufenthalt. Die Wirklichkeit schnitt nur zu scharf dagegen ab. Ich bewunderte Hugo, wie er da aushallten konnte. Und doch lebte er oft, wenn er so lebendig erzählte, ganz in der schönen Vergangenheit auf. Ich habe alle Fußpromenaden machen müßen, alle Plätze aufsuchen, die Luise hatte anlegen laßen und die ihr so lieb waren. Als ich nach meiner Ankunft, die mir so furchtbar schwer wurde, in der kleinen, stillen Capelle trat, glaubte ich, meinem Schmertz zu erliegen. Ich konnte mich garnicht faßen und hatte alle Mühe, endlich zum stillen Gebet zu kommen und die große ewige Seeligkeit von Luise zu begreiffen, daß wir ja nur die Beklagenswerthen sind. Ihre Seele umschwebte uns aus lichten Höhen. Aber die Wirklichkeit, Luise nur so wieder zu finden, war ganz furchtbar. Als ich späther wieder hin65 La Faraz bei Vevey. 66 Alexander von Humboldt (1769–1859), Wissenschaftler und Naturforscher, gest. am 6. Mai. 67 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin hatte am 17. Mai die Grablege ihrer verstorbenen Tochter Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, auf Schloss Wagensberg in Slowenien besucht.
376
Briefe 1851–1873
ging, verlohr sich der schreckliche Eindruck. Sie steht so still und friedlich da, umgeben von den Frühlings Blumen, Epheu, Maiblumen und Vergißmeinicht Kränze bedeckte sie ganz. Ein Fenster, was leicht verhüllt war, worin sie selbst ein Kreutz von bunten Glas hatte machen laßen, warf so ein mildes Licht hinein. Ungern schied ich von ihr, denn ich glaubte mir ihr näher. Und der ganze Ort hat so etwas Stilles, Schönes, daß ich gerne länger geblieben [wäre]. Die 4 lieben Kinder fand ich auch dort. An ihnen ist keine Trauer zu bemerken, ausser dem waren sie zum ersten Mal in Wagensberg, und da hatte dies Neue sehr viel Anziehendes für sie. Sie sind aber sehr schön und Gott sei dank gesund. Die Kleinste, Marie,68 gleicht sehr an Luise, besonders Stirn, Augen bis zur Nase. Es war zu rührend, sie darin wieder zu finden und auch die lieben Kleinen nun so ohne ihre liebe Mutter wieder zu sehen. Das ist ein sehr großes Unglück, wenn den Kindern die Mutter fehlt, besonders wenn so viele Töchter sind wie hier. Gott wird sie überwachen. Verzeih mir Elis, daß ich so weitläufig schrieb. Aber Du bist so gut und nachsichtig. Wie mag es Euch nun in der Heimath gehen? Von der Ankunft habe ich durch Bruder Carl in Karlsbad gehört, wo ich eine Nacht zubrachte, daß Fritz sehr wohl und viel gesprochen hätte, selbst in verschiedener Sprache. Wie war nur dies erste Wiedersehen mit Bruder Wilhelm? Nach der Zeitung seid Ihr nun nach Sanssouci gezogen. Möge der liebe Aufenthalt Euch allen gut thuen. Mein Sohn Fritz, höre ich, war grade in Berlin bei der Ankunft und hat das Glück gehabt, Euch zu sehen. Die arme Auguste konnte nicht, da sie nur Schwartz bei sich hatte. Dir wird es gewiß auch so lieber gewesen sein. Mein Kopf ist etwas schwach. Ich weiß garnicht, ob ich Dir schon seit Wagensberg geschrieben. Dann verzeih, wenn ich mich wiederholt habe. Die paar Stunden Wiedersehen in Prag waren sehr kurtz, aber doch schön, da ich Fritz im Ganzen besser fand, besonders als Du mit ihm warst und wir beim Thee waren. Auf dem Kriegsschauplatz69 fällt nichts von Bedeutung vor, und von Rußland weiß man noch nicht. Willissen70 sah ich in Wien. Ich glaube, eine andere Wahl wäre besser gewesen. Er ist so schroff und nicht beliebt. Nun leb wohl, an Fritz tausend Liebes. Wie gefällt Dir George von Strelitz und Katy, die bei Eugenie71 gewohnt in Paris? Was man nicht erlebt. Deine alte Adine Schwester Luise ist ja so sehr krank gewesen. In Wien erfuhr ich durch einen Brief von Marichen, die es aber garnicht so schlimm nahm. Carl sagte es mir, und heute ein Brief von Marichen sagt mir es endlich doch auch. Es geht etwas besser, aber 3 Wochen schon krank.
68 Prinzessin Marie von Windisch-Graetz (1856–1929). 69 Sardinischer Krieg zwischen Österreich und Sardinien sowie Frankreich vom April bis Juli 1859. 70 Friedrich Adolf Freiherr von Willisen (1798–1864), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, auf diplomatischer Mission in Wien wegen eines möglichen Eintritts Preußens in den Sardinischen Krieg. 71 Eugénie, Kaiserin der Franzosen, geb. de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920).
1859
377 Sans Souci, den 1ten Juny 1859
Dein lieber Brief vom 25ten May hat mich sehr erfreut, meine Adine, aber auch beschämt, denn ich hätte Dir früher schreiben sollen. Aber die erste Zeit war sehr voll, und erst jetzt ist eine größere Ruhe eingetreten. Wie danke ich Dir für alle détails, die Du mir von Deiner traurigen Reise und von Wagensberg giebst.72 Ach Gott, was mußt Du dort gelitten haben, in dem schönen Ort, den sie so liebte und wo Du sie nicht lebend sehen solltest. Waren denn die Kinder früher nicht mit ihr dort? Die Älteste73 könnte den Verlust der Mutter doch schon fühlen, dazu ist sie alt genug. Aber ein Glück, wenn die armen Kinder noch heiter seyn können. Wie muß Dich die Aehnlichkeit der Jüngsten74 mit Luise gerührt haben. Der arme Hugo, wie jammert er mich! Für ihn wäre es zu wünschen, daß sein Regiment den Krieg mitmachte.75 Ach, der Krieg, man kann kaum etwas andres denken! Die Franzosen und Pirmontesen lügen so schamlos, ich weiß es, und doch erschrecken mich ihre Nachrichten beständig. Die oesterreichischen kommen immer so spät, beruhigen wohl, aber ich möchte doch immer [einen] ordentlich großen Sieg, ich weiß nicht, was ich vor Freude anfing. Ich ängstige mich für den Kayser,76 für meinen Vetter Alexander von Hessen, der so tapfer war bey Montebello.77 Ein großer Kummer ist die Haltung Rußlands.78 Darüber kann Fritz nicht hinweg kommen. Ich habe es an Charlotte geschrieben, wie ich dachte, durch Münster, aber der ist ja nicht nach Rußland gegangen! Ich habe Charlotte wegen ihrem Herkommen geschrieben. Durch Loén79 wußte ich, daß sie den großen Wunsch hat, hier auf 3 Tage in den neuen Kammern zu wohnen. Ich habe Dir das, glaube ich, in Prag gesagt. Nun habe ich sie gebeten, in dem Fall zu erlauben, daß Fritz hier oben ganz auf seine jetzt gewohnte Weise lebe. Er kann sie ja auf Augenblicke im Tage sehen, und wenn es nur 3 Tage dauerte, wird es ihm, hoffe ich, nicht schaden. Ich denke aber oft, sie wird diesen Sommer nicht reisen und vielleicht erst im Herbst nach England gehen. Mary,80 deren älteste Söhne81 jetzt 72 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin hatte am 17. Mai die Grablege ihrer verstorbenen Tochter Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, auf Schloss Wagensberg in Slowenien besucht, die an diesem Tag ihren 35. Geburtstag gefeiert hätte. 73 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933), 8 Jahre alt. 74 Prinzessin Marie von Windisch-Graetz (1856–1929), 2 Jahre alt. 75 Prinz Hugo von Windisch-Graetz, zweiter Oberst im österr. 11. Husaren-Regiment „Herzog Alexander von Württemberg“, nahm mit seinem Regiment am Sardinischen Krieg in Italien teil. 76 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 77 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), österr. Feldmarschallleutnant und Bruder der russ. Kaiserin, nach dem Gefecht von Montebello am 20. Mai am 27. Mai befördert. 78 Nach den Erfahrungen im Krimkrieg und angesichts der Interessenkonflikte in Südosteuropa war Russland nicht bereit, Österreich im Kampf um Norditalien zu unterstützen. 79 Leopold Freiherr von Loën (1815–1895), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 80 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. Sie konnte nur im Ausland ihre Kinder aus erster Ehe sehen, die in Russland aufwuchsen. 81 Nikolaus Maximilianowitsch de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1843–1891), und Eugen Maximilianowitsch de Beauharnais, Prinz von Leuchtenberg (1847–1901).
378
Briefe 1851–1873
dort sind und die selbst hin will, hatte den Plan, ihr den Vorschlag zu machen, der eigentlich nicht übel ist, denn das Clima ist sehr gleich und mild, und nach Italien wird sie doch immer gehen können. Wilissen82 war heute bey mir und scheint zufrieden mit dem Resultat seiner Mission. Unsere Ankunft in Berlin war sehr bewegend und wehmüthig. Wilhelm kam uns in Großbeeren entgegen, und Fritz war ausserordentlich freundlich und herzlich mit ihm. Die übrige Familie und eine Menge andrer Menschen empfing uns auf dem Bahnhof. Mir war das Herz sehr schwer, und auch die Freudenbezeugungen thaten mir mehr weh wie wohl. Wir blieben nur drey Tage in Charlottenburg, und das war genug, denn Fritz hielt es nicht mehr länger aus. Deine Söhne einen Augenblick auf dem Bahnhof zu sehen, war eine große Freude. Ich schreibe Dir am Himmelfahrtstage, gestern konnte ich nicht zu Ende kommen. Es ist wieder herrlich heute und warm, wie die ganze Zeit unseres Hierseyns. Es ist eine große Wohlthat. Fritz ist viel draußen, macht große Spaziergänge und freut sich, alles wieder zu sehen. Übrigens aber ist ihm sein trauriger Zustand nie so schwer geworden wie jetzt, wo die äußere Politick und der Krieg ihn so ängstlich beschäfftigen, und die Entdeckungen, die er im Innern macht, ihn so tief betrüben. Er hat Manteuffel wieder gesehen, beyde sehr bewegt. Ich habe ihm nun alle Briefe von Wilhelm, Massow83 und Manteuffel mitgetheilt, die ich in der Zeit der Krisis von ihnen empfangen habe, damit er den Gang der Angelegenheit kennen lerne.84 Denn er frug immer wieder: „Warum?“ Die Briefe haben ihn sehr ergriffen. Patow85 erinnerte er sich sonderbarerweise gar nicht mehr recht, aber der Name Auerswald86 war ihm zu arg. An Theilnahme hat er sehr gewonnen, das frappirt jedermann, aber wenn das auch gut ist, so ist es für ihn eine größere Greuel. Gröben87 ist jetzt hier, was ihn sehr freut. Aber ich weiß nicht, ob ihm das viele Sprechen und Abspringen von einem Gegenstand zum andern gut ist. Böger88 wird wohl dieser Tage wieder kommen. Marie von Streliz und Lilli waren eine Stunde hier. Fritz blieb die ganze Zeit dabey, ich konnte gar nicht ordentlich mit ihnen sprechen. Der Besuch in den Tuilerien war ihr
82 Friedrich Adolf Freiherr von Willisen (1798–1864), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, Oberstallmeister, kehrte zurück von Beratungen über den Sardinischen Krieg. 83 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses. 84 Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen hatte kurz nach der Übernahme der Regentschaft das von seinem Bruder berufene konservative Ministerium unter Ministerpräsident Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882) entlassen und ein neues Ministerium unter Ministerpräsident Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885) ernannt. Politische Kurswechsel und Personalveränderungen wurden dem König aus gesundheitlichen Gründen vorenthalten. 85 Robert Freiherr von Patow (1804–1890), 1858–1862 preuß. Finanzminister. 86 Rudolf von Auerswald (1795–1866), 1858–1862 preuß. Minister ohne Ressort und stellvertretender Ministerpräsident. 87 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, Kommandeur des 3. Husaren-Regiments. 88 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
1859
379
sehr unangenehm, es war aber Befehl aus Petersburg!89 Heute Morgen hatte ich einen langen, ausführlichen Brief von Marietche aus dem Haag vom 31ten May. Luise war den Tag zum erstenmal am offenen Fenster gewesen! Es geht besser, aber langsam, und wie krank war sie doch! Ein Lungenkatharr, Seitenstechen, und noch kann sie nicht husten ohne Schmerzen in der Seite, aber der Husten ist geringer und der Apetit besser. Sie soll nach Ems und dort die Kur bemühen. Wenn Charlotte noch hinkömmt, trifft sich das sehr gut. Die Hize ist heute wieder furchtbar. In der Friedenskirche, wo auch Wilhelm und sein Sohn waren, war es zum Vergehen. Die Gewitter zeigen sich, es donnert stundenlang, und weiter kein Resultat. Jetzt eben erwarten wir den Besuch des Herzogs von Oporto,90 Bruder des Königs von Portugal. So lebe denn wohl, meine Adine, und verzeihe die Verworrenheit des oft unterbrochenen Briefs. Gott segne Dir die Kur. Wie muß Dir Fritz in Marienbad fehlen! Laß Dir noch danken, daß Du uns in Prag aufsuchtest, das war ein so großer Trost, auf den ich schon beynahe verzichtet hatte. Lebe wohl, meine Adine, Fritz umarmt Dich von Herzen, und ich bin mit treuer Liebe, Deine alte Elis Marienbad, den 7ten Juny 185991 Geliebte Elis, am heutigen Tag muß ich Dir noch schreiben. Ich bin mit meinen Gedanken und Gebet mit Euch allen, am Sarge von Papa. Ach, welch ein Trauer Tag, und er wird es immer mehr. Gott prüfet seine Kinder schwer auf allerlei Wege. Möge Er Kraft geben, sie so zu tragen, wie der Herr es für sie will! Möge er auch Bruder Wilhelm die Augen öffnen!!! Mein Herz ist mir so schwer heute, macht es nun, da meine Wunden noch so neu und blutend sind. Am 9ten sind es 3 Monate vom Tode meiner Luise. Welche Zeit und wie schwer liegt sie auf mich. Wie mag es Dir nun gehen? Ach, ich dankte ja noch garnicht für den lieben Brief vom 1ten, der gleich ankam, als Karl mit meinem Brief abgereiset war. Wie danke ich Dir dafür. Es war eine solche Wohlthat, von Dir selbst zu hören, wie das Ankommen und Wiedersehen war und wie nun das Leben in Sanssouci. Armer Fritz, der jetzt doppelt seinen Zustand fühlt und der ihm daher sehr drückend ist. Der alte Neumann92 ist vorgestern angekommen. Er hat mir viel erzählen müßen. Er selbst ist aber recht stumpf und alt geworden. Die alte Fürstin von Fürstenberg93 ist aus Karlsruhe hier und sagte, sie 89 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876), russ. General, und seine Frau Herzogin Katharina, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), hatten die frz. Kaiserin in Paris besucht mit dem Vorsatz einer Annäherung Russlands an Frankreich im Sardinischen Krieg. Siehe auch Brief vom 25. Mai 1859. 90 Prinz Ludwig von Sachsen-Coburg und Gotha, Infant von Portugal und Herzog von Porto (1838– 1889). 91 Der Brief ist falsch mit „1857“ datiert, wie aus dem Inhalt deutlich wird. 92 August Wilhelm von Neumann (1786–1865), preuß. General der Infanterie und Generaladjutant. 93 Prinzessin Amalie von Baden (1795–1869), verh. 1818 mit Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg (1796–1854).
380
Briefe 1851–1873
hätte Auguste94 liegend gefunden und mit Umschlägen und recht leidend. Die Kriegsnachrichten95 lauten alle recht traurig. Was wird nun werden? Gestern sagte man mir, Auerswald und Schleinitz96 würden von Vinke97 ganz beherrscht. Ohne ihn geschehe nichts. Ein schöner Rathgeber, und da kann man genau wißen, was aus allen diesen Umtrieben wird. Gott schütze Preußen. Leb wohl, die Post soll diese Zeilen noch mitnehmen. Deine treue Adine An Fritz viel Liebes. Sans Souci, den 7ten Juny 1859 Es drängt mich mein Herz, Dir heute für Deinen lieben Brief zu danken, meine Adine. Karl brachte ihn mir vorgestern mit und das Andenken an Deine liebe Luise, das ich mit tiefer Rührung betrachte. Sage doch Hugo, wie ich ihm dafür danke und wie es mich rührt, daß er an mich dachte in seinem tiefen Schmerz. Dein Telegram bekam ich vor 3 Stunden und wo! – im lieben, alten Palais!98 Kannst Du Dir denken, daß Fritz troz aller Widerrede von Grimm und von mir darauf bestand hin zu gehen, und mit solcher Aufregung, daß wir nachgeben mußten. Nach Charlottenburg wollte er nicht. Mir wurde es furchtbar schwer, aber das Haus ist so viel mehr verändert, wie ich dachte, daß ich mir am Ende einredete, es sey ein ganz neues. Nur die alten Bilder, die im ganzen Haus zerstreut sind, mahnen an die alte Zeit. Das Sterbe Zimmer ist für heute wieder eingerichtet wie damals, und das Kabinet Deiner Mutter ist nicht verändert, nur leerer und ein Durchgang geworden, das Schlafzimmer Deiner Mutter größer und nicht mehr zu kennen. Ihr comfortable ist die Bibliothek, wo sie am meisten sind. Was mir am wehesten thut, ist das gänzliche Verschwinden der kleinen Treppe, die in Papa’s Schlafzimmer führte, und die Umgestaltung seines rothen Schreibzimmers. Die drey daran stoßenden Zimmer, ein rother Salon, ehemals chamoix,99 die Entrée und der große Salon, ehemals Eßzimmer, sind schöne piécen.100 Dann kömmt eine Winkeley, in der ich mich lange nicht zurechtfinden konnte. Man geht durch Fritz Wilhelms Vorzimmer in die Kapelle, die sehr dunkel geworden, daß ein Fenster ganz und das andre halb verbaut sind. Wie fehltest Du mir da! Statt Deiner saß Victoria neben mir, das liebe Wesen, die aber von unsrer Vergangenheit und unseren Erinnerungen nichts weiß. Wohl 94 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, zur Kur in Baden-Baden. 95 Sardinischer Krieg zwischen Österreich und Sardinien sowie Frankreich von April bis Juli 1859. 96 Rudolf von Auerswald (1795–1866), preuß. Minister ohne Ressort und stellvertretender Ministerpräsident, und Alexander Freiherr von Schleinitz (1807–1885), preuß. Außenminister. 97 Georg Freiherr von Vincke (1811–1875), westf. Großgrundbesitzer, Verwaltungsjurist und liberaler Politiker, 1859 Wortführer der gemäßigten Liberalen im preuß. Parlament und Gegenspieler des ehem. konservativen Ministerpräsidenten Otto Theodor Freiherr von Manteuffel. 98 Das Kronprinzenpalais war 1856–1857 für Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen völlig umgebaut worden. 99 Frz. chamois = gelbbräunlich. 100 Frz. = Zimmer.
1859
381
kamen mir die Thränen der Wehmuth bey dem Gesang, der so rührend war. Ach, diese 19 Jahre! Wie viel Schmerz, Unglück und Gefahr enthalten sie! Die Zukunft so unsicher und der Zustand meines armen Fritz, der nicht mehr fähig ist, die Pflichten zu erfüllen, die er damals unter bitteren Thränen übernahm. Und wird er sie je wieder erfüllen können? Ich danke Gott, daß er den Gottesdienst und die Besichtigung des Hauses bey schwühler Hize so gut ertrug. Die Bilder Gallerie und die ehemals graue sind recht schön, weiß und gold. Das Spiegelzimmer ist jetzt Eßzimmer, grün, eben so das ehemalige blaue Thronzimmer. Fritz wohnt ganz hübsch, aber klein. Er empfängt unten, wo die Viereck101 wohnte. Am besten gefiel mir die obere étage, die ganz neu ist, wo der Kleine102 wohnt, die Zimmer so luftig, groß und sehr freundlich. Der Kleine schlief und sah hübsch aus. Heute wandert diese ganze ménage103 nach dem neuen Palais, wo sie wohnen werden. Die lezten Nachrichten aus Italien wurden immer schlechter, die sagte man uns heute bey der Ankunft in Berlin. Clamm Gallas104 sey den Feinden bey Mayland in den Rücken gekommen und habe einen glänzenden Sieg erfochten! Wenn es doch wahr wäre! Ich fürchte, es ist eine Täuschung. Werther105 hätte es gewiß gleich telegraphirt! Mir ist so bang und so schwer um’s Herz, und Fritz hatt eigentlich gar keinen andern Gedanken. Was soll aus Europa werden, wenn die Franzosen und Sardinier siegen! Von Charlotte wissen wir nichts. Du solltest doch auch kommen, während sie hier ist. Wir können ihr leider gar nichts seyn. Karl wird Dich aufgeheitert haben. Ich kann mir denken, wie Dich die Erinnerung an die frühere Zeit in Marienbad schmerzt! Weiß106 konnte sich nicht entschließen hin zu gehen. Heute Abend kömmt William nach Potsdamm und kehrt morgen Nachmittag nach Braunschweig zurück. Ich sah ihn in Ewigkeit nicht. Lebe nun wohl, meine Adine, Fritz umarmt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Bitte schicke den Brief an Luise. Ich hoffe, er wird sie wieder wohler finden. Sie hat sich diesmal sehr geschont. Ich umarme sie. Reizenstein107 war heute im Palais, Bonin,108 Uhden,109 von der Dienerschafft nur wenige noch. 101 Henriette Gräfin von Viereck (1766–1854), 1793–1810 Hofdame bei Kronprinzessin und Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz. 102 Prinz Friedrich Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941), geb. am 27. Jan. 103 Frz. = Haushalt. 104 Eduard Graf Clam-Gallas (1805–1891), österr. Feldmarschallleutnant und Kommandeur des 1. böhm. Armeekorps in den Schlachten von Magenta und Solferino. 105 Karl von Werther (1809–1894), preuß. Gesandter in Russland, zu Beginn des Sardinischen Krieges auf diplomatischer Mission in Wien. 106 Dr. Weiß, preuß. Oberstabsarzt und Geheimer Sanitätsrat, Regimentsarzt im 1. Garde-UlanenRegiment, Leibarzt von Prinz Carl von Preußen. 107 Karl Freiherr von Reitzenstein (1797–1878), preuß. Generalmajor und ehem. Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 108 Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 109 Alexander Uhden, ab 1871 von Uhden (1798–1878), preuß. Jurist, Präsident des Preußischen Obertribunals und ehem. preuß. Justizminister.
382
Briefe 1851–1873
Sans Souci, Mitwoch, den 22ten Juny 1859 Unsere Gedanken haben sich begegnet den traurigen 7ten Juny, meine Adine, und beyde hatten wir das Bedürfnis, uns zu schreiben. So haben sich unsere Briefe gekreuzt. Heute erst komme ich mit meinem Dank für den deinigen, der mich tief rührte, und zugleich mit Nachrichten von Charlotte, obgleich ich mir denke, daß Du sie vielleicht selbst schon hast. Sie telegraphirte Wilhelm und mir, daß sie den 28/16ten sich nach Stettin einschifft, also wohl den 2ten July eintrifft. Sie hat mir aber Sonnabend geschrieben, und den Brief, denke ich, werde ich heute bekommen, da das Schiff den Dienstag eintrifft. Da werden wohl mehr détails seyn, die ich Dir mitheilen werde. Helene, die noch in Berlin ist, hatte mir gesagt, die Reise sey noch nicht entschieden, der Kayser110 wünsche sie nicht. Dann war wieder die Rede von Salzbrunn, jetzt aber geht sie bestimmt nach Ems. Ich hoffe immer, Du kümmst zur selben Zeit hieher und wohnst mit Charlotte in den neuen Kammern. Ich kann mir nicht denken, was sie ohne eine Schwester anfangen würde. Ich gratuliere Dir zu dem schönen Regiment, das Dein Wilhelm bekommen hat.111 Ich sah ihn Sonnabend zum erstenmal wieder auf dem Bahnhof in Berlin, als ich hinkam, um Helene zu besuchen. Wir waren beyde sehr bewegt. Wie viel ist in den 3 Jahren geschehen, wie verändert alles! Wir sprachen etwas zusammen, und dann eilte ich zu Helene, die den Tag vorher bey mir gewesen war. Sie ist noch in Berlin, da sie Cathi durch ihre Ankunft nicht aufregen soll. Und mir scheint, sie bleibt ganz gern dort, wo sie sich wahrscheinlich besser unterhalten wird wie in Remplin.112 Sie ist noch immer sehr schön und anmuthig, doch fand ich sie im ersten Augenblick zum erstenmal etwas verändert. Sie sagt, Charlotte sey wohl und sähe wohl aus. Peter von Oldenburg,113 der gestern bey mir war und heute abgereist ist nach Wildbad, findet, sie sieht nicht sehr gut aus und athmet oft schwer. Er ist aber von jeher ein Schwarzseher gewesen. Die Nachrichten aus Italien sind trostlos und désoliren Fritz. Der arme Giulay114 war für solches Commando nicht geschaffen. Er ist aber so unglückselig, daß er mich sehr jammert. Warum hat man ihm auch das Commando gegeben, nachdem er noch nie einen Krieg mit gemacht hat, weder auf der ersten noch auf einer untergeordneten Stelle? Gott 110 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 111 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin hatte zwei Jahre nach Bankrott und Zwangsabschied wieder in die preuß. Armee eintreten dürfen, zunächst als Major à la suite beim 11. Husaren-Regiment in Düsseldorf. Am 14. Juni erhielt er das Kommando über das 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ in Brandenburg an der Havel, dessen Regimentschefin seine Tante Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, war. 112 1852 hatte Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz mit den Brautgeldern seiner russ. Frau Herzogin Katharina das Gut und Schloss Remplin in Mecklenburg-Schwerin gekauft und residenzartig umgebaut. 113 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser. 114 Ferenc József Gyulay, Graf von Maros-Németh und Nádaska (1798–1868), ungar. Feldzeugmeister, nach mehreren Niederlagen in Sardinischen Krieg am 16. Juni als Oberbefehlshaber der österr. Truppen abgelöst.
1859
383
gebe, daß es Schlick115 besser verstehe! Der Abfall der Lombardey und der Herzogthümer ist empörend. Die Mobilmachung hätte, glaube ich, vor ein paar Monaten mehr Anklang im Lande gefunden. Gott gebe nur, daß sie überhaupt zu etwas Gutes führe. Adlerbergs116 waren gestern hier zum Thee mit dem alten Papa,117 der sich einer Augen Opération von Gräfe118 machen ließ, mit der er sehr zufrieden ist. Er reist morgen zurück. Amelie ist schöner wie je und höchst amusant. Ich höre, Mary kömmt Sontag nach Berlin mit den Töchtern.119 Sie geht nach Spaa. Den 25ten. Ich schloß meinen Brief gestern nicht, meine Adine, in der Hoffnung, den erwarteten von Charlotte zu bekommen und Dir mehr détails zu geben, aber er kam nicht. Dagegen hatte ich heute Morgen die große Freude, den ersten Brief von Luisens Hand zu bekommen seit ihrer schweren Krankheit. Sie schreibt selbst vier Seiten, dann sezt Marietge den Brief fort, und zulezt schreibt sie selbst wieder. Wie krank war sie, es ist zum Entsezen! Gott gebe, daß die Krankheit gar keine Folgen habe. Noch hat sie Seiten Schmerzen, wenn sie hustet. Sonnabend reisen sie nach Ems. Da wird sie hoffentlich durch die Kur schon so gestärkt seyn, daß, wenn Charlotte kömmt und Du vielleicht auch, sie Eure Nähe recht genießen kann. Was fehlt denn eigentlich Deinem Fritz, daß er nach Rehme gehen mußte?120 Marie von Streliz ist gestern nach Potsdamm gekommen und hat die Nacht im Einsiedler121 zugebracht. Ich war gestern bey ihr. Es scheint mir, die Kur ist ihr nicht ganz gut bekommen, die gute Wirkung kömmt vielleicht nach. Sie kömmt heute Morgen zu mir und reist dann nach Streliz. Ich begreiffe nicht, warum ihre Schwiegertochter Augusta gerade jetzt weggereist ist, statt Cathi zu pflegen, die gar niemand wirkliches bey sich hatte.122 Auch die Fürstin Kourakin,123 die mit ihr in Rom war, ist abwesend. Fritz umarmt Dich, es geht im Ganzen gut, aber die Stimmung ist meist 115 Franz Graf Schlik zu Bassano und Weißkirchen (1789–1862), österr. General der Kavallerie und als Nachfolger von Gyulay Kommandeur der 2. österr. Armee. 116 Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Generalmajor und Generaladjutant, Militärbevollmächtigter in Preußen, und seine Frau Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839). 117 Wladimir Fjodorowitsch Graf Adlerberg (1791–1884), russ. General der Infanterie, Minister des kais. Hauses und Ordenskanzler. 118 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin. 119 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. Sie konnte nur auf Reisen ihre Kinder aus erster Ehe sehen, die in Russland aufwuchsen. 120 Badekur des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin in Rehme/Bad Oeynhausen. 121 Hotel „Zum Einsiedler“ in der Schloßstraße in Potsdam. 122 Geburt von Herzog Georg Alexander zu Mecklenburg-Strelitz (1859–1909) am 6. Juni in Remplin. 123 Mglw. Fürstin Julia Fjodorowna Kurakina, geb. Prinzessin Galitzina (1814–1881), russ. Hofdame, verh. 1835 mit Fürst Alexei Borissowitsch Kurakin (1809–1872), russ. Diplomat, Oberster Kammerherr der Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland, die aufgrund ihrer morganatischen Ehe im Ausland lebte. Die Fürstin Kurakina ging mit zwei Töchtern zur Kur nach Heiligendamm, Ankunft am 24. und 30. Juli.
384
Briefe 1851–1873
sehr trübe. Das ist das schwerste in meinem ohnedies nicht leichten Leben. Gott wird helfen. Lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ems, den 11ten July 1859124 Geliebte Elis, Charlotte grüßt herzlich und wünscht, Alfred Rauch125 bis nach ihrem Geburtstag hier zu behallten. Es geht ihr heute wie in Sanssouci. Sie hat gut geschlafen und ging schon im kleinen Garten umher, besah die Zimmer für Olga und bath Apraxin126 auszuziehen, um dem Kronprinzen127 Platz zu machen. Vorher waren wir beide schon etwas ausgefahren, um Ems etwas anzusehen, was sich so verändert hat, daß es Charlotte nicht erkannte. Luise empfing uns gestern Abend zu unserer großen Freude. Und sie sieht sogar garnicht übel aus, hat einen schönen klaren Tint, selbst weiß und ist stärker im Gesicht, als man es an ihr kannte. Wenn dies nicht grade vielleicht kein gutes Zeichen ist, Treppensteigen wird ihr schwer und viel sprechen, dann hustet sie beständig so kurz und trocken. Aber sie sagt, die 14 Tage, die sie hier ist, ist sie ein anderer Mensch geworden und möchte nun schon viel mit uns sein. Allein, ihr Artzt ist streng und erlaubt ihr nur, entweder miteßen oder Thee trinken. Sie fühlt übrigens, daß sie der Ruhe bedarf. Es ist aber eine große Wonne, daß wir 3 Schwestern wieder vereint einige Zeit zusammen leben können. Gestern war Charlotte auf der Reise sehr angegriffen, ordentlich ängstlich. Sie hatte so garkeine Kraft, da sie auf der Eisenbahn nicht schlafen konnte, viel gehustet hatte, daß ihr die eine Stelle in der Brust wehe that. Sie hatte auch gefrohren, da sie sich ganz ausgezogen und wurde angezogen. Da mag sie etwas Kälte bekommen haben. In Deutz blieben wir bis ½ 3 Uhr, wo [wir] dann nach dem Dom gefahren,128 und sie ließ sich nur durchtragen, sah das schon alte Bild an und ging im innersten Schiff der Kirche, um den Überblick zu haben, dann zur Eisenbahn. Die Fahrt war zimlich heiß. In Coblenz kam Auguste. Einige Augenblicke hielten wir uns auf, um dem General Hirschfeld,129 Prinz von Holstein130 und dem Ober Präsident131 vorgestellt [zu werden]. Dann fuhr Auguste mit uns bis halben Weg und war ganz vernünftig. Nur war es amüsant, daß sie sagte, im Schloß wäre es so still. Sie erholte sich dort, sie hörte und sehe nichts, lebte so 124 Der ist Brief falsch mit „Juny“ datiert, Ankunft in Ems erst am 10. Juli. 125 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Rittmeister und Flügeladjutant. 126 Verm. Stepan Fjodorowitsch Graf Apraksin (1792–1862), russ. General der Kavallerie und Generaladjutant. 127 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 128 Kölner Dom, der auf Initiative von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ab 1842 fertiggebaut wurde. 129 Moritz von Hirschfeld (1790–1859), preuß. General der Infanterie und Kommandeur des VIII. Armeekorps in Koblenz, seit Juni 1859 Generalgouverneur der Rheinprovinz. 130 Prinz Woldemar von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1810–1871), preuß. Generalmajor und Kommandeur der Festung Koblenz und Ehrenbreitstein. 131 Adolf von Pommer Esche (1804–1871), preuß. Oberpräsident der Rheinprovinz.
1859
385
friedlich. Die Fahrt von Coblenz bis Ems war schrecklich, wegen dem argen Staub. Gegen Ems wurde es etwas frischer. Der Herzog von Nassau132 war zum Empfang, ging dann gleich fort, wird heute mit uns eßen und geht dann zurück nach Biebrich133 und kömmt nach dem Geburtstag mit der Herzogin134 her. Olly erwarten wir um 3 Uhr von Mainz kommend, mit dem Kronprinzen. Nun leb wohl. Die Gegend finde ich scharmant, aber heiß ist es sehr. Die Wohnung von Charlotte ist kühl und hübsch, garnicht groß. Meine Zimmer sind scharmant und kühl. An Fritz von den 3 Schwestern die herzlichsten Grüße. Wir hoffen, daß der Besuch von Charlotte ihm nicht geschadet. Sie hat sich so gefreut, Dich auch den letzten Tag noch zu sehen. Deine treue, alte Adine Meinen Sohn Fritz habe ich nicht so gut gefunden, wie ich gehofft. Er ist noch sehr heiser. Sans Souci, den 15ten July 1859 Als wir Dienstag spät Abend vom Wildpark kamen, stand Balde135 an der Thür mit Deinem lieben Brief, meine Adine. Du kannst Dir denken, wie er mich erfreute, wie viel ich ihn ausfrug. Er konnte auf alle Fragen Bescheid geben, auch Luise hatte er gesehen und sagte dasselbe wie Du, daß sie stärker geworden. Das ist mir unfaßbar nach solcher Krankheit, aber Gottlob, daß sie schon solche Fortschritte gemacht hat. Die Freude, Euch zu sehen, thut ihr gewiß auch wohl, wenn es auch schwer seyn mag, nicht immer mit Euch zu seyn. Berede sie, sich die Treppen hinauf tragen zu lassen, um ihrer Lunge immer Ruhe zu lassen. Gott gebe, daß Charlotte von der kleinen Erkältung unterwegs ganz hergestellt sey. Ich erwarte Alfred136 mit Ungeduld. Er wird uns recht viel erzählen können. Wir haben hier eigentlich nur noch einen Gedanken und einen recht quälenden, schweren, der faule Frieden,137 der eben geschlosssen wurde in einer betäubenden Schnelligkeit, die niemand fassen kann, am wenigsten der arme, alte Windischgräz,138 dessen Lage hier über alle Begriff unangenehm dadurch wurde. Ich bin ganz froh für ihn, daß er gestern Abend abgereist ist. Er war in einem schrecklichen Zustand, auch die Herrn, die 132 Herzog Adolph von Nassau (1817–1905), preuß. General der Kavallerie und Kommandeur des 5. Ulanen-Regiments in Düsseldorf. 133 Sommerresidenz der Herzöge von Nassau. 134 Herzogin Adelheid Marie von Nassau, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1833–1916), verh. 1851 mit Herzog Adolph von Nassau (1817–1905). 135 Conrad Otto Balde (1806–1880), preuß. Oberpostdirektor in Potsdam. 136 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Rittmeister und Flügeladjutant. 137 Vorfrieden von Villafranca am 11. Juli im Sardinischen Krieg, in dem sich Kaiser Napoleon III. und Kaiser Franz Joseph I. von Österreich über die Abtretung der Lombardei durch Österreich einigten. 138 Die Sondierung eines Bündnisses zwischen Österreich und Preußen gegen Frankreich durch Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862), österr. Feldmarschall und Gouverneur der Bundesfestung Mainz.
386
Briefe 1851–1873
mit ihm waren, besonders sein Sohn.139 Er wollte schon nicht den Waffenstillstand glauben. Wie es möglich war, in 24 Stunden den Entschluß zu fassen, nach einer einzigen entrevue140 mit Louis Napoléon die ganze Lombardey ihm abzutreten, damit er dann an Piemont ein Geschenk damit machen konnte, geht über meinen Horizont, und gerade im Augenblick, wo unsere Truppen marchirten, wo man also denken konnte, daß dies Louis Napoléon zum Frieden brachte, und noch den Antrag beym Bunde, den Oesterreich vor wenig Tagen erst gemacht hatte, es ist unfaßbar! Da müssen Ursachen seyn, die wir nicht kennen. Ich bin ganz trostlos, denn das ist ein Frieden, der keine Wunde schließt und nur noch mehr Confusion hervorbringen wird. Mein armer Neffe141 jammert mich sehr, welche Rückkehr nach Wien. Wilhelm ist consternirt. Diese Mobilmachung für gar nichts ist schrecklich, und dabey kann man sich doch nicht des Gedankens erwähren, daß der Krieg nur aufgeschoben, daß er später doch unvermeidlich seyn wird. Wenn eine Freundschafft nach dem jetzigen Krieg entstünde, wie nach dem Krimkrieg zwischen Rußland und Frankreich, dann wehe uns in Deutschland! Münster ist aus Petersburg zurück und war gestern lange bey mir. Der Kayser142 war unbeschreiblich gütig für ihn und Möllendorf143 und sprach von Fritz nur mit Thränen in den Augen. Die Einweihung des Monuments144 war sehr schön, und die Aehnlichkeit mit dem theuren Verstorbenen hat ihn tief bewegt. Er fand die ganze Familie sehr wohl. Der Kayser schickte eine Photographie des Monuments an Fritz. Charlotte ist ganz darauf zu sehen, und Mary und Olga im Profil. Münster sagt, sie seyen alle sprechend ähnlich. Die Hize muß furchtbar in Ems, in dem engen Kessel gewesen seyn. Ich denke, die Luft ist auch dort seit gestern gründlich abgekühlt. Vorgestern war die Hize drückend. Ich lebte nur halb. Fritz aber ging zu Fuß auf den Pfingstberg in der Mittagshize und wunderte sich nachher, daß er müde war! Er ist nicht davon abzubringen. Den Abend fuhren wir auf dem Dampfschiff herum, ohne aus zu steigen. Das war erträglich. Wilhelm und seine Kinder, Addy und ihr Bruder,145 die beyden Hessen146 und Amelie Adlerberg147 waren mit uns, Charlotte zu Ehren. Es war ein prächtiger Abend. Fritz thut die kühlere 139 Verm. Prinz August von Windisch-Graetz (1828–1910), österr. Oberstleutnant und Flügeladjutant seines Vaters Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz. 140 Frz. = Unterredung. 141 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 142 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 143 Johann Carl von Möllendorff (1791–1860), General der Infanterie a.D., erhielt als Vertreter Preußens bei der Einweihung des Denkmals von Kaiser Nikolaus I. von Russland in St. Petersburg am 26. Juli die Brillanten zum Alexander-Newski-Orden. 144 Reiterdenkmal Kaiser Nikolaus’ I. von Russland auf dem Isaaksplatz in St. Petersburg, geschaffen 1856–1859 von Peter Jakob Clodt von Jürgensburg (1805–1867) und eingeweiht am 26. Juni/ 8. Juli. Die vier allegorischen Frauenfiguren auf dem Sockel porträtieren die Kaiserin und die drei Töchter. 145 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906), preuß. Hauptmann im 1. Garde-Regiment zu Fuß. 146 Verm. Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905), preuß. Major, und sein Bruder Prinz Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1831–1890), preuß. Kapitän zur See. 147 Amalie Gräfin Adlerberg, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener (1808–1888), uneheliche Tochter von Prinzessin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz
1859
387
Luft sehr wohl, die lezten Tage waren besonders gut, Gottlob. Er umarmt Euch alle herzlich. Dieser Brief ist auch für Luise, bis ich dazu komme, auch ihr für ihren lieben Brief zu danken. Ich hoffe, Dein Sohn wird die guten Folgen von Rehme noch zu Hause empfinden.148 Gräfin Voß149 war gestern hier und ging heute Morgen nach Berlin, übermorgen will sie nach Streliz gehen. Der Onkel soll so glückselig bey der Taufe seines kleinen Enkels150 gewesen seyn, den er selbst über die Taufe hielt. Er blieb 4 Tage in Remplin. Das Kind soll schön und kräftig seyn. Fritz kann sich noch nicht entschließen, den Onkel zu sehen. Es wäre auch schwer für ihn bey seiner argen Taubheit, aber freylich würde ihm auch vieles entgehen, was ihn schmerzen müßte, wenn er es verstünde. Eben kömmt ein Telegram von Charlotte an Fritz. Ein Wort ist wohl verfehlt, es steht darin: „Dank für Dein Heitern.“ Fritzens kleiner Zettel war nicht so sehr heiter, er war auch übel aufgelegt nach der heißen Promenade. Daß Ems Charlotte lieb ist und auch Dir gefällt, freut mich sehr. Mir gefiel es nie sehr. Doch nun lebe wohl, meine Adine, ich umarme Euch alle drey und Olga, und freue mich Eures Zusammenseyns. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Hat Luise Nachrichten von Putchen?151 Ems, den 19ten July 1859 Heute will ich wenigsten meinen Brief anfangen, weil Du an uns abwesenden Geschwistern gewiß gedacht hast, wenn Du auch nicht selbst in Charlottenburg warst. Wir freuen uns so sehr, daß der Besuch von Charlotte nicht an Fritz geschadet, und auch nicht die größeren Thees mit den Brüdern. Den 21ten. Ich konnte nicht weiter schreiben, da ich ganz aufgelöset von Hitze bin, die immer ärger wird und hier im Thal von Ems wirklich ganz unerträglich ist. Auch leidet jeder mehr oder minder davon. Charlotte hatte 3 Tage sehr starke Schmertzen im Hinterkopf, was sie sehr angegriffen. Heute ist es nun ganz [vor]über. Luise, finde ich, hustet mehr, die Hitze greiffet sie an. Dann hatte sie die Mode Krankheit von hier: Abweichen,152 worin ich gestern auch zum Liegen kam, da ich damit zur visiete des Morgens um 9 Uhr in Coblenz war zum Caffee. Halb tod kam ich gegen 1 Uhr in der größten (1773–1839), verh. 1855 mit Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Generalmajor und Generaladjutant, Militärbevollmächtigter in Preußen. 148 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin war zur Badekur in Rehme/Bad Oeynhausen. 149 Luise Gräfin von Voß, geb. von Berg (1780–1865). 150 Taufe von Herzog Georg Alexander zu Mecklenburg-Strelitz (1859–1909), geb. am 6. Juni in Remplin. 151 Am 8. Juli war König Oskar I. von Schweden und Norwegen (1799–1859) gestorben. Kronprinzessin Luise von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin der Niederlande (1828–1871), war damit Königin geworden. 152 Durchfall.
388
Briefe 1851–1873
Hitze hier an, obgleich Regen und Gewitter war, was aber garnicht abkühlte, sondern nur noch heißer wurde. Ich bin so matt zum umfallen, aber es geht beinah ganz gut wieder. Eben ist der Erzherzog Steffan153 zum Besuch hier. Ich sah ihn noch nicht, da ich mich hin gelegt hatte. Morgen erwarten wir Marietche auf 3 Tage. Darauf freue ich mich sehr. Sonnabend ist der Nahmenstag von Olly. Sonntag ist der Geburtstag vom Herzog von Nassau,154 der hier natürlich sehr gefeiert wird. Am Abend kömt Karl von Weimar und Sophie155 auf 24 Stunden, um Charlotte zu sehen. Und dann erwarten wir Wilhelm, der hier nach Kissingen trinken will und vielleicht noch nach Ostende geht. Ach, der Friede,156 welcher so schnell geschloßen worden ist, es hat in Östreich nirgens Freude gemacht. Natürlich, die Armee ist sehr unglücklich darüber. Ich hatte heute einen Brief von Hugo, der recht schwere, traurige Tage durchlebt hat. Er war während dem Waffenstillstand im Feindeslager, um den Leichnam seines Bruders157 aufzusuchen. Davon hatte Louis Napoleon gehört. Er hatte ihn zu sich im Haubtquartier kommen laßen, um seine Theilnahme zu bezeigen. Dieser Gang wäre ihm fast zu schwer geworden. Er hat dann den Bruder ausgraben laßen und nach Verona gebracht, von wo er nach Böhmen abgegangen ist und am 17ten in Gemnischt158 beigesetzt in Gegendwart der armen Famille. Der Bruder hatte 6 Kugeln gehabt, die Arme und Beine ihm zerschmettert, dann noch ein paar Hiebe am Kopf. Der Feind hat ihn ganz ausgezogen und geplündert und so liegen laßen, wo er Nachmittags 5 Uhr nach einem Ort im Lazaret gebracht, wo er um 8 Uhr Abend endlich gestorben ist. Das ist wirklich furchtbar. Die Rede von Louis Napoleon in St. Cloud159 ist fast merkwürdig, und danach wäre es garnicht nöthig gewesen, daß Östreich Frieden so rasch hätte abschließen müßen. Und wäre Preußen einige Wochen früher ernst aufgetreten, so wäre viel Blutvergießen erspahrt worden! Nun leb wohl, wir Schwestern grüßen Fritz herzlich und küßen Dich innig, Deine alte Adine Ems, den 1ten August 1859 Meine liebe Elis, ich wollte Dir nur in Kentniß setzen, daß es nun fest bestimmt ist, daß Charlotte am 13ten von Ems abreiset, zu Wasser nach Biebrich den Rhein heraufgeht. 153 Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867), ehem. Zivilgouverneur von Böhmen und Palatin von Ungarn, lebte seit 1850 zurückgezogen auf seinen Besitzungen in Nassau, der Grafschaft Holzappel-Schaumburg. 154 Herzog Adolph von Nassau (1817–1905). 155 Großherzog Carl Alexander (1818–1901) und Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824–1897). 156 Vorfrieden von Villafranca am 11. Juli im Sardinischen Krieg mit Abtretung der österr. Lombardei. 157 Erbprinz Karl von Windisch-Graetz (1821–1859), österr. Oberst und Kommandeur des 35. Infanterie-Regimentes Graf Khevenhüller, ältester Bruder von Prinz Hugo von Windisch-Graetz, war am 24. Juni in der Schlacht von Solferino gefallen. 158 Schloss Jemnischt in Tschechien. 159 Rede von Kaiser Napoleon III. am 19. Juli im Schloss Saint-Cloud vor den Grands Corps d’État.
1859
389
Wir 3 Schwestern bleiben den Tag noch mit ihr. Von da wollen wir nach Wiesbaden, um die schöne Griechische Kirche160 zu sehen, und dann nach Frankfurt. Wenn [es] Charlotte nicht vorzieht, bis Mainz zu gehen mit dem Schiff, dann trenne ich mich von ihr und bleibe in Frankfurt, besuche meine alte Mama in Homburg am Sonntag und reise am Nachmittag ab. Und mit Eurer Erlaubniß komme ich dann nach Sanssouci. Auf einen Tag am Montag bin ich um 7 Uhr früh dort und reise Dienstag weiter nach Dobbran, wo ich dann in Ruhe still sitzen will, mit meinen lieben Kindern und Enkeln. Charlotte geht es gut. Ich finde nur, man merkt nicht, daß ihr der Brunnen noch Bad auffallend gut thuen, wie ersteres so wunderbar Luise stärkt und kräftigt. Und ihr Arzt, der mit Fritz Oranien vorgestern kam, der ist ganz ausser sich vor Freude über die Heilung der Lunge und Kräftigung des ganzen Körpers. Aber Luise ist auch sehr vernünftig. Sie thut nichts, was ihr nur schaden könnte. Sie sieht jetzt blasser aus und ist garnicht mehr gedunsen, eigentlich ganz wie sonst, nur mit klarer Haut. Du weißt, Charlotte kann sich nicht so ruhig hallten. Es ist gegen ihre Natur. Von Ems geht Charlotte nach Baden Baden, wo sie sich aufhallten will, und dann nach Interlacken, über den Winter [ist] noch nichts bestimmt. Heute Abend reiset Fritz Oranien wieder ab, morgen nach der Todten Messe. Für die Kaiserin Mutter und Großfürstin Marie161 reiset Olga und der Kronprinz162 ab, Karl und Albrecht am 3ten mittags, Bruder Wilhelm kommt morgen endlich hier an. Ach, wie schimpft alles auf das arme Preußen! Das Wetter ist jetzt erträglicher, und wir machen manchmal Parthien des Abends, bei himlischer Luft und in hübscher Gegend. Charlotte und Luise grüßen beide Dich und Fritz herzlich. Karl hat etwas Fieber, nach einer Erkältung etwas Kolorine163 und ist matt wie eine Fliege. Abat geht heute Nachmittag zur Parade nach Coblenz und kehrt wieder am Abend. Nun leb wohl, Deine alte Adine Sans Souci, den 5ten August 1859 Drey liebe Briefe von Deiner Hand liegen vor mir, meine Adine, und ich möchte Dir recht von Herzen und ordentlich dafür danken. Aber die Hize, die von neuem gestiegen ist, macht mich ganz unfähig, viel zu schreiben, und nebenbey muß ich doch noch heute an Auguste schreiben, der ich auch Antwort schuldig bin. Wie freue ich mich, Dich wieder zu sehen und mein Herz recht ausschütten zu können. Ach, das Schimpfen über Preußen, das ich in den Zeitungen immer lesen muß, bringt mich auch um, wenn ich
160 Die russ.-orthod. Kirche in Wiesbaden hatte Herzog Adolph von Nassau (1817–1905) 1847–1855 erbauen lassen, nachdem seine Frau Herzogin Elisabeth von Nassau, geb. Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland (1826–1845), bereits mit 18 Jahren verstorben war. 161 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, und ihre Tochter Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), morganatisch verh. 1853 mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 162 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 163 Cholerine = Magen-Darm-Erkrankung, Brechdurchfall.
390
Briefe 1851–1873
auch finde, daß man sich ganz anders benehmen mußte. Nachdem man den armen Manteuffel so arg schmähte, macht man’s nicht anders für Schleiniz.164 Karl ist gestern Morgen sehr misérable zurück gekommen. Eben war Weiß165 bey mir und sagte mir, er wäre wieder 4 mal in der Nacht gestört worden und habe Fieber und eine schlechte Zunge. Natürlich war er wieder auf und wollte auch ausfahren, aber Weiß zwang ihn wieder in’s Bett und sagte ihm, wenn er sich nicht schonte, riskire er ein Nervenfieber. Das hat ihn doch erschreckt, und ich hoffe, nun wird er vernünftig seyn. Die guten Nachrichten, die Du uns von Luise giebst, beglücken mich sehr. Gottlob, daß die Lunge so gut geheilt ist. Das ist der Lohn für ihre Vernunft. Wenn doch Charlotte eben so vernünftig und ruhig die Kur brauchen wolle! Zu meiner Freude sah ich heute in der Zeitung, daß Olga mit ihr nach Interlacken geht. Allein hätte sie es in dem schönen, aber nicht sehr amusanten Orte kaum ausgehalten. Der Winter Auffenthalt ist also noch immer nicht bestimmt? Ich denke, sie wird wohl wieder nach Nizza gehen. Da wenigstens scheint es ruhig zu seyn. Im übrigen Italien ist die Confusion groß, und man faßt nicht, wie da wieder Ordnung und Ruhe entstehen soll.166 Warst Du denn gar nicht in Stolzenfels? Es wäre mir zu leid, wenn Du den lieben, schönen Ort nicht siehst. Fritz ist wieder etwas trübe gestimmt seit gestern. Das mag auch von der schweren, heißen Luft kommen. Gestern war ein wahrer Wüsten Wind. Und er geht ja immer in den heißesten Stunden aus! Ich mache meine Promenade um 8 Uhr im tiefen Schatten des Gartens. Heute begegnete ich Mutter Lorchen,167 die mir sagte, daß [es] Elise so kalt auf dem Lande hat, daß sie schon um halb 7 Uhr wieder zu Hause gehen muß. Welcher Unterschied hier! Victoria und ihre Wally168 begegnete ich auch, die aus dem Bade im Jungfern See kamen. Der Kleine169 wurde ihr entgegen getragen, und sie nahm ihn in den Wagen. Der arme Hugo, was mag er wieder aus gestanden haben in dem feindlichen Lager! Der Erzherzog Stephan170 soll schrecklich aussehen, man sagt, er schminkt sich jetzt. Hast Du das auch bemerkt? Ich glaube nicht, daß Sophie von Weymar171 sich bald über den Tod
164 Alexander Freiherr von Schleinitz (1807–1885), preuß. Außenminister der „Neuen Ära“ in Ersetzung von Otto Theodor Freiherr von Manteuffel. 165 Dr. Weiß, preuß. Oberstabsarzt und Geheimer Sanitätsrat, Regimentsarzt im 1. Garde-UlanenRegiment, Leibarzt von Prinz Carl von Preußen. 166 Zusammenbruch der habsburgischen Herrschaft in Norditalien im Zuge der Gründung des ital. Nationalstaates als Königreich 1861. 167 Laurette von Rauch, geb. Reichsgräfin von Moltke (1790–1864), Mutter von Elisabeth (Elise) Gräfin von Fersen, geb. von Rauch, russ. Hofdame. 168 Walburga (Wally) Gräfin von Hohenthal (1839–1929), preuß. Hofdame bei Prinzessin Victoria von Preußen. 169 Prinz Friedrich Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941), geb. am 27. Jan. 170 Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867), ehem. Zivilgouverneur von Böhmen und Palatin von Ungarn, lebte seit 1850 zurückgezogen auf seinen Besitzungen in Nassau, der Grafschaft Holzappel-Schaumburg. 171 Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824– 1897).
1859
391
der Schwieger Mutter172 trösten wird. In der Zeitung steht, daß ihre Mutter173 zu ihr nach Wilhelmsthal gekommen ist, ich kann mir’s kaum denken. Gräfin Münster174 ist seit gestern hier bey uns, mir ein wahres Labsal. Sie war mehrere Monate in Erfurt. Nun will ich meine langweile Epistel endigen. Lebe wohl, meine Adine, noch tausend Dank für Deine lieben Briefe. Fritz umarmt Dich und ich Euch alle drey. Geht Luise nach dem Haag zurück? Sage ihr, daß ich heute für Putchen gebetet habe und ihr Glück wünsche.175 Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Dem armen Massow176 geht es leider nicht gut in Steinhövel. Wird Mary nicht mit Charlotte bleiben diesen Winter? Marussie177 muß recht hübsch geworden seyn. Ems, den 9ten August 1859 Meine theuere Elis, wie sind meine Gedanken, ich muß wohl sagen, alle unsere Gedanken bei Dir und Fritz.178 Wir verlebten gestern einen furchtbaren Tag, und heute geht es uns darin noch nicht viel besser. Denn in der Entfernung ist wirklich solche Angst garnicht zu ertragen. Heute aber erhielten wir durch Hohenlohe179 ausführlichen Bericht, und auch Fritz Wilhelm schrieb alles genau. Wie ist dieser neue Anfall aber so ganz unbemerkbar gekommen? Es muß ja schrecklich gewesen sein. Dein liebendes, treues Auge entdeckte zuerst die Veränderung im Gesicht. Ach, Deine Angst, geliebte Elis, theile ich nun so aus weiter Ferne treu mit Dir. Du wolltest mir nicht erlauben, an diesem Angst Tage, wie damals, um Dir zu sein. Es war schon alles gepackt, und ich wäre so gerne zu Dir geeilt. Du bist wieder so allein, und da dachte ich, es könnte Dir lieb sein, wenn ich in Deiner Nähe [bin]. Charlotte und Luise sind so in Angst, daß ich recht Furcht hatte, es könnte ihnen schaden. Du kannst Dir auch Wilhelms Zustand denken. Er gab mir zuerst die Depesche. Ich glaubte, ich fiele um, und bath nur, den Schwestern nicht das Ganze vom Aderlaß zu sagen. Und so sagte er es ihnen beim Brunnen, auch nur, daß Fritz unwohl geworden, er wüßte noch nicht die detaills. Erst als um 1 Uhr nun von Grim der télégraph kam 172 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland (1786–1859), gest. am 23. Juni. 173 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865). 174 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Generalmajor und Kommandeur des Regiments Gardes du Corps. 175 Verm. Glückwünsche zur Krönung Karls XV. (1826–1872) und seiner Frau Königin Luise von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin der Niederlande (1828–1871). 176 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses, gest. am 2. Sept. in Potsdam. 177 Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914). 178 Erneuter Schlaganfall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 179 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Major und Flügeladjutant.
392
Briefe 1851–1873
mit détaills, da haben sie es erfahren und sind nun ganz still und traurig. Gestern war der Geburtstag von Kaiserin Marie. Wir hatten nur ein paar Menschen, wie die Fürstin Schernichoff180 und die Kleinmichels,181 welche lebhaften Theil nahm. Den Abend sollte soiree sein, wurde abbestellt. Und wir blieben allein mit Adlerberg,182 der von Potzdam kam und Fritz so wohl verlaßen, der konnte sich auch garnicht zu frieden geben. Illair183 war auch da, den wollte Charlotte sehen, und die Smirnof,184 welche expres zu gestern gekommen war. Heute, wenn man will, sind die Nachrichten besser, aber es ist doch so ernst und so angstvoll. Ich hoffe, Sonntag früh 8 Uhr in Sanssouci zu sein und Dich dann zu sehen und zusammen in der Friedenskirche zu gehen, wo wir vor 3 Jahren so in tiefem Kummer und im Gebet mit Thränen vor Gott auf den Knien gelegen. Damals hat Er uns erhöret. Er wird es auch jetzt und Fritz wieder besser werden laßen. Ob er seinen Zustand wohl schon jetzt ganz wieder fühlt? Gott, welche Prüfung von neuem. Das Leben wird immer schwerer zu tragen. Leb wohl, ich fürchte, Du wirst keine Zeit haben, diesen Brief zu lesen. Charlotte trägt mir so viel für Dich auf, geliebte Elis, und wir bethen für Dich, daß Gott Dir Kraft giebt, dies Unglück zu tragen. Ach, wenn ich nur bei Dir sein könnte, in Gedanken bin ich es. Deine treue Adine Den 12ten verlaßen wir Ems, wo wir kaum athmen können. Gestern war 30° im Schatten, einige 40° in der Sonne. Es ist zu ungesund. Bruder Carl ist ja in Besserung. Dobbran, den 16ten August 1859 Geliebte Elis, was ich gelitten habe bei der Abreise von Sanssouci, ich kann es nicht sagen. Aber jetzt sehe ich recht deutlich, wie gut es war, daß ich meinen Entschluß fest hielt. Denn kaum war ich ein paar Stunden hier, als Auguste sehr ernst erkrankte. Die Nachricht von dem Tode des Kindes185 hat sie sehr erschüttert, und die Entbindung selbst war schwer gewesen, da das Kind wie bei Victoria ganz zusammen geklapt lag und mit den
180 Mglw. Fürstin Marija Wladimirowna Tschernyschowa (Czernicheff ), geb. Titowa (1840–1878), verh. mit Fürst Lew Alexandrowitsch Tschernyschow (Czernicheff ) (1837–1864), Flügeladjutant bei Kaiser Alexander II. von Russland. 181 Pjotr Andrejewitsch Graf von Kleinmichel (1793–1869), russ. General der Infanterie und Generaladjutant, verh. mit Kleopatra Petrowna Gräfin von Kleinmichel, geb. Iljinskaja (1811–1865), bekannt als die Adoptivmutter der unehelichen Kinder von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 182 Nikolai Wladimirowitsch Graf Adlerberg (1819–1892), russ. Generalmajor und Generaladjutant, Militärbevollmächtigter in Preußen. 183 Ernst Emil Illaire (1797–1866), preuß. wirkl. Geheimer Rat, Geheimer Kabinettsrat bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 184 Alexandra Ossipowna Smirnowa, geb. Rosset (1809–1882), russ. Hofdame, verh. 1832 mit Nikolai Michailowitsch Smirnow (1807–1870), Gouverneur von Kaluga und St. Petersburg. 185 Herzog Alexander zu Mecklenburg-Schwerin (1859–1859) war als Steißgeburt tot zur Welt gekommen.
1859
393
Füßen zu erst heraus kam.186 Und dann, als die Nachgeburth fort sollte, war die fest gewachsen. Sie bekam einen Krampf in der Parthie, daß der Arzt garnichts thuen konnte. 2 Stunden hat es gedauert, endlich gelang es, sie zu lösen und heraus zu schaffen. Aber natürlich hatte Auguste das furchtbar angegriffen, denn sie soll nahmenlos gelitten haben. Kurtz, sie bekam furchtbares Fieber, starkte Beklemmungen auf der Brust, daß sie kaum athmen konnte. Die Ärtzte waren sehr besorgt, bis gegen Morgen ließ das Fieber nach. Alle Symthome wurden besser. Auguste glaubte selbst, sie würde sterben. Der gestrige Tag verging aber schon gegen alles Erwarten viel besser, heute aber so, daß man hoffen kann, daß keine Gefahr mehr zu befürchten ist. Den 17ten. Gestern konnte ich nicht weiter schreiben, da ich viel am Bett von Auguste sitze und nicht Herr meiner Zeit bin. Die Nacht hat Auguste zur Hälfte gut geschlafen. Dann kam aber ein sehr starkes Gewitter, was heftig und lange anhielt und sie nicht schlafen ließ. Ich fand sie aber um 7 Uhr doch recht gut. Die Ärtzte sind zu frieden, da kein Fieber und kein Kopfweh ist. Die Milch als Frühstück schmeckte ihr sehr gut, und seit 8 Uhr schläft sie wieder. Sie schläft überhaubt sehr viel, und so hoffen wir, daß man Muth behallten kann und kein Rückfall eintritt. Für Dein Telegramm von gestern danke ich Dir so ganz besonders, da die Nachricht von großer Mattigkeit mich ängstigte. Die 3 Tassen Boulloin kann schon helfen, und daß kühlere Wetter wird ihm auch wohl thuen. Ich erwarte immer die Telegrams mit Fieber Angst. Die Entfernung ist etwas Schreckliches. Wenn es mit Fritz so fort geht, denke ich, wird Auguste187 wohl Sanssouci bald verlaßen und nach Baden gehen. Gott schütze den theuern, lieben Kranken und gebe die Kraft, diese schwere Zeit zu tragen. Deine treue Adine Von Charlotte habe ich Nachricht. In Baden ist es ihr gut gegangen. Gestern hat es geregnet, und sie ist nach Bern abgereiset und kommt heute nach Interlacken. Sans Souci, den 19ten August 1859 Nur ein Wort des Dankes, meine Adine, für Deinen lieben Brief, den ich gestern erhielt und dessen gute Nachrichten von Auguste mich sehr erfreuten. Welches Glück, daß sie sich nach der furchtbaren Entbindung erholt und daß Du sie pflegen kannst.188 Ich sah es wohl, wie Du beym Abschied littest! Du kannst Dir denken, was in mir vorging, die Angst, daß Du dort und hier gleich Trauriges erleben würdest.189 Gott sey Dank, der unsere Gebete erhört. Er wird weiter helfen und uns nicht verlassen. Den Tag, wo ich Dir 186 Am 27. Jan. war auch Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) als Steißgeburt bei einer Not entbindung zur Welt gekommen. Der linke Arm des Prinzen entwickelte sich in der Folge schwächer, war später verkürzt und nur eingeschränkt beweglich. 187 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 188 Herzog Alexander zu Mecklenburg-Schwerin (1859–1859) war als Steißgeburt tot zur Welt gekommen. 189 Erneuter Schlaganfall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
394
Briefe 1851–1873
telegraphirte, war ich den Morgen sehr besorgt und besonders bestürzt, weil er zum erstenmal gar nicht merkte, daß ich herein kam, meine Stimme nicht hörte. Das war entsezlich! Er war freylich eben aufgestanden, was er so oft verlangt und ihn doch so angreifft. Der Kopf lag auf der Brust, es war kein Schlaf und auch kein Wachen, aber im Laufe des Tages wurde er immer kräftiger, und seitdem sind die Aerzte sehr zufrieden mit den langsamen, leisen Fortschritten. Heute, nach einem langen, ruhigen Schlaf, war er sehr klar beym Erwachen und sagte mir ganz deutlich, als ich kam: „Heiß Geliebte.“ Die Augen sind gut, auch der Mund, aber wenn er auf ist!, das ist noch ein herzzerreißender Anblick! Die Bouillon, die wir ihm mit Mühe beybrachten und gegen die er beständig protestirte, hat er nun heute entschieden verweigert zu nehmen und sie geradezu ausgespuckt. Er wird nun eine andre Suppe bekommen. Ich sprach heute mit Wilhelm auf der Terrasse. Wenn es mit Gottes Hülfe so fort geht, wird er bald nach Ostende gehen, was ihm Grimm auch sehr gerathen. Er ist jetzt wieder wohl und siht besser aus. Auguste sehe ich beynahe gar nicht. Gestern gab sie Auerswald190 rendez vous im neuen Palais, und Schleiniz191 und Bethmann192 im Stadtschloß, da hat sie denn viel zu schaffen gehabt. Der Hohenzollern193 ist von früh morgens hier. Sie findet aber, er soll auch hier wohnen, und frug ihn diese Tage: „Was, Du wohnst nicht hier?“ Sie muß denken, es giebt noch geheime Räume hier. Gestern wagte ich mich zu Massow194 hinunter. Er ist noch sehr elend. Böger195 hat ihn in der Kur genommen und gefällt Massow sehr. Von Luise hatte ich einen so befriedigenden Brief nach ihrer Rückkehr, von Charlottens Ankunft in Interlacken wissen wir noch nichts. Es regnet jetzt öfter, heute aber ist ein herrlicher Tag, nicht zu heiß. Nun lebe wohl, meine Adine, Gott segne Dich und gebe, daß Du dort und hier Freude und Trost erlebst. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Mit Karl geht es wieder ganz gut, aber hier war er doch noch nicht. Dobbran, den 19ten August 1859 Die Nachrichten vom geliebten Kranken scheinen doch eher besser, und hier bei Auguste geht es auch besser. Da wollte ich nun anfragen, ob Du mich noch nächste Woche haben willst oder nicht oder lieber vielleicht späther. Bis zum 1ten September bin ich disponibel. Dann kömmt Hugo mit den 4 Kindern auf 4 Wochen. Verzeih, daß ich Dir dies alles so 190 Rudolf von Auerswald (1795–1866), preuß. Minister ohne Ressort und stellvertretender Ministerpräsident. 191 Alexander Freiherr von Schleinitz (1807–1885), preuß. Außenminister. 192 Moritz August von Bethmann-Hollweg (1795–1877), preuß. Minister der geistlichen, Unterrichtsund Medizinalangelegenheiten. 193 Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1811–1885), preuß. Ministerpräsident. 194 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses, gest. am 2. Sept. in Potsdam. 195 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
1859
395
schreibe. Oder wäre es Dir überhaubt lieber, daß ich im Herbst vielleicht komme? So lange hin kann man kaum Pläne machen! Gott wird ja helfen und mit den lieben Kranken sein. Die schöne, kühlere Luft stärkt und erquickt. Hier am Meer möchte ich alle Menschen haben, die Erholung bedürfen, um sich zu kräftigen an der Seeluft. Ich bin sehr matt und angegriffen von der vielen Angst. Aber hier werde ich mich gewiß bald erholen. Auguste fragt täglich nach Fritz, so auch mein Sohn. Beide tragen mir auf, Dir die Hände zu küßen, Ihre Gebete und so vieler tausend Menschen würden gewiß erhört werden. Nun leb wohl, die Telegraphen sind doch ein großer Trost, um oft Nachricht zu haben. Gott gebe Dir Kraft, geliebte Elis. Deine treue Adine Dobbran, den 3ten September 1859 Geliebte Elis, erste heute komme ich dazu, Dir zu schreiben und zu danken, daß Du mir erlaubt hast, Dich besuchen zu dürfen und mich selbst zu überzeugen, wie es mit dem geliebten, kranken Bruder ginge.196 Dies war so eine Wohlthat, die ich nicht beschreiben kann und was ich Dir nicht genug danken kann. Freilich haben wir wieder einige bange Momente durchgemacht. Aber es scheint ja, als wenn Gott ihn uns erhallten will. So eine ganz kleine Besserung macht sich doch bemerkbar. Gott wolle es so weiter leiten. Möchtes Du, geliebte Elis, nur Kraft behallten, Deinen Liebes Dienst mit solcher Treue und Kraft weiter ausführen zu können. Der Herr giebt Kraft im Gebet und wo die Noth am größten ist. Meine Reise ging schnell und glücklich. In Ludwigslust hielt ich mich ein paar Stunden auf, um meine alte Mama zu besuchen, die ich ganz unverändert fand. Hier in Dobbran fand ich Auguste ausser ordentlich wohl und gekräftigt und sehr froh, mich wieder zu haben. Es macht mich zu glücklich, daß unser Verhältniß so innig ist. Die plötzliche Kühle in der Witterung hat ihr etwas Schnupfen gegeben. Ich hoffe aber, daß kein Husten daraus entsteht. Ich denke mir, diese kühle temperatour wird Bruder Fritz auch gut thuen. Ich hoffe, daß der appetiet mehr zu nimmt. Dann kommen auch die Kräfte. Wie ist es mit dem Sprechen und mit der Theilnahme? Recht dankbar würde ich sein, wenn Böger197 an den Adjutanten manchmal sagte, was sie uns über das Befinden des geliebten Kranken schreiben sollen, damit wir doch etwas Genaueres erfahren. Es ist so traurig, nur aus der Zeitung, die mit dem Telegraph immer gleich lauten und aus dem man natürlich garnichts erfährt. Dr. Weiss198 sendete mir bis jetzt immer mit ein paar Worten so gute bulletin über Carl. Da weiß man doch gewiß, wie es steht. Krank ist Carl aber auch noch sehr, wenn auch kein Nervenfieber daraus entstanden ist. Das hat er gewiß Böger zu verdanken, der zu erst Ruhe und Ordnung in die Sache gebracht hat. Von Luise habe ich heute einen Brief vom 31ten, wonach es ihr ganz gut geht. Die Aus196 Erneuter Schlaganfall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 197 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 198 Dr. Weiß, preuß. Oberstabsarzt und Geheimer Sanitätsrat, Regimentsarzt im 1. Garde-UlanenRegiment, Leibarzt von Prinz Carl von Preußen.
396
Briefe 1851–1873
flucht nach dem Lager hat ihr viel Freude gemacht und auch gut bekommen. Es giebt ihr selbst wieder mehr Zuversicht zu sich selbst, und das ist viel Werth. Mein Sohn Fritz geht morgen auf mehrere Tage zur Jagt. Die eigentlichen Jagten sind Ende des Monats. Dann wird die Reußische und Stolbergsche Famille sich in Ludwigslust ausgießen. Nicht grade für mich das Angenehmste, aber Auguste freut sich sehr darauf. Ihre Mutter199 wird vielleicht schon den 12ten kommen, wenn sie nicht die Cholera scheut, die im Ort Dobbran einige Tage sehr schlimm war. Wir hoffen, daß sie nun einen Stillstand macht. Hier am Heiligen Damm ist bis jetzt noch alles gesund, und die schöne Seeluft reinigt und stärkt. Nun lebe wohl, wie schön waren die Tage, die ich mit Dir, geliebte Elis, zu bringen durfte, und ich durfte Dich wirklich mehr sehen, als ich es zu hoffen wagte. Gott schütze Dich, Deine treue, alte Adine Hugo soll sehr schwach und nervös sein von seinem Fieber. Daher ist es doppelt gut, daß ich es schrieb. Sans Souci, den 4ten September 1859 Hier ein Brief von Charlotte, meine Adine, den ich Dich bitte, mir dann zurück zu schicken. Ich fürchte, Du hast vom Tage Deiner Ankunft hier zu ängstlich an Charlotte geschrieben. Es ging ja den andern Tag gleich besser. In der Entfernung ängstigt gleich alles so sehr. Gottlob, es sind doch täglich Fortschritte, wenn auch kleine, zu merken. Der Geist erwacht immer mehr. Gestern war der arme Fritz sehr unglücklich über seinen Zustand und betete den ganzen Tag in großem Schmerz. Aber heute ist er nach einem Schlaf von 9 ½ Stunden ohne Unterbrechung sehr ruhig und heiter und verlangte selbst aufzustehen. Bis jetzt blieb er nur gezwungen länger auf und drängte nach dem Bett. Heute ging er an’s Fenster und wollte auch in mein Zimmer gehen und frug, wie lange er krank sey. Die Hand ist wieder ganz beweglich, und er macht damit, was er will. Mit dem Sprechen bin ich noch gar nicht zufrieden. Er spricht wohl viel, aber unverständlich, doch behauptete Grimm immer, mit ihm spräche er deutlich. Massows Tod200 ist ein neuer, großer Schmerz für mich, ein ungeheurer Verlust für Fritz und mich, besonders in der jetzigen, trüben Zeit. Er litt noch unaussprechlich, doch glaubte man das Ende nicht so nah. Er starb vorgestern Abend in einer Ohnmacht, aus der er nicht mehr erwachte. Seine Witwe201 ist tief betrübt, aber ergeben. Ein Glück für sie, daß ihr Verhältnis mit den Stiefsöhnen202 so vortrefflich ist. Ich sah gestern die Leiche, er siht aus, als schliefe er, so friedlich, so gar nicht verzogen. Den alten, treuen Freund, der sich für uns aufgeopfert 199 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 200 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses, gest. am 2. Sept. in Potsdam. 201 Auguste von Massow, geb. Freiin von Canitz und Dallwitz (1822–1904), verh. 1849 mit Ludwig von Massow (1794–1859). 202 Valentin (1825–1868), Friedrich (1830–1870), Anton (1831–1921), Wilhelm (1834–1874) und Konrad von Massow (1840–1910).
397
1859
hat, ohne Leben vor mir zu sehen, hat mir das Herz zerrissen. Fritz darf natürlich keine Ahnung davon haben! Karl ist besser, aber noch zu Bett und hatte heute Nacht wieder Fieber. Böger203 ist aber gar nicht besorgt. Vorher waren die beyden ältesten Leuchtenberg204 bey mir, kommen von England und gehen nach Rußland auf 6 Wochen zurück. Der Älteste sieht erbärmlich aus, aber beyde waren munter und erzählten mir viel. Ich hoffe, Du hast Deine alte Mama und Auguste wohl gefunden. Dank Dir noch für die vier Tage, die Du hier warst. Ich freue mich noch, daß wir uns doch mehr sahen, wie wir dachten. Lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Die Cholera muß ja furchtbar in Mecklenburg seyn. Dobbran, den 6ten September 1859 Meine liebe Elis, habe tausend Dank für Deine lieben Zeilen, die den Brief von Charlotte begleiteten. Das war das erste, was ich von meiner lieben Schwester hörte seit unserer plötzlichen Trennung in Ems. Man sieht, daß bei ihr auch der tief trenste205 Trauer Fahden durch das Leben geht. Man muß sich ja freuen, daß es mit dem lieben Bruder Fritz besser geht. Aber doch wie traurig, daß er wieder den klaren Gedanken über seinen Zustand hat, was eine Qual furchtbarer Art sein muß. Gott kann ja helfen in Seiner Barmherzigkeit, aber der Mensch ist doch egoistisch und will das Theuere noch recht lange um sich haben, nur wie Gott will. Wir leben hier am Heiligen Damm bis jetzt recht friedlich. Die schöne Seeluft stärkt und kräftigt und möge uns die böse Cholera abhallten, die im Ort Dobbran sehr schlimm ist und viele Menschen fort rafft. Auguste legt sich Dir zu Füßen, es geht ihr recht gut. Mein Sohn Fritz war hier im Lande an mehreren Cholera Orten, wo es Noth that, daß Muth eingesprochen und Ordnung gemacht. Ich allein wußte darum und sah ihn mit bangen Herzenschlägen davon fahren. Aber er steht in Gottes Hand, und dem empfehle ich ihn. Seit gestern weiß es erst Auguste durch einen Brief von Fritz selbst. Da hat es sie nicht so erschreckt. Und wir haben auch täglich 3 Mal Nachricht von ihm aus Ludwigslust, von wo er auf drei Tage zur Jagt ist und sehr wohl sich fühlt. Der Tod des guten Massow206 hat mir zu leid gethan. Mir schien schon sein Zustand sehr ernst und bedenklich. Die arme Frau und die kleinen Kinder!207 Ja, Ihr habt einen treuen Diener an ihm 203 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 204 Nikolaus Maximilianowitsch de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1843–1891), und Eugen Maximilianowitsch de Beauharnais, Prinz von Leuchtenberg, Fürst Romanowsky (1847–1901). 205 Lesebefund. Gemeint mglw. „ernste“. 206 Ludwig von Massow (1794–1859), preuß. Minister des Kgl. Hauses, gest. am 2. Sept. in Potsdam. 207 Auguste von Massow, geb. Freiin von Canitz und Dallwitz (1822–1904), verh. 1849 mit Ludwig von Massow (1794–1859), und ihre zwei Töchter Auguste (1850–1864) und Bertha von Massow (1851–1864).
398
Briefe 1851–1873
verlohren. Nun leb wohl, ich will ein paar Worte der guten Massow schreiben. Sie dachte meiner so liebevoll bei Luise ihrem Tode, was ich ihr so danke. Deine treue Adine Gott sei Dank, daß es Carl besser geht. Dobbran, den 20ten September 1859 Meine liebe Elis, ich habe Dir recht lange nicht geschrieben. Ich muß aber eingestehn, daß mir der Muth dazu fehlte. Denn ich fand die Nachrichten über unsern lieben Kranken so wenig gut. Obgleich es nie im besorgten Ton geschah, so erzittert mein Herz nun doch, daß jetzt nach so vielem Traurigen, nach so vielem Schmertz recht zaghaft geworden ist. Trotzdem daß ich täglich bete um Kraft und um Trost, und daß ich dem Herrn alle meine Liebe Ihm zu Trost übergeben möchte! Der Mensch ist doch ein recht unvollkommes Geschöpft! Gott sei gepriesen, geht es dem lieben Bruder wieder besser, und diese Krisiß scheint wieder ein Schritt weiter in der Besserung. Wenn in Sanssouci solche Kälte ist wie hier und dort auch der Nord Ost Sturm so gewüthet hat wie hier an der See, wird aus dem Herausgehen in der Luft nichts geworden sein. Und ich kann nicht leuchnen, daß ich mich freue, übermorgen von hier fort zu sein. Auguste ist zwar noch recht schwach. Sowie etwas Aussergewöhnliches vorkömt, wie gestern der Geburtstag von Paul, wo die Kinder viel Lärm gemacht. Dann ist sie in der Mittagssonne auf eine viertel Stunde draussen gewesen. Gleich darauf kam Fritz von seiner Reise im Lande zurück. Am Sonntag war er in Schliefensberg zur Einweihung der neu gebauten Kirche208 gewesen und gestern noch zwei Cholera Städte besucht, was den armen Leuten jedes Mal eine Freude und Trost ist. Dann hat Auguste mit uns und den Kindern gegessen. Kurtz, es war zu viel auf einen Tag, und sie ist heute sehr nervös angegriffen, muß sich recht still hallten. Zum Glück kann das Cottege von Auguste ganz geheitzt werden, aber meins gar nicht, daher frieren wir sehr. Vielleicht wird mein armer Schwiegersohn für seine Person mich in Ludwigslust besuchen, denn dort ist keine Cholera, wenn ihn nur erst das Fieber ganz verlaßen hat, daß ihn so schwach und matt macht. Die Cholera im Lande scheint jetzt weniger zu werden. Im Ort Dobbran hat sie an Zahl nachgelaßen. Dafür sind die Todesfälle schneller. Es geschieht sehr viel für alle diese heimgesuchten Orte. Es sind so viele Waisen dort, die nun auch versorgt werden müßen. Die Geldbeutel werden recht leehr. Der Charter209 ist bei der alten Großmama in Ludwigslust gewesen auf 24 Stunden. Er soll sehr groß sein, aber dünn wie eine Peitsche. Er geht nach Sardinien zurück zu seinem Regiment und will späther lange auf Urlaub gehen. Gefechte hat er garnicht mit gemacht. Nun leb wohl, meine liebe Elis. Wie mir Addi schrieb, wars Du längere Zeit 208 Die Kirche von Schlieffenberg wurde 1854–1859 als Stiftung des Wilhelm Graf von Schlieffen (1829–1902), Majoratsherr auf Schlieffenberg, nach Plänen des Nürnberger Architekten Carl Alexander Heideloff (1789–1865) im neugotischen Stil errichtet. 209 Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910), frz. Sekondeleutnant im 23. DragonerRegiment (Royal-Piemont).
1859
399
recht unwohl. Schone Dich nur recht, lieber Engel, denn Deine Kräfte werden lange in Anspruch genommen, und Du bist zu nothwendig dem armen, lieben Kranken. Kannst Du, so bringe ihm von mir einen recht herzlichen Gruß. Deine treue Adine Schwester Luise kömt vielleicht bald durch Berlin nach Muskau. Die Haubt Ursache ist doch, Dich und den lieben Bruder wieder zu sehen, wenn es auch nur durch die Thür sein kann. Sans Souci, den 21ten September 1859 Ich nahm mir vor, Dir heute zu schreiben, meine Adine, und für 2 liebe Briefe zu danken, als der dritte heute Morgen ankam und ich nun dreyfach zu danken habe. Auch ich hatte keine Lust die lezte Zeit zu schreiben, nachdem ich nach den ersten Promenaden auf der Terrasse so froh war. Ich fürchte, es war schon zu viel, er hatte noch nicht die geistige Kraft dazu, die körperliche war ausreichend. Nun kam auch noch die ungewöhnlich frühe Kälte dazu. Die Aufregung dauerte Gottlob nicht lange, aber die Abspannung war natürlich groß nachher. Nun heben sich die Kräfte wieder, der Apetit ist ganz vortrefflich, so auch der Schlaf, und es ist zu hoffen, daß nun das Gleichgewicht sich immer mehr herstellen wird. Er spricht viel, da aber die Stimme noch sehr matt ist und nicht alle Worte deutlich, so versteht man ihn nicht immer. Doch bin ich froh, daß das fremdartige im Ton der Stimme, das seit dem Rückfall im August so störend war, ganz geschwunden ist und den alten inflexionen210 Plaz gemacht hat. Er ist gestern und vorgestern etwas länger ausser Bett geblieben, gestern eine Viertelstunde. Er sah wohl aus und fühlte sich auch behaglich, nur wollte er durchaus in mein Zimmer gehen oder in dem seinigen herum gehen, und er sollte ruhig bleiben. Zulezt war er froh, wieder im Bett zu seyn, und gleich darauf aß er mit einem ganz ausserordentlichen Apetit, fand alles vortrefflich. Von Luisens Durchreise, die morgen in Berlin ankömmt, darf er nichts wissen. Mich ängstigt diese Reise für sie in der jetzigen, rauhen Luft und der Auffenthalt im Schloß von Muskau, wo es bitter kalt ist, besonders in ihren Zimmern ohne Sonne. Wegen der Kälte konnte ich ihr nicht vorschlagen, hier zu wohnen, aber im Potsdammer Schloß, wo sie so viel näher bey uns gewesen wäre. Sie zieht [es] aber vor, in Berlin zu wohnen. Ihre Sehnsucht, mich wieder zu sehen und vielleicht Fritz aus der Ferne, rührt mich tief. Sie wollte schon heute ankommen, aber ein leichtes Unwohlseyn hinderte sie gestern ab zu reisen. Auch bekam sie eine Ohnmacht nach einem großen diné beym König.211 Gott gebe, daß diese Herbstreise den guten Erfolg von Ems nicht zerstöre. Ich bin froh, daß Du das kalte Seeufer morgen verließest. Für Auguste kann es auch nicht gut seyn. Aber ich denke, daß diese frische Luft die Choléra verscheuchen wird. Gott gebe es, das Elend muß groß seyn, und Dein lieber Sohn war gewiß wie ein Engel des Trostes bey den armen Leuten, das 210 Frz. = veränderter Klang. 211 König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890).
400
Briefe 1851–1873
lohne ihm Gott. Auguste muß doch noch recht schwach seyn! Karl ist gestern nach Berlin gezogen, viel besser, aber doch noch sehr matt. Es war seine erste Fahrt in’s Freye. Er soll entsezlich gealtert seyn. Mary geht morgen nach Weymar oder Wilhelmsthal zum Bruder.212 Sie war gestern hier. Ich hatte sie über die Wochen nicht gesehen, ausser den Augenblick bey Erlaucht, die sehe ich auch nicht oft. Sie ist mehr oder weniger leidend. Der junge Abbat ist nach Kamenz, wo auch die Mama ist.213 Er fehlt mir sehr. Jeden Abend kam er mit Addy zu mir. Vater Abbat kömmt heute hieher. Fritz Wilhelm und Victoria sind entzückt von Erdmannsdorf, troz dem vielen Regen und der kalten Luft. Heute gehen sie nach Breslau, was vielleicht jetzt besser unterblieben wäre und zu der Reise als Touristen, wie mir Fritz sagte, nicht recht paßt. Ich war recht leidend an einem Fluß im Ohr und geschwollenen Drüsen, die Schmerzen sind längst vorbey, aber Rauschen im Ohr und Taubheit sind leider noch geblieben. Heute reist Charlotte nach Vevey, télégraphirte sie lezthin. Dieser Tage sah ich Alexander Solms214 mit wahrer Freude wieder. Er war hier, um mitt Böger215 zu sprechen wegen seiner Schwester, die in einem traurigen Zustand ist.216 Man fürchtet eine Nervenabzehrung, nachdem sie in der höchsten Aufregung war. Es that mir wohl, mit Alexander zu sprechen. Unsre Ansichten über die jetzige, traurige Zeit sind dieselben. Wie kömmt es, daß der Herzog von Chartres217 gar kein Gefecht mit gemacht hat? Er sollte sich wohl nicht auszeichnen, das erlaubte Louis Napoléon218 nicht. Lebe nun wohl, meine Adine. Fritz grüßt Dich herzlich, freute sich Deines Grußes. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Herzliche Grüße Deinen Kindern. Schwerin, den 1ten Oktober 1859 Geliebte Elis, Du hast jetzt Luise, und da habe ich garnicht geeilt mit meinem Dank für Deinen lieben Brief, die mich immer so glücklich machen, und jetzt doppelt, da ich weiß, wie wenig Zeit Du für Dich hast. Durch Luise bekomme ich recht oft Nachrichten von Euch, Ihr Lieben. Aber der liebe Kranke scheint jetzt sehr aufgeregt, und das muß sehr ängstlich sein, wenn es auch nicht zu größerer Besorgnis Anlaß giebt, wie die Ärtzte 212 Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901). 213 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) besuchte seine Mutter Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 214 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Generalmajor a.D. und Sohn von Königin Friederike von Hannover, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, aus zweiter Ehe. 215 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 216 Prinzessin Auguste von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels (1804–1865). 217 Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910), frz. Sekondeleutnant im 23. DragonerRegiment (Royal-Piemont). 218 Kaiser Napoleon III.
1859
401
versichern. Gott allein weiß, zu was es gut ist, diese schwere Zeit. Alles steht in Seiner Hand und Ihm muß man alle seine Wünsche und Hoffnungen anvertrauen. Ich bin diesen Augenblick auf ein paar Tage hier in Schwerin, um Auguste recht ungestöhrt mit Marie Stolberg219 zu laßen. Heute kommt ihre Mama mit beiden Schwestern220 auf längere Zeit. Da wäre ich gerne ausgekratzt.221 Und wenn man hätte voraus sehen können, daß Luise ihr Aufenthalt sich so verlängert, so wäre ich gern jetzt mit ihr gewesen und wäre dann mit Deiner Erlaubniß mit nach Sanssouci herübergefahren. Sollte es sich doch noch verzögern wegen dem 8tägigen Fieber von Fritz Oranien, so dürfte ich wohl mit Erlaubniß noch am Montag kommen und ein paar Tage bleiben? Luise schrieb mir, daß Du ihr gesagt, der liebe Fritz hätte uns Schwestern genannt und nach uns verlangt. Wie ist daß rührent, daß er so an uns denkt. Er weiß auch, wie lieb wir ihn haben, und daß wir immer gleich zu ihm geeilt sind, wie er krank wurde, und dann späther besuchten. Ich begreife es vollkommen, daß wir ihn jetzt nicht sehen dürfen. Aber es ist doppelt traurig, wenn er ein Mal selbst den Wunsch ausspricht, es nicht geschen darf. Hier in Schwerin ist es jetzt sehr schön. Das Laub färbt sich sehr stark, aber alles ist noch so üppig und schön und die Luft so rein. Am Mittwoch hatten wir hier ein furchtbares Wetter, Sturm, Regen mit einem Gewitter, wie man es sich nie erinnert, Schlag auf Schlag. Der Himmel stand wie im Feuer, das Schloß, was beleuchtet wie mit bengalischem Licht. Es war prachtvoll, von allen Seiten schlug es ein, selbst in eine Pumpe, die dicht neben meinem Haus steht. Es war ein Prasseln und Knistern, wirklich sehr ängstlich. Ein Mann wurde in seinem kleinen Zimmer erschlagen und sein Kind am Arm getroffen. Nun leb wohl. Gott stehe Dir bei und gebe Dir Muth und Kraft. Grüße Luise und den lieben Kranken, wenn Du darfst. Deine treue Adine Ludwigslust, den 7ten November 1859 Meine liebe Elis, noch immer habe ich Dir nicht geschrieben und gedankt, daß Du mir die Freude verschafft, den geliebten Bruder Fritz endlich wiedersehen zu dürfen. Es war eine sehr gemischte Freude, und doch muß ich sagen, daß ich seinen Geist weit klarer fand und auch das Sprechen geläufiger, wenn gleich sehr undeutlich, was ich dem etwas schiefen Munde zu schreibe. Gott wird und kann ja weiter helfen. Aber ich fürchte, dies schäusliche Wetter, der Sturm und Regen, den wir beständig haben, wird auch auf den lieben Kranken Einfluß haben, hat doch der gesunde Mensch Lust, schlechter Laune zu werden. Hier fand ich alles wohl. Meine alte Mama ist wirklich wunderbar gut, aber dies Wetter hat auch Einfluß. Sie ist sehr steif im Rücken und sieht angegriffen aus. Meine Schwiegertochter fand ich sehr erholt, selbst recht frisch und hübsch. Aber jetzt ist sie 219 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 220 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), und deren Töchter, die Prinzessinnen Luise (1832–1862) und Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907). 221 Im Sinne von ausgerissen, geflüchtet.
402
Briefe 1851–1873
wieder sehr blaß, und bieten kann sie sich noch garnichts. Abat Sohn war 3 Tage hier zur Jagt. Ich glaube, sehr amüsiert hat er sich nicht, da hier garkeine Jugend ist. Einen Thee haben wir bei Auguste gehabt. Und gestern waren wir in Schwerin bei dem abscheulichen Wetter, daß er garnichts von der hübschen Gegend sehen konnte. Aber das Schloß hat ihm gefallen. Die arme Luise, die nun ganz allein in Berlin sitzet, geflohen von allen Menschen, da Mariche die Masern hat, Gott sei Dank so gut und leicht wie möglich. Aber es ist furchtbar für sie, und ich, die nun grade abreisen mußte, so allein, wie verwunschen sitzen zu bleiben in Berlin. Dies giebt mir aber die Veranlaßung, daß ich mit oder ohne Deine Erlaubniß wieder nach Berlin komme am 17ten und bis zum 28ten bleibe. Am 29ten ist der Geburtstag von meiner alten Mama. Den will ich doch gern feiern mit ihr. Daß Luise Dich auch nicht sehen darf, finde ich das Traurigste. Ich dachte, Fritz hätte die Masern 3 Mal gehabt. Da müßte doch ein Mal die wirklichen dabei gewesen sein. Wir sind dann, Luise und ich, im lieben Palais von Papa in Berlin noch gewesen.222 Nein, Elis, so etwas ist mir nicht vorgekommen. Es ist doch keine Spuhr von dem, was es war. Das liebe, rothe Cabinet, was so hübsch war und was man so wohnlich hätte machen können, finde ich ganz schäuslich, ganz unwohnlich, dunkel, unbequem. Und das Sterbezimmer,223 wo alle Möbel heraus genommen, mit Kattun überzogen, scheint eine Art Polterkamer! Dann auf der Stelle, wo Papa gestorben, standen englische Kupferstiche. Ich war emphört. Das Ganze hat mir, wie Luise sagte, einen wiederwärtigen Eindruck gemacht. In dem Vorzimmer fanden wir einige Möbel von Mama und Papa. Ach, es ist zum weinen und sich nie zu trösten, daß man alles umgeworfen und herausgeschmißen hat! Ich hoffe nur, daß ich nicht in dem Palais wieder hinein muß. Nun leb wohl. Grüße den lieben Fritz. Gott sei mit Dir und ihm. Deine treue Adine Sans Souci, den 11ten November 1859 Eben schrieb ich ein paar Worte an Luise, meine Adine, und nun komme ich zu Dir mit meinem Dank für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreute. Durch Abbat hatte ich Nachrichten von Dir. Er ist bezaubert vom Schloß von Schwerin, was ich wohl voraus sah, und hat sich überhaupt sehr bey Euch gefallen. Er ist eigentlich kein Jäger, und es amusirt ihn, daß er doch von einer Jagd zur andern fährt, denn nach Lezlingen geht er auch. Unsre arme Luise ist nun selbst krank, aber Grimm hofft, daß es nur ein Erkältungsfieber ist, wie sie es so oft hier um diese Zeit hatte. Von den Masern waren bis jetzt gar keine Anzeichen vorhanden. Ich bin nur froh, daß Fritz Oranien endlich in Berlin ist, und fürchte nur, daß er seiner ewigen Geschäffte wegen wieder nach dem Haag eilen wird. Schade, daß Du weg mußtest und auch erst den 17ten kömmst. Sie seufzt nach Dir. 222 Das Kronprinzenpalais war 1856–1857 für Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen vollständig umgebaut worden. Als Gedenkort an Kindheit und Eltern war das Palais danach kaum noch wiederzuerkennen. 223 Sterbezimmer von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen.
1859
403
Den 12ten. Ich bin gestern nicht weit gekommen. Wir fuhren nach dem Stern, wo Fritz etwas Bouillon trank, und über Babelsberg zurück. Es war kalt, aber sonnig und schön. Heute hat die Kälte noch zugenommen. Es ist früh für die Jahreszeit, aber hier in den Zimmern ist es mit Kaminfeuer und der prächtigen, warmen Sonne ganz köstlich, der Rasen noch immer grün und die Blumen vor meinem Fenster im besten Zustand. Ich hoffe, wenn die Kälte nicht zu arg wird, wir können noch diesen Monat hier bleiben. Heute hatten wir die große Freude, zum erstenmal wieder zusammen zu frühstücken. Gestern frühstückte Fritz schon in meinem Zimmer, da ich es aber nicht vorher wußte, hatte ich schon gefrühstückt. Er war so glücklich, ist jetzt beynahe immer heiter, nur den ersten kalten Tag waren seine Nerven angegriffen und er klagte viel. Den Morgen, wenn er gut geschlafen hat, ist sein Mund nicht schief. Das undeutliche Sprechen liegt in der Krankheit selbst und ist auch nicht immer gleich. Luise fand Grimm gestern im selben Zustand, noch Fieber und Kopfweh, Mariethe hingegen sehr wohl. Ich sprach gestern noch mit ihm wegen der strengen Absperrung von Fritz und Luise, aber er bleibt dabey, daß es nothwendig ist. Da man ja jetzt die Masern sehr oft haben kann, so ist keine Sicherheit mehr. Mit thut es sehr leid, denn die arme Luise hat eine traurige Zeit. Der Prinz von Oranien224 reiste heute ab. Er gab immer noch einen Tag zu, amusirte sich prächtig hier, besonders auf der Jagd. Es freut mich sehr, daß Du Deine alte Mama so viel wohler fandst, wie Du dachtest. Empfiel mich ihr und grüße Deine Kinder. Wohl dachte ich, daß Dir das arme Palais einen schrecklichen Eindruck machen wird.225 Es ist auch zu schmerzlich und nicht einmal schön geworden durch die vielen traurigen Veränderungen, davon viele ganz unnüz sind. Nun muß ich schließen. Marianne unterbrach vorher. Sie ist jetzt bildhübsch. Dann ging ich ein wenig aus und möchte mich jetzt noch etwas vorbereiten, ehe Fritz nach Hause [kommt], [mit] dem ich morgen das heilige Abendmahl früh in der Friedenskirche nehmen will, an meinem traurigen Geburtstag. Lebe wohl, meine Adine, denke an mich morgen, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ludwigslust, den 28ten November 1859 Liebe Elis, ehe ich von Berlin abreisete, wollte ich Dir noch schreiben und mich empfehlen. Aber ich kam nicht mehr dazu. Darum will ich wenigsten von hier Dir sagen, wie uns die Nachricht von Fritz seinem neuen Erkranken erschrocken hat.226 Aber Gott sei Dank scheint sich alles zu bessern. Und das mildere Wetter trägt auch wohl dazu bei. Ach, wenn nur die Reise, welche noch so wie ein Berg vor einem liegt, überstanden wäre. Denn das mildere Klima scheint doch wirklich nothwendig. Luise habe ich vorgestern 224 Kronprinz Wilhelm der Niederlande, Prinz von Oranien (1840–1879). 225 Das Kronprinzenpalais war 1856–1857 für Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen vollständig umgebaut worden. Als Gedenkort an Kindheit und Eltern war das Palais danach kaum noch wiederzuerkennen. 226 Die Schlaganfälle des Königs erfolgten seit August in immer kleineren Abständen.
404
Briefe 1851–1873
recht wohl verlaßen. Sie ist jetzt sehr munter, der Auswurf ist auch besser. Doch dies alles weißt Du ja am besten von Grimm. Heute feiern wir hier den Geburtstag von unserer lieben Mama, die 83 Jahre alt wird. Und ich habe sie recht erholt gefunden. Sie war auf dem Schloß, als ich ankam, wo sie gleich nach der Kirche geblieben war. Sie sieht wieder wohl aus, geht aber sehr viel mehr gebückt wie vor ihrem Fall und ist ängstlich im Gehen. Meine Schwägerin Marie ist diese Nacht als surpriese aus Altenburg gekommen, um der Mama zu gratulieren. Daß wird ihr Freude machen. Noch sah ich niemand, da es auch früh ist. Meine Kinder und Enkel fand ich alle wohl, bis auf furchtbaren Schnupfen. Die Mama Reuß und Töchter227 sind auch hier, wollen aber Ende der Woche fort, was mir für Auguste zu leid thut, die dann sich sehr einsam fühlen wird, da Fritz doch oft nach Schwerin muß. Und ihr ist so eine tägliche, verwandschaftliche Umgebung nöthig. Es belebt sie und greift sie nicht an. Ich weiß nicht, liebe Elis, ob ich in dem jetzigen Augenblick noch daran denken darf, Dich in Sanssouci zu besuchen, ehe ich Schwester Luise wieder gesehen, und ob ich am Mittwoch im Vormittag herüber kommen darf und um welche Uhr, mit dem Zug um 11 oder 1 Uhr. Du läßt es mir vielleicht morgen Abend wißen, im Berliner Schloß, wo ich denke, um 5 Uhr wieder einzutreffen. Die Zeitung spricht von einem Unwohlsein von Charlotte in Nizza. Wir wißen garnichts davon. Nun leb wohl und grüße Fritz herzlich. Gott schütze Euch beiden, Ihr Lieben, Deine alte Adine Berlin, den 31ten December 1859 Meine geliebte Elis, da stehen wir am letzten Tag im Jahr und schauen mit Schmertz auf die hinter uns liegende Zeit. Und mit Wehmuth blicken wir in der dunklen Zukunft. Dein Blick sieht dankend zum Herrn auf, daß Er Dir das Theuerste noch gelaßen hat, nach dem es oft so ganz traurig aussah. Er wird Dich und dem geliebten Bruder Trost und Kraft geben, diese schwere, lange, bange Prüfungszeit recht nach Seinem Willen zu nehmen und anzuwenden. Bei dem Herrn allein findet man Trost, Hülfe und Rath, in der Noth und im Schmertz. Und daß weißt Du ja am besten. Noch dankte ich Dir nicht für Deine lieben Zeilen nach Weihnachten an uns beiden verlaßenen Schwestern. Auch dankte ich nicht für diese schöne Geschenke, das Service und das Armband, was mich so überraschte. Es fand mich matt und schwach an meinem Tisch sitzend. Es warf mich fast um, wenn ich an Dich dachte, wie Du so einsam in Sanssouci setzest und der arme Bruder krank im Bett. Nach Grimm geht es aber wirklich wunderbar gut. Der arme Fritz kann auf die Terrasse gefahren werden, und daß thut ihm gut. Nun, Gott seegne ihn und Dich und behallte lieb, Deine treue Adine 227 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), und deren Töchter, die Prinzessinnen Luise (1832–1862) und Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907).
1860 Schwerin, den 18ten Februar 1860 Geliebte Elis, ich sehe recht undankbar aus, daß ich Dir noch garnicht gedankt für Deinen lieben Brief vom 7ten des Monats, besonders da ich weiß, wie Du Deine Zeit stehlen mußt, um zum Schreiben zu gelangen. Mit unsern armen Kranken geht es wohl immer beim Selben. Bei jeder Witterung Wechseln zittere ich, daß es ihm schaden könnte. Denn solchen Wechsel wie dies Jahr kenne ich lange nicht. Es ist wirklich ganz schrecklich, ein Gesunder hat zu thun, um sich auf den Beinen zu halten. Mit mir geht es wirklich recht gut. Ich habe einige Bälle und Diners mit gemacht, ersteres freilich sehr gemäßigt, wo ich nur 1–2 Stunden war und sehr viel sitze und dann mit den Menschen spreche. Gestern war der Östreichische Gesandte Graf Caroly1 hier. Zum Diner bin ich nicht erschienen, aber zum Ball auf dem Schloß, wo ich ihn erst empfing und dann mich von Fritz holen ließ und gleich durch ging durch die Gesellschaft und mich hinsetzte, weil die Füße noch meine schwächste Partie ist. Ich schreibe dies etwas weitläufig, damit Du es an Grimm mittheilst. Gestern wurden wir sehr erschreckt durch der Nachricht, daß unser lieber Onkel George in Strelitz so plötzlich von großer Schwäche befallen ist,2 die sich nach einem Telegram, wo wir gleich anfragten, bestettigt, da er nur 24 Pulzschläge noch hat, viel auf der chaiselongue liegt, aber doch die Vergnügungen in Strelitz nicht unterbrochen wißen will, was dann auch in vollen Zügen genoßen wird, was ich schrecklich finde. Daß ich hier auf Bälle gehe, Musik höre und ein freundlich Gesicht machen und auch heiter scheinen kann, ist mir lieb, da es den Menschen doch Freude macht, mich wieder unter sich zu sehen. Mein armes Herz ist voll Thränen und Kummer! Nun leb wohl, danke den Adjutanten für ihre Briefe und ausführliche Nachricht. Das tröstet mich für die Entfernung. Von Luise sind ja Gott sei Dank gute Nachrichten. Und ich freue mich, sie nun sicher in Torbay3 zu wißen. Deine Schwester Amalie wird ja wohl nächstens zu Dir kommen, das wird Dir eine Freude sein! Deine treue Adine Den 23ten bin ich in Ludwigslust bei meinen Kindern. Sans Souci, den 23ten Februar 1860 Endlich, meine Adine, komme ich dazu, Dir meine Glückwünsche auch schrifftlich aus zu drücken. Schon vor 1 ½ Stunden habe ich Deine Antwort per telegraph und noch fand ich nicht Zeit zu schreiben, aber gebetet habe ich für Dich, Du Liebe, gleich beym Anfang des Tages, von Grund meiner Seele. Gott segne Dich und gebe Dir Trost und Freude 1 Alajos Graf Károlyi von Nagykároly (1825–1889), seit 1859 österr. Gesandter in Preußen. 2 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860). 3 Bucht von Torbay in der Grafschaft Devon im Südwesten England.
406
Briefe 1851–1873
an Deinen Kindern. Der Tag macht Dich immer traurig, um wie viel mehr heute nach dem schweren Jahre, das Du gestern geendigt hast. Fritz wußte recht gut, daß es Dein Geburtstag sey, als ich es ihm heute sagte. Gottlob, seit gestern ist wieder ein kleiner Schritt vorwärts. Heute sagte er mir, er sey lange nicht so glücklich gewesen wie heute, ein Beweis, daß er sich leichter im Kopf fühlt. Er ist nun zwey Tage wieder aus gefahren, Schritt vor Schritt, aber er kömmt doch weiter als auf dem Rollstuhl, und der Wagen ist bequem und angenehm. Wie wir nur erst den Uebergang zum Frühjahr glücklich überstanden hätten! Davor bangt mir so. Diesen Monat ist das Wetter so veränderlich, und so erschütterte Nerven wie die seinen fühlen jeden Luftzug. Du hast Husten und Schnupfen, wie unangenehm, aber nicht zu verwundern. Ich halte mich noch Gottlob gut aufrecht, nun bin ich hieher, aber ohne Husten. Das stille Leben, immer in denselben Räumen, ist das beste préservatif4 gegen Erkältung. Tausend Dank für Deinen lieben Brief. Ich habe an Grimm die Stelle vorgelesen, wo Du von Deiner Gesundheit sprichst. Er hofft, Du wirst in Ludwigslust ruhiger leben können. Ich bin so oft unterbrochen worden, durch Snethlage,5 der bey Fritz war, Fritz Louis, der ihn auch heute zum erstenmal sah, Gräfin Westerholt,6 etwas Promenade in einer bitter kalten Luft und jetzt noch Uhden,7 der zu mir kommen will, daß ich gar keine Zeit mehr habe, soll der Brief noch heute abgehen, was ich doch sehr wünschen. Einen Brief meines Bruders Karl trage ich schon seit Stunden herum, ohne ihn lesen zu können. Von Streliz hatte ich heute bessere Nachrichten, Gottlob. Marie schrieb mir, zwar noch besorgt, aber doch etwas beruhigt, weil Apetit und Schlaf noch gut sind, und das ist eine große Sache in dem Alter.8 Doch nun schnell addio, ich size neben Fritz, der ißt und Dich herzlich grüßt. Gott segne Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Grüße Deine Kinder und Deine alte Mama. Ich hoffe, das Kleid gefällt Dir. Das Hauptgeschenk ist das Porcellan. Ludwigslust, den 24ten Februar 1860 Geliebte Elis, eigentlich hätte ich gerne noch einen Tag gewartet mit meinem Dank für [den] lieben, lieben Brief, der heute kam, und für [den] Telegraph und [das] schöne Kleid von gestern. Denn ich bin ganz miserabel an Schnupfen, daß ich nicht aus den Augen sehen kann. Aber ich wollte doch gerne Dir wenigstens schriftlich gleich zeigen, wie viel 4 Frz. = Schutz. 5 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 6 Mglw. Sofie Gräfin von und zu Westerholt-Gysenberg, geb. Freiin von Fürstenberg-Herdringen (1823–1894), verh. mit Friedrich Otto Graf von und zu Westerholt-Gysenberg (1814–1904), preuß. Gutsbesitzer auf Westerholt und Abgeordneter. 7 Alexander Uhden, ab 1871 von Uhden (1798–1878), preuß. Jurist, Präsident des Preußischen Obertribunals und ehem. preuß. Justizminister. 8 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) war todkrank.
1860
407
Freude Du mir gemacht, und auch mit den wirklich etwas besseren Nachrichten vom lieben Kranken. Daß er wieder im Wagen ausfahren kann, wird ihn freuen. Denn in den Mittagsstunden ist es fast immer schön gewesen. Mein Geburtstag war traurig in allen Richtungen hin. An sich ist er schon seit Jahren ein Trauertag, und nun dies Mal ein doppelter. Wie vermißte ich Luise ihre lieben Briefe und Geschenke. Und der Gedanke, sie nie wieder zu sehen, ist doch zu schrecklich. Und doch freute ich mich, sie im Himmel bei dem Herrn zu wißen, wo sie in Frieden auf mich herabblickte. Sie war mir doch nahe. Ich habe so schöne Geschenke bekommen: von der Schöning ein Album von violetten Samt mit Gold Sternen gestickt und das Zeichen von Luise LM9 und darin Zeichnungen von Wagensberg,10 von außen bis im tiefsten Innern. Mit all der Trauer, es war so hübsch ausgedacht. Nun leb wohl, mehr kann ich nicht. Deine treue, alte Adine Ludwigslust, den 8ten März 1860 Meine liebe Elis, ich weiß, daß Du meiner in Deiner bewährten Treue gestern lebhaft gedacht hast und morgen, wenn mein Brief in Deine Hände kömmt, schon für mich gebetet haben wirst. So nahe sind diese beiden Trauer Tage sich, daß man kaum Athem schöpfen kann, von dem Weinen und Beten um Kraft und Ergebung, wo ich nun schon 18 Jahr um meinen lieben Paul trauere und der Schmertz noch eben so neu und frisch ist, wie es morgen sein wird, wo ich erst 1 Jahr um mein Kind weine.11 Ja, Gott hat mich schwer heim gesucht und mir tiefe Wunden geschlagen. Um meiner Sünde willen möchte ich sie so tragen, wie Er es von mir verlangt. Aber es ist schwer, und ich kann mich noch nicht finden in dem Gedanken, daß mein theueres Kind mir auf ewig genommen ist! Zwar nur von dieser Erde, denn der Herr hat uns ja die schöne Aussicht gestellt, daß wir unsere Lieben im Himmel wieder finden, ganz so wie wir sie hier mit leiblichen Augen gesehen, nur umgeben mit einem verklährten Körper, den wir uns hier kaum vorstellen können. Ich finde den Gedanken aber so tröstlich und schön. Und dennoch will das Herz brechen vor Schmertz. Der Tod von Luise war zu plötzlich, zu schrof, zu hart, so unerbittlich, schrecklich schnell. Man kann den Gedanken garnicht an diesen Tode gewöhnen. Doch ist sie glücklich und ruht in Frieden, dies wieder die Tröstungen, die uns der Herr giebt. Der folgende Tag, der 10te ist wieder ein Trauer Tag, der uns so viele Jahre ein Freuden Tag war.12 So sind die ersten 10 Tage im März nur Todestage, die alle so tief in unseren Herzen greifen. Mir bangt so sehr, daß dieser Monat noch einen Trauer Tag 9 Zeichnung „M“ im „L“ = Zeichen der Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, gest. am 9. März 1859. 10 Schloss Wagensberg in Slowenien, Residenz der Familie von Windisch-Graetz, wo Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, beigesetzt war. 11 Todestage von Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, gest. am 7. März 1842, und Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, gest. am 9. März 1859. 12 Geburtstag von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1776–1810) am 10. März.
408
Briefe 1851–1873
mehr zu bekömmt. Denn mit dem lieben Onkel George soll es nicht besser gehen.13 Aber er erlaubt aus Liebe zu Marie nicht, daß man von Gefahr spricht. Er selbst soll aber klar über seinen Zustand sein. Welche trübe Zukunft geht die Famille und das arme Land entgegen. Mit dem lieben Kranken in Sanssouci scheint es trotz abwechselnden Wetter doch eher besser zu gehen. Das Ausfahren soll ihm gut thuen und Freude machen. Bruder Carl hat Fritz noch 2 Mal gesehen vor seiner Abreise. Ich habe aber nicht gehört, welchen Eindruck er davon gehabt. Für Charlotte freut es mich, daß er hingeht. Es wird ihr sehr wohl thuen, er kann so heiter sein. Welchen Weg mag er nehmen? Es hieß ein Mal, er wolle seine Tochter Luise14 besuchen. Wo die aber zu finden ist, weiß kein Mensch. Unglückliches Geschöpf. In der Welt sieht es immer bunter aus und das von allen Seiten. Er, der Allmächtige, weiß allein, wo und wann das Ende da sein wird. Von Schwester Luise habe ich fleißig Nachricht. Fritz Oranien ist nun seit dem 5ten fort und kömmt nur, um sie abzuholen. Es graute ihr dann sehr für der Einsamkeit. Noch ist es kalt und stürmisch, aber einige reitzende Orte hat sie gefunden, wohin sie gerne fährt oder geht. Die Englische Flotte war vor dem Sturm dort in der Bucht geflüchtet. Es soll ein schöner Anblick gewesen sein. Leb wohl, grüße den lieben Kranken. Deine treue Adine Sans Souci, den 9ten März 1860 Wie hat mich Dein lieber Brief, trauriger Brief gerührt, den ich heute Morgen beym Aufstehen empfing! Du solltest heute ein Lebenszeichen von mir haben, aber wie, das wußte ich noch nicht, denn ich habe einen vollen Tag. Auch kann ich leider nur kurz schreiben, aber Du warst mein erster Gedanke, als dieser traurige Tag15 anfing, und ich betete für Dich um Trost und Kraft. Gott wolle mein Gebet erhören! Wie denke ich auch heute mit schmerzlicher Theilnahme des armen Hugo’s. Ach, die Art des Todes, das Rasche war doch zu schrecklich. Es mischte sich in den Schmerz auch der furchtbare Schreck, der wie ein Bliz aus heitren Himmel kam. Nun, der Herr weiß, was Er thut und was ihr und ihren Lieben frommt. Marie von Streliz ist gewiß besorgter, als sie es gesteht.16 Sie hat mit Zustimmung des Onkel den Professor Frehrichs17 aus Berlin kommen lassen, ein sehr guter und angenehmer Arzt, der auch für Fritz im vorigen Jahr consultirt
13 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) war todkrank. 14 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901), verh. 1854 mit Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). Die Ehe wurde 1861 geschieden. 15 Erster Todestag von Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin. 16 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860), gest. am 6. Sept. 17 Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885), Internist und Pathologe, Professor und seit 1859 Direktor der Medizinischen Klinik an der Charité in Berlin.
409
1860
wurde. Gott gebe, daß er noch helfen kann, aber das hohe Alter ist ja an sich schon eine Krankheit. Karl wollte seine Tochter in Styria18 besuchen zwey Tage und dann nach Nizza gehen auf drey Wochen. Charlotte hatte ihn mehreremale eingeladen. Es geht ihm jetzt wieder gut, und Böger19 meint, auch die Reise würde ihm gut bekommen. Das erstemal, als er Fritz sah, hatte er einen sehr trüben Eindruck von dem Besuche, das zweytemal nicht, was mich zwar freut, was ich aber nicht recht begreiffe, denn Fritz war so still, so traurig, wie überhaupt bey den Familienbesuchen, selbst gestern, als Adinchen zum erstenmal wieder kam, die er doch so besonders liebt. Übrigens hat er Gott sey Dank wirklich Fortschritte gemacht. Werder,20 der 14 Tage in Königsberg war, war ganz glücklich darüber, auch Grimm, der 8 Tage krank in Berlin war. Für Personen, die den traurigen Zustand nicht so genau kennen, ist die Besserung wohl kaum fühlbar. Aber wir, die wir ihn mit Angst und Sorge beobachten, wir merken es wohl, und ich danke Gott aus [dem] Grund meines Herzens. Schlaf und Apetit ist vorzüglich, und er wird ordentlich wieder dick. Von Luise habe ich auch Nachrichten. Schade, daß das Wetter so schlecht ist. Hier haben wir förmlich Winter, nicht kalt, aber ein Schnee wie im Dezember. Fritz fährt täglich aus. Jetzt eben ist er wieder gefahren, und ich muß enden, um auch etwas aus zu gehen. Die Fürstin von Fürstenberg mit ihrer Tochter21 waren bey mir. Solche Besuche nehmen mir immer so entsezlich viel Zeit weg. Verzeih den confusen und kurzen Wisch, meine Adine, ich denke Deiner, wenn ich auch heute nicht viel schreiben kann. Grüße Deine Kinder und lebe wohl. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Gott, wie schrecklich sieht es aus in der Welt und wie soll das enden! Ludwigslust, den 13ten März 1860 Meine liebe Elis, wie danke ich Dir für Deinen lieben Brief vom 9ten, der mir so wohl that. Es waren schwere Tage. Gott hat mir aber geholfen, sie zu tragen. Bei dem Tod von Luise drängt sich mir immer der Gedanke wieder auf, wie sie so verlaßen gestorben. Niemand von ihren Lieben war ihr nahe. Wer weiß, ob sie nicht gern eine Äusserung gemacht, ein Wort der Liebe gesagt in den wenigen freien Augenblicken, die ihr blieben. An seine Leute mag man doch so etwas schwer äussern, wir hätten ihr auch Worte der Liebe und des Trostes zugesprochen. So ist sie ohne alles dahin gestorben. Ein so plötzli18 Lat. = Steiermark. Besuch bei Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901), verh. 1854 mit Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). Die Ehe wurde 1861 geschieden. 19 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 20 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Major und Flügeladjutant. 21 Verm. Fürstin Amalie zu Fürstenberg, geb. Prinzessin von Baden (1795–1869), und ihre unverheiratete Tochter Prinzessin Marie Elisabeth zu Fürstenberg (1819–1897).
410
Briefe 1851–1873
cher Tod behällt doch etwas Schauerliches und [ist] nie zu überwinden. Aus Strelitz lauten ja die Nachrichten beruhigender. Wenigsten hat der Doktor Frérich22 sich dort in der Famille hoffend ausgesprochen, doch traue ich diesem nicht. Hast Du nicht vielleicht erfahren, ob er in Berlin im gleichen Sinn sich geäussert? Seine Hoffnung schöpft er darin, daß die Krankheit von einer starken Erkältung kömt und nicht bloß vom hohen Alter. Aber die 80 Jahre spielen doch wohl stark mit und die große Schwäche, denn sein Pulz schwankt zwischen 25–30 Schläge.23 Meine alte Mama ist auch hier an starkem Schnupfen erkrankt, der eigentlich an sich nichts zu sagen hat, aber sie ist so unendlich schwach. Man ist nun auch jetzt ängstlicher wie sonst, nach so vielen traurigen Erlebnißen. Eine Freude erblüht aber, das ist, daß Du selbst findest, daß der arme liebe Kranke sich erholt. Gott wolle es erhallten. Er hat den Menschen so erschaffen, daß ihn die Hoffnung nie verläßt, und daß erhällt den Muth und die Kraft zum Tragen. Wir haben noch immer viel Schnee und Kälte, gestern Nacht waren es 11° Kälte und heute freilich nur 4°, und die Sonne scheint sehr freundlich im Zimmer. Aus Nizza habe ich einen Brief gehabt, worin Charlotte sehr über große Schwäche klagt. Sie könnte kaum 2–3 Mal im Zimmer umhergehen. Das Ausfahren im zugemachten Wagen greife sie an, da es so heiß darin wäre. Überhaubt, das Wetter wäre sehr schön. Sie freute sich sehr auf Carl, der sie erheitern sollte. Auch Nisi erwartet sie, er kömt ja wohl dieser Tage durch Berlin. Helene gebe viele Feste in Petersburg und mischte sich zu viel in die Bauern Frage, machte sich den Adel zum Feinde.24 George leidet an Kniewasser. Aber der liebe Onkel sehnt sich sehr nach ihm, und da hofft man doch, daß er bald kömet. In Strelitz sind immer noch Feste am Hof wie in der Stadt, auf Wunsch des Onkels. Es soll aber ein schreckliches Gefühl sein. Ich wußte garnicht, daß in der kaiserlichen Famille so viel Hoffnungen waren. Olga Mischel25 kömmt wieder im Juni, Sani26 im July und Marie Kaiserin27 im Oktober. Letzteres erfreut niemand, da sie doch schwach ist. Meine Kinder legen sich Dir zu Füßen. Der Husten fängt an abzuziehen. Ich bin wieder ganz wohl und gestern zum ersten Mal wieder spazieren gegangen mit großer Leichtigkeit. Der Artzt hier meint, nun wäre ich erst ganz hergestellt, denn es hätte mir noch immer etwas auf den Nerven gelegen, da die Kräfte nicht wieder kommen wollten. Es war auch Zeit noch grade. Am Donnerstag gehe ich bis Sonntag nach Schwerin. Am 19ten ist der Geburtstag von Friedrich, mein Enkel. 22 Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885), Internist und Pathologe, Professor und seit 1859 Direktor der Medizinischen Klinik an der Charité in Berlin. 23 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) war todkrank. 24 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), setzte sich dafür ein, endlich in Russland die Leibeigenschaft abzuschaffen. 25 Großfürstin Olga Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891), war schwanger mit ihrer Tochter Großfürstin Anastasia Michailowna von Russland (1860–1922), geb. am 16./28. Juli. 26 Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1830– 1911), war schwanger mit ihrem Sohn Großfürst Dmitri Konstantinowitsch von Russland (1860– 1919), geb. am 1./13. Juni. 27 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880), war schwanger mit ihrem Sohn Großfürst Pawel Alexandrowitsch von Russland (1860– 1919), geb. am 21. Sept./3. Okt.
1860
411
Den bringe ich wieder hier zu, und einige Tage danach kehre ich bis Palmsonntag nach Schwerin zurück. Leb wohl, grüße den lieben Kranken. Weiß er von der Krankheit des Onkel George? Deine treue Adine Sans Souci, den 19ten März 1860 Tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, meine Adine, der mich sehr erfreute. Die Nachrichten von der russischen Familie, die er enthielt, waren mir auch ganz neu. Seitdem war Nisi hier und bestätigte sie mir. Er scheint aber bey dem einen Sohn zu bleiben.28 Ich fand ihn wohl aussehend, hübscher wie sonst, die Nase schien mir nicht so lang und hängend. Er ist ein gar lieber Mensch. Seine Liebe zur Mutter und seine Freude, sie wieder zu sehen, rührten mich wahrhaft. Er rechnete, wie viel weniger er mit ihr gewesen wäre wie seine Brüder in den lezten Jahren. Seit [18]52, wo er hier war, hat er Rußland nicht mehr verlassen. Sonntag Morgen hoffte er anzukommen in Nizza. Marie brachte mir gestern einen Brief von Karl von dort. Er hat Charlotte in Cannabrenez29 gefunden, die Augen nicht gut. Auf dem guten hat sich ein Fleck gebildet. Gräfe30 muß jetzt dort seyn. Gott gebe, daß er helfen kann. Es waren noch drey Damen zu den frühren hinzu gekommen. Charlotte sah abends und mittags Leute bey sich. Das Wetter ist nicht gesund, und Karl und viele der Umgebungen hatten Schnupfen davon, 23 Grad in der Sonne und nur 4 im Schatten. Man erinnert sich in langer Zeit keinen so kalten März. Hier war es bis jetzt auch eigentlich noch Winter. So viel Schnee ist mir lange nicht vorgekommen, aber seit gestern ist Frühjahr, und heute ist der Schnee wenigstens auf der Terrasse verschwunden. Die Sonne scheint warm, und die Vögel zwitschern. Gott gebe, daß es so bleibe. Gott segne Deinen lieben Enkel und lasse ihn gedeihen an Körper und Geist.31 Den Tag zur Geburt hat er sich nicht gut gewählt. Es ist ein Tag voll gräßlicher Erinnerungen. Fritz genießt die Luft schon sehr. Gestern fuhr er in seinem Rollstuhl bis beynahe halb 7 Uhr auf der Terrasse herum, nachdem er vor Tisch eine große Fahrt im offenen Wagen gemacht hatte. Gestern war ein ganz vorzüglich guter Tag, Gottlob. Den 20ten. Ich wollte Dir gestern auch sagen, daß etwas bessere Nachrichten aus Streliz an Frerichs32 gestern gekommen waren, und fand den ganzen Tag keinen Augenblick dazu. Toni Perponcher33 war gekommen, die jetzt zurück tritt, da Gräfin Dohna34 28 29 30 31 32
Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1856–1929). Lesebefund. Ort nicht zu identifizieren. Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin. Geburtstag von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin am 19. März. Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885), Internist und Pathologe, Professor und seit 1859 Direktor der Medizinischen Klinik an der Charité in Berlin. 33 Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825 –1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, 1860 als Oberhofmeisterin von Prinzessin Victoria von Preußen zurückgetreten, ab 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 34 Constance Herminia Burggräfin und Gräfin zu Dohna-Wundlacken, geb. Burggräfin und Gräfin zu
412
Briefe 1851–1873
angekommen und schon im Palais installirt ist. Dann war es Sasse’s35 Tag, das Wetter so schön, so daß ich spät zu Hause kam. Frehrichs findet freylich den Zustand des lieben Onkels sehr ernst, seines Alters wegen, sonst würde er ihm nicht bedenklich scheinen. Doch giebt er die Hoffnung der Herstellung nicht auf, da Schlaf und Apetit noch so gut sind, und Heiterkeit und Lebendigkeit wie sonst. Ich baue auch auf die Zähigkeit seiner Natur, die doch sehr groß ist. Mit der Behandlung der Aerzte ist Frehrichs ganz zufrieden. Er bekömmt sehr oft Berichte. Ich habe Fritz alles gesagt. Ich denke, es ist besser so. Gottlob, daß es Dir endlich ganz gut wieder geht. Grimm freute sich auch sehr darüber. Heute wird Fritz Karl 32 Jahre alt! Gott, wie die Zeit vergeht. Es ist mir noch wie gestern, als er zur Welt kam. Marianne ist vor einigen Tagen wieder hieher zurück gekommen, und er ist auch hier. Marianne sieht schon recht stark aus und recht wohl.36 Sonntag wurde sie ganz schlimm in der Friedenskirche. Es war ein recht quälender Kampf, bis sie heraus ging. Adinchen ist wieder ganz wohl. Schrieb ich Dir, daß sie hier war? Das arme Kind war glückselig, uns wieder zu sehen. Ich hätte nichts Besonderes an ihr gemerkt, wenn ich nicht gewußt hätte, daß sie einen gelähmten Gesichtsnerv hatte. Gerlach37 ist denn gestern auch endlich wieder ausgegangen nach 8 Wochen. Er war recht krank und siht noch mager aus. Er war oben und spazierte auf der sonnigen Terrasse herum, kam auch herein, um Fritz zu sehen, war frappirt über sein besseres Aussehen und sein runderes Gesicht. Heute soll Fritz ausser dem Bette frühstücken, worauf ich mich sehr freue. Er hat wieder mehr wie 11 Stunden ohne Unterbrechung geschlafen. Das ist eine Gnade Gottes, für die wir nicht genug danken können. Hast Du wohl das scheusliche Buch von Humboldt und Varnhagen gelesen?38 Es macht mich ganz krank. Wie undankbar von Humboldt gegen Fritz, der ihn mit Liebe und Wohlthaten überhäufte, und welche Rohheit, solch ein Buch heraus zu geben, während mein armer Fritz so namenlos unglücklich ist! Es ist empörend und hat mir schon viele Thränen gekostet. Nun lebe wohl, meine Adine, grüße Deine Kinder und empfiel mich Deiner lieben, alten Mama. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
Dohna-Reichertswalde (1807–1882), neue Oberhofmeisterin von Prinzessin Victoria von Preußen. 35 Paul Heinrich Theodor Sasse (1793–1863), preuß. Legationsrat und seit 1827 Kabinettssekretär von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen. 36 Schwangerschaft mit Prinzessin Luise von Preußen (1860–1917), geb. am 25. Juli. 37 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant. 38 1860 erschien in Leipzig eine Briefsammlung, die auf Wunsch von Alexander von Humboldt nach seinem Tod veröffentlicht werden sollte und u.a. sehr viele private Details zum Verhältnis zu König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (auch zu den Folgen der Erkrankung), zu Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach und Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, enthielt: Humboldt, Alexander/Varnhagen von Ense, Karl August (Hg.): Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhagen von Ense aus den Jahren 1827 bis 1858. Nebst Auszügen aus Varnhagen’s Tagebüchern, und Briefen von Varnhagen und andern an Humboldt, Leipzig 1860.
1860
413 Schwerin, den 22ten März 1860
Meine liebe Elis, welche Freude machen Deine Briefe jetzt doppelt, wo es sichtlich ist, daß der liebe Kranke sich erholt. Das Wetter ist hier freilich garnicht schön. Obgleich warme Luft, aber es stürmt und regnet, und der See geht so hoch, sprengt die starke Eisdecke mit Gewalt. Und der Wind jagt heute die Wolken, daß es oft finster ist, und dann kommen Sonnenblicke wieder mit blauem Himmel. So wird es auch wohl dies ganze Jahr gehen und dies eine Profezsseihung für das neue Jahr, was Bruder Wilhelm heute anfängt. Gott wolle ihn doch erleuchten und den rechten Weg zeigen. Aber mir scheint, der Weg wird immer finsterer. Ich hoffte, geliebte Elis, Du würdest von dem Buch von Humbold nichts hören und nichts erfahren.39 Denn es ist grade für Dich und für die, die Bruder Fritz lieben, sehr tief betrübend. Daß so etwas jetzt erscheinen konnte und durfte! Und dann klar die Undankbarkeit dieses Menschen zu erfahren. Mich wundert es zwar nicht, so wie vielen Menschen, denn ich traute Humbold nie viel Gutes zu. Humbold thut dies Buch ungeheuren Schaden. Er steigt ganz von seiner Höhe in der öffentlichen Meinung herab. Einiges Amüsante ist im Buch, aber doch auch unerhört schlecht, die Briefe von Carl von Weimar,40 die wirklich unbegreiflich sind und die er noch lächerlich macht. Für Carl und für Auguste muß das doch nicht ganz angenem sein. Den 24ten. Zwei Tage bin ich nicht dazu gekommen, meinen Brief zu Ende zu bringen. Es ist wirklich zu arg. Aus Strelitz habe ich vorgestern directe Nachricht gehabt. Herr von Dewitz Milzo41 kam von dort, hat den Onkel selbst gesehen. Er wäre zwar schwach, hätte aber doch schon angefangen, im Zimmer ein Mal lang zu gehen. Sein Geist wäre so klar und lebendig wie sonst. Der Pulz will sich aber noch nicht heben, immer meist unter 30 Schlägen, und daß wäre, was die Strelitzer Ärtzte beunruhigt. Aber sonst hätten sie alle die Hoffnung der baldigen Herstellung, und das ganze Land lebte wieder auf und die Famille erst recht. Ach, Gott wolle den lieben Onkel erhallten, wenn die Besserung nur von Bestand ist. Das Wasser soll sich sehr verliehren, und die Arznei von Frerichs 42 thut sehr gut. Von Charlotte hatte ich gestern einen Brief. Es geht ihr ziemlich. Carl war angekommen und wäre viel ernster wie sonst, aber mit Mary und Marieche43 sehr heiter und lustig. Er mußte ihr viel von Berlin erzählen. Nisi erwartete sie Montag den 19ten. Carl muß viel gehen, um sein Bein mehr Beweglichkeit und Kraft zu geben. Hier in Schwerin lebe ich so in Saus und Braus. 2 Diners habe ich gehabt bei unserm ersten Minister.44 Das ist nun etwas, was ich nicht liebe. Heute Abend [ist] musikalische Soirée bei meinem 39 Siehe Anm. 38. 40 Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901). 41 Ulrich Otto von Dewitz (1814–1871), führender mklbg.-strel. Ständepolitiker und Gutsbesitzer auf Miltzow, Helpt, Ulrichshof und Krumbeck. 42 Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885), Internist und Pathologe, Professor und seit 1859 Direktor der Medizinischen Klinik an der Charité in Berlin. 43 Verm. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), morganatisch verh. 1853 mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878), und ihre Tochter Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914). 44 Jasper von Oertzen (1801–1874), mklbg.-schw. Ministerpräsident.
414
Briefe 1851–1873
Hofmarschall Stengelin.45 Ich sehe auch Leute bei mir, gehe im Theater. Man ist zu froh, endlich ein Mal jemand von der Famille hier zu haben. Nun leb wohl, grüße den lieben Bruder Fritz, Deine treue Adine An Bruder Wilhelm habe ich doch meine Meinung geschrieben über die Erlaubnis, das Buch erscheinen zu laßen von Humbold. Du weißt, ich kann nicht schweigen! Sans Souci, den 31ten May 1860 Verzeihe mein langes Schweigen, meine Adine, in der lezten Zeit ist mein bischen Zeit dermaßen durch Besuche aller Art alzu allen Tagesstunden ausgefüllt gewesen, daß ich zu nichts kam, unter andern an einem confusen Brief an Luise so lange schreibe, daß er 4 Tage alt erst abging, immer unterbrochen und gestört, das reibt einen auf. Heute nun bekam ich einen langen Brief von ihr, dessen eines Blatt ich Dir mittheilen soll. Da sie aber auch wünscht, daß ich Grimm noch etwas daraus mittheile und er erst heute Abend kömmt, schicke ich Dir morgen das Blatt, und Du bist wohl so gut, es mir zurück zu schicken. Da sieht man recht, wie krank sie war. Aber Gottlob, es geht ja gut. Tausend Dank für Deinen lieben Brief. Hier ist eine bessere Photographie von Fritz. Ich habe davon schon so viel ausgetheilt und brauche immer mehr. Von mir existirt nur ein Scheusal, das ich nicht gerne gebe, und ein so kleines habe ich gar nicht. Mit dem lieben Kranken geht es ganz leidlich. Die unbegreiffliche, wahrhaft winterliche Kälte nach so schönen, warmen Tagen hat keinen wesentlich schlimmen Eindruck auf ihn gemacht, nur zuweilen kleine Aufregung, die aber schnell verging. Er hat in der lezten Zeit mehrere Bekannte auf seinen eigenen Wunsch gesehen und sich namentlich sehr über Reumont46 gefreut und ihm gerne und mit Verständnis zugehört. Der arme Reumont ist übrigens kein erfreulicher Anblick. Er sieht erbärmlich aus, und seine ganze Carierie scheint zu Ende. Auch für ihn ist mit Fritzens Krankheit sein Glückstern untergegangen, wie für so viele? Vorige Woche war Nisi hier und erzählte mir viel. Für’s erste hatte ich eine wahre Beruhigung zu bemerken, daß er ganz nüchtern und ohne enfoncement47 von Paris kam. Dazu hatte er auch die Comödie in Nizza zu nahe gesehen.48 Er sagt, daß man sich davon 45 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 46 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Geheimer Legationsrat, ehem. Ministerresident in Florenz und Historiker. Der Krieg 1859 beendete seine diplomatische Karriere. Aufgrund fehlender Verwendung zog er nach Bonn und widmete sich seinen Studien v.a. zur ital. Geschichte. 47 Frz. = Vertiefung, Einschlag. 48 Der Vertrag von Turin vom 24. März 1860 garantierte den schon 1858 vereinbarten Anschluss von Savoyen und Nizza an Frankreich für die Unterstützung der ital. Unabhängigkeit. „Komödie“ nennt die Königin hier die Volksabstimmungen am 15./16. April in Nizza und am 22./23. April in Savoyen.
1860
415
keinen Begriff machen könne, wenn man es nicht selbst gesehen, solche schamlose Lügen. Er freute sich, davon seinem Bruder, dem Kayser,49 zu erzählen, der doch für die französische Wirtschafft noch etwas blind ist. Charlotte fand er wohl aussehen, sehr beruhigt für ihre Augen durch Gräfe,50 aber immer nicht vorsichtig genug. Ihr leztes Unwohlseyn, das doch ziemlich bedeutend war, zog sie sich durch das Ausziehen eines Flanellhemdes zu. Die Rohrbeck51 war wüthend. Wie wird sie da den Winter in Petersburg ertragen, und doch will sie durchaus zurück! Du weißt wohl, daß sie heute von Nizza abreist und sehr gegen ihren Willen durch Frankreich reisen wird. In Genf, zu ihrem Pfingsfest künftigen Sonntag, trifft sie mit Helene zusammen, dann geht sie zu Olga und dann nach Wildbad, und den 27ten July gedachte sie hier anzukommen und im neuen Palais zu wohnen. So weit voraus denke ich nicht. Ich denke nur von einem Tag zum andern. Mir sagte jemand neulich, Du würdest Luise in Ems besuchen? Dann kömmst Du hiedurch, nicht wahr? Und später, wenn Charlotte hier ist und noch nicht alles für mich aus ist, dann kömmst Du ordentlich. Ach, es ist aber alles so unsicher, so im Nebel für mich, und doch, wie viel habe ich Gott zu danken, daß Er mir den geliebten Fritz noch erhalten hat. Ich erkannte es recht besonders am Tage, wo wir vor einem Jahre hier nach Sans Souci zogen, nicht ahnend, daß wir ein ganzes Jahr, ohne es zu verlassen, zubringen würden. Und welches Jahr! Wie voll Schmerz und Sorge, aber auch von Gnade! Helene war Pfingstsonntag bey mir. Zum erstenmal fand ich sie blaß und etwas verändert. Sie war recht liebenswürdig und theilnehmend, erzählte mir viel. Sie hat einen schweren Winter zugebracht, mit Gesichtsschmerz. Cathi kömmt zum August. Die Gegenwart von George macht dem lieben Onkel gewiß sehr glücklich. Es geht ja Gottlob gut! In seinem Alter ist es eine doppelte Freude. Frerichs wird nun Deinen Sohn behandeln.52 Er ist ein geschickter Arzt. Gott gebe, daß er das rechte Mittel finde. Die lange Heiserkeit ist doch fatal. Ich fürchte, er wird sich in Charlottenburg recht einsam finden, obgleich der junge Abbat denselben Tag heraus zieht mit seiner Schwadron. Wilhelm kömmt heute zurück, Gottlob ohne entrevue,53 wegen der mir bange war. Erlaucht reist heute nach Hamburg, es geht ihr viel besser. Addy ist hier und die jungen Ehepaare im neuen und Marmor Palais.54 Victoria ist unförmig und läßt sich ganz gehen.55 Sans Souci ist besonders schön, die Bäume so dick belaubt. Flieder ist beynahe verblüht, er war herrlich, auch die Obstbäume. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte 49 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 50 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin. 51 Frau von Rohrbeck, Kammerfrau bei Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 52 Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885), Internist und Pathologe, Professor und seit 1859 Direktor der Medizinischen Klinik an der Charité in Berlin. Er behandelte somit nun beide Großherzöge von Mecklenburg. 53 Frz. = Unterredung. 54 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm und Prinzessin Victoria von Preußen im Neuen Palais, Prinz Friedrich Karl und Prinzessin Maria Anna von Preußen im Marmorpalais. 55 Schwangerschaft mit Prinzessin Charlotte von Preußen (1860–1919), geb. am 24. Juli.
416
Briefe 1851–1873
Elis Alfred Rauch56 sagt, er habe nur immer an Charlotte geschrieben, was die andern nicht thun. Warum Werder57 Euch nicht geschrieben, weiß ich nicht, er leidet an Blutgeschwüren am Hals. Marie Lynar heirathet Graf Golz,58 ehemaligen Adjudanten von Wilhelm. Hedwig Brühl59 wird sie ersezen. Nettchen, Addy’s Freundin, ist auch Braut von einem Lieutenant von Restorf.60 Schwerin, den 1ten Juny 1860 Geliebte Elis, wie viel habe ich Dir zu danken, daß Du mir einen so lieben, langen Brief geschrieben, mit so vielen Nachrichten, die mich interessierten, und dann für die Photographie vom lieben, lieben Fritz, die ich viel besser finde als die ersten. Wir müßen Gott sehr dankbar sein, daß er uns den lieben Kranken noch erhällt. Und wie es scheint, hat das Frühjahr mit seinem neuen Leben auch ihn erfrischt und gehoben. Ich wußte garnicht, daß Remon61 in Berlin sei und sein geliebtes Florenz verlaßen hat. Ich glaubte, er wohnte dort als Privat Mann. Es ist doch eine rechte Freude, daß Fritz ihn versteht und theilnehmend ist. Dich, geliebte Elis, wieder zu sehen, ist eins meiner heißesten Wünsche, und ich ging grade mit einem project um, was ich Dir vorlegen wollte. Da die hohe Frau jetzt nicht dort ist und Mary62 auch nicht, so wollte ich also fragen, ob ich vielleicht mit nach Berlin kommen könnte, wenn Auguste hingeht, um Fritz nach seiner Kur abzuholen,63 und dann von Berlin aus Dich besuchen, oder ob Du mir ein Stübchen im Potzdamer Schloß oder im Neuen Palais anweisen wolltest, damit ich ein bis 2 Tage in Deiner Nähe weilen kann? Denn in Sanssouci selbst geht es doch wohl nicht wegen Fritz. Nun, Du wirst mir ja offen sagen, wie es Dich arangiert, denn mit mir brauchst Du keine complimente zu machen, Gott sei Dank. Fritz geht am 6ten nach Charlottenburg. Die Einsamkeit, glaube ich, ist grade bei seiner Kur gut. Und Auguste wird wohl den 18– 19ten dann nachreisen. Von Charlottens Reise wußte ich durch ihr selbst, daß sie durch Frankreich muß und daß sie ganz wühtend darüber ist. Heute, glaube ich, ist der scharmante Besuch in Lyon.64 56 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 57 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Major und Flügeladjutant. 58 Verlobung von Marie Gräfin zu Lynar (1835–1876), Hofdame bei Prinzessin Victoria von Preußen, und Carl Friedrich Graf von der Goltz (1815–1901), preuß. Oberstleutnant und persönlicher Adjutant bei Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen, Heirat am 14. Juli. 59 Hedwig Gräfin von Brühl (1835–1905), Hofdame bei Prinzessin Victoria von Preußen. 60 Verlobung von Antoinette von Ciesielski (1839–1927) und Gustav von Restorff (1831–1913), preuß. Premierleutnant im Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1, Heirat am 9. Nov. 61 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Geheimer Legationsrat, ehem. Ministerresident in Florenz und Historiker. Der Krieg 1859 beendete seine diplomatische Karriere. Aufgrund fehlender Verwendung zog er nach Bonn und widmete sich seinen Studien v.a. zur ital. Geschichte. 62 Die Prinzessinnen Augusta und Marie von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. 63 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin. 64 Treffen von Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen,
1860
417
Daß sie am Sonntag in Genf ist und mit Helene zusammen kommt, wußte ich [nicht] und auch nicht den Tag ihrer Ankunft im Neuen Palais. Beides ist mir sehr lieb zu wißen, um meine Pläne danach zu machen. Es ist allerdings mein Wunsch, Luise in Ems zu besuchen, wenn es der dortige Artzt erlaubt. Das wird sie mir nun erst schreiben, wenn sie in Ems ist. Meine Idee war, von dort aus, wenn Charlotte nicht vielleicht selbst einen Besuch an Luise macht, mit dieser unterwegens zusammen zu treffen und mit ihr nach dem Neuen Palais zu kommen. Und länger wie 8 Tage wollte ich in Ems nicht bleiben. Also würde ich vor dem 18ten nicht dort eintreffen. Der Aufenthalt von Charlotte wird auch nur kurtz sein in Potzdam. Meine Enkel Windisch Grätz erwarte ich am 1ten August in Dobbran. Der kleine Hugo65 soll Seebäder nehmen, weil er zahrt ist. Vater Hugo hohlt sie im September oder Oktober ab. Du hast recht, es ist ängstlich, wenn man so viele projecte schon so lange vorher macht. Aber man kann es nicht laßen, da die Entfernungen so weit sind und man sich doch gerne sehen will. Ach, meine liebe Elis, Dein Muth ist recht gesunken, wenn Du nur von einem Tag zum andern lebst. Es ist aber gewiß das Beste. Dein Leben gehört ja jetzt ausschließlich dem lieben Kranken an, und dann bleibst immer die liebe, theuere Elis. Ich mache meinen Brief noch nicht zu, um das Blatt von Luise noch einzulegen, wenn es heute kommt. Ja, sie ist recht krank gewesen, nur Mariechen ahnte es nicht und schrieb daher auch so. Onkel George hatte mir vorige Wochen schreiben laßen, ich möchte kommen. Allein, ein leichtes Unwohlsein, Himoridal Beschwerden, die ihn angegriffen, veranlaßten, daß ich abgeschrieben wurde. Und nun ist es unbestimmt, wann ich kommen soll. Etwas Ängstliches bleibt doch auch sein Zustand, das hohe Alter ist ein böser Feind. Mein alte Mama will mit ihren 83 Jahren nächsten[s] nach Homburg zu ihrem Bruder66 reisen. Den 2ten Juny. Noch schnell lege ich das Blatt von Luise ein. Mein Gott, wie ist sie doch so krank gewesen. Gott wolle geben, daß Ems ihr so gut thut wie vergangenes Jahr. Ich danke Dir, daß Du es mir noch geschickt. Ich muß zum Militair Diner auf dem Schloß. Auguste wird vielleicht den 14ten kommen, und, da Du es erlaubst, auch in Charlottenburg wohnen. Ich bleibe aber in Berlin, und Fritz trägt mir auf, Dir seinen unterthänigsten Dank zu sagen, daß Du erlaubt hast, daß er seine Kur in Charlottenburg brauchen darf. Deine treue Adine Ein Wörtchen Antwort läßt Du mir wohl zu kommen, ob ich kommen darf oder nicht.
mit Kaiser Napoleon III. und seiner Frau Kaiserin Eugénie, geb. de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), in Lyon. 65 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1854–1920). 66 Landgraf Ferdinand von Hessen-Homburg (1783–1866).
418
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 27ten Juny 1860 Verzeih, wenn ich Dir nur einige flüchtige Worte des Dankes sage. Ich bin gestern Abend späth von Strelitz zurück gekehrt und heute den ganzen Tag nicht zu mir selbst gekommen. Der Brief von Wilhelm hat mich sehr interessiert, und wir können Gott nicht genug danken, daß Er alles so zum Guten gewendet. Selbst George von Hannover67 ist sehr befriedigt zurück gekehrt und ganz entzückt, wie Wilhelm sich groß und würdevoll benommen, wie er würdig seine Stellung eingehallten, im Bedauern, daß so lange Mißtrauen sie getrennt, der nun ganz geschwunden.68 Charlotte, höre ich, hat sich in Wildbad erkältet und soll sehr matt sein, entsetzlich mager geworden. Von Karell 69 glaubt kaum, daß die Kur bis zum 17ten vollendet sei. Daher kam Charlotte der Wunsch, in Stolzenfels mit uns zu wohnen. Dies schrieb mir eben Bruder Wilhelm. Bis jetzt wußte ich nicht von solchem längern Aufenthalt. Der 19te wird also sehr gestöhrt sein.70 Auch Wilhelms Kur sollte erst am 24ten zu Ende sein. Er will nun wißen, was ich thue. Ich muß sagen, ich bin noch nicht [mit] mir einig. Ich wäre gern mit der Schwester und gern in Charlottenburg. Der Tod von Meiring thut mir schrecklich leid, in alter Beziehung als Freund und treuer Diener.71 Du verliehrst viel, sehr viel an ihm. Ich hätte Dir diese treue Stütze noch lange gegönnt. Der arme Fritz verliehrt auch in ihm einen treuen Gesellschafter. Wenn er es erfährt, wird es ihm schrecklich leid sein. Gott sei Dank, daß es dem lieben Kranken eher besser geht. Ich höre, er hat Victoria gesehen. Welchen trüben Eindruck wird ihr das gemacht haben. Onkel George fand ich im Gesicht garnicht verändert, der Geist eben so wenig. Nur gehen kann er nicht ungeführt. Er war so herzlich und freundlich und behaubtete, mein Besuch stärkte ihm und brächte ihm Glück. Nun adios. Wenn ich Puttchen Königin gesehen, werde ich schreiben. Deine treue Adine Schwerin, den 11ten July 1860 Gestern kam Dein lieber Brief, liebe Elis, wofür ich Dir sehr danke. Ich wollte schon früher schreiben, aber meine Abreise war so unbestimt, daß ich es immer verschob. Nun, denke ich, wird wohl keine Änderung mehr kommen. Meine Enkelchen haben hier den Keuchhusten, und dieser Umstand machte, daß ich ungern fort wollte und doch meine 67 König Georg V. von Hannover (1819–1878). 68 Fürstenkongress in Baden-Baden über Angelegenheiten des Deutschen Bundes und zur Demonstration der Einheit Deutschlands auf Einladung von Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen. Am 16. Juni trafen sich der Prinzregent und weitere deutsche Fürsten persönlich mit dem ebenfalls eingeladenen Kaiser Napoleon III. 69 Philipp Jakob von Karell (1806–1886), russ. Militärarzt und Leibarzt der kais. Familie. 70 50. Todestag von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, gest. am 19. Juli 1810. 71 Tod von Ludwig von Meyerinck (1789–1860), bis 1846 preuß. Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, preuß. Oberschlosshauptmann und wirkl. Geheimer Rat.
1860
419
Schwester von der andern Seite sehen. So schwankte ich hin und her, und dazu kam nun der 19te,72 zu welchen ich gern in Charlottenburg sein wollte, und das ließ sich schwer mit Stolzenfels vereinigen. Da kam gestern Abend ein Telegram von Bruder Wilhelm mit der Nachricht, daß Karell73 Charlotte durchaus vor dem 24ten nicht reisen laßen wollte und daher nun die Brüder bestimt den 19ten in Charlottenburg sein würden. Danach habe ich nun beschloßen, ruhig hier zu bleiben bis zum 18ten, dann nach Berlin zu gehen, den 19ten dort vereint mit den Brüdern zu sein und am selben Abend nach Ems abzureisen, wo ich dann den 20ten mittags bin und dort ruhig abwarte, wann Charlotte reiset und welchen Weg sie nimmt, und mit ihr zurück zu kommen. So ist nun, wie es scheint, alles in Ordnung. Der Besuch von Mariechen und Elsche mit Max und Carl74 werden Dir doch Freude gemacht haben, wenn es auch angreiffend war. Und daß Fritz grade die Tage so besonders gut war, ist ja so erfreulich. Gott wolle ihn so erhallten, und wenn Charlotte kommt, daß sie ihn noch so findet. Aber über Dein Unwohlsein kann ich mich nicht beruhigen. Das Pfeifen auf der Brust, was Dich am Schlafen hindert, ist recht betrübt. Du bedarfst der Kräfte und Stärke! Ich bewundere und verehre Dich doppelt, wie Du die Art hast, mit dem lieben, armen Fritz immer so gleich lieb und freundlich zu sein. Aber er lohnt es Dir auch durch seine Liebe, wie er es immer sucht, Dir zu zeigen, wie er es erkennt und wie er Dich immer am liebsten um sich hat. Daß Treskow75 schon so bald Fritz verlaßen würde, wußte ich nicht. Ich sah ihn also zum letzten [Mal] im Dienst auf der Terrasse. Wie kann ich mir denken, wie schwer es Treskow würde, den armen Kranken zu verlaßen. Er war ihm und Dir so attachiert. Es freut mich, daß er Kanitz76 freundlich empfing. Der ist ihm doch nicht so ganz fremd. Auch freute ich mich, daß Fritz Carl das dritte Armee Corps erhallten.77 Mein Wilhelm ist sehr glücklich darüber. Auch hier von hatte ich keine Ahnung, daß Wilhelm Ratzwill78 den Abschied nehmen wollte. Daß man ihm die Festungen anvertraut, ist gefährlich. Er bleibt doch ein Pohle! Ich sehe, wie lange ich Dir nicht geschrieben, daß ich Dir nicht mitgetheilt, daß 72 50. Todestag von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, am 19. Juli. 73 Philipp Jakob von Karell (1806–1886), russ. Militärarzt und Leibarzt der kais. Familie. 74 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), mit ihrem Ehemann König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864), und ihre Schwester Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885) mit ihrem Ehemann Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877). 75 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, erhielt das Kommando über das 27. Infanterie-Regiment „Prinz Louis Ferdinand von Preußen“ (2. Magdeburgisches). 76 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Hauptmann im 1. Garde-Regiment zu Fuß und als neuer Flügeladjutant zur Dienstleistung bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen kommandiert. 77 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), preuß. Generalleutnant, erhielt das Kommando über das III. Armeekorps in Berlin. 78 Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. General der Infanterie und als Kommandeur des III. Armeekorps abgelöst durch Prinz Friedrich Karl von Preußen. Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen ernannte ihn stattdessen zum Chef des Ingenieur- und Pionierkorps und Generalinspektor der preuß. Festungen.
420
Briefe 1851–1873
ich in Lübeck war, um Puttchen zu sehen. Wegen Sturm kam sie um 3 Uhr an, anstatt 9 Uhr morgens. Ich finde sie unverändert, nicht so stark wie sonst, aber frisch wie eine Rose, etwas verbrand, viel gesprächiger und theilnehmender, sehr herzlich und freundlich. Ich hatte sie seit 11 Jahren nicht gesehen. Die Kleine79 finde ich nicht hübsch, sie sieht aber gescheut aus, und Luise schrieb, sie wäre so lustig und lebhaft. Dann hatte sie 2 Hofdamen, beide nicht hübsch. Die eine ist die vom König.80 Er hat an Fritz Hessen81 sie als solche gezeigt, welcher darüber emphört war. Der Egon Taxes, zweiter Sohn von unserm Vetter, war auch mit.82 Und der machte der anderen Hofdame sehr die Kur, die in ihm ganz verliebt war. Er ist nicht hübsch zu nennen, er ist sehr blond, er war 2 Monate in Schweden. Heute wird Puttchen von Ems abgereiset sein, den 12ten sollte sie sich einschiffen. Nun leb wohl, ich hoffe, am 19ten sehe ich Dich doch. Vielleicht erlaubst Du, daß ich nach Schloss Sanssouci komme und von da abreise. Deine treue Adine Die Generalin von Barner83 kömmt heute, um mir die Tochter als Braut vorzustellen, von Herr von Luck.84 Ich denke mir, daß es ein Sohn von unserm guten Luck85 ist. Wildbad, den 19ten July 186086 Meine liebe Elis, wenn Du auch unsere liebe Mama nicht gekannt hast, so weiß ich doch, daß Du sie so hoch verehrst und liebst wie wir, da Du ja so ganz in unsere Famille hereingewachsen bist und wir Dich garnicht anders wißen, als daß Du unsere Schwester bist. Es klingt vielleicht anmaßend, soll es aber nicht sein, als Dir sagen, daß wir Dich alle so von ganzen Herzen lieben. Den heutigen Tag nicht in Charlottenburg zu sein, kann eigentlich keiner von uns recht ertragen, und auch nicht ein Mal in Preußen zu sein. Das Einzige, was uns tröstet, ist, daß Charlotte dadurch eine Freude hat und daß sie so großen Werth darauf legt, wenigst mit Wilhelm und Carl zusammen zu sein, mit denen sie damals vor 50 Jahren war. Freilich, der arme Fritz fehlt, und wir denken seiner viel. Es war mir sehr interessant, so noch ein Mal von ihm so alles recht genau zu hören. Charlotte 79 Prinzessin Louise von Schweden und Norwegen (1851–1926). 80 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872) war bekannt für seine zahlreichen außerehelichen Beziehungen, eine davon anscheinend offen zu einer Hofdame seiner Ehefrau. 81 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884), verh. 1853 mit Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918). 82 Prinz Egon Maximilian von Thurn und Taxis (1832–1892), österr. Rittmeister, zweiter Sohn von Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802–1871). 83 Ida von Barner, geb. Heim (1796–1873), verh. 1815 mit Ulrich von Barner (1786–1846), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 12. Division. 84 Verlobung von Ida von Barner (1826–1898) mit Ludolf von Luck (1817–1895), preuß. Staatsanwalt und Politiker, Heirat am 26. Okt. 85 Hans von Luck (1775–1859), preuß. General der Infanterie und Generaladjutant a.D. 86 50. Todestag von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, am 19. Juli.
1860
421
finde ich leider garnicht gut.87 Sie ist gegen vergangenes Jahr sehr verändert, viel magerer und hinfälliger, matter. Heute fühlt sie sich selbst krank, fiebrig, Schmertzen im Körper, ißt garnichts und hatte Abweichen,88 was Nachtisch aufgehört. Sie schläft des Nachts fast garnicht und kann daher auch nicht zu Kräften kommen. Es will scheinen, als wenn ihre Natur sich ganz verändert. Die Bäder, die sie sonst so stärkten, schwächen sie und geben ihr Husten und Beklemmungen. Die hat sie aufhören müßen. Brunnen trinkt sie wenig. Kurtz, dies Mal ist die Kur ganz verfehlt, eben so der Aufenthalt von Nizza. Es macht sie so muthlos und alle Umgebung, besonders die Rohrbek und die Michelson.89 Man ist selbst heute ungewiß, ob es noch nach Stolzenfels geht. Ich denke aber doch, denn Charlotte wird es ungern aufgeben, besonders um Luise zu sehen. Jetzt ist bestimt, daß wir Sonnabend um 12 Uhr von hier aufbrechen und um 7 Uhr in Mainz ankommen wollen, den 22ten gegen 11 Uhr nach Stolzenfels aufbrechen und hoffen, Luise zum Eßen dort zu sehen. Heute war General Manteufel90 zu Eßen. Charlotte blieb in ihrem Zimmer. Zum Thee will sie heraus kommen, ob [auch die] Umgebung91 oder nicht, weiß ich nicht. Die Brüder gehen morgen ganz früh nach Baden und werden von da mit uns in Durlach zusammen treffen. Nun leb wohl, Deine treue Adine George92 ist denn hier gewesen. Perponche93 hat mit dem Kronprinzen von Würtemberg94 gesprochen, er selbst nicht. Mary Mutter95 hat nichts dagegen und Charlotte auch nicht. Kränklichkeit und Alter finden sie bedenklich. Die Kleine96 hat nichts gegen ihm, aber heirathen nicht. In Stolzenfels sollen sie sich noch sehen und dann ein Entschluß gefaßt werden!!!97
87 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 88 Durchfall. 89 Frau von Rohrbeck und Frau von Michelson, erste und zweite Kammerfrau bei Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 90 Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. Generalmajor, General à la suite und Chef des preuß. Militärkabinetts. 91 Im Sinne von persönliches Gefolge. 92 Prinz Georg von Preußen (1826–1902), preuß. Generalleutnant und Schriftsteller. 93 Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909), preuß. Rittmeister und Adjutant des Prinzen Georg von Preußen. 94 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891), verh. 1846 mit Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892). 95 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), morganatisch verh. 1853 mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878). 96 Eugenia Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1845–1925). 97 Heiratsplan des 34-jährigen Prinzen Georg von Preußen mit der 15-jährigen Prinzessin Eugenia. Die Heirat kam nicht zustande.
422
Briefe 1851–1873
Abb. 12: Modische Eleganz und Herrscherinnenwürde zeichneten Prinzessin Charlotte von Preußen als Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland aus. Als sie im Sommer 1860 ihren schwerkranken Bruder in Sanssouci besuchte, waren ständiges Herzklopfen, Zittern und Magerkeit bereits Vorboten ihres eigenen Todes. Die Witwe Kaiser Nikolaus I. starb am 1. November in Zarskoje Selo, was vor König Friedrich Wilhelm IV. geheim gehalten wurde.
Stolzenfels, den 24ten July 1860 Geliebte Elis, hier eine Minute zu finden, um nur irgent etwas vorzunehmen, ist wirklich eine Kunst. Aber ich bin von einer Fahrt mit Charlotte zurück geblieben, um Dir zu schreiben. Hier, wo wir beständig Deiner und des lieben Bruders gedenken, lag mir so viel daran, Dir ein Liebeszeichen zu geben. Recht schwer ist uns das Herz, wenn wir so an die sonst so schönen Tagen gedenken, die ihr hier zugebracht. Wir leben sehr still und freuen uns der Ruhe. Jeder ist zufrieden hier und findet sein Zimmerchen himlisch. Die Jugend schwärmt und sing umher. Wir Alten sitzen viel im Zimmer, da Charlotte sich so leicht erkältet und sehr matt ist. Trotzdem ist sie gestern nach Coblenz, Auguste einen Besuch zu machen, was sie natürlich so angegriffen hat, daß mir am Abend ganz bang war. Die Nacht brachte sie fast ohne Schlaf zu. Ich war mit Eugenie98 schon um 8 Uhr nach Ems zu Luise gefahren, die davon so erholt ist, daß man es nicht für möglich hällt. Sie ist stärker und blühender wie je, aber in Acht muß sie sich sehr nehmen. Und sie selbst ist doch auch besorgter um sich wie sonst, obgleich sie sich wohl fühlt. Ihr Artz in Ems ist recht zu frieden mit ihr und meint, das Blut Speihen sei noch nicht bedenklich und könnte leicht wieder kommen, wenn sie nicht sehr aufmerksam auf sich wäre. Das wünscht sie denn doch nicht. Charlotte hingegend ist zum Umpuhsten mitunter. Ihre Kräfte gehen ihr so aus, und sie selbst hat die Überzeugung, daß sie nicht mehr lange lebt. Daher eilt sie nach Rußland zurück und will da sterben unter ihren Kindern und 98 Eugenia Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1845–1925).
423
1860
Enkeln.99 Ach, und wenn man sie sieht, so kann man glauben, daß sie Recht hat. Es schneidet einem durch das Herz. Dann kann sie aber wieder recht kräftig sein und besonders des Abend, denn Menschen muß sie immer um sich haben. Du mußt sie auch sehr verändert finden, grade wie sie damals nach dem Tod des Kaisers heraus kam. Heute ist Stroganof 100 hier angekommen, um Marussi101 nach Torquay abzuholen. Sie ist leidend am Herzen und soll Bäder nehmen, sie ist darüber ausser sich. Er ist nicht schön, sehr brennende Augen, gelb, blaß und dick, wie schrecklich, [sie an] solch einen Mann abzugeben. Nun leb wohl. Die Reise nach Eisenach ist aufgegeben worden, weil Charlotte sich zu schwach fühlt. Wir reisen nun am Donnerstag Abend 7 oder 8 Uhr abends ab und kommen Freitag 7 Uhr früh im Wildpark an. Charlotte bittet, sie ganz in Ruhe zu laßen. Sie will gleich zu Bett und nicht vor 10 Uhr sichtbar [werden]. Victoria hat ja eine Tochter.102 Wenn Mariann nur einen Sohn bekäme.103 Auguste ist zu späth gekommen! Deine treue Adine Charlotte grüßt herzlichst, und freut sich sehr Dich zu sehen. Sans Souci, den 10ten August 1860 Ich will es versuchen, Dir noch ein paar Worte nach Ischl zu schreiben, meine Adine. Ich habe im Geist Deine Spur verfolgt, auf dem mir wohlbekannten Wege, und möchte, Du hättest recht schönes Wetter und könntest die herrliche Gegend recht genießen. Ich hoffe, Du hast Auguste104 besser gefunden und gewiß sehr glücklich über Deine Ankunft. Deine lieben Zeilen aus Berlin haben mich sehr erfreut. Seitdem haben wir Gottlob nun gute Nachrichten von Charlotte gehabt, und gestern hat mir Kayserin Marie telegraphirt, daß sie den 8ten um 1 Uhr mittags angekommen ist und nicht zu fatiguirt, sie alle sehr froh über das Wiedersehen. Auch unterwegs soll sie wohl und munter gewesen seyn, erzählte mir Balde.105 Dönhof106 ist noch etwas in Friedrichstein geblieben. Es rührt mich sehr, daß ihr besorgt um mich seyd. Ich habe nun den Emser Kesselbrunnen empfangen, und er scheint mir gut zu bekommen. Die Nächte sind Gottlob besser. Ich habe nun zwey gehabt, wo ich gleich einschlafen konnte, ohne mit Husten und Rasseln auf der 99 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 100 Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878), morganatisch verh. 1853 mit Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 101 Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914), zur Kur nach Torquay in England. 102 Geburt von Prinzessin Charlotte von Preußen (1860–1919) am 24. Juli. 103 Bevorstehende Geburt von Prinzessin Luise von Preußen (1860–1917) am 25. Juli. Sie war die vierte Tochter von Prinz Friedrich Karl und Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau. 104 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. 105 Conrad Otto Balde (1806–1880), preuß. Oberpostdirektor in Potsdam. 106 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen.
424
Briefe 1851–1873
Brust zu kämpfen, und das ist eine große Wohlthat, wofür ich Gott danke, denn ich wurde doch zulezt ganz matt und muthlos, und es ist gar zu schwer, den beständigen Kummer und [die] Sorge zu ertragen, wenn man selbst leidet. Fritz ist ausser sich, wenn ich huste, und sagt unglaubliche Dinge in seinem Schreck und Aerger. Heute waren wir im Garten der Fürstin und ich hustete, da sagte er: „Es geht nicht mehr, geh hinein, ich kann Dich nicht mehr sehen.“ Als ich wirklich Miene machte weg zu gehen, wollte er natürlich nicht und hielt mich fest. Wie Charlotte weg war, sagte er ein paar Mal: „Schwester, Schwester.“ Er fühlte wohl den Abschied. Ich kann nichts sagen, sagte er an Charlotte. Was mag da in seinem Herzen vorgegangen seyn? Der Abschied von Mariechen107 war auch gar zu traurig. Sie war auch gar zu lieb für ihn und selbst ganz auseinander. Max ging nach Berlin incognito im hôtel de Russie,108 aber Auguste lud ihn alle Tage zum diné auf den Babelsberg, ging auch wegen ihm nach Berlin. Es war eine Herrlichkeit. Gestern ist er abgereist und kam vorgestern noch zu mir zum Abschied, und da ich jetzt der Kur wegen um 3 Uhr essen muß, sezte er sich zu mir und erzählte mir von zu Hause. Ich komme eben von Marianne. Sie ist noch recht blaß und angegriffen, dennoch wird die Taufe im Marmor Palais künftigen Sonntag seyn, und die Kleine soll Luise heißen.109 Die andere Taufe wird Dienstag seyn und die Kleine Charlotte in Erinnerung an Lolo heißen.110 Victoria ist wohl, aber diese Art der englischen Behandlung kann doch nicht gut seyn. Vorgestern fand ich sie bey offenem Fenster liegen, und es war nicht warm, ein Nez auf dem Kopf, im Mousselin Kleid mit weiten Aermeln. Sie sah ein wenig blaß aus, und das Näschen war roth. Fritz Wilhelm und Marianne waren so unglücklich, daß ich gar nicht bey den Taufen seyn wollte, daß ich mich nun entschlossen habe, bey der Wöchnerin im Nebenzimmer zu seyn. Du begreiffst, daß es mir unmöglich wäre, mich zu zeigen und viel Menschen zu sehen. Uebrigens könnte ich es auch körperlich nicht mehr ertragen. Die guten Kinder rührten mich sehr. Auguste reist den 15ten zu einer zweyten Kur nach Baden. Sie war neulich hier bey Fritz, der aber so maussade111 mit ihr war, daß er ihr kein Wort sagte. Uebrigens war er Gott sey Dank besonders gut in der lezten Zeit. Wally Hohenthal ist mit einem Mister Paget, Gesandter in Kopenhagen, versprochen und scheint sehr glücklich.112 Nun lebe wohl, meine Adine, grüße Auguste, Sophie und alle Berge und Seen, auch menschliche Wesen meiner Bekanntschafft, wenn sich jemand meiner erinnert. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
107 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 108 König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864) wohnte inkognito im Hotel „Russischer Hof“ in Berlin. 109 Taufe von Prinzessin Luise von Preußen (1860–1917), geb. am 25. Juli. 110 Taufe von Prinzessin Charlotte von Preußen (1860–1919), geb. am 24. Juli. 111 Frz. = griesgrämig. 112 Verlobung von Walburga (Wally) Gräfin von Hohenthal (1839–1929), Hofdame bei Prinzessin Victoria von Preußen, und Sir Augustus Berkeley Paget (1823–1896), brit. Gesandter in Dänemark.
1860
425 Ischel, den 10ten August 1860
Geliebte Elis, schon so lange ich hier bin, sehne ich mich [da]nach, Dir vom schönen Ischel zu schreiben, wo ich so unendlich viel an Dich denke, denn es ist zu himlisch hier. Bis jetzt haben wir noch gutes Wetter gehabt, nur Dienstag Abend starken Regen, dann wieder helles, klares Wetter. Und Du weißt, was das heißt, hier Jonas Wetter113 zu haben. Meine arme Schwiegertochter fand ich noch ganz im Bett, aber rührend glücklich und dankbar, mich nun bei sich zu haben. Sie steht erst seit 3 Tagen auf, 6–7 Stunden und war gestern zum ersten Mal an der offenen Balkon Thür. Zu erst regte sie es etwas auf, denn sie ist wieder recht schwach. Und daß wir den 16–17ten reisen, daran ist wohl nicht zu denken, und nach meiner Ansicht auch an keinen Besuch in Bertesgaden. Daß wird sich mit der Zeit heraus stellen. Gestern überredete mich Auguste, bei dem schönen Wetter nach Hallstadt zu fahren, und ich bin ganz entzückt. Schon der ganze Weg dahin über Laufen u.s.w. ist reitzend. Und nun von Steig114 zu Wasser auf den grünen, klaren See, mit den schönen Bergen, es ist zu schön. Und die Stadt, sie liegt so romantisch, wie angeklept an den Bergen. Wir eilten, nach dem wir die Evangelische Kirche, die im Bau ist,115 flüchtig [ge]sehn, nach dem Wasserfall, der dann auch über alle Begriffe ist. Halb ging ich, halb ließ ich mich tragen. Zurück jaugsten wir am See bei himlischer Beleuchtung, fuhren dann höchst entzückt und befriedigt nach Haus. Überhaubt, die Gegend, die ganze Lage von Ischel ist über alle Begriffe schön. So hatte ich es mir nicht gedacht. Der Trauensee bei meiner Ankunft überwältigte mich, denn man kömmt so mit einem Mal aus dem Wald, hoch oben, und sieht ihn vor sich liegen. Und der Trauenstein, ich war ganz ausser mir, ich war garnicht zurechnungsfähig. So kam ich hier an, was recht contrastierte mit dem Schmertz im Herzen von dem Abschied von Charlotte. Gott allein weiß, ob wir uns wiedersehen. Nun habe ich schon Nachricht, daß sie glücklich in Petershof angekommen, umgeben von ihren Kindern und empfangen von ihrem Regiment.116 Fritz Carl, der mir gestern schrieb und zu Gevatter gebeten, giebt eine gute Nachricht von Fritz. Er hätte ihn gesehen und gemeint, daß er verstanden, was er ihm von Stettin erzählt. Ich fürchtete, der Besuch und dann der Abschied von Charlotte könnte ihm schaden. Deine Schwester Sophie hat ihre Ankunft auf den 16–17ten herausgeschoben. Danach will man glauben, daß der Kaiser und die Kaiserin117 den 18ten hier feiern und zu bringen wollen. Die Scharnhorst118 ist hier, sie besuchte mich. Ich fand sie 113 Verm. Sturm mit starkem Regen nach dem Alten Testament, Buch Jona, Kap. 1. 114 Steeg am Hallstätter See. 115 Evangelische Pfarrkirche Hallstatt, erbaut 1859–1863. Neben den Stifterfamilien Thurn und Taxis und Mecklenburg-Schwerin beteiligte sich u.a. auch Königin Elisabeth von Preußen an der Finanzierung. 116 Das russ. Leib-Garde-Kürassier-Regiment Ihrer Majestät, bei dem Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, Regimentschefin war. 117 Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) und Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898), in Bad Ischl. 118 Sophie Freiin von Scharnhorst (1796–1876), langjährige Hofdame der Prinzessin Amalie von Schweden im Exil am österr. Hof.
426
Briefe 1851–1873
sehr gut aussehen. Nun leb wohl, grüße den lieben Fritz. Wie wenig haben wir uns gesehen, geliebte Elis. Charlotte klagte auch so darüber. Erst waren Weimars119 daran schuld und dann Auguste, die sich in den Neuen Kammern aufpflanste.120 Deine treue Adine Ischel, den 20ten August 1860 Geliebte Elis, morgen reisen wir nun wirklich ab. Ich danke Gott, daß ich Auguste so weit habe, obgleich sie noch recht schwach ist. Aber der Dr. Bremer121 sagt, es sei viel Nervöses dabei, und da sei Reisen das Beste, besonders da mein Sohn Fritz am 22ten mit uns in Bergtesgaden zusammen trifft. So wäre das das beste Mittel, gesund zu werden. Ehe ich nun die schöne und liebliche Gegend verlaße, muß ich Dir, geliebte Elis, noch ein paar Worte schrei ben. Besonders da ich wohl nicht durch Berlin komme, da es schon lange ist, daß meine Schwägerin Marie von Altenburg in Dobbran bei mir wohnt und ich daher sehr zurück eile. Hier habe ich so viel an Dich gedacht und konnte mir recht denken, wie Du gern hier gewesen bist. Deine Schwester Sophie habe ich nun leider garnicht gesehen. Die letzte Hoffnung war auf heute Abend, wo die Ankunft bestimmt. Allein, es ist wieder abgeändert, und sie kömmt morgen Mittag hier an. Unterwegens werden wir sie vielleicht begegnen. Es ist mir zu leid, und ich habe die Scharnhorst122 recht gebeten, der Erzherzogin mein aufrichtiges Bedauern auszusprechen. Die Scharnhorst legt sich Dir zu Füßen. Es geht ihr sehr gut. Sie macht große Fuß Promenaden und bleibt auf unbestimmte Zeit. Wir haben das schönste Wetter der Welt, für mich nur zu heiß. Ich weiß nicht, ob ich Dir geschrieben, daß ich nach dem Gosau See gewesen, bei einer Afrikanischen Hitze, die mich fast um den schönsten Genuß gebracht. Der Dachstein präsentierte sich aber manifik, und ich bin ganz entzückt davon. Den Wolfgangssee habe ich auch besucht. So glaube ich, habe ich das Sehenswertheste gesehen und genoßen und reise sehr dankbar und entzückt ab. Bekanntschaften habe ich vorgestern Abend im Salon von der Fürstin Schönburg123 gemacht: von ihrer Schwester, der Fürstin Bretzenheim,124 der Fürstin Lichtenstein, unverheirathet,125 der Gräfin
119 Großherzog Carl Alexander (1818–1901) und Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824–1897). 120 Die Neuen Kammern im Park von Sanssouci, erbaut 1771–1775 für König Friedrich II. von Preußen, mit Unterkünften für Gäste und Festsälen. 121 Dr. von Bremer, Kurarzt in Bad Ischl. 122 Sophie Freiin von Scharnhorst (1796–1876), langjährige Hofdame der Prinzessin Amalie von Schweden im Exil am österr. Hof. 123 Fürstin Ludovika von Schönburg-Hartenstein, geb. Prinzessin von Schwarzenberg (1803–1884), verh. 1823 mit Fürst Heinrich Eduard von Schönburg-Hartenstein (1787–1872). 124 Fürstin Karoline von und zu Bretzenheim, geb. Prinzessin von Schwarzenberg (1806–1875), verh. 1831 mit Fürst Ferdinand von und zu Bretzenheim (1801–1855). 125 Mglw. Prinzessin Marie Josephine von Liechtenstein (1800–1884) oder ihre Nichte Prinzessin Marie von Liechtenstein (1834–1909), die 1860 heiratete. Die unverheirateten Töchter der Familie wurden als Prinzessinnen tituliert.
1860
427
Zetcheny,126 Gräfin Lamberg, eine hübsche Frau,127 des Fürst Jablonofsky128 und des alten Wallmoden,129 der 91 Jahre, aber so degoutiert130 ist, denn er sabbert wie ein Kind und stinkt. Heute Abend bin ich zum Abschied noch bei der Schönburg. Sie wohnt ganz nahe von uns und war bis jetzt krank von Gallen und Augen Leiden. Sie soll noch nach Karlsbad. Ich hoffe, mit dem lieben Bruder Fritz geht es wie bisher. Grüße ihn von mir, und Dir, hoffe ich, thut die Kur vom Ems gut. Gott sei mit Euch allen, Deine treue Adine Ludwigslust, den 11ten September 1860 Meine liebe Elis, es zog mich recht zu Dir hin seit dem Tod des theuren Onkel, um mit Dir zu weinen.131 Denn ich weiß, wie lieb Du ihn hattest, und er liebte und verehrte Dich ganz besonders. Noch das letzte Mal, als ich bei ihm war im Juny, sprach er mit solcher Liebe von Dir. Freilich kann man in seinem hohen Alter nicht klagen, wenn dann der Herr ihn zu sich ruft. Allein, es ist eine große Lücke, die sich mit der Zeit noch fühlbarer machen wird. Für Strelitz, für Mecklenburg ist es ein großer Verlust. Sein Rath wird uns oft fehlen. Und nun sein blinder Nachfolger.132 Das ist auch etwas so Trauriges, worüber man nicht fort kann. Er, der arme Fritz, jammert mich schrecklich, denn jetzt fühlt er von Neuen, was ihm fehlt. Gott wird ja alles nach seiner Weisheit einrichten. Ich war in Strelitz, ich kann wohl sagen, nur auf ein paar Stunden. Ich wünschte so sehr, die lieben Zügen des theueren Onkel noch ein Mal zu sehen und nicht bei der Beisetzung zu sein. Dies war allen auch so lieber, und so reisete ich Sonntag Morgen 5 Uhr von Dobbran fort und kam gegen 3 Uhr in Strelitz an, von Auguste empfangen. Alle andern war im Schweitzerhaus. Sie ist sehr traurig, denn sie liebte ihren Schwiegervater aufrichtig. Ich dinierte mit ihr um 4 Uhr. Um 5 Uhr fuhr ich mit meiner Schöning nach dem Schweitzerhaus, daß so still und friedlich liegt. Die armen Marie und Lilli wohnten schon seit 4 Tagen in 1 Zimmer in ein Försterhaus, was unten gleich an der kleinen Höhe, wo das Haus liegt. Sie ist unbeschreiblich traurig, aber doch ruhiger und stiller, als wie ich es mir dachte, so dankbar für die lange, schöne Zeit seines Lebens, und gönnt ihm das stille, sanfte Ende. Vom Dienstag an hat er nicht mehr gelitten und war bis 2 126 Verm. Krescenzia Gräfin Széchényi, geb. Gräfin von Seilern und Aspang (1799–1875), österr. Palastdame, verh. 1836 mit István Graf Széchenyi (1791–1860) ungar. Staatsreformer und Unternehmer. 127 Maria Gräfin von Lamberg (1833–1876). 128 Fürst Karl Jabłonowski (1807–1885), österr. Kammerherr, Ständepolitiker und Gutsbesitzer in Galizien. 129 Ludwig Graf von Wallmoden-Gimborn (1769–1862), österr. General der Kavallerie. 130 Frz. = abstoßend. 131 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) war am 6. Sept. im Alter von 81 Jahren in seinem Jagdhaus „Schweizerhaus“ bei Carpin gestorben. 132 Eine Augenverletzung hatte Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz über mehrere Jahre erblinden lassen.
428
Briefe 1851–1873
Stunden vor seinem Ende bei voller Besinnung. Sein letztes Wort war „Prinz Regent bitten.“133 Da hat ihm die Sprache versagt, und man weiß nicht, was er gewollt. Auch hat er kein Wort des Abschiedes gesagt. Nur um 5 Uhr Nachmittags, wo alles glaubte, es ginge zu Ende, hat er die Augen wieder aufgeschlagen und gesagt „zu früh zum Abschied, herausgehen.“ Aber da hat er jeden mit brechenden Augen angeblickt und mit der Hand freundlich gewinkt. Er liegt in sein kleines, grünes Schlafzimmer, schon im Sarg, aber alles mit weißen Tüchern besteckt, so daß man es nicht bemerkt, mit Blumen bedeckt, in seiner kleinen Hofuniform, wie er immer ging, und sah aus, als wenn er recht fest eingeschlafen wäre, der Mund zusammen, aber breit gezogen, und dabei ganz unverändert. Es war mir doch so sehr lieb, ihn noch ein Mal gesehen zu haben. Der ganze Eindruck war so friedlich, das Haus klein und einfach, umrauscht von dem schönsten Buchenwald, die Luft so mild, der kleine See lag so still zu den Füßen der Anhöhe. Ich mochte garnicht fort, und so ist der Eindruck von jedem der Famille, die sich bis gestern Abend noch dort um Marien versammelt, die dort geblieben bis heute, wo nun der theuere Onkel nach Strelitz in der neuen Schloßkirche gebracht und ausgestellt ist. Sie hat ihn in sein gewißen, gelben Wagen, in den er seit 50 Jahren gefahren ist, begleitet bis zur Kirche, aber nicht ausgestiegen, sondern nach dem Schloß gefahren. Welch eine Fahrt und welch ein Ankommen im leeren Schloß. Morgen bleibt der liebe Onkel noch ausgestellt bis abends, daß George von Hannover134 ihn noch sehen kann. Am Donnerstag 7 Uhr wird er fort gebracht nach Miro, wo sie denken um 1 Uhr anzukommen. Wie hat denn Fritz die Nachricht aufgenommen, oder hast Du es ihm noch nicht gesagt? Es wird ihm sehr betrüben, wenn er es erfahren wird. Der liebe Onkel war uns wirklich wie ein Vater. Mit ihm sinkt die ganze alte Zeit im Grabe und viele traditionen. Ich bin dann am Montag um 11 Uhr wieder abgereiset von Strelitz. Katy und George sind beide sehr betrübt, besonders George, der ist ganz geknickt und gebeugt. Seine Kinder135 sind allerliebst, die älteste gleich der Großmama Helene.136 Der Junge hat etwas von Großpapa George, der die Kinder am Sterbetag noch um 2 Uhr gesehen und an die Bonne ein paar englische Worte gesagt. Ich kam gestern Abend 10 Uhr hier halb tod an und bin heute so matt und abgespannt wie lange nicht. Der Schmertz ist doch sehr groß. Meine Schwiegermama finde ich auch nicht gut, unbeschreiblich schwach und wenige Stunden nur aus dem Bett. Mir wird doch auch ein bischen bange. Nun leb wohl, grüße Fritz, Deine treue Adine Wir trauern als ein Haus 3 Monate erst in Wolle, Schleier und Schnippe.137
133 Prinzregent Wilhelm (I.) von Preußen. 134 König Georg V. von Hannover (1819–1878). 135 Herzogin Helene (1857–1936) und Herzog Georg Alexander zu Mecklenburg-Strelitz (1859– 1909). 136 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 137 Die schwarze Schneppe oder Schnippe, eine spitz zulaufende Frauenhaube, war im 19. Jahrhundert
1860
429
Ludwigslust, den 18ten September 1860 Geliebte Elis, heute Morgen bekam ich Deinen lieben Brief, wo Du auch so recht traurig schreibst über den Tod des lieben, theueren Onkel George.138 Ja, mit ihm geht eine ganze Zeit unter und eine reiche Vergangenheit. Nun haben wir auch garkeinen Onkel mehr. Mit ihm schließt sich für uns Geschwister dieser Nahme auf immer. Es ist an sich eine Kleinigkeit, aber es thut doch wehe. Ich freue mich, daß die arme Marie mit Bruder Wilhelm gesprochen hat. Es fällt doch auf guten Boden und machte grade in diesem Augenblick gewiß einen guten Eindruck. Sie hat in diesem Schmertz den rechten Weg gefunden, daß heißt den Weg zum Herrn, von dem allein der wahre Trost kömmt. Also hat der arme Fritz den Tod des lieben Onkels erfahren. Er muß doch auch viel Liebes verliehren in seiner kranken Zeit. Wie mag ihm das schmertzen, das Wort Wiedersehen finde ich auch recht wehmüthig und traurig. Ich sah in der Zeitung, daß Addi nach Erdmannsdorf139 abgereiset war, und dachte mir gleich, daß sie schöne, reine Luft genießen sollte. Sie wird dort aber recht einsam sein, da Elschen nicht mehr in Fischbach140 ist. In Stonsdorf141 ist auch alles verreist. Ich denke mir, Mary schämt sich, [sich] in ihrem Zustand zu zeigen, wenn es jetzt auch rechtmäßig ist.142 Marussi143 hat Dir gefallen, sie ist auch ein liebes Wesen. Mein Wilhelm wird sie nicht gesehen haben, da grade große Manövertage waren. Und so ist es auch viel besser. Morgen ist nun bei Wittstok alles vorbei, und am Abend späth erwarten wir unseren Fritz zurück mit Hugo, der heute dort angekommen sein wird, vielleicht auch Wilhelm. Dann sind von Montag an Jagten in Friedrichs Moor, wozu Fritz Carl auch kommen will. Es ist wegen der Trauer aber keine fremde Herrn eingeladen. Hier lege ich Dein couvert ein, wo Du darauf geschrieben: „Sa Majesté.“ Wenn Du es nicht selbst siehst, so glaubst Du es gewiß nicht. Es amüsierte mich aber zu sehr. Ich sehe aber recht daraus, wie Du eilig und flüchtig nur schreiben kannst, wie ich daher doppelt Dir dankbar sein muß, wenn Du mir schreibst. Der Monat Oktober ist nun zimlich nahe, und da überfällt mich dann eine Sehnsucht und Unruhe, Dich und den lieben Fritz ein Mal wieder zu sehen. Ich weiß aber garnicht, wann es Dir angenem und lieb sein könnte, daß ich ein Mal wieder nach Sanssouci komme, ob es um den 15ten Oktober oder späther oder Anfang November sein könnte. Ich erwarte von Deiner Liebe und Freundschaft, daß Du es mir ehrlich und offen sagen wirst, wann es Dir passet. Meine Idee ist sonst, recht still und ruhig den Herbst in Schwerin zu bleiben. ein Teil der Trauerkleidung vor allem evang. Damen des Hochadels, während kath. Damen meist schwarze Schleier trugen. 138 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860), gest. am 6. Sept. 139 Sommerresidenz im Hirschberger Tal in Schlesien. 140 Sommerresidenz im Hirschberger Tal in Schlesien im Besitz von Prinzessin Elisabeth von HessenDarmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 141 Schloss im Hirschberger Tal in Schlesien der Fürsten von Reuß-Köstritz. 142 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), morganatisch verh. mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878), war schwanger mit ihrer Tochter Helene Grigorjewna Gräfin Stroganowa (1861–1908), geb. am 21. Jan. 1861. 143 Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914).
430
Briefe 1851–1873
Am 1ten Oktober siedeln wir alle nach Schwerin über. Noch muß ich bemerken, daß unsere tiefe Trauer mit Schleier und Schnippe144 bis zum 20ten Oktober dauert, im Fall, es Fritz unangenem sein könnte. Leb wohl, Du Liebe, Deine alte Adine Ich theile von Herzen die Freude, Winkelmann145 wieder gesund zu haben. Die liebe, alte Mama erholt sich sichtlich. Das ist eine große Freude. Schwerin, den 8ten Oktober 1860 Geliebte Elis, seit Sonnabend Mittag sind wir nun hier im Winterquartier eingezogen, zum Glück bei schönem Sonnen Wetter. Und jetzt ist es auch noch leidlich, und Auguste geht es bis jetzt gut. Mit Deiner lieben Erlaubnis werde ich also Sonnabend, dem 13ten, über Berlin um 8 Uhr in Sanssouci eintreffen. Mein armer Schwiegersohn Hugo wird mich begleiten bis Berlin, da sein Regiment Marschorder bekommen.146 Er wird Sonntag auf jeden Fall bleiben, um sich zu melden und Deine Befehle zu erwarten, wenn Du ihn sehen willst, vielleicht auch den 15ten. Sein Regiment marschiert nicht mit [der] Eisenbahn, und da geht das sehr langsam, daß er es immer doch einholen kann. Mir ist recht bang, ihn nach Italien gehen zu sehen. Es ist grade so, als wäre es in Feindes Land. In Italien geht es zu toll zu, kein Glaube, keine Ehre. Garibaldi147 ist mir doch der Liebste von allen andern Verräthern, denn er ist ein Räuber und sagt genau, was er will. Victor Emanuel148 ist der Verächtlichste, als ein gebohrener Königs Sohn. Du wirst lachen über mein Urtheil. Ich hoffe sehr auf Nachricht aus Petersburg, denn Charlotte scheint doch garnicht gut zu sein. Wenn das nun schon anfängt noch in der guten Jahreszeit und bei schönem Wetter. Mir ist zu lieb, Elise Fersen nun wieder in ihrer Nähe zu wißen. Da weiß man sie in treuen Händen und bekömmt richtige Nachrichten. Luise schreibt mir ganz jammervoll, daß ihr Fritz diese Woche nach Berlin komt und nach Muskau geht. Und sie bleibt zurück, aber ich freue mich nur, daß sie endlich so vernünftig ist und sich ruhig hällt. Man sieht aber recht, wie ihr das Blutspeien in England für einen Eindruck gemacht. Was sind das für ein paar jammervolle Schwestern. Mir geht es vielleicht zu gut, ich bin dick zum Platzen. Gott gebe, daß unser lieber Kranker in den Tagen, die ich in Sanssouci zubringe, sich gut befindet. Er hällt sich doch jetzt schon ziemlich lange, unbe-
144 Die schwarze Schneppe oder Schnippe, eine spitz zulaufende Frauenhaube, war im 19. Jahrhundert ein Teil der Trauerkleidung vor allem evang. Damen des Hochadels, während kath. Damen meist schwarze Schleier trugen. 145 F. Winckelmann, 1843–1865 Kammerdiener bei Königin Elisabeth von Preußen. 146 Prinz Hugo von Windisch-Graetz war zweiter Oberst im österr. 11. Husaren-Regiment „Herzog Alexander von Württemberg“. 147 Giuseppe Garibaldi (1807–1882), ital. General und Freiheitskämpfer für das Risorgimento, die Bewegung zur Unabhängigkeit und Einigung Italiens. 148 König Viktor Emanuel II. von Sardinien-Piemont (1820–1878).
1860
431
rufen und drei Kreutze gemacht. Nun leb wohl. Kann ich schon im Trauerzimmer wieder wohnen? Deine alte Adine Aus Strelitz habe ich von Marie so liebe Andenken vom theuern Onkel erhallten, ein Christus von dem Schreibtisch, dann ein gebrauchtes, klein Flasche odeur und ein Schnupftuch, was noch auf seiner servante lag. Du kannst denken, wie mich das glücklich macht. Schwerin, den 2ten November 1860 Meine Herzens Elis, wie danke ich Dir für Deinen lieben Brief. Ich wußte wohl, daß Du die theuere Charlotte aufrichtig beweinen würdest, denn sie war Dir eine treue Schwester.149 Sie liebte Dich wahr und innig, und noch das letzte Mal in Berlin sprach sie mit solcher innigen Liebe von Dir. Sie verehrte Dich und hielt Dich hoch und war so für Dich besorgt, daß Du Dich recht pflegen möchtest, um auch die Pflege mit rechter Kraft für den geliebten Kranken fortführen zu können. Der arme Fritz! Ach, er mag wohl eine Ahnung haben, ohne es zu wißen, daß ein Glied aus dem Geschwister Kreise geschieden ist, ein Herz zum Ewigen Frieden eingegangen, was ihn so innig liebte. Sie wird am Thron des Allmächtigen für ihn beten. Die Überzeugung habe ich, daß sie gern gestorben ist und daß sie ganz dafür vorbereitet war. Wie oft sprach sie es mir aus, daß sie ihr Ende herannahen fühlte und daß sie Sehnsucht hätte nach dem Himmel, wo ihr Liebstes weilte. Und einen solchen kranken Körper hinter sich her zu ziehen, sei auch keine Freude mehr. Sie ist gewiß freudvoll daheim gegangen. Aber wir Armen, wir Geschwister, wir weinen bitterlich ihr nach. Sie war eine solche treue, liebevolle Schwester, und für mich, die ich in so vielen Trauer Zeiten ihr nahe war und zur Seite stand, mir bricht fast das Herz, was so mit ihr verwachsen war. Gott giebt aber Trost zum Tragen. Ich habe schon viel Schweres tragen müßen, und so wird Er auch ferner helfen. Die Brüder, die nach Petersburg gehen, haben einen schweren, schmertzlichen Gang vor sich.150 Und doch, wie gerne würde ich mit, um wenigstens die theure Schwester noch wieder zu sehen und an ihrer Hülle zu beten. Denn es zieht mich mit Macht dahin. Allein, ich weiß recht gut, daß das nicht geht, und wie allein würde ich dort stehen ohne sie. So bete ich hier viel und oft für sie. Leb wohl, geliebte Elise, grüße Fritz von mir. Eben bekome ich die Nachricht, daß meine liebe, alte Mama hier zu mir nach Schwerin unterwegens ist, um mich zu sehen. Dies verursacht mir große Angst. Es ist so kalt, und sie ist doch dazu noch nicht kräftig genug und 84 Jahre alt. Deine treue Adine 149 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, war am 20. Okt./1. Nov. in Zarskoje Selo gestorben. 150 Die Prinzen Carl und Albrecht von Preußen zum Begräbnis ihrer Schwester nach St. Petersburg.
432
Briefe 1851–1873
Mein Sohn Wilhelm geht auch heute mit einer depoutation des Regiments nach Petersburg.151 Dies Wiedersehen mit Marusi152 ist mir nicht lieb. Schwerin, den 8ten November 1860 Geliebte Elis, Gott sei Dank, daß Fritz sein Unwohlsein nur so leicht gewesen und seine gute Natur es leicht überwunden hat. Aber mein Schrecken war groß, als ich es in einer kleinen Zeitung fand und auch ein Brief aus Berlin an meine Umgebung es erwähnte. Und als ich telegraphierte, war die Gefahr schon längst vorüber. Ich muß aber die Adjudanten verklagen. Grade auf den Tag sind es 14 Tage, daß ich zu letzt Nachricht hatte und zwar auch von Graf Kanitz.153 Alle andern hatten mich vergessen. Das Gute will man doch auch wißen. Ach, ich bin in dieser Zeit so angst- und zaghaft. Gott kann auch ferner helfen, und wir müßen alles in Seine Hände geben. Was hast Du aber für Tage wohl wieder durchgemacht? Wie wirst Du gelitten haben? Und ich wußte so garnichts davon, konnte nicht aus der Ferne für Dich beten und an Dich ganz besonders denken. Morgen Mittag wird nun die liebe Verklährte nach Tschesme (Invaliden-Haus), dicht vor Petersburg gebracht, wo sie die Nacht bleibt. Und Sonnabend kömt sie dann nach der Festung in Petersburg selbst, wo sie bis Donnerstag stehen bleibt und dann zur ewigen Ruhe hinabgesenkt wird.154 Dies sind noch alles schwere Tage. Wenn alles vorbei ist und Du erlaubst, so möchte ich Sonnabend den 17ten nach Sanssouci kommen auf einige Tage, und über Berlin gehen, um erst Bruder Wilhelm wieder zu sehen, was recht traurig sein wird. Ich kann ja wohl in meiner Trauer kommen, da auch die Trauer für Onkel George noch nicht aus ist. Ich trauere 2 Monate also nun noch ganz schwartz und selbst in Wolle. Die Brüder155 haben die Reise von Berlin nach Petersburg in 3 Mal 24 Stunden gemacht, so auch mein Wilhelm. Er hat meine theure Schwester sehr verändert gefunden! Nun leb wohl, ich hoffe, es geht mit Deiner Gesundheit gut, damit Du Kraft behällst. Deine traurige Adine Schwester Luise geht es bis jetzt gut. 151 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin als preuß. Oberstleutnant und Kommandeur mit einer Abordnung seines Regiments, des Kürassier-Regiments „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ Nr. 6, deren Regimentschefin die verstorbene Kaiserin von Russland gewesen war. 152 Verm. Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841– 1914). Siehe Brief vom 18. Sept. 1860. 153 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Hauptmann und Flügeladjutant. 154 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, war am 20. Okt./1. Nov. in Zarskoje Selo gestorben. Sie wurde von dort zunächst in das Tschesmensker Palais vor St. Petersburg gebracht. Anschließend wurde die Verstorbene in die Peter-und-Paul-Festung in St. Petersburg überführt und in der Grablege der russ. Zarenfamilie in der Peter-und-PaulKathedrale bestattet. 155 Die Prinzen Carl und Albrecht von Preußen zum Begräbnis ihrer Schwester in St. Petersburg.
1860
433 Schwerin, den 12ten November 1860
Geliebte Elis, was hast Du angefangen, um auf das Gesicht zu fallen? Du hast Dich gewiß sehr wehe gethan. Nun weiß ich garnicht, ob Du mich wohl früher annehmen wirst wollen. Es hat sich nehmlich wieder alles geändert. Bruder Wilhelm schrieb mir heute, daß am 15ten, am Beerdigungstag, er eine Panachyt156 hallten laßen wollte und ob ich nicht dazu hinkömme. Nun war es schon lange mein Wunsch, eine für die theuere Schwester zu hören, da ich so oft mit ihr bei dem seeligen Kaiser zugegen war. Also habe ich mich schnell entschloßen, werde Donnerstag eintreffen. Ich wäre lieber schon Mittwoch in Berlin gewesen. Allein, ich hatte mich entschloßen, grade den 15ten hier zum Abendmahl zu gehen, um so den Tag zu begehen und mir selbst Trost am Tisch des Herrn zu holen. Nun nehme ich es am Mittwoch, denn ich kann es unmöglich aufgeben. Ich freue mich zu sehr dazu! Wenn Du mich also Donnerstag Abend bei Dir aufnehmen willst, so würde ich sehr glücklich sein. Sollte es Dich aber jetzt genieren, so schreibst Du es mir wohl aufrichtig. Den Mittag wollte ich mit Bruder Wilhelm zubringen, der sehr sehr traurig zu sein scheint, was wohl natürlich ist. Daß der arme Bruder Fritz sich wieder so schnell erholt hat, ist wirklich wunderbar, und grade jetzt, wo es so abscheulich kalt ist. Heute morgen waren 3° Kälte, und auf dem Wassergraben lag Eis, und seit vielen Tagen haben wir bestendig Nord oder Ost Wind, der grade auf meinem Fenster steht. Ich habe heute eine Abschrift eines Briefes von Olga an uns Schwestern und Brüder an Wilhelm geschickt und gebeten, ihn Dir auch zu geben. Darin wirst Du sehen, daß sie Dich genannt und nach Dir gefragt. Es thut so wohl, daß sie, die Verklährte, an uns gedacht. Der ganze Brief wird Dir recht wohl thuen. Es ist so ein Ton des Friedens drin, ein Abglanz des schönen, sanften Einschlafens. Nun leb wohl, ich hoffe also auf baldiges Wiedersehen. Deine treue Adine Haag, Hous de Paws,157 den 2ten December 1860 Geliebte Elis, Du mußt doch die Erste sein, welche Nachricht von uns hier erhällt. Gott sei Dank fand ich Luise wohl, und die große Trauer hat ihr bis jetzt nicht geschadet. Aber meine Ankunft hat sie doch sehr ergriffen, daß sie gestern schreckliche Kopfwehe hatte und die beiden Nächte wenig geschlafen. Heute geht es mit dem Kopf besser, aber er ist angegriffen, wie der ganze Körper. Und eben hat sie sich zurückgezogen, um zu ruhen, denn um ½ 6 Uhr zum Diner kommt Königin Sophie mit Sohn Prinz von Oranien,158 der Herzog Bernhart von Weimar mit Sohn Gustav,159 der in östreichischem Dienst und bei 156 Russ. panikhída = orthod. Gedenkgottesdienste für Verstorbene. 157 Huize de Paauw, seit 1838 Residenz von Prinz Friedrich und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 158 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), mit ihrem ältesten Sohn Kronprinz Wilhelm der Niederlande, Prinz von Oranien (1840–1879). 159 Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach (1792–1862), niederl. General der Infanterie a.D.,
434
Briefe 1851–1873
Solferino blessirt war im Arm. Gestern Morgen war ich zur visieten bei Königin Sophie, die sehr hustet, aber recht gut aussieht. Auch den jüngsten Sohn Alexander160 sah ich, er ist unschön!! Heute war ich in der deutschen Kirche,161 wo ein vorzüglicher Prediger ist, den Nahmen weiß ich nicht. Das Wetter ist im Ganzen gut, wenigstens sind mehrere Stunden Sonnenschein. Ganz früh gehe ich spazieren. Sonst kann ich nicht heraus, weil ich dann bei Luise sitze. Natürlich dreht sich unser Gespräch meist um der lieben Charlotte. Wir können so recht viel über sie sprechen und können dann doch die Wahrheit kaum faßen. Ach, es ist auch garzu schrecklich und schwer, den Gedanken recht zu faßen, daß sie uns so ganz und auf immer entrißen ist. Von Dir, liebe Elis, und von dem lieben Fritz sprechen wir auch so oft und viel, und wie wir Dich so hoch stellen und Dich bewundern, wie schön Du Deinen Liebes Dienst durch führst. Nur Gebet und die Gnade Gottes kann Dir diese Kraft geben. Gott wolle auch weiter helfen. Bei meiner Durchreise durch Potzdam sah ich schon lange den hellen Punkt auf Sanssouci. Es war wie ein Stern, der mir leuchtete. Und doch war es auch so traurig, wenn ich an Euch dort oben dachte, und ein stilles Gebet stieg zum Herrn für Euch auf! Unser Beisammensein hier auf dem Lande ist eine rechte Wohlthat, und ich hoffe, es wird Luise auch recht wohlthuen. Bis jetzt haben wir Mittag und Abend allein zugebracht. Mein Wilhelm muß auch noch viel erzählen, was Luise so lieb ist, doch noch mehreres zu hören. Hous de Paw ist sehr hübsch und warm, die Zimmer allerliebst eingerichtet. Ich wohne dicht neben Luise, was so bequem ist. Der Garten muß im Sommer prächtig sein, da sehr viele schöne, alte Bäume sind, sehr hübsche Anlagen und Wege. In den weiteren Theilen des Gartens oder Besitzung bin ich nicht gewesen. Nun leb wohl, ich muß mich anziehen zum Diner. Grüße Fritz von uns beiden und Luise küßt Dich. Jetzt wäre es ihr unmöglich zu schreiben, sie ist zu angegriffen. Deine treue Adine Haag, den 10ten December 1860 Geliebte Elis, die Tage meiner Abreise rücken so mächtig nahe, daß ich eile, Dir noch ein Mal Nachricht von hier zu geben, und besonders von der lieben Luise, der es bis jetzt recht gut geht. Die ersten 2 Tage meines Hier Seins hatte sie viel Kopfweh und konnte nicht recht schlafen. Aber nun, seit 8 Tagen, geht es ihr ganz gut und wir können uns recht genießen. Obgleich doch darauf gesehen werden muß, daß sie nicht zu lange hinter einander spricht, so daß wir nie länger als 1 ½ Stunde beisammen sind und sie sich dann eine Stunde ausruht. Um ½ 10 Uhr caffeen wir zusammen und bleiben wohl bis gegen 11 Uhr sitzend mit Arbeit. Dann legt sie sich in ihrem Cabinet hin und liest oder thut garnichts. Um 12 Uhr gehen wir dann spazieren. Sie scheut kein Wetter. Es muß nur Reiseschriftsteller und Mathematiker, mit seinem Sohn Prinz Gustav von Sachsen-Weimar-Eisenach (1827–1892), österr. Oberst im 21. Infanterie-Regiment „Freiherr von Reischach“. 160 Prinz Alexander der Niederlande (1851–1884). 161 1857 war im Haag eine Deutsche Evangelische Gemeinde gegründet und 1861 eine Kirche errichtet worden.
1860
435
Abb. 13: Als Prinzessin der Niederlande residierte Luise von Preußen im Palais Huize de Paauw unweit von Den Haag, wo sie, lange gepflegt auch von ihrer Schwester Alexandrine, 1870 starb.
nicht regnen oder starker Wind sein. Und bis jetzt haben wir noch immer mildes Wetter, 5–6° Wärme, mitunter ein paar Stunden Regen oder starken Nebel, aber immer so, daß ich täglich 2 Mal spazieren kann. 2 Mal haben wir auch in einem kleinen Wagen aus Torqua162 Fahrten gemacht in den weitläufigen Park. Der Wagen ist für 2 Personen, ganz klein, wie ein Kinder Wagen, mit 2 kleinen Pferden, die so schnell laufen. Es ist eine scharmante Equipage. Man sitzet sich gegenüber, und da zieht dann Luise das Rückwärtssitzen vor, um der Luft nicht einzuathmen. Den Sommer muß es hier ganz wundervoll sein, so prächtige Bäume, Eichen und Buchen. Und jetzt ist noch so viel Grünes, wie Rodedendron, Stechpalm und eine Art Lorbeer. Überhaubt schien mir das Clima viel wärmer wie bei uns. Im Frühjahr, sagt man, wäre es fatal wegen die kalten Winde und dem vielen Nebel. Vorgestern war ich mit Mariechen nach Schewening163 gefahren, bei einem ganz warmen, sonnigen Tag. Das Meer war so blau und nur wenig bewegt, eigentlich zu wenig, weil es Landwind war. Wir hielten uns erst beim Badehaus und dann im Pavillon von Luise [auf ]. Es war zu schön, ich konnte garnicht fort finden. Luise war nicht mit, weil zu Tisch einige Personen eingeladen waren, und da wollte sie nicht zu viel thuen. Heute haben wir Königsmark,164 gestern Sonntag König und Königin, Prinz Oranien,165
162 Verm. Torquay, Kurort in England, wo Prinzessin Luise der Niederlande zur Kur gewesen war. 163 Scheveningen, größtes Seebad der Niederlande. 164 Hans Graf von Königsmarck (1799–1876), preuß. Gesandter in den Niederlanden. 165 König Wilhelm III. (1817–1890) und Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Würt-
436
Briefe 1851–1873
Herzog Bernhart von Weimar und sein Sohn Gustav166 in östreichischen Dienst und mehrere Damen und Herren vom königlichen Hof. Die andern Tage waren abwechselnd von ihren früheren Hofdamen, die hier verheirathen sind, zum Eßen. Morgen kommt Königin Anna167 herein vom Land, was mir äusserst angenem. Da brauche ich nicht zu ihr heraus. Am Mittwoch werde ich dann noch mit Luise meine visiete machen und Donnerstag reise ich morgens 10 Uhr ab. Die Trennung wird uns recht schwer werden! Ich mache dann am Freitag meinen Besuch in Hannover und komme, wenn Du es erlaubt, Sonnabend Abend 9 Uhr in Sanssouci zu Dir, bleibe Sonntag und gehe Montag zum Eßen zu den Brüdern nach Berlin, wo ich auch noch Einkäufe besorgen will. Ich schreibe gleich alle meine Pläne, damit Du, liebe Elis, weißt, was ich vorhabe. Ich hoffe, Dich recht wohl wieder zu finden, und Fritz wohl, wie ich ihn verlaßen. Deine treue Adine Schwerin, den 30ten December 1860 Geliebte Elis, wie sind die Nachrichten vom lieben Bruder Fritz doch so bedenklich!168 Was mußt Du für Tage wieder durchleben, aber es scheint nach einem Brief von Werder169 vom 28ten, daß es doch etwas besser ging. Daß der liebe Kranke Austern und Galle mehrfach gegessen, daß wird ihn denn wohl wieder langsam heraus heben. Meine Gedanken und Gebete umgeben Dich beständig. Und wenn ich meinem Herzen folgte, so käm ich zu Dir nach Sanssouci. Denn der Gedanke, Dich so allein dort zu wißen, finde ich schrecklich. Ich denke aber, so wie wir beide zusammen stehen, würdest Du ein Wort mir sagen, wenn Du mich haben wollst und ich Dir nützlich sein könnte, auch nur darum, um zu wißen, daß ein Wesen da ist, was Dich innig liebt und daß im Trauer Zimmer sitzet, und Du kannst mir Deine Angst mit theilen und bist nicht allein. Ich hoffe, daß morgen wieder ein Brief vom Adjutanten kommt, daß ich noch im alten Jahr weiß, wie es geht. Welch ein Jahreswechseln wieder, Sorge und Trauer begleiten uns alle. Gott möge uns Kraft geben, daß so zu tragen, was er uns auferlegt, wie es Sein Wille ist. Deine treue Adine
temberg (1818–1877), mit ihrem ältesten Sohn Kronprinz Wilhelm der Niederlande, Prinz von Oranien (1840–1879). 166 Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach (1792–1862), niederl. General der Infanterie a.D., Reiseschriftsteller und Mathematiker, mit seinem Sohn Prinz Gustav von Sachsen-Weimar-Eisenach (1827–1892), österr. Oberst im 21. Infanterie-Regiment „Freiherr von Reischach“. 167 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865). 168 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war todkrank. 169 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Major und Flügeladjutant.
1861 Schwerin, den 8ten Januar 1861 Ich bin mit meinen Gedanken den ganzen Tag heut mit Dir und möchte so gern Dir diesen schweren Tag tragen helfen. Aber Menschen können nichts als beten und den Herrn anrufen, daß er Dir Trost und Kraft verleiht, daß zu thuen, was man glaubt, [dass es] das Beste und Vernünftigste auf Erden ist, und darin Beruhigung finden, es so zu tragen, wie der Herr es will. Ich sehe Dich noch im lieben Sanssouci, wo Du alle Zimmer durchgehen wirst und alle Plätze aufsuchen, wo Du mit dem lieben Fritz die letzten Jahre so viel gewesen bist. Zuletzt wirst Du noch beten an dem Bett, wo er seine schöne Seele ausgehaucht, nach dem der Herr ihn schwer geprüft, und sich vorbereitet hat zu Seiner Selligkeit.1 Die Ankunft in Charlottenburg wird aber so trüb und schwer sein, und nun heute dies trübe, traurige Wetter, was alles viel trüber erscheinen läßt, und Du nun die Zimmer findest und bewahren wirst, wo Du auch so glückliche Tage mit ihm zubrachtest. Daß wird recht, recht schwer sein, dann dort so fort zu leben. Aber es ist gewiß für Deine Gesundheit so besser. Der Herr wird auch dort mit Seiner Liebe und Schutz Dir zu Seite stehen. Auguste fand ich schwach. Gestern aber war sie auf, und ich habe bei ihr gegessen. Dieser Magenkrampf kommt nur zu oft. Sie sieht furchtbar aus und ist recht hinfällig. Nun leb wohl, in Gedanken bin ich neben Dir. Und gestern, welch ein schwerer Erinnerungstag.2 Aber unser lieber Fritz ruht in Frieden, frei und glücklich von allen irdischen Leiden. Deine treue Adine Heus de Paovs,3 den 28ten Januar 1861 Ich fange heute meinen Brief an, geliebte Elis, weil meine Gedanken immer bei Dir sind und ich Dich nun so einsam weiß. Der Abschied von Dir wurde mir schrecklich schwer. Ich heulte noch lange, und als ich mit der Eisenbahn vor dem stillen, dunklen Sanssouci vorbei fuhr, wollte mir das Herz brechen vor Schmertz. Sonst wußte man doch den lieben Verklährten dort oben, freilich in einem furchtbaren, traurigen Zustand! Und Du hattest noch das letzte Mal den Marmor Saal so hell mit Lampen machen laßen, daß das Licht weit hin leuchtete. Das war auch schrecklich melankolisch. Aber nun alles so ganz anders! Er freilich ist erlöset von seinen Leiden und genießt den himlischen Frieden. Aber Du, geliebte Elis, allein und verlaßen, einsam stehest Du da. Gott ist Dir aber nahe mit Seiner Liebe und Barmherzigkeit, und Dein starker Glaube hällt Dich aufrecht. Aber es 1 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war am 2. Jan. in Schloss Sanssouci gestorben, nachdem er am 4. Nov. 1860 erneut einen schweren Schlaganfall erlitten hatte. 2 Beisetzung von König Friedrich IV. von Preußen in der Friedenskirche in Potsdam am 7. Jan. 3 Huize de Paauw, seit 1838 Residenz von Prinz Friedrich und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
438
Briefe 1851–1873
Abb. 14: Als Witwe behielt Königin Elisabeth den mit Friedrich Wilhelm IV. gewohnten Jahresrhythmus bei: Winters wohnte sie in Charlottenburg, sommers in Sanssouci, unterbrochen von beschwerlichen Reisen zu ihren Verwandten nach Sachsen und Bayern sowie von den Besuchen ihrer geliebten Schwägerin Alexandrine.
ist schwer, sehr schwer, das Leben nun so weiter fort führen zu sollen, ohne Lebenszweck und ohne Sorgen für den geliebten Fritz. Hast Du wohl die heutige Loosung gelesen: „Darum fährst Du nur fort Gott zu vertrauen, so wirst Du Licht und Weg bald wieder schauen. Was Du geglaubt hast, daß wirst Du sehen – wie Du geglaubt hast, so wird’s geschehen.“4 Ich finde das so schön und so tröstlich und zeigt uns den Weg, wie wir wandeln sollen. Louise finde ich zu meiner Freude bis jetzt recht gut. Man meint aber, es sei grade in der rechten Zeit, daß ich kam, weil sie so schrecklich traurig gewesen, so in sich versunken, und man Angst bekam, sie könnte zusammen brechen. Gott wolle geben, daß mein Besuch ihr gut thut. Den 29ten. Heute ist so schöner Sonnenschein und die Luft so rein und erquickend. Du wirst nun ohne mich ausgehen, am Arm einer Hofdame. Und für mich war es grade eine so besondere Freude, wenn mein dicker Arm Dir als Stütze dienen konnte. Überhaubt habe ich recht tief erkannt, das Glück in der ersten Zeit in Deiner Nähe sein zu dürfen. Darum wurde es mir aber auch so schwer, Dich zu verlaßen. Noch bin ich mehr mit meinen Gedanken bei Dir, als hier mit meinem Körper. Übrigens sprechen Luise und ich immer von Dir. Und ich erzähle so von dem ersten Tag an, was grade heute 4 Wochen sind. Welche Stunden waren das. Das ist auch wieder ein Schmertz, der mit durchs Leben geht. Charlotte und Fritz, die sind jetzt in unseren Gedanken so eng verbunden. Gestern
4 Vorletzte Strophe aus dem geistlichen Lied „Jesu Joch“ von Johann Andreas Rothe (1688–1758): „Denn fährest Du nur fort Gott zu vertrauen, so wirst Du Licht und Weg bald wieder schauen […].“
1861
439
habe ich visieten gemacht, daß ich ganz schwach zu Haus kam. Königin Sophie5 habe ich leider verfehlt. Wir kamen zu späth, weil Luise mit fahren wollte. Sie war aber so unendlich freundlich gewesen und war auf der Eisenbahn, wie ich durch den Haag durch fuhr. Da sah ich auch noch Brauchitsch.6 Es war aber sehr im Fluge. Königin Anna7 war unendlich theilnehmend und sprach mit großer Liebe von Fritz und von Dir und bewundert Dich sehr, daß Du in Sanssouci geblieben wärst und gern in dem traurigen Zimmer gingst und dort verweiltest und überhaubt den Schmertz nicht fliehst. Das soll sie nehmlich sehr thuen. Dann machte ich die Bekanntschaft der Prinzeßin Heinrich8 und der Prinzeßin von Sachsen Weimar.9 Erstere ist sehr lebhaft, die andere war unbegreiflich sonderbar. Wir aßen noch allein. Am 1ten Februar wird dejeuner dinatoire sein, in weiß. Und die Königin Sophie kommt, Anna nicht, und dann alle alten Hofdamen. Adios Adine Louise, Fritz, Marieche grüßen alle herzlich. Das Armband gab ich gleich an Luise. Es hat sie sehr, sehr erfreut. Haag, den 7ten Februar 1861 Geliebte Elis, das erwartete ich garnicht, daß Du mir noch schreiben würdest, da Du eben erst an Luise geschrieben. Und ich weiß nur zu wohl, wie wenig Zeit Dir bleibt, habe also doppelten Dank. Auch beschämst Du mich, daß Du mir so hoch anrechnest, was ich doch so sehr gern that, bei Dir in den ersten Schmerzes Tagen gewesen zu sein. Und nun möchte ich mich auch schon wieder anmelden, zum Donnerstag den 14ten. Da Dein Bruder10 leider nicht gekommen ist, so möchte ich nun vom 14ten bis 17ten abends bei Dir zubringen. Ich hoffe, Du schlägst es mir nicht ab. Ich bin bei Luise doch 14 Tage gewesen. Und sie selbst findet es sehr natürlich, bedauert nur, daß es ihr nicht gegönnt ist, zu Dir eilen zu können. Die Arme leidet förmlich daran, was sehr zu verstehen ist. Seit gestern hat sie leider Kopfweh, und sie brachte den halben Vormittag im Bett zu. Heute geht es aber viel besser, doch kaffeten wir noch nicht zusammen. Unsere Eßstunde ist jetzt ½ 7 Uhr, da Fritz nie früher aus der Stadt kömmt. Und dann ist um 9 Uhr Thee, wo man höchstens eine Tasse Thee trinken kann. Um ½ 11 Uhr gehen wir dann auseinander. Dies ist das einzige Schade, daß man keine ordentliche Theestunde hat, die ich sehr liebe. Das Wetter ist sehr abwechseln, bald Sonnenschein, dann trübe und viel Wind. Die Luft an sich hat aber schon etwas weicheres, und ich hoffe nicht, daß die 31° 5 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877). 6 Eduard von Brauchitsch (1798–1869), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, Gouverneur der Festung Luxemburg. 7 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865). 8 Prinzessin Amalia der Niederlande, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1830–1872), verh. 1853 mit Prinz Heinrich der Niederlande (1820–1879), Statthalter von Luxemburg. 9 Prinzessin Anna von Sachsen-Weimar-Eisenach (1828–1864). 10 Prinz Karl von Bayern (1795–1875).
440
Briefe 1851–1873
Kälte von Petersburg noch zu uns kommt. Dies übersteigt doch alle Begriffe, ordentlich schauderhaft. Ich hoffe, Mariechen von Baiern11 wartet noch mit ihrem Besuch bei Dir, bis ich fort bin. Am 2ten war ich recht mit meinen Gedanken bei Dir in der Friedenskirche, und aus Erfahrung weiß [ich], wie wohl das heilige Abendmahl dem wunden Herzen thut. Nur bei dem Herrn kann man Kraft finden für alle Schmertzen und Seelen Leiden. Und doch wird es so schwer und wird immer schwerer, das Leben zu tragen und fort zu führen. Da muß man recht am Gebet anhallten und immer wieder beten. Sonst geht man unter. Die vielen Besuche würde ich mir aber etwas vertheilen. Das ist aufreibend, die Beschreibung von dem einen Tag war zu arg. Der Besuch vom ehrlichen Manteufel12 wird Dir aber wohl gethan haben. Und wie muß er ergriffen gewesen sein, das Zimmer so wieder gesehen zu haben, wo er so viel beim lieben Fritz war. Was ist es doch für ein Kummer, den geliebten Bruder nicht mehr auf Erden unter uns zu wißen. Aber hallten wir den einen Gedanken nur recht fest, wie seelig er nun ist! Ach, bitte sende mir die Rede von Snetlage,13 am Sonntag den 6ten Januar in Sanssouci gehallten. Luise wünscht sie zu haben, und ich habe nur die eine, welche er mir gegeben. Verzeih die zweimalige Überschrift, ich hatte erst das Papier verkehrt genommen.14 Nun leb wohl. Grüße Deine Umgebung. Die Adjutanten werden überglücklich sein über die Uhren. Es ist aber auch eine zu hübsche Idee. Luise war eben hier bei mir und scheint wieder ganz wohl. Sie läßt Dich herzlich grüßen. Du kannst denken, daß unsere Gespräche sich um unsere lieben, verklährten Geschwister und um Dich drehen, und viele Thränen dabei vergoßen werden. Gott sei Dir gnädig und sei Dir nahe, Deine treue, alte Adine Die Überschwämmungen scheinen nun Einhallt gethan. Viele Menschen Leben sind zu beklagen.15 Schwerin, den 24ten Februar 1861 Geliebte Elis, das war gestern ein recht schwerer, trauriger Tag. Ich war ganz hin von allen traurigen Erinnerungen der letzteren Zeit, die die Vergnügen nur noch mehr hervor rie11 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 12 Verm. Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805–1882), ehem. preuß. Ministerpräsident und Vertrauter von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 13 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin und persönlicher Seelsorger von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Die Rede wurde gedruckt: Snethlage, Karl Wilhelm Moritz: Rede am offenen Sarge Seiner Majestät weiland Königs Friedrich Wilhelm des Vierten am Tage vor der feierlichen Bestattung Sonntags, den 6. Januar 1861 in Gegenwart der trauernden Königlichen Familie, von Dr. Snethlage, Königlichem Hof- und Dom-Prediger, Berlin 1861. 14 Erneuter Vermerk von Ort und Datum auf der letzten Briefseite. 15 Hochwasser an Elbe, Rhein und Main mit Überschwemmungen und Schäden, verschärft durch Treibeis.
1861
441
fen, so daß ich mehr in Thränen war, als es wohl recht, wo mir so viel Freude gar bereitet und so viel Liebe bewiesen wurde. Aber auch manche Geschenke bewirkten dies, grade Deine Geschenke, die ja der liebe Bruder16 noch mitgegeben hat. Die Büste von Charlotte, wie entzückte sie mich, denn ich finde sie ausserordentlich ähnlich und schön, freilich in recht jungen Jahren. Aber welche Erinnerung rief sie hervor, daß auch diese geliebte Schwester dahin ist und mein Auge sie hier auf Erden nicht wiedersehen sollte. Und nun noch die beiden aquarelles, der liebe Saal von Sanssouci, wie viel Erinnerungen hängen daran von den letzten 3 Jahren, und nun noch die vom Januar. Lauter Trauer, wohin man sieht. Ach, die Gallerie, wo die Adjutanten und Ärtzte sich aufhielten. Aber alles machte mir doch eine unbeschreibliche Freude, und ich kann es Dir nicht genug danken, daß Du mir grade das alles geschenkt. Dein lieber Brief, Dein Telegramm, ach, wie zerreißen sie mein Herz, wenn ich an Dich in Deiner Trauer dachte, und in Deiner Einsamkeit. Wie freue ich mich, daß Dir Marichen von Baiern17 angenem ist. Ich dachte es mir wohl. Sie geniert Dich gewiß auch garnicht. Gestern war sie nach Berlin zum Famillen Diner. Da hast Du nach gewohnter Art allein gegessen, was Dir vielleicht auch ganz Recht war. Ist es wohl wahr, daß das Königs Paar aus Neapel18 nach München schon so bald kömmt? Wilhelm und Auguste haben mir ein sehr hübsches, goldenes Armband gegeben, mit den beiden prophielen von Fritz und Charlotte, die goldenen Medaillen in kleine Steine eingefaßt,19 hübsch und sinnig aus gedacht. Diese Zeichnung ist wohl nicht ganz deutlich. Sonst habe ich noch viele schöne Sachen bekommen. Meine Schwiegertochter Auguste war doch so wohl, daß sie die Geschenke aufgestellt und ich alles oben bei ihr bekam. Dann haben wir bei ihr gegessen und Thee getrunken. Es ist ihr auch gut bekommen, denn sie hat gut geschlafen und war heute ganz munter. Aber matt ist sie doch sehr, und ihre Magerkeit und Durchsichtigkeit ist zu ängstlich. Gott wird aber ja helfen und alles zum Guten wenden. Die Bäder und das Lebertrahn thuen ihr wirklich gut. Wilhelm kam an mein Geburtstag, das war auch eine Freude. Nun leb wohl und habe Dank für alle Liebe, die Du mir bei aller Gelegenheit zeigst. Gott stärke Dich und gebe Dir Seinen Trost, nur von Ihm kommt er allein. Deine treue Adine An Marichen viel Liebes.
16 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, gest. am 2. Jan. in Schloss Sanssouci. 17 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 18 Franz II. Maria Leopold von Bourbon, König beider Sizilien (1836–1894), verh. 1859 mit Prinzessin Marie in Bayern (1841–1925). Nach der Einnahme seines Königsreichs durch Giuseppe Garibaldi, hatte Franz II. am 13. Febr. auf der Festung Gaeta die Kapitulation unterzeichnet und ging mit seiner Familie ins Exil nach Rom. 19 Dahinter eine kleine Zeichnung des Armbandes mit Anhänger.
442
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 7ten März 1861 Meine liebe Elis, ich bin überzeugt, Du denkst heute an mich und weißt nun leider selbst, was so ein Tag zu bedeuten hat. 19 Jahre sind verfloßen, daß der Herr mir meinen lieben Paul entrißen hat, um ihn den ewigen Frieden zu geben und ihn in Sein Himelreich einzuführen. Aber die 19 Jahre verschwinden in einen Tag, in einen Moment, als wenn es eben erst geschen. Ewig neu und ewig frisch bleibt der Schmertz und geht still als Begleiter mit durchs Leben, wenn man auch wieder heiter und froh sein kann und Gott nicht aufhören kann zu danken für die vielen Wohlthaten, die Er mir doch noch auf Erden erweiset und erwiesen hat. Aber auch vielen neuen Schmertz hat Er, der Herr, mir zugefügt. Das Herz blutet aus vielen Wunden, und viele Thränen fließen, aber der Glaube an Seine Liebe und Barmherzigkeit wird immer fester in mir. Noch dankte ich Dir nicht für den lieben Brief durch Marichen,20 deren Besuch uns große Freude machte, Auguste unaussprechlich beglükte und ihr auch, wie es bis jetzt scheint, nicht geschadet hat. Ich war eigentlich auf dem Punkt, Dich zu bitten, erst Böger21 zu fragen, ob er nicht glaubte, daß der Besuch Auguste schaden könnte. Als ich aber ihre große Freude sah, da hatte ich nicht den Muth, ihr diese vielleicht zu zerstöhren. Gott wird sie ja ferner beschützen. Und ich kann nicht anders sagen, als daß ich finde, daß ihre Kräfte zunehmen und der Magenkrampf nicht wieder gekommen, der Husten ganz fort ist. Wie mag es Dir aber gehen? Dein Husten soll doch recht schlimm sein, Dich nicht schlafen laßen und recht angreiffen. Daß ewig abwechselnde Wetter ist recht zur Erkältung gemacht. Ich huste und habe auch Schnupfen. Heute hast Du ja endlich die Freude, Deinen Bruder Carl in Sanssouci zu sehen. Möge er nur gesund bleiben. Dein ältester Bruder22 ist wohl ganz hergestellt. Wie die Zeitung sagt, wird am 10ten März das Herz des theueren Bruder zu den Füßen seiner Eltern niedergelegt werden.23 Mein Herz wird mit im Monument sein und an dieser treuen Stätte für ihn beten. Selbst werde ich wohl nicht erscheinen, obgleich es mich sehr hinzieht! Wie finde ich es betrübt, daß Du mit Marichen garnicht in der Kirche und in der kleinen Kapelle zusammen hast sein können. Nicht wahr, sie war Dir doch lieb, wenn sie auch nicht viel spricht, die wenigen Worte sind aber so viel werth? Wie theile ich im Herzen den Schmertz in Dresden über den Tod des einzigen Kindes dort in der königlichen Famille.24 Gott prüfet sie alle recht schwer. Der goldene Kranz an die Königin von Neapel,25 höre ich, soll nach geschickt werden. Ich 20 21 22 23
Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt. Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). Das Herz König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen wurde getrennt vom Körper an der Seite seiner Eltern im Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg bestattet. 24 Prinzessin Marie Johanna von Sachsen (1860–1861), Tochter von Prinz Georg von Sachsen (1832– 1904), gest. am 2. März. 25 Königin Marie beider Sizilien, geb. Prinzessin in Bayern (1841–1925), verh. 1859 mit Franz II. Maria Leopold von Bourbon, König beider Sizilien (1836–1894). Nach der Einnahme seines Königsreichs durch Giuseppe Garibaldi, hatte Franz II. am 13. Febr. auf der Festung Gaeta die Kapitulation unterzeichnet und ging mit seiner Familie ins Exil nach Rom.
1861
443
hörte jetzt lange nichts darüber. Ausgeschloßen habe ich mich nicht, aber dafür bin ich garnicht. Ich verstehe die Haltung [von] Gortuchakof26 in Warschau garnicht. Sollten die vielen Beispiele von Nachgabe nicht endlich die Augen geöffnet haben? Es sieht sehr bedrohlich aus!! Nun leb wohl, Gott gebe Dir Besserung mit dem Husten und Kraft zum Tragen. Deine treue Adine Am 9ten wirst Du auch meiner gedenken. Ein Trauer Tag folgt dem anderen. Mit meiner alten Mama geht es etwas besser. Bitte laß Dir von Böger und Kammerer27 ihre Photographien für mich geben, und wenn es geht die 5 Kammerdiener und 4 Jäger, die den Dienst bei Fritz hatten. Schwerin, den 22ten März 1861 Ich habe Dir so entsetzlich lange nicht geschrieben, geliebte Elis, daß es mir ordentlich unheimlich ist. Auch habe ich garnichts von Dir gehört, und das scheint mir ein gutes Zeichen, daß es mit Deiner Gesundheit leidlich gehen muß. Seit dem Besuch Deines lieben Bruder28 weiß ich garnicht, wie es in Sanssouci aussieht und wie sich Dein Leben mit ihm gestalltet, wie Du ihn gefunden und ob ihm das Leben dort zusagt, indem er doch immer zu Dir heraufgehen oder fahren muß. Und welch ein Wetter haben wir in dieser Zeit gehabt. Es giebt gar kein Nahmen dafür. Hier war denn alles krank. Auguste hatte wieder einen Anfall von Magenkrampf, der schwächer, aber doch 6 Stunden anhielt und sie sehr angriff. Kaum erholte sie sich, so wurde Friedrich an Asma recht krank.29 Es war seit 2 Jahren nicht so stark und anhalltend gewesen. Es wollte garnicht weichen. Seit dem 19ten, seinem Geburtstag, ist er wieder auf, ist aber matt und sieht erbärmlich aus. Und nun liegt Auguste wieder, an Schnupfen und Husten, letztem doch nur leicht. Sie muß sich im Zimmer erkältet haben, wo der Sturm und Wetter auf ihren Fenstern gestanden. Morgen kömmt ihre Mutter, die Fürstin Reuß, mit der Tochter Anna30 auf längere Zeit. Ich hoffe, dieser beständige Umgang, der sie zerstreut und wo sie sich so recht aussprechen kann und wo sie Stütze und Zuspruch findet, wird ihr recht gut thuen. Von Schwester Luise habe ich doch bis jetzt immer recht gute Nachricht. Sie scheint sich aber recht in Acht zu nehmen und sehr vernünftig zu sein, denn selbst schreibt sie jetzt wenig. 26 Fürst Michail Dmitrijewitsch Gortschakow (1792–1861), russ. General der Artillerie und Generaladjutant, seit 1856 Namiestnik (Statthalter) von Polen. 27 Rudolf Cammerer (1830–1905), preuß. Stabsarzt und Oberarzt am medizinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut, 1858–1861 zur Dienstleistung beim König kommandiert, ab 1861 Oberstabsarzt beim 34. Pommerschen Füsilier-Regiment. 28 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 29 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) litt an chronischem Bronchialasthma, das auch seine spätere Regierung beeinträchtigen sollte. 30 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), mit ihrer Tochter Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907).
444
Briefe 1851–1873
Hast Du vielleicht gehört, wann Olga aus Petersburg durch Berlin kommt? Ich hörte, sie wollte am 26ten abreisen, und dann möchte ich nach Berlin kommen, um sie zu sehen. Nun werde ich eine recht neugierige Frage thuen: Ist etwas daran, daß der Wales31 mit Victoria wieder nach Berlin kömmt, daß die Rede von Addi und ihm ist? Sonst dachte ich mir vielleicht, daß der Nicola von Nassau32 darum da wäre.33 Heute nach Berlin zu kommen, war mir nicht möglich. Dazu ist der Schmertz zu groß. Nun leb wohl, geliebte Elis, das Osterfest wird uns wohl einen jeden in seinem Wohnort zum heiligen Abendmahl führen. Möge es uns allen recht zum Seegen gereichen und Dir Kraft geben, nun den neuen Abschnitt mit Muth entgegen zu gehen. Ich werde so viel an Dich denken und für Dich beten. Deine treue, alte Adine Meine Empfehlung Deinem lieben Bruder Carl. Die armen Königsmarks, die ihren ältesten Sohn verlohren, wie werden sie tief gebeugt sein.34 Schwerin, den 30ten März 1861 Es scheint mir, daß selbst das Wiedererwachen der Natur, wo alles, was verlohren war, doch wieder kam, sich erneuert und wieder schön wird wie ehemals, „mir das ewig gleich Trübe meiner Lage, in der kein Frühjahr ersteht“, doppelt fühlbar macht. Dies, meine liebe Elis, wirst Du jetzt recht empfinden. Ich weiß, wie ich damals daran litt und wie es alle Jahr dasselbe bleibt. Das Frühjahr stimmt mich seit 1842 immer gleich traurig und wehmütig. Und wie viel mehr muß es für Dich jetzt schwer sein, wo seit 3 Jahren immer ganz besonders auf dieser Jahreszeit gehofft wurde und alles mit neuer Hoffnung begrüßt wurde. Und auch im Winter, wie oft sagtest Du, wenn nur erst Frühjahr wird, dann wird sich Fritz so daran erfreuen und erholen. Nun ruht er im ewigen Frieden und ist keiner Jahreszeit mehr ausgesetzt. Die uns voran gegangen, die sind zu beneiden. Der Herr muß uns eben noch nicht werth hallten, so bald Seine Herlichkeit zu sehen. Wie wird Dir das heilige Abendmahl wohl gethan haben. Ich dachte Deiner recht lebhaft, denn wir alle gingen auch im Schloß mit der Gemeinde, selbst meine liebe Schwiegertochter. Es hat sie furchtbar angegriffen, besonders da es 2 Tage waren, mit der Vorbereitung am Mittwoch, wo sich danach Magenschmertzen wieder einstellten. Sie kam aber doch zum Abendmahl, kam aber erst nach der Predigt, bloß zu dem Moment 31 Kronprinz Albert Edward (VII.) von Großbritannien und Irland, Prince of Wales (1841–1910). 32 Prinz Nikolaus von Nassau (1832–1905), als nass. Major dem Jäger-Bataillon aggregiert. 33 Heiratsprojekte für die nach der Scheidung der Eltern Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen bei der Königin erzogene Prinzessin Alexandrine. 34 Friedrich Wilhelm Hans Graf von Königsmarck (1838–1861), preuß. Sekondeleutnant im GardeHusaren-Regiment, gest. am 31. März, ältester Sohn von Hans Graf von Königsmarck (1799–1876), preuß. Gesandter in den Niederlanden, und Jenny Gräfin von Königsmarck, geb. von Bülow (1811– 1894).
1861
445
selbst. Und gestern fühlte sie sich im Ganzen matt. Nun aber läßt sie mir sagen, da es heute so wunderbar warmes, schönes Wetter wäre, hätte ihr der Artzt erlaubt, in der Sonne heraus zu gehen. Dies ist nun ein Schritt weiter, wolle Gott geben, daß es ihr bekömmt und sie sich erholt. Die Anwesenheit ihrer Mutter und Schwester35 thut ihr gut. Sie ist dadurch mehr angeregt. Wie schwer werden alle diese Tage auf Dir liegen? Den 1ten Aprill. So ist nun der Tag herangekommen. 3 Monate ruht Fritz in Frieden. Ihm ist wohl, und er sieht gewiß mit inniger Liebe auf Dich und möchte Dir alle Schmertzen abnehmen. Der Herr wird Dich aber, geliebte Elis, stärken mit Seiner Liebe und Barmherzigkeit, und wird Dich mit Deiner bis jetzt bewiesenen Kraft auch über diesen Deinen Lebensabschnitt herüber helfen. Wie gerne wäre ich diese Tage mit Dir. Allein, ich habe mich nicht angebothen. So etwas muß man still mit sich durchkämpfen, dann kann man es eher. Noch, glaube ich, dankte ich Dir garnicht für Deinen lieben, so langen Brief, der mich so innig erfreut, wie alles, was von Dir kommt. Ohne mich zu rühmen, Du hast in mir ein treues Herz, was mit ganzer Liebe an Dich hängt. Verzeih, wenn ich mich damit Dir lästig mache. Werden nun nach den Festen nicht eine Deiner Schwestern aus Dresden kommen? Bei diesem schönen Wetter würde ihnen Sanssouci wieder einen so freundlichen Eindruck machen. Und doch grade dadurch ist es auch doppelt so traurig. Alles ist jetzt mit einer Trauer Flohr umgeben. Ich kann mir recht denken, wie Dein Bruder Carl alles so recht bewundert hat, was Fritz geschaffen. Die Orangeri kannte er noch garnicht.36 Dort sah ich ja den geliebten Bruder zum letzten Mal am 17ten Dezember. Du hast nun so viele Orte mit Deinem Bruder wieder besucht. Daß sind immer sehr schwere Momente, und doch ist es gut, daß Du es wieder gethan. Sonst wird es immer schwerer und beinahe unmöglich. Nun leb wohl, Gott stärke Dich und gebe Dir Kraft und behalte lieb, Deine alte Adine Welcher Adjutant hat den letzten Dienst bei Dir? Schwerin, den 2ten April 1861 Meine liebe Elis, eben erhielt ich Deinen lieben Brief, mit der Mittheilung, daß das liebe Herz des theuern Verklährten nun zu den Füßen seiner Eltern ruht.37 Wie danke ich Dir, daß Du es mir selbst geschrieben. Ich hatte keine Ahnung davon. Mein Gott, welch ein schmertzlicher Moment, wo das Herz nun eingesenkt wurde. Wie muß Dir dabei zu Muth gewesen sein. Man glaubt, selbst zu sterben, und begreifft nicht, wie man so etwas ertragen und überleben kann. Wie viel Schmertzen mußt Du nun noch durchmachen. 35 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), mit ihrer Tochter Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907). 36 Orangerieschloss oder Neue Orangerie, nach Entwürfen des Königs erbaut 1851–1864 am Nordrand des Parks von Sanssouci. 37 Das Herz von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen wurde getrennt vom Körper an der Seite seiner Eltern im Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg bestattet.
446
Briefe 1851–1873
Das Wiedersehen von allen den Orten, wo Du so viele Jahre glücklich gewesen, wo alles unverändert geblieben, als wenn man nur heraus gegangen wäre. Und nun fehlt nur er, um den sich alles drehte, der alles belebte. Welche Lücke, welche Leere! In diesen Tagen nun das Abschiednehmen von allen denen, die mit Dir 3 Jahre treu und unermüdet den lieben Herrn gepflegt und gewartet haben. Nun erst ist das Scheiden und Loßkommen von dieser Zeit. Gott giebt aber Kraft denen, die Er heimsucht mit Schmertz und schwerer Prüfung. Möge Er Dir auch nahe sein mit Seiner Barmherzigkeit. Heute sind es nun volle 3 Monate, daß er uns geraubt wurde und zur Ewigen Ruhe einging. Wie schön war aber sein Ende. Denn man sah so deutlich, wie seine Seele sich zum Herrn emphor hob und zu dem himlischen Vater einging. Wenn der Herr mir einst auch so ein seeliges Sterben schenken wollte! Deine Schwester Amalie38 kömmt also Sonntag! Wie mich das für Dich freut. Und grade jetzt nach den schweren Tagen wird es Dir eine doppelte Wohlthat sein. Mein Brief von gestern wird Dir gesagt haben, wie viel ich immer an Dich denke und wie meine Gedanken nur mit Dir beschäftigt sind. Leb wohl, noch ein Mal herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Ich habe schrecklich dabei geweint, denn wie liebte ich den theuren Bruder, und wie liebe ich Dich immer, liebe Elis. Deine treue Adine Schwerin, den 24ten April 1861 Meine geliebte Elis, noch ließ ich garnichts von mir hören seit meiner Rückkehr. Ich wußte Dich aber mit Deiner lieben Schwester Marie39 zusammen. Da wirst Du es kaum bemerkt haben. Nun wird sie aber wohl schon wieder Dich verlaßen haben, und alles ist wieder in der alten Einsamkeit zurück gefallen und Du wieder in Deine Zimmer eingezogen. Du glaubst garnicht, geliebte Elis, wie traurig mich der letzte, flüchtige Besuch gemacht, Sanssouci so im ersten Frühlings Schmuck wieder zu sehen, ihn, den geliebten Bruder, in der Friedenskirche still ruhend zu wißen, der solche Freude daran gehabt haben würde. Freilich ist er in einem viel schöneren Frühling, aber der Mensch denkt doch mehr an sich und am menschlichen, vielleicht unrecht, sich so herunter ziehen zu laßen. Aber wenn man so recht traurig ist und nicht ein noch aus weiß mit seinem Schmertz, dann freilich hebt man sein nasses Auge zu Gott und sucht nur bei ihm Trost und Ergebung im Gebet. Der Herr erhört auch solch Gebet, er giebt Linderung dem armen, zerfleischten Herzen. Die Besuche Deiner Schwestern werden Dir so recht wohl gethan haben, nur finde ich sie immer zu kurtz. Wie ich bei Deiner Schwester Amalie40 in Dein Wohnzimmer saß, auf der selben Stelle, wo wir so oft mit dem lieben Fritz saßen, noch den Sonntag den 16ten December, erzählte ich ihr grade da so viel vom Haag, von Luise und Fritz Oranien. Er hörte aufmerksam zu und sah mich mehr Mal ganz fest an. 38 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 39 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 40 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877).
1861
447
Und nun ist dies alles dahin, dahin auf ewig. Wie thut mir dies alles so wehe, und ganz besonders, daß ich Dich nur so besuchsweise sah, so flüchtig. Und mein Herz war mir so voll, zum Zerspringen. So war es auch Olga, wie sie mir beim Zurückfahren sagte. Sie hätte Dich so gern länger gesehen und länger gesprochen. Ich hatte einen Brief von ihr, und schreibt sie so hübsch über ihren Schmertz: „Wehemütig bin ich, aber nicht traurig. Je mehr Theuere man beweint, je reicher fühlt man sich in der Erwartung des zukünftigen Wiedersehens! Ein erster Todesfall im geliebten Kreise ist furchtbar, später denkt man anders. Es ist doch das Ziel und die Erlösung. Je ernster das Leben wird mit seinen Prüfungen und Enttäuschungen, je besser fühlt man, daß wir nicht für diese Erde allein geschaffen sind, und Jenseits erwarteten uns die Lieben!“ Ist daß nicht hübsch gesagt? Die Arme ist wohl nicht glücklich in ihrem Leben, und die Heimath mag ihr doch manche Sorge jetzt machen. Den 25ten. Diese letzten Zeilen schrieb ich schon heute. Gestern konnte ich nicht fertig werden. Wir haben jetzt hier allerlei Künstler, der Schauspieler Davison41 aus Dresden, dem Hanz von Bülow,42 noch eine Klavierspielerin Gärtner.43 Alle drei kannte ich noch nicht, jeder in seiner Art ist aber sehr vorzüglich. Nun leb wohl, Gott sei Dein Trost, Deine alte Adine Augusta hat mir einen selbst gearbeiteten Korb geschickt, welche Auszeichnung!, der wirklich recht hübsch ist.44 Marienbad, den 2ten July 1861 Ich muß Dir heute schreiben, meine liebe Elis, weil ich Dich überall mit meinen Gedanken folge, zum heiligen Tisch des Herrn, wo Du Dir Trost und Kraft im Glauben an den Herrn holen willst zum ferneren Leben, dann in der kleinen, friedlichen Kapelle, wo Du in Andacht und in Thränen an seiner Seite beten und knien wirst. Ich bin überzeugt, daß Du da immer mehr zur Überzeugung kommen wirst, daß Ihm wohl ist und besser als auf Erden, wo er so viel gelitten an Geist und Körper. Seine reine Seele ist bei dem Herrn, der ihn lieb hatte, und er ruht in Frieden. Dieser Gedanke giebt auch Frieden, wenn auch der Schmertz gleich groß bleibt um sein Hinscheiden und um Dein verödetes Leben. Kein Mensch kann Dir helfen. Aber Dein Gebet und Deine Glaube giebt Dir Trost und Ergebung in Seinen Willen. Nun verläßt Du bald auf ’s Neue das arme, traurige Sanssouci. Möchte Reichenhall Dir gut thuen und Du dort Deine Schmertzen verliehren und besser Luft holen wieder. Meine Schwiegertochter ist seit dem 30ten auch auf dem Weg nach Reichenhall. Sie 41 Bogumil Dawison (1818–1872), poln. Schauspieler, 1854–1864 in Dresden engagiert. 42 Hans von Bülow (1830–1894), Pianist und Dirigent, Komponist und Kapellmeister, 1855–1863 preuß. Hofpianist und Lehrtätigkeit am Stern’schen Konservatorium in Berlin. 43 Marie Gärtner, Hofpianistin in Coburg, Schülerin von Franz Liszt. 44 Königin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach.
448
Briefe 1851–1873
kann aber nur kleine Tagereisen machen, so daß sie erst am 6ten ankommen will. Wenn nur das Wetter wieder besser werden wollte. Wir hatten zwar auch Regen, aber doch nicht so arg, wie es in Mecklenburg war. Auch keinen Sturm hatten wir, aber es ist kühl, und daß schadet gleich Auguste wieder. Die müßte Jahre in warmen Klima leben. Dann würde sie gesund werden. Die Nachrichten von der armen, jungen Kaiserin sollen jetzt besser klingen. Aber wie traurig, wieder diese lange Trennung vom Kaiser und Kinder.45 Es ist nur daran zu sterben, und grade jetzt, wo der arme Kaiser so recht des Trostes und der Stütze bedürfte. Was wird nun beschloßen werden wegen der Adresse?46 In Berlin scheinen die Minister auch ängstlich die Köpfe zusammen zu stecken. Wilhelm soll ein sehr deutliches Wort mit ihnen gesprochen haben! Nun leb wohl, Deine treue Adine Ich glaube, ich dankte Dir noch garnicht für Deinen lieben Brief vom 24ten aus Pilnitz. Bruder Abbat war in Karlsbad, um die Gräfin47 zu besuchen. Isabelle Gagarien48 war heute bei mir auf ihrer Durchreise. In Rußland sieht es auch arg aus. Reichenhall, den 22ten July 1861 Ich schäme mich meines langen Schweigens, meine Adine. Der Auffenthalt in Possenhofen bey meiner Schwester49 ist Schuld daran, und in den ersten Tagen hier kam ich auch zu nichts vernünftigen, und dann wollte ich Dir auch Nachricht von Deiner Schwiegertochter geben, der es wirklich viel besser geht. Sie ist entzückt von ihrer Wohnung, in der Nähe eines schattigen Waldes, wo sie ihre Morgen zubringt, ein beneidenswerthes, seltnes Glück in Reichenhall, wo der Schatten ganz mangelt. Mein Häuschen ist sehr hübsch, aber so heiß, und bis ich zu einer Art Schatten komme, kann ich unterwegs braten. Die Gegend ist herrlich, die Berge umschließen den Ort, ihre Formen sind prächtig, im Mondschein ist es zu schön, das Wetter wundervoll, aber die Hize drückend. Nun aber laß uns von Wilhelm sprechen und dem Herrn danken, daß Er ihn so wunderbar errettet hat.50 Wie furchtbar ist diese neue Erfahrung, die Wiederholung dessen, 45 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898), befand sich aufgrund einer schweren Lungenerkrankung zur Kur auf Korfu. Sie kehrte erst zwei Jahre später zu ihrer Familie an den Wiener Hof zurück. 46 Adresse des ungar. Landtags an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich zur Gleichberechtigung aller Kronländer innerhalb des österr. Gesamtstaats in Form eines föderalen Bundes. Die Adresse war eine Reaktion auf das am 26. Febr. verabschiedete Februarpatent, d.h. auf die neue Verfassung der österr. Monarchie, die von Ungarn als zentralistisch abgelehnt wurde. Der österr. Kaiser sah sich nicht als rechtmäßiger König von Ungarn anerkannt und ließ den Landtag am 21. Aug. auflösen. 47 Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879), morganatisch verh. 1853 mit Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 48 Fürstin Isabella Adamowna Gagarina, geb. Gräfin Walewska (1800–1886). 49 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 50 Attentat auf König Wilhelm I. von Preußen durch den Studenten Oskar Becker (1839–1868) am 14. Juli in Baden-Baden, bei dem der König durch einen Pistolenschuss am Hals verletzt wurde.
1861
449
das ich zweymal erlebte und das mich wie ein Gespenst jahrelang verfolgte und in immerwährende Angst versezte! Das Vertrauen auf des Herrn Hülfe ist da der einzige Trost. Ich bekam die Nachricht durch Auguste, als ich eben im Wintergarten bey Mariechen in München gefrühstückt hatte. Du kannst Dir meinen Schreck, meinen Schmerz denken, und den Eindruck, den mir die Erinnerung an die Vergangenheit machte. Seitdem bekam ich noch viele détails durch Auguste, Hohenlohe und Flemming.51 Die Kaltblütigkeit des Mörders ist empörend. Gottlob, daß Wilhelm auch nicht durch den Schreck gelitten hat. Nach dem Brunnen wäre das so leicht möglich gewesen. Er scheint jetzt wieder ganz wohl, die Contusion52 Gott sey Dank auch schon geheilt. Seine Ruhe nach dem Attentat war herrlich, aber der schmerzliche Eindruck wird ihm länger bleiben. Gott gebe, daß es ihm keine Bitterkeit und keine zu trübe Stimmung lasse. Auguste soll sehr ergriffen gewesen seyn. Sie schrieb mir den Tag drauf noch ganz auseinander. Die vielen Gratulanten und députazionen müssen Wilhelm noch gerade recht lästig seyn. Er hatte dießmal gar keine Eile nach Baden. Seine Einsamkeit und Freyheit auf dem Babelsberg that ihm wohl nach den zimlich endlosen Débatten mit dem Ministerium. Es hat gesiegt, er hat mit schwerem Herzen die Erbhuldigung aufgegeben und wird sich und Auguste krönen.53 Es ist ihm sehr zuwider. Wie begreiffe ich das! Seit dem ersten König that es keiner mehr, in Deutschland ist es etwas so neues, überdem ist er alt. Ich finde es schrecklich, und wie ich Dich und Luise kenne, denkt ihr beyde wie ich. Der Nimbus, der eine solche Ceremonie oft umgiebt, geht überdies verloren, da es kaum ein Geheimnis ist, wie er dagegen gekämpft, wie er es nur als ein pis aller54 ansieht, und die Ausgaben werden kaum geringer seyn als zu einer Erbhuldigung, und doch waren es die Ausgaben, womit sie ihn schreckten. Deine kleine Enkelin55 ist zu allerliebst und blüht wie eine Rose. Sie war so nett gestern während dem Gottesdienst, der in einem recht anständigen Lokal gehalten wird. Die Tage in Possenhoffen waren mir ein großes Labsal. Ich war lange nicht so ungestört mit Luise gewesen, der Ort ist reizend, und sie verschönert ihn immer mehr. Das Wetter war auch dort herrlich. Mariechen sah ich in München und Possenhofen, auch meinen Bruder Karl, der in der Nähe eine hübsche Villa hat. Hier kam meine gute Charlotte56 gleich zu mir. Es war ein wehmütiges, aber sehr wohlthuendes Wiedersehen. Mein alter Bruder
51 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Major und Flügeladjutant, und Albert Graf von Flemming (1813–1884), preuß. Gesandter in Baden, der den preuß. König während des Attentats begleitet und den Attentäter festgenommen hatte. 52 Frz. = Bluterguss, Prellung. 53 Die archaische ständische Erbhuldigung, wie sie König Friedrich Wilhelm IV. 1840 in Berlin entgegengenommen hatte, wurde der seit 1850 geltenden preuß. Verfassung nicht mehr gerecht, die eine parlamentarische Eidesleistung des Königs vorsah. Die Selbstkrönung durch eigene Hand am 18. Okt. in der Schlosskirche in Königsberg sollte Souveränität und Sakralität des preuß. Königtums konservieren. 54 Frz. pis-aller = Notbehelf. 55 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 56 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873).
450
Briefe 1851–1873
war auch schon hier mit Mathilde.57 Der große Louis von Darmstadt58 ist auch in Berchtesgaden, soll erbärmlich aussehen. Er hatte den Maserntyphus. In Salzburg war ich vorgestern und fand dort meinen Neffen Max mit seiner Frau.59 Sie gehen nach Brüssel. Nun empfange noch den herzlichsten Dank für zwey liebe Briefe. Du wirst froh seyn, in Ruhe in Dobberan zu seyn mit Deinen Enkeln. Addy kümmt den 27ten. Lebe nun wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Dobbran, den 29ten July 1861 Meine liebe Elis, tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Du hast mich sehr dadurch erfreut. Dein Aufenthalt in Possenhofen wird Dir sehr lieb gewesen. Da hast Du Deine Schwester60 ein Mal ruhig genießen können. Ich hoffe, daß sie beruhigende Nachricht von der Kaiserin aus Corfu hat und auch gute aus Rom von der Königin.61 In welcher stetten Angst und Aufregung muß diese arme Mutter eigentlich immer sein über diese beiden Töchter. Natürlich, geliebte Elis, denkt Luise und ich wie Du über die Krönung.62 Ich finde es schrecklich, ich habe keine Worte dafür, besonders noch, daß es ein Sieg des Ministeriums ist, was eigentlich auf dem Punkt stand zu fallen. Es waren schon Nachfolger gewählt. Ich habe es aus dem Munde eines der Erwählten. Daß Hoffen sollte man sich eigentlich begeben, aber ich kann es nicht. Und so hoffe ich, Bernsdorf63 wird mit den jetzigen Collegen nicht regieren! Auerswald64 wird nur schwer werden loß zu werden. Ich hätte nicht nachgegeben, es wäre daraus entstanden, was wollte. Nach meiner Ansicht wird die Krönung viel mehr wie eine Erbhuldigung kosten. Aber der rothe 57 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) mit seiner Tochter Großherzogin Mathilde Karoline von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Bayern (1813–1862). 58 Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt (1806–1877). 59 Erzherzog Ferdinand Maximilian (I.) von Österreich (1832–1867), verh. 1857 mit Prinzessin Charlotte von Belgien (1840–1927). 60 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 61 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898), befand sich aufgrund einer schweren Lungenerkrankung zur Kur auf Korfu. Nach mehreren Kurreisen kehrte sie erst zwei Jahre später an den Wiener Hof zurück. Ihre Schwester Königin Marie beider Sizilien, geb. Prinzessin in Bayern (1841–1925), befand sich seit der Absetzung ihres Mannes Franz II. Maria Leopold von Bourbon, König beider Sizilien (1836–1894), in Rom im Exil. 62 Die archaische ständische Erbhuldigung, wie sie König Friedrich Wilhelm IV. 1840 in Berlin entgegengenommen hatte, wurde der seit 1850 geltenden preuß. Verfassung nicht mehr gerecht, die eine parlamentarische Eidesleistung des Königs vorsah. Die Selbstkrönung durch eigene Hand am 18. Okt. in der Schlosskirche in Königsberg sollte wenigstens die Souveränität und Sakralität des preuß. Königtums unterstreichen. 63 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873) löste den altliberalen Alexander Freiherr von Schleinitz als preuß. Außenminister ab. 64 Rudolf von Auerswald (1795–1866), preuß. Minister ohne Ressort und stellvertretender Ministerpräsident.
1861
451
Samtmantel, mit Kronen und Adler durch und durch gestickt, mußte angewendet werden. Und von da aus soll auch die Unterstützung der Minister ausgegangen sein. Das ahnt nun wieder der Arme nicht! Luise hat den Bruder Wilhelm in Soden gesehen, so auch Olga, beide schrecklich trauriges Wiedersehen! In diesen Tagen vergangenes Jahr war Charlotte in Sanssouci. Und wie der liebe Fritz sich den einen Tag so freute, sie zu sehen, sie immer ansah und die Hand küßte und Charlotte sagte: „und Du Allerheiligste“, wie war da Charlotte so glücklich, das von ihm zu hören. Nun sind beide dahin! Vom 22–26ten waren wir 3 Schwestern noch zum letzten Mal in Stolzenfels vereint. Das waren noch schöne Tage damals, obgleich Charlotte sehr matt und hinfällig war. Und vom 27–3ten August waren wir 4 Geschwister in Sanssouci vereint: Fritz, Wilhelm, Carl und ich. Wie war sie da noch gut, was konnte sie nicht alles noch gut machen und wie glücklich fühlte sie sich in Sanssouci. Die Weimars65 waren unerträglich. Die blieben so lange. Dann kam Agnes66 und das liebe Mariechen mit dem König von Baiern.67 Das freute Charlotte so sehr. Und da kams Du noch des Abends, wenn der liebe Fritz zu Bett war, worüber Charlotte so glücklich war. Denn sie sah Dich so wenig. Der 3te August war ein doppelt schmertzlicher Tag, da wir Trauer Gottesdienst im Monument hatten, dann den goldenen Kranz auf dem Sarg von Mama thaten.68 Charlotte weinte so, daß sie sich garnicht beruhigen konnte, denn sie hatte die feste Überzeugung, nicht wieder zu kommen, sondern zur ewigen Ruhe bald einzugehen. Dann war Famillen Diner bei ihr und Thee, wo sie Abschied von dem Hof nahm. Um 10 Uhr fuhren wir nach der Eisenbahn, und dort trennten wir uns für dies Leben, das fühlten wir beide. Es war schrecklich dieser Abschied. Jetzt haben beide liebe Geschwister den Frieden des Herrn und ruhen bei Ihm. Thränen der innigsten Liebe folgen ihnen. Alle diese Tage sind so schmertzlicher Erinnerung gewidmet. Dobbran ist prächtig, die Luft sehr stärkend. Nur war die Hitze auch sehr groß, da Landwind war. Aber seit gestern kam Nordwind mit ströhmenden Regen, kühlte die Luft sehr ab. Heute ist wieder Sonne, aber das Meer ist sehr aufgeregt, was ein prächtigen Ausblick gewährt. Die Kinder meiner lieben Luise sind nun 8 Tage bei mir, eine sehr wehmüthige Freude. Es bricht mir fast das Herz, wenn ich sie so ohne ihre liebe Mutter sehe, die solche Freude an ihnen hatte und sie mir so gern gebracht hätte! Die Gouvernante ist vortreflich und erzieht die Kinder sehr gut, und ganz im Sinn von Luise. Sie sind recht artig und weit für ihr Alter, und hübsch dabei, aber alle zahrt. Es freut mich, daß meine Enkelin Marie69 Dir gefällt. Es ist ein allerliebstes Kind. Auguste ist sehr glücklich, Dich, geliebte Elis, wieder gesehen zu haben. Du bist so freundlich für sie gewesen, und die Kirche beglückt sie sehr. Ich höre von allen Seiten, daß Auguste sich schon erholt 65 Großherzog Carl Alexander (1818–1901) und Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824–1897). 66 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 67 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), mit ihrem Ehemann König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864). 68 Zum 50. Todestag von Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, gest. am 19. Juli 1810. 69 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920).
452
Briefe 1851–1873
haben soll. Wenn ihr nur die Kur bekommen wird. Doch Böger70 ist ja vorsichtig. Der gute Bassewitz Schlitz71 hat gestern sein qualvolles Leben beendet. Er ist in der Nacht vom 27–28ten früh ½ 1 Uhr gestorben. Ich beweine ihn als Freund von Paul und Mann seiner lieben Frau,72 die ihm schon früher vorangegangen, die mir Freundin war. Aber für ihm muß man sich freuen, daß er ausgelitten, den er hatte ein verknöchertes Herz. Verzeih, daß ich Dir dies schrieb, da er Dir ganz fremd. Ich glaubte aus Zerstreutheit, an Auguste zu schreiben, Du theilst es ihr vielleicht mit. Nun leb wohl. Bald hört hier die Ruhe auf, da die Pferderennen vom 3ten anfangen und dann eine Fluth von Menschen kommen. Natürlich bin ich am 3ten nicht dabei. Der Tag ist nun ein doppelter Trauertag. Deine treue Adine Wenn Du Deine Schwester Charlotte73 siehest, empfehle mich ihr. Der Adjutant von Werder ist hier in Dobbran mit seiner Schwester Gräfin Bassewitz.74 Wie ich ihn zu erst sah, traten mir die Thränen in den Augen. So schmertzliche Erinnerungen traten mir vor der Seele! Grüße bitte Deine Umgebung. Reichenhall, den 9ten August 1861 Nur zwey Worte durch Deinen Fritz, meine Adine, und den herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief vom 29ten July. Schade, daß Fritz schon abreist, aber vielleicht ist es doch besser für Auguste, die nach der stillen Zeit nun so viel auf einmal hat. Bey dem schönen Wetter, das bis jetzt unverwüstlich war, konnten sie viele Ausflüge machen. Wir haben davon auch schon viele unternommen. Nun geht mein Weg meist nach Salzburg, wo ich zwey Schwestern und einen Bruder aufsuche.75 Sophie ist seit Dienstag in Salzburg. Einen Tag kümmt sie hieher, den andern gehe ich nach Salzburg. Gestern Abend waren wir alle in dem schönen Aichen, das Du auch kennst, und ich kam spät zurück. Adinchen wird sehr freundlich empfangen. Der alte Erzherzog Ludwig76 war gleich sehr freundlich für sie. Er ist seit gestern in Salzburg, eben so mein Schwager.77 Beyde sind gealtert. Sophie und Charlotte sehen wohl aus, und mein alter Bruder ist merkwürdig 70 71 72 73 74
Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt. Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861), gest. am 28. Juli. Johanna Caroline Louise (Adele) Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. von Labes (1801–1855). Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873). Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Major und Flügeladjutant, mit seiner Schwester Elisabeth von Werder (1825–1872), verh. 1852 mit Adolf Graf von Bassewitz (1813–1887), Gutsbesitzer auf Prebberede. 75 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich (1792–1873) und Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich (1805–1872), geb. Prinzessinnen von Bayern, und ihr Bruder, der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 76 Erzherzog Ludwig von Österreich (1784–1864), österr. General und Politiker. 77 Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878).
1861
453
lebendig. Karl78 war ein paar Tage hier, und den Kayser79 sah ich einige Stunden vorige Woche. Du siehst, daß ich die Freude habe, viele, liebe Verwandte zu sehen. Der Kayser bat seine Schwägerin Helene Taxis, zur Kayserin nach Corfu auf einige Zeit zu gehen.80 Er ist ihr ein schweres Opfer, sich von dem sehr geliebten Mann zu trennen, und von den Kindern, die sehr zart sind.81 Aber sie brachte es gleich ohne Zaudern, mit einer Einfachheit und Hingebung, die mich wahrhaft rührten. Sie ist Dienstag abgereist, um ihrer Mutter82 die Kunde zu bringen, und hofft, den 22ten in Corfu zu seyn. Gott gebe, daß ihre Gegenwart die Schwester aus der Einsamkeit reiße, die ihr gewiß nicht zuträglich ist. Ich wußte wohl, daß Du und Luise über die Krönung denkt wie ich.83 Wie mir Mary schreibt, geht wohl die ganze Familie nach Königsberg. Ich kann mir nicht denken, daß die Erbhuldigung theurer gewesen wäre als die Krönung und alles, was dazu gehört. Gott sey Dank geht Wilhelm nicht nach Châlons.84 Das war ein entsezlicher Gedanke. Ich kann mir Bernstorff85 gar nicht mit den jetzigen Ministern denken. Wie kann es mit ihnen gehen, mit so ganz andern Ansichten und Grundsäzen? Ich kann mir den Eindruck denken, den Dir Luisens Kinder machen, aber sie werden Dir doch ein Trost seyn und eine Freude, wenn auch wehmütig. Ich denke, Du sprichst oft mit Werder86 von der Vergangenheit. Er ist ein so gemüthlicher, treuer Mensch. Grüße ihn, wenn Du ihn begegnest, von mir. Kaniz87 und Hohenlohe88 schrieben der Alvensleben,89 ersterer vom Rigi, wo er seine petite santé90 gepflegt, und der andere aus London. Er wird nun bald abgelöst. Ich habe Bassewiz91 gekannt. Ich kann mir denken, wie wehe Dir sein Ende thut. Ich habe auch die Tage im vorigen Jahr wieder verlebt, besonders des 3ten August gedacht, 78 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 79 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 80 Erbprinzessin Helene (Néné) von Thurn und Taxis, geb. Prinzessin in Bayern (1834–1890), und ihre Schwester Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898), die aufgrund einer Lungenerkrankung auf Korfu kurte. 81 Erbprinz Maximilian Anton von Thurn und Taxis (1831–1867) und seine Töchter, die Prinzessinnen Louise (1859–1948) und Elisabeth von Thurn und Taxis (1860–1881). 82 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 83 Die archaische ständische Erbhuldigung, wie sie König Friedrich Wilhelm IV. 1840 in Berlin entgegengenommen hatte, wurde der seit 1850 geltenden preuß. Verfassung nicht mehr gerecht, die eine parlamentarische Eidesleistung des Königs vorsah. Die Selbstkrönung durch eigene Hand am 18. Okt. in der Schlosskirche in Königsberg sollte Souveränität und Sakralität des preuß. Königtums konservieren. 84 1856 durch Kaiser Napoleon III. errichtetes frz. Militärlager bei Châlons-en-Champagne. 85 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873) löste Alexander Freiherr von Schleinitz als preuß. Außenminister ab. 86 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Major und Flügeladjutant. 87 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Major und Flügeladjutant. 88 Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827–1892), preuß. Major und Flügeladjutant. 89 Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 90 Frz. = angegriffene Gesundheit, kränklich. 91 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861), gest. am 28. Juli.
454
Briefe 1851–1873
des herzzereißenden Abschiedes der beyden Geschwister,92 die sich erst in der Ewigkeit wieder sehen sollten. Wie rührend war mein armer Fritz in seiner Unfähigkeit zu sprechen! Ach, die Erinnerung an seine unbeschreiblichen Leiden verläßt mich nicht, und wie dicke Thränen fließen im Stillen, wenn ich ganz allein bin! Lebe wohl, meine Adine, ich muß enden. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Reichenhall, den 27ten August 1861 Während man mein Bad zurecht macht, meine Adine, will ich immer mein Brief anfangen. Nun ist es fertig und für jetzt addio. Ein großer Theil des Morgens ist vergangen, und endlich komme ich wieder an mein Brief. Mein Bad, das kalt nachher, frühstücken, Dönhof,93 Böger94 und ein Besuch meines großen Vetter von Darmstadt95 aus Leopoldskron füllten ihn beynahe aus. Es siht aus, als wolle es ein wenig besser Wetter werden, aber noch ist nicht viel Trost. Nach dem herrlichen, nur zu warmen Wetter regnet es fast beständig, und die Luft ist bitterkalt. Die dünnen Wände meines Hauses schüzen es gar nicht gegen die äußere Luft. Tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 19ten. Dieser ist der lezte, den ich Dir hier schreibe. Ich will den 3ten nach Ischl auf zwey Tage gehen, und dann den 7ten nach Tegernsee auf ein paar Wochen. Da Luise mir schreibt, daß sie nicht so bald Muskau verlassen wird, werde ich auch auf keinen Fall vor Ende September nach Sans Souci zurückkehren. Am liebsten hätte ich das Wiedersehen mit Auguste vor der Krönung96 vermieden, aber das geht nicht. Natürlich will ich den sonst so theuren 15ten zu Hause zubringen. Und da ich, um den Fremden, die wohl den Festen in Berlin beywohnen werden, aus dem Weg zu gehen, nach Dresden gehen will, so wäre die Rückkehr auf so kurze Zeit zu auffallend, aber mir bangt vor allen Phrasen, die ich hören werde. Ich hoffe, Du kümmst auch nach Sans Souci, wenn Luise kümmt? Welches Wiedersehen wird das seyn, wie unaussprechlich schmerzlich! Gestern nach Tisch waren wir bey Auguste,97 die uns sehr gute Sachen von ihrer Köchin zu verzehren gab und selbst recht wohl und munter war. Sie hat sich wieder ganz von dem lezten Magenkrampf erholt, und Böger ist wirklich zufrieden. Nur besorgt er, daß, wenn sie in’s alte Leben mit seinen Anforderungen zurück kümmt, ihr das wieder schaden wird. Er ist wie ich überzeugt, daß man manche Gemüthsbewegung vermeiden könnte, die ihr immer am meisten schaden. Mir kümmt immer vor, daß außer Dir nie92 Letztes Treffen von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, in Schloss Sanssouci vor deren beider Tod. 93 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 94 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt. 95 Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt (1806–1877). 96 Krönung von König Wilhelm I. und Königin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von SachsenWeimar-Eisenach, am 18. Okt. in Königsberg. 97 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, aufgrund ihrer chronischen Lungenerkrankung zur Kur in Reichenhall.
1861
455
mand recht an ihr Krankseyn glaubt. Den Anblick des sehr kranken Bruders,98 der den Winter in Montreux bleiben soll und von dem sie mit großem Schmerz und Besorgnis Abschied nahm, hätte man ihr ersparen sollen, das hat sie sehr angegriffen. Ihre Geschwister kamen mit Fritz zugleich. Da war nun viel Leben und Bewegung in den kleinen Räumen, und stoben sie alle denselben Tag auseinander, und sie blieb allein. Das könnte, meine ich, anders eingerichtet werden für eine so schwächliche Frau. Ich sage Dir das, weil Du die einzige bist, die dagegen steuern kann, wenn der Fall wieder einträte. Auguste ist froh, den 6ten abreisen zu können, sonst wäre sie ohne Böger hier, was ihr sehr unangenehm wäre. Mariechen99 war zu lieb gestern Abend. Anna100 ist viel mit Addy, deren sich Auguste auch sehr annimmt. Sie geht nicht mit mir nach Ischl, wo ich nur eine beschränkte Wohnung und überhaupt nicht mit so großem Troß ankommen will. Sie geht unterdessen mit ihrer Schuck101 und Anna Alvensleben102 über Insbruck nach Partenkirchen, wo die Familie Brühl103 den Sommer zubringt, und wird dann zu mir in Tegernsee stoßen. Mein Bruder Karl ist noch in Salzburg, wo ich viel mit den Geschwistern bin. Mein ältester Bruder,104 der vorgestern 75 Jahre wurde und noch unglaublich lebendig und munter ist, hat uns doch in den lezten Tagen geängstigt. Er hatte so arge Schwindel Anfälle. Sein Sohn Otto und seine Töchter Mathilde und Adelgunde105 sind bey ihm in Leopoldskron. Sophie war auch in Salzburg 10 Tage, und wir sahen uns viel. Es ist mir sehr wohlthuend, so viel mit mein Geschwistern seyn zu können. Meine österreichischen Neffen sah ich auch, ausser Karl.106 Da er aber heute nach Salzburg kümmt, so hoffe ich, auch ihn noch zu sehen. Es freut mich, daß die Gesellschafft in Dobberan so angenehm ist. Gräfin Ugarte107 ist mir antipathisch. Man mag sie nirgends. Victoria’s Besuch in Reinhardsbrunn108 gefällt mir auch nicht. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis
98 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), Herr zu Stonsdorf, preuß. Rittmeister à la suite im Garde-Husaren-Regiment. 99 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 100 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907). 101 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), Erzieherin von Prinzessin Alexandrine von Preußen. 102 Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 103 Mglw. die Witwe und Kinder von Karl Graf von Brühl (1772–1837), preuß. wirkl. Geheimer Rat und Generalintendant der Schauspiele und Museen. 104 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 105 König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867) und seine Schwestern Großherzogin Mathilde Karoline von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Bayern (1813–1862), und Erzherzogin Adelgunde Auguste von Österreich, abgedankte Herzogin von Modena, geb. Prinzessin von Bayern (1823–1914). 106 Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896). 107 Elisabeth Karoline Luise Gräfin von Ugarte, geb. von Rochow (1822–1896), verh. 1845 mit Joseph Graf von Ugarte (1804–1862), österr. Diplomat. 108 Residenz ihres Onkels Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893).
456
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 7ten Oktober 1861 Zu meiner Freude, liebe Elis, höre ich durch einen Brief von Luise heute, daß es Dir nun besser geht, aber daß Du doch einige Tage das Bett hast hüten müßen. Heute, bei dem schönen Wetter, wirst Du gewiß heraus dürfen. Du wirst auch Theil genommen haben, an dem Unfall, das Fritz begegnet.109 Gottes Hand hat ihn aber beschützt, denn sonst wäre er nicht mehr am Leben. Der Schuß setzte an einer dicken, ledernen Tasche ab und nahm dadurch eine andern Richtung. Die Wunde ist rein und gut, und seine guten Säfte machen die Heilung schnell. Er hofft, Mittwoch oder Donnerstag aufstehen zu dürfen und dann auf Lehnstuhl und Chaiselonge den Tag zu bringen zu dürfen. Wenn alles so gut bleibt, so hoffe ich, wirst Du mir erlauben, am Freitag den 11ten zu kommen und auch wie Luise den sonst so frohen 15ten mit Dir zu bleiben.110 Freilich waren die letzten Jahre schon recht getrübt. Jetzt sieht er verklährt von dort oben zu uns herab. Nach dem sehr bewegten Wiedersehen mit Luise wird es Dir eine Freude sein, sie nun länger um Dich zu haben. Denn wer fühlte wohl tiefer mit Dir als grade sie. Sie schrieb mir heute von ihrer Ankunft, von dem Wiedersehen auf dem Flur usw., wie es so schrecklich gewesen. Und doch ist sie so glücklich, Dich in Sanssouci grade wieder zu sehen und dort in Ruhe mit Dir zu sein. Nachtisch. Eben kam Dein Telegram, liebe Elis. Und Du siehest, daß ich schon dabei war, mich anzumelden. Ich hoffe nur, daß es mit meinem Fritz so gut weiter geht und nichts dazwischen kommt. Denn ich freue mich so sehr, Dich wieder zu sehen und mit Luise einige Tage vereint zu sein, wie es sonst so oft war. Aber er wird so fehlen. Grade wenn alles auf alter Art, dann tritt die Lücke noch mehr hervor. Deine Rückkehr muß auch recht schmertzlich gewesen sein. Mein Fritz und Auguste legen sich zu Füßen und danken sehr für Deine Theilnahme. Auguste erzählt mir viel von Dir und wie Du so freundlich für sie gewesen. Es hat sie sehr beglückt. Bist Du vielleicht so gütig, liebe Elis, und grüßt Luise von mir und wie ich dankbar für ihren Brief, nach dem ich schon sehr geschmachtet? Leb wohl, geliebte Elis, ich hoffe auf Wiedersehen am Freitag, den 11ten. Ich wollte bis Berlin und dann mit Verbindungs Bahn nach dem Potsdammer Bahnhof und dann gleich weiter nach Potsdam mit dem 5 Uhr Zug, also um 6 Uhr in Sanssouci sein. Deine alte Adine Heute der Besuch in Compienne! ! !111
109 Jagdunfall von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin am 2. Okt. in Buchholz bei Schwerin, bei dem er einen Durchschuss am Oberschenkel erlitten hatte. 110 Geburtstag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 111 Geheimes Treffen König Wilhelms I. von Preußen mit Kaiser Napoleon III. am 7. Okt. im Schloss von Compiègne.
1861
457 Schwerin, den 24ten Oktober 1861
Tausend Dank, meine liebe Elis, für Deine lieben Zeilen, die den Brief von Bruder Wilhelm begleitet. Wenn jemand die Krone so auf diese Art von Gottes Gnaden empfängt, mit solchen Empfindungen und mit solchen Gesinnungen, da wird der Seegen des Allmächtigen nicht fehlen, und ihn erleuchten und begleiten.112 Es müßen prachtvolle, tief ergreiffende Momente gewesen sein. Mögen sie tief in die Herzen dringen und zur Treue ermahnen und anfeuern. Dann kann Preußen nicht verderben! Eins hat mir leid gethan, daß Wilhelm in dem Brief nie nie seine Frau erwähnt. Welche Kluft liegt doch darin und wie verlaßen steht er da! Wo sein Herz spricht, da ist immer Zahrtgefühl, daß hat er Dir auch bewiesen. Mir telegraphiert er unter andern diese Worte: „Ein Blick der Wehmuth ruhete auf den verhängten Fenstern des Schloßes.“ Seine Gedanken suchten den in Frieden ruhenden Bruder auf, mitten in Pracht und Jubel. Er mag auch wohl an sich gedacht haben, wie bald vielleicht sein Nachfolger eben so einen Einzug hallten wird! Heute Morgen sind nun meine Enkel Windisch-Graetz abgereiset unter tausend Thränen. Es war ein Herz zerreißender Abschied. Nun sitze ich einsam in mein Zimmer, wo noch vor wenigen Stunden so viel Leben und Lärm war. Gott behüte die lieben Kinder. Bis Ludwigslust war ich mitgefahren, wo noch die gute alte Großmama113 an der Eisenbahn war, um die Kinder zu sehen, und ihnen Geschenke brachte, trotzdem daß ich erst vorgestern mit den Kindern bei ihr war. Es war zu lieb von ihr. Um 2 Uhr war ich wieder in Schwerin, habe auf dem Schloß bei Fritz und Auguste gegessen. Sie küßen beide Deine Hände. Es geht Fritz täglich besser, aber 14 Tage wird es gewiß noch gut dauern, ehe er ganz hergestellt ist. Auguste geht es auch leidlich. Nur war sie sehr traurig über die eben empfangene Nachricht von dem plötzlichen Tod der lieben Bertha Stolberg in Krepelhof.114 Das wird Dir auch nahe gehen. Sie war Dir und Fritz so sehr ergeben und schickte noch das hübsche Epheu Kreutz zum 15ten.115 Ach, liebe Elis, was waren das für Stunden der Andacht und Erhebung, als wir zum Abendmahl an der Stelle gingen, wo er vor 9 Monaten stand. Wie danke ich Dir es, daß Du uns die Freude gemacht hast, dieses Friedensmahl mit Dir an dem Tag zu nehmen, es war ein großer Seegen und Trost, und überhaubt, daß es Dir lieb war, uns um Dich zu haben. Du hast uns unbeschreiblich glücklich dadurch gemacht. Nun leb wohl. Wie schön, daß Dir dies ruhige Famillen Leben so wohl an Leib und Seele thut. Wann kehrst Du nach Sans Souci zurück? Deine treue Adine Wenn Du mich haben willst nach Deiner Rückkehr, gleich oder späther, ich komme, wenn Du rufst. 112 Krönung von König Wilhelm I. und Königin Augusta von Preußen am 18. Okt. in der Schlosskirche in Königsberg und feierlicher Einzug mit Krönungsfeierlichkeiten in Berlin. 113 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 114 Bertha Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1816–1861), gest. am 22. Okt. auf Kreppelhof in Schlesien. 115 Geburtstag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
458
Briefe 1851–1873
Abb. 15: Die Selbstkrönung des neuen Königs von Preußen in Königsberg war 1861 ein Politikum ersten Ranges. Anders als sein Bruder 1840 wählte Wilhelm I. nicht die öffentlich-ständische Erbhuldigung sondern eine exklusive Krönungszeremonie. Das war eine bezeichnende Geste für einen konstituionellen Monarchen, der, gestützt auf seine militärische Befehlsgewalt, im jahrelangen Budgetkonflikt mit dem Parlament regierte.
Schwerin, den 18ten November 1861 Da mein Brief morgen in Deine Hände kömmt, so muß ich Dir sagen, wie viel ich an Dich denke, und an dem vergangenen Jahr. Wie war der Tag grade so traurig, da der liebe Fritz so garnicht davon Notitz nahm, garnicht ein Zeichen gab, daß er wußte, was für ein Tag es war.116 Du warst so traurig darüber, geliebte Elis, weil er die andern Jahre noch solche Freude sich daraus machte, die Geschenke auszuwählen und zu geben. Nun sieht er verklährt auf Dich und seegnet Dich. Und Du siehest durch Thränen zu ihm auf. Gott stärke Dich in Deinem Schmertz. Nun muß ich Dir herzlich danken für Deinen lieben Brief, bin aber so betrübt, daß Du wieder so leidend bist und solche Beklemmungen hast und hustest, und mich noch garnicht darum haben willst. Marie von Altenburg ist jetzt bei der alten Mama und bleibt bis nach ihrem Geburtstag.117 Da werde ich nun erst An116 60. Geburtstag von Königin Elisabeth von Preußen am 13. Nov. 117 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg,
1861
459
fang Dezember kommen können, wenn Du mich haben willst. Dann würde ich auch suchen, meinen Besuch an Bruder Wilhelm und Augusta machen zu können. Letztere muß eine riesen Gesundheit haben, daß sie dies alles ertragen kann und wohl ist. Es freut mich doch, daß Du Wilhelm endlich ein Mal hast allein sehen können. Der Tod von Natzmer118 hat mir zu leid gethan. Ihm ist aber jetzt wohl, er ruht in Frieden und hat nun seine beiden lieben Herrn wieder gesehen. Welche Wonne wird das gewesen sein. Die arme Frau119 bedauere, sie steht auch recht allein. Der Tod vom König von Portugal120 ist doch auch recht betrübt. Die armen beiden Schwestern,121 welche nun so fern sind. Das wird ein großer Schmertz für sie sein. Mein Fritz und Auguste legen sich zu Füßen. Es geht ihnen beiden jetzt recht gut. Auguste erholt sich wieder, und Fritz hat selbst eine kleine tour im Land gemacht, um eine Kirche ein zu weihen.122 Er hat sich in Acht genommen, und so ist es gut bekommen. Wie lange bleibt Addi bei Dir? Ist die Schwester der Schuk123 gefährlich krank? Nun leb wohl. Ob Du wohl in die Friedenskirche wirst gehen dürfen? Daß würde Dir doch zu schwer werden, nicht bei ihm zu beten. Deine treue Adine Schwerin, den 23ten December 1861 Geliebte Elis, ich wollte Dir schon längst schreiben und danken für Deine Liebe und Herzlichkeit, die Du mir wieder in so reichlichem Maase bewiesen hast. Bei meinem letzten Aufenthalt bei Dir, wo es mir besonders wieder so wohl und gemüthlich war und ich schmertzlich den contrast empfand mit der jetzigen Zeit, wo so kein Herz, sondern Politik und weiß Gott, was das Herz beschäftigt. Natürlich spreche ich nur von einer Seiten, wo Gott sei Dank das Herz und Gemüth ganz das selbe ist wie sonst, aber große Schwäche da ist und ihm ein liebendes Herz fehlt, was ihm zur Seite stehet, ihm stützte und dem er vertrauen könnte.124 Hier in Schwerin angekommen, fand ich erst noch in Ludwigslust meine Schwägerin aus Altenburg bei der lieben alten Mama, die ich in den 8 Tagen sehr verändert gefunden. Sie war unaussprechlich schwach und hinfällig, auch ihr Äusseres verändert, mit einem Wort, sie ist sehr alt geworden. Doch scheint es weiter feierte am 28. Nov. ihren 85. Geburtstag. 118 Oldwig von Natzmer (1782–1861), preuß. General der Infanterie a.D. und Generaladjutant, gest. am 1. Nov. 119 Luise Henriette von Natzmer, geb. Freiin von Richthofen (1801–1878). 120 König Peter V. von Portugal (1837–1861) aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha, gest. am 11. Nov. an einer Fieberepidemie ebenso wie zwei seiner Brüder. 121 Prinzessin Maria Anna von Sachsen, geb. Infantin von Portugal (1843–1884), und Prinzessin Antonia Maria von Hohenzollern-Sigmaringen, geb. Infantin von Portugal (1845–1913). 122 Verm. die Dorfkirche von Diedrichshagen bei Grevesmühlen. Das Kirchenschiff wurde 1858–1861 im neugotischen Stil errichtet, der Turm stammt noch aus spätgotischer Zeit. 123 Luise Henriette Freifrau von Lüttwitz, geb. Freiin von Schuckmann (1801–1862), Schwester von Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), Erzieherin von Prinzessin Alexandrine von Preußen. 124 Anspielung auf die Ehe von König Wilhelm I. und Königin Augusta von Preußen.
460
Briefe 1851–1873
keine Folgen zu haben. Fritz und Wilhelm waren zur Jagt dort, und Wilhelm reiset von da nach Brandenburg zurück, um morgen wieder zu kommen zum Fest. Auguste fand ich den ersten Abend recht gut. Die Freude, mich wieder zu sehen, belebte sie, aber den andern Tag fand ich sie schwer schwach. Sie sieht entsetzlich ehlend aus und kann nur wenig thuen. So kann sie mich des Morgens garnicht sehen, nur den Abend. Das ist noch garnicht da gewesen. Sie ist von einer Magerkeit, wie ich es kaum möglich hielt. Ihre Stimmung ist auch sehr gedrückt. Ich kann wohl sagen, daß ich mich sehr um sie ängstige. Dabei ist ihr Gemüth so entsetzlich empfänglich für alle Eindrücke, alles ergreift sie tief und kann sich nicht davon loß machen. So unter andern hat der Tod des Prinz Gemahl125 sie so ergriffen, dann der Tod von der Gräfin Bernsdorf (Rantzau).126 Nun greifft sie sich zu sehr an mit dem Einkauf. Kurtz, man ist in einer beständigen Angst um sie. Der Artzt findet auch seit dem letzten Magenkrampf, der 24 Stunden gedauert, daß ihre Kräfte sehr nach gelaßen. Er thut, was er kann, um ihr Kräfte zu schaffen. Aber so schnell geht das nicht. Verzeih, daß ich so viel über diesen einen Gegenstand schreibe, aber ich bin so ganz davon erfüllt, und Du interessierst Dich ja auch für die arme Auguste. Gott allein kann hier nur helfen, und man muß Ihn bitten, daß er es nach Seiner Weißheit einrichtet. Ich hoffe aber, Er erhällt uns noch die geliebte Auguste.127 Fritz ist wohl, aber die Wunde hält noch nicht. Alles ist mit Weihnachten beschäftigt. Für Dich ist dies Fest auch auf lange verdorben, denn der liebe Fritz wurde grade am Heilig Abend so krank, um sich nicht mehr zu erholen. Nun leb wohl, meine Gabe ist leider nicht fertig geworden. Es wird daher noch länger dauern. Deine treue Adine
125 Prinzgemahl Albert von Großbritannien und Irland, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861), gest. am 14. Dez. 126 Frieda Gräfin von Bernstorff, geb. von Rantzau (1812–1861), verh. 1836 mit Hermann Graf von Bernstorff (1804–1876), Gutsbesitzer auf Dreilützow, gest. am 12. Dez. 127 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, starb am 3. März im Alter von 39 Jahren.
1862 Schwerin, den 13ten Januar 1862 Meine liebe Elis, noch hörte ich garnichts von Dir, seit Du in Charlottenburg bist, wie Du Dich hereingefunden in dieser Veränderung. Nach der Zeitung bist Du schon in Berlin bei Augusta gewesen und gestern vielleicht im Dom zur Kirche, lauter neue und schwere Gänge! Deine Ergebung und Dein Glaube in dem Herrn wird Dir zur Seite stehen und Dich über dies alles herüber helfen, wie Er Dich bis hier her geführt. Wenn nur Deine Gesundheit besser wäre, dann läßt es sich leichter tragen. Daß Wetter ist aber wirklich ausgesucht schäuslich, heute haben wir hier 5° Kälte. Ich schreibe Dir heute vom Schloß, wo ich mich den Vormittag etabliert, weil Auguste leider wieder recht leidend war. Dies Mal waren nur 4 Tage Ruhe, da stellte sich der Magenkrampf wieder ein. Am Freitag Mittag fing es an. Sie nahm ein Kamillen Bad und daß, hoffte man, sollte den Krampf heben. Allein, es half nicht, mehrere Stunden hielt es sehr heftig an, dann milderte er sich gegen Abend. Die Nacht von Sonnabend auf Sonntag konnte Auguste schlafen, da sie Kloroform auf den Leib gelegt, der ihr wehethat. Und gestern blieb so ein dumpfer Schmertz, der sie am Tage nicht schlafen ließ. Sie hatte viel Unruhe. Diese Nacht war leidlich, nun ist sie aber so matt und abgespannt, daß es ein Jammer ist. Und wenn sie nun allein liegt und weiß nicht, daß ein lebendes Wesen in ihrer Nähe ist, so fängt sie zu trübe Gedanken. So bin ich im Nebenzimmer, und sie kann mich haben. Gott wolle nur geben, daß die Kräfte ausreichen. Zum Glück kann sie doch eßen, und es schmeckt auch zimlich. Aber ich kann nicht leuchnen, daß mir recht bang wird. Der Herr wird ja helfen. Möge es Sein Wille sein, daß sie uns erhallten bleibt.1 Heute soll Doktor Nasse2 wieder kommen, der sie voriges Jahr so gut behandelt, weil der neue Artzt zum Bett liegt. Auguste freut sich darauf. Nun lebe wohl, Deine treue Adine Daß kein Telegraph in Charlottenburg ist, ist recht langweilig. Dadurch erfährt man so wenig von Dir. Nachtisch. Auguste legt sich zu Füßen, es geht ihr heute Abend viel besser. Sie ist aber noch im Bett. Schwerin, den 17ten Januar 1862 Ich habe Dir noch nicht gedankt, geliebte Elis, für Deinen lieben Brief vom 13ten, der mir so unendliche Freude gemacht. Denn ich verging vor Sehnsucht, Nachricht von Dir zu bekommen, wie Du wohl aus meinem letzten Brief gesehen haben wirst, der sich mit dem Deinen gekreutz. Ich denke so viel an Dich und möchte Dir nahe sein. Aber ich 1 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, starb am 3. März im Alter von 39 Jahren. 2 Werner Nasse (1822–1889), Medizinalrat und Arzt im Schwerinschen Kreisphysikat sowie Direktor der Irrenheilanstalt Sachsenberg bei Schwerin und der Irrenpfleganstalt zu Dömitz.
462
Briefe 1851–1873
weiß garnicht, ob ich meinen Wunsch und mein Versprechen werde erfüllen können. Es ging mit Auguste garzuwenig gut. Seit gestern ist sie seit Freitag zum ersten Mal ganz Schmertzens frei, und das ist denn eine große Freude. Und sie ist gestern Abend zum ersten Mal etwas aufgestanden, recht eingepackt hinter dem Ofen geseßen im Lehnstuhl. Die Nacht war aber doch nicht so ruhig, der Schlaf erst gegen Morgen. Die Mattigkeit [ist] recht groß, und ihre Magerkeit nimmt immer zu. Besorglich ist der Zustand gewiß wieder sehr. Doktor Nasse,3 der sie vergangenes Jahr so gut behandelt, kam diese Tage wieder, da der neue Artzt Mettenheimer4 zu Bette lag. Der fand die liebe Auguste entsetzlich verändert und die Schwäche größer wie voriges Jahr und sieht die Sache sehr ernst an. Er hofft, daß die Kräfte nur aushallten. Für den sogenannten Magenkrampf wäre nicht viel zu thuen. Du kannst denken, wie bange mir ist, und ich bete unabläßig zu Gott, daß es Sein Wille sein möge, uns Auguste zu erhallten.5 Ich bin Vor- und Nachmittag oben bei ihr im Nebenzimmer, und das ist ihr lieb. Ich gehe auch wohl hinein zu ihr, aber nur wenig. Die Kälte ist seit einigen Tagen sehr groß. Jetzt sind es 7–8°, heute um 9 Uhr waren es 11–12° Kälte. Wie erwarten heut die Leiche von dem guten Hopfgarten.6 Sein Tod geht mir sehr nahe, er war ein Freund und treuer Diener unseres Hauses. Über 40 Jahre kenne ich ihn schon, und die plötzliche Art finde ich so schrecklich. Beinah ist er auf der Straße gestorben, geführt von 2 Handwerksburschen. Er wird mit allen möglichen militärischen Ehren vom Bahnhof aus beerdigt. Überhaubt, so viele Bekannte sind seit Neu Jahr von mir gestorben. Auch Graf Pless in Ivenack7 that mir leid, aber ganz besonders die alte Gräfin Bassewitz.8 Die Mutter von allen den reichen Söhnen, die früher hier in Schwerin wohnte und diesen Winter schon krank hier ankam, starb am 14ten. Nun habe ich aber so viel von hier geschrieben, und eigentlich wollte ich von Dir schreiben. Ich hoffe, Du hast Dich jetzt schon etwas mehr in Charlottenburg eingewohnt. Und bei der schönen Sonne ist es in den lieben Cabinets so freundlich, und der leider leere Platz vom geliebten Fritz wird so friedlich beschienen werden. Er selbst blickt gewiß mit inniger Liebe zu Dir herab. Wenn Deine Schmertzen nur sich geben wollten, damit Du endlich etwas Ruhe hättest. Die Besuche in Berlin müßen recht schmertzlich gewesen sein. Der Empfang mit Hofstaat war eine tacklose Feete. Gestern hat ja Wilhelm und Augusta bei Dir gegessen.
3 Ders. 4 Carl von Mettenheimer (1824–1898), Mediziner, Naturwissenschaftler und Komponist, seit 1861 Leibarzt bei Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 5 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, war todkrank. 6 Ernst von Hopffgarten (1797–1862), mklbg.-schw. Generalmajor a.D. und Generaladjutant, mklbg. Gesandter in Preußen, gest. am 13. Jan. 7 Gustav Freiherr von Maltzahn, Graf von Plessen (1788–1862), Majoratsherr auf Ivenack, gest. am 12. Jan. 8 Luise Gräfin von Bassewitz, geb. von Levetzow (1794–1862), gest. am 14. Jan.
1862
463
Addi schreibt heute an meine Auguste, daß Heim9 so krank sei. Ist er in Bethanien?10 Schwester Luise schreibt mir auf meine Fragen wegen dem Tod von Johannes,11 daß Mariann an Fritz geantwortet: „Quand des êtres comme ma fille Charlotte et mon fils Johann Wilhelm nous sont enlevés,12 könnte man mitten im Schmertz nur Gott preisen, sie aus der Welt erlöset zu haben und so weiter. Und wenn man so alt wäre wie sie, thäte man am besten de continuer à s’éleveé vers Dieu13 und zu leben, wie sie es nun schon seit langen Jahren gethan!!!“ Dies ist wirklich ein hübsches raisonnement. Sie bleibt doch verstockt und verblendet. Wie muß einer solchen Seele zu Muthe sein. Nun leb wohl, ich muß fort. Deine treue Adine Wenn Du Addi vielleicht über meine Besorgniß sprichst wegen Auguste, so möchte sie ihr nicht in dem Sinn schreiben. Noch bedauere ich, daß ich meine Telegraphen so undeutlich geschrieben. Es war an Marien Windisch Grätz in Wagensberg bei Littai.14 Schwerin, den 8ten Februar 1862 Meine liebe Elis, ich bin denn glücklich angekommen und noch voll Dank für alle Liebe und Deine Herzlichkeit. Ich fühle es jedes Mal mehr, wie ich mich so glücklich in Deiner Nähe fühle und wie ich so gern bei Dir bin. Und glaube nur nicht, daß es mir daß geringe Opfer ist, nicht an den Festen theil zu nehmen. Im Gegentheil, es wäre mir ein Opfer, wenn ich hätte hingemußt. Wenn man so viel durchgemacht wie ich und so viel Liebes dem Himmel hat zurückgeben müßen, dann lebt man am liebsten mit gleich fühlenden Seelen. Freilich, wenn es sein muß, so kann ich es auch, in der Welt leben. Hier zum Beispiel gebe ich ja Bälle und Diners. Jetzt aber habe ich mein Ball bis Ende künftiger Woche verschoben, weil ich Fritz doch zu krank fand. Ich kann nicht leuchnen, daß ich mich gestern recht erschrocken habe, als ich ihn sah. Er war so hinfällig, dabei Fieber und so harten, quälenden Husten. Der Auswurf ist schwer, aber nicht schlecht. Überhaubt, Gefahr ist nicht gewesen und ist jetzt noch weniger. Aber recht krank ist er. Gestern war auch kein guter Tag, gegen Abend war etwas mehr Fieber, 80 Schläge und gereitzt. Diese Nacht war gut, Fieber gering, Husten weniger, und Fritz fühlt sich besser. Jetzt 11 Uhr hustet er mehr, aber leichter, ist aber matt und soll nur eine Stunde auf blei9 Albert Heym (1808–1878), Hofprediger und erster Pfarrer an der Friedenskirche in Potsdam. 10 Diakonissen-Krankenhaus in Berlin-Kreuzberg, errichtet im Auftrag König Friedrich Wilhelms IV. 11 Johann Wilhelm von Reinhartshausen (1849–1861), Sohn aus der unehelichen Beziehung von Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), mit Johannes van Rossum (1809–1873), am 25. Dez. 1861 im Alter von 12 Jahren gestorben. 12 Frz. = Wenn Wesen, wie meine Tochter Charlotte und mein Sohn Johann Wilhelm von uns genommen werden, […]. Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), war am 30. März 1855 im Kindbett verstorben. 13 Frz. = […] sich weiterhin zu Gott erheben. 14 Prinzessin Marie von Windisch-Graetz (1856–1929) auf Schloss Wagensberg in Slowenien.
464
Briefe 1851–1873
ben. Auguste fand ich zum Umblasen schwach, so daß ich glaubte, sie würde auch krank werden, dabei entsetzlich aufgeregt über die Wasserkur und den Artzt. Aber es that ihr gut, gegen mich sich auszusprechen und überhaubt wieder jemand um sich zu haben. Heut geht es ihr viel besser. Ich war den Vormittag auf dem Schloß, im Nebenzimmer von Fritz. Da konnte Auguste etwas länger liegen bleiben, und sie war beruhigt, Fritz gut aufgehoben zu wißen. Eben kommt Dein Telegram, wo für ich herzlich danke. Morgen früh hast Du mein Brief. Darum erwiedere ich nichts. Heute ist so himlisch Wetter, ich bin Schlitten gefahren, und Du hast gewiß eine größere Fahrt gemacht. Bei Wittenberge war das Wasser sehr hoch. 3–4 Fuß fehlte, so ging es über die Eisenbahn. Jetzt decken Eis und Schnee alles zu. Nun leb wohl, Deine treue Adine Wie ist doch Charlottenburg so traurig, ich mochte es Dir garnicht so aussprechen, weil ich fürchtete, alle contenance zu verliehren. Besonders daß erste Diner im runden Saal und das Frühstück am andern Morgen in dem kleinen Cabinet, bei beiden war vor 4 Jahren der liebe Fritz immer zugegen, freilich in einem sehr traurigen Zustand schon, weil das Sprechen ihm so schwer wurde und er darüber so verzweifelte. Gott hat es jetzt gnädig mit ihm gemacht, er ruht bei ihm. Wir werden aber immer ihn beweinen und betrauern. Beinah hätte ich ganz vergeßen zu sagen, wie Auguste überglücklich und tief gerührt war, daß Du ihr grade das Büchelchen vom lieben Fritz geschickt hast. Es kam auch grade zu einer recht passenden Zeit, weil Auguste doch recht gebeugt war, schwer zu tragen hat an der Krankheit von unserm Fritz. Da kam ihr dies wie ein Trost vom Himmel. Schwerin, den 19ten Februar 1862 Geliebte Elis, laß mir Dir herzlich danken für Deinen lieben Brief vom 11ten. Ich zögerte mit antworten, da ich eigentlich nicht viel zu schreiben habe, als daß wir Gott nicht genug danken können, daß es mit Fritz zwar langsam, aber immer etwas besser geht. Es ist sehr abwechselnd, der Husten bald mehr und stärker, dann weniger und schwächer. Gefahr war wohl niemals, aber die Lunge ist doch angegriffen, und das Hertz leidet auch mit, und es wird lange dauern, ehe er ganz hergestellt ist. An seinem Geburtstag wird daher auch nichts sein. Auguste hat auch einen Tag das Bett hüten müßen, wegen Magenkrampf. Mit 24 Stunden war es dann abgemacht. Sie hatte sich so sehr erschrocken am Sonntag, wo Fritz wieder einen so heftigen Hustenanfall gehabt, wo er selbst sagt, das Gefühl gehabt sterben zu müßen, so schrecklich war es. Doch wir hoffen, daß die nun nicht wieder kommen. Mit den guten Schmertzen geht es ja auch Gott sei Dank besser. Die Kreutz Zeitung hat mich fürchterlich preisgegeben! Hast Du Sanny gesehen bei ihrer Durchreise durch Berlin? Sie macht recht kurtze Tagereisen wegen in anderen Umständen.15 Ich höre, in Charlottenburg ist Feuer gewesen in einer Nacht. Das hat Dich auch wohl erschreckt. 15 Bevorstehende Geburt von Großfürst Wjatscheslaw Konstantinowitsch von Russland (1862–1879), geb. am 1./13. Juli.
1862
465
Zum Glück war es nicht viel. Gestern habe ich meinen Ball gegeben, und die Jugend amüsirte sich prächtig. Seit 2 Jahren ist nicht bei mir getanzt worden. Es war mir auch nicht grade um’s Herz danach, aber Fritz war ja besser. Nun leb wohl, ich denke Deiner so viel in Deiner Einsamkeit in Charlottenburg. Deine treue Adine Schwerin, den 4ten März 1862 Geliebte Elis, Du weinst mit uns um der geliebten Verklährten.16 Du hast sie auch noch recht erkannt, was es für ein Herz war und wie sie schon dem Himmel zureiste, der nun ihre Heimath geworden. Du kannst auch unsern unseglichen Schmertz begreiffen, ein solches Wesen zu verliehren. Du weißt, was sie mir war, wie ich mich glücklich fühlte in ihrem Besitz. Nun mußte ich auch diese Tochter hergeben. Was Gott thut, ist wohl gethan, und wer stirbt, wie Auguste gestorben, der stirbt, um zum rechten Leben einzugehen. Aber es war ein schweres, schweres Sterben. Der Herr hat ihr den bittern Kelch ganz lehren laßen, um sie dann in Seine Arme zu nehmen und zur Herlichkeit einzufahren. Dies sah man nach einigen Stunden in ihrem Gesicht ausgeprägt, was wie verklährt war. Nun hat sie sich schon verändert, und der Tod behällt sein Recht. Böger17 wird Dir ausführlich von ihrem Ende erzählen. Sie starb wie eine Heilige, ohne Klage bei diesen Leiden. Leb wohl, ich bin noch schwach und matt, aber glücklich, noch seit Sonntag bei mein theures Kind gewesen zu sein, wo sie mir so viel Liebe noch zeigte. Deine traurige, arme Adine Verzeih, ich dachte so an unsren Schmertz und vergaß ganz Deine arme Schwester, welche auch eine Tochter dem Herrn wiedergegeben hat, arme Mutter.18 Bitte sag ihr ein Wort von mir, ich trauere auch mit Dir. Schwerin, den 19ten März 1862 Meine liebe Elis, wie gerne hätte ich Dir schon früher ein Mal wieder geschrieben, besonders durch Graf Döhnhof,19 wofür ich Dir besonders noch danken möchte, daß Du ihn hier her gesendet, um die letzte Ehre unser Engels Auguste zu erzeigen.20 Allein, ich war 16 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, gest. am 3. März. 17 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt. 18 Prinzessin Sidonie von Sachsen (1834–1862), gest. am 1. März an Typhus. Sie war damit bereits das fünfte Kind, das Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, in noch jungen Jahren verlor. 19 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 20 Begräbnis von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz, gest. am 3. März.
466
Briefe 1851–1873
damals noch so schwach und so angegriffen von diesem letzten Gang, der mein erster Ausgang war. Was für schwere Tage haben wir durchgemacht. Und der heutige Tag zählt mit zu den schwersten, da es Friedrich sein Geburtstag ist, der nun so bald nach dem Dahinscheiden seiner lieben Mama eintritt, und wo sie nun im Famillen Kreise fehlt.21 Ihr irdisch Auge fehlt und ihr Seegen. Aber verdoppelt ruht gewiß beides grade heute auf ihm. Der arme Fritz trägt schwer daran und Thränen floßen, als wir ihm die Geschenke übergaben. Wenn wir nur unser Unglück so tragen, wie es der Herr will, Ihm uns ganz übergeben mit allen Schmertz und Sorgen, und auf Seine Treue und Barmherzigkeit hoffen. Unsere Herzen sind gar zu schwer getroffen und mit so großem Schmertz und Weh erfüllt. Aber der Herr hilft tragen. Von unserm Leben kann ich nichts sagen. Ich bin nur halb gesund, liege bis 10 Uhr noch zu Bett, gehe etwas besser, aber nur wenig und schwer. Um 1 Uhr, wenn das Läuten aufgehört, fahre ich aus und mache Geh Versuche, eße noch allein. Heute will ich zwar versuchen, mit den andern zu eßen. Nachmittag ist meine Schwägerin Marie bei mir. Um 8 Uhr kommt Fritz gewöhnlich mit den Kindern, um Gute Nacht zu sagen, und um ½ 9 Uhr gehe ich zu Bett. Dann kann ich noch so recht still an meinen Schmertz ungestöhrt denken. Ach, es ist entsetzlich traurig. Verzeih, daß ich so lang von uns und mir gesprochen. In Berlin ist ja allerlei geschehn. Das ganz schlechte Ministerium sind wir loß. Ist daß neue aber ein kräftiges und düchtiges? Ich kenne fast keinen Nahmen von den neu Erwählten.22 Ich will aber hoffen, daß es die rechten sind. Der arme Wilhelm hat gewiß schwere Tage gehabt, ehe er zu dem Entschluß gekommen. Wie mag die hohe Frau dabei sein? Mein Sohn Wilhelm verläßt uns heute, was mir sehr leid ist. Er war ganz prächtig, von tiefem Gefühl und Theilnahme. Mein Sohn hofft vielleicht, das Glück zu haben, Dir diesen Brief selbst übergeben zu können und sich selbst von Deiner Gesundheit zu überzeugen. Ich hörte lange nichts davon. Nun leb wohl, Deine treue Adine Hast Du vielleicht Marie Stolberg23 gesehen? Die wird Dir am besten von dem schönen Ende von unserer Engels Auguste erzählen. Die Fürstin Reuß,24 höre ich eben, kommt vielleicht schön künftige Woche. Daß wird auch ein schweres Moment sein, des Wiedersehens. Schwerin, den 1ten April 1862 Ich weiß zwar nicht, geliebte Elis, wie lange Du in Dresden bleiben willst, aber ich muß Dir doch endlich wieder schreiben, es drängt mich das Herz dazu. Wie glücklich wirst 21 Geburtstag von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin am 19. März. 22 Am 17. März war das liberale preuß. Ministerium der „Neuen Ära“ im Streit zwischen König und dem Abgeordnetenhaus über die Heeresfinanzierung zurückgetreten. Das neue, konservative Ministerium führte Adolf zu Hohenlohe-Ingelfingen (1797–1873). 23 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 24 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896).
1862
467
Du bei Deinen lieben Schwestern sein und wie glücklich werden sie sein, Dich bei sich zu sehen und Dich mitten in ihrem großen Schmertz, um sich zu haben. Wie geht es nur Deiner lieben Schwester und Deinem Schwager, die so unendlich viel verlohren haben durch diese geliebte Tochter?25 Sie soll so ausgezeichnet gewesen sein, an Herz und Seele. Man hört jetzt erst mehr davon. Ach, wie ungern mißt man ein Glied der Famille. Wir sind noch immer so ganz beherrscht von unserem Verlust. Jetzt, wo alle liebe Verwandte uns verlaßen haben, kommt man noch mehr zur Besinnung und wird es immer schwerer, diesen Engel zu mißen. Es thut aber auch wohl, nun noch mehr im Stillen sich zu sammeln und seinen Schmertz zu läutern von allen Wirren des Lebens. Da kann man auch eher zur Ruhe kommen und sein Schmertz recht im tiefsten seines Herzens beherbergen und pflegen. Da kann man so recht Gott bitten, daß er uns Kraft giebt und rechten Glauben, unsern Kummer so gut zu tragen, wie Er es von uns verlangt. Verzeih, daß ich immer nur von unserer Trauer schreibe. Aber ich habe kaum einen anderen Gedanken. In Berlin scheint sich ja jetzt alles zu ordenen, und das Ministerium hat vieles Vertrauen.26 Auch scheint Wilhelm in einer recht ruhigen Stimmung, er wird nun nicht mehr so hin und her gezogen. Die hohe Frau mit ein rätliches Ministerium muß recht liebenswürdig gewesen sein, und der confuse Sohn,27 daß finde ich daß schrecklichste und betrübteste. Victoria wird nun wohl nächstens zurückkehren.28 Zu was die wohl benutz werden soll!!!! Ist über Deinen Sommer schon etwas bestimmt? Es ist wohl noch zu früh! Ich möchte sehr gern Dich bald wiedersehen. Allein, meinen armen Fritz kann und will ich nun nicht allein laßen. Wir beide sind jetzt nur auf uns angewiesen. Daß klingt recht traurig und ist es auch nur zu sehr. Er trägt aber sein Schmertz, seine Einsamkeit mit großer Ergebung. Vielleicht kommt die Fürstin Reuß29 mit Töchtern und Enkel zu Ostern oder bald danach. Es hängt von der Krankheit der unglücklichen Luischen ab, die Fieber hat.30 Ich dachte, wenn die einen längeren Aufenthalt hier machten, dann auf ein paar Tage zu Dir zu kommen, wenn Du mich haben willst. Aber freilich, das ist noch weit aussehend und ungewiß. Nun leb wohl, empfehle mich Deinen lieben Schwestern und Deinem Schwager. Mit treuer Liebe, Deine Adine Sage mal, ist es wirklich wahr, daß Augusta und Mary Carl am 10ten März in der Oper gewesen? 25 Prinzessin Sidonie von Sachsen (1834–1862), gest. am 1. März an Typhus. 26 Am 17. März war das liberale preuß. Ministerium der „Neuen Ära“ im Streit zwischen König und dem Abgeordnetenhaus über die Heeresfinanzierung zurückgetreten. Das neue, konservative Ministerium führte Adolf zu Hohenlohe-Ingelfingen (1797–1873). 27 Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen. 28 Kronprinzessin Victoria von Preußen, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, war zu Besuch bei ihrer Familie in England nach dem Tod ihres Vaters Prinzgemahl Albert von Großbritannien und Irland, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861), gest. am 14. Dez. 1861. 29 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 30 Prinzessin Luise von Reuß-Köstritz (1832–1862) verstarb am 1. April.
468
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 19ten April 1862 Meine liebe Elis, nun haben wir alle das heilige Abendmahl genommen und Gott möge es an uns seegnen. Für uns, Fritz und mir, war es eine recht traurige Feier, denn der arme Fritz hatte es zu letzt mit Auguste am 1ten März auf ihr Sterbebett genommen, und dies Bild stand ihm so vor der Seele. Und ich hatte das heilige Mahl mit ihr am 29ten31 November genommen, als Dankfeier für die glückliche Erhaltung von Fritz nach seiner Verwundung.32 Damals knieten wir neben einander, nun kniet sie zu den Füßen des Herrn und betet für uns. Aber grade dies Mahl hat ja die ganze Seligkeit in sich, die Erlösung von unseren Sünden, durch den Tod des Herrn. Es giebt neue Kraft zum Tragen und neue Stärke im Glauben. Nun herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 15ten April aus Charlottenburg und für den vom 25ten März vor Deiner Abreise. Ich begreife nicht, daß ich vergessen konnte, Dir dafür zu danken, da ich immer so glücklich bin, wenn ich einen Brief von Dir bekomme. Wie traurig muß [es] nun in der königlichen Famille in Dresden sein, wo so ein liebes Kind nach dem anderen zu dem Herrn eingeht.33 Die armen Eltern, welcher Glaube und Ergebung gehört dazu, sich still in dem Willen des Herrn zu fügen, aber den haben sie durch Gottes Gnade. Und Du, meine arme Elis, welche Einsamkeit umgiebt Dich immer von neuen, wenn Du in Dein leeres Haus zurückkehrst. Der Herr giebt den armen Menschen viel zu tragen, aber nie über ihr Vermögen. Mein Sohn Fritz ist nun seit 8 Tagen von Stonsdorf zurück, wohin er geeilt war, um die arme Fürstin34 nun im neuen Verlust wieder zu sehen und daß arme Luischen zur Erde zu bestatten.35 Für diese ist es eine rechte Erlösung. Die Fürstin hat nun doch die Absicht, bald herzukommen. Sie ist die stille Woche in Sabor gewesen und wird vielleicht schon in 8 Tagen herkommen. Es hängt noch von Briefen aus Ägüpten ab, ob ihr Sohn36 im Mai zurückkehrt oder nicht. Wenn nun die Fürstin wirklich käme, dann könnte ich nach einigen Tagen von hier abreisen, da Fritz dann nicht allein ist, und zu Dir, geliebte Elis, kommen. Ich sehne mich zu sehr nach Dir, nach Dein liebes, theilnehmend Herz. Wie die Zeitung sagt, geht die hohe Frau Anfang Mai nach Baden. Daß wäre prächtig, dann ist garkeine gene,37 und ich könnte so ungestöhrt bei Dir sein. Ich wohne auf Fritz seinen Wunsch bis Ende Mai und Anfang Juny hier im Schloß, bis einer von uns verreiset oder er nach Steinfeld mit den Kindern zieht. Ich werde wohl dann nach Marienbad gehen auf 4 Wochen. Du scheinst 31 Die zweite Zahl ist unleserlich überschrieben, es könnte auch der 20. oder 21. Nov. sein. 32 Jagdunfall von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin am 2. Okt. 1861 in Buchholz bei Schwerin, bei dem er einen Durchschuss am Oberschenkel erlitten hatte. 33 Prinzessin Sidonie von Sachsen (1834–1862), gest. am 1. März, war bereits das fünfte Kind, das Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, in noch jungen Jahren verlor. 34 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 35 Begräbnis von Prinzessin Luise von Reuß-Köstritz (1832–1862), Schwester der verstorbenen Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, gest. am 1. April. 36 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), Herr zu Stonsdorf, preuß. Rittmeister à la suite im Garde-Husaren-Regiment. 37 Frz. gêne = Verlegenheit, Befangenheit.
1862
469
also wohl im lieben Sanssouci zu bleiben im Sommer, was gewiß ein Wohlthat wäre für Dich. Ich dachte, Deine Schwester Sophie wollte Dich gern nach Ischel haben. Aber freilich, ihre Lebensweise mit vielen Gehen und Partien machen wäre nichts für Dich. Meine Füße wollen mich auch noch garnicht tragen. Ich muß mich immer auf einen Stock stützen, und Treppen kann ich garnicht steigen. Das ist nun sehr hinderlich. Von Luise bekam ich diese Tage einen Brief, worin sie mir auch schreibt, daß sie in kein Bad sollte, aber doch etwas für ihre Gesundheit thuen, und dies vielleicht in Muskau. Wie schön wäre es, wenn wir uns in Sanssouci bei Dir träfen und mit Dir etwas sein. Daß sind aber alles Luftschlößer bis jetzt. Nun leb wohl, Geliebte, liebe Deine treue Adine Schwerin, den 23ten April 1862 Meine liebe Elis. Vorgestern kam endlich ein Brief von der Fürstin Reuß,38 daß sie am nächsten Montag, den 28ten, auf 8 Tage nach Schwerin kommen würde, aber nicht länger bleiben könnte, da ihr Sohn mit Frau39 schon auf der Rückreise wären, nach dem sie die beiden Trauerfälle in Cairo erfahren haben, und der Artz, nach dem er Prinz Reuß noch untersucht hatte und gefunden, daß sich sein Zustand so gebessert hätte, daß ihm die Rückkehr nichts schaden kann. Aber er müßte erst in der Gegend von Gratz, im Bad Gleichen einen längeren Aufenthalt machen, um sich am Klima wieder zu gewöhnen. Und dahin will die Fürstin mit Anna und Enkel40 hinreisen. Fritz meint aber, ich sollte doch die Anwesenheit der Fürstin benutzen und zu Dir gehen, wenn Du mich haben willst. Also hoffe ich, am 1ten oder 2ten Mai es in Ausführung zu bringen, wenn es auch nur auf 3 Tage sein kann, besser wie nichts. Ich bin aber noch in ganz tiefer Trauer mit Schleier. So darf ich schon zu Dir kommen? Eben will ich nach Ludwigslust und meine alte Mama besuchen. Wir haben auch jetzt eine sehr glückliche Braut am Hof, Fräulein von Mecklenburg mit dem Rittmeister von Brandenstein,41 der jetzt einstweilen nach Berlin als Gesandter kommt bis im Herbst, wo dann Sell die Stelle antritt.42 Leb wohl, ich hoffe in 8 Tagen auf Wiedersehen, Deine treue Adine 38 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 39 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), verh. 1858 mit Anna Gräfin von Hochberg, Freiin zu Fürstenstein (1839–1916). 40 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907) und Prinz Heinrich XXVIII. von Reuß-Köstritz (1859–1924). 41 Georg Freiherr von Brandenstein (1827–1897), mklbg.-schw. Rittmeister, heiratete am 12. Sept. Luise von Mecklenburg (1838–1927). Er hatte Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin nach dessen Bankrott und Entlassung aus der preuß. Armee auf einer fluchtartigen Auslandsreise begleitet. 42 Georg Freiherr von Brandenstein vertrat von Juni bis Sept. die Stelle als mklbg. Gesandter in Preußen, nachdem der vormalige Gesandte Ernst von Hopffgarten (1797–1862) gestorben war und bevor Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), Oberhofmeister der verstorbenen Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, das Amt in Berlin antrat.
470
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 10ten Mai 1862 Meine liebe Elis, ich muß immer an Dich denken, wie es Dir wohl im schönen Sanssouci geht und ob Du auch den Regen und den Sturm dort hast, wie wir ihn seit heute haben, der die Luft, Menschen und Pflanzen erquickt. Aber es kann leicht zu viel des Guten werden. Die Natur ist übrigens hier noch sehr zurück. Die Kirschbäume sind eben verblüht, die Äpfel und Birnen und Pflaumen sind noch in ihrer ganzen Blühten Pracht, der Flieder meist noch nicht aufgeblüht. Und ich hoffe, nach dem gestrengen Herrn wird sich dann alles in ganzer Pracht entwickeln. Die Buchenwälder sind wieder einzig schön, und ich fahre täglich 2 Mal dahin. Dabei gedenke ich unser himlischen Fahrt am Montag im Wildpark. Ach, ich habe Dir, geliebte Elis, wieder so viel zu danken. Dich wieder gesehen zu haben, Deine liebevolle Theilnahme hat mich so erquickt. Ich bin ganz neu gestärkt heimgekehrt. Die Ankunft hier auf dem Schloß, wo Fritz mit seinen Kindern mich empfing, war zu schrecklich traurig. Ich brauchte Zeit, um mich zu faßen. Nun geht unser stilles Leben wieder weiter. Gestern haben wir zum ersten Mal mit dem Hof gegessen, im selben Eßzimmer wie sonst. Das war recht recht schwer. Meine Thränen floßen, ich hoffe unbemerkt. Und jeder sprach, so viel er konnte, um das Gefühl nicht aufkommen zu laßen. Die nächsten Tage kommen wir nicht wieder dazu, da Sonnabend und Sonntag wir mit die Kinder eßen. Und nun kömmt Lilli von Strelitz morgen Abend auf 2 Tage. Da werden wir auch allein mit ihr eßen. Mein armer Fritz legt sich Dir zu Füßen. Er hustet wieder und sieht angegriffen aus und trägt sein schweren Verlust still und Gott ergeben. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich ihn so sehe. Ach, wie viel Jammer sendet der Herr den Menschen! Nun leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 15ten Mai 1862 Zuerst meinen herzlichen Dank für Deine beiden liebe Briefe. In Charlottenburg, als wir die Sachen vom lieben Fritz besahen, wollte ich zuerst das, geschnitten in Elfenbein, Buch nehmen. Hernach war das Bild von meiner Mama, in Stein geschnitten und in einen gemahlten, blaß rosen Kranz gefaßt, und da nahm ich das. Ich glaubte nicht, daß ich 2 Sachen mir wählen durfte. Ich danke Dir herzlich, daß Du mir noch ein doppelt so werthes Andenken gegeben hast. Es steht auf meinem Schreibtisch und verläßt mich nicht. Heute früh ist Lilli von Strelitz abgereiset. Sie hatte den gestriegen Tag noch zugegeben, da es der Geburtstag von der kleinen Mariechen war, der so unbeschreiblich traurig war.43 Der arme Fritz war so auseinander bei der Morgen Andacht, daß er noch erst in sein Zimmer gehen mußte und dann ganz ruhig und gefaßt wieder kam und Mariechen selbst an [den] Geburtstag Tisch führte. Den Mittag bis 7 Uhr waren wir in Steinfeld, wo es ganz himlisch war. Wenn wir nur erst draussen ganz wohnten. Ich dachte mir wohl, daß die schöne Luft in Sanssouci Dir gut thuen würde, wenn erst die ersten Tage über43 Geburtstag von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) am 14. Mai.
1862
471
wunden sind, wo alle Wunden von neuem bluten und man so ganz sich in der Vergangenheit versenkt. Der alte Tümpling44 wird ja glückselig sein, die Uniform seines lieben Regiments tragen zu dürfen und es selbst vorbeigeführt zu haben. Er ist doch unglaublich in seinem hohen Alter, das macht man ihm jetzt nicht so leicht nach. Ich dachte am Sonntag recht an Dich, meine liebe Elis, ob Du wohl würdest in der Friedenskirche gehen dürfen. Seit dem 7ten July bist Du nicht wieder dort zur Kirche gewesen. Wie schrecklich lange ist das her. Es scheint, daß der Himmel Dich ganz besonders begünstigt, denn bei uns ist es nicht so warm bei dem vielen Regen gewesen, meist kahler Nord Ost. Aber heute ist es prächtig, und die Blühte hällt sich sehr lange. Mein Fritz legt sich zu Füßen und ist so erfreut, daß Du den Engel einen so schönen Platz gegeben, schöner konnte er nicht gewählt werden. Lilli ihr Besuch hat uns sehr wohl gethan. Sie ging so ganz in unserer Trauer ein und ließ sich alles so genau erzählen. Sie ist so einfach und wahr, es ist garnichts gemachtes. Sie war auch wie wir über das Verfahren mit Cassel45 etwas mehr wie erstaunt. Ungerufen mischt man sich so in anderer Länder und Fürsten ihre Angelegenheiten, und in einer solchen demokratischen. Das ist sehr sehr traurig. Was wird der Bund sagen? Leider geht Östreich auch mit Preußen. Nun leb wohl, geliebte Elis, ewig Deine treue Adine Hast Du etwas gehört, was Mariann in Dessau fehlt? Agnes hat sie im Bett gefunden.46 Doch kein fausse chouche?47 Steinfeld bei Schwerin, den 27ten Mai 1862 Ich habe mit meinem Dank und mit meiner Antwort, geliebte Elis, so lange gewartet, bis ich hier im lieben, stillen Steinfeld eingewohnt bin, was eigentlich heute erst geschen, da wir Sonntag zur Kirche wieder nach Schwerin waren. Eigentlich ich nur, Fritz war hier in der Nähe in einem Dorf zur Kirche. Ich wollte aber grade am 25ten, mein Hochzeitstag 40 Jahre schon, im Dom bei meinem lieben Paul beten und eine schöne Predigt hören, was mir beides zu Theil wurde. Und gestern, am Geburtstag von unsrer lieben, seeligen Auguste, fuhren wir schon um 8 Uhr von hier nach Schwerin zum Dom und hatten dann 44 Adam von Tümpling (1781–1871), preuß. General der Kavallerie und Generaladjutant a.D. König Wilhelm I. von Preußen hatte ihn am 10. Mai à la suite des 1. Garde-Ulanen-Regiments gestellt. 45 1862 wurde die liberale Verfassung von 1831 in der Landgrafschaft Hessen-Kassel (Kurfürstentum Hessen) durch das Eingreifen Preußens und Österreichs endgültig wiederhergestellt. Seit 1831 hatten die Kurfürsten Wilhelm II. (1777–1847) und Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802– 1875) die Verfassung mehrfach außer Kraft gesetzt, 1850 sogar eine Intervention des Deutschen Bundes und den Einmarsch bayr. Truppen erreicht. Im März 1862 intervenierte der Deutsche Bund erneut, dieses Mal jedoch auf österr.-preuß. Antrag zugunsten der alten liberalen Verfassung. 46 Prinzessin Maria Anna von Preußen (1837–1906) und ihre Schwester Herzogin Agnes von SachsenAltenburg (1824–1897), geb. Prinzessinnen von Anhalt-Dessau. 47 Frz. = Fehlgeburt.
472
Briefe 1851–1873
in der Schloßkirche wie immer, aber gestern ganz besonders dem Tage wegen, eine Morgen Andacht. Ach, das war ein neuer Tag des Jammers und des Kummers, der sonst ein solcher Freuden Tag war. Aber wie Fritz selbst sagte, für die Verklährte ist es ein rechter Geburtstag erst, wie für jeden, der dem Herrn seelig entschlafen ist. Aber wir Armen, welche noch auf Erden leben, wir entbehren und vermißen die lieben Entschlafenen bis an unser Grab, und die Wunde blutet so stille fort, bis wir einst mit ihnen vereint sein werden, was Gott uns einst geben wolle. Der Sarg von der lieben Auguste war überdeckt mit blauen Kränzen und bouquets. Es war ordentlich wie ein Blumen Meer und sah so freundlich aus. Zu ihren Füßen und Kopf stand eine schöne Palmenbaum auf einem Baumstand, der mit Epheu umrangt war. Das war auch so sinnig und einfach und doch schön. Der arme Fritz war ganz aufgelöset in Thränen, so auch die Kinder. Und ich kniete mit ihnen zwischen dem Sarg von Paul und von Auguste. Das war auch recht recht schwer und drückte mir fast das Herz ab. Viel Liebes erwartet mich dort oben! Noch muß ich Dir so innig danken, daß Du mir das Elfenbein Buch vom lieben Bruder Fritz noch geschickt hast. Es macht mir eine unendliche Freude. Ich habe es mit hier her genommen, und es steht auf meinem Schreibtisch. So ist auch das Bild von meiner Mama, von ihm mit, und hängt unser Fritz seinem Bilde.48 So habe ich alles Liebe um mich gesammelt. Heute ist nun der erste ruhige Tag hier und eine wahre Wohlthat. Es ist so still und friedlich. Aber der erste Tag war auch hier so schrecklich traurig, denn es ist alles wieder so eingerichtet, als wenn Auguste noch lebte. Alles steht auf dem selben Fleck, alle Möbel, die Bücher. Nur sie, die Seele von allem, fehlt. Alles, alles ist schwer, aber gut für uns. Wir denken desto mehr, daß wir einst auch aufhören zu leben und wenden unsern Blick und unsern Wandel mehr nach oben. In Darmstadt ist auch die liebe Mathilde49 gestorben. Sie hat wohl unendlich gelitten. Die Todesnachricht traf mich doch unerwartet, da die letzten Nachrichten so sehr gut waren. Der arme, lange Louis50 und der arme Vater König Ludwig,51 der diese Tochter vorzüglich liebte. So kommt so viel Trauer auf Erden. An Elschen52 habe ich gebeten, meine aufrichtige Theilnahme allen auszusprechen. Nun leb wohl, geliebte Elis, ich hoffe, es geht Dir gut. Deine alte Adine Steinfeld, den 10ten Juny 1862 Geliebte Elis, habe Dank für Deinen lieben Brief vom 3ten, der mich so freute. Damals hattest Du Dich entschloßen, in Lindstatt Thee zu trinken. Ach, überall ist Wehmuth verbreitet, aber dem lieben Fritz würde es Freude machen, wenn Du seine Plätze so be48 Lesebefund. 49 Großherzogin Mathilde Karoline von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Bayern (1813–1862), gest. am 25. Mai. 50 Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt (1806–1877). 51 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 52 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885).
1862
473
nutzen wollest, wie er es liebte. Aber der erste Schritt ist schrecklich schwer. Wir machen dies hier recht oft durch. Aber mein Fritz hat die Kraft, und da muß man mit durch. Und es ist gewiß recht gut, aber ohne Thränen geht es nicht ab. Wir hatten daß schönste Wetter der Welt und konnten daher viel umher fahren, in den schönen Buchenwäldern und an den schönen, dicht belaubten Seen. Fritz hat wieder neue Wege ganz in der Nähe von Steinfeld, in einem prächtigen Buchenwald machen laßen, wo auch viele Eichen sind, den wir fast täglich benutzen. Es war aber furchtbar heiß, und alle Gewitter, die um uns herum zogen, konnten die Luft nicht abkühlen. Und kein Tropfen Regen fiel, bis gestern gegen Abend es ströhmenden Regen gab, der die Luft und die Erde erquickte und abkühlte. Nun scheint wieder die Sonne, aber es ist kühl. Morgen mache ich mich nun auf den Weg nach Marienbad. Wie gerne wäre ich hier im lieben, stillen Steinfeld bei dem armen Fritz geblieben. Aber ich muß auch an mich denken, um den Menschen nicht zur Last zu fallen. Denn mit dem Gehen will es noch immer nicht vorwärts, obgleich viel besser. Ich denke, Marienbad wird mir gut thuen. Seit gestern ist Enriko Reuß53 hier und bleibt 14 Tage. Da ist denn Fritz nicht gleich so allein. Er ist unendlich glücklich, daß Du ihn noch gesehen, da er den Dienst verlaßen. Ich hatte vor einigen Tagen einen Brief von Schwester Luise, worin sie mir schreibt, daß sie das Wasser aus Soden54 im Hous de Paws55 trinken würde, weil es da viel bequemer wäre, und hoffte, Mitte July nach Muskau zu reisen, und wenn es Dir, liebe Elis, passte, einige Tage in Sanssouci zu bleiben. Allein, so ganz fest wäre alles nicht bestimmt. Daher hätte sie Dir noch nichts davon geschrieben. Ich denke, es wird aber doch wohl so sein, und da hoffe ich, wie Du es mir selbst schreibst, auch zu Dir kommen zu können, wo wir drei dann vereint sein werden. Mit meiner cour würde ich am 12–13ten July fertig sein. Wenn es nur Deine Pläne nicht durch kreutzt? Wann erwartest Du Deine Schwester Amalie, sollte es nicht um den 15ten sein? Ich hoffe, daß ihr dann eine recht ungestöhrte Zeit zu bringen werdet. Nach der Zeitung scheint es der Kaiserin von Östreich etwas besser zu gehen. Es muß aber ein recht betrübender Zustand sein, beide Eltern sind ja mit ihr.56 Nun lebe wohl, meine Elis. Fritz küßt Dir die Hände und ist so glücklich, daß Du seiner immer so freundlich gedenkst. Deine treue Adine
53 Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1830–1897), preuß. Major à la suite der Armee, Herr auf Baskow. 54 Bad Soden im Taunus. 55 Huize de Paauw, seit 1838 Residenz von Prinz Friedrich und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 56 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898), befand sich aufgrund einer Lungenerkrankung zur Kur auf Korfu. Zu Besuch waren ihre Eltern Herzog Maximilian Joseph (1808–1888) und Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808– 1892).
474
Briefe 1851–1873
Marienbad, den 3ten July 1862 Meine liebe Elis, eben lese ich in der Zeitung, daß Deine Rose Canitz am Herzschlag gestorben ist.57 Ich bin ganz von dieser unerwarteten Nachricht erschüttert. Ich wußte durch Treskow,58 den ich damals bei der Durchreise durch Magdeburg sprach, daß sie nach Berlin sei, um eine Kur zu gebrauchen, hörte aber sonst garnichts von ihr. Du erwähntest sie auch nie, und da dachte ich, es sei ganz gut. Ich kann nicht sagen, wie mir dies leid ist, wenn sie Dir auch nicht von großer Recurze59 war, so wird es Dir doch gewiß wehe thuen, eine so treue Person aus Deiner nächsten Nähe zu verliehren. Die Kreise werden auch immer kleiner. Nach der Zeitungsanzeige scheint mir, als wenn sie ihr Ende geahnt. Wie wird der arme Bruder60 ausser sich sein, er liebte sie sehr. Waren die Schwestern61 in Berlin? Ich thue Fragen, auf die ich kaum Antwort werde haben können, weil ich mich auch heute bei Dir, liebe Elis, anmelden möchte. Zum 12ten, wenn alles so geht, wie wir denken, kann ich um 2 Uhr bei Dir sein. Schwester Luise werde ich wohl schon finden, denn sie schreibt mir gestern, daß sie am 11ten rechnet, in Sanssouci zu sein. Wenn Luise späther gekommen wäre, so hätte ich einen Besuch in Meiningen gemacht oder eigentlich in Altensee bei Marie,62 die es sehr wünschte. Und Zeit hätte ich gehabt, da mein armer Sohn Fritz sich entschloßen hat, eine Reise zu machen, und zwar nach England, Ausstellung zu sehen und im Lande umher zu reisen. Für ihm ist es mir recht lieb, denn es wird ihm etwas herausreißen, und er wird viel Interessantes sehen. Du hast nun die Freude gehabt, Deine Schwester Amalie mit ihrer Tochter63 in Sanssouci zu haben. Ich hoffe, Du wirst sie doch ungestöhrter genoßen haben, als Du gedacht. Die hohe Frau wird wohl zu viel zu thuen gehabt haben. Mischel mit Frau64 war auch ein Tag in Berlin, die hätte ich gern gesehen. Haben sie noch die abscheulichen Brände in Petersburg erlebt?65 Das ist doch etwas ganz Schändliches. Auch das Attentat auf Lüders66 in Warschau ist nicht übel, weil es auch ein Offizier gewesen sein soll. Hier in Marienbad sind viele Rußen, Pohlen, Ungarn, aber nichts Vornehmes, wenig Preußen und Mecklenburger. Und ich wandele allein für mich umher, kann schon alle 57 Rosalie (Rose) Gräfin von Kanitz (1824–1862), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 58 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, Kommandeur des 27. Infanterie-Regiments „Prinz Louis Ferdinand von Preußen“ (2. Magdeburgisches). 59 Lesebefund. 60 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Major und Flügeladjutant. 61 Maria Anna von Scherer-Scherburg (1817–1889), Clara Hoffmann (1819–1862), Mathilde von Friesen (1821–1890) und Agnes Gräfin Finck von Finckenstein (1826–1882), geb. Gräfinnen von Kanitz. 62 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 63 Prinzessin Sophie von Sachsen (1845–1867). 64 Großfürstin Olga Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891), verh. 1857 mit Großfürst Michael Nikolajewitsch von Russland (1832–1909). 65 Großbrand am 28. Mai in St. Petersburg, bei dem mehrere Stadtviertel, u.a. der Apraxin-Hof und der Schtschukin-Hof, auch das Ministerium des Innern niederbrannten. 66 Alexander Nikolajewitsch von Lüders (1790–1874), russ. General und Namiestnik (Statthalter) von Polen. Kurz vor seiner Abberufung war am 17. Juni ein Attentat auf ihn verübt worden.
1862
475
Anhöhen besteigen. Heute war ich nach der Friedrichs Wilhelms Höhe, der höchste Punkt.67 Davon bin ich sehr müde in meinen Beinen. Sonst geht es mir unberufen gut, und ich sehe wohl aus. Nun leb wohl, meine liebe Elis, ich freue mich unbeschreiblich, Dich so bald wieder zu sehen, so Gott will. Deine treue Adine Heute sind es 4 Monate, daß meine geliebte Auguste starb! Minister Westphal68 ist hier und speiset bei mir. Auerswald69 war auf der Durchreise 2 Tage hier, sah entsetzlich aus und reisete hungrig weiter. Steinfeld, den 29ten July 1862 Meine liebe Elis, wie war es doch schade, daß wir Dich schon wieder verlaßen mußten. Du wirst aber froh sein, mehr wieder in Ruhe zu sein. Denn dies Mal brachten wir viel Unruhe in Dein Leben. Wenn doch die hohe Frau einige Tage früher abgereiset wäre! Heute ist Carls Geburtstag,70 was ich beinah vergeßen hätte und nun schnell telegraphierte. Wie mag es mit der kleinen Luise71 gehen? Ob das Fieber fortgeblieben ist und ob Victoria noch sich umher kullert mit ihrem dicken Bauch,72 mit Erlaubniß zu sagen? Hier im lieben Steinfeld ist es prächtig, bei den schönen Tagen, die wir hatten, an deren Bestand ich zweifle. Die Kinder sind wohl und gewachsen und freuen sich sehr, mich mit sich zu haben. Am Freitag gehet es nun nach Dobbran. Ungern verlaße ich diesen stillen Aufenthalt, der mir in dieser Zeit mehr zusagt als Dobbran. Leider sind wir nur jetzt recht beunruhigt durch daß ernste Erkranken von Herrn von Nettelblatt, Gouverneur meiner Enkel.73 Es scheint geistig zu sein. Noch können wir nicht vollständiges darüber erfahren. Jeder scheut sich, ordentlich etwas darüber zu schreiben. Aber er ist auf längere Zeit fort, auf Reisen, und es ist ein anderer Herr einstweilen zu den Enkeln gekommen, Herr von Oertzen, Sohn von unserem Minister, ein zuverläßiger Mann.74 So kommen wir nicht aus den Sorgen heraus.
67 Aussichtspunkt mit neugotischem Pavillon nahe Marienbad, benannt nach König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 68 Ferdinand von Westphalen (1799–1876), ehem. preuß. Innenminister. 69 Rudolf von Auerswald (1795–1866), ehem. preuß. Minister ohne Ressort und stellvertretender Ministerpräsident im Kabinett der „Neuen Ära“, im März 1862 zurückgetreten. 70 Prinz Carl von Preußen hatte am 29. Juni Geburtstag, nicht am 29. Juli. Das Briefdatum stimmt laut Briefinhalt, da Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin am Freitag, den 1. Aug. nach Doberan reiste. 71 Prinzessin Luise von Preußen (1860–1917), Tochter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen. 72 Bevorstehende Geburt von Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929) am 14. Aug. 73 Ferdinand Freiherr von Nettelbladt (1830–1883), mklbg.-schw. Hauptmann, seit 1859 Erzieher von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin. 74 Verm. Jasper (1833–1893) oder Helmuth von Oertzen (1834–1920), die ältesten Söhne des mklbg.schw. Ministerpräsidenten Jasper von Oertzen (1801–1874).
476
Briefe 1851–1873
Wie mag es Dir nur gehen? Ich hoffe, die Bäder werden Dir noch besser bekommen wie bis her. Ist die Verlobung Deines Neffen Carl Ludwig mit der Neapolitanischen Prinzeßin wirklich wahr oder wieder eine Zeitungsnachricht?75 Eben war ein Artzt hier, der Nettelblatt gesehen und der uns die betrübende Nachricht bringt, daß er wirklich geisteskrank ist. Aber er hoffte, das Bad Nendorf würde sein Körperleiden heilen und dadurch auch den Geist stärken und vielleicht herstellen. Gott wolle es geben, aber es ist entsetzlich traurig. Verzeih, daß ich Dir dies alles schreibe. Aber ich bin so bewegt von dieser Nachricht, daß ich ganz schwach bin. Leb wohl, Gott seegne Dich. Mein Sohn Fritz telegraphierte mir gestern von Schloß Taymouth bei einem Marquis Breadalbane in den Highland,76 was wunderschön sein soll. Am 21ten kehrt er nach Schwerin zurück. Deine Adine Dobbran, den 13ten August 1862 Meine liebe Elis, nun schwimmt unsere liebe Luise auf dem Meer. Ich fürchte, sie wird eine schlechte Überfahrt [haben], denn gestern und vorgestern strömte es sehr und heute ist das Meer auf der hohen See noch sehr unruhig. Luise schrieb mir noch von Berlin, daß sie ein Tag bei Dir gewesen, und einen halben, was sie sehr glücklich gemacht. Nun wird es bei Dir wieder still und ruhig sein und Du Dein gewohntes Leben führen. Das Wetter will nur garnicht warm bleiben. Seit 3 Tagen ist es hier kalt wie im September. Wir müßen uns förmlich wärmer anziehen. Da kannst Du auch nirgens Thee trinken, was Du Dich doch überwunden hast zu thuen. Hier in Dobbran lebe ich mit meiner Schwägerin Marie und meinen Damen sehr zurückgezogen. Wir sehen und hören garnichts. Aber gestern erzählte man mir, daß viel getanzt wird, auch abwechselnd musiziert, und man sich ganz gut unterhielt. Es sind viele junge, hübsche und wohlhabende, junge Mädchen hier, eben so auch Herrn. Ob aber Liebe mit dabei ist, weiß ich nicht. Seit ein paar Tagen ist Graf Schafgotsch mit seiner reichen Frau Gundola77 hier. Sie wollen sich auch bei mir vorstellen laßen. Ich kenne sie beide garnicht. Hübsch sollen sie nicht sein. Von meinen ältesten Sohn weiß ich garnichts. Er muß jetzt in Paris sein und hat daß unerhörte Glück, daß Napoleon78 nicht da ist. Ein paar Tage bleibt er zur Jagt beim Herzog von Nassau79 und kehrt dann zurück, 75 Verlobung von Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896) mit Prinzessin Maria Annunziata von Neapel-Sizilien (1843–1871). 76 Taymouth Castle in den schottischen Highlands, fertiggestellt 1842, im Besitz von John Campbell, 2. Marquis of Breadalbane (1796–1862). Im April 1861 war dieser in diplomatischer Mission bei König Wilhelm I. von Preußen in Berlin gewesen und wurde im Gegenzug in den preuß. Schwarzen Adlerorden aufgenommen. 77 Hans-Ulrich Graf Schaffgotsch, genannt Semperfrei von und zu Kynast und Greiffenstein, Freiherr zu Trachenberg (1831–1915), schles. Montanindustrieller und Parlamentarier, verh. 1858 mit Johanna Gryczik von Schomberg-Godulla aus einer Bergarbeiterfamilie, Adoptivtochter und Alleinerbin des Unternehmers Karl Godulla (1781–1841) mit Anteilen an 60 Kohle- und Zinkerzgruben. 78 Kaiser Napoleon III. 79 Herzog Adolph von Nassau (1817–1905), preuß. General der Kavallerie und Kommandeur des Westfälischen Ulanen-Regiments Nr. 5 in Düsseldorf.
1862
477
worauf ich mich sehr freue. Denn ist es doch manches vorgefallen, was man absprechen muß. Mit dem armen Gouverneur80 von meinem ältesten Enkel sind heute bessere Nachrichten eingegangen. Er fängt an ruhiger zu werden, und vielleicht kann er hergestellt werden. Aber für uns bleibt er doch verlohren. Friedrich und Paul sind in Tegernsee gewesen und machen nun einen Aufenthalt in Scholastika von Achensee.81 Dann wollen sie einen Besuch bei Mariechen82 in Berchtesgaden machen und über Stonsdorf zurückreisen. Bis jetzt soll es ihnen beiden gut gehen. Johann Albrecht hat hier angefangen, im Meer zu baden, was ihm gut zu bekommen scheint. Mariechen kommt noch nicht dazu, weil sie Fieber hatte, eine Erkältung wohl, was sie aber mehr angegriffen, als man glauben sollte. Frau von der Lühe83 hat vor 8 Tagen ihren Mann verlohren, was ein Glück ist, obgleich er das letzte Jahr, kann man sagen, ganz geistig klar war, aber im Ganzen stumpf wurde. Der Schmertz bleibt aber natürlich gleich groß, wenn sie auch Gott viel zu danken hat, da diese Krankheit den Mann so auf dem Weg des Glaubens geführt. Nun leb wohl, möchten Dir die Bäder doch Erleichterung bringen und Du Dich wohler fühlen. Deine treue Adine Die Kammern sind jetzt wohl ganz verrückt!84 Dobbran, den 2ten September 1862 Geliebte Elis, da ich erfahre, daß Du morgen wieder in Sanssouci zurückkehrst, so eile ich, mit den innigsten Dank Dir den Brief von Louise zurück zu senden und Dir noch besonders für den Brief vom 26ten–28ten zu danken. Ich habe mich recht gefreut, daß Du wieder so eine schöne Zeit mit Deinen Schwestern zugebracht. Ich finde es nur schade, daß Du nicht länger bleibst, daß die Taufe bei Victoria85 erst am 14ten sein wird, da Wilhelm zum 9ten nach Carlsruhe zur Taufe muß.86 So nimmt er nur 10 Bäder.87 Es war aber nicht zu verlängern, da der Geburtstag vom Großherzog88 ist, und er dann eine 80 Ferdinand Freiherr von Nettelbladt (1830–1883), mklbg.-schw. Hauptmann, seit 1859 Erzieher von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin, litt an einer mentalen Erkrankung. 81 Scholastika am Nordufer des Achensees in Tirol. 82 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 83 Henriette von der Lühe, geb. Edle von Hochstetter (1816–1908), verh. 1842 mit August Wilhelm von der Lühe (1815–1862), mklbg-schw. Hauptmann im Garde-Grenadier-Bataillon, gest. am 4. Aug. 84 Der Konflikt um die Verfassungsauslegung bei der Heeresreform zwischen den „Kammern“ des preuß. Landtags (Herrenhaus und Abgeordnetenhaus) und König Wilhelm I. von Preußen eskalierte im Aug. 1862, es gab auch Überlegungen zur Abdankung. 85 Taufe von Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929) am 14. Sept. 86 Taufe von Prinzessin Viktoria von Baden (1862–1930) am 9. Sept. 87 König Wilhelm I. von Preußen befand sich zur Kur in Doberan, zu Besuch bei seiner Schwester Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 88 Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907).
478
Briefe 1851–1873
Reise nach England machen will. Wilhelm ist eigentlich unzufrieden, da Abbat Vater nach dem Kaukasus geht und nicht lieber die Ausstellung in London und damit eine Reise durch England und Schottland verbindet. Es wäre aber nichts mit ihm anzufangen gewesen. Es ist doch auch ein sonderbarer Mensch. Für uns zwei Schwestern konnte er nicht 3 Tage in Berlin bleiben, um seine liebe Famille nicht zu verlaßen. Und nun macht er eine Reise von 3 Monate. Das ist wirklich sehr schmeichelhaft für uns. Das Bad, die frische Luft, die Spaziergänge im Buchenwald und das weniger Arbeiten und nicht immer Unangenemes zu hören, machen dem armen Wilhelm ganz aufleben. Er sieht viel frischer aus und kann auch recht heiter sein. Da ich noch garnicht ausgehe wegen der Trauer, so lebt er eben so still wie wir. Nur gestern gab ich ein Diner von 20 Personen, die ganze Umgebung von Wilhelm und Minister Graf Bernsdorf89 und Fürst Putbus,90 der auf einige Stunden herüber gekommen war, um Wilhelm seine Aufwartung zu machen. Heute, höre ich, kömmt Fritz Plessen,91 woher und wohin er will, weiß ich nicht. Mir wäre es lieber gewesen, wenn er fort geblieben. Eben höre ich, er will Hirsche hier schießen, die ihm auch gemeldet nicht da sind. Er kömmt aber doch. Heute haben wir einen so starken Süd Ost Wind, daß es mir ganz Angst für Luise ist, die morgen Christiania verläßt, am 5ten in Kiel landet und in Hamburg die Nacht bleiben will, und wenn sie nicht zu fatigiert ist, mich hier am Sonnabend Abend besuchen, den 7ten Sonntag bleiben und Montag nach Berlin [will]. Leider wird sie Wilhelm nur am Abend sehen, da er Sonntag früh abreisen muß. Das ist zu schade. Wilhelm grüßt herzlich. Das Wetter war bis jetzt immer schön, wenn auch kalt, und so machte Dobbran einen ganz guten Eindruck. Die Gesellschaft ist nur klein, aber hübsch. Und der Ball, welcher am Sonnabend war, soll durch die hübschen, jungen Mädchen mit frischen toiletten recht gut ausgefallen sein. Wilhelm ist bis 1 Uhr dort geblieben. Nun leb wohl, in treuer Liebe, Deine Adine Steinfeld, den 16ten September 1862 Dein Brief, geliebte Elis, hat mich zu sehr erfreut, da ich sehe, wie Du glücklich bei Deinen Schwestern gewesen bist. Nach dem großen Schmertz und dem großen Verlust, fand ich, standest Du zu allein, daß es mich das Herz zerriß. Nun findest Du wieder Trost und Freude bei den Deinen und kannst sie ja so leicht erreichen. Da wird Dir wohl, nur das arme, wunde Herz, und giebt Dir Muth, das Leben ferner zu tragen. Der Mensch bedarf bei allen Trost, die vom Herrn allein kommen kann, auch von aussen eine Auffrischung. Und wo kann man das besser als bei seinen Geschwistern finden? Du hast unsere liebe Luise auch so verändert und erschöpft gefunden. Ich kann wohl sagen, daß ich recht in Sorgen war, daß alte Übel könnte wiederkehren. Aber einige Zeilen von Luise selbst und von Marichen zusammen geben mir die Beruhigung, daß die große Ruhe in Muskau und 89 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), preuß. Außenminister. 90 Wilhelm Malte II., Fürst und Herr zu Putbus (1833–1907). 91 Verm. Friedrich von Plessen (1797–1869), mklbg.-schw. Landdrost des Domanialamts Schwerin.
1862
479
das schöne Wetter ihr doch wohl thut. Und wenn sie nun keine Besucher bekömmt, sondern sie so einige Wochen fortlebt, so wird mit Gottes Hülfe keine Gefahr zu fürchten sein. Ich soll sie zwar besuchen, habe aber gleich erklährt, daß ich vor 14 Tagen nicht käme, und habe es auch in der Hand behallten, es heraus zu schieben, wie ich will. Man kann nur immer nicht erfahren, wie lange sie in Muskau zu bleiben gedenken. Eigentlich kann ich den Artzt nicht begreifen, daß er ihr überhaubt diese Reise erlaubt. Und das Leben dort muß zum Umbringen sein. Da gehe ich gewiß nicht hin, denn Stehen und viel Gehen ist nicht mehr meine Sache. Heute erwarte ich Elise Fersen. Darauf freue ich mich und fürchte mich auch, denn welcher Schmertz liegt in unserem Wiedersehen. Sie wird wohl 2 Tage bleiben. Sie wohnt bei mir in Schwerin in mein Palais, und ich fahre heute herein, will mit ihr eßen und den Abend zubringen. Morgen soll sie das Schloß besehen, dann zum Eßen herauskommen und bis Abend bleiben. Donnerstag weiß ich noch nicht, wie wir den zubringen. Freitag kömmt Marie von Strelitz, will mich und Fritz besuchen. Sie wird in Dein Zimmer im Schloß wohnen. Sie wird wohl bis Sonntag bleiben, dann geht mein Sohn Fritz und Wilhelm auf 8 Tage zur Jagt fort in Friedrichsmoor. Fritz Hessen92 kömmt auch, was recht unvernünftig ist. Aber er will durchaus und soll dabei garnicht so sehr gut sein. Ich bleibe ganz ruhig mit den Kindern in Steinfeld und hoffe, nicht viel von den Gästen zu sehen. Die Taufe93 scheint glücklich vorüber und Victoria schon abgereiset. Verschönern wird sie diese Lebensart nicht. Bruder Wilhelm ist auch ganz unglücklich darüber und meint, die Königin Victoria94 wäre auch vor der Zeit alt und häslich geworden. Der Ärmste hat sich recht fatigieren müßen, bloß um die gesunde Luft bei uns nicht zu viel in sich aufzunehmen. Er war so heiter in Dobbran, und man sah, wie ihn Bäder und Seeluft gut thaten. Aber alle Mienne95 hat man springen laßen, um die Taufreise durch zu setzen. Mündlich mehr davon, wenn Luise nicht schon erzählt hat. Der arme Kanitz hat wieder eine Schwester verlohren, es ist zu traurig.96 Und der contrast von Dobbran, wo er auch wieder heiterer geworden war und sich prächtig amüsiert, fand er seine Schwester schon tod. Es hat mir zu leid gethan, aber diese unglückselige Krankheit ist ja unheilbar. Nun leb wohl, ich hoffe, im Oktober darf ich auch wohl ein Mal wieder anklopfen, ob ich ein Besuch machen kann. Deine alte Adine
92 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 93 Taufe von Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929) am 14. Sept. 94 Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901). 95 Lesebefund. 96 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Major und Flügeladjutant. Tod seiner Schwester Clara Hoffmann, geb. Gräfin von Kanitz (1819–1862). Im Juni war bereits die Schwester Rosalie (Rose) Gräfin von Kanitz (1824–1862), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, verstorben. Siehe Brief vom 3. Juli 1862.
480
Briefe 1851–1873
Steinfeld, den 25ten September 1862 Meine geliebte Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief. Ich hoffe, daß entzündete Zahnfleisch wird nun wieder gut sein. Und von Elise Fersen wirst Du von ihr selbst gehört haben, wie glücklich ich war, sie wieder zu sehen. Sie ist doch ganz unverändert, so treu und ehrlich wie sonst. Ach, es war aber auch ein rechter Schmertz, sie so wieder zu sehen und zu wißen, da unsere geliebte Schwester nun auf ewig von uns getrennt ist. Aber sie ist ja unaussprechlich glücklich bei ihrem Gott, das ist der Trost, den wir immer von neuem uns sagen müßen und fest hallten. Am 19ten kam die liebe Marie von Strelitz und blieb bis Montag, den 22ten. Es war uns und mir ganz besonders eine Freude, sie wieder zu sehen. Ich sah sie nicht seit Sanssouci vor anderthalb Jahr. Wir schimpften weitlich zusammen und weinten und lachten. Es war so vieles seit der Zeit geschen, und die jetzige Zeit ist so traurig. Etwas Erfreuliches erlebt man nicht mehr. Es scheint ja, daß von der Heid97 doch abgeht. Das ist für die Finanzen sehr schlim, und er selbst hat bis jetzt auch noch den meisten Muth gehabt. Bismark Schönhausen ist also ernannt.98 Ich weiß nicht, ob man sich dazu freuen soll. Er ist ein Feind von Östreich und ein Freund von Frankreich. Vielleicht ist er kräftig der Kammer gegenüber. Bernsdorf99 wird auch wohl bald nach London absocken. Das ist doch sein Lieblings Wunsch. Ich bewundere, daß Bruder Wilhelm lustig sein konnte. Es war ihm aber wohl eine rechte Erholung, einmal mit Dir und in andern Kreisen zu sein. Nun muß er wieder nach Baden zum Geburtstag!100 Kronprinzens101 gehen ja auch hin. Es ist eine merkwürdige Idee, ihre Seereise, und grade jetzt in dieser Zeit, wo alles auf dem Spiel in Berlin steht. Von Luise hatte ich vorgestern einen Brief, wonach es ihr gut geht. Sie hat Mary Carl sich eingeladen, in diesen Tagen nach Muskau zu kommen, wenn Mary nicht zu traurig ist. Übrigens thut mir der Tod der Sagan102 auch leid. Sie war sehr liebenswürdig und so treu für Bruder Fritz, und welcher Verlust für die ganze Gegend dort. Nun leb wohl, ich denke, am 5ten oder 6ten nach Muskau zu gehen und dann, wenn Du mich haben willst, um den 11ten oder 16ten herum zu Dir nach Sans Souci zu kommen, auf etwas längere Zeit, 8 bis 14 Tage. Eigentlich mache ich mir ein Gewißen, Fritz in Ludwigslust allein zu laßen. Zu Anfang, glaube ich aber, sind seine Schwä-
97 August von der Heydt (1801–1874), preuß. Handels- und Finanzminister. Im Verfassungskonflikt um die Finanzierung der Heeresreform nahm er seinen Abschied, war 1866–1869 jedoch noch einmal Finanzminister. 98 Otto von Bismarck (1815–1898) war am 23. Sept. zum preuß. Ministerpräsidenten und Außenminister ernannt worden. 99 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873) trat ebenfalls im Verfassungskonflikt als preuß. Außenminister zurück und wurde durch Otto von Bismarck abgelöst. Er ging als preuß. Gesandter nach Großbritannien. 100 Mglw. noch zum Geburtstag von Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907) am 9. Sept. 101 Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm und Kronprinzessin Victoria von Preußen. 102 Herzogin Dorothea von Sagan, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1793– 1862), gest. am 19. Sept.
1862
481
ger103 bei ihm, die nun schon zur Jagt bei ihm in Friedrichsmoor sind und morgen hier herkommen. Deine treue Adine Ludwigslust, den 5ten Oktober 1862 Ehe ich in die Kirche gehe, geliebte Elise, eile ich, Dir noch zu danken für Deinen lieben Brief vom 2ten, den ich noch im lieben, stillen Steinfeld erhielt, was wir doppelt ungern verließen, da das Wetter noch so himlisch war. Hier haben wir nun wieder einen schweren Anfang. Alles ruft uns den schweren Verlust zurück, grade hier, wo wir alle in einem Haus wohnten und uns so viel sahen. Die liebe Auguste war hier so der einzige Mittelpunkt, um den sich alles vereinigte und sammelte und die den Aufenthalt erträglich machte. Jetzt stehen nur ihre Zimmer öde und einsam. Es ist ein furchtbarer Eindruck, den das Schloß macht. Und der arme Fritz leidet unbeschreiblich, obgleich er so vernünftig ist, aber grade hier, wo sein Glück anfing, wo seine Kinder gebohren sind, also mehr Glück als Trübsal mit der geliebten Auguste erlebte. Es ist recht schwer. Dies ist auch die Ursache, daß ich nicht nach Muskau zu Luise bin, weil es doch viel natürlicher war, daß ich wenigsten die ersten 8 Tage mit ihm hier zusammen bin und ihm das Schwere tragen helfen. Denn er weiß, wie tief ich mit ihm fühle. Dann werden auch Jagten wieder sein, wo er dann mehr abwesend ist. Du hast die liebe, alte Münster104 bei Dir gehabt. Wie glücklich wird sie gewesen sein, und das schöne Wetter dabei, wo man so viel im Freien sein konnte. Dann ist Dein Vetter Wasa105 da gewesen, aber nur kurtz. Denn er ist ja schon wieder nach Dresden. Ich freue mich nur, daß er sich wieder wohl fühlt und heiter gewesen ist. Bruder Wilhelm ist nun nach der Zeitung wieder zurück in Weimar, hat er noch einen Besuch machen müßen, vielleicht um das Vorparlament kennen zu lernen. Gebe Gott, das Bismark106 sein Karakter getreu bleibt und fest und kräftig auftritt und nichts nach giebt. Ob wohl etwas Wahres daran ist, daß ein Ambassadeur aus Paris nach Berlin kommen soll?107 Daß wäre eine neue Plage, die man sich auf dem Halse ladete. Und dann soll Bernsdorf eben so nach Paris, für’s erste eilt seine Frau nach London zu ihrem Wohnen.108 Nun leb wohl, ich hoffe, morgen 8 Tage bei Dir zu sein. Deine Adine 103 Prinz Heinrich XVII. (1839–1870) von Reuß-Köstritz, preuß. Sekondeleutnant im 2. Garde-Dragoner-Regiment. 104 Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872). 105 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 106 Otto von Bismarck (1815–1898), seit 23. Sept. neuer preuß. Ministerpräsident und Außenminister. 107 Charles Baron de Talleyrand-Périgord (1821–1896), wurde 1863 zum frz. Gesandten in Preußen ernannt. 108 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873) ging nach seinem Rücktritt als preuß. Außenminister als preuß. Gesandter nach Großbritannien. Er war seit 1839 verh. mit Anna von Könneritz (1821– 1893), Tochter des sächs. Gesandten in Frankreich.
482
Briefe 1851–1873
Ludwigslust, den 1ten November 1862 Ich schreibe Dir heute, meine liebe Elis, auch an einen Trauertag, der Todestag der geliebten Schwester.109 In 2 Jahren habe ich 2 Geschwister, eine geliebte Schwiegertochter und nun die geliebte, treue Seele, meine Schwägerin,110 verlohren, also vier Verwandte, die meinem Herzen am theuersten waren. Und nehme ich mein liebes Kind Luise noch dazu 1859, so sind es in 3 Jahren 5 Verwandte. Da hört das arme Herz nicht auf zu bluten. Und nur durch Gottes Wille kann mir noch Kraft werden, all den Kummer, all den Schmertz zu ertragen. Ich bin wirklich ganz hin. Gestern Abend 7 Uhr ist die liebe Marie nach ihrer letzten Ruhestätte gebracht worden. Friede sei mit ihr. Ach, der Abschied von Dir, meine liebe Elis, wurde mir recht schwer und eben so von Schwester Luise, die doch noch nicht wieder so ganz gut war. Wie wird sie den Winter und das Frühjahr überstehen? Nun, Gott wird ja geben, daß sie recht vernünftig und still auf dem Lande bleibt und sich dann noch ganz erholt. Mir ist aber so bang um das Herz. Auf Gott den Herrn will ich mein ganz Vertrauen setzen. Er wird es wohl machen! Meine alte Mama fand ich sehr traurig, aber wohl, wenn auch schwach. Sie sagte mir: „Nun habe ich die 4 Kinder begraben, um deren Willen ich her kam.“111 Das ist doch auch hart. Aber ihr frommer Sinn, ihr Glaube hällt sie. Sie kann recht als Beispiel gelten. Den 2ten. Leider wurde ich gestern durch viele Trauerbesuche gehindert, den Brief fertig zu machen. Und jetzt, wo ich in die Kirche muß, wo für die liebe Marie gebetet wird, ist mir nur so viel Zeit, Dir lebe wohl zu sagen und zu fragen: Hast Du Nachricht aus München, seit dem daß unglückliche griechische Königspaar dort angekommen ist?112 Wie sie es wohl tragen, die arme Amelie, welche so mit Leib und Seele Griechin war. Deine treue Adine Ich bin noch immer sehr angegriffen. Die Beine wollen mich wieder nicht recht tragen. Daher kann ich meine Promenade nur höchst kurtz machen.
109 Todestag von Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, am 1. Nov. 110 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862), war am 26. Okt. nach kurzer Krankheit in Meiningen verstorben. 111 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1776–1871), kümmerte sich ab 1819 nach dem Tod des Erbgroßherzogs Friedrich Ludwig um dessen vier Kinder aus den beiden vorherigen Ehen. Mit Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862), starb das letzte Stiefkind. 112 König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867), war nach einem Aufstand in Griechenland abgesetzt worden. Mit einem engl. Schiff evakuiert, ging er mit seiner Ehefrau Königin Amalie von Griechenland, geb. Prinzessin von Oldenburg (1818–1875), ins Exil nach Bayern.
1862
483 Ludwigslust, den 7ten November 1862
Geliebte Elis, Dein Brief hat mir eine doppelte Freude gemacht, da ich daraus ersah, daß es Dir schon etwas besser ging und Du selbst meinst, daß der Husten abnahm. Grade den Tag vorher erfuhr ich erst, daß Du unwohl geworden und selbst das Bett gehütet hättest, so daß ich schon telegraphieren wollte, um mich nach Dir zu erkundigen. Möchte nur daß feuchte Wetter nicht nachtheilig einwirken und Dein Wunsch in Erfüllung gehen können, daß Du zu Deinen Schwestern nach Dresden reisen kannst. Wie gönnte ich Dir diese Freude. So ein Zusammensein mit den lieben Seinen stärkt und frischt auf. Mein Sohn Fritz ist diese Nacht von Letzling113 zurück gekehrt, sehr befriedigt in jeder Beziehung. Mein Sohn Wilhelm hatte die Einladung über Brandenburg nach Remplin bei George Strelitz so späth erhallten, daß es ihm ganz unmöglich war, zur rechten Zeit mehr zu kommen. Er telegraphirte sehr ausser sich. Wie ich höre, kömmt Abbat Sohn Mittwoch zu uns zur Jagt. Am 14ten verlaßen wir Ludwigslust und gehen nach Schwerin, wo wir seit dem Märtz nun auseinander gehen und jeder in sein Haus zieht. Daß wird mir recht schwer. Es wird wohl nicht das einzig Schwere sein für den Winter. Meiner alten Mama geht es wirklich ganz gut. Sie hat eine einzige, feste Natur und ist sehr dankbar, daß Du ihrer so herzlich gedacht bei dem neuen Schmertz, den sie tief fühlt, aber durch Gottes Gnade trägt. Von Luise hatte ich eben einen Brief, der es Gott sei Dank gut geht. Sie soll nun recht still leben und Eselsmi[l]ch trinken. Der Artzt war furchtbar erschrocken über die Fatigen in Norwegen, ist aber sonst zu frieden. Auch schreibt sie mir sehr glücklich über die Unterredung.114 Wolle nur Gott den lieben Bruder stärken. Mary ist aus Weimar desto konfuser zurückgekehrt. Da ist man ja auch ganz verrückt.115 Nun leb wohl, ich erhole mich und schreibe es dem kalten Abwechs[l]ungen der Beine und Füße zu. Deine alte Adine Ludwigslust, den 13ten November 1862 Geliebte Elis, ich hoffe, Du bist am heutigen Tag bei Deinen lieben Schwestern und wirst dadurch den Tag leidlich zu bringen. Denn trübe bleibt er doch immer. Gott möge Dich schützen und behüten und uns, die wir Dich lieben, noch manche Zeit erhallten bleiben. Ach, ohne Dich wäre unser Vaterhaus recht öde und traurig. Ich hoffe zwar immer, der 113 Auf Jagdschloss Letzlingen fanden im Spätherbst die „Letzlinger Hofjagden“ der preuß. Könige statt. 114 Verm. Gespräch von Prinz Friedrich und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, mit König Wilhelm I. von Preußen Anfang Sept. in Doberan. Siehe Brief vom 2. Sept. 1862. 115 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, war zu Besuch bei ihrem Bruder Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901), der in seinem Land eine sehr liberale Politik verfolgte und diese „konfuse“ Haltung mit seinen beiden Schwestern teilte.
484
Briefe 1851–1873
liebe Gott wird noch alles zum Guten wenden. Aber glauben thue ich es nicht. Menschen Herzen sind oft schwer zu lenken. Es war doch prächtig diesen Herbst, wie Du wieder wie sonst den Mittel-Punkt bildetest, um den sich die Famille vereint. Und so ruhig und ungetrübt konnten wir miteinander verkehren. So gut wird es uns lange nicht wieder werden. Alle Herzen schlagen feiner, und allen war es wohl zu Muth. Leider wurde ich so plötzlich aus diesen Famillen Leben heraus gerißen und mußte am Sterbebette meiner lieben, lieben Schwägerin Marie eilen, was mir ein Trost für das Leben bleiben wird.116 Aber immer freute ich mich, wenn ich wußte, wie Sanssouci so viel Liebes in sich schloß und versammelte. Gott wird dies Zusammensein auch seegnen!! Abbat Sohn ist diese Nacht hier angekommen. Heute früh war er bei mir, ehe er zur Jagt ging. Der wußte aber nicht, was entschieden war über Deine Reise. Die Kreutzzeitung hat Dich abreisen laßen. Allein, sie hat oft falsche Nachricht. Ich hoffe, dies Mal hat sie aber Recht. Nachtisch. Eben komme ich vom Jagt Diner, wo 40 Personen waren. In der tiefen Trauer, die eigentlich so recht im Herzen ist, da sind solche Dinge nicht leicht. Ausserdem war es auch hier zum ersten Mal, seit unsere liebe Auguste uns fehlte. Aber der Mensch kann viel, und die Anwesenden ahnten nicht, wie das Herz blutete. Meine alte Maman finde ich seit einigen Tagen unbeschreiblich matt. Und heute sah sie so sehr blaß aus, daß ich mich ordentlich um sie ängstige. Wenn ich die nun auch verliehren sollte, das wäre recht hart. Aber sie hat noch so viel Lebenskraft in sich, daß sie doch noch manche Jahre leben kann und ich mich vielleicht unnütz ängstige. Am Sonnabend ziehen wir nun in unsere Winterquartiere. Wir gehen nach Schwerin. Friedrich war ein paar Tage wieder unwohl, hatte einen leichten Anfall von sein Übel.117 Es ging schnell über, und so hällt uns nun nichts zurück. Leb wohl, empfehle mich Deinen lieben Schwestern. Sehr glücklich würde es mich machen, wenn sie mir ihre Photographien schicken wollten und der König auch.118 Gott seegne Dich, geliebte Elis. Deine treue, alte Adine Ich hatte einen langen Brief von Elise Fersen aus Meran. Sie ist entzückt vom schönen Klima und Gegend, hatte noch immer im Freien sitzen können. Ihr und den Kindern ginge es gut. Der Artzt nahm ihr Halzübel sehr ernst und wäre sehr strenge. So dürfte sie mit kein Brustkranke umgehen, und da es die meisten Menschen wären, so müßte sie für sich allein leben. Das wäre langweilig. In ihrem Haus wäre eine so liebenswürdige Dame, die sie sehr gern hätte. Da sie aber im höchsten Grad Brust krank wäre, so dürfte sie [sie] nur selten sehen.
116 Herzogin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862), war am 26. Okt. in Meiningen verstorben. 117 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) litt an chronischem Bronchialasthma, das auch seine spätere Regierung beeinträchtigen sollte. 118 Fotografien von Königin Maria Anna (1805–1877) und Königin Amalie Auguste von Sachsen (1801–1877), geb. Prinzessinnen von Bayern, sowie von König Johann von Sachsen (1801–1873).
1862
485 Schwerin, den 22ten November 1862
Ich schreibe Dir heute, geliebte Elis, bei 8° Kälte, und die Sonne scheint dabei recht freundlich, und danke Dir für Dein lieben Brief vom 18ten, den ich am 19ten erhielt, wo wir so manche Jahr froh und glücklich waren. Es ist doch recht traurig, daß wir nun garkein Festtag mehr haben sollen, aber in unseren Herzen bleiben die Tage doch ein Festtag, da Du uns geschenkt worden bist. Das ist doch ein Kleinoth, wofür wir Gott nicht genug danken können. Wir Schwestern haben es gleich gewußt und erkannt. Bei anderen Menschen ging es späther auf. Und seit 2 Jahren wird es mehr denn je werth gehallten. Gott schütze Dich. Gestern habe ich schon par Telegram Dich gebeten, in Dresden Dich noch photographieren zu laßen, denn ich finde das von Deiner Schwester Amélie so vortreflich. Und da es Dir wirklich sehr ähnlich sieht, so denke ich mir, muß Dein Eigenes auch gut werden.119 Und das wäre doch sehr zu wünschen, daß ein ähnliches endlich Mal existierte. Nach der Zeitung kommst Du am 26ten zurück, große simpatie mit Augusta, die auch mit Dir zusammen eintrifft. Dann sind für Wilhelm die schönen Tage von Ananjoueto120 aus. Was wird es dann geben? Ich denke, bei diese Kälte gehst Du gleich nach Charlottenburg und erkältest Dich nicht erst noch im sonst so lieben Sanssouci. Aber im Winter ist es jetzt nichts für Dich. Bitte danke Deiner Schwester und dem König für ihre Photographien.121 Nun möchte ich noch betteln, um die Deiner Schwester Sophie und dem Waasa.122 Fritz nebst Friedrich und Paul legen sich zu Füßen. Es ist die Rede davon, daß Fritz mit den Kindern zu Weihnachten nach Stonsdorf geht, weil er meint, es würde für ihm garnicht zu ertragen sein, das Fest, was Auguste so liebte und wo sie ihre Liebe so entfaltet durch unendliches Wohlthuen und Freude verbreitet. Es wird aber von der Kälte abhängen. Ich gönnte dem armen Fritz diesen Ausweg! Nun leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 6ten December 1862 Wie danke ich Dir, geliebte Elis, daß Du mir geschrieben hast, trotzdem daß Du selbst erkältet und unwohl warst. Ich mache mir ordentlich Vorwürfe, daß ich vielleicht mit Schuld habe, da ich Dich Telegram- und brieflich so dringend bath, Dich photographieren zu laßen. Aber auf dieser Art ist es zu theuer erkauft. Ich hoffe nur, daß die Stille und Ruhe im geliebten Sanssouci Dir gut thut und die schöne Sonne, die gewiß freundlich und warm in Dein Zimmer scheint. Aber draußen ist es desto kälter, mit dem schäuslichen Süd Ost und Ost Wind, der alles durchdringt. Heute scheint sich das Wetter plötz119 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), war die eineiige Zwillingsschwester von Königin Elisabeth von Preußen. 120 Lesebefund. 121 König Johann (1801–1873) und Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 122 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877).
486
Briefe 1851–1873
lich zu verändern, West Wind und trübe. Ich bin schon vor 6 Uhr früh aufgestanden, um zu meinen Enkel nach dem Schloß zu fahren und die sichtbare Mondfinsterniß zu sehen, die aber gänzlich unsichtbar war, da es trüber Himmel geworden. Es war wirklich sehr tragisch, so früh um Nichts aufzustehn. Nun schreibe ich Dir bei Licht, als wenn es Abend wäre. Hast Du etwas gehört, daß Kanitz in Rom geisteskrank sei?123 Es soll in der Zeitung gestanden haben. Das wäre doch zu traurig. Bei den verschiedenen Ernennungen als Gesandte finde ich Heinrich Redern124 für Petersburg wirklich ganz unbegreiflich. Er ist ja bekannt für dumm. Und wie soll das da gehen? Graf Goltz125 für Paris als Ambassadeur mag recht gut sein. Und man sagt, Reuß VII.126 werde nach Brüssel kommen, ist auch gut, besser, als wenn er ewig dort bliebe. In Strelitz ist jetzt ein neuer Minister ernannt, ein Herr von Bülow,127 früher bekannt durch den offenen Brief in Dännemark. Er scheint sehr gescheut. Er hört Gras wachsen, wie das Sprichwort sagt. Mir ist es lieb, daß er nicht bei uns ist. Er ist mir zu fein. Ich hoffe, er wird den Großherzog etwas in Respekt hallten und ihn, ridikül128 englisches Hochmuth, in Schranken setzen und den armen Fritz eine feste Stütze sein, der es bedarf. George und Katy gehen nun plötzlich nicht nach Petersburg, sonders nach Nizza. Noch habe ich die Ursach nicht erfahren. Nun leb wohl, Gott gebe, daß Du bald ganz hergestellt bist. Luise schrieb mir gestern, daß sie wohl nach Neu Jahr nach der Stadt ziehen werden und Menschen sehen. Es ginge ihr gut. Deine treue Adine Meine alte Mama ist wieder erkältet, Schnupfen und Husten, macht sie wieder sehr matt und hinfällig. Schwerin, den 17ten December 1862 Ich denke mir, geliebte Elis, daß Du gestern bei dem schönen, sonnigen Tag nach Charlottenburg umgezogen sein wirst. Und da wird der erste Eindruck ganz freundlich gewesen sein. Ich freue mich doch für Dich, daß Du in geschätztere Zimmern kömmst, obgleich das Scheiden vom geliebten Sanssouci Dir immer gleich schwer sein wird. Nun aber meinen herzlichsten Dank für Deine Photographie, die ich recht ähnlich finde. Aber so ganz bin ich nicht zufrieden. Ich finde immer die Deiner Schwester Amelie ähnlicher und besser. Aber ich bin doch zu glücklich, nun endlich eine menschliche Photographie zu 123 Karl Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), preuß. Gesandter in Rom, Turin und Neapel, wurde von seinem Amt beurlaubt, da eine Geisteskrankheit festgestellt wurde. 124 Heinrich Alexander Graf von Redern (1804–1888), preuß. Gesandter in Russland. 125 Robert Graf von der Goltz (1817–1869), preuß. Gesandter in Frankreich. 126 Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Legationsrat bei der Gesandtschaft in Frankreich. Er ging nicht nach Brüssel, sondern wurde 1863 preuß. Gesandter in Hessen-Kassel. 127 Bernhard Ernst von Bülow (1815–1879), ehem. dän. Gesandter für Holstein beim Bundestag in Frankfurt am Main, wurde zum mklbg.-strel. Staatsminister ernannt. 128 Frz. ridicul = lächerlich.
1862
487
besitzen. Meine Umgebung, die Dich nun nicht so auf dem Herzen trägt wie ich, findet sie ganz vortreflich. Ich habe Dich in ein klein Rämchen gethan, und nun stehst Du auf mein Schreibtisch. Und da sehe ich Dein liebes Gesicht immer vor mir. Habe Dank für diese Freude. Daß andere Bild mit Deiner Schwester habe ich im Buche. Heute ist hier für uns eine ungewöhnliche Bewegung, weil mein Sohn Wilhelm mit 5 Offizieren von seinem Regiment129 hier ist, der am Montag mit diesen zum Ball nach Remplin zu George von Strelitz war, der nun heute selbst hier her kommt, um sein Besuch zu machen und morgen eine Saujagt mit machen will. Ausser dem ist ein belgischer Gesandter130 hier. Das wird nun alles in einen Topf geworfen und ein groß Diner gegeben. Und heute Abend ist souper bei mir nach dem Theater. Solche Dinge sind mir jetzt in der Trauer noch unangenehmer und fatigieren mich. Morgen früh reisen nun meine drei ältesten Enkel nach Stonsdorf ab. Gott sei Dank ist mildes Wetter; und da wird es ihnen wohl nicht schaden. Johann Albrecht bleibt bei mir zurück. Der ist doch zu zahrt, um im Winter zu reisen. Und dann bleibt er mir als Trost, denn mit recht schweren Herzen sehe ich doch die lieben Kinder ziehen. Mein Sohn Fritz wird wohl vor Sonntag oder Montag nicht fort können, wegen unserm Landtag, der dann erst geschloßen ist. Für ihm freut es mich, daß er diese Festtage und Neu Jahr nicht hier ist. Es wäre zu schwer für ihm gewesen. Er wollte eigentlich nicht anders fort, als daß ich auch ausreisete. Aber ich bath ihn, mich ruhig hier zu laßen. Mir wäre es so viel lieber. Ich schreibe es nur, damit Du mein Sohn nicht falsch beurtheilst, wie man es hier geflißenlich thuet. So wird uns diese Zeit beide leichter werden. Mein Wilhelm kommt zu Weihnachten. Das ist eine große Freude. Die Veränderungen im Diplomatischen ist höchst merkwürdig. Willissen131 nach Turin gefällt mir auch nicht, besonders nach der Probe in Cassel. Es ist ja eine förmliche Umwältzung in den Gesandtschafts Posten. Der Zustand des armen Canitz132 jammert mich zu sehr! Mit meiner Mama geht es leidlich. Sie schont sich dies Mal und geht garnicht aus ihrem Zimmer. Da muß man hoffen, daß der böse Husten bald weicht. Morgen werde ich sie besuchen und fahre mit meinen Enkeln bis Ludwigslust. Das ist mir sehr lieb. Nun leb wohl. Verzeih, wenn der Brief confus ist. Ich bin aber immer gestöhrt worden. Der arme Oppeln133 von den Garde Du Corps hat ja seine junge Frau verlohren, wie ich es in der Zeitung laß. Deine treue Adine
129 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin kommandierte als preuß. Oberst das preuß. 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“. 130 Verm. Henri de Bosch-Spencer (1802–1873), belg. Gesandter in Mecklenburg-Schwerin und Dänemark. 131 Friedrich Adolf Freiherr von Willisen (1798–1864), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, zum preuß. Gesandten im neuen Königreich Italien und beim Vatikan ernannt. 132 Karl Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), preuß. Gesandter in Rom, Turin und Neapel, wurde von seinem Amt beurlaubt, da eine Geisteskrankheit festgestellt wurde. 133 Karl von Oppen (1824–1896), preuß. Rittmeister im Regiment Gardes du Corps, verh. 1852 mit Valeska von Drieberg (1833–1862), gest. am 1. Dez. in Charlottenburg.
488
Briefe 1851–1873
Fritz Wilhelm und Victoria sind ja in Wien sehr glänzend empfangen worden! Abat Vater hat sich in Muskau wohl den Georgen Orden geholt?134 Schwerin, den 26ten December 1862 Geliebte Elis, was für eine Freude hast Du mir gemacht durch Dein liebes Bild. Ich finde es wirklich nicht so unähnlich, und daher beglückte es mich sehr. Gestern hatte ich es gleich an beim Dinechen, was ich gab. Schwester Luise hat mir auch eine große Freude gemacht durch ein minitur Bildchen von unserer lieben Mama nach Schröder,135 auch am Samt Band zu tragen. Diese beiden Geschenke richteten mich recht auf am Weihnachts Abend, wo ich so schrecklich traurig war. Es ward mir viel schwerer, als ich gedacht. Auch mein lieber Wilhelm, welcher den Morgen gekommen war, war mir ein großer Trost und sucht mir es so leicht als möglich zu machen. Auch Johann Albrecht war sehr niedlich und herzlich und sehr vergnügt. Aber es fühlte sich doch sehr allein, so lag auf einen jeden ein schwerer Druck. In Stonsdorf wird es auch nicht anders gewesen sein! Ich bin auch nicht ohne Sorgen um meine alte Mama. Sie hat sich in den letzten 14 Tagen so auffallend verändert in ihrem ganzen Wesen. Sie ist selbst so Muth los. Sie ist so schwach, kann kaum gehen, ist so schwindlich und so unbeschreiblich weich. Sie geht garnicht mehr zum Eßen mit ihren Damen und Hofmarschall,136 weil sie das Sprechen angreift und das Treppensteigen ihr zu schwer wird. Auch ist sie gestern nicht zur Kirche gewesen, worauf sie sehr rechnet und sich hinsehnt. Vielleicht gehe ich morgen herüber und besuche sie auf eine Stunde. Du bist wohl, wie schon die letzten Jahre, allein den Abend vor Heilig Abend, oder wenigsten wars Du wohl nicht bei dem Bescheren Deiner Damen. Ich sehe aus der Zeitung, daß der Mittwoch festgehallten ist zum Diner bei Dir, von Wilhelm und Augusta. Wie geht es ihr denn? Wie geht es Dir aber vor allem in Charlottenburg? Hast Du Dich schon wieder eingewöhnt und ist die Erkältung nun ganz gewichen? Morgen, sagt man, ist die Hochzeit von der Golz.137 Der Ersatz dafür bei Marian hat mich etwas entsetzt. Die jüngste Seidewitz, die immer mit ihrem alten Onkel umherzog.138 Ich finde, grade für Marian ist diese Wahl recht traurig, die so auf ihre Hofdamen
134 Verleihung des St. Georg-Ordens des Königreichs Hannover an Prinz Albrecht von Preußen (1809– 1872). 135 Bild von Königin Luise von Preußen nach einem Gemälde von Johann Heinrich Schröder (1757– 1812). 136 Otto Freiherr von Brandenstein (1805–1884), Hofmarschall bei Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 137 Emilie Freiin von der Goltz (1833–1907), Hofdame bei Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau, heiratete am 27. Dez. Georg von Warburg (1830–1894), preuß. Rittmeister a.D. und diensttuender Kammerjunker im selben Hofstaat. 138 Ida von Seydewitz (1841–1916) hatte ihren Onkel Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785– 1871), Stiefbruder ihres Vaters, auf dessen Reisen begleitet. Ihre Schwester Josephine von Seydewitz war Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Prinzessin Maria Anna von Preußen entschied sich jedoch für Amalie Gräfin zu Dohna-Schlodien (1837–1906) als neue Hofdame.
489
angewiesen ist. Und sie ist doch eine leichtsinnige, emancipierte Person. Nun leb wohl, ich muß zur Kirche, Deine alte Adine Zum 2ten Januar komme ich dies Jahr nicht. Ich bleibe still für mich Neu Jahr.
1863 Schwerin, den 2ten Januar 1863 Geliebte Elis, daß ich Deiner heute viel und mit der größten Liebe gedenke, weißt Du, und daß ich mit Dir in Gedanken in Sanssouci bin, mit Dir im Sterbezimmer und in der Kirche neben Dir knie und innig bete, mehr für Dich, damit Du Frieden findest und Trost auf Erden durch Gebet und Hingebung in dem Willen Gottes, was recht schwer ist.1 Für den fromm Entschlafenen brauchen wir wohl nicht so zu beten. Die haben überwunden und sind durch den Tod zum ewigen Leben hindurch gedrungen, und beten wohl für uns an den Stufen des Throns unseres Herrn und Heiland. Wie deutlich stehen mir die letzten Stunden vor Augen, wie ich angekommen war und wie zuletzt sein verklährtes Gesicht aussprach, was er erschaute. Da konnte man ja nur Gott auf den Knien danken, daß er diese Seele nach solchen Leiden erlöset hatte. So müßen wir ja immer denken, wenn eine Seele nach der anderen uns verläßt und zu dem himlischen Vater zurückkehrt. Wäre nur nicht daß allein Zurückbleiben und die Entberung. Das ist das Schwere, was wir zu tragen haben. Gott hilft aber tragen, und das Gebet stärkt uns zum Tragen. Mein Neu Jahr und Sylvester war schrecklich. Ich war so ganz allein. Ich jammerte mich selbst. Es war aber gewiß für mich so besser. Heute bin ich aber so matt und angegriffen, daß ich Dir Leb wohl sage. Dank für Deinen lieben Brief, der mir zu lieb war, grade heut von Dir zu bekommen. Daß die Brüder krank sind, ist mir zu leid. Wie schwer wird sich Wilhelm erholen, und grade jetzt, wo die scharmanten Kammern bald zusammen kommen, und er grade dazu recht kräftig sein müßte. Gebe Gott, daß die falsche Rose2 bald so vorüber geht bei Carl. Es scheint mir doch nicht leicht zu sein. Deinen Damen viele Grüße. Du hast wohl noch keine neue Wahl getroffen.3 Hast Du die Idee aufgegeben, eine von den vielen Schwestern zu nehmen? Deine treue Adine Von Fritz und Kindern habe ich gute Nachricht. Schwerin, den 13ten Januar 1863 Geliebte Elis. Mein Fritz hat die Freude gehabt, Dich zu sehen. Mir war es aber leid, daß Du ihn nicht zum Eßen ein Mal eingeladen hast. Es hätte ihn sehr glücklich gemacht. Er ist nun recht froh, wieder zu Hause zu sein. Und ich bin glückselig, alle meine Lieben wieder um mich zu haben. Die Kinderchen sind alle etwas erkältet, aber es hat nichts weiter zu sagen. Nun möchte ich mich gerne bei Dir ein Mal wieder anmelden und fra1 Todestag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, gest. am 2. Jan. 1861. 2 Falsche Rose (Phlegmone diffusa) ist eine Entzündung des Unterhautzellgewebes mit Eiterbildung und Gewebezerfall, die anders als bei der richtigen Rose keine bakterielle Ursache hat. 3 Neuwahl einer Hofdame nach dem Tod von Rosalie (Rose) Gräfin von Kanitz (1824–1862). Siehe Brief vom 3. Juli 1862.
1863
491
gen, ob es Dir recht wäre, wenn ich Donnerstag, den 22ten, auf einige Tage käme. Ich will dann bei Augusta anfragen, ob ich am Dienstag nach Berlin kommen dürfte und Mittwoch dort bleiben, um visieten und so weiter abzumachen, und dann ganz ruhig bei Dir sein zu können. Die Carnevals Freuden mache ich ja nicht mit, desto ungestöhrter können wir zusammen sein. Ich freue mich zu sehr, Dich ein Mal wieder zu sehen, wenn es Dir nur besser geht. Fritz meint, Du seist zimlich wohl gewesen. Das feuchte Wetter ist sonst nichts für reymatische Übel. Die arme Mary, die die Masern hat, das ist doch ganz greulich in ihrem Alter.4 Man meint, sie hätte es sich bei der kleine Kinder Bescherung geholt, und der Luckesini5 auch. Dabei fällt mir die Verlobung von Mary mit Wilhelm Baden6 ein. Ich freue mich, daß sie von der Mutter7 fort kommt. Gott gebe, daß sie glücklich wird. Schwester Luise schrieb mir, sie hätte die Wohnung von Mathilde Brandenburg8 genommen! Ob die Heirath bald sein wird? Es stand ein Mal in der Zeitung, er würde in Rußischen Dienst treten! Nun leb wohl, geliebte Elis, vielleicht sagt mir ein Telegram schnell Deine Antwort. Deine treue Adine Schwerin, den 17ten Januar 1863 Geliebte Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief, der mich so glücklich machte. Und ich freue mich unbeschreiblich, daß ich am Donnerstag, so Gott will, Dich wiedersehen werde. Und ich hoffe, 8 Tage ruhig bei Dir sein zu können. Ob ich am Mittwoch heraus kommen werde können, um meine visite bei Dir zu machen, weiß ich wirklich nicht. Aber ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, da es kein manque d’attention9 sein soll, nur Mangel an Zeit. Denn wenn Augusta mich mittags 1 Uhr bestellt, da ist der ganze Vormittag zerrißen. Wilhelm soll doch noch oft angegriffen sein, besonders der Kopf. Da ist es doppelt besorglich, daß er nun jetzt muß arbeiten und sich ärgern. Wenn nur Bismark10 fest wie ein Fels ist und alles an sich abprallen läßt, dann wird es gehen und Preußen kann sich herausreißen.
4 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877) war 54 Jahre alt. 5 Marquis Franz von Lucchesini (1787–1867), preuß. Kammerherr und Hofmarschall bei Prinz Carl von Preußen. 6 Verlobung von Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914), mit Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897), preuß. Generalmajor. Er schied nach der Heirat am 11. Febr. aus dem preuß. Dienst aus und lebte mit seiner Frau vorrangig in Karlsruhe. 7 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. 8 Mathilde Gräfin von Pückler, geb. Gräfin von Brandenburg (1825–1900), verh. 1847 mit Erdmann Graf von Pückler (1820–1864), preuß. Major. 9 Frz. = Mangel an Aufmerksamkeit. 10 Otto von Bismarck (1815–1898), preuß. Ministerpräsident und Außenminister.
492
Briefe 1851–1873
Von Schwester Luise habe ich gestern einen flüchtigen Brief aus dem Haag selbst, wo sie sehr glücklich wieder zu sein, besonders wenn sie daran denkt, daß es nahe daran stand, daß sie nie wieder dahin gekommen wäre. Sie hat aber so viel zu thuen, einzukramen, Menschen zu sehen, visieten zu machen. Wenn es nur nicht zu viel ist und sie sich schadet, ich bin immer in Sorgen um sie. Was Du mir schreibst von Dein Allein sein und Allein stehen, hat mich tief bewegt, weil ich ja weiß, daß Dir dies niemand so nach fühlen kann. Und darum bin ich ja immer so schrecklich traurig um Dich, weil ich das so weiß und fühle. Gott allein kann da nur helfen und lindern. Und Du suchst ja auch grade an die rechte Quelle, nur bei Ihm, dem Herrn, Deinen Trost und Deine Stärke zum Tragen. Er wird Dir beistehen. Nun leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen. Deine treue Adine Schwerin, den 1ten Februar 1863 Geliebte Elis, ehe ich in der Kirche gehe, eile ich, Dir noch zu schreiben und zu danken für Deine Liebe und Freundlichkeit, womit Du mich wieder aufgenommen hast. Bei Dir zu sein, ist doch meine größte Wonne. Für mich schien der Aufenthalt viel zu kurtz, und ich schwankte wirklich, noch ein paar Tage zu zugeben. Aber der Gedanke an meinen lieben, traurigen Sohn zog mich doch auch mächtig zurück. Er hat sich auch sehr gefreut, wie die lieben Kinder, welche mich in mein Palais mit Jubel empfingen. Ich finde, er hat recht etwas Gedrücktes. Man sieht, wie er innerlich leidet, und wie er es doch nach Gottes Willen so zu tragen sucht, wie Er es ihm auferlegt. Diese nächste Zeit bis zum 10ten März wird eine ganz schwere werden. Wie mag es Dir nur gehen, geliebte Elis? Gestern und vorgestern war hier Wind und Regen, ein schäuslich Wetter, alles schwamm. Dafür ist es heute nur 2° Wärme und Nord West Wind, der sehr trocknet. Und es scheint, als wenn die Sonne scheinen wollte. Die Reise ging schnell und glücklich. Ich fand meine alte Mama wieder schwach und klagend über Schwindel, aber sonst wohl. Ich fand sie nicht verändert grade. Nun leb wohl, der Brief muß fort, Deine treue Adine Schwester Luise und Nichte Addis Geburtstag heute. Wie Bruder Wilhelm nur die Cour und Concert bekommen ist? Schwerin, den 11ten Februar 1863 Geliebte Elis, zuerst meinen herzlichen Dank für Deinen lieben, lieben Brief. Und dann möchte ich wißen, wie es Dir geht bei diesem schäuslichen und abwechselnden Wetter. Ich fürchte, die Schmertzen werden sehr arg sein, denn ein Wunder ist es, wenn man nicht zum liegen kommt. Es ist so gar hier in Schwerin so warm, wo es doch kälter wie an anderen
1863
493
Orten ist, 5–6 Wärme. Die Spireen11 sind ganz grün, Schneeglöckchen und Primeln blühen in allen Gärten, und die Kastanien haben schon aufgebrochen, dicke Knospen, wo die grünen Blätter heraus sehen. Die werden sich wundern, wenn die Kälte dann späther doch noch kömmt. Da wird alles erfrieren. Ist nicht gestern Marusi’s Hochzeit gewesen?12 Ich weiß es nicht gewiß. Möge Gott ihr Glück und Seegen geben. Ich finde es recht naif, daß Bruder Wilhelm selbst sagt, man will ihn nicht. Der Koburg13 hat es leider standhaft abgeschlagen, die Krone Griechenlands zu nehmen. Es ist recht schade, aber verwundern thut es mich nicht, da es ja jetzt garkein garantie mehr giebt.14 In Pohlen sieht es schlimm und ernst aus. Nun wird erst der blutige Kampf beginnen, wo die Insurgenten15 mehr […]16 bekommen.17 Ich fürchte mich so für Costy, Sanny und die Kinder.18 Wenn man nur letztere fortschaffen könnte. Sie werden gewiß noch ganz eng in Warschau eingeschloßen werden, und man wird ihnen nicht helfen können. Ist Rauch19 schon zurück? Wenn man ihn nur nicht auch auf der schmalen Eisenbahn Brücke auflauert und fest hällt, wie den rußischen Offizieren. Es scheinen noch immer nicht genug rußische Truppen dort zu sein. Was wird Preußen thuen? Gott sei Dank, daß dies Charlotte nicht mehr erlebt. Wie würde sie für Costy zittern! Ach, die Toden, die sind seelig, sie schauen den Herrn! Hier bei uns wird es immer stiller und trüber. Jeder Tag hat seine Erinnerung. Es liegt diese Zeit wie ein Alb auf uns. Der arme Fritz ist still und blaß. Nun leb wohl, ich will zur Morgen Andacht, Deine treue Adine Hast Du aus München etwas gehört über die Königin von Neapel? Geht sie nach Rom zurück?20 11 Lat. Spiraea = Spiersträucher aus der Familie der Rosengewächse. 12 Hochzeit von Maria (Marusya) Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914), mit Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897), preuß. Generalmajor, am 11. Febr. in St. Petersburg. 13 Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von SachsenCoburg und Gotha (1844–1900). 14 König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867), war im Okt. 1862 durch einen Aufstand als König abgesetzt worden. Im März 1863 bestieg der 17-jährige Prinz Wilhelm von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1845–1913) als König Georg I. den griech. Thron. 15 Lat. = Aufständische. 16 Wort nicht zu entziffern. 17 Der poln. „Januaraufstand“ war am 22. Jan. ausgebrochen und wurde bis Ende 1864 durch russ. Truppen niedergeschlagen. 18 Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892), verh. 1848 mit Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1830–1911). Er war seit 1862 Namiestnik (Statthalter) von Polen als Nachfolger des russ. Generals Alexander Nikolajewitsch von Lüders (1790–1874) und lebte mit seiner Familie in Warschau. 19 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Major und Flügeladjutant. 20 Königin Marie beider Sizilien, geb. Prinzessin in Bayern (1841–1925), befand sich seit der Absetzung ihres Mannes Franz II. Maria Leopold von Bourbon, König beider Sizilien (1836–1894), in Rom im Exil.
494
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 14ten Februar 1863 Geliebte Elis, Du wirst Dich wundern, daß ich heute schon wieder schreibe, und vielleicht noch mehr wundern, wenn Du die Ursach erfährst. Denn diesen Augenblick bin ich erst in Kenntniß gesetzt. Und es hat mich sehr überrascht, nämlich, daß mein Sohn Wilhelm Addi sehr lieb hat und sie zu heirathen wünscht.21 Er hat so gar gestern Abend gewagt, ihr ein Wort zu sagen, aber natürlich keine bestimte Antwort erhallten. Da ich nun immer gewohnt bin, Dir, liebe Elis, alles mitzutheilen und mit Dir zu besprechen, so wende ich mich also gleich an Dich, um Dich für diese Verbindung zu interessieren. Ich weiß zwar von Dir selbst, daß Du nicht für diese Partie bist. Es ist auch keine brillante, und seine Stellung jetzt in der preußischen Armee nicht von der Art, daß er eine preußische Prinzeßin heirathen kann. Ich hoffe aber, daß, wenn Du nicht zu sehr gegen die Verbindung bist, mein Bruder Wilhelm ihm eine feste Stelle gäbe, wenn er die Sache erfährt, und er nicht dagegen ist. Die hohe Frau will ihm zwar die dicke Cambridge22 durchaus anhängen, also die wird Feuer speien. Zu meiner Freude kann ich sagen, daß mein Sohn Wilhelm in aller Hinsicht jetzt gebessert ist. Er ist vernünftig, macht keine Schulden mehr, sondern legt selbst etwas zurück. Und vor allen Dingen hat er das Bedürfniß nach Häuslichkeit und häuslichen Glück. Ich für mein Theil wünsche mir sehr eine so liebe Schwiegertochter und würde sehr glücklich sein, wenn diese Heirath zustande kommen könnte. Ich weiß auch, daß unsere liebe, seelige Auguste sehr den Wunsch hatte und mit mir oft darüber sprach. So denke ich auch, würde ihr Seegen mit darauf ruhen. Wie mein Bruder Albert darüber denken wird, weiß ich garnicht. Darauf kömmt es zwar auch sehr an! Und was das allerarthigste ist, womit ich hätte anfangen sollen, ist, wie Addi darüber denkt. Das ahne ich garnicht, ob sie Wilhelm gerne hat und des Lebens Freud und Leid mit ihm theilen will und kann. Dies ist etwas, was ich gerne erfahren möchte. Mein Wilhelm hat mich gebeten, ihr darum zu schreiben, und daß thue ich denn auch heut, so daß Morgen früh sie den Brief erhällt, wie Du auch, geliebte Elis. Möge Gott alles so leiten, wie es zum Besten von allen Theilen ist. Noch füge ich auf meines Sohn Fritz Wunsch hinzu, daß, wenn Du es wünschen solltest, mit ihm über die Sache genauer zu sprechen wegen Vermögen u.s.w., er sehr gern auf einen Tag nach Charlottenburg kommen würde. Es müßte nur vor dem 20ten sein, weil dann die traurigen Erinnerungs Tage anfangen und wir auch gern etwas Bestimtes bald erführen. Für Wilhelm ist diese Ungewißheit sehr peinlich. Vielleicht läßt Du per Telegram ein Wort fallen, hoffen oder nicht. Ich bin in großer Aufregung und muß doch ruhig scheinen. Deine alte, treue Adine
21 Heiratsantrag von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) an Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), der zu diesem Zeitpunkt nicht akzeptiert wurde. 22 Prinzessin Mary Adelaide von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge (1833–1897), hatte den Spitznamen „Fat Mary“ und war mit 30 Jahren noch ledig. Sie heiratete am 12. Juni 1866 Herzog Franz von Teck (1837–1900), Sohn von Herzog Alexander von Württemberg (1804–1885) aus einer morganatischen Beziehung.
1863
495 Schwerin, den 17ten Februar 1863
Laß mir Dir gleich heute danken für Deinen lieben, milden Brief. Du hast mir wohl dadurch gethan, geliebte Elis. Ja, ich bin sehr betrübt, obgleich mein Sohn Fritz und ich nicht viel Vertrauen zu der Sache hatten. Wir fanden es nicht richtig angefangen. Da ich aber garnicht im Vertrauen gezogen war, sondern es erst erfahren, wie ich Dir schon schrieb, als er selbst gehandelt, so war nichts mehr zu machen. Wie aber der Mensch ist, er hofft doch, und so hatte ich mich schon so an den Gedanken gewöhnt, machte allerlei Pläne und gab mich der Hoffnung hin, vielleicht ein neues Glück bei uns aufblühen zu sehen. So kam dann die Antwort, bestimmt und klar, was mich sehr erschütterte, und meinen armen Fritz mit, der diese Verbindung so sehr gewünscht, ich glaube in dem Gedanken, daß es die liebe Auguste so gewünscht, und er sah so ihren Seegen darin.23 Nun, Gott der Herr hat es anders gewollt, und so mag es wohl recht gut sein. Ich bin um eine Enttäuschung reicher und werde mich wie schon in vieles im Leben fügen und finden. Möge nur der Herr mein armes Kind beistehen. Der wird sehr unglücklich sein, denn er war so voll Hoffnung. Und für ihm wäre es ein so großes Glück gewesen! Alles, was Du mir sagst wegen Famillen Verhältniße, die schief und schwer, ich glaube, dazu wäre er Mann genug gewesen, die richtig zu stellen. Denn er hat feste Grundsätze darin, wo von ihm niemand so leicht abbringt. Er wäre auch strenge gegen ihr gewesen und hätte sie richtig geleitet. Nun, es ist ja alles aus und abgemacht. Es weiß niemand etwas von dieser Angelegenheit als mein Bruder Wilhelm, dem Fritz geschrieben wegen der Stellung von Wilhelm.24 Nun habe ich ihm gleich geschrieben und gesagt, wie die Sachen nun stehen, und gebeten, niemand etwas davon zu sagen. Nur Du wüßtest darum. Ich hätte Dir alles mitgetheilt, da ich Dich für die zweite Mutter von ihr hielte. Nun leb wohl, Deine Adine Schwerin, den 25ten Februar 1863 Geliebte Elis, laß mich Dir recht danken für Deinen lieben Brief mit guten Wünschen und aller Liebe, die Du mir bis jetzt so treu bewahrt, und ich hoffe auch für immer, denn Du weißt, wie ich Dich lieb habe und wie ich so garnichts vor Dir geheim hallte, Du mein ganzes Vertrauen besitzt. Laß es immer so zwischen uns bestehen. Dein schön wie eben so nützliches Geschenk, als Schnupftücher, danke ich sehr. Ich habe von allen Seiten wieder so viel bekommen. Du weißt vielleicht durch Bruder Wilhelm, daß er mir das Bild von Charlotte geschenkt auf Callmar, was so ähnlich ist und mir daher so viel Freude macht. Aber wie viel Wehmuth mischte sich darin. Mein Fritz hat mir sein Bild in Öhl, Kniestück, geschenkt, sehr ähnlich, und eine Menge anderer nützlicher Sachen. Der 23te 23 Die Ablehnung des Heiratsantrages ihres Sohnes Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827– 1879) an Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906) innerhalb ihrer Familie war enttäuschend. 24 Stellung und Versorgung Wilhelms zu Mecklenburg-Schwerin als preuß. Oberst und nachgeborener Herzog.
496
Briefe 1851–1873
war wieder recht ein Tag der Trauer und Wehmuth. Es ist wieder ganz wie sonst, die Liebe von Auguste hätte ihn mir wieder lieb gemacht, und nun war mein Herz mit tiefer Weh des Vermißens und Entbehrens unser lieben Auguste erfüllt, und alle der Lieben, die vorangegangen sind, deren Zahl recht viele sind. Den 26ten. Leider konnte ich gestern mein Brief nicht fertig machen. Es waren noch so viel Nachzügler vom Geburtstag da, daß ich ganz matt wurde. Leider hatte ich nicht die Freude, mein Wilhelm hier zu sehen. Er ist krank und traurig und kann sich nicht herausreißen.25 Vielleicht kömmt er zum 28ten. Unsere Stimmung ist auch nicht heiter, denn welche schmertzliche Erinnerungszeit ist jetzt für uns angegangen. Wie lebt man jetzt so besonders wieder alles durch. Jeder Tag tritt so lebhaft vor die Seele, aber der Herr ist in solcher Zeit auch mit besonderm Trost und Frieden da, die die Seele erquickt, Kraft und Stärke giebt, den Schmertz zu tragen. Der arme, arme Fritz! Ich möchte, diese Tage lägen erst hinter uns. Es bleibt sich zwar nachher alles gleich, aber sie sind doch besonders schwer. Am 28ten, Fritz sein Geburtstag, werden wir in Steinfeld den ganzen Tag sein, um recht still bleiben zu können. Den 3ten März bleiben wir im Schloß von Schwerin. Da jeder weiß, was für ein Trauertag ist, so tritt nichts Stöhrendes an uns heran. Mein Bruder Wilhelm hat mir dies auch geschrieben, und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Aber vielleicht wäre es besser, wenn es ihr doch mitgetheilt würde. Ich will es ihm schreiben. Ich hoffe, am 13ten März nach Berlin kommen zu können, und möchte den 14ten vielleicht dann zu Dir zum Diner herauskommen und mein Quartier bei Dir aufschlagen, wenn Du es erlaubst, und nur dann nach Berlin, um an den Festen theil zu nehmen, die zum 17ten und 22ten sind. Nun leb wohl, noch ein Mal den herzlichsten Dank für alle Liebe, [das] schöne Geschenk und [die] Photographien der kleinen Charlotte,26 die ich sehr ähnlich finde. Deine treue Adine Schwerin, den 6ten März 1863 Geliebte Elis, verzeihe, wenn ich erst heute schreibe und danke für Deinen lieben Brief vom 3ten März selbst, wo Du so liebevoll und theilnehmend unser gedacht. Fritz, der Arme, war sehr gerührt und erfreut, daß Du auf dieser Art der geliebten Auguste gedacht. Ach, was sind dies für schwere Erinnerungstage, und so folgt nun morgen der 7te Märtz, der 9te.27 Aber alle sind in Frieden bei dem Herrn, und man kann nur dankend die Hände aufheben im Gebet zu dem Herrn. Denn Er hat alles nach Seiner Weisheit und Barmherzigkeit eingerichtet. Am Morgen des 3ten waren wir erst alle im Dom im Gebet um den schön geschmückten Sarg mit Blumen und Kränzen. Dann war auf dem Schloß Morgen Andacht, aber nur im Bezug auf dem Tag. Dann fuhren wir nach Steinfeld, wo wir still und traurig bis abends 7 Uhr waren. Das Wetter war sonnig und mild, so daß Fritz mit 25 Wegen der Ablehnung des Heiratsantrages von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827– 1879) an Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906). 26 Fotografien der zweijährigen Prinzessin Charlotte von Preußen (1860–1919). 27 Todestage von Schwiegertochter, Ehemann und Tochter.
1863
497
den Kindern viel draussen sein konnte, und das half auch den Tag abkürtzen. Sehr erschöpft gingen wir alle zu Bett. Mich hatte es aber wieder so angegriffen, daß ich gestern den halben Tag im Bett lag und etwas Krampf im Leibe hatte. Aber schon nachmittags ging es besser und heute ganz gut. Nur etwas matt bin ich. Nach dem Wunsch von Augusta werde ich nicht Freitag, den 13ten, nach Berlin kommen, will mir den Tag aber nicht abziehen laßen und komme nun, wenn Du nichts dagegen hast, von Spandau aus direkt nach Charlottenburg und belästige Dich mit meiner Gegenwart. Sonnabend Abend soll ich dann zum Thee nach Berlin kommen, wenn es nicht geändert wird. Wie schade, daß Du, geliebte Elis, nicht theilnehmen kannst an der Grundsteinlegung.28 Solltest Du nicht auf solcher Brücke wie am Dom nach dem Pavillon kommen können? Es wäre doch viel hübscher, wenn Du mitten unter uns sein könntest. Etwas kühl kann es freilich werden! Ich kann begreiffen, daß Wilhelm bekümmert und aufgeregt ist über die Kammern.29 Aber eins ist gut, sie stellen sich so ganz klar da, was sie sind und wollen, daß man sich darüber nicht täuschen kann. Bismark30 steht groß da und findet überall Anerkennung. Nur Ausdauer und Ruhe, dann muß die Gutesache siegen. Es ist ein Kampf auf Tod und Leben. Dabei fällt mir das Duell ein von dem jungen Rechtern.31 Wie traurig für den alten Vater.32 Von Luise hörte ich länger nicht. Am 27ten schrieb mir Marichen in ihrem Nahmen. Die dumme Verlobungsanzeige von Marichen und dem Kronprinz, es ist recht fatal.33 Ist denn Marusi34 noch nicht durch Berlin gekommen? Dein alter Finkenstein35 hat ja auch gejubelt. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie die 3 Brüder an Papa im blauen Eß Zimmer von Potzdam vorgestellt wurden.36 Nun leb wohl, Deine alte Adine 28 Am 17. März zum Reiterstandbild König Friedrich Wilhelms III. von Preußen im Berliner Lustgarten. 29 Konflikt des Herrenhauses und Abgeordnetenhauses des preuß. Landtags mit König Wilhelm I. von Preußen um die Heeresreform. 30 Otto von Bismarck (1815–1898), preuß. Ministerpräsident und Außenminister. 31 Adolph Johann Dirk Graf van Rechteren (1835–1863), niederl. Legationssekretär in Österreich, gest. am 22. Febr. in Wien im Duell mit Emilio Muruaga y Vildosola (1830–1909), span. Legationssekretär in Österreich. 32 Johann Dirk Graf van Rechteren (1799–1886), niederl. Staatsrat, verh. 1847 mit Elise Martha Gräfin von Limburg-Styrum (1803–1890), Oberhofmeisterin von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 33 Heiratsprojekt für Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit Kronprinz Albert Edward (VII.) von Großbritannien und Irland (1841–1910), das jedoch nicht zustande gekommen war. Der Kronprinz heiratete stattdessen am 10. März Prinzessin Alexandra von Dänemark (1844–1925). 34 Reise von Prinzessin Maria (Marusya) von Baden, geb. Maria Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914), von St. Petersburg nach Karlsruhe, nach ihrer Heirat mit Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897). 35 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant a.D. und erster Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 36 Wilhelm (1792–1877), Karl (1793–1866) und Leopold, Grafen Finck von Finckenstein (1795– 1845).
498
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 18ten April 1863 Geliebte Elis, wie leid ist es mir für Dich, daß Unwohlsein Deine Reise nach Dresden verschoben hat, denn, so hoffe ich, [das] ist es doch nur. Aber freilich, ein Husten ist nicht so leicht abgemacht. Vergebens sah ich in der Zeitung Deine Abreise. Ich denke, daß schöne, warme Wetter wird dazu beitragen, Dich schnell gesund zu machen. Deine Schwester Sophie ist schon angekommen. Sie sollte Dich in Charlottenburg besuchen, wo die Luft nun rein ist und niemand sie genieren kann. In der Welt sieht es doch ernster aus, als wie man es glaubte. Polen scheint sich nicht zu beruhigen, sondern im Gegentheil. Finland wird auch gehörig gehetzt, Schweden suchte schon lange nach einer guten Gelegenheit, es sich wieder zu bemächtigen. Italien, Griechenland wird in Athem gehallten, es kann auf ein Mal von allen Seiten loß brechen. Und Dänemark nicht zu vergessen. Und dann sitzen wir wieder mitten darin, denn Frankreich wird sich auch einen günstigen Augenblick aus suchen. Wir hatten Dienstag und Mittwoch den englischen Gesandten Buchanan mit Frau, beides aimable Menschen.37 Sie schien recht heiter und vergnügt zu sein. Gestern war Oubril38 hier, der nun garnicht genant39 ist, erstlich als alter Bekannter und dann hat man so viel Anknüpfungs Punkte. Im Gegentheil war es mir lieb, ein Mal etwas von der kaiserlichen Famille zu hören. Heute haben wir einen Besuch von meiner alten Mama, die ihren Neffen Adolph mit seiner Frau und 13jährigen Tochter aus Rudolstadt her gebracht hat,40 um uns zu sehen und besonders das schöne Schloß zu sehen. Fritz geht mit den Rudolstädter im Schloß umher und will etwas mit ihnen ausfahren. Ich war lange mit meiner alten Mama, die ich aber eben verlaßen, weil sie doch von der Fahrt angegriffen ist und sich nun ausruhen soll. Ich sitze im Königszimmer am Schreibtisch von unserm lieben Dicken. Was ist alles seit den 5 Jahren geschehn, daß die Einweihung im Schloß war und diese Zimmer von Euch bewohnt wurden!!41 Fritz und die Kinder küßen die Hände. Ersterer geht Montag zur Auerhahnsjagt nach Altenburg und von da nach Treb schen zur glücklichen Braut. Hast Du Dich nicht auch gefreut, daß Anna Reuss heirathet?42 Und was für eine Parthie macht sie, reich und vornehm. Seine Geschenke bewundere ich. Er muß sehr solide sein. Leb wohl, Deine alte Adine 37 Sir Andrew Buchanan (1807–1882), brit. Gesandter in Preußen, verh. 1857 mit Georgiana Eliza Stuart (1821–1904). 38 Paul von Oubril (1818–1896), russ. Gesandter in Preußen, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. 39 = Unangenehm, peinlich. 40 Prinz Adolf (1801–1875) und Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914), mit ihrer Tochter Prinzessin Marie (1850–1922), die 1868 mit 18 Jahren die dritte Ehefrau von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin werden sollte. 41 Besuch von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen zur Einweihungsfeier des umgebauten Schweriner Schlosses vom 26. bis 28. Mai 1857. 42 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907), Schwester der verstorbenen Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, heiratete am 22. Aug. Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode (1837–1896).
1863
499 Schwerin, den 10ten Mai 1863
Geliebte Elis, mit Freuden weiß ich Dich nun im lieben Sanssouci, wo es himlisch sein muß. Aber ein großes Wehe wird wieder Dein Herz durch leben. Aber wo ist das jetzt nicht? Ewig lange habe ich Dir nicht geschrieben, meine Elis. Aber ich war so matt, daß ich kaum die Feder hallten konnte. Und noch jetzt will die Hand mir nicht ordentlich parieren, obgleich es mir viel besser geht. Ich nehme Kalmus43 und Malz Bäder, die mich stärken. Und heute ist auch bestimmt worden, daß ich nicht nach Marienbad gehen soll, erschrick nur nicht, sondern nach Wildbad, um meine schwachen Beine zu stärken. Ich werde Dich aber nicht inkomodieren,44 da ich schon um den 9ten Juny herum dahin abreise. Sehr glücklich würde es mich machen, wenn ich dann auf der Durchreise ein oder 2 Tage mich bei Dir in Sanssouci aufhallten könnte. Du wirst doch wohl erst im July nach Wildbad reisen. Mir ist dies so etwas Neues, daß ich mein altes Marienbad nicht wieder besuchen soll, daß es mir ganz ängstlich ist. Marie Carl ist ja endlich von der langen Reise zurückgekehrt und hat geendet, mit Paris, Besuche hin und her und Diner endete das Ganze. Wie sie wohl da gewesen ist?!!! Den armen Fritz Louis45 soll es ja wieder etwas besser gehen. Der Arme, er macht doch alles dem lieben Bruder Fritz nach, nur daß sein Geist nicht so viel leidet, da er nicht so viel hatte. Am Donnerstag war der Duc de Charter hier, um sich sein Großmama als glücklicher Bräutigam vorzustellen.46 Heut in ein Monat ist seine Hochzeit. Wir beabsichtigen, am Sonnabend nach Himmelsfahrstag nach Steinfeld zu ziehen. Noch dankte ich garnicht, daß Du mir par Telegram die Nachricht zugehen ließt, daß Du nach Dresden gingst. Ich freute mich so für Dich, endlich wart ihr 4 Schwestern zusammen. Dein Unwohlsein kürtzte nur die Zeit sehr ab. Auch für Dein lieben Brief danke ich. Die Geisteskrankheit von Oriolla47 ist recht betrübt. In Polen sieht es furchtbar aus. Daß wird noch immer schlimmer werden. Wo gut, daß Preußen gleich so fest auftritt. Posen ist doch schrecklich unterminiert.48 Nun lebe wohl. Mein Sohn Fritz kommt Sonntag den 17ten auf einige Tage nach Berlin. Nun lebe wohl, Deine treue Adine
43 Kalmus kam im 16. Jh. aus Asien nach Europa und gilt als kräftigend und appetitanregend. Die Blätter und Wurzel enthalten ätherische Öle und werden bei Magen- und Verdauungsbeschwerden, Husten und Erkältungen, Schmerzen und Entzündungen eingesetzt. 44 Inkommodieren = belästigen, Unannehmlichkeiten bereiten. 45 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863) starb am 27. Juli in Berlin. 46 Verlobung von Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910), mit seiner Cousine Françoise von Orléans (1844–1925). 47 Alphonse Heinrich von Oriola (1812–1863), preuß. Gesandter in den Niederlanden, gest. am 3. Juni. 48 Die preuß. Provinz Posen hatte einen großen poln. Bevölkerungsanteil.
500
Briefe 1851–1873
Steinfeld, den 4ten Juny 1863 Geliebte Elis, tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Ich hoffe, daß nichts dazwischen kommt und ich am 9ten abends bei Dir eintreffen werde. Seit ich Dir nicht geschrieben, ist Friedrich recht leidend an heftigem Asma.49 Und noch immer will es nicht weichen. Ich hoffe aber, bis Dienstag wird es endlich vorüber sein. Par Telegram werde ich mich lieber noch erst anmelden. Dann bin ich am Montag nach Ludwigslust gewesen, um meine alte Mama zu besuchen, und kam grade an, als die Generalin Both (von der Tann)50 starb. Ich liebte sie sehr. Daher blieb ich 9 Stunden an ihr Sterbebett. Zuerst hat sie mich noch erkannt. Der Todeskampf war trotz ihrer Schwäche lang und schwer. Nur die letzte Stunde wurde sie ganz ruhig und schlummerte sanft herüber. Meine arme, alte Mama verliehrt auch unendlich viel. Sie war ihr seit 45 Jahren eine treue Freundin und Stütze. Denn sie war viel um ihr, ging mit ihr aus, leistete ihr Gesellschaft, wenn es ihr grade recht war. Sie genierte Mama garnicht, die sie sehr, sehr lieb hatte und die garkeinen anderen Umgang hatte. Daher steht die nun unbeschreiblich allein, und ich weiß garnicht, wie sie diese Leere ertragen wird. Jetzt im Sommer geht es noch, aber der Herbst und Winter mit den langen Abenden, das wird zu traurig sein. Am Sonnabend will ich zur Beerdigung herüber, um Mama etwas zur Seite zu stehen, die sich doch freut, wenn ich bei ihr sein kann. Bruder Wilhelm wünschte, ich möchte zum 7ten kommen, aber Du weißt, geliebte Elis, daß mich die jetzige Art nicht anspricht. Und dann kann ich auch nicht fort, weil grade am 5–6ten Pferde Rennen hier in Schwerin sind, die wir schon vergangenes Jahr wegen der Trauer nicht mitmachten, und man es sehr wünscht, uns dort zu sehen. Ich hoffe, daß der Sohn von Keller51 doch mit Gottes Hülfe durch kommt durch diese schreckliche Krankheit, von der man noch nie gehört, daß sie überstanden sei. Ich sehe immer mit Angst in der Zeitung die Anzeigen nach. Remon52 in Sanssouci zu finden, freut mich sehr. Wenn ihm nur nicht die kalte Luft schadet, die noch immer sich fühlbar machte. Mit der größten Theilnahme habe ich wieder den neuen Schmertz in Dresden getheilt.53 Welche schwere Prüfungen legt der Herr auf. Leb wohl, meine Elis, ich hoffe, am 9ten auf Wiedersehen, Deine alte Adine 49 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) litt an chronischem Bronchialasthma, das auch seine spätere Regierung beeinträchtigen sollte. 50 Johanna von Both, geb. Freiin von und zu der Tann (1785–1863), Witwe des mklbg.-schw. Generalleutnants Carl Wilhelm Ludwig Hartwig von Both (1778–1860), gest. am 3. Juni in Ludwigslust. 51 Theodor Graf von Keller (1842–1863), gest. am 11. Juni. Er war der Sohn von Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Ober-Schlosshauptmann und Intendant der kgl. Gärten. 52 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Geheimer Legationsrat, ehem. Ministerresident in Florenz und Historiker. Der Krieg 1859 beendete seine diplomatische Karriere. Aufgrund fehlender Verwendung zog er nach Bonn und widmete sich seinen Studien v.a. zur ital. Geschichte. 53 Prinzessin Elisabeth Albertine von Sachsen (1862–1863), Tochter von Prinz Georg von Sachsen (1832–1904), gest. am 18. Mai, bereits das zweite Kind im Säuglingsalter. Siehe Brief vom 7. März 1861.
1863
501 Wildbad, den 8ten August 1863
Deinen lieben Brief bekam ich gestern Abend, meine Adine, und hatte große Freude daran, nur daß Dein Husten noch nicht weichen will, betrübt mich. Für Dein liebes, kleines billet und das Telegram dankte ich gestern durch Telegraphen. Es war solche Freude, als ich in Kaltenbrunn54 ankam und mir die hübsche Förster Tochter das billet brachte. Es war zu lieb von Dir, mir zu schreiben. Wir fuhren gleich auf die Höhe, wo die Aussicht herrlich war und so verlockend! Nachher hielten wir uns in dem kleinen Häuschen vor dem Hause auf und aßen Milch und Butter, während die Pferde ruhten. Um 8 Uhr war ich zu Hause und fand Dein Telegram, das mich sehr erfreute. Die Schnelligkeit Deiner Fahrt tentirte55 mich gleich sehr und Dein Brief noch mehr. Mein Tyrann machte heute ein süß saures Gesicht, als ich ihm davon sprach. Nun laß Dir sagen, wie mir’s wehmüthig um’s Herz war, als ich Dich fahren sah, und wie ich den andern Morgen erwartete, daß mir Hofmann56 Nachricht von Dir bringe! Gestern sah ich Deine Wohnung aus der Ferne, sie schien schon ganz bewohnt. Wir gingen auf dem Berge über der Schiller’s Eiche,57 es ist ein hübscher, schattiger Weg, der Abend war so herrlich und warm. Purkhart58 hatte wieder ein paar schlimme Anfälle, nun geht es wieder besser. Böger59 hat einen Theil seiner Kranken übernommen und geht auch viel zu ihm. Die Engländer aus meinem Haus sind alle abgereist, und Schulenburgs60 ziehen heute auf die andere Seite, da Arnims61 heute ankommen. Mitwoch reist Frau von Schulenburg, die Kinder werden mir sehr fehlen. Das Waschhaus in der Lichtenthaler Allee62 ist also keine Fabel! Das ist unschicklich. Ich glaube, mir würde das neue, prächtige Baden wehe thun. Ich hatte das alte so lieb, und so viele Erinnerungen hängen daran für mich. In dem Haus über der Promenade, das jetzt glaube ich Benazet63 gehört, sah ich meinen geliebten Fritz zum erstenmal vor 44 Jahren. Wenn Du es siehst, denke an mich und an ihn. Gestern vor 4 Jahren wurde er wieder krank. Ach, das war ein schrecklicher Tag. Ich höre, daß Karl64 den 20ten nach Muskau geht und von da nach Oesterreich zur Inspection. Der Fürsten
54 55 56 57 58 59 60
61 62 63 64
Kaltenbrunn am Tegernsee, seit 1825 im Besitz von Prinz Karl von Bayern (1795–1875). Frz. = berührte. Hoffmann, Kammerdiener bei Königin Elisabeth von Preußen. Gedenkstätte, 1859 errichtet zum 100. Geburtstag von Friedrich Schiller am Meisternhang bei Bad Wildbad. Karl von Burckhardt (1818–1888), württemb. Hofrat und Badearzt in Bad Wildbad. Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt. Verm. Gustav von der Schulenburg (1814–1890), preuß. Legationsrat und Gesandter in Württemberg, verh. 1853 mit Marie Freiin von Maltzahn (1833–1912), und ihre Kinder Werner (1855– 1930), Richard (1857–1943) und Anna (1861–1939). Verm. Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868), ehem. preuß. Ministerpräsident, verh. 1830 mit Anna Caroline von der Schulenburg (1804–1886). Repräsentative Prachtstraße in Baden-Baden bis zum Zisterzienserinnenkloster in Lichtental. Eduard Bénazet (1801–1867), Spielbankbesitzer in Baden-Baden. Prinz Carl von Preußen (1801–1883) als preuß. Generalfeldzeugmeister und Chef der preuß. Artillerie.
502
Briefe 1851–1873
Congreß, den der Kayser in Frankfurt vorschlägt, beschäfftigt und spannt mich sehr.65 Was wird Wilhelm thun? Es kümmt mir noch fabelhaft vor, und ich bin überzeugt, es wird nichts dabey heraus kommen. Du bist zu lieb zu sagen, daß ich Dir die schwere Zeit erleichtert habe. Wie gerne hätte ich es besser gemacht, aber ich bin so unbehülflich. Nun lebe wohl, meine Adine, ich möchte, der Brief käm bald in Deine Hände. Meine Damen und Dönhof66 sind zu Deinen Füßen. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Heute wird Marie von Rußland 39 Jahre alt, und Nisi 32, und mein Neffe Georg 31.67 Ich habe Frau von Bülow-Schulenburg68 Dein Telegram gleich geschickt. Sie war so besorgt. Dobbran, den 23ten August 1863 Geliebte Elis, zu Gott hoffe ich, bist Du gestern Abend glücklich im geliebten Sanssouci angekommen, wo es Dir nun erst recht wohl zu Sinn sein wird. Denn es geht doch nichts über das Zuhause sein, daß empfinde ich hier wieder recht von neuen. Ich erhole mich auch hier zusehend. Der Husten wird immer geringer, aber das Gehen will nicht besser werden. Und das ist sehr hinderlich. Daher kann ich im schönen Wald noch garnicht gehen. Ich hoffe, wenn Du nur recht in Ruhe erst sein wirst, dann wirst Du Dich auch erholen. Welchen Schrecken wirst Du auch gehabt haben über Abbat Sohn sein Sprung und Fall.69 Es scheint ja, als wenn keine Gefahr mehr ist. Ady schreibt mir täglich, was ich sehr erkenne. Denn sie muß doch sehr angegriffen sein von der großen Gemüthsbewegung. Gott wolle alle böse Folgen verhüten! Hast Du ihn schon sehen dürfen, und wie findest Du jung Abbat, was sagen eigentlich die Ärtzte? In Frankfurt am Main ist man sehr thätig!70 Mir war es schrecklich leid, daß Wilhelm der einstimmigen Einladung aller deutschen Fürsten nicht folgte. Denn ich fand, das war eine sehr große, offizielle Genugthuung, die Östreich doch sehr offen darlegte, wie es gefehlt hätte. Wie ich eben erfahre, hat mein Sohn Fritz sehr dabei gewirkt und hat diese Absicht zur That werden laßen, wofür mein Bruder sehr liebevoll und anerkennend geschrieben haben soll und diese Worte gebraucht: „Du hast mir einen wahren Freundschaftsdienst erwiesen.“ Hier65 Fürstenkongress vom 17. Aug. bis 1. Sept. auf Einladung von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich in Frankfurt am Main zur Reformbedürftigkeit des Deutschen Bundes. 66 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 67 Geburtstag von Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von HessenDarmstadt (1824–1880), Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891) und Prinz Georg von Sachsen (1832–1904) am 8. Aug. 68 Helene von Bülow, geb. von der Schulenburg (1817–1870), mklbg.-schw. Oberhofmeisterin, verh. 1834 mit Detlev von Bülow (1793–1882), mklbg.-schw. Oberkammerherr und Oberjägermeister. 69 Schwerer Sturz von Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 70 Fürstenkongress vom 17. Aug. bis 1. Sept. auf Einladung von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich in Frankfurt am Main zur Reformbedürftigkeit des Deutschen Bundes, dem Preußen fernblieb.
1863
503
durch ist auch eine Aussicht eröffnet worden, daß sich Preußen an der beabsichtigten Bundesreform betheiligen wird. Man hofft, daß Montag oder Dienstag alles zu Ende sein wird. Nun leb wohl, ich war heute zur Kirche und eben Nachtisch einen Augenblick nach der Veranda gefahren, wo hin immer die Gesellschaft Nachtisch sich versammelt und habe sie dort begrüßt und Bekanntschaften gemacht. Deine treue Adine Sans Souci, den 24ten August 1863 Zürne nicht, daß ich schon so lange kein Lebenszeichen gab, es war mir nicht möglich, früher zu schreiben. Nun ich wieder hier bin und heute auch mehr in Ruhe wie gestern, finde ich endlich Zeit. Vor allem muß ich Dir sagen, daß es mit Abbat Gottlob fortschreitend gut geht.71 Welcher Schreck war das, als ich bey der Ankunft in Carlsruhe das erste Telegram von Addy bekam. Man darf gar nicht an das Unglück denken, wenn der liebe Mensch unsrer Familie und besonders der armen Addy, die ja nur ihn hat, genommen worden wäre. Ich durfte ihn gestern nicht sehen, und das ärgerte ihn sehr, denn er hatte darauf gerechnet. Ich hoffe, man erlaubt es mir heute. Die Reise in kühler Luft, ohne Staub war sehr angenehm. Wir kamen vorgestern zwischen 9–10 Uhr hier an, empfangen von Abbat72 und Addy und dem Commandeur der Garde73 und eine Menge Menschen. Laß Dir nun von Wilhelm sagen, der den 18ten nach Wildbad kam zwischen 4–5. Ich hatte mit dem diné auf ihn gewartet. Er sah ausserordentlich wohl aus und auch momentan heiter. Nach Tisch kam erst Bismark74 an und war lange bey mir vor dem Thee, wo wir viel über die jetzigen, so betrübten Verhältnisse sprachen. Was er und den Tag darauf Wilhelm mir sagte, hat mir vieles erklärt, und ich begreiffe nun, was mir nicht verständlich war. Dennoch muß ich noch immer tief bedauern, daß Wilhelm nicht die Einladung annahm, wenn es auch nur auf kurze Zeit gewesen wäre.75 Die vollkommene Isolirung ist gar zu traurig, und wenn nichts zu Stande kümmt, wird man ihm doch die Schuld geben. Ich sprach ihm von Deinem Telegram, um mein Gewissen zu beruhigen. Er wußte schon, daß nun Schwager Johann76 ihn in Baden erwartet, und das vermehrte nicht sein empassement,77 dort hin zu gehen. Wie viel besser wäre es gewesen, wenn er von Gastein gleich nach Hause gegangen wäre. Für seine Gesundheit brauchte er Baden nicht mehr, und die Nähe von Frankfurt finde ich unangenehm für ihn. Doch ist es mir lieb, daß Johann in Baden war. Ihm konnte Wilhelm vieles sagen, was sein Benehmen erklärt. 71 Nach einem schweren Sturz von Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 72 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 73 Verm. Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. General der Kavallerie und Kommandeur des Gardekorps. 74 Otto von Bismarck (1815–1898), preuß. Ministerpräsident und Außenminister. 75 Fürstenkongress vom 17. Aug. bis 1. Sept. auf Einladung von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich in Frankfurt am Main zur Reformbedürftigkeit des Deutschen Bundes, dem Preußen fernblieb. 76 König Johann von Sachsen (1801–1873). 77 Frz. = Bestreben.
504
Briefe 1851–1873
Johann, den ich in Frankfurt sah, war gerührt von seiner Freundlichkeit für ihn, von seinen redlichen Absichten. Er urtheilte billig und ruhig wie immer. In Carlsruhe war ich 24 Stunden, fand dort Luise,78 die ausserordentlich wohl und blühend aussah und nur kurz blieb, und Sophie unverändert troz ihrer Kränklichkeit. Es war eine große Freude für mich, sie wieder zu sehen, mit ihr von der Vergangenheit zu sprechen. Wie oft dachte ich an Dich in den heißen Zimmern, die mich förmlich betäubten. Du hättest es nicht 10 Minuten ertragen, doppelte Fenster, dicke Teppiche, alles hermetisch verschlossen, eine Luft zum Durchschneiden, man fühlt, daß sie nie erfrischt wird von aussen. Abbat Vater unterbrach mich, er kam von Berlin, wo er Mary79 besuchte, die nach der Schweiz reist. Sie will morgen zu mir kommen. Deinen Sohn Fritz sah ich in Darmstadt, und meine drey Vetter und meinen Neffen Ludwig von Oesterreich.80 Elisabeth81 war mir in Heidelberg entgegen gekommen und fuhr mit mir bis Darmstadt. In Frankfurt sah ich eine entsezliche Menge Verwandte und Fürstlichkeiten und auch Marie von Streliz mit Sohn und Tochter. Ich war ganz wirrig. Gustav82 fuhr mit mir von Carlsruhe bis Nauheim und sprach unaufhörlich, ohne je auf zu hören. Mir verging zulezt hören und sehen, so daß ich Gott dankte, als ich endlich allein mit meinen Umgebungen war. Gestern war es bitterkalt hier, heute ist die Luft sehr mild, und ich will jetzt ausfahren. Ich hoffe, Dir geht es wieder ganz gut? Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Den Kayser83 sah ich leider nicht. Er war in Maynz und Bieberich den Tag. Gestern Morgen ist Elisabeth Rauch glücklich von einer gesunden Tochter entbunden worden und ist Gottlob wohl.84 Sans Souci, den 5ten September 1863 Ich wollte Dir gestern schon schreiben, meine Adine, um Dir zu sagen, daß Luise heute Abend hieher kümmt, damit Du unsrer gedenken könntest, aber ich kam leider nicht dazu, doch denke ich, daß Luise selbst es Dir schon schrieb. Wäre nur das Wetter besser. 78 Verm. Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 79 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. 80 Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt (1806–1877), die Prinzen Karl (1809–1877) und Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888) sowie Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919). 81 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 82 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 83 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 84 Geburt von Anna (Anni) von Rauch (1863–1962) am 23. Aug., Tochter von Elisabeth von Rauch, geb. Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant.
1863
505
Heute ist es kalt und regnet, gestern war noch ein herrlicher Tag. Tausend Dank für Deine beyden lieben Briefe. Wie freut es mich, daß es Dir jetzt so gut geht, daß Du schon Ball und Theater besuchen konntest. Heute sollte Abbat zum erstenmal ausfahren, ich weiß nicht, ob es noch dazu kommen wird.85 Er saß bis jetzt fast den ganzen Tag im Garten in der Laube, wo er Schatten und Schuz hatte. Er saß auf einem großen Fauteuil86 recht matt, und bald roth, bald weiß, auch nicht erquickt durch sehr gute Nächte, doch macht er Fortschritte, und der Kopf wird immer freyer. Daß er den Manoeuvren nicht beywohnen kann, thut ihm sehr leid, doch war er sehr beglückt, als ihm Wilhelm sagte, wie gut sein Regiment87 exercirte zur Bewunderung aller Fremden. Wilhelm kam zu mir am Tage seiner Ankunft, nach einem diné bey Fritz Wilhelm für den Erzherzog.88 Er siht vortrefflich aus. Von meinem Schwager Johann spricht er ganz gerührt, wegen der Art, mit der er seinen nicht angenehmen Auftrag in Baden ausrichtete.89 Was mir Wilhelm darüber sagte, hat mich so gefreut. Johannes hingegen war so dankbar, daß Wilhelm nicht böse über ihn war und ihn freundlich aufnahm. Aber was wird nun werden! Kann er diese Reform Akten annehmen? Und wenn er sie nicht annimmt, was dann? Hier sind alle Parteien, conservative und demokratische, in einem einig, in der Freude, daß Wilhelm nicht in Frankfurt war. Die Zukunft liegt doch recht dunkel vor uns. Dein Sohn hat nicht unterschrieben, sagen die Zeitungen.90 Aber gewiß hatte er andre Ursachen zu diesem Schritt als Baden und Weymar.91 Mir geht es immer schlecht, und ich kann mir keine illusionen machen, ich gehe mit mehr Beschwerden und Schmerzen wie vor der Kur. Dabey quält mich der gräßliche Ausschlag an beyden Armen und einem Bein, den ich von Wildbad mitbrachte, oft auf eine entsezliche Art. Ich nehme Bäder mit Kleye, und es geht wohl etwas besser, aber sehr wenig. Grimm ist noch auf 3 Wochen nach Harzburg. Er bedurfte es sehr, ich fand ihn gedrückt und übel aussehend. Keller92 ist gestern Abend mit seiner Familie heimgekehrt. Und gestern Abend war noch ein lang Abwesender bey mir, Treskow,93 der mir viel aus Warschau erzählte und wenig Erfreuliches. Er wird wieder zurück gehen, um Costy und 85 Nach einem schweren Sturz von Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 86 Frz. = Sessel. 87 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) kommandierte als preuß. Oberst das 1. Garde-DragonerRegiment. 88 Erzherzog Leopold von Österreich (1823–1898), österr. Feldmarschallleutnant und preuß. Regi mentschef des 1. Westpreußischen Grenadier-Regiments Nr. 6. 89 Der Konflikt zwischen Preußen und Österreich überschattete den Fürstenkongress vom 17. Aug. bis 1. Sept. in Frankfurt am Main zur Reformbedürftigkeit des Deutschen Bundes. König Wilhelm I. von Preußen lehnte trotz Drängens von Mecklenburg-Schwerin und Sachsen eine Teilnahme ab. An eine Ratifizierung der Beschlüsse war unter diesen Umständen nicht zu denken. 90 Auch Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hatte die Frankfurter Reformakte nicht unterschrieben. 91 Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907) und Großherzog Carl Alexander von SachsenWeimar-Eisenach (1818–1901). 92 Alexander Graf von Keller (1801–1879), preuß. Ober-Schlosshauptmann und Intendant der kgl. Gärten. 93 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant.
506
Briefe 1851–1873
seine Familie durch Schlesien zu begleiten. Er kümmt nehmlich aus Petersburg zurück, um Frau und Kinder abzuholen und mit ihnen nach der Krimm zu gehen, wo Orianda ihm gehört.94 Seine Gesundheit soll in kläglichem Zustand seyn. Treskow wird dann den Manoeuvren beywohnen, aber nachher wahrscheinlich wieder in sein Exil gehen, das nun doppelt traurig seyn wird, wenn Costy und seine Familie abwesend seyn werden. Er brachte jeden Abend in Sanny’s Salon zu, im Schloss in Warschau, wo die Wohnung allerliebst arrangirt war. Auf der schönen Terrasse vor dem Schloße hatte Sanny ein Zelt aufschlagen lassen, wo sie in den heißen Tagen die Abende zubrachten, musicirten, spielten. Habe ich Dir gesagt, daß Mary95 bey mir war auf der Durchreise nach der Schweiz? Sie sah wohl aus, die beyden kleinen Jungen,96 um deren Gesundheit willen sie reist, sind gewachsen und sehen doch besser aus. Sie ist besorgt für die Kayserin,97 nicht sowohl wegen ihrem Nebel, das eigentlich nicht bedenklich ist, als wegen ihrer unbeschreiblichen Magerkeit. Gott gebe, daß die Reise ihr wohl thue. Sie will durchaus zum Winter zurück kommen, was freylich nicht sehr ersprießlich seyn wird. Fritz Wilhelm war vollkommen unbefangen mit mir und herzlich wie immer. Ich kann ihm doch nicht gram seyn. Sein Schwager Alfred98 war auch bey mir. Der Erzherzog99 ist immer schön und sehr angenehm. Da wird es mit einemmal wieder schön. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Verzeihe den scheußlichen Klex.100 Dobbran, den 8ten September 1863 Ich schreibe schon heute wieder, geliebte Elis, um für Deinen lieben Brief zu danken. Denn ich fürchte, wenn wir erst im Umzug nach Ludwigslust sind, werde ich nicht so94 Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892) war von Juni 1862 bis Okt. 1863, während der poln. Aufstände gegen die russ. Herrschaft, Namiestnik (Statthalter) von Polen. Er wurde abgesetzt und zog mit seiner Frau Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1830–1911), und den sechs Kindern auf sein Schloss Orianda auf der Krim. 95 Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) lebte seit 1856 aufgrund ihrer morganatischen Ehe mit Gregori Alexandrowitsch Graf Stroganow (1823–1878) im Ausland, v.a. in Genf und Rom. 96 Verm. Sergei (1849–1877) und Georgi Maximilianowitsch de Beauharnais, Prinzen von Leuchtenberg (1852–1912), die jüngsten Söhne von Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland aus erster Ehe. 97 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880). 98 Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von SachsenCoburg und Gotha (1844–1900). 99 Erzherzog Leopold von Österreich (1823–1898), österr. Feldmarschallleutnant und preuß. Regi mentschef des 1. Westpreußischen Grenadier-Regiments Nr. 6. 100 Großer Tintenklecks auf der ersten Seite des Briefes.
1863
507
bald zur Ruhe kommen, denn die 8 Enkel werden gehörigen Spektakel machen. Du hast nun die Freude, die liebe Luise einige Tage bei Dir so recht für Dich zu haben und sie ungestöhrt genießen zu können. Im Oktober hoffe ich dann mit ihr vereint bei Dir sein zu können, wo ich hoffe, bis dahin doch besser gehen und stehen zu können. Jetzt bin ich darin ganz unbrauchbar, was sehr genant101 ist, was Du ja, geliebte Elis, nur zu gut kennst. Was Du mir über Deine eigene Gesundheit sagst, thut mir zu leid, mehr Schmertzen und mehr Beschwerden beim Gehen, und auch noch mehr quälenden Ausschlag. Wenn nur die Klei Bäder helfen wollten. Es ist ja kaum zum Aushalten. Der viele Regen, daß feuchte Wetter ist dazu auch nicht gemacht, um daß sich das alles bessert. Ich ziehe nun Donnerstag nach Ludwigslust, wo leider meine alten Mama noch nicht aus Homburg zurück ist. Es soll ihr aber sehr gut gehen. Und nun scheint uns bald ein Besuch des Charter102 bevor zu stehen, der schon in Eisenach angekommen. Die vielen französischen Besuche entzücken mich nicht, es ist gewiß etwas Politisches dahinter. Der Frankfurter Fürsten congres bleibt für Preußen immer etwas Trauriges.103 Sonst sagt mein Fritz, daß es sehr interessant gewesen, ein Mal alle Fürsten von Angesicht zu sehen und auch kennen zu lernen. Denn in den kleineren Berathungen hätte sich doch jeder mehr oder minder sein Karakter gezeigt. Der Kaiser104 soll unendlich liebenswürdig gewesen sein. Aber Schmerling105 hätte hart hinter ihm geseßen, und wo nur der geringste Anschein zu Gunsten Preußen sich gezeigt, wäre manchmal in der Nacht ein Reskribt erschienen, da[s] die Beschlüße umgeworfen, wenn sie auch fest von allen Fürsten angenommen. Und Östreich hätte doch sehr viel Anhänger, nicht aus Überzeugung, sondern [aus] Haß und Sonder Interessen. Ich glaube, kein Fürst ist so deutsch im guten Sinn gewesen wie mein Fritz, da er immer fest gehallten an den Bundesbestimmungen und Grundlagen, die ja Östreich angeblich als Grundlage nehmen wollte, aber garnicht die Absicht hatte und ganz abwich. So verlankte der Kaiser ausdrücklich, daß die Fürsten bei der letzten Abstimmung, ob sie mit allem einverstanden wären, was er ihnen vorgelegt, nur mit einem ja oder nein antworten sollten. Und die ja sagten, die sollten nur allein den Bericht an Preußen unterschreiben. Alle Vorstellung dagegen half nichts. Und so kam, daß die 5 Fürsten nicht unterschrieben, Baden und Mecklenburg aus der Ursache, daß die äusserste Rechte mit der äussersten Linken sich nicht verstanden, aber les deux extreme se touche.106 Weimar soll sich ganz gut benommen haben, fest und richtig. Eben sehe ich, daß in der Kreutzzeitung aus Mecklenburg etwas aufgenommen worden ist, was wohl aus guter Quelle geschrieben. Mein Fritz wirst Du wohl leider nicht haben sprechen können über diese Dinge, sonst würde er Dir alles erklährt haben. Er ist klar und fest darin und mit vielem garnicht einverstanden. 101 = Unangenehm, peinlich. 102 Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910). 103 Fürstenkongress vom 17. Aug. bis 1. Sept. auf Einladung von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich in Frankfurt am Main zur Reformbedürftigkeit des Deutschen Bundes, dem Preußen fernblieb. 104 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 105 Anton von Schmerling (1805–1893), österr. Staatsminister und Regierungschef unter Ministerpräsident Erzherzog Rainer von Österreich (1827–1913). 106 Frz. = Die beiden Gegensätze berühren sich. Nach dem frz. Sprichwort „Les extrêmes se touchent“.
508
Briefe 1851–1873
Der arme Treskow107 ist also endlich ein Mal wieder zurückgekehrt, muß aber wieder nach Warschau. Das ist mehr wie hart. Wie gerne hätte ich ihn wiedergesehen und mir recht viel erzählen laßen. Es muß sehr interessant sein. Also, Costy kehrt nur zurück, um seine Famille abzuholen, und dann nach der Krim, nach dem schönen Schloß Orianda, was Charlotte gehörte, zu gehen.108 Wäre er nur früher abgereiset, so wäre viel Blut weniger gefloßen. Er war wie ein Hemmschuh. Wie es scheint, geht es Abbat langsam besser. Ady gab mir so liebevoll recht oft Nachricht. Aus England weiß man wohl nichts? Wie es scheint, reiset die Königin Victoria109 schon bald wieder nach England zurück. Warum ist Tochter Victoria nur so kurtze Zeit bei ihr geblieben? Bei der Parade war sie zu Pferde in ihrem Husaren Regiment Uniforms Jacke.110 Das ist auch noch nicht dagewesen in Preußen. Unsere Mama trug es nur im Reithaus. Gestern ist die Fürstin Reuß Mutter mit [Heinrich] VII. angekommen.111 Sie hat ihre Tochter Anna in Wernigerode einziehen sehen.112 Sie bleibt bis den 24ten hier mit ihrem Sohn aus Stonsdorf und Schwiegertochter113 und kommen dann nach Ludwigslust. Die beiden Söhne gehen aber schon heute nach Ludwigslust zur Jagt. Nun leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen im Oktober, Deine treue Adine Grüße Luise tausend Mal von mir. Sans Souci, den 14ten September 1863 Tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, meine Adine. Ich las ihn beym Frühstück mit Luise, die mich leider schon Donnerstag Abend verließ. Wilhelm war noch um 8 Uhr herüber gekommen, trank mit uns und den beyden Mädchen114 Thee ganz gemüthlich. Luise hatte den Tag endlich die Migraine abgeschüttelt, die sie seit der großen 107 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant. 108 Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892) wurde bereits nach einem Jahr als Namiestnik (Statthalter) von Polen abgesetzt. Seine Amtszeit fiel in die poln. Aufstände gegen die russ. Herrschaft. Er zog mit seiner Frau Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1830–1911), und den sechs Kindern auf sein Schloss Orianda auf der Krim. 109 Königin Victoria von Großbritannien und Irland (1819–1901). 110 Kronprinzessin Victoria von Preußen trug bei der Parade als Regimentschefin die Uniform des 2. Leib-Husaren-Regiments. 111 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), mit ihrem Sohn Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Gesandter in Hessen-Kassel. 112 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907) hatte am 22. Aug. Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode (1837–1896) geheiratet. 113 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), Herr auf Stonsdorf, und seine Frau Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin von Hochberg, Freiin zu Fürstenstein (1839–1916). 114 Verm. die Prinzessinnen Marie (1855–1888) und Elisabeth von Preußen (1857–1895), Töchter von Prinz Friedrich Karl von Preußen.
1863
509
Parade heute vor 8 Tagen in der argen Kälte nicht los wurde. Ich sah es ihr gleich an, als sie abends zurück kam. Sie konnte dadurch leider gar nicht ausgehen zwey Tage, die mild, warm und ganz schön. Zulezt führte ich sie doch noch auf den Pfingstberg und auf die neuen Terrassen, die sie noch nicht fertig gesehen hatte. Doch zwang sie sich zu Mittag und zum Thee herüber zu kommen, was mich sehr freute, für sie aber gewiß ein Greuel war. Sie wird Dir dieß alles schreiben, und wohl auch von Victoria, die als schwarzer Husar, mit dem Kolpack und dem Catharinen Orden zu Pferde die Parade mit machte.115 Die kleine, dicke Gestalt muß einzig ausgesehen haben. Mit Abbat geht es Gottlob gut, nur zuweilen hat er noch Kopfweh und sieht blaß aus. Seit gestern Abend ist er recht allein, alle, auch Addy, sind nach Lebus zur Parade von Fritz Karls Corps.116 Seine kleinen Mädchen werden auch dort seyn und Marianne. Es ist ihr und Mariechens Geburtstag.117 Es ist wieder ein kalter Tag und regnet oft. Es ist schon so herbstlich hier, daß ich mich nicht schäme, Kaminfeuer zu haben. Luise hat Dir wohl auch von Costy und Sanny geschrieben. Es freute uns sehr, sie wieder zu sehen. Costy sieht erbärmlich aus und braucht gewiß Ruhe und Entfernung von dem trostlosen Warschau.118 Sanny ist immer in Thränen, ganz herunter gekommen durch das aufrührende Leben, die ewige Angst und Schrecken. Sie fühlt tief, wie greulich die Abreise, wenn man so gar nichts zu Stande gebracht hat. Aber wie war es auch anders möglich! Die kleine Olga119 war mit, ein hübsches Kind mit einem lieben Ausdruck. Treskow120 begleitete Costy’s hieher und dann bis an die oesterreichische Gränze. Sie haben ihn beyde sehr lieb gewonnen. Gestern aß er bey mir und erzählte noch so viel interessantes aus Polen. Er lobt die russischen Soldaten von ganzem Herzen. Er sagt, man könne nichts gutmüthigeres, pflichttreueres sehen wie sie, und wie werden sie verschrien und als Ungeheuer, Barbaren hingestellt! Die Insurgenten121 hängen die Leute zu tausenden, aber davon spricht man nicht. Er erzählte von einem Gutsbesitzer, der eines Tages auf seinem Gute herum ritt und eine élégante équipage ankommen sah, mit drey Herrn und einer Dame. Sie stiegen bey einem Baum aus, erhängten die Dame daran, fuhren ruhig weiter, und da darf man nicht wagen zu helfen oder zu verfolgen. Donnerstag, am lezten Frühstück mit Luise, lasen wir Briefe Deiner Mutter an Papa von den Jahren [180]6–[180]7.122 Sie interessirten uns ungeheuer. Ich gab ihr zwey Pakete 115 Kolpak = Pelzmütze der Husaren. Kronprinzessin Victoria von Preußen war Chefin des 2. LeibHusaren-Regiments, aufgrund ihrer Uniformen „Schwarze Husaren“ genannt. 116 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), preuß. Generalleutnant und Kommandeur des III. Armeekorps. 117 Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1837–1906) und ihre älteste Tochter Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888) hatten beide am 14. Sept. Geburtstag. 118 Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892) wurde bereits nach einem Jahr als Namiestnik (Statthalter) von Polen abgesetzt. Seine Amtszeit fiel in die poln. Aufstände gegen die russ. Herrschaft. 119 Großfürstin Olga Konstantinowna von Russland (1851–1926). 120 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant. 121 Lat. = Aufständische. 122 Verm. Briefe von Königin Luise an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen aus der Zeit der getrennten Flucht nach Ostpreußen Ende 1806.
510
Briefe 1851–1873
mit. Wilhelm ist gestern Abend aus Geldern heimgekehrt. Ich hoffe, William123 hat ihn unterwegs sprechen können. Er wünschte es sehr, da er ihn hier nicht mehr fand. Er war vorgestern bey mir auf der Durchreise, und ich fuhr mit ihm herum und zeigte ihm, was er noch nicht kannte, in recht scharfer, herbstlicher Luft. Er erzählte mir viel aus Frankfurt. Dein Sohn hat tapfer für Preussen gekämpft.124 Gott lohne es ihm. Du frugst, warum Victoria nur so kurz bey der Mutter blieb. Weil sie ihrer Schwester Alice125 Plaz machen mußte. Diese sollte hieher kommen mit Mann und Kind,126 und Victoria freute sich sehr. Stattdessen soll sie nach Schottland zur Mutter. Mir geht es immer nicht gut, auch der Ausschlag, obgleich besser, ist noch da und quält mich sehr. Bey der Kälte kann ich nicht baden. Ich nehme nur den Abend Armbäder. Gestern war George von Meiningen127 bey mir und sagte mir, seine Schwester sey in anderen Umständen seit drey Monaten.128 Das freut mich wirklich sehr und überrascht mich. Marie129 soll beständig husten. Der Sohn ist ganz besorgt für sie. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Sans Souci, den 1ten Oktober 1863 Ich schreibe Dir, meine Adine, beym herrlichsten Wetter, in warmer Sonne, die Aussicht so duftig. Man lebt wieder auf, körperlich und geistig, seit den schönen, sonnigen Tagen. Nun tausend Dank für Deinen lieben Brief. Du hattest denselben Tag wie Luise geschrieben, und beyde Briefe wurden mir zugleich zum Frühstück gebracht. An Luise habe ich durch Addy geschrieben, die vorgestern Morgen nach Muskau reiste, mir eine wahre Beruhigung, sie dort zu wissen, denn ihr Leben mit der Schuck130 allein, seitdem der Bruder fort war,131 ist gar still. Abbat machte mir bange, als er fort reiste. Er sah so er123 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884). 124 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hatte auf dem Fürstenkongress vom 17. Aug. bis 1. Sept. in Frankfurt am Main viel getan, um die Interessen des nicht vertretenen Preußens zu wahren. 125 Prinzessin Alice von Großbritannien und Irland (1843–1878), verh. 1862 mit Erbgroßherzog Ludwig (IV.) von Hessen-Darmstadt (1837–1892). 126 Prinzessin Viktoria von Hessen-Darmstadt (1863–1950). 127 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 128 Prinzessin Auguste von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1843–1919), war schwanger mit ihrer Tochter Prinzessin Marie Anna von Sachsen-Altenburg (1864–1918), geb. am 14. März 1864. 129 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 130 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), Erzieherin von Prinzessin Alexandrine von Preußen. 131 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) besuchte seine Mutter, die geschiedene Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), die in einer außerehelichen Beziehung mit dem verheirateten Johannes van Rossum (1809–1873) lebte. Ihr gehörten u.a. die Schlösser Weißwasser und Kamenz im österr. Teil Schlesiens, wo sie sich außerhalb Preußens mit ihren Kindern treffen konnte.
1863
511
bärmlich aus, so matt und fühlte sich gar nicht recht, aber dabey eine krankhafte Sehnsucht nach Camenz. Er ertrug die Reise sehr gut, und Gottlob das Verhältnis mit der Mutter scheint ein gutes zu seyn. Der gewiße Mann,132 der in Weißwasser, also ganz nahe von Camenz war, ist nach dem Rhein gereist, und so hoffe ich, wird Friede und Ruhe nicht gestört werden. Es ist doch entsezlich für die armen Kinder, mit solchen Verhältnissen zu kämpfen zu haben. Was Du mir von der Schwäche Deiner Füße sagst, thut mir sehr leid, aber Du weißt, daß Du bey mir keine Art von Fatigue zu fürchten hast, denn ich selbst werde täglich gebrechlicher und leide sehr viel. Die visiten werden Dich nicht in Bewegung bringen, denn ausser Glienicke sind alle Häuser leer. Wenn Karls nach Hamburg gehen, um Anna133 zu sehen, bin ich von der ganzen Familie der lezte, traurige Rest. Auch in Berlin ist niemand. Du schriebst an Luise, Du gedächtest, den 9ten Oktober hieher zu kommen, und ich hoffe, Du bleibst dabey. Ich weiß noch nicht, wann Luise kümmt. Sie wird wohl dießmal in den neuen Kammern wohnen, die ganz leer stehen. Nun möchte ich wissen, ob Du vielleicht lieber mit ihr unten wohnen möchtest? In dem Fall wird ein Stuhl und eine poste chaise134 Dir zu Befehl stehen. Sage mir, was Du wünschst. Victoria und Fritz sind mit Kind und Kegel nach Schottland gereist und werden wohl lange ausbleiben. Sie wollten wie alljährlich nach Baden zum gestrigen Tage, aber Augusta fand sich zu angegriffen, um Sie zu sehen. Seit Anfang April hat sie sie nicht gesehen. Gott weiß, was sie für arrière pensée135 dabey hat. Ich wußte nicht, daß man daran denkt, Prinz Alfred136 zu verheyrathen. Er ist größer und hübscher geworden, aber doch immer sehr klein. Die Erbprinzessin von Meiningen137 hingegen ist sehr groß. Eine schöne, stattliche Frau, neben der Victoria gar klein und unansehnlich aussah. Sie blieb nur kurz. Ich denke, das couple Chartres138 ist jetzt bey Deiner alten Mama. Sie waren in Dresden, und Amelie fand die junge Frau sehr schön. Wilhelm ist jetzt in Baden und wird von da nach Cölln gehen. Gestern war ich bey Mary des Tages wegen und saß lange mit ihr und Karl im untern Saal. Sie sind sehr glücklich über die glänzenden Manoeuvres des Sohnes,139 dem Wilhelm seine Zufriedenheit auf alle mögliche Art aussprach. Dein Sohn140 soll auch ganz vortrefflich commandirt haben. Als er bey mir war, vergas ich vollkommen einen Auftrag von Elschen an ihn, nämlich 132 Johannes van Rossum (1809–1873). 133 Prinzessin Anna von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Preußen (1836–1918). 134 Frz. = Postkutsche. 135 Frz. = Hintergedanke. 136 Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von SachsenCoburg und Gotha (1844–1900). 137 Erbprinzessin Feodora von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg (1839– 1872). 138 Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910), verh. 1863 mit Françoise von Orléans (1844–1925). 139 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), preuß. Generalleutnant und Kommandeur des III. Armeekorps. 140 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin kommandierte als preuß. Oberst das preuß. 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“.
512
Briefe 1851–1873
ihren Dank, daß er Loose für das Diakonissenhaus in Darmstadt genommen.141 Bitte anständigst, sage es ihm, aber vergiß es nicht. Wie hübsch muß das diné mit Deinen 8 Enkeln bey Deiner alten Mama gewesen seyn. Empfiel mich ihr und grüße Fritz. Heute kümmt Bertha Münster142 auf einige Tage zu mir. Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Gestern hat Grimms Tochter ein Mädchen zur Welt gebracht. Sie hat schon 2 Söhne.143 Ludwigslust, den 10ten Oktober 1863 Geliebte Elis, herzlichen Dank für Deinen lieben Brief und für die freundliche Aufnahme meiner Bitte wegen der Wohnung. So Gott will, komme ich also am Dienstag zu Dir, liebe Elis. Ich freue mich sehr dazu. Du wirst mich sehr erholt finden seit Wildbad. Auch mit den Füßen geht es etwas besser. Ich möchte, daß Du ein gleiches von Dir sagen könntest. Ich fürchte mich ordentlich, Dich noch so leidend wieder anzutreffen. Im November und Dezember sollen oft erst die bessere Wirkung nach kommen. Ich werde dies Mal mein Hofmarschall von Stengelin144 nicht mitbringen, da er nicht wohl ist. Aber einen Stengelin muß es doch sein, so kommt Adolph von Stengelin,145 Hausmarschall, mit, Fritz sein ehemaliger Spielkamerath, den Du als solchen bei der Schloßeinweihung schon gesehen, und Fräulein Klein146 begleitet mich. Heute erwarten wir die alte Fürstin Pless147 mit ihrem ältesten Sohn Decken und Schwiegertochter,148 die hier in der Nähe auf dem Lande wohnen. Sie sollen beide furchtbar blöde sein. Jetzt ist auch die Nachricht eingegangen, daß der Charter mit Gemahlin149 am Montag oder Dienstag hier ankommt, 141 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), unterstützte Bau und Betrieb des 1858 gegründeten Diakonissenhauses Elisabethenstift in Darmstadt. 142 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 143 Elisabeth von Westarp, geb. Grimm (1838–1914), verh. 1859 mit Ludwig Hermann Viktor Graf von Westarp (1837–1870), bekam am 30. Sept. ihre Tochter Frieda (1863–1949). Sie hatte bereits die Söhne Adolf (1860–1918) und Georg, Grafen von Westarp (1862–1915). 144 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 145 Adolf Freiherr von Stenglin (1822–1900), mklbg.-schw. Oberkammerherr und Hausmarschall. 146 Alexandrine von Klein (1826–1873), mklbg.-schw. Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 147 Adelheid von Hochberg, Fürstin von Pleß, geb. von Stechow (1807–1868), in erster Ehe verh. mit Ernst Carl von der Decken (1796–1846), in zweiter Ehe verh. mit Hans Heinrich X. von Hochberg, Fürst von Pleß, Freiherr zu Fürstenstein (1806–1855). 148 Julius von der Decken (1827–1867), Gutsbesitzer auf Melkof in Mecklenburg und Dziewentline in Niederschlesien, verh. 1853 mit Anna Hedwig von Kleist (1829–1920). 149 Robert von Orléans, Herzog von Chartres (1840–1910), und seine Ehefrau Françoise von Orléans, geb. von Orléans (1844–1925).
1863
513
was recht unangenem ist, da wir alle fort sind. Denn mein Fritz muß auch Dienstag Abend fort, um nach Cöln zu gehen. Ich freue mich, daß Bertha Münster150 bei Dir ist, und ich hoffe, ich finde sie noch. Sie ist zu amüsant. Nun leb wohl, dies ist wohl mein letzter Brief vor meiner Ankunft. So Gott will auf baldiges Wiedersehen, Deine alte, treue Adine Schwerin, den 22ten November 1863 Welche Überraschung, geliebte Elis, von Dir selbst einen Brief zu bekommen. So glaubte ich garnicht, daß Du schon Kraft hattest. Und wie Du nun selbst schreibst, fühlst Du Dich auch nicht so herunter wie sonst. Das ist doch etwas Gutes, und das möchte ich den Bädern von Wildbad zu schreiben, wenn sie sonst leider nichts geholfen. Wie ist es denn mit den Schmertzen, sind die immer noch gleich stark? Und das Gehen wird auch nicht besser sein. Ach, wie mir das leid ist, kann ich garnicht sagen. Ich dachte schon an magnetisieren und elektrisieren, daß hilft auch manchmal so gut. Du wirst mich schon auslachen mit diesen Vorschlägen. Es kommt aber daher, weil man sie mir gemacht. Doch, ich kann viel besser jetzt gehen, freilich nicht weit und nicht schnell. Alle Menschen finden mich aber so erholt. Das habe ich mein lieben Aufenthalt bei Dir zu danken, und der schönen Luft von Sanssouci. Ich habe schon Proben von meinen Kräften gegeben, denn ich gab gestern ein Diner von 63 Person, und am Dienstag noch eins. Dann habe ich die ganze Gesellschaft abgemacht. Es ist so angenem, wenn man keine Schulden mehr hat und nicht alle Tage Besuche empfangen muß. Das finde ich das aller fatiganteste. Ich freue mich, wenn die Geschenke, welche wir Dir gemacht, gefallen. Ich hörte schon in Berlin davon, aber gesehen habe ich es nicht. Der Tod des König von Dänmark schien mit ein rechtes Unglück, wenn ich auch so schlecht bin, mein Herr Vetter nicht sehr zu betrauern.151 Die Augustenburger nehmen sich sehr energisch. Ich möchte nur wißen, ob die Söhne Erbfolge fähig sind, da es kein ebenbürtige Ehe ist.152 Die Daneskiold ist gewiß nicht ebenbürtig, und in Holstein ist doch wohl kein anderes Gesetz als in Deutschland. Denn ich erinnere mich sehr wohl, als der Herzog sich mit seiner Frau bei Papa melden ließ, es sehr ungewiß war, ob man sie sehen konnte oder 150 Bertha Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1817–1879), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 151 König Friedrich VII. von Dänemark (1808–1863), gest. am 15. Nov. auf Schloss Glücksburg. Er war der Sohn von König Christian VIII. von Dänemark (1786–1848) aus seiner Ehe mit Herzogin Charlotte Friederike zu Mecklenburg-Schwerin (1784–1840) und in zweiter Ehe verh. mit Herzogin Caroline zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876), geschieden 1846. 152 Herzog Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1798–1869), verh. 1820 mit Luise Sophie Gräfin von Danneskjold-Samsöe (1796–1867). Sein Sohn Erbprinz Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829–1880) machte Erbansprüche auf Schleswig und Holstein geltend und erklärte sich am 19. Nov. als Friedrich VIII. zum Herzog von Schleswig-Holstein.
514
Briefe 1851–1873
nicht, da die Ehe eigentlich nicht anerkannt wurde. Da es aber in Charlottenburg war und Friederike153 sie in Ems viel gesehen, so hieß es, auf dem Lande mache man eine Ausnahme. In dem Sinn habe ich auch immer davon sprechen hören. Aber jetzt freilich ist alles anders! Nun leb wohl, ich muß zur Kirche. Du wirst wohl heute noch nicht hingehen. Ob der dicke Vorhang wohl gemacht ist? Deine treue Adine Luise ist wieder ganz wohl und Fritz auch, so daß beide das Fest haben mitmachen können. Sie schrieb Dir wohl auch, daß sie ein Orange bandeau mit Stein154 aufgehabt hat. Schwerin, den 8ten December 1863 Ich liege im Bett mit Fieber, will aber doch versuchen, den Auftrag von mein Sohn Fritz schnell nieder zu schreiben, weil ihm viel daran liegt, daß Du es gleich erfahre, daß er heute nach Darmstadt abgereiset ist, um sich zu verloben mit Anna, Tochter von Elschen.155 Er hat sie mehrere Mal von Frankfurt gesehen, und da hat [sie] ihm so gefallen, daß er sich zu diesem Schritt entschloßen. Du kannst [Dir] denken, wie es mich tief erschüttert, da ich keine Ahnung hatte. Und es wird mir schwer in Gedanken zu faßen, die Stelle von der lieben, lieben Auguste schon ersetzt zu sehen. Aber Fritz ist sehr klar und ruhig und meint, da Auguste es mehrere Mal ihm ausgesprochen, schriftlich hinterlaßen und auf dem Todt Bett noch ein Mal es ihm ans Herz gelegt, so wär es ihr Wille gewesen, und Anna hätte ihm gleich ein Eindruck gemacht, den er nicht hätte loß werden können. Mehr kann ich nicht schreiben, geliebte Elis. Du bist in Charlottenburg, mögs es Dir leidlich gehen. Deine Adine Theile diese Nachricht an Bruder Wilhelm bitte mit, ich kann ihm nicht mehr schreiben. Schwerin, den 15ten December 1863 Heute, meine liebe Elis, komme ich endlich dazu, Dir zu schreiben und zu danken für Deinen lieben Brief vom 9ten, als Antwort auf meine Anzeige. Damals war ich so krank, daß mir das Schreiben eine große Mühe machte, und noch mehr Mühe die Ursach des Schreibens. Nachdem das überwältigende der Verlobung156 vergangen, und das Gefühl 153 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 154 Frz. = oranges Haarband mit Edelstein. 155 Verlobung von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865), Tochter von Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). Er hatte die 20 Jahre jüngere Prinzessin im August auf dem Frankfurter Fürstenkongress kennengelernt. 156 Siehe Anm. 155.
1863
515
der tiefen Trauer um die unvergeslich liebe Auguste, was mich so tief bewegte, sehe ich immer mehr und bin von der Überzeugung durchdrungen, daß es sichtbar Gottes wunderbare, gnadenreiche Fügung war, welche Fritz zu diesem Schritt geleitet. Aber das Leid mit Freude wechselt zu schnell, um mich ganz daran zu gewöhnen. Und doch bin ich ganz überzeugt, daß der liebe Fritz noch ein Mal glücklich werden wird, aber auf ganz andere Art. Obgleich Anna recht ausgezeichnet sein soll und auch eine recht ernste Richtung hat, so ist sie noch jung und frisch und wird mehr im Leben eingreiffen können, was Fritz neu und lieb sein wird, und er leider durch die Kränklichkeit von der armen Auguste oft entberen mußte. Es ist recht eigen, daß ich eine Enkelin von der lieben Tante Wilhelm157 als Schwiegertochter bekomme, und daß macht mir grade eine solche Freude. Und sie würde es auch beglücken. Ich habe schon einen so lieben, natürlichen Brief von Anna, der mir gar sehr gefallen. Ach, es wird noch alles gut werden. Wenn es nur erst 2 Jahr her wäre und der Schmertz milder geworden. Es ist noch alles so frisch, noch garnicht durchgekämpft. Mein Herz ist so unruhig, ich kann nicht zum Frieden kommen. Es ist so zerrißen von entgegengesetzten Gefühlen. Es wird auch besser werden. Du weißt, daß Auguste es oft ausgesprochen, daß Fritz wieder heirathen müßte. Auf dem Todbett hat sie es ihm noch ein Mal gesagt. Also kann man auch recht überzeugt sein, daß ihr Seegen, wie der Seegen Gottes auf diesem Bund ruht. Verzeih, wenn ich so viel darüber schrieb, aber ich mußte mein Herz Dir, geliebte Elis, ausschütten. In der politischen Welt sieht es ernst aus. Morgen, den 16–18ten, kommen die Sachsen durch und bleiben im Mecklenburg bei Boitzenburg stehen. Die Preußen sind zum 18–19ten gemeldet und werden in Hagenow stehen bleiben. Vielleicht geht es ohne Blutvergießen ab!158 Mir geht es gut, nur angegriffen. Das Fieber hat aber die Krankheit schnell abgestoßen. Nun leb wohl, von Ady hatte ich ein lieben Brief. Wie nahm sie die Nachricht auf, und die Schuckman159 schwimt wohl in Thränen? Deine Adine Noch ein Wort über die Herzogin von Augustenburg.160 Die Ehe war von Dänemark unter dem König Friedrich VI.161 nicht anerkant. Und sie durfte nicht nach Koppenhagen. Erst unter König Christian VIII., der die Schwester des Herzog von Augustenburg zur Frau hatte,162 wurde ihr erlaubt, nach Koppenhagen zu kommen, und sie wurde am Hof gesehen. Dies hat mir der Herzog selbst höchst entrüstet erzählt 1841. Und Papa
157 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). 158 Beginn der Bundesexekution gegen Dänemark unter preuß. und österr. Führung mit Sachsen und Hannover. 159 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), Erzieherin von Prinzessin Alexandrine von Preußen. 160 Herzogin Luise Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, geb. Gräfin von Danneskjold-Samsöe (1796–1867). 161 König Friedrich VI. von Dänemark (1768–1839). 162 König Christian VIII. von Dänemark (1786–1848), verh. 1815 mit Prinzessin Caroline Amalie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1796–1881).
516
Briefe 1851–1873
wollte sie daher auch nicht sehen, und sie kam nur nach Charlottenburg, weil es auf dem Lande war. Von den lieben Kinder vergaß ich noch zu sagen, daß sie es sehr verschieden aufgenommen.163 Friedrich am ruhigsten, als vernünftigster, er wünschte es selbst, da er und seine Geschwister so verlaßen wären. Paul ist am stillsten darüber, mag nicht darüber sprechen und sagt, ich kann mich nicht freuen. Marichen war erst ganz ausser sich, weinte und schluchste, aber nach dem sie mit Frau von der Lühe164 gesprochen, die ihr freundlich zugesprochen, und sie dann sich mit Friedrich recht ausgesprochen, ist sie heiter und kann sich freuen. Johan Albrecht versteht es nicht recht.
163 Reaktion der vier Kinder von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin auf dessen Verlobung mit Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865), anderthalb Jahre nach dem Tod der Mutter. 164 Henriette von der Lühe, geb. Edle von Hochstetter (1816–1908), Hofmeisterin bei Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920).
1864 Schwerin, den 2ten Januar 1864 Meine liebe Elis, ich kann nicht anders, ich muß Dir heute schreiben, weil ich mit mein Gebet und Gedanken bei Dir bin und Dich nach Sanssouci begleite in der lieben Friedenskirche, wo der liebe Entschlafene seinen Frieden gefunden.1 Ach, wenn man an sein langes Leiden denkt, so kann man Gott nicht genug danken, daß Er ihn endlich erlöste von dem irdischen Jammer. Er muß unsäglich geistig gelitten haben. Für Dich, meine Elis, ist es aber ein furchtbares Unglück und ein Quell des unversichtbaren Schmertzes, den wir so recht aus dem Herzen mit theilen. Und so gern möchte ich Dir Dein Leben tragen helfen, aber Du weißt ja den rechten Ort zu finden, von wo allein Trost und Gnade kommt. Der Herr steht Dir zur Seite in allen Dein Leiden, möchte doch die Körper Schmertzen dies Jahr besser werden. Nun laß mich Dir danken für Dein lieben Brief, den ich gestern noch vor der Kirche empfing. Anfang Februar hoffen wir nach Altenburg zu gehen, zum rendez vous mit Elschen und Anna.2 Ich freue mich dazu. Es wird dann alles leichter werden. Am Neu Jahrs Morgen war ich im Dom, mit welch Gefühl kniete ich dort an den Särgen. Das Herz that mir ordentlich wehe vor Schmertz. Es giebt jetzt schon so viel zu bedenken, zu arangieren, zu kaufen. Auch soll diesen Winter mehr Feste sein. Fritz will zwei große Concerte geben, um die Geselschaft zu sehen. Ich will 2 Abende Liebhaber Theater geben, und die Minister geben Bälle. Ich kann mich zu alle dem nicht mehr freuen. Das Herz ist mir zu schwer, und ich fühle mich alt. Nun leb wohl. In Holstein wird es immer bunter.3 Der Erbprinz,4 welcher dort wie ein Dieb in der Nacht in sein, wie er meint, sein Land hineinfällt und bleibt incondito,5 so etwas ist lange oder nie da gewesen. Achtung kann er sich dadurch nicht erwerben. Man sagt, die hohe Frau sei wieder schrecklich und hat gewiß davon gewußt. Sie protegiert die Sache und soll damit sehr quälen. Leb wohl, ich will nun Anna schreiben, Deine treue, alte Adine
1 Todestag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 2. Jan. 2 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), mit ihrer Tochter Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) als Verlobte von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 3 Aufmarsch der dt. Bundestruppen in Holstein gegen Dänemark. 4 Erbprinz Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829–1880) hatte sich als Friedrich VIII. zum Herzog von Schleswig-Holstein erklärt. 5 Lat. = regellos, plump.
518
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 27ten Januar 1864 Dein Brief, geliebte Elis, hat mich unendlich gefreut. Ich sehnte mich schon recht nach Nachricht. Aber Deine Leiden scheinen mehr zu als abzunehmen. Und daß die Nächte so schlecht sind, daß finde ich ganz schrecklich, daß Du nicht ein Mal da Ruhe und Stärkung Dir holen kannst. Ich hoffe sehr, Dich bald wieder zu sehen. Ich habe mich entschloßen, schon am 1ten Februar abzureisen nach Berlin, um dort 2 Tage zu haben und mich nicht ganz abzuhetzen. Denn meine Kräfte sind immer noch mäßig. Ich habe mir mein Plan so gemacht und erwarte Bruder Wilhelm seine Entscheidung. Da der 2te der Geburtstag vom alten, seligen Kickriki6 ist und Augusta und Mary den Tag still zu bringen, daß ich dann zum Diner zu Dir herauskomme und, wenn Du es erlaubst, bis nach dem Thee bleibe. So kann ich Dich doch etwas ruhig sehen. Und am 3ten würde ich mich dann ganz den Geburtstagsfreuden widmen und den 4ten nach Altenburg weiter reisen, um das rendez vous mit Elschen und Anna7 zu haben. Meine Enkel begleiten mich auch, mit etwas viel Umgebung, eine Art Heuschrecken Heerde. Die bleiben aber im Verborgenen. Mein Fritz reiset heute nach Darmstadt, um dort einige Tage zu sein, will, wenn wirklich Krieg ausbrechen sollte, lieber hernach nach Mecklenburg zurückkehren. Wir haben hier alle Tage Durchmärsche von preußischen Truppen gehabt, daß 6te Regiment.8 Und am vorigen Freitag hatten wir die Freude, mein Wilhelm an der Spitze seines schönen Kürassier Regiment einmarschieren zu sehen.9 Es war groß Diner und Abend Ball, wo lustig getanzt worden ist. Sonnabend marschierten sie weiter. Wilhelm kam für seine Person noch zurück bis zum Abend. Dann nahmen wir Abschied, mein Herz zitterte vor Wehmuth. In den Tagen war auch Anna Reuss, jetzt Otto Stolberg10 zum Besuch hier. Sie war unbeschreiblich herzlich, aber eine superbe Figur. Am Montag kam Bruder Abbat auf einige Stunden, um mich zu sehen. Er war sehr ernst. Ich freute mich aber sehr, daß er den Umweg nicht gescheut. Man kann ja nicht wißen, was geschieht!11 Mündlich werden wir uns noch über vieles aus zu sprechen haben. Ich sehne mich danach, daher sage ich jetzt Lebwohl, so Gott will auf Dienstag auf Wiedersehen. Deine Adine
6 Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853). 7 Treffen mit Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), und deren Tochter Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) als Verlobte von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 8 Aufmarsch der dt. Bundestruppen in Holstein gegen Dänemark. 9 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin kommandierte als preuß. Oberst das 6. Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“. 10 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz (1837–1907) hatte am 22. Aug. 1863 Otto Graf zu StolbergWernigerode (1837–1896) geheiratet. 11 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872), preuß. General der Kavallerie und Chef des DragonerRegiments „Prinz Albrecht von Preußen“ (Litthauisches) Nr. 1.
1864
519 Schwerin, den 18ten Februar 1864
Geliebte Elis, ich denke, diese Zeilen werden Dich beim Caffe finden, und mit dem Blick nach dem schönen Bilde der Sonne gewendet, vielleicht an mich flüchtig denken, die so glückliche Tage wieder bei Dir zugebracht. Mein Dank klingt recht kalt gegen daß, was mein Herz für Dich fühlt, geliebte Elis. Bei Dir zu sein, gehört vorzüglich zu mein Glück, und bei Dir erhole ich mich auch immer geistig und körperlich, so auch dies Mal, wo ich es so recht bedürftig war. Hier auf dem Bahnhof ankommend, empfing mich mein Sohn Fritz, der in der Nacht zurückgekehrt war, wo von er mich noch am Abend vorher benachrichtet, und ich nicht zu meiner alten Mama in Ludwigslust ging, sondern grade nach Schwerin. Ach, mit dem größten Dank gegen Gott umarmte ich mein Sohn, daß Er ihn uns so glücklich und wohl zurück geführt. Mein Fritz küßt Dir die Hände. Er ist sehr zufrieden, diesen Feldzug auf dieser Art mitgemacht zu haben, da er viel gelernt und auch die Kugeln recht hübsch um sich hat fliegen sehen.12 Besonders interessant wäre es bei Satrup, wo die Garden so unerschrocken sich benommen und wo fast jede Kugel saß, wohin sie abgefeuert war. Bei Overselk, wo er zu erst mit den Östreicher zusammen vorging, wäre ein solcher Nebel gewesen, daß man nichts hätte sehen können und nur immer grade darauf loß gegangen. Vom Kriegsschauplatz scheint jetzt nichts eingetroffen zu sein. Die schweren Geschütze müßen wohl erst heran sein. Der letzte Abend bei Augusta war ganz hübsch, weil lauter nähere Bekannte eingeladen waren, und Graf Redern mit Frau,13 die sehr liebenswürdig ist, unser Gesandter Sell14 und Bruder Carl. Die hohe Frau war ganz liebenswürdig und gnädig. Hier in Schwerin sind grade einige Fremde, die einige Diners veranlaßen. Sonst ist alles still, und Fritz wird auch am 26ten nach Darmstadt abreisen und dort längere Zeit bleiben. Ein Maler von hier hat Anna gemahlt, und wirklich so sprechend ähnlich und so vortheilhaft aufgefaßt, daß man sich recht darüber freuen muß und hier nun mit dem größten Interesse betrachtet wird. Leb wohl, geliebte Elis. Heute schneit es so furchtbar und ist kalt dabei, daß man sich in Rußland versetzt glaubt. Ich hoffe, Deine Schmertzen nehmen nicht bei dieser wechselnden Witterung zu, und daß das Pflaster hilft endlich etwas. Deine treue Adine Schwerin, den 25ten Februar 1864 Dein lieber Brief, geliebte Elis, fand ich auf mein Schreibtisch, und er begrüßte mich zu erst zu meinem sehr alten Geburtstag. Und späther, wie Fritz mit den Kindern kam, wurde mir der Geburtstag Tisch enthüllt, wo Du meiner wieder so liebevoll gedacht 12 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin war preuß. General der Infanterie und Chef des preuß. 24. Infanterie-Regiments und nahm an verschiedenen Gefechten u.a. bei Satrup und Ober-Selk teil. 13 Wilhelm Graf von Redern (1802–1883), preuß. Oberstkämmerer, Oberst und Generalintendant der kgl. Hofmusik, verh. 1834 mit Dorothea Sophia Bertha Jenisch (1811–1875). 14 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), mklbg.-schw. Gesandter in Preußen.
520
Briefe 1851–1873
durch schöne Gaben, wie [einem] reitzenden Lilla Kleid mit Maiblumen, was ich mir sehr gewünscht, Deine lieben, lieben Druckzeichnungen vom lieben Bruder, die wieder sehr bewundert wurden, und das hübsche Photographie Buch, was mir sehr nützlich. Behallte mich nur auch in diesen Jahr ein bischen lieb, denn ohne Deine Liebe meinte ich nicht leben zu können. Es würde eine unersetzliche Lücke mehr in mein Leben sein. Mein alter Geburtstag verging ganz heiter, dank meines Bruders Wilhelm, welcher mir schrieb und einen Brief für mein Fritz einlegte, mit dem rothen Adler mit Schwerter, als Andenken an den Krieg.15 Dies verbreitete eine solche Freude. Mein Fritz war zu Thränen gerührt, und die Kinder jubelten und schrien. Und das verscheucht im allgemeinen die Trauer. Jetzt treten alle die Jammer Tage wieder hervor, und es ist für uns recht gut, daß Fritz nach Darmstadt geht. Es wäre so etwas zerrißenes gewesen. Wir komen so jetzt nicht zur Ruhe. Es sind manche Fremde hier. Heute wird die Opher von Graf Hochberg16 gegeben. Sie soll recht schwach sein. Dazu komt sein Bruder Fürst Pless17 mit den beiden Prinzen Reuß, aus Stonsdorf18 und der Garde Cürassier.19 Den 26ten. Gestern konnte ich nicht fertig werden und eile nun, den Brief zu schließen, ehe ich zu Mama nach Ludwigslust fahre. Die Oper von Graf Hochberg war höchst mäßig und langweilig. Heut singt die de Ahna noch in Figaros Hochzeit.20 Mein Fritz ist heut nach Berlin und geht die Nacht dann nach Darmstadt. Nun leb wohl, noch 1000 Dank für alle Freude, die Du mir gemacht. Deine treue Adine Schwerin, den 9ten März 1864 Meine geliebte Elis. Ich dachte mir, daß Du meiner am 3ten gedenken würdest, und ich bin überzeugt, daß Du all die Trauertage noch mit heute auch in treuer Liebe gedenkst. Es ist recht schwer, bei allen diesen Erinnerungen die rechte Freudigkeit zu behallten. Aber der Herr giebt doch Kraft zu tragen. Und ich kann doch Gott recht innig danken, daß Er sie geborgen hat an Seinem Herzen, daß sie in Frieden ruhen. Die Welt ist nicht für uns gemacht, nur zum Kampf und Streit gegen die Sünde. Ach, möchte Er uns darin Sieg geben! Eben wurde ich unterbrochen durch ein Telegram von Bruder Wilhelm, mit 15 Verleihung der Schwerter zum preuß. Roten Adlerorden an Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin für Verdienste im Deutsch-Dänischen Krieg. 16 Bolko Graf von Hochberg, Freiherr zu Fürstenstein (1843–1926), Vertonung des Goethe’schen Singspiels „Claudine von Villa Bella“, uraufgeführt 1864 in Schwerin. 17 Hans Heinrich XI. Graf von Hochberg, Fürst von Pleß, Freiherr zu Fürstenstein (1833–1907), schles. Montanindustrieller. 18 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), Herr auf Stonsdorf, verh. 1858 mit Anna Gräfin von Hochberg, Freiin zu Fürstenstein (1839–1916). 19 Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1830–1897), preuß. Major à la suite im Garde-KürassierRegiment. 20 Eleonore (Leonore) de Ahna (1838–1865), Opernsängerin an der Kgl. Oper in Berlin, mit Gastspiel am Hoftheater in Schwerin als Gräfin in „Figaros Hochzeit“, Oper von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791).
1864
521
glücklichen Gefechten in Jütland.21 Gott stehe unsern Truppen bei. Gestern, wie ich nach Ludwigslust zu Mama fuhr, waren 70 blessierte Östreicher auf dem Zug, die in Hagenow etwas ausstiegen. Es waren auch schwer verwundete in einem Güter Wagon. Ein Pater war bei ihnen und pflegte sie. Es war recht ergreiffend, sie zu sehen. Auch eine Menge dänische Gefangene mit preußischer Bedeckung war da, die sahen recht dick und wohl aus. Meine Mama fand ich jämmerlich, an starken Husten und Schnupfen, aber recht theilnehmend, so daß zu Besorgniß keine Veranlaßung. Verzeih, wenn ich hier schließe. Die Enkelchen kommen eben zu mir. Friedrich ist erkältet, hat Fieber und Halzweh, mußte mehrere Tage im Bett bleiben. Heute ist er nun eine Stunde aufgewesen und recht matt. Indessen, es wird sich wohl bald geben. Mein Fritz kehrt am 15ten heim, über Cassel, wo er einen Besuch beim Kurfürsten22 machen will, da er eine Prinzessin von Hessen heirathet.23 Leb wohl, welch schäuslich Wetter, es gießt heute und ist 8° Wärme. Deine treue Adine Max ist ja nun in Paris und Kaiser von Mexiko.24 Schwerin, den 11ten März 1864 Geliebte Elis, ich muß Dir doch gleich aussprechen, wie leid mir der Tod von Max25 thut, so plötzlich, so unvorbereitet. Die arme Marie! War ihr Verhältniß auch nicht überaus zährtlich, so hatte sie ihn doch sehr lieb. Und nun der arme, junge Ludwig,26 der erst 18 Jahr alt ist, in dieser confusen Zeit auf solcher hohen Stellung plötzlich gestellt zu werden. Eigentlich, glaube ich, wurde er noch sehr zurück gehallten. Was wird daraus werden? Hast Du vielleicht detaills von Max sein Ende, ob er sich krank gefühlt? Der alte König von Würtenberg27 ist auch wieder so krank und schwach. Der hat aber ein zähes Leben, der kömmt vielleicht wieder durch. Leb wohl, verzeih die flüchtigen Zeilen. Deine treue Adine Wie es wohl um Fredericia und Düppel aussieht?28 Das Herz zittert nun, Gott wird helfen. 21 22 23 24 25 26 27 28
Vormarsch der dt. Bundesexekutionstruppen in Schleswig und Jütland. Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875). Heirat mit Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) am 12. Mai. Erzherzog Ferdinand Maximilian (I.) von Österreich (1832–1867) wurde am 10. April auf Initiative von Kaiser Napoleon III. als Maximilian I. zum Kaiser von Mexiko ausgerufen. König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864), gest. am 10. März. König Ludwig II. von Bayern (1845–1886). König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864), starb am 25. Juni. Angriff auf das wichtige dän. Verteidigungswerk Düppeler Schanzen. Österr. Truppen belagerten die dän. Festung Fredericia.
522
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 17ten März 1864 Meine liebe Elis. Ich habe mich gestern zum 22ten angemeldet bei Wilhelm. Wenn er mich annimmt, so wollte ich am 21ten Nachmittag ankommen und habe sehr den Wunsch, bei Dir zu eßen, um Dich wenigst etwas zu sehen. Ist es Dir auch nicht unangenehm? Ich werde mich aber bei Dir noch par Telegram anmelden, weil ich nicht weiß, was die hohe Frau befehlen wird. Ob es wahr ist, daß ein Waffenstillstand zu stande kommt? Ich finde, Düppel und Fredericia hätten erst düchtig beschoßen werden müßen, damit die Dänen zahmer werden.29 Der Sturm auf Düppel, der brauchte nicht zu stande zu kommen. Leb wohl, ich schreibe sehr in Eile. Deine Adine Schwerin, den 19ten März 1864 Meine liebe Elis. Nach einem Telegram von Augusta kann ich wirklich bei Dir eßen. Und sollte ich auch wirklich die Freude haben, den Abend bei Dir bleiben zu können? Es wäre so schön, daß ich daran kaum glauben kann. Ich hoffe also, um 4 Uhr bei Dir in Charlottenburg zu sein, wenn Du mich haben willst. Ich hatte mir dies ausgedacht, weil ich Dich sonst garnicht gesehen hätte, als vielleicht flüchtig bei der gratulation. Bei Düppel ist ja ein blutig Gefecht gewesen.30 Die Preußen haben sich aber prächtig geschlagen und sind Sieger geblieben. Die Flotte scheint doch noch zu schwach zu sein, um sich den Dänen zu meßen.31 Nun leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen, Deine treue Adine Schwerin, den 4ten April 1864 Geliebte Elis, Du wirst nicht begriffen haben, daß ich noch garnicht geschrieben, seit ich zurück bin. Aber erst war ich zum Abendmahl, und am Sonnabend wurde ich recht unwohl, an stark Colique, Magenkrampf mit Erbrechen, was 12 Stunden anhielt. Das hat mich so herunter gebracht, daß ich mich nun erst erholt habe, aber in den Füßen von neuen schwach bin. Mein erster Brief ist nun an Dich, und mit Freuden habe ich gesehen, daß Deine Schwester Amalie bei Dir in Charlottenburg war oder noch ist. Wie hat sich denn das gemacht? Wir beide sprachen noch grade im März davon, daß Deine Schwestern nie zu Dir kämen. Ich hoffe, Du hast sie recht still und ruhig genießen können. Dann wird es Dich erfrischt haben. Das Wetter ist nicht erfrischend, ohne Sonne und Nord Wind. In Wien und München ist ja wieder eine echte Trauer eingetreten. Die
29 Um bei Waffenstillstandsverhandlungen mit Dänemark eine bessere Position zu erlangen. 30 Belagerung der dän. Düppeler Schanzen. 31 Im Gegensatz zum Feldheer waren die Dänen auf See den dt. Bundesexekutionstruppen völlig überlegen.
1864
523
arme Hildegarde32 folgte ihrem Bruder33 in 14 Tagen nach im Grabe. Der arme Erzherzog Albrecht mit den armen Kindern,34 und dann der arme Bruder, der arme alte König,35 2 Kinder so schnell zu verliehren. Das sind schwere Prüfungen! Mein Sohn Fritz ist mit Elschen und seiner Braut36 mit nach München und schreibt, Mariechen wie der junge König,37 beide wären in einer herlichen Stimmung, so christlich ergeben und still tragend. Am Donnerstag kehrt er endlich heim, über Altenburg, wo er einen Besuch machen will. Die Vermählung wird nun schon am 12ten Mai sein, man hat es von dort gewünscht. Da werde ich Dich wohl schon früher überfallen, liebe Elis, den 7 oder 8ten. Doch das ist noch 5 Wochen hin. Die armen Garde Husaren, die aufgehoben worden sind, durch Verrath, wie es scheint. Das Gefecht bei Düppel war schön, aber schrecklich blutig.38 Und es wird nicht das letzte sein. Unsere Truppen sind aber prächtig, so freudig im Kampf, so tapfer und unerschrocken. Gott stehe ihnen gnädig bei. Die Landgräfin Wilhelm39 ist ja auch in Koppenhagen gestorben. Marie von Strelitz ist sehr traurig. Ich hatte gestern einen Brief von ihr. Nun leb wohl, geliebte Elis, Deine alte Adine Wann reiset Augusta? Schwerin, den 14ten April 1864 Geliebte Elis, noch dankte ich garnicht für Deinen lieben Brief vom 7ten, der mir so viel Freude gemacht. Deine Schwester ist aber recht kurtz geblieben, aber besser wie garnicht. Und in der kurtzen Zeit ist sie noch 2 Mal abends aus gewesen. Ihr wird es wohl weniger Spaß gemacht haben als vielleicht Sophie. Eben beim Durchlesen Deines Briefes sehe ich, daß es bloß Sophie war, welche die Abende in Berlin war. Das Theater, von der Geselschaft gespielt, soll ausser ordentlich hübsch gewesen sein und viel Geld eingekommen. Jetzt erwartet man von einem Tag zum andern, daß der Sturm auf Düppel40 los geht. Aber es scheint noch verschoben. Diese Nacht ist aber wieder ein ziemlich blutig Gefecht gewesen und der arme Jena41 wurde blessiert. Am Dienstag waren wir in Ludwigslust zur 32 Erzherzogin Hildegard von Österreich-Teschen, geb. Prinzessin von Bayern (1825–1864), verh. 1844 mit Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895), gest. am 2. April. 33 König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864), gest. am 10. März. 34 Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895) und die Töchter Erzherzogin Maria Theresia (1845–1927) und Erzherzogin Mathilde von Österreich-Teschen (1849–1867). 35 Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868). 36 Heirat mit Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) am 12. Mai. 37 König Ludwig II. von Bayern (1845–1886). 38 Erstürmung der belagerten dän. Düppeler Schanzen. 39 Landgräfin Louise Charlotte von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Dänemark (1789–1864), gest. am 28. März. 40 Die Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April. 41 Eduard von Jena (1826–1909), preuß. Hauptmann im Generalstab des 6. Armeekorps.
524
Briefe 1851–1873
Beerdigung von dem armen Bülow,42 der aus Mentone endlich angekommen, in ein klein43 Kasten, wirklich schrecklich, nicht angestrichen, nur ganz roh. Es soll schrecklich gewesen sein. Die arme Frau44 war 3 Tage früher gekommen mit ihrem Bruder.45 Ich sah sie einen Augenblick, sie ist ganz geknickt, aber so die alte Mutter Bülow, und ihre Tochter.46 Als wir Nachmittags mit der Eisenbahn zurückfuhren, waren auf dem Zug noch mehrere schwere Geschütze, 24-Pfünder, die sollten nach Düppel. Mein Fritz legt sich Dir zu Füßen und läßt Dir sagen, Mariechen47 wäre in einer prächtigen Stimmung, so ruhig und still, kann über alles sprechen, und was mich am meisten wundert, sie hat schon mehrere Mal mit dem Hof gegessen und trinkt auch Thee mit ihm. Wie Fritz da war, war es auch mit der fremden Umgebung.48 Daß scheint mir doch zu viel und beinah nicht schicklich. Ich denke, sie thut es vielleicht wegen ihrem Sohn,49 der scharmant sein soll, besonnen und ruhig, sehr still, groß und schlank wie eine Binse, sehr hübsch, aber macht körperlich ein schwachen Eindruck, Otto50 hingegen klein und zierlich, gewand, aber wie ein Zwerg. Dein alter Gröben51 ist wirklich merkwürdig. Nun wird er wohl schon wieder nach Gravenstein sein. Nach der Zeitung ist Treskow52 nach Posen zum General von Werder.53 Ist ihm das lieb? Die Hochzeit ist nun fest bestimt von Fritz und Anna am Donnerstag den 12ten Mai.54 Da ist nun mein Plan so, bitte mir aber zu sagen, ob es Dir auch so recht ist, wie ich mein Besuch bei Dir danach einrichte. Also, den 7ten Mai würde ich von Schwerin abreisen, Nachmittag in Berlin ankommen und dort noch einiges besorgen, und dann um 8 Uhr nach Charlottenburg kommen, den 8ten Sonntag bleiben, abends nach Berlin zurück, den 9ten Montag bis Frankfurt am Main gehen, den 10ten Dienstag Vormittag nach Darmstadt, dort 11, 12, 13ten bleiben, 14ten Sonnabend abreisen und bis Sanssouci oder wo Du bist gehen, die beiden Pfingstfest-Tage mit Dir bleiben und dann Dienstag nach Schwerin zurück, um mich recht auszuruhen zu den neuen fatigen. Du 42 Bernhard Vollrath von Bülow (1820–1864), mklbg. Gesandter beim Bundestag in Frankfurt am Main, gest. am 15. März zur Kur in Menton. 43 Dahinter eine Handzeichnung eines Rechtecks für den einfachen Sarg. 44 Pauline (Paula) von Bülow, geb. Gräfin von Linden (1833–1920), Dichterin und Malerin. 45 Franz Joseph Heinrich Graf von Linden (1836–1903). 46 Louise von Bülow, geb. von Bülow (1785–1867), und ihre Tochter Marie-Charlotte von Bülow (1819–1906), Konventualin im Kloster Malchow. 47 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), nach dem Tod ihres Mannes König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811–1864), gest. am 10. März. 48 Königin Marie von Bayern empfing in der Trauerzeit auch das Gefolge von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, was Großherzogin Alexandrine als unschicklich empfand. 49 König Ludwig II. von Bayern (1845–1886). 50 Prinz Otto von Bayern (1848–1916). 51 Karl Graf von der Gröben (1788–1876), General der Kavallerie a.D. und Generaladjutant. 52 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant, abkommandiert als Generalstabschef zu den Zernierungstruppen an der poln. Grenze. 53 Franz Karl von Werder (1788–1869), preuß. General der Infanterie und Oberbefehlshaber über das 1., 2., 5. und 6. Armeekorps in Posen. 54 Heirat mit Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) am 12. Mai.
1864
525
lachst gewiß über mich, wie ich mir daß alles schon so ausgedacht und berechnet habe. Leb wohl, Deine Adine Schwerin, den 24ten April 1864 Der Herr hat Großes an uns gethan, ich bin des Lobes voll! Ach, Elis, was ist das für ein Gefühl des Dankes und der Freude über diesen errungenen Sieg.55 Aber immer muß ich dem Herrn von neuen danken für diese Gnade. Es ist zu wunderbar schön. Meinen lieben Bruder Wilhelm hätte ich so gern gesehen bei seiner Durchreise durch Hagenow, um mich so recht mit ihm zu freuen. Denn ihm ist viel Gnade geworden, dies ist daß erste Glück in sein trüben Regierung. Möge es alle stärken, um auf den rechten Pfad fort zu gehen. Fritz Carl muß überglücklich sein, daß ihm diese That geglückt. Wie ist Mutter Mary dabei und Marianne? Man hört so garnichts von ihnen. Wenn sie so lebhaft fühlen wie ich, müßen sie beide fast zu glücklich sein. Ein großer Dämpfer ist aber die viele Verluste, die gemacht worden, die aber den Heldentod gefunden, finde ich zu beneiden. Die armen Leidenden und Verstümelten, die sind zu sehr zu beklagen. Der arme General Raven,56 der den Fuß verlohren, wird auch wohl Invalide, und gab so viel Hoffnung für spätere, große Erwartungen! Die Truppen sollen prächtig gewesen sein, unaufhaltsam vorwärts gestürmt haben. Wie viel schöne, einzelne Züge findet man in der Zeitung. Eigentlich wäre ich gerne heute in Berlin, um mein Gebet mit Euch allen vereint zum Herrn zu schicken. Ich werde es hier in meinem stillen Herzen thuen. Morgen habe ich die Freude, Bruder Karl bei seiner Durchreise in Hagenow zu sehen. Ich werde bis Ludwigslust ihn begleiten. Nun leb wohl, Deine Adine Charlottenburg, den 3ten May 1864 Noch ehe wir uns sehen, ein paar Worte des Dankes für Deinen lieben Brief vom 24ten April. Zwey Tage drauf starb auch meine Nichte Luitpold57 ganz unerwartet, troz ihrer langen Leiden. Es ist auch ein sehr großer Verlust, und meine Familie wird hart geprüft. Das Unglück der armen Massow jammert Dich gewiß auch?58 Ich muß immer an sie 55 Bei der kriegsentscheidenden Erstürmung der Düppeler Schanzen durch preuß. Truppen am 18. April wurden etwa 4800 dän. und 1200 preuß. Soldaten getötet oder verwundet. 56 Eduard von Raven (1807–1864), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 10. Infanterie-Brigade, wurde bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April schwer verletzt mit der Folge einer Fußamputation, starb an der Verwundung am 27. April. 57 Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912), litt an einer chronischen Lungenkrankheit, gest. am 26. April. 58 Auguste von Massow, geb. Freiin von Canitz und Dallwitz (1822–1904), verh. 1849 mit Ludwig
526
Briefe 1851–1873
Abb. 16: Neben Sanssouci war Charlottenburg der wichtigste Aufenthaltsort von Elisabeth und Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, hier das Elfenbeinzimmer in der Wohnung der Königin. Großherzogin Alexandrine folgte aufmerksam den Wohnungswechseln ihrer Schwägerin, um ihre Reisebesuche in den preußischen Residenzschlössern klug zu arrangieren.
denken. Du wirst mich wohl noch kaum ganz hergestellt finden. Ich huste viel und habe einen gräßlichen Schnupfen, nebenbey bin ich durch Brandwunden an meinem leidenden Bein geplagt, die mir die Unvorsichtigkeit meines alten Windbeutels, die Schwarz,59 durch den Bettwärmer zuzog. Ich fürchte, es wird eine lange Geschichte werden. Von der Familie findest Du nicht mehr viele hier. Augusta ist gestern Abend abgereist, Wilhelm reist Sonnabend, Victoria will sich in dieser Woche troz Kälte und schauderhaften Wetter im neuen Palais établiren. Snethlage60 wird den Gottesdienst hier in der Kapelle halten. Und wenn nicht Abbat zurück kömmt zum 8ten, könnte der [am] Geburtstag hier essen. Mary hustet noch viel, ebenso Augusta und Victoria. Das war eine Freude, den jungen Abbat wieder zu sehen, und Karl. Sie saßen beyde an meinem Bett und erzählten mir. Mary und Marianne waren sehr glücklich über Düppel,61 erstere immer in Thränen. Der von Massow (1794–1859). Ihre beiden Töchter waren kurz hintereinander jung verstorben: Auguste von Massow (1850–1864), gest. 26. April, und Bertha von Massow (1851–1864), gest. am 11. April. 59 Mglw. Windhund. 60 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 61 Bei der kriegsentscheidenden Erstürmung der Düppeler Schanzen durch preuß. Truppen am
1864
527
arme Raven ist leider seiner Wunde erlegen,62 und wie viele andere! Das ist die Schattenseite, doch war man auf noch größeren Verlust gefaßt, wovor die vortrefflichen Anordnungen von Fritz Karl mit Gottes Hülfe bewahrt haben. Nun lebe wohl, meine Adine, auf Wiedersehen bald, so Gott will. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 3ten Mai 1864 Meine liebe Elis. Diese Zeilen sollen mich nun wirklich zu Sonnabend Abend bei Dir anmelden, und zwar nach 8 Uhr, weil ich in Berlin erst noch Sachen im Empfang nehmen soll für Fritz. Zu meiner Freude sehe ich aus der Zeitung, daß die hohe Frau abgereiset ist auf längere Zeit. Da ist man nun mehr sein eigener Herr. Es wäre sehr schön, wenn Du es arangieren könntest, daß Sonntag bei Dir in Charlottenburg Kirche wäre, wie Du es im Brief bemerkst. Dann, es wäre doch möglich, daß Sonntag [an] Abbat Sohn [sein] Geburtstag Famille Diner wäre, und ich würde gern dann mit meinen Brüdern zusammen sein. Abends denke ich aber wieder bei Dir zu sein und in der Stadt zu schlafen, etwas hin und her fahren. Und dann wollte ich fragen, ob ich meine beiden Damen zu Thee mitbringen darf? Beide draussen zu schlafen, macht vielleicht zu viel Umstände. Sie könnten mit Stengelin63 zurückfahren, der jetzt Oberhofmeister bei mir geworden ist, was ihn sehr glücklich macht. Daß Fridericia sich so ganz still ergeben hat,64 die Truppen alle auf und davon, ohne einen Schuß, ist wirklich sehr merkwürdig. Mir scheint, die Dänen haben doch an Düppel gehabt. Wie viele Offiziere sind noch an ihren Wunden gestorben von dem Sturm von Düppel, es ist zu traurig. Der arme, brave General von Raven erlag auch, wie viel Thränen fließen von neuem.65 Ich glaube, ich schrieb Dir noch nicht seit dem Tode von Gustchen Luitpold.66 Ach, wie ist daß auch so traurig! Nun leb wohl, das Herz ist mir recht schwer bei dem Antritt der Reise. Deine alte Adine
18. April wurden etwa 4800 dän. und 1200 preuß. Soldaten getötet oder verwundet. 62 Eduard von Raven (1807–1864), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 10. Infanterie-Brigade, wurde bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April schwer verletzt mit der Folge einer Fußamputation, starb an der Verwundung am 27. April. 63 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall und Oberhofmeister bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 64 Nach der Niederlage an den Düppeler Schanzen am 18. April gaben die dän. Truppen auch die von Österreich belagerte Festung Fredericia auf und zogen sich auf die Inseln Fünen und Alsen zurück. 65 Eduard von Raven (1807–1864), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 10. Infanterie-Brigade. Er wurde bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen schwer verletzt, gest. am 27. April. 66 Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Prinzessin der Toskana und Erzherzogin von Österreich (1825–1864), verh. 1844 mit Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912), gest. am 26. April.
528
Briefe 1851–1873
Ludwigslust, den 31ten Mai 1864 Meine liebe Elis, es war mir unmöglich, Dir früher zu schreiben. Meine Kräfte sind zu sehr in Anspruch genommen worden, und ich war ganz, ganz matt, habe aber doch alles mit machen können und mich über Anna freuen können, wie sie lieb und gut ist und wie das preußische Blut in ihr lebt.67 Fritz ist sehr glücklich und froh, wenn auch manche wehmü thige Momente kamen, wozu auch der gestrige Einzug hier gehörte. Es ist aber bis jetzt alles glücklich abgelaufen, kein Unglück oder Mißton gewesen. Die Festwoche in Schwerin war ausserordentlich brillant, aber sehr fatigant. Denn es sind Anna 600 Menschen bei der Cour vorgestellt worden, allein 140 Landstände und einige ihrer Frauen. Alles war sehr elegant und hübsch angezogen. Anna sah auch sehr hübsch aus. Sehr gut stand ihr die Ametist Krone und Schmuck und dann die rosa toiletten. Sprechen ist noch nicht ihre Sache, aber es fängt doch an, besser zu werden, und ihrer Jugend hällt man es zu gut. Das Wetter war nur zu schlecht die Tage in Schwerin, kalt und Regen, zuletzt Schnee und Hagel. Mit dem Einzug hier ist wieder Sonnenschein, daher alles recht festlich erscheint. Aber kalt ist es wie im Januar, 7° Wärme nur. Die Illumenation war sehr hübsch. Die alte Mama war im Schloß beim Empfang, und dann haben wir en famille bei ihr gegessen. Sie war ganz munter und theilnehmend. Heut ist Parade und Diner. Damit ist alles abgemacht. Nun wollte ich mich anmelden, meine liebe Elis, zum 8ten abends oder den 9ten morgens in Sanssouci, wenn Du mich aufnehmen willst, und auf einige Tage, denn mit einem Tag laß ich mich nicht abspeisen. Wie es scheint, bleibt der Kaiser und die Kaiserin68 wirklich nur einen Tag. Und Königin Augusta kömmt wirklich dazu! Wie geht es Dir nur, geliebte Elis, im schönen Sanssouci, wo es aber eben so kalt und unfreundlich war wie überall? Was machen die Brandwunden, sind die denn wenigsten geheilt? Sonst werden die Schmertzen im Bein jetzt nicht besser geworden sein. Wenn nur Sonne scheint, dann wirst Du doch ausfahren können. Der Flieder blüht gewiß noch, wenigsten hier will er noch nicht zur Schönheit gelangen. Nun lebe wohl. Der Brief soll und muß fort. Donnerstag kehren wir nach Schwerin, Fritz und Anna müßen noch nach Parchim und kommen Sonnabend zurück. Deine treue Adine Schwerin, den 6ten Juny 1864 Liebe Elise, zu erst meinen Dank für Deinen lieben Brief. Wie leid ist es mir aber, daß ich Dich noch mit bösen Husten finden werde, und die Schmertzen auch immer gleich. Da habe ich so gar Furcht, daß Dich mein längerer Besuch lästig sein wird und Dich geniert. 67 Hochzeitsfeierlichkeiten zur Heirat von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) am 12. Mai in Schwerin. Annas Mutter war Elisabeth, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 68 Kaiser Alexander II. (1818–1881) und Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), mit ihren drei jüngsten Kindern ab 9. Juni zu Besuch in Berlin.
1864
529
Doch ich weiß und hoffe, daß Du Dich um mich nicht genierst. Ich werde also am 9ten abends 6 Uhr bei Dir eintreffen und dann wohl erfahren, was man für toilette braucht zum Empfang. Auch soll ich Dir im Nahmen von Fritz sagen, daß er wohl am 8ten abends mit Anna nach Berlin kommen wird und am 9ten nach Potzdam, um seine Frau vorzustellen und den Kaiser und Kaiserin zu sehen.69 Sie werden den 10ten natürlich bleiben und am 11ten auch nach Schwerin zurückkehren. Anna ist garzu lieb, liebt alle Tanten und Onkels und liebt Potzdam und freut sich schrecklich, kommen zu dürfen. Nun leb wohl, morgen mein Gedenken in Charlottenburg und Palais.70 Aber dazu komme ich nicht, denn ich liebe diese Feier nicht. Auch bin ich schrecklich angegriffen von allen Festen. Meine Füße tragen mich sehr schlecht. Deine treue Adine Altenburg, den 19ten Juny 1864 Geliebte Elis, ich fange wenigsten mein Brief hier an und eile damit, weil mir ein Gedanke gekommen ist, bei dem sehr vortheilhaften Eindruck, den Marie Eduard71 auf die preußischen Herrn gemacht, daß sie sich mit Pazsion vorstellen ließen. Mir gefiel sie schon so sehr das letztemal, daß ich hier war, ob es nicht eine Frau für Abat Sohn wäre. Sie ist gescheut, musikalisch, sehr reines Herzens und einfach erzogen, hat aber das Wesen, daß sie in jedem Verhältniß hinpassen würde, fügsam, mit Bestimtheit und doch Weichheit im Kharakter. Hübsch ist sie nicht, aber sie gefällt. Wie es Dir, geliebte Elis, nur gehen mag, ob der schäusliche Husten und Schnupfen nachgelaßen? Es war wirklich zu arg, wie Du geplagt wirst. Und dabei bist Du immer freundlich und denkst an andere. Obgleich durch Dein Unwohlsein die letzten Tage getrübt wurden, so war mir der Aufenthalt bei Dir so lieb, und ich habe mich da erholt. Der Besuch von Wilhelm hat hier große und viel Freude gemacht.72 Er war wie immer aimable und herzlich. In Leibzig ist er mit dem König von Sachsen73 zusammen gekommen und ein Stüken mit ihm gefahren. Hier schließe ich, denn ich werde immer unterbrochen. Deine alte Adine Marienbad, den 21ten Juny 1864 Liebe Elis, ich schreibe heute nur einige Zeilen, um meinen letzten Brief aus Altenburg zu entschuldigen, der wirklich zu confus war. Aber ich hatte so wenig Zeit, und es lag mir 69 Vorstellung der neuen Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von HessenDarmstadt (1843–1865), beim Besuch des Kaisers und der Kaiserin von Russland in Berlin. 70 Gedenken zum Todestag von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840) am 7. Juni. 71 Heiratspläne für Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1845–1930), Tochter des Prinzen Eduard von Sachsen-Altenburg (1804–1852), mit Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 72 König Wilhelm I. von Preußen auf der Durchreise nach Karlsbad. 73 König Johann von Sachsen (1801–1873).
530
Briefe 1851–1873
daran, meine Idee Dir gleich mit zu theilen, weil ich so leicht alles vergesse. Natürlich, in Altenburg hat kein Mensch eine Idee davon.74 Ich habe garnicht davon gesprochen, horchte nur hin, ob mit dem Prinz Alfred von England75 etwas wäre. Aber man meinte eigentlich nicht. Denn er wäre ein lustiger, kluger Junge gewesen, der sich gern amüsierte, was er auch gethan, so gut es ginge, auf Jagdten, Reiten, Diner, Abendstanz. Der junge Albert Eduard76 war grade da, und mit dem ist er immer zusammen gewesen. Ich bin dann gestern Nachmittag hier angekommen, so um 5 Uhr, wo ich von einigen Bekannten empfangen wurde, unter andern Richthofen, preußischer Gesandte in Hamburg,77 und Herr von Münchhausen, Hofmarschall von William,78 mit den ich schon zweimal hier war. Das Wetter ist seit gestern freundlich, aber nicht warm. Und morgen fange ich eine Kur an. In Altenburg war aus Würtsburg ein berühmter Ohren Artzt,79 der leider meint, bei Agnes80 wäre das Übel schon zu sehr ein gerißen. Wenn sie aber zu ihm käme, würde er vielleicht doch das Übel ein Einhalt thuen können. Sie geht nun am 30ten zu ihm nach Würtsburg. Wenn doch Marianne81 es auch thuen wollte, bei der es doch nicht so arg ist wie bei Agnes, die eigentlich garnichts mehr hört. Nun leb wohl, wenn es Dir doch endlich besser gehen wollte, mit Husten und Schnupfen, damit Du wenigsten von einem Übel befreit wirst. Deine treue Adine Marienbad, den 2ten July 1864 Meine liebe Elis, ich wußte eigentlich nicht, wer nun zuerst schreiben sollte, da sich unsere Briefe kreutzten. Aber ich hallte es nicht aus, so garnichts von Dir zu hören, obgleich ich garnichts von hier schreiben kann, als Regen und Regen. Daß heißt, so gallant ist doch das Wetter meistentheils, daß die Morgenstunden, wo man gehen muß, nicht regnet, abends freilich desto mehr. Aber bis jetzt bekomt mir der Brunnen wieder sehr gut. Wenn man nur für Dich ein Bad oder Brunnen finden könnte, der Dir Deine Leiden linderte. Ich weiß nun garnicht, was Du für Absichten hast, ob Du noch nach Pilnitz willst und dann nach Ischel, oder was für Pläne [Du hast]. Ich möchte nur, daß Du ein 74 Heiratspläne für Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1845–1930), Tochter des Prinzen Eduard von Sachsen-Altenburg (1804–1852), mit Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 75 Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von SachsenCoburg und Gotha (1844–1900). 76 Prinz Albert von Sachsen-Altenburg (1843–1902), Sohn des Prinzen Eduard von Sachsen-Altenburg (1804–1852). 77 Emil Freiherr von Richthofen (1810–1895), preuß. Gesandter in Hamburg, zuvor auch in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. 78 Karl Freiherr von Münchhausen (1805–1872), Intendant des braunschw. Hoftheaters und Hofmarschall bei Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884). 79 Verm. Anton Friedrich Freiherr von Tröltsch (1829–1890), Prof. für Ohrenheilkunde an der Universität Würzburg. 80 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 81 Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1837–1906).
1864
531
Mal eine kleine Vergnügungsreise machen könntest, das würde Dir Muth geben und auffrischen. Die Nachrichten aus Alsen82 lauten ja sehr gut, aber noch immer fehlen détailles, ob viele Verluste zu beklagen sind und so weiter. Ein großes Avancement ist in der Armee gewesen, und Eiche83 Treskow nun zurück zu Kaiser Alexander Regiment.84 Darüber wird er wohl sehr froh sein. Und Alfred von Rauch, der das Cürassir Regiment vom Kaiser No. 6 bekommen.85 Und mein armer Wilhelm ist Brigadier in Erfurt,86 wo nicht ein Soldat von ihm steht und er sehr wenig zu thuen hat. Dies ist mir am meisten leid. Münster87 war auch so unglücklich damals dort, und die benachbarten Höfe sind auch nicht simpatisch, Weimar und nun gar Gotha!!! Und daß aller Traurigste, von dem Kriegsschauplatz fort zu müßen, wenn er nicht bleiben darf. Von Wilhelm selbst habe ich noch keine Nachricht darüber. Bruder Wilhelm soll es in Karlsbad sehr gut gehen. Der Tod des König von Würtemberg88 kam den Augenblick sehr überraschend, Olga nun Königin und der arme Carl König,89 nicht beneidenswerth, und die schäuslichen Famillen Verhältniße, vielleicht macht sich alles besser. Nachmittag. Eben bekam ich einen Brief von Luise, die mir schreibt, wie gräulich die Silbern Hochzeit vom König gewesen.90 Eigentlich garnicht, weder Famille noch Hof, durften ein Wort des Tages erwähnen. Nur die Deputierten haben gesprochen und Geschenke gebracht. Den Mittag war stummes Diner, Abend nichts. Erst den andern Tag hat Sophie gesagt, nun nehme sie gratulation an, daß alles überstanden sei. Sie war übrigens heiter und liebenswürdig gewesen. Ich hoffe, der arme Remon91 ist nun besser mit sein Augen. Leb nun wohl. Deine treue Adine
82 Nach den Niederlagen bei Düppel und Fredericia hatte sich der Großteil der dän. Truppen auf die Inseln Fünen und Alsen zurückgezogen. Ende Juni besetzten die dt. Bundestruppen auch Alsen. 83 Lesebefund. 84 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant, nach Verwendung als Generalstabschef bei den Zernierungstruppen an der poln. Grenze, neuer Kommandeur des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments Nr. 1. 85 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, neuer Kommandeur des Kürassier-Regiments „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ Nr. 6. 86 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin erhielt als preuß. Oberst nach dem Kürassier-Regiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ Nr. 6 das Kommando über die 8. Kavallerie-Brigade in Erfurt. 87 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 14. Division in Düsseldorf. 88 König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864), gest. am 25. Juni. 89 König Karl (1823–1891) und Königin Olga von Württemberg, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892). 90 Silberne Hochzeit von König Wilhelm III. (1817–1890) und Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), verh. seit 18. Juni 1839. 91 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Geheimer Legationsrat, ehem. Ministerresident in Florenz und Historiker. Der Krieg 1859 beendete seine diplomatische Karriere. Aufgrund fehlender Verwendung zog er nach Bonn und widmete sich seinen Studien v.a. zur ital. Geschichte.
532
Briefe 1851–1873
Marienbad, den 7ten July 1864 Meine liebe Elis, welches Glück, daß ich meiner ersten Idee nicht folgte, Dir gleich danken wollte für unsern sich gekreutzten Brief. Dann wäre wieder eine mord Confusion geworden sein. Aber nun danke ich innig für beide Briefe, die mir so viel Freude gemacht, weil ich auch sehe, daß es Dir doch besser geht und Du wirklich die Idee hast, nach Pilnitz zu gehen. Ich will nur hoffen, daß es wärmer dort ist wie hier. Die Morgende und Abende sind bitter kalt. Ich ziehe mich wie im Winter an, den dicksten, wattierten Mantel thue ich um. Alle Bekannte gehen fort. Unser schon sehr kleiner Kreiß wird immer kleiner. Heute machte ich die Bekanntschaft von Max Taxis sein Frau (Öttingen) und Töchter,92 die gestern Abend angekommen. Sie scheint eine scharmante Frau zu sein. Sonst hallte ich mich sehr zurück, [um] nicht mit so vielen herum spazieren zu müßen, das fatigiert. Wenn ich von mir sprechen darf, geht es recht gut bis jetzt. Unberufen, ich kann schon längere Promenade auf den Bergen hier machen. Aber die Füße sind doch noch schwach. Das Stehen wird mir immer noch schwer. Der Tod von Mutter Lorchen93 thut mir zu leid, aber für sie ein Glück. Sie litt doch sehr, und ihr Ende war so sanft. Welches Glück, daß Alfred94 noch da war. Für Dich ist seine Beförderung recht schade, da Du das Ehepaar viel sahst. Dafür kömmt ja Treskow95 nach Berlin. Der Sieg in Alsen96 ist doch wieder ein so großes Glück, auch das kleine Gefecht zur See war ganz brillant. Bruder Wilhelm schrieb mir gestern sehr glücklich darüber. Vielleicht kömmt er durch Marienbad auf seiner Durchreise nach Gasteinen. So ganz gewiß ist es nicht. Ich bin am 20ten mit meiner Kur, wie man sagt, über und über fertig und weiß nun garnicht, wo ich die Tage hin bringen soll bis zum 23ten. Denn alle meine Verwandten, die ich gern besuchen würde, wie Altenburg oder Meiningen, sind in Bäder. Und doch möchte ich Dich so gern heimsuchen auf der Rückreise. Ich muß länger vielleicht hier bleiben, nun, es wird sich wohl machen! Nun leb wohl. Dieser Brief trifft Dich wohl schon in Dresden. Bitte mich Dein Schwestern97 zu empfehlen. Augusta kommt nun wohl heute nach Berlin! Deine treue Adine 92 Fürstin Mathilde Sophie von Thurn und Taxis, geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg (1816–1886), verh. 1839 mit Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802– 1871), und ihre Töchter, die Prinzessinnen Amalie (1844–1867) und Marie von Thurn und Taxis (1857–1909). 93 Laurette von Rauch, geb. Reichsgräfin von Moltke (1790–1864), gest. am 1. Juli. 94 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, neuer Kommandeur des Kürassier-Regiments „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ Nr. 6 in Brandenburg, verh. 1851 mit Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901). 95 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant, neuer Kommandeur des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments Nr. 1 in Berlin. 96 Nach den Niederlagen bei Düppel und Fredericia hatte sich der Großteil der dän. Truppen auf die Inseln Fünen und Alsen zurückgezogen. Ende Juni besetzten die preuß. und österr. Truppen auch die Insel Alsen. 97 Königin Maria Anna (1805–1877) und Königin Amalie Auguste von Sachsen (1801–1877), geb. Prinzessinnen von Bayern.
1864
533 Marienbad, den 20ten July 1864
Ich eile, Dir zu danken für Deinen lieben Brief. Und ich freue mich so, daß Du endlich ein Mal so eine rechte Herzensfreude hast, die Dir Leib und Seele erfrischt. Das thut Dir Noth. Mögen die wenigen Tage, die Du noch mit Deinen lieben Schwestern und im Famillen Kreise dort verlebst, recht ungestöhrt vergehen. Ich wollte Dir nur auch noch melden, daß, wenn Du wirklich am Sonnabend den 23ten zurückkehrst, ich am 24ten um 1 Uhr mittags bei Dir eintreffe, und wenn Du mich behallten willst, bis Mittwoch Abend, damit ich den 28ten in Schwerin sein kann. Die Cur ist mir gut bekommen. Mit heute habe ich sie beendigt. Und da erwarte ich Bruder Wilhelm um 5 Uhr von Carlsbad. Leider ist das Wetter schäuslich seit vorgestern. Und es sind Ehrenpforten gebaut, die Häuser flaggen, die Menschen wollen Empfang, Abend ist Réunion, Fackelzug, Gesang und Beleuchtung des Kreutzes. Das kann alles naß und kalt ausfallen. Morgen reiset er bis Regensburg weiter, wo aber niemand von Taxis ist. Die Frau ist hier mit ältester und jüngster Tochter.98 Wir sehen uns viel. Sie ist recht liebenswürdig. Denk Dir, gestern hat der gute Otto von Griechenland99 mich besucht, kam expres von Carlsbad herüber, hat bei mir gegessen. Seit 34 Jahren hatte ich ihn nicht gesehen. Wir fanden uns gegenseitig entsetzlich verändert. Ich schließe hier, um noch die Zimmer von Wilhelm etwas auszuschmücken. So Gott will, auf glücklich Wiedersehen am Sonntag. Es ist ja nun Waffenruhe. Wir wollen hoffen, daß ein Friede sich daran knüpft.100 Preußen und Östreich können stolz sein auf die Lorbern, die sie sich erkämpft haben. Deine treue Adine Den Schwestern101 meine Empfehlung. Dobbran, den 2ten August 1864 Geliebte Elis, nun hier einige Tage in Ruhe, eile ich, Dir ein Lebenszeichen zu geben. Zu erst möchte ich gerne wißen, wie es Dir geht, ob Du die noch schönen Tage nach meiner Abreise hast recht genießen können und ob es Dir gut geht. Dann möchte ich Dir noch recht danken, daß Du mich wieder so liebevoll aufgenommen hast. Bei Dir zu sein, gehört recht zu meinen Glück und Freude. Und die schöne Stille und Ruhe in Deiner Nähe thut 98 Fürstin Mathilde Sophie von Thurn und Taxis, geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg (1816–1886), verh. 1839 mit Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802– 1871), und ihre Töchter, die Prinzessinnen Amalie (1844–1867) und Marie von Thurn und Taxis (1857–1909). 99 Der abgesetzte König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867). 100 Nachdem die dt. Bundestruppen das gesamte dän. Festland besetzt hatten, wurde am 18. Juli in Christiansfeld ein Waffenstillstand geschlossen, der am 20. Juli 1864 in Kraft trat. Der Frieden von Wien beendete am 30. Okt. den Deutsch-Dänischen Krieg. 101 Königin Maria Anna (1805–1877) und Königin Amalie Auguste von Sachsen (1801–1877), geb. Prinzessinnen von Bayern.
534
Briefe 1851–1873
mir so wohl. Hier bin ich dann ohne meinen Willen mitten im Jubel des Einzuges102 auf dem heiligen Damm gerathen. Fritz und Anna hatten sich im Ort Dobbran länger aufgehallten. Und so kam ich unmittelbar nach ihnen an. Die Empfangsrede in ihrem Contage103 war noch nicht zu Ende, als ich vorfuhr. Der Ort sowohl wie das Bad Dobbran war reitzend geschmückt mit Guirlanden und Fahnen, [am] Abend war eine sehr hübsche Beleuchtung. Auf dem Meer schwammen brennende Theertonnen, es war warm und Windstille, so daß alles wohl gelang. Anna ist entzückt von hier, findet die Luft so schön. Das Meer präsentiert sich in Sonnenschein und einigen Gewitterschauer, die aber alle im Meer ziehen und die wunderbarste Farbenspiele hervor ruft. Die stille Morgende und Nachmittage sagen ihr sehr zu. Sie machen viel Spaziergänge in den Buchenwälder und größere Fahrten darin. Kurtz, es gefällt ihr sehr. Des Mittags wird en table d’hôte104 gegessen, wo bis jetzt noch große und viele Vorstellungen statt fanden. Denn es sind viele Menschen hier, Einheimische und Fremde, viele Preußen, einige Östreicher, Graf und Gräfin Belkredy,105 ein Prinz von Hohenlohe-Langenburg,106 Vetter von der Augustenburg107 und der Erbprinz von Meiningen.108 Ganz vergaß ich mich zu freuen oder es auszusprechen, daß der Frieden so gut wie gewiß und 3 Monate Waffenstillstand. Gott gebe nur Einigkeit und daß die Stimmung in Deutschland nicht so gehäßig gegen Preußen bleibt. Wie da alles verdreht wird und Lügen erfunden, da macht man sich keinen Begriff. Ich hatte gestern einen Brief von Elise Fersen, die so traurig ist über den Tod von Mutter Lorchen,109 schreibt, im September kömmt sie wahrscheinlich nach Berlin auf längere Zeit. Und dann geht sie nach Vevey, doch wird alles erst fest bestimmt, wenn Fersen110 aus Vichi zurück kömmt. Eben hatte ich ein Telegram von Bruder Wilhelm, worin er mir anzeigt, daß gestern die Friedens Präliminarien in Wien unterzeichnet sind, die 3 Herzogthümer abgetreten, Waffenstillstand bis zum definitiven Frieden.111 Ach, wie muß man Gott danken, daß Er alles so gewendet hat und Er mit uns war. Nun leb wohl, Deine alte Adine 102 Feierlicher Einzug von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin und seiner Frau Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1843– 1865), in Heiligendamm nach ihrer Heirat am 12. Mai. 103 Gemeint ist „Cottage“. 104 Frz. = Tafel des Gastgebers, im Sinne einer gemeinsamen Tafel mit den Gästen und festem Menü. 105 Richard Graf von Belcredi (1823–1902), österr. Statthalter von Böhmen, verh. 1854 mit Anna von Welden (1834–1918). 106 Prinz Ludwig zu Hohenlohe-Langenburg (1823–1866), österr. Oberst. 107 Erbprinz Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829–1880) hatte sich als Friedrich VIII. zum Herzog von Schleswig-Holstein erklärt. 108 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 109 Laurette von Rauch, geb. Reichsgräfin von Moltke (1790–1864), gest. am 1. Juli. 110 Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Oberjägermeister am kais. Hof. 111 Am 18. Juli war in Christiansfeld ein Waffenstillstand zwischen Preußen, Österreich und Dänemark geschlossen worden. Der Frieden von Wien beendete am 30. Okt. den Deutsch-Dänischen Krieg. Dänemark musste die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten.
1864
535
Morgen der sonst so glückselige 3te August!112 Dobbran, den 9ten August 1864 Mitten im Trubel der Wettrennen113 erwisch ich doch noch einen Augenblick, liebe Elis, um Dir zu danken für Deinen lieben Brief. Also, Dein Vetter Gustav114 war bei Dir. Ich sah es schon in der Zeitung und dachte mir gleich, daß er Dich fatigieren würde. Es ist recht traurig, daß er solche Unruhe hat und so viel spricht. Für ihn ist es doch wohl seine einzige Freude, die lieben Cousinen zu besuchen. Seine Reise nach Cuxhafen denke ich mir sehr interessant. Ich möchte auch wohl unsere kleinen Schiffe sehen, die durch ihr gutes Schießen und keckes Auftreten viel zum Siege beigetragen. Bruder Wilhelm wird, wie es heißt, am 15ten Gastein verlaßen und nach Wien gehen, und dann nach Berlin zurückkehren. Vielleicht macht er auch eine kleine Ausflucht nach Cuxhaven. Ich gönnte ihm diese Freude, denn im September oder noch im August fangen die Manöver bei Brandenburg und Gentin an, wozu Sache erwartet wird. Da möchte ich auch auf ein paar Tage hin. Aber ich weiß nicht, ob es sich machen läßt. Ist der Tag Deiner Abreise nach Ischel schon bestimt? Ich hoffe nur, daß es wärmeres Wetter wird, regnen thut es auch genug. Heute ist das Wettrennen um meinen Becher.115 Und die Sonne schien, es ist aber sehr windig. Ich fühle mich dies Jahr wieder so wohl wie seit 3–4 Jahr nicht, unberufen, daß ich wieder Spaß an den gleichen Dingen habe. Anna116 amüsiert es auch, aber sie ist noch garzu schüchtern, und dadurch ist sie nicht freundlich genug. Noch ist mir nichts anvertraut, aber es scheint mir, als wenn Aussichten wären, freilich aber kaum zu rechnen.117 Bitte spreche aber nichts darüber, da man es mir nicht anvertraut hat. Es sind jetzt einige Bälle, und sie tanzt nur francoisen. Das fällt auf! Mein Sohn Wilhelm ist auch hier auf 10 Tage und ist von Erfurt nicht sehr erbaut, wohl aber von den entfernten Orten, wie Liebenstein, wo er beim Erbprinzen118 gewesen. Und dort fand er die Erbprinzessin von Augustenburg, nicht sehr angenem.119 Sie war aber sehr freundlich und hat ihm zugetrunken auf die tapferen preußischen Truppen. Dann ist er in Reinhartsbrunn gewesen und hat den Herzog120 begegnet, auf der Jagdt fahrend, der ihm sein Adjutanten geschickt und alle seine Jagdten ihm angebothen, höchst aimable. Schande halber hat er 112 Geburtstag von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 113 Doberaner Pferderennen auf der Galopprennbahn in Doberan jedes Jahr im August. 114 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 115 „Alexandrinen-Rennen“ beim Doberaner Pferderennen zu Ehren von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin am 9. Aug. 116 Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1843– 1865). 117 Schwangerschaft mit Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882), geb. am 7. April 1865. 118 Erbprinz Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829–1880) hatte sich als Friedrich VIII. zum Herzog von Schleswig-Holstein erklärt. 119 Erbprinzessin Adelheid von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Herzogin von Schleswig-Holstein, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg (1835–1900). 120 Herzog Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1798–1869).
536
Briefe 1851–1873
sein Besuch gleich dort machen müßen im staubigen Reise Costum. Er hofft, nach Berlin zu den Manövern kommen zu können. Eben von den Rennen zurück, eile ich, den Brief zu schließen. Der Sohn von Graf Rennar121 hat meinen Becher gewonnen. Ein Lieutenant Jagmann122 hat für ihn geritten, derselbe welcher General Pleve123 erschossen hat. Es war mir nicht sehr angenem. Nun leb wohl, Deine treue Adine Wie freue ich mich, daß es dem guten, alten Finkenstein124 besser geht. Welcher Döhnhof thut jetzt Dienst bei Dir, der ehemalige Garde Du Corps?125 Dobbran, den 26ten August 1864 Geliebte Elis, heute wirst Du, wie die Zeitung meldet, die Freude haben, Wilhelm in Ischel zu sehen. Ich finde es von ihm zwar natürlich, aber doch eine hübsche Attention. Ich hoffe, er findet Dich wohl nach Deiner Reise, die Du recht rasch gemacht hast, wie Du mir in Deinem letzten Brief schreibst, für den ich Dir herzlich danke. Ich folgte Dir mit meinen Gedanken auf Deinem Weg. Du hast ja Luise Alexis126 in Gemunden besucht. Wie wird sie dies beglücken. Es war gewiß recht hübsch, denn die Lage muß köstlich sein. Wenn Du nur besser Wetter wie wir hier hast. Wir haben drei Tage so heftigen Sturm gehabt, wie ich es in den 42 Jahren noch nicht erlebt. Er hat großen Schaden angerichtet, alle Bäder zerstöhrt, die Damen wie Herren Bäder, die Stege, die in Meer hinein gehet, 3 kleine Bothe, mit den man viel im Meer fuhr, zerzällt,127 eine Promenade am Meer, die auf steinernen Mauern hinliefen, sind die Mauern umgerißen, eingestürtzt. Es sieht furchtbar am Strande aus, alles mit Trümmern bedeckt. Heute scheint nun wieder die Sonne und man lebt auf. Mein Cottege erzitterte ordentlich unter den unaufhörlichen Windstößen. Es war schauerlich. Grade am Sonntag hatten wir noch so schönes, ruhiges Meer, daß wir alle nach Wismar waren, um die preußische Flottille zu sehen. Die Grille holte uns, auf der Arkona haben wir gegessen und die Rückfahrt nach Dobbran gemacht, wohin uns das ganze Geschwader begleitet, mit Salut Salven entließ, was prachtvoll 121 Johannes Maria Graf von Renard (1829–1874), schles. Montanindustrieller und Pferdezüchter, Sohn von Andreas Maria Graf von Renard (1795–1874). 122 Konrad Jachmann (1833–1892), preuß. Premierleutnant im Ostpreußischen Kürassier-Regiment Nr. 3 in Königsberg. 123 Bernhard Joachim von Plehwe (1792–1858), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 1. Division, gest. am 15. Febr. 1858 in Königsberg in einem Duell mit Konrad Jachmann, Schwager seines Sohnes. 124 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant a.D. und erster Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 125 Louis Graf von Dönhoff (1799–1877), preuß. Generalmajor a.D., 1848–1854 Kommandeur des Regiments Gardes du Corps. 126 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901), seit 1861 geschieden von Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). 127 Sic!
1864
537
war.128 Von der anderen Seite zog ein Gewitter auf, was Blitz und Donner sich hinein mischte. Conter Admiral Jachmann129 kommandiert daß Ganze. Alle die Capitains und Offiziere waren liebenswürdig und interessant. Auch den kleinen Graf Hauck130 haben wir kennen gelernt, Neffe von schnurtz Häuckchen,131 er soll ein recht düchtiger See Offizier sein. Die andern Schiffe hießen Nimphe,132 welche mit der Arkona daß brillante Gefecht am 17ten März bei Jasmund gehabt, und die Vineta,133 ein etwas größeres Schiff. Dann waren noch 4 Kanonen Bothe mit. Du kannst denken, wie ich glücklich war und stolz, auf preußischen Schiffen zu sein, die sich schon so sehr aus gezeichnet. Den Abend war den Offizieren ein Ball zu Ehren am Heiligen Damm, wozu die Damen sich alle sehr hübsch und elegant angezogen hatten. Und bis 2 Uhr wurde munter getanzt. Am Montag früh ging die Flottille nach Wismar zurück und Dienstag nach Lübeck. Bis Dienstag oder Donnerstag bleibte ich hier noch. Dann gehe ich nach Schwerin und Ludwigslust. Und wenn die lieben Kinder im Oktober abreisen, komme ich mit Deiner Erlaubnis zum 15ten Oktober nach Sanssouci. Diesen Augenblick hat Anna die Freude, ihren Bruder Heinrich134 hier zu haben, der mit ihnen am Montag abreiset. Deine treue Adine Sollte Deine Schwester Sophie schon bei Dir sein, bitte mich zu empfehlen und um ihre und des Erzherzogs135 Photographie zu bitten. Schwerin, den 18ten September 1864 Geliebte Elis, ich wage noch, nach Ischel zu schreiben, und hoffe, daß Du mein Dank noch dort empfängst für Deinen Brief, der mir so viel Freude machte. Denn ich war wirklich außer mir, auch so garnichts von Dir zu hören. Ich wußte nicht, wie Dir die Reise bekommen, wie Du Dich im schönen Ischel fühltest, ob das Leben Dir noch angenem, da es so ein ganz anderes sein mußte. Nun bin ich glücklich, Dich so zufrieden und froh zu wißen, mit so vielen lieben Geschwistern. Aber recht kurtz wird die Zeit schei128 Ostseegeschwader der preuß. Marine unter Konteradmiral Eduard Jachmann (1822–1887), das am Deutsch-Dänischen Krieg beteiligt war. Die „SMS Grille“, ein kleines Segelschiff mit Dampfantrieb, war ein Nachrichtenschiff und wurde in Friedenszeiten als königliche Yacht genutzt. Die Dampfkorvettte „SMS Arcona“ der „Arcona“-Klasse diente als Flaggschiff des Geschwaders. 129 Eduard Jachmann (1822–1887), Kommandeur des Ostseegeschwaders, war nach dem Seegefecht bei Jasmund am 17. März gegen Dänemark zum Konteradmiral befördert worden. 130 Friedrich Graf von Hacke (1841–1897), preuß. Leutnant zur See auf der „SMS Arcona“. 131 Verm. Adelaide Gräfin von Hacke (1812–1891), Hofdame bei Königin Augusta von Preußen. 132 Die „SMS Nymphe“ war eine Dampfkorvette der „Nymphe“-Klasse. 133 Die „SMS Vineta“ war eine Dampfkorvette der „Arcona“-Klasse. 134 Prinz Heinrich von Hessen-Darmstadt (1838–1900), preuß. Major, hatte im Deutsch-Dänischen Krieg gekämpft, Bruder von Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt. 135 Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878), verh. 1824 mit Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872).
538
Briefe 1851–1873
nen, da Du schon am 2ten abreisen willst. Ich freue mich auch für Dich, daß Du Dich im schönen Saltzburg aufhallten willst, nach Poßenhofen zu Schwester Luise136 gehen und auch Marichen in München sehen. Dies Wiedersehen wird ein recht trauriges sein und doch für Euch beide eine Wohlthat, und der armen Marichen gönne ich von Herzen diese Freude. Wir haben die ersten 8 Tage in Ludwigslust ziemlich unruhig zugebracht, da Comte de Paris mit seiner 15jährigen Frau137 uns besuchte, und dieses Mama so angriff, daß wir sie viel bei uns hatten. Sie ist eigentlich nicht hübsch, sie hat eine bedeutend große Nase, die sich wohl noch vergrößern wird, einen ganz kleinen Mund, hübsche, kluge Augen, die etwas herausstehen, blondes Haar, eine manifike Figur, lustig und lebendig, sehr Kind noch, am 23ten wird sie 16 Jahr. Aber sie hat uns sehr gut gefallen, und das Paar scheint sehr vergnügt. Von hier sind sie auf 3 Tage nach Dresden, dann nach Weimar, von da nach Ungarn zu der Tante138 und zuletzt nach Italien. Jetzt war Anna mit Fritz 2 Tage in Friedrichsmoor zur Jagdt, wohin ich mit den Kindern zum Diner fuhr und dann im Walde herum gefahren, was uns viel Spaß machte. Der junge regierende Fürst Reuß Greitz139 war auch einen Tag hier, um Mama und Anna zu sehen. Er kam von Ostende, ein recht junger Herr, er studiert noch 2 Jahr in Leibzig. Mein Fritz geht morgen Nacht nach Berlin zu dem Manöver, wo er selbst 2 Tage comandieren wird. Wir bleiben ruhig hier. Anna ist in anderen Umständen, es ist ein stillschweigendes, öffentliches Geheimniß.140 Da schon Kinder hier sind, so macht es weiter keinen besonderen Effect. Nun leb wohl. Gott geleite Dich und laße Dich nicht zu viel leiden. Deine treue Adine Luise ist noch in die Schweitz, glückselig. Ludwigslust, den 9ten Oktober 1864 Ich eile, geliebte Elis, um Dir zu danken, daß Du mir noch geschrieben hast aus Pilnitz. Welch einen Schatz von lieben Erinnerungen wirst Du nun mitgenommen haben von Deiner Reise, von Deinem Zusammenleben mit den lieben Schwestern. Du wirst auch gesehen haben, daß Du sie garnicht geniert, und nun mehr Muth gefaßt haben, solche 136 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 137 Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894), verh. am 30. Mai mit Prinzessin Maria Isabella von Orléans-Montpensier, Infantin von Spanien (1848–1919). 138 Verm. Herzogin Clementine von Sachsen-Coburg-Koháry, geb. Prinzessin von Orléans (1817– 1907), verh. 1843 mit Herzog August von Sachsen-Coburg-Koháry (1818–1881), der die umfangreichen Besitzungen seiner 1862 verstorbenen Mutter in Ungarn geerbt hatte. 139 Fürst Heinrich XXII. von Reuß-Greiz (1846–1902). Bis zu seiner Volljährigkeit 1867 übernahm seine Mutter Fürstin Caroline von Reuß-Greiz, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1819–1872), für ihn die Regentschaft. 140 Schwangerschaft mit Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882), geb. am 7. April 1865.
1864
539
Reisen unternehmen zu können. Im stillen Sanssouci wirst Du noch fortleben in den schönen Erinnerungen. Wenn Du erlaubst, liebe Elis, so möchte ich am 13ten in Sanssouci ankommen, ich denke, um 6 Uhr. Man sagt, Luise käme auch denselben Tag. Mir schrieb sie aus Genf vom 29ten, und da wollte sie nach Villeneuve im Hotel Begern gehen, weil Marichen sich erkältet und sie eine wärmere Lage suchte zum längern Aufenthalt. Und da wußte sie noch nicht, wann sie nach Sanssouci zu Dir kommen würde. Es muß sich alles schnell entschieden haben. Wird wirklich am 15ten unser lieber Fritz nach seiner letzten Ruhestätte gebracht werden?141 Ist der Engel aufgestellt und alles in Ordnung? Ich sehe ihn ungern aus der friedlichen Stätte scheiden! Auch für Dich wird es jetzt viel unbequemer werden. Wir sind an dem Tage wohl natürlich ganz schwartz, aber wohl nicht Mütze und Schleier? Die lieben Kinder Friedrich und Paul sind denn gestern unter vielen Thränen abgereiset und viele Thränen folgten ihnen.142 Es war ein schweres Loßreißen, wir sind heute noch alle ganz angegriffen, und sie fehlen uns so sehr. Es ist ganz still geworden. Nun leb wohl, ich hoffe also am 13ten auf Wiedersehen und daß ich Dich leidlich wohl finde. Deine treue Adine Noch muß ich Dir sagen, wie es mich beschämt und doch so wohl gethan, daß Du meiner so liebevoll gedenkst an dem Tag der Erkrankung unsers lieben Fritz. Schwerin, den 8ten November 1864 Geliebte Elis, anstatt nach lieber Gewohnheit um 9 Uhr zur Morgenandacht zu Dir zu gehen, komme ich vom Schloß von der Morgen Andacht, versetze mich aber ganz zu Dir, wo ich wieder 3 so frohe Wochen verlebt habe. Und eigentlich wäre ich zu gern noch einige Tage geblieben, aber man verwöhnt sich zu sehr, und hier ist es ja auch ganz gut. Und die Liebe und Freude meiner Enkel, wenn sie mich wiedersehen, ist doch ein großes Glück. Fritz und Anna kamen erst Sonntag so späth von ihrer Kirchen Einweihung143 zurück, daß ich sie da nicht wiedersah, sondern erst gestern Morgen. Sie waren beide sehr woh[l] und sehen glücklich aus. Ich habe gestern Mittag bei Ihnen gegessen, wo Putlitz mit Frau144 und Gräfin Brühl145 war. Letztere kannte ich kaum, sie scheint recht ange141 Im Okt. 1864 wurde in der Potsdamer Friedenskirche die Königliche Gruft eingeweiht und der Sarkophag des 1861 verstorbenen Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen aufgestellt. 142 Kuraufenthalt 1864–1866 in Bagnères-de-Bigorre zur Behandlung des chronischen Bronchialasthmas des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897), begleitet von seinem Bruder Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1852–1923). 143 Verm. Einweihung der 1861–1864 im neugotischen Stil erbauten Dorfkirche in Granzin bei Lübz am 6. Nov. 144 Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), Gutsbesitzer auf Retzin, Schriftsteller, seit 1863 Intendant des Hoftheaters Schwerin, verh. 1853 mit Elisabeth Gräfin von Königsmarck (1825– 1901). 145 Verm. Jenny Gräfin von Brühl, geb. von Pourtalès (1795–1884), Witwe von Karl Graf von Brühl
540
Briefe 1851–1873
nem. Gestern Abend war ich erst im Theater und dann zum Thee bei Ministers Oertz,146 wo Graf und Gräfin Schulenburg war, geborene Maltzahn,147 Tochter von Addys Kammerherr,148 die sich bei Anna vorstellen will. Heute Mittag ist ihnen zu Ehren Diner auf dem Schloß und Thee bei mir. So falle ich gleich in der großen Welt herein. Alle diese Feste sind aber mehr freundschaftlich, da die Thees nur aus 6–7 Personen bestehen. Nun aber möchte ich wißen, wie es Dir geht, ob Du Deinen Vorsatz ausgeführt und gestern in Berlin gewesen bist, in der Ausstellung und auch bei Hildebrand,149 wie es Dir gefallen und ob es Dich nicht zu sehr angegriffen hat. Ausserdem war es gestern recht kalt. Es war 4° Kälte mit Nord Ost. Ich habe aber doch eine große Promenade gemacht, nicht wie im lieben Sanssouci um ½ 8 Uhr, das geht hier in der Stadt nicht, sondern um 2 Uhr mit der Schöning. Man ist allgemein verwundert, mich wieder so wohl und gut gehen zu sehen. Ich bin aber auch dem Herrn sehr dankbar dafür. Ich möchte, ich könnte Dir etwas abgeben, geliebte Elis. Ich bin immer in Bewunderung über Dich, wie Du Dich so fügst im Willen des Herrn und so gütig und freundlich und theilnehmen bleibst für alle Menschen. Ich fürchte, die liebe Döhnhof150 liegt auch nieder und hat sich auch wohl noch nicht entschieden, ob sie oben herauf in mein lieben Zimmerchen ziehen wollte. Nun leb wohl, ich hoffe, Addy ist wohl und die Jungfer ausser Gefahr. Deine treue Adine Schwerin, den 13ten November 1864 Meine liebe Elis, da Du eigentlich nicht willst, daß man des 13ten November gedenken soll, so habe ich Dir auch nicht dazu geschrieben, noch Telegram gesendet. Aber an Dich habe ich viel gedacht und in die Kirche innig für Dich gebetet. Der Herr wird es erhört haben und Dir Linderung in Deine Leiden geben, wenn nicht gänzliche Heilung möglich wäre, und daß er mir Deine Liebe erhällt. Denn ich hänge mit meinem ganzen Herzen an Dich. Tausend Dank für Dein lieben Brief. Du hast wieder viel geleistet, und nun wirst Du auch das abscheuliche Schröpfen überstanden haben. Vielleicht hilft es Dir doch. Ich bin noch so viel mit mein Gedanken bei Dir. Alle Morgen, wenn ich zur Morgen Andacht um 9 Uhr gehe, denke ich an Dich. Und Luise geht es so im Haag, ihre Gedanken weilen auch so viel bei Dir. Und die schönen 3 Wochen, wie schnell flogen sie dahin. Morgen früh reiset Fritz und Anna mit der neuen Eisenbahn nach Brandenburg, (1772–1837), preuß. wirkl. Geheimer Rat und Generalintendant der Schauspiele und Museen. 146 Jasper von Oertzen (1801–1874), mklbg.-schw. Ministerpräsident, verh. 1829 mit Amanda Schuback (1809–1891). 147 Werner Graf von der Schulenburg (1832–1880), Majoratsherr auf Groß Krankow, verh. 1861 mit Marie (Mary) Freiin von Maltzahn (1843–1900). 148 Gustav Freiherr von Maltzahn (1817–1871), preuß. Rittmeister a.D. und diensttuender Kammerherr bei Prinzessin Alexandrine von Preußen. 149 Eduard Hildebrandt (1818–1868), preuß. Hofmaler. 150 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen.
1864
541
wo Augusta und Fritz von Strelitz sein werden. Es soll Diner, Abend Thee und Illumenation, den Dienstag Galla Diner, Abend Soiree mit Ball [geben]. Mittwoch kehren sie heim. Auf dem Rückweg wollen sie in Remplin ihren Besuch bei Katy und George machen. Nun leb wohl, denn ich will noch im Theater fahren. Deine treue Adine Schwerin, den 19ten November 1864 Geliebte Elis, der 19te ist schon seit Jahren ein Festtag für uns gewesen und wird es ewig bleiben. Und daher küße ich Dich heute ganz besonders in Gedanken und Gebet, möge Dir der Herr viel Seegen geben und Dich uns erhallten. Du weißt auch, meine Elis, wie lieb wir Dich haben und wie glücklich Luise und ich besonders bei Dir sind und Deine Liebe uns glücklich machte. Gott schütze Dich. Noch eine Freude muß ich Dir mittheilen, daß Bruder Wilhelm mein Sohn Wilhelm aus Erfurt erlöset hat und ihm dafür die Brigade in Brandenburg giebt.151 Ich habe vor Freude geweint. Und wie König Wilhelm an mein Sohn es gesagt, als der sich meldete, nach Erfurt abzugehen, soll er ganz sprachloß gewesen sein. Und denk Dir nur, nun bekommt er sein schönes Regiment wieder unter sein Befehl, die schönen Zieten Husaren und das 11 Uhlanen Regiment in Perleberg, dicht an unsern Grenzen. Es ist zu viel des Glücks, und wie unbeschreiblich gnädig von Wilhelm. Wenn Du ihn siehst, kann[st] Du ihm auch sagen, wie glücklich wir alle sind. Diese nächste ganze Woche von Dienstag an auf 8 Tage haben wir Durchmärsche von den tapfern, lieben preußischen Regimenter: 24, 64, 60 und 35, alle, die sich so ganz besonders ausgezeichnet.152 Daß freut mich auch ganz unbändig. Meine Reise nach Strelitz, die ich Montag antreten wollte, habe ich nun verschoben und denke, wenn es dort passet, am 30ten hinzureisen. Nun leb wohl, ich will auf dem Schloß zur Morgen Andacht. Reuß VI.153 war 2 Tage hier. Es muß ihm schwer gewesen sein. Deine treue Adine Schwerin, den 26ten November 1864 Meine liebe Elis, habe innigen Dank für Deinen lieben Brief vom 21ten. Wie freue ich mich, daß Dir die schwartze Spitzen Mantille lieb war. Es war wenigsten kein Möbel, wofür Du Angst hattest. Ich habe jetzt recht glückliche Tage verlebt, indem wir die ganze 151 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin erhielt als preuß. Oberst das Kommando über die 6. Kavallerie-Brigade in Brandenburg, zu der gehörten neben seinem alten Regiment, dem KürassierRegiment „Kaiser Nikolaus I. von Russland“ Nr. 6, das Husaren-Regiment von Zieten Nr. 3 und das Ulanen-Regiment Graf Haeseler Nr. 11. 152 Preuß. Infanterie- und Füsilier-Regimenter Nr. 24, 64, 60 und 35. 153 Gemeint ist wohl Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Gesandter in Bayern. Der Bruder Prinz Heinrich VI. von Reuß-Köstritz starb 1823 kurz nach der Geburt.
542
Briefe 1851–1873
Woche die lieben, braven preußischen Regimenter hier in Schwerin und Ludwigslust hatten, grade die so ausgezeichneten 24, 60, 64.154 Anna und ich sind ihnen entgegen gefahren und haben ihnen Lorbeer Kränze gegeben und Bouquets. Daß schien ihnen viel Freude zu machen, und hernach bei Durchmarsch der Stadt sind ihnen Kränze und Bouquets von allen Seiten gegeben und zugeflogen. Auch ist die Manschaft von der Stadt bewirtet worden. Ich habe mir auch Einquartierung ausgebeten und gehabt. Daß machte mir viel Freude. Des Abends war Theater für sie. Zum Diner hatten wir die Offiziere, der brave General von Manstein,155 der General von Röder (Feuer Röder)156 waren mehrere Tage hier, haben im Schloß gewohnt und uns viel erzählt. Gestern kam Feld Marschall Leutnant von Gablenz157 auf einige Stunden her, was uns sehr interessant war. Er ist ein eleganter, liebenswürdiger, echter Östreicher, hatte 5 Adjutanten mit. Wir gaben ihm ein großes Diner mit hübschen Damen oben im goldenen Saal, setzten unseren besten Fuß vor. Zufällig waren preußische Pionier und Artillerie Offiziere bei Durchmarsch, die auch erschienen. Morgen kommt das letzte Bataillon 60 hier durch. Das 35. sollte durch Ludwigslust, worauf wir uns sehr freuten, weil es sich so sehr bei Alsen noch ausgezeichnet. Es ist aber umgelegt worden. Montag ist Mama ihr Geburtstag, wo sie 88 Jahr alt wird und nun im 89ten Jahr tritt. Sie ist alt geworden, aber immer nicht, wie es ihr hohes Alter erwarten laßen sollte. Wir gehen natürlich dazu herüber. Am 3ten December werde ich nun wohl nach Strelitz gehen, mein Besuch zu machen. Ich sollte schon da sein, aber wegen den Durchmärschen der braven Truppen schrieb ich es ab. Königin Augusta kehrt ja nach Berlin am 29ten zurück!!! Wenn es wirklich der Fall sein sollte, daß Wilhelm die Truppen vom 3ten Armee Corps, welche jetzt zurückkehren, in Berlin einmarschieren läßt, dann stehe ich nicht dafür, daß ich um Erlaubniß bitte und auch dazu nach Berlin komme. Mein preußisches Herz zieht mich zu sehr dazu hin! Vor dem 6ten December wird es nicht sein. Wie mag es Dir gehen, liebe Elis, bei diesen Stürmen und unfreundlichen Wetter? Seit gestern liegt Schnee, dann regnet es und friert, also Glateis. Es ist schauderhaft. Nun leb wohl, Gott mit Dir, Deine alte Adine Strelitz, den 5ten December 1864 Geliebte Elis. Du wirst vielleicht schon erfahren haben, daß ich die Erlaubniß mir erbeten habe von Bruder Wilhelm, nach Berlin zu kommen, wenn die braven Truppen in Berlin einziehen. Und da werde ich morgen den 6ten in Berlin um 5 Uhr, hoffe ich, ankommen und auch da meine bleibende Stätte aufschlagen. Von Dir weiß ich garnichts, ob Du noch in Sanssouci bist oder in Charlottenburg übergesiedelt bist. Ich hoffe, Dich 154 Preuß. Infanterie-Regimenter Nr. 24, 60 und 64 und das Füsilier-Regiment Nr. 35. 155 Gustav von Manstein (1805–1877), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 6. InfanterieDivision. 156 Julius von Roeder (1808–1889), preuß. Generalmajor und Kommandeur de 12. Infanterie-Brigade. 157 Ludwig Freiherr von Gablenz (1814–1874), österr. Feldmarschallleutnant und Kommandeur des 6. Armeekorps.
1864
543
aber auf jeden Fall aufzusuchen, aber wann, wird wohl die Zeit erst lehren. Meine Absicht ist eigentlich, nur den 7ten December zu bleiben, weil den 8ten Johan Albrecht sein Geburtstag ist. Indessen, daran hallte ich nicht so fest. Ich bin hier in Strelitz. Die schöne, neue Eisenbahn158 bei uns hat mich schnell hergebracht. Recht, recht wehmüthich ist es mir hier ohne den lieben Onkel.159 Gestern war ich mit Marie oben in sein Zimmer. Es ist mir immer, als wenn er herein treten sollte. Fritz und Auguste sind aber unendlich freundlich und herzlich. Sie macht sich sehr gut als regierende Frau, alles geht so ruhig und still sein Weg. Gestern waren wir in die Kirchen, nacher war Marie lange bei mir. Dann ging ich zu Auguste, von da zu Marie und Lilli, überall schwatzt man sich so fest. Dann war Diner im großen Saal, abends Theater und dann souper bei Marie. Heut mache ich einige Visiten und theile mein Vormittag zwischen Marie und Auguste, um 5 Uhr kleines Diner und Abend soirée, was da vorgenommen wird, weiß ich nicht. Und morgen um 9 Uhr früh reise ich ab, im Reisewagen, eine ganz neue Erscheinung. Nun leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen. Wie es Dir nur geht? Ob die Schmertzen nicht zu arg geworden sind? Deine alte Adine Schwerin, den 14ten December 1864 Geliebte Elis, eben erfahre ich aus Berlin, daß am Sonnabend der Einzug um 12 Uhr ist. Dann giebt Königin Augusta ihrem Regiment160 ein Diner, wünscht mich nicht. Darf ich nun Deine gütige Einladung zum Sonnabend annehmen und zu Dein Diner, was Du Deinem Regiment161 giebst, erscheinen? Dazu kan ich wohl ein weiß Moor Kleid anziehen und zur Oper so bleiben? Sonntag ist Kirche in der Garnison Kirche und Galla Diner im Schloß. Wenn Du mich annimmst, so freue ich mich schrecklich, Dich auf diese Art zu sehen. Nun leb wohl, ich bin etwas lahm, Schmertzen im Knie, und habe 2 Tage hier still gelegen. Es geht etwas besser. Deine alte Adine Schwerin, den 24ten December 1864 Meine liebe Elis. Ich hoffe, diese Zeile sollen Dich heut Abend in Deine Einsamkeit finden und Dir sagen, wie viel ich Deiner gedenken, und wie grade dieser Abend Dir schwer wird, so einsam zu sein, wo Du selbst so unendlich viel Freude, nahe und fern, verbrei158 Am 11. Nov. war die Eisenbahnstrecke Güstrow–Teterow–Malchin–Neubrandenburg eröffnet worden. 159 Der 1860 verstorbene Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860). 160 Verm. das 4. Garde-Grenadier-Regiment Königin in Koblenz. 161 Das 3. Garde-Grenadier-Regiment Königin Elisabeth in Breslau. Elisabeth hatte als Königinwitwe die Chefstelle des Kürassier-Regiments Königin (Pommersches) Nr. 2 in Pasewalk an die neue Königin Augusta abgeben müssen und dafür ein Infanterieregiment erhalten.
544
Briefe 1851–1873
test. Traurige und schwere Erinnerungen knüpfen sich an diesen Abend, aber blicke dankbar zum Herrn auf, daß er den Geliebten nach so nahmlosen Leiden in sein Reich aufgenommen. Er sieht gewiß mit unendlicher Liebe auf Dich. Welch schöne Erinnerungen liegen aber in diesen Jahr hinter uns. Der Herr war so recht sichtbar mit Preußen, mit Bruder Wilhelm. Möge Er es ferner bleiben. Die schönen Tage der Einzüge, der siegreichen Truppen warn doch prächtig und erhoben die Herzen recht zum Dank zum Herr emphor und macht sie auch dehmüthig vor ihm. Dein Regiment162 ist in ein großes Entzücken über die Gnade und Huld. Ich hörte es von allen Seiten. Die Herrn selbst sprach ich nicht. Nun leb wohl. Ich kann wohl im Voraus mein Dank sagen für Deine Gaben, die meiner heute Abend warten. Aber gesehn habe ich natürlich noch nichts. Ein tiefes Wehe wird mein Herz auch heute Abend durchziehen, im selben Saal wie sonst ist der Weihnachtsbaum. Deine alte Adine Schwerin, den 31ten December 1864 In einer Stunde ist das alte Jahr abgelaufen und liegt unwiederbringlich hinter uns, mit sein Freuden und Leiden. Ernst ist immer solcher Abscheit im Leben, und man prüft, was man geleistet darin. Möge der Herr nicht zu streng über mich urtheilen, man strauchelt und fehlt mehr, als man selbst weiß. Er ist aber ein barmherziger Vater. Möchte Er für Dich Linderung für Deine Leiden bringen und die Kraft und Geduld geben, sie zu tragen. Wenn man Dir nur tragen helfen könnte, aber man kann nur beten, daß Er helfe. Heute Abend war ich im Schloß bei Fritz und Anna. Die Kinder und wir Großen goßen Blei. Es war alles wie sonst und doch so ganz anders. Aber wie es der Herr gewendet, so ist es doch jetzt wieder besser, und Anna ein zu liebes Wesen, so kindlich und reines Herzens, daß man sie lieb haben muß, und Fritz ist wirklich unaussprechlich glücklich, und das ist die Haubtsache. Wenn mein Brief bei Dir ankömmt, so ist der Vor Abend von dem Trauertag, wo ich mit meinen Gedanken immer um Dich bin und Dich so nach Sanssouci und in der Friedenskirche begleite, wo, wie ich in der Zeitung sehe, Kirche um 1 Uhr ist, [an] der Du wohl theilnehmen wirst. Möchtest Du Dich nicht erkälten. Es ist eine so heimtückische Kälte. Hier sende ich die letzte Photographie von Marichen,163 welche Du befohlen hast. Leb wohl im alten Jahr, sei wie bisher mir eine treue Schwester auch im neuen Jahr. Was wird es uns bringen? Wie viel haben wir aber dem Herrn zu danken im alten Jahr für seine Gnade, daß er so mit Bruder Wilhelm und ganz Preußen war. Möchte er Seine Hände seegnend über alle ausbreiten, Deine treue, alte Adine
162 Das 3. Garde-Grenadier-Regiment Königin Elisabeth in Breslau. 163 Verm. von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920).
1865 Schwerin, den 23ten Januar 1865 Meine liebe Elis, wie freue ich mich, von Dir zu hören, daß es Dir wieder besser geht und der Husten dies Mal nicht so hartnäckig war. Aber daß die Schmertzen immer die selben und vielleicht manchmal schlimmer, ist doch zu betrübt. Ich weiß jetzt auch, was es heißt Gichtschmertzen, da ich ganz lahm gehe, wegen mein Knie, indem es fest sitzet. Und doch, wie wenig ist das gegen Deine Leiden. Ich kann doch alles mit machen, was mir lieb ist, wegen Anna, die sich doch erst hinein finden muß in alle diese viele Bälle. 4 Bälle sind auf dem Schloß, und die Arme hat einen solchen horriblen Schnupfen und auch heftigen Husten, und das zu ihre sehr runde Figur, an der sie doch nun schwer zu tragen hat.1 Aber sie macht bis jetzt alles gut, auch ist sie sehr freundlich und liebenswürdig mit allen Menschen. Es waren viele Fremde aus dem Lande hier. Die sind alle entzückt von ihr, und ich habe meine Freude an ihr. Künftigen Winter, wenn ich dann noch lebe, kann ich mich auf die Fauleseite legen. In Berlin geht nun der Carnavall an, und die Kammern machen die Musik dazu.2 Herr Gröben3 spielt den Brumbasse. Es ist schäuslich, aber ich freue mich eigentlich, denn man kann ganz klar sehen, was sie wollen. Eins beunruhigt mich nur, die hohe Frau zeichnet den ersten Minister4 so sehr aus. Das ist ängstlich!!!!!!!!! Der Winter ist dies Jahr doch schauderhaft, fast kein Schnee, gestern 10° Kälte, heut 1° Wärme, nun schneit es. In Bagnière ist es fast ähnliches Wetter, seit Neu Jahr viel Schnee und viel Schmutz, warm und kalt.5 Von Louise hatte ich vor 2 Tagen einen Brief, wonach es ihr anfängt, besser zu gehen. Sie hatte aber viel Schmertzen gehabt. Und wie es scheint, bleiben sie ganz still draussen, was für Marichen auch das Beste ist. Nun leb wohl in treuer Liebe, Deine alte Adine Schwerin, den 9ten Februar 1865 Geliebte Elis, ich schreibe Dir heut bei 7° Kälte und ein Schneegestöber, was nun schon 24 Stunden anhällt, daß ich nicht das Schloß sehen kann. Darin kam gestern Louis von Darmstadt6 hier an, zur unbeschreiblichen Freude von Anna, die ganz seelig ist. Von der 1 Schwangerschaft mit Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882), geb. am 7. April. 2 Noch immer wurde in Preußen ohne einen vom Parlament genehmigten Haushalt regiert. 3 Mglw. Arthur Graf von der Gröben (1812–1893), Majoratsherr auf Ponarien und Mitglied des Preußischen Herrenhauses. 4 Otto Graf von Bismarck (1815–1898), preuß. Ministerpräsident und Außenminister. 5 Kuraufenthalt 1864–1866 in Bagnères-de-Bigorre zur Behandlung des chronischen Bronchialasthmas des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897), begleitet von seinem Bruder Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1852–1923). 6 Erbgroßherzog Ludwig (IV.) von Hessen-Darmstadt (1837–1892), Bruder von Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt.
546
Briefe 1851–1873
Lage des Schloßes und hübschen Gegend wird er keine Idee bekommen. Desto besser, dann komt er ein ander Mal im Frühjahr vielleicht wieder und hat dann die Überraschung. Ich möchte wohl wißen, wie es Dir geht, geliebte Elis, bei diesem Wetter. Bei mir wechselt es sehr ab. Unser Carnaval ist mit morgen geschloßen, wo noch ein Ball im Schauspielhaus ist. Am Dienstag gab ich noch eine soirée mit Tablaux und wonach dann souper getanzt wurde. Es war alles recht gelungen. Puttlitz7 hatte es arangiert. Es waren 3 Märchen: Aschenbrödel, Blau Bart und Dorn Röschen, die seine Frau8 als alte Frau an ihren Kindern erzählt und die Bilder zeigt. Es war ganz scharmant, passend hübsche Damen und Herrn gewählt, gute Costume und gute Beleuchtung. Ich lege einen Zettel ein, vielleicht amüsiert es Dich. Ich bin froh, daß nun alles hinter uns liegt. In Berlin ist es fast zu viel des Guten. Der Maskenball bei Putbus9 muß sehr hübsch gewesen sein. Du hast ja an Ady ein superbes femoire10 von Turkisen gegeben, noch von Charlotte. Sie schrieb es mir, ganz glücklich darüber. Die amüsiert sich auch prächtig, und es scheint ihrer Gesundheit nicht zu schaden. Die beiden Prinzeßin Ammen machen auch viel mit. Louis amüsiert sich auch prächtig. Nun leb wohl, ich muß zur Morgen Andacht, Deine treue Adine Morgen ist wohl die Vermählung in Dresden.11 Arme Amalie, wie vereinsamt wird sie sich vorkommen. Gestern bekamen wir auch die Nachricht, daß unsere ehemalens Oberhofmeisterin Gräfin Bassewitz12 in Ulm an der Lungenentzündung gestorben ist. Welches Glück, daß sie von ihren Leiden erlöset ist. Aber leid thut es mir doch. Der Rußische Gesandte in München Severin13 ist auch gestorben. Schwerin, den 25ten Februar 1865 Geliebte Elis, ich habe Dir für so viel zu danken, für Deinen lieben Brief vom 17ten und nun für den Antheil an den schönen Poins14 und nun noch für den deliziösen, weißen und schwartzen Mantel, der so wundervoll weich und warm ist. Ich freue mich schon sehr darauf, wenn ich ihn werde umthun. Mein recht alter Geburtstag verging still, aber 7 Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), Gutsbesitzer auf Retzin, Schriftsteller, seit 1863 Intendant des Hoftheaters Schwerin. 8 Elisabeth Edle Herrin zu Putlitz, geb. Gräfin von Königsmarck (1825–1901). 9 Wilhelm Malte II., Fürst und Herr zu Putbus (1833–1907). 10 Frz. fermoir = Verschluss. 11 Prinzessin Sophie von Sachsen (1845–1867), jüngste Tochter von Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, heiratete am 11. Febr. Herzog Carl Theodor in Bayern (1839– 1909). 12 Marianne Gräfin von Bassewitz, geb. Freiin von Lützow (1802–1865), ehem. Oberhofmeisterin bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 13 Dimitri Petrowitsch Severin (1792–1865), russ. Gesandter in Bayern, gest. am 2. Febr. 14 Frz. Points = mit der Nadel genähte Spitze.
1865
547
freilich durch Annas Gegenwart recht erheitert. Ihre Jugend und Frische, ihre große Heiterkeit und das Glück von Fritz macht, daß ich doch Gott recht dankbar bin, daß Er sie uns gesendet. Es ist ein ganz anderes Leben, besonders für Fritz und die Kinder. Ich habe sie auch sehr lieb, aber freilich einen Ersatz für das, was ich verlohren, kann sie nicht sein.15 Und dies machte nun diesen Schmertzens Tag recht fühlbarer. Ich kann mit mein Gefühl nicht fertig werden. Es ist noch alles so wund. Aber es mag ja so besser sein. Die Sehnsucht nach ihr hört nicht auf, und doch muß das Herz lob und preisen, daß die geliebte Auguste so selig vollendet hat, allen Schmertz dieser Erde hinter sich hat und bei dem Herrn sein darf, ewiglich. Ich wollte Dir noch von meinen schönen Geschenken schreiben, habe aber keine Zeit dazu. Nur flüchtig will ich noch erwähnen, von Fritz ein schön schwartzes Kanten Tuch, Anna theil an den Poins und ein allerliebst Lesezeichen mit Spruch und Blümchen gemahlt, sehr hübsch gemacht, Marichen Rücken Kißen, Abbat sein Photographie, aus Bagniere von den Enkel16 ein fein wolles Tuch, gesteckt wie die englischen, wis dort gemacht wird. Von der Galenfeld einen selbst gearbeiteten Huth mit Poins, der Schöning, in der Art, wie die Alvensleben17 die gemacht, die Gebete von unsern lieben Fritz. Nun leb wohl, Deine alte Adine Schwerin, den 6ten März 1865 Meine liebe Elis, ich sage Dir den herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief. Den 7ten. Ich laße den Anfang stehn, geliebte Elis, damit Du siehst, ich hatte da schon die gute Absicht, Dir zu schreiben, und setze es heute fort, wo ich weiß, [dass] Du schon für mich gebetet und gedacht haben wirst. Es thut so wohl, besonders an solchen Tagen, wenn man weiß, daß in Liebe und Theilnahme die fernen Lieben einem gedenken. 23 Jahre sind es her, und der Schmertz und die Trauer ist immer derselbe. Ich war im Dom, wo ich mit Fritz und Anna mit Kinder zusammen traf. Es war mir lieb, grade am heutigen Tag mit Anna zum ersten Mal dort zusammen zu sein, weil es heute nichts Stöhrendes hatte. Der 3te war darin viel schwerer.18 Es ist so traurig, daß man sich nicht ungestöhrt dieser Trauer hingeben kann. Aber Anna war eigentlich nicht stöhrend, mit ihrer Natürlichkeit und Einfachheit. Sie stellt sich so still zurück, daß man sie lieb haben muß. Die Eltern von Anna19 kommen nun bald, wir rechnen [am] 18 oder 19ten. Sie 15 Die 1862 gest. Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. 16 Kuraufenthalt 1864–1866 in Bagnères-de-Bigorre zur Behandlung des chronischen Bronchialasthmas des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897), begleitet von seinem Bruder Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1852–1923). 17 Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 18 Todestage von Ehemann Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin am 7. März 1842 und von Schwiegertochter Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin am 3. März 1862. 19 Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885).
548
Briefe 1851–1873
wollen über Berlin gehen, und Elschen wollte am liebsten bei Dir in Charlottenburg wohnen. Ist daraus etwas geworden? Für mich schwindet die Hoffnung immer mehr, zum 22ten nach Berlin zu kommen. Mein Knie wird nicht besser, und ich lahme ganz ordentlich. Die geringste Anstrengung macht es schlimer, aber ich will bis zum letzten Moment hoffen. Ich hätte sogar Dich, liebe Elis, wiedergesehen und ein paar Tage wieder bei Dir zugebracht. Der Tod der Tante Anna20 hat mir auch leid gethan. Denn für mich war sie unendlich freundlich und herzlich, wenn ich sie einmal sah. Luise schreibt mir gestern garzu traurig. Beinah 40 Jahr sind sie zusammen gewesen und waren im Allgemeinen gut zusamen. Und dann thut es ihr auch so leid wie mir, daß mit ihr die alte generation zu Ende geht. Wir haben doch die ganze Famille gekannt, von Kaiser Alexander an: Constantin, Nicolas, Mischel, Großherzogin Marie von Weimar, Herzogin Catharina von Würtemberg und nun Anna, die Kaiserin Mutter, also die ganze Famille von Kaiser Paul abstammend.21 Das letzte Ende ist recht sanft gewesen, sonst aber recht viel gelitten, mit großer Ergebung und voller Besinnung. Sie scheint auch Luise erkannt zu haben, hat ihr die Hand gehallten und innig gedrückt. Nach dem tobenden Carnaval ist diese Trauer recht abstechend. Die beiden Verlobungen von Canitz und Gräfin Schwerin,22 wo ich den Vater23 ein fürchterliches Hinderniß finde, und Graf Arnim juno mit der hübschen Schweidnitz24 finde ich sonst scharmant. Was für Hofdamen Wahlen werden nun gemacht werden? Bitte grüße Deine Umgebung. Am 9ten gedenkst Du auch meiner im Gebet. Das ist doch auch eine immer fort blutende Wunde, ein Kind zu verliehren, und so schnell, ohne Vorbereitung. Gott ist aber barmherzig und nimt die Seele gnädig auf, Deine treue Adine
20 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865), gest. am 1. März. 21 Kinder von Zar Paul I. von Russland (1754–1801): Großfürst Konstantin von Russland (1779– 1831), Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855), Großfürst Michael von Russland (1798– 1849), Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland (1786–1859), Herzogin Katharina von Württemberg, geb. Großfürstin Katharina Pawlowna von Russland (1788–1819) und Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865). 22 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant, heiratete am 28. Juni auf Putzar Luise Gräfin von Schwerin (1837–1912), Hofdame bei Königin Augusta von Preußen. 23 Maximilian Graf von Schwerin (1804–1872), Gutsbesitzer auf Putzar in Vorpommern und führender liberaler Politiker, ehem. Minister des Innern. 24 Adolf Graf von Arnim-Boitzenburg (1832–1887), preuß. Regierungsassessor und Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern, heiratete am 6. Juli Mathilde Gräfin von Schweinitz, Freiin von Kauder (1841–1874), Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-WeimarEisenach.
1865
549 Schwerin, den 5ten April 1865
Geliebte Elis. Ich hoffte immer, ich würde Dir bis heute ein freudiges Ereigniß vom Schloß melden können.25 Aber bis jetzt scheint noch alles still, und ich will selbst heute nach Ludwigslust, um die Mama zu sehen. Anna ist leider sehr erkältet, erst hatte sie entzündete Augen und nun hustet sie sehr stark und ist durch und durch erkältet, wahrscheinlich auf einer Schlittenfahrt sich geholt. Ihre Mama26 fuhr mit ihr, ich wasche meine Hände in Unschuld. Sie ist angegriffen und sieht ehlend aus. Der gräuliche Schnee fängt nun an, fast ganz zu verschwinden. Wo aber die Sonne nicht hinkann, liegt er noch hoch. Sonst ist doch etwas mehr Frühlingsluft und man lebt auf bei dem Gedanken, daß es warm werden wird. Der See ist noch fast zugefroren, und dadurch ist die Luft kalt. Wie es scheint, gefällt sich Marie von Strelitz in Berlin. Du siehst sie auch wohl öfter, wenigsten nach der Zeitung. Ich habe gesehen, daß die Kaiserin von Östreich und die Taxes zu Deiner Schwester Louise27 gereiset. Es ist wohl, um sie etwas zu trösten wegen dem Verlust, ihre alte Freundin und Dame.28 Ich fürchtete schon, sie könnte krank geworden sein. Nun leb wohl, ich muß fort, Deine alte Adine Schwerin, den 10ten April 1865 Geliebte Elis, wie ich es mir gedacht, so hast Du Dich mit uns gefreut über die Geburt einer Tochter.29 Dies war alles, was sich Anna wünschte. Mir war es auch recht, da wir schon 3 Jungens haben. Gott sei Dank ging alles recht normahl und doch auch ziemlich leicht. Fritz war am Donnerstag auf der Jagt und Anna dinierte mit den Eltern. Da hat sich so nach 5 Uhr die ersten Wehen gezeigt. Sie schwieg aber standhaft, bis Fritz um ½ 8 Uhr zu Haus kam. Da hat sie es ihm gesagt. Um ½ 9 Uhr kam ich harmlose zum Thee, wo Fritz es mir sagte. Und beim Thee, wo sie den Thee noch selbst machte, folgten sich die Wehen zimlich schnell. Um 10 Uhr fuhr ich nach Haus, um nach dem Schloß zu ziehen und meine sieben Sachen zu holen. Um 11 Uhr im Schloß zurückgekehrt, ging ich nicht zu Anna, sondern in mein Zimmer, weil Elsche natürlich bei ihr war, und blieb da bis 2 Uhr. Dann ging ich im Neben Zimmer, wo Fritz gleich heraus kam, um mich zu holen, weil Anna nach mir gefragt. Von da an blieb ich dann bei ihr. Die Wehen hatten erst gut gewirkt, dann aber ließen sie nach, und Anna dazwischen schlafen konnte. Dann fingen sie wieder stärker an, aber immer mit langen Pausen. Daher griff es sie nicht so an. 25 Geburt von Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882) am 7. April. 26 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 27 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich (1837–1898) und Fürstin Helene (Néné) von Thurn und Taxis, geb. Prinzessinnen in Bayern (1834–1890), zu Besuch bei ihrer beider Mutter Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 28 Auguste Gräfin von Rotenhan (1787–1865), seit 1815 Erzieherin und zuletzt Oberhofmeisterin von Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern. 29 Geburt von Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882) am 7. April.
550
Briefe 1851–1873
Und um 4 ¼ war mit einem Mal die Kleine da, mit großem Geschrei. Das war dann eine ungeheure Freude und Jubel. Mir schnürte die ganze Sache die Kele zu, denn es war ja in den Schlafzimmer von Auguste, wo ich so viel an ihrem Bett geseßen, wo Johann Albrecht gebohren. Es war wirklich recht schwer. Am 20ten Februar 1862 saß ich zum letzten Mal dort bei ihr, wo sie schon so schwach und krank war und den Abend sich ganz legte. Aber Gott hat es doch so gnädig gemacht, und Fritz, die Kinder sind so glücklich. Anna geht es auch ganz gut. Von heut weiß ich noch nichts, da ich im Palais wieder schlafe und nur den ganzen Tag über auf dem Schloß bin. Die Kleine ist nicht klein zu nennen, nicht zu mager, hat den Kopf ganz voll langer, brauner Haare und hübsche, große, blaue Augen und Augenbrauen. Marichen und Johan Albrecht sind in ein großes Entzücken über das Schwesterchen. Wie freue ich mich für Marie Strelitz, daß sie sich in Berlin gefällt. Die besten Stunden sind doch immer die bei Dir. Da fühlt man sich heimisch, da findet man das alte treue Herz. Elschen und Carl30 sind sehr, sehr glücklich. Sie pflegt allein Anna. Nun leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 13ten April 1865 Geliebte Elis, damit der Post keine Nachläßigkeit beschuldigt wird, den Brief nicht pünktlich besorgt zu haben, so lege ich Dein Couvert mit meiner Adresse bei, wo Du nach Dresden adressiert, er also erst dorthin mich aufsuchte und gestern zu mir kam. Fritz bedauert sehr, Deine Fürbitte nicht erfüllen zu können. Erstlich ist er sehr zähe im Ver theilen von solchen Auszeichnungen, und dann hatte der Schauspieler Haase31 schon vor seiner Ankunft hier diesen Wunsch unterbreiten laßen. Allein, Fritz giebt nur diese Medaille, wenn die Schauspieler wie Deveren32 ganz vom ersten Glanz sind und mehrere Male hier gewesen und manche Gefälligkeiten gehabt. Hier geht es nicht so gut, wie es eigentlich hätte sein können. Der starke Husten veranlaßt das Fieber sehr heftig aufzutreten. Auch manche Unbequemlichkeiten zeigten sich, sie konnte nicht ordentlich Wasser laßen. Das müßte künftlich geschen. Dann bekam sie Stiche in der Seite, allein, dies ist nun alles beseitigt. Anna konnte gestern umgebettet werden, und so fühlte sie sich selbst erfrischt und wohler. Das Fieber ließ nach, und so hoffe ich, wird es nun endlich vorwärts gehen. Wir haben schon heut den 7ten Tag. Gott seegne Dir das heilige Mahl, was Du wohl heute nimmst. Wir haben es schon mit Anna vor 3 Wochen noch genommen. Deine treue Adine
30 Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877). 31 Friedrich Haase (1826–1911), Schauspieler. Der Vater war erster Kammerdiener bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gewesen, der die Patenschaft für Friedrich übernommen hatte. 32 Emil Devrient (1803–1872), Schauspieler, 1831–1868 am Kgl. Hoftheater in Dresden.
1865
551 Schwerin, den 16ten April 1865
Welch ein Ostermorgen! Ach Elis, Du weinst und betest mit uns, daß der Herr uns Kraft giebt, dieses neue Unglück zu tragen.33 Wir sind aber so zerschlagen und zerbrochen, daß wirklich ein immer neues Beten und Ringen nöthig ist, diesen Schmertz nach dem Willen des Herrn zu tragen. Oft will uns die Kraft verlaßen. Der arme Fritz ist unbeschreiblich unglücklich, er windet sich ordentlich in seinem Schmertz und will sich doch gerne beugen in den Willen des Herrn. Er wird auch helfen, und wir hallten an Ihm, aber es wird viel kosten. Ach, so ein junges Wesen hinscheiden zu sehen, mitten aus ihrem Glück, und dann den armen, verwaisten Fritz, der in das öde Leben weiter leben muß. Das ist schwer mit anzusehen. Leb wohl, ich bin furchtbar angegriffen, wollte aber doch Dir ein paar Worte sagen. Deine treue Adine Schwerin, den 26ten April 1865 Meine liebe Elis, ich habe mich nicht geeilt, Dir gleich zu danken für alle Liebe und Gnade, die Du uns erwiesen, weil Du Deine liebe Schwester bei Dir hast, und da möchte ich nicht mit mein Jammer dazwischen treten. Wir sind Dir, Fritz, der es mir ganz besonders aufgetragen, so sehr dankbar, daß Du erst durch den Lakai den wunderschönen Kranz gesendet, der gleich auf dem Sarg gelegt, und dann daß Du wieder Graf Döhnhof34 gesendet, der leider schon ein Mal den letzten Gang mit gemacht. Ach, es war mir oft, als wenn wir 3 Jahr zurück versetzt wären. Er und Fritz Wilhelm werden Dir von dem Schmertzes Gang erzählt haben. Alles war so angeordnet wie vor 3 Jahr, nur daß dies Mal Fritz sich nicht entschließen konnte, zu Fuß mit zu gehen, sondern mit seine Schwiegereltern35 und Kinder in einen Wagen. Marichen von Baiern folgte in einem andern Wagen und fuhren durch andere Straßen nach dem Dom, wo wir, erst als der Sarg vor dem Altar stand, hin zu traten und ihn dann nach der Capelle begleiteten, wo schon Paul und Auguste mit ihren Kinder ruht.36 Das war ein schwerer Gang. Ich glaubte, ich könnte es nicht aushallten. Der gute Fritz Wilhelm war mir eine treue Stütze. Sein Erscheinen war uns unendlich lieb, und wir danken es ihm sehr. Er wird Dir auch sagen, wie viel Prinzen gekommen waren, daß es garnicht aus zu hallten war und wir daher am Beerdigungstag jeder für sich aß. Abends waren wir im blauen Salon von Anna, wo Fritz 33 Tod von Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1843–1865), am 16. April, wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter. 34 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 35 Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 36 Grablege der großherzoglichen Familie im Schweriner Dom für Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin (1800–1842), Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1862), und ihre Söhne, die Herzöge Nikolaus (1855–1856) und Alexander zu Mecklenburg-Schwerin (1859–1859).
552
Briefe 1851–1873
Abb. 17: Die Grablegen des Hauses Mecklenburg-Schwerin im Doberaner Münster, in der Schweriner Schelfkirche und im Ludwigsluster Schlosspark wurden in den 1840er Jahren durch den Umbau der alten Heiligblutkapelle im Schweriner Dom um eine weitere Ruhestätte ergänzt, die Anschluss an geschichtliche Tiefe und eine besondere religiöse Aura suchte.
Wilhelm und die 3 Brüder Darmstadt37 auch hinkamen. Wir eßen mittags da und trinken auch Thee. Fritz wünscht es so, und wir haben uns schon daran gewöhnt. Elschen kramt in den Sachen von Anna, ihre Briefe, Bücher und so weiter, ordnet sie, daher ist sie viel in die Zimmer. Der Tod vom Thronfolger38 hat uns auch tief erschüttert. Wie schrecklich traurig für die armen Eltern, und doch welcher Trost für Marie, daß sie ihn hat pflegen können, und daß Sache ihn noch lebend gefunden, eben so seine Braut39 und die zwei jüngeren Brüder.40Am Sonnabend werden sie Nizza verlaßen und nach Darmstadt kommen, eigentlich zu Alexander.41 Die Leiche von Nixa wird Freitag zu Wasser fort gebracht.42 Ach, welcher Jammer giebt es auf Erden, und solche Jugend im Grabe sinken zu sehen, ist doch das härteste. Elschen und Carl bleiben noch bis Montag, den 8ten Mai. Letzter ist sehr angegriffen, aber so lieb in sein Schmertz. Montag, den 1ten Mai, erwarten wir Marie von Strelitz mit Lilli. Sie wollten schon vor 8 Tagen kommen,
37 Die Prinzen Ludwig (IV.) (1837–1892), Heinrich (1838–1900) und Wilhelm von Hessen-Darmstadt (1845–1900). 38 Tod von Großfürst Nikolaus Alexandrowitsch von Russland (1843–1865) am 24. April in Nizza. 39 Prinzessin Dagmar von Dänemark (1847–1928), verlobt seit Sommer 1864. 40 Die Großfürsten Sergei (1857–1905) und Pawel Alexandrowitsch von Russland (1860–1919). 41 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), österr. Feldmarschallleutnant und Bruder der russ. Kaiserin. 42 Großfürst Nikolaus Alexandrowitsch von Russland (1843–1865), gest. am 24. April in Nizza.
1865
553
aber das war uns nicht möglich. Daher haben wir sie jetzt gebeten zu kommen. Nun leb wohl, grüß Marichen und Otto,43 dessen Geburtstag morgen ist. Deine traurige Adine Schwerin, den 7ten Mai 1865 Tausend herzlichen Dank, meine liebe Elis, für Deinen lieben Brief, der mich so innig freut und woraus ich sah, wie Du den Besuch Deiner lieben Schwester Marie44 so recht genoßen hast, ohne Stöhrung von hoher Person.45 Dann war wieder Marichen von Baiern viel bei Dir. So hast Du recht viel Freude gehabt, was Dir so wohl gethan haben wird. Bei uns ist recht viel Unruhe eingekehrt. Das liebe Elschen und Karl46 verließen uns am Freitag Mittag unter heißen Thränen. Es war ein Abschied nicht zu beschreiben. Mit ihnen ging so das Letzte fort. Lange konnte ich mich nicht erholen, und noch so voll Schmertz kam um ½ 4 Uhr die Tante Marie von Strelitz an, die so lieb und voll Theilnahme ist, aber so ganz anders ist, als wir bis jetzt gewohnt. Es mag recht gut gewesen sein, daß wir unseren Schmertz nicht so nachhängen. Sie erzählte viel vom armen Thronfolger und von Dagmar,47 und daß bei der Untersuchung man gefunden, daß im Rückgrath Wasser war, in der Lunge und auf der Kopfhaut Geschwüre. Das ist doch ganz schreklich, also welche Gnade von Gott, daß er ihn zu sich genommen. Aber die armen Eltern.48 Ich hoffe, durch Elschen nun nähere Nachricht zu erhallten. Das liebe Elschen war so prächtig und so still ergeben in ihrem Schmertz, aber thätig und hat alles mit eigener Hand geordnet. Sie fürchtete sich recht für Darmstadt, das Wiedersehen und dann in Seeheim, wo sie doch fremder steht als ihr Mann. Und doch that es ihr wohl zu denken, daß das Kaiserpaar denselben Schmertz haben und daher den ihren verstehen würde. Das schöne Wetter hilft sehr, den Schmertz zu tragen, und stärkt. Aber von der anderen Seite ist es so ein schneidender contrast mit dem Wehe im Herzen. Am Dienstag verläßt uns Marie, um in Büchen mit der Königin von Dänemark49 und Dagmar zusammen zu treffen, von wo sie Mittwoch wohl mit Lilli wieder zu uns kömt und Donnerstag nach Strelitz zurückkehrt. Am selben Dienstag komt die Auguste von Strelitz auch zum Besuch
43 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), und ihr Sohn Prinz Otto von Bayern (1848–1916), geb. am 27. April. 44 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 45 Verm. Königin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, im Briefwechsel oft als „hohe Frau“ bezeichnet. 46 Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 47 Prinzessin Dagmar von Dänemark (1847–1928), seit Sommer 1864 verlobt mit Großfürst Nikolaus Alexandrowitsch von Russland (1843–1865), gest. am 24. April zur Kur in Nizza. 48 Kaiser Alexander II. (1818–1881) und Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 49 Königin Louise von Dänemark, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1817–1898).
554
Briefe 1851–1873
zu uns und reiset am Donnerstag noch weiter nach dem Rhein!!! Das ist die neue Eisenbahn. Den 8ten. Gestern konnte ich nicht fertig werden. Wir waren im Dom zur Kirche und hörten eine so prächtige, recht tröstende Predigt, die dem armen, wunden Herzen wohl that. Zum Eßen fuhren wir mit Marie nach Steinfeld und kamen um 8 Uhr zurück, nach dem wir da eine Spazierfahrt gemacht in den frischen, grünen Buchwäldern, wobei wir Deiner recht lebhaft gedachten. Nun aber leb wohl. Marie kehrt nicht Mittwoch zu uns zurück, sondern gleich nach Strelitz, und Lilli kommt ein ander Mal. Deine traurige Adine Schwerin, den 17ten Mai 1865 Meine liebe, liebe Elis, Du wirst Dich gewiß gewundert haben, daß ich Dir noch garnicht geschrieben habe über meinen Sohn Wilhelm und Ady. Aber ich war so in Ungewißheit geblieben, und erst heute sehe ich aus einem Brief von meinem Sohn, daß die Sache fort schreitet. Von uns aus konnte ja nichts darin geschehn nach den ersten Erfahrungen.50 Und überhaubt kam die ganze Sache uns so überraschend und mitten in unserer tiefen Trauer, daß wir es kaum faßen konnten, wenn wir auch darüber sehr erfreut waren. Nun möchte ich aber gerne von Dir wißen, liebe Elis, wie Du die Sache ansiehst und ob Ady Dich auch um Rath gefragt. Ich weiß von garnichts. Auf den Wunsch von mein Sohn habe ich Albert geschrieben, erhielt aber eine solche wage Antwort, er hätte nichts dagegen, aber er hätte noch keine Zeit gefunden, mit seiner Tochter zu sprechen, und er wüßte auch nicht, wie der König51 darüber denke. Nach dieser Antwort konnte ich also nicht glauben, daß es zustande kommen würde, und verhielt mich ruhig. Gebe nur Gott seinen ganz besonderen Seegen zu diesem Bunde, rechte Vernunft und ausdauernde Liebe. Etwas in Sorgen sind wir im Geldpunkt, was Albert geben wird und Marianne? Denn Wilhelm selbst hat kein Vermögen, nur seine appanage. Ob mein Bruder Wilhelm ihr eine Prinzeßin Aussteuer wird geben wollen, wie an den Töchtern von Onkel und Tante Wilhelm52 es Papa gegeben? Dies wären Dinge, die wir gerne in Erfahrung brächten. Kannst Du vielleicht danach fragen, oder geht das nicht? An Ady habe ich noch nicht schreiben dürfen und sie nicht an mich, was ich recht traurig finde. Am 6ten Juny möchte ich gerne zu Dir nach Sanssouci kommen, um 6 Uhr Nachmittags, den 7ten nach Berlin, wo es 25 Jahr seit dem Tod ist,53 dann wieder zu Dir und den 8ten bleiben, 50 Nach der Ablehnung im Frühjahr 1863 mündete die mklbg.-preuß. Verbindung zwischen Herzog Wilhelm (1827–1879) und seiner Cousine Prinzessin Alexandrine (1842–1906) diesmal in eine Verlobung am 6. Juni. Um einer preuß. Prinzessin ein einigermaßen standesgemäßes Leben an der Seite eines nachgeborenen Herzogs zu gewähren, wurde der 38-jährige Wilhelm am 18. Juni zum Generalmajor befördert. 51 König Wilhelm I. von Preußen (1797–1888) als Oberhaupt der preuß. Königsfamilie. 52 Prinz Wilhelm (1783–1851) und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von HessenHomburg (1785–1846). 53 Todestag von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen am 7. Juni 1840.
1865
555
abends dann abreisen. Dies sind meine Pläne. Am Sonnabend ziehen wir nach Steinfeld, worauf wir uns alle freuen. Dort ist es so still und schön. Es ist denn grade ein Jahr, daß Anna dort ankam und die erste Nacht in Mecklenburg zubrachte. Ach, was sind das alles für traurige Tage. Gott hilft aber tragen. Aber oft wollen die Kräfte nicht ausreichen. Ich fühle mich sehr, sehr angegriffen. Heute mein Luise ihr Geburtstag!! Leb wohl, Deine treue Adine Sans Souci, den 19ten May 1865 Ich habe heute für zwey liebe Briefe zu danken, meine Adine, vom 7 und 17ten. Ich kann mir denken, daß dich die Angelegenheit Deines Sohnes Wilhelm lebhaft beschäfftigt.54 Addy sagte mir gestern, daß sie Dir geschrieben habe. Sie hat mich nicht um Rath gefragt, mir erst geschrieben, als sie ganz entschieden war. Ich fand den Brief, als ich Sonnabend hier ankam, und dachte, sie selbst zu finden. Ich bin zu aufrichtig, um Dir zu verhehlen, daß ich sehr erschrack. Du weißt schon lange, wie ich darüber denke, und daß ich Wilhelm als Neffe und als Deinen Sohn, den ich auf den Armen getragen, von Herzen liebe, aber überzeugt bin, daß er nicht der Mann für Addy ist, die eine kräftige Stüze braucht, besonders in ihren traurigen Familien Verhältnissen. Indeß, sie hat Vertrauen in ihre Zukunft mit ihm, und da habe ich nichts mehr zu sagen. Deinen Bruder55 verstehe ich nicht, oder vielmehr, er spielt wieder ein wenig Comödie, wie wir das schon so oft erlebt. Er hat den ganzen Winter seinen Wunsch ausgesprochen, daß diese Verbindung zu Stande komme, zudem kein sehnlicheres Verlangen, als seine Tochter so bald wie möglich zu verheyrathen, um dann desto leichter Röschen56 in seinem Palais zu établiren. Und da leider Wilhelm (Bruder) sehr schwach für ihn ist, zweiffele ich nicht, daß er dieß Ziel all seiner Bemühungen erreichen wird. Wie mir Addy sagte, will er ihr lassen, was er ihr jetzt für ihre équipagen und Pferde giebt. Von der Mutter wird sie wohl nichts bekommen, so lange dieselbe lebt. Ich zweiffle nicht daran, daß Wilhelm (König) ihr die Ausstattung und Aussteuer giebt, die ihr nach den Hausgesezen so gut zukümmt wie Elisabeth und Mariechen.57 Wie freue ich mich, Dich den 6ten hier zu sehen. Der ohnehin so traurige 7te wird Dir schwer werden, im alten, so ganz veränderten Hause. Aber ich begreiffe, daß Du
54 Verlobung von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) und seiner Cousine Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), die von der Königinwitwe aufgrund der Charakterschwächen Herzog Wilhelms abgelehnt wurde. 55 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872), der aufgrund seiner unstandesgemäßen Ehe vom Hohenzollernhof verbannte Vater der Braut. 56 Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879), morganatisch verh. 1853 mit Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 57 Ausstattung der Töchter nachgeborener preuß. Prinzen, wie bei Prinz Wilhelm von Preußen (1783– 1851).
556
Briefe 1851–1873
dießmal nach 25 Jahren kommen willst.58 Ich hoffe, Marienbad wird Dir wie immer wohl thun. Ach, Du brauchst es gewiß mehr wie je. Marie von Streliz schrieb mir nach ihrer Rückkehr, so erbaut von Eurem Schmerz, in Ergebung getragen. Lilli ist ja nach Dänemark! Wie muß ihr da zu Muthe seyn! Darüber fällt mir unsere arme Anna59 ein, die so übel aussieht und so mager ist, daß sie sich selbst entsezt, wenn sie sich im Spiegel sieht. Sie vergrämt sich über das Unglück ihrer Söhne, die Heimathlosigkeit, das Herumirren wird ihr auch sehr schwer. Die Opération der Kinder scheint doch Gottlob gut gelungen zu seyn. Das Auge des Ältesten60 steht jetzt gerader, er trägt noch blaue Brillen. Gräfe61 hofft, daß der arme, kleine Alexander62 immer besser sehen wird. Anna sagte mir gestern, daß er ihr im halbdunkeln Zimmer ihr Schnupftuch aufgehoben habe auf ihr Geheiß. Das wäre ein recht gutes Zeichen. Er ist ein so liebes, schönes Kind, so heiter, immer jubelnd und singend. Er singt die zweyte Stimme ganz richtig und secandirt63 seine Mutter. Das unheilbare Auge sieht gräßlich aus. Ich war vorgestern in Berlin zu Anna’s Geburtstag, und vorher in meinen lieben, alten Zimmern und bey Marianne, die ruhig liegen muß aus erfreulichen Ursachen und aus Vorsicht.64 Sie ist ganz wohl. Mary kam zu ihr, während ich da war, direkt von Madrid, und hatte 4 Nächte im Waggon zugebracht. Sie ist sehr entzückt von der spanischen Monarchie. Zulezt ging ich noch zur alten Bergh,65 der ich schon lange meinen Besuch versprochen hatte. Sie freute sich rührend. Es ist eine allerliebste Wohnung voller Bilder und Andenken. Wie entsezlich traurig muß die Abreise von Elisabeth und Karl66 gewesen seyn. Sie waren so voll Freuden und Hoffnung gekommen und mußten so tief gebeugt abreisen. Es ist doch ein namenloser Schmerz! Und nun das Wiedersehen mit den eben so unglücklichen Verwandten!67 Die drey jungen Großfürsten,68 die einen Tag in Berlin waren, sagten mir, Karl sey immer in Thränen. Der jetzige Thronfolger gefiel mir recht gut. Das 58 Feier zum 25. Todestag von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen am 7. Juni 1840. 59 Prinzessin Anna von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Preußen (1836–1918), verh. 1853 mit Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). Das Ehepaar lebte wechselnd in Dänemark, im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel, in Weimar, in Berlin, auf Gut Panker in Holstein oder auf Schloss Rumpenheim. 60 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1854–1888). 61 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin. 62 Prinz Alexander von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1863–1945) war wie sein älterer Bruder mit einer Sehschwäche geboren worden. 63 Lat. secundirt = unterstützt. 64 Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1837–1906), war schwanger mit ihrem Sohn Prinz Friedrich Leopold von Preußen (1865–1931), geb. am 14. Nov. 65 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780–1870), ehem. Hofdame bei Prinzessin Wilhelmine von Preußen. 66 Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), nach dem Tod ihrer Tochter. 67 Kaiser Alexander II. (1818–1881) und Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), nach dem Tod ihres ältesten Sohnes. 68 Die Großfürsten Alexander (III.) (1845–1894), Wladimir (1847–1909) und Alexei Alexandrowitsch von Russland (1850–1908).
1865
557
Gesicht ist nicht hübsch, aber die Gestalt schön, und er spricht hübsch und natürlich. Seine beyden Brüder sind sehr kräftig und blühend. Künftigen Montag kommen ihre armen Eltern hier durch, ohne sich aufzuhalten. Ich möchte sie so gerne einen Augenblick auf dem Bahnhof sehen, aber ich fürchte, sie könnten es als eine indiscrétion ansehen. Der arme Verstorbene69 hatte ein Geschwür am Rückgrath und eines in der Tiefe des Oberschenkels, das allein schon den Tod herbey führen mußte, zudem die Lunge krank und eine Erweichung des Gehirns. Wie mag er gelitten haben! Hier ist es wunderschön, aber der erfrischende Regen fehlt. Es vertrocknet alles, und verblüht so schnell. Nun muß ich enden, meine Adine. Ich bete täglich zum Herrn um Segen für Addy, daß sie den Schritt nie bereuen möge. Zürne mir nicht, das wäre mir zu leid, aber wie wir zusammen stehen, müssen wir aufrichtig gegeneinander seyn. Dein Bruder Wilhelm ist gestern Abend heimgekehrt. Lebe wohl, meine Adine, grüße Fritz und seine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Steinfeld, den 23ten Mai 1865 Geliebte Elis, Du wirst auch wohl von Fritz aus dem Haag die Nachricht haben, daß es Luise doch eigentlich gut geht, nach dem heftigen Blutbrechen vom 20ten. Ich habe mich doch furchtbar erschrocken, denn seit 5 Jahre ist es nicht wieder gekommen, und jetzt weiß man garkeine Ursach. Das ist doch recht traurig und ängstlich. Die letzten Nachrichten klingen beruhigend. Gebe nur der Herr, daß es keine böse Folgen hat. Man wird so zaghaft nach so viel Unglück. Nun laß Dir danken für Deinen Brief. Ich finde Dein Urtheil ganz richtig. Aber wie die Sachen stehen, kann man nichts ändern.70 Ich hoffe zu Gott, daß sie beide vernünftig sein werden. Etwas ängstlich sehe ich auch in der Zukunft. Es ist recht eigen, daß die liebe, seelige Anna mir einmal sagte, ob Wilhelm nicht Ady heirathen könnte. Sie hätte sich daß schon seit Jahren in Darmstadt ausgedacht, und sie würde ihr eine so liebe Schwägerin sein. Und nun kam die Sache zur Sprache, grade nach ihrem Tode. Vielleicht bringt das Glück! Heute Nacht ist mein Sohn Fritz aus Brandenburg zurückgekehrt, wohin er war, um das arme Kaiserpaar71 zu sehen. Sache soll entsetzlich ehlend aussehen, Mary weniger. Wenn ich recht verstanden, bist Du in Potzdam auf dem Bahnhof gewesen, um sie auch zu sehen. Das wird beiden gewiß eine Freude gewesen sein. Ach, Theilnahme von treuen Herzen thut so wohl. Wir wohnen nun seit Sonnabend hier in Steinfeld, wo es still und ruhig ist. Aber die Hitze bringt mich um. Vielleicht zieht sich heute ein Gewitter zusammen, denn nach 69 Großfürst Nikolaus Alexandrowitsch von Russland (1843–1865), gest. am 24. April in Nizza. 70 Verlobung von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) und seiner Cousine Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), die von der Königinwitwe aufgrund der Charakterschwächen Herzog Wilhelms abgelehnt wurde. 71 Kaiser Alexander II. (1818–1881) und Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), nach dem Tod ihres ältesten Sohnes.
558
Briefe 1851–1873
Regen sehnen sich Menschen und Vieh und die durstige Natur. Die kleinen, niedrigen Zimmer werden auch in der Nacht nicht kühl. Draussen in der Welt, nämlich in Schwerin, sind Pferde Rennen, drei Tage hinter einander, alles arangiert, um Anna zu amüsieren. Und die Fremden sollten dann zum Geburtstag bleiben, der am Himelfahrt ist. Es ist der wirkliche Tag der Geburt. Wie eigen, daß sie am Himelfahrt gebohren und es dies Jahr wieder so trifft und sie am Ostersonntag gestorben. Es bezeichnet recht ihr kurtzes Leben. Wir natürlich sehen von diesen Rennen nichts, macht aber einen eigenen Eindruck, wenn man weiß, daß auf eine halbe Meile so viel Bewegung und Leben ist, und man ist so ganz abgeschieden davon. Nun leb wohl, ich höre auf, ich bin zu dumm. So Gott will am 6ten auf Wiedersehen, aber welch schmertzliches Wiedersehen! Deine traurige Adine Marienbad, den 1ten July 1865 Meine liebe Elis, so lange habe ich nichts von Dir gehört, daß es mir so unheimlich ist und ich nun nicht länger zögern will. Ich weiß Dich bei Deinen lieben Schwestern. Also weiß ich, daß es Dir gut geht und Du dort glücklich mit ihnen bist. Aber ich möchte es auch von Dir selbst hören. Wenn Du also ein klein Moment findest, so schreibe mir bitte. Ich bleibe hier bis zum 16ten, einen Sonntag, wo ich hoffe nach Karlsbad gehen zu können, um Wilhelm dort zu besuchen, wenn er noch da ist. Ich werde ihm darum schreiben. Den 18ten hoffe ich dann bei Dir in Sanssouci sein zu können und den 19ten zu bleiben, denn wenn Königin Augusta da ist, kann man mit einem Tag nicht fertig werden mit den visieten. Von Ady hatte ich vorgestern einen Brief nach ihrer Rückkehr aus Kamenz, wo es ihr sehr gut gegangen ist. Die Mama72 soll so herzlich und freundlich gewesen, ihr eine Menge Geschenke gemacht und ihr in Aussicht gestellt, das Taschengeld zu erhöhen (Dies finde ich sehr erwünscht.). Ady findet die Mama so zu ihrem Vortheil verändert (wie traurig, wenn man so von seiner Mama sprechen muß), viel ruhiger und ergebener im Willen Gottes. Und es schiene, daß der Augenblick nicht mehr ferne sei, wo gewiße Hinderniße überwunden sind. Daß verstehe ich nun nicht recht, ob er stirbt oder sie sich von ihm loß macht.73 Die Zeit wird’s lehren. Oder weißt Du etwas darüber? Ach, dies Elternpaar ist doch gräslich. Gott behüte einen vor solch ein Unglück. Mein Sohn Wilhelm ist nun auf seiner Millitair Reise, und da werden sich das Brautpaar lange nicht sehen, was recht gut ist. Hier beschäftigen sich alle Menschen mit der Ministerkrisis in Wien, die auch wohl sehr wichtig ist. Eins, hoffe ich nur, bestättigt sich nicht, daß der Stephan berufen ist, wieder nach Ungarn zu gehen.74 Bekanntschaften habe ich 72 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), gehörten u.a. die Schlösser Weißwasser und Kamenz im österr. Teil Schlesiens. 73 Dieselbe lebte seit Jahren in einer außerehelichen Beziehung mit dem verheirateten Johannes van Rossum (1809–1873), verwitwet seit 1861. 74 Dauerkrise der österr. Monarchie bezüglich der Einbindung des Königsreichs Ungarn. Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867) war 1847–1848 Palatin von Ungarn gewesen.
1865
559
noch garnicht gemacht. Wegen der Trauer konnte ich mich noch nicht entschließen, auf der Promenade zu gehen, ich suche andere Wege auf. Aber wegen meiner Knie, denen die Moorumschläge sehr gut thuen, darf ich die Berge nicht steigen. Eine Probe hatte mir schon geschadet, und im Thal zu gehen ist sehr langweilig. Das Wetter ist leidlich. Regen haben wir bis jetzt nur rukweise gehabt, immer gleich Sonne wieder. Aber kalt ist es. Die Fürstin Taxes aus Regensburg, jetzt Öttingen,75 ist wieder hier. Am Mittwoch machten wir eine Parthie zusammen nach Plan, ein Schloß von Graf Joseph Nostitz.76 Und die alte, böse Fürstin Fugger77 ist auch wieder hier. Beide sehe ich bei Spazierengehen manchmal. Dann fand ich hier die Generalin Below,78 Mutter der Krassow,79 in tiefer Wittwentrauer um ihren Mann. Ich erkannte sie wieder, obgleich ich sie 30 Jahr, glaube ich, nicht gesehen. Sie ist immer noch liebenswürdig und gescheut. Nun leb wohl, empfehle mich Deinen lieben Schwestern. Steinfeld, den 24ten July 1865 Geliebte Elis, bei der Hitze kann ich keinen vernünftigen Brief schreiben. Aber ich wollte Dir doch sagen, wie ich mich gefreut, Dich wenigst einige Stunden gesehen [zu haben], die mir zwar sehr verdorben wurden durch das Nachspiel um 6 Uhr in Babelsberg. Ich kann Dir versichern, daß ich nicht geglaubt, daß eine vernünftige Frau, und nur besonders eine Königin, solchen Unsinn sprechen konnte und dabei so empfindliche Dinge sagen.80 Sie hatte den Augenblick ganz vergeßen, daß sie zu einer preußischen Prinzeßin sprach und daß das Haus Mecklenburg doch auch nicht ganz schlecht ist. Denn sie sprach immer von der Ehre, eine preußische Prinzeßin zu heirathen, von einer interessierten Heirath und so weiter und noch andere Dinge. Wilhelm hat dann den andern Tag um 4 Uhr seine Abkanzelung erhallten. Er war auch ganz indingiert81 und sagt, sie wäre so heftig gewesen, mit den Händen auf den Tisch geschlagen, hat ihn die ganze Zeit stehen laßen und entlaßen, als es 5 Uhr war, wo schon alles zum Diner versammelt. Nun genug davon. Liebe erwirbt sie sich wenigst nicht auf diese Art, und Eindruck macht es auch nicht. So viel weiß ich nur, daß sie die Vermählung sehr verderben wird, die sie Anfang Dezember haben will. Denn sie wird schäuslicher Laune sein und gewiß alles thuen, um grob zu sein. Hier in Steinfeld, wo der arme Fritz mit seinen 3 Kindern wohnt, 75 Fürstin Mathilde Sophie von Thurn und Taxis, geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg (1816–1886), verh. 1839 mit Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802– 1871). 76 Schloss Plan in Westböhmen gehörte Joseph Graf Nostitz-Rokitnitz (1821–1890). 77 Fürstin Franziska Fugger von Babenhausen, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Jagstberg (1807–1873). 78 Auguste von Below, geb. Zimmermann (1798–1874), verh. 1818 mit Wilhelm von Below (1783– 1864), preuß. Generalleutnant und Inspekteur der Bundesfestungen, gest. am 14. Dez. 1864. 79 Klementine Gräfin von Krassow, geb. von Below (1819–1888), verh. 1840 mit Carl Reinhold Graf von Krassow (1812–1892), preuß. Regierungspräsident des Regierungsbezirks Stralsund. 80 Aus Sicht Königin Augustas von Preußen waren Hohenzollernprinzessinnen offenbar alle für die Herrschaft geboren. Die Ehe mit einem nachgeborenen und im Falle Wilhelms zu Mecklenburg sehr weit von der Thronfolge entfernten Herzog galt ihr als unstandesgemäß. 81 Lat. indigniert = entrüstet, empört.
560
Briefe 1851–1873
ist Friede und Ruhe. Und man kann sich erholen von allen Erger. Nur sehr warm ist es im kleinen Häuschen. Ein Gewitter am Sonnabend Nacht erfrischte die Natur und den Mensch. Und ein ähnliches scheint sich zu sammeln. Des Nachts müßen wir alle wenigsten im Nebenzimmer die Fenster auf haben, sonst ist es nicht zu existieren. Von Ady hatte ich heute einen Brief, wo es ihr und [dem] Bruder82 sehr gut geht. Bis zum 5ten denkten sie zu bleiben, über Hannover zurück und dann nach Berchtesgaden. Nun leb wohl, meine liebe Elis. Denke Dir, die gute Fürstin fand ich auf dem Bahnhof, wo wir uns einen Augenblick sahn. Es war zu lieb von ihr. Klein Annchen83 ist sehr niedlich und sieht der Mama sehr ähnlich. Fritz hat ein Bild von Anna machen laßen, ganz wundervoll, etwas embelliert, aber frappant ähnlich. Das ist solche Freude. Deine dumme, treue Adine Dobbran, den 5ten August 1865 Geliebte Elis, ich eile, Dir meinen herzlichen Dank zu schreiben für Deinen lieben Brief vom 28ten. Denn wenn die Zeitung recht sagt, so reisest Du am 8ten nach Ischel ab, wo Luise heute eintrifft und Dich also schon empfangen kann. Gebe nur Gott, daß ihr die Kur gut bekommt und das Wetter recht schön ist, wozu es sich leider nicht anläßt. Daß arme Ischel ist zu stark heimgesucht von dem großen Feuer.84 Die Bäder sollen hergestellt sein, aber an Wohnung wird es fehlen. Ich hoffe, Du wirst auch einen so angenehmen Aufenthallt machen wie vergangen Jahr und daß Du Deine alte Bekannte dort wieder findest. In der politischen Welt sieht es diesen Augenblick recht trübe und ernst aus. Möge der Herr nicht zu geben, daß das Band, was kaum so freudig geschlungen, sich wieder löset. Welch ein Unglück würde daß für Deutschland sein!!!85 Mein armer Fritz ist seit gestern in Darmstadt, wo er bis zum 8ten bleibt. Elschen telegraphirt sehr ergreiffend das Wiedersehen, froh, ihn zu haben. Marichen und Johann Albrecht sind seit gestern fort und heute und morgen in Cöln. Der Abschied von ihnen und Klein Annchen wurde mir sehr schwer. Seit dem 3ten Nachmittags bin ich hier. Mit welchen Gefühl ich hier ankam, kann ich nicht beschreiben, voriges Jahr diesen Glück, der Jubel, daß bunte Gewimmle von Menschen, und nun alles still und in Trauer. Ich kam in Thränen an, empfangen von Hugo und seinen lieben Kindern, die schon 3 Tage bei uns in Schwerin waren. Ich mußte aber erst in mein Zimmer und mich ausweinen. Und dann konnte ich erst so viel Faßung finden, um mit den Beamten zu sprechen, denen auch die Thränen über die Backen liefen. Und doch bin ich froh, hier zu sein, in der schönen Luft. Wenn ich nur erst alle die visiten überstanden, die mir die ruhigen Vormittagstunden rauben. Die Pferderennen fangen Montag an, da bin ich nicht dabei und kann dann still für mich bleiben. Das Bad ist sehr besucht, und es soll sehr hübsche Geselschaft sein. Man amüsirt 82 83 84 85
Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882), geb. am 7. April. Großbrand in Bad Ischl in der Nacht auf den 21. Juli. Trotz des gemeinsamen Sieges im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 schwelte der Machtkonflikt zwischen Preußen und Österreich im Deutschen Bund weiter.
1865
561
sich mit Musik und Tanz. Morgen erwarte ich mein Wilhelm, der einige Tage bei Ady war. Morgen sind sie zum Besuch bei der Königin? Nun leb wohl, Deine Adine Ludwigslust, den 18ten September 1865 Ich habe so lange nichts von Dir gehört, geliebte Elis, daß ich fast glaube, ich habe nicht geschrieben. Freilich weiß ich durch Luise von Dir und freue mich zu hören, daß Deine Schwester, die Kaiserin86 aus Salzburg zu Dir kommen sollte. Da wirst Du recht schöne Tage und Stunden mit den lieben Deinen zugebracht haben. Der Abschied wird Dir recht schwer werden. Du gehst morgen nach Possenhofen, wie Luise schreibt, und dahin sende ich diese uninteressanten Zeilen. Und dann gehst Du nach dem lieben Stolzenfels, welch Wiedersehen für Dich. Und doch wird es Dir lieb sein, auch diese schöne Schöpfung von Deinem lieben Fritz wieder zu betreten. Es ist zu schön dort, wenn nur das Wetter noch gut bleibt. Wir haben hier dadurch furchtbare Dürre, die alles übersteigt. Und doch fürchten wir uns für den Regen, der so Noth thut. Morgen will ich mit den Windisch Grätzer Enkeln87 ein Besuch in Prezier machen, bei Kammerherr von Köhnemann, der meine frühere Hofdame Fräulein von Klein zur Frau hat, mit zwei erwachsenen Kindern schon.88 Es ist ganz nahe von hier. Du wirst mich ganz wild finden, daß ich so viel Besuche mache, erst in Burg Schlitz und nun in Prezier. Am Freitag verlaßen wir Ludwigslust und gehen nach Steinfeld zur kleinen Anna, die ich am 15ten besuchte, als ich auf ein paar Stunden in Schwerin war, um im Dom zu beten. Ach, wie ist es da so schrecklich traurig. Es hat mich dies Mal so ganz besonders ergriffen, besonders wie ich angefahren kam, Schwerin so schön beleuchtet sah mit dem schönen Schloß, was nun so leer und traurig ist, und der Dom so voll! Klein Annchen ist gar zu niedlich. Sie entwickelt sich, ist sehr stark und sieht der lieben Mama Anna so ähnlich, zum Weinen ähnlich. Und doch ist es uns so lieb. Meine alte Mama wird doch jetzt immer schwächer, und sie selbst empfindet es so. Ihr Gedächniß nimmt ab, das Gehen will diesen Augenblick auch nicht gehen. Sie kann aber doch oft noch so lebendig und liebenswürdig sein, wenn sie von alten Zeiten spricht oder auf ein Thema kömmt, was sie interessiert. Nun leb wohl. Mein armer Fritz ist jetzt in Madrit. Ich hoffe, zum 15ten Oktober darf ich mich in Sanssouci einfinden? Deine treue Adine
86 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873). 87 Kinder von Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, gest. am 9. März 1859. 88 Emilie von Klein (1824–1898), ehem. mklbg.-schw. Hofdame, verh. 1843 mit Friedrich Franz von Könemann (1821–1889), Gutsbesitzer auf Pritzier, mklbg.-schw. Oberzeremonienmeister, und ihre Kinder Alexander (1845–1908) und Adele von Könemann (1847–1880).
562
Briefe 1851–1873
Steinfeld, den 30ten September 1865 Welche Freude, meine Elis, als Dein lieber Brief vorgestern in meine Hände kam. Ich hatte mich wirklich sehr gesehnt, etwas von Dir selbst zu hören. Wie begreiffe ich Deine Gefühle beim Wiedersehen vom lieben, schönen Stolzenfels. Und bei Dein Aufenthalt jetzt, wie verschieden ist alles seit den 10 Jahren. Du hast Dein ganzes Glück verlohren. Und doch läßt der Herr Dir noch manche Freude, wie Du nun eben gehabt, das Beisammensein mit den Schwestern. Das ist immer für mich noch die größte Wohlthat, wenn ich so recht Schweres durchgemacht, mit den Schwestern dann zusammen zu kommen. Unter den Schwestern nehme ich Dich, geliebte Elis. Du bist uns ja ganz eine liebevolle Schwester, wofür wir dem Herrn nicht genug danken können. Heute ist der Geburtstag von Augusta! Dazu eilte Bruder Wilhelm von Lauenburg aus zurück. Ich bin von Ludwigslust aus einige Stationen mit ihm gefahren, und wir konnten doch etwas zusammen sprechen. Meine alte Mama war auf dem Bahnhof, um ihn zu sehen, was ihr viel Freude gemacht. Sie hat sich wieder recht erholt und macht ihre Spaziergänge, zu unserm Schrecken allein, aber ein Lakai folgt ihr von weiten. Sonst könnte ihr etwas geschehn. In Stolzenfels hast Du das Blatt gefunden, wo Charlotte sich aufgeschrieben, und wir mit ihr. Das waren damals auch so schöne Tage, wir genossen sie recht. Die ruht nun auch in Frieden! Ich hoffe zum 14ten Oktober, wenn Du erlaubst, nach Sanssouci zu kommen, und so lange zu bleiben, bis mein armer Fritz zurück kehrt, der gern seine Aufwartung der Famille machen möchte. Die Kinder werden heut Arcachon verlaßen. Das wird auch ein schmertzlicher Abschied werden, denn dort trennen sich die Geschwister, welche so glücklich zusammen waren.89 Die arme Frau von der Lühe90 hat ihre alte Mutter Hochstetter in Freienwalde verlohren.91 Das ist auch recht betrübt, und sie ist so fern. Von Luise weiß ich jetzt garnichts, denn auf der Reise hat sie natürlich nicht geschrieben. Aber in Muskau muß sie nun sein. Und wann sie nach Sans Souci komt, weiß ich auch nicht. Meine Enkeln Windisch Grätz werden mich nach Berlin begleiten, wo sie sich wegen Zähnen noch sehen laßen, einige Tage aufhallten werden, und ich hoffe, Du erlaubst, daß sie ein Mal einen Morgen herüber kommen, um ihre Aufwartung zu machen. Hugo komt dann auch nach Berlin. Ady ist mit ihrem Bruder wieder nach Kamenz zur Mama.92 Wenn die nur lieber noch mehr Gold gäbe und weniger Brillanten. Nun leb wohl, Gott mit Dir, Deine Adine 89 Herzogin Marie (1854–1820) und Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920) trafen in Südfrankreich auf ihre Brüder Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von MecklenburgSchwerin (1851–1897) und Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1852–1923), die sich 1864–1866 in Bagnères-de-Bigorre zur Behandlung des chronischen Bronchialasthmas des Erbgroßherzogs aufhielten. 90 Henriette von der Lühe, geb. Edle von Hochstetter (1816–1908), Hofmeisterin bei Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 91 Elisabeth Emilie Charlotte Edle von Hochstetter, geb. von Manuel (1788–1865), gest. am 21. Sept. 92 Die geschiedene Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). Ihr gehörten u.a. die Schlösser Weißwasser und Kamenz im österr. Teil Schlesiens, wo sie sich außerhalb Preußens mit ihren Kindern treffen konnte.
1865
563 Schwerin, den 26ten December 1865
Geliebte Elis. Welche Freude hast Du wieder zu Weihnachten verbreitet durch Deine schöne Geschenke. Wie danke ich Dir recht herzlich für die Zeichnung Deines lieben Zimmer in Charlottenburg und die Zeichnungen vom lieben, lieben Fritz, die wirklich wunder schön wieder sind. Die Madonna mit dem Kinde und Engel ist wunderbar schön. Hab innigen Dank für alles, es hat mir so viel Freude gemacht. [Der] Weihnachts Abend, der recht schwer an sich war, mit Rückblick auf vergangenes Jahr und schon der vorher gehenden Jahre, was so zerstöhrtes Glück und Freude enthielt, wurde doch erträglich durch die Anwesenheit von Wilhelm und Ady, die noch so in ihrem ersten Glück war93 und sich kindlich freute wie die andern Kinder, dem aber doch ein Dämpfer aufgesetzt war durch ihr eigenes, tiefes Gefühl. Und dann hatten wir an dem Tage eine so schöne, tröstliche Predigt gehört, wo wir uns so recht ausweinen konnten. Das machte es uns dann leichter tragen, denn wir hatten immer die Gedanken des Friedens mit uns. Ady gefällt hier sehr durch ihre hübsche Haltung, Freundlichkeit und weiß jedem etwas zu sagen. In unsern kleinen Kreise kann sie manchmal recht kindisch sein, und nur durch Ernst kömt sie wieder im Gleichgewicht. Wie ich höre, hat sie Dir schon geschrieben seit Weihnachten. Aber von meinen Geschenken hat sie wohl nicht gesprochen. Vor allem muß ich ein sehr schöne Medaillons erwähnen, was mir Fritz mit der Photographie von Anna gegeben. Es ist schwer, in Gold, auf der Kapsel ist ein Kreutz, schwartz und Gold emailliert, in der Mitte eine Perle mit klein Brillanten umgeben, an einer dicken, runden Cette. Es hat mir viel Freude gemacht. Von Königs94 3 Armleuchter von Glaß und ein Fächer, sehr schön. Von den andern Geschwistern ein paar Lampen auf chinesische Wasen, alles mir selbst gewünscht! Von Ady ein Arbeitsbeutel, und mit Wilhelm zusammen ein weiß ledernen Kasten mit Veilchen auf dem Deckel eingelegt, wunder hübsch. Und dann noch Arbeiten von den Windisch Grätzer Kinder, und von Marichen hier und Hugo Papiterie. Von Luise habe ich gestern einen Brief, noch vom Heilig Abend beendet. Die Reise mit Aufenthallte in Minden, um Mannschaft und Offiziere ihres Regiements zu sehen, ist ihr gut bekommen. Und so kann man froh sein, sie nun in Ruhe im Haag zu wißen, wo sie sich schwer wieder hinein finden wird, nach den langen Aufenthallt in Berlin und der Famille! Beinah hätte ich vergeßen zu sagen, daß ich zwei Exemplare von Fritz seine Zeichnungen bekommen habe. Ob es eine confusion ist oder ob es vielleicht mein Fritz haben soll? Bitte darüber zu bestimmen. Nun leb wohl, dies ist wohl der letzte Brief in diesem Jahr, für uns hier ein schweres, thränenreiches Jahr. Gott aber hilft tragen, wenn man den festen Glauben an Seine Liebe hat. Das hast Du, meine arme Elis, auch erfahren und erfährst es täglich. Die Taufe vom klein Friedrich Leopold95 hat Dir viel körperliche Schmertzen leider wieder verursacht. Deine treue Adine 93 Nach der Heirat von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) und seiner Cousine Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906) am 9. Dez. 94 König Wilhelm I. und Königin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 95 Taufe von Prinz Friedrich Leopold von Preußen (1865–1931), geb. am 14. Nov.
1866 Ludwigslust, den 5ten Januar 1866 Der erste Gruß, der mir am Neu Jahr [gebracht] wurde, war Dein lieber Brief, der auf dem Schreibtisch lag, als ich in mein Zimmer trat. Du kannst Dir meine Freude denken, und ich denke, es ist eine schöne Vorbedeutung für das ganze Jahr. Habe Dank, geliebte Elis, für alle Liebe und Freundschaft, die Du mir auch das verfloßene Jahr bewiesen. Es war ein schweres Jahr, reich an Trauer und Thränen, die auch mit im Neuen Jahr gingen. Und doch hat uns der Herr wieder Freude gegeben durch die Heirath von Wilhelm,1 und ich hoffe zuversichtlich, daß sich alles zum Besten gestallten wird. Am 2ten dachten Ady und ich recht viel an Dich und beteten für Dich. Sie war den Morgen mit mir nach dem Schloß zur Morgen Andacht, und dann fuhren wir hier nach Ludwigslust. Wie ich jetzt erfahren durch Famille Abbat, bist Du nicht nach Sanssouci gewesen, nur die Brüder. Es war für Dich gewiß so am besten, denn eine Erkältung ist kaum zu vermeiden. Aber es mag Dir doch schwer geworden sein. Heute verlaßen wir Ludwigslust wieder, wo einige Jagten waren, was, wie es schien, Abbat Vater Vergnügen machte, obgleich sie nicht besonders ausfielen. Der Sohn ist bekanntlich kein passionierter Jäger und war gestern wie heute nicht dabei. Die alte Mama ist bis jetzt recht wohl und munter. Nach den Jagten waren größere Diners, um die Damen und Herrn Ady vorzustellen, was ihr Glanzpunkt ist, denn sie hat eine so hübsche und leichte Art zu sprechen. Aber in kleinen Kreise läßt sie sich zu sehr gehen, und da muß ich oft erinnern. Es ist aber ein garzu gutes Wesen, so rein und from, und beschäftigt sich gern. Sie treibt Musik mit Fräulein von Maltzahn,2 liest auch mit ihr. Es scheint, daß sie ihr sehr zusagt, und dies ist eine sehr liebenswürdige Person. Natürlich ist Ady jetzt doppelt glücklich, ihren Papa, aber besonders ihren Bruder hier zu haben, den sie recht gemißt. Leider ist gestern Abend Valentin Massow3 abgeholt worden durch eine Depesche, daß sein klein Söhnchen4 sehr krank sei. Es soll ein zahrtes Kind sein. Diese nächste Zeit haben wir so viele Diners, morgen bei Minister von Lewetzow,5 dem jungen Paar zu Ehren. Sonntag hat sich der belgische Gesandte6 gemeldet, Montag der spanische.7 Letzten wird Ady zu ihrer Freude nicht mehr erleben, da sie den Tag nach Ivenack zu Graf Pless8 geht und den Abend einen Ball in Malchin mit 1 Heirat von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) mit seiner Cousine Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906) am 9. Dez. 1865. 2 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen. 3 Valentin von Massow (1825–1868), preuß. Major und Adjutant des Prinzen Albrecht von Preußen (1837–1906), verh. 1864 mit Adelheid Marianne von der Asseburg (1844–1912). 4 Valentin von Massow (1864–1899). 5 Theodor Diederich von Levetzow (1801–1869), mklbg.-schw. Staatsminister für Finanzen. 6 Henri Bosch-Spencer (1802–1873), belg. Gesandter in Mecklenburg-Schwerin und Dänemark. 7 Manuel Rances y Villanueva (1824–1897), span. Gesandter in beiden Mecklenburg und SachsenWeimar. 8 Adolf Freiherr von Maltzahn, Graf von Plessen (1835–1909), Majoratsherr auf Ivenack, verh. 1857 mit Elisabeth von Meyerinck (1837–1924).
1866
565
macht, der nun ihr halb mit zu Ehren ist. Den Dienstag geht sie nach Strelitz und kehrt Freitag nach Schwerin zurück. Dann bleiben sie leider nicht mehr lange, da der Urlaub am 27ten aus ist.9 Hier werde ich unterbrochen von Abbat Vater, mein Sohn, Ady und Bruder und eile, um nur den Brief zu schließen. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Schwerin, den 20ten Januar 1866 Ich habe so schrecklich lange nichts von Dir gehört, geliebte Elis, daß ich nicht ein Mal weiß, ob ich nicht geschrieben habe und geantwortet auf Deine Briefe. Seit dem bist Du sehr in Sorge gewesen um Deine Nichte Sophie10 in München, und mit der größten Angst erwarte ich immer die Zeitung. Einige Male haben wir telegraphiert an Marichen von Baiern und nun, Gott sei Dank, ist ja alle Sorge und Angst von den armen Eltern11 genommen. Deine arme Schwester muß recht schwach und angegriffen sein, von der Pflege und der Sorge. Aber die Freude wird sie gewiß stärken. Mein Sohn Wilhelm, der auf einige Stunden in Berlin war zur Ordens Capitel,12 hat Dich leider verfehlt. Heute 8 Tage kehren sie beide nun nach Bellevue zurück,13 und wir sehen sie ungern scheiden. Aber leider hat Wilhelm jetzt keinen längern Urlaub erhallten. Die kleine Ausflucht nach Strelitz hat Ady sehr amüsiert und erfreut. Man ist unbeschreiblich herzlich und freundlich für sie gewesen. Sie haben 2 Bälle mit gemacht und waren nur sehr frappiert von dem freien Ton der Herrn. Hier bei uns geht es nun still zu, einige Diners müßen gegeben werden, weil mehrere Herrn und Damen vom Lande herein kommen, um die junge Herzogin ihre Aufwartung zu machen. Dann ist Ady auch immer sehr liebenswürdig und gefällt sehr. Aber wenn wir allein sind, kann sie oft schrecklich kindisch sein. Das habe ich ihr noch nicht abgewöhnen können, ich arbeite aber immer daran. Sonst muß ich sagen, freue ich mich, wie sie immer beschäftigt ist in ihre Zimmer, mit Schreiben, Lesen in den Büchern, die Du ihr geschenkt, oder sie musiziert oder liest mit der Hofdame,14 oder sie arbeitet. Und wenn man mit ihr allein ist, kann sie so hübsche conversation machen, hat so viel Ernst in sich. Ich glaube, die Ehe wird recht gutgehen. Sie haben sich beide lieb und kennen ihre Schwäche gegenseitig. Aus Altenburg habe ich die Nachricht
9 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin, preuß. Generalmajor und Kommandeur der 6. Kavallerie-Brigade, hatte heiratsbedingt Urlaub bekommen. 10 Herzogin Sophie in Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen (1845–1867), verh. 1865 mit Herzog Carl Theodor in Bayern (1839–1909), kränkelte seit der Geburt ihrer Tochter am 24. Dez. 1865. 11 König Johann (1801–1873) und Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 12 Kapitelsitzung des preuß. Schwarzen Adlerordens. 13 Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, residierten im Schloss Bellevue. 14 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen.
566
Briefe 1851–1873
bekommen, daß der arme Ernst15 so sehr an seinen Kopf leidet, heftige Kopfschmertzen, die ihn untauglich machen, sich zu beschäftigen, daß die Ärtzte schnell entschieden haben, er müßte gleich nach Vevey reisen auf einige Wochen. Und da hin ist er heute abgereiset. Er soll sich viel in freier Luft bewegen und besonders Gebirgsluft, andre Gegenstände sehen, sich recht auffrischen. Mir scheint es recht ernst, die ganze Sache. In Altenburg will man es leicht nehmen. Nun leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 1ten Februar 1866 Tausend herzlichen Dank, geliebte Elis, für Deinen Brief, der mir so sehr viel Freude machte. Heute ist nun Geburtstag von Schwester Luise und von Ady. Zu gerne wäre ich nach Bellevue gekommen, um den ersten Geburtstag, wo sie nun meine Tochter ist, mit ihr zu feiern. Allein, es wollte sich nicht machen. Ich hätte auch zu wenig von ihr gehabt, da Diner beim Papa Abbat ist und abends großer Ball auf dem Schloß. Und zum Geburtstag von Mary wollte ich nicht bleiben, da wir ja noch in Trauer sind, und da finde ich es nicht passend, aus freien Stücken Feste mit zu machen. Etwas anderes ist es, wenn ich im März zu Bruder Wilhelm Geburtstag komme, der so unbeschreiblich freundlich und gnädig für uns gewesen ist bei der Heirath von Sohn Wilhelm. Recht leer ist es bei mir, seit das liebe, junge Paar abgereiset ist. Sie brachte doch viel Leben hinein in unseres stilles Leben. Ich habe jetzt die Überzeugung gewonnen und habe es auch schon an Luise geschrieben, daß die Schuckmann16 gewiß sehr gut Ady erzogen hat. Aber auf das Äussere hat sie sie schlecht erzogen. Sie hat nicht genug darauf geachtet, daß sie sich zusammennehmen lernte, sondern was ihr im Kopf kam thut, ohne zu überlegen. Sie ließ ihr alle Kinderei durch, als wenn das Heiterkeit und Liebenswürdigkeit wäre. Nun muß die Arme es erst lernen, und das ist nicht so leicht, wie man es sich denkt. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf und werde immer erinnern, wo ich mit ihr zusammen bin. Sonst ist sie doch ein garzu liebes, gutes Kind. Ich hoffe, Du hast gute Nachricht aus München.17 Deine Schwester ist noch da? Abbat Vater hat ja in aller Eile einen Ball in Dresden gegeben!!! Nun leb wohl, Deine treue, alte Adine
15 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908). 16 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin von Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906). 17 Herzogin Sophie in Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen (1845–1867), jüngste Tochter von Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, kränkelte seit der Geburt ihrer Tochter am 24. Dez. 1865.
567
1866
Schwerin, den 27ten Februar 1866 Eben, als ich aus mein Zimmer kam, um Dir zu schreiben, fand ich Dein lieben Brief, geliebte Elis. Und nun kann ich gleich auch für den danken, wie für Dein liebes Geschenk. Das Cabinet vom geliebten Fritz ist prächtig gemacht, so ähnlich und treu, als wenn er darin sitzen müßte. Es erfüllte mich mit tiefer Wehmuth. Aber auch der reitzende Mantel entzückt mich, ich freue mich schon darauf, wenn ich ihn werde anthun können. Mein Geburtstag hat mir wieder so viel Beweise von Liebe gebracht, was mich sehr beglückte, auch so viele schöne Geschenke. Ich fühlte mich noch etwas matt, aber die Anwesenheit von Wilhelm und Ady hat mir und uns allen wohl gethan. Nur ein überwältigender Moment war, als die kleine Anna18 kam. Ach, voriges Jahr war ihre liebe Mama da, und so heiter und lieb. Gott ist ihr gnädig gewesen und hat sie in seine Arme aufgenommen. Morgen, an Fritz sein Geburtstag, werden auch alle alte und neue Wunden bluten. Dann kommt der 3te März. Ach, wenn man an das Sterben denkt, dieser Glaube und diese Liebe zum Heiland, das war doch etwas so Schönes und Erhebendes und bleibt uns ein Vorbild für unsere letzte Stunde. Mein Wilhelm hat gestern fort gemußt nach Perleberg, komt aber morgen Mittag zum Geburtstag nach Steinfeld, um am 1ten März wieder nach Kiritz zu gehen. Am 2ten treffen sich das junge Paar unterweges, in Neustadt glaube ich, und kehren dann zurück. Ich hoffe, am 17 oder 19ten nach Berlin zu kommen, und möchte gerne bei Dir ein paar Tage wohnen, wenn Du es mir erlaubst. Nun leb wohl. Der Brief soll vor der Morgen Andacht fort. Die Auflösung der Kammer19 ist recht erfreulich. Deine dankbare, alte Adine Ludwigslust, den 15ten März 1866 Geliebte Elis, ich bin hier auf ein paar Stunden, um meine alte Mama zu besuchen, die ich recht wohl fand. Einige Augenblicke, wo ich zu Haus bin, benutze ich, um Dir zu danken für Deinen lieben Brief, wonach Du mich freundlichst Sonntag Abend auf einige Tage bei Dir aufnehmen willst. Ich freue mich sehr dazu. Ady wird Dir gesagt haben, wie ich mir die Tage eingetheilt. Ich hoffe nur, geliebte Elis, daß Du dann wohl wieder bist und ich Dich nicht geniere. Das Wetter ist zu gräulich, wechselt immer ab mit Kälte, Regen, Wind, Wärme usw. Daß man sich dabei auf den Füßen hällt, ist ein Wunder. Am Sonntag hatten wir recht viel Sorge um mein Sohn Fritz, der furchtbar Krampf Coliken 14 Stunden hatte und nichts helfen wollte. Endlich brachen die Medizin sich Bahn, und da war auch alles gut. Er schlief die Nacht ruhig und war den Montag wieder ganz wohl, und nun ist nicht mehr die Rede davon. Aber es waren schreckliche Stunden, die ich durch gemacht. Das Herz ist so zaghaft geworden, kann immer noch nicht alles dem
18 Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882), geb. am 7. April 1865. 19 Noch immer wurde in Preußen ohne einen vom Parlament genehmigten Haushalt regiert.
568
Briefe 1851–1873
Herrn an Heim stellen. Hier hat Er aber wieder gnädig geholfen! Nun leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen am Sonntag Abend. Deine treue Adine Steinfeld, den 16ten April 1866 Liebe Elis, ich bin ganz bestürtzt, daß ich Dir noch garnicht geantwort habe auf Deinen Brief vom 26ten März. Ich hatte mir fest eingebildet, gleich den anderm Tag geschrieben zu haben. Verzeih, ich kann es mir nicht anders erklähren, als daß ich es erst gewollt und dann mich gescheut, bei die so schrecklich drohende Kriegsaussicht zu schreiben. Denn ich war sehr in Angst. Jetzt scheint eine Windstille eingetreten zu sein. Kömmt sie von der Krankheit von Bismark20 oder von den herlichen Aussichten, ein Parlament auf Urwahlen gestützt zu bekommen?21 Gott bewahre einen dafür, alle Menschen stehen verblüfft da, wie Ochsen am Berge. Was soll das heißen? Es steckt etwas dahinter, aber was? Ich bedauere meinen armen Bruder! Heute kam Dein liebe, theilnehmende Telegram, wofür Fritz auch sehr dankt. Seit 1 Uhr bin ich hier. Die Kinder fuhren schon um 11 Uhr heraus zu ihrem armen Papa, der mich mit Klein Annchen auf dem Arm empfing. Ach, daß wir einen solchen zweiten Trauer Tag erleben und begehen müßen.22 Der eine war schon so schwer, es ist zu viel. Und doch trägt man den großen Schmertz immer von einem Tag, von ein Monat, von einem Jahr zum andern mit sich herum und lebt so weiter. Nur der Herr und der feste Glaube an Seine Barmherzigkeit kann die Kraft geben. Um 8 Uhr war ich mit beiden Kindern im Dom, wo die Trauer Stette so schön mit Blumen und Kränzen geschmückt war. Der Sarg sah aus wie ein Veilchen Garten, und sie ruht darunter wie ein Veilchen. Ein Jahr ist es her, und es will mir dünken, als wenn es viel länger wäre. Wir schlepten so mühsam daran. Die armen Eltern in Darmstadt,23 wie werden sie traurig sein. Und ausserdem ist Karl recht leidend und hat so einen starken Husten, daß Elschen gestern schrieb, sie möchte wieder mit ihm fort. Er soll noch sehr verändert sein. Major von Brandenstein24 hatte Fritz nach Homburg zur Beisetzung25 gesendet, und der hat Elschen und Karl dort gesehen und sagte es uns. Wenn das nur nicht noch schlim endet. Etwas ganz anderes. Victoria, die Halz über Kopf nach dem 20 Otto Graf von Bismarck (1815–1898), preuß. Ministerpräsident und Außenminister. 21 Bismarcks Forderung im Machtkonflikt mit Österreich nach einem direkt gewählten Nationalparlament war für konservativ-ständische Mecklenburgerinnen wie die Großherzoginwitwe Alexandrine ein Schock. 22 Todestag von Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1843–1865), am 16. April. 23 Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), nach dem Tod ihrer Tochter. 24 Georg Freiherr von Brandenstein (1827–1897), mklbg-schw. Major und Flügeladjutant bei Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 25 Beisetzung des letzten Landgrafen Ferdinand von Hessen-Homburg (1773–1866), gest. am 24. März.
1866
569
Neuen Palais und ein paar Stunden darauf ein Töchterchen hat,26 so etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Sie hätte in der Eisenbahn niederkommen können! Sie wird aber froh sein, in ihr liebes Neu Palais zu sein, wo ich hoffe es warm ist und die Kinder sich nicht erkälten. Denn eigentlich ist die Luft noch nicht recht warm. Dabei wird es aber recht grün schon, und hier in Steinfeld ist es schon so hübsch. Um 7 Uhr fuhren wir wieder herein. Fritz kommt erst späth herein. Er ist schon seit gestern Mittag hier, um recht ruhig und still zu sein. Leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 30ten April 1866 Es war grade heute meine Absicht, Dir zu schreiben, geliebte Elis, als Dein lieber Brief mir schon im Bett gebracht wurde. Ich sehe daraus, daß Du an einem schlimmen Auge gelitten hast, und da fürchte ich doch, daß das Schreiben Dir geschadet hat. Ich wollte Dir noch Nachricht geben, daß Elschen seit vorgestern bei uns ist. Wir waren ihr bis Hagenow entgegen und Fritz in Ludwigslust, wo wir bei der alten Mama gegeßen, die den Tag ganz besonders schwach war. Doch am Nachmittag, wo Elschen mit ihr noch ausgefahren ist und bis 7 Uhr geblieben, soll sie es weniger gewesen sein. Um 7 Uhr ist dann Fritz mit Elschen mit Pferden nach Schwerin gefahren, wie sie es gewünscht. Denn natürlich war das Ankommen furchtbar schwer, und niemand war daher zum Empfang. Am Sonnabend kam ich nach 8 Uhr auf dem Schloß und fand alles versammelt um die liebe, kleine Anna,27 die gleich ganz freundlich für ihre Großmama war. Aber natürlich weinte die arme Elschen sehr, so auch in der Morgen Andacht, und jeder Schritt wurde ihr schwer. Ich ging dann fort und ließ sie allein, damit sie ungestöhrt ihren Schmertz leben konnte. Mittags war Diner, bloß mit Hof allein, das war auch schwer. Den Abend tranken wir en trois Thee. Und gestern am Sonntag waren wir in der Kirche, wo sie auch alles so an der Vergangenheit erinnerte. Den Mittag bis 7 Uhr waren wir in Steinfeld, wo es ganz hübsch war, alles so grün und frisch, die Luft aber kalt und heute noch kälter. Mit diesem kühlen, wohl kalten Wetter besser gesagt, will ich mich Donnerstag auf den Weg machen nach Marienbad, wo wohl Schnee und Eis sein wird. Ich wählte diesen frühen Monat, weil Anfang Juny Friedrich und Paul zurückkehren.28 Und da möchte ich mit ihnen bleiben. Ich hoffe nur, daß dieser bedrohliche Zustand nicht in Gewitter Wolken mit Blitz und Donner ausartet und ich dazwischen sitze. Gott wolle doch etwas mehr gegenseitiges Vertrauen geben. Denn das ist doch jetzt eigentlich die Ursache des Mißtrauen. Eben habe ich an Bruder Wilhelm telegraphiert, ob ich noch nach Marienbad gehen könnte oder ob es zu bedrohlich aussehe. Und er hat geantwortet, ich könnte reisen, und so reise ich denn. Ich gehe über Magdeburg bis Leibzig und bin Freitag Nach26 Geburt von Prinzessin Viktoria von Preußen (1866–1929), geb. am 12. April im Neuen Palais. 27 Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882), geb. am 7. April 1865. 28 Rückkehr der beiden Brüder vom zwei Jahre andauernden Kuraufenthalt in Bagnères-de-Bigorre zur Behandlung des chronischen Bronchialasthmas des Erbgroßherzogs.
570
Briefe 1851–1873
mittag 4 Uhr in Marienbad und werde erst auf der Rückreise ein Tag in Altenburg bleiben, und hoffe dann, daß Du mir erlaubst, auch auf 1–2 Tage nach Sanssouci zu kommen, was wohl den 28 oder 29ten Mai sein würde. Eben geht Puttlitz29 von mir fort, dessen alter Vater30 die Ruhr hat und sehr schwach ist, daß man sehr fürchtet, daß er nicht durchhällt. Dann müßte er uns verlaßen, was wirklich ein zu großer Verlust wäre. Nun leb wohl. Gott gebe, daß die Welt vernünftiger wird. Aber das Parlament bleibt ein Alp und ein Unglück. Elschen trägt mir noch die herzlichsten Grüße auf. Sie reiset Mittwoch ab. Sie hatte heute aus Gießen Nachricht, wo Karl jetzt bei Sohn Wilhelm31 ist und den dortigen Artzt wegen seiner Gesundheit befragt. Sein Husten hällt er für Nerven und schlägt vor öftere Luftveränderung, wie Homburg, Auerbach usw. Das ist nun eine große Beruhigung. Deine treue Adine Schwerin, den 12ten Mai 1866 Liebe Elis, ich wollte Dich um Erlaubniß bitten, ob ich künftige Woche auf 2 Tage zu Dir nach Charlottenburg kommen darf. Man kann nicht wißen, wie schnell mein Wilhelm fort muß, und den möchte ich doch noch gern sehen und Abschied nehmen. Wenn es Dich also nicht geniert oder Du schon vorher nach Sanssouci ziehst, so würde ich Dienstag Abend zum Thee mich bei Dir einfinden und vorher in Bellevue eßen. Ach, wie schrecklich traurig ist dies alles. Ich hatte freilich gleich wenig Hoffnung, aber dachte, der liebe Gott würde solches Unglück nicht zu geben. Aber die Menschen sind zu verbissen, und der Gedanke mit dem Parlament hat alle Gemüther von Preußen abgewendet.32 Es hat Mißtrauen gegeben bei Freund und Feind, denn sonst wäre nicht fast ganz Deutschland gegen Preußen aufgestanden. Zwar sprechen alle die Länder von fest hallten am Bund, und sie selbst thun grade das Gegentheil. Denn alles rüstet sich, ohne daß der Bund sie dazu aufgefordert hat. Nun leb wohl. Für Dich ist es auch ganz furchtbar, meine liebe Elis. Alle Deine nächste Verwandte gegen Preußen zu haben, wie fühle ich daß mit Dir.33 Deine treue, alte Adine
29 Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), Gutsbesitzer auf Retzin, Schriftsteller, seit 1863 Intendant des Hoftheaters Schwerin. 30 Eduard Gans Edler Herr zu Putlitz (1789–1881), preuß. Gutsbesitzer, Politiker und Offizier. 31 Prinz Wilhelm von Hessen-Darmstadt (1845–1900). 32 Preußen suchte beim Deutschen Bundestag durch die Beantragung der Wahl eines Nationalparlaments den Konflikt mit Österreich. 33 Die wittelsbachische und wettinische Verwandtschaft Königin Elisabeths hielt im Konflikt mit den Hohenzollern zu den Habsburgern.
1866
571 Steinfeld, den 24ten Mai 1866
Geliebte Elis, ich muß Dir doch aussprechen, wie leid es mir war, daß wir uns dies letzte Mal fast garnicht gesehen, denn die Stunden waren so zerrißen, man kam nicht zum richtigen Sprechen, und es wäre mir doch so eine Wohlthat gewesen. Aber da dieser Besuch fast nur mein Wilhelm betraf, den ich noch gern so lange wie möglich sehen wollte vor seiner Abreise,34 so ließ es sich dies Mal nicht anders machen. Ich hoffe aber, daß, wenn ich ein Mal wieder komme, ich dann wie sonst bei Dir wohnen kann, denn das ist doch meine größte Freude, bei und mit Dir zu sein. Wie mir Ady schrieb, ist sie Pfingsten in Marli35 gewesen, was ihr ganz wie sonst vorkam, und daß sie auch bei Dir nach alter Art sein durfte und es auch heut und morgen wieder so machen will. Eigentlich glaube ich, wird es ihr recht schwer, von Berlin fort zu gehen, wo sie doch heimischer ist als bei uns. Sie hat nichts der Art geäussert, aber ich fühle es ihr nach. Auch ist sie ferner von allen Nachrichten und allen Bekanten. Hier bei uns in Steinfeld ist es sehr, sehr still und das Wetter recht rau und unfreundlich. Gestern hatten wir Schnee, der einige Minuten liegen blieb. Felix Voss war mit Frau und Tochter36 gestern hier, um ihren Besuch zu machen, und kamen in diesen Wetter hier heraus. Sie haben am 20ten auf dem Hartz ihre Silberne Hochzeit gefeiert. Sie schwatzt, daß man schwach würde. Ich möchte wißen, was Bruder Wilhelm zum Karl von Hohenzollern sagt, der mir nichts Dir nichts nach sein Königreich geht und seinen Abschied von der Grenze einschickt.37 Rußland, Türkei, England, alles will ihn nicht anerkennen und senden Truppen. Was wird das nun wieder geben? Könnt es ein Ableiter für uns werden?38 Nun leb wohl. Aber wird wohl die Taufe39 im Neuen Palais sein? Der Coburg40 ist ja da. Ich hoffe, Du hast Dich auch wieder entschloßen, mit dabei zu sein. Deine treue Adine Alexander von Hessen41 scheint abgeblitzt zu sein!
34 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin übernahm als preuß. Generalmajor im Deutschen Krieg das Kommando über die 2. leichte Kavallerie-Brigade im Kavallerie-Korps der 1. Armee. 35 Marlygarten, Landschaftsgarten im Schlosspark von Sanssouci. 36 Felix Graf von Voß (1801–1881) und Luise Gräfin von Voß, geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck (1820–1902), sowie ihre Tochter Benedicta Gräfin von Voß (1844–1897). 37 Prinz Karl Eitel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen (1839–1914) war am 20. April nach einer Volksabstimmung zum Fürsten von Rumänien gewählt worden und nahm seinen Abschied als preuß. Rittmeister im 2. Garde-Dragoner-Regiment. Am 22. Mai folgte der feierliche Einzug Fürst Carols I. in Bukarest. 38 Außenpolitische Ableitung des österr.-preuß. Machtkonflikts im Deutschen Bund. 39 Taufe von Prinzessin Viktoria von Preußen (1866–1929), geb. am 12. April. 40 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893). 41 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), österr. Feldmarschallleutnant.
572
Briefe 1851–1873
Steinfeld, den 16ten Juny 1866 Geliebte Elis, wie glücklich war ich, daß ich in dieser Zeit noch ein paar Tage mit Dir sein konnte und mich noch ein Mal mit Dir aussprechen konnte. Es wird gewiß nicht so bald wieder geschehn. Nun ist ja der Bruch da und der Krieg wird nun nicht lange auf sich warten laßen.42 Vielleicht hat er schon begonnen. Bitte, wenn Du Nachricht irgent einer Art hast, laß es uns gleich wißen, denn hier erfährt man alles so späth. Die Haak43 kann ja schreiben nur mit ein paar Worten oder par telegram. Die hohe Frau ist nun wohl da, wie mag sie gestimt sein. Ach Gott, wie ward mir das Scheiden von Dir schwer und am Abend von den Brüdern. Beide waren sehr bewegt. Wir haben alle das Gefühl von schweren, großen Ereignißen und langer Trennung. Mir ist das Herz so schwer, und ich muß alle meine Kraft zusammen nehmen, um den Herrn recht alle meine Anliegen ergeben und gläubig in Seine Hände zu legen. Er wird es wohl machen nach Sein Willen. Ach, möchte Er Preußen schützen für zu großes Unglück. Es heißt, als wenn die Preußen im Hannoverschen und in Sachsen einmarschiert wären. Wenn ihnen hier die Waffen hold, so könnte sich mancher vielleicht noch bekehren. Nach der Bundessitzung sieht man recht deutlich, daß Östreich mit halb Deutschland darauf ausgehe, Preußen zu vernichten. Das ist ihr fester Entschluß, möge es ihnen nicht gelingen. Ady und ich sitzen viel zusammen und sprechen über unser gemeinsames Interesse. Ach, wie traurig sind wir zusammen. Von Wilhelm hat sie garkein Nachricht, obgleich er ihr ein Brief verheißen par telegram. Aber es mag an den vielen Märschen liegen. Leb wohl. Wir wollen aus fahren, nach prächtigem Regen ist es köstliche Luft. Deine treue Adine Steinfeld, den 26ten Juny 1866 Habe herzlichen Dank, liebe Elis, für Dein lieben Brief vom 19ten. Ja, es sieht wunderbar in der Welt aus. Die Besetzung von Hannover und Cassel sind wohl leider nothwendige Übel und liegt in der Unklarheit der Regierenden. Wie viel Ehlend und Unglück bringen sie über ihr Land. Der Kurfürst44 ist also wirklich nach Stettin. Den hat der Mammon verführt, er wollte sein Schatz nicht mißen. Das Schicksal von George von Hannover45 ist auch betrübend. Wohin er sich wohl wenden wird? Und die armen Truppen, die ohne alle Munition waren, es ist schrecklich. Sie rechneten so fest auf Östreich und so weiter, und Bundeshülfe! Wie habe ich aufrichtig Theil genommen an das Unglück von der 42 Dipl. Bruch zwischen Österreich und Preußen u.a. über die Verwaltung von Schleswig und Holstein. 43 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 44 Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875) wurde bei der preuß. Besetzung von Kassel in seiner Residenz gefangen genommen und am 23. Juni als Staatsgefangener nach Stettin gebracht. 45 König Georg V. von Hannover (1819–1878) befand sich bei der von preuß. Truppen eingeschlossenen Armee, die am 27. Juni die Schlacht bei Langensalza lieferte, ohne damit die Kapitulation verhindern zu können.
1866
573
armen Victoria, und dies Leid nun ohne den armen Fritz Wilhelm, der bei der Armee bleiben mußte.46 Das ist wirklich zu hart. Eben las ich in der Zeitung, die Beisetzung in der kleinen, lieben Capelle. Das muß zu traurig gewesen sein. Warst Du auch dort? Wie schwer für Dich. Ich war mit meinen Gedanken ganz dort um der selben Stunde. Gott stärke die arme Mutter. Wie mag es nun in Böhmen aussehen?47 Jede Stunde kann die Nachricht von einer affaire kommen. Unser Wilhelm ist wahrscheinlich bei der avangarde. Gott möge mit ihm und der lieben Armee sein. Bruder Wilhelm wird auch wohl nicht mehr lange in Berlin bleiben, aber gewiß morgen den allgemeinen Bethtag noch mit machen. Auch wir werden morgen in der Morgen Andacht daran theilnehmen. Unsere Truppen werden wohl künftige Woche fertig sein. Mein Fritz war gestern mit den beiden ältesten Söhnen auf einige Stunden in Strelitz. Von dort aus wünschte man ein rendez vous, und es wurde nun so gemacht. Dort wollen sie eigentlich garnichts thun, nicht mobiel machen oder doch nur nach Hollstein gehen. Fritz hat ihnen aber begreiflich gemacht, daß das unmöglich sei, und sie sollten sich an den König direkt wenden, der würde bestimmen. Überhaubt hat er sich mit Schonung recht ernst und klar ausgesprochen und die Situation klar gemacht, denn ist es etwas confus dort.48 Ob die Verlobung der Dagmar sich bestettigt mit dem jetzigen Thronfolger?49 Überraschen würde es mich nicht. Das war lange arangiert. Ich hoffe, Du hast gute Nachrichten von Deiner Schwester. Wie richtig finde ich es von Deiner Schwester Marie und der alten Amelie, daß sie in Dresden bleiben. Deine alte Adine Steinfeld, den 16ten July 1866 Dein lieber Brief vom 9ten hat mich wieder innig erfreut. Habe Dank für alles Interessante, was Du mir schreibst. Ja, Gott scheint bis jetzt mit seiner Gnade mit unserer braven Armee zu sein, die würklich Leistungen macht, wie man sie nicht erwartet.50 Viele, viele schmertzliche Verluste beweinen wir, und das Ende ist noch nicht da, aber muß nun doch wohl bald kommen, was dann! Frankreich scheint sich wieder zu beruhigen. Die Schenkung von Venedig51 hatte ihn einen Moment den Kopf schwindeln machen. Auch 46 Tod von Prinz Sigismund von Preußen (1864–1866), gest. am 18. Juni an einer Hirnhautentzündung. 47 Vormarsch der preuß. Truppen im österr. Böhmen. 48 Das kriegerische Ende des Deutschen Bundes bedeutete für Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz auch das Ende der Selbständigkeit seines Großherzogtums, ob er sich auf die Seite Preußens stellte oder nicht. Sich mit Neutralität aus dieser Situation zu retten, war eine Illusion. 49 Verlobung des neuen Thronfolgers Großfürst Alexander (III.) Alexandrowitsch von Russland (1845– 1894) mit Prinzessin Dagmar von Dänemark (1847–1928), zuvor verlobt mit dem verstorbenen Großfürsten Nikolaus Alexandrowitsch von Russland (1843–1865). 50 Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli mit dem Sieg Preußens gegen Österreich und Sachsen. 51 Nach der Niederlage bei Königgrätz musste Österreich Venedig an Italien abtreten, Frankreich unterstützte die ital. Nationwerdung.
574
Briefe 1851–1873
die Armee am Rhein oder Main macht ihre Fortschritte. Es ist aber doch alles traurig. Man sagt, George von Hannover sei nach Wien.52 Dies scheint mir sehr unüberlegt. Es war so passend, daß er bei seinem Schwiegervater in Frölichwiederkunft blieb.53 Hast Du wieder etwas vom armen Anton Hohenzollern gehört? Man fürchtet sehr für ihn. Er soll so unendlich leiden mit Heldenmuth.54 Von George Gröben hörte ich garnichts.55 Unsere Truppen sind nun seit gestern auch fort nach Leibzig. Mein Sohn Fritz soll dieses zweite Reserve Corps kommandieren. Ich glaube, er wäre lieber bei der großen Armee geblieben, wo doch etwas Entscheidendes in diesen Tagen kommen muß. Ich hoffe, Du hast gute Nachrichten von Deiner Schwester. Du schreibst an Ady so traurig und bang für die Zukunft von Sachsen. Vertrau dem Edelmuth von Bruder König. Freilich, wie andern wäre es, wenn Sachsen mit uns gegangen! Von Elschen weiß ich nun auch nichts mehr. Einen Moment hatte ich die Absicht, Dich um Erlaubniß zu bitten, künftige Woche zu Dir kommen zu dürfen. Aber ich habe es wieder auf [ge]geben, weil ich nicht zwei Mal die Reise machen will, weil ich gern nach Berlin käme, wenn Bruder Wilhelm zurückkehrt, was freilich noch nicht zu bestimmen ist. Am 1ten August gehen wir alle von hier nach Dobbran auf einen Monat, Ady soll baden. Es geht ihr gut, oft ist sie sehr schämig und laut. Dann erziehen die beiden ältesten Enkel sie, was nicht passend, aber sehr komisch ist und wirklich hilft. Ist Elise Fersen noch in der Gegend von Potzdam und ob sie noch länger bleibt? Immer habe ich Dich schon fragen wollen, ob Abbat sein Röschen56 noch in Berlin ist. Ady sagte mir, sie wäre längere Zeit dort gewesen, aber nicht im Palais. Wenn das nur nicht der Anfang ist, nun könnte sie nach Dresden zurück eigentlich. Nun leb wohl, geliebte Elis. Es ist so heiß heute wieder, daß ich ganz verdumme. Deine treue Adine Grüße Deine Damen und die Minister. Dobbran, den 17ten August 1866 Geliebte Elis, ich bin schon so lange von Dir fort und habe noch kein Lebenszeichen gegeben. Aber hier in Dobbran kömmt man noch weniger zu etwas, als an andern Orten. Jetzt haben wir die große Freude, meinen Fritz hier zu haben. Er kam Montag nach Schwerin, wo er viel zu thun vor fand, und Dienstag kam er hier an. Ich war mit den Kindern entgegen gefahren. Das war ein Jubel, und das Glück, ihn wieder in meine Arme 52 Der nach der Niederlage gegen Preußen exilierte König Georg V. von Hannover (1819–1878). 53 „Fröhliche Wiederkunft“, Jagdschloss Herzog Josephs von Sachsen-Altenburg (1789–1868) bei Stadtroda. 54 Prinz Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1841–1866), preuß. Sekondeleutnant à la suite, gest. am 5. Aug. an einer Verwundung aus der Schlacht bei Königgrätz. 55 Georg Graf von der Gröben (1817–1894), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 3. Kavallerie-Brigade, verwundet in der Schlacht bei Königgrätz. 56 Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879), morganatisch verh. 1853 mit Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872).
1866
575
zu schließen, können Worte nicht beschreiben. Er sieht wohl aus, aber ist sehr mager geworden. Hier badet er im Meer, geht auf Jagdt und arbeitet fleißig, den ganzen Vormittag sieht man ihn nicht. Er wollte bis Montag bleiben und dann Dienstag in Berlin sein und gleich nach Nürnberg zurück, von wo, wir hoffen, er bald ganz heimkehrt. Aber Baiern will sich noch nicht geben,57 auch der Friedensschluß mit Östreich scheint noch nicht fertig.58 Morgen ist der Geburtstag vom armen Kaiser.59 Das wird auch recht trübe gefeiert werden. Vielleicht verläßt uns Fritz schon Sonntag ganz früh, da gestern die Nachricht vom Tode von Henry XII. Reuß in Liebenstein kam und er am 20–21 in Stonsdorf begraben werden soll, wozu Fritz gerne hingereiset wäre.60 Er erwartet noch bestimte Nachricht darüber. Wir haben hier eigentlich immer schlecht Wetter. Sonst ist es schön hier, auch ganz hübsche Geselschaft. Ady badet, und ich hoffe, es wird ihr gut thun. Ich gewinne sie immer lieber, aber kindisch bleibt sie. Wir haben auch für Anton Hohenzollern getrauert.61 Die Schwester62 hat gestern an Ady geschrieben und eine sehr ähnliche Photographie geschickt. Hier sende ich Dir eine Photographie vom armen General von Hiller.63 Ich fand sie hier im Laden und finde sie sehr ähnlich. Wie viele Offiziere aller Grade starben noch an den Wunden und der grauligen Cholera. Es ist zu traurig. Hast Du gute Nachricht von Deine Schwestern? Nun leb wohl, in alter, treuer Liebe, Deine Adine Schwerin, den 1ten Oktober 1866 Liebe Elise, schon 8 Tage ist es, daß ich fort bin, und noch habe ich kein Lebenszeichen gegeben. Leben thue ich, aber nur halb. Denn der vereinigte Landtag veranlaßt zu so vielen Diners und Thees, daß ich ganz schwach bin. Aber selbst Fritz wurde es zu viel, und da ist Sonnabend, Sontag Einhalt gethan, wo er auf Jagt ging und ich mich viel an der frischen Luft bewegte. Das hat uns wieder Kraft gegeben, heute von neuen an der Arbeit zu gehen. Noch wißen wir nicht, was die Landstände beschließen werden. Sträuben werden sie sich, aber helfen thut es nicht.64 Was haben wir aber für himlisches Wet57 Bis Ende Juli leistete Bayern noch Widerstand, Großherzog Friedrich Franz II. von MecklenburgSchwerin führte das letzte Gefecht bei Seybothenreuth am 29. Juli und besetzte Nürnberg. 58 Nach dem Vorfrieden von Nikolsburg am 26. Juli einigten sich Österreich und Preußen am 23. Aug. im Prager Frieden auf die Auflösung des Deutschen Bundes und die preuß. Annexion von Schleswig, Holstein und Lauenburg, Hannover, Hessen-Kassel, Nassau und Frankfurt am Main. Sachsen, Württemberg, Bayern und Baden schlossen eigene Verträge mit Preußen. 59 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 60 Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), Herr auf Stonsdorf, gest. am 15. Aug. 61 Prinz Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1841–1866), preuß. Sekondeleutnant à la suite, gest. am 5. Aug. an einer Verwundung aus der Schlacht bei Königgrätz. 62 Prinzessin Marie von Hohenzollern-Sigmaringen (1845–1912). 63 Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 1. Garde-Division, gefallen in der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli. 64 Da die Gründung des Norddeutschen Bundes mit dem direkten Wahlrecht auf Bundesebene ver-
576
Briefe 1851–1873
ter, als wenn wir mitten im Sommer. Du genießt es gewiß recht und fährst in der hübschen Gegend umher. Da ich hier im Schloß wohne, so bin ich viel im Burggarten. Heute ziehen auch die Kinder von Steinfeld herein, damit Friedrich nicht so viel hin und her fährt. Die Einsegnung wird am Sonnabend den 6ten sein, der auch der Einsegnungstag von seiner Mama Auguste war.65 Das finde ich wirklich rührend schön. Die alte, arme Fürstin Reuß komt Donnerstag mit Marie Stolberg.66 Reuß VII [und] XIII sind schon zur Jagt hier.67 Heute ist auch Fritz Karl in Friedrichs Moor zur Jagt auf 3 Tage. Von Luise wirst Du auch wohl Telegram haben, daß ihre Reise schnell und glücklich abgelaufen. Was macht denn Dein interessanter Lieutenant von Stranz?68 Hat ihm der zweite Einmarsch bei der Hitze nichts geschadet? Und wie geht es den beiden Armen, die noch im Bett liegen? Meine Blessierten erholen sich täglich. Mit den 3 schweren geht es rasch vorwärts. Das macht einem so viel Freude, wenn man diese armen Leidende Erleichterung und Erquickung schaffen kann. Sie sind so dankbar dafür. Ich muß jetzt schnell schließen, denn es haben eine Menge Damen, die, vom Lande hereingekommen, sich gemeldet haben, unter andern die berühmte Gräfin Hahn69 von Fritz Strelitz, die ich noch garnicht kenne, was mich sehr amüsiert. Deine alte Adine Schwerin, den 10ten Oktober 1866 Geliebte Elise, leider werde ich dies Jahr nicht zum lieben 15ten zu Dir nach Sanssouci kommen, da meine Enkel uns bald verlaßen, um nach Dresden zu gehen.70 Es wird mir recht schwer, diesen Tag fern von Dir zu sein, es war mir eine so besondere Freude, mit Dir das Abendmahl an dem Tag zu nehmen. Aber ich hoffe, Ende Oktober wirst Du mir erlauben, nach Sanssouci zu kommen. Wir haben jetzt recht ernste und schöne, feierliche Tage gehabt, also am Sonnabend, den 6ten Oktober war die Einsegnung von Friedrich in
65 66 67
68 69 70
knüpft war, drohte eine Sprengung der mklbg. Ständeverfassung durch das Bündnis mit Preußen. Großherzog und Landstände konnten den Modernisierungsschub auf Bundesebene nicht abwenden, zumindest aber die innenpolitische Struktur Mecklenburgs bewahren. Konfirmation von Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) am 6. Aug. Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), mit Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Gesandter in Bayern, und sein Bruder Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1830–1897), preuß. Major im Westfälischen Ulanen-Regiment Nr. 5. Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß, Leibregiment der preuß. Könige. Ida Gräfin von Hahn, gen. Gräfin Hahn-Hahn (1805–1880), zum Katholizismus konvertierte Schriftstellerin. Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) und sein Bruder Herzog Paul Friedrich (1852–1923) besuchten 1866–1870 das Vitzthumsche Gymnasium in Dresden.
1866
577
der Schloßkirche. Seine ganze Haltung war einfach und ruhig, er antwortete besonnen und gut. Eingesegnet wurde er mit dem Spruch „Sei getreu bis in den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben.“ Der Prediger nahm gleich anfangs Bezug auf den Tag, der auch der Einsegnungstag von seiner Mutter gewesen, und schloß an den Spruch an, daß ihr Leben ganz enthallten darin wäre und ihr Tod dies besiegelt hätte. Ich kann nicht anders sagen, als daß alles sehr nach Wunsch und Gefühl ausfiel. Es war nichts gemachtes, sondern einfach und würdig. Am Sonntag war wie gewöhnlich Kirche, und dann gingen wir alle, die ganze Famille, mit Friedrich zum Abendmahl, auch die Fürstin Reuß, Marie Stolberg und Reuß VII.71 Das war auch ganz himlisch, diese Handlung. Möge sie nur recht zum Seegen für das ganze Leben für Friedrich und uns bleiben. Denk Dir, die alte Mama, in 4 Wochen 90 Jahr, war zur Einsegnung gekommen und freilich schwach auf die Füße, sonst ganz bei der Sache und so glücklich, dies noch erlebt zu haben. Gestern ist Fritz mit allen 5 Kindern nach Ludwigslust, und die Reuß. Morgen gehen wir, Wilhelm und Ady nach. Ich hoffe nur, liebe Elis, daß Du nun ganz hergestellt bist, der Husten und Fieber ganz abgezogen und die Stimme sich wieder eingefunden. Seit 3 Tagen ist es herbstlich kühl und die Sonne zeigt sich nicht. Nun leb wohl. Fritz und Friedrich haben mir aufgetragen, Dir die Hände zu küßen und zu danken, daß Du so herzlich und gnädig seiner gedenken wolltest. Ende des Monats werden Friedrich und Paul auf der Durchreise sich in Berlin aufhallten, um ihre Aufwartung zu machen. Ich glaube, Du würdest Friedrich sehr beglücken, wenn Du ihm das Büchelchen von Fritz schenken wolltest. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Luise denkt auch bald von Schweden abzureisen. Sie ist sehr glücklich, mit Puttchen zu sein, sehnt sich aber nach Ruhe. Denn es wäre wieder eine schreckliche Hetze. Schwerin, den 16ten December 1866 Meine liebe Elis, herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, noch vor Deiner Abreise von Sanssouci geschrieben. Bei der Kälte, Schneesturm, ist es doch sehr gut, daß Du im warmen Charlottenburg bist. Und nun kömt auch der König von Sachsen.72 Da kannst Du ihn doch mehr sehen. Es wird für beide Theile eine schwere Zeit sein, aber es ist edel und schön von ihm, diesen Schritt zu thun. Daß der Tod Dir wieder eine so treue und ergebe[ne] Seele genommen, wie der gute Finkenstein,73 thut mir zu leid. Aber für ihm ist es eine rechte Erlösung, und er wünschte sich so, zu Sein Herrn einzugehen. Er ruht 71 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), mit Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903), und Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Gesandter in Bayern. 72 König Johann von Sachsen (1801–1873) hatte eine preuß. Annexion verhindern können, musste sich jedoch durch den Beitritt zum Norddeutschen Bund Preußen unterwerfen. 73 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant a.D. und erster Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen, gest. am 3. Juli.
578
Briefe 1851–1873
gewiß recht in Frieden. Vergeße nicht, an dem zu denken, den ich Dir in Sanssouci nannte. Er passet gewiß dazu, zwar jung, aber verständig und gediegen, und Du kanst ihm ja auch manchmal etwas mehr Freiheit geben.74 Mit Ady und ihren Masern geht es so gut, wie es dabei sein kann, und sie wird sich gewiß bald erholen. Aber mein armer Wilhelm scheint mir nach allen Brief und Nachrichten noch recht krank, und es besonders gewesen zu sein. Es hat so etwas Nervöses bekommen, er ist so schrecklich herunter und muthloß. Es ist mir leid, daß beide mich nicht zur Pflege haben wollten. Es wäre vielleicht nicht so schlimm geworden, und jetzt auf ein paar Tage dahin ein zu kommen, fürchtet man mehr die Aufregung. Wenn es nicht schlimmer wird, kome ich erst Sylvester. Der Prinz August von Würtenberg75 war 3 Tage zur Jagt hier, sehr liebenswürdig, ich glaube auch zufrieden. Er wird Dir bald seine Aufwartung machen. Nun leb wohl, Deine treue Adine Hast Du vielleicht schon etwas aus Dein Lazaret gehört, wie es den armen Kranken geht? Sie werden sich recht verlaßen fühlen. Das Prachtstück76 ist also nach Potzdam gezogen. Da ist er doch mehr unter sein Kammeradhen.
74 Neuer zweiter Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen wurde Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß. 75 Prinz August von Württemberg (1813–1885), preuß. General der Kavallerie und Kommandeur des Gardekorps. 76 Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß, war zur Leibwache der kgl. Familie kommandiert, kehrte zu seinem Regiment nach Potsdam zurück.
1867 Schwerin, den 19ten Januar 1867 Geliebte Elis, 8 Tage bin ich nun schon fort, habe Dir noch kein Lebenszeichen von mir gegeben. Es ist unverzeihlich, besonders da ich Dich dies Mal bei meinem Aufenthalt in Bellevue eigentlich so gut wie garnicht gesehen. An Dich denken thue ich aber doch sehr viel und beschäftige mich damit, wie ich es anfangen soll, wenn ich wirklich zum 1ten Februar wieder komme, dann wenigst einen ganzen Tag bei Dir sein kann. Das kann nur den 2ten Februar sein, weil ich erst am 31ten komme, den Geburtstag doch mit Ady bleiben werde, den zweiten bei Dir, den 3ten Mary’s Geburtstag, also dort wieder sein werde, und den 4ten muß ich zurück, da am 5ten hier bei Fritz auf dem Schloß das erste große Concert sein soll, als Anfang unseres zimlich stillen Carneval. Heute gebe ich aber eine zimlich große Gesellschaft, wo ein Concert von Diletanten1 arangiert worden ist. Zu solchen Concerten habe ich immer kein sehr großes Vertrauen, aber man wünschte es, und ich erzeige der Geselschaft damit eine Höflichkeit. Späther. Eben sehe ich in der Zeitung, daß das Prachtstück den rothen Adler mit Schwerter bekommen hat.2 Das freut mich, und ihm wird es auch sehr glücklich machen. Gratuliere ihm in meinem Nahmen. Gestern war ich in Ludwigslust, um meine alte Mama zu besuchen. Sie nimmt sehr ab, wird recht schwach und fühlt es selbst, was ihr peinlich ist. Wie sehr wünscht man ihr die seelige Ruh, wonach sie sich sehnt. Wenn aber der Augenblick ein Mal eintreten wird, dann wird es doch ein großer Schmertz für mich sein. Allein, dazu scheint es doch Gott Lob nicht zugehen. Wie erträgst Du die Kälte, welche wir schon mehrere Tage haben? Mein Vergnügen ist manchmal Schlitten zu fahren. Nun leb wohl. Was hast Du für Nachrichten von Deinen Schwestern aus Dresden und Wien? Deine treue Adine Schwerin, den 10ten März 1867 Geliebte Elis, mein Herz drängt mich, Dir gleich heute wieder zu schreiben, um Dir meine aufrichtige Theilnahme aus zu sprechen für den neuen, großen Verlust Deiner armen Schwester Amalie. Ich finde es so furchtbar traurig, daß ich keine Worte habe. Nun hat sie schon 4 Töchter verlohren.3 Wie kann doch der Herr manche Herzen so verfolgen mit einen Todesfall nach dem andern. Da gehört großer, fester Glaube [dazu], um solche Prüfung nach Seinen Willen zu tragen. Gott möge Deiner armen Schwester und Dein Schwager beistehen mit Seiner Barmherzigkeit und Liebe. Wenn Du schreibst, 1 Konzert von nichtprofessionellen Musikern. 2 Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß. 3 Herzogin Sophie in Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen (1845–1867), gest. am 9. März. Damit waren fünf der sechs Töchter von Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, innerhalb weniger Jahre im jungen Erwachsenenalter verstorben, ebenso ein Sohn.
580
Briefe 1851–1873
bitte sprich ihr meine aufrichtige Theilnahme aus. Ich hatte die Idee gefaßt, zum Geburtstag von Friedrich, mein Enkel, zum 19ten nach Dresden zu gehen und den 20 oder 21ten dann von dort aus zu Dir nach Charlottenburg zu kommen, und wollte mich auch bei Deinen beiden Schwestern melden zu einem Morgenbesuch. Nun wird dies aber wohl nicht angebracht sein. Willst Du es vielleicht schreiben und fragen, weil ich mich dann wegen tieferer Trauer einrichten muß. Von Luise hatte ich eben einen Brief, es geht ihr gut. Wie es scheint, ist Amalie Döhnhof4 diesmal wieder recht krank gewesen, und der arme Canitz5 scheint sich auch schwer zu erholen. Denkst Du nicht [dar]an, einen Kammerhern zu nehmen? Ich höre, Graf Lüttichau6 ist wieder eingetreten! Was hat denn Dein Prachtstück7 gefühlt, daß er nach Bethanien gemußt? Hatte er etwas an seiner Hand gehabt? Ich weiß garnichts davon. Nun leb wohl, so Gott will, sehe ich Dich am 20ten oder 21ten wieder, ich denke den 20ten abends. Deine treue Adine Schwerin, den 30ten April 1867 Recht lange habe ich nicht geschrieben und gedankt für Deinen lieben Brief vom 15ten. Es war mir selbst ganz unheimlich, so garnichts von Dir zu hören und zu wißen, wie Du Dich bei diesem schäuslichen, kalten April befunden. Von den Tagen der Hochzeitsfeier in Berlin8 wirst Du wohl nicht beunruhigt worden sein, aber gewiß häufige Besuche bekommen. Nun wird es stiller werden, denn man eilt gewiß aus der Stadt, wie Victoria, die wieder in ihr kaltes Neues Palais gezogen, ein schlechtes Vergnügen. Augusta ist nun nach ihr liebes Coblenz und dann nach Baden. Der beunruhigende Kriegslärm scheint sich heraus zu schieben, bis Frankreich ganz fertig und stark ist. Dann wird es wohl wieder anfangen. 9 Was die Kammern nun wohl zu stande bringen werden? Gestern ist Friedrich von hier nach Dresden zurückgekehrt, und unser kleiner Schatz Annchen ist nach Darmstadt zu den Großeltern.10 Diese Nacht war sie in Bellevue bei mein Kinder11 und soll allerliebst gewesen sein. Das liebe Kind so lange fort zu laßen, ist ein rechtes Opfer für Fritz, für den sie ein Sonnenschein ist. Und Mariechen kömt sich auch so verlaßen vor. Das Schloß ist so verödet. Fritz von Strelitz hatten wir Mittwoch Nachmittag bis Donnerstag Nachmittag 4 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1873), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 5 Adolph Freiherr von Canitz und Dallwitz (1810–1868), erster Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 6 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), preuß. Premierleutnant und Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 7 Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß. 8 Heirat von Prinzessin Marie von Hohenzollern-Sigmaringen (1845–1912) mit Prinz Philipp von Belgien, Graf von Flandern (1837–1905), am 25. April in der St. Hedwigskirche in Berlin. 9 Dass Frankreich einen unkompensierten Machtzuwachs Preußens in einem geeinigten Deutschland nicht dulden würde, war bereits absehbar. 10 Zu Besuch bei Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885). 11 Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen.
1867
581
hier. Ich hatte ihn länger nicht gesehen und finde ihn alt geworden. Er war sehr freundlich und herzlich, wir sprachen von nichts, was stöhrend hätte sein können. Das hat er mit Fritz und Ministern gethan.12 So reisete er mit sein Sohn13 nach England. Ich glaube, wenn Frau und Mutter14 nicht so hetzen, so ist er ganz vernünftig. Von Luise habe ich fleißig Briefe. Eigentlich wünscht der Artzt, daß sie nach der Schweitz reiste, wegen Husten und angegriffen sein. Aber natürlich hat Fritz15 keine Zeit, und nun wegen Luxemburg16 war auch nicht daran zu denken. Königin Puttchen soll sehr besorgt schreiben wegen ihrem Schwager,17 der eigentlich auf den Tod liegt. Seine Frau18 ist auch krank, läßt sich an sein Bett tragen, und die Schwester19auch. Es soll [ein] zu trauriger Anblick sein und die arme Josephiene20 sehr gebeugt. Nun leb wohl. Am 17ten Mai denke ich nach Marienbad zu reisen und Dich mit ein Besuch zu belästigen. Wo werde ich Dich wohl finden? Deine Adine Marienbad, den 24ten Mai 1867 Geliebte Elis, da ich so schöne Zeit noch habe, eile ich, Dir Nachricht zu geben, damit Du nicht glaubst, daß wir erfrohren sind, was beinah der Fall ist. Heute morgen 7 Uhr warn es 2–3° Wärme nur und gestern von 2–7 Uhr hat es ordentlich geschneit. Auf den Bergen sieht man den Schnee noch liegen. Bei meiner Brunen Promenade bin ich angezog wie im Winter, da friere ich denn auch nicht. Es ist noch sehr leer hier. Otto von Griechenland21 ist hier und besuchte mich gestern. Er ist sehr taub. Einige Meklenburger fand ich, und Bekanntschaften werde ich wohl noch machen. In Altenburg ist es mir sehr gut gegangen. Ernst war zwar recht leidend an sein Kopf, Agnes ist noch tauber geworden, sieht aber gut aus.22 Joseph und seine Tochter Theres23 waren herzlich und freund12 Während die Schweriner Linie unter dem Schutz Preußens in den Norddeutschen Bund eintrat, tat sich die Strelitzer Linie immer noch schwer mit dem Abschied von der Selbständigkeit. 13 Erbgroßherzog Adolf Friedrich (V.) von Mecklenburg-Strelitz (1848–1914). 14 Großherzogin Augusta Karoline von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge, und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim. 15 Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881). 16 Frankreich suchte mit König Wilhelm III. der Niederlande zu einer Einigung über einen Verkauf Luxemburgs zu kommen, was Preußen verhinderte. 17 Prinz Oskar (II.) von Schweden und Norwegen (1829–1907). 18 Prinzessin Sophia von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin von Nassau (1836–1913). 19 Prinzessin Eugénie von Schweden und Norwegen (1830–1889). 20 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876). 21 Der abgesetzte König Otto I. von Griechenland, geb. Prinz von Bayern (1815–1867). 22 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908) und dessen Frau Herzogin Agnes von SachsenAltenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 23 Herzog Joseph von Sachsen-Altenburg (1789–1868) mit seiner Tochter Prinzessin Therese von Sachsen-Altenburg (1823–1915).
582
Briefe 1851–1873
lich. Ich konnte ihnen auch einen Liebesdienst erweisen. Joseph hat sehr den Wunsch, die arme Marie24 zu besuchen, fürchtete aber, arretiert zu werden und visitiert. Da habe ich an Bruder Wilhelm geschrieben. Er hat gleich die Erlaubniß ertheilt und visitieren verbothen. Das beglückte nun sehr die arme Joseph und Therese. Die Abreise war noch nicht bestimmt, da er doch sehr matt ist und alt. Marie Meiningen25 war auch sehr herzlich und freute sich unbeschreiblich, mich wieder zu sehen. Wir haben von nichts gesprochen, nur von alten, guten Zeiten. Sie sah sehr gut aus. Ihre Tochter Auguste Moritz26 war noch ganz mobiel und war um ½ 4 Uhr am 22ten bei meiner Abreise, und am Abend war sie mit einem dritten Töchterchen beschenkt.27 Ein Telegram zeigte mir dieses Evenement an, sie macht das schnell ab. Mein Sohn Fritz ist 2 Tage in Dresden gewesen und hat am Hof gegeßen, wie mir heut ein Telegram meldet, also ist der König zurück. Marichen hat ihr Schwesterchen Anna28 in Darmstadt sehr erholt gefunden und sehr munter. Und sie hat sich sehr gefreut, die Bekannten wieder zu sehen. Nun leb wohl, ich hoffe, es geht Dir gut und ist in Sanssouci nicht so kalt. Deine Adine Steinfeld, den 16ten July 1867 Geliebte Elis, noch hörte ich garnichts von Dir, wie Du angekommen bist und wie Deine Gesundheit in Pilnitz ist. Ich hoffe, daß Deine Füße und Beine sich gut aufführen, eben so Dein Athem, was beides in Dresden nicht gut war. Hast Du nun genauere Nachricht von Deiner Schwester Sophie, wie sie den großen Schmertz trägt und wie ihre Gesundheit ist? Näheres ist wohl noch immer nicht aus Mexiko gekommen und ob sein Leichnam ausgeliefert wird.29 Die Gewißheit seines Todes ist freilich da, aber man will so gern noch Näheres und detaills haben. Wir sprechen und denken eigentlich fast noch immer davon. Wir leben hier in Steinfeld so still und ruhig und sehen und hören wenig von der Welt. Eine Neuigkeit muß ich Dir aber doch mittheilen, daß Hugo also in Berchtesgaden 5 Tage war und gleich sehr eingenommen war von dem ersten Eindruck, den ihm Mathilde Raziwill machte, und sich am Sonnabend den 13ten mit ihr verlobt hat.30 Das hat er uns 24 Königin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907), nach der Annexion Hannovers durch Preußen im österr. Exil. 25 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 26 Prinzessin Auguste von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1843–1919), verh. 1862 mit Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg (1829–1907). 27 Geburt von Prinzessin Margarete von Sachsen-Altenburg (1867–1882) am 22. Mai. 28 Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882) zu Besuch bei ihren Großeltern Prinz Karl (1809–1877) und Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815– 1885). 29 Am 19. Juni war Kaiser Maximilian I. von Mexiko, geb. Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich (1832–1867), nach seiner Absetzung zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen worden. 30 Verlobung von Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) mit Prinzessin Mathilde Radziwill (1836–1918) am 13. Juli.
583
1867
par Telegram mitgetheilt. Mit Ungeduld erwarten wir nun Briefe. Ich hoffe und denke, seine Wahl wird eine glückliche sein und daß er glücklich wieder wird. Die Nachricht, daß es nun fest bestimt, hat mich doch sehr erschüttert. Man kann die Männer doch oft nicht begreifen, aber ich schweige über alles, nach dem ich so viel erlebt. Ich denke, daß Ratzwills auch zufrieden sein werden. Er schrieb wenigsten, sie wären alle sehr freundlich, und auch Mathilde. Das war in den ersten 2 Tagen, seit dem hat Hugo wohl keine Zeit gefunden zu schreiben. Montag ist er abgereist zu seine Eltern31 und Kindern,32 um es letzteren begreiflich zu machen. Ady hatte an Freitag Abend die Freude, von Wilhelm überrascht zu werden. Wir waren spazieren gefahren, und als wir zurück kamen, stand er vor der Thüre. Leider konnte er nur bis Sonntag Abend bleiben. Er mußte sein Inspektions Reise fortsetzen. Ich muß Ady doch recht loben. Sie ist viel ruhiger geworden, stiller, nicht so kindisch. Und die Ruhe hier thut ihr sehr gut. Pyrmont scheint ihr sehr wohl gethan. Sie sieht blühend und frisch aus, und auch dank Dobbran wird sie ganz kräftiger. Einige Rückfälle von Kinderei werden wohl nicht ausbleiben, da es ihr zur zweiten Natur geworden. Bis jetzt haben wir ziemlich gutes Wetter gehabt. Aber heute scheint es nur ein Mal zu regnen, doch konnte ich mein Früh Promenade noch trocken machen. Für Pylnitz wünsche ich Dir auch trocken Wetter. Eben fand ich in der Zeitung, daß der Sohn von der Genua33 auch in Dresden angekommen ist. Wie hast Du sie und ihre Kinder gefunden, und wie geht es Deiner arm Schwester Amalie und dem König? Nun leb wohl, Fritz und Ady legen sich zu Füßen, Deine treue Adine Empfehle mich der ganzen Famille. Hast Du mein Enkel gesehen?34 Ludwigslust, den 9ten September 1867 Wie war es so gut von Dir, liebe Elis, mir noch zu schreiben vor Deiner Abreise nach Stolzenfels, wo Du nun schon mehrere Tage bist. Und ich hoffe, daß das Wetter so schön dort ist wie hier. In den letzten Tagen waren zwar einige Gewitter, die wir am Meer nur sehr abgeschwächt hatten und sich auch allein im Meer stürtzten. Aber im Lande sollen sie sehr stark gewesen und viel gezündet haben. Wir sind mit schweren Herzen vom reit31 Fürst Weriand (1790–1867) und Fürstin Marie Eleonore von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin von Lobkowitz (1795–1876). 32 Kinder aus der ersten Ehe mit Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859). 33 Prinz Thomas von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1854–1931), Sohn von Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912). 1856 hatte sie heimlich, innerhalb der Trauerzeit und nicht standesgemäß ihren Kammerherrn geheiratet, woraufhin sie ins Exil gehen musste und ihre beiden Kinder zunächst nicht sehen durfte. 34 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) und sein Bruder Herzog Paul Friedrich (1852–1923) besuchten 1866–1870 das Vitzthumsche Gymnasium in Dresden.
584
Briefe 1851–1873
zenden Dobbran fort gegangen und gleich hier her, wo so wenig Wasser ist und die Luft schwer. Recht will es uns hier nicht gefallen. Fritz ist auch heute erst angekommen, er ist im Lande etwas umher gereiset. Nun bleiben wir 2 Monat hier. Ich hoffe aber, daß Du mir erlaubst, im Monat Oktober einen Besuch bei Dir zu machen und wo möglich mit Luise dort zusammen zu treffen. Doch weiß ich nichts von ihren ferneren Plänen, als daß sie jetzt wohl in Schildau ist und 14 Tage bleiben, von wo Fritz Oranien sie dann abholen will. Die Trennung von der Tochter ist ihr schreklich schwer geworden.35 Ich habe dann auch eine recht schwere Trennung von Hugo und seine Kinder gehabt.36 Es war mir zu Muth, als wenn nun alles aus wäre und wir uns nicht wiedersehen. Es war ein garzu bitteres Gefühl zu denken, daß mein engels Luise wieder ersetzt wird. Und doch fühle und weiß ich, daß es so sein muß. Es konnte so nicht weiter gehen. Der Mensch ist aber oft recht egoistisch, auch den armen Kinder wird es schwer, den Gedanken zu faßen, eine neue Mutter zu bekommen. Und doch auch sie fühlten, daß es nun doch besser werden würde, mit der alten Großmama37 wollte es garnicht umher gehen. Adini38 wurde es am schwersten, sich von uns zu trennen. Sie war so viel mit mir gewesen und auch mit Ady. Sie liebt überhaubt Meklenburg über alles, und Preußen auch. Östreich mag sie gar nicht. Ich fragte sie, wie sie es während des Krig gemacht. Da sagte sie, ich freute mich über jeden Sieg der Preußen, sprach aber garnicht davon und behielt es für mich. Hugo wurde das Scheiden auch schwer. Jetzt ist er wohl in Berchtesgaden. Wilhelm Radziwill39 ist es in letzter Zeit nicht gut gegangen, so daß sie Ende des Monats schon nach Täplitz gehen. Ich hoffe, bald einen Brief von Hugo mit Nachrichten zu bekommen. Der Tod des Landgrafen Wilhelm von Hessen40 thut mir unbeschreiblich leid, für Marie von Strelitz und der ganzen Famille. Nun leb wohl. Was hast Du für Nachrichten von Deiner Schwester Sophie?41 Man hat uns gesagt, daß der Preußische Gesandte in Mexiko42 gemüthskrank geworden über die gresliche Begebenheit. In Dobbran waren Bekannte von ihm, die hatten Nachricht. Auch war in Dobbran Kanitz aus Rom mit seiner Frau,43 einer Engländerin, eine kleine, unansehnliche Frau, aber so gut, und sie hat uns sehr gefallen, weiß [das] sehr wohl und gefiel sich dort. Deine Adine 35 Verm. Königin Luise von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin der Niederlande (1828–1871). 36 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) und seine vier Kinder aus der ersten Ehe mit Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), nach seiner Verlobung mit Prinzessin Mathilde Radziwill (1836–1918) am 13. Juli. 37 Fürstin Marie Eleonore von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin von Lobkowitz (1795–1876). 38 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933). 39 Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. General der Infanterie a.D. 40 Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1787–1867), gest. am 5. Sept. in Kopenhagen. 41 Ihr Sohn, Kaiser Maximilian I. von Mexiko, geb. Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich (1832–1867), war nach seiner Absetzung zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen worden. 42 Anton Freiherr von Magnus (1821–1882), preuß. Gesandter und Generalkonsul in Mexiko, hatte vergeblich die Ermordung Kaiser Maximilians I. von Mexiko zu verhindern versucht. 43 Karl Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), ehem. preuß. Gesandter in Rom, verh. 1861 mit Helen Georgiana Knight (1820–1893), Tochter des John Knight von Wolverley (1767–1850).
1867
585
Die alte Mama ist oft sehr schwach, aber doch nichts Besorgliches. Sie beschäftigt sich immer noch sehr ernst. Ludwigslust, den 30ten September 1867 Wie danke ich Dir, meine Elis, daß Du mir vom schönen Stolzenfels geschrieben, wo Du so viel umher gefahren bist und so manches Schönes und Liebes wieder gesehen. Ich wollte es garnicht glauben, als ich in der Zeitung las, daß Du so weite Fahrten gemacht, aber mit der Eisenbahn geht jetzt alles so leicht. Kanntest Du Stahleck44 nicht? Ich denke noch mit Entzücken daran, als ich vor Olims Zeiten45 dort hinauf gestiegen bin. Es muß Ende der [18]30 Jahre gewesen sein. Nein, eben blätterte ich in ein altes, trocken Buch und fand den Epheu 1827, den 24 July. Es ist zu amüsant, in so alten Bücher zu lesen. Auch fand ich die Mirtenzweige von verschiedenen Hochzeiten, von Dir das Strumpfband und eine Karte Pik Dame, von Luise, von Mary, von Marie Meiningen46 und meiner seeligen Schwägerin Marie, dann vieles von Dir eingeschrieben, von der Pfaueninsel, auch von Luise, Charlotte und Tante Wilhelm.47 Wie erinnert das alles an längs verschwunden schöne Zeiten, daß stimmt wehmütig! Das Wetter heut ist auch trostloß. Es regnet nur ein Mal und stürmt dabei. Wenn es in Stolzenfels auch so ist, so wirst Du wohl nicht lange mehr bleiben. Fritz Carl war 3 Tage hier zur Hirschjagt, eigentlich in Friedrichs Moor, wohin wir am Sonnabend zum Eßen waren und hernach etwas im Wald herum fuhren, um Hirsche zu sehen, was auch gelang. Fritz Karl kam aus Hannover, wo er zur Jagt in der Görde, und meint, man wäre ganz höflich für ihm gewesen.48 Nun ist er nach Cassel, um dort in der Nähe zu jagen. Wenn in der Meiau so ein Wetter ist zum Geburtstag von Augusta, so wird das ein trauriger Spaß sein. Ich habe geschrieben und telegraphiert, doppelte Kurage. Morgen verläßt uns Ady, Wilhelm kommt von Hamburg, wo er einen Tag zum Rennen war. Beide gehen ungern fort, aber für beide ist es wirklich besser, daß sie in ihre Häuslichkeit kommen. Wenn Ady nur verstünde, sie ihm auch angenehm zu machen, er ist zu lange Junggeselle gewesen. Da gehört Überlegung dazu und etwas Selbstverleuchnung, beides fehlt. Aber es wird noch kommen, denn sie hat die besten Vorsätze. Am 7ten Oktober wird sie zur Mama nach Kamenz gehen.49 Da ist wieder großer Streit mit dem Sohn50 gewesen, und sie sind auseinander gereist. Das ist auch traurig. Wilhelm folgt ihr in einige Tage darauf. Erst geht er zur Trauung von Hugo nach Töplitz, die nun am 8ten bestimmt ist.51 Gestern ist die Famille Radziwill in Töplitz ange44 45 46 47 48 49
Stahleck, Burgruine südlich von Koblenz im Besitz Königin Elisabeths von Preußen. Lat. von olim = einst, gemeint ist vor langer Zeit. Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). Staatsforst Göhrde in der preuß. Provinz Hannover. Die geschiedene Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). Ihr gehörten u.a. die Schlösser Weißwasser und Kamenz im österr. Teil Schlesiens, wo sie sich außerhalb Preußens mit ihren Kindern treffen konnte. 50 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 51 Heirat von Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) mit Prinzessin Mathilde Radziwill (1836–1918).
586
Briefe 1851–1873
kommen. Er52 soll sehr in gereitzter Stimmung sein und recht schwach. Der olle Werjan53 wird auch immer schwächer, traurige Zustände. Ich fürchte, Mathilde wird mit vieler Trauer anfangen. Nun leb wohl, grüße Deine Umgebung. Das Prachtstück54 hast Du also wiedergesehen. Wie freue ich mich für ihm, daß der Holstein55 so gut für ihm ist. Deine alte Adine Ludwigslust, den 15ten Oktober 1867 Geliebte Elis, wie ist es mir leid, heut nicht mit Dir sein zu können, was ist für mich ordentlich eine Entbehrung. Allein, es ließ sich nicht machen, und dann dachte ich auch, es wäre Dir gewiß lieb, die erste Zeit nach Deiner längeren Abwesenheit recht ruhig zu sein. Am heutigen Tag war es mir eine Freude und Trost, sonst mit Dir das heilige Abendmahl zu nehmen und dann an der Stätte, wo der geliebte Bruder nun in Frieden ruht, nach solchen langen und schweren Leiden und Regierungs Jahren, zu beten. Ach, wie unbeschreiblich wohl ist ihm nun, und wie gönnet man ihm diese Ruhe, wenn auch unsere Herzen brechen möchten, ihm nun ewig mißen zu müßen. Ich kome eben schon von einer Fahrt zurück, es ist 8 Uhr, unser 2tes Dragoner Regiment, was neu formiert, ist nach Parchim abmarschiert, ihre neue Garnison. Major Brandenstein56 comandiert es, der Adjutant bei mein Sohn Fritz war, und eine Menge Offiziere, die schon länger bei dem alten Dragoner Regiment gestanden, sind mit fort. Das war denn ein großes evenement und viel Trauer dabei. Heut Mittag erwarten wir Ernst von Altenburg,57 der uns besucht auf seiner Durchreise nach Eutin. Sehr viel Aufsehen macht die zurück gegangene Verlobung vom König von Baiern und Deiner Nichte Sophie.58 Du wirst wohl schon länger davon gewußt haben. Ich finde es recht traurig. Von Luise hatte ich kürtzlich ein Brief, es geht ihr gut in Muskau. Nur hatte sie auch schäusliches Wetter. Wann sie nach Sanssouci zu Dir kommt, ist noch nicht bestimmt. Ich wollte um Erlaubnis bitten, wenn es Dir passet, am 22ten Oktober zu Dir zu kommen, und vielleicht 14 Tage zu bleiben. Ich freu mich schon so darauf, wieder mit Dir sein zu können. Mein Enkel Johann Albrecht ist jetzt in Paris bei Grafe59 wegen sein Augen. Und wenn die kleinen opperationen vorüber, soll er dann zum Winter nach Nizza, die opperationen bese[he]n und kleine Wartzen, die am inneren Augenliede sind, 52 Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. General der Infanterie a.D. 53 Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867) verstarb am 27. Okt. 54 Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß und Adjutant des Gouverneurs der Festung Mainz. 55 Prinz Woldemar zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1810–1871), preuß. General der Kavallerie und Generaladjutant, Gouverneur der Festung Mainz. 56 Georg Freiherr von Brandenstein (1827–1897), mklbg-schw. Major und Flügeladjutant, Kommandeur des neu gebildeten 2. Großherzoglich Mecklenburgischen Dragoner-Regiments Nr. 18 in Parchim. 57 Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826–1908). 58 Auflösung der Verlobung von König Ludwig II. von Bayern (1845–1886) mit Herzogin Sophie in Bayern (1847–1897). 59 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin.
1867
587
abzunehmen. Es soll nicht sehr schmertzhaft sein, und eine hat er mit Muth überstanden. Eben höre ich, daß wieder einige Reußen sich einfinden. Heino von den Dragoner60 ist diese Nacht gekommen, und heut erwartet man Heinrich IX.,61 ein Vetter (Sohn vom Janckendorf ),62 zu den Klapperjagten.63 Und Sohn Wilhelm kommt auch auf 2 Tage. Hast Du schon Ady gesehen? Ich hoffe, daß ihr die Ruhe in Bellevue gut thun wird. Von Hugo habe ich noch keinen Brief seit der Hochzeit. Sonntag ist er mit den Kindern zusammen gekommen und seit gestern ist er in Haasberg bei dem alten Vater.64 Leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 13ten November 1867 Geliebte Elis, es war mir nicht möglich, Dir eher zu schreiben und noch einmal so recht zu danken für alle Du mir bewiesene Liebe, und Dir auszusprechen, wie glücklich ich mich immer bei Dir fühle, wie schwer es mir wird, wenn ich fort muß. Ich schwankte auch dies Mal wieder, und wäre nicht die Aussicht vorhanden gewesen, daß Du nach Dresden gehen könntest, was ja nun ausgeführt ist, so hätte ich ganz bescheiden angefragt, ob ich den heutigen Tag noch hätte bleiben können. Es freut mich aber ganz unbeschreiblich, daß Du nun bei Deinen Schwestern bist und den Tag so in der Stille mit Ihnen zubringst. Möge Dich der Herr seegnen und behüten und Dir Gesundheit geben, und daß die Füße dies Mal nicht so stark anschwellen, und Du wieder gesund zurückkehrst. Es ist eben ¾ 8 Uhr, und die Sonne geht so schön auf. Es ist dabei recht kalt, aber so erfrischende Luft, die ich zwar noch nicht genoßen, aber bald, wenn ich nach dem Schloß gehe zur Morgen Andacht. Mein Fritz ist am Sonntag nach Letzlingen.65 Wir erwarten ihn heute Mittag zurück. Die Kinder sind wohl. Annchen freute sich sehr, als ich ankam. Und gestern waren Marichen und sie eine Stunde bei mir, wo sie so viel schwatzte und herumspielte. Von Luise hatte ich gestern ein zweites Briefchen, eine Antwort auf meinen aus Sanssouci, wo ich ihr alles erzählt, was wir vorgenommen und wer zu Tisch geladen gewesen. Sie seuf[z]t recht nach Dir in Sanssouci, nach unser liebes Zusammenleben. Das ist auch etwas ganz Köstliches. Hier bin ich gleich in eine Art Trubel gefallen. Es waren 2 junge Ehepaare her gekommen, um sich zu präsentieren, der Herr von Bülow, Sohn von Frau von Bülow, geborene Humbold, mit Frau, die hier in der Nähe auf ihrem Guthe war,66 und dann Graf 60 Prinz Heinrich XVII. von Reuß-Köstritz (1839–1870), preuß. Rittmeister im 1. Garde-DragonerRegiment. 61 Prinz Heinrich IX. von Reuß-Köstritz (1827–1898), preuß. Rittmeister im 5. schweren LandwehrReiter-Regiment. 62 Prinz Heinrich LXXIV. von Reuß-Köstritz (1798–1886), Gutsbesitzer u.a. auf Jänkendorf. 63 = Treibjagd. 64 Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867) verstarb am 27. Okt. auf Schloss Haasberg in Krain. 65 Auf Jagdschloss Letzlingen fanden im Spätherbst die „Letzlinger Hofjagden“ der preuß. Könige statt. 66 Bernhard von Bülow (1838–1889), Sohn von Gabriele von Bülow, geb. von Humboldt (1802– 1887), verh. 1865 mit Anna von Byern (1847–1931), gesch. 1885.
588
Briefe 1851–1873
Alexander Bassewitz mit seiner Frau, geborene von Wietzendorf, die Mutter von Kahlden Ipendorf.67 Da mußte ich gleich Diners geben. Dann ist Emiel Deverien68 hier, da muß man im Theater gehen. Kurtz, ich komme noch kaum zu mir selbst, doch habe ich nun etwas aufgeräumt und alles in Ordnung gebracht. Es sah schrecklich in mein Zimmer aus, da ich seit dem Mai eigentlich herum gezogen bin, in Steinfeld, Marienbad, Dobbran, Ludwigslust, Sanssouci, und von jedem Ort wurde etwas zurückgesendet. Heute erwarte ich Herr von Barner von Trebbow mit seiner zweiten Frau Harlem, die Schwester seiner ersten Frau.69 Nun leb wohl. Ich hoffe, meine Enkel werden ihre Aufwartung machen. Empfehle mich Deinen Schwestern. Deine treue Adine Hugo bleibt noch in Perg, da er sich langsam nur erholt. Schwerin, den 27ten November 1867 Geliebte Elis, heute erst finde ich in der Zeitung, daß Du in Sanssouci zurück bist, und eile nun, Dir herzlich zu danken für Deinen lieben Brief aus Dresden, auf den ich von dort aus garnicht gerechnet. Ich hoffe nur, daß Du ganz wohl zurückgekehrt und die geschwollenen Füße dies Mal nicht sich eingefunden haben, um alle Vorurtheile zuschanden zu machen. Ich weiß nicht, ob meine Enkel Dich vor Deiner Abreise noch gesehen haben und schon von dem Aufenthalt meiner Brüder in Schwerin berichtet haben. Es waren gar liebe, frohe Tage, und Wilhelm mit seiner bekannten Liebenswürdigkeit und Nachsicht macht alles leicht. Aber selbst Carl war sehr freundlich, und das Schloß mit seiner Einrichtung gefiel ihm. Nur war das Wetter ausgesucht schäuslich und dadurch die Jagte auch nicht so gut, wie sie hätten sein können. Das Theater wurde besucht, wo sich die Damen im hellen Hause in ihren toiletten recht gut ausnahmen. Es schien mir, als wenn alles gelungen war. Noch zuletzt mußten die Brüder ein Galla Diner aushallten, wo sich das Schloß in Lichterglanz auch gut präsentierte. Auf der Abreise besuchten sie noch die alte Mama in Ludwigslust, die überglücklich war und ganz gesamelt bei der Sache, so daß sie Erstaunen erregte. Ich habe die Mama nie so glücklich gesehen. Es machte ihr zu viel Freude. Morgen den 28ten wird sie 91 Jahr alt. Es ist unbegreiflich, aber nicht beneidenswerth. Wir gehen dazu alle herüber auf ein paar Stunden.
67 Alexander Graf von Bassewitz (1833–1907), verh. 1867 mit Ella von Witzendorff (1848–1828), Tochter von Adelheid von Kahlden, geb. und verw. von Witzendorff (1829–1882), in zweiter Ehe verh. mit Otto von Kahlden (1829–1900), der 1872 mit seiner Aktiengesellschaft das Seebad Heiligendamm aufkaufte. 68 Emil Devrient (1803–1872), Schauspieler, 1831–1868 am Kgl. Hoftheater in Dresden, zum Gastspiel am Hoftheater in Schwerin. 69 Ulrich von Barner (1819–1874), Gutsbesitzer auf Klein Trebbow, verh. in erster Ehe 1851 mit Louise von Harlem (1825–1861), in zweiter Ehe 1867 mit deren Schwester Katharina von Harlem (1828– 1912).
589
1867
Von Luise hatte ich gestern einen Brief. Nach einem Kopfwehtag geht es ihr nun wieder gut. Sie haben Jagten und Jagt Diners, die sie zu amüsieren scheint. Heute ist endlich ein Morgen mit Sonne scheint, eine seltene Sache jetzt. Da wird Sanssouci sich lieblich und warm zeigen, was sonst bei dem starken Wind nicht lieblich gewesen sein mag. Nun leb wohl. Ich habe ganz im Geheimen Aussicht, vielleicht zu Neu Jahr nach Berlin zu kommen, wenn Fritz seinen Plan ausführen kann und nach Stonsdorf mit den Kindern zugehet. Bitte sprich noch nicht darüber. Ich würde aber bitten, nach Neu Jahr vielleicht zu Dir nach Charlottenburg kommen zu dürfen und da einige Tage zu bleiben. Das ist doch die Hauptsache. Deine alte Adine Von Hugo habe ich gute Nachricht. Er ist jetzt zurück in Haasberg.70 Schwerin, den 30ten November 1867 Im letzten Brief habe ich mehreres vergeßen zu schreiben, liebe Elis, daher folgt so schnell dieser zweite. Ich wollte Dich bitten, doch die arme Gräfin Augusta Hessenstein71 nicht zu vergeßen, wegen einer Stiftsstelle in Hessen. Du wolltest den Minister wieder daran erinnern. Dann bitte ich, bei der Kues,72 die auf Marmor mahlt, noch ein so aufgeschlages Buch für mich zu bestellen, mit dem Spruch von Anna: „Der verborgene Mensch des Herzens unverrückt, mit sanftem und stillen Geist. Das ist köstlich vor Gott.“, 1ter Petri 3–4,73 und auf die andere Seite Veilchen und Maiblumen. Ich will es an Elisabeth74 zu Weihnachten schenken. Dein Telegram zum Geburtstag von der alten Mama bekam ich grade bei Tisch bei ihr, wo ich gleich Deinen Glückwunsch bestellen konnte, was ihr unendliche Freude machte. Sie war den ganzen Tagen ganz besonders gut, so ganz bei der Sache, und so dankbar für alle Beweise von Liebe. Alles, was man ihr gab, machte ihr Freude. Sie verstand und bemerkte alles. Nun leb wohl. Ich eile nach dem Schloß zur Morgen Andacht. Es ist 2° Kälte und dicker Nebel. Deine Adine Das Fest im Neuen Palais war kalt, aber sonst gelungen, wie ich höre. 70 Schloss Haasberg in Krain, das Fürst Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) nach dem Tod seines Vaters Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867) geerbt hatte. 71 Auguste Gräfin von Hessenstein (1821–1905), Tochter des mklbg-schw. wirkl. Geheimen Rats Wilhelm Karl Graf von Hessenstein (1790–1867), unehelicher Sohn des Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen-Kassel, gest. am 22. März in Schwerin. 72 Lesebefund. Person nicht zu identifizieren. 73 Bibelspruch aus dem Neuen Testament, 1. Brief Petrus, Kap. 4. 74 Für Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), in Erinnerung an ihre verstorbene Tochter Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1843–1865).
1868 Schwerin, den 2ten März 1868 Geliebte Elis, mein Telegram hat Dir schon meine Theilnahme ausgesprochen, über den Tod Deines alten Bruders Ludwig.1 Gott hat ihn erlöset von vielen Schmertzen, und zu seiner Freude sind die beiden Söhne2 noch zur rechten Zeit gekommen, um den greisen Vater zu sehen und seinen Seegen zu empfangen. So war er doch nicht ganz verlaßen von den Seinen. Nach der Zeitung ist der junge König Ludwig3 auch ernstlich erkrank, welche Angst für die arme, kranke Marie.4 Vielleicht hat Dir Ady schon Fritz seinen Auftrag ausgerichtet, den ich heute wiederholen soll, daß er sich wieder verheirathen wird und daß er morgen Abend nach Rudolstadt abreist, um sich zu versprechen mit der Tochter Marie von dem Prinz Adolph,5 die erst 18 Jahr alt ist, etwas sehr jung. Und es könnte einem beunruhigen, wenn man Fritz nicht kennet und ihm vertrauen könnte. Er wird aber, so Gott will, mit seinem Beistand die Klippen umschiffen, mit seine festen, männlichen Willen, und doch dabei noch große Jugend Kraft. Fritz hat sie diesen Sommer zufällig bei einem Besuch in Schieder bei Pyrmont bei der Fürstin von Lippe6 begegnet, und wo sie grade den Tod ihrer kleinen Schwester7 erfuhr. Die ganze Art, wie sie sich dabei benahm, hatte ihn sehr frappiert, doch dachte er damals nicht an etwas Ernst. Erst im Winter kam ihm der Gedanke, und so wurde er auch ausgeführt. Und daß die junge Prinzeßin sich gleich entschloß, daran war auch das Buch über das Leben von Auguste schuld, was sie mit ihrer Mutter kürtzlich gelesen. Ist das nicht höchst auffallend, da es bei Anna auch der Fall war?8 So scheint der Seegen von Auguste überall hin zu wirken und immer auf dem Schiksal von Fritz ein zu wirken. Den 3ten. Heute nun der Trauertag um Auguste, das Gefühl wird wieder recht hin und her gezerrt. Und wie ich so heute Morgen vor den 2 Särgen stand, konnte man ordentlich eine Angst ankommen. Aber Gott wird es ja zum Guten ausführen und es ein dauerndes Glück werden laßen. Fritz hat ja auch dies Mal nicht gesucht, sondern der Herr hat sie ihm entgegen geführt. Aber nicht wahr, drei Mal zu heirathen, dazu gehört etwas. Ady ist garnicht zufrieden, mündlich werde ich Dir die Ursache sagen. Gräfin 1 2 3 4 5
Der abgedankte König Ludwig I. von Bayern (1786–1868), gest. am 29. Febr. Die Prinzen Luitpold (1821–1912) und Adalbert von Bayern (1828–1875). König Ludwig II. von Bayern (1845–1886). Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). Prinzessin Marie von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922), Tochter von Prinz Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt (1801–1875), ein Neffe der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 6 Fürstin Elisabeth zur Lippe, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1833–1896), verh. 1852 mit Fürst Leopold III. zur Lippe (1821–1875). 7 Prinzessin Luise von Schwarzburg-Rudolstadt (1862–1867), gest. am 7. Juni. 8 Biographie des Schweriner Oberhofpredigers Karl August Wilhelm Jahn: Auguste, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin. Ein Lebensbild, Schwerin 1863. Prinzessin Anna von Hessen-Darmstadt (1843–1865) war die zweite Ehefrau Großherzog Friedrich Franz’ II., die er 1864 geheiratet hatte.
1868
591
Schlieffen (Gröben)9 hat die Prinzeßin in Pyrmont gesehen und sie sehr ausgezeichnet gefunden, lieblich und etwas gediegenes. Sie erzählte an die Oberhofmeisterin10 ganz unbefangen und ahnungsloß von ihr, was uns aber nun sehr lieb ist, etwas von ihr zu wißen. Nun leb wohl, innigen Dank für Dein Brief vom 28ten. Fritz war sehr dankbar, daß Du seiner so liebevoll gedacht. Deine Adine Ich habe garnichts von mir gesagt. Ich freu mich, daß Fritz wieder heirathet, aber die wehmütigen Gefühle bleiben. Schwerin, den 18ten März 1868 Geliebte Elis, ich hoffe, mein Brief trifft Dich nun ganz hergestellt an, und ich freue mich unendlich, Dich bald wieder zu sehen, und rechne darauf, wenn der 22te mit seine Feier und Unruhen vorüber ist, daß Du mich in Charlottenburg auf einige Tage aufnehmen kannst, wenn Du nicht noch zu angegriffen bist. Ich komme am 20ten Nachmittag nach Berlin und werde wohl gleich das Geburtstags Diner bei Fritz Carl mitmachen und dann Hugo mit seiner Frau und Adini11 wieder sehen. Sonnabend rechnete ich darauf, Dich am Vormittag wieder zu sehen, aber ich höre, es ist große Parade, dann Dejeuner bei Majestäten. Radzwills12 wollen uns gern zum Diner haben, schrieb darum hier her, und am Abend soiree bei Bruder Carl. Wo ich aber da einen Moment finden werde, um Dich auf zu suchen, weiß ich nicht. Es wäre mir aber zu leid, wenn ich einen ganzen Tag in Berlin wäre und könnt nicht zu Dir. Die Verlobung von Fritz wird Dich recht überrascht und verwundert haben, und daß es eine so junge Prinzeßin von Rudolstadt ist.13 Hier im Lande ist man unendlich glücklich, daß Fritz wieder heiratet, weil er alle jammerte in seiner Einsamkeit. Ich bekomme eine recht junge Schwiegertochter, sie könnte meine Enkelin sein! Fritz ist aber sehr zufrieden zurück gekehrt und recht glücklich. Er sieht mit Zuversicht in der Zukunft, und da hoffen wir alle, daß Gott ihm auch ein dauerndes Glück schenken wird. An das arme Elschen muß ich so viel denken, wie sie leiden wird an dieser neuen Wahl,14 wird es mir 9 Amélie Gräfin von Schlieffen, geb. Gräfin von der Gröben (1839–1898), verh. 1858 mit Wilhelm Graf von Schlieffen (1829–1902), Majoratsherr auf Schlieffenberg und Forschungsreisender. 10 Helene von Bülow, geb. von der Schulenburg (1817–1870), Oberhofmeisterin der verstorbenen Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt. 11 Fürst Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), verh. 1867 mit Prinzessin Mathilde Radziwill (1836–1918), und seine Tochter aus erster Ehe Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850– 1933). 12 Familie von Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. General der Infanterie a.D. 13 Verlobung von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Marie von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922). 14 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), als Mutter der verstorbenen Großherzogin Anna von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von HessenDarmstadt (1843–1865).
592
Briefe 1851–1873
doch nach 8 Jahren noch schwer, die Stelle ersetzt sehen zu sollen bei Hugo und Kinder. Und doch ist es so auch ein großes Glück. Leb wohl, Deine treue Adine Ludwigslust, den 19ten April 1868 Geliebte Elis, eine Ewigkeit habe ich Dir nicht geschrieben, und heute schreib ich Dir von hier, wo wir seit Freitag Abend sind, um die alte Mama zu sehen an dem Tag, wo sie vor 50 Jahren hier einzog.15 Es ist ein seltenes Fest und besonders in diesem Alter von 91 Jahren. Ich fand den Tag so unbeschreiblich traurig, denn ich mußte immer denken, wie allein sie in der Welt steht. Ihr eigene Homburger Famille ist ganz ausgestorben, das Land in fremder Hand.16 Die Famille, die sie hier vorfand, ihr Gemal, der alte Großherzog mit seinen Söhnen, die Kinder, wie Paul, Marie von Altenburg, Helene, Albert, alle tod, alle ihre Freundinnen und Bekannte tod. Niemand lebt mehr, das finde ich zu traurig. Aber sie sagt immer, mir ist es immer gut gegangen im Leben, mehr Freude als Leid. Und nun lebe ich hier so still und ganz, wie es mir recht ist, es geht mir viel zu gut. Es ist rührend, wie sie alles aufnimmt. Sie hat mir auch aufgetragen, Dir, liebe Elis, zu danken, daß Du ihrer gedacht. Sie legt sich Dir kreutzweis zu Füßen. Eben kommen wir aus der Kirche, wo recht schön für die alte Mama gebetet wurde. Von da gingen wir zu Fuß nach dem Schloß nach alter Art, als wir sahen, daß Mama nach dem Schloß fuhr, um uns eine visiete zu machen. Wir eilten also hin, da war sie ganz wohl, aber recht matt und behaubtete, sie wäre kein Mensch mehr, und fuhr dann zu sich. Es ist nur unbegreiflich, was sie sich zumuthet in ihrem Alter. Fritz war gestern aus Rudolstadt gekommen. Nun ist alles festgesetzt, wie es zur Vermählung sein soll, die am 4ten July in Rudolstadt sein soll.17 Und man wünscht, daß ich schon am 2ten hinkäme, um den 3ten dort ruhig zu sein. Also am 4ten July abends 7 Uhr wird in der Schloßkirche die Trauung sein, dann Gratulations Kur für das junge Paar, und zugleich für mich auch Kur, dann Diner oder Souper, damit aus, Sonntag Kirchgang und en famille den Tag zubringen. Montag will man mich auch behallten, und da soll dann eine Fahrt nach Schwartzburg sein. Dienstag reise ich ab und hoffe, bei Dir in Sanssouci einzukehren, wenn Du dort bist, oder zu Haus. Mittwoch würde Fritz abreisen und Donnerstag in Ludwigslust ankommen und einziehen und 2–3 Tage dort bleiben, Montag dann wohl Einzug in Schwerin. Ich weiß zwar garnicht, ob es Dich interessiert, aber wir sind sehr davon erfüllt. Seit ich nicht schrieb, ist die gute Meyendorf18 15 Erbgroßherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1776–1871) hatte am 3. April 1818 Erbgroßherzog Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (1778–1819) geheiratet. 16 Der letzte Landgraf Ferdinand von Hessen-Homburg (1773–1866) war am 24. März 1866 gestorben, die Landgrafschaft im selben Jahr von Preußen annektiert worden. 17 Heirat von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Marie von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922) am 4. Juli in Rudolstadt. 18 Sophie Baronin von Meyendorff, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868), gest. am 19. März.
1868
593
gestorben. Welches Glück, daß sie das Duell und die Ges[ch]ichten mit ihrem Sohn nicht erlebte.19 Die Reise von Fritz Wilhelm zur Heirath nach Turin finde ich schrecklich, und nun kann er nicht ein Mal zur Eisenbahn über den Brenner.20 Schwerin, den 26ten. Verzeih den so Stückwerk von Brief. Erst hatte ich eine fürchterliche Feder, dann immerwährende Unterbrechung und endlich reisten wir Nachmittags wieder hier her. Und nun sage ich Dir nur lebe wohl. Unser kleiner Schatz, Annchen, verläßt uns heut auf 6 Wochen und wird sich bei Dir Dienstag zeigen. Ich fürchte, sie wird nicht liebenswürdig sein. Deine Adine Rudolstadt, den 7ten July 1868 Geliebte Elis, Du nimmst immer so lebhaften Antheil an allem, was unserm Hause geschied, daß ich Dir ausführlich berichtet hätte, wie hier alles war.21 Aber es war doch fatigant das Ganze, so daß ich Gott dankte, wenn ich mich etwas ausruhen könnte, obgleich alles doch sehr bequem eingerichtet war. Die Braut, eigentlich die junge Frau im ganzen Sinne des Wort, gefällt mir immer besser. Sie liebt Fritz schon sehr und geht getrost und mit Ruhe der Zukunft entgegen. Aber hübsch ist sie garnicht, zwar am Hochzeitstag mit Krone und Mirtenkranz, sehr schöne Braut Robe drapdargent,22 gestickt mit Rosen, Mirten, Pensées,23 Maiblumen, stand ihr gut, und ihr ganzer Ausdruck war einzig schön und erinnerte mich lebhaft an Anna. Die Figur ist eigentlich hübsch, aber durch die neumodischen toiletten ganz verhunst, was schade ist. Das Trousseau24 ist ausserordentlich schön. Ich kam am Donnerstag 7 Uhr von Hummelshain in Rudolstadt an, empfangen von Albert25 ganze Famille und Hof, es war ein ganz eigener Moment. Albert ist sehr verändert, die Figur alt, gebeugt, im Gesicht weniger. Es geht ihm diesen Augenblick ganz gut. Ich fürchte nur, wenn alles in Ruhe ist, daß es dann noch kommt. Die Famille ist sehr freundlich und herzlich, besteht aus Elisabeth Lippe,26 Tochter von Albert, eine deliziöse Frau, hübsch und liebenswürdig. Die Prinzeßin
19 Das Duell von Rudolph Baron von Meyendorff (1832–1883) am 14. April mit dem russ. Gesandten in Frankreich, Andreas Freiherr von Budberg-Bönninghausen (1817–1881), beendete dessen diplomatische Karriere. 20 Reise des preuß. Kronprinzen Friedrich (III.) Wilhelm zur Heirat des Kronprinzen Umberto (I.) von Italien (1844–1900) mit Prinzessin Margarethe von Savoyen-Carignan (1851–1926) am 22. April in Turin. 21 Heirat von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Marie von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922) am 4. Juli in Rudolstadt. 22 Frz. drap d’argent = Tuch mit zahlreichen Silberfäden. 23 Frz. = Stiefmütterchen. 24 Frz. = Aussteuer. 25 Fürst Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869). 26 Fürstin Elisabeth zur Lippe, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1833–1896), verh. 1852 mit Fürst Leopold III. zur Lippe (1821–1875).
594
Briefe 1851–1873
Adolph27 soll hübsch gewesen sein, ich sehe nichts davon, kalt und verlegen, sehr schweigsam. Ihr Mann28 will ein rechter Östreicher sein und bleiben und hat etwas Rauhes, was er nicht ist, mehr weich. Eine Cousine Prinzeßin Elisabeth von Sondershausen,29 längst den Kinderschuhen entwachsen, aber eine sehr liebe, offene Person, scheint kein Wasser zu trüben, herzlich und liebevoll. Georg Erbprinz,30 groß, stark, Manieren eines Offiziers aus kleiner Garnison, nicht scharmant, aber höflich und weiß doch, was sich schickt allgemein. Selbst von der Schwester fürchtet man, daß das Verhältniß nicht gelöset ist, das wäre sehr traurig, besonders nach den Beispielen, die hier schon waren.31 Das Schloß ist in Eile neu hergerichtet und ist sehr vornehm, wie auch alles, was arangiert, wie Trauung, Souper. Alles ging mit Ruhe und Ordnung zu, mit ein Hofmarschall und Adjutant zugleich, der erst seit einem halben Jahr da ist.32 Es ist merkwürdig, alle Fremde waren im Schloß untergebracht und alles wohnt mehr oder weniger schön und gut. Die Trauung war unten, in eine sehr kleinen, dunklen, niedrigen Kirche, die Rede schwach, daher konnt ich darüber fort kommen. Als wir wieder in mein Zimmer waren, versammelte sich die Gesellschaft zur Kur. Das war zimlich schwer für mich. Dann glänzendes Souper in ein manifike, große Saal, schönes Silberzeug, wirklich sehr vornehm. Doch Musik im Saal selbst war furchtbar, zum Umkommen. Carl Weimar33 war auch auf ein paar Stunden da, sehr hoch. Den 5ten war Kirchgang, Marie sehr einfach und ruhig und Fritz ganz zufrieden. Sie hatte ein Musselin Kleid, reich mit Mallesien und rosa Band besetzt. Auf rosa ist hier eine rasende elegance, besonders die Prinzessinnen. Lippchen34 ist auch hier, recht alt geworden. Nach der Kirche war dejeuner mit Hinderniß, da das Ehepaar empfangen mußte [eine] deputation. 4 Uhr war Galla Diner, wieder sehr schön, und Abend Thee en famille bei Prinzessin Adolph. Gestern eine deliziöse Parthie nach der Schwartzburg und Fahrt über den Tripstein, ist idealisch und das Ganze sehr wohl gelungen. Heute reise ich nun ab und nehme selbst diesen Brief bis Berlin mit. Leb wohl, in Ludwigslust und Schwerin, fürchte, wird es uns allen schwerer werden als hier in der Fremde, dort sind lauter Erinnerungen. Deine Adine
27 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914). 28 Prinz Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt (1801–1875), österr. Feldmarschallleutnant a.D. 29 Prinzessin Elisabeth von Schwarzburg-Sondershausen (1829–1893). 30 Erbprinz Georg von Schwarzburg-Rudolstadt (1838–1890). 31 Mglw. wird hier auf Eskapaden von Fürstin Auguste von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels (1804–1865) angespielt. Siehe Teil 1, Briefe 1825–1831. 32 Anton Freiherr von Humbracht (1834–1896), preuß. Hauptmann à la suite, persönlicher Adjutant und Hofmarschall bei Fürst Albert von Schwarzburg-Rudolstadt. 33 Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901). 34 Fürst Leopold III. zur Lippe (1821–1875).
1868
595 Schwerin, den 18ten July 1868
Geliebte Elise, entschuldigen kann ich mich nur damit, daß die Hitze und die fatigue mich ganz dumm gemacht und ich nicht im stande war, meine Gedanken zusammen zu nehmen, und daher garnicht schrieb, Dir nicht und Luise auch nicht. Die Hitze ist noch immer gleich. Allein, da Fritz mit Frau und Kinder fort sind nach Sabor zur Silbernen Hochzeit von der Prinzeßin Carolath,35 so habe ich nun Zeit und Ruhe. Die schweren Momente sind nun vorüber von den beiden Einzügen in Ludwigslust und Schwerin, besonders Schwerin war schwer. Das Wetter begünstigte alles sehr, und so ging alles ganz gut. Beide Orte hatten sich die größte Mühe gegeben, die Straßen und Plätze so schön wie möglich mit Blumen und Fahnen zu schmücken. Besonders hübsch war [es] in Ludwigslust, den zweiten Abend kamen alle Schuljugend mit bunten Pappier Latternen, sangen mehrere Lieder und marschierten dann in Schlangen Linyen auf dem Platz vor dem Schloß umher. Und in Schwerin war den ersten Abend, anstatt illumenation der Straßen, auf dem See drei Dampfschiffe und 20 andere, große und kleinere Bothe und Schiffe, illumeniert, in allen Farben, mit Musik und Sänger Chöre. Und die gruppierten sich um den Vorbau im Burggarten, die kleinen flogen dazwischen umher, bei einer warmen Nacht, es war wirklich zauberhaft, wie eine Venezianische Nacht. Bis 11 Uhr blieben wir draussen, es ward Thee getrunken mit einigen Fremde, wie General von Manstein36 und Rosenberg37 und ein Legationsrath Graf Linar38 und vom 24. Regiment39 die Offiziere, die geschickt waren. Es schien ihnen auch zu gefallen. Marie, die neue Schwiegertochter, nimmt noch alles ziemlich passief auf, da es sie so überkommt. Sonst mit uns, wenn wir mit ihr allein sind, kann sie sehr heiter sein und sehr lustig, so herzlich lachen. Die Cour ging am Dienstag auch schon recht gut. Sie sprach mit mehre Damen und gefällt, wie ich höre, im Allgemeinen. Ich kann sie nun einmal garnicht hübsch finden, auch ihre Sprache hat etwas Hartes, thonloß. Aber sie gefällt mir sehr, und ich glaube, sie wird sich gefallen, Fritz glücklich machen und uns alle mit. Den Donnerstag Abend brachten wir en famille in Steinfeld zu, wo wir auflebten und so heiter waren, so viel gelacht haben wie die Kinder. Nach 10 Uhr kehrten wir zurück. Gestern also, Freitag, reist Fritz mit ganze Famille nach Sabor ab. Friedrich und Paul und ich stiegen in Ludwigslust aus, die beiden Ersten, um die Hochzeit von Herrn von Stein 35 Prinzessin Johanne (Jenny) zu Schoenaich-Carolath, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1820– 1878), verh. 1843 mit Prinz Ferdinand zu Schoenaich-Carolath (1818–1893) auf Schloss Saabor (Zabór) in Niederschlesien. 36 Gustav von Manstein (1805–1877), preuß. General der Infanterie und Kommandeur des 9. Armeekorps und à la suite des 4. Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 24 „Großherzog von Mecklenburg-Schwerin“. 37 Adolf von Rosenberg-Gruszczynski (1808–1884), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 17. Division im 9. Armeekorps. 38 Alexander Graf zu Lynar (1834–1886), zweiter Botschaftssekretär der preuß. Gesandtschaft in Frankreich. 39 4. Brandenburgisches Infanterie-Regiment Nr. 24 „Großherzog von Mecklenburg-Schwerin“, dessen Regimentschef Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin war.
596
Briefe 1851–1873
und Fräulein von der Lühe40 mit zu machen, ich, um meine alte Mama zu sehen, die von der Hitze sehr leidet und daher sehr schwach und mitunter kindisch ist. Ich bin aber überzeugt, wenn es ein Mal kühl wird, erholt sie sich auch wieder. Auch nahm ich Abschied von Johann Albrecht, welcher wegen Verschlimmerung seiner Augen zu Gräfe41 in der Glinik kommt. Er sieht fast auf einem Auge nichts, das ist zu traurig. Gott wolle geben, daß die Kur etwas hilft. Schwester Luise ist nun in Muskau, und Puttchen ist wohl schon da. Ob wohl an der Verlobung etwas ist zwischen der Tochter und dem Kronprinz von Dänemark?42 Luise war glückselig, wieder bei Dir zu sein. Die hohe Frau scheint sie auch nicht zu sehr in Anspruch genommen zu haben. Eben ist ein tüchtiges Gewitter, was wenigsten Regen bringt. Alles schmachtete danach, es war zum Anbrennen heiß. Nun werde ich auch wieder vernünftig werden. Ich schäme mich ordentlich, wie ich schreibe, aber die Hand klept mir ordentlich am Pappier. Wegen Deiner Reise hast Du an Ady geschrieben. Ist nun bestimt, daß Du am 4ten August abreisest und nach Interlacken? Da soll es so schön sein, und vielleicht triffst Du Dich dort mit Luise, das wäre zu schön, das gönnte ich Euch beiden recht. Wie gern käme ich noch zu Dir vor Deiner Abreise, allein, das geht nicht, denn ich habe immer die Angst, wenn Du ein Mal fort bist, kommst Du nicht vor der Reise nach Italien zurück, und dann sehe ich Dich schrecklich, schrecklich lange nicht wieder. Ady ist gestern mit Wilhelm nach Dobbran. Sie war hier sehr wohl und machte ausser der Cour zimlich alles mit, was sie sehr amüsierte. Sie sah superb aus, so vornehm, und machte trotz dicker Taille43 sehr hübsche toilette. Das trousseau44 von Marie ist sehr schön, aber alles nach der neusten Mode gemacht, nach meiner Ansicht schäuslich, ganz wie die alten Bilder, die Röcke von allen Seiten aufgeholt und besetzt, und hinten vom Ausschnitt des Kleides eine breite Falte, die in eins geht mit Rock und Schleppe,45 ganz wie das Bild im rechten Zimmer in Sans Souci, wo wir Thee trinken, wo so eine blaue Dame von hinten zu sehen ist, mit so große Blume im Zeug gewirkt. Nun leb wohl, liebe Elis. Verzeih diesen schlecht geschrieben Brief, habe Dank für Dein lieben Brief, Deine treue Adine Sans Souci, den 28ten July 1868 Endlich, meine Adine, komme ich dazu, Dir für Deinen lieben und so ausführlichen Brief zu danken, der mich so interessirte. Ich habe es recht mit Dir gefühlt, wie schwer 40 Heirat von Heinrich von Stein (1833–1896), Gouverneur von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin, mit Elisabeth von der Lühe (1834–1918) am 17. Juli in Ludwigslust. 41 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin, seit 1868 Direktor der augenärztlichen Abteilung in der Charité. 42 Verlobung von Prinzessin Louise von Schweden und Norwegen (1851–1926) mit Kronprinz Friedrich (VIII.) von Dänemark (1843–1912), verh. am 28. Juli 1869. 43 Bevorstehende Geburt von Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944) am 7. Nov. 44 Frz. = Aussteuer. 45 Dahinter eine Skizze in Seitenansicht von Rock und Schleppe.
1868
597
Dir die Ankunft der neuen Schwiegertochter seyn mußte.46 Aber Du bist ja Gottlob mit ihr zufrieden, das ist die Hauptsache. Ady schreibt mir auch sehr détaillirt von ihr. Das neue Paar war diese Tage hier, und Dein guter Fritz glaubte wirklich, er besähe sich die Gärten der Orangerie hier in nächster Nähe ganz incognita. Aber Sello47 begegnete und erkannte ihn natürlich gleich und erzählte es mir, als er sie eben gesehen. Im Marmor Palais legte er seine incognita ab, und Abbat, der eben ausreiten wollte, ritt neben dem Wagen her, auch auf dem Babelsberg, bis sie von dort zur Eisenbahn gingen. Wie hübsch müssen die Feste in Ludwigslust und Schwerin gewesen seyn. Das herrliche Wetter und die prächtig warmen Nächte waren auch recht dazu gemacht. Wir hatten einen Tag kalt, den Freytag, seitdem aber wieder warm und schön. Donnerstag stieg die Hize wirklich bis zum Unerträglichen, und den Tag hatten die Wadzeck Kinder48 zu einer Landpartie nach Potsdamm auserkoren! Ich gab ihnen auf der Terrasse Kuchen und Wein, um sie zu stärken. Von Luise hatte ich einen Brief voll Freude über die Ankunft der Schweden, die Verlobung der Enkelin,49 die recht zufrieden zu seyn scheint, und noch voll von den Erinnerungen der leider so kurzen Zeit hier. Du glaubst gar nicht, wie wahrhaft rührend unsere gute Luise war in ihrer Freude, Sans Souci und alle Umgebungen Potsdamms im Sommer Schmuck wieder zu sehen. Sie sieht es ja nur immer im Herbst. Es war mir eine solche Freude, mit ihr herum zu fahren, besonders im kleinen Wagen. Ein Abend in Babelsberg wurde leider durch ein starkes Gewitter vereitelt. Wir mußten im Zimmer bleiben, aber es war ganz hübsch, und Augusta, wie überhaupt die ganze Zeit, von der besten Laune, freundlich und hantlich. Sie gefiel sich dießmal wirklich hier und machte eine Menge neue Entdeckungen, denn es ist unglaublich, wie fremd sie hier ist. Sie ging herum wie eine Touristin, den lezten Tag machten wir mit ihr die Fahrt nach Caput über die Fähre und dann über Geltow durch den Wildpark. Es gefiel ihr sehr, und unterwegs erzählte sie uns viel Interessantes aus Paris. Nach dem Thee auf der Terrasse mit ihr und Karl und Umgebungen reiste Luise mit Marietge und Fritz ab. Fritz war nur zwey Tage hier, natürlich hielten ihn die vielen Geschäffte im Haag zurück. Auf dem balcon des Marmor Palais wollten wir einen Abend Thee trinken, worauf sich Luise so freute. Aber es war windig, und wir mußten im Saal bleiben. Heute über acht Tage reise ich mit Gottes Hülfe ab, den ersten Tag nach Guntershausen, den zweyten Heidelberg, den dritten Bern, wo wir frühe ankommen werden und den andern Morgen bleiben, um Mittag in Interlacken ankommen, das wäre den 7ten August. Gott wolle uns nur vor großer Hize unterwegs bewahren! Wie kannst Du glauben, daß ich jetzt gleich weg bleiben werde! Ich habe mir es ja zur Bedingung der Reise gemacht, daß ich wieder kommen kann, Mitte September. Zu meiner Freude wird Luise vermuthlich auch nach 46 Feierlicher Einzug von Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922), in Ludwigslust und Schwerin nach ihrer Heirat mit dem zweifachen Witwer Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 47 Hermann Sello (1800–1876), preuß. Hofgärtner im Schlosspark von Sanssouci. 48 „Wadzeck-Anstalt“ in Berlin, gegründet 1819 durch Friedrich Franz Daniel Wadzeck (1762–1823) als evang. Erziehungsanstalt und Waisenhaus. 49 Verlobung von Prinzessin Louise von Schweden und Norwegen (1851–1926) mit Kronprinz Friedrich (VIII.) von Dänemark (1843–1912), verh. am 28. Juli 1869.
598
Briefe 1851–1873
Interlacken kommen. Wie entsezlich traurig, daß der kleine Johann Albrecht so leidend ist an den Augen. Ich dachte, das Uebel sey nur äusserlich, und doch sieht er wenig. Gott gebe, daß Gräfe50 ihn bald ganz herstellt. Hier wird es immer leerer. Alles reist ab, Marianne ist gestern nach München und von da wohl nach Reichenhall, Mary ist in Landeck, Karl sehr allein in Glienicke, war gestern Abend hier, immer heiter und guter Dinge. Abbat sehe ich viel. Die Mädchen von Fritz Karl51 hoffen im September nach Dessau zu gelangen. Heute Nacht ist das Schüzenhaus in Potsdamm abgebrannt.52 Ausnahmsweise schlief ich und hörte nichts. Mein Husten ist immer gräßlich und die Nächte mehr wie unangenehm. Lebe nun wohl, meine Adine, tausend Liebes Deinen Kindern. Ady werde ich wohl nicht mehr von hier schreiben können. Uebermorgen wirst Du sie sehen, wie sie schreibt. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Sache ist heute Morgen durch Berlin nach Kissingen gereist. Ludwigslust, den 9ten Oktober 1868 Meine liebe Elis, schon lange habe ich Dir schreiben wollen und fragen, wie Dir die nun kältere Luft bekomt. Heute, ganz früh, waren hier nur 2 ½° Wärme, etwas kühl, aber ich komme zu nichts. Aber aus der Zeitung habe ich gesehen, daß Du in Berlin zur Ausstellung gewesen bist, und ich dachte mir, daß Du auch wohl Ady besuchen würdest, die es mir heute voller Freude schreibt. Du wirst sie noch recht munter gefunden haben und besonders leicht auf die Füße, was so selten der Fall ist. Gott wird ja geben, daß alles gut geht. Ich ängstige mich schrecklich, was mir nie sonst eingefallen. Aber nach dem letzten traurigen Fall ist es wohl zu natürlich.53 Wir haben hier, wie es scheint, noch keine Hoffnung. Dafür hat aber meine Schwiegertochter die Freude, ihre Eltern54 mit Famille hier zu haben. Über 14 Tage sind sie geblieben, werden aber Montag abreisen, daß wird ein schwerer Tag werden. Meine alte Mama ist oft so schwach, daß mir ganz bange wird. Dies abwechselnde Wetter kann sie nicht vertragen, aber ich bin überzeugt, sie erholt sich wieder. Nun möchte ich gerne wißen, liebe Elis, ob es Dir auch recht ist, wenn ich am 13ten komme, oder ob es Dir lieber ist, wenn ich den 17. oder 18. käme, und dann bis 20. oder 24. bleibe. Bitte um ein Wörtchen Antwort, vielleicht durch Telegram. Von Luise hatte ich gestern einen Brief aus Schildau, wo es so warm und schön sein soll. Sie 50 Albrecht von Graefe (1828–1870), preuß. Augenarzt, seit 1852 mit privater Augenklinik in Berlin, seit 1868 Direktor der augenärztlichen Abteilung in der Charité. 51 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860– 1917). 52 Großbrand am 28. Juli im Schützenhaus der Schützengilde am Brauhausberg in Potsdam. 53 Bevorstehende Geburt von Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944) am 7. Nov., der offenbar mindestens eine Fehlgeburt vorausgegangen war. 54 Prinz Adolf (1801–1875) und Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914).
1868
599
ist wieder ganz entzückt von der schönen Gegend. Die Revolution in Spanien ist recht schnell beendet, die Königin flüchtet, Napoleon empfängt sie in aller Pracht und Hoheit und schickt sie eiligst nach Pau, und alles ist abgemacht.55 Das ist recht ein Zeichen der Jetzt Zeit. Hast Du noch Putlitzes56 gesehen oder sind sie fort? Virgini,57 wie ich höre, ist im Schloß in den Zimmern von Editta,58 alles, alles traurig!!! Der Brand in Altenburg ist auch recht betrübt.59 Das Palais, was abgebrannt, war die Wohnung von meiner seeligen Schwägerin Marie und George. Viele Erinnerungen sind damit hin, und leider sind so viel Menschenleben zu beklagen. Nun leb wohl, so Gott will auf baldiges Wiedersehen. Deine alte Adine Bellevue, den 7ten November 1868 Mein Telegram ist schon an Dich fort, aber einige Worte sende ich noch nach, weil ich weiß, liebe Elis, wie Du nach Nachricht Dich sehnen wird.60 Um ½ 4 Uhr früh wurde ich geweckt und fand Ady schon zimlich in Thätigkeit, aber nur gering. Sie selbst hatte sich schon beim zu Bett gehen nach 10 Uhr unwohl gefühlt, um ½ 12 Uhr aber erst die Kamerfrau verlangt, die dann gleich zur Hebamme Stahl61 schickte, die sehr rasch kam, aber meinte, es sei falsche Wehe. Um ½ 3 Uhr stellten sich aber die rechten ein, und Wilhelm wurde geweckt. Ich kam also um ½ 4 Uhr, und da ging es dann sehr, sehr langsam vorwärts, mit lange Pausen, was aber sehr gut war. So zog es sich bis 9 Uhr hin, um ¾ 11 Uhr ging das Wasser ab, aber übereilen that sich die Kleine nicht. Der Kopf wollte immer nicht durch. Ady war aber bewundernswürdig, so ruhig und still, ängstigte sich garnicht und gab kaum einen Ton von sich. Als das Kind nur den Kopf durch hatte, schrie es schon ganz laut. Es mußten noch 2 Wehen kommen, ehe es ganz gebohren war. Es ist 6 Fund schwer, sehr niedlich geformt, eine Elle lang, sieht Ady frappant ähnlich, nur hat es schwartze Haar, was sagst Du dazu. Ady ging es gleich ganz gut, und sie ist 55 Im September war Königin Isabella II. von Spanien (1830–1904) durch einen Militärputsch abgesetzt worden. Sie floh nach Frankreich, wo Kaiser Napoleon III. ihr Schloss Pau zur Verfügung stellte. 56 Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), 1863–1867 Intendant des Hoftheaters Schwerin, seit 1867 Hofmarschall bei Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen, verh. 1853 mit Elisabeth Gräfin von Königsmarck (1825–1901). 57 Virginie Gräfin von Hacke (1823–1881), Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 58 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 59 Durch einen Großbrand auf dem Schloss von Altenburg waren das Prinzenpalais und das spätgotische Kornhaus zerstört worden, sechs Feuerwehrleute kamen ums Leben. 60 Geburt von Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944) am 7. Nov. in Schloss Bellevue. 61 Die Hebamme Stahl aus Berlin war für die preuß. Königsfamilie tätig und galt als sehr erfahren. Sie hatte 1859 auch die schwierige Notentbindung von Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) unterstützt.
600
Briefe 1851–1873
glückselig, wie natürlich Wilhelm auch. Beide legen sich zu Füßen. Die Nachgeburt kam langsam und gut. Die Hebamme ist eine vortrefliche Person, so ruhig und umsichtig. Ady ist da in guten Händen. Der Artzt ist garnicht gebraucht [worden] und war im Neben Zimmer. Jetzt ordnet er alles an. Nun leb wohl, ich bin etwas zerschlagen, Deine Adine Gott wird ja weiter helfen. Ich hoffe, Du hast die Reise bis Vevey glücklich zurückgelegt. Wir dachten Deiner viel. Bellevue, den 9ten November 1868 Geliebte Elis, ich schreibe schon heute, um Dir Nachricht von Ady zu geben, die wirklich bis heute sehr gut lauten. Vor allem soll ich Dich sehr von Ady grüßen, und sie wüßte, wie Du Dich mit ihr freun würdest.62 Heute bist Du nun in Vevey. Ich hoffe, daß Du dort besser Wetter hast, als wir hier. Gestern Morgen schneite es und verwandelte sich dann in Regen, der auch heute noch ist. Vevey ist so wunderschön, die Lage des Hotels ist prächtig mit dem Garten am See und die Blick nach den Bergen. Eben haben wir die Kleine waschen sehen. Sie ist wirklich zu niedlich, hat braune Haare, nicht schwartz, und blaue Augen, die sie oft aufmacht. Der Kopf ist so rund und der Rücken so breit und fest. Wir sind immer in Bewunderung, wie Du siehst. Ady sieht so hübsch und frisch in ihrem Bett aus, liegt so ruhig und ist sehr folgsam in allem. Die Freude von ihr und Wilhelm über das Kind ist rührend. Ich habe meine stille Freude an beide. Wilhelm giebt an Ady ihr erstes Frühstück, in Wasser und Milch und 2 Zwibak, dann das Diner und souper in Wassersuppe. Überhaubt flegt er sie sehr aufmerksam. Jetzt, wo sie nun niemand mehr sieht und, wie man es meint, zu Bett gegangen ist, will er zum ersten Mal wieder im Theater gehen, die Afrikanerin, worin die Lucca zum letzten Mal auftritt, vor ihr Reise nach Petersburg.63 Kaiserin Mary,64 die erst Sonabend nach Berlin kommen wollte, dann Sonntag, wird nun erst Dienstag Abend kommen, was etwas geniert wegen der Jagt in Letzlingen. Sie wird etwas abgekürtz werden. Von Luise habe ich heute ein Brief, wo sie am 6ten den ganzen Tag im Bett zugebracht an Kopfweh, den 7ten aber wieder auf war. Sie und Marietchen freuen sich sehr über Ady. Bruder Wilhelm war heute hier, um sich nach Ady zu erkundigen, und meinte, Du würdest einen Tag länger in Vevey bleiben. Das freut mich sehr, denn 2 Tage ist wirklich zu wenig für diese schöne See. Ehe ich schließe, will ich gleich zum 13ten Gottes Seegen Dir wünschen, und möge die Reise Dir recht gut thun und Du
62 Geburt von Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944) am 7. Nov. in Schloss Bellevue. 63 „Die Afrikanerin“, Oper von Giacomo Meyerbeer (1791–1864) und Eugène Scribe (1791–1861). Die österr. Opernsängerin Pauline Lucca (1841–1908), seit 1861 an der Kgl. Hofoper in Berlin, spielte die weibliche Hauptrolle der Sélika. 64 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880).
1868
601
Freude daran haben. Ich hoffe, bald etwas von Dir zu hören. Marichen65 telegraphiert, daß sie Dich am 7ten bis Lindau begleitet und grade um 1 Uhr sich von Dir getrennt, wie hier die Kleine gebohren. Leb wohl, grüße Deine Umgebung, Deine treue Adine Bellevue, den 13ten November 1868 Mein Erstes heute, geliebte Elis, war für Dich zu beten aus Herzens Grund für Dein Wohl und Dich dem Herrn ganz besonders zu empfehlen. Daß Dir die Reise gut thut und Du die Gesundheit wieder bekommst, und das Opfer, was Du gebracht, Dich von hier loß zu reißen, auch Früchte träge, das wolle Gott. Ady feiert Dein Geburtstag damit, daß sie umgebettet wird, eine große Freude und Wohlthat. Sie läßt Dich herzlich gratulieren. Eben brachte man Deinen lieben Brief aus Vevey vom 10ten. Das war eine besondere Freude für den heutigen Tag. Ady, der ich Deine Grüße bestellt, läßt Dir sagen, es wäre fast das erste Mal, daß sie nicht in persönlich bei Dir sein könnte. Die Ärtzte waren auch da und sehr mit ihr zufrieden. Sie soll heute Mittag Boullion mit etwas gehaktes Fleisch bekommen. Das ist nun ein Schritt mehr. So Gott will, wird alles gut gehen. Sie ist sehr folgsam und artig und sieht heute zu hübsch aus, in ein schön gesticktes Nachtkamisol.66 Am Sonntag kommt mein Fritz, das wird der Erste wohl sein, den sie sieht. Um Mittag geht er mit Bruder König nach Letzlingen. Sonnabend früh wird die Großfürstin Helenen erwartet, die bleibt Sonntag noch, Mary wird sich wohl ihrer widmen. Am Dienstag Abend kommt die Kaiserin67 und bleibt Mittwoch. Gestern überraschte mich Luise Alexis,68 die aus Fischbach kam, eine Augenbraue war hoch, das andere niedrich, und auf der Stirn hatte sie lauter kleine Laken sich vorgebunden. Wie sie mir sagte, geht sie zum Winter nach Wisbaden, das finde ich schrecklich, da man es da nicht wünschte wegen ihrer Tacklosigkeit. Mein Fritz schreibt mir, daß sein Struvelpeter von Schwager Heinrich69 auch nach Menton geht, mit seiner Mutter der Fürstin Reuß70 und der Schwägerin, die Wittwe XII.,71 auch die alte Fürstin Lippe Bükeborg mit Tochter, Prinzeßin …,72 welche beide den Krebs haben. Das ist eine schlechte Zugabe. Heute 65 Verm. Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 66 Kamisol = ein mit Ärmeln versehenes oder auch ärmelloses, enges Oberteil, das auf der Vorderseite geschnürt oder zugesteckt wurde. 67 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880). 68 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901), seit 1861 geschieden von Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). 69 Prinz Heinrich XV. von Reuß-Köstritz (1834–1869), preuß. Major à la suite beim 7. Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 96. 70 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 71 Prinzessin Anna von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin von Hochberg, Freiin zu Fürstenstein (1839–1916), verh. 1858 mit Prinz Heinrich XII. von Reuß-Köstritz (1829–1866), gest. am 15. Aug. 1866. 72 Fürstin Ida Karoline Luise zu Schaumburg-Lippe, geb. Prinzessin zu Waldeck-Pyrmont (1796–
602
Briefe 1851–1873
Abend habe ich mir die alte Berg73 zum Thee eingeladen, zur Feier des Tages, vielleicht kömt Abbat Sohn zum Eßen. Eben war die alte Berg hier, in hellbraune Seidenkleid mit Schleppe, weiß Tüllhuth und weiß Seide Mantille, zum Gratulieren. Sie legt sich Dir zu Füßen und wünscht so viel Seegen und Glück, kann aber nicht zum Thee kommen, da ihr Bedienter eben sein Frau verlohren hat, und da will sie ihn natürlich nicht noch ein Mal fort nehmen. Nun will ich versuchen, die alte Münster74 zu erlangen. Heute ist es hier kalt, es kommen Schneewolken, erst schien die Sonne so schön und war blauer Himmel. Wenn in Lyon nun wenigst freundlich Wetter wäre. Es ist mir so unheimlich, Dich heute in fremden Landen zu wißen, in Frankreich. Marseille wird Dir gefallen. Das soll so schön sein, schönes Klima usw. Nun leb wohl, Gottes Seegen über Dich, Deine treue Adine Bellevue, den 23ten November 1868 Geliebte Elis, grade heute, wo ich Dir endlich wieder schreiben und Nachricht von Ady geben wollte, kam Dein lieber Brief aus Menton, mit dem Ausdruck der Zufriedenheit und Entzücken über die hübsche Gegend und Luft. Gott wird Dir Dein Opfer seegnen und Dich durch die milde Luft und frische Seeluft genesen laßen. Das ist mein stetes Gebet und von allen, die Dich lieben und verehren. Und dieser Gedanke macht auch, daß ich mein stille Seufzen nach Dir unterdrücke. Nur zuweilen, wenn es mir das Herz erdrücken will, spreche ich mit Ady davon. Neulich fuhr der Kutscher mich durch Charlottenburg, beim Schloß vorbei. Da hatte ich doch wirklich Lust zu heulen, eine Thräne lief mir aber doch unwillkürlich über die Backe. Ich fahre nehmlich täglich spazieren und habe mich dem Kutscher übergeben, mit der Weisung etwas variation in der Fahrt zu bringen. Und da kutsche ich dann durch ganz Berlin und um der Stadt herum, daß ich oft nicht weiß, wo ich bin und in einem Fragen bleiben. Es ist aber sehr amüsant und interessant zu sehen, wie mächtig groß die Stadt geworden und noch wird, eigentlich zum Erschrecken, mir macht es Angst. Bei Charlottenburg fuhr ich also, um die neuen Villas auf der Höhe zu sehen, von wo man wirklich einen sehr hübschen Blick auf Charlottenburg, Berlin usw. hat. Nun von Ady, sie küßt Dir die Hände und freut sich mit mir, daß Dir Menton gefällt. Ihr selbst geht es sehr gut. Seit 3 Tagen wird sie in ihr Reisebett nach dem blauen Zimmer getragen und bleibt da 3 Stunden liegen, wo wenigsten andere Gegenstände und besser Luft ist, obgleich in den Wohnzimmer immer reine Luft war, weder nach Milch noch kleine Kinder oder sonst etwas anderm roch und stank. Es war alles sehr ordentlich und gut, auch ihr Unterleib hat sich sehr gebessert. Und so hoffen wir, wird sie Sonnabend wirklich aufstehen können und auf der Chaiselonge liegen, etwas angezogen. Eben ißt Ady 1869). Der Name der Tochter ist leer gelassen. Unter den vier lebenden Töchtern war Prinzessin Ida Marie Auguste von Schaumburg-Lippe (1824–1894) unverheiratet. 73 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780–1870), ehem. Hofdame bei Prinzessin Wilhelmine von Preußen. 74 Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872).
1868
603
ihr Diner, [das] aus schwache Boullon Suppe, kleine Stücke Haasebraten und Brunellen75 bestand. Es schmeckte ihr sehr gut. Mein Bruder Wilhelm ist seit Sonntag Nachmittag in Schwerin und bleibt bis Mittwoch zur Jagt. Ich sollte wie morgen nach kommen, aber ich habe solchen Husten, daß ich mich heute erst entschloßen habe hier zu bleiben, weil ich sonst mir sehr schaden könnte, und ich hoffe, meine Schwiegertochter76 wird sich gut aus der affaire ziehen. Wenigsten von gestern Abend habe ich schon Nachricht, daß sie sich recht hübsch benommen und gut ausgesehen habe. Am Sonnabend hoffe ich nach Ludwigslust zu kommen, zum Geburtstag von meiner alten Mama, die nun 92 Jahr alt wird. Sie soll aber jetzt recht kümerlich sein, starken Husten haben, der sie angreifft. Nun leb wohl, mit vieler Unterbrechung bin ich so weit mit Mühe gelangt. Erst war Mariann hier und nun eben Mary, aber recht vernünftig. Deine treue Adine Bellevue, den 11ten December 1868 Ich habe so lange gezögert mit mein Schreiben, um die Taufe beschreiben zu können.77 Der ganze Tag war ein Festtag, ein schöner, kalter, sonniger Wintertag, 5° Kälte. Um 9 Uhr wie immer ging ich herunter zu Ady, die beinah 10 Stunden geschlafen hatte, also recht ausgeruht und seelich stralend aussah, im Gedanken, ihr liebes Kind nun in den Schoß der kristlichen Kirche aufgenommen zu sehen. Als Lohn für ihre Mühe gab ihr Wilhelm ein schönes Armband, von Perlen und Brillanten. Ich hatte ihr zum Hausschmuk eine Brosche fassen lassen, ein Brillant als Schlange, wie Luise ein hat, und ein goldes Armband mit Brosche in Gold und eine Reihe Schmarachten, so neben einander.78 So gab König Wilhelm und Augusta in Brillanten ein sehr schönes Armband nach der Taufhandlung. Augusta ist recht krank an ein verschleptes Gastrisches Fieber gewesen, lag 3 Tage zu Bett und steht nur einige Stunden auf, legt sich um 5 Uhr wieder zu Bett. Um 10 Uhr stand Ady auf und ging nach ihr Toiletten Zimmer, wo sie still und ungestöhrt den ganzen Morgen blieb. Ich sah sie nur flüchtig um 12 Uhr. Die Taufe war im rothen Salon, der ganz ausgeräumt war. Der Altar stand unter Blumen an der Wand nach dem blauen Zimmer, wo mein Bild hing, was auf mein Bitten fort genommen, und ich gab den Christus Kopf hin, den ich für Bruder Wilhelm in der Friedenskirche gekauft, den er mir geschenkt. Dies Bild soll nun zu ähnlicher Gelegenheit benutzt werden und im Schlafzimmer aufgehangen werden. Die chaiselonge von Ady stand in dem ersten Fenster nach dem blauen Zimmer im Salon und die Wiege dahinter. Ady hatte ihr rosa Landemain Kleid mit Poins79 an, eine ähnliche hübsche Mütze auf. Die Kleine hatte eben so ein Taufkleid und ein superbe Schleppe, mit großen Maiblum
75 = Kleine Braunelle: bitter-aromatische Pflanze, auch als Heilpflanze verwendet. 76 Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922), empfing als neue Großherzogin König Wilhelm I. von Preußen zur Jagd. 77 Taufe von Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944), geb. am 7. Nov. 78 Dahinter handschriftliche Skizze des Armbandes mit der Reihe aus Smaragden. 79 Frz. Points = mit der Nadel genähte Spitze.
604
Briefe 1851–1873
Bouquet gestickt (Brautrobe von Marianne80), eigentlich ein fürchterlicher Gedanke!!!! Als Bruder Wilhelm kam, gingen wir aus dem blauen Zimmer ihm entgegen und stellten uns gleich um den Altar. Hinter uns die Gesellschaft bestand aus dem Hofe, aber nur ein Herr und eine Dame, die Oberhofmeister Gräfin Schulenburg81 und die Excelenzen Graf und Gräfin Reden,82 Graf Wrangel,83 Minister Präsident Graf Bismark und Frau,84 Herr Schleinitz und Frau,85 Graf Pükler,86 Stilfried,87 Perponche,88 Graf Lehndorf,89 Alfred Rauch90 und Oberst von Kahlden91 aus Ludwigslust, als alte und nächste Bekannte. Kögel92 hielt die Rede, ganz wunderschön, so einfach und christlich. Nach der Taufe, Marichen von Schwerin93 brachte das Kind an [den] König, und dieser gab es nach der Taufhandlung selbst an Ady, die nun mit dem Kinde eingesegnet wurde, worauf der Schloß Chor ein Vers sang. Damit war es zu Ende. Nach dem die Famille gratuliert und diese sich wieder im blauen Zimmer begeben, ging die stumme Knix Cour an, und als diese vorbei, wurden die Excelenzen an Marie, meine Schwiegertochter,94 vorgestellt. Daran schloß sich das Diner, was um 4 Uhr aus war, ½ 5 Uhr ging alles auseinander. Ady hat es garnicht angegriffen, sie hat gut geschlafen. Sie erschien aber nach dem Eßen nicht mehr. Verzeih dies schreckliche Geschmier, aber ich bin so oft unterbrochen worden und mußte so schnell schreiben, damit Du gleich heute noch Nachricht haben solltest. Leb wohl, Deine Adine Augusta geht es etwas besser, fiebert aber noch. 80 Die geschiedene Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 81 Luise Gräfin von der Schulenburg-Burgscheidungen, geb. Gräfin von Wallwitz (1805–1876), Oberhofmeisterin bei Königin Augusta von Preußen. 82 Wilhelm Graf von Redern (1802–1883), preuß. Oberstkämmerer, Oberst und Generalintendant der kgl. Hofmusik, verh. 1834 mit Dorothea Sophia Bertha Jenisch (1811–1875). 83 Friedrich Graf von Wrangel (1784–1877), preuß. Generalfeldmarschall und Oberkommandierender in den Marken. 84 Otto Graf von Bismarck (1815–1898), preuß. Ministerpräsident und Außenminister, verh. 1847 mit Johanna von Puttkamer (1824–1897). 85 Alexander Freiherr von Schleinitz (1807–1885), ehem. preuß. Außenminister, seit 1861 Minister des Kgl. Hauses, verh. 1865 mit Marie (Mimi) von Buch (1842–1912). 86 Hermann Erdmann Constantin Graf von Pückler (1797–1892), preuß. Generalleutnant, Oberhofund Hausmarschall, Oberstallmeister und Intendant der kgl. Schlösser. 87 Rudolf Freiherr von Stillfried-Rattonitz, Graf von Alcantra (1804–1882), preuß. Oberzeremonienmeister. 88 Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909), preuß. Oberstleutnant und Hofmarschall. 89 Heinrich Graf von Lehndorff (1829–1905), preuß. Major und Flügeladjutant. 90 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Kommandeur der 17. Kavallerie-Brigade in Ludwigslust. 91 August Paul von Kahlden (1823–1894), preuß. Oberst und Kommandeur des 1. Mecklenburgischen Dragoner-Regiments Nr. 17 in Ludwigslust (Bundeskontingent). 92 Rudolf Kögel (1829–1896), Oberhofprediger am Berliner Dom. 93 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 94 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922).
605 Schwerin, den 27ten December 1868
Geliebte Elis, gerne hätte ich Dir gleich nach meiner Rückkehr von Bellevue geschrieben und gedankt für Deinen Brief vom 18., den ich hier vorfand vom 18ten. Allein, da gab es so viel zu thun zu Weihnachten, daß ich nicht zu mir selbst kam und ganz abgehetzt war. Und dann wußte ich auch, daß Weihnachten mir schöne und liebe Gaben von Dir bringen würde, wofür ich zu danken haben würde. Und so ist es auch, Dein liebes Cabinet aus Charlottenburg hat mich entzückt. Es ist ganz wundervoll geworden, und es war mir, als müßte ich Dich dort sitzen sehen: „man hat sie sitzen sehen“, und dabei war mir das Herz so voll und so wehe. Es war nur gut, daß ich es nicht in Bellevue bekam. Da würde es mir so viel Sehnsucht gegeben haben, weil ich von da zu Dir hätte gehen können, wenn Du da gewesen wärst. Das klingt recht kindisch. Ich hoffe nur, daß Du grade jetzt in Menton recht warmes und schönes Wetter hast, um die warme Luft unter Orangenbäumen zu genießen. Wir haben ausgesuchtes, schäuslich Wetter, immer Regen und Wind, so dunkel, daß man bis 9 Uhr mit Lampen sitzen muß. Mein Brief heute schreibe ich bei Lampenschein, es ist aber auch noch nicht 8 Uhr. Da ich aber will, daß mein Brief vor Neu Jahr bei Dir eintreffen soll, so stand ich früh auf, um Dir aus dem alten Jahr noch so recht zu danken, für alles Liebe und Gute, was Du mir erzeigt. Möge das Neue Jahr Dir Gesundheit geben und sie von neuen befestigen, damit Du im lieben Sanssouci wieder ungestöhrt zubringen kannst und den Süden nicht zu sehr vermißen. Gott seegne Dich, geliebte Elis, und behallte mich auch ferner lieb, wie ich die Liebe seit unser erstes Kennenlernen. Das ist schon eine hübsche Zeit. Ich freue mich immer von neuen, daß Du Deine Nichte95 bei Dir hast. Da kannst Du Dich aussprechen und hast ein liebes, verwandtes Herz um Dich. Nun will ich noch von Bellevue erzählen, wo ich am Montag abreißte. Gott sei Dank verließ ich alles wohl. Ady ist ganz hergestellt und, wie ich nun erfahren, am 1ten Festtag im Dom zur Kirche gewesen und zum Famillen Diner, was sie ermüdet, aber ganz gut gekonnt hat. Die kleine Charlotte96 war auch fast hergestellt von ihrem Husten, und so verließ ich das Haus in einem großen Glück, was der Herr ihnen erhallten möge und wozu Ady, ich hoffe, alles beitragen wird zu erhallten. Sie hatte schon nicht übel Lust, sich ganz auf Bellevue zurückzuziehen und Wilhelm allein ausgehen zu laßen. Ich habe aber sehr ermahnt, nicht an sich allein zu denken. Augusta hat mich noch mit Gnade überschüttet, den letzten Tag schickte sie mir ihre kleine Photographie in bunt, eingefaßt und an ein Staffelei von Stahl hängend. Und am Abend kam sie und Wilhelm zum Thee nach Bellevue, bei einem schäuslichen Wetter, […]97
95 Mglw. Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912). 96 Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944), geb. am 7. Nov. 97 Rest des Briefes fehlt.
1869 Schwerin, den 2ten Februar 1869 Gestern hatte die Schöning einen Brief von Editte Haak,1 der so gute Nachrichten von Dir brachte, was eine große Freude war, da ich so unendlich lange nichts von Dir gehört, und ich mir denken konnte, daß die Kälte, die wir hier hatten, auch in Mentone etwas Kühle gebracht. Was denn auch der Fall gewesen sein wird, denn die Kälte ist bei uns auch nach 8 Tagen verschwunden, und wir haben seit 2 Tagen 8–10° Wärme, gestern Abend einen Frühlingsregen mit Gewitter, Blitz und Donner, für hier ein sehr ungewöhnliches Wetter. Alle Menschen erkälten sich, haben Grippe, Husten, Schnupfen. Ein Wunder ist, wenn man sich noch auf die Beine erhällt. Dazu zähle ich bis jetzt unsere Familie, was auch nothwendig ist, da seit 8 Tage Schwerin von Fremde wimmelt, ein Fest dem andern folgt. Der Geburtstag von Marie2 am 29ten wurde nach alter Art mit Kur und Diner gefeiert. Den Tag vorher Festtheater mit ein Stück von unserem neuen Theaterintendanten, Herrn von Wolzoven,3 Sacuntala4 nach einem indischen Märchen. Es ist ganz hübsch, hatte nur etwas Längen, Und am Sonnabend war großes Concert, wo uns ein Violin Spieler, Herr Wilhelmi,5 sehr entzückte. Heute ist Ball im Schloß, Donnerstag Thee dansant bei ein Staatsrath von Brock,6 und mit nächsten Dienstag ist denn der letzte Ball im Schloß und Schluß des Carnevals, worüber ich nicht böse bin, denn die nächstens erreichten 66 Jahre machen sich doch geltend. Aber so hinfällig und ausspannend wie Ady mit 27 Jahre bin ich noch lange nicht. Die schreibt wenigstens, daß sie die Feste fürchtet, angreifen, obgleich sie nicht tanzt, und wo sie kann, früh fort geht. Jämmerliche Jugend jetzt! Mein Sohn Wilhelm war zum 29ten auf einen Tag hier und erzählte viel von Berlin. Die hohe Frau soll gnädig sein, den Ableiter der bösen Laune sind die Kinder, welche ganz in Ungnade sind, die sehr viel Menschen sehen, alle Woche kleine Bälle geben, die sehr hübsch wären. Am Freitag war eine Assemblee, die gewiß gräslich war, 600 Personen in diesen kleinen Räumen. Nächsten Freitag und Sonnabend ist Maskenball mit Costume und Quadrille, was die Gesellschaft sehr beschäftigt und entzweit. Die Reisenden in Nizza sind auch sehr in Ungnade. Sie schrieb an Luise, sie hätte nichtssagende Briefe von dort. In Florenz ist ja die Hochzeit höchst pomphaft gefeiert worden, vom Leuchtenberg und der Oppotschini.7 Das Paar ist durch Berlin gekommen. Ich habe aber nicht erfahren, ob sie sich presentiert. Von mir noch zu sprechen, so huste 1 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 2 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922). 3 Alfred von Wolzogen (1823–1883), seit 1867 Intendant des Hoftheaters Schwerin. 4 „Abhijnanashakuntala oder Die Wiedererkennung der Shakuntala“, nach dem Schauspiel des indischen Dichters Kalidasa vom Ende des 4. Jahrhunderts. 5 August Wilhelmj (1845–1908), dt. Violinist, auf Tournee in Europa. 6 Heinrich Adolph Diederich von Brock (1802–1878), bis 1858 mklbg.-schw. Staatsminister für Finanzen, Gutsbesitzer auf Käselow. 7 Morganatische Heirat von Eugen Maximilianowitsch de Beauharnais, Prinz von Leuchtenberg, Fürst
1869
607
ich immer noch, bald mehr oder weniger, und kein Mittel hilft ordentlich. Es greift mich aber nicht an. Leb wohl, Gott mit Dir, grüße [die] Damen und Herren, und Deine Nichte Lilli.8 Deine Adine Schwerin, den 31ten März 1869 Geliebte Elis, Dein lieber Brief vom 22ten März hat mich wie immer herzlich erfreut, und ich danke Dir von Herzen, bei Deinem vielen Schreiben auch an mich gedacht zu haben. Dein Aufenthalt geht nun wohl auch seinen Ende entgegen, und Du wirst gewiß Mentone recht ungern verlaßen, da es Dir doch im Ganzen gefallen hat und auch gut gethan, wenn auch nicht ganz befreit von Deinem alten Herz, was sich immer wieder gemeldet. Sophie von Genua9 wird auch wohl bald heimwärts ziehen, und Du besuchst Sie wohl auf der Rückreise, die überhaubt wohl sehr langsam gemacht werden muß, denn bei uns weht ein beständiger, harter, kalter Ostwind. Die Sonne lockt aber doch die grünen Blättchen hervor. Die Gäste, welche zu der Einsegnung von Paul und Mariechen gekommen waren, sind meist fort, wie Marie Stolberg und Eberhart,10 die beiden Reußens XIII, XVII.11 Marie war uns vorzüglich sehr lieb, da die Kinder sie sehr lieben und sie guten Einfluß auf Mariechen hat. Graf Otto Stolberg Wernigerode und Anna, seine Frau, mit beiden ältesten Kindern12 reisen heute ab. Auch sie beide waren nicht stöhrend. Es war nur etwas viel auf ein Mal und daher viel Unruhe, nicht so, wie ich es für die Confirmanten gewünscht, und in diesem schönen Fest. Anna hat eine Tochter von 4 Jahr, die mich entzückt, da sie ganz die Augen von der lieben Auguste hat. Ich kann mich garnicht satt sehen an dem Kind. Sie ist die Einzige, wo ich die Augen wieder gefunden. Ich weiß nicht, ob ich von Berlin geschrieben habe oder nicht. Gleich am Sonnabend, also am 20ten, als ich ankam, stieg ich erst in Bellevue ab und speisete dort, erfreute mich an dem Anblick der lieben kleinen Charlotte, die so dick geworden und verständig.13 Über ihren Papa jubelt sie ordentlich. Es ist ein zu hübscher Anblick, Ady mit dem Kinde
8 9 10 11
12
13
Romanowsky (1847–1901), mit Darja Konstantinowa Opotschina (1844–1870) am 20. Jan. in Florenz. Mglw. Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912). Mglw. Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912). Eberhard Graf (1810–1872) und Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von ReußKöstritz (1822–1903). Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Major im Regiment der Gardes du Corps, und Prinz Heinrich XVII. von Reuß-Köstritz (1839–1870), preuß. Rittmeister im 1. GardeDragoner-Regiment. Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode (1837–1896) und Anna Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1837–1907), mit den beiden ältesten Kindern Christian Ernst (1864– 1940) und Elisabeth (1866–1928). Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944), geb. am 7. Nov. 1868.
608
Briefe 1851–1873
auf dem Arm zu sehen. Am selben Abend war große Soirée mit Theater im Königspalais. Es waren 3–400 Personen, also sehr voll. Die Stücke waren sehr unbedeutend, wurden aber gut gegeben, 1 deutsches, dan sang die Lucca eine Scene aus dem Barby und dann folgte ein französisches Stück,14 worauf Buffet, was ich nicht leiden kann, also auch nichts genoß, begrüßte dabei mehrere Damen. Virgini15 sah ich auch nur ganz flüchtig. Sie sah sehr hübsch aus. Um Punkt 1 Uhr waren wir zu Haus. Sonntag hatte ich eine dicke Lippe und blieb aus der Kirche fort. Augusta und Tochter Luise16 besuchten mich höchst liebenswürdig. Luise, finde ich, gewinnt immer mehr, je öfter man sie sieht. Sie ist viel einfacher. Der Sohn ist schon recht groß, die Kleine recht niedlich.17 Die Majestäten fuhren mit Luise nach dem Babelsberg, und da haben wir im Bellevue gegeßen, und waren auch dort den Abend bis 9 Uhr, wo wir bei Kronprinzens18 zum Souper waren, wo nur die Majestät, wir Mecklenburger, der Erbgroßherzog von Weimar,19 der Erbprinz von Bückeburg20 und der Fürst Wied,21 der mir sehr gut gefallen hat, aber sehr jung, scheint ernst und doch heiter zu sein. Am 22ten waren wir alle um 10 Uhr zum Gratulieren. Wilhelm freute sich sehr über die Uhr, wir konnten uns nicht erinnern, bei welcher Gelegenheit, Fritz und Fritz Louis sie bekommen haben! Um 5 Uhr war Diner bei Kronprinzens und Abend Soiree, wo in verschiedene Zimmern gegeßen wurde und ein Herr, ich habe seinen Nahmen vergeßen, Klavier spielen mußte, und wir dann im Mittels Saal hingingen, herumstanden und saßen und dann zum Souper wieder uns vertheilten in den andern Zimmern. Der arme Wilhelm litt alle die Tage sehr am Fuß, wo er sich am Sonnabend beim Fortgehen von Fritz Carl den großen Zeh verrenkt hatte. Um 11 Uhr waren wir zu Haus. Nach dem Abschied genommen am Dienstag reisten wir, Wilhelm, Ady und ich, nach Schwerin. Fritz war schon die Nacht zurück gereist. Ich blieb in Ludwigslust, um meine alte Mama zu besuchen, die starken Husten und Schnupfen hatte, einen Tag sogar etwas Fieber, und wir können uns wohl nicht täuschen, daß es langsam zu Ende geht, wenn auch nicht schnell. Ihre Kräfte sind sehr gesunken. Am Mittwoch war dann die Einsegnung von Paul und Mariechen. Dazu waren gekommen, Graf Otto Stolberg mit seiner Frau Anna, Marie Stolberg mit Eberhart, die beiden Prinzen Reuß XIII., XVII. Beide Kinder waren ernst bei der Sachen und antworteten sehr gut. Besonders machte Paul einen sehr angenehmen Eindruck. Er war so fest und bestimmt in seinen 14 Zum Geburtstag von König Wilhelm I. von Preußen am 22. März wurde gegeben: das dt. Lustspiel „Unerreichbar“ von Adolf von Wilbrandt (1837–1911), einige Szenen aus der Oper „Der Barbier von Sevilla“ von Gioachino Rossini (1792–1868) und das frz. Lustspiel „Les lundis de Madame“ von Hortense Allart (1801–1879). Beteiligte Künstler der Kgl. Hofoper und Hofkapelle waren die Kammersängerin Johanna Jachmann-Wagner (1828–1894), die Opernsängerin Pauline Lucca (1841– 1908) sowie der Opernsänger Albert Niemann (1831–1917). 15 Virginie Gräfin von Hacke (1823–1881), Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 16 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 17 Prinz Friedrich (II.) (1857–1928) und seine Schwester Prinzessin Viktoria von Baden (1862–1930). 18 Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm und Kronprinzessin Victoria von Preußen. 19 Erbgroßherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1844–1894). 20 Erbprinz Georg zu Schaumburg-Lippe (1846–1911). 21 Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907).
1869
609
Antworten und sein Ausdruck still und gesammelt. In Religionssachen war er von Kind an sehr empfänglich. Die Handlung war feierlich und uns sehr wehmüthig, ohne die liebe Auguste. Die liebe Mama sehe doch sehr für Mariechen. Sie würde die ganze Sache ernster und nachhaltiger geführt haben. Indeßen, Marie Stolberg, die sie sehr liebt, hat doch einen sehr guten Einfluß auf sie gehabt, und so wird ja der Seegen jener Stunde ein bleibender für ihr Leben bleiben. Eben war Anna Stolberg hier mit ihrem Mann Otto, um Abschied zu nehmen. Um 4 Uhr Nachmittags reisen sie ab. Diese große Versammlung der Familie machte die Zeit etwas unruhig und für die Confirmanten nicht still und ernst genug. Beim Durchlesen des Briefs sehe ich, daß ich zweimal dasselbe geschrieben habe, verzeih es, aber ich bin so oft unterbrochen worden. Von Schwester Luise habe ich gestern etwas bessere Nachricht, aber außerordentlich schwach ist sie, und die Genesung geht furchtbar langsam. Ja, ich möchte sie auch einen Winter im Süden wißen, aber dazu ist Fritz22 nicht zu bringen. Er wird es gewiß bereuen. Von mir noch zu reden, so ist mein Husten immer noch da, abwechselnd besser, und ich soll Anfang May nach Marienbad und dann nach einer Pause nach Ems. Ich hoffe, Anfang Juny Dich dann in Sanssouci besuchen zu dürfen. Ich freue mich schrecklich auf das Wiedersehen. Mitte August erwartet meine Schwiegertochter ihre Entbindung, und dazu werden wir nach Ludwigslust gehen.23 Gott sei Dank, hier wäre es zu fürchterlich gewesen, in demselben Raum, wo wir so Trauriges erlebt. Nun leb wohl, Gott geleite dich auf Deiner Rückreise. Du giebst wohl an, wohin man Dir dann schreiben kann. Grüße Deine Umgebung. Deine alte Adine Ems, den 10ten July 1869 Wenn ich meinem Herzen gefolgt wäre, geliebte Elis, so hätte ich Dir gleich geschrieben nach Empfang Deines Briefes vom 4ten aus Pilnitz, der mich so unendlich erfreute, da ich sah, daß Du Dich endlich so wohl fühltest, um nach dem geliebten Sanssouci zu reisen, wo Du nun wirklich seit Mittwoch, glaube ich, bist. Die Ruhe und in lieben, gewohnten Räumen zu sein, wird Dir gut thun. Viel Familie ist auch nicht da, die Dich überlaufen oder beunruhigen würde. Es scheint nun alles fort zu sein. Mariechen von Baiern hast Du noch gesehen. Sie hat in Babelsberg gewohnt, wie ich höre. Wie ihr das wohl vorgekommen ist! Gestern hatte ich die Hofdame Gräfin Haak24 aus Coblenz zum Diner und General Struberg,25 die mich besucht hatten, vor einigen Tagen auch Oberst von Styler,26 der schon früher hier war. Von den Badegästen kenne ich niemand, die ele22 23 24 25
Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881). Bevorstehende Geburt von Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin (1869–1955) am 10. Aug. Adelaide Gräfin von Hacke (1812–1891), Hofdame bei Königin Augusta von Preußen. Otto von Strubberg (1821–1908), preuß. Generalmajor und Flügeladjutant, Kommandeur der 30. Infanterie-Brigade in Koblenz. 26 Gustav von Stiehle (1823–1899), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Kommandeur des 4. GardeGrenadier-Regiments Königin in Koblenz.
610
Briefe 1851–1873
gante Welt kommt erst nach 8 Uhr zum Brunnen, und dann bin ich schon fort. Wenn Wilhelm kömmt, da wird es wohl anders werden, aber bei die Hitze, die wir jetzt immer haben, kann man später garnicht existieren. Den 12ten. Meinen Brief habe ich liegen laßen müßen, weil ich so dumm war von der Hitze. Du weißt, ich kann nie Hitze vertragen, und hier im engen Thal ist es mitunter nicht zu ertragen. Heute Morgen ist also Bruder Wilhelm angekommen. Die Straßen waren mit Laubgewinden und Fahnen geschmückt, und Blumen Bouquets flogen von allen Seiten. Ich war in seiner Wohnung und empfing ihn dort, setzte dann meine Promenade fort. Er sagte gleich, daß Du wieder die Rose hättest, nein, das ist zu arg, und da sende ich Dir eine Säckchen, in der Herzgrube zu tragen. Es soll schon vielen Menschen geholfen haben. Es ist hier ein Groschen Schwefelblüthe, was pulverisiert ist, und wenn man ein Gefühl von Frösteln oder etwas anderes hat, so soll man es gleich umfangen, und dann kommt die Rose nie mehr zustande. Es ist ein unschädliches Mittel, welches aber doch hilft oder erprobt ist. Heute Mittag hörte ich von einem Herrn von Seckendorf27 aus Leibzig, den ich öfter in Marienbad gesehen, und der nun in Schwalbach ist, daß Deine Nichte von Genua28 dort zur Cur ist. Der Ort soll sehr langweilig sein, aber das Wasser sehr heilbringend. Gestern bin ich zu Wagen nach Coblenz gefahren und habe mir das Schloß und die Anlage von Augusta angesehen. Beides ist ganz deliziös. Die Haak gab mir Kaffee und Eis und hatte dazu eingeladen Oberst von Styler und ein meklenburgischer Leutnant von Weltzien,29 der seit einigen Monaten dort hingekommen ist, was aimable war. Den 14ten. Ich kann mit meinem langweiligen Brief nicht zustande kommen. Erstlich werde ich unterbrochen, und dann war es gestern übermenschlich heiß. Gestern, am Geburtstag von Charlotte, waren wir recht wehmüthig gestimmt und dachten so viel an vor 10 Jahren, wo wir mit ihr zum letzten Mal den Tag hier feierten. Luise war hier, Wilhelm, Karl, Albert und ich. So um 12 Uhr thut sich die Thür auf und Bruder Albert erscheint mit Ordensband und Stern an, und die weiße Rose von Charlotte an. Ich denke also, er ist für den Tag gekommen, was auch der Fall, aber mit General Geyer,30 und überbrachten Bruder Wilhelm seine Reiterstatue in Silber und Emaille in sein Ritter Costum vor 40 Jahren, von den noch lebenden Rittern, also nur noch 6 Prinzen und 8 Herren.31 Die Idee an sich ist schon so sehr hübsch, und nun auch noch so ganz süperbe ausgeführt. Mir hat es viele Thränen gekostet, denn die Erinnerung war zu wehmüthig. Es ist freilich eine lange Zeit, 40 Jahre, aber was ist auch alles dahin gegangen! Du wirst auch wohl die Erinnerungsblätter bekommen haben mit dem Gedicht.32 Die finde ich 27 Veit Gerald Freiherr von Seckendorff-Gudent (1825–1897), sächs. Regierungsrat in Leipzig. 28 Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912). 29 Mglw. Julius von Weltzien (1843–1931), mklbg.-schw. Premierleutnant. Es gab zu diesem Zeitpunkt mehrere Premierleutnants von Weltzien in mklbg.-schw. Diensten. 30 Karl Geyr von Schweppenburg (1801–1875), preuß. Generalleutnant a.D. 31 40-jähriges Jubiläum des Hof- und Ritterfestes der Weißen Rose. 32 Zur Erinnerung an Prinz August von Preußen (1779–1843) erschienen 1869 in Gotha die „Erinnerungsblätter aus dem Leben seiner Königlichen Hoheit des Prinzen August von Preußen“.
1869
611
auch charmant und haben mir viel Freude gemacht. Was haben wir doch für frohe Jahre früher gehabt, und wie ist nun alles so ernst und schwer. Von der Hitze, die wir gestern hatten, macht man sich keine Idee, 26° im Schatten. Erst späth am Abend zog ein Gewitter von weiter vorbei und brachte etwas Luft, sodaß man doch heute wieder ein Mensch ist. Ich hoffe, Deine abscheuliche Rose wird nun abgezogen sein, und Du [wirst] den schönen Aufenthalt in Sanssouci genießen können. Heute Mittag werde ich bei Wilhelm eßen mit Prinz Oscar von Schweden,33 der diese Nacht abreist. Er wohnt mit mir in einem Haus, wo wir uns öfter sehn. Ich mag ihn sehr gern. Gestern hat Wilhelm bei mir gegeßen, Albert, General von Geyer, Perponcher,34 Treskow35 und Antonsch Radziwill.36 Die Herzogin von Sagan ist auch hier mit 3 Töchtern, nicht sehr hübsch, sie ist aber sehr zu liebenswürdig.37 Nun schließe ich den dummen Brief, bitte sehr um Verzeihung, daß er so dumm ist, aber die Hitze ist mein Feint. Gott mit Dir, Deine alte Adine Ems, den 20ten July 1869 Ich denke mir, liebe Elis, daß es Dir lieb sein wird, Nachricht von Luise und ihrem Aufenthalt zu bekommen. Ich muß sagen, ihr Eindruck bei der Ankunft und im Hut oder zugebundener Mütze ist sehr gut. Wenigstens finde ich, macht sie den Eindruck wie vor vielen Jahren, wo sie mager und ehlend aussah, hernach wurde sie nur so sehr stark. Wenn man Luise aber näher ansieht und sie neben einem sitzet, dann freilich ist sie furchtbar verändert, die Hände, jede Ader und Sehne zu sehn, so auch der Hals. Da erinnert sie mich an der Magerkeit von Charlotte zum Erschrecken. Auch die Augen liegen tief in den Augenhölen und so braune Umgebung von Farbe. Hier war sie nun glückselig, Wilhelm wieder zu sehn, Abbat und mich, und das gab ihr einen ganz andern Ausdruck. Sie hatte auch mehr Kräfte, als wie ich glaubte. Das meint man, wäre alles Freude. Sie kam Sonntag nach 12 Uhr an, wir waren alle auf dem Bahnhof, wo sie doch stand und längere Zeit sprach. Dann fuhren wir mit ihr nach ihrer Wohnung im Englischen Hof, was nicht schön war, sehr kleine, niedrige Zimmer und heiß. Da blieben wir noch etwas, und sie frühstückten. Um 3 Uhr war Diner mit Umgebung bei Wilhelm, wo sie recht gut aussah, doch mit allen Menschen sprach, dann aber zu Haus eilte. Um 6 Uhr fuhr ich mit ihr, Fritz Oranien und Mariechen nach Nassau. Um ½ 8 Uhr waren wir wieder zurück und um ½ 9 Uhr tranken wir en famille Thee bei mir. Gegen 10 Uhr war alles zu 33 Prinz Oskar (II.) von Schweden und Norwegen (1829–1907). 34 Friedrich Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1821–1909), preuß. Oberst und Hofmarschall. 35 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Generalmajor und Generaladjutant, Chef des Militärkabinetts. 36 Prinz Anton Radziwill (1833–1904), preuß. Oberstleutnant und Flügeladjutant. 37 Herzogin Pauline von Valencay und Sagan, geb. de Castellane (1823–1895), verh. 1861 mit Louis Napoleon de Talleyrand-Périgord, Herzog von Valencay und Sagan (1811–1898), mit dessen Töchtern aus erster Ehe Valentine (1830–1913) und Marie Pauline Yolande (geb. 1833) sowie ihrer gemeinsamen Tochter Dorothée de Talleyrand-Périgord (1862–1948).
612
Briefe 1851–1873
Bett. Gestern am 19ten, was uns viel Freude macht zusammen zu sein, gingen wir nach 9 Uhr zu ihr und frühstückten bei ihr und blieben bis 11 Uhr. Es wurden so viele, alte Erinnerungen wieder durchgegangen, freudige und traurige. Dann ließen wir Luise allein. Um 1 Uhr kam sie zu mir, wo wir nun recht lange und ungestöhrt schwatzen konnten. Zuerst wurde dann die Heirathsgeschichte vorgenommen, die sie Tag und Nacht quält, weil sie nicht das Rechte finden kann, und so, glaube ich, quält sich Mariechen auch, mit der ich gesprochen.38 Es machte sich nicht, ebenso wenig mit Fritz. Nun ist die Idee, daß sie sich in Reichenhall begegnen sollen. Ich bath nur, erst einige Zeit vergehen zu laßen, damit Luise sich erst mehr erholt und zu Kräften kommt. Denn sonst schadet es ihr wieder, und das ist auch der Wille des Artztes, den ich leider nur sehr flüchtig gesprochen, da wir uns verfehlten. Er findet den Zustand von Luise besser, aber noch lange nicht gut. Die Verdauung soll besser sein, aber noch schlecht wegen der schweren Krankheit, aber bis zur Genesung noch weit entfernt. Er hatte aber die Zuversicht dazu, und er hoffte, die Luft von Reichenhall würde sie stärken. Und wenn es sich so bessert, wie man es hoffen könnte, so wäre es nicht nöthig, daß sie zum Winter nach dem Süden ginge, auf keinen Fall nach Italien, vielleicht die Schweitz, da ihre Brust jetzt ganz gesund wäre. Übrigens höre ich, hat Grimm Luise in Wiesbaden gesehen, freilich noch viel schwächerer Zustand als jetzt. Der wird Dir ausführlichen Bericht wohl gemacht haben. Gestern Mittag waren wir en famille bei Wilhelm. Thee war bei mir. Vorher war ich mit Luise und Mariechen spazieren gefahren nach der Silberschmelze und der Burg Sporkenburg.39 Die Luft war köstlich. Dafür ist es heute wieder zu [er]sticken heiß. Gewitterluft, Regen gibt es bis jetzt hier nicht, höchstens ein paar Tropfen, die dem Staub nichts anhaben. Heute, gleich nach 8 Uhr, reiste dann Luise ab bis Würtzburg. Der Abschied wurde mir recht schwer. Gott allein weiß, ob wir uns wiedersehen. Gegen 8 Uhr kam sie noch unter den Boutiken auf der Promenade, was sie sich gewünscht. Dann begleiteten wir sie bis zum Bahnhof. Das Herz war mir recht schwer. Zu unserer großen Freude brachten uns gestern Telegramme gute Nachrichten von Dir. Wenn es nur von Bestand ist. An dieser Hoffnung möchte ich nun eine Frage thun, ob Du wohl glaubst, daß ich Dich besuchen kann auf meiner Rückreise. Mittwoch, den 28ten, wollte ich von Ems abreisen über Cöln, die Nacht durch und um 7 Uhr früh, den 29ten, in Sanssouci eintreffen, mir natürlich zu Bett legen und vor 12 Uhr mich nicht zeigen. Wenn es Dir also recht wäre, so würde ich den Tag bleiben, entweder die Nacht noch bleiben und den 30ten nach Schwerin reisen oder den Thee nach Berlin gehen, denn den 30ten noch zu bleiben, würde Dir wohl zu viel sein, fürchte ich. Ich bitte Dich daher, mir aufrichtig zu schreiben, wie und was Dir das Liebste ist, wie es eingerichtet werden soll. Nun sage ich Dir lebewohl, Gott mit Dir, Deine alte Adine
38 Heiratsprojekt für Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit dem vier Jahre jüngeren Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), den sie am 18. Juli 1871 heiratete. 39 Burgruine Sporkenburg südöstlich von Eitelborn.
1869
613
Bruder Wilhelm scheint der Brunnen gut zu bekommen, meinen Husten bringe ich wohl wieder mit. Ludwigslust, den 12ten August 1869 Geliebte Elis, Dein lieber Brief hat mich so sehr erfreut, daß ich Dir gleich meinen Dank aussprechen muß. Du bist ebenso überrascht von der Entbindung meiner Schwiegertochter Marie, wie wir alle.40 Vor dem 12–15ten glaubte niemand daran, daher war auch Fritz garnicht im Ort, sondern um 3 Uhr früh zur Jagt an der preußischen Grenze und kam eine Stunde zu späth, erst um 7 Uhr. Grade um 3 Uhr war Marie erwacht, nach ihrer Ansicht mit Leibschmerzen, und hat sich eine Stunde damit gequält. Um 4 Uhr hat sie geklingelt und Kamillenthee verlangt, da die Schmertzen aber heftiger wurden, ließ sie die Kosson41 holen. Als die kam, erkannte sie gleich, was es war und ließ die Stahl (Hebamme)42 holen. Da war es ½ 5 Uhr. Die erklährte, die Entbindung wäre schon nahe. Nun wurde erst das Wohnzimmer und Kinderzimmer eingerichtet. Zum Glück war alles vorbereitet, und so ging es schnell, um 5 Uhr die Mutter43 und Oberhofmeisterin44 geweckt, vorher schon der Artzt, und um ½ 6 Uhr war die Kleine da, dick und fett und sieht der Mama ehnlich. Bis jetzt geht alles nach Wunsch. Heute fängt der Fiebertag an, mit Gottes Hülfe wird das auch gnädig vorübergehen. So in tiefen Herzen ist uns doch bange. Der Herr wird helfen! Als Fritz geholt wurde, hat er 2 Meilen in einer halben Stunde geritten. Die Nachricht der Geburt erfuhr er bei der Stadt Grabow. Eigentlich war es so recht gut, so hat das Ganze gar nicht an vergangene Zeiten erinnert, was doch schwer und wehmüthig gewesen wäre. Die Mutter Prinzessin Adolph ist erst den Abend vorher um 6 Uhr angekommen, also so kurtz wie möglich vorher. Fritz legt sich zu Füßen und dankt für die gnädige Teilnahme. Er ist doch sehr glücklich über das Töchterchen. Ich kam Dienstag Abend um ½ 6 Uhr von Dobbran, um 9 Uhr bekam ich die Nachricht, um ½ 12 Uhr war ich unterwegens. Das war auch ein Laufen und Jubeln und Packen und Schreiben, daß ich nicht wußte, wo mir der Kopf stand. Die Prinzessin Adolph pflegt, und ich bin nun hier zu meiner eigenen Beruhigung und werde wohl den 18– 19ten wieder nach Dobbran zurückkehren. Mathilde Windisch Grätz45 ist eine so liebenswürdige Person, hübsch, lieblich und dabei ernst, bestimmt, liebevoll mit den Kindern. Ich kann Gott nicht genug danken, daß Hugo so eine Frau und die Kinder solche 40 Geburt von Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin (1869–1955) am 10. Aug. in Schwerin. 41 Caroline Cosson, Kinderfrau der Kinder von Großherzog Friedrich Franz II. von MecklenburgSchwerin. 42 Die Hebamme Stahl aus Berlin war für die preuß. Königsfamilie tätig und galt als sehr erfahren. Sie hatte 1859 auch die schwierige Notentbindung von Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) unterstützt. 43 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914), verh. mit Prinz Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt (1801–1875). 44 Helene von Bülow, geb. von der Schulenburg (1817–1870), mklbg.-schw. Oberhofmeisterin. 45 Fürstin Mathilde von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin Radziwill (1836–1918), verh. 1867 mit Fürst Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904).
614
Briefe 1851–1873
eine Mutter bekommen zu haben. Ich sehe so recht mit Freuden an, wie auch das famillien Glück so schön und rein ist. Dobbran gefällt ihr, und die Bäder, die scheinen ihr zu bekommen. Wir sehen uns viel, und ich sehe sie ganz wie meine Tochter an. Verzeih, ich spreche so viel von mir. Wie freut es mich, daß Du Dich erholst und etwas kräftiger wirst. Das Wetter ist allerdings schäuslich. Es ist kalt und regnet fast immer. Nimm Dich nur recht in Acht, daß Du Dich nicht erkältest. Die gute, alte Münster46 wird glückselig sein, Dich wieder zu sehen. Die Arme hat viel Schweres zu tragen. Von Luise hörte ich lange nichts. Ein Telegramm sagt mir eben, daß sie seit 4 Tagen an Kopfweh litt, daher nicht geschrieben, also noch nichts entschieden. Ich finde das auch schrecklich und für alle Theile peinlich. Ich denke auch, sie nimmt ihn doch!!!47 Weißt Du, wenn er 2–3 Jahre noch gewartet hätte, so wäre das eine sehr gute Parthie für meine Enkelin Marie48 gewesen. Im Alter wäre es sehr passend, viel mehr als diese! Schade, schade. Meine alte Schwiegermama ist gestern zu Fuß von ihrem Hause nach dem Schloß gegangen, geführt von der Prinzessin Adolph, ihre Nichte, und die Treppen gestiegen, um die kleine Neugebohrene zu sehen. Nein, ich traute meinen Augen nicht, als sie oben war, dachte aber, sie breche zusammen, setzte sich gleich und wunderte sich, daß sie so matt war. Nach Haus habe ich sie aber gefahren, weil sie wieder gehen wollte. Es ist aber unglaublich mit 92 Jahr, in 3 Monaten 93 Jahr, so zu gehen und Treppen zu steigen. Bloß ihre Willenskraft hat es durchgesetzt, denn im Zimmer turkelt sie umher und muß sich an allem festhallten. Nun leb wohl, liebe Elis. Gott sei mit Dir. Deine treue, alte Adine Ludwigslust, den 23ten August 1869 Denke Dir, liebe Elis, ich sitze noch hier im Lustigen Ludwig, wie Dein Fritz immer sagte, an einem Hexenschuß, der gräulich schmerzhaft war. Heute geht es viel besser, und ich denke bestimmt, Donnerstag nach Dobbran zu gehen auf 8 Tage, am 2ten September aber dann hier ganz fest mich niederzulassen. Mit meiner Schwiegertochter Marie geht es so gut, wie man es sich nur denken und wünschen kann. Es hat ihr bis heute, wo es 14 Tage von ihrer Entbindung her ist, kein Finger, wie man sagt, wehe gethan.49 Sie ist seit dem 11ten Tag auf der chaiselonge im andern Zimmer und sieht wie eine Rose aus. Das Gesicht ist wieder viel hübscher, weil sie etwas magerer geworden und man ihre feinen Züge besser sehen kann. Ihre Mama50 hat sie gepflegt. Ich kann zwar nicht sagen, wie ich es gewünscht, indessen im Ganzen ging es. Sie hat auch noch niemand in Wochen gepflegt, und es ist doch nichts versehn. Sehr schweigsam ist sie, und die Abende konnten lang sein, wenn 46 Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872). 47 Heiratsprojekt für Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit dem vier Jahre jüngeren Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), den sie am 18. Juli 1871 heiratete. 48 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 49 Geburt von Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin (1869–1955) am 10. Aug. 50 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914), verh. mit Prinz Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt (1801–1875).
1869
615
nicht Fritz wenigstens ein halbes Stündchen kömmt. Es dauert immer so lange, ehe sie sich entschließt zum Sprechen, und sie ist gescheut und sehr gebildet. Von Luise hatte ich heute einen Brief vom 20ten, der mich erst in Dobbran gesucht. Sie schreibt doch sehr unglücklich, und je länger sie ihn gesehen, je weniger hätte er ihr gefallen durch lautes, schwieriges Wesen und große Bestimmtheit.51 Jaqueline52 ist eigentlich diejenige, welche wirklich in ihn verliebt ist, und sie hätte mit offenem Mund jedes Wort verschlungen, was er gesagt. Nun ist er fort, und Luise sagt, es wäre hohe Zeit gewesen, weil sie es kaum noch hatte ertragen können. Aber Fritz ist auch fort, und es ist noch ungewiß, ob er noch nach Reichenhall kommt oder erst in Muskau. Ich glaube, wie Du die Idee hast, Luise in Sanssouci unterzubringen, gewiß gut ist, nur mußt Du Dich auslogieren und Affenzimmer hergeben. Das ist für Dich zu genant, aber es wäre gewiß so am besten. Dann bleibt sie in der selben Luft, braucht nicht im Freien so oft ein- und auszusteigen, und wir werden sie mehr sehen und genießen können. Ich habe mir schon gedacht, wenn Mariechen verheirathet, dann wäre eine Reise nach dem Süden für Luise eine Zerstreuung und Abwechslung. So hat jedes sein Gutes. Luise ist in Berchesgarden gewesen, was ihr sehr gefallen. Du hast ihr eine prächtige Beschreibung gemacht von der toilette von Mary Karl. Es muß wirklich ganz toll gewesen sein in dem kleinen Wagen, ausgeschnittenem Kleid und knall orange Jacke mit weißer Spitze besetzt und der Hut mit rother Hahnfeder. Ich glaube, sie schnappt nächstens über. Du wirst Dich auch gefreut haben, daß Fritz Strelitz Bruder Wilhelm in Hamburg auf dem Bahnhof empfangen. Nun ist also auch mit diesem Frieden gemacht.53 Nun leb wohl, Gott befohlen. Wie hast Du die arme, alte Münster54 gefunden? Der Sohn soll in einem trostlosen Zustand sein.55 Deine alte Adine Schwerin, den 4ten Oktober 1869 Gerade als ich mich zum Schreiben hinsetzen wollte, um Dir zu schreiben, kam Dein lieber Brief, der so interessant war. Du hast so viel Besuch gehabt von 3 Königinnen.56 Das kommt gewiß selten vor, 2 Königinnen von Schweden und beide, Dir so nahe verwand. Wie kann ich mir die Freude vorstellen von der Königin Josephine, endlich mal alle ihre 51 Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907) als Heiratskandidat für Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910), den sie erst am 18. Juli 1871 nach dem Tod ihrer Mutter heiratete. 52 Person nicht zu identifizieren. 53 Es brauchte Jahre, bis sich Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904) mit dem von Preußen durch Krieg geschaffenen und politisch dominierten Norddeutschen Bund abgefunden hatte. 54 Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872). 55 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, seit 1867 krankheitsbedingt im Ruhestand. 56 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876), Königin Luise von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin der Niederlande (1828– 1871) und Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877).
616
Briefe 1851–1873
lieben Verwandten wiedergesehen zu haben, aber auch den Schmertz, sich wieder von ihnen zu trennen. Wie hast Du Deine liebe Schwester Amelie gefunden? Sie wird Dir auch erzählt haben, von dem Theaterbrand, der furchtbar gewesen sein muß.57 Friedrich hat es mit angesehen. Wir hatten denn hier bei der Taufe viele Menschen.58 Daß Bruder Wilhelm gekommen war, war eine sehr große Freude. Darauf kamen noch Gäste zu den Hirschjagten, Fritz Karl auf 2 Tage und ist nun nach der Görde. Dann Reuß VII.,59 der gestern nach Baden, und Reuß XIII ist noch hier.60 Dann der zweite Bruder von Hugo, Prinz Ernst Windisch Grätz, der Mittwoch abreist.61 Als Bombe fiel am Sonnabend der Fürst Reuß Greitz62 herein, Großneffe von meiner alten Mama, um diese zu besuchen. Wir waren alle in Friedrichsmoor zum Jagt Diner und kamen nach 8 Uhr zurück. Da ließ er sich melden und kam zum souper, was um 9 Uhr war. Der ist auch wieder fort, weil Fritz mit Marie nach Güstrow war, um ein Seminar ein[zu]weihen.63 Gestern Abend kamen sie wieder, sehr befriedigt von ihrer Ausflucht. Auch die verschiedenen Jäger kehrten heim, ohne etwas erlegt zu haben, weniger befriedigt. Friedrich und Paul sind heute Morgen fort nach Dresden und Hannover und gingen sehr ungern. Sie amüsierten sich prechtig hier. Fritz Wilhelm ist also wirklich fort nach Egypten, eine lange Reise. Gott schütze ihn und Victoria, die alle Kinder mit schlept, und Alice nur den Sohn,64 nach Cann. Warum gehen sie nur dorthin? Ist denn Heinrich so kränklich?65 Von Luise hatte ich auch einen Brief, worin sie schrieb, erst in der zweiten Hälfte Oktobers kann sie nach Sanssouci. Sie wünscht sich so sehr, Dich wiederzusehen. Ich glaube gewiß, sie kommt. Nun wollte ich fragen, liebe Elis, ob Du mich haben wolltest und wann? Ob der 13te Dir recht wäre bis 23ten? Am 24ten soll unser Dom, der restoriert ist, wieder zum Gottesdienst übergeben werden. Dazu möchte ich zurück sein. Nun lebe wohl, ich muß zum Thee. Deine treue Adine Ludwigslust, den 13ten November 1869 Gott seegne Dich, geliebte Elis, zum heutigen Tage, der sonst viel Freude für Dich enthielt und nun ein rechter Trauertag ist, besonders wenn Du nicht mit Deiner Schwester sein kannst, was ich noch immer nicht weiß. Ich wollte gestern gleich darauf telegra57 58 59 60 61 62 63 64 65
Brand des Kgl. Hoftheaters in Dresden am 21. Sept., bei dem das Gebäude völlig zerstört wurde. Taufe von Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin (1869–1955), geb. am 10. Aug. Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Gesandter in Russland. Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Major im Regiment der Gardes du Corps. Prinz Ernst von Windisch-Graetz (1827–1918), österr. Oberst a.D. Fürst Heinrich XXII. von Reuß-Greiz (1846–1902), war als Landesherr gegen Preußen eingestellt. Da die Güstrower Domschule aus dem 16. Jahrhundert zu klein geworden war, wurde 1869 ein neues Schulhaus auf dem Annenplatz gebaut. Prinzessin Alice von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1843– 1878), mit ihrem Sohn Prinz Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (1868–1937). Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929).
1869
617
phieren, kam aber nicht dazu. Ich mußte so viele Damen empfangen, und dann ist die arme Gallenfeld so schwer krank.66 Seit einigen Tagen hat sich die Wassersucht ganz ausgebildet, was ihr wohl das Athmen sehr erschwert. Und dann sinken die Kräfte immer mehr. Sie liegt seit Mittag ganz im Bett, weil das die einzige Erleichterung ist, was eigentlich wunderbar bei ihrem Zustand ist. Sie hat täglich Fieber, abwechselnd stark oder gering. Heute habe ich sie noch nicht gesehen, da ich um 9 Uhr hier zur alten Mama fuhr, und sie mir sagen ließ, sie wäre zu schwach, um mich so früh zu sehen. Ich hatte mir Nachricht nachbestellt. Der Artzt findet sie schwächer, doch glaubte er nicht so nahe das Ende. Doch [es] sind nur Tage und Stunden, nach denen noch gerechnet wird. Man muß ja auch dies für sie hoffen. Sie ist ganz vorbereitet auf ihr Ende, nur so nahe glaubt sie es nicht. Es wird ihr aber wohl bald klar werden. Die Ernennung von Herrn von Werder hat mich sehr überrascht.67 Eigentlich muß ich auch gestehn, daß ich nicht glaubte, daß er nach Petersburg passet, für den Kaiser68 wohl, der gerne einen biedern Mann hat, aber für die Gesellschaft wohl nicht fein genug. „Wem das Amt, dem gibt der Herr den Verstand.“ Mir thut es auch für Dich leid, so geht einer nach dem andern fort. Dein Kreis wird immer kleiner. Abat Sohn ist nun auch fort, wie [die] Kreuz Zeitung sagt. Aber Ady, wie schwer wird ihr der Abschied geworden sein. Von Luise ist noch immer keine Entscheidung über Reisen oder nicht. Wenn ich gehen sollte, so wird es nach Weihnachten sein. Die Menschen sind schon ganz außer sich über die Idee, daß ich fort ginge. Gestern Abend bekam Fritz von der Gräfin Anna aus Wernigerode69 die Nachricht, daß ihr Bruder Heinrich70 (Struvelpeter) schwer erkrankt sei in Meran und die Mutter71 gleich hingereist. Die Lebensgefahr sei vorläufig vorüber. Das ist doch auch recht traurig. Nun leb wohl, wenn Du Elisabeth Rauch72 vielleicht noch zu Weihnachten etwas schenkst, so wäre ein elegantes Kleid, glaube ich, nicht übel, auch eine hübsche Coiffure. Mir scheint das alles mangelhaft, und man ist hier ziemlich elegant, vielleicht ein weißes Seidenkleid. Verzeihe diesen Vorschlag, aber sonst bekommt sie gewiß von keinem Menschen etwas. Deine treue Adine
66 Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, verstarb am 1. Dez. 67 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Oberst und Flügeladjutant, seit 7. Nov. neuer Militärbevollmächtigter in Russland. 68 Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881). 69 Anna Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1837–1907), verh. 1863 mit Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode (1837–1896). 70 Prinz Heinrich XV. von Reuß-Köstritz (1834–1869), preuß. Major à la suite beim 7. Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 96, verstarb am 23. Dez. in Meran. 71 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 72 Elisabeth von Rauch, geb. Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Kommandeur der 17. Kavallerie-Brigade in Ludwigslust.
618
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 25ten November 1869 Als Donnerstagskind erscheine ich heute mit einem Zettel mit Fragen. Liebe Elis, werde nur nicht ungeduldig, aber ich möchte so gern wißen, wann Cann gewählt wird. Das ist da dieselbe Lage als Mentone. Warme Kleider, das ist schon wegen der Hinreise nothwendig, aber muß man bei Tage wohl Sonnenkleider anziehen? Und eben so muß man auch Strohhüte mitnehmen, auch wohl große, die schützen, also runden Huth, auch wohl leichte Mäntel und Mantillen. Es muß nun doch ernstlich an allem gedacht werden. Von Mariechen73 hatte ich einen Brief vor ein paar Tagen, daß Luise wieder sehr starkes Kopfweh hatte. 6 Wochen hatte sie Ruhe gehabt. Sie schreibt, es wäre weder die Zeit der Abreise bestimmt noch der Ort des Aufenthallts. Das ist doch unbegreiflich, gerade für Luise wäre es so nothwendig, daß sie bald nach dem Süden käme. Es wird immer kälter zur Reise. Mit der Gallenfeld geht es langsam immer schlechter.74 Sie fühlt wohl ganz die Schwere ihrer Krankheit, glaubt aber, daß es sich noch länger hinzieht. Man kann es auch nicht wißen. Ihr Aussehen ist zu schrecklich, wie eine Sterbende, die Kräfte nehmen ab, die Figur ganz unförmlich und natürlich ganz unbeholfen. Man kann sie kaum noch regieren.75 Dabei steht sie morgens auf, legt sich auf die Chaiselonge und läßt das Bett machen, und nachmittags steht sie auf und setzt sich auf einen bequemen Lehnstuhl. Da bleibt sie wohl ein paar Stunden auf, dann quält sie sich wieder zu Bett. Zum Glück schläft sie des Nachts noch recht gut, nur der Husten, der ziemlich stark, stöhrt sie oft. Es ist ein rechter Jammer, sie so hinsterben zu sehn. Meine alte Mama ist körperlich schwach, aber geistig weniger. Am Sonnabend gehen wir nach Ludwigslust, wo Sonntag ihr Geburtstag ist, und sie 93 Jahre alt wird. Nun leb wohl, mit großer Betrübnis habe ich aus der Zeitung entnommen, daß Du nicht nach Dresden gereist bist, denn Deine Abreise stand nicht darin. Wie geht es Dir nur? Deine alte Adine Schwerin, den 29ten November 1869 Geliebte Elis, ich eile, gleich heute zu schreiben, damit Du meinen Brief noch im lieben Sanssouci bekommst. Schwer wird das Scheiden jedes Jahr von dem geliebten Ort, aber bei dem Wetter, was wir jetzt haben, wird es Dir vielleicht leichter werden, denn heute regnet es und schneit zugleich, ist kalt und windig, nur Mittag wird vielleicht die Sonne kommen, eine Art Aprilwetter. Der Tod vom armen Albert von Rudolstadt wird Dir auch leid gethan haben. Es kam doch diesen Augenblick überraschend. Fritz ist mit Marie gleich hin, heute in der Frühe ist die Beerdigung gewesen. Welche Umwältzung gibt dies auch wieder. Er war unendlich geliebt in seinem Land und hat in den anderthalb Jahren 73 Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910). 74 Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, verstarb am 1. Dez. 75 Im Sinne von lenken, steuern bei den alltäglichen Verrichtungen.
1869
619
mehr geschafft und für das Land gesorgt als sein verstorbener Bruder in 32 Jahren.76 Was wird der George77 jetzt thun? Ich hoffe, er wird bald heirathen und dann recht ordentlich werden, aber nicht Josephine.78 Den 30ten. Leider konnte ich gestern nicht weiterschreiben, aber es war viel Unruhe im Hause, weil die Gallenfeld recht krank war. Sie hatte Ohnmachten und sonderbare Zufälle, die wohl vom Andrang des Wassers kamen. Ich war aber ganz hin davon. Ich wollte eigentlich wegen Elisabeth von Rauch79 nur sagen, ich verlange gar nicht, daß sie sehr elegant ist, aber nur ein paar einfache, anstendige Kleider, die sie immer wieder anziehen kann. Übrigens hatte sie neulich ein recht hübsches an, hatte sich coiffuren laßen und sah allerliebst aus. Sie gefällt sehr durch anspruchsloses Wesen, und auch er gefällt, aber langweilen thut er sich, das ist ein Jammer, und man kann garnicht anders. Die Menschen hier sind langweilig, aber man macht keine Ansprüche an sie, da man sie nie anders gesehen. Für Fremde ist das etwas anderes. Von Luise habe ich nun endlich Nachricht, daß Cann bestimmt ist und sie anfangs Dezember reisen wird. Nun kommt aber die Verlobung80 dazwischen, da wollen wir erstmal sehen, wie sie die übersteht. Es wird sie sehr angreifen. Es ist doch recht betrübt, daß die Heirath ihrer Natur so entgegen ist. Das macht aber wirklich mit ihr Kranksein und Schwäche. Heute liegt Schnee und ist klares Wetter, bei Dir gewiß auch. Nun leb wohl, Gott befohlen. Deine alte Adine Schwerin, den 16ten December 1869 Innigen Dank für Deinen lieben, teilnehmenden Brief vom 9ten über den Tod meiner lieben Gallenfeld.81 Es ist ein großer Verlust! Wir waren zusammen jung gewesen, also die heitersten Jahre meines Lebens miterlebt, dann die vielen thränenreichen Jahre mir treu zur Seite gestanden, nun waren wir alt zusammen geworden, und sie mußte vor mir dahin gehen. Und doch ist sie ja jetzt so glücklich und ruht in Frieden. Der Herr hat sie gewiß freundlich aufgenommen, denn sie war eine stille, gläubige Seele. Jetzt habe ich so viel zu thun. Die Reise vor mir, wo die Bagage Sonnabend voraus geht, dann Weihnachten, und ich darf nicht in die Läden gehen, die kalt sind, und ich ganz abscheulich huste, 76 Fürst Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869), gest. am 26. Nov. Er war 1867 seinem Bruder Fürst Friedrich Günther von Schwarzburg-Rudolstadt (1793–1867) als regierender Fürst gefolgt. 77 Fürst Georg von Schwarzburg-Rudolstadt (1838–1890), preuß. Major à la suite. Er blieb unverheiratet. 78 Person nicht zu identifizieren. 79 Elisabeth von Rauch, geb. Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1851 mit Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Oberst und Flügeladjutant, Kommandeur der 17. Kavallerie-Brigade in Ludwigslust. 80 Verlobung von Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit Fürst Wilhelm zu Wied (1845– 1907), verh. am 18. Juli 1871. 81 Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, gest. am 1. Dez.
620
Briefe 1851–1873
ärger wie je. Ich behaubte darum, damit ich doch weiß, warum ich im Süden soll. Schwester Luise ist nun schon bis Paris. Heute nach Lyon, Sonnabend Cann. Gott wolle die Reise seegnen, denn nach ihrem eigenen Bericht ist Schwäche und Magerkeit noch gleich groß, und damit hat sie nun die Verlobung gehabt mit Diner.82 Das hat sie auch nicht erfreut, und sie büßt es mit Kopfweh. Ach, ich ängstige mich schrecklich um sie, wenn nur die Warmluft des Südens sie stärkt und hilft. Nun werden Kronprinzens83 wohl bald in Berlin ankommen. Warum hat Valerie Hohenthal84 den Abschied genommen und so kurtz vor der Ankunft? Man meint, sie wolle heirathen. Darum hat sie ja nicht brauchen fortzugehen? Virginie Haak85 ist ja endlich unter den Schutz der Gräfin Schulenburg86 bei Marie Carl gewesen. Besonders Carl soll freundlich gewesen sein. Ich freue mich nur, daß es wenigstens so weit gekommen, und sie sich in der Gesellschaft ruhig begegnen können und die Sache aus der Welt ist. Nun wirst Du Dich in Charlottenburg schon herein gewohnt haben. Ich hoffe, am 29ten Dich wieder zu sehen auf meiner Durchreise. Ich komme am 28ten abends späth nach Berlin und hoffe, wenn es anginge, daß ich Mittag und Abend bei Dir sein kann. Vielleicht wärest Du so lieb und ladest die Geschwister und alle nächsten Verwandten nur zum Diner ein, wie Fritz Carls und die liebenswürdige Luise Alexis.87 Ach, ich will sagen, Prinzessin Luise von Preußen. Das Fortgehen wird mir oft schwer, und es kommen so viele Bekannte noch aus dem Lande, um mich zu sehen. Überhaubt zeigt man mir viel Liebe. Mein Sohn Fritz mit Frau und Tochter werden im Februar nach Berlin kommen und längere Zeit bleiben, und von dort die Reise nach Italien machen.88 Rom ist ihr Ziel, wo sie sich Monate aufhallten wollen, eine Ausflucht nach Neapel natürlich, auf dem Rückweg Florenz. Ich freue mich für sie alle, daß sie eine solche schöne Reise machen können. Eben bekomme ich einen sehr freundlichen Brief von Wied, die Verlobung anzuzeigen. Nun leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen am 29ten. Deine treue alte Adine
82 Verlobung von Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit Fürst Wilhelm zu Wied (1845– 1907). 83 Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm und Kronprinzessin Victoria von Preußen. 84 Valerie Gräfin Hohenthal (1841–1878), Hofdame bei Kronprinzessin Victoria von Preußen. Sie nahm nach einer Affäre mit Alfred Graf von Üxküll-Gyllenband (1838–1877), österr. Major und Militärattaché in Preußen, ihren Abschied und heiratete diesen 1871. Ihr Bruder Moritz Graf Hohenthal (1840–1927) duellierte sich 1870 mit dem Geliebten seiner Schwester. 85 Virginie Gräfin von Hacke (1823–1881) hatte als Hofdame bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, ihren Abschied genommen. 86 Luise Gräfin von der Schulenburg-Burgscheidungen, geb. Gräfin von Wallwitz (1805–1876), Oberhofmeisterin bei Königin Augusta von Preußen. 87 Landgräfin Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901), seit 1861 geschieden von Landgraf Alexis von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1829–1905). 88 Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin mit Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) auf einer längeren Italienreise von März bis Juni 1870.
1870 Cannes, den 6ten Januar 1870 Geliebte Elis, Du wirst recht ungeduldig sein, etwas Näheres von Luise zu hören. Leider kann ich nicht viel Gutes berichten, allein, der Artzt, den ich heute sprach, meint, gefährlich wäre eigentlich der Zustand nicht zu nennen, aber recht ernst. Und Luise mußte sich sehr ruhig hallten, lange im Bett bleiben, was sie auch thut bis gegen 12 Uhr. Sie selbst sagt, im Bett fühlte sie sich am besten, da wäre sie nicht so matt, aber sobald sie aufgestanden, wäre die Mattigkeit zu groß und ihr Magen und ihr Leib, die wären so leer, und so schäusliche Gefühle, sie könnte es nicht beschreiben. Heute im Bett fand ich sie ganz leidlich teilnehmend. Sie kann aber nur wenig sprechen, aber mager ist sie, ganz wie Charlotte [es] war, wenn ich so am ihren Bett saß in Sanssouci. Gestern, wo ich ankam, waren Fritz Oranien, Maridche und Lang Abbat am Bahnhof. Im Hotel, an der Thür ihres Zimmers kam mir Luise ganz langsam entgegen und sprach so matt, daß ich mich gleich erschrak. Darauf setzte sie sich gleich und konnte nur mit Mühe sprechen, so entkräftet ist sie. Wir blieben etwas bei ihr. Sie hatte ihre Suppe gegessen, die ihr ziemlich geschmeckt. Sie hat nun ihren Koch aus dem Haag. Späther aß sie etwas Huhn, dann gingen wir zu unserem Eßen ½ 7 Uhr mit dem Hof, und nachher gingen wir wieder zu ihr. Da lag sie auf der Chaiselonge mit zuen Augen, die sie selten aufmachte, und ließ sich erzählen. Die Arme fielen ihr oft vor Schwäche vom Schoß herunter. Es war ein trauriger Anblick. Ich kann garnicht sagen, wie sie mich jammert, da sie selbst muthlos ist und nur immer Trost haben will, den wir ihr denn auch geben. Das Wetter ist sehr abwechselnd, bald warm, dann kühl. Daher kann Luise nicht auf dem Balkon sitzen, und die Luft würde ihr gut thun. Ich war bei Luise um 1 Uhr, wo sie im Lehnstuhl saß, ein Bild des Jammers, ganz kraftlos, sich kaum aufrecht haltend und so über Schwäche klagend. Das Gesicht ist noch viel magerer, die Backen ganz eingefallen, in Sanssouci war das lange nicht so arg. Man macht sich keinen Begriff, wie Luise verändert ist. Gegen 2 Uhr war sie doch auf dem Balkon gesessen, ganz eingehüllt im violetten Mantel, dickes Tuch. Sie mußte bald herein und sagte mir, was ich für eine miserable Person bin, nichts kann ich. Das hat mich nun wieder so angegriffen, ich kann kaum noch. Ich schlug ihr vor, sich hinzulegen auf der Chaiselonge. Da meinte sie, die Knochen thun ihr so weh, sie müßte immer an Charlotte denken, wie oft die darüber geklagt. Ich sage Dir, liebe Elis, es ist zum Weinen und kaum auszuhallten, da man so wenig helfen kann. Ich sollte wohl eigentlich nicht alles so schreiben, wie ich es finde, aber ich denke, es wird Dir lieb sein zu hören, wie es eigentlich steht. Die Lage unseres Hotels kennst Du, es ist prächtig, das mächtige Meer liegt so ganz vor den Augen ausgebreitet, und wenn die Sonne scheint, himmlischer Anblick. Leider ist bei der Kälte von 5° alle Blumen erfroren, die Orangen sehr gelitten, und nun wird es trüber. Der Himmel bezieht sich, und ich muß mich anziehen zum Eßen um 6 Uhr. Meinem Husten geht es leidlich. Grüße Bruder Wilhelm, vielleicht theilst Du ihm den Brief mit, der freilich nur für Deine nachsichtigen Augen geschrieben ist, auch an Ady. Leb wohl, bete für Luise. Deine Adine
622
Briefe 1851–1873
Lang Abbat sieht sehr wohl aus und ist höchst liebenswürdig, findet es aber langweilig hier, klagt über das Eßen, ißt aber mit ungeheurem Appetit. Cannes, den 19ten Februar 1870 Liebe Elis, wie gern hätte ich früher geschrieben und Dir gedankt für [den] lieben Brief, aber da ich noch immer bis Mittag im Bett bin, greift mich das Schreiben so an. Aber heute will ich Dir Nachricht geben von unserer lieben Kranken. Ich bin nicht ohne große Sorge, da aller appetit und Schlaf fort ist, dafür Fieber, etwas Kopfweh und natürlich große Schwäche. Wir sind wieder da, wo [wir] vor 8 Wochen [waren]! Es ging wirklich so viel besser, Luise war kräftiger, hatte appetit und besuchte mich täglich. Da, auf einmal hat sie Mittwoch früh Blut gehustet, über einen Eßlöffel voll. Den ersten Tag hielt es sich, aber am Donnerstag Abend stellte sich Fieber in 104 Schläge und Kopfweh. Die Nacht war unruhig, das Fieber am Tage war eher weniger. Sie lag meist im Dussel still fort, ißt nicht das Geringste. Gestern Abend war ——das Fieber bis 88 Schläge gesunken, und man hofft auf eine ruhige Nacht. Sie hat aber garnicht geschlafen und hat mehr Kopfweh. Der Artzt wünscht Biland1 zu holen, schon wegen der Verantwortlichkeit. Der 23te wird traurig verlaufen, auf den wir uns so gefreut. Seit 3 Jahren waren wir nicht zusammen. Gott wolle nur barmherzig sein und unser Gebet erhören. Es ist eine Angstzeit. Der Artzt ist nicht ohne Sorge, besonders wegen der Kräfte, ob sie noch aushallten. Du kannst denken, was ich leide, der arme Fritz Oranien sieht diesmal ganz klahr, auch Marichen wohl, doch sprechen sie es nicht aus, um Kraft zu behallten. Ich kann auch noch nicht aus meinem Zimmer, da ich ein geschwollenes Bein habe. Sollte es schlimmer aber werden, so muß ich zu Luise. 11 Uhr. Eben verläßt der Artzt mich. Er ist zufrieden, das Kopfweh war sehr arg, da hat sie Handbad genommen. Danach war der Kopf besser und sie war eingeschlafen. 12 Uhr. Luise hat diesen Moment kein Fieber. Aber der Artzt traut der Sache nicht, das Kopfweh ist wieder gekommen, jedes Geräusch ist ihr empfindlich, und bleibt dabei, Biland haben zu wollen. Nun leb wohl, ach, bete für unsere Luise, daß Gott sie uns erhällt. Deine traurige Adine Theile Bruder Wilhelm den Brief mit und Ady.
1 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1870
623 Cannes, den 2ten März 1870
Geliebte Elis, noch immer habe ich Dir nicht gedankt für Deinen lieben Brief und die wunderhübschen Geschenke. Du hast nicht bloß mir eine solche Freude gemacht durch das Brautzimmer, sondern auch die armen Luise, die sich holen ließ und entzückt war über die offene Thür mit der toilette von Mama, wo vor uns die Krone aufgesetzt wurde. Es ist zu hübsch, die Idee und ausgeführt. Der 23te war ein recht trüber Tag, denn Luise wurde von Tag zu Tag kränker und zusehens schwächer. Biland2 kam an dem Tag abends an und war erschrocken über die Veränderung und Abmagerung. Er sah sehr, sehr schwartz in der Zukunft, hatte eigentlich garkeine Hoffnung und sprach das gegen uns alle unverholen aus. Du kannst denken, was wir litten und noch leiden. Seit dem 28ten, Geburtstag von Fritz, scheint ein Umschwung eingetreten. Luise schläft fest und ruhig fast die ganze Nacht durch. Der appetit läßt freilich viel zu wünschen übrig, doch ißt sie mitunter etwas. Biland hat ihr ein mexikanisches Mehl, von Liebig3 verbessert, empfohlen, das ißt sie Mittag und abends mit Bouillon. Das scheint gut zu thun, freilich die Schwäche bleibt ungeheuer groß und wird Tage, Wochen lang noch so bleiben, ohne daß man wird sagen können, zu welcher Seite sich der Zustand wird wenden. Aber das Gesamtbefinden finden sie besser. Das Fieber ist heute auf 80 herunter gegangen. Luise steht seit 2 Tagen auf und liegt auf der Chaiselonge im Salon, wo frische Luft ist, auf eine Stunde. Wie aber Luise verändert ist, ist nicht zu glauben, so eingefallene Backen und so ein Zug um Mund und Nase, der recht beängstigend ist. Zu meiner Freude sehe ich sie täglich auf einige Minuten. Sie kann kaum sprechen, nimmt aber Theil an allem und ist so lieb und gut. Wenn es doch Gottes Wille wäre, sie uns zu erhallten, so viele Gebete steigen zu ihm empor. In Schwerin habe ich eine rechte, treue Freundin verlohren, die Oberjägermeisterin, frühere Oberhofmeisterin von Bülow, gebohrene Schuhlenburg,4 an der Diferitis. Es betrübt mich zu sehr. Mir selbst geht es leidlich. Die Kräfte wollen noch nicht recht kommen, und die Angst macht es nicht besser. Mein linkes Bein ist immer noch geschwollen, hindert mich im Gehen. Lang Abbat ist gestern früh abgereist. Es wurde ihm sehr, sehr schwer, aber die Vernunft siegte. Er läßt eine große Lücke, denn seine Heiterkeit und immer etwas Ermunterndes zu erzählen, belebte den kleinen Kreis. Abends nach dem Diner war Fritz Oranien und Mariche immer zum Thee bei ihm. Nun sitzen die beiden ganz allein mit ihrem Schmertz. Leb wohl, liebe Elis, ich weiß, wie Du mit uns fühlst und leidest. Gott möge helfen. Deine treue Adine
2 Ders. 3 Justus Freiherr von Liebig (1803–1873), Agrochemiker und Prof. für Chemie an der Universität München. 4 Helene von Bülow, geb. von der Schulenburg (1817–1870), mklbg.-schw. Oberhofmeisterin, verh. 1834 mit Detlev von Bülow (1793–1882), mklbg.-schw. Oberjägermeister und Oberkammerherr, gest. am 1. März.
624
Briefe 1851–1873
Cannes, den 29ten März 1870 Eigentlich habe ich Dir nichts besonderes zu melden, aber ich möchte doch gerne Dir danken, daß Du mir einige Tage hintereinander versucht hast zu schreiben. Es waren aber auch Tage des Trubels, welche Masse von Persönlichkeiten waren dies Jahr zum 22ten März versammelt, ordentlich ein Überschwung5. Sehr haben wir uns amüsiert, daß Du visavie von Bückeburg6 eingeschlafen bist. Ich theile nehmlich Luise die Briefe immer mit, das heißt, Mariche liest ihr die Stellen vor, die sie interessieren, denn sie hat sehr rege Theilnahme für alles. Das zerstreut sie. Jetzt beschäftigt sie, Luise, sich unaufhörlich, daß der Wied7 herkommen soll. Der Artzt will es nicht, weil er fürchtet, daß es sie aufregen wird und dadurch schaden. Allein, sie kommt immer wieder darauf zurück, so daß er im Schwanken geräth, weil sie behaubtet, in dem Zustand von Schwäche, wo sie wäre, kann man nicht verlangen, daß sie ihn länger sehe, nur [einen] Augenblick dürfte er hinein. Denn im Haag würde es sie viel mehr angreifen. Nun soll noch einige Tage gewartet werden, ehe der Artzt sich entscheidet, wann der Wied also käme, so wäre es nur die Tage in der nächsten Woche. Palmsonntag müsste er fort. So hat Luise es sich ausgedacht. Ängstigen thun wir uns alle, aber das immer Entgegentreten regt Luise auf. Gott wird das geschehn lassen, was das Beste ist. Fritz Oranien ist heute nach Nizza zu Sanny, die auch recht krank gewesen ist. Wie schrecklich traurig ist der Tod von der Frau von Eugen Leuchtenberg.8 Sie scheint bei der Entbindung gestorben zu sein. Man meint, sie hatte einen guten Einfluß auf ihn gehabt zu haben. Die beiden kronprinzlichen Kinder9 sind nach St. Remo gewesen, was ihnen sehr gefallen, haben Mentone und Dein Haus gesehen. Am meisten hat ihnen die Fahrt auf der Eisenbahn gefallen mit den vielen Tunnels, und dann der furchtbare Staub auf der Rückfahrt zu Wagen bis Nizza, was aber grade das Schönste sein soll, dieser Weg. Die Umgebung konnte nicht genug davon erzählen. Die Kinder sind zu prächtig, so zuthunlich und herzlich. Es ist zu schade, daß Du sie nie so siehst. Nun leb wohl. Der Artzt war eben hier und ist recht zufrieden mit Luise. Sie schläft gut und hat appetit und soll alle Tage etwas länger aufbleiben. Deine Adine Cannes, den 6ten April 1870 Liebe Elis, ich schreibe heute schon wieder, weil Du nicht auf der Frage von Louise geantwortet hast, wie Du in den Wagons herein und heraus gekommen bist, da Du getragen 5 6 7 8
Geburtstag von König Wilhelm I. von Preußen am 22. März. Fürst Adolf I. Georg zu Schaumburg-Lippe (1817–1893). Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), verlobt mit Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910). Darja Konstantinowa Gräfin de Beauharnais, geb. Opotschina, (1844–1870), morganatisch verh. 1869 mit Eugen Maximilianowitsch de Beauharnais, Prinz von Leuchtenberg, Fürst Romanowsky (1847–1901), gest. am 19. März, eine Woche nach der Geburt ihrer Tochter Darja Jewgenija Gräfin de Beauharnais (1870–1937). 9 Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) und Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929).
1870
625
wirst, ob auf den Perrons, Treppen oder ein schräges Brett angelegt, oder ob eine Art Rampe. Gott sei Dank ist jetzt nicht die Rede davon, sie so schleunig wie möglich fort zu bringen, sondern wir werden bestimmt bis Ende dieses Monats bleiben. Die Hitze scheint uns nicht verjagen zu wollen, obgleich wir die letzten Tage schönes Wetter hatten. Gestern sogar war bei Luise zum ersten Mal die Balkonthür auf und ein Schirm davor gestellt, sodaß sie doch frische, warme Luft einathmete, was ihr eine Wonne war. Ich sah dabei Luise zum ersten Mal im vollen Licht, da sonst die Fensterläden halb zu waren, da sie das Licht für die Augen nicht vertrug. Wie da aber Luise verändert war, wirklich zum Erschrecken und zum Weinen, ordentlich abgezehrt, ein zu trauriger Anblick, und da vergeht einem ordentlich der Muth, daß sie je wieder hergestellt oder wenn auch nur besser wird. Du glaubst nicht, wie sie aussah, es hat mich furchtbar erschüttert. Doch der Herr kann helfen, wenn es sein Wille ist! Ich beneide Dich und alle, die in der Heimath die stillen Wochen zubringen und zum Tisch des Herrn gehen. Ich bin vor meiner Abreise auch zum Abendmahl gegangen, aber es verlangt mich jetzt recht danach in dieser trüben Zeit. Ich bin hier noch garnicht in der Kirche gewesen und kenne daher den Prediger garnicht. Er befriedigt auch wenig Fritz Oranien, Mariche und die Umgebung. Der französische Prediger soll viel besser sein. Wenn wir solchen guten Prediger hätten wie der Dr. Schrader10 gut ist, das wäre viel werth. Nun lebe wohl, grüße Ady, wenn Du sie siehst. Deine alte Adine Cannes, den 14ten April 1870 Liebe Elis, um diese Stunde, wo ich schreibe, gehst Du gewiß zum Abendmahl. Gott segne diese heilige Handlung. Vielleicht sind auch die Geschwister dabei. Es war noch nicht bestimmt, als Ady mir schrieb. Habe Dank für Deinen lieben Brief vom 7ten des Monats. Eine äußere Treppe gibt es hier in Frankreich nicht an den Wagons. Da mußt Du einen ganz besonderen bekommen haben. Es sollen nun Nachforschungen angestellt werden. Hier geht alles sehr langsam, da Fritz Oranien alles selbst bestellt und bestimmt, und Du weißt, der kann sich immer zu nichts entschließen. Luise geht es im Ganzen gut. Wir haben nun auch schönes, warmes Wetter, und da kann sie an der offenen Balkonthüren sitzen. Es ist nur immer Wind dabei, was auf einer Seite für Luise sehr gut ist, da die Luft frisch erhallten wird, auf der anderen Seite sie verhindert, ganz auf dem Balkon sitzen zu können, denn sie möchte so recht die Luft ganz genießen. Der Artzt sagt, daß der Pulz sich anfinge etwas zu heben. Ach, wenn es Gottes Wille wäre, sie doch wieder zu Kräften kommen zu laßen. Doch ohne Sorge wird man nie wieder um sie sein können. Der ganze Gesundheitszustand ist zu schwach, zu erschöpft. Ach, und ihr Aussehen ist oft zu entsetzlich, es wechselt aber, gestern war es besser. Ich fahre nun viel umher und freue mich der herrlichen Gegend und der vielen Blumen in den Gärten. Es blühen nun die Rosen und hängen über die Mauern, dazwischen so ausländisch eigenthümliche 10 Friedrich Schrader (1837–1896), preuß. Stabsarzt, betreute die Familie des preuß. Kronprinzen.
626
Briefe 1851–1873
Pflanzen. Die Rosenfelder blühen aber noch nicht, doch werden wir das auch noch erleben. Es ist nur so traurig, daß Luise von alle dem garnichts sehen wird. Die Erholung müßte dann schneller fortschreiten. Frau Lücken, geborene Gräfin Brühl11 ist am Montag ganz plötzlich abgereist ohne Erlaubnis des Artztes, der sie noch dafür zu schwach hielt. Ihr Schwager12 war aus Lausanne gekommen, und da hat sie sich ohne Besinnen entschloßen und reisete ab. Nach hier eingelaufenen Nachrichten ist Valerie von einem Töchterchen entbunden. Graf Ixküll war bei ihr, will sie heirathen, aber nicht mit nach Paris nehmen, da er zu arm ist. Das hat sie emphört, und will nach Amerika. Welch ein Ende und wie schlecht und dumm alles arangiert, daß sie beide nichts haben, wußten sie!!!13 Aus dem Besuch von Wied14 ist hier nichts geworden am festen Widerstand des Artztes, und ich glaube, er hatte ganz recht. Es war nur ein geängstigtes Gemüth von Luise, durch einen Brief von Putchen veranlaßt. Da hat Luise wenigsten ihren guten Willen zeigen wollen, denn von dem Tage an, wo es entschieden war, daß der Wied nicht kam, erholte sie sich. Marichen war auch ganz entschieden dagegen, und so mag es ja auch besser sein. Es kommt nun nichts vor, was stöhren könnte, wenigsten was man vorhersehen könnte. Sany war 2 Mal hier, hat uns besucht. Sie erwartet ihre Schwester von Oldenburg,15 die nun wohl da sein mag. Eben höre ich, daß Werther, der Gesandte von Paris, an den variolieden gestorben ist, und man glaubt, seine Frau sei noch in Wien.16 Welch Verlust, es war ein so braver, zuverlässiger Mann und überall gern gesehen und geachtet. Wie schwer, den Posten zu besetzen! Nun leb wohl, viele herzliche Grüße von Luise. Sie ist außer sich, daß sie garnicht schreiben kann. Wenn wir zusammen sitzen, erinnern wir uns oft unserer glücklichen Jugend und auch der spätheren frohen Jahre. Wie ist die Welt ganz anders geworden. Im Mai kommt ja Sache nach Berlin, welche Freude wird das sein. Deine alte, treue Adine Cannes, den 20ten April 1870 Liebe Elis, ich ließ einige Tage verstreichen, ehe ich Deinen lieben Brief beantwortete, da Luise selbst telegraphieren wollte und mit Dank die Rampe annimmt, die Du ihr machen 11 Franziska von Lücken, geb. Gräfin von Brühl (1839–1870), verh. 1863 mit Ludwig von Lücken (1831–1885), verstarb am 21. Mai in Vevey. 12 Wilhelm (1828–1897) oder Rudolf von Lücken (1841–1923). 13 Verm. Valerie Gräfin Hohenthal (1841–1878), ehem. Hofdame bei Kronprinzessin Victoria von Preußen, die nach einer Affäre mit Alfred Graf von Üxküll-Gyllenband (1838–1877), österr. Major und Militärattaché in Preußen, offenbar eine uneheliche Tochter geboren hatte. Das Paar heiratete 1871. 14 Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), verlobt mit Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910). 15 Großherzogin Elisabeth von Oldenburg, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1826–1896). 16 Karl von Werther (1809–1894), Gesandter des Norddeutschen Bundes in Frankreich, verh. 1846 mit Mathilde Sophie Adelheid Lobo da Silveira, Gräfin von Oriola (1827–1889). Die Nachricht über seinen Tod war eine Fehlinformation.
1870
627
laßen willst. Es ist ihr eine große Beruigung. Gott sei Dank erholt sie sich sichtlich, ihre Gesichtsfarbe ist nicht mehr so krank, freilich immer noch genug und so abgezehrt, auch ihre Bewegungen kräftiger, aber immer noch alles schwach. Sie hat auch Lust, Menschen zu sehen, so besuchte uns Peter, Großherzog von Oldenburg17 am Montag, den nahm sie an. Heute will sie die Hofdame von Augusta, Gräfin Ida Hohenthal, mit ihrer Mutter sehen,18 auch die Regatta sah sie am Montag von ihrem Fenster und Lehnstuhl theilweise mit an. Es hat sie zwar etwas angegriffen, aber nichts geschadet, sondern es erheiterte sie, giebt Zerstreuung. Dafür werden wir nun sorgen müßen und ist sehr schwer, da wir hier niemand kennen und auch die Menschen abreisen. Die Abreise von Fritz Wilhelm nach Carlsbad hat uns sehr überrascht, ist aber gewiß sehr vernünftig. Gestern haben seine Söhne19 ein Fest gegeben in Sircasien,20 wo Eier gesucht wurden und alle möglichen Kinder eingeladen waren, die sich garnicht kannten, aber bald bekannt wurde bei dem Suchen. Es war zu hübsch anzusehen, wie diese kleinen, bunten Gestallten unter den schönsten Pinien und Zipressen sich herum tummelten. Es wurden auch kleine Spiele gespielt und dann eine schöne Collection eingenommen. Ich machte mich aber früher davon, da ich zum ersten Mal so etwas mitmachte. Um 3 Uhr fing das Fest an, nach 4 Uhr fuhr ich zu Haus, um 6 Uhr kamen die Andern erst zurück. Mit meinem Husten geht es sehr viel besser, nur muß ich mich in Acht nehmen vor rauher Luft. Wir haben aber jetzt immer schönes Wetter, nur oft viel Wind und Staub. Von hier etwas Neues zu schreiben, ist schwer. Wir leben einsam. Künftige Woche will ich nach Nizza, Sany besuchen, und später nach Monaco und Mentone. Das muß ich sehen. Lebe wohl, wie amüsant muß Blanche21 gewesen sein, aber traurig, daß Döhnhof22 so schwach auf seinen Füßen wird. Deine treue Adine Cannes, den 28ten April 1870 Liebe Elis, ich muß mir die Freude machen und Dir gleich heute schreiben und von Deinem lieben Mentone Nachricht geben, wohin ich gestern gefahren bin. Es war prächtiges Wetter, nicht zu warm und nicht zu kühl. Ich war entzückt von der ganzen Fahrt. Monaco und Monte Carlo sah ich nur im Vorbeifahren, weil man mir nicht erlauben wollte, erst abends 10 Uhr zu Hause zu kommen. So denke ich, diese Fahrt ein anderes Mal zu machen. Nizza sah ich ebenfalls nur im Durchfahren. Nun aber von Mentone. Ich stieg im Hotel Victoria ab und fuhr dann nach Deinem Hause, was ich ründlich besah, da 17 Großherzog Peter II. von Oldenburg (1827–1900). 18 Ida Gräfin von Hohenthal (1834–1883), neue Hofdame bei Königin Augusta von Preußen, und ihre Mutter Ida Gräfin von Hohenthal, geb. Gräfin von Seherr-Thoss (1814–1890). 19 Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) und Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929). 20 Verm. Tscherkessien, lat. Circassiani. 21 Blanka von Schönermarck, geb. von Rauch, verw. Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim (1817– 1905). 22 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen.
628
Briefe 1851–1873
es gerade Cann geworden war. Ich habe mir den Blick angesen aus Deinem Bett auf dem Meer, dann den Salon mit dem gewißen Bilde, was man nicht weiß, was es vorstellen soll. Ich setzte mich auf den Sopha, wo Du Thee getrunken. Dein Schreibkabinet war eben den Augenblick Schlafzimmer, also schäuslich, aber ich dachte doch, wie Du dort gern gewesen bist. Der Garten war sehr kahl, kein Baum, der Schatten gab und nur sehr wenig Blumen, nur Monatsrosen. Das habe ich überhaubt in Menton vermißt, die Rosenhecken und Felder, dafür Citronen Bäume, ganz prangend mit golden Früchten, was sehr hübsch war. Aber auch dort sind das Jahr viele erfrohren. Dann fuhr ich noch bei dem Häuschen, Dein Haar verlor,23 kehrte um, fuhr teils am Quai und theils Stadt bis nach der Teufelsbrücke. Das ist ja etwas ganz merkwürdiges, diese Felsformation. Überhaubt, die hohen Felsen sind wunderschön, und ich kann mir denken, daß man Menton lieb haben kann. Dann habe ich gegessen, mich ausgeruht, und um ½ 4 Uhr reisten wir wieder ab. In Nizza sah ich Sany von weitem auf ihrem Balkon, die wieder recht krank gewesen, sodaß sie die ganze Osterwoche zu Bett gelegen hat. Das ist auch eine ehlende Gesundheit. Nächste Woche will ich sie besuchen, denn ich bin ganz gesund, huste weniger, nur die Knie sind mir schwach, daß Treppensteigen und Gehen mir schwer werden. Luise erholt sich recht langsam, leider hatte sie 2 Tage wieder Kopfweh, zum Glück nicht stark. Heute soll es [vor]über sein. Von der Abreise ist nun stark die Reden, wahrscheinlich am 16ten Mai, und für Luise mit Extrazuge gerade nach dem Haag. Wie sie aber die Reise aushallten soll, kann ich nicht begreifen, denn sie ist immer noch recht schwach, und ich will Gott danken, wenn sie nicht zu arg angegriffen im Haag ankommt und nicht dort zusammenbricht. Aber kein Artzt will etwas davon wißen, ein sejour24 in Wisbaden noch zu machen. Eben war ich bei Luise, die noch im Bett war. Vor 12 Uhr steht sie nicht auf. Da ist sie immer am muntersten. Sie hat jetzt kein Kopfweh und läßt Dich herzlich grüßen. Nun will ich etwas ausfahren. Es ist wieder prächtige Luft ohne Sonne. Grüße Deine Umgebung und Ady, wenn Du sie siehst. Albert Sohn hatte einen Moment die Idee, über Cannes zurück zu reisen, worauf wir uns sehr freuten, aber nun geht er über Mailand, Comer See zurück. Deine Adine Meine Kinder schwärmen in Rom umher und sind nachträglich noch entzückt von ihrer Sizilianischen Reise.25 Cannes, den 2ten Mai 1870 Zwar ist erst vor einigen Tagen ein Brief von mir abgegangen, nach dem ich in Mentone war, da kam gleich Dein lieber Brief vom 25., und ich weiß nicht, ob ich schon für den gedankt. Als Umschlag des Briefes fand ich dieses Blatt, was wohl aus Versehn dazu be23 Lesebefund. Kontext unklar. 24 Frz. = Aufenthalt. 25 Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin mit Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) auf Italienreise von März bis Juni 1870.
1870
629
nutzt war. Durch Telegram von gestern und mein Brief an Wilhelm wirst Du erfahren haben, was wir gestern für einen Schrek gehabt haben, der aber Gott sei Dank, wie es noch heute scheint, weiter keine Folgen haben wird. Luise fand ich schon seit ihrem letzten Kopfweh von Dienstag und Mittwoch gar nicht gut, es war so etwas Anderes in ihrem ganzen Wesen. Sie hustete viel, und die respiration war so kurtz, dies mögen wohl Vorbothen gewesen sein. Gestern gegen 12 Uhr warf sie etwas Blut aus, wie ein Fingerhuth, also sehr wenig, und sie selbst hat garnicht beunruhigt, da sie überzeugt ist, daß es nur aus dem Halz gekommen wäre. Dabei hat man sie auch gelaßen. Der Artzt meint aber, daß es aus der Lunge gewesen und daher sehr der Beachtung werth. Luise war gestern den ganzen Tag wie sonst von 12–6 Uhr auf und sprach auch wie sonst. Das Athmen war leichter, aber sehr schwach war sie, was sie eigentlich sich nicht merken laßen wollte. Diese Nacht hat sie sehr ruhig geschlafen und soll sich wohl fühlen. Leider haben wir heute einen sehr starken Mistral, dem gerade für Luise so gefürchtet wird. Gott wird ja sie im Schutz nehmen, aber unsere Ruhe und Sicherheit, die wir schon etwas erlangt hatten, ist dahin. Gestern waren wir alle wie gelähmt und voller Angst, mir zittert noch das Herz, und wenn ich nun denke an unsere Trennung, da vergeht mir alle Kraft. Das wird zu schwer werden. Bis jetzt ist der 16te fest gesetzt, und man räth auch sehr dazu, da die Luft zu trocken wird, wenn auch nicht gerade zu heiß. Wie aber Luise die Reise wird aushallten können, begreife ich nicht. Ich fürchte, sie bleibt unterwegens liegen. Ihr eigener Artzt Byland26 wird kommen, sie zu begleiten. Ach Elis, der Herr hat uns eine rechte Prüfungszeit hier auferlegt, und die Angst um Luise wird bleiben. Sie wird gewiß nicht lange leben. Dazu komt nun die unglükliche Heirath, die Luise will im July sein soll.27 Dazu wird sie alle ihre Kräfte aufbieten, und dann wird sie zusammen brechen. Davon bin ich überzeugt. Gott kann ja alles nach Sein Willen leiten, also auch es zum Besten wenden. Mein Brief heute ist traurig, verzeih, ich weiß aber, wie Du von Herzen unsere Sorgen theilst. Eben war Wilhelm und Heinrich hier,28 und als sie hörten, daß ich Dir schriebe, laßen sie sich vielmahl empfehlen. Nun leb wohl, ich schließe, aber erst, wenn ich Luise selbst gesehn. 11 Uhr. Eben komme ich von Luise, es geht ihr leidlich. Sie läßt Dich innig grüßen und sagen, daß, wenn sie auf der chaiselonge liege oder auf dem bequemen Lehnstuhl, fühlte sich sich ganz gut, wie sonst. Aber sowie sie sich bewegte, als stehen oder zu gehen, da wären alle Kräfte fort, sie könte nur einige Schritte machen mit Mühe und Anstrengung. Sie könte nicht begreifen, woher dies käme. Sie ließe Dir dies sagen, damit Du einen Begriff hättest, wie es mit ihr stände, wie schwach sie wäre. Dies sind ihre eignen Worte. Ach, und wenn man dann die Abgezehrtheit dabei sieht, es ist zum Weinen. Deine Adine 26 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 27 Die Heirat von Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit Fürst Wilhelm zu Wied (1845– 1907) war erst am 18. Juli 1871, nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges und nach dem Tod ihrer Mutter Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 28 Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) und Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929).
630
Briefe 1851–1873
Cannes, den 10ten Mai 1870 Ich hätte eigentlich gern mit meinem Brief gewartet, liebe Elis, um Dir zu danken, aber da überlegte ich, daß die Telegramms ja alles überholt, also die Nachricht, ob und wann wir reisen, schon zu Deiner Kenntnis gekommen sein wird, ehe der Brief Dich erreicht. Ach, mein Herz wird immer schwerer und daher auch meine Briefe immer trüber. Auch geht es wirklich diese Tage nicht besser, und der Artzt schreibt es dem Gedanken zu der Abreise, die natürlich uns alle sehr bewegt und ängstigt, wie viel mehr eine Kranke. Morgen, Mittwoch Abend, kommt Biland,29 und das erfreut Luise auch nicht, da ihr Vertrauen in ihm sehr gewichen ist. Dem Dr. Schrader30 vertraut sie sehr, und ihm sind wir, nächst Gott, sehr viel Dank schuldig, denn seine Treue und Sorgsamkeit danken wir gewiß, daß Luise noch lebt. Die Kälte, die diesen Augenblick im Norden ist, macht den Gedanken an die Reise nicht leichter. Die Absicht von Biland war, daß Luise die Reise in einer tour machen sollte, weil er fürchtet, ihre Kräfte reichten nicht hin, daß sie unterwegens sich erst aufhielte, er fürchtet, daß sie da liegen bleibe. Nun muß man abwarten, was er nun für Ansichten hat. Er kömmt ja direkt vom Haag. Hier ist das Wetter herrlich, freilich mitunter starker Wind, und da kann dann Luise nicht an der offenen Tür sitzen, aber die Tür ist doch immer im Zimmer offen, sodaß sie frische Luft hat. Ich finde, sie sieht wieder viel ehlender aus, und das war gestern besonders der Fall. Sie hatte Fritz Oranien und Mariche schon lange zugesetzt, eine Fahrt nach Mentone und Monaco zu machen. Das haben sie dann gestern ausgeführt. Aber da bemerkte ich, daß ihr der Gedanke und das Gefühl sehr bewegt und betrübt, daß sie selbst von allen diesen Orten nichts sehen kann, worauf sie sich so sehr gefreut. Und das machte, daß sie gestern nicht gut war. Am Abend fand der Artzt sie sehr schwach wie die ganzen letzten Tage nicht. Um 10 Uhr abends kam nun Fritz erst zurück, so lange hat sie sich wach erhallten, und daher noch viel späther einschlafen können, aber doch zuletzt ruhig geschlafen. Welch ein Unterschied ist, wenn ich Luise gegen 11 Uhr vormittags besuche, wo sie im Bett liegt. Da könnte man glauben, sie wäre recht wohl. Da ist sie munter, und das Sprechen wird ihr leichter. Aber sowie sie aufsteht, und besonders im Lehnstuhl sitzt, ist sie eine ganz andere Person. Ach, und ihr abgezehrtes Gesicht, das ist ein Anblick, der nicht zu beschreiben ist, ihr Hände, alles, alles ist so traurig. Und nun noch die Überzeugung, daß Luise kränker abreist, als wie sie hergekommen. Das ist doch gemacht, um allen Muth zu nehmen und traurig in der Zukunft zu sehen. Der Artzt sagt immer, sie hat doch eine zähe Natur und eine ungeheure Willenskraft, die hielte sie aufrecht. Wenn du Böger31 siehst, sage ihm doch, was er für einen Schatz an Dr. Schrader hat, und wie viel wir ihm zu danken hätten. Er wird noch eine große Zukunft haben, wenn er noch mehr sich ausbildet und verwand wird. Leider reisen die Kinder am Sonnabend ab, und da verläßt der Artzt uns auch. Wenn mein Brief ankommt, ist Sache wohl schon aus Berlin fort. Wie 29 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 30 Friedrich Schrader (1837–1896), preuß. Stabsarzt, betreute die Familie des preuß. Kronprinzen. 31 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt.
1870
631
mag seine Gesundheit sein? Ich sende Dir meine bis jetzt bestimmte Reiseroute nach Vevey und Marienbad, ist wohl, wo mich Briefe treffen. Deine Adine Eben, 11 Uhr Vormittag, kome ich von Luise. Sie ist ganz munter. Wir erwarten Sany zu Besuch, ich hoffe, es wird sie nicht zu sehr angreifen. Cannes, den 18ten Mai 1870 Geliebte Elis, ehe ich oder wir abreisen, will ich noch ein paar Worte schreiben. Ich war eben bei Luise, die noch zu Bett war, wie immer um diese Zeit. Sie ist sehr ruhig, der Pulz ging ganz gleichmäßig, und sie sprach mit Byland32 ganz wie gewöhnlich, und meinte, obgleich sie eigentlich nur von Entbehrungen gelebt, so würde sie doch gewiß gern an Cannes denken und mit Dankbarkeit, und da hätte sie vorzüglich der Liebe zu danken, und zeigte auf Fritz und mir. Dabei traten ihr die Thränen in die Augen. Hernach, als diese fort waren, kam Mariche noch und da sagte sie auch, ich fühle mich so wohl, ganz gesund wie sonst, nur die unbegreifliche Schwäche in den Füßen und wenn ich mich bewege. Das wird aber auch wieder kommen, wenn wir nur recht schönes Wetter im Haag haben, und daß ich die freie Luft ordentlich genießen kann. So ist sie immer voll Hoffnung, und wir Armen haben so wenig für sie, aber Gott kann helfen und die Menschen sich irren. Wie mir aber zu Muth ist bei dem Gedanken der nahen Trennung! Das Herz will mir immer brechen, und doch muß ich ruhig erscheinen, um Luise nicht aufzuregen. Byland selbst ist sehr, sehr unwohl an Cholorine,33 und es heißt, was aber ein großes Geheimnis ist, besonders für Luise, daß ein Artzt, ein Deutscher von hier, noch mitgeht, im Fall Byland liegen bliebe. Ich weiß den Nahmen des Artztes nicht, ein Elsaßer. Byland bleibt immer bei seiner Meinung, daß es nicht gut steht mit Luise, aber es kann sich noch lange hinziehen, wenn nichts Außerordentliches dazwischen käme. Luise hat aber ziemlich apetit, der Schlaf auch ziemlich, sie meint ganz gut, Verdauung gut. Und doch hilft dies alles nichts, weil sie die Kraft nicht mehr hat, um das Blut in gehörigen Umschwung zu bringen und dies dem übrigen Körper mitzutheilen. Daher die Magerkeit und Schwäche. Gott wird ja geben, daß sie die Reise aushällt und hernach nicht zusammenbricht. Dafür fürchte ich mich am meisten. Nun leb wohl, es ist seit gestern furchtbar heiß hier, und ich glaube, daß es gut ist, daß wir fort kommen, obgleich Luise am Nachmittag und abends bis gegen 7 Uhr dicht am Balkon sitzen kann und die warme Luft einathmen, was ihr so wohl thut. Um 8 Uhr war schon 21°. Auf dem Balkon ist es zum Anbrennen. Gott mit Dir, Du bist nun im schönen Sanssouci. Deine Adine 32 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 33 Cholerine = Magen-Darm-Erkrankung, Brechdurchfall.
632
Briefe 1851–1873
Pilniz, den 11ten July 1870 Das war eine Freude, meine Adine, als gestern Dein lieber Brief ankam, der erste seit so langer Zeit. Gott sey Dank, daß Du glücklich zu Hause kamst und daß Dir die Luft von Schwerin wohl thut. Ich habe hier sehr an Kräften genommen, aber die afrikanische Hize demoralisirt auch wahrhaft. Wie freue ich mich, Dich wieder zu sehen, aber nach den Nachrichten, die Frau von Bergh34 aus dem neuen Palais gab, soll die Taufe35 den 1ten August seyn, und Victoria und Fritz den 4ten nach Interlacken reisen. Wenn Dir die unvermeidliche Erregung und die körperliche fatigue des 3ten36 nur nicht schadet. Thue ja nichts über Deine Kräfte. Ich begreiffe, wie betrübt Luise ist, bey der Unmöglichkeit, den Tag zu feyern. Vor einer Stunde bekam ich ein Telegram von Marietche mit Gottlob guten Nachrichten, bis auf die Mattigkeit, und der 3te August nagt an ihr, sagt sie. Wilhelm Wied37 ist dann seit dem 4ten bey ihnen, und daß ihr seine Ankunft nicht schadete, ist doch ein gutes Zeichen, scheint mir. Mein Schwager Johann38 ist heute zu einer Cousine im Lande abgereist. Ich wollte eigentlich heute auch abreisen, aber wegen seiner Abreise habe ich die meinige hinausgeschoben bis Mitwoch 13ten. Es wird mir die Trennung immer schwer, aber ich muß doch einmal wieder nach Hause gehen. Albert und Carola39 sind vorgestern heimgekehrt, und sie frug mich gleich, ob Du glücklich nach Hause gekommen wärst, und bat mich, Sie Dir herzlich zu empfehlen. Sie war noch in Bayern und kam sehr befriedigt, aber sehr verbrannt zurück. Wir aßen gestern bey meinem Neffen Georg40 in seiner hübschen Villa, nach einem furchtbaren Gewitter mit argen Regenschauern, aber der Abend war wieder sehr schön, warm, aber feucht. Georgs Kinder41 sind meine ganze Freude. Sie sind zu lieb. Ich hoffe, Deine Enkelin Marie ist wieder ganz hergestellt.42 Die Reise war doch wohl zu angreiffend für sie. Die Großherzogin wird froh seyn, wieder mit ihrem Kinde43 zu seyn. Ihre Sehnsucht nach der Kleinen hat ihr wohl auch die Reise verdorben. Hier habe ich Gottlob alles wohl gefunden. Meine gute Amelie sieht wirklich wohl aus, auch Marie und Johann,44 obgleich er immer magerer
34 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780–1870), ehem. Hofdame bei Prinzessin Wilhelmine von Preußen. 35 Taufe von Prinzessin Sophie von Preußen (1870–1932), geb. am 14. Juni. 36 Geplante Feierlichkeiten zum 100-jährigen Geburtstag von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840) am 3. Aug, 37 Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), verlobt mit Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910). 38 König Johann von Sachsen (1801–1873). 39 Kronprinz Albert (1828–1902) und Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907). 40 Prinz Georg von Sachsen (1832–1904). 41 Prinzessin Mathilde (1863–1933), Prinz Friedrich August (III.) (1865–1932), Prinzessin Maria Josepha (1867–1944) und Prinz Johann Georg von Sachsen (1869–1938). 42 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) hatte Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin auf ihrer mehrmonatigen Reise durch Italien begleitet. 43 Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin (1869–1955). 44 König Johann (1801–1873) und Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877) sowie Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877).
1870
633
wird. Wladimir45 war hier, und er gefiel mir besser wie in Charlottenburg. Er kümmt zum 3ten August nach Berlin. Verzeihe, wenn ich schon ende, es ist zu heiß und so ungewohnt nach der langen Kälte. Ich werde diese Zeilen nach Dobberan schicken und hoffe, daß die Seeluft Deine Kräfte ganz wieder herstellen wird. Lebe nun wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Dobbran, den 15ten July 1870 Geliebte Elis, innigen Dank für Deinen lieben Brief aus Dresden noch. Nun bist Du wieder in das liebe Sanssouci, wo ich hoffe, Du auch das schöne Wetter hast wie hier und Dich recht erholen wirst. Hier in Dobbran ist es zwar besucht, wie man sagt, aber mehr von unbekannten Gästen und viele Juden. Ich lebe ganz still und sehe niemand, um mich erst mehr zu erholen, denn meine Kräfte sind noch gering. Alles greift mich an, sogar das lange Spazierenfahren, was ich aber doch thue. Mein Kopf ist noch so schwach. Ich bin auch so trübe gestimmt. Das wird sich aber alles hier in der schönen Luft geben. Nur wünschte ich, daß sich die dunklen Wolken am politischen Himmel verzögen. Es hatte auch den Anschein, aber nach den gestrigen Nachrichten sieht es sehr ernst aus.46 Jenseits dem Rhein will man schon lange anbinden. Es mag für ihn wohl die einzige Rettung sein, einen Krieg anzufangen. Wie blutig wird der aber werden, zwischen zwei solche Armeen sich gegenüber! Jetzt beschäftigen wir uns mit der Feier vom 3ten August.47 Wird die noch in Ruhe vor sich gehen können? Meine Absicht war, da ich nicht viel Kräfte habe, am 1ten August abends 6 Uhr und 7 Uhr bei Dir in Sanssouci mich anzumelden, und die Taufe48 nicht mitzumachen, und den 2ten bei Dir zu bleiben, wenn nicht Auguste über mich bestimmt, also am 3ten die Enthüllung49 mitzumachen, wo ich hoffe, [daß] Du doch auch dabei sein wirst, am Diner aber nicht theilnehme, und wenn es Dir recht ist, noch den 4ten bei Dir zu bleiben, wenigstens den Vormittag. Ich weiß nicht gewiß, wann das Pferderennen um meinen Preis in Dobbran ist, wo man gerne sieht, daß ich ihn selbst gebe. Von Luise kommen immer gute Nachrichten. Die Linden50 hatte in ihrem Auftrag geschrieben und fügt 45 Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909). 46 Frankreich forderte bezüglich einer hohenzollernschen Thronkandidatur in Spanien eine Unterlassungserklärung, was König Wilhelm I. von Preußen gegenüber dem frz. Botschafter in Bad Ems am 13. Juli abgelehnt hatte. Bismarck veröffentlichte die Ablehnung in verkürzter und schrofferer Form („Emser Depesche“), worauf die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen am 19. Juli erfolgte. Die plebiszitäre Herrschaft Napoleons III. war empfänglich für Prestigeerfolge und empfindlich gegen Machtkonkurrenten wie Preußen. 47 Geplante Feierlichkeiten zum 100-jährigen Geburtstag von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840) am 3. Aug. 48 Taufe von Prinzessin Sophie von Preußen (1870–1932), geb. am 14. Juni. 49 Zur 100. Geburtstagsfeier geplante und dann auf den Juni 1871 verschobene Enthüllung des Reiterstandbildes von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Berliner Lustgarten, geschaffen 1863– 1869 durch den Bildhauer Albert Wolff (1815–1892). 50 Henriette von Linden, Hofdame von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
634
Briefe 1851–1873
noch zu, daß die Kräfte wirklich zugenommen, denn sie geht etwas mehr und verträgt die Aufregung, die Anwesenheit des Bräutigams.51 Aber wie es in ihrem Innern aussieht, das zeigt sie nicht. Sie telegraphiert nur immer recht matt noch, und schreiben kann sie noch immer nicht. Nun lebe wohl, ich höre, Wladimir wird von Sache zum 3ten gesendet. Sollte es ein Gerücht sein, daß er an Marichen von Fritz Carl denkt?52 Deine Adine Schwerin, den 14ten August 1870 Geliebte Elis, unendlich lange habe ich nichts von Dir erfahren, als was Du mir telegraphiert nach den beiden schönen Siegen, aber von Deiner Gesundheit klang es nicht gut. Bitte lasse mir durch Editta oder Anna53 alle Woche Nachricht geben. Von Cannes aus ließ ich Dir ja auch immer so oft schreiben. Es ist einem so bange, wenn man in dieser schweren Zeit von seinen Lieben so garnichts hört, an denen man doch so von ganzem Herzen hängt. Sei also so barmherzig und laß Nachricht geben. Wir leben in einer recht eigenen Zeit, wo Hoffnung und Sorgen die Herzen so mächtig bewegen. Bis jetzt hat der barmherzige Gott die deutschen Waffen geschützt.54 Möge er ferner mit der gerechten Sache sein. Aber nächstens muß es zu einer entscheidenden Schlacht wohl kommen. Da möge Gott schützen, Kraft, Muth und Ausdauer geben. Wie haben sich aber alle Truppen brav und unerschrocken geschlagen. Wie viel Blut ist geflossen, wie viele [haben] ihr Leben dahin gegeben. Es ist furchtbar. Noch weiß man garnicht die Zahl der Todten und Verwundeten von unserer Armee. Mein armer Fritz steht da oben in Hamburg in üppigem, schönen Landhause und sieht nichts von dem Feind.55 Die französischen Schiffe zeigen sich in gehöriger Entfernung und thun nichts. Es ist furchtbar für ihn und die Truppen, und wie viel nothwendiger wären sie im Süden. Marie ist auf 2 Tage nach Hamburg, um Fritz zu besuchen. Ich beneide sie darum. Das ist schon ein Zeichen, daß man in der nächsten Zeit dort nichts erwartet. Von Luise habe ich [durch] neue Telegramme und Brief von Mariche Nachricht. Sie ist sehr angegriffen von dieser Zeit, apetit und Schlaf ist auch wieder recht wenig gut. Man kann es sich sehr denken, aber es ängstigt mich. Heute Abend habe ich mir gebeten zum Thee Elisabeth Rauch mit ihrer alten Mama Brühl,56 die ich seit ewiger Zeit nicht gesehen. Nun leb wohl, ich werde immer unterbrochen. Deine alte Adine 51 Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), verlobt mit Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910). 52 Heiratsprojekt für Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909) mit Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888). Er heiratete stattdessen 1874 Herzogin Marie zu MecklenburgSchwerin (1854–1920). 53 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889) und Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdamen bei Königin Elisabeth von Preußen. 54 Dt. Siege in den Schlachten von Weißenburg am 4. Aug. und Wörth am 6. Aug. an der frz. Grenze. 55 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin war zunächst aufgrund der befürchteten Landung frz. Truppen zum Schutz der norddeutschen Küste eingesetzt worden. Da diese ausblieb, wurde er Ende August nach Metz kommandiert und übernahm das XIII. Armeekorps. 56 Elisabeth von Rauch, geb. Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth
1870
635
Der Tod von Wilhelm Radziwill57 hat mich recht betrübt, obgleich man ihm die Ewige Ruhe recht gönnen kann, denn er litt sehr viel. Aber mit ihm gehet meine Kindheit und Jugend [ein] wenig zu Grabe. Wir waren so viel im Hause der lieben Tante58 und sahen ihn fast täglich. Schwerin, den 25ten August 1870 Geliebte Elis, was ist das für eine schreckliche Zeit, wo man von Freude zur Trauer hinund hergerissen wird. Die schönen Siege werden so getrübt durch die vielen Verluste, und heute finden wir in der Zeitung so viele, liebe Bekannte, die gefallen sind. Bitte sprich dem armen Grafen Keller recht meine innige Theilnahme aus.59 Die armen Eltern, wie viele Kinder sind ihnen schon genommen. Freilich ist es schön, für seinen König und Vaterland auf dem Bette der Ehre zu fallen, aber der Verlust ist doch zu schwer zu tragen. So auch der arme Röder,60 wie leid thut mir der, ein so alter Bekannter, so zum 1ten Garde Regiment gehörend, Krosigk61 und so weiter. Ich habe sie recht beweint. Die arme Schöning hat schreckliche Tage verlebt. 2mal kam die Todesnachricht von ihrem Bruder62 und dazwischen immer wieder, daß er lebe, aber schwer verwundet. Bis gestern ein Telegramm von Theodor Stolberg63 kam, der Ady telegraphiert hatte und bestimmte Nachricht zu haben, daß Schöning am 23ten noch gelebt. Heute kam ein Brief von ihm selbst, wo er schreiben läßt, sein Arm sei zerschmettert, und er wüßte nicht, ob er ihn behalten könnte. Der Bruder von Andine Klein64 ist leicht verwundet am Kopf, hatte aber das Regiment weiter kommandiert. Der Tod von Reuß XVII. hat uns alle sehr betrübt.65 Überhaupt, wie sind die beiden Gardedragoner vernichtet. Das ist schrecklich, und 57 58 59
60 61 62
63 64
65
von Preußen, und ihre Mutter Jenny Gräfin von Brühl, geb. von Pourtalès (1795–1884), Witwe von Karl Graf von Brühl (1772–1837), preuß. Generalintendant der Schauspiele und Museen. Fürst Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. General der Infanterie a.D., gest. am 5. Aug. in Berlin. Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). Anton Graf von Keller (1841–1870), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß, gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. Er war der Sohn von Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1838 mit Jenny Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1813–1900). Viktor von Roeder (1820–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 1. Garde-Regiments zu Fuß, gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. Kurt von Krosigk (1847–1870), preuß. Sekondeleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß, gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. Karl von Schöning (1819–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 2. Schles. Grenadier-Regiments Nr. 11, gest. am 9. Sept. an seiner Verwundung in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug., Bruder von Marie (Mary) von Schöning (1820–1909), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. Theodor Graf zu Stolberg-Wernigerode (1827–1902), preuß. Major. Ulrich von Klein (1822–1893), mklbg.-schw. Oberstleutnant und Kommandeur des mklbg. JägerBataillons Nr. 14, verwundet in der Schlacht bei Vionville, Bruder von Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. Prinz Heinrich XVII. von Reuß-Köstritz (1839–1870), preuß. Rittmeister im 1. Garde-DragonerRegiment, gefallen in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug.
636
Briefe 1851–1873
ebenso viele Infanterieregimenter. Es ist ein gräslicher Krieg, so mörderisch und die Truppen so todesmuthig und unerschrocken. Wenn es doch der Wille des Herrn wäre, daß dieser gräsliche Krieg bald aus wäre. Vor Paris wird es noch fürchterlich werden. Der Gedanke ist furchtbar. Mein Sohn Fritz ist nun für seine Person schon auf dem Kriegsschauplatz.66 Seine Truppen kommen aber nach und diesen Tagen hier durch. Dies macht die Sache nicht leichter. Wir haben jetzt seit 8 Tagen auch Abendandachten für den Krieg, was sehr viel Anklang findet und sehr besucht ist. Es ist eine Wohlthat, denn in dieser Zeit kann man nicht genug das Wort Gottes hören und beten. Unsere Prediger sind selbst so erfüllt von dieser Wichtigkeit, daß sie ganz herrlich predigen und die Herzen erquicken. Die beiden Marien sind nach Ludwigslust, wo der Bruder von Marie, Günter von Rudolstadt mit den Dragonern fortgeht.67 Da es aber Mittwoch ist, sind Ady und ich hier geblieben. Es ist wohl schade, daß Victoria ihr Lazaret aufgegeben, da es nicht in der Orangerie sein kann. Wäre es nicht möglich, ein anderes Local zu finden? Durch Maritche wirst Du auch erfahren haben, daß Luise wieder Blut gehustet hat, einen Fingerhuth von altem Blut. Sie ist aber sehr angegriffen und sehr matt, so telegraphierte sie mir gestern. Das ist doch auch so traurig und ängstigt mich sehr. Die Zeit ist aber auch zu schrecklich aufreibend. Wie es Dir nur geht? Die Nächte werden dadurch auch nicht besser werden. Gott stehe uns bei, schütze Bruder Wilhelm, Fritz Wilhelm, Fritz Carl und alle Lieben und die brave Armee! Leb wohl, ich bin ganz mürbe. Deine alte Adine Wir trauern um den Heinrich Reuß XVII. Ludwigslust, den 6ten September 1870 Liebe Elis, heute früh erhielt ich Deinen lieben Brief, der mir so viel Freude machte, daß ich Dir gleich heute dafür danke. Der Herr thut Großes an uns. Er hilft und ist mit uns, in den schweren Stunden der Schlachten und giebt uns Sieg über Sieg. Und dies letzte Ereignis, das Einschließen der Armee von Mac Mahon68 und Napoleon, der sich persönlich an Bruder König übergiebt, es ist wirklich zu viel und drückte mich ganz nieder.69 Ich konnte es nicht faßen. Es war eine Begeisterung in Schwerin und in ganz Mecklenburg, wie ich unser Land nie gesehn. Die Häuser flaggten, und es wurde Victoria geschoßen. Um 1 Uhr gingen alle Glocken und abends eine illumination bis in die kleinsten Straßen und Häuser. 66 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin übernahm vor Metz das XIII. Armeekorps. 67 Prinz Günther von Schwarzburg-Rudolstadt (1852–1925) trat am 5. Aug. mit 17 Jahren in das 1. Mecklenburgische Dragonerregiment Nr. 17 ein, wurde am 6. Okt. zum Sekondeleutnant befördert und diente als Ordonanzoffizier seines Schwagers Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 68 Patrice Graf de Mac-Mahon (1808–1893), Marschall von Frankreich und Kommandeur des 1. frz. Armeekorps. 69 Entscheidender Sieg der dt. Truppen in der Schlacht von Sedan am 1. und 2. Sept., was die Kapitulation der frz. Truppen, die Gefangennahme und Absetzung von Kaiser Napoleon III. und die Ausrufung der Dritten Französischen Republik zur Folge hatte.
1870
637
Aber was wird nun, die Republik proklamiert, so roth, wie man sie nur finden kann. Was wird daraus? Fritz Wilhelm und Deine Neffe, der Kronprinz von Sachsen,70 der mit seinen Truppen ein ganzer Held ist, direkt auf Paris, Metz noch belagert, Straßburg belagert. Es ist unberechenbar, und man kann sich zittern für die Zukunft. Alle diese Siege kann man aber nicht frohwerden bei den vielen, großen Verlusten. So viel schöne Regimenter fast aufgerieben. Es ist zu schrecklich. Fast ganz Deutschland ist in Trauer. Die arme Fürstin Reuß71 soll schwer tragen an dem Tod ihres Sohnes, aber sehr ergeben. Es ist fast zu viel, erst im Dezember starb ein Sohn, also in 7 Monaten 2 Söhne.72 Unbegreiflich ist, daß man noch garnichts gehört von den Verlusten bei Sedan und Metz. Was wird man da noch für Trauernachrichten erhallten. Mein Sohn Fritz ist jetzt bei MetzFehler! Textmarke nicht definiert., leider kam er zu späth, um die letzten Stunden vor Metz mitzumachen. Ich hätte es ihm und den Truppen gegönnt. Vielleicht gelingt es ihm noch, vor Paris zu kommen. Da wird es doch wohl noch zu einer ersten Schlacht kommen mögen. Gott [möge] uns wieder gnädig beistehen und Seine Engel schicken, die für und mit uns kämpfen. Ich sollte Dir einen Brief von Olga schicken, den sie an Luise geschrieben. Leider vergaß ich ihn in Schwerin. Welch eine Umwandlung seit [18]66. Meine alte Mama ist schwach, aber für diesen Krieg hat sie lebhaft Interesse. Schwester Luise soll garzu schwach sein. Die Zeit greift sie sehr an. Ich bin recht besorgt um sie. Der Herbst ist eine böse Zeit. Nun leb wohl, die arme Alvensleben, 2 Brüder, 2 Söhne.73 Es ist zuviel für einen Menschen. Und der arme Grimm.74 Daß Schrader75 wieder mit Victoria fort ist, ist mir für Dich zu leid. Deine treue Adine Schwerin, den 21ten September 1870 Ich sende Dir hier einen diktierten Brief von Luise an mich, der mich recht betrübt. Ich wollte Sie eigentlich gerne besuchen und schrieb ihr das. Da kam dieser traurige Brief an. Er hat mir viele Thränen gekostet, denn daraus sieht man, wie krank und schwach sie ist, gerade wie sie in der schlimmen Zeit in Cannes. Ich fürchte sehr, daß ich sie nun nicht 70 Prinz Albert von Sachsen (1828–1902), Generalleutnant und Kommandeur des XII. (I. Königlich Sächsisches) Armeekorps und ab 19. Aug. der neugebildeten Maas-Armee (4. Armee). 71 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 72 Prinz Heinrich XV. von Reuß-Köstritz (1834–1869), gest. am 23. Dez. 1869, und Prinz Heinrich XVII. von Reuß-Köstritz (1839–1870), gefallen in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug. 73 August Graf von Alvensleben (1837–1870), gefallen in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug., und Albrecht Graf von Alvensleben (1838–1870), gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. Sie waren die Söhne und Brüder von Auguste Gräfin von Alvensleben, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1804–1890), Oberhofmeisterin bei Prinzessin Maria Anna von Preußen, und deren Tochter Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 74 Heinrich Gottfried Grimm (1804–1884), preuß. Generalstabsarzt und kgl. Leibarzt, hatte seinen Schwiegersohn verloren: Ludwig Hermann Viktor Graf von Westarp (1837–1870), preuß. Rittmeister und Eskadronchef im 1. Garde-Dragoner-Regiment, verh. 1859 mit Elisabeth Grimm (1838– 1914), gefallen in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug. 75 Friedrich Schrader (1837–1896), preuß. Stabsarzt, betreute die Familie des preuß. Kronprinzen.
638
Briefe 1851–1873
Abb. 18: In der Schlacht von Sedan am 1. und 2. Sept. 1870 erlangten die preußischen und verbündeten deutschen Truppen im Krieg gegen das französische Kaiserreich Napoelons III. den vorentscheidenden Sieg. Noch größer als die militärhistorische Bedeutung der Schlacht sollte ihre Erinnerung als Sedantag in der nationalen Gedenk- und Festkultur des neuen Deutschen Kaiserreiches werden.
wiedersehen werde, wonach ich mich so sehne, aber es ist ganz natürlich, daß bei solcher Schwäche ein Besuch nur angreifft. Es müßte auf länger sein, oder ich muß noch warten. Aber der Herbst und Winter ist eine schlimme Zeit. Vielen Dank für Deinen lieben Brief, der plötzliche, aber sanfte Tod der lieben Berg thut mir leid,76 und interessante Erinnerungen gehen mit ihr zu Grabe, meine Kindheit, Jugend und jetzige Zeit gehet auf ewig fort. Das ist zu traurig und für Dich, liebe Elis, auch ein so großer Verlust. Wie liebte sie Dich, wie hing sie am lieben Fritz und an unserer famille. So gehet ein alter Freund nach dem andern uns voran, und der Kreiß wird immer kleiner. Luise wird es auch recht leid thun. Wann wohl die Beerdigung war? Welches Glück und Trost für Georgine,77 daß sie noch die letzten Tage bei ihrer Mutter war. Nun wird die hübsche Wohnung leer. Ob die Schukmann78 sich nicht dazu melden wird? Dann käme Deine Wohnung der Hofdamen frei. Gestern haben 4 baiersche Offiziere bei uns gegessen, die 76 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780–1870), ehem. Hofdame bei Prinzessin Wilhelmine von Preußen, gest. am 16. Sept. in Potsdam. 77 Georgine von Bergh (1812–1883), verh. 1841 mit Carl Friedrich Freiherr von Wilkens-Hohenau, kurhess. Gesandter in Preußen. 78 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin der Töchter von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872).
1870
639
1100 Gefangene gebracht, recht liebenswürdige Menschen, erzählten interessant von Sedan, von wo sie direkt kamen.79 Heute wollen sie noch Abschied nehmen, die Nacht kehren sie zurück vor Paris. Die Leute haben Hemden, Strümpfe und Leibbinden bekommen, die Offiziere Bouillon und Chokolade Tafeln und Schnaps. Sie waren von der Königin von Griechenland Regiment.80 Wir und unsere Damen waren hellblau in baierschen Farben, und sie haben es gleich bemerkt. Die Franzosen sehen sehr klein und schwach aus, einige Türkes, Suaven sind darunter. Ich habe sie heute begegnet. Sie gingen in der Stadt, 15 Offiziere sind auch mitgekommen, eigentlich keine angenehmen Gäste. Nun leb wohl, der Brief soll noch fort. Deine alte Adine Schwerin, den 30ten September 1870 Liebe Elis, heute komme ich als Fürsprecherin und übersende Dir lieber die ganzen Eingaben an mich, damit Du die Sache besser beurtheilen kannst. Es betrifft die Aufnahme der Therese Schaer zu Küstrin, Tochter des in der Schlacht bei Vionville gebliebenen Major Schaer vom Brandenburgischen Regiment Nr. 48 im Louisen Stift.81 Ich kenne sie persönlich nicht, werde aber von einem Verwandten von ihr, Drost Mecklenburg,82 so dringend gebeten, mich bei Dir darum zu bitten und zu verwenden. Ich überlaße es also Deiner Einsicht, ob die Bitte gewährt werden kann. Dann habe ich eigentlich den Wunsch zu dem lieben Tage, den 15ten Oktober, Dich auf ein paar Tage zu besuchen. Nur stöhrt mich die hohe Frau, der ich nicht vorbeigehen kann. Da würde ich einen Tag ganz in Berlin bleiben, also vielleicht am 12ten oder 13ten. Nur möchte ich wißen, ob es Dir auch recht wäre. Auf dem Kriegsschauplatz ist es jetzt stiller geworden, aber wie dunkel liegt die Zukunft vor einem. Man sieht keinen Ausweg, beinah konnte man wünschen, Napoleon wäre noch da.83 Von Luise habe ich mehrere Tage nichts gehört, aber gut geht es nicht. Diese beiden bösen Monate, wo sie eigentlich immer krank wurde, sind wohl sehr zu fürchten. Ach, wie schrecklich traurig sieht man auch da in der Zukunft. Nun lebe wohl. Gott mit Dir. Wie geht es eigentlich mit der Gesundheit? Deine alte Adine
79 Schlacht von Sedan am 1. und 2. Sept. mit dem entscheidenden Sieg der dt. Truppen. 80 Kgl. bayr. 12. Infanterie-Regiment Königin Amalie von Griechenland. 81 Therese Schaer, Tochter von Karl Schaer, preuß. Major im 5. Brandenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 48 in Küstrin, gefallen in der Schlacht bei Vionville am 16. Aug. 82 Friedrich Franz Mecklenburg (1808–1878), ein illegitimer Sohn von Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin, mklbg.-schw. Drost des Domanialamts Wittenburg. 83 Die imperiale Politik des gefangenen Kaisers Napoleons III. schien immer noch berechenbarer als die Folgen der Ausrufung der Dritten Französischen Republik.
640
Briefe 1851–1873
Haag, den 19ten Oktober 1870 Liebe Elis, vielleicht hätte ich besser gethan, Dir jetzt nicht gleich zu schreiben, wo das Wiedersehen mit Luise eben war, und ich noch ganz unter dem ersten, traurigen Anblick stehe. Es ist zu schrecklich, wie sie wieder verändert ist. Ich muß gleich vorausschicken, daß die Nacht nicht gut war und sie etwas Kopfweh hat. Dies alles mag dazu beitragen, daß sie noch schwächer und kränker aussieht. Sie kann kaum sprechen. Der Athem war sehr kurtz. Sie hüstelt immer, ein Thon, wie ich ihn in Cannes nicht gehört. Das kann ich mir nicht verhehlen, daß es schlechter mit ihr steht. Eine herzzerreißende Gewißheit. Ich kann kaum meine Thränen zurückhalten, wenn ich sie ansehe. Mir scheint auch selbst Fritz besorgter. Mariche ist auch oft in Thränen. Die Umgebung ist sehr gedrückt. Byland84 habe ich noch nicht gesprochen. Nachtisch. Ich habe Byland gesehen. Der giebt wenig Trost. Er hat seine Praxis in der Stadt aufgegeben und ist nun ganz bei meiner Schwester, weil er sagt, der Zustand wäre der Art, daß ein Artzt immer in der Nähe sein müßte. Er findet sie diesen Augenblick besser, ihre Stimme klarer und stärker, aber sie hatte Wasser in der Brust, was eine Ursache wäre, daß sie sich nicht mehr frei bewegen könnte, und sie die Luft gleich verlöhre. Es kann sich aber noch länger hinschleppen, aber auch so bald enden. Da möchte man Gott bitten, daß er sie bald erlöse, denn wenn sich das Wasser erst ganz ausbildet, dann müßte sie zu viel leiden. Das ist ja zu schrecklich zu denken. Du kannst denken, liebe Elis, wie mir zu Muth ist und wie ich auf jede Bewegung von Luise achte. Sehr ist mir aufgefallen, daß sie beim Liegen auf der Chaiselonge sich auf die Arme stützt, um den Körper freier zu erhallten. Und dabei seufzt sie so laut wie eine Art Stöhnen und klagt sehr viel über ihre Schwäche, was sie sonst nie thut. Heute, bin ich überzeugt, ist garkein guter Tag gewesen, denn sie kann kaum sprechen. Die Stimme ist schwach, und der Athem ist kurtz und beklommen. Vielleicht macht auch mein Ankunft die Ursache sein. Sie hat Nachmittags auch nicht schlafen können. Sie sagte, es scheint, daß mich der Schlaf flieht, daher bin ich so sehr matt, ließ sich aber immer erzählen. Das mag sie gerne. Um ½ 8 Uhr ist sie zu Bett, um 9 Uhr gehen wir noch an ihr Bett, und um ½ 10 Uhr wird bei ihr Nacht gemacht. Ach Elis, was ist das für ein Jammer. Ich glaube, daß sie doch selbst das Gefühl hat, als wenn es nicht gut mit ihr steht. Nun gehe ich zu Luise, morgen früh schreibe ich noch zu. Den 20ten. Gestern Abend war das Kopfweh vorüber, und sie fühlte sich besser, sprach aber doch noch so kurtz und erzählte mir, wie schwach sie [sich] fühlt, viel mehr wie in Cannes. Auch die Freude, in ihr Bett zu kommen, um sich auszuruhen, hätte sie nicht mehr, alles wäre beschwerlicher. Sie könne sich kaum von der Chaiselonge in den nebenstehenden Lehnstuhl setzen, so hätte sie keine Luft: „Ich schnappe dann nach Luft, Beklemmungen will ich es nicht nennen, aber etwas ähnliches. Ich kann oft auch nicht lesen, so matt bin ich. Byland meint, ich sei nicht so schwach wie in Cannes, aber ich weiß nicht, ich fühle mich eben so.“ 84 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1870
641
Eben war die Kammerfrau hier, die die Nacht gewacht. Die sagte, Luise hätte etwas geschlafen, aber unruhig, immer wieder aufgewacht. Sie meint auch, die Schwäche wäre sehr groß. Sie könne garnicht allein etwas thun. Die Kammerfrauen müssen immer helfen, daher rief und klingelte sie 2–3 Mal des Nachts. Das alles that sie in Cannes nicht. Das ist so gewiß, daß es seit Cannes wieder schlechter geht, aber sie hat doch vielleicht so eine gewiße Zähigkeit, die sie länger am Leben erhällt. Heute haben wir ganz schäusliches Wetter. Es regnet in Ströhmen und wird wohl den Tag so bleiben. Die Reise, um auch von mir zu sprechen, ging so leicht und bequem von statten, daß ich recht daran dachte, Du könntest sie so gut machen. Ich bin also in Potsdam um ¼ 9 Uhr eingestiegen, und um 12 ¼ Uhr im Haag ausgestiegen. Ich schlief fast die ganze Nacht. An der Grenze, also ½ 8 Uhr, wachte ich auf, trank eine schlechte Tasse Caffee. In Arnheim, wo ich mich eben etwas zurecht gemacht hatte, war Graf Perponsch,85 der mich mit prächtigem Caffee erfreute, und späther in Utrecht nahm ich ihn in meinen Wagon, wo er erst ernst sprach, dann aber so komische Geschichten erzählte, daß wir so gelacht haben. Auf der letzten Station kam Fritz Oranien. Das war eine Freude. Er sagte aber, ich würde Luise doch recht schwach finden. Leider hatte sie etwas Kopfweh und die Nacht wenig Schlaf. Sie wäre so gut gewesen, da hatte sich heftiger Rematisse86 in den Schultern eingestellt mit so heftigen Schmertzen, zum Schreien, und dann wäre es in beide Hände gekommen, die Wochen lang eingebündelt gewesen, und sie sich garnicht hatte rühren können. Diese Schmertzen hätten dann die wenigen Kräfte wieder fort genommen. So kam ich denn an mit Fritz, und Maridche, die mich im Haag empfing. Luise lag auf der chaiselonge in ihrem rothen Salon, ach, das war ein Anblick. Sie war sehr bewegt und eben, wie gesagt, sehr verändert, so abgemagert, was ich nicht geglaubt möglich wäre. Ich nahm mich aber sehr zusammen und brachte die Grüße und sprach gleich von anderen Dingen. Darauf wurde dejeuniert, und gegen 2 Uhr zog ich mich in mein Zimmer [zurück]. Zum Diner war Perponsch, den Luise vortisch sprach, auch die Schöning und Stenglin.87 Nun leb wohl, man will den Brief haben. Deine Adine Sans Souci, den 23ten Oktober 1870 Wie bist Du gut, meine Adine, schon 2 Telegrame habe ich von Dir und einen langen, aber leider so traurigen Brief. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich lese, was Du von der geliebten Luise sagst, von ihren Leiden! Bis jetzt war die Schwäche das größte Leiden, aber nun dieser Mangel an Luft, das muß ja entsezlich seyn. Ich fürchtete, es sey ein be85 Wilhelm Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1819 –1893), seit 1863 preuß. Gesandter in den Niederlanden. 86 Gemeint ist verm. Rheumatismus. 87 Otto Henning Freiherr von Stenglin (1802–1885), mklbg.-schw. Hofmarschall und Oberhofmeister bei Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
642
Briefe 1851–1873
sonders schlimmes Zeichen, daß Byland88 seine Praxis aufgegeben, um bey ihr zu seyn. Aber Toni Perponcher,89 die ich gestern sah, sagt mir, gleich nach der Rückkehr aus Cannes sey er bey ihr geblieben. Ach, wie viel wird sie noch zu leiden haben, wenn sie der Herr nicht bald erlöst. Man möchte ihr ja das Ende ihres traurigen, jetzigen Lebens wünschen, aber das kann ich doch nicht, es ist mir zu schwer, und der Gedanke, daß ich sie nie mehr in diesem Leben sehen soll, ein nicht zu fassender Schmerz. Eben las ich mein Tagebuch vom vorigen Jahr durch. Wie ganz anders und viel besser war es doch damals, und wir fanden sie schon so elend und schwach. Sie konnte noch lachen, sprechen, lebte mit uns wie sonst. Den 24ten. So weit kam ich gestern, wo es Zeit war, mich zum diné anzuziehen. Gräfin Seckendorf90 und das Hochbergsche Paar91 aßen hier. Vorgestern war Erlaucht bey mir zu Tisch, recht wohl. Ich höre aber nicht von ihr, daß sie den Winter in Wiesbaden zubringen will. Sie sagte mir nichts davon, auch nichts, als ich ihr erzählte, daß Marie Karl in diesen Tagen nach Wiesbaden gehen will, auf 4 Wochen zu einer Traubenkur. Da Auguste nach Homburg ist, war es voraus zu sehen, daß sie nicht bleiben würde. Wenn nur Luise die schönen Herbsttage, die ihr hoffentlich auch habt wie wir hier, recht genießen kann und im Garten gerollt wird.92 Die Sonne scheint so heiß herein wie im Sommer, die Aussicht ist glänzend. Heute schickte mir Ady einen ältlichen, langen Brief ihres Bruders93 an Marianne.94 Den soll ich an Marietge schicken, die ihn Euch mittheilen und dann Marianne zurück schicken soll. Wenn ich heute mit dem Lesen des Briefes fertig werde, schicke ich Dir ihn, wo nicht, werde ich ihn an Marietge schicken. Er ist gewiß interessant, wenn auch alt. Wenn doch der Krieg ein Ende hätte. Er wird durch die fatalen franctireurs95 immer unangenehmer und grausamer, und zulezt verlieren unsere Soldaten die Geduld und werden auch roh. Es gehen jetzt Friedens Gerüchte durch die Zeitung. Wenn sie sich doch bestätigten! Wie wehmüthig war es mir um’s Herz beym Abschied von Dir. Dießmal war er so besonders traurig durch die Besorgniß um unsere liebe Luise. Ich zog mich bis 9 Uhr zurück und hörte den Zug, der Dich forttrug, vorüber fahren und weinte. Um 9 Uhr kam ich wieder mit den Andern zusammen. Die Woche verging sehr still. Donnerstag überraschte mich Marianne, deren Rückkehr ich gar nicht wußte, mit den Kindern. Lei88 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 89 Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825–1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, seit 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 90 Gertrud Gräfin von Seckendorff (1846–1906), Hofdame bei Königin Augusta von Preußen. 91 Hans Heinrich XI. Graf von Hochberg, Fürst von Pleß, Freiherr zu Fürstenstein (1833–1907), schles. Montanindustrieller, verh. 1857 mit Marie von Kleist (1828–1883). 92 Ausfahrt im Rollstuhl aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes. 93 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906), preuß. Generalmajor, als Kommandeur der 2. GardeKavallerie-Brigade schickte er einen Brief von der Front in Frankreich. 94 Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1837–1906). 95 Frz. Francs-tireurs = Freikorps, welche die regulären frz. Truppen ergänzten.
1870
643
der wurde den Abend auch die Kospoth96 erwartet! Es freut mich zu sehen, wie die Kinder lieb mit der Mutter sind und nicht durch ihre Gegenwart eingeschüchtert, wie durch die Großmama.97 Der Kleine98 schien so froh, seine Mama wieder zu haben, und war ausgelassen, hatte eine Menge Schnurren im Kopf. Marianne war leider recht taub den Tag. Es freut mich sehr, daß Deine Reise so gut und leicht von statten ging. Ich elendes Geschöpf würde sie doch auf diese Weise in der Nacht nicht ertragen können, besonders wenn es kalt wäre. Könnte ich einen Luftballon besteigen wie Gambetta,99 ich würde gleich zu Euch fliegen, wohin ich die größte Sehnsucht habe. Perponcher100 hatte seiner Frau101 geschrieben, daß er Dir entgegen gefahren wäre und Dir Café gegeben, was gewiß eine große Wohlthat war nach dem schlechten an der Gränze. Toni wird wohl heute im Haag ankommen und Euch meine Grüße bringen. Sie brachte mir ihre Tochter,102 die sehr hübsch wird. Lüttichau103 war mit seiner Landwehr bey dem lezten Gefecht vor Paris. Gott gebe, daß er sich heraus gezogen hat. Da war eben mein Plaz Major hier und hat mich unterbrochen. So muß ich nun enden und bitte, wenn Du den Brief bekömmst, telegraphire Nachrichten von Luise. Ich hoffe immer, die Freude, mit Dir zu seyn, wird ihr wohl thun. Sage ihr alles erdenklich Liebe und wie sie mir fehlt in diesem Herbst, wo ich so gewohnt war, Euch beyde hier zu sehen um diese Zeit. Herzliche Grüße an Fritz und Marietge. Lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Hast Du an Luise von Mascha Fréderiks104 erzählt?
96 Verm. Adelheid Gräfin von Kospoth (1844–1895), Hofdame bei Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau. 97 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 98 Der fast fünfjährige Prinz Friedrich Leopold von Preußen (1865–1931). 99 Léon Gambetta (1838–1882), frz. Innenminister, hatte im Okt. das von den dt. Truppen belagerte Paris mit einem Ballon verlassen, um auf dem Land die nationale Erhebung zur Befreiung der Hauptstadt zu organisieren. 100 Wilhelm Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1819 –1893), preuß. Gesandter in den Niederlanden. 101 Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825–1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, seit 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 102 Elisabeth Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky (1858–1894). 103 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen und als preuß. Hauptmann mit dem 3. Brandenburgischen Landwehr-Regiment Nr. 20 vor Paris, das seit dem 19. Sept. durch die dt. Truppen belagert wurde. 104 Mglw. Marija Petrowna Baronin von Frederiks (1832–1903), jüngste Tochter von Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
644
Briefe 1851–1873
Abb. 19: Neben der modernen logistischen Kriegsführung lässt sich im Deutsch-Französischen Krieg auch bereits die beginnende Eroberung der Lüfte beobachten. Der französische Innenminister Léon Gambetta verließ im Okt. 1870 das belagerte Paris im Heißluftballon, um neue Kräfte für den Entsatz der Hauptstadt zu mobilisieren.
Haag, den 25ten Oktober 1870 Liebe Elis, ich denke mir, Du wirst gerne wieder Nachricht von Luise haben, und da ich wirklich bis zum 2ten November bleibe, so will ich wenigstens heute meinen Brief anfangen. Im Ganzen ist keine Veränderung eingetreten, und man kann begreifen, daß diejenigen, welche dies Leiden täglich mitansehen, nicht mehr so ängstlich sind als ich, die nun so hineingekommen bin. Es ist oft kaum zu ertragen. Im Bett finde ich Luise immer am besten, wenn auch die Nacht nicht so gut gewesen. Aber der ganze Körper ruht doch mehr. Wenn sie aber aufgestanden und auf der Chaiselonge liegt, dann fängt die Qual an. Das Bewegen beim Anziehen, was nur darin besteht, daß ein Rock und Schlumper übergezogen wird. Das übrige ist schon im Bett nach und nach gemacht. Aber das Aufstehen, auf den Lehnstuhl setzen, bis ins andere Zimmer rollen, da auf der Chaiselonge legen, greifft sie so an. Die Luft ist ihr dann so kurtz, und die Brust geht so hoch. Dabei ist im Gesicht kein Tropfen Blut, die Augen zu und der Kopf in einer Bewegung. Es ist ein Jammerbild. Sie klagt sehr viel über die Zunahme der Schwäche und fragte mich neulich, ob ich erwartet hätte, sie so zu finden oder anders. Da war schwer antworten. Ich sagte aber, ich hätte geglaubt, sie im Lehnstuhl sitzend zu finden und mehr Athem zu haben. Da sagte sie, ich fühle mich eben so krank wie in Cannes im Fe-
1870
645
bruar. Aber Byland105 meint, so schlimm wäre es jetzt nicht. Die schlimmsten Stunden habe ich beobachtet, sind um 5 Uhr, wo sie geschlafen hat, man also glauben sollte, sie müßte sich gestärkt fühlen. Aber nein, sie ißt um diese Stunde, und das wird ihr sehr erschwert durch Angst, Beklemmungen und gänzliche Kraftlosigkeit. Sie meint, es wären die Muskeln, die ganz nachließen. Das wäre schrecklich, thäte ihr ordentlich wehe. Dann kann sie garnicht sprechen, klammert sich ans Sopha an und schnappt nach Luft. Das dauert über eine Stunde. Wenn wir dann vom Eßen kommen gegen 8 Uhr, ist sie ruhiger. Und gestern fühlte sie sich so gut, daß sie großes Verlangen hatte, einmal einen Versuch zum Gehen zu machen. Wir riethen ihr ab, aber sie versuchte es. Erst mußten ihr die Füße herunter gehoben werden, dann ein Stock in der einen Hand, und Fritz Oranien gab ihr den Arm. Sie konnte aber nicht 3 Schritt machen, da knickten die Knie ein, und sie fiel auf einen Lehnstuhl, hatte garkeine Luft, streckte sich ganz lang aus, klammerte sich an die Lehne an, warf den Kopf hinten über und war dem Ersticken nahe. Sie hatte garkeine Luft und schnappte immer danach. Es war ein schrecklicher Moment. An Sprechen war garnicht zu denken. Nach einer Weile, wie es etwas vorüber war, sagte sie, nein, das geht nicht. Es ist zu schrecklich, ich [er]sticke. Darauf ging sie zu Bett. Um 9 Uhr ließ sie mich holen wie alle Abende. Da ging es ganz leidlich. Sie war nur etwas warm, aber ich glaube, nicht Fieber. Der Puls soll so schwach sein, aber oft regelmäßig, oft auch nicht. Der ganze Zustand ist wie ein erlöschendes Licht, was glimmt. Byland glaubt aber nicht, daß sie den Winter überlebt. Wenn der Herr dem nur ein sanftes Ende geben möchte. Luise sagte neulich, ich möchte nur etwas mehr Kräfte haben, und wenn es ginge, besser werden. Aber wie Gott will. Dabei war sie sehr bewegt. Ich muß Geduld haben und mich fügen. Wie ich ihr von dem sanften Tod der alten Berg106 erzählte, sagte sie, wer so sanft einschlafen könnte, und das wiederholte sie zwei Mal. Eben komme ich vom Bett von Luise. Die Nacht ist wieder gut gewesen, und man sah und fühlte es ihr an, daß sie sich selbst besser fühlt. Sie sprach von alten Zeiten und von Musik, erinnerte sich mehrer Sachen, die Papa und die Brüder mit aus Paris mitgebracht, und sank einige Takte daraus. Freilich hustete sie gleich darauf. Aber es war doch mehr Lebenskraft in ihr als in den vorigen Tagen. Und da heute abwechselnt Sonnenschein ist, so hat Byland die Idee, daß sie vielleicht in der Mittagsstunde heraus im Rollstuhl gefahren werden sollte. Und endlich sind sie auf den Gedanken gekommen, Luise im Zimmer im Rollstuhl zu setzen und durch die Zimmer herausrollen zu laßen, eine Rampe über die Treppe zu legen. Darauf waren sie nicht gekommen. Ich glaube, ich bin mit daran Schuld, daß es nun geschen soll, weil Luise schon erschöpft im Rollstuhl kam, da sie 2 Mal wechseln mußte, ehe sie so weit gelangte. Du weißt, es geht immer so seinen Schlenderjahn, bis ein Anstoß kommt, dann geht es vorzüglich gut.
105 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 106 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780–1870), ehem. Hofdame bei Prinzessin Wilhelmine von Preußen, gest. am 16. Sept. in Potsdam.
646
Briefe 1851–1873
Die Königin Sophie107 sah ich 3 Mal. Zuerst kam sie zu mir und sah Luise einen Augenblick. Beide waren eisig, da es das erste Wiedersehen war nach dem Erscheinen des famosen Briefes, der veröffentlicht ist, von ihr an Napoleon 1866.108 Gegen mich war sie aber sehr freundlich und noch mehr, wie ich zu ihr kam mit Marichen. Sie ist aber weder deutsch noch preußisch gesinnt, sondern gantz Freundschaft für Napoleon. Princesse Matilde war einige Tage bei ihr gewesen.109 Am Sonntag kam sie wieder zu mir mit ihrem jüngsten Sohn Alexander,110 der nun in Leiden studieren soll. Nein, wie der häslich ist, ist nicht zu sagen. Er ist groß, aber hochschultrig, und das Sprechen ist auch sonderbar. Der Mund hat, glaube ich, einige Zähne zu viel. Den 26ten. Gestern war eigentlich bis 6 Uhr ein recht leidlicher Tag und die Idee des Ausfahrens wurde festgestellt, aber es mußte unterbleiben, weil Luise so schwach war, da sie garnicht sich aufrichten konnte, um sich auf den Stuhl daneben zu setzen. Es war zu traurig, das mitanzusehen, und sie selbst fühlte sich so schlecht dabei. Mir kömmt vor, als wenn das Wasser jetzt schon mehr Unbequemlichkeiten verursacht, besonders so, wie sie sich bewegt, aber auch im Liegen, dan das Stöhnen und sich ängstlich Anklammern, um mehr Luft zu haben. Ach, Elis, welch ein Jammer und so garnicht helfen zu können. Luise hat wohl die Idee, daß es weniger gut geht, aber fest und klar will sie den Gedanken nicht in sich aufnehmen, daß es doch zum Ende führt. Sie findet nur, daß Byland ihr nicht hilft. Sie hat kein Vertrauen zu ihm, er ist ihr nicht angenehm, und da sagt sie, nichts hilft, was er mir gibt, da kann es nicht besser werden. Ich glaube, sie hat innerlich gewiß den Gedanken des nicht besser werden und ist auch mit ihrem Gott im Klaren, aber sie will es nicht aufkommen laßen, um Fritz Oranien und Marichen nicht zu beunruhigen. Gestern hat sie die Perponsche111 gesehn, wie wir fort waren. Es ist ihr lieb, wenn jemand sie etwas unterhällt. Wir waren nach ihrem Palais in der Stadt, um es einmal wieder zu sehen. Mir war recht wehe um das Herz dabei. Dann besuchten wir den schönen Bazar und machten einige Einkäufe. Der Abend verging ganz leidlich, wie die Nacht war, weiß ich noch nicht. Ich schließe aber den Brief nicht eher, als bis ich sie gesehn. Habe innigen Dank für Deinen Brief, der gestern ankam. Ich erzählte Luise darauf, alles interessiert sie. Wir amüsierten uns sehr, daß Mary Carl auch in ein Bad muß und nun nach Wiesbaden geht. Übrigens war sie wirklich unwohl. Der Brief oder Tagebuch von Abbat ist unendlich lang, aber besonders zuletzt interessant.112 Luise läßt Dir tausend Herzliches sagen. Sie hätte solche Sehnsucht nach Dir, geliebte Elis, und Sanssouci, und dächte mit Wonne an voriges Jahr, wo sie doch noch ein Mensch gewesen, jetzt stünde es 107 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877). 108 Brief von Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), an Kaiser Napoleon III., dessen Papiere nach seiner Gefangennahme veröffentlicht worden waren. 109 Mathilde Bonaparte (1820–1904), bis zur Verheiratung Kaiser Napoleons III. erste Dame von Frankreich. 110 Prinz Alexander der Niederlande (1851–1884). 111 Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825 –1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, seit 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 112 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) kommandierte die 2. Garde-Kavallerie-Brigade.
1870
647
anders mit ihr, und bedauert, daß Du den Luftbalon noch nicht nutzen kannst, um zu ihr zu kommen.113 Die Nacht war nur ziemlich, die Stimme ist oft kräftig, dann fast schwach, schwach. Leb wohl, der Brief muß fort. Adine Sans Souci, den 30ten Oktober 1870 Noch zum Thorschluss, wenn Du wirklich den 2ten abreisest, meine Adine, will ich Dir für Deinen ach so traurigen Brief danken. Ich las ihn in tiefer Wehmuth und kann mir denken, was Du bey dem herzzereißenden Anblick leidest. Der Versuch zu gehen, muß zu gräßlich gewesen seyn und hat der geliebten Luise gewiß selbst einen sehr entmuthigenden Eindruck gemacht. Sie glaubte ja noch gehen zu können, und nun war es ihr unmöglich! Es ist ein Glück, daß Du den Rath gabst, auch im Zimmer den Rollstuhl zu brauchen und eine Rampe zu machen. Ich begreiffe nur nicht, daß es niemand eingefallen, da man mich ja so lange so herumfahren sieht, und mein armer Fritz sich ebenso bewegte und seitdem Rampen überall angebracht sind. Ich finde es trostlos, daß sie kein Vertrauen mehr in Byland114 hat. Vielleicht hätte man Schrader115 aus Hamburg rufen können, nur um sie zu beruhigen, denn helfen kann er wohl auch nicht. Die Athemlosigkeit ist eine furchtbare Greuel. Die hatte sie nicht in Cannes, nicht wahr? Ich hoffe, über die Capitulation von Metz116 hat sie sich noch freuen können? Das war eine große und allgemeine Freude, wenn nur die 173000 Gefangenen nicht wären! Fritz Karl aus der fatalen Lage befreyt zu wissen, ist eine große Freude. Heute telegraphirte Wilhelm, daß er seinen Sohn und Fritz Karl zu Feldmarschällen ernannt habe, und sagte, es wäre das erste Mal, daß dergleichen geschehen in unserm Haus.117 Moltke ist Graf geworden.118 Marianne, die heute bey mir aß, hatte doch Freude an der neuen Würde von Fritz Karl. Sie war sehr munter heute, aber die Taubheit nimmt leider sehr zu. Ihre Töchter haben kleine Freundinnen aus Berlin geladen, konnten deshalb leider nicht kommen. Die guten Kinder haben selbst das ganze Schloß Donnerstag beleuchtet, aus Freude über Metz. Mary hatte eine arge Gelbsucht, als sie abreiste, ganz orange Augen, fuhr aber immer nach Berlin und hatte Gesellschafft bey sich. Sie sagte mir, seit dem July habe sie gewisse Zeichen der Gelbsucht. Ich habe nie eine Krankheit so behandeln sehen. Sie will 113 Léon Gambetta (1838–1882), frz. Innenminister, hatte im Okt. das von den dt. Truppen belagerte Paris mit einem Ballon verlassen, um auf dem Land die nationale Erhebung zur Befreiung der Hauptstadt zu organisieren. Siehe Brief vom 23. Okt. 114 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 115 Friedrich Schrader (1837–1896), preuß. Stabsarzt, betreute die Familie des Kronprinzen. 116 Kapitulation der in der Festung von Metz seit dem 20. Aug. eingeschlossenen frz. Rhein-Armee durch François-Achille Bazaine (1811–1888), Marschall von Frankreich, am 27. Okt. 117 Siehe die Bemerkung im Brief vom 4. Nov. 1870. 118 Erhebung von Helmuth Freiherr von Moltke (1800–1891), preuß. General der Infanterie und Chef des Generalstabes, in den erblichen Grafenstand am 28. Okt.
648
Briefe 1851–1873
den Kesselbrunnen in Wiesbaden trinken und meinte eigentlich, sie könnte auch eine Traubenkur dazu nehmen. Das könnte eine schreckliche Mischung werden. Ich war vorgestern mit Marianne in ihrem Lazareth in der Dragoner Caserne119 und freute mich über ihr großes Interesse an den Kranken und Verwundeten, an ihren vernünftigen Anordnungen ohne allen Luxus oder Ostentation.120 Ich blieb lange da und war ganz müde, ging aber doch noch zu Grimms Tochter,121 die ganz nahe wohnt, eine liebe, rührende junge Frau, so blaß und zart, aber so still ergeben. Es regnete den ganzen Tag und heute noch viel ärger, es wurde eigentlich nicht Tage. Der Brief der Königin Sophie122 ist also wirklich ächt? Es wurde widerrufen. Das Herausgeben der Papiere Napoleons ist ein wahrer Skandal. Aber ehe man in den Krieg geht, vernichtet man compromittante Briefe, das hat er nicht gethan. Von Sophie ist es unglaublich, so zu schreiben. Es muß ihr doch jetzt schrecklich seyn. Wie häßlich ist ihr Sohn123 nach Deiner Beschreibung. Nun muß ich enden, meine Adine, freue mich so, Dich wieder zu sehen, aber der Abschied wird namenlos traurig seyn. Gott stärke Dich und Luise, die ich herzlich umarme, gerührt, daß sie Sehnsucht nach mir hat und ich dann nach ihr! Tausend Liebes an Fritz und Marietje. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Haag, den 30ten Oktober 1870124 Ehe ich abreise, liebe, Elis, will ich noch einmal Nachricht von Luise geben, die eigentlich ziemlich gleich lauten. Die Schwäche, Mattigkeit bleiben gleich und waren nach meiner Idee gestern außerordentlich groß. Sie war den ganzen Tag wie in einer Beteubung. Sie schlief fast immer. Selbst wenn wir mit ihr sprachen, schlief sie ein und hörte nicht. Sie ging auch früher zu Bett. Heute fand ich sie im Ganzen etwas theilnehmender. Sie sprach selbst ziemlich viel. Vor ein paar Tagen hatten wir aber einen großen Schrecken. Es war am Donnerstag, nach dem wir sie verlaßen hatten um ½ 9 Uhr, um sich zu Bett zu legen, und daß wir um 9 Uhr wie immer noch gerufen wurden, erschien Byland125 und sagte, Luise hätte Blut gehustet, einen Löffel voll. Er wäre zum Glück gerade herein gekommen und hatte ihr Eisstücke und Pulver gegeben, und er hoffte damit Ein119 Garde-Dragoner-Kaserne in Berlin-Kreuzberg, errichtet 1850–1854, bis 1919 genutzt durch das 1. und Teile des 2. Garde-Dragoner-Regiments. 120 Frz. = Zurschaustellen, Großtun. 121 Elisabeth Gräfin von Westarp, geb. Grimm (1838–1914), verh. 1859 mit Ludwig Hermann Viktor Graf von Westarp (1837–1870), preuß. Rittmeister und Eskadronchef im 1. Garde-Dragoner-Regiment, gefallen in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug. 122 Brief von Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), an Kaiser Napoleon III., dessen Papiere nach seiner Gefangennahme veröffentlicht worden waren. 123 Prinz Alexander der Niederlande (1851–1884). 124 Der ist Brief falsch mit „September“ datiert. 125 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1870
649
halt zu thun. Das hat er auch vollkommen erreicht, aber der Schock war groß. Wir durften nur herein gehen, gute Nacht sagen. Die Nacht darauf verlief ganz ruhig, und am Freitag sah sie zwar sehr aschfarben aus, aber sonst war nichts zu bemerken. Sie durfte nur wenig sprechen und still sich hallten, aber wie gesagt, gestern war sie außerordentlich schwach. Sie hat aber jetzt viel mehr apetit, freute sich auf das Eßen, was Byland außerordentlich freut. So wird ja Gott geben, daß es bei diesem Schrecken bleibt. Gestern haben wir bei Königin Sophie126 gegeßen, en famille. Fritz Oranien, Marichen, der jüngste Sohn Alexander,127 aber häslich, nicht zu sagen, wie! Den 31ten. Nein, Fritz Wilhelm und Fritz Carl Feldmarschälle, das ist etwas Ungewöhnliches, von Moltke Graf.128 Gott helfe nur bis zum Ende. Mit Luise ging es gestern den ganzen Tag leidlich. Sie war nicht so hinfällig und nicht so betäubt. Wir sprachen selbst viel zusammen, als Fritz mit Tochter zur Stadt gefahren war zu einer Ausstellung. Manchmal läßt sie durchblicken, daß sie recht krank ist und die Kräfte garnicht wieder kämen, so könnte man nicht wißen, was daraus würde, wie Gott will. Auch sprach sie von ihrem Testament, was sie ganz gerichtlich gemacht und wie sie es bestimmt. Morgen, als am Todestag von Charlotte, werden wir wohl recht ernste Gespräche haben, und am 2ten November reise ich um 2 Uhr hier ab und komme in Sanssouci um 8 Uhr an. Ob ich aber dann zur Morgenandacht kommen werde, weiß ich nicht. Der Abschied wird furchtbar sein. Zwar glaubte ich in Marseille damals auch nicht, daß ich Luise wiedersehen würde, aber was für ein Unterschied, damals und jetzt. Man begreift nicht, wie sie noch lebt, aber da der apetit so gut ist und der Schlaf auch ziemlich, so kann sich das Leben noch fristen. Welch ehlend Leben, und doch wünscht man nicht zu sterben! Heute Mittag werden Perponchers129 hier eßen. Vorher will ich sie noch besuchen. Gestern in der Kirche sah ich die Tochter,130 die sehr hübsch ist. Der König131 ist gestern Abend angekommen. Ich weiß aber nicht, ob ich ihn zu sehen bekommen werde. Nun leb wohl, ich laße den Brief noch auf, um Nachricht von Luise von heute zu geben. [Adine] Haag, den 1ten November 1870 Geliebte Elis, schon durch Telegramm habe ich Dir mitgetheilt, daß ich noch 8 Tage bleibe. Da Luise es selbst mir aussprach, so habe ich natürlich es gleich arangirt, eigent126 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877). 127 Prinz Alexander der Niederlande (1851–1884). 128 Erhebung von Helmuth Freiherr von Moltke (1800–1891), preuß. General der Infanterie und Chef des Generalstabes, in den erblichen Grafenstand am 28. Okt. 129 Wilhelm Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1819 –1893), preuß. Gesandter in den Niederlanden, und Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825 –1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, seit 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 130 Elisabeth Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky (1858–1894). 131 König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890).
650
Briefe 1851–1873
lich gegen meine Überzeugung, denn es wird ihr in 8 Tagen eben so schwer werden, sich von mir zu trennen und vielleicht schwerer, je mehr wir uns einwohnen, und mir natürlich ebenso. Aber wie konnte ich meiner so kranken Schwester etwas abschlagen, was ihr noch Freude macht. Du glaubst nicht, wie sie schwach ist, man kann sich eigentlich keinen Begriff machen. Gestern hatte sie sehr schlecht geschlafen und fühlte sich matt, aber am Tage, wie sie erst auf ihrer Chaiselonge lag und etwas Suppe und Austern gegeßen, war sie nach ihrer Art ganz leidlich. Sie sah Gräfin Rechtern132 und die Wautier,133 sprach wirklich so viel und so gut. Und später hat sie noch unsere Damen gesehen, die auch ganz verwundert waren, sie so gut zu finden. Aber von 5 Uhr an bis ½ 10 Uhr war sie von einer Schwäche, und Beklemmungen stellten sich ein. Sie war schon vor 8 Uhr zu Bett gegangen, ganz gegen ihre Gewohnheit. Die Nacht soll nur sehr mittelmäßig gewesen sein. Byland134 findet, daß der Puls ruhig, aber überaus schwach ist. Ach Elis, was ist das für eine Zeit, die arme Luise so hinschwinden zu sehen und nicht helfen zu können. Ich werde durch das Verschieben der Reise, fürchte ich, Dich garnicht mehr sehen. Ich wollte bis zum 10ten oder 15ten November bleiben. Du selbst wirst natürlich die Rückkehr aus Dresden noch nicht bestimmen können. Sonst würde ich mich vielleicht danach richten können, wenn es nicht zu späth wird. Ich habe auch schlechtes Gewißen, meine Kinder so allein in Schwerin zu laßen, die aber untereinander ganz vergnügt sind. Habe Dank für Deinen lieben Brief von vorgestern. Es ist prächtig, wie rasch die Briefe hinund hergehen. Der Brief muß fort, ich schreibe bald wieder. Deine Adine Sans Souci, den 4ten November 1870 Für drey liebe Briefe habe ich Dir zu danken, meine Adine. Den vom 1ten gab man mir gestern Morgen beym Erwachen, und den vom 2ten und dem 30ten Oktober bekam ich gestern Abend. Ich wußte anfangs gar nicht, welche Bewandtniß es mit dem verspäteten Briefe habe, und wurde vollends confus, weil Du den 30 September 1870 geschrieben hattest. Erst nach und nach verstand ich den Zusammenhang, und nun erklärte ich mir erst, daß ich nichts von dem Blutspucken wußte, von dem Toni135 geschrieben und auch Elisabeth aus Schwerin.136 Gott, welcher Schrecken muß das für Euch und für Luise selbst gewesen seyn. Gottlob, daß es sich nicht wiederholte. Die liebe Luise telegraphirte 132 Elise Martha Gräfin van Rechteren, geb. Gräfin von Limburg-Styrum (1803–1890), Oberhofmeisterin von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 133 De Wautier, niederl. Adelsfamilie. Person nicht zu identifizieren. 134 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 135 Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825–1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, seit 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 136 Verm. Elisabeth von Rauch, geb. Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen.
1870
651
gestern in Erinnerung an ihre vorjährige, so unaussprechlich traurige Abreise. Sie sagt, wie glückselig sie mit Dir ist und daß Du länger bleibst. Wenn nur der Abschied nicht wäre. Der wird schrecklich seyn. Den 1ten dachte ich so viel, und doch, als ich Dein Telegram beantwortete, worin Du von dem Tage sprichst, vergas ich ihn zu erwähnen. Die lezten Tage waren eben wieder voll Sorge und Schmerz, und da war ich nicht recht zurechnungsfähig. Zuerst die Angst des armen Keller,137 der aber Gottlob sehr beruhigt ist, da die Wunde wohl schmerzhaft, aber nicht gefährlich ist. Aber nun die entsezlichen Verluste in einem Regimente, der Commandeur, eine Menge andrer Offiziere geblieben und verwundet, und in einem Gefecht, das ohne allen Einfluß auf die übrigen opérazionen ist und vielleicht hätte vermieden können.138 Auguste hat auch viel Verluste in ihrem Regimente, der empfindlichste ist der des Commandeur Graf Waldersee,139 dessen Tod auch für die Armee ein großer Verlust ist. Denn er war ein sehr fähiger, ausgezeichneter, junger Mann, schon einmal schwer verwundet und nun geheilt zum Regiment zurück, um gleich drauf zu fallen! Wie mich der arme Vater140 jammert! Er hinterläßt eine junge Frau und zwey Söhne.141 Mein Zaluskofsky142 war glücklicherweise nicht verheyrathet. Ach, der Friede, wie heiß wird er ersehnt und wie fern ist er noch. Die Capitulation von Metz scheint auf die sogenannte Regierung nicht den gehörigen Eindruck gemacht zu haben. Sie schreyn nur über Verrätherey von Bazaine.143 Die Feldmarschalls Würde ist eine ganz neue für einen Prinzen des Hauses.144 Papa sagte oft lachend, er habe es nie zur Exzellenz gebracht, und nun sind seine zwey Enkel Feldmarschälle und haben es verdient, das ist das beste dabey. Fritz Karl antwortet mir sehr glücklich. Ich bin namentlich für ihn so froh, denn die höchst unangenehme, aufreibende Stellung vor Metz drohte ihn ganz zu verbittern. Seine Kinder beleuchteten selbst das ganze Haus nach der Einnahme von Metz. Das Wetter ist schlecht und melancholisch, ich fürchte, es ist in Holland eben so. Wie betrübend sind die détails, die Du mir giebst, wie elend das Leben der armen Luise. Ich bin überzeugt, daß sie im Innern ganz im klaren über ihren Zustand ist. Wann hat sie das Testa137 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen, hatte bereits einen Sohn im Deutsch-Französischen Krieg verloren, ein weiterer war nun schwer verwundet. 138 Schlacht von Le Bourget nordöstlich von Paris vom 28. bis 30. Okt. 139 Georg Graf von Waldersee (1824–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 4. Garde-Grenadier-Regiments Königin Augusta, gefallen am 30. Okt. bei Le Bourget, nach einer zuvor überstandenen Verwundung aus der Schlacht bei Gravelotte. 140 Franz Graf von Waldersee (1791–1873), preuß. General der Kavallerie a.D. 141 Laura Gräfin von Waldersee, geb. von Knoblauch (1836–1904), und die zwei Söhne Georg (1860– 1932) und Franz (1862–1927). 142 Conrad von Zaluskowski (1825–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 3. Garde-GrenadierRegiments Königin Elisabeth, gest. am 31. Okt. an einer Verwundung bei Le Bourget. 143 Kapitulation der in der Festung von Metz seit dem 20. Aug. eingeschlossenen frz. Rhein-Armee durch ihren Kommandeur François-Achille Bazaine (1811–1888), Marschall von Frankreich, am 27. Okt. 144 Prinz Friedrich Karl und Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen waren durch König Wilhelm I. von Preußen zu Generalfeldmarschällen befördert worden.
652
Briefe 1851–1873
ment gemacht? Welche Wohlthat für sie, daß sie alles mit Dir besprechen kann. Der Apetit ist doch ein gutes Zeichen, und der leidliche Schlaf. Editha,145 die dießmal nicht mit mir nach Dresden geht, weil sie im Sommer mit mir in Pilniz war, wird unterdessen Toni Perponcher im Haag besuchen und freut sich sehr darauf. Wenn Luise nicht zu schwach ist in der Zeit, wird sie sich vielleicht freuen, sie zu sehen. Wie beneide ich sie. Wäre ich nur nicht ein so unbehulfliches, in allem gehemmtes Wesen, das nur eine Last für andre ist, so wäre ich doch noch, auch ohne Luftballon, zu Luise gegangen. Aber ich kann so etwas nicht mehr unternehmen, das fühle ich wohl. Die Fahrt nach Dresden ist so kurz, das geht noch. Nun muß ich schließen, um in das Lazareth in der Lindenstraße zu gehen, wo meist Kranke sind. Welche Massen werden jetzt aus Metz kommen, und die vielen Gefangenen! Sie werden bald das ganze Land überschwemmen. Luise umarme ich in treuer Liebe. Tausend Schönes an Fritz und Marietge. So Gott will, sehen wir uns noch. Der Telegraph hat Dir Tag und Stunde meiner Abreise gesagt. Auf ewig, Deine alte Elis Sans Souci, den 7ten November 1870 Gestern, als ich eben in die Kirche fahren wollte, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 5ten, meine Adine. Danke Dir von Herzen dafür, wie auch für die Abschrifft von Bylands146 Bericht, der recht traurig ist. Es hat mich frappirt, daß er wirklich einen Augenblick wieder etwas Hoffnung hatte. Das ist nun noch betrübter, wenn man denkt, daß die Geliebte uns hätte erhalten werden können. Ich habe Dich gestern telegraphisch gebeten, ihr sie noch zu geben, wenn sie wünscht, Dich noch länger bey sich zu behalten, und ich wiederhole es wieder. So lieb es mir wäre, Dich noch zu sehen und Nachrichten von ihr zu haben, so wäre ich trostlos, wenn Du ihr den Kummer machtest, nicht noch bey ihr zu bleiben. Das abermalige Blut auswerfen hat mich sehr erschreckt. Es nimmt doch wieder etwas von den geringen Kräften, und das ist schon traurig genug. Heute ist die kleine Charlotte 2 Jahre alt.147 Da denkst Du gewiß viel nach Schwerin und an Ady. Es ist heute ein herrlicher Tag, prächtiger Sonnenschein. Ich hoffe, das soll der Kleinen Glück bringen. Seit gestern haben wir wohl kalte Luft, aber solche reine Luft und Sonne. Nach den vielen grauen, melancholischen Tagen eine wahre Wohlthat. Keller148 hat Gottlob gute Nachrichten, die ihm jetzt von allen Seiten kommen und glücklicherweise alle gleich lauten. Der beruhigendste und ausführlichste Brief war von Rudolph Kaniz,149 145 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 146 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 147 Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944). 148 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen, hatte bereits einen Sohn im Deutsch-Französischen Krieg verloren, ein weiterer war nun schwer verwundet. 149 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Oberst und Kommandeur des 2. Garde-Regiments zu Fuß, schwer verwundet in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug.
1870
653
der dieselbe Wunde mit denselben Erscheinungen glücklich überstanden hat. Mein Regiment hat furchtbar gelitten, den Commandeur und viele Offiziere verloren, ebenso Augustas Regiment.150 Ach, wenn dieß Blutvergießen nur einmal ein Ende hätte. Der Waffenstillstand kümmt vielleicht zu Stande. Ob es ein Glück oder Vortheil für uns ist, weiß ich nicht. Die Stimmen sind verschieden darüber. Ich höre, daß Prediger Heym151 den 9ten schon wieder von Rheims abreisen will. Das war wenigstens keine lange Abwesenheit. Steinbeck heirathet Donnerstag, ich glaube in Brandenburg.152 Zwey Morgen wird statt seiner Prediger Strauß153 die Andacht halten. Editha154 freut sich ausserordentlich auf die Reise, die ihr schon seit Jahren im Kopf herum geht. Das ist mir ein Kummer und wird es immer bleiben, daß ich nie in Holland war. Aber wenn ich in Stolzenfels war, war auch Luise abwesend. Aber dieß Jahr, wo ich ohne den Krieg nach Stolzenfels gegangen wäre, hatte ich mir fest vorgenommen, Luise zu besuchen. Das mußte ich leider aufgeben. Der gräßliche Krieg hat so viel zerstört. Werder155 war freylich bey mir auf der Durchreise. Er sagte mir, die Güte und die Theilnahme an unsern Siegen des Kaysers156 erleichtere ihm das Opfer, jetzt entfernt zu seyn. Auch Helene sey theilnehmend und selbst George von Streliz, viele andere aber ganz französisch gesinnt. Was der Brief des Kaysers an Wilhelm enthielt und welche Aufträge er hatte, sagte er natürlich nicht. Es ist mir immer, als hätte ich Dir dieß alles schon geschrieben. Er sagte mir, er würde nur ganz kurz in Versailles bleiben, aber mir scheint, er ist schon ziemlich lange dort. Er sah zu meiner Freude auffallend besser aus als bey seinem lezten Auffenthalt. Hier, der Verlust so vieler Kameraden und Freunde hat ihn tief betrübt, besonders Röders Tod.157 Ich begreiffe nicht, warum die Kayserin Eugénie158 ein so großes Geheimnis aus ihrer Reise nach Wilhelmshöhe gemacht hat. Sie war doch eigentlich ganz natürlich. Nun lebe wohl, meine Adine, ich umarme Luise in Gedanken, viel Liebes an Fritz und Marietje. 150 Georg Graf von Waldersee (1824–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 4. Garde-Grenadier-Regiments Königin Augusta, gefallen am 30. Okt. bei Le Bourget, und Conrad von Zaluskowski (1825–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 3. Garde-Grenadier-Regiments Königin Elisabeth, gest. am 31. Okt. an seiner schweren Verwundung bei Le Bourget. Siehe Brief vom 4. Nov. 1870. 151 Albert Heym (1808–1878), Hofprediger und erster Pfarrer an der Friedenskirche in Potsdam. 152 Johann Samuel Georg Steinbeck (1841–1913), seit 1870 Pfarrer an der Friedenskirche in Potsdam, heiratete Margarethe (Meta) Cäcilie Grubitz (1848–1915). 153 Friedrich Adolf Strauß (1817–1888), Theologieprof. an der Universität Berlin, seit 1870 Hofprediger. 154 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 155 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Generalmajor und Militärbevollmächtigter in Russland. 156 Russland deckte den Deutsch-Französischen Krieg und sicherte sich im Gegenzug eine verbesserte Position am Schwarzen Meer gegenüber dem geschwächten Frankreich. 157 Viktor von Roeder (1820–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 1. Garde-Regiments zu Fuß, gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. 158 Eugénie, Kaiserin der Franzosen, geb. de Montijo, Gräfin von Teba (1826–1920), zu Besuch bei ihrem Mann, dem abgesetzten Kaiser Napoleon III., der in Kassel auf Schloss Wilhelmshöhe interniert war.
654
Briefe 1851–1873
Erlaucht ist noch hier und sehr schwankend in ihren Plänen. Sie kümmt zuweilen oder ißt auch bey mir, aber den Sonntag ißt sie nicht gerne ausser dem Hause, weil die Kirche sie so angreifft, daß ihr die Kräfte fehlen. Gestern aß Mariann mit ihren Töchtern159 bey mir, und später kam der liebe Kleine160 und war ungeheuer ausgelassen, jubelte laut und lief wie verrückt herum. Nun endlich addio. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Der Landrath Berg, den ihr voriges Jahr hier beym diné gesehen habt und der einst ein beau danseur war, hat seinen einzigen Sohn im lezten Gefecht verloren.161 Haag, den 8ten November 1870 Mein Telegramm von heute wird Dir schon gesagt haben, daß Luise Sonntag Abend wieder Blut gehustet hat. Man fand es wenig, es wiederholte sich aber in 3 Repriesen. Ich war grade an ihrem Bett, und wir hatten garnicht viel gesprochen, als sie anfing zu husten, der sehr voll war, als wenn Schleim auf der Brust rasselt. Und bald kam ein Stück Blut, 4 Groschenstück groß, sehr hell und durchsichtig. Ich rief gleich die Kammerfrau, ließ Eis holen. Da kam das zweite Stück Blut, nun ließ ich Byland162 holen und rief Fritz. Du kannst denken, wie ich mich erschrocken. Um 10 Uhr kam noch etwas Blut, dann wurde es ruhiger, Eis und Pulver halfen. Die Nacht verging ziemlich, aber sie fühlte sich gestern den ganzen Tag unbeschreiblich schwach und ging schon nach 7 Uhr abends zu Bett, wo wir sie nach 8 Uhr etwas besuchten, aber dann wollte sie schlafen, woraus, wie ich höre, wenig geworden ist. Die Schwäche nimmt nach solchem Blutauswurf immer zu. Byland findet den Zustand sehr bedenklich, aber Gefahr glaubt er nicht so nahe, da Luise doch etwas ißt und morgens 8 Uhr ein Glas Eselsmilch trinkt, um 1 Uhr Bouillon Suppe und 6 Austern. Das schmeckt ihr auch, das Diner um 5 Uhr weniger, da sie dann schon zu matt wird und es lange dauert, ehe sie sich zum Eßen entschließt. Du glaubst nicht, was ich leide, wenn ich sie so hinschwinden sehe, und für sie ist es eine Freude, mich um sich zu haben, was mit Freitag aber aus ist, wenn nicht wieder sich etwas ereignet. Ich fürchte aber, meine Abreise wird ihr schaden. Was kann aber dagegen gethan werden? Ich muß doch einmal fort. Diese letzte Woche war aber nicht gut, denn in 10 Tagen hat sie 3 Mal Blut gehustet. Am Freitag, den 28ten, Freitag, den 4ten und Sonntag, den 6ten November. Das ist zu viel für so einen schwachen Körper. Leb wohl, bete für die liebe Luise und für uns alle. Gott mit Dir, Deine Adine 159 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860– 1917). 160 Prinz Friedrich Leopold von Preußen (1865–1931). 161 Personen nicht zu identifizieren. 162 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1870
655
Dank für [Deinen] lieben Brief. Luise weiß nicht, daß ich eben schreibe, aber schon neulich trug sie mir herzliche Grüße auf, und sie wäre gar zu schwach. Noch füge ich hinzu, daß ich Luise eben gesehn, recht schwach, läßt Dir tausend Liebes sagen, und wie gut es von Dir wäre, daß Du nur die Idee gehabt, zu ihr zu kommen, aber sie weiß ja, wie unmöglich und schwer es für Dich war. Es wäre für sie eine zu große Wonne gewesen, denn sie sehnt sich recht nach Dir. Haag, den 10ten November 1870 Liebe Elis, da ich nun Dich nicht am 12ten wiedersehe und Dir unser Geschenk bringen kann, so sende ich es heute ab. Luise und ich geben Dir einen Fecher, der Dir, wie wir hoffen, gefallen wird und ihn gleich in Dresden einweihen wirst. Gerne hätte ich Dir mündlich Nachricht gebracht, aber gestern, als ich meinen Abschiedsbesuch machte, erklährte Luise, wenn es nicht durchaus nothwendig wäre, möchte ich doch noch bleiben. Da ich Einwendungen machte und sagte, ich glaubte, es sei besser, es bliebe bei dem festgesetzten Tag, schickte sie mir Fritz nach in mein Zimmer, um mich zu bitten, doch zu bleiben. Du kannst denken, daß ich da nicht wiederstehen konnte, und nun habe ich es auf ungewiße Zeit herausgeschoben. Aber länger wie 14 Tage kann ich nicht, da ist der Geburtstag von meiner alten Mama, die 94 Jahre alt wird. Dazu will ich zurück sein. Wenn man Luise sieht, wie sie so dem Erlöschen nahe ist, dann thut man nur zu gern alles, was ihr Freude machen könnte. Ach, es ist zu traurig. Jetzt, seit 2 Tagen, wechselt die Schwäche am Tag ab. Schon morgens im Bett, ob gut oder schlecht geschlafen, ist sie sehr matt. Steht sie dann um 12 Uhr auf, und wir kommen zum 2ten Frühstück um 1 Uhr zu ihr, wo sie auf der Chaiselonge liegt, mit an unsern Tisch, und auch ihr 2tes Frühstück nimmt, dann ist sie zum Erlöschen matt. Gestern zum Beispiel bekam ich ein Telegramm, auf das ich antworten wollte, und als ich sie fragte, was ich schreiben sollte, war sie eingeschlafen und hörte garnichts. Dann wachte sie auf und schlief wieder ein oder liegt so im Dussel, wie sie es nennt, und sieht dabei aus zu jämmerlich. Nachtisch war sie etwas weniger matt und theilnehmender. Nach unserem Diner um 8 Uhr, wo wir dann noch an ihrem Bett sitzen, war ein Brief von Bruder Wilhelm an mich gekommen, der recht für sie geschrieben war und sie sehr interessierte. Dann gingen wir fort, und sie ließ uns auch nicht wiederkommen, da sie zu matt wäre. Bis 1 Uhr hat sie die Nacht nicht geschlafen, dann 2 Stunden hintereinander. Das ist eine gute Nacht. Das Wetter ist auch so wechselnd. Heute sind es nur 3° warm, trüb und feucht, gestern dicker Nebel, dann Regen und Wind. Das wirkt alles auf die Kranke ein. Die Jahreszeit ist zu gefährlich für Luise. Bruder Wilhelm hat eine recht ausführliche Beschreibung von dem Gefecht gemacht, wo die beiden Königin Regimenter163 so tapfer gefochten und so viel Menschen verlohren. Waldersee ist eigentlich ermordet, auf 10 Schritt aus einem Hause erschoßen, schäuslich.164 163 Das 4. Garde-Grenadier-Regiment Königin Augusta und das 3. Garde-Grenadier-Regiment Königin Elisabeth in der Schlacht bei Le Bourget am 30. Okt. 164 Georg Graf von Waldersee (1824–1870), preuß. Oberst und Kommandeur des 4. Garde-Grenadier-Regiments Königin Augusta, gefallen am 30. Okt. bei Le Bourget.
656
Briefe 1851–1873
Gott segne Dich, geliebte Elis, am 13ten werde ich für Dich beten, Deiner lebhaft gedenken. Wir freuen uns, daß Du an dem Tage mit Deinen Schwestern bist. Luise umarmt Dich innig und denkt so viel mit inniger Liebe Deiner und der glücklichen Tage bei Dir in Sanssouci, dann seufzt sie so oft recht tief und denkt wohl still für sich, was Gott thut, ist wohlgethan. Deine treue Adine Dresden, den 15ten November 1870 Verzeihe, daß ich nicht früher schrieb, meine Adine, meine Zeit ist sehr gemessen hier, und diese Tage so voll, wenn ich [in] mein Zimmer komme, wegen der vielen Briefe und Telegramme, die ich zu lesen und beantworten hatte. Eben schrieb ich der Monarchin,165 die mir ein allerliebstes, kleines Bild meines geliebten Fritz auf einer reizenden Staffeley geschickt hat, und nun erwarte ich Hertha Manteuffel,166 die hier eine Kur gebraucht hat und nun nach Manheim zu ihrem verwundeten Sohn167 gehen will. Erst hier erfuhr ich durch die Bentheim,168 daß Dein Sohn169 in Berlin war. Ich wollte es gar nicht glauben, bis es Schuckchen170 schrieb und Ady es telegraphirte. Sie findet ihn noch recht schwach. Ich bin froh, daß er bey ihr und zu Hause ist. Den 17ten. Weiter kam ich gestern nicht. Frau von Manteuffel kam, aldann fuhr ich mit Amelie aus, in frischer, aber so reiner, wohlthuender Luft. Den Abend brachten wir en famille bey meiner Schwester Marie171 zu, und ich ging oder vielmehr ließ mich noch früher zu ihr in porte chaise172 tragen. Die Schwestern sehen Gottlob wohl aus, aber Johannes altert sehr.173 Mein Vetter Gustav174 ist hier bey seiner Tochter,175 die ganz von den Lazarethen absorbirt ist und unendlich thätig und wohlthätig. Marie Georg176 erwartet täglich ihre Entbindung und siht deshalb nicht weniger rosig aus. Ihre Kinder sind allerliebst 165 Königin Augusta von Preußen. 166 Hertha Freifrau von Manteuffel, geb. von Witzleben (1815–1879), verh. 1845 mit Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preuß. General der Kavallerie und Generaladjutant, Kommandeur des 1. Armeekorps und seit 20. Okt. Oberbefehlshaber der 1. Armee. 167 Verm. Hans Freiherr von Manteuffel (1846–1881), preuß. Sekondeleutnant im 1. Pommerschen Grenadier-Regiment Nr. 2, starb 1881 an der in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. erlittenen Verwundung. 168 Julie von Bentheim, Kammerfrau bei Königin Elisabeth von Preußen. 169 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 6. Kavallerie-Division, verwundet am 9. Sept. bei der Explosion der Festung von Laon. 170 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin der Töchter von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 171 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 172 Frz. = Tragestuhl, Sänfte. 173 König Johann von Sachsen (1801–1873). 174 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 175 Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907). 176 Prinzessin Maria Anna von Sachsen, geb. Infantin von Portugal (1843–1884), verh. 1859 mit Prinz
1870
657
und die ganze Freude der Großeltern. Gestern Mittag kam ein Brief von Editha,177 den ich mit fieberhafter Hast las. Ach, es war traurig, wie Deine Briefe, der erste Eindruck entsezlich. Sie sagt, sie habe nachher bey Dir und mit Dir geweint, sie konnte die Thränen nicht mehr unterdrücken. Es muß ein zu jammervoller Anblick seyn, und was mußt Du leiden, die Arme, dieß Leiden zu sehen, das Verschwinden, und nichts thun zu können, um den trostlosen Zustand zu erleichtern. Wenn ich für Luise bete, bete ich auch für Dich, meine Adine, um Kraft, so Schweres zu tragen. Wie hast Du Recht, noch bey ihr zu bleiben. Du hättest es doch nicht über’s Herz gebracht, sie zu verlassen, und ihr ist Deine Nähe gewiß ein so großer Trost. Das viele Einschlafen ist ein rechter Beweis von Schwäche. Editha hatte doch nicht den Eindruck von einer nahen Gefahr. Wenn nur der Winter nicht zu kalt wird. Heute bekam ich einen langen Brief von Abbat Sohn, dieser Tage auch von Fritz Wilhelm. Es scheint, was man als eine Niederlage von Tann178 ansah, die uns vom Glück Verwöhnten schon ganz unglücklich machte, war nur ein geschicktes Manoeuvre.179 Gott helfe weiter. Deine und Luisens liebe Wünsche rührten mich sehr. Ich bin nun in’s 70te, in’s wirkliche Greisen Alter getreten. Gustav geht in’s 72te und siht noch unglaublich jung aus. Lebe wohl, meine Adine, ich umarme Dich und Luise, und sage Fritz und Marietge tausend Liebes. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Tausend herzlichen Dank für Euren Antheil an dem Familien Geschenk. Der Fächer ist noch nicht da. Haag, den 17ten November 1870 Ich habe Dir längere Zeit nicht geschrieben, liebe Elis, weil ich überzeugt bin, Editte Haak180 hat ausführlich berichtet, wie sie Luise gefunden, und da sie sie seit einem Jahr nicht gesehen, so kann sie recht urtheilen, wie Luise verändert ist. Leider ist seit 4–8 Tagen eine Veränderung zum Schlechten eingetreten. Die Nächte werden schlaflos zugebracht, das Eßen wollte nicht schmecken, und die Schwäche nimmt zu. Einige Tage war der Puls am Nachmittag, grade wenn Luise sich am schwächsten fühlt, sehr beschleunigt, Georg von Sachsen (1832–1904), war schwanger mit ihrem Sohn Prinz Maximilian von Sachsen (1870–1951), geb. am 17. Nov. 177 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, zu Besuch in den Niederlanden bei der sterbenskranken Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, gest. am 6. Dez. 178 Ludwig von der Tann-Rathsamhausen (1815–1881), bayr. General der Infanterie, kommandierender General des 1. bayr. Armeekorps. 179 Nach dem erfolgreichen Gefecht bei Artenay hatte General Ludwig von der Tann-Rathsamhausen am 10. Okt. Orléans besetzt, musste die Stadt jedoch am 9. Nov. nach der Schlacht bei Coulmiers räumen. 180 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, zu Besuch in den Niederlanden bei Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, gest. am 6. Dez.
658
Briefe 1851–1873
wenn auch nicht gerade Fieber, aber fiebrig, und Byland181 war sehr besorgt und sagt, wenn so etwas noch stärker hinzutritt, so kann es nicht lange mehr dauern. Aber Gott allein kann wißen, wann das Ziel bestimmt ist. Luise hat doch so eine Zähigkeit in sich, die auch macht, daß sie oft mit lauter Stimme spricht, sogar viel spricht, freilich in kurtzen Sätzen, da die Schwäche das Hintereinandersprechen nicht erlaubt. So erzählt sie mir und Marichen viel von ihren Kinderjahren, weiß noch Geschichten aus den Kinderbüchern und Erzählungen von Bökchen,182 dann von der Jugendzeit, wo sie so viel mit Fritz in Sanssouci gewesen ist und in Charlottenburg, wo vorgelesen wurde oder sie Parthien zusammen machten. Solche Erinnerungen amüsieren und beleben sie momentan, und dann sinkt sie ganz zusammen und kann kaum sprechen. Kommt aber jemand zu Besuch, so kann sie sich doch noch zusammennehmen und nach ihrer Art sprechen. So war es gestern, wo Editta und Perponches183 hier zum Diner waren, ließ Luise dann beide Damen hereinkommen. Trotzdem, daß sie einen Augenblick vorher noch sagte, ich kann nicht mehr, ich bin zu matt, nahm sie sich zusammen und war leidlich. Diese Nacht hat Luise bis 3 Uhr garnicht geschlafen, und dann mit viel Unterbrechung, sodaß sie bis 10 Uhr noch nicht Thee getrunken und still liegen bleiben wollte. Liebe Elis, es ist ein Jammer, das Leben so hinscheiden zu sehen. Und nun muß ich am 22ten fort, um noch mit meinem Sohn Wilhelm in Schwerin zu sein, der sich auf der Reise und in der vaterländischen Luft schon erholen soll184 und sehr glücklich sich fühlt, Frau und Kind wieder zu haben. Nach mir verlangt er sehr und ich nach ihm, ist er mir doch wieder wie neu geschenkt durch Gottes Gnade und Schutz. Aber mich von Luise zu trennen, ist zu schrecklich in diesem Zustand, wo man nicht weiß, was die nächste Stunde bringt. Auch bin ich sehr in Sorge, mein Sohn Fritz hat ein so wichtiges großes Commando bekommen mit solcher Verantwortlichkeit.185 Wenn er es nur siegreich durchführt. Gott wird ihm beistehen und die gerechte Sache nicht verlaßen. Die Räumung Orleans war gewiß nothwendig und in großer Ordnung geschehn, aber das erste Mal, daß die Deutschen einen Schritt zurück thaten.186 Nun leb wohl, Luise und ich hoffen, daß die Evantaille187 181 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 182 Henriette Auguste Bock (1762–1845), ehem. Erzieherin der Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 183 Wilhelm Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1819 –1893), preuß. Gesandter in den Niederlanden, und Antoinette Gräfin von Perponcher-Sedlnitzky, geb. Gräfin von Maltzahn (1825 –1899), ehem. Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen, seit 1861 Oberhofmeisterin von Königin Augusta von Preußen. 184 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 6. Kavallerie-Division, verwundet am 9. Sept. bei der Explosion der Festung von Laon. 185 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hatte als preuß. General der Infanterie ein wichtiges Kommando über eine neu gebildete Armeeabteilung erhalten, bestehend aus dem preuß. XIII. Armeekorps, dem bayr. I. Armeekorps und zwei preuß. Kavalleriedivisionen. 186 Nach der verlorenen Schlacht bei Coulmiers gegen die neu aufgestellte frz. Loire-Armee hatte der bayr. General Ludwig von der Tann-Rathsamhausen (1815–1881) mit seiner Armeeabteilung die Stadt Orléans am 9. Nov. räumen müssen. 187 Frz. éventail = Fächer.
1870
659
Dir nachgeschickt ist. Es machte uns so viel Freude, Dir noch ein Mal zusammen ein Geschenk zu machen! Deiner Schwester herzliche Empfehlung. Deine treue Adine Die Kammerfrau kam eben zu mir, um Nachricht von Luise zu geben. Die sagt auch, es wäre sehr auffallend, wie die Kräfte schwinden, und wenn das so fortginge mit schlechten Nächten und wenig Eßen, so könne es nicht mehr lange so fortgehen. Leb wohl, der Brief muß fort. Schwerin, den 5ten December 1870 Liebe Elis, da ich nicht weiß, ob Du direkte Nachricht von unserer lieben Luise [hast], so lege ich 2 Briefe ein. Der eine ist von Putchen, der andere von Byland.188 Aus beiden wirst Du sehen, wie schlecht es steht.189 Noch lege ich einen Brief bei von Marichen, den ich eben bekommen. Ach Elis, welch ein Jammer, die liebe Schwester so hinscheiden zu sehen. Die Kräfte nehmen rasch ab, und dies schlimmer, und der Geist, welcher umwölkt ist, alles Schwäche. Wie sie daran leiden mag. Jetzt spricht sie es vielleicht nicht mehr so aus, aber empfinden thut sie es gewiß. Wenn ich erst weiß, wann Putchen abreiset, das wird Luise einen gewaltigen Stoß geben. Dann reise ich gleich hin. Meine Idee war, am 13ten von Berlin abzureisen und vorher ein paar Tage dort zu bleiben, um Sohn Wilhelm noch zu sehen. Vielleicht reisen wir zusammen am 13ten, doch es hängt von Putchens Abreise ab. Wie es Dir wohl geht mit Deiner Gelbsucht? Man soll sich recht krank dabei fühlen! Dich bei meiner Durchreise in Charlottenburg zu sehen, ist wohl nicht daran zu denken? Wir leben hier sehr still. Ich darf nun ausfahren, und heute werde ich mit am Hof eßen, da ich ganz gesund wieder bin und nur aus Vorsicht mich in Achten nehme. Die Eltern von Marie190 sind seit 8 Tagen hier und werden noch bis künftige Woche bleiben. Leb wohl, meine Empfehlungen Deiner Schwester. Gott schütze ihre Söhne und unsere Lieben. Eben bekomme ich wieder Siegesnachrichten, aber das viele Blut nimmt alle Freude. Das muß man aber sagen, die Franzosen laßen sich nicht klein kriegen. Sie nehmen nun wohl ihre letzten Kräfte zusammen. Gott mit Dir und stelle Dich bald wieder her. Deine alte Adine
188 Ernst Graf von Bylandt (1813–1871), Leibarzt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 189 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, verstarb einen Tag später, am 6. Dez. 190 Prinz Adolf (1801–1875) und Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914).
660
Briefe 1851–1873
Abb. 20: Großherzogin Alexandrine verglich ihr Glück mit dem Haus Mecklenburg gerne mit der wenig zufriedenstellenden Wahl, die der Vater für ihre Schwester Luise mit dem Haus OranienNassau getroffen hatte. Häufige Aufenthalte in Muskau und Schildau erhielten der Prinzessin der Niederlande immerhin den direkten Kontakt zu ihrer preußischen Familie.
Schwerin, den 10ten December 1870 Meine liebe Elis, wie sehnte ich mich danach, Dir zu schreiben nach dem großen, großen Verlust, aber ich war so herunter, daß ich nicht konnte, und nach dem Haag mußten die ersten Briefe gehen.191 Du weißt, was ich verlohren! Wie hielten wir 3 Schwestern so innig zusammen, und nun bin ich allein übrig geblieben. Die 5 Wochen, wo ich noch mit Luise war, werde ich nie vergessen. Wir haben sie beide noch recht genoßen. Dann, besonders am Anfang, sprach sie noch so viel von alten Zeiten. Wir konnten uns so ganz darin vertiefen. Aber freilich, nach und nach nahm das ab, die Schwäche nahm zu sehr überhand. Schon in den letzten Tagen vor meiner Abreise umflohrten sich manchmal die Gedanken, aber sehr vorübergehend. Der Abschied von Luise wurde mir so sehr schwer, und doch hofften wir beide, ich käme bald wieder. Da mußte nun mein Bluthusten alles verderben. Ich konnte nicht fort. Der Artzt wollte es nicht, und als ich mich entschloß, doch zu reisen, war es zu späth. Welch schönes, sanftes Ende hat aber unsere liebe Luise gehabt, ein Hinüberschlummern. Der Blutauswurf nahm ihr wohl die letzten Kräfte. Den 11ten. Gestern konnte ich meinen Brief nicht beendigen, und nun habe ich durch Putchen und Fräulein von Linden192 mehr details. Aber alle stimmen überein, daß 191 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, war am 6. Dez. nach langer Krankheit verstorben. 192 Henriette von Linden, Hofdame bei Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen.
1870
661
das letzte Ende ein Hinüberschlummern war. Putchen schreibt, die Nacht wäre leidlich gewesen, die Schwäche wie nie. Sie hätte noch gesagt, ich bin ein dummer Esel, weil sie so viel geschlummert. Nach dem 2ten Frühstück, Suppe und ein paar Austern, die nicht sehr geschmeckt, hatte Putchen sich mit ihrer Arbeit ans Bett gesetzt und viel von mir noch gesprochen, ob ich wohl bald käme. Da hatte Luise gehustet, und sie hätte ihr das Schnupftuch gereicht, da hätte Luise die Hand aufgehoben mit einem Ausdruck, als wenn sie sagen wollte: „Das ist nicht gut.“ Und als Putchen das Waschbecken hinhielt, war ein Strohm von Blut aus dem Mund und [der] Nase gestürtzt, und sie wäre ohnmächtig geworden, aber wieder zu sich gekommen, hätte die Augen aufgeschlagen und die Lippen bewegt und ihr freundlich zugenickt, und als Fritz gekommen, zweimal: „Papa, Papa“ gesagt und ihr etwas ins Ohr geflüstert. Henriette Linden schreibt auch sehr ausführlich. Sie sind alle unten im Schlafzimmer gewesen. Das Bluterbrechen hat lange angehalten, das hat die Linden auch an Editta geschrieben. Leb wohl. Der Brief soll noch fort. Alle diese details haben mich von Neuen sehr erschüttert. Ich werde Dir den Brief von Putchen senden, erst will ich ihn nur beantworten. Ich bin recht matt. Deine treue Adine Deine liebevolle Aufforderung, Dich bald zu besuchen, werde ich dankbar annehmen, aber wohl erst nach Neujahr, denn es wird mir ein Trost sein, bei Dir zu sein und mit Dir zu weinen. Schwerin, den 18ten December 1870 Geliebte Elis, wie soll ich Dir danken, daß Du mir am 10ten durch Ady geschrieben hast, trotzdem, daß Du noch recht angegriffen warst. Ich hoffe, nun in Ruhe in Charlottenburg wirst Du Dich bald ganz erholt haben. Du wirst auch recht viel nach Haus de Pauw193 denken und an den armen Fritz, Putchen und Marichen. Noch haben sie die geliebte Mama und beten täglich an ihrem Sarg und bringen Blumen. Du hast auch einen Kranz aus Sanssouci geschickt, was viel Freude gemacht. Morgen Abend wird die liebe Luise aus ihrem Schlafzimmer, wo sie noch steht, nach dem großen Saal gebracht und am 21ten dort von dem Prediger aus dem Ort Wassenaar, wo sie immer zur Kirche gingen, eingesegnet. Dann geht der Zug still bis zur Stadt, dort aber eine Ceremonie durch die Stadt, und dann fährt alles 6 Stunden nach Delft mit dem armen Fritz. Ob die Töchter auch, weiß ich nicht. Welch ein Moment wird das sein, wenn sie sich auch von der lieben Hülle trennen müßen, und das Haus nun leer sein wird, ein schrecklicher Gedanke. Gott möge den Armen beistehen. Marichen ist sehr glücklich, den Wied194 bei sich zu haben. Ich muß nur immer daran denken, wie Luise mir sagte, als sie von Rei193 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, war am 6. Dez. nach langer Krankheit gestorben und wurde in Huize de Paauw, dem Landsitz ihrer Familie, aufgebahrt. 194 Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), verlobt mit Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910).
662
Briefe 1851–1873
chenhall und Muskau nach Sanssouci kam, daß diese Heirat sie ins Grab brächte. Und das ist auch ganz wahr, aber jetzt zuletzt sprach sie viel milder darüber. Aber freuen konnte sie sich nicht, und so ist es auch bei dem armen Fritz, der ja wußte, wie es an ihrem Leben nagte, und nun muß er ihn um sich haben. Putchen schreibt, es wäre eine Freude zu sehen, wie das Brautpaar sich liebte. Dieser gemeinsame Schmertz wird ihre Herzen noch fester binden, und späther können sie doch zusammen davon sprechen. In Frankreich scheint mir dieser Augenblick etwas kritisch zu sein.195 Die Übermacht der Franzosen ist doch sehr [groß], nur die ungeheuren Tapferkeit der Truppen hat man es zu verdanken, daß sie noch immer geschlagen [werden]. Sie scheinen aber etwas Großes im Sinn zu haben. Gott wolle uns beistehen und uns nicht in der Noth verlaßen. Meine Schwiegertochter Marie, die einige Tage mit ihren Eltern196 in Berlin war, hat nicht gewagt, sich bei Dir zu melden, weil sie hörte, daß Du zu angegriffen seiest. Deiner Schwester sagst Du wohl, wie dankbar ich wäre, daß sie so liebevoll theilnahm an dem Tod von Luise. Manchmal will es mir unmöglich scheinen, daß ich sie nicht wiedersehen soll. Deine Adine Schwerin, den 30ten December 1870 Habe tausend Dank für Deinen lieben Brief, den ich heute Morgen erhielt. Ich glaube, ich habe Dir auch noch nicht gedankt für die Weihnachtsgaben. Du hast viel zu viel geschenkt für die jetzigen Zeiten. Das Grüne Zimmer war mir sehr wehmüthig, da ich im Haag bei Luise es noch gesehen in ihrer Mappe, und es mir gleich aufschrieb als Wunsch. Auch dort fand ich noch eine Menge Zeichnungen, die mir fehlten, und die ich dann alle aufgeschrieben zur beliebigen Auswahl. Luise war selbst beschäftigt, für sich etwas zu wünschen. Ich weiß nicht, ob es dazu gekommen ist, denn innerlich glaubte sie noch so lange zu leben. Ach Elis, welcher Schmertz, welche Entbehrung, ein solches Schwesterherz zu verliehren. Ich kann mich nicht darin fügen. Was für ein fürchterliches Jahr liegt hinter uns, thränen- und schmertzensreich. Und was wird das Neujahr bringen? Ich fürchte, auch wenig Freude. Wenn es Dir recht ist, liebe Elis, so werde ich nun Deine liebevolle Einladung, Dich zu besuchen, ausführen. Ich möchte nur wißen, wann es Dir passet. Ich dachte, vielleicht am 6ten oder 10ten Januar zu kommen. Bitte bestimme den Tag. Ich sehne mich sehr nach Dir, denn unsere Herzen verstehen sich. Wir sind ja auch wie Schwestern. Wie viel werden wir von unserer lieben Luise sprechen und zusammen weinen und überhaubt von so vielem! Der Besuch von Putchen war mir garzu lieb. Sie ist sehr, sehr traurig, aber so dankbar gegen Gott, daß sie noch die letzten 8 Tage mit der Mama sein konnte, und nachher noch bei dem armen Papa und Marichen zu sein. Der arme Fritz soll natürlich entsetzlich traurig sein, es aber bis jetzt haben tragen können. 195 Die neue Regierung der Dritten Französischen Republik hatte drei neue, große Armeen aufgestellt. 196 Prinz Adolf (1801–1875) und Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914).
1870
663
Aber mit der Zeit wird es immer schwerer, und welch stilles Leben wird es nun erst werden. Mündlich werde ich alles mittheilen, was ich weiß. Leb wohl in diesem schrecklichen Jahr. Gott gebe Dir ein besseres Neues Jahr und segne Dich und behüte Dich. Deine treue Adine
1871 Schwerin, den 23ten Januar 1871 Liebe Elis, erste heute kome ich zum Schreiben. Es war die ersten Tage so viel vor, daß ich zu nichts kam, und nun möchte ich Dir so recht von Herzen danken, daß ich habe bei Dir sein können. Es war eine solche Wohlthat, daß ich es nicht aussprechen kann, so mit Dir von der geliebten Luise zu sprechen und alles, was mein Herz bewegte. Denn Du bist ja immer schon wie eine Schwester für uns gewesen, und nun bist Du allein die Schwester, die mir geblieben. Aber das Entbehren und Vermißen ist so unsäglich schwer. Hier habe ich alles in der besten Stimmung gefunden, und es ist mir recht klar geworden, daß Miechen einen Druck auf ihrer Mama ausübt, den diese vielleicht sich selbst nicht klar ist. Aber sie ist ganz anders, heiter, unbefangen, theilnehmend, spricht. Des Abends trinken wir Thee mit den Damen, und da wird vorgelesen. Das geht alles so harmlos her. Das wird von Donnerstag an gewiß anders werden. Wenn ich mich irre, so wird es mir nur sehr lieb sein.1 Von meinem Sohn Fritz kam gestern Abend ein Telegramm. Er ist schon zimlich nahe vor Rouen, wenigstens auf dem halben Weg, und hat kleine Vorpostengefechte gehabt, wobei leider sein baierscher Ordonanzoffizier Graf Irch2 geblieben ist beim Überbringen eines Befehls. Fritz ist sehr traurig darüber, weil er ihn sehr lieb hatte. Von Marichen aus dem Haag hatte ich einen Brief, die mich noch bei Dir glaubt, Dir die Hände innig küßte, und Fritz ließ herzlich grüßen. Es ginge ihnen allen gut, nur garzu einsam und still. Es kam ihnen vor, als wenn sie nicht wüßten, warum sie lebten. Ihre gewohnte Lebensweise hat nun länger schon begonnen, gegen 2 Uhr fährt Fritz zur Stadt und kommt erst um 7 Uhr zurück, um ½ 8 Uhr wird mit dem Hof gegeßen. Im Winter wäre ihr der lange Vormittag und eigentlich Vorabend ganz lieb, nur kam er ihr oft sehr lang vor, da sie nun nicht bei der Mama mehr sein konnte und sie pflegen, was doch so ein Glück gewesen, so viel bei ihr sein zu können, und doch so unbeschreiblich traurig war, die Schwäche, das Hinscheiden aller Kräfte mit anzusehen, ohne helfen zu können. Ja, das war zu schrecklich, das mit anzusehen. Immer sehe ich das leidende Gesicht vor mir, und wie sie sich quälte, um es nicht zu zeigen. Arme, liebe Schwester! Von Bruder Albert sind die Nachrichten garnicht gut. Die Schwäche nehme zu, da die Nächte schlecht sind. Mit dem Auge ging es eher besser. Der Artzt hat an Ady geschrieben, Buking,3 er wäre garnicht zufrieden, er könne sich die Schwäche nicht erklähren. Du kannst denken, daß Ady und ich auch recht in Sorge sind. Ich glaube, Schulenburg4 wird
1 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) war nur vier Jahre jünger als ihre Stiefmutter Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922). 2 Christian von Yrsch (1844–1871), bayr. Sekondeleutnant und Ordonanzoffizier bei Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, gefallen am 21. Jan. vor Bernay. 3 Gustav Bückling (1844–1899), Assistenzarzt beim 6. Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 95. 4 Julius von der Schulenburg (1809–1893), preuß. Generalmajor und Hofmarschall bei Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872).
1871
665
Dir auch Nachricht geben. Ich hatte geglaubt, es wird Dir Recht sein. Nun leb wohl, ich hoffe, Du erholst Dich. Adine Schwerin, den 31ten Januar 1871 Liebe Elis, es war schon heute meine Absicht, Dir zu schreiben, da kam ein Brief von Fritz Carl an, [der], da er mich noch bei Dir glaubt, mir seine Empfehlung aufgetragen. Ich sende Dir den ganzen Brief, weil er Dich interessieren wird. Es ist schrecklich, was für Verluste besonders an Offizieren gemacht sind. Daher ist es doppelt erfreulich, daß nun Paris gefallen ist, Waffenstillstand, aus dem sich, so Gott will, der Friede entwickeln wird.5 Es ist eine solche Wohlthat, jetzt denken zu können, heute wird kein Blut vergoßen und in den nächsten Tagen auch nicht, wo man sonst jeden Tag zittern mußte. Ob schon die Rede davon ist, daß Wilhelm nach Berlin zurückkehrt, und wann? Ich und Ady, wir wollten dann herüber kommen. Das wird ein Jubel sein! Und wie inbrünstig werden wir dann Gott dem Herrn danken für seine Gnade, daß er alles so gnädig zu Ende geführt. Ich wollte Dir schon heute schreiben, damit Du morgen meinen Brief bekömst. Welcher Trauertag, der sonst ein Freudentag war. Armer Fritz Oranien und Marichen, wie schwer wird ihnen der Tag werden! Vergangenes Jahr waren wir in Cannes, und da war Luise schon so schwach, sah aber doch die Damen und Herren, und kam dann um 2 Uhr zu mir, die von neuem im Bett lag, und dort gab ich ihr mein Geschenk. Dadurch wurde der Tag auch recht getrübt. Wir hatten uns darauf gefreut, endlich einmal wieder den Tag zusammen zu sein und zu feiern. Marichen schreibt sehr schön über den Todestag: „Welcher Seegen, zu denken, daß der Sterbetag der Geburtstag der Ewigkeit ist! Einer Ewigkeit von Seeligkeit.“ Das ist sehr wahr, und das mußten wir oft festhallten, um uns nicht zu sehr zu betrüben. Aber das Entbehren und Vermißen ist so gränzenlos schwer zu tragen. Morgen ist auch Ady Geburtstag. Das macht den Tag recht schwer. Sie fühlt es recht für mich mit, aber ich will ihr den Tag doch nicht verderben. Von Wilhelm6 kommen jetzt mit einem mal mehrere Briefe, auch von Fritz. Am Geburtstag hatte Marie 3 Briefe, 3 Briefkarten und 4 Telegramms von ihm. Es muß irgentwo ein Hinderniß gewesen sein, daß die Briefe zusammen angekommen. Alles ist glücklich über Paris und Friedensaussichten und empört über die Art des Todes von Maltzahn.7 Die Nachricht ist erst am 20ten hingekommen. Wie geht es Dir nur bei dieser Kälte, täglich 10–14° und ein schäuslicher Ostwind, ein Feind aller Menschen. Du wirst wohl nicht herausdürfen? Ich 5 Am 28. Jan. hatte mit dem Fall von Paris auch die frz. Regierung unter Außenminister Jules Favre (1809–1880) einen Waffenstillstand für zunächst 21 Tage unterzeichnet, gegen den Willen des frz. Innenministers Léon Gambetta (1838–1882). 6 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879). 7 Der verschuldete Gustav Freiherr von Maltzahn (1817–1871), preuß. Rittmeister a.D. und Hofmarschall bei Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin, hatte sich am 7. Jan. auf Schloss Bellevue während eines Essens vor seinen Gläubigern erschossen.
666
Briefe 1851–1873
fahre täglich aus, aber alle Fenster geschloßen und huste wie sonst, aber nicht ärger. Wir leben immer ganz still weiter. Zum Eßen werden mitunter Damen und Herren gesehen, abends wird vorgelesen, und so vergeht ein Tag nach dem andern. Nun leb wohl, morgen gedenken wir der lieben Luise, die in Frieden ruht. Manchmal will es mir unglaublich scheinen, daß sie nicht mehr lebt und wir sie hier auf Erden nicht wiedersehen. Deine treue Adine Schwerin, den 7ten Februar 1871 Denke Dir, liebe Elis, mein Sohn Fritz hat uns heute Morgen überrascht. Um ½ 5 Uhr kam er an, und ich hörte ihn im Schloß einfahren. Er sieht wohl aus, ist mager geworden und sehr glücklich, 8 Tage mit uns sein zu können. Marie ist leider sehr erkältet und war recht unwohl, was bei ihrem Umstande immer ängstlich ist.8 Allein, es hat nichts zu sagen, und die Freude wird sie wohl bald gesund machen. Natürlich habe ich Fritz bis jetzt nur flüchtig gesehen. Er sagt, die Truppen waren über alles Lob erhaben. Dieser Geist, diese Tapferkeit, Hingebung, es wäre fabelhaft. Mit solchen Truppen müßte man siegen. Sie hätten wirklich Übermenschliches geleistet. Wegen dem Frieden hoffe man zustande zukommen. Es käme darauf an, daß Paris die Oberhand über Bordeaux behielte, den Gambetta wäre ganz unbändig und hätte im Süden viel Einfluß.9 Sonst im Lande wäre die Stimmung für Frieden. Die 4 französischen Armeen existierten nicht mehr, aber sie könnten immer wieder erstehen, da man das Menschenleben nicht achtete und herantrieb, was man bekommen konnte. Den 8ten. Gestern konnte ich nicht mehr weiterschreiben. Es kamen zu viele Unterbrechungen. Am Abend brachte man einen Fackelzug und waren große Illuminationen. Die politischen Nachrichten klingen sehr günstig, daß Gambetta abgetreten ist. Fritz meint, wenn auch nicht gleich, so wäre für die Orleans sehr viel Aussicht. Besonders so um Dreux und im Norden wäre viel simpatien. Bruder Wilhelm war sehr wohl und sehr glücklich, daß die Forts so ohne Blutvergießen in unsere Hände gekommen wären. Der Erbe wäre sehr glücklich über seinen Titel,10 und er hätte es garnicht erwarten können. Schon zu Neujahr hat er gewollt und davon gesprochen, daß er ihn haben müßte. Also überraschend kam es Victoria und ihm nicht, wie sie behaubtet. Warum nicht die einfache Wahrheit nicht sagen! Wie es Dir wohl geht, liebe Elis? Ob Du deine Ausfahrten fortsetzt? Die letzten Tage war es gelinder, nun wieder 5° Kälte. Das Wechseln ist so schrecklich. Eben höre ich, daß 8 Schwangerschaft mit Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1871–1897), geb. am 5. April. 9 Der am 28. Jan. durch die frz. Regierung unterzeichnete Waffenstillstand galt zunächst nicht für den Südosten Frankreichs, wo Innenminister Léon Gambetta (1838–1882) von Tours bzw. Bordeaux aus weiter Widerstand leisten wollte. Am 6. Febr. trat er jedoch zurück und akzeptierte den Waffenstillstand. 10 Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen erhielt den Titel Kronprinz des Deutschen Reiches.
1871
667
Rauch gestern oder heute zu sein Frau komt, da seine Nerven auch so herunter sind.11 Da hat Tresckow12 ihn fortgeschickt. Fritz sagte auch, er wäre so herunter gewesen, hat sich allerhand schwartze Ideen gemacht von Verhungern und so weiter. Die Ruhe im Famillienkreise wird ihm gut thun. Ein Enkel von Mathilde Brandenburg, Graf Pukler,13 hat Fritz mitgebracht. Der Älteste steht bei den braunen Husaren. Er wird sich heute presentieren, da er erst gestern Abend angekommen ist. Ich habe dann die Bekanntschaft gemacht von dem jungen Grafen Pukler, ein sehr hübscher Mensch, mit sehr hübschen Augen und sehr angenehmes Wesen. Er gleicht, glaube ich, mehr seinem Vater, im Mund hat er etwas von Mathilde.14 Fritz mag ihn zu sehr, er wird von allen Menschen sehr geliebt. Wie bin ich aber traurig über den Tod des Schwiegersohns von Keller, Herr von Stojentin.15 Eben fand ich es in der Zeitung. Ich glaubte ihn in Besserung. Ist denn etwas dazu getreten? Die armen Kellers16 und die junge hübsche Frau. Sie werden hart geprüft. Wie geht es mit dem armen Sohn?17 Du wirst auch Antheil nehmen an dem Tod von unserem guten Bülow.18 Er war nur 8 Tage krank, 52 Jahre kenne ich ihn, bei meiner Person war er 38 Jahre, und dann am großen Hof, zuletzt Obermarschall. Er war ein treuer Freund und hatte Glück und Trauer mit uns getheilt. Das ist wirklich ein recht großer Verlust. So geht einer nach dem andern hin von den alten Freunden und Bekannten. Nun leb wohl, Deine alte Adine Innigen Dank für Deinen lieben Brief. Schwerin, den 26ten Februar 1871 Meine liebe Elis, meine Telegram hat Dir gleich meinen Dank gebracht für Deine vielen so lieben Geschenke, die mich alle tief bewegten und viele Thränen kosteten. Der Kasten ist zu lieb und schön, so unendlich zahrt gedacht und so schön und glücklich ausgeführt. 11 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 17. Kavalleriebrigade in Schwerin, verh. 1851 mit Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901). 12 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, Chef des Militärkabinetts. 13 Friedrich Wilhelm Graf von Pückler (1849–1918), Sekondeleutnant im 1. Schles. Husarenregiment Nr. 4. 14 Mathilde Gräfin von Pückler, geb. Gräfin von Brandenburg (1825–1900), verh. 1847 mit Erdmann Graf von Pückler (1820–1864), preuß. Major. 15 Oscar von Stojentin (1843–1871), verh. 1870 mit Elisabeth Gräfin von Keller (1851–1929), gest. am 4. Febr. in Potsdam. 16 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1838 mit Jenny Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1813–1900). 17 Drei Söhne von Alexander Graf von Keller dienten 1871 in der preuß. Armee, einer war schwer verwundet worden. Siehe Briefe vom 4. und 7. Nov. 1870. 18 Jasper von Bülow (1794–1871), gest. am 5. Febr. in Schwerin, Oberforstmeister von Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, seit 1837 dessen Hausmarschall, 1858 zum Oberhofmarschall ernannt, ging 1865 in den Ruhestand.
668
Briefe 1851–1873
Wie ehnlich ist die Photographie von der lieben, lieben Luise, und der Lillienzweig mit dem schönen Spruch. Wie ist das schön. Ich kann garkeine Worte finden, um Dir so recht zu danken. Ebenso die Gallerie von Sophie Charlotte,19 welche für Luise bestimmt war, und nun zuletzt das Medaillon. Wie ich höre, hat Andine20 eine Äußerung aufgefangen und weiter gebracht. Es wunderte mich, daß es garnicht wieder kam, nachdem sie es von mir verlangt hatte. Den 27ten. Leider kam ich gestern nicht wieder dazu, den Brief fortzusetzen, und nun wird er erst abends fort kommen. Wir begreifen garnicht, daß noch nichts von Frieden oder Krieg da ist. Ich hoffe Frieden.21 [Vor] Gott wird man auf seine Knie fallen und Ihm danken für die Gnade, die Er uns unendlich erweist. Eben kam ich aus der Morgenandacht, und die kleine Elisabeth22 empfing uns mit einem Telegram in Händen und ward so ein kleiner Friedensengel, denn es enthielt die Nachricht von Unterzeichnung der Friedenspräliminarien. Das war ein Jubel. Gott sei gepriesen. Nun werden unsere Truppen in Paris einziehen, und dann Bruder Wilhelm und alle Lieben heimkehren. Das wird ein Augenblick sein, fast zu schön nach so langem Harren und Leiden. Ich komme natürlich nach Berlin. Verzeih, wenn ich schon hier meinen dummen Brief schließe. Ich bin zu aufgeregt, um meine Gedanken weiter zusammen zu nehmen. Noch 1000 Dank für alle Deine Liebe, die Du mir immer gleich beweist. Wir beide bleiben vereint wie zwei Schwestern bis zum Tode. Deine treue Adine Schwerin, den 4ten April 1871 Noch habe ich Dir garnicht geschrieben, liebe Elis, seit ich von Berlin zurück bin, denn ich kam gleich am Krankenbett von meiner lieben, alten Mama, was nach wenigen Tagen zu ihrem Ende führte.23 Ihr ist wohl, und sie ruht nach ihrer Arbeit. Man darf sie nicht zurückwünschen, denn mit 94 Jahren hat man das Leben recht ausgekostet, und sie ist nicht immer auf Rosen gewandelt. Aber sie trug alles nach des Herrn Willen mit Dehmuth und Ergebung und fühlte sich die letzten Jahre in Ludwigslust sehr glücklich, dort still, zurückgezogen leben konnte, wie sie es liebte. Und wenn man sie besuchte, so machte ihr das Freude. Die arme Mama hatte keine Schmertzen, aber sie litt doch viel an zu großer Schwäche, großer Unruhe und Angst. Dabei war sie fast ganz taub und sah nicht mehr, was alles recht erschwerte. Doch wenn man sich verständlich machen konnte, 19 Zeichnung der Galerie von Königin Sophie Charlotte von Preußen, geb. Herzogin von Braunschweig und Lüneburg (1668–1705), in Schloss Charlottenburg. 20 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 21 Am 26. Febr. war mit Frankreich der Vorfrieden von Versailles verabschiedet worden, der die teilweise Abtretung von Elsass und Lothringen vorsah. 22 Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin (1869–1955). 23 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1776–1871), war am 1. April im Alter von 94 Jahren in Ludwigslust verstorben.
1871
669
so war ihr Geist klar. Nur den letzten Tag war er abends umflohrt, und sie phantasierte. Sie hat 10 Tage garnichts gegeßen, die ersten 5 Tage ihrer Krankheit oft und viel sich übergeben. Das nahm ihr gleich die Kräfte. Nun ruht sie in Frieden und ist bei ihrem Herrn, dem sie ihr ganzes Leben treu angehangen und gedient hat. Für mich ist es ein rechter Verlust, 49 Jahre waren wir beisammen und haben vieles zusammen durchgemacht, und die liebe Mama verzog mich mit ihrer Liebe. Mit ihr geht die alte Zeit ganz zu Ende und viele Erinnerungen. Doch ich klage nicht, beweine sie aber von Herzensgrund. Den schnellen Tod von Putchen finde ich viel, viel trauriger.24 Wie war es nur möglich, daß es mit ihr so schnell zu Ende ging? Der arme Fritz Oranien, für den und Marichen ist es fast zuviel. Beide sollen ganz vernichtet sein, aber so einfach und wahr ihren Schmertz zeigen und tragen. Und der arme König von Schweden, der jetzt Putchen so liebte und nur sie um sich haben wollte, und daher hat sie ihr längeres Unwohlsein so hingeschlept, bis es nicht mehr ging. Sie ist ganz [bei] Besinnung gewesen, hat von allen Abschied genommen. Der Abschied vom König soll herzzerreißend gewesen sein, und er selbst wurde ohnmächtig fortgetragen. Man fürchtet sehr für sein Leben. Wie rasch ist Putchen ihrer Mama25 gefolgt, in 4 Monaten. Ach, wie ist das so sehr traurig. Ich muß immer an den armen Fritz Oranien denken, der jammert mich so unbeschreiblich. Am Dienstag, den 11ten wird Beisetzung sein in Ludwigslust in der Capelle im Garten, wo der Erbgroßherzog steht mit seinen beiden Frauen.26 Nun leb wohl, wie mag es Dir nur gehen? Ob Du Dich erholt hast vom letzten Unwohlsein? Deine treue Adine Schwerin, den 14ten April 1871 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen Brief vom 7., Charfreitag. Die Osterwoche hat gestärkt und belebt, so viel Schweres zu tragen. Ja, was für Trauer liegt dazwischen, daß wir uns trennten. Der Tod der guten lieben Mama geht mir doch persönlich am nächsten, aber bei einem solchen Alter mit 94 Jahren, fast blind und taub, da kann man sich nur freuen, daß sie bei Ihrem Herrn ist. Aber der Tod von Putchen, der geht tief und greift furchtbar tief in so viele Kreise und Verhältnisse. Das ist gerade so ein großes Unglück. Sie war so geliebt vom König27 und [der] ganzen Famillie, außer die Oskar.28 Er verehrte sie sehr, und das Land liebte sie. Es ist unbeschreiblich hart, so jung und frisch jemand ins 24 Königin Luise von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin der Niederlande (1828–1871), verh. 1850 mit König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872), gest. am 30. März in Stockholm. 25 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, gest. am 6. Dez. 26 Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1776–1871), wurde neben ihrem Mann und dessen beiden ersten Ehefrauen im Helenen-Paulownen-Mausoleum im Schlosspark von Ludwigslust beigesetzt. 27 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872) hatte offen zahlreiche Affären geführt. 28 Prinzessin Sophia von Schweden und Norwegen, geb. Prinzessin von Nassau (1836–1913), verh. mit Prinz Oskar (II.) von Schweden und Norwegen (1829–1907).
670
Briefe 1851–1873
Grab sinken zu sehen, und wenn man an den armen Fritz denkt, so begreifft man nicht, wie er diesen neuen Verlust tragen soll. Eben so Marichen. Beide sollen so tief traurig sein, aber so still ergeben im Willen des Herrn. Wie rasch ist Putchen ihrer lieben Mama29 gefolgt, in 4 Monaten. Mitten in dieser Trauerzeit ist Marie Schwiegertochter mit einem Sohn so rasch und glücklich niedergekommen.30 Ich konnte mit meinen Gefühlen garnicht fertig werden, dankte aber Gott, daß er dies ohne alle Angst und Sorge hat überstehen laßen. Leider soll Marie seit gestern viel husten, und daher wird sie das Bett noch nicht verlaßen. Ich habe sie seit Sonntag nicht gesehen, weiß daher garnicht, wie es in der Wochenstube hergeht. In Frankreich sieht es böse aus. Sie fressen sich untereinander auf. Was wird das Ende davon sein? Das Traurige ist nur, daß die armen Truppen nicht zurückkehren können und es ihnen jetzt schlecht geht. Man will ihnen dort nichts geben. Sie müßen alles mit Gewalt nehmen. Von Albert haben wir sehr gute Nachrichten. Weißt Du denn, daß Ady nach Albrechtsberg soll? Der Vater wünscht es, und Bruder Wilhelm hat es erlaubt. Ich bin ganz außer mir, weil es nicht anderes ist, als daß er seine Tochter dahin haben will, um sie mit der Madame31 zusammenzuführen. Denn wie sie ihn in Berlin besuchen wollte, als es hieß, er käme hin, wollte er sie nicht sehen. Vielleicht kannst Du an Wilhelm etwas darüber sagen. Ich möchte es so ungern, daß sie hinginge. Die gute Ady hat es mir verheimlicht und erst in Ludwigslust gesagt, als sie den Brief von Wilhelm mit Antwort erhallten. Sonst hätte ich es nicht zugegeben. Nun leb wohl. Wie geht es Dir? Hast Du Dich gantz erholt, was ich sehr hoffe und glaube. Die Zeitung sagt, Du wärest im Palais gewesen, zum Kinderfest zum Geburtstag von klein Victoria.32 Deine alte Adine Ich gratuliere zu dem neuen Orden! Warum ist der gestifftet worden, da ja ein anderer Louisen Orden existiert?33 Schwerin, den 24ten April 1871 Meinen innigen Dank für Deinen lieben Brief vom 18ten und die lieben detaills über Putchens Tod. Dies ist doch ein nahmenloses Unglück. Dem König34 soll es besser gehen, aber doch entsetzlich schwach noch. Er und Deine Cousine, die Königin,35 waren nicht 29 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, gest. am 6. Dez. 30 Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1871–1897), geb. am 5. April. 31 Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879), morganatisch verh. 1853 mit Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 32 Prinzessin Viktoria von Preußen (1866–1929). 33 Kaiser und König Wilhelm I. hatte am 22. März das Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen für Verdienste während des Deutsch-Französischen Krieges gestiftet. Auch Königin Elisabeth von Preußen und Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin war der Orden verliehen worden. 34 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872). 35 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876).
1871
671
bei der Beisetzung. Natürlich sind von dem Tage noch keine detaills gekommen. Wir haben auch noch in Eile einen Herrn hingeschickt, den Oberstallmeister von Brandenstein,36 denn der König hatte die attention, mir zu schreiben und den Adjudanten Zederström37 zu senden, derselbe, der in Berlin war. Er sprach mit Thränen in den Augen von Putchen und wie sie geliebt gewesen, nicht bloß in der Famille, sondern im ganzen Lande. Am meisten jammert mich doch der arme Fritz und Maridchen. Sie sollen beide so tief trauern und so still und ergeben im Willen Gottes [sein]. Den armen Peter von Oldenburg38 hast Du auch gesehen. Der kam vom Haag, wo nun der arme Fritz sein Testament ändern muß. Da hat er nun noch mehr zu thun. Der plötzliche Tod von Peters Sohn39 ist auch betrüblich. In den nächsten Tagen wird von hier der Hofmarschall, Exzellenz von Brandenstein,40 der bei der alten Mama war, Dir den Luisenorden bringen. Er ist der jüngste Bruder von dem Oberstallmeister von Brandenstein, der in Berlin [in] früheren Jahren war.41 Dieser ist auch 68 Jahre, so jung wie ich, und nicht der hellste. Ady ist am Freitag von Albrechtsberg zurückgekehrt. Leider wurde Fräulein von Maltzahn42 krank an einer heftigen Halzentzündung, und da mußte sie anstatt einen Tag 4 Tage bleiben. Der Papa43 soll ganz entsetzlich aussehen, so mager, ehlend und ewig lang. Sein Auge ist glücklich opperiert. Er kann sehen, sitzt aber noch im dunklen Zimmer und wird Monate brauchen, ehe er sich ganz erholt. Du kannst denken, daß er sich sehr freute, Ady zu sehen, und nebenbei seine Absicht erreicht, daß sie mit Röschen44 verkehren mußte, die übrigens sehr bescheiden und rücksichtsvoll und taktvoll gewesen sein soll. Es bleibt aber doch recht traurig die Sache. Abbat Sohn ist in Kamenz, wo jetzt Friede und Eintracht herrschen soll und er sehr zufrieden ist. Nach der Zeitung geht Fritz Wilhelm nach Petersburg, wohl zum Geburtstag von Sache. Heute ist der Todestag vom Thronfolger, auch ein unvergeßlicher Tag!45 Elisabeth Rauch46 war 2 Abende hintereinan36 Otto Freiherr von Brandenstein (1830–1899), mklbg.-schw. Oberstallmeister und Chef des Marstalls. 37 Claes Cederström (1824–1893), schwed. Oberstleutnant und Flügeladjutant. 38 Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881), russ. General der Infanterie, im russ. Staatsdienst für Bildungsfragen, soziales Engagement in Russland für Lehranstalten, Waisen- und Krankenhäuser, verh. 1837 mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 39 Prinz Georg von Oldenburg (1848–1871), russ. Premierleutnant im Preobraschenski Leib-Garderegiment, gest. am 17. März. 40 Otto Freiherr von Brandenstein (1805–1884), ehem. Hofmarschall bei der verstorbenen Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 41 Joachim Gottfried Freiherr von Brandenstein (1790–1857), preuß. Generalmajor, Oberstallmeister und Chef des Hauptgestüts. 42 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen. 43 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) verstarb nach längerer Krankheit am 14. Okt. 1872. 44 Rosalie Gräfin von Hohenau, geb. von Rauch (1820–1879), morganatisch verh. 1853 mit Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 45 Großfürst Nikolaus Alexandrowitsch von Russland (1843–1865), gest. am 24. April 1865. 46 Elisabeth von Rauch, geb. Gräfin von Brühl (1827–1901), ehem. Hofdame von Königin Elisabeth von Preußen.
672
Briefe 1851–1873
der bei mir, mußte uns viel von Dir erzählen und fand Dich gut aussehen. Sie hatte auch die Freude, Naka Pappenheim47 zu sehen, die wie eine Tonne sein soll. Sie wird Dir auch gesagt haben, daß Elise Fersen mit Mann und Kind nach Dresden ziehen werden.48 Es ist eine traurige Lage. Hat Reuß VII.49 Dir nicht vielleicht die ganze Sache erzählt? Er hat sie ja miterlebt. Hier bei uns geht alles gut, Marie ist so wohl und munter, ist aber sehr vernünftig und schont sich. Der Tauftag ist auch noch nicht bestimmt.50 Paul, der hier 8 Tage krank war an Erkältungsfieber, ist heute nach Berlin, um sich zu melden, daß er in den Zieten Husaren gekommen ist.51 Die schöne Uniform wird ihm gut stehen. Nun leb wohl, das Wetter ist doch schäuslich, kalt, Regen, Wind und dabei wird es grim,52 obgleich in den letzten Tagen ein Stillstand eingetreten ist. Deine treue Adine Schwerin, den 10ten Mai 1871 Noch habe ich garnicht gedankt für Deinen lieben Brief vom 1ten des Monats, und nun habe ich von den Kindern von Dir gehört. Aber leider hast Du wieder Husten. Annchen53 war ganz glücklich über die schöne Puppe, welche Du ihr geschenkt. Sie erzählte es mir gleich, auch Miechen54 war sehr erfreut über Deine Freundlichkeit. Beide scheinen sehr zufrieden, wieder zurück zu sein. Die junge Mama Marie55 ist wieder ganz wie sonst, war heute zur Morgenandacht und fährt etwas aus. Am 17ten wird die Taufe sein, wozu Fritz Wilhelm und Victoria nur auf 24 Stunden kommen, was sehr schade ist. Außerdem kommen Altenburgs.56 Die arme Agnes ist nun so taub, daß man alles aufschreiben muß.
47 Anastasia Gräfin zu Pappenheim, geb. Gräfin von Schlieffen (1827–1898), verh. 1854 mit Ludwig Graf zu Pappenheim (1815–1883). 48 Elisabeth (Elise) Gräfin von Fersen, geb. von Rauch (1820–1909), ehem. russ. Hofdame, mit ihrem Ehemann Paul Graf von Fersen (1800–1884), russ. Oberst und Oberjägermeister, und ihrer Tochter Alexandra Gräfin von Fersen (1856–1940). Die Familie zog nach Dresden, nachdem Paul Graf von Fersen auf einer kais. Bärenjagd versehentlich den russ. Jägermeister Wladimir Jakowlewitsch Skaryatin (1812–1870/1871) erschossen hatte und am 25. Jan./6. Febr. entlassen worden war. 49 Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), dt. Botschafter in Russland. 50 Taufe von Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1871–1897), geb. am 5. April. 51 Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1852–1923) wurde zum preuß. Sekondeleutnant à la suite im Brandenburgischen Husaren-Regiment (Zietensche Husaren) Nr. 3 ernannt. 52 grimm = wild, schrecklich. 53 Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882). 54 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 55 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922), hatte am 5. April Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1871–1897) geboren. 56 Herzog Ernst I. (1826–1908) und Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897).
1871
673
Die Tochter Marie57 kömt auch mit, und wird in der Welt lenciert,58 was ihr viel Spaß macht. Ich werde am 19ten von hier abreisen und abends späth in Berlin ankommen, kann Dich dann leider nicht sehen, da ich den andern Morgen nach Marienbad weiter gehe. Die Ärtzte wünschen für mich, daß ich so früh wie möglich hinkomme, um nicht in der Hitze dort zu sein. Bis jetzt brauchte man keine Angst zu haben für die Hitze. Heute ist es aber prächtig, wenn es nur so bliebe, um daß Schwerin sich hübsch zeigte. Vor einigen Tagen bekam ich aus dem Haag eine Kiste mit Andenken von Schwester Luise. Das war zu schrecklich traurig. Ich konnte mich garnicht fassen, bei so vielen Sachen sah ich sie so deutlich, wie sie es getragen. Meist sind es Sachen, die ich Luise geschenkt, einiges, was Charlotte und Papa ihr gegeben oder sie nachher bekommen. Unter anderem einen alten Schaal von Mama,59 den Luise noch als Kind erhallten, ein schönes Roth mit weißen Borten und Palmen darin, und ich erinnere mich, daß ich ihr als Kind diesen Schaal immer beneidete. Wie ich das letzte Mal bei ihr war, hatte sie alle ihre alten Schaals kommen laßen, um sie mir zu zeigen. Da sprachen wir noch so viel von Papa und Mama. Nun ist sie mit ihnen und mit Putchen vereint. Dem armen Fritz soll es leidlich gehen. Er trägt schwer an den beiden Verlusten, aber mit Geduld und Ergebung, eben so Marichen, die aber die Freude hat, ihren Bräutigam60 zu haben. Im July soll die Vermählung sein. Ady will dann zu ihr hin. Ady wird auch am 19ten Schwerin verlaßen und einige Tage in Berlin bleiben, und dann nach Berchtesgaden, wo sie eine Villa mieten will. Wilhelm ist näher nach Paris gekommen, da sieht es toll aus und Thiers61 spricht viel, handelt wenig. Denke Dir, Deine Nichte, die Königin Josephine,62 hat mir einen sehr lieben Brief geschrieben durch Oberstallmeister von Brandenstein63 mit einigen detaills noch von Putchen und hat mir ihre Photographie gesendet, die ich mir wünschte. Da habe ich einem wohl stilisierten, französischen Brief antworten müßen. Der König64 hat mir seine und Putchens Photographie sehr groß eingerahmt geschickt. Ihn kenne ich nicht, Putchen aber ist garnicht gut. Nun leb wohl, ich hoffe, auf der Rückreise im Juny Dich in Sanssouci besuchen zu können. Deine treue Adine
57 58 59 60 61
Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854–1898). Frz. = in die Öffentlichkeit gebracht. Königin Luise von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1776–1810). Fürst Wilhelm zu Wied (1845–1907), verlobt mit Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910). Adolphe Thiers (1897–1877), frz. Ministerpräsident, führte die Friedensverhandlungen mit dem preuß. Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. 62 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876). 63 Otto Freiherr von Brandenstein (1830–1899), mklbg.-schw. Oberstallmeister und Chef des Marstalls. 64 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872).
674
Briefe 1851–1873
Marienbad, den 5ten Juny 1871 Meine liebe Elis, wie sehr leid ist es mir, daß Du wieder so krank gewesen bist. Ich hörte nur, daß Du die Kaiserin Marie65 nur einen Augenblick gesehen hattest, da Du unwohl, und ich dachte an Deinen Husten. Das Frühjahr und nun Sommer ist aber auch zu abscheulich. Es ist eine Kälte wie im Winter, was Marienbad nicht gerade sehr gut steht. Es wird jetzt erst grün, nachdem es 2 Tage geregnet, denn bei der Kälte waren Wind und Dürre garnicht zu ertragen. Menschen sind genug hier, aber alles läuft neben einander, ohne Bekanntschaft zu machen. Mathilde Taxis66 ist seit 2 Tagen hier, was für mich eine große Freude ist. Max Taxis soll aber leidend sein und sehr schwach.67 Die Umgebung ist sehr in Sorge um ihn. Er ist auch nach einem Ort gegangen, wo er Brunnen trinken und baden soll. Am Sonntag gehe ich von hier fort, bleibe die Nacht in Franzensbrunnen, wo ich Hugo Windisch Grätz finde mit 2 Töchtern Olga und Marie.68 Für die Eltern69 ist eigentlich das Bad verordnet, und auch Hugo soll es brauchen für Magenkrämpfe. Den Montag gehe ich bis Altenburg, wo ich die Nacht bleibe, um die arme Agnes70 zu sehen, und Dienstag komme ich durch Berlin. Um Mittag will [ich] bei Wilhelm Sohn eßen, der schon zurückgekehrt ist, und bin abends in Schwerin, wo am andern Tag der Einzug unserer Truppen ist. Und am 15ten komme ich wieder nach Berlin, um dort den Einzug der Garde mitzumachen, am Sonnabend die Enthüllung von Papa seiner Statue71 und Sonntag Dankgottesdienst. Das werden recht bewegte Tage sein voll Freude und Wehmuth, und wie viele Tausend sind in tiefer Trauer und in Thränen. Das verbittert die Freude, obgleich wir aus der Famille nur dem Herrn zu danken haben für die wunderbare Erhaltung aller unserer Lieben und für alles Große, was er an unserem Volk gethan. Nun leb wohl, ich hoffe, wenn ich am 15ten nach Berlin komme, daß Du dann ganz hergestellt, den Einzug, die Statuenenthüllung und Gottesdienst mitmachen kannst. Deine treue Adine
65 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880). 66 Fürstin Mathilde Sophie von Thurn und Taxis, geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg (1816–1886), verh. 1839 mit Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802– 1871). 67 Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis (1802–1871) verstarb am 10. Nov. 68 Die Prinzessinnen Olga (1853–1934) und Marie von Windisch-Graetz (1856–1929). 69 Fürst Hugo (1823–1904) und Fürstin Mathilde von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin Radziwill (1836–1918). 70 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897). 71 Die Enthüllung des Reiterstandbildes von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Berliner Lustgarten, geschaffen 1863–1869 durch den Bildhauer Albert Wolff (1815–1892), hatte ursprünglich am 3. Aug. 1870 zur 100. Geburtstagsfeier stattfinden sollen, musste jedoch durch den Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges verschoben werden und bildete nun den Höhepunkt der Militärparade zur Feier des Sieges über Frankreich am 16. Juni 1871. Siehe Brief vom 15. Juli 1870.
1871
675 Schwerin, den 27ten Juny 1871
Geliebte Elis, verzeih, daß durch Telegram die Bitte an Dich kam wegen dem Kasten, aber die Zeit drängt und mit dem hin und her Schreiben wäre so viel Zeit vergangen. Ich möchte nun wißen, ob Du Pläne für den Monat July hast? Ich möchte Dich nehmlich gerne in Sanssouci besuchen, wenn ich nach dem Haag gehe, was wohl am 14ten sein würde. Ich dachte, wenn es Dir so recht wäre, am 12ten von hier abreise, abends bei Dir ankomme, den 13ten bleibe bis 14ten abends und dann weiter reise. Von Marichen habe ich zwei sehr liebe Briefe, wo sie mir aussprach den großen Wunsch, daß ich zur Hochzeit kommen möchte.72 Sie wie ihr Papa fühlten zwar, wie schwer es mir werden würde, daher wäre es keine Einladung, aber ihr Papa hätte ihr gesagt, „er wäre überzeugt, wenn Mama eine Bitte aus dem Himmel hersenden könnte, würde sie gewiß mich bitten, sie so viel wie möglich bei der Hochzeit zu vertreten.“ Du kannst denken, wie mich dies freut, und so wird ja der Herr geben, daß ich den großen Schmertz und das Schwere werde ertragen können. Die Trauung soll in der Dorfkirche sein, daher man in elegantem Morgenkleid sein würde und ohne Huth, darauf dejeuner. Was weiter sein würde, wußte man nicht. Das arme Marichen schreibt so unendlich traurig. Sie könnte es noch garnicht faßen, daß sie so mitten in ihrer doppelten Trauer Hochzeit machen sollte und ihren lieben Papa verlaßen. Sonst ginge sie mit Zuversicht der Zukunft entgegen. Ich habe auch die Überzeugung, sie wird glücklich werden mit ihrem Wilhelm, aber manches Schwere wird sie finden! Ady und Abbat werden auch kommen. Erstere scheint ganz wieder hergestellt, nur noch etwas matt. Wilhelm wird diese Tage bei ihr gewesen sein. Wie Dir diese schäuslichen Tage wohl bekommen sind? Vorgestern Abend bis gestern Mittag hat es geregnet mit starkem Wind, so daß mein Garten hier im Greenhaus überschwämmt war an einzelnen Stellen. Sonntag und heute bin ich zum Eßen und Thee in Steinfeld, von wo Mittwoch Mariechen mit der Oberhofmeisterin73 nach St. Mauriz reist zu Kur, und am Freitag, so ist wenigstens jetzt bestimmt, geht mein Sohn Fritz nach Carlsbad. Dann werde ich auf einige Tage nach Steinfeld ziehen zu Marie, die alleine mit ihren Kindern dort bleibt, und Mitte July ihre Cousine Elisabeth von Lippe74 zum Besuch erwartet. Wenn der Bräutigam75 nur halb so wäre wie seine Schwester, die so ausgezeichnet und vortrefflich ist. Ich kann mich noch immer nicht mit der Verlobung aussöhnen. Ich befürchte immer, Marichen wird es ernst bereuen! Nun leb wohl, Deine treue Adine
72 Heirat von Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit Fürst Wilhelm zu Wied (1845– 1907) am 18. Juli. 73 Pauline (Paula) von Bülow, geb. Gräfin von Linden (1833–1920), seit 1868 mklbg.-schw. Oberhofmeisterin. 74 Fürstin Elisabeth zur Lippe, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1833–1896), verh. 1852 mit Fürst Leopold III. zur Lippe (1821–1875). 75 Verlobung von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) mit Fürst Georg von Schwarzburg-Rudolstadt (1838–1890).
676
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 24ten July 1871 Meine liebe Elis, heute kehrst Du nach Sanssouci zurück, und da eile ich, meinen Brief dahin zu senden. Zu gern hätte ich Dir vom Haag aus geschrieben, aber wenn ich in mein Zimmer kam, war ich so erschöpft, daß ich mich ruhen mußte, um neue Kräfte zu sammeln. Du kannst denken, wie schwer mir der Aufenthalt war. Das Wiedersehen mit Fritz und Marichen in einer Station vor dem Haag war furchtbar traurig. Wir alle waren ganz auseinander. Ich fand Fritz gealtert, mager und grau geworden und ein Ausdruck voll Schmertz, der überwältigend war. Marichen ist auch ganz mager und [hat] so eine kranke Farbe und auch denselben Trauerausdruck, nur zu natürlich. Im Haag auf dem Bahnhof war Sophie76 voll Theilnahme und Herzlichkeit. Perponsche77 war nur bis Arnheim entgegen gekommen und erquickte uns durch köstlichen Caffée. In Huit de Paauw,78 wo der Hof von Luise, Damen und Herren, das war auch ganz furchtbar, diese wieder zu sehen, und dann die Zimmer zu betreten, wo Luise nicht mehr war und ich sie vor 7 Monaten noch gesehen. Wir gingen gleich ins Schlafzimmer, und ich kniete am Bett, wo sie ausgelitten hatte, und wo ich so oft bei ihr geseßen. Ich betete und weinte mich recht aus. Dann brachten sie mich nach meinem Zimmer oben herauf und waren so unbeschreiblich gut und sprachen mir ihre Freude und Dank aus, daß ich gekommen wäre. Es wäre aber solche Wohlthat für sie, und Luise würde es gewiß freuen, wenn sie es wißen könnte, daß ich bei Ihnen wäre. Solche Beweise von Liebe konnten mir nur wohl thun und gern das Schwere, was damit verbunden, zu tragen. Das Diner war mit dem Hof, und alle sprachen mir ihre Freude aus, daß ich gekommen. Sie hätten fest darauf gehofft und gerechnet. Die beiden ersten Tage waren wirklich sehr traurig. Dann kam Abbat Sohn, der mit seiner guten Laune alles aufheiterte. Wir haben in den Tagen oft gelacht, daß selbst der arme Fritz mit lachen mußte, und er half uns oft über traurige und peinliche Momente fort, so am Hochzeitsabend und Landemain. Die Hochzeit dauerte 7 Stunden.79 Um ¾ 1 Uhr versammelten wir Prinzessinnen [uns] oben bei Marichen, die in einer drap d’argent Robe,80 gestickt, oben hohe taille hatte, Form offen, wie man es jetzt trägt, um den Halz die Krondiamanten von kolossaler Größe und ebenso eine Brosche vor, auf dem Kopf eine Prinzessinnenkrone von jouvelen von Sophie, die ihr sehr gut stand, daherum Orangen und Mirtenkranz, ziemlich flach, und einen langen Tüllschleier, als Krone und Schleier befestigt, gingen wir herunter im Salon von Luise, wo der König81 und die Prinzen waren. Da wurde die Civilehe vorgenommen. Wir saßen dabei höchst unfeierlich. Als dies vorbei, fuhr man nach einer bestimmten Ordnung nach der Kirche von Wasna.82 Der ganze Weg und die Kirche waren sehr hübsch mit Ehrenpforten und 76 77 78 79
Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877). Wilhelm Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1819 –1893), preuß. Gesandter in den Niederlanden. Huize de Paauw, seit 1838 Residenz von Prinz Friedrich der Niederlande. Heirat von Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) mit Fürst Wilhelm zu Wied (1845– 1907) am 18. Juli. 80 Frz. drap d’argent robe = Robe aus Tuch mit zahlreichen Silberfäden. 81 König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890). 82 Gemeint ist Wassenaar.
1871
677
Blumen geschmückt. Das Brautpaar, Fritz Oranien und ich, wir fuhren zusammen in einem Wagen. Es ging wirklich. Erst versammelte man sich in der Sakristei, und dann ging man zum Altar, das Brautpaar vor uns, der König und ich, Sophie mit Fritz Oranien, die Prinzessin Heinrich83 mit Prinz Oranien.84 Dann setzte man sich, und nun hielt der Prediger eine lange, lange holländische Predigt, wie man sagt, taktlos und schlecht. Dann trat noch ein Prediger vor den Altar und sprach wieder entloß, zur Verzweiflung der allerhöchsten und hohen Herrschaften und Anwesenden. Eine Trauung wie bei uns und Einsegnung des Paares war garnicht die Rede. Das Brautpaar wechselte die Ringe allein, und dabei blieb es. Freilich mußten sie Fragen mit Ja beantworten. Damit war es nach 2 Stunden aus, und jeder fuhr nach Huis de Paauw wie vorgeschrieben. Wir gingen darauf zu Marichen herauf, wo sie die Robe ablegte, was man nicht bemerkte, da das Kleid eine Schleppen hatte. Und als die Gesellschaft sich unten versammelte, ging man herunter, sprach mit einigen Menschen. Sophie stellte mir die Damen flüchtig vor, dann ging es zu Eßen en famille. Das ging rasch und gut, dann ging man zur Gesellschaft. Marie machte Cercel,85 und wir drehten uns umher. Sophie ging bald fort. Der König blieb noch 2 Stunden. Um ½ 9 Uhr waren wir in unsern Zimmern halb todt, zuletzt hatten wir uns gesetzt, weil wir nicht mehr konnten. Da ging der König dann fort. Um ½ 10 Uhr kamen wir zum Thee zusammen und fuhren dann zur illumination nach Wasna, was sehr hübsch war, und die frische Luft that uns gut. Ich und Fritz brachten Marie in ihr Zimmer, und ich blieb, bis sie zu Bett war. Dann eilte ich zu Bett. Am andern Morgen ½ 10 Uhr fuhr ich mit Sophie, was sie mir höchst liebevoll vorschlug, nach Delft, wohin [sie], wie sie sagte, oft ging, da ihr Sohn dort steht.86 Das war eine traurige Fahrt. Sophie ist sehr weich gestimmt und that mir wohl. Aber wie entsetzlich ist die Gruft, greslich. Am Altar geht eine schwartz ausgeschlagene Treppe tief, tief herunter in eine Art Keller, dunkel, feucht, und die Särge stehen in Vertiefungen in der Wand in der Luft auf Balken. Ganz schauderhaft, so schauerlich, nicht wohlthuend, noch friedlich. Doch weinte ich mich recht aus, ging aber mit gepreßtem Herzen fort. Sophie kniete erst an Luise ihrem Sarg und dann bei ihrem Sohn und war ganz aufgelöset in Schmertz. Sie jammerte mich recht. Ach, Luise dort in diesem gräulichen Ort zu wißen, ist doppelt schrecklich, traurig. Um 12 Uhr waren wir wieder zurück, empfangen von Fritz und dem jungen Paar, Marichen ganz unbefangen und heiter. Beim 2ten Dejeuner, wo wir unter uns waren, war Abbat prächtig mit seiner guten Laune und Heiterkeit. Um 6 Uhr war Diner bei Sophie mit famille im Haus vom Busch.87 Alles ging gut ab. Der König war die beiden Tage gnädig und freundlich. Den Abend waren wir wieder allein und ganz munter. Marichen hat sehr hübsche Sachen bekommen. Dein Armband mit 83 Prinzessin Amalia der Niederlande, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1830–1872), verh. 1853 mit Prinz Heinrich der Niederlande (1820–1879), Statthalter von Luxemburg. 84 Kronprinz Wilhelm der Niederlande, Prinz von Oranien (1840–1879). 85 Lesebefund. Mglw. eine Form von Kreistanz. 86 Prinz Moritz der Niederlande (1843–1850), gest. am 4. Juni 1850 an einer Hirnhautentzündung, beigesetzt in der Nieuwe Kerk in Delft, ebenso wie Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 87 Huis ten Bosch, Sommerresidenz von Königin Sophie der Niederlande.
678
Briefe 1851–1873
Deinem Bilde hat ihr zu viel Freude gemacht. Sie hatte es bei der Trauung an. Von Fritz bekam sie ein sehr schönes Armband von Saphiren und kleinen Brillanten. Vom Bräutigam ein Halzband, was aber zugleich Diadem macht, von sehr schönen Brillanten. Von der Schwiegermama88 eine sehr schöne Brosche, wo oben der Nahmenszug vom Wied in großen Brillanten, in der Mitte sein Bild wie eine halbe Haselnuß und unten alles mit Brillanten. Von Wilhelm und Augusta ein goldenes Armband mit einer großen, langen, etwas schwartzen Perle, wie ein Fingerglied lang und kleine Steine, recht schön. Von Sophie Opal Brosch mit Stein. Vom König soll ein Album mit Ansichten kommen. [Von] Abbat Sohn ein reitzendes Medaillon mit Bumels von weißen und rosa Perlen. [Von] Heinrichs89 ein recht schönes, goldenes Armband mit Türkisen und Brillant. Von den Damen Stühle, Mappen, Teppiche und Kißen. Von mir einen Lehnstuhl, wie Luise mir in Cannes gegeben mit ihrer Arbeit, mir war die Arbeit in Cannes gemacht worden. Dann Dein Kasten, der Marichen entzückte, und ein Armband mit Sophie. Am 20ten bin ich dann abgereist, was mir sehr leid that, denn erstlich werde ich nicht wieder nach Huis de Paauw kommen, und dann wird jetzt der Hof von Luise aufgelöset. Heute gehen auch die Damen fort, alles bleibt leer und öde zurück. Da will Fritz nun allein wohnen. Das ist ein schrecklicher Gedanke und erschwert Marichen noch mehr den Abschied, der nun wohl schon vorüber ist. Nun habe ich alles beschrieben und erzählt und frage nur, wie es Dir geht, wie der Aufenthalt in Pilnitz Dir bekommen und ob Du nicht zu ermüdet von der Reise zurückgekehrt bist. Noch innigen Dank für Deinen Brief aus Pilnitz, der Einzug dort soll sehr schön gewesen sein, eben so in München. Nur ist am andern Tag der König90 abgereist, ohne Abschied. Gott mit Dir, Deine alte Adine Am 1ten August gehe ich nach Dobbran, wo Ady nun schon seit dem 22ten ist. Ich fand sie noch in Bellevue, zwar sehr mager und blaß, aber gute, klare Gesichtsfarbe. Sie hat zuletzt noch ein 7tägiges Fieber gehabt, was der Artzt in Berlin mit Salbe fortgeschafft hat. Dobbran, den 8ten August 1871 Tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 1ten. Nun bist Du wieder in Ruhe in Dein liebes Sanssouci, wo es jetzt so schön sein muß. Hier in Dobbran ist es ganz himmlisch. Die unruhige Zeit ist mit heute vorbei, wo die Pferderennen waren, und nun kann man die stärkende, frische Seeluft recht genießen. Meine beiden jüngsten Windisch Graetzer Enkelinnen sind seit 3 Tagen hier.91 Olga sieht aus wie eine Rose, so frisch und schön, aber sie ist besser nach Franzensbrunnen, aber doch noch nicht hergestellt, und daher muß sie geschont werden, darf nicht tanzen und nur warm baden und früh zu Bett 88 Fürstin Marie zu Wied, geb. Prinzessin von Nassau (1825–1902). 89 Prinz Heinrich (1820–1879) und Prinzessin Amalia der Niederlande, geb. Prinzessin von SachsenWeimar-Eisenach (1830–1872). 90 Verm. König Ludwig II. von Bayern (1845–1886) nach dem Einzug der bayr. Truppen in München. 91 Die Prinzessinnen Olga (1853–1934) und Marie von Windisch-Graetz (1856–1929).
1871
679
gehen, was ihr garnicht zusagt. Marichen, die jüngere, ist sehr gewachsen und wird bildschön werden. Sie hat auch die feinen Züge ihres Vaters, das Obertheil ihres Gesichts gleicht Luise, besonders die Augen. Es sind liebe Kinder. Dobbran ist sehr besucht, leider spielen die Juden eine große Rolle. Aber es ist doch ein kleiner, hübscher Kreis für uns da, Herr und Frau von Wertern, Gesandter aus München,92 der Graf Arnim Boitzenburg mit Frau,93 Graf Arnim, jetzt Blumenberg mit Frau (Solms Sonnenwalde),94 General Herwart mit Frau und Tochter, sonst Gouverneur von Königsberg,95 mehrere mecklenburgische Famillien, sodaß es recht angenehm ist, mit diesen umzugehen, der Graf Schafgotsch von Gondulla96 und so weiter. Heute ist Theedansant, worauf die Jugend sich freut. Von Maridchen aus Wied habe ich einen recht zufriedenen Brief bekommen. Ihre neue Heimath gefällt ihr sehr, und sie fühlt sich glücklich, aber natürlich ist das Herz noch zu wund, und die Trauer tritt immer wieder lebhaft hervor, je mehr sie sich gefällt und sich niemand von den Lieben sich mit ihr freut. Der Gedanken an den verlaßnen Vater trübt auch alles. Sie wünscht sehr, daß er bald komme und sehe, wie hübsch alles ist. Heute haben wir auch die Verlobungsanzeige bekommen von Henriette Linden mit Herrn Barne.97 Fritz Oranien hat die Damen so gesetzt, daß sie heirathen kann. Ich freue mich, daß es so weit ist. Es war nicht hübsch mitanzusehen, wenn sie sich nicht hätten heirathen können. Maridchen hat die Freude gehabt, in Coblenz bey Wilhelm zu eßen. Das erste Widersehen war recht bewegt gewesen. Wilhelm ist dann bei ihr gewesen, und nun hofft sie sehr darauf, Dich in Stolzenfels zu sehen. Ist davon die Rede, daß Du hingehst? Wie wollte ich ihr diese Freude gönnen, denn sie sagte mir, „ich sehne mich so nach Tante Elis, mich mit ihr auszusprechen.“ Du scheinst diesmal recht den Aufenthalt in Pilnitz mit Deinen Schwestern genoßen zu haben. Es ist auch das große Glück, wenn man mit seinen Schwestern sein kann. Mir ist dies jetzt genommen. Ich entbehre es sehr. Du, meine Elis, bist doch meine treue, liebe Schwester, mein inniger Trost. Wann werden wir uns wiedersehn? Du hast Dich gewundert und gefreut, daß Miechen die Verlobung mit dem Rudolstadt aufgehoben hat.98 Uns ist es auch sehr, sehr lieb, aber wir hätten nur 92 Georg Graf von Werthern (1816–1895), preuß. Gesandter in Bayern, verh. 1863 mit Gertrud von Bülow (1841–1919). 93 Adolf Graf von Arnim-Boitzenburg (1832–1887), verh. 1865 mit Mathilde Gräfin von Schweinitz, Freiin von Kauder (1841–1874). 94 Georg Graf von Arnim-Blumberg (1832–1881), verh. 1857 mit Marka Gräfin zu Solms-Sonnenwalde (1838–1914). 95 Friedrich Herwarth von Bittenfeld (1802–1884), preuß. General der Infanterie und Gouverneur von Königsberg a.D., verh. 1841 mit Freda von Krosigk (1815–1886), und ihre Tochter Gabriele Freda (1853–1944). 96 Hans-Ulrich Graf Schaffgotsch, genannt Semperfrei von und zu Kynast und Greiffenstein, Freiherr zu Trachenberg (1831–1915), schles. Montanindustrieller und Parlamentarier, verh. 1858 mit Johanna Gryczik von Schomberg-Godulla, Adoptivtochter und Alleinerbin des Unternehmers Karl Godulla (1781–1841). 97 Verm. Verlobung von Henriette von Linden, ehem. Hofdame von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 98 Auflösung der Verlobung von Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) mit Fürst Georg von Schwarzburg-Rudolstadt (1838–1890).
680
Briefe 1851–1873
gewünscht, sie wäre sie nie eingegangen und hätte darauf gehört, was ihr Vater ihr gesagt. Allein, sie wußte es besser, er sei ein vortreflicher Mensch, er würde verkannt, sie liebte ihn und so weiter. Aber wie sie nun schreibt, hat sie bald bei näherer Bekanntschaft gefunden, daß er ganz anders wäre, und Äußerungen, die er gemacht, ihr sehr mißfallen, daß sie schon länger mit sich gekämpft, ehe sie zum Entschluß gekommen. Natürlich macht die Geschichte furchtbares Aufsehen und [wird] sehr verschieden beurtheilt, aber die Freude, daß sie loß ist, ist doch vorherrschend, da jeder Mensch ihr Unglück voraussah. Jetzt reist Miechen mit der Oberhofmeisterin von Bülow,99 der Hofdame Fräulein von Klipphausen100 und einem älteren Kammerherrn nach der Schweitz, soll erst Ende dieses Monats nach Schwerin zurückkehren, dazwischen zu der Großmama Reuß101 gehen. Ich hoffe, dieser Aufenthalt wird ihr gut thun. Fritz ist mit ganzer Famillie hier in Dobbran, Marie102 hat die ganze Sache sehr wehe gethan, was sehr natürlich ist. Ich glaube, daß ihre Mama103 mit die Hände im Spiel hatte bei der Verlobung. Nun leb wohl. Deine treue Adine Ludwiglust, den 14ten Oktober 1871 Liebe Elis, anstatt meiner wird dieser Brief bei Deinem Caffee erscheinen. Recht schwer ist es mir, nicht an diesem Tage mit Dir zu sein, was ich doch fast alle Jahre gesucht habe festzuhallten, und Du wirst gewiß zum Abendmahl gehen, was ich so gerne mit Dir genommen an der Trauerstätte, wo unser lieber Fritz nach dem Tode so lange gestanden. Ich finde, schon die Erinnerung an den Tag stimmt zu der heiligen Handlung und läßt sie noch gesegneter sein. Wie ich aus der Zeitung gesehen, bist Du am 11ten angekommen, und ich hoffe, ohne Erkältung, woran jetzt fast jeder Mensch leidet. Bei mir hat sich ein starker Schnupfen eingestellt, den ich hoffe bis zum 20ten beseitigt zu haben, um nicht unwillkommen zu sein. Am Donnerstag waren wir alle nach Schwerin, um eine Oper zu hören. Diese kleine Ausflucht hat uns alle sehr amüsiert, und wir werden es am Montag wiederholen. Es ist besonders für die Jugend, für Miechen und Adini, um denen einen kleinen Spaß zu machen. Diesen Augenblick sind sie alle zur Stapel chaise gefahren, woran ich keine Freude habe und zu Haus geblieben bin. Unser kleines Annchen104 ist recht leidend an einem Drüsengeschwulst, was sich zu einem Geschwür gebildet, was aufgehen will, und woran sie viel Schmertzen hat und recht leidet. Das arme Kind sieht so ehlend aus und ist sehr matt und angegriffen. Sonst ist alles wohl. Ady hat sich sehr 99 Pauline (Paula) von Bülow, geb. Gräfin von Linden (1833–1920), mklbg.-schw. Oberhofmeisterin. 100 Theda Freiin zu Inn- und Knyphausen (1843–1927), Hofdame bei Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin. 101 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 102 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922). 103 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914). 104 Herzogin Anna zu Mecklenburg-Schwerin (1865–1882).
1871
681
erholt und ist recht lustig und munter. Wilhelm geht viel auf Jagt und ist auch guter Laune. Das Wetter ist wieder prächtig und wird benutzt zum Reiten und Fahren. Du wirst dabei Sehnsucht nach dem schönen Rhein und Stolzenfels haben, was nicht zu verdenken ist, aber für Sanssouci ist es doch auch angenehm, besonders bei der Rückkehr. Wie geht es dem armen Keller?105 Ich hoffe, für Lüttichau, daß er bald fort kann.106 Nun leb wohl, in Gedanken bin ich Sonntag bei Dir. Deine treue, alte Adine Schwerin, den 7ten December 1871 Geliebte Elis, ich bin froh, Dich nun im warmen Charlottenburg zu wißen. Der Tag des Herüberkommens war aber recht schlimm mit Schneegestöber und Kälte, die auch immer noch anhällt. Heute ganz früh waren es 9° Kälte. Vielleicht ist die gut für die schrecklichen Pocken, die so viele Opfer fordern.107 Die armen Kellers108 thun mir so in der Seele wehe. Was haben sie nicht schon für große und dem Herzen so nahe Verluste gehabt. Der Herr muß sie sehr lieb haben, daß Er sie so schwer prüft. Nun bist Du wohl ganz auf Lüttichau109 angewiesen, auch nicht leicht für Dich, eine Wahl hast Du wohl noch nicht getroffen, und es wäre doch so sehr nothwendig. Wie schwer aber, jemand zu finden, der Dir angenehm und in Deinen Kreis passet. Gestern, geliebte Elis, dachten wir gegenseitig recht des Schmertzenstages, wo unsere liebe Luise uns entrißen wurde. Wenn man ein Schwesterherz verliehrt, so ist es ein Riß für das ganze Leben. Wenn man alt wird, wird man im Himmel immer reicher durch die Lieben, die uns vorweggehen, aber auf Erden immer ärmer. Damit will uns der Herr immer fester zu sich heraufziehen. Das müßte man recht festhallten, denn in den Worten liegt auch ein großer Trost, den Marichen mir einmal schrieb: „Welcher Seegen zu denken, daß der Sterbetag der Geburtstag der Ewigkeit ist, einer Ewigkeit der Seeligkeit!“ Und doch ist der Mensch so tief betrübt und beweint seine Lieben immerdar. Ach, das Vermissen und Entbehren ist so schwer. Du weißt vielleicht, daß das arme Marichen nicht zu ihrem Papa reisen konnte, da sie sehr stark erkältet ist und nun jeder mit seinem tiefen Schmertz getrennt bleiben mußte. Der arme Fritz, wie verlaßen ist er doch, und Marichen jammert mich ebenso. Auf diese Zeit war ihr ganzes Sehnen und Hoffen gerichtet. Welcher Trost wäre es für beide gewesen, zusammen den Trauertag zuzubringen, sich jede Stunde, jede Minute zurückzurufen, noch jedes Wort sich zurückzurufen, was die liebe Mama gesagt und wie ihr Ausdruck 105 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen. 106 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), preuß. Hauptmann der Reserve beim 1. Garde-Regiment zu Fuß und Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 107 Pockenepidemie bis 1874 mit hunderttausenden Toten mit der Folge einer reichsweiten Impfpflicht. 108 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1838 mit Jenny Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1813–1900). 109 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), preuß. Hauptmann der Reserve beim 1. Garde-Regiment zu Fuß und Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen.
682
Briefe 1851–1873
war. Zu beten an dem Bette, wo sie ihre Seele ausgehaucht! Man muß sich ja freuen, daß sie nun bei dem Herrn ist und alle ihre Leiden überwunden, und doch ist es so schwer, sie mißen zu sollen. Luise hatte so ein Herz voll Liebe und Treue und hing so fest an ihren Lieben. Es wurde ihr schwer, den Gedanken zu faßen, daß sie das alles verlaßen sollte. Aber als sie es faßte, war sie auch ganz ergeben in den Willen des Herrn! Ich habe jetzt auch eine recht alte Bekannte und Freundin verlohren durch den Tod der guten, alten Gräfin Sophie Schlieffen, geb. Jagow.110 Seit unseren Kinder- und Jugendjahren waren wir verbunden. Noch diesen Monat August sah ich sie in Dobbran, wo sie so unbeschreiblich schwach schon war, aber noch kalte Seebäder nahm, die sie meinte, ihr gut thäten. Und nun hatte sie so die Sehnsucht nach warmer Luft, die ihrer schwachen Brust Erleichterung bringen sollte, und kaum den Abend vorher in Mentone angekommen, entschlief sie sanft am andern Morgen in der Frühe fern von ihrem geliebten Sohn111 und in der Fremde. Ich beweine sie tief, aber ihr ist wohl, sie ruht bei dem Herrn, der ihr alles war. Auf ihn allein baute sie! Verzeih, daß ich so lange über diesen Gegenstand schrieb. Ich hoffe, daß die geimpften Pocken Dir nicht zu viel Schmertzen machen und recht schützen mögen.112 Leb wohl, geliebte Elis, Gott schütze Dich, Deine treue Adine Bruder Albert soll recht schwach sein, Ady meint, auch geistig. Wie ist das traurig!
110 Sophie Gräfin von Schlieffen, geb. von Jagow (1803–1871), gest. am 29. Nov., Tochter von Ludwig von Jagow (1770–1825), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant unter König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 111 Wilhelm Graf von Schlieffen (1829–1902), Majoratsherr auf Schlieffenberg. 112 Pockenepidemie bis 1874 mit hunderttausenden Toten mit der Folge einer reichsweiten Impfpflicht.
1872 Schwerin, den 6ten Februar 1872 Geliebte Elis, verzeih, daß ich so lange nicht geschrieben habe, aber es war mir garnicht möglich. Ich war die Zeit so in Anspruch genommen durch Bälle, langes Wachen, Tanzproben, Menschensehen, daß ich kaum Kräfte genug hatte, um alles auszuhallten. Nun ist etwas mehr Ruhe eingetreten, und ich bin sehr froh darüber. Ich hoffe, es geht Dir wieder ganz gut. Ich sah, daß Wilhelms bei Dir gegeßen haben, das heißt Bruder Wilhelm. Prinz Artur von England1 hat einen langen Aufenthalt in Berlin gemacht und dadurch Victoria etwas in Bewegung gesetzt. Mischel ist auch wieder durch Berlin gekommen. Cecile Olga2 ist in Neapel wegen ihrem Husten, ich hätte gedacht Tyflis, schon südlich genug, um gegen Husten zu helfen. Von unseren Reisenden3 haben wir Nachricht vom 2ten aus Assuan. Am 13ten kehren sie nach Cairo zurück. Sie sind entzückt von allem, was sie gesehen an Natur, Kunst und Wissenschaft. Beim Vice König4 haben sie gegeßen, halb türkisch, halb europäisch. In Seraille5 hat Marie mit ihren Damen gegeßen bei der Mutter6 und der Frau des Königs und der verwitweten Königin.7 Sie haben gelegen auf niedrigen Polstern und mit allen zusammen aus einer Schüssel mit den Fingern gegeßen von unzähligen Speisen, dann eine Pfeife geraucht, einen Sklaventanz mit angesehen, mit Ohren zerreißender Musik. Sie wären froh gewesen, als sie herausgekommen. Den anderen Tag haben sie einen Ritt in die Wüste gemacht auf Dromedare, was erstlich ängstlich gewesen, sich bald daran gewöhnt, um ein Rennen mitanzusehen. Und dann haben sie die Pyramiden bestiegen mit Hülfe von 3 Arraber Beduinen, die sie gehoben, geschoben und geworfen wie einen Federball. Das Besteigen wäre auch garnicht so beschwerlich gewesen, wie sie gedacht, und die Aussicht von oben bezaubernd. Auch hinein in die Pyramide sind sie gezogen. Das wäre aber sehr fatigant gewesen durch Hitze und unzeliche, enge Gänge. Hier wurde ich unterbrochen durch Blanche Rauch,8 die zum Besuch beim Bruder9 ist. Sie war 2 Stunden bei mir und hat so viel erzählt und geschwatzt, was mich sehr amüsiert. Durch ihr erfuhr ich auch, daß es Albert ziemlich gut geht, er enüyirt10 sich nur. Dem Sohn geht es besser. Die Fürstin hat ein Diner gegeben, wozu Elise Fersen auch ge1 Prinz Arthur von Großbritannien und Irland, Herzog von Connaught and Strathearn (1850–1942). 2 Großfürstin Olga Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891). 3 Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin reisten vom 1. Jan. bis 1. Mai über Italien durch den Orient und nach Griechenland. 4 Ismail Pascha (1830–1895), Vizekönig der osman. Provinz Ägypten. 5 Serail = Palast, Residenz und Regierungssitz eines osman. Herrschers, hier der Serail in Kairo. 6 Hoshiyar Qadin (1813–1886), verh. als dritte Ehefrau mit Ibrahim Pascha (1789–1848). 7 Personen nicht zu identifizieren. Die muslimischen Herrscher hatte traditionell mehrere Frauen. 8 Blanka von Schönermarck, geb. von Rauch, verw. Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim (1817– 1905). 9 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 17. Kavalleriebrigade in Schwerin. 10 Frz. ennuyer = langweilen.
684
Briefe 1851–1873
laden. Er ist in Paris, um sich zu zerstreuen, was allen lieb ist, denn er fühlt sich unglücklich.11 Blanche hat auch die Nelidof12 in Töplitz gesehen. Eine alte Frau sei sie geworden und menschenscheu, will niemand sehen. Sie war für ihre eigene Gesundheit da, mit Schuwalof.13 Von der hat sie mir auch noch viel erzählt. Nun sage ich schon lebe wohl, damit der Brief endlich in Deine Hände kömmt. Gott mir Dir. Deine alte Adine Schwerin, den 12ten Februar 1872 Du wirst dem Couvert schon angesehen haben, daß es ein Bettelbrief ist, den ich Dir schreiben muß. Da ich es aber viel einfacher finde, den Brief von Frau Gagern, geb. von Wengstern,14 den sie mir geschrieben, Dir zu senden, damit Du gleich siehst, um was sie bittet. Ob es gerade so in Erfüllung gehen kann, wie sie es wünscht, bezweifle ich. Du wirst wohl schon einen Brief aus derselben Ursach von Marie aus Strelitz erhallten haben. Ich lege es nun in Deine Hände und weiß, daß Du gewiß der Bitte nachkommen wirst, wenn es thunlich ist. Ich hoffe, es geht Dir gut bei diesem unbestendigen Wetter, was ich schrecklich finde. Leider ist Bruder Wilhelm wieder erkältet gewesen. Der Tod von Feo von Meiningen15 wird Dir auch leid thun. Das scheusliche Scharlachfieber ist doch zu heimtückisch. Mich jammern besonders die armen Kinder. Sie war so ganz besonders gut für Bernhart und die arme Marichen.16 Jetzt sind sie wieder verwaiset. Zwar wird die Großmama17 sich ihrer recht annehmen. Übrigens George18 bedaure ich auch sehr. Er war sehr glücklich mit ihr. Wir haben hier in Schwerin mehrere Verlobungen. Die uns am nächsten angeht, ist die Hofdame Fräulein von Knipphausen mit einem Witwer Herrn von Behr.19 Seine erste Frau war eine Schweitzerin, Rausch, deliziös, liebenswürdig und
11 Elisabeth (Elise) Gräfin von Fersen, geb. von Rauch (1820–1909), war Anfang 1871 mit ihrer Familie nach Dresden gezogen, nachdem Paul Graf von Fersen (1800–1884) auf einer Bärenjagd versehentlich den russ. Jägermeister Wladimir Jakowlewitsch Skaryatin (1812–1870/1871) erschossen hatte und aus dem kais. Hofdienst entlassen worden war. 12 Warwara Arkadjewna Nelidowa (1814–1897), russ. Hofdame und langjährige Geliebte von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 13 Mglw. Andrei Pawlowitsch Graf Schuwalow (1817–1876), russ. Oberhofmarschall. 14 Marie von Gagern, geb. von Wenckstern (1828–1904), verh. 1850 mit Otto von Gagern (1815– 1871), mklbg.-strel. Oberst und Flügeladjutant, gest. am 24. Nov. 1871. 15 Herzogin Feodora von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg (1839– 1872), war am 10. Febr. an Scharlach gestorben. 16 Erbprinz Bernhard (III.) (1851–1928) und Prinzessin Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen (1852–1923) aus der ersten Ehe von Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 17 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 18 Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 19 Theda Freiin zu Inn- und Knyphausen (1843–1927), Hofdame bei Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin, heiratete am 4. April Heino von Behr (1833–1895), Gutsbesitzer auf Hindenberg und Veelböken.
1872
685
reich, 3 Kinder hat er.20 Fräulein von Knipphausen ist überglücklich und liebt ihn seit der ersten Bekanntschaft. Und im April ist schon die Hochzeit, macht also die Reise mit Miechen nicht mit. Von Friedrich haben wir heute aus Grafenberg ziemliche Nachrichten. Er ist mitten in einer Krisis, und wenn die überstanden, soll er im Mai fort von da.21 Von Fritz und Marie haben wir heute ein Telegram aus Cairo, wo sie wieder zurück, entzückt von ihrer Nielfahrt, weil sie sich recht ausgeruht und daher mehr Kräfte haben, um alles Schöne in sich aufzunehmen.22 Nun leb wohl, Gott befohlen, Deine alte Adine Charlottenburg, den 12ten Februar 1872 Ich hatte so entsezlich lange nichts von Dir gehört, meine Adine, daß die Freude doppelt groß war, als Dein lieber Brief kam. Dank Dir von Herzen dafür. Morgen ist ja der Mardi gras,23 danach wirst Du mehr Ruhe haben. In Berlin sind, glaube ich, viel Bälle, wenigstens große Bälle, heute bey Karl, morgen im Schloß. Ich hoffe, Wilhelm wird das alles mit machen können. Als er gestern vor acht Tagen bey mir mit Michel aß, war er schon heiser und war die Woche nicht recht wohl, doch ging er auf den Subscriptions Ball im Opernhaus, was wohl unvernünftig war. Sonnabend sagte mir Fritz Wilhelm, er sey zu Bett und müsse den Ball bey Oubril24 aufgeben, obgleich er darauf brenne hin zu gehen. Heute Nachmittag kümmt Auguste, da werde ich von ihm erfahren. Michel hier zu sehen, war eine große Freude. Er ist ein so lieber Mensch, so verwandtschafttlich, so treu. Seine Frau25 blieb sehr ungern ohne ihn in Neapel. Es soll ihr etwas besser gehen, doch hustet sie noch. Prinz Arthur26 war etwas über 14 Tage hier. Er gefiel mir sehr gut. Er ist einfach und treuherzig und der einzige der Geschwister, der seinem Vater27 ähnlich sieht, aber en miniature. Wie entsezlich ist das Unglück des armen George von Meiningen.28 Ich kann nicht sagen, wie er mich jammert. Die liebe, schöne Frau war so gut für ihre Stiefkinder, ihre eignen brauchten sie noch so.29 Die Krankheiten in diesem Winter 20 Ida von Behr, geb. Rausch (1840–1871), gest. am 10. Sept. 1871, hinterließ die Kinder Karl (1864– 1938), Hedwig (1866–1947) und Anna von Behr (1869–1896). 21 Erbgroßherzog Friedrich Franz (III.) von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897) litt an chronischem Bronchialasthma. 22 Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin reisten vom 1. Jan. bis 1. Mai durch Südeuropa und das Osmanische Reich, dessen Vasall Ägypten war. 23 Frz. = fetter Dienstag, Bezeichnung für den Faschingsdienstag. 24 Paul von Oubril (1818–1896), russ. Gesandter in Preußen, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. 25 Großfürstin Olga Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden (1839–1891). 26 Prinz Arthur von Großbritannien und Irland, Herzog von Connaught and Strathearn (1850–1942). 27 Prinzgemahl Albert von Großbritannien und Irland, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861). 28 Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 29 Herzogin Feodora von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg (1839– 1872), war am 10. Febr. an Scharlach verstorben.
686
Briefe 1851–1873
sind schrecklich, beynahe immer tödtlich. Die armen Eulenburgs sind auch schwer heimgesucht.30 Den 13ten. Ich schloß meinen Brief gestern nicht, um Dir heute Nachrichten von Wilhelm zu geben. Auguste kam denn gestern Abend und erzählte mir, daß er sich auf dem Opernhausball wieder verdorben habe und den Tag darauf Schüttelfrost bekam, der sich auch wiederholte. Das Fieber ist gering, Gottlob, aber der Husten sehr stark. Er bleibt den Morgen im Bett und darf natürlich nicht ausgehen, wollte aber nicht, daß der heutige Ball im Schlosse abbestellt werde, was auch gewiß viel besser ist. Lehndorf31 telegraphirt eben, daß Wilhelm die Nacht zwar wenig geschlafen habe, aber sich nicht unbehaglich fühlte. Heute ist keine Veränderung in seinem Zustande. Es ist recht fatal, daß er wieder in den grippichen Zustand gekommen ist. Wir haben eine unangenehme Sympathie zusammen diesen Winter. Nach einem Husten im Januar hatte ich eine sehr quälende Magen Verstimmung, er auch, und nun huste ich abermals seit vorgestern, wo ich noch ausfuhr bey wahrhaften Frühlingswetter, aber schon nicht wohl war. Seit gestern weht ein arger Ostwind, der auch nicht ersprieslich ist. Vorher bekam ich Deinen Brief von gestern und danke herzlich. Marie von Streliz hatte mir wirklich schon in derselben Angelegenheit geschrieben, und Harder32 erkundigte sich gleich beym Curatorium der Luisenstiftung.33 Es wurde ihm die Antwort [gegeben], daß es unmöglich ist, bis im Jahr [18]74 voraussehen zu können, ob dann eine offene Stelle seyn wird, aber die Kleine34 soll notirt werden, und man wird thun, was irgend möglich ist, um den Wunsch der armen Mutter35 zu erfüllen. In Bezug auf die ältere Schwester36 thut es mir leid, sagen zu müssen, daß es unmöglich [ist], sie mit 16 Jahren aufzunehmen. So viele Schülerinnen sind ebenso alt und noch älter, da kann keine Autorität seyn. Die guten Nachrichten von Deinen Reisenden37 erfreuen mich sehr, und besonders, daß sie ausruhen konnten. Die Verlobung von Miechens Hofdame38 erfreut sie wohl nicht sehr. Eine neue Wahl wird schwer seyn. Sonntag Morgen wird Marousiy mit ihrem
30 Verm. die Familie von Botho Heinrich Graf zu Eulenburg (1804–1879), verh. 1830 mit Therese Gräfin von Dönhoff (1806–1885). 31 Heinrich Graf von Lehndorff (1829–1905), preuß. Oberst und Flügeladjutant. 32 Richard Harder (1835–1908), preuß. Jurist, Kabinettssekretär und Schatullverwalter bei Königin Elisabeth von Preußen. 33 Luisen-Stiftung in Berlin, eingerichtet 1811 zur Förderung junger Frauen und Mädchen bei der Ausbildung als Lehrerinnen oder Erzieherinnen. 34 Georgine von Gagern (1860–1940), erhielt eine Stelle im Kloster Dobbertin. 35 Marie von Gagern, geb. von Wenckstern (1828–1904), verh. 1850 mit Otto von Gagern (1815– 1871), mklbg.-strel. Oberst und Flügeladjutant, gest. am 24. Nov. 1871. 36 Luise von Gagern (geb. 1858), wurde Hofdame in Sachsen-Meiningen. 37 Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin reisten vom 1. Jan. bis 1. Mai durch Südeuropa und das Osmanische Reich. 38 Theda Freiin zu Inn- und Knyphausen (1843–1927), Hofdame bei Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin, heiratete am 4. April Heino von Behr (1833–1895), Gutsbesitzer auf Hindenberg und Veelböken.
1872
687
Mann39 in Berlin ankommen und 3 Tage bleiben, und den 21ten Olga mit ihrer Nichte40 auch auf 3 Tage. Der König41 kümmt später und will zu Ostern schon wieder zu Hause seyn. Das diné Deiner Schwiegertochter in dem harem dachte ich mir fürchterlich und wie eckelhaft. Ich glaube, Marie ist die erste Frau, die die Pyramiden bestiegen hat. Das muß auch halsbrechend seyn. All diese détails interessirten mich sehr, und ich hoffe, in der Folge schreibst Du mir wieder, wenn Marie so interessante, lange Briefe schreibt. Ich kann mir denken, daß Blanche Schönemark42 glückselig war, Dir recht erzählen zu können, und ein gutes Mundstück hat sie, aber sage ihr das nicht wieder. Ich erwarte den Prediger Frommel43 von der Garnisonkirche, der mich sprechen will, und dann den Botschafter Schweiniz,44 der heute Abend oder morgen nach Wien zurück geht. Lebe wohl, meine Adine, auf ewig, Deine alte Elis Schwerin, den 19ten Februar 1872 Liebe Elis, mit großem Bedauern habe ich erfahren, daß Du wieder recht unwohl gewesen bist. Das wiederholt sich doch zu rasch und muß Dich furchtbar schwach und matt machen. Gott gebe, daß Du Dich bald erholst. Jetzt kömmt Olga und Marussi45 nach Berlin, und die werden Dich doch zu gern sehen wollen, und dann zwingst Du Dich dazu und wirst immer angegriffener. Ich wäre zu gern nach Berlin dazu gekommen, aber erstlich kann ich Mariechen nicht hier allein laßen und Mitbringen wäre dazu gerade unpassend. Und dann ist mein Geburtstag, den ich seit 30 Jahren immer still zubringe, weil Paul sich an dem Abend legte, um nicht wieder aufzustehen. Mein Bruder Wilhelm scheint auch diesmal ernstlicher krank gewesen zu sein, da man ihn mehrere Tage im Bett gehallten, und er niemand gesehen wie Auguste und Fritz Wilhelm. Wie muß er sich anujiert46 haben. Es war aber gewiß recht gut, daß er endlich einmal die Erkältung loß wurde. Er vergißt immer sein Alter. Von unseren Reisenden47 haben wir noch gestern gute Nachrichten aus Cairo, wo sie den Suetz Canal herunter fahren wollten, und sich am Abend einschifften nach Jerusa39 Prinzessin Maria (Marusya) von Baden, geb. Maria Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914), verh. 1863 mit Prinz Wilhelm von Baden (1829–1897). 40 Königin Olga von Württemberg, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892), mit der von ihr adoptierten Nichte Großfürstin Wera Konstantinowna von Russland (1854–1912). 41 König Karl von Württemberg (1823–1891). 42 Blanka von Schönermarck, geb. von Rauch, verw. Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim (1817– 1905). 43 Emil Frommel (1828–1896), Pfarrer an der Garnisonkirche in Berlin. 44 Hans Lothar von Schweinitz (1822–1901), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, dt. Botschafter in Österreich. 45 Prinzessin Maria (Marusya) von Baden, geb. Maria Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1841–1914). 46 Frz. ennuyer = langweilen. 47 Reise von Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin durch Südeuropa und den Orient.
688
Briefe 1851–1873
lem, wo sie morgen ankommen wollen. Die Nielfahrt hat ihnen zu sehr gefallen, die Ruhe, so konnte man alles mehr genießen. Sie stiegen nur an Land, um das zu sehen, was sehenswerth war, und kehrten nach ihren Schiffen zurück, ruhten sich wieder aus. Vorzüglich sind sie entzückt von 2 schön erhalltenen Gräbertempeln und die Abende mit ihrem bezaubernden Sonnenuntergang. Von der Farbpracht könne man sich keine Vorstellung machen, das feurige Roth, Gelb und Glanz. Es wäre fabelhaft, kein Wort, kein Pinsel könnte das wiedergeben. Und wir sitzen in Schnee und Kälte. Ich muß so viel an vor 2 Jahren denken, wo wir in Cannes waren und auch so schöne, warme Tage hatten, wo man glaubte, daß Luise sich erkältet, sie Blut spuckte und die furchtbare Kopfweh begann mit Fieber, die 9 Tage anhielt. Dies war ihr Todestoß. Von da an ging es bergab, ganz sichtbar. Und wie lange hat sie sich doch noch quälen müßen, 10 Monate, ehe der Herr sie zu sich nahm, und wo sie nun in Frieden ruht. Ich will nun an Marichen48 schreiben, die wohl bald nach dem Geburtstag von ihrem Papa zurück nach Wied geht. Gott laße Dich bald gesund werden. Ich hoffe, Mitte März Dich dann besuchen zu können. Deine treue Adine Schwerin, den 27ten Februar 1872 Liebe Elis, welche Freude und welche Überraschung hast Du mir gemacht durch das schöne Bild der Gräfin Potoska,49 welches ich mir schon so lange gewünscht. Es erinnert mich so an unsere Besuche im Lazarette 1866. Was ist aus denen allen geworden, die wir dort gesehen? Von vielen weiß man wohl nichts und von dem Einen wünschte man nichts zu wißen. Was ist wohl aus dem armen Straß50 geworden? Er jammert mich sehr, gerade weil er so leichtsinnig gewesen. Aber von Dir hatte ich erst sprechen wollen, die Du wieder so sehr unwohl gewesen bist, und dem Einen große Angst machst. So Gott will, erholst Du Dich nun, und der Besuch von Olga wird Dir nicht geschadet haben. Wie es scheint, war Auguste mit. Das hätte sie sich sparen können. Wilhelm muß sich auch noch matt fühlen, daß er Olga nur in seinem Zimmer gesehen. Heute scheint die Sonne wieder so freundlich, nachdem es gestern schneite und Ostwind war, und die vorhergehenden Tage auch gräulich waren. Morgen feiern wir den Geburtstag von Sohn Fritz und wißen nicht, wo er ist.51 Sohn Wilhelm kommt dazu und Paul, der nun Hannover ganz verläßt, da er in Bonn studieren wird, nach der Reise,52 die
48 Fürstin Marie von Wied, geb. Prinzessin der Niederlande (1841–1910). 49 Verm. Delfina Gräfin Potocka, geb. Komarówna (1807–1877), Muse des Komponisten Frédéric Chopin (1810–1849). 50 Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Hauptmann, aggregiert dem 1. Garde-Regiment zu Fuß, musste 1872 seinen Abschied nehmen. 51 Reise von Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin durch den Orient und Griechenland. 52 Reise von Herzogin Marie (1854–1920) und Herzog Paul Friedrich (1852–1923) nach Konstanti-
1872
689
einstweilen verschoben ist auf Montag, da Frau von Wickede,53 der Miechen anvertraut ist, krank geworden. Ich hoffe nur, daß sie dann reisen kann. Maridchen bleibt im Haag bis Anfang Märtz, dann bleibt der arme Fritz wieder allein. Sie selbst ist sehr wohl und zur Helfte.54 Sie schreibt zu glücklich über die Aussicht. Sie will unsere dicke Freundin, die Stahl,55 zum Juny nehmen. In bessere Hände kann sie nicht kommen. Verzeih, wenn ich den sehr konfusen und dummen Brief so absende. Ich wurde aber so oft und viel unterbrochen, daß ich Dir lieber lebe wohl sage und gute Besserung wünsche. Ich gedenke, am 12ten März nach Berlin zu kommen, und wenn Du wohl genug bist, auch nach Charlottenburg, was eigentlich der Hauptgrund ist, warum ich früher als bloß zum 22ten komme. Deine treue Adine Charlottenburg, den 11ten März 1872 Ich dachte, ich würde Dich bald sehen, meine Adine, daher schrieb ich nicht mehr. Nun ich aber höre, daß Du Deine Reise verschoben hast und nur ganz kurz in Berlin bleiben wirst, will ich endlich für Deinen lieben Brief vom 27ten Februar danken, der mich sehr freute. Besonders freue ich mich, daß Dir das Bild der Gräfin Potozka56 Freude machte. Von einigen von den Leuten, die in meinem Lazareth waren, habe ich noch zuweilen gehört. Der eine starb leider vor kurzem. Strantz57 ist nach Rom gereist, nachdem er den Abschied bekommen. Er ist noch wirklich sehr gnädig behandelt worden, und ich hoffe, er wird später einmal wieder eintreten können, aber natürlich nicht mehr im ersten Garde Regiment. Er ist gar zu leichtsinnig. Sein ehemaliger Gefährte Lüttichau wird sich Mitte April in Dresden verheyrathen.58 Warum eigentlich Miechen und Paul nicht nach Athen reisen sollen, habe ich
53
54 55
56 57
58
nopel zum Treffen mit Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von MecklenburgSchwerin. Karoline (Lilla) von Wickede, geb. Freiin von Brandenstein (1833–1920), 1860–1866 Hofdame bei den Großherzoginnen Auguste und Anna von Mecklenburg-Schwerin, verh. 1868 mit Max von Wickede (1831–1909), mklbg.-schw. Stallmeister. Sie und ihr Mann begleiteten die Kinder auf der Reise nach Konstantinopel. Die Schwangerschaft mit Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945), geb. am 27. Juni, war etwa zur Hälfte vorbei. Die Hebamme Stahl aus Berlin war für die preuß. Königsfamilie tätig und galt als sehr erfahren. Sie hatte 1859 auch die schwierige Notentbindung von Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) unterstützt. Verm. Delfina Gräfin Potocka, geb. Komarówna (1807–1877), Muse des Komponisten Frédéric Chopin (1810–1849). Feodor von Strantz (1842–1927), preuß. Hauptmann, aggregiert dem 1. Garde-Regiment zu Fuß, musste 1872 seinen Abschied nehmen. Er trat später wieder in die Armee ein und stieg bis zum Generalmajor auf. Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen, heiratete am 23. April Claudine Freiin Schmysing gen. von Korff (1851–1936).
690
Briefe 1851–1873
noch nicht ergründet.59 Die Reise nach Konstantinopel, statt Dessau, ist sonderbar, und wenn sie so weit gehen sollen, da hätten sie ebenso gut nach Athen gehen können. Ady sah ich in 4 Wochen nicht. Sie hat den Husten sehr stark und darf nur im offenen Wagen durch alle Wetter fahren, aber sonst nicht ausgehen. Ich bin endlich wieder ausgefahren, gestern und vorgestern, wo der Tag herrlich war. Die Kräfte wollen noch immer nicht recht wiederkehren, und darin fühle ich recht meine 70jährige Last. Doch geht es mir heute besser, nach einer ganz vortrefflichen Nacht. Auch will ich heute zum erstenmal mit meinen Damen und Lüttichau essen. Keller60 ist in Potsdamm. Gestern durfte ich auch zum erstenmal wieder in die Kapelle gehen, bis jetzt war der Gottesdienst im Saal nach dem Garten und ich im grünen Zimmer bey offenen Thüren. Wilhelm fährt auch wieder aus, aber Auguste ist nicht zufrieden mit ihm. Sie findet ihn unbeschreiblich matt. Der Besuch des Königs von Württemberg,61 der gestern Abend abreiste, hat ihn gewiß wieder angegriffen, und nun kümmt der Geburtstag und die vielen Besuche. Das ist eine entsezliche Fatigue. Auguste war gestern bey mir mit ihrer Tochter,62 ehe sie in’s Mausoleum gingen. Luise ist unverändert, aber Auguste schafft sich wieder so entsezlich ab,63 daß sie erbärmlich aussieht. Den König von Würtemberg hat sie um halb 8 Uhr morgens im Schloß empfangen. Das ist doch zu viel, und niemand konnte das von ihr verlangen. Ich fand den König gealtert in den 9 Jahren, wo ich ihn nicht sah, aber er siht männlicher aus, war sehr herzlich und freundschafftlich für mich und dachte mit Freuden seines Auffenthalts in Berlin. Wer ist Deine dicke Freundin Stahl,64 die Marietje im Juny kommen läßt?65 Ich ahnde eine Hebamme. Ich hoffe, unser armer Fritz wird zum 30ten März nach Neuwied gehen. Der König von Schweden66 soll ja wieder recht krank seyn nach den Zeitungen. Ich fürchte, seine unglückliche Neigung zur Flasche ist Schuld daran. Ich sehe eben, daß ich Dir denselben Tag geschrieben habe, wie Du mir. Wann hast Du den Brief bekommen? Denn es scheint mir fast, als hättest Du ihn schon gehabt, als Du mir schriebst, und das ist doch fast unmöglich. Karls verfehlte ich gestern, begegnete sie aber, und wir sprachen uns von einem Wagen zum andern. Sie kamen von hier. Es scheint, die alte Gewohnheit, vereint in das Mausoleum zu gehen, ist auch abgekommen. Marianne hat mich unterbrochen, und nun lebe wohl, meine Adine, hoffentlich auf nicht zu fernes Wiedersehen. Auf ewig, Deine alte Elis 59 Reise von Herzogin Marie (1854–1920) und Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1852–1923) nach Konstantinopel zum Treffen mit Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin auf deren Reise. 60 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen. 61 König Karl von Württemberg (1823–1891). 62 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 63 sich abschaffen = südwestdt. für sich abarbeiten. 64 Die Hebamme Stahl aus Berlin war für die preuß. Königsfamilie tätig und galt als sehr erfahren. Sie hatte 1859 auch die schwierige Notentbindung von Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) unterstützt. 65 Schwangerschaft mit Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945), geb. am 27. Juni. 66 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872) verstarb am 18. Sept.
1872
691 Schwerin, den 14ten März 1872
Liebe Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief, und ich hoffe, Dich nun bald wieder zu sehen, denn am Sonnabend will ich in Bellevue ankommen, weil ich Dich doch nicht mit meinem Besuch belästigen darf, da Du Dich wohl noch recht schonen mußt. Aber am Tag, hoffe ich, darf ich zu Dir heraus kommen, auch vielleicht einmal Eßen, wie es Dir am besten passet. Denn bei den Majestäten werde ich doch kein täglicher Gast sein? Ich fürchte, der Nord- und Ostwind wird Dir nicht gut sein, und er weht täglich egal,67 ganz schauderhaft, besonders empfindlich nach den schönen Frühlingstagen. Von unseren Reisenden in den Orient haben wir bis zum 7ten gute Nachrichten.68 Seit gestern müßen sie in Damaskus sein und den Ritt durch die Wüste, hoffe ich, glücklich zurück gelegt haben. Daß Miechen und Paul nicht über Italien nach Athen gehen sollen, ist wegen den großen Kosten. Ob es sich nun der Mühe werth lohnt nach Constantinopel, weiß ich nicht, aber die Kinder freuen sich sehr darauf, die diesen Moment in Bonn sind bei der Großmama Reuß,69 die sich dort bei ihrem Sohn70 aufhällt. Miechen kömmt nicht nach Berlin, was sie selbst wünscht. Agnes von Altenburg kömmt mit ihrer Tochter.71 Wenn sie nur nicht so stark taub wäre. Der Gedanke, den König von Württemberg72 des Morgens um ½ 8 auf dem Schloß zu erwarten, finde ich furchtbar, und nicht einmal passend. Es freut mich, daß er so freundlich und herzlich war. Zu gerne hätte ich beide Majestäten gesehen, und wenn sie zurückkehren, bin ich gewiß schon in Marienbad. Von Marichen habe ich schon einen Brief aus Neuwied. Sie hofft auch sehr darauf, daß Papa zum 30ten zu ihr kömmt. Die Stahl ist die Hebamme, die Ady gehabt und zweimal hier bei Marie war.73 Eine ganz ausgezeichnete Person, und ich glaube, da Marichen 30 Jahre alt ist, daß sie jemand recht sicheres und geschicktes haben muß.74 Ob der König von Schweden wirklich so krank ist?75 Nun leb wohl, wie freue ich mich, daß ich sagen kann, auf baldiges Wiedersehen. Deine treue Adine
67 = fortwährend. 68 Reise von Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin durch den Orient und Griechenland. 69 Prinzessin Caroline von Reuß-Köstritz, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896). 70 Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Oberstleutnant und Kommandeur des Husaren-Regiments „König Wilhelm I.“ (1. Rheinisches) Nr. 7 in Bonn. 71 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897), mit ihrer Tochter Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854–1898). 72 König Karl von Württemberg (1823–1891). 73 Die Hebamme Stahl aus Berlin war für die preuß. Königsfamilie tätig und galt als sehr erfahren. Sie hatte 1859 auch die schwierige Notentbindung von Prinz Wilhelm (II.) von Preußen (1859–1941) unterstützt. 74 Späte erste Schwangerschaft mit Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945), geb. am 27. Juni. 75 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872) verstarb am 18. Sept.
692
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 3ten April 1872 Liebe Elis, mein heutiger Brief soll auch nach Deiner Gesundheit sich erkundigen, wie Du die Osterferien ertragen. Aber eigentlich betrifft es einen Besuch von Marie Strelitz bei mir hier in Schwerin. Sie will nach dem 10ten kommen auf einige Tage. Du kannst denken, wie sehr ich mich auf das Wiedersehen freue, wenn es auch manches embarassante geben kann. Ich denke aber, unsere alte Liebe wird die Oberhand behallten.76 Nun möchte ich aber gerne wißen, ob Du noch die Idee hast, diesen Monat eine Reise zu machen nach milderem Klima. Du sprachst mir davon, und ich hätte den Wunsch, wenn Du nicht reisest, Dich noch in Charlottenburg zu besuchen, und zwar nach dem 18ten. Kannst Du mir vielleicht schon etwas Bestimmtes darüber mittheilen, weil ich dann Marie von Strelitz bestimmt schreiben könnte, wie lange ich noch in Schwerin wäre? Das sieht wohl sehr neugierig aus, ist es aber nicht. Heute ist Johann Albrecht auch abgereist nach Dresden, wo er einige Jahre bleiben wird.77 Er wird sich zwei Tage in Berlin aufhallten, um den Majestäten sich zu zeigen, Dir seine Aufwartung zu machen und den übrigen Verwandten. Er hat sich recht erholt und im Ganzen zu seinem Vortheil entwickelt. Er hat jetzt einen Offizier vom Kaiser Franz als Erzieher, Lieutenant von Wartenberg, der schwer verwundet war.78 Nun bin ich ganz verlaßen von allen Enkeln, bis auf die drei Kleinen. Ich komme mir ganz verweiset vor. Das schöne, warme Wetter, was wir hatten und das Grün so heraustrieb, hat Dir gewiß sehr wohl gethan. Heute ist es aber wieder rauer. Mein Sohn Wilhelm wird nun auch nach Cassel müßen,79 und es ist eine lange Trennung von Ady wieder die Folge. Sie scheint zwar ganz zufrieden damit, da sie sehr der Ruhe bedarf, wie sie meint. Sehr glücklich schrieb sie mir, daß sie wieder einen Sonntagabend bei Dir hat sein können. Das zeigt, daß Du Dich wohler fühlst. Nun leb wohl, Deine alte Adine Schwerin, den 12ten April 1872 Liebe Elis, erstlich herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Und nun muß ich Dir meine Freude mittheilen, daß ich wirklich Marie von Strelitz hier bei mir habe. Ich finde sie natürlich in den 7 Jahren sehr verändert, recht alt geworden. Das wird sie von mir auch sagen. Das ist der Zahn der Zeit, der knabbert an einem. Aber sonst ist sie unverän76 Dass Mecklenburg-Schwerin sich im Kampf gegen Österreich sofort auf die Seite Preußens gestellt hatte, konnten der Strelitzer Großherzog und seine Familie als Kritiker der Annexionen von 1866 und der preuß. Vormachtstellung im Reich lange nicht verwinden. 77 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857–1920) begann wie seine älteren Brüder seine Ausbildung am Vitzthumschen Gymnasium in Dresden. 78 Verm. Karl Gustav Günther von Wartenberg (1846–1924), preuß. Premierleutnant im Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2 und bis März 1875 Gouverneur bei Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin. 79 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) übernahm am 25. März als preuß. Generalleutnant das Kommando über die 22. Division in Kassel.
1872
693
dert. Von politischen Verhältnissen haben wir noch nicht gesprochen, aber es fallen immer Worte, die dahin zielen. Besonders über unsere mecklenburgischen Verhältnisse. Es wird aber wohl zum Aussprechen kommen. Es ist aber 9 Uhr, da wird sie wohl bald Caffee trinken. Dann gehe ich zu ihr hinüber. Am Montag Nachmittag reist sie wieder ab, mit Lilli, die Sonntag erst kommt, nach Frankfurth am Main zu ihren Geschwistern, und dann weiter nach dem Süden, ich denke Italien. Daß Du deine Reise nach Riva aufgegeben, ist vielleicht vernünftiger. Aber jammerschade, daß Du nicht mit Deiner Schwester sie machen konntest. Das wäre ein rechter Genuß. 1 Uhr. Eben komme ich von Marie. Natürlich kam es zum Sprechen, es ging aber ganz gut ab, da wir ja eigentlich gleicher Meinung sind, nur daß sie laut sprechen und wir es still tragen, was ich ihr auch sagte, weil man an der Sache nichts ändert, sondern es schlimmer machte. Indeßen halte ich mit meiner Meinung nicht hinter dem Berge, wenn ich gefragt würde.80 Von 9 bis ¼ 12 Uhr bin ich bei ihr gewesen. Es war doch eine Freude, so eine treue Seele wiederzusehen und sich auszusprechen. Wenn es Dir, liebe Elis, recht ist, so beabsichtige ich, Dich am 18ten heimzusuchen, und in Bellevue erst anzufahren und da zu eßen, wenn es die Ekonomie dort jetzt erlaubt. Wie ich höre, hat sich Bruder Wilhelm die Sehne vom Knie ausgedehnt. Er hat zwar keine Schmertzen, aber es ist doch sehr fatal. Nun leb wohl. Wir wollen jetzt die Kirchen besehen, den Dom und die Paulskirche, und in der Stadt umherfahren. Deine treue Adine Marienbad, den 29ten Mai 1872 Du weißt, wie ich von Herzen Deinen Verlust mitfühle, kenne ich nur zu gut, was es heißt, ein Schwesterherz missen zu müßen.81 Oh, welch schmertzlicher, unersetzlicher Verlust für Dein treu liebendes Herz. Aber der treue, barmherzige Herr wird Dir auch in diesem Schmertz nahe sein und Dich nicht verlaßen. Er allein vermag es, in den Herzen Trost und Frieden zu schenken. Wenn es nur Deiner Gesundheit nicht schadet, da Du schon so lange diesem schmertzlichen Moment entgegensehen mußtest. Und doch gönnt man seinen Lieben, daß sie nach längerem Leiden erlöst sind und nun ausruhen bei Ihrem Herrn und Heiland. Aber das Vermißen und Entbehren bleibt ja immer so unendlich schmertzlich. Mehr sage ich nicht, denn Du wirst kaum Zeit und Lust haben, Briefe zu lesen. Die Kronprinzessin von Sachsen82 sah ich schon 3mal, späther erwartet sie ihren Vater.83 Deine treue Adine 80 Dass Mecklenburg-Schwerin sich im Kampf gegen Österreich sofort auf die Seite Preußens gestellt hatte, konnten der Strelitzer Großherzog und seine Familie als Kritiker der Annexionen von 1866 und der preuß. Vormachtstellung im Reich lange nicht verwinden. 81 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), gest. am 28. Mai in Wien. 82 Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907). 83 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877).
694
Briefe 1851–1873
Abb. 21: In den großen Fragen der Zeit stimmten die Strelitzer und die Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg selten überein. Die Großherzogin Marie verteidigte an der Seite ihres Mannes und ihres Sohnes die überkommenen Verhältnisse in den so unterschiedlich dimensionierten Großherzogtümern. Die Versöhnung mit den Schwerinern brauchte nach 1866 Jahre und kostete die Familie einiges an Überwindung, nachdem man sich schon 1848/1849 wegen der Verfassung überworfen hatte.
Bitte laß den Kaiser, Deinen Neffen,84 Deine Geschwister wißen, wie innigen Antheil ich an ihrem Verlust nehme. Sans Souci, den 4ten Juny 1872 Wie gerne, meine Adine, hätte ich Dir gleich gedankt für Deinen lieben Brief, für Deine treue Theilnahme an meinem Schmerz, aber in diesen acht Tagen nach dem Hinscheiden meiner geliebten Sophie85 bin ich nicht zur Ruhe gekommen. Und auch heute, wo ich glaubte, allein zu seyn, weil alles bey der Taufe86 seyn würde, bin ich nicht einen Augenblick zu mir selbst gekommen, und nun erwarte ich Victoria, die bey mir essen wird. Wer versteht besser wie Du, welcher Schmerz in meinem Herzen ist. Du hast ihn ja zweymal empfunden und getragen mit Ergebung in des Herrn Willen. Sie wurde aus unsrer Mitte herausgenommen, die geliebte Sophie, und keine von uns glaubte, sie zu überleben. Sie war noch so lebensvoll, so rüstig, sah noch so wohl aus. Ich kann es oft noch nicht fassen und bitte Gott um Ergebung und daran, nur an sie zu denken, nur ihr Glück, nicht an mich, aber das Herz ist schwach. Bete für mich. Ich bin wohl, nur matt. Die Tage der 84 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 85 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), gest. am 28. Mai in Wien. 86 Taufe von Prinzessin Margarethe von Preußen (1872–1954), geb. am 22. April.
1872
695
Krankheit waren aufreibend. Als Du mich hier verließest, war es ja schon so schlimm. Die Angst, Tag und Nacht, vor jedem Menschen, der hereinkam, war bitter, und doch ist die Gewißheit, daß es aus ist, noch viel schrecklicher. Der lezte Kampf war so lange und so schwer. Sie hat ihn wohl in den ganz lezten Stunden nicht mehr gefühlt. Gott gebe es. In den lezten Tagen konnte sie kaum mehr sehen, noch hören, noch sprechen, aber über Maries87 Ankunft hatte sie noch eine große Freude, ohne sie sehen zu können. Sie faßte ihre Hand und drückte sie auf ihr Herz mit einem freudigen Ausdruck. Welcher Trost für die arme Marie, die mit ihr das einzige Glück verliert, das ihr noch nach ihres Mannes Tode im Leben blieb. Sie bleibt noch in Schönbrunn bis zum 8ten und geht dann wohl noch nach Possenhofen, ehe sie nach Dresden zurückkehrt. Ich will denn nach Pilniz gehen, wenn die lieben Mädchen von Fritz Karl eingesegnet sind, den 27ten vermuthlich. Die Anwesenheit der Italiener traf in eine traurige Zeit.88 Zum Glück ist das Wetter so herrlich, daß ihr Auffenthalt doch sehr angenehm ist, und Margarethe ist leicht zu befriedigen, ein liebes, lebendiges Wesen, so ganz natürlich und so lieb für mich. Alles ist entzückt von ihr, Männer und Frauen, alte und junge. Man findet sie allerliebst. Humbert ist bitter häßlich, hat aber an Haltung gewonnen.89 Lebe wohl, meine Adine, ich hoffe, es geht Dir gut? Noch einmal Dank von Herzen und mit treuer Liebe, Deine alte Elis Marienbad, den 12ten Juny 1872 Meine liebe Elis, wie danke ich Dir, daß Du mir so bald von Dir hast Nachricht gegeben. Ich sehnte mich danach. Ach, wie mag Dir das Herz bluten, nachdem der erste, heftige Schmertz vorüber ist.90 Da fühlt man erst, was man verlohren, und es wird immer schwer zu tragen. Wie werden Dir die Briefe fehlen, der Austausch der Gedanken und Gefühle. Welche Entbehrung, fühle ich ja dies immer noch, wo nun meine beiden Schwestern nicht mehr sind. Da bist Du meine theure Schwester noch, die mich durch ihre Liebe verzieht und wohl thut. Dein Vetter Wasa91 ist seit 8 Tagen hier. Er möchte gerne wißen, wann Du nach Dresden kommst. Er will dann auch hin. Er ist recht alt geworden, so mager, aber sonst recht gut, nicht aufgeregt, nicht still, sondern ganz natürlich. Die Kronprinzessin92 scheint zufrieden mit ihrer Kur. Da der Vater hier ist, kann sie nicht 87 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877), Zwillingsschwester der Verstorbenen. 88 Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912), sowie deren Tochter Kronprinzessin Margarethe von Italien, geb. Prinzessin von Savoyen-Carignan (1851–1926), verh. 1868 mit Kronprinz Umberto (I.) von Italien (1844–1900). 89 Kronprinz Umberto (I.) von Italien (1844–1900) galt in den deutschen Fürstenhäusern als Emporkömmling. 90 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), gest. am 28. Mai in Wien. 91 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 92 Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907).
696
Briefe 1851–1873
mehr solche übertrieben große Promenaden machen, was gewiß besser ist. Sie besuchen alle Abende das Theater. Ich war auch schon 2mal da. Es ist nichts Besonderes, aber zur Abwechslung ganz gut. Das Wetter erlaubt nicht, daß man des Abends länger wie 7 Uhr draußen bleibt, da es viel regnet, dann feucht und kalt ist. Der Kronprinz93 kommt auch bald zum Hochzeitstag, und dann wollen sie eine Reise in Tyrol machen. Am Sonntag wird hier der König von Portugal erwartet. Man ist sich nur nicht einig, welcher: der jetzt regierende oder der Ferdinand Cohary.94 Aus dem Brief hat man sich nicht recht vernehmen können. Das wird aber amüsant und interessant sein. Es sind viele Vornehme aus Böhmen und Wien hier, die ich noch hoffe kennen zu lernen, da ich nun früh auf die Promenade gehe, wo sie nur zu finden sind. Ich trinke nur Waldquelle, und da brauche ich eigentlich nicht früh zu trinken, noch auf Promenade zu gehen. Das ist dann ein freier Wille. Nun leb wohl, zum Geburtstag von Karl denke ich in Berlin Glineke zu sein, dann bist Du aber wohl schon fort. Wo wird die Einsegnung der Töchter von Fritz Karl sein?95 Deine treue Adine Schwerin, den 11ten July 1872 Geliebte Elis, ich hoffe, die Zeitung sagt wahr, daß Du am Donnerstag wohl in Pilnitz angekommen bist. Ich schrieb Dir recht eher, weil ich Dich nicht zu finden wußte, da Du an allen Orten nur einige Tage zugebracht. Du wirst viel Freude von Deiner Reise gehabt haben, wenn auch mit Wehmuth und manchen Thränen. Die lieben Geschwister nach solchen Verlusten wiederzusehen, ist ein großer Trost, und dabei die schönen Gegenden wie Salzburg, Possenhofen, und wenn die Zeitung richtig sagt, sogar noch Tegernsee zu Deinem Bruder.96 Das wird ihn sehr glücklich gemacht haben, und vielleicht milder stimmen. Doch auch da werden manche traurige Erinnerungen gewesen sein. Ich hoffe, Du hast schönes Wetter gehabt. Seit 8–14 Tage ist es prächtig. Hier, in meinem Greenhaus genieße ich die schöne Luft, die mit Rosen und Lindenduft angefüllt ist. Und nun ist auch mehr Ruhe des Morgens. Anfangs wurde ich mit Liebesgaben aller Art zu meinem 50. Jahr in Meklenburg97 überschüttet, von allen Damen Schwerins und auch außerhalb, was mich wirklich sehr beschämte, aber doch auch sehr viel Freude machte, da es ein Beweis von Liebe und Anhänglichkeit war. Was von Herzen kommt, geht auch zu Herzen, aber es ist fast zu viel. Wir verkehren viel zusammen mit Fritz und Marie, entweder mittags oder abends, wo dann Parthie gemacht [wird]. Neulich hatten wir Thee mit93 Kronprinz Albert von Sachsen (1828–1902). 94 König Ludwig I. von Portugal, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1838–1889), oder sein Vater Prinz Ferdinand II. von Sachsen-Coburg-Saalfeld-Koháry, Titularkönig von Portugal (1816– 1885). 95 Verm. Konfirmation der Prinzessinnen Marie (1855–1888) und Elisabeth von Preußen (1857– 1895). 96 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 97 50-jähriges Einzugsjubiläum von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
1872
697
ten im Buchholz unter den schönsten Bäumen bei milder Luft. Es war ganz reitzend. Leider ist Miechen gleich krank geworden nach meiner Ankunft. Sie hatte starkes Fieber und furchtbare Kopfweh, und davon kann sie sich garnicht erholen. Zuerst durfte sie niemand sehen, aber nun besuche ich sie, wo sie im Garten auf der Chaiselonge liegt. Sie wird wohl früher wie wir nach Dobbran gehen, um sich an der See zu erholen. Ady kommt dann auch aus Ems. Was hast Du gesagt zu der furchtbaren Entbindung von unserem lieben Marichen?98 94 Stunden ununterbrochen gelitten, und dann noch mit unsäglichen Schmertzen mit Zangen entbunden. Der Sohn war erst beinahe tod. Nun soll es ein ganz hübscher Junge sein. Und auch Marichen soll sich erholen. Am 18ten ist schon die Taufe, etwas sehr früh nach solchen Leiden. Ich denke mir, daß es so früh ist, damit Ady dabei sein kann. Nun leb wohl, empfehle mich Deinen Schwestern und Nichten. Deine alte Adine Sans Souci, den 29ten July 1872 Verzeihe, meine Adine, daß ich erst so spät Deinen lieben Brief beantworte. In Pillniz war wenig Zeit, und seitdem ich zurück bin den 22ten July, war die Hize so beyspiellos, daß ich nicht viel schreiben konnte. Heute am frühen Morgen hat es endlich tüchtig geregnet, und die Luft war sehr abgekühlt, aber nun ist es wieder ganz warm, wahrhaft drückend. Ich habe selten solche anhaltende Hize hier erlebt, ich war vollständig démoralisirt und konnte mich kaum rühren. Gott gebe, daß die Hize vergeht, bis ich heute über acht Tage mit Gottes Hülfe nach Interlacken reise, im Waggon ist es doch am furchtbarsten. Meine Reise ging Gottlob glücklich von statten und ohne, daß ich irgendwo liegen blieb, was mir leider oft geschieht. Im Gegentheil, in Salzburg erholte ich mich sichtlich. Meine liebe, alte Schwester99 wieder zu sehen, Franz Karl und seine drey Söhne100 war mir ein großer Trost, eine wehmüthige Freude. Charlotte ist geistig noch ganz wie sonst und sieht auch für ihre 80 Jahre sehr gut aus, aber sie ermüdet leicht und fährt höchst selten aus. Franz jammerte mich sehr und seine Söhne ebenso. Gott gebe ihnen die freundliche Geduld mit dem Vater, die meine arme Schwester während beynahe 48 Jahren mit ihm hatte.101 Sie deckte so viel mit Liebe und Sanftmuth zu, was jetzt immer mehr zu Tage kümmt. Es ist keine kleine Aufgabe, mit ihm zu seyn. Den Kayser sah ich auch in Salzburg und habe ihm gesagt, daß er mich hier nicht finden würde. Es that mir leid, war aber nicht anders einzutheilen, überdem sehe ich meine Verwandten so gut wie gar nicht,
98 Fürstin Marie von Wied, geb. Prinzessin der Niederlande (1841–1910), hatte am 27. Juni Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945) geboren. 99 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873). 100 Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878) und seine Söhne Kaiser Franz Joseph I. (1830– 1916), Erzherzog Karl Ludwig (1833–1896) und Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842– 1919). 101 Geistiger Zustand von Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878).
698
Briefe 1851–1873
wenn sie Gäste des Hofes sind. In Possenhofen fand ich meine Schwester102 recht gealtert, lebensmüde. Karl103 war in der Nähe, in seiner Villa, auch ihn fand ich gealtert, aber Gottlob nicht so unwohl, wie ich fürchtete. In Tegernsee war ich nur einige Stunden bey herrlichem Wetter. Ich fand einen großen Kreiß von Kindern, Enkeln und Urenkeln. Albert und Carola104 kamen auch hin und blieben einige Tage dieser Tage. So sehr ich mich freute, den lieben Ort wieder zu sehen, ermüdete mich sehr und auch der halbe Sonntag in München. Die Hize war schon drückend und der Tag von Regensburg nach Pillniz sehr schwül, besonders von Eger an, wo ich Rudolph Kaniz105 und Werder106 sah, die mit mir bis Franzensbad fuhren. In Pillniz ruhte ich recht aus bey meinen lieben Schwestern, es war eine wohlthuende Zeit nach so viel Schmerz. Der Großherzog von Toscana brachte seine Tochter107 den Großeltern, die sie nicht mehr erkannten. Ich sah sie schon in Salzburg, wo die Familie im Schloße wohnt. Sie ist sehr hübsch geworden, nur zu klein, und ich fürchte, sie wird nicht mehr wachsen. Ihre Liebe zur Großmutter ist rührend. Albrecht besuchte mich einmal. Er sah übel aus und sprach so langsam, suchte die Worte und verstand schwer, was man ihm sagte.108 Seitdem ist er, höre ich, wieder kränker geworden, besonders schwächer, was ihn unglücklich macht. Auguste von Streliz, die wieder das Kepschloß109 in der Nähe von Pillniz bewohnt, sah ich mehremale. Sie war freundlich und herzlich wie sonst. Wir waren bey ihr an ihrem Geburtstag, das Haus ist allerliebst, und von allen Fenstern hat man eine wundervolle Aussicht. Die lezten Tage waren sehr heiß. Auf der ganzen Reise hatte ich gutes Wetter, nur in Possenhofen war die Luft kühl, und es regnete viel. Ich kann mir denken, wie das Uebermaß von Liebe und attention und Liebesgaben Dich am Ende ermüden mußten, aber es thut doch wohl, so geliebt zu werden. Gott sey Dank hat sich unser liebes Marietje schnell erholt nach ihrer furchtbaren Entbindung.110 Die Schwiegermutter111 hat mir eine entsezliche Beschreibung davon gemacht. Es muß furchtbar gewesen seyn. Der 18te July war wohl zum Tauftag gewählt, weil es der Hoch-
102 Herzogin Ludovika (Luise) in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 103 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 104 Kronprinz Albert (1828–1902) und Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907). 105 Rudolf Graf von Kanitz (1822–1902), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 1. Garde-Infanterie-Brigade. 106 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Generalmajor und Militärbevollmächtigter in Russland. 107 Großherzog Ferdinand IV. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1835–1908), und seine Tochter Prinzessin Maria Antonia von Toskana, Erzherzogin von Österreich (1858–1883), lungenkrank, später Äbtissin des Theresianischen Damenstiftes in Prag. 108 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) verstarb am 14. Okt. 109 Keppschloss bei Pillnitz, seit 1872 Sommerresidenz von Großherzogin Augusta von MecklenburgStrelitz. 110 Fürstin Marie von Wied, geb. Prinzessin der Niederlande (1841–1910), hatte am 27. Juni Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945) geboren. 111 Fürstin Marie zu Wied, geb. Prinzessin von Nassau (1825–1902).
1872
699
zeittag war. Nun lebe wohl, meine Adine, in Interlacken im Jungfrauenblick112 gedenke ich einige Wochen zu bleiben. Wie wird mir Luise fehlen, mit welcher Wehmuth werde ich ihr Haus sehen! Ich umarme Dich, in Gedanken mit Ady. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Dobbran, den 3ten August 1872 Am heutigen Tage, meine Elis, weißt Du unsere Gedanken, die wir noch übrig sind von dem Kinderkreiß, der einst den lieben Papa umgeben, und nun an seinem Sarge weinen. Sein Seegen ruht auf uns. Nun laß Dir aber vor allem recht herzlich danken für die vielen Erinnerungsblätter, die mir so viel Freude gemacht: Deine lieben Salons, wo wir so oft Thee trinken, dann die Friedenskirche, wo der theure Bruder ruht, und dann das Blatt mit den lieben Geschwistern. Wie ist dies so sinnig und schön ausgeführt, die Vorangegangenen mit ihren Lieblingsblumen und schönem Spruch, die Lebenden mit Blumen und dem Spruch, die Brüder, die einträchtlich beieinander wohnen. Die Pensées113 um Albert sehen so ernst und traurig aus, als wenn sie nicht mehr lange blühten – doch geht es momentan besser.114 Du glaubst nicht, was mir am 31ten noch für viele Beweise von Liebe geworden sind.115 Die Landstände116 haben mir einen manifiken silbernen Aufsatz geschenkt. So etwas Schönes sah ich noch nie. Es ist so außerordentlich sinnig gedacht. Man sieht, das Herz hat es diktiert. Beschreiben kann ich es nicht. 40 Landstände waren dazu versammelt, einige 100 haben daran theilgenommen, adlige und bürgerliche. Dann haben mir Domänenpächter117 eine superbe, silberne Schale geschenkt, und von Damen aus dem Lande eine Menge sehr schöne Arbeiten. Ich bin fast erdrückt von Gaben. Es wurde mir alles so herzlich gegeben, daß ich nur Freude und Dankbarkeit empfinde. Es war aber ein sehr fatiganter Tag, denn die Gemüthsbewegung war sehr groß, wie Du denken kannst. Die ganze Vergangenheit mit seinem Glück und seinem Schmerz stand so vor meiner Seele. Und doch habe ich nur Dank im Herzen für Gott, der mich an Seine Hand gehallten hat, und daß er mich gerade in dieses liebe Mecklenburger Land hat geführt und leben laßen, wo noch echte Treue lebt. Nun schließe ich aber mit dem innigsten Dank noch für Deinen lieben Brief vom 29ten. Wenn Du in Interlaken bist und die Jugendfreunde siehst, dann denke auch meiner, die vor 2 Jahren dort war. Die liebe Luise wird
112 Hotel in Interlaken mit Blick auf die Jungfrau, mit 4158 Metern der dritthöchste Berg der Berner Alpen. 113 Frz. = Stiefmütterchen. 114 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) verstarb am 14. Okt. 115 50-jähriges Einzugsjubiläum von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 116 Die ca. 600 landtagsfähigen Großgrundbesitzer in Mecklenburg. 117 Die nicht landtagsfähigen Pächter der ca. 400 großherzoglichen Domänen in Mecklenburg, die auf ihren Pachtgütern den Großherzog als Obrigkeit vertraten.
700
Briefe 1851–1873
Dir sehr fehlen. Bitte danke auch Editta und Anna,118 Deinen Damen, für ihre deliziösen Erinnerungsblätter, die mir auch so viel Freude gemacht. Deine treue Adine Interlacken, den 8ten August 1872 Erst hier, meine Adine, komme ich dazu, Dir für Deinen lieben Brief vom 3ten zu danken. Den lezten Tag in Sans Souci war es mir nicht mehr möglich. Ich bin ganz glücklich, daß Du zufrieden mit dem Album bist und daß Dir meine Blätter gefallen. Meine kleine Pochhammer119 hat meine Idee gut aufgefaßt und ausgeführt, und auch das liebe, alte Palais hat sie gut gemalt. Das Fest muß ein schönes, für Dich eben so wehmüthiges als wohlthuendes gewesen seyn. Glücklich, wer so geliebt und verehrt wird wie Du. Meine Reise war ganz glücklich und ohne große Hize, Gottlob. Aber gestern, als wir Basel noch nicht lange verlassen hatten, kam ein Regen, der immer zunahm und die Miene eines rechtschaffenen Landregens hatte, aber doch Gewitter war dann, es donnerte und blizte. Bey strömenden Regen bestiegen wir das Dampfschiff auf dem Thunersee, und diese reizende Fahrt war dießmal gräslich. Ich saß mit Editha120 in der engen Cajüte des Capitain, da ich nicht herunter getragen werden konnte. Während unserm späten diné kamen schöne, warme Sonnenblicke, und endlich enthüllte sich auch die Jungfrau.121 Heute Morgen war es klar und sonnig, aber es blieb nicht so, und ich konnte nicht ausgehen, will es jetzt versuchen. Alexchen122 war bey mir und sprach so vernünftig, daß man ihm nichts besonderes anmerkte, aber es darf nicht zu lange dauern. Wie viel denke ich hier unserer geliebten Luise und wie fehlt sie mir! Deiner denke ich auch beym Anblick der Jungfrau. Dieß Haus ist gepropft voll, überhaupt viel Menschen hier. Der Gesandte Röder123 hat hier eine kleine Besizung gekauft. Er empfing mich in Basel und war die ganze Zeit von der besten Laune. La Fou hat er verkauft. Von Abbat Sohn hatte ich einen Brief vor meiner Abreise aus Camenz. Er hatte seinen Vater zweymal gesehen und fand ihn das erstemal sehr krank, die Worte suchend wie mein armer Fritz, zeitweise auf der rechten Seite gelähmt. Das zweyte Mal fand er ihn besser, aber der Arzt sagte ihm, sich kein illusionen zu machen, es wäre keine momentane Gefahr, aber keine Hoffnung auf Besserung, und der nächste Schlag Anfall würde einen dauernden Zustand von Lähmung bringen.124 Das ist sehr traurig und betrübt mich sehr. 118 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889) und Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdamen bei Königin Elisabeth von Preußen. 119 Elisabeth Pochhammer, als Porträt- und Genremalerin 1864–1883 in Berlin nachgewiesen. 120 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 121 Die Jungfrau ist mit 4158 Metern der dritthöchste Berg der Berner Alpen. 122 Mglw. Prinz Alexander von Preußen (1820–1896), preuß. General der Infanterie und Kommandeur des 3. Westfälisches Infanterie-Regiments Nr. 16. 123 Heinrich von Roeder (1804–1884), preuß. Generalleutnant à la suite und dt. Gesandter in der Schweiz, bis 1864 persönlicher Adjutant des Prinzen Alexander von Preußen. 124 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) verstarb am 14. Okt.
1872
701
Abb. 22: Im Stadtschloss erlebte Königin Elisabeth von Preußen im März 1848 traumatische Szenen, die sie lange vom revolutionären Berlin fernhielten. Das Bild des Wohnzimmers fertigte 1872 die von der Königin geförderte Malerin Elisabeth Pochhammer an.
Wilhelm schrieb mir aus Hamburg, sehr zufrieden mit seiner Kur in Ems und erfreut über den bevorstehenden Besuch von Sache. Karl sah ich ziemlich viel, als ich von Pillniz kam. Er kümmt gern, wenn die Gemahlin125 nicht da ist. Keller126 ist mit mir und Grimm. Lüttichau127 will den 15ten kommen, wenn Keller nach Frankreich geht, das Grab seines Sohnes128 zu besuchen. Meine Damen sind sehr glücklich darüber, daß Dir ihre Ansichten Freude machen. Sie legen sich Dir zu Füßen, und nun lebe wohl, meine Adine, tausend Liebes an Ady und mit treuer Liebe, Deine alte Elis
125 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 126 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen. 127 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 128 Anton Graf von Keller (1841–1870), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß, gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. 1870.
702
Briefe 1851–1873
Interlacken, den 31ten August 1872 Herzlichsten Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreute, besonders was Du mir von den lieben Mädchen von Fritz Karl sagst.129 Die guten Kinder haben sich prächtig bei Euch amusirt. Sie schrieben mir beyde darüber sehr entzückt. Elisabeth findet das Schloß von Schwerin bezaubernd. Du warst so gut für sie. Die ganze Reise hat sie sehr beglückt. Zulezt waren sie noch in Erdmannsdorf, aber wegen Mariannens Rückkehr konnten sie dort nicht lange bleiben. Du sprichst mir noch nicht von Abbats Verlobung?130 Sie freut mich sehr, und ich hoffe, er wird glücklich mit Marie werden, die mir sehr gefiel und von der man viel Gutes sagt. Ich wünschte ihm sehnlich eine glückliche Häußlichkeit. Hingegen scheint eine andre Heyrath auseinander zu gehen, die Weymarisch-Oldenburgische.131 Die Entlobungen werden Mode, es ist traurig und thut mir für die Weymarer sehr leid. Ich hatte schon gehört, daß die junge Prinzeß eine wahre Antipathie gegen den Bräutigam habe, aber warum dann ja sagen! Es thut mir leid, meinen Neffen von Oesterreich und Sache132 nicht zu sehen, aber wenn ich auch so rasch wieder gekommen wäre, was für meine Gesundheit nicht sehr ersprießlich wäre, so hätte ich vielleicht dafür die lieben Gäste jeden höchstens einmal flüchtig gesehen. Es sind ja wahre Tantalus Qualen für mich, wenn meine Verwandten Gäste des Hofes sind. Sie sind so in Anspruch genommen, daß ich sie nicht sehe. Ich könnte also kaum meinem Neffen etwas seyn durch meine Gegenwart. Du begreiffst, daß ihm der Besuch schwer wird. Wenn nur Wilhelm bald wieder von seinem Fußleiden geheilt wird. Ich kann mir denken, wie ihn das in dem jetzigen Augenblick quält. Ich denke, Du wirst doch mehr mit machen, als es Deine Absicht ist. Was sind denn das für The’s bey dem Kayser von Oesterreich? Man kann sie ihm doch unmöglich octroyiren,133 ehe er da ist und ehe man weiß, ob sie ihm auch recht sind. Es ist dergleichen so ganz ausser seiner Gewohnheiten, und ich denke, er wird froh seyn, wenn er den Abend nach der Last des Tages in Ruhe gelassen wird. Ich bin heute Mittag von Gießbach zurückgekommen, wo ich die Nacht war, um die Beleuchtung des herrlichen Wasserfalles zu sehen, die ich ganz magisch fand.134 Der Abend war mild und schön, aber heute wechselt Regen und Sonnenschein unaufhörlich, und jetzt eben donnert es tüchtig. Wir haben recht schöne, sonnige Tage gehabt, die ich recht benuzt habe, aber auch ganz schauderhafte. Wie fehlt mir Luise, den Abend beson129 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860– 1917). 130 Verlobung von Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) mit Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854–1898). 131 Auflösung der Verlobung zwischen Erbgroßherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1844–1894) und Prinzessin Therese von Oldenburg (1852–1883). 132 Drei-Kaiser-Treffen von Kaiser und König Wilhelm I. mit Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) und Kaiser Alexander II. von Russland (1818–1881) vom 6. bis 11. Sept. in Berlin. 133 Oktroyieren = aufzwingen. 134 Giessbachfälle unterhalb von Giessbach mit Wasserkaskaden über 14 Stufen und 500 Meter Höhenunterschied.
1872
703
ders, wo sie so viel oben war. In Gießbach dachte ich ihrer auch so viel, ich war in denselben Zimmern, wo ich damals vor 4 Jahren mit ihr war. Eberhard Stolbergs Tod135 war wie ein Bliz aus heiterm Himmel. Es ist ein namenloser Verlust für seine ganze Familie, deren Seele, Halt und Rath er war. Die arme, alte Mutter136 war so stolz auf den Sohn, liebte ihn so, und Marie137 so glücklich und mit einem Schlag Witwe, ein einsames Leben vor sich. Beyde sind bewunderungswürdig in ihrem Schmerz. Was verliert Wilhelm und der Staat an ihm, und Schlesien, wo er so vortrefflich war. Er und seine Frau waren wie geschaffen für die Stellung. Wilhelm schrieb mir sehr betrübt über diesen Verlust und den von Abecken,138 der ihm auch so nahe geht. Nun lebe wohl, meine Adine, ich wünsche Dir recht genußreiche Tage in Berlin. Ich hoffe, Deine Enkelin Marie Windischgräz139 ist die Rückreise gut bekommen. Wie hat Dir Fräulein Gärtner,140 die mit den ältesten war, gefallen? Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Noch bin ich wegen der Dauer meines hiesigen Auffenthaltes und meine weitern excursionen nicht entschieden. Berlin, den 12ten September 1872 Geliebte Elis, so gerne hätte ich Dir schon früher geschrieben und Nachricht gegeben von den 3 Kaisertagen.141 Aber ich war ganz erschöpft von der furchtbaren Hitze, die alle Tage war, daß ich meine chaiselonge kaum verließ, obgleich ich des Morgens immer zu Haus war, nur die große Parade mitmachte, die über alle Begriffe schön war und ein überwältigender und großer Moment war, wie Bruder Wilhelm den Degen zog und den beiden Kaisern entgegenritt und die honneurs machte. Das Galla Diner darauf im Schloß machte ich auch nicht mit, sondern sah an der Gallerie mit den beiden Enkeln Windisch Graetz es mit an. Der Kaiser von Österreich sprach einige sehr herzliche Worte, eben so der Sache, die sehr guten Eindruck machten. Die Toiletten der Prinzeßinnen waren sehr schön und strahlten von Brillanten. Abends war Theater. Da der österreichische Kaiser wegen der Trauer nicht hinging, so war aus Rücksicht dafür keine Galla Oper, sondern nur Militair Theater. Wilhelm und Sache waren in der kleinen Loge und wir in der großen 135 Eberhard Graf zu Stolberg-Wernigerode (1810–1872), preuß. Oberpräsident der Provinz Schlesien, erster Oberjägermeister und Chef des Königlichen Jagdamtes, gest. am 8. Aug. 136 Luise Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Freiin von der Recke (1787–1874). 137 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 138 Heinrich Abeken (1809–1872), evang. Theologe und preuß. Legationsrat, enger Mitarbeiter von Ministerpräsident Otto von Bismarck und u.a. Verfasser der Emser Depesche von 1870, gest. am 8. Aug. 139 Prinzessin Marie von Windisch-Graetz (1856–1929). 140 Fräulein Gärtner, Erzieherin der Prinzessinnen Alexandrine (1850–1933) und Olga von WindischGraetz (1853–1934). Weitere Daten nicht zu ermitteln. 141 Drei-Kaiser-Treffen vom 6. bis 11. Sept. in Berlin. Siehe Brief vom 31. Aug. 1872.
704
Briefe 1851–1873
Loge. Darauf war Thee und Souper beim österreichischen Kaiser, und Musik von allen Musikcorps und Zapfenstreich, was sehr schön sich machte. Aber todmüde und aufgelöst von Hitze waren wir um 11 Uhr in unseren Zimmern. Sache finde ich recht verändert, das Gesicht so schmal und lang, sonst ganz der alte, treue Verwandte, herzlich. Der Thronfolger142 sieht besser aus wie sonst, war sehr freundlich und sagte mir gestern, ich bin hier sehr gern gewesen. Er hat mir sehr gefallen. Wladimir143 ist sehr stark und hat einen sonderbaren Kopf, nicht hübsch. Nicola,144 alt geworden, stärker im Ganzen, erinnert auffallend [an] seinen Vater, ist auch so herzlich und verwandtschaftlich. Es war eine Freude, diese alle hier zu sehen. Am Sonntag war Fahrt im zoologischen Garten, dann nach Potsdam in den verschiedenen Gärten. Ich kam nur zum Famillien Diner auf dem Babelsberg und Thee im Neuen Palais, wo der ganze Platz und ein Theil der mittleren Allee in einem prachtvollen Lampenglanz strahlte. Es war ganz feenhaft und sehr wohl gelungen. Ich sah noch nie etwas so Schönes. Um 12 Uhr waren wir in Berlin. Der Tag war für mich und uns Meklenburger nur etwas sehr beweglich. Bitte nicht weiter darüber zu sprechen, indem Sache Fritz und mir sagte, Wladimir wünschte, unser Miechen zu heirathen.145 Du kannst Dir unseren Schrecken und Überraschung denken. Wir beide, ohne uns gesprochen zu haben, sagten aber, sie sei eingesegnet und würde daher nicht wechseln. Er meinte, das würde sich finden. Auch Miechen sagte Sache ein paar Worte, der ganz erstaunt war. So schleppte sich die Sache hin, bis den letzten Tag, also gestern Nachmittag, Sache zu mir kam, mit mir und Fritz die Sache besprochen, wir beiden auch deutlich aussprachen, die Religion würde nicht gewechselt. Darauf wollte er mit Miechen sprechen, was er auch that, ganz allein, aber diese erklährte fest, sie verließe nicht ihren Glauben, was sehr frappierte, und er sagte, er wolle erst mit der Kaiserin sprechen, vorher könne von nichts die Rede sein. In 14 Tage, 3 Wochen sollten wir Antwort haben. Wladimir ist ganz entzückt und liebt Miechen sehr. Er gefällt ihr auch ganz gut. So stehen nun die Sachen. Du kannst denken, wie mir dabei zumuthe ist. Wünschen thuen wir die Parthie nicht, indessen, ausschlagen konnten wir sie auch nicht. Aber die Religion wird festgehallten, da wollen wir nun sehen, ob sie dort nachgeben. Der Thronfolger, Nicola sind für aufgeben, und eigentlich, glaube ich, Sache auch. Es ist aber für ihn nicht leicht. In all diesem Trubel erkrankte Albert sehr schwer.146 Die Nacht von Sonntag auf Montag rührte ihn der Schlag. Er liegt noch ohne Sprache und ist ganz gelähmt. Sehen darf ihn niemand. Dienstag ist Ady und Sohn Abbat hinein gewesen, und gestern der Kaiser Sache. Das hat ihn aber so angegriffen, er hat sehr geweint, und seit der Zeit ist der Zustand schlimmer und gefährlicher geworden, so daß wir gestern Abend bis 12 Uhr in sein Palais waren und so es verließen. Und so ist es noch. Er kann kaum schlucken, bekömmt Theelöffel voll starker Bouillon. Bei Besinnung ist er, erkennt die Leute, kann 142 Großfürst Alexander (III.) Alexandrowitsch von Russland (1845–1894). 143 Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909). 144 Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Russland (1831–1891). 145 Heiratsantrag von Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909) an Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). Die Heirat fand erst am 28. Aug. 1874 statt, da die Braut sich weigerte, zum russisch-orthodoxen Glauben überzutreten. 146 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) verstarb am 14. Okt.
1872
705
nur durch Kopfnicken ausdrücken, was er will. Der Schleim hat sich in der Brust und Halz festgesetzt, daß das Athmen schwer wird, eine Art Röcheln. Ich bin nun hier geblieben, was Bruder Wilhelm sehr lieb ist, da er und Karl fortmußten nach Marienburg. Ich will bis Montag bleiben und sehen, wie es sich bis dahin gestalltet. Ady ist natürlich auch in Bellevue, wohin ich morgen hinziehe. Die Ruhe und Stille, die nun eingetreten ist, eine große Wohlthat. Alle Fürstlichkeiten sind fort. Augusta und Tochter147 reisen diesen Abend ab. Sie gehen zuerst nach der Wartburg, um die Famillie dort zu trösten. Die Ansichten sind sehr getheilt über die Art des Auseinandergehens.148 Das steht aber fest, daß sie ihm gleich gesagt und dann in Rom wiederholt, sie könne ihn nicht lieben. Er wollte es nicht verstehen, daß er sagte, die strahlende Mutter hat unsere Hände zusammengeführt, da trete ich nicht zurück, bis sie denn das Eis gebrochen, da sie ihn gräulich findet und sich sehr unglücklich fühlte. Nun lebe wohl, ich höre von Augusta, daß sie Dir ausführlich geschrieben und auch Luise von Baden in ihrem Auftrag. So leb denn wohl, Gott schütze Dich auf Deiner ferneren Reise. Bitte laß mich wißen, wohin ich wieder schreiben kann und der Brief dich trifft. Deine alte Adine Wie oft haben wir Dich vermißt, Deiner gedacht und von Dir gesprochen, auch Augusta sagte mir dies, die sehr freundlich und oft ihr Herz mir ausschüttete gegen das Auflehnen der Schwester,149 die immer in Kleidern mit Blumen Girlanden umher stieg und recht alt aussah. Augusta war oft bedeckt mit Jouvelen, sah gut aus, manchmal zu weiß im Gesicht. Lugano, den 24ten September 1872 Das schlechte Wetter, das wir seit gestern haben, zwingt mich, heute noch hier zu bleiben, da die Fahrt zu Dampfschiff und Barke nach Belaggio unmöglich wäre. So habe ich denn Zeit, Dir, meine Adine, herzlich zu danken für Deinen lieben Brief vom 12ten, den ich in Ouchy bekam. Dein Brief machte mir solche Freude, und seine détails, wie wohl recht traurige darunter waren, interessirten mir sehr. Ueber die Werbung von Wladimir150 war ich nicht wenig erstaunt, aber besonders, daß man glauben kann, daß eine lutherische Großfürstin in Rußland möglich wäre. Mariechens Antwort freut mich, ich hätte sie nicht so fest geglaubt, aber ich kann mir nicht denken, daß die Kayserin151 mit der Heyrath einverstanden ist unter diesen Bedingungen. Das arme Kind hat Unglück, und nun 147 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 148 Auflösung der Verlobung zwischen Erbgroßherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1844–1894) und Prinzessin Therese von Oldenburg (1852–1883). 149 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 150 Heiratsantrag von Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909) an Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). Die Heirat fand erst am 28. Aug. 1874 statt, da die Braut sich weigerte, zum russisch-orthodoxen Glauben überzutreten. 151 Kaiserin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824– 1880).
706
Briefe 1851–1873
hat sie wohl gar den frühern Bräutigam152 in Berlin wieder gesehen? Wie entsezlich unangenehm und embarassant.153 Ich sehe eben in meinem Büchelchen, daß ich Dir den 11ten geschrieben habe, unsere Briefe haben sich also gekreuzt. Unser armer Albrecht büßt seine Unvorsichtigkeiten recht hart.154 Ich kann nicht sagen, wie mich sein Zustand jammert. In vielem erinnert er doch recht wehmüthig an meinen lieben Fritz und an Fritz Louis, nur daß beyde doch nicht ganz sprachlos waren. Diese Lähmung scheint ihm die schwerste zu seyn nach Bögers155 Bericht. Es ist auch eine entsezliche Greuel. Ich kann mir denken, wie schwer es Dir wurde abzureisen. Das war ein trauriges Ende für die glänzend schöne Zeit, die gewiß recht interessante Momente darbot. Gott gebe, daß auch die Folgen nach Wunsch seyen.156 Die Hize mag wohl alles etwas erschwert haben. Es muß Dir sonderbar vorgekommen seyn, das große diné von der Gallerie aus gesehen zu haben. Die jugendlichen toiletten der guten Mary sind doch wirklich zu lächerlich. Sie wird noch zur Caricatur werden. Ich kann mir denken, daß das Verhältniß mit der Schwester nicht rosig war. In Ouchy, wo ich Deinen Brief bekam, war die Hize sehr arg, besonders an dem Tage, wo ich in Genf war, das mir keinen angenehmen Eindruck machte. Nach dem frischen Interlacken, das ich beym herrlichsten Wetter verließ, war die staubige, heiße Stadt ein auffallender Contrast. Ich besuchte dort die liebe, alte Gräfin Pourtales,157 Witwe des Ober Ceremonienmeister, die in einem Kloster der Barmherzigen Schwestern wohnt, aber nur zur Miethe, in einer schönen Wohnung. Sie freute sich sehr über meinen Besuch. Sie ist leider beynahe ganz blind, aber sie geht noch allein herum und ist immer noch schön. Als ich von Genf zurück kam, kam Elise Fersen auf den Bahnhof von Lausanne und fuhr mit mir nach Ouchy, erzählte viel von ihrem armen Kinde158 und von ihren unausprechlichen Leiden, die sie so geduldig und selbst heiter trägt und ihr die Pflege so erleichtert. Den andern Tag, Sonntag, war ich in Lausanne in der kleinen, deutschen Kapelle, zum Ersticken voll und heiß, und besah mir dann den Dom und das alte Schloß. Zu Tisch kam Elise Fersen zu mir, in einem Chamoix Kleid, vorne halb offen, so monstreaux dick, daß man unmöglich glauben konnte, das sey die schlanke Frau mit der wunderschönen Gestalt, keine Spur mehr davon. Es ist unglaublich, so zu werden bey so viel Kummer und Sorgen. Virginie,159 die in Vevey ist, und Henriette Hottinger160 aßen 152 Die Verlobung mit Fürst Georg von Schwarzburg-Rudolstadt (1838–1890) war 1871 aufgelöst worden. 153 Frz. = peinlich. 154 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) war nach einem Schlaganfall vollständig gelähmt und verstarb am 14. Okt. 155 Karl Friedrich Wilhelm Böger (1813–1875), preuß. Generalarzt und kgl. Leibarzt. 156 Drei-Kaiser-Treffen vom 6. bis 11. Sept. in Berlin. Siehe Brief vom 31. Aug. 1872. 157 Luise Gräfin von Pourtalès, geb. Gräfin de Castellane-Norante (1793- 1881), verh. 1811 mit Friedrich Graf von Pourtalès (1779–1861), preuß. wirkl. Geheimer Rat und Oberzeremonienmeister. 158 Alexandra Gräfin von Fersen (1856–1940) war offenbar schwer erkrankt. 159 Virginie Gräfin von Hacke (1823–1881), ehem. Hofdame von Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 160 Henriette Hottinger, geb. Gräfin von Waldersee (1826–1876), aus einer morganatischen Linie des Hauses Anhalt-Dessau, verh. 1858 mit Jakob Heinrich Hottinger (1815–1876).
1872
707
auch bey mir. Nach Tisch ging ich zu Léonilla Witgenstein,161 die eine allerliebste Villa besizt ganz nahe von Beaurivage, wo ich wohnte. Die Aussicht von der Terrasse ist wunderschön und die ganze Einrichtung einfach und élégant. Sie ist eine so liebe Frau. In Luzern sah ich Georg,162 der ungeheuer stark wird. Er war lange in Rigi Kaltbad gewesen. Der Tag, den ich auf dem Rigi zubrachte, war über alle Beschreibung schön, der Himmel wolkenlos und die Aussicht prächtig. Die Eisenbahn ist gegen meine Erwartung angenehm und sicher zu befahren. Den St. Gotthard überstiegen wir im Schneegestöber und bey empfindlicher Kälte, es war wie im Dezember, desto schöner und freundlicher auf der Südseite und die Ankunft hier entzückend. Jetzt ist die Sonne wieder da, und ich bedaure, hier geblieben zu seyn, wenn es auch hier sehr hübsch ist. Lebe denn wohl, meine Adine, herzliche Grüße an Ady. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Der Tod des Königs von Schweden163 betrübt mich so für seine arme Mutter und für seine Tochter.164 Wie traurig, unterwegs zu sterben. Ludwigslust, den 8ten Oktober 1872 Geliebte Elis, unendlich lange habe ich nicht geschrieben, aber ich wußte durchaus nicht, wohin ich meine Briefe sende. Nun höre ich, daß Du in Possenhofen bist, und ich hoffe, mein Brief trifft Dich dort noch. Ich habe ja so zu danken für Deinen lieben Brief aus Lugano, bis wohin Du wohl angekommen warst und zufrieden mit Deiner Reise. Ich hätte auch so gerne Nachricht Dir gegeben, wie es mit Rußland steht, allein der Locerier,165 welcher uns angemeldet, kam so späth, und nun er da war, ist auch noch nichts anders.166 Zwar kamen sehr freundliche Briefe vom Kaiser an Fritz und einer von der Kaiserin an mich, aber der Kern der Sache war, daß man sehr wünsche, daß Miechen die Religion vorher wechselte, und dazu sollte sie Religionsstunden nehmen. Die Antwort von uns blieb fest, was Miechen ja selbst immer wieder und wieder ausspricht, sie wechsele nicht. Ich habe der Kaiserin in diesem Ton sehr offen und klar geantwortet, daß davon garkeine Rede sein könnte, und wir bathen nun um eine bestimmte Antwort, da 161 Fürstin Leonilla zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, geb. Leonilla Iwanowna Barjatinskaja (1816–1918), verh. 1834 mit Fürst Ludwig Adolf Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (1799–1866), ehem. russ. Feldmarschall. 162 Prinz Georg von Preußen (1826–1902), preuß. General der Kavallerie und Schriftsteller. 163 König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872), gest. am 18. Sept. 164 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876), und ihre Tochter Prinzessin Eugénie von Schweden und Norwegen (1830– 1889). 165 Lesebefund. 166 Heiratsantrag von Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909) an Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). Die Heirat fand erst am 28. Aug. 1874 statt, da die Braut sich weigerte, zum russisch-orthodoxen Glauben überzutreten.
708
Briefe 1851–1873
die lange Ungewißheit nicht zu ertragen sei. Fritz hat ebenso geantwortet, aber etwas höflicher. Die Antwort kann in 14 Tagen hier sein, daher werde ich dich jetzt nicht bitten, daß ich zu Dir nach Sanssouci kommen darf, sondern erst, wenn Bruder Wilhelm hier gewesen ist. Am 27ten will er nach Schwerin auf 3 Tage kommen, den 30ten zurückkehren. Vielleicht ist es Dir dann recht, daß ich kommen darf. Unser Miechen war vergangene Woche sehr leidend, die Nerven waren so überspannt, daß sie viel an Schmertzen am Herzen klagte, große Beklemmungen hatte. Diese haben sich ganz gegeben. Sie ist nun ruhiger und nimmt wieder Theil an der Gesellschaft, wo Theater gespielt werden soll. Auch ein Ball wird arangiert, um sie zu zerstreuen. Wilhelm und Ady sind seit 8 Tagen fort, letztere scheint mir nicht wohl, doch bitte behalte es für Dich. Ihre Nerven sind so überspannt von selbst geschaffener Aufregung. Sie war oft unzurechnungsfähig, denn sie that Dinge, die man darauf schieben mußte. Unter anders arangierte und befahl sie, als wenn sie bei sich zu Haus wäre, überging Fritz und die Großherzogin, that dies alles heimlich hinter dem Rücken und reitzte Miechen gegen die Eltern auf. Es war ganz schrecklich, sodaß man sich freuen mußte, als sie abreiste. Ich hoffe, die Ruhe und Entfernung wird ihr gut thun. Der Zustand von Albert ist aber ein trostloser, kein Ende abzusehen!167 Nun lebe wohl, so Gott will, sehen wir uns wohl wieder. Deine treue Adine Dresden, den 13ten November 1872 Deinen lieben Brief bekam ich noch den Abend in Sans Souci, meine Adine, und hätte Dir gerne schon früher dafür gedankt, aber diese lezten Tage waren durch die vielen Besuche etwas unruhig. Dank Dir für alle détails über Ady’s traurigen Zustand. Sie télégraphirt mir heute, daß sie gar nicht nach Cassel geht, was ich trostlos finde, und eine ernste Kur anfangen soll. Wie mich das betrübt und ängstigt. Ich traue dem Zwingenberg168 nicht. Ist kein accoucheur169 consultirt worden? Man kann sie ja für’s Leben zu Grunde richten. Ich bitte Dich, laß Deine Autorität recht zur Geltung kommen. Dein Sohn170 hat Dir gewiß schon alles mögliche von hier erzählt, und nicht, wie ich es könnte, da ich nur ein diné den 9ten und den 10ten die Einsegnung der Ehe erlebte.171 Das war tief ergreiffend, rührend und erhebend, und wie danke ich Gott, daß meine Schwester alles so gut ertrug, daß ihre geringen Kräfte ausreichten. Sie sah in ihrer Art nicht so übel aus, wie ich dachte. Die Masse der Fürstlichkeiten war groß und konnte einen verwirren. Wilhelm und Auguste waren unendlich freundlich und herzlich, nicht 167 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) war durch einen Schlaganfall gelähmt und verstarb am 14. Okt. 168 F.W. Zwingenberg, preuß. Sanitätsrat und Leibarzt bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen. Weitere Daten nicht zu ermitteln. 169 Frz. = Geburtshelfer. Gemeint ist wohl ein Arzt für Geburtsheilkunde. 170 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 171 Feierlichkeiten zur Goldenen Hochzeit von König Johann (1801–1873) und Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877).
1872
709
störend. Auguste hatte die größte Freude an dem Auffenthalt. Die Liebe und Theilnahme, die man im ganzen Land für das Jubelpaar hatte, war rührend und wohlthuend. Man gab ihnen die schönsten und sinnigsten Geschenke. Nun ist alles fort und Ruhe eingekehrt. Der heutige Tag ist auch recht wehmüthig. Gestern Abend fiel der erste Schnee, und heute Morgen waren alle Dächer weiß, und von der Stadt sah es aus wie im tiefen Winter. Das ist doch zu früh. Wir haben sehr dunkle Tage, nur der 10te war schöner. Meine Nichte Lilli172 ist zu unserer Freude noch hier, auch mein Neffe Karl Ludwig von Oesterreich.173 Nun aber lebe wohl, meine Adine, ich umarme Dich in Gedanken und bin mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 30ten November 1872 Liebe Elis, da ich Dich nun wieder im lieben Sanssouci weiß, eile ich, Dir zu danken für Deinen Brief vom 18ten aus Dresden. Ich freue mich immer, wenn ich Dich daheim weiß, und bei dem milden Wetter wirst Du Sanssouci wohl nicht so bald mit Charlottenburg vertauschen, obgleich der ewige Regen und der Sausewind unerträglich ist. Ich kann solches Wetter nicht leiden, man fühlt sich so dumm. Ich hoffe, Du hast Deine Schwestern wohl verlaßen und besonders das Jubelpaar.174 Da sieht man, daß Freude nicht schadet. Hier bei uns ist man sehr beschäftigt mit dem Unglück an der Ostseeküste.175 Alle Hände rühren sich, die Geldbeutel haben die Schwindsucht, man thut, was man kann, und doch, wie wenig ist es im großen Ganzen. Es können nur einzelnen Thränen getrocknet werden. Wieviel Ehlend bleibt noch, und nun der Winter vor der Thür. Es können auch noch Stürme kommen und neues Unglück anrichten, denn das Meer kann überall eindringen, nirgens ist Halt mehr. Von Ady habe ich gute Nachricht, die Kur geht ihren Weg. Sie liegt, darf aber täglich ausfahren und sieht fast niemand. Von Fritz Wilhelm sind Gott sei Dank auch viel bessere Nachrichten. Victoria ist endlich in Karlsruhe angekommen. In besserer Pflege könnte er aber nicht sein als bei seiner Schwester Luise.176 Hier verbreitet sich das Gerücht, daß Prinz Artur oder Alfred sich mit Friederike von Hannover versprochen.177 172 Mglw. Prinzessin Elisabeth von Savoyen-Carignan, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen (1830–1912). Siehe Brief vom 2. Febr. 1869. 173 Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896). 174 Goldene Hochzeit von König Johann (1801–1873) und Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 175 Am 12. und 13. Nov. war auch die mklbg. Ostseeküste durch einen Nordoststurm schwer überflutet worden. 176 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 177 Heiratsprojekt für Prinz Arthur von Großbritannien und Irland, Herzog von Connaught and Strathearn (1850–1942), oder Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), mit Prinzessin Friederike von Hannover und Cumberland (1848–1926).
710
Briefe 1851–1873
Hast Du etwas davon gehört? Ich glaubte schon, er wolle sich die Töchter von Fritz Karl ansehen! Die Prinzen sind jetzt selten. Da fällt mir ein, daß Marichen jetzt mit ihrem Kinde178 bei ihrem Papa in Huis de Paauw179 ist und glückselig. Freilich trübt die Erinnerung an die Mama und die leeren Zimmer, wo alles liegt und steht, als wenn sie noch lebte, etwas die Freude. Henriette Linden, jetzt Barne, hat auch einen Sohn.180 Es soll ihr gut gehen. Nun leb wohl, der Brief soll fort, so einfältig er auch ist. Deine treue Adine Charlottenburg, den 20ten Dezember 1872 Es war mir die Zeit schon recht lange geworden, wo ich nichts von Dir hörte, meine Adine. Desto größer war die Freude über Deinen lieben Brief, tausend Dank dafür. Ich war nun über 14 Tage hier und ganz eingewohnt in meiner warmen Wohnung, die anfangs, wo es noch so mild war, wirklich zu warm war. Jetzt haben wir Winter und viel Schnee, was für die Felder ein großes Glück ist, aber einen unangenehmen Ostwind, recht schneidend, und es ist so dunkel, man sieht kaum etwas. Vorgestern war ich bey Ady und fand sie recht gut, und besonders froh über drey Wochen Pause in der Kur. Von ihrer Aufregung ist nichts zu merken, wenn sie ruhig mit mir plaudert, aber ich höre, daß sie doch noch vorhanden ist. An Besuchen fehlt es ihr nicht, ihr jetziges Leben wäre auch sonst gar zu langweilig, und die Wohnung ist dunkel und recht zum melancholisch werden gemacht, man siht und hört nichts im Garten. Hedwig Brühl181 ist viel bey ihr. Anna Maltzahn182 fühlt sich besser, aber noch kann sie keinen Dienst thun, ausser zum Ausfahren. Der liebe Abbat kam gestern Morgen nach Berlin und war gleich als Donnerstagskind bey mir. Und als die Kinder von Fritz Karl weg waren, blieb er noch lange und sprach mir von seinen Einrichtungen, seinem künftigen Hofstaat. Er sah recht zufrieden aus. Heute kümmt nun Ernst in Berlin an, mit Frau und Tochter183 auf zwey Tage. Die arme Kleine ist gewiß schwer in allen Ängsten. Gott gebe nur, daß sie auch recht freundlich aufgenommen wird! Vorgestern waren Wilhelm und Auguste und Mary zum diné hier. Ich dachte, es verstünde sich von selbst, daß die Prinzeß Pauline von Weymar184 mit kommen würde, aber 178 Fürstin Marie von Wied, geb. Prinzessin der Niederlande (1841–1910), und ihr Sohn Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945). 179 Huize de Paauw, seit 1838 Residenz von Prinz Friedrich der Niederlande. 180 Henriette von Barne, geb. von Linden, ehem. Hofdame von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. Weitere Daten nicht zu ermitteln. 181 Hedwig Gräfin von Brühl (1835–1905), Hofdame bei Prinzessin Victoria von Preußen. 182 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen. 183 Herzog Ernst I. (1826–1908) und Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897), mit ihrer Tochter Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854– 1898), Verlobte von Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 184 Prinzessin Pauline von Sachsen-Weimar-Eisenach (1852–1904), verlobt mit Erbgroßherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1844–1894).
1872
711
ich hätte sie besonders nennen sollen, und sie kam nicht, was mir leid that. Wilhelm sah recht gedrückt aus und war still. Wie kann es auch anders seyn! Die jetzige Lage ist zu greulich. Bismark ist zurück, und nun will er mit dem Innern Preussens nichts mehr zu thun haben! Nach allem, was er doch selbst eingeleitet hat, zieht er sich zurück!185 Roon186 bleibt, das freut mich. Weiß Gott, welche Veränderungen noch die nächste Zeit bringen wird. Die Zukunft liegt recht dunkel vor uns, und mir bangt vor dem neuen Jahr. Karl gedenkt, mit Gottes Hülfe Sonntag heim zu kehren. Er ist Gottlob wohl. Die erste und recht strenge Kälte, die gleich bey seiner Ankunft anfing, war nicht ermuthigend. Helene187 war recht krank in Florenz, dennoch besteht sie auf die Rückkehr nach Rußland und wird bald hier durch kommen. Von Fritz Wilhelm sind die Nachrichten Gottlob gut. Wenn er sich nur recht schont. Die arme Luise188 hat nun auch die Masern. Heute reisen Fritz Wilhelms Kinder nach Wiesbaden. Sie waren bis jetzt im neuen Palais, wohnten alle ganz oben. Von Amelie189 habe ich Gottlob gute Nachrichten. Ich möchte, der Winter wäre schon glücklich überstanden. Ich nehme mich recht in Acht, Du sollst zufrieden mit mir seyn. Das Elend muß groß seyn an Euren Küsten, aber es geschieht viel für die armen Leute in ganz Deutschland.190 Daß man im Winter nicht bauen kann, ist traurig. Wo werden sie ein Unterkommen finden! Wie begreiffe ich, daß Dir das Ende Deiner Trauer für Albrecht wehe that.191 Ady sprach viel von ihm vorgestern. Du mußt nicht glauben, daß dieß mein erster Besuch bey ihr war. Ich ging gleich die erste Woche meines Hierseyns zu ihr, kam wieder, aber ohne sie zu sehen, weil sie zu Bette war. Die Kammerfrau192 sagte mir die ganz natürliche Ursache der Schonung. Lebe nun wohl, meine Adine, ich wünsche Dir frohe Feste. Nimm meine Gaben freundlich an. Was jetzt nicht fertig wird, soll zum Geburtstag erscheinen. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
185 Das preuß. Herrenhaus hatte seine Zustimmung zu einer Reform der Kreisordnung verweigert. Daraufhin ließ der preuß. Ministerpräsident Otto von Bismarck durch den König zusätzliche Herrenhausmitglieder berufen, um die Mehrheiten zu ändern. Aufgrund des Widerstands in der konservativen Fraktion trat Bismarck als preuß. Ministerpräsident zurück, blieb jedoch Reichskanzler. 186 Albrecht Graf von Roon (1803–1879), preuß. General und Kriegs- und Marineminister, wurde nach dem Rücktritt Bismarcks am 1. Jan. 1873 zum preuß. Ministerpräsidenten ernannt. 187 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), verstarb am 21. Jan. 1873. 188 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). 189 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 190 Am 12. und 13. Nov. war auch die mklbg. Ostseeküste durch einen Nordoststurm schwer geschädigt worden. 191 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) war am 14. Okt. verstorben. 192 Franzisca Hagemann, Kammerfrau bei Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen. Weitere Daten nicht zu ermitteln.
712
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 27ten December 1872 Liebe Elis, ich muß Dir gleich danken für die wunderschönen Geschenke. Das liebe Grüne Zimmer im Schloß von Berlin hat mich so wehmüthig gemacht. Es ist so treu, ich erkenne alle Gegenstände ganz genau. Wie viel frohe Stunden haben wir oft dort zugebracht, und wieviel Sorgen und Angst, besonders 1848. Nun ist es ganz verlaßen. Die Mappe mit der Friedenskirche ist auch diliziös, auch so traurig, darum doppelt lieb. Du hast Weihnachten wohl wie all die letzten Jahre zugebracht, und wie Du mir telegraphierst, Gott sei Dank wohl. Möge das neue Jahr Deine Gesundheit verbessern. Was wir im verfloßnen Jahr gehabt haben, wißen wir, was das Neue Jahr bringen wird, wißen wir nicht. Mit Zuversicht kann man nicht hineinblicken, doch Gott wird alles wohl machen und die Hand über Preußen hallten. Möchte nur der Glaube zum Herrn fester werden und der Unglaube abnehmen. Aber es sieht schlimm damit aus, wenn die Religion dem Volk genommen würde, dann schwankt alles! Das Ende des alten Jahres hat uns beide viel Thränen gekostet. Dir nahm es die geliebte Schwester, mir den Bruder.193 Doch ich irre, Deine Schwester starb schon im Mai, aber es nahm uns doch liebe Geschwister. Mit Ady scheint es ja jetzt gut zu gehen, aber die ganze Kur wird erst im May zu Ende sein, möchte es dann nur Früchte bringen. Die Nachrichten von Fritz Wilhelm aus Wisbaden scheinen sehr befriedigend und auch, Gott sei Dank, von Louise von Baden.194 Das werden doch Angstzeiten für Wilhelm und Augusta gewesen sein. Wie ist die hohe Frau? Ich sah, daß sie bei Dir gegeßen. Die Prinzessin von Weimar195 soll scharmant sein, nicht hübsch, aber gefällt sehr. Wie war das Brautpaar?196 Abbat ist zu Weihnachten nach Altenburg gewesen, so schreibt mir Agnes,197 ganz glückselig darüber. Nun leb wohl, mein kleines Geschenk ist abzuschicken vergeßen worden. Es besteht in einem alt sächsischen Porcelan Suppenschale. Vielleicht kannst Du sie mal gebrauchen. Deine treue, alte Adine Charlottenburg, den 31ten Dezember 1872 Noch ein Wort der Liebe und des Dankes an diesem lezten Tag des Jahres, meine Adine, in dem Du mir wieder so viel Beweise der Liebe gegeben hast. Gott segne Dich dafür und lasse es Dir wohl ergehen, Dir und Deinen Kindern im neuen Jahre, und gebe mir die Freude, Dich oft in dessen Lauf zu sehen. Wir haben beyde geliebte Geschwister in die193 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), gest. am 28. Mai, und Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872), gest. am 14. Okt. 194 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923), war an den Masern erkrankt. 195 Prinzessin Pauline von Sachsen-Weimar-Eisenach (1852–1904), verlobt mit Erbgroßherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1844–1894). 196 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) heiratete am 19. April 1873 Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854–1898). 197 Herzogin Agnes von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1824–1897).
1872
713
sem Jahr verloren.198 Die Wunde heilt schwer, und mir ist, als sey es ein neuer Abschied von meiner geliebten Sophie, indem ich dieß Jahr verlasse, das sie noch erlebt hatte. Albrecht wird mir auch morgen recht fehlen, zum neuen Jahr, wo er immer hier war und kam in die Kapelle, nun fehlt wieder einer. Ady wollte morgen wenigstens vor dem Gottesdienst in die untern Zimmer seyn, um die ganze Familie zusammen zu sehen. Das sagte mir Wilhelm, als er am ersten Feyertage mit seiner sehr artigen Kleinen199 bey mir war. Aber ich fürchte, sie wird nicht kommen können, denn Fräulein von Schuckmann 200 sagte mir gestern, sie habe sich wohl am heiligen Abend zu viel bewegt, denn es sey wieder eine Entzündung entstanden, stärker wie die erste, und große Ruhe durchaus geboten. Doch begegnete ich sie gestern fahrend im Thiergarten. Für sie ist dieß herrlich milde Wettere ein ganz besonderes Glück. Man glaubt sich im Frühling. Auch hoffe ich, dieß Jahr endlich wieder den 2ten nach Sans Souci fahren zu können, so viel ich mich besinnen kann, seit dem Jahr 67 das erste Mal. Dein delizioses Weihnachtsgeschenk entzückt mich sehr. Es ist zu hübsch in Farbe und Form, tausend Dank, und für den lieben Brief, den ich schon gestern beantworten wollte, ohne dazu zu kommen, da Harder201 endlos bey mir war, und dann die Oberin Gräfin Arnim,202 und den Abend Kögel203 zur Vorbereitung auf das heilige Abendmahl, das ich heute Morgen mit meinen Damen in der Kapelle empfangen habe. Kögel sprach so schön, so tröstlich und ermuthigend, wie ich ihn kaum noch gehört. Er wird auch morgen hier in der Kapelle predigen. Ach, wie hast Du Recht: Möchte der Glaube fester werden! Aber der wird ja leider schon den Kindern in der Schule entzogen. Was soll daraus werden, welche Zukunft bereitet man sich muthwillig? Gott helfe und erleuchte. Die Confusion scheint mir jetzt groß bey uns, und ich begreiffe noch nicht, wie sie sich entwirren würde. Heute hatte ich die große Freude, einen Brief von Fritz Wilhelm zu bekommen. Er scheint ja Gottlob wieder wohl, und die Bäder in Wiesbaden bekommen ihm gut. Vor Ende Februar werden sie wohl nicht zurück kommen. Er scheint sehr glücklich und zufrieden in dem stillen Leben von Wiesbaden. Mit Luise204 geht es ja Gottlob auch gut. Sie war recht krank. Abbat hat die Feyertage in Altenburg zugebracht. Ich sah ihn hier bey mir mit der Braut205 und fand ihn etwas kalt. Ich höre aber zu meiner Freude, daß das nur ausnahmsweise der Fall ist. Da war ich, als ich durch Schulenburg, Abbats früheren 198 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), gest. am 28. Mai, und Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872), gest. am 14. Okt. 199 Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944). 200 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin der Töchter von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 201 Richard Harder (1835–1908), preuß. Jurist, Kabinettssekretär und Schatullverwalter bei Königin Elisabeth von Preußen. 202 Anna Gräfin von Arnim-Boitzenburg (1835–1905), Oberin des Elisabeth-Krankenhauses in Berlin. 203 Rudolf Kögel (1829–1896), Oberhofprediger am Berliner Dom. 204 Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923), war an den Masern erkrankt. 205 Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854–1898), Heirat am 19. April 1873.
714
Briefe 1851–1873
Adjudanten, jetzigen Hofmarschall,206 unterbrochen wurde. Ich habe ihn besonders gern, er ist Abbat so attachirt, und ich war froh, mit ihm zu sprechen. Er ist auch nicht immer zufrieden, aber sehr eingenommen von der Braut und überzeugt, Abbat wird je länger mit ihr, je mehr ihren ganzen Werth erkennen. Sie liebt ihn ausserordentlich, und wenn er will, kann er gewiß ganz glücklich werden. Sie ist allerliebst und gefiel allgemein, auch an Auguste, die recht oft bey mir war in der lezten Zeit, ihr Herz aus zu schütten. Die Heyrath der kleinen Schimmelmann thut ihr leid, denn sie hatte sie sehr gern. Sie heyrathet einen Prinzen Salm Horstmar.207 Die Prinzeß Pauline208 ist ein nettes Persönchen, heiter und natürlich, recht frisch, aber nicht hübsch, und ich fürchte, sie wird früh sehr stark werden. Sie ist ganz Würtembergisch. Vom Großfürst Thronfolger209 sind die Nachrichten endlich etwas besser. Karl, der Gottlob glücklich und wohl heimkehrte, fand ihn schon krank mit Fieber, doch war er besser, als er abreiste, da brach der Typhus erst aus. Helene210 sah ich in Berlin, so schwach, daß sie sich kaum schleppte, und wie verändert. Es ist schmerzlich. Nun lebe wohl, das lezte mal in diesem Jahr, meine Adine, des Herrn reichsten Segen mit Dir. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
206 Heinrich Günther Graf von der Schulenburg-Wolfsburg (1841–1904), preuß. Rittmeister a.D. und Hofmarschall bei Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). 207 Sophie Gräfin von Schimmelmann (1850–1928), Hofdame bei Kaiserin Augusta, heiratete Prinz Eduard zu Salm-Horstmar (1841–1923). 208 Prinzessin Pauline von Sachsen-Weimar-Eisenach (1852–1904), verlobt mit Erbgroßherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1844–1894). 209 Großfürst Alexander (III.) Alexandrowitsch von Russland (1845–1894). 210 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), verstarb am 21. Jan. 1873.
1873 Schwerin, den 2ten Januar 18731 Liebe Elis, daß ich heute ganz besonders mit meinen Gedanken bei Dir bin und Dich nach der Friedenskirche begleite, ist natürlich. Möchte es Dir nur nicht schaden, da Du jetzt Gott sei Dank wohler warst. Sonst gönne ich Dir so von Herzen, daß Du diesen Trost haben kannst, an seiner Ruhestätte zu beten. Das Wetter ist herrlich, nur die Luft etwas scharf. Dein Brief, liebe Elis, vom letzten Tag im Jahr [18]72 hat mich so gerührt. Die Thränen stürtzten mir aus den Augen vor Dankbarkeit. Gott segne Dich dafür und für alle Beweise von Liebe, die Du mir in den verfloßnen Jahren erwiesen. Möge sich Deine Gesundheit befestigen und Du uns allen noch lange erhallten bleiben. Weihnachten und Neujahr war uns in der Hinsicht ein rechtes Fest, da alle 7 Kinder um Fritz versammelt waren. Die Kleinen2 hatten zwar Windpocken, waren aber bei beiden Tagen sichtbar. Zwei hatten es zwischen, und der Kleine bekam sie am 1ten Nachmittags, haben es aber alle ganz leicht. Am Sonnabend reist Miechen mit Friedrich und Paul nach Wernigerode, um Marie Stolberg3 dort zu sehen. Dienstag setzen die Jungens die Reise nach Bonn fort und Miechen kehrt zurück. Nun ist auch beschloßen, daß Fritz mit Marie und Miechen endlich ihren Besuch in Strelitz machen werden zum Geburtstag von Marie am 21ten.4 Leider höre ich aber, daß die Tante recht verändert sein soll. Sie leidet am Magen, soll sehr mager werden und recht schwach sein, was sie selbst nicht zugeben will und alles mitmachen. Aber die Umgebung ist nicht ohne Sorgen. Marie hat in Strelitz Kissinger getrunken und darauf nach Rumpenheim, und das ist ihr schlecht bekommen. Seit der Zeit soll sie so auffallend abnehmen. Wenn es mir möglich ist, will ich im May sie noch besuchen. Nun lebe wohl, ich bin so oft unterbrochen worden, daß ich nun lieber aufhöre, damit der Brief heute noch fort kommt. Eben erhallte ich Dein Telegram, daß Du wirklich noch in Sanssouci bist. Wie freut mich das für Dich. In Gedanken und Gebeten bin ich mit Dir. Deine treue Adine Schwerin, den 3ten Februar 1873 Geliebte Elis, ich habe schrecklich lange nicht geschrieben. Es waren allerhand Abhaltungen, und doch lag mir sehr am Herzen, Dir recht bald zu danken für Deinen lieben Brief vom 21ten Januar, wo du noch recht angegriffen warst. Nun hoffe ich, ist der Husten 1 Das Briefkonvolut 1873 trägt von der Hand der Königin die Aufschrift „Briefe meiner Schwägerin Alexandrine, nach meinem Tode zurückzugeben. Sollte ich sie überleben, ungelesen zu verbrennen.“ 2 Herzogin Anna (1865–1882), Herzogin Elisabeth (1869–1955) und Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1871–1897). 3 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 4 Besuch der mklbg.-schw. Familie in Neustrelitz zum Geburtstag von Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1888).
716
Briefe 1851–1873
ganz überwunden, obgleich der böse Ostwind, welcher nicht weicht noch wankt, nicht dafür gemacht ist. Nimm Dich nur in Acht. Durch Dich erfuhr ich zuerst die Todesnachricht der lieben Großfürstin Helene,5 die ich recht von Herzen betrauere. Es war eine selten begabte Fürstin, klug, gescheut, wohlthätig, umsichtig und treue Freundin, [denen], die sie liebte. Sie war auch geachtet und hochgehallten von allen Klassen. Welche Lücke ist durch ihr Ableben entstanden. George schrieb mir sehr, sehr betrübt. Die Gefahr ist so plötzlich gekommen, daß Cathy und er noch am 20ten ein Diner gehabt, und er wollte ins Theater fahren, als er ans Sterbebett geholt wurde. Ihr Ende ist sehr sanft gewesen, gelitten hat sie garnicht. Verzeih, daß ich mich so lang über diese Verlust auslaße, wo für Dich ein viel nährer eingetreten ist durch den Tod der Herzogin von Braganca.6 Wie gönnt man ihr aber die ewige Ruhe nach so viel Schmertzensjahren, denn mit dem Tod ihrer Tochter7 war doch wohl ihr irdisches Glück dahin. Noch erinnere ich mich mit Freude, sie in Potsdam gesehen zu haben, wo sie so schön und liebenswürdig war. Du hast sie auch wohl lange nicht gesehen? Du wirst vielleicht schon gehört haben, daß der Besuch in Strelitz sehr gut abgelaufen ist und unsere beiden Marien8 sehr gefallen haben. Man ist aber auch von dort unendlich freundlich gewesen, und alle kamen entzückt zurück. Nun erwarten wir den Gegenbesuch, der noch diesen Monat sein soll, wie sie gesagt. Auguste9 hat Dir meinen Brief mitgetheilt, den ich geschrieben, als meine Kinder eben abgereist, weil sie seit Jahren immer erwähnte und wünschte, es sollte eine Aussöhnung zustande kommen, was sich nach vielen Versuche von unserer Seite nie machen wollte, als nun jetzt.10 Heute ist der Geburtstag von Mary Carl. Am Abend sind wieder Tableaux. In der Zeitung wird man wohl davon hören. Am 1. Hornung,11 Adys Geburtstag, wirst du auch an die liebe Schwester Luise gedacht haben. Maridchen ist auch im Haag, und es will mir scheinen, als wenn sie den Geburtstag von Fritz Oranien noch bleibt. Er soll ganz in dem Enkelchen12 aufgehen. Ich möchte nur wissen, was Maridchen am Knie hat, sie schreibt mir Wasser im Knie, was so schlimm geworden, daß sie den Mann gebraucht, der die Menschen knetet und prügelt in Amsterdam, so sie mehrere Wochen bleiben mußte. Ich fürchte, es ist Milchversatz, denn sie sagt nicht, daß sie gefallen oder sonst etwas am Knie sich gethan. Einstweilen war sie wieder im Haag. Wir haben hier recht 5 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), war am 21. Jan. in St. Petersburg verstorben. 6 Herzogin Amélie von Braganza, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1812–1873), verh. 1829 mit Kaiser Peter I. von Brasilien (1798–1834), gest. am 26. Jan. 7 Prinzessin Maria Amalia von Braganza, Prinzessin von Brasilien (1831–1853). 8 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1850–1922), und ihre Stieftochter Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 9 Großherzogin Augusta Karoline von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge. 10 Dass Mecklenburg-Schwerin sich im Kampf gegen Österreich sofort auf die Seite Preußens gestellt hatte, konnten der Strelitzer Großherzog und seine Familie als Kritiker der Annexionen von 1866 und der preuß. Vormachtstellung im Reich lange nicht verwinden. 11 Alte deutsche Bezeichnung für Februar. 12 Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945).
1873
717
bewegte Tage gehabt zum Geburtstag von Marie. Es kamen sehr viele Fremde, und am 30ten war ein Maskenball, der sehr viel Spaß gemacht. Man war zuerst in Dominos verhüllt und tummelte sich umher, quälte die Bekannten, und dann wurde aufgeführt, der Hof vom Herzog von Ferrara, was in Berlin am großen Maaßstab 1843 aufgeführt wurde, Tasso, führte 4 Bilder aus dem Befreiten Jerusalem13 vor, die sehr gelungen. Nach dem Souper wurde getanzt bis gegen 4 Uhr. Um 2 Uhr war ich aber zu Haus. Nun leb wohl, Gott mit Dir, Deine Adine Charlottenburg, den 17ten Februar 1873 Verzeihe, daß ich so lange schwieg, meine Adine. Ich habe gar schwere Zeit durchgemacht seit meinem lezten Brief, für zwey geliebte Schwester namenlose Angst gehabt. Die eine hat mir der Herr genommen,14 die andre erholt sich Gott sey Dank schneller, wie wir hoffen durften.15 Das ist ein unaussprechlicher Trost, eine Gnade Gottes, für die ich Ihm nie genug danken kann. Meine liebe Charlotte vorigen Sommer noch einmal gesehen zu haben, ist auch ein Trost und eine so liebe Erinnerung. Sie war so lebendig, rüstig wie sonst, hatte gar keine Gebrechen des Alters, sie sah gut, las ohne Brille, hörte gut und war so thätig. Ich glaube, sie hätte noch gern gelebt, ihre Lage war angenehm, und sie wußte sich so vielen Menschen unentbehrlich, denn ihre Wohlthätigkeit kannte keine Gränzen, und überall im ganzen Land spürte man ihre wohlthuende Hand. Auch ist der Schmerz um sie groß in allen Klassen. Sie starb den Tag nach ihrem Geburtstag, wo sie 81 Jahre vollendete. Ihre drey Enkel, Sophie’s Söhne16 und Rudolph, der Kronprinz,17 waren um ihr Sterbebett versammelt. Mein armer Schwager Franz,18 den ein unglücklicher Fall am Gehen verhindert, ließ sich zu ihr rollen, um Abschied zu nehmen, und soll sehr ergriffen seyn. Wie einsam ist der Aermste jetzt in der großen Burg! Adalbert19 wird hoffentlich heute Abend oder morgen früh zurückkommen und mir erzählen von der Beerdigung. Wie schnell ist sie meiner geliebten Sophie gefolgt. Sie hat sie nicht lange in der Burg vermißt. Sie wohnten so nahe zusammen, daß Sophie viel bey ihr seyn konnte, ihr regelmäßig jeden Vormittag vorlas. 13 „Torquato Tasso“, Schauspiel von Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), mit Torquato Tasso als Hauptfigur (1544–1595) sowie dessen Epos „Das befreite Jerusalem“ von 1574. 14 Kaiserin Karoline Auguste Charlotte von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873), gest. am 9. Febr. 15 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 16 Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916), Erzherzog Karl Ludwig (1833–1896) und Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919). Deren Vater Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878) stammte aus einer früheren Ehe ihres verstorbenen Mannes Kaiser Franz II. von Österreich (1768– 1835). 17 Kronprinz Erzherzog Rudolf von Österreich (1858–1889). 18 Erzherzog Franz Karl von Österreich (1802–1878). 19 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873).
718
Briefe 1851–1873
Von Helenens lezten Stunden20 hat mir August von Würtemberg21 viel erzählt, wie Cathi und George keine Ahnung einer nahen Gefahr hatten und noch den Abend vorher ihrer Tochter22 einen kleinen Ball zum Geburtstag gaben. Sie saßen mit einigen Gästen bey Tisch, als der Kammerdiener herein stürzte und sagte, sie würde sehr schwach. Sie fanden sie nicht ganz bey sich, doch glaubt Cathi, daß sie sie noch erkannt hat. Die innern Theile ihres Körpers waren ganz verkümmert, verkleinert und vertrocknet. Sie konnte nicht mehr leben. August Würtemberg ist sehr ergriffen und traurig. Noch dankte ich nicht für Deine beyden lieben Briefe. Eben lese ich den ersten wieder durch und sehe zu meiner Beschämung, daß Du schon lange besser weißt, was ich Dir eben erzählt. Verzeihe es mir. Deine treue Theilnahme an meinem Schmerz thut mir sehr wohl. Dank Dir von Herzen dafür. Ady kam gestern vor acht Tage zum Gottesdienst hieher. Leider wird er immer noch hier im Saal gehalten. Ich huste seit fünf Wochen in gleicher Heftigkeit, troz des immerwährenden Auswurfs. In der Kapelle könnte ich es nicht aushalten vor den vielen Menschen. Hier size ich im Grünen Zimmer bey offener Thür, und Ady saß bey mir. Sie sah übel aus, sehr blaß, aber sie war munter. Lezten Donnerstag kam sie auch, als die Kinder hier waren. Sie sah besser aus, aber sie sagte mir, daß das Uebel durchaus noch nicht gehoben sey. Gestern wollte sie wieder kommen, aber ein starker Schnupfen hinderte sie daran. Das Wetter ist nicht schön, der Himmel beynahe immer trübe, recht traurig. Auguste und Wilhelm und Karls aßen gestern hier. Auguste ist sehr heiser, geht aber bey allen Wettern aus. Wilhelm war mit seinem Magen in Unordnung, aber Marie äusserst gesprächig. Ihre Enkelinnen23 haben allgemein gefallen auf der Cour und dem Ball. Es ist ein verkümmerter Karnewal für die Jugend. Die Königin Mutter von Würtemberg24 ist auch sehr krank, wohl hoffnungslos. Lebe nun wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Marietje schreibt mir aus Amsterdam. Es scheint noch nicht ganz gut zu gehen mit ihrem Knie. Sie geht von Zeit zu Zeit zu ihrem Vater und ihrem Kind.25 Schwerin, den 27ten Februar 1873 Verzeih, daß ich so lange geschwiegen habe, meine Elis, aber Du weißt, so ein Geburtstag nimmt viel Kraft in Anspruch, die ich wirklich wenig hatte, da der Carneval ziemlich lebhaft bei uns war. Ich habe für so viel Liebe zu danken, die Du mir immer beweist und 20 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), war am 21. Jan. in St. Petersburg verstorben. 21 Prinz August von Württemberg (1813–1885). 22 Herzogin Helene zu Mecklenburg-Strelitz (1857–1936). 23 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860–1917). 24 Königin Pauline von Württemberg, geb. Prinzessin von Württemberg (1800–1873), verstarb am 10. März. 25 Erbprinz Friedrich zu Wied (1872–1945).
1873
719
nun wieder. Erstlich durch Deinen lieben Brief vom 17ten und die schönen Geschenke, nützliche und hübsche Gaben. Die 70 Jahre ist doch eine eigene Empfindung. Ich kann zwar sagen, [daß] ich sie kaum bemerke, nur die Füße sind oft matt, wenn ich die Schloßtreppe öfter gehe, und das lange Stehen kann ich nicht recht aushallten. Sonst habe ich mich diesen Winter bis jetzt merkwürdig gut gehallten, und ich hoffe, zum 22ten May nach Berlin zu kommen und Dich dann, liebe Elis, zu sehen. Ob ich bei Dir wohnen kann, da Du immer noch hustest, ist wohl sehr zweifelhaft. Bei Ady in Bellevue wird es gleichfalls nicht gehen, da spricht das Geld mit, die zwei menagen26 sind theuer. Das Wetter ist auch garnicht gemacht, um sich zu erholen. Ich freue mich aber für Ady, daß sie zu Dir zur Kirche im Saal kommen kann. Sie entbert sonst zu lang den kirchlichen Trost. Im Ganzen geht es aber doch besser, man sagt, die taille wäre ganz auseinandergegangen von dem vielen Liegen. Das wird sich aber geben. Heute ist ein sehr wichtiger Tag für uns. Die Strelitzer kommen zu uns, um 4 Uhr treffen sie ein und bleiben bis Sonntag. Heute wird nur ein kleines Diner und im Theater gegangen, und souper mit Hof morgen als am Geburtstag von Fritz, 11 Uhr Gratualation und dejeuner, wenn schönes Wetter, wozu wenig Aussicht ist, Spazierfahrt, Kirchenbesehen, bei mir 5 Uhr Famillien Diner, 8 Uhr Kur und Concert, wozu auch die Freundin der Großherzogin, Fräulein Schubert,27 mitgekommen ist, und sich hören laßen wird. Ohne dieser ist kein Leben, und dann muß man sich sehr um sie haben,28 denn sonst ist es auch nicht Recht, so erzählt man sich. Ich möchte, es wäre erst alles vorbei. Sonntag ist großes Diner und Theater mit großer Loge. Lohengrin soll gegeben werden. Sonntag nach der Kirche reisen sie ab. Mit der Königin von Württemberg29 geht es nicht schlimmer. Sophie30 ist aus dem Haag hin, so schreibt mir Miechen, der es besser geht, aber noch Schonung bedarf. Sie darf gehen, aber nicht stehen. Ich muß hier abbrechen, denn es kommen immer Unterbrechungen, und sonst bleibt der Brief noch lange liegen. Deine treue Adine Charlottenburg, den 6ten März 1873 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreute. Gestern Abend hörte ich viel von Dir und von den Freuden des Winters sprechen, durch Alfred Rauch,31 den wieder zu sehen ich mich sehr freute. Er sagte mir, wie wohl und rüstig Du bist und hättest alles mitmachen können. Deine 70 Jahre trägst Du leicht, 26 Frz. ménage = Haushalt. 27 Georgine Schubert (1840–1878), Kammersängerin seit 1867 am Hoftheater in Neustrelitz. 28 Lesebefund. 29 Königin Pauline von Württemberg, geb. Prinzessin von Württemberg (1800–1873), verstarb am 10. März. 30 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877). 31 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 17. Kavalleriebrigade in Schwerin.
720
Briefe 1851–1873
Gottlob, und sind Dir gewiß nicht anzusehen. Von dem Strelizer Besuch erzählte er mir auch und von der Sängerin, die so sehr bey Auguste in Gnaden ist.32 Es muß ein sonderbares Verhältnis seyn, nicht angenehm für die Umgebungen. Ich bin nun endlich wieder ein paar Mal ausgefahren, wenn die Sonne schien, was freylich selten genug ist. Ich huste auch nur wenig mehr, sehe aber sehr wenig Menschen, schon wegen der Trauer und dann auch, weil es mich zu sehr angreifft. Ady kam Sonntag nicht zur Kirche, ich dachte aber, sie wäre vielleicht in die Mathäikirche gegangen, da sie wieder die Treppen steigen durfte. Aber nun telegraphirte sie mir, sie hofft, Sonntag würde man sie wieder loslassen. Es war also wieder schlimmer. Es ist doch endlos. Wie schade, daß Wilhelm gestern nicht in Bellevue seyn konnte. Aus Dresden sind die Nachrichten gut, aber die Kräfte kommen leider sehr langsam wieder, und ich sehne mich sehr, Amelie wieder zu sehen, aber noch kann ich nicht hin. Ich fürchte, ich könnte sonst wieder unwohler werden, ihr dann eine Last seyn. Aber sobald ich gar nicht mehr huste, laß ich mich nicht halten. Wie schön, daß Du zum 22ten kommen willst, und es wäre ja prächtig, wenn Du hier wohntest, aber noch weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll. Jedenfalls sind noch über 14 Tage bis dahin, da ist noch Zeit, uns zu bereden. Meine arme Nichte in Schweden33 hat nun auch ihren jüngsten Sohn verloren.34 Sie ist schwer geprüft, und ich fürchte, ihre Gesundheit, besonders ihre Nerven, werden diese beständigen, schmerzlichen Schläge nicht ertragen. In 6 Monaten hat sie zwey Söhne und ihre einzige Schwester verloren. Dieser jüngste Sohn war schwach an Geist und an Körper, und Luise lachte viel über ihn und erzählte sehr komisch von ihm. Die arme Frau jammert mich sehr. Sie bleibt so allein ohne Kinder in dem fremden Land. Auguste kümmt oft zu mir und ist freundlich und herzlich und schüttet ihr Herz aus. Sie hat zwey neue Hofdamen, Gräfin Münster,35 die gar nicht hübsch ist, und Gräfin Schimmelmann,36 die Schwester der vorigen, die sich verheyrathen wird.37 Diese ist sehr hübsch und munter. Diesen Brief bekommst Du morgen an einem recht traurigen Tag. Schon 31mal kehrt er wieder und bleibt Dir gewiß immer gleich traurig. Gott stärke Dich. Lebe nun wohl, meine Adine, heute kommen die Donnerstagskinder.38 Mit treuer Liebe, Deine alte Elis
32 Georgine Schubert (1840–1878), Opernsängerin, seit 1867 am Hoftheater in Neustrelitz, 1868 zur mklbg.-strel. Kammersängerin ernannt. 33 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876). 34 Prinz August von Schweden und Norwegen, Herzog von Dalekarlien (1831–1873), gest. am 4. März. 35 Olga Gräfin zu Münster-Ledenburg (1849–1888), Hofdame bei Kaiserin Augusta. 36 Adelaide Gräfin von Schimmelmann (1854–1913), Hofdame bei Kaiserin Augusta. 37 Sophie Gräfin von Schimmelmann (1850–1928), ehem. Hofdame bei Kaiserin Augusta, heiratete Prinz Eduard zu Salm-Horstmar (1841–1923). 38 Mglw. die Kinder der „Wadzeck-Anstalt“ in Berlin. Siehe Brief vom 28. Juli 1868.
1873
721 Schwerin, den 8ten März 1873
Liebe Elis, Deinen lieben Brief erhielt ich gestern ganz früh, als ich aus dem Dom kam, wo ich im Gebet gekniet am Sarge von Paul. 31 Jahre und doch, als wenn es eben erst geschehn, so lebt er auch im Herzen seines Volks. Es war hier bei uns ein Bußtag in dem Fasten, daher ein recht stiller, gesegneter Tag. Ich dachte gleich an Deine Cousine, die Königin von Schweden,39 wie viel große Verluste sie in dem halben Jahr gehabt. Dazu gehört viel Kraft und Ergebung, um es tragen zu können. Doch der letztverstorbene Sohn40 ist wohl kein so großer. Er war doch mehr wie einfach. Wie erinnere ich mir der Beschreibung von Luise, wo er ein Portrait für ein Seesturm hielt. Aber für ein Mutterherz ist der Schmertz doch groß, wenn es ein Kind hergeben soll. Morgen ist für mich so ein Tag, wo Luise in Venedig starb. Hugo ist an dem Tag gerade dort, seit 14 Jahr. Die drei Töchter sind mit ihm.41 Adini und Olga waren schon seit längerer Zeit in Venedig bei einem Onkel-Tante Ernst Windisch Graetz.42 Von Venedig geht Hugo mit Mathilde43 und der jüngsten Tochter Marie nach Florenz zu einem berühmten amerikanischen Zahnarzt, das Böse mit dem Schönen vereint. Ich hoffe, daß Dein Husten Dich endlich bald verläßt. Er hat lange genug angehallten. Meine Idee ist, am 19ten nach Berlin zu kommen, den 20ten Fritz Carls Geburtstag mitzumachen, hoffe, den 21ten bei Dir wenigstens eßen zu können. Mit Wohnen wird diesmal nichts werden, da ich am 25ten schon nach Strelitz will. Rauch44 hat gewiß sehr amüsant erzählt von den Strelitz Besuch, der sehr gut ablief. Wie ich nachträglich höre, hat sich Auguste sehr für mich gefürchtet, mich aber doch nicht so übel gefunden. Ich danke ja wirklich Gott dafür, daß endlich Friede ist. Es war so unnatürlich zwischen unsern Häusern.45 Der Herzog von Nassau46 ist jetzt da mit Famillie. Wenn die nicht nur wieder Feuer machen. Die Sängerin Fräulein Schubert47 singt wirklich wundervoll, aber diese über39 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1807–1876). 40 Prinz August von Schweden und Norwegen, Herzog von Dalekarlien (1831–1873), gest. am 4. März. 41 Die Prinzessinnen Alexandrine (1850–1933), Olga (1853–1934) und Marie von Windisch-Graetz (1856–1929). 42 Prinz Ernst von Windisch-Graetz (1827–1918), österr. Oberst a.D. und Archäologe, verh. 1870 mit Prinzessin Kamilla zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg (1845–1888). 43 Fürstin Mathilde von Windisch-Graetz, geb. Prinzessin Radziwill (1836–1918). 44 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 17. Kavalleriebrigade in Schwerin. 45 Dass Mecklenburg-Schwerin sich im Kampf gegen Österreich sofort auf die Seite Preußens gestellt hatte, konnten der Strelitzer Großherzog und seine Familie als Kritiker der Annexionen von 1866 und der preuß. Vormachtstellung im Reich lange nicht verwinden. 46 Herzog Adolph von Nassau (1817–1905), preuß. General der Kavallerie und Kommandeur des Westfälischen Ulanen-Regiments Nr. 5 in Düsseldorf. Auch das Herzogtum Nassau war 1866 durch Preußen annektiert worden. 47 Georgine Schubert (1840–1878), Opernsängerin, seit 1867 am Hoftheater in Neustrelitz, 1868 zur mklbg.-strel. Kammersängerin ernannt.
722
Briefe 1851–1873
triebene Freundschaft ist wirklich traurig, weil die gute Auguste sich lächerlich macht und man viel darüber spricht. Von Ady hatte ich gestern einen Brief, von sich selbst schreibt sie aber nichts. Anna Maltzahn48 soll aber sehr schwach sein. Nun leb wohl, mit treuer Liebe, Deine alte Adine Schwerin, den 2ten April [1873] Liebe Elis, endlich komme ich dazu, Dir zu schreiben, und weiß nun garnicht, ob Du noch in Dresden bist oder nicht, und wie Du Deine liebe Schwester gefunden hast. Ich hoffe, Du kannst recht viel mit ihr sein, und nun das schöne Wetter dazu, ist es gewiß reitzend in Dresden. Ich bin denn in Strelitz so verzogen worden, daß ich erst Sonntag Nachmittag abreiste. Man wollte mich nicht fort laßen. Wie ich ankam, fand ich eigentlich alles krank. Fritz lag im Bett mit Fieber, am Freitag sah ich ihn erst. Marie war auch recht leidend und entsetzlich verändert, ganz zusammengefallen und mit Schmertzen im Magen, wo sie sehr diet hallten muß und nicht immer vernünftig ist. Ich sah sie leider nicht so viel, als ich gewünscht, weil sie viel allein sein muß und liegen. Doch benutzten wir die Zeit des Beisammenseins recht sehr. Die beiden letzten Tage kam sie zum Eßen und auch im Theater, wo ein Benefice für die Freundin der Großherzogin Auguste, Fräulein Schubert,49 war. Zum Glück ist diese Sängerin sehr taktvoll und bescheiden, sonst würde dies Verhältnis mehr Ärgerniß geben, wie es schon ist. Es giebt sogar einen Riß in der Gesellschaft, an deren Spitze Marie und besonders Lilli steht. Marie ist eher zum Ausgleichen bereit. Das macht das Leben dort, glaube ich, nicht ganz leicht. Für mich waren alle Menschen sehr freundlich und herzlich, da ich auch doch noch viele Bekannte fand, und die sie Fremde nannten, waren Schweriner, die dort hingekommen oder versetzt waren. In der Stadt hatten wir auch 2 soireén bei der Exzellenz von Bernstorff (Dewitz)50 und der Oberhofmeisterin von der Lühe.51 Letztere war auf dem Benefice und fing erst um ½ 4 Uhr an, ½ 1 Uhr kam ich zu Haus. Die andern blieben bis 2 Uhr zusammen. Es war aber ganz hübsch, und Sonntag nach der Kirche ist Musik auf dem Platz vor dem Schloß. Da findet sich die ganze Gesellschaft zusammen, und da geht man spazieren. Bei dem schönen Wetter war es scharmant. Meine arme Andine Klein52 fand ich 48 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen. 49 Georgine Schubert (1840–1878), Opernsängerin, seit 1867 am Hoftheater in Neustrelitz, 1868 zur mklbg.-strel. Kammersängerin ernannt. 50 Auguste von Bernstorff, geb. von Dewitz (1812–1886), ehem. mklbg.-strel. Hofdame, Witwe des mklbg.-strel. Staatsministers Wilhelm von Bernstorff (1806–1861). 51 Klara von der Lühe, geb. von Arnim, verw. von Itzenplitz (1823–1899), verh. 1859 mit Rudolf von der Lühe (1824–1881), österr. Rittmeister a.D. und mklbg.-strel. Oberhofmeister bei Großherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz. 52 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin.
1873
723
aber viel kränker und sehr verändert. Gestern und heute geht es etwas besser, aber es neigt sich doch wohl zum Ende, aber langsam. Es ist schrecklich, sie so leiden zu sehen und nicht helfen zu können. Die sorgsame Pflege der Schwester Amelie53 und die Treue des Artztes, der immer auf eine Erleichterung sinnt, ist es zuzuschreiben, daß sie noch lebt. Es ist aber ein Jammer. Die Famillie fand ich wohl vor, meine Schwiegertochter ist wieder ein Mal in anderen Umständen.54 Sehr freuen thun wir uns nicht. Es sind schon so viele Kinder. Wenn wir doch Miechen verheirathen könnten!55 Nun leb wohl, ich hoffe, es geht Dir gut mit Deiner Gesundheit. Deine alte Adine Schwerin, den 12ten April [1873] Tausend innigen Dank, liebe Elis, für Deinen lieben Brief vom 11ten. Wir alle sind Gründonnerstag zum Abendmahl gegangen, und Gott wolle uns die Feier zum bleibenden Seegen sein laßen. Ich dachte auch, daß Ady mit Dir die Feier begehen würde, um sich nicht zu sehr zu fatiguen. Da hat aber die Liebe zum Bruder den Sieg davon getragen. Es ist auch das letzte Mal, daß er unverheirathet es genommen.56 Möchte Ady nur die Vermählungsfeierlichkeit nicht schaden, denn es ist eine große Fatigue. Nun habe ich zwei Bitten, liebe Elis. Wenn ich Donnerstag den 17ten nicht bei Majestäten eße, ob ich dann zu Dir zum Eßen kommen kann, und ob es Dir recht wäre, wenn ich vom 22ten an zu Dir nach Charlottenburg ziehen könnte bis Sonnabend den 26ten nachmittags, um Dich endlich einmal etwas mehr sehen [zu] können. Ich hoffe von Deiner Freundschaft, daß Du mir offen sagst, ob es Dich geniert oder nicht. Dann komme ich lieber ein andermal. Welche Freude für Dich, Deine Schwester Amelie besser gefunden [zu haben] und ihre Besserung so bemerkbar war bei Deiner Anwesenheit. Nun leb wohl, so Gott will auf baldiges Wiedersehen. Deine Adine Fräulein Andine Klein57 war ganz gerührt, daß Du ihrer so liebevoll gedacht. Es geht ihr sehr abwechselnd, aber eigentlich immer weniger gut.
53 Amalie von Klein (1829–1907). 54 Schwangerschaft mit Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969), geb. am 10. Okt. 55 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) heiratete am 28. Aug. 1874 nach zweijähriger Wartezeit Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909), trotzdem sie sich geweigert hatte, zum russisch-orthodoxen Glauben überzutreten. 56 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) heiratete am 19. April Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1854–1898). 57 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin.
724
Briefe 1851–1873
Schwerin, den 30ten April 1873 Liebe Elis, laß mich Dir recht danken, daß Du mich auf einige Tage bei Dir aufgenommen hast. Es war mir eine solche Freude und zugleich eine solche Wohlthat, mich bei Dir ausruhen zu können nach den großen Festen. Am liebsten hätte ich Deine Liebe mißbraucht und wäre gerne länger geblieben, aber es ging nicht, denn gestern, Dienstag, waren 80 Landstände hier bei mir versammelt, um mir ihr schönes Geschenk selbst zu überreichen zu meinem 50! Jubiläum,58 was denn so über alle Begriffe schön ist, ein wahres Kunstwerk. Es ist ein silberner Tischaufsatz, meisterhaft gearbeitet und so sinnig ausgedacht, man sah, recht mit dem Herzen. Um 5 Uhr war Diner bei mir, über 100 Personen. Fritz, Marie und ganzer Hof waren auch dabei, ebenso die 4 preußischen Generäle.59 Es war wirklich ein sehr schönes Fest, was meinem Herzen sehr wohl gethan. Ich war aber ganz erschöpft und angegriffen. Besonders kam hinzu, daß Andine Klein60 so sehr krank seit 2 Tagen ist, daß man nicht glaubt, daß sie noch lange so leiden wird. Die macht mich ganz mürbe! Sie hat furchtbare Schmertzen, wenig Schlaf, kein apetit. Die Kräfte sinken auffallend. Sie hat starkes Fieber. Kurtz, man muß selbst hoffen, daß der liebe Gott sie nicht zu lange leiden läßt. Es ist aber zu traurig. Ich habe sie noch garnicht gesehen, da sie so schwach ist und oft unbesinnlich, was vielleicht von den betäubenden Mitteln kommt, was aber nicht vorhällt. Ich hoffe, es geht Dir gut. Der böse Ostwind hat wenigsten aufgehört und in Westwind gewandelt, der auch wirklich erfrischenden Regen gebracht, aber kalt ist die Luft doch. Von Bruder Wilhelm hatte ich gestern ein langes Telegram, wonach es ihm bis jetzt sehr gut ging.61 Die Reise wäre sehr bequem gewesen. Der Kaiser hätte ihn in Gatschina herzlich empfangen, und der Einzug in Petersburg wäre wie ein Triumphzug gewesen. Das Betreten der Stuben von Charlotte, die seine Wohnung ist, wäre ein wehmüthiger Moment, ebenso der Besuch in der Festungskirche, wo er für sich und uns, die noch lebenden Geschwister, gebetet und Kränze niedergelegt, und am Tag selbst käme er eben von der grande sortie62 und Wachparade. Warmes Wetter, Sonnenschein und kein Wind, die Newa fängt an zu brechen. Die Tiesenhausen, Rohrbek und Bartenefs hat er gesprochen.63 Der Messe Gesang wäre wundervoll, alles ruft die 58 Geschenk der mklbg. Landstände zum 50. Einzugsjubiläum von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 59 Die Kommandeure der 17. Division und der dazugehörigen Brigaden, stationiert in Schwerin: Ludwig Freiherr von Schlotheim (1818–1889), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 17. Division, Hugo Freiherr von Kottwitz (1815–1897), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 33. Infanterie-Brigade, Rudolf von Manteuffel (1817–1903), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 34. Infanterie-Brigade, und Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 17. Kavalleriebrigade. 60 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 61 Reise von Kaiser und König Wilhelm I. nach Russland im Vorfeld des Drei-Kaiser-Abkommens vom 22. Okt. 1873 in Wien, ein Bündnis zwischen Österreich-Ungarn, Russland und dem Deutschen Reich. 62 Frz. = großer zeremonieller Ausgang. 63 Katharina von Tiesenhausen (1803–1888) sowie Frau von Rohrbeck und das Ehepaar Bartenew,
1873
725
alte Zeit zurück mit allen denen, die nicht mehr sind. Dies sind die Worte aus dem Telegram. Nun schließe ich, damit mein Dank bald in Deinen Händen ist. Die Aussicht, im Herbst bei Dir nach Stolzenfels zu kommen, ist wie ein leuchtender Stern. Gott mir Dir, Deine treue Adine Schwerin, den 12ten Mai 1873 Dein lieber Brief, meine liebe Elis, hat mich sehr erfreut, besonders, daß es Dir bis dahin gut gegangen ist, was mir Pudlitzens64 vorgestern sagten. Die treuen Seelen waren 2 Tage hier, um uns als ihre alten Bekannten noch wiederzusehen vor ihrer Auswanderung. Sie haben hier viele Beweise von Liebe gefunden, was sie sehr glücklich gemacht. Heute Morgen sind sie abgereist. Ich bin überzeugt, daß sie beide in Karlsruhe sehr glücklich sein werden. Er kommt doch in sein eigentliches Element, wird dort große Thätigkeit finden und am großherzoglichen Paar65 treue Beschützer und Freunde haben. Ihren Sohn bekommen sie nach Straßburg.66 Das ist keine Entfernung. Es wird sich alles zum Besten wenden. Eben bekam ich einen Brief von Mathilde Fürstin Taxis,67 daß sie dies Jahr nicht nach Marienbad kömmt. Sie kann eine ähnliche Kur zu Hause brauchen, was mir sehr leid ist, denn seit Jahren sind wir dort zusammen gewesen, und sie war mir eine sehr liebe Gesellschaft. Sie wird mir sehr fehlen. Mit meiner armen Andine Klein68 geht es noch immer gleich fort. Sie wird immer schwächer, und ihr Aussehen ist so leichenhaft, daß man nicht begreift, wie sie noch lebt. Aber der Artzt sagt, es könne sich noch länger hinziehen, wenn nicht ein Herzschlag dazu trete. Die Schmertzen haben ganz aufgehört, dafür ist starkes Herzklopfen und Beklemmungen eingetreten und große Unruhe. Des Nachts schläft sie ziemlich und auch bei Tage viel, aber meist durch Mittel, wenn sie auch ganz schwach sind. Es ist ein Jammer, das mitanzusehen. Zu meiner Freude höre ich durch Ady, daß Bruder Wilhelm glücklich angekommen ist, aber verschnupft, was er sich den letzten Tag in Gattschina zugezogen, aber sehr erfüllt von der liebevollen Aufnahme, aber auch tief ergriffen, Petersburg ohne die lieben Entschlafenen wiedergesehen zu haben. Wenn Wilhelm sich nur schonen wollte bei dem
64
65 66 67 68
ehem. Angehörige des Hofstaats von Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), 1863–1867 Intendant des Hoftheaters Schwerin, seit 1867 Hofmarschall bei Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen, übernahm nun die Leitung des Hoftheaters in Karlsruhe, verh. 1853 mit Elisabeth Gräfin von Königsmarck (1825– 1901). Großherzog Friedrich I. (1826–1907) und Großherzogin Luise von Baden, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923). Verm. Stephan Gans Edler Herr zu Putlitz (1854–1883) zum Studium in Straßburg. Fürstin Mathilde Sophie von Thurn und Taxis, geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg (1816–1886). Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin.
726
Briefe 1851–1873
kalten Wetter, daß er keine Grippe bekömmt. Übermorgen feiern wir Miechens Geburtstag, 19 Jahr wird sie. Ich wünsche ihr einen recht guten Mann.69 Nun lebe wohl, Deine treue Adine Sans Souci, den 25ten May 1873 Heute ist ein Tag wehmüthiger Erinnerung für Dich, meine Adine, ich dachte schon viel daran. Durch Ady weiß ich, daß Du Mitwoch abreisen willst, da sollst Du noch zu Hause den herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 12ten empfangen, den ich gern früher beantwortet hätte, aber in den lezten Tagen gab es noch viel Sachen und Menschen zu sehen. Zuerst verhinderte mich das heillose Wetter, früher hieher zu kommen, und dann die Gelbsucht, die mich unvermuthet überfiel, aber wobey ich dießmal nicht krank war. Sie dauerte nur drey Tage und am dritten, heute vor acht Tagen, war die Farbe schon sehr abgeblaßt. Ich kam dann endlich gestern hieher bey recht fatalen, kalten Wetter. Heute scheint die Sonne, aber die Luft ist kalt und die Flieder nur an wenigen Stellen ganz aufgeblüht, aber die Bäume in dem frischen, hellen Grün ganz herrlich und das Laub so voll. Gestern ging ich gleich nach Tisch nach der Orangerie, wo die Statue des geliebten Fritz seit wenig Tagen aufgestellt ist, vor dem Gebäude, im schönsten, weißen Marmor, sprechend ähnlich.70 Ich glaube, Du wirst zufrieden damit seyn. Gott gebe nur, daß nichts daran geschieht. Der plözliche Tod von Koutousoff71 hat Dich gewiß auch sehr frappirt? Die arme Frau,72 die in Petersburg ist, wird ausser sich seyn. Ady wird übermorgen hieher zum diné kommen zum Abschied, da sie ja nun bald abreist. Ich finde sie so sehr auseinander gegangen und noch oft recht blaß, sie war auch die lezten Tage wieder nicht ganz recht und muß sich gewiß noch recht schonen. Wilhelm73 ist wieder hergestellt von seinem Schnupfen und sieht die Truppen. Personen, die Putlitz74 genau kennen, glauben nicht, daß seine Thätigkeit in Carlsruhe von langer Dauer seyn wird, da er nie lange in einer Stelle ausharrt. Seiner Frau75 wird es unendlich schwer weg zu gehen, und ich glaube, sie wird sich etwas mühsam in Carlsruhe gewöhnen. Es ist ein kleiner, lebloser Ort, und ich weiß nicht, ob man gern sähe, wenn sie sehr thätig wäre, und hier vermißt 69 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920) heiratete am 28. Aug. 1874 nach zweijähriger Wartezeit Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909), trotzdem sie sich geweigert hatte, zum russisch-orthodoxen Glauben überzutreten. 70 Statue König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, geschaffen von Gustav Bläser (1813–1874), aufgestellt am 17. Mai vor dem Raphael-Saal des Orangerie-Schlosses in Sanssouci. 71 Wassili Pawlowitsch Graf Golenischtschew-Kutusow (1803–1873), russ. Generalleutnant und Militärbevollmächtigter in Preußen, gest. am 12. Mai. 72 Sofja Gräfin Golenischtschewa-Kutusowa, geb. Gräfin Ribeaupierre (1813–1881). 73 Kaiser und König Wilhelm I. 74 Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz (1821–1890), 1863–1867 Intendant des Hoftheaters Schwerin, bis 1873 Hofmarschall bei Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen, hatte nun die Leitung des Hoftheaters in Karlsruhe übernommen. 75 Elisabeth Gans Edle Herrin zu Putlitz, geb. Gräfin von Königsmarck (1825–1901).
1873
727
man ihre praktische Thätigkeit schmerzlich. Nun, es geht vielleicht alles besser, wie man denkt. Deine arme Andine76 jammert mich so. Wie viel muß sie leiden und kämpfen, bis sie zur Ruhe kümmt. Die Jasmund77 ist auch in jämmerlichen Zustand, dabey stockblind. Schuckchen78 besucht sie oft. Lebe nun wohl, meine Adine, Gott segne Dir die Ruhe und die Kur. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Sans Souci, den 9ten Juny 1873 Dein Telegram hat mich recht gerührt, meine Adine. Ich wußte es wohl, wie tief auch Du ergriffen seyn würdest durch diese beyden Todesfälle, die so unerwartet kamen, besonders der Verlust des guten Adalbert.79 Sie sind beyde so verwebt in den Erinnerungen unserer Jugend und einer so viel bessern Zeit. Erlaucht war sich immer so gleich geblieben und hing mit so treuer Liebe an uns allen. Ich hatte erst den Morgen durch einen Brief der Saldern80 an meine Alvensleben81 erfahren, daß ihre Schwäche auf erschreckende Art zunähme, und der Mangel an Apetit. Aber sie war so oft hinfällig, ich dachte nicht an ein nahes Ende. Und den Abend telegraphirte mir es Wilhelm, den andern Tag Gröben,82 der mir sagte, sie sey aus Entkräftung sanft entschlafen. Der arme Gröben hat diese gütige Herrin verloren und 12 Stunden nachher Adalbert, mit dem er seit seiner Kindheit befreundet ist. Mitwoch soll die liebe Erlaucht in Charlottenburg, in demselben Raum wie Albrecht beygesetzt werden, vermuthlich Donnerstag Adalbert im Dom, doch scheint dieß noch nicht ganz gewiß. Ich denke, man wird mit den Bestimmungen warten, bis sein Testament eröffnet ist, aber gewiß wird er wünschen, bey den Eltern und Waldemar83 zu ruhen. Er ging jedes Jahr in die Gruft. Mir ist es, als hätte ich seine vortrefflichen Eltern zum zweytenmal verloren. Er war die lezte lebende Erinnerung an sie in unserer Familie, der lezte männliche Nachkomme des Onkels. Die armen Schwestern84
76 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 77 Karoline von Jasmund (1808–1875), ehem. preuß. Hofdame. 78 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin der Töchter von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 79 Tod von Fürstin Auguste von Liegnitz, geb. Gräfin von Harrach (1800–1873), am 5. Juni, sowie von Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873) am 6. Juni. 80 Emma von Saldern-Ahlimb (1831–1909), Hofdame bei Fürstin Auguste von Liegnitz, geb. Gräfin von Harrach. 81 Anna Gräfin von Alvensleben (1826–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 82 Verm. Julius von der Gröben (1806–1877), Geheimer Postrat und seit 1836 Kammerherr bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 83 Prinz Wilhelm (1783–1851) und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von HessenHomburg (1785–1846), und ihr Sohn Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849). 84 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1815–1885) und Königin Marie von Bayern (1825– 1889), geb. Prinzessinnen von Preußen.
728
Briefe 1851–1873
jammern mich so, Elisabeth besonders, die eben einen Enkel auf so furchtbare Art verloren hat.85 Von Ady’s Ankunft habe ich noch nichts erfahren. Ich hoffe, sie hat die Reise glücklich zurückgelegt. Als sie das leztemal hier war, hatte sie Schmerzen auf der Eisenbahn. Noch dankte ich nicht für Deinen lieben Brief vom 27ten May, der mich sehr erfreute, besonders wegen der guten Nachrichten von der guten Andine Klein.86 So Gott will, wird es nun immer besser gehen. Ich bin so froh, daß Du beruhigt abreisen konntest. Das Wetter ist hier wenigstens schauderhaft. Die Pfingstfeyertage waren wundervoll und endlich warm, eine unaussprechliche Wohlthat, und sie blieben so bis zum Freytag, wo den Abend ein Gewitter und furchtbarer Plazregen die Luft so gründlich abkühlte, daß ich wieder Kaminfeuer wie im Herbst hatte. Dabey ist der Himmel so grau, um melancholisch zu werden. Für Deine Kur taugt das Wetter auch nicht. Zum Glück war es für die Anwesenheit des Shahs von Persien87 ganz prachtvoll. Er liebt die Gärten, die Blumen. Man hätte ihm mehr Freyheit gönnen können, und auch nicht den Maaßstab eines civilisirten Europäers an ihm legen. Er hat mir besser gefallen, wie ich dachte. Er war recht höflich, selbst artig bey mir. Seine Juwelen und Perlen sind prächtig. Die Beleuchtung am neuen Palais war feenhaft und übertraf meine Erwartung, dabey eine warme, herrliche Mondschein Nacht. Ich war in Fritz Wilhelms Zimmer allein mit meinen Damen und Graf Keller.88 Lüttichau war mit seiner Frau89 in der Gesellschafft. Wilhelm ist immer noch nicht ganz hergestellt, nicht krank, aber matt. Auguste will ihn überreden, einige Zeit in Babelsberg zu zu bringen, gewiß wäre es ihm ersprießlich, aber dazu müßte das Wetter einladender seyn. Koutousoff ’s Tod90 war auch eine schmerzliche, überraschende Begebenheit. Seine Frau91 soll in Potsdamm seyn. Er ist bey der russischen Kirche begraben. Ich höre, daß er gar kein Vermögen hinterließ. Des lieben Fritz Statue wird allgemein bewundert.92 Immer sind Leute oben, um sie zu sehen. Werder93 war ein paar Tage hier, was mich sehr freute. Er ist gealtert, aber nicht krank und sehr zufrieden in Petersburg, Sache über alle Beschreibung gütig für ihn, daher seine Stellung eine sehr angenehme. Vorhin bekam ich einen Brief von Marie von Streliz, die sich recht zu erholen scheint und von Deinem Besuch mit solcher Freude spricht. Sie ist auch sehr betrübt über die beyden Todesfälle. Nun lebe wohl, meine Adine, ich will jetzt die kleine Gräfin Dön85 Der an Hämophilie leidende Prinz Friedrich (Fritti) von Hessen-Darmstadt (1870–1873) war am 29. Mai nach einem Fenstersturz gestorben. 86 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 87 Nāser ad-Din Schāh von Persien (1831–1896) auf Europareise. 88 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen. 89 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen, verh. 1872 mit Claudine Freiin Schmysing gen. von Korff (1851–1936). 90 Wassili Pawlowitsch Graf Golenischtschew-Kutusow (1803–1873), russ. Generalleutnant und Militärbevollmächtigter in Preußen, gest. am 12. Mai. 91 Sofja Gräfin Golenischtschewa-Kutusowa, geb. Gräfin Ribeaupierre (1813–1881). 92 Statue König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, geschaffen von Gustav Bläser (1813–1874), aufgestellt am 17. Mai vor dem Raphael-Saal des Orangerie-Schlosses in Sanssouci. 93 Bernhard von Werder (1823–1907), preuß. Generalmajor und Militärbevollmächtigter in Russland.
729
1873
hoff94 sehen, die Victoria aus Wien mit gebracht hat. Es ist die Schwiegertochter meines Dönhof.95 Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Abbat war ein paar Tage hier, recht vergnügt und glücklich, Gottlob. Marienbad, den 11ten Juny 1873 Meine liebe Elis, heute Morgen bekam ich Deinen lieben Brief mit so vielen detaills, nach denen ich so verlangte, besonders von der lieben Erlaucht96 wußte ich garnichts. Ich bin mit meinen Gedanken in Charlottenburg, denn um diese Zeit wird gewiß die Beisetzung sein. Wir beiden betrauern sie wohl am meisten und sind mit ganzem Herzen an der Trauerstette, denn wir beide waren so mit allen alten Erinnerungen mit ihr verbunden. Mir that es immer so wohl, wenn ich mit ihr sein konnte. Sie liebte uns so von ganzem Herzen. Zuletzt sah ich sie bei Dir in Sanssouci, wo sie uns das hübsche, schwartze Halzband versprach, was [sie] immer viel getragen und jetzt in der Trauer für sie alle Tage anthue. Der Tod von Adalbert97 war doch erschreckend schnell. Ob er wohl eine Ahnung hatte, und wer wohl bei ihm gewesen von seiner Umgebung? Und ob die Barnim da war?98 Was wird nun aus allen den schönen Sachen werden, die er von seinen Eltern99 hatte. Ich denke, die Schwestern100 theilen es sich wohl. Ja, mit ihm löscht der Mannesstamm des lieben Onkels und der Tante aus. Das ist auch so traurig. Wie hätte es doch so anders sein können. Ich finde es einen sehr glücklichen Gedanken, daß man die liebe Erlaucht unten, wo Albert steht, nun für immer hinbringt, da sie den unausgesprochenen Wunsch hatte, in der Nähe von Papa zu liegen. In der Zeitung lese ich eben, daß Elschen nicht nach Berlin kommt, aber ihr Mann und Söhne.101 Den schrecklichen Tod des Enkels von Elschen finde ich furchtbar.102 Morgen werde ich wieder im Dom sein mit mein Gedanken. Wie viele Lieben haben wir in den letzten Jahren verlohren. 94 Marie Gräfin von Dönhoff, geb. Prinzessin di Camporeale (1848–1929), verh. 1867 mit Karl Graf von Dönhoff (1833–1906), heiratete nach ihrer Scheidung 1886 den späteren Reichskanzler Fürst Bernhard von Bülow (1849–1929). 95 Eugen Graf von Dönhoff (1803–1871), Oberhofmeister bei Königin Elisabeth von Preußen. 96 Fürstin Auguste von Liegnitz, geb. Gräfin von Harrach (1800–1873), morganatisch verh. mit König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, gest. am 5. Juni. 97 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873), gest. am 6. Juni. 98 Therese Freifrau von Barnim, geb. Elßler (1808–1878), ehem. Tänzerin, morganatisch verh. 1850 mit Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 99 Prinz Wilhelm (1783–1851) und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von HessenHomburg (1785–1846). 100 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1815–1885) und Königin Marie von Bayern (1825– 1889), geb. Prinzessinnen von Preußen. 101 Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877) und seine Söhne, die Prinzen Ludwig (IV.) (1837– 1892), Heinrich (1838–1900) und Wilhelm von Hessen-Darmstadt (1845–1900). 102 Der an Hämophilie leidende Prinz Friedrich (Fritti) von Hessen-Darmstadt (1870–1873) war am 29. Mai nach einem Fenstersturz gestorben.
730
Briefe 1851–1873
Heute haben wir wieder so himmlisches Wetter. Ich habe schon früh eine große Promenade in den Bergen gemacht. Die Luft war so köstlich, so kräftig. Ich habe heute meinen Kurtz Brunnen103 angefangen. Wir wollen sehen, ob ich ihn dies Jahr vertrage. Es freut mich recht, daß Du die wunderbare, schöne Beleuchtung am Neuen Palais gesehen hast. Es ist wirklich feenhaft. Du hast es Dir gewiß nicht so schön gedacht. Hat der Perser nicht Brillanten von seinem Rock verschenkt?104 Mary hat gewiß darauf gerechnet. Nun leb wohl, Gott behüte Dich, Deine alte Adine Sans Souci, den 20ten Juny 1873 Tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 11ten, meine Adine. Seitdem hatte ich auch ein Telegram von Dir mit Fragen, die ich nothdürftig beantwortete. Wilhelm geht es Gottlob gut, und der Auffenthalt in Babelsberg scheint ihm gut zu bekommen. Ich hatte ihn seit dem Tage seiner Rückkehr von Petersburg nicht gesehen, als er zu meiner Ueberraschung und Freude in das kleine Theehaus auf dem Pfingstberg mit Auguste kam. Es war nach starkem Regen feucht im Freyen, deßhalb hatte ich mich da hinein établirt. Er trank Thee und war recht munter, ich fand ihn wohl aussehen, nur beym Heruntergehen der paar Stufen nicht so sicher wie sonst. Den andern Tag kam er zu mir und erzählte mir von seinem Unwohlseyn, das glücklicherweise nur von kurzer Dauer war. Da er aber einen Augenblick die Worte nicht finden konnte, dachte er natürlich an Fritz. Freylich fing es auch so an im Frühjahr [18]56, aber es dauerte mehrere Tage. Gott gebe, daß es dabey sein Bewenden habe. Er hatte vorher das Flimmern vor den Augen, das ich so oft habe, daß auch Albrecht quälte, und Charlotte kannte es auch. Wilhelm hatte es seit seiner Kindheit nicht gehabt. Da ist nichts Gefährliches, aber höchst unangenehm. Albrecht konnte nicht davon sprechen hören, ohne gleich ganz übel zu werden. In dem selben Tageslicht fand ich Wilhelm doch etwas verändert, aber das ist wohl nur vorübergehend. Ich hoffe, er wird übermorgen das Fest des Lehrbataillons105 nur theilweise mit machen, da es nun recht warm ist. Theater soll natürlich nicht seyn. Auguste reist den Abend nach Carlsruhe zur Einsegnung des Erbgroßherzogs,106 und von da den 24ten nach Wien. Wilhelm soll doch noch nach Ems gehen, ich hatte gehört, die Aerzte wünschten es dieses Jahr nicht. Gastein steht fest, so Gott will, und ich glaube, daß diese Bäder ihn gewiß sehr stärken werden. Er hat keiner Beysezung beygewohnt.107 In Char-
103 Lesebefund. 104 Nāser ad-Din Schāh von Persien (1831–1896) auf Europareise. Als absolutistischer Fürst stellte er seinen Reichtum öffentlich zur Schau. Siehe Brief vom 9. Juni 1873. 105 Das Lehrinfanteriebataillon in Potsdam diente der Erprobung und Vorführung militärischer Innovationen. 106 Konfirmation von Erbgroßherzog Friedrich (II.) von Baden (1857–1928). 107 Beisetzung von Fürstin Auguste von Liegnitz, geb. Gräfin von Harrach (1800–1873), in Schloss Charlottenburg sowie von Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873) im Berliner Dom.
1873
731
lottenburg, wo ich auf Anrathen von Keller108 leider nicht war, soll es besonders schön und gemüthlich gewesen seyn. Der nicht schöne Raum schwarz ausgeschlagen, voll Blumen, aber die Hize groß. August Würtemberg109 wurde ganz ohnmächtig. Der alte Bruder von Erlaucht und seine Frau und drey Söhne110 waren bey Feyer. Der arme, alte, sehr gebrechliche Graf Harrach hatte gewiß nie geglaubt, daß er die Schwester überleben würde. Gröben111 und die Damen und die Osten112 waren bey mir, alle tief ergriffen und sehr betrübt. Im Dom war ich oben in der gewöhnlichen Loge, alle uebrigen unten um den Sarg. Luitpold113 und Elisabeth mit ihren drey Söhnen114 waren auch dazu gekommen. Kögel,115 der auch in Charlottenburg sehr sehr schön gesprochen hatte, hielt im Dom eine herrliche, kurz, tacktvolle Rede, worin er viel und wie wir es nur wünschen konnten von Adalberts vortrefflichen Eltern116 sprach, von seinen häußlichen Verhältnissen kein Wort.117 Frau von Barnim saß unter der Loge, ich konnte sie nicht sehen, wohl aber die Prinzen, die zu ihr gingen. Fritz Wilhelm führte Elisabeth vor den Sarg, wo sie betete und niederkniete. Sie ging auch in die Gruft, nach dem Adalbert heruntergelassen war, in Begleitung von Bismark-Bohlen118 und Rössing.119 Nachher kam sie zu mir in’s Schloß, und wir weinten zusammen. Luitpold war schon bey mir gewesen. In wenig Monaten ist es schon das dritte Leichenbegängniß, dem er beywohnen muß. Auguste kam auch noch, und dann fuhr ich hieher zurück, sehr erschöpft. Den andern Tag kam Elschen zu mir zum diné, mit ihren beyden jüngsten Söhnen. Der älteste war gleich wieder abgereist. Ich brachte sie nach Tisch auf den Bahnhof und unterwegs zur Orangerie, um die Statue von Fritz120 zu sehen, mit der sie auch sehr zufrieden waren. Sie ist wirklich sehr schön und wird allgemein bewundert. Ach, wohl gehen für Dich und für mich die meisten Erinnerungen in’s Grab mit der lieben Erlaucht. Sie freute sich so, mit Dir bey 108 Alexander Graf von Keller (1801–1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen. 109 Prinz August von Württemberg (1813–1885). 110 Karl Philipp Graf von Harrach (1795–1878), verh. 1838 mit Isabella von Pfister (1812–1896), und die Söhne Ferdinand (1832–1915), Leopold (1839–1916) und Ernst Grafen von Harrach (1845– 1896). 111 Verm. Julius von der Gröben (1806–1877), Geheimer Postrat und seit 1836 Kammerherr bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 112 Fräulein von Osten, Kammerfrau bei Fürstin Auguste von Liegnitz, geb. Gräfin von Harrach (1800–1873). Weitere Daten nicht zu ermitteln. 113 Prinz Luitpold von Bayern (1821–1912). 114 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1815–1885) und ihre Söhne, die Prinzen Ludwig (IV.) (1837–1892), Heinrich (1838–1900) und Wilhelm von Hessen-Darmstadt (1845–1900). 115 Rudolf Kögel (1829–1896), Oberhofprediger am Berliner Dom. 116 Prinz Wilhelm (1783–1851) und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von HessenHomburg (1785–1846). 117 Morganatische Ehe mit Therese Freifrau von Barnim, geb. Elßler (1808–1878), ehem. Tänzerin. 118 Friedrich Alexander Graf von Bismarck-Bohlen (1818–1894), preuß. General der Kavallerie und Generaladjutant. 119 Rudolf Karl Wilhelm Freiherr von Rössing (1846–1937), preuß. Kapitänleutnant und Adjutant des Prinzen Adalbert von Preußen. 120 Statue König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, geschaffen von Gustav Bläser (1813–1874), aufgestellt am 17. Mai vor dem Raphael-Saal des Orangerie-Schlosses in Sanssouci.
732
Briefe 1851–1873
mir zu essen den Tag, ehe sie abreiste vorigen Herbst. Sie war ungewöhnlich lange hier geblieben, um mich noch zu sehen. Um 2 Uhr war die Beysezung in Charlottenburg und um 11 Uhr im Dom. Fritz Wilhelm erinnerte sich, daß Papa auch den 11ten wie Erlaucht beerdigt wurde. Adalberts Adjudant erzählte mir vom Ende seines Prinzen. Er war ganz wohl den Tag vor seinem Tode und ging noch mit Rössing spaziren. Auch als er mit Beklemmungen aufgewacht war, ahndete er keine Gefahr und schickte seine Frau wieder in’s Bett, die gekommen war, weil sie Lärm bey ihm hörte. Sie ging. Rössing wurde erst geholt, als es eben zu Ende ging. Zwey Aerzte waren gekommen, hatten ein Aderlaß versucht, aber es kam kein Blut mehr. Mariechen sagte immer, er würde so sterben und sie auch. […]121 Sans Souci, den 1ten August 1873 Den Tag nach meiner Rückkehr erhielt ich Deinen lieben Brief. Der Abschied in Pillniz wurde mir entsezlich schwer, ich schied namnlos traurig, in der schmerzlichen Ueberzeugung, daß ich unter den jetzigen Verhältnissen Pillniz nicht mehr sehen werde, wenn ich es überhaupt wiedersehe. Der Zustand meines Schwagers122 ist ein sehr trauriger, wohl unheilbarer, seine Unruhe groß und beständig, seine Kräfte sehr gesunken, für meine arme, kaum hergestellte Schwester123 eine aufreibende Existenz, die sie bis jetzt merkwürdig erträgt, Gott sey Dank. Ich war unwohl, aber wieder hergestellt, doch wäre ich vielleicht länger geblieben, wenn nicht meine Nichte Marie Georg124 sich bey mir angesagt hätte auf Mitwoch, um ihren ältesten Sohn125 zu begleiten, der in’s Seebad gehen sollte. Meine beyden Neffen126 waren nach Metz gereist. Mitwoch erwartete ich Marie zum diné, hatte mit Freuden alle arrangemens gemacht, da kam ein Telegramm von ihr, sie könne nicht kommen, weil ihr Schwiegervater ernstlich, bedenklich erkrankt sey. Mein Schreck, meine Angst waren unbeschreiblich. Bald drauf kamen etwas bessere Nachrichten, und gestern Morgen waren sie sehr beruhigend. Meine arme Amelie hat mir einen langen, ausführlichen Brief geschrieben, wonach sie wirklich beruhigt ist. Die Schwäche hatte so ängstlich zugenommen, und das Bewußtseyn war geschwunden. Gestern Morgen, nach einer vortrefflichen Nacht, war er Gottlob ganz klar. Gott helfe weiter, ich fürchte, es ist nur eine Frist, die beständige, furchtbare Hize schadet ihm gewiß auch. Du hast keinen Begriff, was man dabey in Pillniz auf der Wasserseite aussteht. Wie entsezlich verändert, wie mager der arme Johann ist, kann ich Dir nicht beschreiben. Die Söhne wurden zurückgeholt, für Amelie eine groß Beruhigung. Von Johannes Zustand hängt es ab, ob ich noch nach Stolzenfels gehe. Aber wenn ich hingehe, so ist mir jeder Tag im September gleich lieb für Deine Ankunft. Gott gebe, daß es noch dazu komme! Grimm 121 Rest des Briefes fehlt. 122 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 123 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 124 Prinzessin Maria Anna von Sachsen, geb. Infantin von Portugal (1843–1884), verh. 1859 mit Prinz Georg von Sachsen (1832–1904). 125 Prinz Friedrich August (III.) von Sachsen (1865–1932). 126 Kronprinz Albert (1828–1902) und Prinz Georg von Sachsen (1832–1904).
733
1873
war wirklich wegen mir in Pillniz, fand mich aber schon besser und das Fieber vermindert. Ich hatte starkes Fieber und heftige, rheumatische Schmerzen. Es dauerte Gottlob nicht lange. Wegen Ady hörte ich nur durch meinen Bruder,127 danach schien mir, daß sie wieder recht beweglich ist. Mary ist seit vorgestern wieder in Glienicke, war gestern bey mir, in allen Farben des Regenbogens, recht geschmacklos. Karl128 war vorgestern bey mir. Fritz und Victoria traf ich nicht mehr hier. Es freut mich sehr, daß Dein Sohn129 so wohl aus Carlsbad kam. Was macht Deine liebe Kleine?130 Aus Bergtesgaden hatte ich oft Nachrichten durch die drey Nichten.131 Nun lebe wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Marie von Streliz will morgen auf 2 Tage hieher kommen. Dobbran, den 7ten August 1873 Geliebte Elis, in welcher Zeit der Besorgnis mußt Du auch immer leben über den Zustand des Königs von Sachsen, der doch immer gleich bedenklich mir scheint.132 Gott kann ja aber noch helfen, aber die ausgezeichneten Menschen werden gewöhnlich von der Erde genommen. Und was ist er für ein Mann, reich an Gaben und Gemüth und treu seinen Freunden! Ein Herz für sein Land, was er beglückt. Was für ein Verlust würde das sein. Sehr natürlich kannst Du jetzt über Stolzenfels nichts bestimmen, und [ich] werde darüber Nachricht erwarten. Von Ady hatte ich gestern einen Brief aus Frankfurt am Main, wo sie über Baden Baden mit Wilhelm angelangt war und am Nachmittag in Wilhelmshöhe eintreffen wollte. Es scheint ihr gut zu gehen. Wir sind nun seit dem 2ten und 3ten August hier am Heiligendamm, wo es traurig aussieht.133 Für die Badegesellschaft ist zwar keine Veränderung, aber bei mir, beim Cottege sieht man die Verwüstung noch sehr arg. Um das Cottege haben sie es auch leidlich hergestellt, aber die 20 Fuß vom hohen Ufer haben sie noch nicht wieder herstellen können, die abgerißen sind. Die Mauer, welche gebaut wird zum Schutz, ist kaum zur Helfte fertig, und dann wird das 20 Fuß angeschüttet, um es auszufüllen. Aber dies kostet viel, und von da an sieht nun das Ufer furchtbar aus. 20–30 Fuß sind stark aus dem hohen Ufer herausgerißen. Die Bäume liegen zum Theil noch unten am Strand, auch im Meer selbst. Viele hübsche Sitzplätze sind ganz verschwunden. Es ist 127 Prinz Karl von Bayern (1795–1875). 128 Prinz Carl von Preußen (1801–1883). 129 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883). 130 Verm. Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944). 131 Verm. die Herzoginnen Marie (1854–1920), Anna (1865–1882) und Elisabeth zu MecklenburgSchwerin (1869–1855) zur Kur in Berchtesgaden. 132 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 133 Nach den massiven Zerstörungen der Sturmflut vom 12. und 13. Nov. 1872 an der gesamten Ostseeküste.
734
Briefe 1851–1873
gräslich. Die ganze Stimmung ist so drückend. Alles, das heißt, die Mecklenburger, tragen schwer daran, daß Dobbran nicht mehr großherzoglich ist, sondern an Spekulanten verkauft.134 Das giebt dem ganzen einen ganz anderen Anstrich, obgleich noch wenig Veränderung bis jetzt vorgenommen. Das soll erst künftiges Jahr vorgenommen werden. Dann ist das Alte ganz verschwunden. Es ist sehr leer, von Gesellschaft nur sehr wenige, die keine Lust hat, unter diesen neuen Besitzern zu stehen, deren Nahmen nicht, oder vielmehr ihre Persönlichkeit nicht in Achtung stehen. Das Wetter ist auch nicht sehr günstig, fast täglich Regen, wenn [er] auch nur vorübergehend ist. Heute erwarten wir unser Miechen, die Marie Stolberg135 bis Berlin begleitet hat. Sie war mit ihr in Berchtesgaden und sind über Insbruk und Meran zurück gereist. Morgen, glaube ich, ist der Todestag von Eberhart Stolberg.136 Nun leb wohl, Gott stärke Dich und laße Deine Gesundheit nicht von neuem leiden bei dieser Zeit der Erwartung und Angst. Deine treue Adine Sans Souci, den 18ten August 1873 Für zwey liebe Briefe habe ich Dir zu danken, meine Adine, und hätte es gern früher gethan, wenn ich nicht gerade jetzt so viele andre Briefe zu beantworten gehabt hätte. Ich fange gleich mit Beantwortung des zweyten Briefes an. Obgleich eine Besserung, vielmehr Stillstand der Krankheit meines Schwagers137 eingetreten ist und viele Symptome recht gut sind, so ist der Zustand doch immer ein sehr schwankender. Noch vor wenig Tagen glaubte er sich selbst sterbend, heute bin ich auch in großer Angst, denn ich hatte gestern gar kein Telegram und heute auch noch nicht. So ist denn meine Reise nach Stolzenfels noch ganz unentschieden, und da Du doch wünschest, Deine Enkelin138 von Schwerin zu entfernen, so kann ich Dir nur rathen, gleich einen andern Auffenthalt für sie zu wählen. Ueberdem hatte ich einmal an Fritz Karls Töchter139 gesagt, sie sollten mich dort besuchen, und aus einer Äusserung von Fritz Karl entnehme ich, daß sie darauf rechnen, das wäre nun mehr, als Stolzenfels beherbergen kann. Aber wie gesagt, ich bin noch nicht dort und zweiffle, ob ich den Muth haben werde, mich von meiner armen Schwester140 zu entfernen. Wie sie, die kaum genesen, diese beständige Angst und Sorge, den Mangel an körperlicher Ruhe in die Länge ertragen kann, fasse ich nicht. Gott wolle 134 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hatte das kostenträchtige Seebad Heiligendamm, außer den drei Cottages der Familie, an eine Aktiengesellschaft unter Otto Freiherr von Kahlden (1829–1900) verkauft. Dem Großherzog fehlten seit 1866 die Einnahmen der Doberaner Spielbank, auch um die Sturmflutschäden von 1872 beseitigen zu können. 135 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 136 Eberhard Graf zu Stolberg-Wernigerode (1810–1872), gest. am 8. Aug. 1872. 137 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 138 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1854–1920). 139 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860– 1917). 140 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877).
1873
735
ihr beystehen. So viel ich weiß, will Wilhelm den 29ten wieder hier seyn. Da werde ich denn die Freude haben, Dich in den Tagen zu sehen. Heute ist ein Tag blutiger, wenn auch siegreicher Erinnerung. Der arme Keller hat seinen Sohn an dem Tage verloren.141 Er ist wieder hier, war aber dieser Tage recht unwohl und ist sehr matt. Das Wetter ist wieder wundervoll, nach ein paar kalten Tagen. Karls sind hier und Fritz Karls Töchter, sonst niemand. Die drey Tage, die Marie von Streliz hier zubrachte, haben mir wirklich die größte Freude gemacht. Äusserlich, besonders im Gesicht, ist sie ja sehr verändert, aber sonst ganz die alte, lebendig und theilnehmend und in vielem Betracht für ihre Jahre noch rüstig. Sie hatte solche Freude an der Statue meines lieben Fritz,142 an den Gärten, an allem, was Fritz geschaffen hat. Es ist eine dankbare Sache, ihr etwas zu zeigen. Ihr überraschender Besuch in Coblenz gelang sehr gut. Auguste freute sich sehr, sie wieder zu sehen. Uebrigens war die Reise bey der großen Hize sehr schlimm für Marie. Sie hatte sich wohl unterwegs den Magen verdorben, mußte beständig aussteigen, zulezt brannte noch die Achse des Wagons. Sie kam in wahrer Auflösung in Rumpenheim an. Ihre Geschwister143 waren ganz erschrocken. Ich hoffe, sie hat sich wieder erholt. Es freut mich sehr, daß Du gute Nachrichten von Ady hast. Ich höre gar nichts mehr von ihr. Ich bin nur froh, daß sie wieder zusammen sind.144 Wie begreiffe ich, wie es Dir in Dobberan zu Muthe ist. Es muß Dir einen fremdartigen Eindruck machen.145 Wird das diné à table et hôte146 noch beybehalten? Ich kann es mir bey den jetzigen Verhältnissen kaum denken. Die Beschädigungen an Deinem Cottage müssen auch gar traurig seyn. Es wird doch alles anders in der Welt. Die alten, gewohnten Verhältnisse lösen sich auf, und das Neue entschädigt nicht für das Verlorene. Lebe nun wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis
141 Anton Graf von Keller (1841–1870), preuß. Premierleutnant im 1. Garde-Regiment zu Fuß, gefallen in der Schlacht bei Gravelotte am 18. Aug. 1870, Sohn von Alexander Graf von Keller (1801– 1879), Hofmarschall bei Königin Elisabeth von Preußen. 142 Statue König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, geschaffen von Gustav Bläser (1813–1874), aufgestellt am 17. Mai vor dem Raphael-Saal des Orangerie-Schlosses in Sanssouci. 143 Verm. die Prinzen Friedrich Wilhelm (1790–1876) und Prinz Georg Karl von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1793–1881) sowie Louise Gräfin von der Decken, geb. Prinzessin von Hessen-KasselRumpenheim (1794–1881). 144 Eheprobleme zwischen Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen. 145 Aufgrund der Zerstörungen der Sturmflut von 1872 und fehlender Einnahmen hatte der Großherzog das Seebad Heiligendamm an eine Aktiengesellschaft verkauft. 146 Frz. Table d’hôte = Tisch des Gastgebers. Gemeint ist das Diner für die Kurgäste in Anwesenheit des Großherzogs, das seit Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin veranstaltet wurde.
736
Briefe 1851–1873
Dobbran, den 25ten August 1873 Tausend Dank, geliebte Elis, für Deinen lieben Brief. Gott sei Dank scheint es aber bedeutend besser zu gehen mit der Gesundheit des Königs von Sachsen,147 da der Kronprinz und Kronprinzessin148 nach Wien sind. Dann kannst Du doch vielleicht nach Stolzenfels. Ich habe mich entschloßen, auf keinen Fall vor dem 15ten September zu reisen, weil sonst Marie ganz allein ist.149 Fritz kommt erst den 16ten zurück, und in der letzten Zeit vor der Entbindung will ich sie nicht allein laßen. Die Mutter150 kommt dann auch um die Zeit. Der Tod vom Herzog Carl von Braunschweig151 kam recht unerwartet. Ich wußte garnicht, daß er in Genf gelebt. Sein Testament ist höchst sonderbar und sehr freundlich für seine nächsten Verwandten. Das wird wohl einen Prozes geben.152 Von Ady hatten wir in diesen Tagen einen Brief. Sie ist sehr zufrieden in Wilhelmshöhe und scheint nicht zum 2ten September nach Berlin zu kommen. Die arme Marie Abbat153 hat ja eine fausse couche154 gemacht und ist nun allein mit ihrem Hofstaat in Camenz.155 Abbat soll sehr betrübt darüber sein. Es ist auch nicht gut, damit anzufangen, es kommt so leicht wieder. Wir haben jetzt hier, Graf und Gräfin Stolberg-Stolberg,156 die aber in tiefer Trauer [sind] und sich darum nicht zeigen. Wer ist denn gestorben? Ich hoffe doch nicht die Mutter, die liebe Luise?157 Das würde mir sehr leid sein. Heute ist ein solcher Nebel, daß man garnichts sehen kann, recht herbstlich. Ich selbst sitze seit 8 Tagen im Zimmer an Magenkattar, was mich so angegriffen, daß ich ganz schwach bin und nun alles thue, um mich wieder auf die Beine zu bringen, damit ich am 1ten September in 147 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 148 Kronprinz Albert (1828–1902) und Kronprinzessin Carola von Sachsen, geb. Prinzessin von Wasa (1833–1907). 149 Schwangerschaft mit Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969), geb. am 10. Okt. 150 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914). 151 Der abgesetzte Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873), gest. am 18. Aug. in Genf. 152 Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873) vermachte sein umfangreiches Vermögen aus Börsen- und Edelsteingeschäften von ca. 18,5 Millionen Franken unter Auflagen der Stadt Genf. Folge war ein jahrelanger Prozess seiner unehelichen Tochter Elisabeth Wilhelmine von Civry, geb. Gräfin von Colmar (1826–1880), und ihrer Nachkommen um die Anerkennung der Vaterschaft und damit ihrer Erbschaftsansprüche. 153 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1854–1898). 154 Frz. = Fehlgeburt. 155 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), hatte Schloss Kamenz in Niederschlesien ihrem Sohn Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) zur Hochzeit geschenkt. Das nach Schinkels neugotischen Entwürfen gebaute Schloss war nach 35-jähriger Bauzeit im Mai eingeweiht geworden. 156 Alfred Graf zu Stolberg-Stolberg (1820–1903), verh. 1848 mit Prinzessin Auguste zu Waldeck-Pyrmont (1824–1893). 157 Luise Gräfin zu Stolberg-Stolberg, geb. Gräfin zu Stolberg-Stolberg (1799–1875), war am Berliner Hof aufgewachsen. Verstorben war jedoch ihre Tochter Mathilde Gräfin zu Stolberg-Stolberg (1822–1873) am 13. Mai in Potsdam.
1873
737
Berlin eintreffen kann. Ich hoffe, ich sehe Dich bei der Enthüllung158 und darf dann Dich in Sanssouci besuchen. Hier wird es immer leerer, die Abende, wenn kein Theater, werden mit Musik ausgefüllt. Mein Sohn Fritz war mehrere Tage in Dessau zu dem Manöver und ist entzückt von Wörlitz, wo Marianne wohnt, aber ohne ihre Töchter,159 was mich wundert. Du hast sie wohl viel um Dich, hast sie zum Thee und Fahrten mit. Da werden sie glückselig sein. Miechen war mit ihnen in Berchtesgaden und mag sie sehr gern, besonders Mariechen.160 Ich finde, der Aufenthalt und der längere Umgang mit Marie Stolberg161 hat Miechen sehr gut gethan. Sie hat ein sehr liebes, ruhiges, natürliches Wesen. Nun leb wohl. Ich hoffe, Du hast gute Nachrichten von Deinen Schwestern aus Dresden. Deine treue Adine Schwerin, den 11ten Oktober 1873 Geliebte Elis, heute, denke ich, wirst Du im geliebten Sanssouci gewiß zurückkehren, und da will ich Dir gleich danken für Deinen Brief vom 7ten und 8ten. Der Abschied vom reitzenden Stolzenfels wird Dir auch nicht so leicht geworden sein. Es ist ein reitzender Aufenthalt, freilich, bei vielem Regen ist kein Ort angenehm. Aber bei Sonnenschein, wie die Tage, wie ich bei Dir war, ist es idealisch, und ich kann Dir nicht genug danken, daß Du mich dort so liebevoll aufgenommen und ich den großen Genuß gehabt habe. Ich schwelge immer noch in der Erinnerung. Hier ist nun endlich nach langem Harren gestern ein sehr dicker, starker Junge gebohren, der es der Mutter etwas schwer gemacht hat.162 Es ist nicht so schnell und leicht gegangen wie die beiden Erstenmahle. Bis jetzt geht alles gut. Gott wolle weiter helfen. Gerade gestern war General Treskow hier, der unser comandierender General geworden ist,163 worüber wir uns und die ganze Division eine große Freude haben, denn er ist sehr geliebt seit Orleans, wo er unsere Division führte. Altona sagt ihm nicht sehr zu, wo der Kaufmannstand die Haubtrolle spielt. Die Wohnung soll horibel sein, zusammen geflickt, klein und dunkel. In Hannover hat er gerade das Gegentheil gehabt, und er hatte gehofft, den Winter dort zu bleiben. Was hast Du nun für Nachrichten aus Dresden? In der Zeitung steht garnichts mehr und daher erfährt man nichts. Der Zustand bleibt wohl 158 Verm. die Einweihung der Siegessäule auf dem Großen Stern am Königsplatz in Berlin am 2. Sept. 159 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860– 1917). 160 Prinzessin Marie von Preußen (1855–1888). 161 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1903). 162 Geburt von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969) am 10. Okt. 163 Hermann von Tresckow (1818–1900), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, ehem. Chef des Militärkabinetts, ab Nov. 1870 Kommandeur der 17. Division im Deutsch-Französischen Krieg, u.a. in den Kämpfen bei Loigny, Orléans und Le Mans, bis Jan. 1873 Kommandeur der 19. Division in Hannover, seit 23. Sept. kommandierender General des IX. Armeekorps in Altona, zu dem auch die in Schwerin stationierte 17. Division mit den mklbg. Truppen gehörte.
738
Briefe 1851–1873
immer gleich besorglich?164 Gott möge Deiner Schwester nur Kräfte geben, diese beständige Gemüthsbewegung zu ertragen. In Bellevue sind meine Kinder angekommen, aber es ist ein Gewitter am Himmel über Gräfin Eulenburg,165 die nur für die Reise mitgenommen war, und es wünschenswerth ist, daß sie nicht bei Ady bleibt. Du kannst denken, was das giebt!!!! Ich freue mich zu hören, daß Du nun zufrieden mit Herrn von Ende166 bist. Ich denke, er findet sich hinein. Er tritt nicht so sicher auf wie Graf Lüttichau,167 es wird aber schon gehen. Er ist doch ein angenehmer Mann, mit so vielen Interessen und Talenten. Er ist unterrichtet und so frisch dabei. Der arme Remon168 ist nun wieder verreiset in sein Bonn. Wie amüsant, daß Du seine Schwester169 hast kennen gelernt. Da fällt mir ein, daß Augusta sehr wohlgefällig aufgenommen hat, daß Du die Palastdame170 so oft bei Dir gesehen hast, da sie so viel von ihr hielte und sie gern ausgezeichnet sieht. Nun leb wohl, der 14te und 15te sind nun beides Trauertage. Gott schütze Dich. Deine treue Adine Wie ich eben den Brief zu hatte, kam Dein Telegram, wonach Du schon gestern zurück gekehrt bist. Ich dachte Dich in Achen, da hier das schönste Wetter war. Schwerin, den 20ten Oktober 1873 Ich habe so lange mit meinem Brief gewartet, geliebte Elis, weil ich erst abwarten wollte, wie es mit meiner Schwiegertochter Marie gehen würde.171 Gott sei Dank, seit vorgestern Abend geht es besser, und gestern hatte sie fast kein Fieber, was 6 Tage angehallten und ziemlich stark war. Die Ärtzte waren unruhig, weil sie keine Ursache finden konnten, da Marie sich wohl fühlte. Sie nährt selbst, und darin suche ich die Ursache mit. Sie hat sehr wenig Milch, also mußte mehr zu eßen und zu trinken gegeben werden, um das zu befördern. Auch war der Magen nicht in Ordnung. Nun scheint sich alles regeln zu wollen, und man muß hoffen, daß ihre Jugend die Genesung befördert. Du kannst denken, nach den so traurigen Erfahrungen, die wir gemacht, wie alle sehr in Sorge waren und schwere Tage und Stunden durchgemacht haben. Fritz war am Dienstag ganz auseinander, wo das 164 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 165 Mglw. Olga Gräfin zu Eulenburg (1848–1923). 166 Otto Leopold von Ende (1836–1910), neuer zweiter Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 167 Maximilian Graf von Lüttichau (1838–1899), erster Kammerherr bei Königin Elisabeth von Preußen. 168 Alfred von Reumont (1808–1887), preuß. Geheimer Legationsrat, ehem. Ministerresident in Florenz und Historiker. Der Krieg 1859 beendete seine diplomatische Karriere. Aufgrund fehlender Verwendung zog er nach Bonn und widmete sich seinen Studien v.a. zur ital. Geschichte. 169 Person nicht zu identifizieren. 170 Adelaide Gräfin von Hacke (1812–1899) oder Louise von Oriola (1824–1899), Palastdamen bei Kaiserin und Königin Augusta. 171 Geburt von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969) am 10. Okt.
1873
739
Fieber so sehr heftig war, ebenso die Prinzessin Adolf.172 Du wirst nun auch wieder unruhige Tage haben, da der König von Sachsen doch in einem sehr bedenklichen Zustand ist.173 Möge das Leiden nicht zu lang anhallten und Deiner Schwester die Kraft erhallten, die Pflege durchzuführen. Das Wetter ist so schön. Obgleich des Morgens kalt, ist es am Tage warm, selbst heiß, wo der Wind nicht frischt. Ich gehe und fahre viel. Du wirst wohl viel umherfahren in der hübschen Gegend. Wie viel denke ich an Stolzenfels, wo es noch himmlisch sein muß. Die prächtige Aussicht, den Aufenthalt vergeße ich nie. Ich fühlte mich so wohl bei Dir und mit Dir all das Schöne zu genießen. Habe noch recht vielen Dank dafür, und daß Du mir erlaubtest, Dich dort zu besuchen. Wir leben hier natürlich sehr still. Die Anwesenheit von Friedrich und Paul, die mehrere Tage hier waren, erleuchtete die trüben Stunden. Heute sind sie zur Jagt nach Ludwigslust und späther nach Trebschen zu Prinz Reuß VII.174 Ady hat doch gewußt durchzusetzen, daß Gräfin Eulenburg175 bei ihr bleibt. Ich fürchte, das wird böse Früchte tragen. Nun leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 27ten Oktober 1873 Schon längst wollte ich Dir schreiben, aber immer hielt mich ab die Besorgniß, in die Trauernachricht aus Dresden zu fallen. Und das wird nun doch wohl geschehn, was man eigentlich hoffen muß, denn der arme König muß in einem trostlosen Zustand sein und für seine Umgebung aufreibend und kaum zu ertragen.176 Deine arme Schwester muß dabei unendlich leiden. Möge der Herr ihr beistehn bei den noch herben Momenten und Zeiten. Hier bei uns geht es jetzt ganz gut. Meine Schwiegertochter liegt zwar noch zu Bett aus Vorsicht, sonst fühlt sie sich sehr wohl und ist recht munter.177 Sie ist aber recht mager im Gesicht geworden. Wir leben sehr einförmig und still und finden die Prinzessin Adolf178 entsetzlich still und langweilig. Sie hat aber auch recht schwere Stunden und Tage zugebracht, als Marie so starkes Fieber hatte. Gestern ist diese Einförmigkeit unterbrochen worden durch einen Polterabend bei unserem Staatsrath Buchka und Frau,179 die ihre Silberne Hochzeit feierten und die Kinder Tableaux arangierten, sehr anspruchslos 172 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914), verh. mit Prinz Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt (1801–1875). 173 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 174 Prinz Heinrich VII. von Reuß-Köstritz (1825–1906), preuß. Generalleutnant und Generaladjutant, dt. Botschafter in Russland. 175 Mglw. Olga Gräfin zu Eulenburg (1848–1923). 176 König Johann von Sachsen (1801–1873) verstarb am 29. Okt. 177 Geburt von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969) am 10. Okt. 178 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914), verh. mit Prinz Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt (1801–1875). 179 Hermann Buchka (1821–1896), mklbg.-schw. Staatsrat und Justizminister, 1848 verh. mit Elisabeth von Stein (1829–1884).
740
Briefe 1851–1873
und hübsch waren. Nachher sollte getanzt werden. Bei dem schönen Wetter muß ich immer an den lieben Aufenthalt von Stolzenfels denken. Nun ist das Schloß ganz verlaßen und einsam, und die Bewohner von Lahnstein werden das helle Licht sehr vermißen. Noch ist wohl die hübsche Arbeit nicht angekommen? Ich freue mich schon darauf. Ach, danke doch Editta180 für den ganz nach Wunsch ausgefallenen Einkauf. Hat wohl jemand für meinen Bruder eingekauft? Ich glaube, daß hätte ich verantworten können für 60–70 Reichtaler. Es ist recht dumm, daß ich vergessen, dies vorzuschlagen. Hast Du wohl etwas von Ady gesehen? Hat sie vielleicht über Wilhelm geklagt oder übergeht sie es mit Stillschweigen? Das wäre auch das Beste.181 Zu meiner Verwunderung sehe ich aus der Zeitung, daß Fritz Wilhelm und Victoria zur Vermählung nach Petersburg gehen.182 Das wird ihr sonderbar vorkommen, die Pracht und die Feste, schon morgens grand toiletten, sie, die sich immer glaubt zu erkälten, wenn sie nicht eingepackt bis zum Halz gehen kann. Nun leb wohl, der Brief soll noch fort. Der Besuch in Wien ist ja sehr, sehr brillant und herzlich abgelaufen. Karls wollen aber doch noch allein einige Ehren genießen! Deine alte Adine Sans Souci, den 28ten Oktober 1873 Du beschämst mich, meine Adine, noch hatte ich nicht Deinen lieben Brief vom 20ten beantwortet, da schreibst Du mir und machst noch dazu Entschuldigungen, daß Du nicht früher schreibst! Dieser lezte, liebe Brief, für den ich wie für den ersten von Herzen danke, bekam ich gestern, als mich eben Abbats und Ady, Fritz Karl, Frau und 3 Töchter183 verlassen hatten, die bey mir zum Familiendiné waren. Ich saß da, die einzige Alte, und kam mir vor wie aus einer andern Welt, aber ich hatte meine Freude daran, das junge Paar184 so vergnügt und glücklich zu sehen, und Marie wieder ganz wohl und frisch. Auch Marianne war sehr heiter, und mir scheint, das Verhältniß mit Fritz Karl ist freundlicher, nicht mehr so gespannt.185 Gott gebe, daß ich recht sehe. Ady war auch recht wohl und munter und auffallend stark, in einer ganz glatten, hohen, blauen taille, Peter und Paul186 von ungewöhnlicher Dimension. Lezten Sonntag vor acht Tagen aß sie bey mir, und die 180 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 181 Eheprobleme zwischen Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, die zur räumlichen Trennung führten. 182 Heirat von Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland (1853–1920) mit Prinz Alfred von Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), am 23. Jan. 1874 in St. Petersburg. 183 Die Prinzessinnen Marie (1855–1888), Elisabeth (1857–1895) und Luise von Preußen (1860– 1917). 184 Prinz Albrecht (1837–1906) und Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1854–1898). 185 Eheprobleme zwischen Prinz Friedrich Karl und Prinzessin Maria Anna von Preußen, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau. 186 Gemeint ist wohl der Umfang der Oberweite.
1873
741
Kleine187 kam nach Tisch und war unendlich komisch, gar nicht verlegen. Ady hat nicht über Wilhelm geklagt, im Gegentheil, sie sagte mir, sie hätten es beyde satt, immer getrennt zu leben. Gräfin Eulenburg188 lobte sie und sagte, was man über sie gesagt, sey nicht wahr. Ich denke, sie wird wohl jetzt mit Abbats zurück gekommen seyn, da sie bis jetzt noch in Camenz war. Ich begreiffe nur nicht, wie sie eine zweyte Dame nehmen kann, da sie mir sagte, daß die Finanzen durch den Auffenthalt in Wilhelmshöhe und die doppelte ménage189 in traurigem Zustand sind.190 Wie freut es mich, daß es Deiner Schwiegertochter191 wieder so gut geht. Wenn sie keine Milch hat, wäre es doch gewiß besser für sie und für das Kind, wenn sie das selbst Nähren aufgäbe? Ich hoffe für Dich, daß die langweilige Mama192 nun bald abreist. Eben bekam ich ein Telegam wie jeden Vormittag von meiner armen Schwester.193 Der Zustand ist immer derselbe, vollkommene Bewußtlosigkeit, nur ist heute der Puls kleiner, gestern hob er sich etwas. Mein einziger Trost ist, daß der theure Kranke nicht leidet, aber Amelie jammert und ängstigt mich unbeschreiblich. Bis jetzt ist sie wohl, ruhig und gefaßt, aber in die Länge werden ihre Kräfte nicht hinreichen, fürchte ich. Und wie Du sagst, wenn er ausgelitten und in Ruhe bey seinem Herrn ist, wie viel Schweres kümmt da noch, wozu sie noch ihre ganze Kraft an Leib und Seele bemühen wird. Ich bin nur froh, daß das Wetter noch leidlich ist, denn Pillniz kann in der Kälte recht unangenehm werden. Und doch ist es besser, daß sie dort sind und nicht in Dresden. Wie lieb von Dir, daß du noch so viel an Stolzenfels denkst. Wie freue ich mich immer über Deinen dortigen Auffenthalt bey mir. Es ist eine leuchtende Erinnerung. Wie glücklich, daß Editha194 die rechte Wahl für Dich getroffen hat. Nein, für Wilhelm hat niemand gekauft, da Du nicht hier warst. Ich hatte gemeint, es sey besser, mit dem Verkauf bis zu seiner Rückkehr zu warten, aber ich weiß nicht, warum das nicht ging. Sie waren übrigens sehr zufrieden mit dem Verkauf.195 Wilhelm war so gut, Sonntag zu mir zu kommen. Er sieht wohler aus wie im September und gar nicht müde, aber entzückt von dem Empfang in Wien, von der Schönheit der Stadt, der Ausstellung. Er mußte mir viel erzählen, ich habe ihn ungeheuer ausgefragt. Fritz Wilhelm und Victoria gehen wirklich zur Hochzeit nach Petersburg.196 Victoria fürchtet sich sehr davor. Karls 187 Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944). 188 Mglw. Olga Gräfin zu Eulenburg (1848–1923). 189 Frz. = Haushalt. 190 Die Eheprobleme zwischen Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, hatten zur räumlichen Trennung geführt. Die ohnehin prekäre finanzielle Ausstattung einer nachgeborenen Herzogsfamilie wurde durch die doppelte Haushaltsführung noch weiter strapaziert. 191 Geburt von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969) am 10. Okt. 192 Prinzessin Mathilde von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1826–1914). 193 Königin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), über den Zustand ihres Mannes König Johann von Sachsen (1801–1873), der einen Tag später, am 29. Okt. verstarb. 194 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 195 Kontext unklar. 196 Heirat von Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland (1853–1920) mit Prinz Alfred von
742
Briefe 1851–1873
kommen, höre ich, morgen zurück. Mary soll gar nicht wohl seyn. Der Kayser (mein Neffe) war schon Sonnabend nach Ungarn gereist, wo seine Frau197 noch immer nicht hergestellt ist. Lebe nun wohl, meine Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schuckchen198 soll recht unwohl Sonnabend nach Berlin zurück gekommen seyn. Noch habe ich die hübsche Arbeit aus Lahneck nicht bekommen. Schwerin, den 31ten Oktober 1873 Der Tod des vortrefflichen Königs von Sachsen199 hat uns alle tief ergriffen, wie viel mehr Dich, die Du ihn so hoch hieltst, und der das Glück deiner geliebten Schwester ausmachte. Mit ihm senkt sich ein edles Herz ins Grab, der Treue hielt, wo er sie versprochen. Er war ja auch ein treuer Freund vom lieben Bruder Fritz. Sie verstanden sich und hielten so viel voneinander! Es ist ein großer Verlust für seine Famillie. Den armen Albert200 bedaure ich. Das Regieren ist immer eine schwere Aufgabe, aber in der jetzigen Zeit doppelt schwer. Ein Verlust für sein Land, ja für Deutschland selbst. Viele Thränen werden ihm nachgeweint werden. Aber der arme König, der gewiß beim Herrn ist, dem ist die Ruhe zu gönnen nach einem solchen Krankenlager. Er ruht gewiß in Frieden. Wenn nur Deine arme Schwester diesen Schmertz erträgt. Zu Anfang geht es gewiß. Aber wenn alles vollendet, die Einsamkeit, die Leere eintritt, ob dann ihre Kräfte aushallten? Gott wird ihr beistehn in der Zeit der Leiden. Aber wie geht es Dir, die diesen Kummer so lebhaft mitfühlt aus eigene Erfahrung? Du bist gewiß recht angegriffen. Hast Du die Idee, zu Deiner einen Schwester bald hinzugehen, vielleicht nach der Beisetzung? Schone Dich nur, daß Du nicht krank wirst. Tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 28ten, den ich am 29ten früh bekam, wo der arme König schon ausgelitten hatte. Hier will ich schließen. Du wirst kaum Zeit noch Lust haben, solche Briefe zu lesen, aber meine innige Theilnahme wollte ich doch noch schreiben. Deine treue Adine
Großbritannien und Irland, Herzog von Edinburgh und Erbprinz von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), am 23. Jan. 1874 in St. Petersburg. 197 Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich, geb. Prinzessin in Bayern (1837–1898). 198 Marie Freiin von Schuckmann (1803–1884), ehem. Erzieherin der Töchter von Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872). 199 König Johann von Sachsen (1801–1873) war am 29. Okt. in Pillnitz verstorben. 200 König Albert von Sachsen (1828–1902).
1873
743 Sans Souci, den 7ten November 1873
Nur wenig Worte, meine Adine, am Vorabend meiner Abreise nach Dresden, um Dir noch von Herzen für Deinen lieben Brief zu danken. Ich will morgen um 9 Uhr von hier nach Großbeeren fahren und dann, so Gott will, um 2 Uhr in Dresden ankommen. Wie fürchte ich mich auf das Wiedersehen mit Amelie und ihren Kindern, auf die leeren Zimmer und den leeren Plaz beym Frühstück und bey Tisch. Ich kann mir das Familienleben nicht ohne ihn denken, der der Mittelpunkt, die Seele von allem war. Wie gut war er für mich, wie freute er sich, wenn ich kam, der liebe Johannes.201 Er war zu vortrefflich in jedem Betracht und in seiner Familie so liebenswürdig. Meine arme Amelie wird Mühe haben, ohne ihn fort zu leben. Gott sey Dank, sie ist körperlich wohl und still und ganz ergeben in des Herrn Willen. Die allgemeine Anerkennung ihres theuren Mannes muß ihr wohl thun, und die Trauer um ihn im Lande. Mir geht es jetzt wieder gut, ich hatte kleine dérangemens, die mich quälten, die nun beynahe vorbey sind. Ich höre, Deine Schwiegertochter ist noch recht schwach.202 Sie hat wohl das Nähren gelassen? Wilhelm geht es viel besser, aber er war recht unwohl, hat sich gründlich erkältet.203 Fast hätte ich vergessen, Dir zu Charlottchens204 Geburtstag Glück zu wünschen. Ihr Papa ist auch in Bellevue.205 Nun aber lebe wohl, ich bin heute etwas confus. Mit treuer Liebe, meine Adine, Deine alte Elis Schwerin, den 12ten November 1873 Geliebte Elis, meine Brief kömmt morgen in Deine Hände, wo Du Deinen Geburtstag und den Deiner Schwester gleich traurig zubringen wirst. Doch unsere Wünsche und namentlich meine bleiben gleich treu und aufrichtig. Möge Gott Dich von neuem beschützen in dem neuen Lebensabschnitt und Dir Gesundheit geben. Nimm Dich nur recht in Dresden in Acht, grade jetzt bei der Kälte, daß Du Dich nicht erkältest. Die Gänge im Schloß sind kalt. Wir hatten heute früh 3° Kälte und Ostwind, der Dein Feind ist. Aus Berlin habe ich gestern Abend und heute etwas bessere Nachricht von meinem Bruder.206 Er selbst telegraphiert, daß er in der Nacht und am Tage mehr Ruhe hätte. Nur der Unterschenkel schmertzt so, daß er sich rollen laßen müßte. Das ist freilich auch nicht angenehm, aber doch weniger gefährlich als die Schmertzen im Kopf, die 10 Tage anhielten. Ich habe mich sehr geängstigt. Vielleicht gehe ich Sonnabend und bleibe Sonntag in Berlin, wohin Marichen und Fritz Oranien kommen und einige Tage bleiben wollen. Dann werde ich vielleicht Bruder Wilhelm sehen dürfen. Auch will ich mich in Bellevue umsehen, wo es traurig aussieht. Sohn Wilhelm sah sich genötigt zu bitten, ihn 201 König Johann von Sachsen (1801–1873) war am 29. Okt. in Pillnitz verstorben. 202 Nach der Geburt von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969) am 10. Okt. 203 Kaiser und König Wilhelm I. war erkrankt. 204 Herzogin Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1868–1944). 205 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin. 206 Kaiser und König Wilhelm I.
744
Briefe 1851–1873
von Cassel zurückzurufen, da er Ady und ihr Treiben beobachten muß, um Unglück zu verhüten.207 Sie soll in einer furchtbar nervösen Aufregung sein, voll Lug und Trug. Das ist traurig. Wir haben die frohe Aussicht, Abbat mit Frau zur Taufe hier zu sehen, wenn letztere kann und darf, noch ungewiß.208 Am 22ten wird die Taufe sein.209 Marie ist zwar wieder ganz wohl, sie soll sich aber schonen, sodaß keine Feierlichkeiten weiter sein sollen.210 Für mich ist es ganz lieb, aber die Jugend wollte tanzen und sich amüsieren. Nun leb wohl, empfehle mich Deiner Schwester. Dein treue Adine Berlin, den 21ten November 1873 Tausend Dank, liebe Elis, daß Du mir geschrieben hast, trotzdem, daß Du so leidend bist, wie mir Dein Telegram heute sagte. Den Brief werde ich wohl noch hier oder morgen in Schwerin vorfinden. Ich habe hier schreckliche Tage zugebracht, und besonders gestern, wo Fritz Wilhelm, Abbat und mein Sohn Fritz hier zusammengetreten waren, um Adys Schicksal zu entscheiden, denn ihr Betragen hatte sich vor Tegernsee, Cassel, Camenz so gesteigert. Sie war vollstendig besinnungsloß, that und sagte Sachen, die sie eigentlich nie wieder gutmachen kann, so daß wir alle glaubten, es müßte eingeschritten werden.211 Es kam nun aufs Äußerste, was Fritz Wilhelm, der von hier aus alles in die Hand genommen, ihr anzeigte und mit allem bekannt machte. Mein Sohn Fritz sprach dann mit ihr freundlich und auf das Bestimmteste, so daß Ady sah, es würde nun Ernst gemacht. Da schlug es um, sie kam wieder zur Besinnung und wünschte sich mit Wilhelm, ihrem Mann, auszusprechen, und darauf haben sie sich nun ganz ausgesöhnt. Sie bereut alles, sagt selbst, sie wäre wie verrückt gewesen. Sie sehe ihr Unrecht ein, kam mit Wilhelm zu mir, und so stehen nun die Sachen. Und sie werden zur Taufe212 zu uns kommen, wo Abbat auch hinkommt, und gehen dann mit ihm nach Hannover, wo Ady 8 Tage wohl bleibt. Wilhelm will nur nach Bellevue, um einige andere Einrichtungen zu machen, und holt sie dann zu sich nach Bellevue. Fräulein von Maltzahn213 bleibt noch 207 Eheprobleme zwischen Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, die zur räumlichen Trennung der Ehepartner geführt hatten. Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin hatte als preuß. Generalleutnant am 23. März das Kommando über die 22. Division in Kassel übernommen, ließ sich jedoch am 10. Nov. von diesem Kommando entbinden und kehrte nach Berlin zurück. 208 Prinz Albrecht (1837–1906) und Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1854–1898), als Taufpaten. Sie war schwanger mit Prinz Friedrich Heinrich von Preußen (1874–1940), geb. am 15. April, und sollte sich schonen. 209 Taufe von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969), geb. am 10. Okt. 210 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin hatte nach der Geburt an Kindbettfieber gelitten. 211 Eheprobleme zwischen Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen. 212 Taufe von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin (1873–1969), geb. am 10. Okt. 213 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen.
1873
745
einige Zeit, da keine andere Dame da ist. Sie verläßt sie aber, denn mit Ehren kann sie eigentlich nicht bei ihr bleiben, Ady hat zu sehr ihre Ehre angegriffen. Überhaubt soll die Umgebung gewechselt werden. Die Wahl wird nicht leicht werden, denn man kann nicht wißen, ob Ady fest hällt und auf gutem Wege bleibt. Graf Eulenburg214 ist fort, und Ady verspricht, sich ganz von ihm loß zu sagen, denn um ihn war der ganze Scandal. Das war ihre Leidenschaft, die sie unzurechnungsfähig machte. Ich glaube zwar, daß ich etwas sehr konfus geschrieben habe, denn ich bin selbst noch ganz zittrich und agitiert. Doch dachte ich, wäre es Dir lieb zu hören, daß jetzt wenigstens für den Moment Friede ist. Sehr viel Vertrauen habe ich nicht, wir haben schon so manches in der Art durchgemacht. Mit meinem Bruder geht es sehr langsam besser.215 Die Stimme ist noch schwach, und alles greift ihn an. Diese Nacht war nicht so gut, und die Bellevue Geschichte mußte ihm doch mitgetheilt werden, so schonend wie möglich. Heute brachte ich ihm nun diese gute Nachricht. Nach dem Neuen Palais zur Soirée gehen wir Mecklenburger nicht, da wir alle zu angegriffen sind. Ich eße in Bellevue mit Abbat und Bernhart von Meiningen.216 Mein Fritz ist nach Schwerin zurück. Leb wohl, Gott gebe Dir bald gänzliche Besserung. Bitte Editta217 mir Nachricht zu schreiben. Deine treue Adine Dresden, den 27ten November 1873, 3 Uhr 30218 Frau Grossherzogin Mutter, Schwerin. Heute sind es 50 Jahr, dass ich Dich zum ersten Male in Potsdam sah.219 Wie wehmüthig sind die Erinnerungen dieser Tage. Elisabeth Schwerin, den 28ten November 1873 Geliebte Elis, am heutigen Tage muß ich Dir wenigstens aussprechen, wie viel ich an Dich denke an diesem Erinnerungstage vor 50 Jahren, und wie ich mit Dir fühle.220 Alle die Empfindungen, die Du durchmachst, habe ich Doch vergangenes Jahr, eine gleiche Zeit, durchgemacht. Vor 50 Jahren war es ein schöner Tag, denn er brachte Dich in un214 Mglw. Affäre mit Wilhelm Graf zu Eulenburg (1846–1885), preuß. Premierleutnant im 1. GardeDragoner-Regiment in Berlin und persönlicher Adjutant von Prinz Albrecht von Preußen (1837– 1906). 215 Kaiser und König Wilhelm I. 216 Erbprinz Bernhard (III.) von Sachsen-Meiningen (1851–1928). 217 Editha Gräfin von Hacke (1821–1889), Hofdame bei Königin Elisabeth von Preußen. 218 Das einzige überlieferte Telegramm im Briefwechsel. 219 Zum 50-jährigen Einzug von Königin Elisabeth von Preußen in Potsdam im Nov. 1823, bei dem sie ihre Schwägerin Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin kennengelernt hatte. 220 Siehe Anm. 219.
746
Briefe 1851–1873
sere Famillie. Wie viel Glück und Seegen hast Du verbreitet, und wie warst Du gleich für uns eine liebe Schwester, und wieviel fester wurde diese Liebe von Jahr zu Jahr. Wie bist Du nun meine einzige Schwester, und mit welcher Liebe hänge ich an Dich. Du bist so oft mein Trost und Stütze gewesen, daher vermiße ich Dich recht in diesem Augenblick. Doch heute nichts weiter davon. Möge der Herr nur unser Gebet erhören, Dich bald genesen zu laßen und Dich uns erhallten. Du scheinst Dich aber schwer zu erholen und bist wohl sehr krank gewesen. Ja, in unserem Alter geht es langsam zum Bessern. Das sehen wir auch an dem lieben Bruder Wilhelm. Das geht zu langsam, und am 1ten December kommt Auguste! Ich sende Dir heute auch eine Erinnerungsgabe, ein Fächer in der Art wie meiner. Die Bilder wirst Du wohl erkennen. Es ist das Eckzimmer in Potsdam, wo ich Dich gestern vor 50 Jahren zum ersten Mal sah und Dich gleich so lieb gewann. Das andere ist Sanssouci, wo Du eigentlich heute wieder zurück sein wolltest. Nimm freundlich dieses Zeichen meiner Liebe. Leider ist der Fecher erst heute fertig geworden, daher konnte er nicht heute in Deinen Händen sein. Gott mit Dir. Deine treue Schwester Adine Dresden, den 4ten Dezember 1873 Herzlichen Dank für zwey Briefe, meine Adine. Ich bin noch so leidend, daß ich nur wenig schreiben kann. Zu dem immer gleich heftigen Husten haben sich noch andre Uebel gesellt, die mich entsezlich quälen und schwächen. Ich kann auch nicht im entfernsten berechnen, wann ich wieder nach Hause komme. Es ist eine verfehlte Reise, der Zweck derselben so ganz verfehlt. Amelie geht es Gottlob gut, und ich bin sehr beruhigt für sie. Wie traurig sind Deine Briefe! Noch ist mir manches unklar, ein Zusammenhang fehlt mir, weil ich nicht wußte, daß auch zwischen den Eheleuten ein Zerwürfniß wäre, und das scheint ja doch der Fall zu seyn.221 Abbat hat mir auch geschrieben und ausführlich, aber doch fehlt die Erklärung des ehelichen Streites. Sie selbst hat mir auch geschrieben und erkennt ihr Unrecht an. Die arme Maltzahn222 jammert mich unaussprechlich, sie hat das nicht verdient. Ich hatte sie immer sehr gern, aber ich fürchte, wie bey Deiner Andine223 wird auch bey ihr der bessere Zustand nicht andauern, und in meinem ganz kleinen Kreis eine so schwer Kranke, das würde nicht thunlich seyn. Es thut mir leid, aber Du mußt selbst einsehen, daß es sehr schwer für mich wäre, eine so kranke Dame zu haben. Wäre es denn nicht möglich, sie in Schwerin auf zu nehmen, als pensionirte Hof-
221 Eheprobleme zwischen Herzog Wilhelm und Herzogin Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, die zur räumlichen Trennung der Ehepartner geführt hatten. 222 Anna Freiin von Maltzahn (1839–1883), Hofdame bei Herzogin Alexandrine zu MecklenburgSchwerin, geb. Prinzessin von Preußen, war seit längerem krank und sollte in einen anderen Hofstaat versetzt werden. 223 Alexandrine von Klein (1826–1873), Hofdame bei Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin, war nach längerer Krankheit 1873 verstorben.
1873
747
dame, oder in eines Eurer reichen Klöster?224 Zürne nicht darüber, daß ich Deinen Vorschlag nicht annehme, und nun lebe wohl, meine Adine, ich kann nicht mehr. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis225
224 Aufnahme in die Landesklöster Dobbertin, Malchow oder Ribnitz, die von den mklbg. Landständen finanziert wurden und zur Versorgung adliger Töchter dienten. 225 Letzter überlieferter Brief, Königin Elisabeth von Preußen verstarb am 14. Dez. in Dresden.
748
Briefe 1851–1873
Abb. 23: Eine Hohenzollernprinzessin als Großherzogin-Witwe eines deutschen Bundesstaates, das war eine ideale Identifikationsfigur im von Preußen dominierten Kaiserreich. Alexandrine wurde für diese Rolle 1907 sogar ein Denkmal gesetzt, zu dessen Enthüllung auch Kaiser Wilhelm II. nach Schwerin reiste. Während an die große Rivalin, Kaiserin Augusta, auch ein Denkmal in Koblenz erinnert, fand sich niemand, der Königin Elisabeth nach der glücklosen und aus der Zeit gefallenen Regierung König Friedrich Wilhelms IV. ein Denkmal setzen wollte.
Glossar Accompagnement Begleitung Adoriert bewundert Affectiert gekünstelt, geziert Aggregiert bei einem Regiment dienend, aber nicht auf dessen Etat stehend Agitiert erregt, unruhig Aimable freundlich, nett à la tête auf dem Kopf Attachiert angeschlossen, beigegeben Attention Aufmerksamkeit Au jour le jour in den Tag hinein Avancement Beförderung, Aufstieg Calamität Unglück, Übel Coiffure Frisur, Kopfbedeckung Confidence Vertrauen Cour höfische Aufwartung oder Kur Déjeuner Mittagessen Dérangement Störung, Verwirrung Déroutirt verwirrt Désoliert geschädigt, verletzt Dévotion Verehrung, Frömmigkeit Diner festliche Hauptmahlzeit Distinguiert vornehm Écharpe Schal Échauffiert aufgeregt, erhitzt Embarrassant verlegen, peinlich Embelliert verschönert Enchantiert bezaubert, entzückt En passant nebenbei Entrevue Zusammentreffen Estafette Eilbote, Kurier Événement Ereignis Fait accompli vollendete Tatsache Fatigue Müdigkeit Fausse couche Fehlgeburt Indignation Abscheu, Entrüstung Lendemain am Tag darauf Mantille um Kopf und Schulter getragenes Schleiertuch Ménage Haushalt Montieren ausrüsten Recontre Treffen
750 Glossar Redoute Ballsaal Regrettieren bedauern, nachtrauern Räsonieren vernünftig reden Retirieren fliehen, sich zurückziehen Séjour Aufenthalt Soirée Abendgesellschaft Sort Auskommen Souper Abendessen Thé dansant Tanztee Toilette sich ankleiden, sich zurechtmachen oder festliche Damenkleidung Trousseau Aussteuer Tournure Gewandtheit im Benehmen, Auftreten
Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 45: Briefe der Königin Elisabeth von Preußen an ihre Schwägerin Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 72: Briefe der der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin an die Kaiserin Charlotte von Russland. LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73: Briefe der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin an Königin Elisabeth von Preußen, 1824–1855. LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 74: Briefe der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin an Königin Elisabeth von Preußen, 1856–1873.
Gedruckte Quellen und Literatur Altrock, Constantin von: Geschichte des Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3. Von seiner Stiftung 1859 bis zum Jahre 1896, Berlin 1897. Bailleu, Paul: Königin Luise. Ein Lebensbild, Berlin und Leipzig 1908. Barclay, David E.: Anarchie und guter Wille. Friedrich Wilhelm IV. und die preußische Monarchie, Berlin 1995. Barclay, David E.: Großherzogliche Mutter und kaiserliche Tochter im Spannungsfeld der deutschen Politik. Maria Pawlowna, Augusta und der Weimarer Einfluß auf Preußen (1811–1890), in: Berger, Joachim und Puttkamer, Joachim von (Hg.): Von Petersburg nach Weimar. Kulturelle Transfers von 1800 bis 1860, Frankfurt/Main 2005, S. 127–140. Baumgart, Winfried (Hg.): Kaiser Friedrich III. Tagebücher 1866–1888, Paderborn 2012. Baumgart, Winfried (Hg.): König Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Briefwechsel 1840–1858, Paderborn 2013. Baumgart, Winfried (Hg.): Der König und sein Beichtvater. Friedrich Wilhelm IV. und Carl Wilhelm Saegert, Briefwechsel 1848 bis 1856, Berlin 2016. Bender, Nadja: Männer ohne Frauen. Das Geschichtsbild der Hohenzollern und ihrer Historiker, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preussen wurde. Ausstellungskatalog hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015, S. 62–77. Beseler, Georg: Erlebtes und Erstrebtes 1809–1859, Berlin 1884. Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen, 3 Bde., Stuttgart 1898–1919.
752
Quellen- und Literaturverzeichnis
Bissing, Wilhelm Moritz von: Königin Elisabeth von Preußen (1801–1874). Ein Lebensbild, Berlin 1974. Bittner, Anja und Holtz Bärbel (Hg.): Der preußische Hof von 1786 bis 1918. Ämter, Akteure und Akteurinnen, Paderborn 2022 (Acta Borussica, N.F., 3. Reihe, 1). Blasius, Dirk: „Neutralität und Interessensphäre“. Friedrich Wilhelm IV. und der Krimkrieg, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 26 (2016), 2, S. 179–195. Bohrer, Karl-Heinz: Das verschwundene Paradigma. Friedrich II., Preußen und der 20. Juli, in: ders.: Kein Wille zur Macht, München 2020, S. 89–116. Borchert, Jürgen: Alexandrine. Die Königin von Mecklenburg, Schwerin 1995. Börner, Karl-Heinz: Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte. Briefe 1817–1860, Berlin 1993. Bülow, Paula von: Aus verklungenen Zeiten. Lebenserinnerungen 1833–1922, hg. von Johannes Werner, Leipzig 1924. Büschel, Hubertus: Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830, Göttingen 2006. Clark, Christopher: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947, München 2008. Conte Corti, Egon Caesar: Elisabeth, „die seltsame Frau“. Nach dem schriftlichen Nachlass der Kaiserin, den Tagebüchern ihrer Tochter und sonstigen unveröffentlichten Tagebüchern und Dokumenten, Salzburg 1934. Creutzberger, Stefan: Das deutsch-russische Jahrhundert. Geschichte einer besonderen Beziehung, Hamburg 2022. Demandt, Alexander (Hg.): Das Attentat in der Geschichte, Köln 1996. Demandt, Philipp: Luisenkult. Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen, Köln u.a. 2003. Denkwürdigkeiten aus dem Leben Leopolds von Gerlach, Generals der Infanterie und General-Adjutanten König Friedrich Wilhelms IV. Nach seinen Aufzeichnungen hg. von seiner Tochter, 2 Bde., Berlin 1892. Disselhoff, Julius August Gottfried: Die Geschichte der preußischen Königin Elisabeth, Kaiserwerth am Rhein 1891. Eichler, G.: Das Testament Friedrich Wilhelm III. und die Thronreden Friedrich Wilhelms IV. bei Huldigung zu Königsberg und Berlin. Sechs Staatsurkunden für das preußische Volk, Berlin 1840. Engels, Friedrich: Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, in: Marx-Engels Werke (MEW), Bd. 1, Berlin 1981, S. 446–453. Fetting, Martina: Zum Selbstverständnis der letzten deutschen Monarchen. Normverletzung und Legitimationsstrategien zwischen Gottesgnadentum und Medienrevolution, Frankfurt/Main 2013. Feuerstein-Praßer, Karin: Die preußischen Königinnen, München 2008. Fischer, Robert-Tarek: Wilhelm I. Vom preußischen König zum ersten Deutschen Kaiser, Wien 2020. Gagern, Heinrich von: Das Leben des Generals Friedrich von Gagern, 3 Bde., Leipzig 1856–1857.
Quellen- und Literaturverzeichnis
753
Geisthövel, Alexa: Wilhelm I. am „historischen Eckfenster“. Zur Sichtbarkeit des Monarchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Andres, Jan u.a. (Hg.): Die Sinnlichkeit der Macht. Herrschaft und Repräsentation seit der Frühen Neuzeit, Frankfurt/Main 2005, S. 163–185. Gersdorff, Dagmar von: Auf der ganzen Welt nur sie. Die verbotene Liebe zwischen Prinzessin Elisa Radziwill und Wilhelm von Preußen, Berlin 2013. Geyer, Dietrich: Das russische Imperium. Von den Romanows bis zum Ende der Sowjetunion, hg. von Jörg Barberowski und Rainer Lindner, Berlin 2020. Geyer-Kordesch, Johann: Schwestern im Geiste. Freundschaft, in: Kulturstiftung AnhaltDessau (Hg.): Louise Fürstin von Anhalt-Dessau (1750–1811), München 2008, S. 110–125. Gruner, Wolf D.: Vom territorialen Prinzip des „cuius regio, eius religio“ des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation zum multikonfessionellen Staat im Deutschen Bund, in: Forschungen zur Volks- und Landeskunde/Institutul de Cercetări SocioUmane Sibiu 63 (2020), S. 44–75. Hamann, Brigitte: Elisabeth. Kaiserin wider Willen, München 2004. Harrach, Wichard Graf von: Auguste Fürstin Liegnitz, Berlin 1987. Hergemöller, Bernd-Ulrich: Über die letzten Vorgänge beim Ableben seiner Königlichen Hoheit, Großherzog Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin, im Jahre 1897, in: Mecklenburgische Jahrbücher (MJB) 119 (2004), S. 279–292. Herrscherin von Siam – Elisabeth Ludovika von Bayern (1801–1873), in: Brühl, Christine von: Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern, Berlin 2015. Hesekiel, Ludovica: Elisabeth Luise, Königin von Preußen, Gemahlin König Friedrich Wilhelm IV. Ein Lebensbild, Berlin 1881. Holl, Karl: Die Bedeutung der großen Kriege für das religiöse und kirchliche Leben innerhalb des Protestantismus, in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Bd. 3, Tübingen 1928. Humboldt, Alexander/Varnhagen von Ense, Karl August (Hg.): Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhagen von Ense aus den Jahren 1827 bis 1858. Nebst Auszügen aus Varnhagen’s Tagebüchern, und Briefen von Varnhagen und andern an Humboldt, Leipzig 1860. Jahn, Karl August Wilhelm: Auguste, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin. Ein Lebensbild, Schwerin 1863. Joost, Sebastian: Preußen im Spannungsfeld von Legitimationsprinzip und Realpolitik. Zur Vermählung der Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin mit Herzog Ferdinand von Orléans 1837, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 53 (2002), S. 73–89. Kliefoth, Theodor: Predigt am 600jährigen Jubelfeste der Domkirche zu Schwerin, in derselben gehalten, Schwerin 1848. Krieger, Bogdan: Das Königliche Schloß Bellevue bei Berlin und sein Erbauer Prinz Ferdinand von Preußen, Berlin 1906, Reprint Berlin 2008. Krohn, Vanessa: Oranje und Weissblau. Dynastische Verbindungen zu den Oraniern und Wittelsbachern, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preussen wurde. Ausstellungskata-
754
Quellen- und Literaturverzeichnis
log hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015. Kroll, Frank-Lothar: Die Idee eines sozialen Königtums im 19. Jahrhundert, in: ders. und Weiß, Dieter J. (Hg.): Inszenierung oder Legitimität. Die Monarchie in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Ein deutsch-englischer Vergleich, Berlin 2015, S. 111–140. Lang, Bernhard und McDanell, Colleen: Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, Frankfurt/Main und Leipzig 1996. Langermann, Elisabeth von: Bisher unbekannte und unveröffentlichte Originalbriefe der Großherzogin Alexandrine, der Gemahlin des Großherzogs Paul Friedrich, Mutter Friedrich Franz II., in: Mecklenburgische Jahrbücher 100 (1936), S. 185–192. Langewiesche, Dieter: Die Monarchie im Jahrhundert Europas. Selbstbehauptung durch Wandel im 19. Jahrhundert, Heidelberg 2013. Lüttichau, Max von: Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, und Elisabeth Ludovica, Königin von Preußen, Leipzig 1894. Machtan, Lothar: Der Kronprinz und die Nazis. Hohenzollerns blinder Fleck, Berlin 2021. Malinowski, Stephan: Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration, Berlin 2021. Manke, Matthias: Königin Luise von Preußen, der nationale Mythos in der mecklenburgischen Geschichtsrezeption, in: Mecklenburgische Jahrbücher (MJB) 129 (2014), S. 45–92. Marburg, Silke: Adel und Hochkultur. Deutschland 1800–1900, in: Matzerath, Joseph und Tiersch, Claudia (Hg.): Aristoi – Nobiles – Adelige. Europäische Adelsformationen und ihre Reaktionen auf gesellschaftliche Umbrüche, Berlin 2020, S. 215–224. Marwitz, Luise von der: Vom Leben am preußischen Hofe 1815–1852. Aufzeichnungen von Caroline von Rochow, geb. von der Marwitz und Marie de la Motte-Fouqué, Berlin 1908. Mecklenburg, Herzog Carl zu: Erinnerungen an Berlin. Festspiele, Berlin 1830. Meiner, Jörg: „Gedankenspäne“ für Mecklenburg. Zeichnungen König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen für die Verwandtschaft, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 30 (2023), S. 64–68. Minkels, Dorothea: Elisabeth von Preußen. Königin in der Zeit des AusMÄRZens, Norderstedt 2008. Minkels, Dorothea (Hg): Briefwechsel des Königspaares. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Elisabeth von Bayern, Bd. 1: 1841–1842, Norderstedt 2014. Minkels, Dorothea (Hg): Briefwechsel des Königspaares. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Elisabeth von Bayern, Bd. 2: 1840–1843. Preußens erster moderner König, Norderstedt 2015. Minkels, Dorothea, Königin Elisabeth von Preußen und das Haus Sachsen-Meiningen, in: Goltz, Maren u.a. (Hg.): Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914). Kultur als Behauptungsstrategie?, Köln u.a. 2015, S. 47–64. Minkels, Dorothea (Hg): Briefwechsel des Königspaares. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Elisabeth von Bayern, Bd. 3: 1844–1845. Der Industrie- und Kunstförderer und die Protektorin sozialer Einrichtungen, Norderstedt 2020.
Quellen- und Literaturverzeichnis
755
Minkels, Dorothea, Schlossbewohner und Berliner. Königin Elisabeth von Preußen zum 220. Geburtstag, Norderstedt 2022. Müller, Frank Lorenz: Die Thronfolger. Macht und Zukunft der Monarchie im 19. Jahrhundert, München 2019. Münkler, Herfried: Die Deutschen und ihre Mythen, Berlin 2018. Münkler, Herfried: Marx, Wagner, Nietzsche. Welt im Umbruch, Berlin 2021. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und Starker Staat, München 1994. Ottersbach, Christian: „… einer der schönsten Prospekte in Europa …“ Das Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus, in: ICOMOS Nationalkomitee Deutschland (Hg.): Schloss – Stadt – Garten. Die Residenz als historische Kulturlandschaft, Rostock 2019. Paulmann, Johannes: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000. Preußen, Cecilie von: Erinnerungen, München und Berlin 2001. Raulff, Ulrich: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung, München 2018. Ravenstein, Heinrich: Geschichte des Königlich Preußischen zweiten Kürassier-Regiments Königin, Minden 1842. Röper, Ursula: Marianne von Rantzau und die Kunst der Demut. Frömmigkeitsbewegung und Frauenpolitik in Preußen unter Friedrich Wilhelm IV., Stuttgart 1997. Ross, Kristin: Communal Luxury. The Political Imaginary of the Paris Commune, London 2016. Schipperges, Heinrich: Utopien der Medizin. Geschichte und Kritik der ärztlichen Ideologie des 19. Jahrhunderts, Salzburg 1968. Schivelbusch, Wolfgang: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2015. Schlögel, Rudolf: Alter Glaube und moderne Welt. Europäisches Christentum im Umbruch 1750–1850, Frankfurt/Main 2013. Schmidt, Arno: Fouquet und einige seiner Zeitgenossen, Bargfeld 1993. Schneider, Louis: Der Luisen-Orden, Berlin 1867. Schneider, Louis: Des Soldatenfreundes Instructionsbuch für den Infanteristen, Berlin 1872. Schöbel, Anja: Monarchie und Öffentlichkeit. Zur Inszenierung der deutschen Bundesfürsten 1848–1918, Köln u a. 2017. Schönpflug, Daniel: Heirs before the Altar. Hohenzollern Marriages in a Bourgeois Age, in: Müller, Frank Lorenz und Mehrkens, Heidi (Hg.): Sons and Heirs. Succession and Political Culture in Nineteenth-Century Europe, Basingstoke 2016, S. 53–71. Schorn-Schütte, Luise: Königin Luise. Leben und Legende, München 2003. Schultze, Johannes (Bearb.): Die Briefe Kaiser Wilhelms I. Hg. vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte. Briefe an seine Schwester Alexandrine und deren Sohn Friedrich Franz II., Berlin 1927. Schulz, Helmut H.: Kaiserin Augusta. Ihre Ehe mit Wilhelm I., Berlin 1996.
756
Quellen- und Literaturverzeichnis
Senden, Gerhard Heinrich van: Das heilige Land oder Mitteilungen aus einer Reise nach dem Morgenlande in den Jahren 1849 und 1850, in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Marianne der Niederlande, 1. Teil, 1. Lfg., Stuttgart [1851]. Smart, Sara: Die erste Frau im Staat. Zur Vorbildhaftigkeit von Fürstinnen, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preussen wurde. Ausstellungskatalog, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015, S. 206–217. Snethlage, Karl Wilhelm Moritz: Rede am offenen Sarge Seiner Majestät weiland Königs Friedrich Wilhelm des Vierten am Tage vor der feierlichen Bestattung Sonntags, den 6. Jan. 1861 in Gegenwart der trauernden Königlichen Familie, von Dr. Snethlage, Königlichem Hof- und Dom-Prediger, Berlin 1861. Stamm-Kuhlmann, Thomas: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992. Stamm-Kuhlmann, Thomas: Die Hohenzollern, Berlin 1995. Stamm-Kuhlmann, Thomas: Preußen und die Heilige Allianz 1815–1840, in: Schubert, Anselm und Pyta, Wolfram (Hg.): Die Heilige Allianz. Entstehung – Wirkung – Rezeption, Stuttgart 2018, S. 234–247. Stamm-Kuhlmann, Thomas: Der Historiker und der Fortschritt. Überlegungen zu einem schwierigen Thema, in: Universitas 75 (April 2020), S. 22–41. Tamse, Coenraad A. (Hg.): Nassau und Oranien. Statthalter und Könige der Niederlande, Göttingen und Zürich 1985. Treitschke, Heinrich von: Königin Luise. Vortrag, gehalten am 10. März 1876 im Kaisersaale des Berliner Rathauses, in: ders.: Ausgewählte Schriften, Bd. 1, Leipzig 1911, S. 276–292. Vehse, Eduard: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation, Bd. 37, Hamburg 1856. Weißbrich, Thomas: Frauen in Uniform. Militärische und mediale Karrieren im Königreich Preußen 1813–1918, in: Schnelling-Reinicke, Ingeborg und Brockfeld, Susanne (Hg.): Karrieren in Preußen. Frauen in Männerdomänen, Berlin 2020, S. 229–250. Werke Napoleons III. Aus dem Französischen übersetzt von August Victor Richard, Bd. 3, Leipzig 1857. Wiese, René: Großherzogin Alexandrine, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 5, Rostock 2009, S. 14–17. Wiese, René: Großherzog Paul Friedrich, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 5, Rostock 2009, S. 236–239. Wiese, René (Hg.): Vormärz und Revolution. Die Tagebücher des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin 1841–1854, Köln u.a. 2014 (Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns 16). Wiese, René: Erbgroßherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin (1776–1871) – Wegbereiterin der Erweckungsbewegung, in: Tietze, Claudia u.a. (Hg.): Auf den zweiten Blick. Frauen und Männer der Nordkirche vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Husum 2017 (Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte 61), S. 217–230.
Quellen- und Literaturverzeichnis
757
Wiese, René: What times! Die Revolution von 1848/49 in den Tagebüchern des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz, in: Mecklenburgische Jahrbücher (MJB) 133 (2018), S. 87–108. Wiese, René: Mecklenburgs Weg in Preußens Bund, in: Historische Mitteilungen. Im Auftrag der Ranke-Gesellschaft 32 (2020–2021), Stuttgart 2022, S. 361–378. Yalom, Marilyn und Donovan-Brown, Theresa: Freundinnen. Eine Kulturgeschichte, München 2019.
Abbildungsnachweis Cover, Vorderseite
Cover, Rückseite links Cover, Rückseite rechts Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3
Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6
Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9
Wappenschablone mit Monogramm von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, in: LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1824–1855, Bl. 746, Briefkopf vom 20. Juni 1844 Bülow, Paul, nach einer Fotografie: Königin Elisabeth von Preußen, Detail, GK I 10801, F0007148/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Roland Handrick Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, in: LHAS, 13.1-3 Bildersammlung Dynastien, Gen. XXII, Alexandrine Nr. 16 Pavillon und Logierhäuser am Heiligen Damm, in: Doberan-Heiligendamm vor 50 Jahren, Rostock [1898], Bl. 5 Grawert, Eduard: Jagdgesellschaft mit Friedrich Wilhelm IV. in Letzlingen, GK I 6242, F0028047/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Roland Handrick Kirchliche Trauung von Kaiser Napoleon III. mit Kaiserin Eugénie am 30. Jan. 1853, Lithographie, Vayron, Lithograph; Jean-Baptiste Gadola, Herausgeber, nach 1853, CC0 Paris Musées/Musée Carnavalet – Histoire de Paris Präparierter Papagei auf Ast sitzend, verm. „Lorchen“, XVIII (6) 5, F0021324/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Wolfgang Pfauder Perrot, Ferdinand Victor: Peter-Pauls-Festung in St. Petersburg, 1841, GK I 4820, F0105881/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Wolfgang Pfauder Letzte Schlacht um die Festung Sewastopol und deren Räumung durch die russischen Truppen am 8. Sept. 1855 nach einjähriger Belagerung, Lithographie, Just Pierret L’Hernault, Lithograph; Léon-Louis Chapon, Autor der Vorlage; Anonym, Herausgeber, 1855, CC0 Paris Musées/Musée Carnavalet – Histoire de Paris Schweriner Schloss mit Schlosskirche, Lithographie nach einem Gemälde von Carl Graeb, in: Stüler, Friedrich August u.a.: Das Schloss zu Schwerin, Schwerin 1869, Bl. IX Goldener Saal im Schweriner Schloss, Lithographie nach einem Gemälde von Carl Graeb, in: Stüler, Friedrich August u.a.: Das Schloss zu Schwerin, Schwerin 1869, Bl. XXIX Vorsaal der Königswohnung im Schweriner Schloss, Lithographie nach einem Gemälde von Paul Graeb, in: Stüler, Friedrich August u.a.: Das Schloss zu Schwerin, Schwerin 1869, Bl. XXVIII
Abbildungsnachweis
Abb. 10 Abb. 11
Abb. 12
Abb. 13 Abb. 14
Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19
Abb. 20 Abb. 21
Abb. 22
759
Grawert, Eduard: Friedrich Wilhelm IV., 1858, GK I 260, F0001626/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Roland Handrick Großherzog Friedrich Franz II. und Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, Lithographie nach Chr. Bach, in: LHAS, 13.1-3 Bildersammlung Dynastien, Gen. XXIII, Friedrich Franz II. Nr. 22 Alexandra Fjodorowna, Kaiserin von Russland, geb. Charlotte, Prinzessin von Preußen (1798–1860), in: LHAS, 4.3-2/4 Hausarchiv des Mecklenburg-Strelitzschen Fürstenhauses/Fotosammlung, Nr. 1 Huize de Paauw in Wassenaar, Zeichnung, Künstler: Lodewijk Johannes Kleijn, Rijksmuseum, Amsterdam, RP-T-1977-7 Bülow, Paul, nach einer Fotografie: Königin Elisabeth von Preußen, Detail, SPSG, GK I 10801, F0007148/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Roland Handrick Menzel, Adolph von: Krönung Wilhelms I. in Königsberg, GK I 899, F0018105/ Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg/Fotograf: Gerhard Murza Graeb, Paul: Berlin, Schloss Charlottenburg, Elfenbeinzimmer, um 1875, GK II (5) 3842, F0020335/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: SPSG Großherzogliche Grablege im Schweriner Dom, aus: Stadtarchiv Schwerin, Fotosammlung, 1.14-36 Schlacht bei Sedan am 2. Sept. 1870, Lithographie, Anonym, Lithograph; Ensslin & Laiblin, Herausgeber, 1870/1871, CC0 Paris Musées/Musée Carnavalet – Histoire de Paris Flucht von Léon Gambetta am 7. Okt. 1870 aus dem belagerten Paris nach Tours mit einem Heißluftballon, Gemälde, Jules Didier und Jacques Guiaud, Maler, ca. 1871, CC0 Paris Musées/Musée Carnavalet – Histoire de Paris Porträt von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, 1861, Fotograf: C. Schwartz & Co., 1861, Rijksmuseum, Amsterdam, RP-F-F00805-V Marie, Großherzogin von Mecklenburg[-Strelitz], geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1796–1880), in: LHAS, 4.3-2/4 Hausarchiv des Mecklenburg-Strelitzschen Fürstenhauses/Fotosammlung, Nr. 2 Pochhammer, Elisabeth: Berliner Schloss, Runder Erker im Wohnzimmer der Königin Elisabeth, 1872, PK 2703, F0029498/ Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Jörg P. Anders
760 Abbildungsnachweis Abb. 23
Enthüllung des Denkmals der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin von Hugo Berwald 1907 im Schweriner Schlossgarten, in: LHAS, 13.1-3 Bildersammlung Dynastien, Gen. XXII, Alexandrine Nr. 11
Personenregister Abeken, Heinrich 703 Abel, Christian Wilhelm Ludwig 313, 340 ad-Din, Nāser, Schāh von Persien 728, 730 Adlerberg, Amalie, Gräfin, geb. von Lerchenfeld, verw. von Krüdener 100, 276, 298, 318, 353, 383, 386 Adlerberg, Nikolai Wladimirowitsch, Graf 276, 298, 318, 383, 392 Adlerberg, Wladimir Fjodorowitsch, Graf 383 Ahna, Eleonore (Leonore) de 520 Alençon, Sophie von, Herzogin, geb. Herzogin in Bayern 586 Almeida, Franziska Sophie de, Vizegräfin von Almeida, geb. Gräfin von Bayrstorff 343 Alvensleben, Albrecht von, Graf 637 Alvensleben, Anna von, Gräfin 353, 453, 455, 547, 634, 700, 727 Alvensleben, Auguste von, Gräfin, geb. Gräfin von der Osten-Sacken 637 Alvensleben, August von, Graf 637 Alvensleben, Gebhard Karl Ludolf von 42, 44, 117 Alvensleben, Karl Johann von 139 Alvensleben, Werner von 282 Anhalt-Dessau, Friederike von, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen 104, 514 Anhalt-Dessau, Friedrich I. von, Herzog 154, 178 Anhalt-Dessau, Hilda von, Prinzessin 287 Anhalt-Dessau, Leopold IV. Friedrich von, Herzog 154, 201 Anhalt-Dessau, Marie von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim 287 Anhalt-Köthen, Auguste von, Herzogin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 81 Apraksin, Stepan Fjodorowitsch, Graf 384 Araújo, Marcos Antônio de 142 Arnim-Blumberg, Georg von, Graf 679 Arnim-Blumberg, Marka von, Gräfin, geb. Gräfin zu Solms-Sonnenwalde 679 Arnim-Boitzenburg, Adolf Heinrich von, Graf 36, 70, 117, 501
Arnim-Boitzenburg, Adolf von, Graf 548, 679 Arnim-Boitzenburg, Anna Caroline von, Gräfin, geb. von der Schulenburg 501 Arnim-Boitzenburg, Anna von, Gräfin 713 Arnim-Boitzenburg, Mathilde von, Gräfin, geb. Gräfin von Schweinitz, Freiin von Kauder 548, 679 Auerswald, Rudolf von 378, 380, 394, 450, 475 Baden, Elisabeth von, Markgräfin, geb. Prinzessin von Württemberg 357 Baden, Friedrich II. von, Großherzog 608, 730 Baden, Friedrich I. von, Großherzog 251, 270, 356, 357, 477, 505, 725 Baden, Karl von, Prinz 248 Baden, Leopold I. von, Großherzog 79, 356 Baden, Ludwig II. von, Großherzog 315 Baden, Luise von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen 103, 204, 235, 251, 260, 333, 355 – 357, 608, 690, 705, 709, 711 – 713, 725 Baden, Maria (Marusya) von, Prinzessin, geb. Marija Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 94, 391, 413, 423, 429, 432, 491, 493, 497, 686, 687 Baden, Sophie Wilhelmine von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Holstein-Gottorf 357 Baden, Stéphanie von, Großherzogin, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 356 Baden, Wilhelm von, Prinz 207, 219, 220, 491, 687 Balde, Conrad Otto 385, 423 Barby, Pauline Clementine Ulrike von, geb. von Wulffen 56 Barne, Henriette von, geb. von Linden 710 Barner, Ida von, geb. Heim 420 Barner, Katharina von, geb. von Harlem 588 Barner, Louise von, geb. von Harlem 588 Barner, Miss 193
762 Personenregister Barner, Ulrich von 588 Barnim, Adalbert von 47, 292 Barnim, Therese von, Freifrau, geb. Elßler 42, 729, 731, 732 Bartenew 724 Bassewitz, Adolf von, Graf 157 Bassewitz, Alexander von, Graf 157, 160, 588 Bassewitz, Charlotte von, Gräfin, geb. von Bülow 157 Bassewitz, Elisabeth von, Gräfin, geb. von Werder 157, 452 Bassewitz, Ella von, Gräfin, geb. von Witzendorff 588 Bassewitz, Heinrich von, Graf 157 Bassewitz, Luise von, Gräfin, geb. von Levetzow 462 Bassewitz, Marianne von, Gräfin, geb. Freiin von Lützow 546 Bassewitz-Schlitz, Elisabeth von, Gräfin, geb. Gräfin von Bülow 160, 185 Bassewitz-Schlitz, Heinrich von, Graf 452, 453 Bassewitz-Schlitz, Johanna Caroline Louise (Adele) von, Gräfin, geb. Freiin von Labes und Gräfin von Schlitz 59, 138, 152, 194, 246, 247, 452 Battenberg, Beatrice von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland 294 Battenberg, Julia von, Fürstin, geb. Gräfin von Hauke 63, 96 Battenberg, Viktoria von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt 510 Bauquet, Thérèse Pauline Béatrice, Marquise de Grandval, geb. d’André 304 Bayern, Adalbert von, Prinz, Erbprinz von Griechenland 97, 102, 590 Bayern, Amalia von, Prinzessin und Erbprinzessin von Griechenland, geb. von Bourbon, Infantin von Spanien 348 Bayern, Auguste Ferdinande von, Prinzessin, geb. Prinzessin der Toskana, Erzherzogin von Österreich 203, 208, 266, 267, 291, 348, 525, 527 Bayern, Karl von, Prinz 61, 268, 293, 304, 341, 343, 346, 348, 353, 406, 439, 442 – 445, 449, 453, 455, 696, 698, 733
Bayern, Karoline von, Königin, geb. Prinzessin von Baden 160 Bayern, Ludovika (Luise) in, Herzogin, geb. Prinzessin von Bayern 180, 341, 346 – 348, 448, 450, 453, 473, 504, 538, 549, 698 Bayern, Ludwig II. von, König 521, 523, 524, 586, 590, 678 Bayern, Ludwig I. von, König 97, 102, 197, 206, 208, 211, 213, 442, 449, 452, 455, 472, 523, 590 Bayern, Luitpold von, Prinz 213, 348, 590, 731 Bayern, Marie von, Königin, geb. Prinzessin von Preußen 43, 46, 48, 61, 81, 140, 141, 160, 189, 190, 206, 211, 339, 346, 419, 424, 440 – 442, 449, 451, 455, 477, 521, 523, 524, 538, 539, 551, 553, 555, 565, 590, 601, 609, 727, 729, 732 Bayern, Maximilian II. Joseph von, König 137, 140, 206, 211, 341, 343, 419, 424, 451, 521, 523 Bayern, Maximilian Joseph in, Herzog 473 Bayern, Otto I. von, König 524, 553 Bayern, Sophie in, Herzogin, geb. Prinzessin von Sachsen 565, 579 Bayern, Therese von, Königin, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen 49, 54, 148, 149, 190, 197, 207 Bazaine, François-Achille 651 Beauharnais, Auguste de, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Prinzessin von Bayern 52 Beauharnais, Darja Konstantinowa de, Gräfin, Fürstin Romanowsky, geb. Opotschina 606, 624 Beauharnais, Eugen Maximilianowitsch de, Herzog von Leuchtenberg, Fürst Romanowsky 377, 397, 606, 624 Beauharnais, Georgi Maximilianowitsch de, Prinz von Leuchtenberg 506 Beauharnais, Marija de, Herzogin von Leuchtenberg, Gräfin Stroganowa, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland 40, 94 – 96, 102, 106, 113, 119, 126, 129, 133, 137, 139, 140, 147 – 149, 187, 215, 219, 222, 225, 234, 238, 242, 244, 245, 255, 258, 268, 271, 273, 291,
Personenregister
362, 368, 377, 383, 389, 391, 413, 421, 429, 453, 491, 504, 506 Beauharnais, Maximilian de, Herzog von Leuchtenberg 54, 94, 96, 119 Beauharnais, Nikolaus Maximilianowitsch de, Herzog von Leuchtenberg 377, 397 Beauharnais, Sergei Maximilianowitsch de, Prinz von Leuchtenberg 506 Beauharnais, Therese de, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Prinzessin von Oldenburg 240, 702 Bebutow, Wassili Ossipowitsch 153 Behr, Anna von 685 Behr, Hedwig von 685 Behr, Heino von 684 Behr, Ida von, geb. Rausch 684 Behr, Karl von 685 Behr, Theda von, geb. Freiin zu Inn- und Knyphausen 684 – 686 Belcredi, Anna von, Gräfin, geb. von Welden 534 Belcredi, Richard von, Graf 534 Bellegarde, Heinrich August von, Graf 142 Bellegarde, Julie von, Gräfin, geb. Freiin von Gudenus 142 – 144 Bellegarde, Pauline von, Gräfin 143 Below, Auguste von, geb. Zimmermann 559 Below, Wilhelm von 40 Bénazet, Eduard 501 Benckendorff, Konstantin von, Graf 36, 118, 132, 134, 164, 228, 253, 276, 318 Benckendorff, Luise von, Gräfin, geb. Prinzessin von Croy 130, 318 Benckendorff, Paul von, Graf 130 Bentheim, Julie von 656 Berg 654 Bergh, Sophie von, Freifrau, geb. Gräfin von Neale 179, 313, 556, 602, 632, 638, 645 Bernstorff, Albrecht von, Graf 98, 450, 453, 478, 480, 481 Bernstorff, Auguste von, geb. von Dewitz 722 Bernstorff, Frieda von, Gräfin, geb. von Rantzau 460 Berry, Marie Caroline von, Herzogin, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien 214 Bethmann, Alexander von, Freiherr 144, 193 Bethmann-Hollweg, Moritz August von 394
763
Bethmann, Johanna Friederike von, Freiin, geb. von Heyder 193 Bethmann, Maria von, Freifrau, geb. Freiin von Bose 193 Bethmann, Moritz von, Freiherr 144, 193 Biel, Wilhelm von, Freiherr 257 Bismarck-Bohlen, Friedrich Alexander von, Graf 279, 332, 731 Bismarck-Schönhausen, Johanna von, Fürstin, geb. von Puttkamer 604 Bismarck-Schönhausen, Otto von, Fürst 118, 480, 481, 491, 497, 503, 545, 568, 604, 711 Bloomfield, Georgiana, Baroness Bloomfield, geb. Liddell 201 Bloomfield, John, 2. Baron Bloomfield 167, 201 Blücher-Finken, Elisabeth von, Gräfin, geb. von Schöning 58 Bobrinskaja, Julia, Gräfin, geb. JunoshaBelinskaja 208, 209 Bock, Henriette Auguste 341, 343, 658 Boddien, Alfons von 49, 82, 284, 285 Boddien, Henriette (Harriet) Frieda von 285 Boddien, Mathilde von, geb. von Poremsky 285 Böger, Karl Friedrich Wilhelm 346, 348, 352, 365, 378, 394, 395, 397, 400, 409, 442, 443, 452, 454, 455, 465, 501, 630, 706 Böhl, Auguste von, geb. von Rantzau 152 Bonaparte, Mathilde 646 Bonin, Adolf von 109, 288, 290, 326, 337, 381 Bonin, Eduard von 72, 117, 169, 174, 176, 180, 182 – 184 Bosch-Spencer, Henri de 487, 564 Both, Johanna von, geb. Freiin von und zu der Tann 146, 500 Bourbon, Ferdinand II. von, König beider Sizilien 373 Bourbon, Franz II. Maria Leopold von, König beider Sizilien 441 Bourbon, Maria Theresia von, Königin beider Sizilien, geb. Erzherzogin von Österreich 373 Bourbon, Marie von, Königin beider Sizilien, geb. Prinzessin in Bayern 373, 441, 442 Braganza, Amélie von, Herzogin, geb. de
764 Personenregister Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 716 Braganza, Maria Amalia von, Prinzessin, Prinzessin von Brasilien 716 Brandenburg, Alexandra von, Gräfin 44 Brandenburg, Charlotte von, Gräfin 325 Brandenburg, Friedrich Wilhelm von, Graf 37 Brandenburg, Julie von, Gräfin 325 Brandenburg, Mathilde von, Gräfin, geb. von Massenbach 33, 35, 37, 38, 44, 46, 54, 56, 67, 77, 95, 97, 100, 102, 104, 107, 109, 116, 119, 131, 141, 155, 165, 168, 169, 173, 175, 177, 178, 181, 187, 202, 212, 216, 228, 233, 235, 263, 289, 323, 667 Brandenburg, Wilhelm von, Graf 181 Brandenstein, Georg von, Freiherr 300, 469, 568, 586 Brandenstein, Joachim Gottfried von, Freiherr 671 Brandenstein, Luise von, Freifrau, geb. von Mecklenburg 469 Brandenstein, Otto von, Freiherr 488, 671, 673 Brandenstein, Werner Friedrich Hartwig von, Freiherr 300 Brauchitsch, Auguste von, geb. von Schenck 186, 188 Brauchitsch, Eduard von 186, 188, 224, 288, 290, 439 Braunschweig, Karl II. von, Herzog 736 Braunschweig, Wilhelm von, Herzog 102, 168, 169, 302, 381, 510, 530 Bremer, Dr. von 426 Bretzenheim, Karoline von und zu, Fürstin, geb. Prinzessin von Schwarzenberg 426 Brock, Heinrich Adolph Diederich von 332, 606 Bruck, Karl Ludwig von, Freiherr 118, 217 Brühl, Hedwig von, Gräfin 416, 710 Brühl, Jenny von, Gräfin, geb. von Pourtalès 539, 634 Brühl, Karl von, Graf 455 Buchanan, Andrew, Sir 498 Buchanan, Georgiana Eliza, geb. Stuart 498 Buchka, Elisabeth, geb. von Stein 739 Buchka, Hermann 739 Bückling, Gustav von 664
Budberg, Alexander Bogdanowitsch von, Freiherr 139 Budberg-Bönninghausen, Andreas von, Freiherr 36, 68, 108, 111, 112, 118, 164, 165, 228, 269 Bülow, Anna von, geb. von Byern 587 Bülow, Bernhard Ernst von 70, 72, 486 Bülow, Bernhard Vollrath von 335, 524 Bülow, Bernhard von 587 Bülow-Cummerow, Ernst von 42 Bülow, Elisabeth von, Gräfin 73, 91, 149, 165 Bülow, Friederike von, geb. Fließbach, gesch. Zander 91 Bülow, Gabriele von, geb. von Humboldt 70, 587 Bülow, Hans von 447 Bülow, Hans von, Graf (Sohn) 91 Bülow, Hans von, Graf (Vater) 70, 73, 78, 91, 149, 287, 332 Bülow, Helene von, geb. von der Schulenburg 502, 591, 613, 623 Bülow, Jasper von 667 Bülow, Jeanette von, Gräfin, geb. Schmucker 91 Bülow, Louise von, geb. von Bülow 524 Bülow, Luise von, Gräfin, geb. von BülowCummerow 42, 91, 149 Bülow, Marie-Charlotte von 524 Bülow, Marie von, Fürstin, geb. Prinzessin di Camporeale, gesch. Gräfin von Dönhoff 729 Bülow, Marie von, Gräfin 91 Bülow, Pauline (Paula) von, geb. Gräfin von Linden 335, 524, 675, 680 Bülow-Wendhausen, Friedrich von 247 Bunsen, Christian Karl Josias 41, 167, 170, 183, 246 Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand von, Graf 77, 115, 217 Burckhardt, Karl von 501 Bylandt, Ernst von, Graf 622, 623, 629 – 631, 640, 642, 645 – 650, 652, 654, 658, 659 Cammerer, Rudolf 443 Campbell, John, 2. Marquis of Breadalbane 476
Personenregister
Canitz und Dallwitz, Adolph von, Freiherr 353, 580 Canitz und Dallwitz, Helen Georgiana von, Freifrau, geb. Knight 584 Canitz und Dallwitz, Karl von, Freiherr 359, 486, 487, 584 Castell-Rüdenhausen, Mathilde zu, Gräfin 192 Castell-Rüdenhausen, Sophie zu, Gräfin 192 Caters, Marie Isabelle de, Baronin, geb. Lablache 107, 111, 122 Cederström, Claes 671 Clam-Gallas, Eduard, Graf 381 Clary und Aldringen, Elisabeth Alexandra von, Fürstin, geb. Gräfin von Ficquelmont 214 Coburg, Marie von, Freiin 193 Coburg, Thekla von, Freifrau, geb. Gräfin Vitzthum von Eckstädt 193 Connaught and Strathearn, Luise von, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen 424, 475, 598, 654, 702, 718, 734, 735, 737, 740 Corrêa de Sá, Chevalier 142 Cosson, Caroline 261, 613 Croy, Amalie von, Prinzessin 186 Croy, Johanna von, Prinzessin, geb. Prinzessin zu Salm-Salm 186 Croy, Marie von, Prinzessin 186 Croy, Philipp von, Prinz 190 Croy, Stephanie von, Prinzessin 186 Czartoryski, Wanda, Fürstin, geb. Prinzessin Radziwill 32, 34 d’André, Claire Éléonore, geb. Reynaud de Lascours de Boulogne 304 d’Artois, Henri, Herzog von Bordeaux und Graf von Chambord 214 Dänemark, Caroline Amalie von, Königin, geb. Prinzessin von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg 515 Dänemark, Caroline von, Kronprinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 64, 66, 72, 162, 164, 169, 378, 427, 470, 471, 504, 543, 552 – 554, 556, 693, 722 Dänemark, Christian IX. von, König 217, 221 Dänemark, Christian VIII. von, König 515 Dänemark, Friedrich VIII. von, König 596
765
Dänemark, Friedrich VII. von, König 513 Dänemark, Friedrich VI. von, König 515 Dänemark, Louise von, Königin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim 301, 553 Dänemark, Louise von, Königin, geb. Prinzessin von Schweden und Norwegen 420, 596, 597 d’Artois, Maria Theresia, Herzogin von Bordeaux und Gräfin von Chambord, geb. Prinzessin von Österreich-Este 214 Dawison, Bogumil 447 De Candia, Giovanni Matteo (Mario) 107, 120 Decken, Anna Hedwig von der, geb. von Kleist 512 Decken, Julius von der 512 Demidow, Anatoli Nikolajewitsch, Fürst von San Donato 126 Devrient, Emil 550, 588 Dewitz, Ulrich Otto von 413 Dohme, G. 329 Dohna-Lauck, Angelique von, geb. Gräfin von Dönhoff 269, 299 Dohna-Wundlacken, Constance Herminia zu, Burggräfin und Gräfin, geb. Burggräfin und Gräfin zu Dohna-Reichertswalde 411 Dönhoff, Amalie von, Gräfin 163, 177, 292, 318, 327, 339, 341, 343, 362, 540, 580 Dönhoff, Eugen von, Graf 269, 271, 298, 339, 423, 454, 465, 502, 551, 627, 729 Dönhoff, Karl von, Graf 290 Dönhoff, Louis von, Graf 536 Drechsel auf Deufstetten, Maximiliane Theodore, geb. Gräfin von Bayrstorff 343 Ende, Otto Leopold von, 738 Erxleben, Otto von 86 Eugénie, Kaiserin der Franzosen, geb. de Montijo, Gräfin von Teba 118, 120, 121, 225, 376, 653 Eulenburg, Botho Heinrich zu, Graf 686 Eulenburg, Olga zu, Gräfin 738, 739, 741 Eulenburg, Therese zu, Gräfin, geb. Gräfin von Dönhoff 327, 686 Eulenburg, Wilhelm zu, Graf 745 Fagel, Wendela 171
766 Personenregister Feddersen Stuhr, Peter 41 Félix, Elisabeth Rachel 153, 158 Ferrari-Corbelli, Bertha di, Gräfin, geb. Gräfin von Moltke-Huitfeldt 209 Fersen, Alexandra von, Gräfin 285, 286, 672, 706 Fersen, Elisabeth (Elise) von, Gräfin, geb. von Rauch 63, 65 – 67, 73, 80, 85, 87, 96, 105, 106, 114, 127, 139, 140, 144 – 146, 148, 152, 153, 155, 158, 159, 161, 165, 170, 178, 179, 182, 187, 191, 193, 205, 210, 218, 219, 234, 253, 254, 256, 258, 260, 264, 265, 278, 284 – 286, 289, 292, 297, 326, 331, 360, 364, 369, 390, 430, 479, 480, 484, 534, 574, 672, 683, 706 Fersen, Gustav Jakob von 338 Fersen, Paul von, Graf 93, 223, 237, 240, 254, 258, 285, 286, 337, 343, 534, 672 Finck von Finckenstein, Agnes, Gräfin, geb. Gräfin von Kanitz 474 Finck von Finckenstein, Karl, Graf 43, 101, 372, 497, 536, 577 Finck von Finckenstein, Leopold, Graf 497 Finck von Finckenstein, Wilhelm, Graf 497 Flemming, Albert von, Graf 449 Frankreich, Marie-Louise von, Kaiserin, geb. Erzherzogin von Österreich 121 Frederiks, Cäcilie (Cécile) von, Baronin, geb. Gräfin Gurowska 45, 47 Frederiks, Marija Petrowna von, Baronin 643 Frerichs, Friedrich Theodor 408, 410 – 413, 415 Friederici, Henriette Auguste von, geb. Freiin von Feullner 142 Friesen, Mathilde von, geb. Gräfin von Kanitz 474 Frommel, Emil 687 Fugger von Babenhausen, Franziska, Fürstin, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Jagstberg 298, 559 Fuoco, Sofia, geb. Maria Brambilla 199 Fürstenberg, Amalie zu, Fürstin, geb. Prinzessin von Baden 379, 409 Fürstenberg, Elisabeth Henriette zu, Fürstin, geb. Prinzessin von Reuß-Greiz, ältere Linie 356 Fürstenberg, Marie Elisabeth zu, Prinzessin 409
Gablenz, Ludwig von, Freiherr 542 Gagarina, Isabella Adamowna, Fürstin, geb. Gräfin Walewska 188, 448 Gagarina, Tatjana (Tana) Sergejewna, Prinzessin 130 Gagern, Georgine von 686 Gagern, Heinrich von 304 Gagern, Luise von 686 Gagern, Marie von, geb. von Wenckstern 684, 686 Galen, Ferdinand von, Graf 282 Galitzina, Ekaterina Nikititschna, Fürstin, geb. Fürstin Trubezkaja 217, 231, 232 Galitzin, Alexander Fjodorowitsch, Fürst 191 Galitzina, Nadeshda Iwanowa, Fürstin, geb. Gräfin Kutajsowa 191 Galitzina, Natalia Alexandrowna, Gräfin, geb. Gräfin Stroganowa 231 Galitzin, Jewgeni Alexandrowitsch, Prinz 191 Galitzin, Pawel Wassiljewitsch, Fürst 217, 231 Gallenfeld, Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von 39, 62, 73, 547, 617 – 619 Gambetta, Léon 643, 666 Gans Edle Herrin zu Putlitz, Elisabeth, geb. Gräfin von Königsmarck 539, 546, 599, 725, 726 Gans Edler Herr zu Putlitz, Eduard 570 Gans Edler Herr zu Putlitz, Gustav 188, 539, 546, 570, 599, 725, 726 Gans Edler Herr zu Putlitz, Stephan 725 Garibaldi, Giuseppe 430 Gärtner, Fräulein 703 Gärtner, Marie 447 Gerlach, Johanna von, geb. von Küssow 177, 180 Gerlach, Leopold von 49, 97 – 99, 101, 109, 111, 177, 255, 263, 306, 309, 326, 348, 353, 412 Geyr von Schweppenburg, Karl 610, 611 Golenischtschewa-Kutusowa, Sofja, Gräfin, geb. Gräfin von Ribeaupierre 726, 728 Golenischtschew-Kutusow, Wassili Pawlowitsch, Graf 726, 728 Goltz, Carl Friedrich von der, Graf 416 Goltz, Marie von der, Gräfin, geb. Gräfin zu Lynar 416 Goltz, Robert von der, Graf 486
Personenregister
Gortschakow, Alexander Michailowitsch, Fürst 187, 188 Gortschakow, Michail Dmitrijewitsch, Fürst 443 Graefe, Albrecht von 167, 383, 411, 415, 556, 586, 596, 598 Griechenland, Amalie von, Königin, geb. Prinzessin von Oldenburg 304, 482 Griechenland, Olga von, Königin, geb. Großfürstin Olga Konstantinowna von Russland 509 Griechenland, Otto I. von, König, geb. Prinz von Bayern 46 – 48, 455, 482, 533, 581 Grimm, Heinrich Gottfried 192, 274, 290, 298, 320, 323 – 325, 346, 352, 380, 391, 394, 396, 402 – 406, 409, 412, 414, 505, 512, 612, 637, 648, 701, 732 Gröben, Albrecht von der, Graf 101 Gröben, Arthur von der, Graf 545 Gröben, Elisabeth von der, Gräfin, geb. Gräfin zu Münster-Ledeburg 354 Gröben, Georg von der, Graf 60, 61, 180, 184, 304, 305, 320, 321, 323, 339, 352, 354, 378, 574 Gröben, Julius von der, Graf 727, 731 Gröben, Karl von der, Graf 155, 168, 170, 171, 524 Gröben, Selma von der, Gräfin, geb. Freiin von Dörnberg 155, 354 Gröben, Wilhelm von der 138 Großbritannien und Irland, Albert von, Prinzgemahl, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha 339, 460, 685 Großbritannien und Irland, Alfred von, Prinz, Herzog von Edinburgh und Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha 349, 493, 506, 511, 530, 709 Großbritannien und Irland, Arthur von, Prinz, Herzog von Connaught and Strathearn 683, 685, 709 Großbritannien und Irland, Auguste von, Prinzessin, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim 64, 66, 317 Großbritannien und Irland, Edward VII. von, König 444, 497 Großbritannien und Irland, Victoria von,
767
Königin 44, 106, 229, 246, 248, 270, 294, 347, 479, 508, 510 Grund, Hermann, Dr. 367 Grünewald, Otto Magnus von 33 Gumppenberg, Caroline Sophie von, geb. Gräfin von Bayrstorff 343 Gyulay, Ferenc Józef, Graf von Maros-Németh und Nádaska 382 Haase, Friedrich 550 Hacke, Adelaide von, Gräfin 537, 609, 610, 738 Hacke, Editha von, Gräfin 56, 292, 339, 343, 346, 350, 572, 599, 606, 634, 652, 653, 657, 658, 661, 700, 740, 741, 745 Hacke, Friedrich von, Graf 537 Hacke, Henriette Elisabeth (Linsinka) Johanna Ulrike von, Gräfin, geb. Gräfin von Tauentzien 158 Hacke, Virginie von, Gräfin 292, 599, 608, 620, 706 Hagemann, Franzisca 711 Hahn, Ida von, Gräfin, gen. Gräfin HahnHahn 576 Hannover, Ernst August I. von, König 43, 50, 51, 54, 63, 64, 165 Hannover, Georg V. von, König 185, 418, 428, 572, 574 Hannover, Marie von, Königin, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg 184, 185, 582 Harder, Richard 686, 713 Harrach, Ernst von, Graf 731 Harrach, Ferdinand von, Graf 731 Harrach, Isabella von, Gräfin, geb. von Pfister 731 Harrach, Karl Philipp von, Graf 731 Harrach, Leopold von, Graf 731 Hartig, Julie von, Gräfin, geb. Gräfin von Bellegarde 142 Hatzfeldt-Trachenberg, Maximilian von, Graf 271 Hauck, Dr. 173 Henckel von Donnersmarck, Lazarus, Graf 93, 111, 220 Henckel von Donnersmarck, Luise Antoinette Benediktine Friederike Sophie Karoline, Gräfin, geb. Freiin von Wildungen 117 Hengstenberg, Wilhelm von 292
768 Personenregister Hengstmann, Friedrich 99 Herwarth von Bittenfeld, Freda, geb. von Krosigk 679 Herwarth von Bittenfeld, Friedrich 679 Herwarth von Bittenfeld, Gabriele Freda 679 Hessen-Darmstadt, Alexander von, Prinz 63, 96, 103, 222, 224, 235, 377, 504, 552, 571 Hessen-Darmstadt, Alice von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland 510, 616 Hessen-Darmstadt, Elisabeth von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen 42 – 44, 46, 47, 61, 419, 429, 472, 504, 511, 514, 517, 518, 523, 547 – 553, 555, 556, 560, 568 – 570, 574, 580, 589, 591, 727 – 729, 731 Hessen-Darmstadt, Ernst Ludwig von, Großherzog 616 Hessen-Darmstadt, Friedrich (Fritti) von, Prinz 728, 729 Hessen-Darmstadt, Heinrich von, Prinz 537, 552, 731 Hessen-Darmstadt, Karl von, Prinz 44, 47, 419, 504, 547, 549 – 553, 556, 568, 570, 580, 729 Hessen-Darmstadt, Ludwig III. von, Großherzog 450, 454, 472, 504 Hessen-Darmstadt, Ludwig IV. von, Großherzog 510, 545, 546, 552, 729, 731 Hessen-Darmstadt, Mathilde Karoline von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Bayern 54, 206, 450, 455, 472 Hessen-Darmstadt, Wilhelm von, Prinz 552, 570, 729, 731 Hessen-Homburg, Ferdinand von, Landgraf 195, 417, 568 Hessen-Kassel, Friedrich Wilhelm I. von, Kurfürst 129, 133, 521, 572 Hessen-Kassel, Karoline von, Prinzessin 150, 206 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Alexander von, Prinz 556 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Alexandra von, Prinzessin, geb. Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland 35, 233 – 235 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Anna von, Landgräfin, geb. Prinzessin von Preußen 49, 58, 81, 90, 97, 103, 117, 129, 134,
136, 146, 149, 150, 227, 283, 335, 511, 556 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Friedrich Wilhelm von, Landgraf 90, 97, 103, 117, 149, 150, 217, 221, 227, 420, 479, 556, 735 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Georg Karl von, Prinz 735 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Louise Charlotte von, Landgräfin, geb. Prinzessin von Dänemark 523 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Wilhelm von, Landgraf 584 Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Alexis von, Landgraf 171, 176, 186, 207, 212, 246, 247, 278, 282, 291, 386 Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Karl von, Landgraf 186 Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Luise von, Landgräfin, geb. Prinzessin von Preußen 49, 86, 171, 185 – 187, 189, 207, 212, 246, 248, 291, 338, 408, 409, 536, 601, 620 Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Wilhelm von, Prinz 176, 291, 386 Hessenstein, Auguste von, Gräfin 589 Heß, Heinrich von 178 Heydt, August von der 117, 480 Heym, Albert 335, 369, 463, 653 Hildebrandt, Eduard 540 Hiller von Gaertringen, Wilhelm 82, 109, 127, 575 Hinckeldey, Karl Ludwig Friedrich von 130, 263 Hirschfeld, Moritz von 384 Hochberg, Adelheid von, Fürstin von Pleß, geb. von Stechow 512 Hochberg, Bolko von, Graf, Freiherr zu Fürstenstein 520 Hochberg, Hans Heinrich XI. von, Graf, Fürst von Pleß, Freiherr zu Fürstenstein 520, 642 Hochberg, Marie von, Gräfin, Fürstin von Pleß, Freifrau zu Fürstenstein, geb. von Kleist 642 Hochstetter, Elisabeth Emilie Charlotte von, Edle, geb. von Manuel 562 Hoffmann, Clara, geb. Gräfin von Kanitz 474, 479 Hoffmann, Herr 501
Personenregister
Hohenau, Rosalie von, Gräfin, geb. von Rauch 132, 226, 227, 448, 555, 574, 670, 671 Hohenau, Wilhelm von, Graf 179, 181 Hohenlohe-Ingelfingen, Adolf zu, Prinz 260 Hohenlohe-Ingelfingen, Kraft zu, Prinz 307, 308, 310, 315, 316, 327, 347, 353, 364, 391, 449, 453 Hohenlohe-Langenburg, Ludwig zu, Prinz 534 Hohenlohe-Oehringen, Hugo zu, Fürst 131 Hohenlohe-Oehringen, Pauline zu, Fürstin, geb. Prinzessin zu Fürstenberg 131 Hohenthal, Ida von, Gräfin 627 Hohenthal, Ida von, Gräfin, geb. Gräfin von Seherr-Thoss 627 Hohenthal, Walburga (Wally) von, Gräfin 390, 424 Hohenzollern-Sigmaringen, Antonia Maria von, Prinzessin, geb. Infantin von Portugal 459 Hohenzollern-Sigmaringen, Anton von, Prinz 574, 575 Hohenzollern-Sigmaringen, Karl Anton von, Fürst 168, 170, 171, 394 Hohenzollern-Sigmaringen, Marie von, Prinzessin 575 Hohenzollern-Sigmaringen, Stephanie von, Prinzessin 288 Hopffgarten, Ernst von 33, 462 Hottinger, Henriette, geb. Gräfin von Waldersee 349, 706 Hottinger, Jakob Heinrich 349 Hügel, Elizabeth von, Freifrau, geb. Farquharson 209 Humboldt, Alexander von 290, 306, 320, 375, 412 – 414 Humbracht, Anton von, Freiherr 594 Illaire, Ernst Emil 392 Ingenheim, Eugenie von, Gräfin, geb. de Thierry 213 Ingenheim, Gustav Adolf Wilhelm von, Graf 116, 247 Inn- und Knyphausen, Luise zu, Gräfin, geb. Gräfin von Kielmannsegg 41 Inn- und Knyphausen, Theda zu, Freiin 680 Istomin, Konstantin Iwanowitsch 191
769
Italien, Margarethe von, Königin, geb. Prinzessin von Savoyen-Carignan 695 Italien, Umberto I. von, König 695 Itzenplitz, Marie von, Gräfin, geb. von Kröcher 41 Jabłonowski, Karl, Fürst 427 Jabłonowski, von, Graf 343 Jachmann, Eduard 537 Jachmann, Konrad 536 Jachmann-Wagner, Johanna 75, 102, 164 Jasmund, Julie von 74 Jasmund, Karoline Ernestine von, geb. von der Goltz 74 Jasmund, Karoline von 74, 727 Jena, Eduard von 523 Jüngken, Johann Christian 44 Kahlden, Adelheid von, geb. und verw. von Witzendorff 588 Kahlden, August Paul von 604 Kamecke, Leopoldine von 39, 82, 83, 125, 128, 129, 164, 185, 241, 243, 253, 262, 265 Kanitz, Luise von, Gräfin 163, 164 Kanitz, Luise von, Gräfin, geb. Gräfin von Schwerin 548 Kanitz, Rosalie (Rose) von, Gräfin 163, 164, 318, 353, 474 Kanitz, Rudolf von, Graf 419, 432, 453, 474, 479, 548, 652, 698 Karell, Philipp Jakob von 219, 256, 360, 418, 419 Károlyi von Nagykároly, Alajos, Graf 405 Kaulbach, Friedrich 264 Keller, Alexander von, Graf 89, 117, 163, 255, 266, 284, 326, 341, 351, 353, 361, 500, 505, 635, 651, 652, 667, 681, 690, 701, 728, 731, 735 Keller, Amalie von, Gräfin, geb. Gräfin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg 117 Keller, Anton von, Graf 701, 735 Keller, Jenny von, Gräfin, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode 117, 667, 681 Keller, Theodor von, Graf 500 Ketteler, August Joseph von, Freiherr 142 Ketteler, Cäcilie Wilhelmine Karoline von, Freifrau, geb. von Luck 142
770 Personenregister Kettelhodt, Friedrich August von, Freiherr 189 Kisseljow, Nikolai Dmitrijewitsch 115 Kisseljow, Pawel Dmitrijewitsch 274 Klein, Alexandrine von 303, 512, 635, 668, 722 – 725, 727, 728, 746 Klein, Amalie von 303, 723 Klein, Eleonore von, geb. von Oertzen 303 Klein, Friederike von 303 Kleinmichel, Kleopatra Petrowna von, Gräfin, geb. Iljinskaja 392 Kleinmichel, Pjotr Andrejewitsch von, Graf 392 Klein, Ulrich von 635 Kleist, Adolf von 303, 313, 348 Kleist, Ferdinand von 139 Kleist-Retzow, Charlotte von, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode 117, 167 Kleist-Retzow, Hans Anton von 103 Kleist-Retzow, Hans Hugo von 38 Klementiewski, Nikolai Stepanowitsch (Niconar) 110 Klockow, Sophie 207 Kögel, Rudolf 604, 713, 731 Könemann, Adele von 561 Könemann, Alexander von 561 Könemann, Emilie von, geb. von Klein 561 Könemann, Friedrich Franz von 561 Königsmarck, Adolf von, Graf 189 Königsmarck, Friedrich Wilhelm Hans von, Graf 444 Königsmarck, Hans von, Graf 435, 444 Königsmarck, Jenny von, Gräfin, geb. von Bülow 444 Koppelow, Paul von 138 Kospoth, Adelheid von, Gräfin 643 Kottwitz, Hugo von, Freiherr 724 Krassow, Carl Reinhold von, Graf 559 Krassow, Klementine von, Gräfin, geb. von Below 559 Krausnick, Heinrich Wilhelm 218 Krosigk, Kurt von 635 Kullak, Theodor 179 Kurakina, Julia Fjodorowna, Fürstin, geb. Prinzessin Galitzina 383 Lablache, Luigi 107, 122 Labriche, Alexis Jean-Louis (Montdidier) 147
Lamberg, Maria von, Gräfin 427 Lambert, Karl Karlowitsch, Graf 154 Larisch, Alfred von 143 Lehndorff, Heinrich von, Graf 604, 686 Lehndorff, Pauline von, Gräfin, geb. Gräfin von Schlippenbach 314 Lenné, Peter Joseph 326 Lerchenfeld-Köfering, Isabella von, Gräfin, geb. Gräfin Waldbott von Bassenheim 159 Lerchenfeld-Köfering, Maria Anna Philippine Walburga von, Gräfin, geb. Groschlag 159, 161 L’Estocq, Franziska Friederike von, geb. von Koppelow 61, 67 Levetzow, Theodor Diederich von 332, 564 Liebig, Justus von, Freiherr 623 Liechtenstein, Eduard Franz von, Fürst 138 Liechtenstein, Honoria von, Fürstin, geb. Gräfin Chonloniewska 138 Liechtenstein, Marie Josephine von, Prinzessin 426 Liechtenstein, Marie von, Prinzessin 426 Liegnitz, Auguste von, Fürstin, geb. Gräfin von Harrach 44, 86, 130, 131, 153, 168, 177, 309, 313, 338, 362, 400, 415, 424, 560, 642, 654, 683, 727, 729, 731, 732 Lieven, Dorothea von, Fürstin, geb. von Benckendorff 108, 118, 120 Lieven, Paul von, Fürst 108 Lieven, Wilhelm von, Freiherr 112, 217 Linden, Franz Joseph Heinrich von, Graf 524 Linden, Henriette von 633, 660, 661, 679 Lindheim, Karl Friedrich David von 173, 175 Lind, Jenny 164 Lippe, Elisabeth zur, Fürstin, geb. Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt 136, 590, 593, 675 Lippe, Leopold III. zur, Fürst 136, 594 Lippe, Sophie zur, Fürstin, geb. Prinzessin von Baden 357 Lippe, Woldemar zur, Fürst 357 Lobanow-Rostowski, Alexei Alexandrowitsch, Fürst 225 Loën, Gabriele von, Freifrau, geb. von Bülow 158, 160, 161 Loën, Leopold von, Freiherr 161, 301, 306, 308, 324, 325, 328 – 330, 360, 377
Personenregister
Lo Faso Pietrasanta, Domenico, Herzog von Serradifalco 200, 201 Löwenhielm, Augusta von, Gräfin, geb. Gräfin von Schönburg 140 Lucca, Pauline 600, 608 Lucchesini, Franz von, Marquis 491 Luck, Cécile von, geb. de Saint-Luce Oudaille 282 Lücken, Franziska von, geb. Gräfin von Brühl 626 Lücken, Rudolf von 626 Lücken, Wilhelm von 626 Luck, Hans von 282, 306, 420 Luck, Ida von, geb. von Barner 420 Luck, Ludolf von 420 Luck, Luise von 282 Lüders, Alexander Nikolajewitsch von 474 Lühe, Adolf Hans von der 284 Lühe, August Wilhelm von der 477 Lühe, Henriette von der, geb. Edle von Hochstetter 477, 516, 562 Lühe, Klara von der, geb. von Arnim, verw. von Itzenplitz 722 Lütke, Friedrich Benjamin von, Graf 191 Lüttichau, Claudine von, Gräfin, geb. Freiin Schmysing gen. von Korff 728 Lüttichau, Maximilian von, Graf 580, 643, 681, 689, 690, 701, 728, 738 Lüttwitz, Luise Henriette von, Freifrau, geb. Freiin von Schuckmann 459 Lützow, Louis von 138 Lwow, Alexei Fjodorowitsch 226 Lynar, Alexander zu, Graf 595 Mac-Mahon, Patrice de, Graf 636 Magallon d’Argens, Paul de 97, 104 Magnus, Anton von, Freiherr 584 Malsen, Karoline Fideline von 68 Malsen, Konrad Adolf von 68 Maltzahn, Adolf von, Freiherr, Graf von Plessen 564 Maltzahn, Albrecht von, Freiherr 257 Maltzahn, Amalie von, geb. Gräfin von Moltke 153 – 155 Maltzahn, Anna von, Freiin 564, 565, 671, 710, 722, 744, 746 Maltzahn, Cecilie von, Freifrau, geb. von Rauch 238
771
Maltzahn, Friedrich von 151, 153, 155 Maltzahn, Gustav von, Freiherr 84, 540, 665 Maltzahn, Gustav von, Freiherr, Graf von Plessen 59, 462 Maltzahn, Karl von, Freiherr 257 Maltzahn, Karoline von, Freifrau, geb. von Biel 257 Maltzahn, Rudolf von, Freiherr 257 Mandt, Martin Wilhelm von 45, 73, 126, 134, 153, 161, 194, 196, 217 – 220, 224, 225, 256, 274, 288, 289, 360 Manstein, Gustav von 542, 595 Mansurowa, Agrippina Iwanowa, geb. Trubezkaja 187 Mansurow, Alexander Pawlowitsch 187 Mansurowa, Zinaida Alexandrowna 187 Manteuffel, Bertha von, Freifrau, geb. von Stammer 187 Manteuffel, Edwin von, Freiherr 169, 173, 288, 306, 337, 421 Manteuffel, Hans von, Freiherr 656 Manteuffel, Hertha von, Freifrau, geb. von Witzleben 656 Manteuffel, Otto Theodor von, Freiherr 33, 34, 36, 39, 70 – 72, 111, 117, 164, 165, 169, 170, 173, 174, 176, 180, 187, 211, 303, 306, 307, 309, 360, 378, 390, 440 Manteuffel, Rudolf von 724 Marcus, Michael Antonowitsch 219 Marwitz, Bernhard von der 129 Marwitz, Marie von der, geb. von Arnim 127, 129 Massenbach, Charlotte von, geb. du Genée 67 Massow, Anton von 396 Massow, Auguste von 397 Massow, Auguste von, geb. Freiin von Canitz und Dallwitz 102, 202, 396 – 398, 525 Massow, Bertha von 397 Massow, Friedrich von 396 Massow, Konrad von 396 Massow, Ludwig von 102, 248, 306, 314, 320, 348, 378, 391, 394, 396, 397 Massow, Valentin von 158 Massow, Valentin von (Sohn) 564 Massow, Valentin von (Vater) 396, 564 Massow, Wilhelm von 396 Mecklenburg, Friedrich Franz 639
772 Personenregister Mecklenburg-Schwerin, Adolf Friedrich zu, Herzog 737, 741 Mecklenburg-Schwerin, Albert zu, Herzog 592 Mecklenburg-Schwerin, Alexander zu, Herzog 392, 551 Mecklenburg-Schwerin, Alexandrine zu, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen 61, 119, 168, 177, 179 – 181, 224, 227, 230, 233, 291, 308, 309, 318, 321, 327 – 331, 333, 335, 338, 341, 344, 346, 352, 353, 358, 360 – 364, 371, 386, 398, 400, 409, 412, 415, 416, 429, 444, 450, 452, 455, 459, 463, 492, 494, 502, 503, 508 – 510, 515, 540, 546, 554, 555, 557, 558, 560 – 567, 571, 572, 574, 575, 577 – 580, 583 – 585, 587, 590, 596 – 608, 617, 621, 622, 625, 628, 635, 636, 642, 652, 656, 661, 664, 665, 670, 671, 673, 675, 678, 680, 682, 690 – 692, 697, 699, 701, 704, 705, 707 – 713, 716, 718 – 720, 722, 723, 725, 726, 728, 733, 735, 736, 738 – 741, 744, 745 Mecklenburg-Schwerin, Anna von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt 514, 515, 517 – 519, 521, 523, 524, 528, 529, 534, 535, 537 – 540, 542, 544, 545, 547, 549 – 551, 555, 557, 558, 560, 561, 563, 567, 589, 590, 593 Mecklenburg-Schwerin, Anna zu, Herzogin 549, 550, 560, 561, 567 – 569, 580, 582, 587, 593, 672, 680, 715, 733 Mecklenburg-Schwerin, Auguste von, Erbgroßherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg 38, 137, 141, 151, 165, 195, 253, 272, 275, 277, 301, 303, 312, 314 – 316, 322, 324, 335 – 338, 340, 342, 343, 357, 366, 369, 389, 395, 397, 398, 401 – 404, 406, 410, 412, 417, 428, 430, 431, 443, 457, 459, 460, 469, 482 – 484, 486 – 488, 492, 498 – 500, 507, 511, 512, 519 – 521, 528, 538, 542, 549, 561, 562, 564, 567, 569, 577, 579, 585, 588, 589, 592, 596, 598, 603, 608, 614, 616 – 618, 637, 655, 668, 669, 671 Mecklenburg-Schwerin, Auguste von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 34, 38 – 40, 42, 46, 48, 50,
51, 53, 56, 58, 62, 63, 67, 70, 72 – 76, 78, 79, 83, 84, 86 – 88, 90, 114, 136, 145, 146, 149, 150, 152, 153, 157, 162, 163, 165, 170, 172 – 174, 177, 181 – 184, 194, 197, 202, 242 – 245, 248, 250, 253, 260, 261, 264, 266, 268, 270 – 275, 277 – 279, 281, 283 – 285, 288, 294, 295, 297, 301, 303 – 305, 307 – 312, 314, 316, 321, 322, 324, 334, 340, 342 – 346, 349, 350, 354, 355, 358, 362, 364, 369, 372 – 376, 392 – 402, 404, 416, 417, 423 – 426, 430, 437, 441 – 444, 447, 448, 451, 452, 454 – 457, 459 – 466, 468, 471, 472, 475, 481, 482, 484, 485, 494 – 496, 514, 515, 547, 550, 551, 576, 577, 590, 607, 609 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz III. von, Großherzog 40, 56, 62, 73, 78, 79, 83, 87 – 89, 114, 124, 150, 170, 183, 197, 261, 277, 278, 281, 283, 334, 335, 338, 369, 410, 411, 443, 466, 477, 484, 485, 500, 516, 521, 539, 569, 573, 574, 576, 577, 580, 583, 595, 616, 685, 715, 739 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz II. von, Großherzog 31, 32, 38, 46, 50, 51, 53, 56, 62, 63, 67, 70, 72, 73, 76, 83 – 86, 92, 128, 133, 136, 145, 146, 148 – 150, 152, 153, 158, 160, 165, 168, 170, 174, 182, 184, 191, 192, 194, 196, 226, 243, 247, 251, 253, 260, 261, 266 – 270, 272, 273, 277, 279, 283, 284, 288, 293 – 295, 297, 301 – 303, 305, 307, 310, 311, 316, 317, 321 – 324, 332, 334, 340, 343, 344, 346, 347, 356, 358, 360, 362 – 368, 371, 374, 376, 378, 379, 383, 385, 387, 395 – 399, 404, 405, 415 – 417, 426, 429, 452, 455 – 457, 459, 460, 463 – 474, 476, 479 – 481, 483, 485, 487, 490 – 496, 498, 499, 502, 504, 505, 507, 510, 512 – 515, 517 – 521, 523, 524, 527 – 529, 534, 538 – 540, 544, 547, 549 – 552, 557, 559 – 563, 567 – 569, 573 – 575, 577, 579 – 584, 586, 587, 589 – 595, 597, 601, 608, 613, 615 – 618, 620, 628, 634, 636, 637, 658, 664 – 667, 675, 680, 683, 685 – 688, 691, 696, 704, 707, 708, 715, 719, 722, 724, 733, 736 – 738, 744, 745 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Ludwig von, Erbgroßherzog 592, 669
Personenregister
Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Wilhelm zu, Herzog 670, 715 Mecklenburg-Schwerin, Gustav zu, Herzog 31 Mecklenburg-Schwerin, Helena von, Erbgroßherzogin, geb. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland 669 Mecklenburg-Schwerin, Johann Albrecht zu, Herzog 304, 305, 307, 312 – 314, 344, 354, 358, 477, 487, 488, 516, 543, 550, 560, 586, 596, 598, 692 Mecklenburg-Schwerin, Karl zu, Herzog 31 Mecklenburg-Schwerin, Karoline Luise von, Erbgroßherzogin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 669 Mecklenburg-Schwerin, Luise von, Herzogin, geb. Prinzessin von Sachsen-Gotha-Altenburg 31 Mecklenburg-Schwerin, Marie von, Großherzogin, geb. Prinzessin von SchwarzburgRudolstadt 498, 590, 591, 593 – 598, 603, 604, 606, 607, 609, 613, 614, 616, 618, 620, 632, 634, 636, 659, 662, 664 – 666, 670, 672, 675, 680, 683, 685 – 687, 691, 696, 708, 715 – 717, 722 – 724, 736 – 739, 741, 744 Mecklenburg-Schwerin, Marie zu, Herzogin, geb. Prinzessin von Windisch-Graetz 278, 376, 377, 674, 678, 679, 703, 721 Mecklenburg-Schwerin, Nikolaus zu, Herzog 245, 261 – 263, 268, 279, 283, 284, 312, 551 Mecklenburg-Schwerin, Paul Friedrich von, Großherzog 88, 145, 261, 263, 322, 324, 398, 407, 442, 452, 471, 472, 551, 592, 687, 721 Mecklenburg-Schwerin, Paul Friedrich zu, Herzog 88, 114, 124, 145, 261, 270, 477, 485, 516, 539, 569, 573, 574, 577, 583, 595, 607, 608, 616, 672, 688, 689, 691, 715, 739 Mecklenburg-Schwerin, Wilhelm zu, Herzog 31, 32, 35, 37, 38, 40, 52, 55, 57, 58, 60, 65, 66, 68, 71, 72, 84, 92, 99, 105, 117, 125, 128, 129, 137, 138, 147, 148, 150, 153, 155, 164, 165, 171, 186, 188, 191, 202, 207, 221, 226, 230, 246, 255, 267 – 272, 277, 279, 281, 282, 288, 293,
773
300, 322, 323, 325, 327, 329, 340, 342, 344 – 347, 349, 352, 357, 358, 360, 363, 365, 366, 368, 371, 378, 382, 419, 429, 432, 434, 441, 460, 466, 478, 483, 487, 488, 494 – 496, 511, 518, 531, 535, 541, 554, 555, 557 – 559, 561, 563 – 567, 570 – 573, 577, 578, 580, 583, 585, 587, 596, 599, 600, 603, 605 – 608, 629, 656, 658, 659, 665, 674, 681, 688, 692, 708, 713, 720, 740, 741, 743, 744 Mecklenburg-Strelitz, Adolf Friedrich V. von, Großherzog 168, 581 Mecklenburg-Strelitz, Augusta Karoline von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge 64, 162, 167, 168, 264, 266 – 268, 300, 321, 322, 324, 383, 427, 541, 543, 553, 581, 698, 716, 719 – 722 Mecklenburg-Strelitz, Friedrich Wilhelm II. von, Großherzog 44, 66, 162, 167, 176, 264, 266, 267, 275, 284, 297, 321, 322, 324, 427, 486, 504, 541, 543, 576, 580, 615 Mecklenburg-Strelitz, Georg Alexander zu, Herzog 387, 428 Mecklenburg-Strelitz, Georg von, Großherzog 33, 64, 72, 74, 116, 143, 158, 159, 161, 162, 164, 167, 171, 187, 193, 256, 275, 284, 287, 300, 322, 324, 387, 405, 408, 410 – 413, 415, 417, 418, 427 – 429, 431, 432, 543 Mecklenburg-Strelitz, Georg zu, Herzog 33, 35, 36, 40, 56, 102, 113, 132, 139, 147, 166, 173, 174, 176, 179 – 181, 193, 220, 232, 237, 238, 255, 300, 301, 328, 368, 376, 410, 415, 428, 483, 486, 487, 541, 653, 716, 718 Mecklenburg-Strelitz, Katharina zu, Herzogin, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland 33, 35, 37, 40, 56, 123, 132, 139, 147, 158, 166, 232, 237, 238, 255, 300, 301, 328, 330, 376, 382, 383, 415, 428, 486, 541, 716, 718 Mecklenburg-Strelitz, Marie von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-KasselRumpenheim 37, 38, 50, 64, 72, 74, 116, 157 – 159, 162 – 164, 171, 187, 193, 284, 295, 297, 300, 301, 335, 337, 378, 383,
774 Personenregister 406, 408, 427, 429, 479, 480, 504, 523, 543, 549, 550, 552 – 554, 556, 581, 584, 684, 686, 692, 693, 715, 722, 728, 733, 735 Mecklenburg-Strelitz, Nikolaus zu, Herzog 193 Mendelssohn Bartholdy, Felix 102 Menschikow, Alexander Sergejewitsch, Fürst 128 Mensdorff-Pouilly, Alexander von, Graf 98 Mettenheimer, Carl von 462 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von, Fürst 190 Mexiko, Charlotte von, Kaiserin, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Belgien 450 Mexiko, Maximilian I. von, Kaiser, Erzherzog von Österreich 450, 521, 582 Meyendorff, Alexander von, Baron 111 Meyendorff, Ernst von, Baron 111 Meyendorff, Peter von, Baron 95, 98, 100, 111, 251, 258, 278, 284, 340 Meyendorff, Rudolph von, Baron 111, 593 Meyendorff, Sophie von, Baronin, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein 95, 100, 106, 111, 284, 592 Meyerinck, Ludwig von 276, 306, 309, 313, 327, 337, 339, 418 Meyer, Johann Georg 102 Michelson, Frau von 421 Mocenigo, Olga, Gräfin, geb. Prinzessin von Windisch-Graetz 126, 130, 137, 199, 201 – 203, 251, 257, 366, 674, 678, 721 Möllendorff, Johann Carl von 245, 288, 386 Moltke, Helmuth von, Graf 647, 649 Moustier, Lionel de 287 Münchhausen, Karl von, Freiherr 530 Münster-Ledenburg, Olga zu, Gräfin 720 Münster-Meinhövel, Bertha zu, Gräfin, geb. von der Marwitz 65, 68, 89, 93, 104, 127, 129, 139, 152, 224, 391, 512, 513 Münster-Meinhövel, Hugo Eberhard zu, Graf 31, 33, 35, 45, 47, 49, 65, 93, 94, 108, 111 – 114, 119, 127, 144, 148, 160, 163, 166, 178, 179, 219, 224, 254 – 257, 265, 274, 305, 377, 386, 531, 615 Münster-Meinhövel, Julie zu, Gräfin, geb. von der Marwitz 129, 144, 481, 602, 614, 615
Münster, Wilhelmine Charlotte zu, Gräfin, geb. Prinzessin zu Schaumburg-Lippe 167, 169 Murillo, Bartolomé Estaban 203 Napoleon III., Kaiser der Franzosen 65, 96, 102, 104, 106, 108, 111, 112, 115, 118, 120, 121, 166, 219, 225, 229, 248, 304, 374, 386, 388, 400, 476, 599, 636, 639, 646, 648 Nassau, Adelheid Marie von, Herzogin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 385 Nassau, Adolph von, Herzog 385, 388, 476, 721 Nassau, Nikolaus von, Prinz 444 Nassau, Pauline von, Herzogin, geb. Prinzessin von Württemberg 149 Nasse, Werner 461, 462 Natzmer, Luise Henriette von, geb. Freiin von Richthofen 130, 133, 459 Natzmer, Oldwig von 130, 133, 459 Neale, Pauline von, Gräfin 313 Nelidowa, Warwara Arkadjewna 289, 684 Nesselrode, Karl Robert von, Reichsgraf 98, 297 Nettelbladt, Ferdinand von, Freiherr 475 – 477 Neumann, August Wilhelm von 106, 127, 176, 379 Niebuhr, Marcus von 263, 308, 309 Niederlande, Alexander der, Prinz 59, 434, 646, 648, 649 Niederlande, Amalia der, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 439, 677, 678 Niederlande, Anna der, Königin, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland 139, 255, 256, 391, 436, 439, 548 Niederlande, Friedrich der, Prinz 59, 78, 139, 147 – 149, 205, 237, 241, 245, 254, 273, 274, 298, 304, 315, 389, 401, 402, 408, 430, 439, 446, 463, 514, 557, 581, 584, 597, 609, 611, 612, 615, 621 – 625, 630, 631, 640, 641, 643, 645, 646, 648, 649, 652 – 655, 657, 658, 661, 662, 664, 665, 669 – 671, 673, 675 – 679, 681, 688 – 691, 710, 716, 718, 743 Niederlande, Heinrich der, Prinz 678
Personenregister
Niederlande, Luise der, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen 34, 35, 55, 59, 75, 76, 78, 80, 81, 83 – 86, 88, 90, 91, 119, 124, 139, 140, 144, 146 – 150, 171, 172, 174, 175, 177, 178, 190, 194 – 197, 199 – 201, 207, 212, 213, 237 – 239, 241 – 244, 247, 251, 253, 254, 257, 262, 270, 271, 274, 278, 294, 298, 299, 303 – 306, 309, 312, 313, 315, 316, 319, 330, 342, 345 – 348, 352, 353, 355, 359, 361, 364, 369, 376, 379, 381, 383 – 385, 387, 389 – 391, 394, 395, 399 – 405, 408, 409, 414, 415, 417, 420 – 422, 430, 432 – 436, 438 – 440, 443, 446, 449 – 451, 453, 454, 456, 463, 469, 473, 474, 476 – 483, 486, 488, 491, 492, 497, 504, 507 – 511, 514, 531, 538 – 541, 545, 548, 557, 560 – 563, 566, 576, 577, 580, 581, 584 – 587, 589, 595 – 598, 600, 603, 606, 609 – 612, 614 – 626, 628 – 634, 636 – 662, 664 – 666, 668 – 670, 673, 675 – 678, 681, 682, 688, 699, 700, 702, 710, 716, 720, 721 Niederlande, Moritz der, Prinz 677 Niederlande, Sophie der, Königin, geb. Prinzessin von Württemberg 43, 59, 86, 275, 433 – 435, 439, 531, 646, 648, 649, 676 – 678, 719 Niederlande, Wilhelm der, Kronprinz, Prinz von Oranien 403, 433, 435, 677 Niederlande, Wilhelm III. der, König 304, 399, 435, 531, 649, 676 – 678 Nostitz-Rokitnitz, Joseph, Graf 189, 559 Novello, Clara 290 O’Donell, Christine, Gräfin, geb. Prinzessin de Ligne 144 O’Donell von Tyrconell, Euphemia, Gräfin 144 O’Donell von Tyrconell, Maximilian, Graf 123, 144 Oertzen, Helmuth von 475 Oertzen, Jasper von (Sohn) 475 Oertzen, Jasper von (Vater) 332, 413, 475, 540 Ogarjow, Nikolai Alexandrowitsch 237 Oldenburg, Alexander von, Prinz 240 Oldenburg, Elisabeth von, Erbgroßherzogin,
775
geb. Prinzessin von Preußen 287, 289, 334, 508, 598, 654, 696, 702, 718, 734, 735, 737, 740 Oldenburg, Elisabeth von, Großherzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 613, 614, 620, 632, 668, 715, 733 Oldenburg, Elisabeth von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg 198, 253, 273, 626 Oldenburg, Eugenia von, Herzogin, geb. Eugenia Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 421, 422 Oldenburg, Georg von, Prinz 240, 671 Oldenburg, Konstantin von, Prinz 240 Oldenburg, Nikolaus von, Prinz 240 Oldenburg, Peter II. von, Großherzog 197, 198, 253, 273, 627 Oldenburg, Peter von, Prinz 106, 112, 113, 139, 382, 671 Oldenburg, Therese von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Nassau 106, 139, 140, 153, 239, 244 Oppen, Karl von 487 Oppen, Valeska von, geb. von Drieberg 487 Oriola, Alphonse Heinrich von 499 Orléans, Familie von 666 Orléans, Ferdinand Philippe von, Herzog von Chartres 335 Orléans, Françoise von, Herzogin von Chartres, geb. von Orléans 511, 512 Orléans, Helene von, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 65, 151, 335 – 338, 340, 343, 592 Orléans, Henri von, Herzog von Aumale 336 Orléans, Louis-Philippe I. von, König der Franzosen 108 Orléans, Maria Isabelle von, Gräfin von Paris, geb. Prinzessin von Orléans-Montpensier, Infantin von Spanien 538 Orléans, Philippe von, Graf von Paris 151, 336, 337, 340, 343, 346, 538 Orléans, Robert von, Herzog von Chartres 151, 336, 337, 340, 343, 346, 398, 400, 499, 507, 511, 512 Orlow, Alexei Fjodorowitsch, Fürst 98, 160, 162, 262 Osten, Fräulein von 731 Österreich, Adelgunde Auguste von, Erzherzo-
776 Personenregister gin, Herzogin von Modena, geb. Prinzessin von Bayern 455 Österreich, Elisabeth (Sisi) von, Kaiserin, geb. Prinzessin in Bayern 76, 145, 178, 180, 182, 191, 245, 299, 425, 448, 450, 453, 473, 549, 742 Österreich, Franz Joseph I. von, Kaiser 45, 48, 58, 76, 78, 82, 85, 86, 105 – 109, 122 – 124, 131, 133, 143, 145, 155, 176, 182, 188 – 191, 195, 211, 245, 299, 323, 377, 386, 425, 448, 453, 502, 504, 507, 575, 694, 697, 702 – 704, 717, 742 Österreich, Franz Karl von, Erzherzog 299, 352, 452, 537, 697, 717 Österreich, Karl Ludwig von, Erzherzog 341, 352, 363, 455, 476, 697, 709, 717 Österreich, Karoline Auguste Charlotte von, Kaiserin, geb. Prinzessin von Bayern 346, 347, 449, 452, 561, 697, 717 Österreich, Leopold von, Erzherzog 505, 506 Österreich, Ludwig Viktor von, Erzherzog 55, 58, 349, 504, 697, 717 Österreich, Ludwig von, Erzherzog 452 Österreich, Margarethe von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Sachsen 341, 352 Österreich, Maria Annunziata von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien 476 Österreich, Maria Josepha von, Erzherzogin von, geb. Prinzessin von Sachsen 632 Österreich, Rudolf von, Erzherzog und Kronprinz 347, 717 Österreich, Sophie Friederike von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Bayern 44, 55, 57, 58, 78, 81, 85, 86, 123, 124, 137, 143 – 145, 155, 189, 264, 293, 297, 299, 323, 347, 352, 373, 374, 424 – 426, 452, 455, 469, 485, 498, 504, 523, 537, 579, 582, 584, 693, 694, 712, 713, 717 Österreich, Stephan von, Erzherzog 388, 390, 558 Österreich-Teschen, Albrecht von, Erzherzog 523 Österreich-Teschen, Hildegard von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Bayern 81, 523 Österreich-Teschen, Mathilde von, Erzherzogin 523 Österreich, Wilhelm von, Erzherzog 215 Oubril, Paul von 498, 685
Paget, Augustus Berkeley, Sir 424 Pappenheim, Anastasia zu, Gräfin, geb. Gräfin von Schlieffen 169, 187, 189, 349, 351, 672 Pappenheim, Hedwig zu, Gräfin 349 Pappenheim, Ludwig zu, Graf 169 Pappenheim, Maria zu, Gräfin 349 Pascha, Ismail 683 Paskewitsch, Iwan Fjodorowitsch, Graf von Eriwan, Fürst von Warschau 114 Patow, Robert von, Freiherr 378 Pawel-Rammingen, Friederike von, Freifrau, geb. Prinzessin von Hannover und Cumberland 709 Perponcher-Sedlnitzky, Adelaide von, Gräfin, geb. Gräfin van Reede 90, 91, 309 Perponcher-Sedlnitzky, Adelheid von, Gräfin, geb. Gräfin von Bülow 88, 91 Perponcher-Sedlnitzky, Antoinette von, Gräfin, geb. Gräfin von Maltzahn 309, 411, 643, 646, 649, 650, 652, 658 Perponcher-Sedlnitzky, Elisabeth von, Gräfin 643, 649 Perponcher-Sedlnitzky, Friedrich von, Graf 72, 91, 169, 421, 604, 611 Perponcher-Sedlnitzky, Hendrik George von, Graf 91 Perponcher-Sedlnitzky, Ludwig Nikolaus von, Graf 88, 91 Perponcher-Sedlnitzky, Wilhelm von, Graf 91, 641 – 643, 649, 676 Pilar von Pilchau, Anna Karlowna 233 Pius IX., Papst 363 Plechtchejewa, Sophie, geb. Gräfin von Fersen 331 Plehwe, Bernhard Joachim von 536 Plessen, Friedrich von 478 Pochhammer, Elisabeth 700 Pommer Esche, Adolf von 384 Portugal, Ludwig I. von, König, geb. Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha 190, 696 Portugal, Peter V. von, König 190, 379, 459 Portugal, Stephanie von, Königin, geb. Prinzessin von Hohenzollern-Sigmaringen 319, 329, 333 Potocka, Delfina, Gräfin, geb. Komarówna 688, 689 Pourtalès, Friedrich von, Graf 45, 213
Personenregister
Pourtalès, Luise von, Gräfin, geb. Gräfin de Castellane-Norante 706 Preußen, Adalbert von, Prinz 42, 60, 61, 292, 310, 717, 727, 729, 731, 732 Preußen, Albrecht von, Prinz (Sohn) 176, 224, 275, 317, 361, 363, 386, 400, 402, 415, 483, 484, 502, 503, 505, 508 – 510, 526, 527, 529, 560, 562, 564, 565, 585, 602, 610, 617, 621 – 623, 628, 642, 646, 657, 671, 676 – 678, 683, 700, 702, 704, 706, 710, 712 – 714, 723, 729, 740, 741, 744 – 746 Preußen, Albrecht von, Prinz (Vater) 43, 45, 60, 61, 66, 77, 82, 109, 123, 124, 131, 132, 134, 141, 168, 175, 179, 181, 195, 221, 223, 226, 227, 230, 231, 233, 259, 275, 326, 352, 353, 364, 389, 400, 432, 448, 478, 488, 494, 503, 504, 518, 526, 547, 554, 555, 564 – 566, 574, 597, 598, 610, 611, 664, 670, 671, 675, 682, 683, 698 – 700, 704, 708, 711 – 713, 727, 729, 730, 736 Preußen, Alexander von, Prinz 700 Preußen, Anna Maria von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 488 Preußen, Anna von, Prinzessin 326, 331, 334, 335 Preußen, Augusta von, Königin und Kaiserin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 31, 32, 34, 36, 44, 60, 61, 89, 90, 132, 140, 158, 159, 161, 162, 164, 202, 204, 227, 246, 249, 260, 262, 270, 282, 287, 308, 309, 317, 319, 322, 324, 333, 337, 345, 346, 351, 375, 380, 384, 389, 393, 394, 413, 416, 422 – 424, 426, 441, 447, 449, 454, 455, 457, 459, 461, 462, 466 – 468, 474, 475, 485, 488, 491, 494, 497, 511, 517 – 519, 522, 523, 526 – 528, 532, 542, 543, 545, 553, 558, 559, 561 – 563, 572, 580, 585, 596, 597, 603 – 606, 608, 610, 627, 633, 639, 642, 651, 653, 656, 678, 685 – 688, 690, 692, 705, 706, 708 – 710, 712, 714, 718, 720, 723, 728, 730, 731, 735, 738, 746 Preußen, Carl von, Prinz 43, 59, 61, 71, 78, 86, 97, 101, 103, 106, 107, 109, 114, 116, 117, 123, 130, 140, 154, 155, 171, 199, 207, 218, 220, 222 – 224, 249, 250, 278,
777
289, 291, 309, 317, 326, 376, 379 – 381, 389, 390, 392, 394, 395, 397, 398, 400, 408 – 411, 413, 420, 432, 451, 475, 490, 501, 511, 519, 525, 526, 588, 591, 597, 598, 610, 620, 685, 690, 696, 701, 705, 711, 714, 718, 733, 735, 740, 741 Preußen, Friedrich III. von, Kaiser 32, 36, 44, 86, 87, 152, 185, 246, 248, 250, 270, 292, 301, 304, 305, 308, 309, 313, 314, 316, 318, 353, 379, 380, 391, 400, 415, 424, 467, 480, 488, 505, 506, 511, 551, 552, 573, 593, 608, 616, 620, 627, 632, 636, 637, 647, 649, 651, 657, 666, 671, 672, 685, 687, 709, 711 – 713, 728, 731 – 733, 740, 741, 744 Preußen, Friedrich II. von, König 97 Preußen, Friedrich I. von, König 283 Preußen, Friedrich Karl von, Prinz 78, 148, 149, 152, 154, 155, 158, 160, 181, 206, 218, 249, 250, 287, 288, 290, 308, 324, 334, 335, 338, 412, 415, 419, 425, 429, 509, 511, 525, 527, 576, 585, 591, 598, 608, 616, 620, 634, 636, 647, 649, 651, 665, 695, 696, 702, 710, 721, 734, 735, 740 Preußen, Friedrich Leopold von, Prinz 563, 643, 654 Preußen, Friedrich Wilhelm III. von, König 158, 165, 176, 183, 215, 218, 236, 349, 355, 379, 380, 402, 442, 445, 497, 509, 513, 516, 554, 645, 651, 673, 674, 699, 729, 732 Preußen, Friedrich Wilhelm I. von, König 212 Preußen, Friedrich Wilhelm IV. von, König 31 – 36, 38, 40, 43 – 46, 48 – 55, 58 – 62, 66 – 68, 70 – 72, 74, 76 – 85, 87 – 92, 94, 96 – 99, 101 – 105, 108, 109, 113, 115, 116, 119 – 121, 123 – 125, 127, 129, 130, 133 – 138, 141, 143, 146 – 148, 151, 153 – 155, 157, 159, 162 – 164, 166 – 169, 171 – 186, 188, 189, 191, 192, 194 – 197, 199, 200, 202, 204, 205, 208, 209, 213, 215, 220, 221, 223, 225, 227, 229 – 232, 235 – 237, 239 – 246, 248, 250, 251, 253 – 270, 272 – 274, 276 – 279, 281 – 283, 285, 287 – 295, 297 – 356, 358 – 373, 375 – 383, 385 – 393, 395 – 420, 422,
778 Personenregister 424 – 434, 436 – 446, 451, 454, 457, 458, 460, 462, 464, 470, 472, 480, 490, 498, 499, 501, 517, 520, 539, 547, 561, 563, 567, 577, 586, 608, 614, 638, 647, 656, 680, 699, 700, 706, 726, 728, 730, 731, 735, 742 Preußen, Friedrich Wilhelm Ludwig von, Prinz 138, 181, 186, 292, 310, 326, 406, 499, 608, 706 Preußen, Georg von, Prinz 38, 118, 292, 310, 421, 707 Preußen, Heinrich von, Prinz 616, 624, 627, 629 Preußen, Luise von, Königin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 158, 165, 380, 402, 420, 442, 445, 451, 470, 472, 488, 508, 509, 623, 673 Preußen, Luise von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt 104 Preußen, Maria Anna von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 40, 51 – 53, 154, 155, 158, 160, 181, 201, 204, 207, 211, 245, 248, 249, 281, 282, 287, 289, 290, 326, 331, 334, 335, 338, 342, 403, 412, 415, 423, 424, 471, 488, 509, 525, 526, 530, 556, 598, 603, 642, 643, 647, 648, 654, 690, 702, 737, 740 Preußen, Marianne von, Prinzessin, geb. Prinzessin der Niederlande 176, 179, 223, 226, 227, 400, 463, 511, 554, 555, 558, 562, 585, 604 Preußen, Marianne von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg 32, 34, 60, 228, 515, 554, 585, 727, 729, 731 Preußen, Marie von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg 673, 691, 702, 710, 713, 714, 736, 740, 741, 744 Preußen, Marie von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 43, 60, 76, 81, 101, 103, 140, 154, 155, 164, 171, 206, 207, 315, 317, 324, 338, 400, 411, 416, 467, 480, 483, 491, 499, 511, 518, 525, 526, 556, 566, 579, 585, 598, 601, 603, 615, 620, 642, 643, 646, 647, 690, 701, 705, 706, 710, 716, 718, 730, 733, 735, 740 – 742 Preußen, Sophie Charlotte von, Königin, geb.
Herzogin von Braunschweig und Lüneburg 116, 668 Preußen, Victoria von, Kaiserin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland 317, 319, 320, 324, 327, 337 – 339, 349, 353, 359, 380, 390, 392, 400, 415, 418, 423, 424, 444, 455, 467, 475, 477, 479, 480, 488, 508 – 511, 526, 568, 573, 580, 608, 616, 620, 632, 636, 637, 666, 672, 683, 694, 709, 729, 733, 740, 741 Preußen, Waldemar von, Prinz 727 Preußen, Wilhelm II. von, König und Kaiser 381, 390, 624, 627, 629 Preußen, Wilhelm I. von, König und Kaiser 36, 44, 48, 73, 76, 87, 109, 121, 132, 136, 137, 141, 155, 161, 162, 168, 172, 174, 176, 177, 183, 184, 202, 204, 227, 235, 241 – 244, 270, 278, 288, 308, 309, 311 – 313, 316 – 320, 322 – 326, 328, 331, 333, 336 – 338, 345, 351, 353, 358, 360, 363, 364, 376, 378, 379, 386, 388, 389, 391, 394, 413 – 416, 418 – 420, 428, 429, 432, 433, 441, 448, 449, 451, 453, 457, 459, 462, 466, 467, 477 – 481, 483, 485, 488, 490 – 497, 500, 502, 503, 505, 508, 510, 511, 514, 518, 520, 522, 525, 526, 529, 531 – 536, 541, 542, 544, 554, 555, 557, 558, 562, 563, 566, 568, 569, 571, 573, 574, 582, 588, 600, 601, 603 – 605, 608, 610 – 613, 615, 616, 621, 622, 636, 647, 653, 655, 665, 666, 668, 670, 673, 675, 678, 679, 683 – 688, 690, 692, 693, 701 – 703, 705, 708, 710 – 712, 718, 723 – 728, 730, 733, 735, 741, 743, 745, 746 Preußen, Wilhelm von, Prinz 41 – 43, 45, 60, 62, 554, 727, 729, 731 Prittwitz, Karl von 49, 50, 86, 125 Prittwitz und Gaffron, Luise von, geb. von Prittwitz 49 Prokesch, Anton, Freiherr von Osten 118 Pückler, Erdmann von, Graf 54, 667 Pückler, Friedrich von, Graf 97 Pückler, Friedrich Wilhelm von, Graf 667 Pückler, Hermann Erdmann Constantin von, Graf 604 Pückler, Louise Isabella von, geb. de Constant Rebecque 114
Personenregister
Pückler, Mathilde von, Gräfin, geb. Gräfin von Brandenburg 491, 667 Pückler-Muskau, Hermann von, Fürst 488 Pückler, Sylvius von 114 Putbus, Wilhelm Malte II. zu, Fürst und Herr 478, 546 Qadin, Hoshiyar 683 Radowitz, Joseph von 77 Radziwill, Anton, Prinz 611 Radziwill, Elisa, Fürstin 228 Radziwill, Luise, Fürstin, geb. Prinzessin von Preußen 228, 635 Radziwill, Mathilde, Fürstin, geb. Gräfin von Clary und Aldringen 77, 327 Radziwill, Mathilde, Prinzessin 327 Radziwill, Wilhelm, Fürst 77, 159, 419, 584, 586, 591, 635 Rances y Villanueva, Manuel 564 Ranke, Leopold 102 Rantzau, Carl von 41, 42, 44 Rantzau, Marianne von 89, 114, 178, 180, 212 Rantzau, Mathilde von, Gräfin 192 Rantzau, Wilhelmine von, Gräfin 192 Ratibor, Amelie von, Herzogin, Fürstin von Corvey, geb. Prinzessin zu Fürstenberg 131, 268 Ratibor, Viktor I. von, Herzog, Fürst von Corvey 131, 268 Rauch, Alfred Bonaventura von 44, 45, 47, 59, 260, 353, 384, 385, 416, 493, 531, 532, 604, 667, 683, 719, 721, 724 Rauch, Anna (Anni) von 504 Rauch, Christian Daniel 218 Rauch, Elisabeth von, geb. Gräfin von Brühl 44, 45, 47, 59, 119, 504, 617, 619, 634, 650, 667, 671 Rauch, Fedor von 275 Rauch, Friedrich Wilhelm von 115, 165, 274 Rauch, Laurette von, geb. Reichsgräfin von Moltke 292, 390, 532, 534 Rauch, Rosalie von 132 Raven, Eduard von 525, 527 Rechberg, Otto von, Graf 193 Rechberg, Walpurga von, Gräfin, geb. Gräfin von Rechberg 192
779
Rechteren, Adolph Johann Dirk van, Graf 497 Rechteren, Elise Martha van, Gräfin, geb. Gräfin von Limburg-Styrum 650 Rechteren, Johann Dirk van, Graf 497 Redern, Dorothea Sophia Bertha von, Gräfin, geb. Jenisch 519, 604 Redern, Heinrich Alexander von, Graf 486 Redern, Wilhelm von, Graf 117, 159, 519, 604 Reede, Wilhelmine van, Gräfin, geb. von Krusemark 32, 34 Reinhartshausen, Johann Wilhelm von 463 Reisach, Karl August von 362 Reitzenstein, Karl von, Freiherr 79, 381 Renard, Andreas Maria von, Graf 536 Renard, Johannes Maria von, Graf 536 Restorff, Antoinette von, geb. von Ciesielski 416 Restorff, Gustav von 416 Reumont, Alfred von 204, 341, 344, 346, 362, 371, 414, 416, 500, 531, 738 Reuß-Greiz, Heinrich XXII. von, Fürst 538, 616 Reuß-Köstritz, Anna von, Prinzessin 173, 309, 401, 404, 443, 445, 455, 469 Reuß-Köstritz, Anna von, Prinzessin, geb. Gräfin von Hochberg, Freiin zu Fürstenstein 350, 469, 508, 601 Reuß-Köstritz, Caroline von, Prinzessin, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode 90, 173, 244, 307, 351, 396, 401, 404, 443, 445, 466 – 469, 508, 576, 577, 601, 617, 637, 680, 691 Reuß-Köstritz, Charlotte von, Prinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 599 – 601, 603 – 605, 607, 652, 713, 733, 741 Reuß-Köstritz, Heinrich IV. von, Fürst 49, 271, 285 Reuß-Köstritz, Heinrich IX. von, Prinz 587 Reuß-Köstritz, Heinrich LXIII. von, Prinz 285 Reuß-Köstritz, Heinrich LXXIV. von, Prinz 285, 587 Reuß-Köstritz, Heinrich VII. von, Prinz 255, 271, 285, 486, 508, 541, 576, 577, 616, 672, 739
780 Personenregister Reuß-Köstritz, Heinrich XIII. von, Prinz 351, 353, 473, 520, 576, 607, 608, 616, 691 Reuß-Köstritz, Heinrich XII. von, Prinz 271, 350, 455, 468, 469, 508, 520, 575, 601 Reuß-Köstritz, Heinrich XVII. von, Prinz 481, 587, 607, 608, 635, 636 Reuß-Köstritz, Heinrich XV. von, Prinz 601, 617, 637 Reuß-Köstritz, Heinrich XXVIII. von, Prinz 469 Reuß-Köstritz, Luise Caroline von, Fürstin, geb. Prinzessin von Reuß-Greiz 275 Reuß-Köstritz, Luise von, Prinzessin 173, 307, 309, 401, 404, 467, 468 Ribeaupierre, Alexander Iwanowitsch von, Graf 112, 139, 217, 223 Richthofen, Emil von, Freiherr 530 Rochow, Anna von, geb. von Rochow 68, 179 Rochow, Caroline von, geb. von der Marwitz 290 Rochow, Mathilde von, geb. Gräfin von Wartensleben 129 Rochow, Theodor von 37, 76, 93, 94, 98, 105 – 107, 113, 115, 118, 119, 144, 166, 176, 178, 179, 181, 214 Roeder, Heinrich von 700 Roeder, Julius von 542 Roeder, Viktor von 635, 653 Roggenbach, Marie Karoline (Charlotte) von, Freiin 318 Rohrbeck, Frau von 415, 421, 724 Rommel, Theodor von 139 Roon, Albrecht von, Graf 711 Rose, Hugh 128 Rosenberg-Gruszczynski, Adolf von 595 Rossi, Henriette, Gräfin, geb. Sontag 75, 78, 193 Rössing, Rudolf Karl Wilhelm von, Freiherr 731, 732 Rossum, Johannes van 511 Rotenhan, Auguste von, Gräfin 549 Rubinstein, Anton Grigorjewitsch 106 Rudolphi, Karl Albert von 274 Rumänien, Karl I. von, König, geb. Prinz Karl Eitel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen 571 Ruspoli, Pauline Therese, geb. von Sicard 363
Russland, Alexander III. von, Kaiser 556, 573, 704, 714 Russland, Alexander II. von, Kaiser 94 – 96, 105, 112, 122, 135, 214, 215, 217, 220, 222, 225, 228 – 231, 234 – 236, 239, 241, 242, 246, 247, 249, 251, 254 – 256, 265, 270, 273, 297, 299, 302, 309, 353, 382, 386, 415, 528, 529, 535, 552, 553, 557, 598, 617, 626, 630, 634, 653, 671, 701 – 704, 707, 724, 728 Russland, Alexander I. von, Kaiser 99, 110, 548 Russland, Alexandra Fjodorowna von, Kaiserin, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen 35, 37, 38, 40, 41, 45, 47, 49 – 53, 59, 61 – 63, 65, 67, 68, 73, 75, 77 – 80, 82 – 89, 93 – 97, 99, 100, 102, 104, 106 – 111, 113 – 116, 119, 121 – 129, 131 – 134, 136, 137, 139, 140, 145 – 148, 152, 154 – 156, 158, 161, 165, 166, 168, 170, 174, 175, 178, 179, 181, 184, 186 – 188, 194, 195, 197, 201, 205, 206, 208, 210, 211, 213 – 242, 244 – 247, 251, 254 – 258, 260, 262, 264 – 268, 270, 272 – 276, 278, 279, 284 – 286, 289, 291 – 295, 297 – 301, 308, 309, 322, 324 – 326, 328 – 330, 340, 342, 343, 360, 361, 364, 369, 370, 373, 377, 379, 381 – 394, 396, 397, 400, 404, 408 – 411, 413, 415 – 426, 430 – 434, 438, 441, 451, 454, 480, 482, 493, 495, 508, 546, 562, 585, 610, 611, 621, 649, 673, 724, 730 Russland, Alexandra Iossifowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg 33 – 36, 40, 110 – 112, 123, 215, 225, 233 – 235, 242, 247, 272, 273, 275, 373, 410, 464, 493, 506, 509, 624, 626 – 628, 631 Russland, Alexandra Petrowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Alexandra von Oldenburg 240, 257, 258, 262 Russland, Alexei Alexandrowitsch von, Großfürst 556 Russland, Helena Pawlowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg 35, 36, 106, 111, 113, 123, 147, 148, 158, 237, 253, 274, 278, 291, 382, 410, 415, 417, 428, 601, 653, 711, 714, 716, 718
Personenregister
Russland, Katharina II. von, Kaiserin, geb. Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst 234 Russland, Konstantin Nikolajewitsch von, Großfürst 191, 215, 225, 234, 242, 247, 283, 291, 373, 493, 505, 506, 508, 509 Russland, Konstantin Pawlowitsch von, Großfürst 99, 548 Russland, Maria Fjodorowna von, Kaiserin, geb. Prinzessin Dagmar von Dänemark 552, 553, 573 Russland, Marija Alexandrowna von, Kaiserin, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt 40, 94, 96, 100, 110 – 112, 123, 124, 154, 166, 187, 215, 222, 228, 231, 232, 234, 235, 238, 239, 242, 246, 247, 255, 270, 273, 297, 302, 386, 392, 410, 423, 502, 506, 528, 529, 552, 553, 557, 600, 601, 674, 704, 705, 707 Russland, Marija Pawlowna von, Großfürstin, geb. Herzogin Marie zu MecklenburgSchwerin 183, 184, 195 – 197, 261, 449, 451, 470, 477, 516, 544, 547, 550, 560, 563, 580, 582, 587, 604, 607 – 609, 614, 632, 636, 664, 672, 675, 679, 680, 685 – 687, 689, 691, 697, 704, 705, 707, 708, 715, 716, 723, 726, 733, 734, 737 Russland, Michael Nikolajewitsch von, Großfürst 75, 81, 94, 99, 105, 112, 205, 206, 208, 215, 225, 229, 233, 234, 237, 241, 247, 284, 287, 289, 297, 301, 474, 683, 685 Russland, Michael Pawlowitsch von, Großfürst 548 Russland, Nikolaus Alexandrowitsch von, Großfürst 552, 553, 557, 671 Russland, Nikolaus I. von, Kaiser 36, 51 – 53, 63, 83, 85, 86, 94, 96 – 100, 104, 108 – 112, 114, 115, 122, 123, 125 – 128, 133, 134, 147, 149, 152, 153, 156, 158, 160, 163, 166, 168, 170, 174, 175, 179, 181, 186 – 188, 190, 192, 193, 195 – 197, 205, 212, 215, 217 – 220, 222 – 225, 228, 229, 231, 232, 234 – 239, 241, 242, 265, 340, 360, 423, 433, 548, 704 Russland, Nikolaus Nikolajewitsch von, Großfürst (Sohn) 289, 411 Russland, Nikolaus Nikolajewitsch von, Großfürst (Vater) 75, 81, 94, 97, 99, 105,
781
112, 205, 206, 208, 215, 225, 229, 232 – 234, 237, 239, 241, 244, 247, 254, 257, 262, 289, 410, 411, 413, 414, 502, 704 Russland, Olga Fjodorowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Cäcilie von Baden 289, 357, 373, 410, 474, 683, 685 Russland, Paul I. von, Kaiser 225, 226, 548 Russland, Pawel Alexandrowitsch von, Großfürst 552 Russland, Sergei Alexandrowitsch von, Großfürst 552 Russland, Wera Konstantinowna von, Großfürstin 163, 687 Russland, Wladimir Alexandrowitsch von, Großfürst 556, 633, 634, 704, 705 Sachsen, Albert von, König 105, 632, 637, 696, 698, 732, 736, 742 Sachsen-Altenburg, Agnes von, Herzogin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 37, 39, 51 – 53, 103, 133, 206, 268, 270 – 272, 451, 471, 530, 581, 672, 674, 691, 710, 712 Sachsen-Altenburg, Albert von, Prinz 530 Sachsen-Altenburg, Auguste von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen 510, 582 Sachsen-Altenburg, Eduard von, Prinz 54 Sachsen-Altenburg, Ernst I. von, Herzog 103, 136, 143, 262, 268, 270, 312, 566, 581, 586, 672, 710 Sachsen-Altenburg, Georg von, Herzog 49, 141, 143, 599 Sachsen-Altenburg, Helene von, Prinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 300, 301, 428, 718 Sachsen-Altenburg, Joseph von, Herzog 574, 581 Sachsen-Altenburg, Margarete von, Prinzessin 582 Sachsen-Altenburg, Marie von, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 35, 38, 49, 84 – 86, 143, 153, 165, 251, 253, 268, 271 – 273, 275, 302, 330, 366, 368, 404, 426, 459, 460, 466, 474, 476, 482, 484, 585, 592, 599 Sachsen-Altenburg, Marie von, Prinzessin, geb.
782 Personenregister Prinzessin von Preußen, verw. Prinzessin der Niederlande 249, 250, 282, 287, 334, 508, 509, 598, 634, 654, 696, 702, 718, 734, 735, 737, 740 Sachsen-Altenburg, Moritz von, Prinz 207 Sachsen-Altenburg, Therese von, Prinzessin 581, 582 Sachsen, Amalie Auguste von, Königin, geb. Prinzessin von Bayern 71, 72, 192, 216, 291, 323, 325, 349, 352, 369, 371, 374, 405, 446, 465, 467, 473, 474, 484 – 487, 511, 522, 532, 533, 538, 546, 565, 566, 573 – 575, 579, 580, 583, 587, 588, 615, 616, 632, 656, 679, 698, 708, 709, 711, 717, 720, 722, 723, 732, 734, 737 – 739, 741 – 743, 746 Sachsen, Carola von, Königin, geb. Prinzessin von Wasa 247, 250, 632, 656, 693, 695, 698, 736 Sachsen-Coburg-Koháry, Clementine von, Herzogin, geb. Prinzessin von Orléans 538 Sachsen-Coburg-Saalfeld-Koháry, Ferdinand II. von, Titularkönig von Portugal 696 Sachsen-Coburg und Gotha, Ernst II. von, Herzog 116, 271, 571 Sachsen-Coburg und Gotha, Ludwig von, Prinz, Infant von Portugal und Herzog von Porto 379 Sachsen, Friedrich August III. von, König 632, 732 Sachsen, Friedrich August II. von, König 131, 191, 192 Sachsen, Georg von, König 502, 632, 732 Sachsen, Johann Georg von, Prinz 632 Sachsen, Johann von, König 71, 467, 484, 485, 503 – 505, 529, 565, 577, 579, 583, 632, 656, 732 – 734, 736, 739, 742, 743 Sachsen, Maria Anna von, Königin, geb. Infantin von Portugal 459, 656, 732 Sachsen, Maria Anna von, Königin, geb. Prinzessin von Bayern 54, 62, 64, 191, 192, 195, 216, 349, 446, 484, 532, 533, 538, 553, 573, 575, 579, 580, 587, 588, 632, 656, 679, 695, 698, 709, 737 Sachsen, Marie Johanna von, Prinzessin 442 Sachsen, Mathilde von, Prinzessin 632 Sachsen-Meiningen, Bernhard III. von, Herzog 684, 745
Sachsen-Meiningen, Charlotte von, Erbprinzessin, geb. Prinzessin von Preußen 43, 45, 47, 48, 50, 60, 61, 66, 124, 146, 149, 159, 179, 187, 195, 199, 201, 204, 220, 221, 223, 227, 246, 250, 328, 423, 424, 463, 496 Sachsen-Meiningen, Feodora von, Herzogin, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg 511, 684, 685 Sachsen-Meiningen, Georg II. von, Herzog 48, 221, 342, 510, 534, 684, 685 Sachsen-Meiningen, Marie Elisabeth von, Prinzessin 684 Sachsen-Meiningen, Marie von, Herzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel 221, 510, 582, 585, 684 Sachsen, Sidonie von, Prinzessin 291, 465, 467 Sachsen, Sophie von, Prinzessin 474 Sachsen-Weimar-Eisenach, Anna von, Prinzessin 439 Sachsen-Weimar-Eisenach, Bernhard von, Herzog 433, 436 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Alexander von, Großherzog 61, 140, 270, 272, 388, 400, 413, 426, 451, 505, 594 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Friedrich von, Großherzog 32, 140, 141, 518 Sachsen-Weimar-Eisenach, Gustav von, Prinz 433, 436 Sachsen-Weimar-Eisenach, Karl August von, Erbgroßherzog 608, 702 Sachsen-Weimar-Eisenach, Maria von, Großherzogin, geb. Großfürstin Marija Pawlowna von Russland 84, 140, 150, 250, 391, 548 Sachsen-Weimar-Eisenach, Pauline von, Erbgroßherzogin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 710, 712, 714 Sachsen-Weimar-Eisenach, Sophie von, Großherzogin, geb. Prinzessin der Niederlande 61, 151, 272, 388, 390, 426, 451 Sagan, Dorothea von, Herzogin, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland 164, 480 Saldern-Ahlimb, Emma von 727 Salm-Horstmar, Eduard zu, Prinz 714
Personenregister
Salm-Horstmar, Sophie zu, Prinzessin, geb. Gräfin von Schimmelmann 714, 720 Saltykowa (Soltikoff ), Elizaveta Pawlowna, Gräfin, geb. Gräfin Stroganowa 96, 343 Sándor von Szlavnicza, Leontine von, Gräfin, geb. Prinzessin von Metternich-Winneburg 190 Sándor von Szlavnicza, Móric, Graf 190 Sándor von Szlavnicza, Pauline, Gräfin 190 Sardinien-Piemont, Viktor Emanuel II. von, König 276, 430 Sasse, Paul Heinrich Theodor 361, 412 Sauerma-Ruppersdorf, Anna von, Gräfin 290 Savoyen-Carignan, Elisabeth von, Prinzessin, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen 275, 276, 583, 605, 607, 610, 709 Savoyen-Carignan, Thomas von, Prinz, Herzog von Genua 583 Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Wilhelm zu, Graf 46, 47 Sayn-Wittgenstein-Sayn, Leonilla zu, Fürstin, geb. Leonilla Iwanowna Barjatinskaja 362, 707 Sayn-Wittgenstein-Sayn, Ludwig Adolf Friedrich zu, Fürst 362 Scanzoni, Friedrich Wilhelm 351, 353 Schack, Bertha von 158 Schack, Hans Wilhelm von 115, 119 Schaer, Karl 639 Schaer, Therese 639 Schaffgotsch, Hans-Ulrich, Graf, genannt Semperfrei von und zu Kynast und Greiffenstein, Freiherr zu Trachenberg 476, 679 Schaffgotsch, Johanna, Gräfin, genannt Semperfrei von und zu Kynast und Greiffenstein, Freifrau zu Trachenberg, geb. Gryczik von Schomberg-Godulla 476 Scharnhorst, Sophie von, Freiin 143, 180, 425, 426 Schaumburg-Lippe, Adolf I. Georg zu, Fürst 624 Schaumburg-Lippe, Bathildis zu, Prinzessin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 287 Schaumburg-Lippe, Georg zu, Fürst 608 Schaumburg-Lippe, Ida Karoline Luise zu, Fürstin, geb. Prinzessin von Waldeck-Pyrmont 601
783
Schaumburg-Lippe, Viktoria zu, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen 569 Schenck, Luise von, geb. von Luck 310 Scheremetew, Dmitri Nikolajewitsch, Graf 126 Scherer-Scherburg, Maria Anna von, geb. Gräfin von Kanitz 474 Schilden, Friedrich Anton von, Freiherr 67 Schimmelmann, Adelaide von, Gräfin 720 Schlegel, Wolf Benno Ludwig von 131 Schleinitz, Alexander von, Freiherr 390, 394, 604 Schleinitz, Marie (Mimi) von, Freifrau, geb. von Buch 604 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Adelheid von, Erbprinzessin, Herzogin von Schleswig-Holstein, geb. Prinzessin von Hohenlohe-Lauenburg 535 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Christian August von, Herzog 513, 535 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Friedrich von, Erbprinz, Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein 513, 517, 534, 535 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Luise Sophie von, Herzogin, geb. Gräfin von Danneskjold-Samsöe 513, 515 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Woldemar von, Prinz 384, 586 Schlieben, Agnes von, geb. von Erxleben 86, 87 Schlieben, Georg von, Graf 87 Schlieffen, Amélie von, Gräfin, geb. Gräfin von der Gröben 591 Schlieffen, Katharina von, Gräfin, geb. Katharina Petrowna Schuwalowa 164 Schlieffen, Sophie von, Gräfin, geb. von Jagow 682 Schlieffen, Wilhelm von, Graf 335, 682 Schlik zu Bassano und Weißkirchen, Franz, Graf 383 Schlotheim, Ludwig von, Freiherr 724 Schmalz, Heinrich Gottlieb 66 Schmerling, Anton von 507 Schneider, Louis 98 Schoeler, Friedrich Ludwig von 56, 288 Schoenaich-Carolath, Johanne (Jenny) zu,
784 Personenregister Prinzessin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 81, 275, 595 Schönburg-Glauchau, Gabriele von, Gräfin, geb. Prinzessin von Windisch-Graetz 92 Schönburg-Hartenstein, Aloysia Eleonore von, Fürstin, geb. Prinzessin von Schwarzenberg 138, 143, 144, 426, 427 Schönermarck, Blanka von, geb. von Rauch, verw. Freiin von Spiegel von und zu Peckelsheim 105, 114, 119, 159, 627, 683, 684, 687 Schöning, Eduard 361 Schöning, Elisabeth Ernestine von, geb. Freiin von Maltzahn 185 Schöning, Georg von 185 Schöning, Karl von 635 Schöning, Marie (Mary) von 39, 73, 110, 185, 200, 318, 343, 349, 368, 372, 407, 427, 540, 547, 606, 635, 641 Schönlein, Johann Lukas 60, 180, 205, 290, 345 Schrader, Friedrich 625, 630, 637, 647 Schreeb, Helmuth von 357 Schröder, Johann Heinrich 488 Schubert, Georgine 719, 721, 722 Schuckmann, Marie von, Freiin 181, 223, 342, 346, 455, 459, 510, 515, 566, 638, 656, 713, 727, 742 Schulenburg, Anna von der 501 Schulenburg-Burgscheidungen, Luise von der, Gräfin, geb. Gräfin von Wallwitz 604, 620 Schulenburg, Eduard von der, Graf 42 Schulenburg, Gustav von der 98, 501 Schulenburg, Julius von der 664 Schulenburg, Marie (Mary) von der, Gräfin, geb. Freiin von Maltzahn 540 Schulenburg, Marie von der, geb. Freiin von Maltzahn 501 Schulenburg, Richard von der 501 Schulenburg, Werner von der 501 Schulenburg, Werner von der, Graf 540 Schulenburg-Wolfsburg, Heinrich Günther von der, Graf 713 Schuwalowa, Maria Sergejewna, geb. Gagarina 188 Schuwalow, Andrei Pawlowitsch, Graf 232, 684 Schuwalow, Peter Grigorjewitsch 112, 188
Schwarzburg-Rudolstadt, Adolf von, Prinz 498, 590, 594, 598, 659, 662 Schwarzburg-Rudolstadt, Albert von, Fürst 593, 618 Schwarzburg-Rudolstadt, Auguste von, Prinzessin, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels 400 Schwarzburg-Rudolstadt, Friedrich Günther von, Fürst 619 Schwarzburg-Rudolstadt, Georg von, Fürst 594, 619, 675, 679, 706 Schwarzburg-Rudolstadt, Günther von, Prinz 636 Schwarzburg-Rudolstadt, Karoline von, Fürstin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg 151 Schwarzburg-Rudolstadt, Luise Ulrike von, Prinzessin, geb. Prinzessin von HessenHomburg 195 Schwarzburg-Rudolstadt, Luise von, Prinzessin 590 Schwarzburg-Rudolstadt, Mathilde von, Prinzessin, geb. Prinzessin von SchönburgWaldenburg 498, 594, 598, 613, 614, 659, 662, 680, 736, 739, 741 Schwarzburg-Sondershausen, Elisabeth von, Prinzessin 594 Schwarzburg-Sondershausen, Marie von, Fürstin, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg 529 Schwarzenberg, Felix zu, Fürst 71, 77 Schwarzenberg, Friedrich Karl zu, Fürst 186 Schwarzenberg, Karl Philipp zu, Fürst 186 Schweden, Amalie von, Prinzessin 123, 143, 145, 147, 155, 157, 159, 161, 357 Schweden und Norwegen, August von, Prinz, Herzog von Dalekarlien 720, 721 Schweden und Norwegen, Carl Oscar von, Prinz, Herzog von Södermanland 140, 171, 172 Schweden und Norwegen, Eugénie von, Prinzessin 96, 103, 581, 707 Schweden und Norwegen, Gustav von, Prinz, Herzog von Uppland 88, 89, 103 Schweden und Norwegen, Josephine von, Königin, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 54, 55, 89, 103, 581, 615, 670, 673, 707, 720, 721
Personenregister
Schweden und Norwegen, Karl XV. von, König 76, 420, 669 – 671, 673, 690, 691, 707 Schweden und Norwegen, Luise von, Königin, geb. Prinzessin der Niederlande 34, 36, 76, 79, 140, 171, 172, 387, 391, 418, 420, 577, 581, 584, 596, 615, 626, 659 – 662, 669 – 671, 673 Schweden und Norwegen, Oskar II. von, König 581, 611 Schweden und Norwegen, Oskar I. von, König 96, 103 Schweden und Norwegen, Sophia von, Königin, geb. Prinzessin von Nassau 581, 669 Schweden und Norwegen, Viktoria von, Königin, geb. Prinzessin von Baden 608 Schweinitz, Hans Lothar von 687 Schwerin, Maximilian von, Graf 548 Seckendorff, Gertrud von, Gräfin 642 Seckendorff-Gudent, Veit Gerald von, Freiherr 610 Seebach, Fräulein von 179 Sell, Adolf von, Freiherr 41, 42, 150, 270, 358, 469, 519 Sell, Charlotte von, Freifrau, geb. Edle von Hochstetter 150 Sello, Hermann 597 Severin, Dimitri Petrowitsch 125, 546 Seydewitz, Helene von 207 Seydewitz, Ida von 488 Seydewitz, Josephine von, Gräfin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 286 Sizilien, Marie beider, Königin, geb. Prinzessin in Bayern 450, 493 Smirnowa, Alexandra Ossipowna, geb. Rosset 231, 392 Snethlage, Karl Wilhelm Moritz 61, 124, 176, 328, 369, 406, 440, 526 Solms-Baruth, Friedrich zu, Graf 177 Solms-Braunfels, Alexander zu, Prinz 52, 55, 400 Solms-Braunfels, Bernhard zu, Prinz 217 Spanien, Isabella II. von, Königin 599 Spiegel von und zu Peckelsheim, Adolf von, Freiherr 105 Spiegel von und zu Peckelsheim, Alexandrine von, Freiin 105
785
Spiegel von und zu Peckelsheim, Roderich von, Freiherr 105 Stadion, Gisela von, Gräfin, geb. Gräfin Hadik-Futak 142 Stadion, Rudolf von, Graf 142 Stahl 599, 613, 689 – 691 Steinbeck, Johann Samuel Georg 653 Stein, Elisabeth von, geb. von der Lühe 596 Stein, Heinrich von 595 Stenglin, Adolf von, Freiherr 512 Stenglin, Otto Henning von, Freiherr 89, 110, 125, 126, 414, 512, 527, 641 Stiehle, Gustav von 609, 610 Stillfried-Rattonitz, Rudolf von, Freiherr, Graf von Alcantra 329, 333, 604 Stockhausen, August von 72 Stojentin, Elisabeth von, geb. Gräfin von Keller 667 Stojentin, Oscar von 667 Stolberg-Stolberg, Alfred zu, Graf 736 Stolberg-Stolberg, Auguste zu, Gräfin, geb. Prinzessin zu Waldeck-Pyrmont 736 Stolberg-Stolberg, Luise zu, Gräfin, geb. Gräfin zu Stolberg-Stolberg 736 Stolberg-Wernigerode, Anna zu, Gräfin 178 Stolberg-Wernigerode, Anna zu, Gräfin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 498, 508, 518, 607 – 609, 617 Stolberg-Wernigerode, Anton zu, Graf 45, 97 – 99, 103, 109, 155, 162, 165, 178 Stolberg-Wernigerode, Bertha zu, Gräfin 167, 457 Stolberg-Wernigerode, Christian Ernst zu, Graf 607 Stolberg-Wernigerode, Eberhard zu, Graf 270, 607, 608, 703, 734 Stolberg-Wernigerode, Elisabeth zu, Gräfin 607 Stolberg-Wernigerode, Henrich zu, Graf 162 Stolberg-Wernigerode, Luise zu, Gräfin, geb. Freiin von der Recke 163, 167, 703 Stolberg-Wernigerode, Marie zu, Gräfin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 167, 271, 287, 307, 310, 401, 466, 576, 577, 607 – 609, 703, 715, 734, 737 Stolberg-Wernigerode, Otto zu, Graf 518, 607 – 609 Stolberg-Wernigerode, Theodor zu, Graf 635
786 Personenregister Stosch, August Wilhelm von 181 Strantz, Feodor von 576, 578 – 580, 586, 688, 689 Strauß, Friedrich 117, 124, 308, 337 Strauß, Friedrich Adolf 653 Stroganow, Alexander Grigorjewitsch, Graf 217 Stroganowa, Natalia Alexandrowna, Gräfin 217 Stroganowa, Natalia Viktorowna, Gräfin, geb. Kochubey 231 Stroganow, Gregori Alexandrowitsch, Graf 368, 423 Stroganow, Gregori Grigorjewitsch, Graf 368 Stubberg, Otto von 609 Stüler, August 341, 346, 362 Suckow, Alexandrine von, geb. Freiin von Maltzahn 79, 95 Széchényi, Krescenzia, Gräfin, geb. Gräfin von Seilern und Aspang 427 Taglioni, Marie 231 Taglioni, Marie, die Jüngere 71 Talleyrand-Périgord, Anna de, Baronin, geb. von Könneritz 481 Talleyrand-Périgord, Charles de, Baron 481 Talleyrand-Périgord, Dorothée de 611 Talleyrand-Périgord, Marie Pauline Yolande de 611 Talleyrand-Périgord, Valentine de 611 Tann-Rathsamhausen, Ludwig von der 657 Teck, Mary Adelaide von, Herzogin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinzessin von Cambridge 63 – 65, 494 Temple, Henry John, Viscount Palmerston 68 Thielau, Luise von, geb. von Jagow 87 Thiers, Adolphe 65, 673 Thiesenhausen, Katharina von 139 Thümen, Marie von 138 Thümen, Wilhelm von 138 Thun, Mathilde von, Gräfin, geb. von Senden 56 Thun und Hohenstein, Friedrich von, Graf 92 Thun und Hohenstein, Leopoldine von, Gräfin, geb. Gräfin von Lamberg, Freiin von Stein und Guttenberg 92
Thurn und Taxis, Amalie von, Prinzessin 532, 533 Thurn und Taxis, Egon Maximilian von, Prinz 420 Thurn und Taxis, Elisabeth von, Prinzessin 453 Thurn und Taxis, Emerich von, Fürst 92 Thurn und Taxis, Helene (Néné) von, Erbprinzessin, geb. Prinzessin in Bayern 348, 453, 549 Thurn und Taxis, Louise von, Prinzessin 453 Thurn und Taxis, Marie von, Prinzessin 532, 533 Thurn und Taxis, Mathilde Sophie von, Fürstin, geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg 532, 533, 559, 674, 725 Thurn und Taxis, Maximilian Anton von, Erbprinz 453 Thurn und Taxis, Maximilian Karl von, Fürst 217, 420, 532, 533, 674 Tiesenhausen, Katharina von 309, 724 Tolstoi, Iwan Matwejewitsch, Graf 214 Toskana, Anna Maria von, Großherzogin, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen 247, 359 Toskana, Ferdinand IV. von, Großherzog, Erzherzog von Österreich 362, 698 Toskana, Leopold II. von, Großherzog, Erzherzog von Österreich 213, 359 Toskana, Maria Antonia von, Großherzogin, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien 200, 201, 359 Toskana, Maria Antonia von, Prinzessin, Erzherzogin von Österreich 698 Toskana, Maria von, Großherzogin, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen 130, 200, 201 Tresckow, Hermann von 304 – 307, 310, 312, 313, 321 – 323, 325, 329, 343, 345, 353, 364, 419, 474, 505, 506, 508, 509, 524, 531, 532, 611, 667, 737 Tröltsch, Anton Friedrich von, Freiherr 530 Trubezkaja, Marie, Fürstin, geb. Gräfin Gilbert de Voisins 231 Trubezkaja, Sofia Nikolajewna, Fürstin, geb. Smirnowa 231
Personenregister
Trubezkoi, Alexander Wassiljewitsch, Fürst 231 Trubezkoi, Andrei Wassiljewitsch, Fürst 231 Tschernyschowa (Czernicheff ), Marija Wladimirowna, Fürstin, geb. Titowa 392 Tulinowa, Jelisaweta Wassiljewna 214 Tümpling, Adam von 471 Ugarte, Elisabeth Karoline Luise von, Gräfin, geb. von Rochow 214, 455 Uhden, Alexander 381, 406 Urbino, Raffael da 203 Usedom, Guido von 351 Ustinowa, Sofja, Alexandrowna, geb. Polyanskaja 100 Üxküll-Gyllenband, Alfred von, Graf 626 Üxküll-Gyllenband, Valerie von, Gräfin, geb. Gräfin Hohenthal 620, 626 Valencay und Sagan, Pauline von, Herzogin, geb. de Castellane 611 Varnhagen von Ense, Karl August 412 Veiel, Albert 130 Viardot-García, Pauline, geb. García 120 Viereck, Henriette von, Gräfin 158, 381 Vietinghoff, Alexandrine von 165 Vietinghoff, Marie von, geb. von Moltke 165 Vincke, Georg von, Freiherr 380 Volnys, Léontine, geb. Fay 147 Voß, Benedicta von, Gräfin 571 Voß, Felix von, Graf 571 Voß, Luise von, Gräfin, geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck 571 Voß, Luise von, Gräfin, geb. von Berg 44, 324, 335, 387 Wadzeck, Friedrich Franz Daniel 597 Waldeck-Pyrmont, Helene zu, Fürstin, geb. Prinzessin von Nassau 149 Waldersee, Franz von, Graf (Enkel) 651 Waldersee, Franz von, Graf (Großvater) 651 Waldersee, Georg von, Graf (Sohn) 651 Waldersee, Georg von, Graf (Vater) 651, 655 Waldersee, Laura von, Gräfin, geb. von Knoblauch 651 Wallmoden-Gimborn, Ludwig von, Graf 427 Wangenheim, Alexander von 72
787
Warburg, Emilie von, geb. Freiin von der Goltz 488 Wartenberg, Karl Gustav Günther von 692 Wartensleben, Charlotte Dorothea Caroline von, Gräfin, geb. Moers 68 Wasa, Gustav von, Prinz 145, 147, 157, 161, 197, 253, 297, 329, 481, 485, 504, 535, 656, 657, 693, 695 Wautier, de 650 Wedell, Heinrich von 225 Weiß, Dr. 306, 326, 381, 390, 395 Weltzien, Julius von 610 Werder, Bernhard von 310, 353, 409, 416, 436, 452, 453, 617, 653, 698, 728 Werder, Franz Karl von 269, 524 Werner, Carl Friedrich Heinrich 277 Werther, Karl von 224, 331, 381, 626 Werther, Mathilde Sophie Adelheid von, geb. Lobo da Silveira, Gräfin von Oriola 626 Werthern, Georg von, Graf 679 Werthern, Gertrud, von, Gräfin, geb. von Bülow 679 Westarp, Adolf von, Graf 512 Westarp, Elisabeth von, Gräfin, geb. Grimm 512, 648 Westarp, Frieda von, Gräfin 512 Westarp, Georg von, Graf 512 Westerholt-Gysenberg, Sofie von und zu, Gräfin, geb. Freiin von Fürstenberg-Herdringen 406 Westphalen, Ferdinand von 475 Weymarn, Alexander von 320 Wichern, Johann Hinrich 314 Wickede, Karoline (Lilla) von, geb. Freiin von Brandenstein 689 Wied, Friedrich zu, Fürst 697, 716, 718 Wied, Marie zu, Fürstin, geb. Prinzessin der Niederlande 139, 239, 312, 316, 319, 330, 355, 376, 379, 383, 388, 402, 403, 417, 435, 439, 478, 497, 545, 597, 600, 611, 612, 615, 618, 621 – 626, 630 – 632, 634, 636, 640 – 643, 646, 648, 649, 652, 653, 657 – 659, 661, 662, 664, 665, 669 – 671, 673, 675 – 679, 681, 688 – 691, 697, 698, 710, 716, 718, 719, 743 Wied, Marie zu, Fürstin, geb. Prinzessin von Nassau 678, 698
788 Personenregister Wied, Wilhelm zu, Fürst 608, 620, 624, 626, 632, 634, 661, 673, 675, 678 Wielhorski-Matjuschkin, Michail Michailowitsch, Graf 257 Wilhelmj, August 606 Wilkens-Hohenau, Georgine von, Freifrau, geb. von Bergh 179, 638 Willisen, Friedrich Adolf von, Freiherr 376, 378, 487 Winckelmann, F. 430 Windisch-Graetz, Alexandrine von, Prinzessin 39, 56, 57, 78, 79, 91, 199, 200, 202, 203, 208, 257, 279, 377, 584, 591, 721 Windisch-Graetz, Alfred I. von, Fürst 92, 385 Windisch-Graetz, August von, Prinz 386 Windisch-Graetz, Ernst von, Prinz 616, 721 Windisch-Graetz, Hugo von, Fürst (Sohn) 198, 201 – 203, 257, 279, 417 Windisch-Graetz, Hugo von, Fürst (Vater) 55, 58, 59, 63, 67, 70, 73, 76, 78, 79, 81, 90, 92, 103, 105, 109, 127, 183, 199 – 201, 203, 204, 209, 241, 257, 365 – 368, 370 – 372, 374, 375, 377, 380, 388, 390, 394, 396, 398, 408, 417, 429, 430, 560, 562, 563, 582 – 585, 587 – 589, 591, 592, 613, 674, 721 Windisch-Graetz, Karl von, Erbprinz 388 Windisch-Graetz, Luise von, Prinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 31, 33, 37 – 39, 44, 45, 48, 49, 55, 56, 58, 59, 61 – 64, 67, 70, 73, 76, 78 – 82, 84, 85, 89, 90, 92, 96, 103, 105, 109, 125 – 128, 137, 139, 142, 146, 153, 188, 194, 198 – 204, 206 – 209, 212, 241, 245, 251, 254, 257 – 260, 262, 263, 278, 279, 298, 299, 318, 344 – 347, 349, 365 – 368, 370 – 373, 375 – 377, 379, 380, 398, 407, 409, 451, 453, 482, 555, 584, 679, 721 Windisch-Graetz, Maria Hedwig (Wixa) von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Lobkowitz 92 Windisch-Graetz, Marie Eleonore von, Fürstin, geb. Prinzessin von Lobkowitz 63, 583, 584 Windisch-Graetz, Marie von, Prinzessin 463 Windisch-Graetz, Mathilde von, Fürstin, geb. Prinzessin Radziwill 582, 583, 586, 591, 613, 674, 721
Windisch-Graetz, Weriand von, Fürst 44, 63, 583, 586, 587 Witzleben, Auguste von, geb. von Splittgerber 140 Witzleben, Job von 140 Wolkonskaja, Maria Nikolajewna, Fürstin, geb. Fürstin Rajewskaja 100 Wolkonski, Michail Sergejewitsch, Fürst 100 Wolkonski, Sergei Grigorjewitsch, Fürst 99 Wolzogen, Alfred von 606 Woronzowa, Jelisaweta Xawerjewna, Fürstin, geb. Branizkaja 227 Woronzowa, Maria Wassiljewna, Fürstin, geb. Trubezkaja, verw. Stolypina 231 Wrangel, Friedrich von, Graf 306, 604 Württemberg, August von, Prinz 33, 117, 166, 283, 288, 290, 291, 305, 320, 503, 578, 718, 731 Württemberg, Henriette von, Herzogin, geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg 281, 283 Württemberg, Karl von, König 225, 226, 233, 234, 353, 384, 385, 389, 421, 531, 687, 690, 691 Württemberg, Katharina von, Herzogin, geb. Großfürstin Katharina Pawlowna von Russland 548 Württemberg, Maria Theresia von, Herzogin, geb. Erzherzogin von Österreich-Teschen 523 Württemberg, Olga von, Königin, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland 59, 104, 130, 148, 156, 175, 178, 215, 218, 222, 225, 226, 228, 233 – 236, 238, 276, 281, 289, 291, 298, 353, 384 – 390, 415, 433, 444, 447, 451, 531, 637, 687, 688 Württemberg, Pauline von, Königin, geb. Prinzessin von Württemberg 718, 719 Württemberg, Théodelinde von, Gräfin, Herzogin von Urach, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 54, 144, 293 Württemberg, Wilhelm I. von, König 59, 130, 521, 531 Württemberg, Wilhelm von, Graf, Herzog von Urach 293 Yrsch, Christian von 664
Personenregister
Zaluskowski, Conrad von 651 Zedlitz und Neukirch, Constantin von 313 Zierlein, W. 129 Zieten, Amalie von, Gräfin, geb. von der Schulenburg 68 Zieten, Marie von, Gräfin 68 Zollikofer, Nanny von, geb. von Meyerinck 54
789
Zollikofer, Wilhelm Ludwig von 54 Zöllner, Carl 74, 243 Zöllner, Julie, geb. Thym 74 Zoubkoff, Viktoria, geb. Prinzessin von Preußen, verw. Prinzessin von SchaumburgLippe 670 Zwingenberg, F. W. 708
Ortsregister Aachen 738 Acapulco de Juárez 327 Aichen 452 Albano 368 Albertirsa 81, 82, 85 Albrechtsberg 227, 275 Alexandropol 235 Algier 293 Alsen 531, 532, 542 Altenburg 54, 55, 165, 178, 272, 273, 330, 366, 374, 404, 460, 498, 517, 518, 523, 529, 530, 532, 565, 566, 570, 581, 599, 674, 712, 713 Altensee 474 Altenstein 187 Altona 737 Amsterdam 716, 718 Ancona 373, 374 Antibes 291 Apolda 141 Arcachon 562 Arnheim 641, 676 Assuan 683 Athen 689 – 691 Auerbach 570 Augsburg 272, 348, 355, 374 Babelsberg 403, 424, 449, 559, 597, 608, 609, 704, 728, 730 Baden-Baden 55, 140, 291, 351, 353, 355 – 357, 389, 393, 421, 424, 449, 468, 480, 503, 505, 511, 580, 616, 733 Bad Gleichen 469 Bad Nendorf 476 Bagnères-de-Bigorre 545 Barchfeld 212 Basel 700 Beaurivage 707 Belaggio 705 Berchtesgaden 425, 426, 450, 477, 560, 582, 584, 673, 733, 734, 737 Berlin 32 – 37, 39, 40, 46, 49, 51 – 53, 61, 62, 66 – 68, 70 – 76, 82 – 84, 87 – 92, 98, 99, 105, 106, 108, 109, 112, 113, 120, 122,
124 – 128, 132 – 136, 138, 141, 144 – 147, 149, 157 – 162, 168 – 174, 185, 194, 196, 198, 201, 202, 204, 213, 214, 216, 226, 227, 231, 236, 240 – 243, 245, 253, 254, 256 – 258, 260 – 262, 265, 270, 274, 276, 279, 281, 283 – 285, 289, 300, 302, 309, 316, 317, 319, 322, 329, 333, 335, 338, 342, 344 – 348, 350, 352, 358, 359, 363, 364, 373 – 376, 378, 381 – 383, 387, 399, 400, 402, 403, 408 – 410, 413, 416, 417, 419, 423, 424, 426, 430 – 433, 436, 441, 444, 448, 454, 456, 461, 462, 464, 466, 467, 469, 474, 476, 478, 480, 481, 491, 496, 497, 499, 504, 511, 513, 518, 520, 523 – 525, 527, 529, 532, 534 – 536, 538, 540, 542, 543, 545, 546, 548 – 550, 554, 556, 562, 563, 565, 567, 571, 573 – 575, 577, 580, 589, 591, 594, 598, 600, 602, 606, 607, 612, 620, 626, 630, 633, 639, 647, 656, 659, 662, 665, 668, 670 – 674, 678, 683, 685, 687, 689 – 692, 703, 704, 706, 710, 712, 714, 717, 719, 721, 729, 734, 736, 737, 742, 743 Bern 393, 597 Biebrich 385, 388, 504 Bodenbach 90, 92 Boizenburg 515 Bonn 275, 688, 691, 715, 738 Bordeaux 666 Brandenburg 228, 483, 535, 541, 557, 653 Braunschweig 355, 381 Bremen 78 Breslau 53, 79, 80, 263, 271, 274, 289, 292, 400 Bromberg 269 Bruck 241 Brühl 250 Brüssel 309, 450, 486 Büchen 553 Buda 297 Buenos Aires 327 Bunzlau 194 Cannabrenez 411
Ortsregister
Cannes 616, 618 – 620, 628, 631, 634, 637, 640 – 642, 644, 647, 665, 678, 688 Cannstatt 130 Caputh 597 Châlons 453 Charlottenburg 39, 40, 50 – 52, 60, 64, 70, 76, 78, 80, 83 – 85, 89, 90, 104, 116, 123, 141, 145, 151, 159, 160, 167, 169, 172, 175, 192, 200, 201, 211, 224, 235, 236, 258, 261, 272, 279, 283, 289, 292, 295, 297, 303, 309, 319, 336, 337, 352, 378, 380, 387, 415 – 420, 437, 461, 462, 464, 465, 468, 470, 485, 486, 488, 494, 497, 498, 514, 516, 522, 524, 527, 529, 542, 548, 563, 570, 577, 580, 589, 591, 602, 605, 620, 633, 658, 659, 661, 681, 689, 692, 723, 727, 729, 731, 732 Christiania 478 Como 39, 345 Cuxhaven 535 Damaskus 691 Danzig 288, 290 Darmstadt 96, 103, 206, 211, 213, 297, 472, 504, 512, 514, 518 – 520, 524, 552, 553, 557, 560, 568, 580, 582 Delft 661, 677 Dessau 40, 50, 158, 160, 181, 183, 334, 338, 471, 598, 690, 737 Deutz 384 Dirschau 243 Doberan 35, 48, 57, 58, 83, 86, 141, 142, 144, 146, 192 – 194, 238, 243, 246, 247, 268, 271, 300, 301, 342, 347, 389, 395 – 398, 417, 426, 427, 450 – 452, 455, 475, 476, 478, 479, 534, 536, 574, 583, 584, 588, 596, 613 – 615, 633, 678 – 680, 682, 697, 734, 735 Domanice 77 Dönhoffstädt 269 Dresden 39, 44, 58, 66, 80, 90, 105, 116, 118, 124, 126, 130, 131, 134, 137, 139, 141, 142, 144, 145, 179, 183, 192, 193, 195, 216, 230, 264, 271, 274, 275, 293, 295, 297, 352, 373, 374, 442, 445, 447, 454, 466, 468, 481, 483, 485, 498 – 500, 511, 532, 538, 546, 550, 566, 573, 574, 576, 579, 580, 582, 583, 587, 588, 616,
791
618, 633, 650, 652, 655, 672, 689, 695, 709, 720, 722, 737, 739, 741, 743 Dreux 666 Drewitz 101 Dünaburg 94, 224 Düppel 521 – 524, 526, 527 Durlach 421 Düsseldorf 58, 329, 371 Eger 698 Eisenach 151, 336, 423, 507 Elisabethgrad 154 Ems 370, 379, 382 – 389, 392, 397, 399, 415, 417, 419, 420, 422, 427, 514, 609, 612, 697, 701, 730 Erdmannsdorf 239, 242, 243, 400, 429, 702 Erfurt 391, 531, 535, 541 Eutin 253, 586 Ferrara 213 Fiesole 203 Fischbach 39, 429, 601 Florenz 92, 105, 109, 114, 124, 126 – 129, 142, 186, 194, 198, 199, 201, 204 – 206, 209, 212, 213, 257, 359, 360, 362, 365, 416, 606, 620, 711, 721 Frankfurt 118, 144, 193, 332, 355, 357, 389, 502 – 505, 510, 514, 524, 693, 733 Franzensbad 698 Franzensbrunnen 674, 678 Fredericia 521, 522, 527 Fredersdorf 129 Freiburg 318 Freienwalde 562 Friedrichshafen 374 Friedrichsmoor 149, 270, 271, 429, 479, 481, 538, 576, 585, 616 Friedrichstein 423 Friedrichsthal 157 Gastein 503, 532, 535, 730 Gattschina 63, 133, 134, 206, 724, 725 Geldern 510 Geltow 597 Gemünden 536 Genf 269, 270, 291, 415, 417, 539, 706, 736 Gentin 535 Genua 274, 344, 365
792 Ortsregister Gernsbach 356 Gießbach 702, 703 Gießen 570 Gleiwitz 284 Glienicke 511, 598, 696, 733 Gotha 339, 531 Göttingen 297 Grabow 243, 613 Grafenberg 685 Granada 277 Granica 51 Gravenstein 524 Graz 374, 469 Großbeeren 378, 743 Groß Warnow 136 Gumbinnen 265 Guntershausen 597 Güstrow 64, 616 Haag 59, 76, 254, 305, 379, 391, 402, 439, 446, 492, 540, 563, 597, 621, 624, 628, 630, 631, 641, 643, 652, 660, 662, 664, 671, 673, 675, 676, 689, 716, 719 Haasberg 587, 589 Hagenow 344, 515, 521, 525, 569 Hallstatt 425 Hamburg 75, 78, 268, 270, 297, 415, 478, 511, 530, 585, 615, 634, 647, 701 Hannover 44, 54, 162, 167, 185, 202, 207, 283, 309, 371, 436, 560, 572, 585, 616, 688, 737, 744 Harzburg 505 Havanna 327 Heidelberg 140, 355, 357, 504, 597 Heiligendamm 396, 397, 534, 537, 733 Het Loo 43 Himberg 241 Hof 189 Hohenzieritz 193, 300 Homburg 195, 389, 417, 507, 568, 570, 642 Hummelshain 141, 593 Innsbruck 455, 734 Interlaken 389, 390, 393, 394, 596 – 598, 632, 697, 699, 706 Ischl 54, 58, 85, 86, 143 – 145, 190, 191, 194, 195, 423, 425, 454, 455, 469, 530, 535 – 537, 560
Ivenack 59, 79, 144, 462, 564 Jänkendorf 285 Jasnitz 136 Jászberény 82 Jerusalem 688 Kairo 469, 683, 685, 687 Kalmar 495 Kaltenbrunn 501 Kamenny Ostrow 147 Kamenz 400, 511, 558, 562, 585, 671, 700, 736, 741, 744 Karlsbad 298, 376, 427, 448, 531, 533, 558, 627, 675, 733 Karlsruhe 297, 355, 356, 379, 477, 503, 504, 709, 725, 726, 730 Kars 255 Kassel 141, 355, 471, 487, 521, 572, 585, 692, 708, 744 Kaunas 93 Kecskemét 85 Kiel 139, 297, 478 Kissingen 297, 388, 598 Klein Trebbow 588 Koblenz 36, 117, 121, 155, 171, 227, 375, 384, 385, 387, 389, 422, 580, 609, 610, 679, 735 Kolberg 103 Köln 115, 309, 511, 513, 560, 612 Königsberg 243, 265, 266, 269, 409, 453, 679 Königswart 190 Konstantinopel 690, 691 Kopenhagen 103, 142, 267, 424, 515, 523 Köpenick 159 Köstritz 271 Köthen 41 Kreppelhof 457 Kreuth 339, 341, 342 Kronstadt 140, 175, 191, 231, 234, 236, 238 Küstrin 184 Kyritz 567 Ladenburg 357 La Faraz 375 Lahnstein 740 Landeck 598
Ortsregister
Lauenburg 562 Lausanne 626, 706 Laxenburg 245 Lebus 509 Leiden 646 Leipzig 46, 54, 138, 164, 349, 529, 538, 569, 574, 610 Lenschow 154 Leopoldskron 454, 455 Letzlingen 92, 183, 253, 402, 483, 587, 600, 601 Liebenstein 535, 575 Lindau 601 Linz 374 London 41, 48, 50, 58, 220, 225, 246, 312, 316, 317, 340, 453, 478, 480, 481 Lübeck 420, 537 Ludwigslust 51, 62, 79, 87, 88, 136, 146, 152, 168, 170, 174, 175, 243, 254, 270, 303, 312, 322, 335, 338 – 340, 355, 395 – 398, 405, 406, 457, 460, 469, 480, 483, 487, 500, 506 – 508, 519 – 521, 523, 525, 537, 538, 542, 549, 561, 562, 564, 569, 577, 579, 588, 592, 594, 595, 597, 603, 604, 608, 609, 614, 618, 636, 668 – 670, 739 Lugano 707 Luzern 707 Lyon 291, 416, 602, 620 Madrid 277, 281, 282, 556, 561 Magdeburg 54, 77, 86, 183, 301, 474, 569 Mailand 120, 381, 628 Mainz 385, 389, 421, 504 Malchin 564 Mannheim 656 Marienbad 54, 56, 133, 135, 137, 138, 174, 187, 188, 190, 290, 294, 295, 299, 360, 375, 379, 381, 468, 473, 474, 499, 532, 556, 569, 570, 581, 588, 609, 610, 631, 673, 674, 691, 725 Marienburg 243, 705 Marseille 269, 291, 602, 649 Medlingen 264 Meiningen 50, 195, 199, 474, 532 Mendoza 327 Menton 524, 601, 602, 605 – 607, 618, 624, 627, 628, 630, 682
793
Meran 349, 350, 353, 355, 358, 359, 484, 617, 734 Merseburg 84 Metz 637, 647, 651, 652, 732 Mexico Stadt 327 Miltzow 413 Minden 563 Mirow 428 Mitau 267, 268 Mödlingen 245 Monaco 627, 630 Montebello 377 Monte Carlo 627 Montevideo 327 Montreux 344, 455 Moskau 59, 126 – 128, 130, 146, 175, 221, 226, 233, 235, 247, 249, 268, 270, 274 München 54, 189 – 191, 272, 291, 341, 348, 374, 441, 449, 482, 493, 522, 523, 538, 546, 565, 566, 598, 678, 679, 698 Münster 139 Muskau 84, 85, 88, 194 – 196, 262, 298, 345, 399, 430, 454, 469, 473, 478 – 481, 488, 501, 510, 562, 586, 596, 615, 662 Nassau 611 Nauen 52, 78, 185 Nauheim 504 Neapel 76, 291, 365, 367, 369, 371 – 373, 441, 620, 683, 685 Neustadt 567 Neuwied 690, 691 New York 340 Nikolajew 254 Nizza 274, 275, 277, 278, 284, 288, 289, 291, 294, 365, 390, 404, 409 – 411, 414, 415, 421, 486, 552, 586, 606, 624, 627, 628 Nürnberg 348, 374, 575 Odessa 182 Oldenburg 147, 181, 264 Oranienbaum 187, 236, 301 Orléans 658, 737 Ostende 57, 388, 394, 538 Ostrow 94 Ouchy 705, 706 Over-Selk 519
794 Ortsregister Palermo 100, 220, 277, 291 Paraná 327 Parchim 528, 586 Paretz 59, 66, 67 Paris 86, 108, 111, 112, 118, 219, 225, 244, 246, 264, 274, 292, 318, 338, 339, 376, 414, 476, 481, 486, 499, 521, 586, 597, 620, 626, 636, 637, 639, 643, 645, 665, 666, 668, 673, 684 Partenkirchen 455 Pau 599 Pécs 90, 92 Perg 588 Perleberg 541, 567 Pest 81, 91, 248 Peterhof 75, 105, 137 Pillnitz 82, 83, 137, 194, 342, 448, 530, 532, 538, 582, 583, 609, 652, 678, 679, 695 – 698, 701, 732, 733, 741 Plauen 138 Posen 524 Possenhofen 448 – 450, 538, 561, 695, 696, 698, 707 Potsdam 31, 44, 46, 48, 49, 52, 63, 68, 70, 72, 78, 79, 84, 87, 90, 97, 104, 116, 124, 129, 134, 137, 156, 169, 177, 180, 196, 201, 202, 224, 235, 258, 279, 281, 283, 289, 290, 309, 316, 317, 319, 331 – 334, 354, 381, 383, 392, 417, 434, 456, 497, 529, 557, 574, 578, 597, 598, 641, 690, 704, 716, 728, 745, 746 Prag 31, 48, 92, 124, 375 – 377, 379 Pritzier 561 Putbus 87, 192 Pyrmont 340, 343, 583, 590, 591 Regensburg 533, 559, 698 Rehme 383, 387 Reichenhall 447, 448, 598, 612, 615, 662 Reims 653 Reinhardsbrunn 455, 535 Remplin 300, 382, 387, 483, 487, 541 Riga 267 Rigi Kaltbad 707 Riva del Garda 693 Rom 76, 289, 291 – 294, 359, 361, 364, 371, 373, 374, 383, 450, 486, 493, 584, 620, 628, 689, 705
Rosario 327 Rostock 130 Rouen 664 Rudolstadt 137, 141, 498, 590, 592, 593 Rumpenheim 301, 715, 735 Saabor 275, 468, 595 Sagan 79, 80 Salzbrunn 382 Salzburg 144, 374, 450, 452, 455, 538, 561, 696 – 698 Santiago de Chile 327 Sárvár 366 Satrup 519 Scheveningen 435 Schieder 590 Schildau 89, 584, 598 Schlangenbad 75, 82, 370 Schlieffenberg 398 Scholastika 477 Schönbrunn 143, 178 Schönhausen 332 Schwalbach 610 Schwarzburg 592, 594 Schwerin 38, 39, 48, 50, 62 – 64, 80, 81, 83, 86, 88, 91, 124, 128, 136, 137, 146, 150, 168, 185, 194, 213, 220, 226, 251, 254, 268, 270 – 272, 277, 279, 281, 293, 295, 296, 301, 303, 330, 332, 333, 339, 344, 347, 358, 368, 401, 402, 404, 410, 411, 413, 429 – 431, 457, 459, 462, 469, 471, 476, 479, 483, 484, 492, 496, 500, 519, 524, 528, 529, 533, 537, 542, 558, 560, 561, 565, 569, 574, 588, 592, 594, 595, 597, 603, 606, 608, 612, 623, 632, 636, 637, 650, 652, 658, 673, 674, 680, 684, 692, 696, 702, 708, 734, 744 – 746 Sedan 637, 639 Seeheim 553 Sewastopol 196, 198, 200, 225, 229, 242, 245, 247, 249 Siena 362 Simferopol 276 Soden 451, 473 Solferino 434 Spa 383 Spandau 32, 52, 80, 129, 497 Stavenhagen 300
Ortsregister
Steeg 425 Steinfeld 59, 62, 63, 81 – 83, 136, 157, 243, 295, 297, 337, 338, 344, 347, 468, 470, 471, 473, 475, 479, 481, 496, 499, 554, 555, 557, 559, 561, 567, 569, 571, 576, 582, 588, 595, 675 Steinhöfel 248, 391 Stettin 75, 87, 243, 382, 425, 572 St. Moritz 675 Stockholm 140 Stonsdorf 194, 244, 468, 477, 485, 487, 488, 508, 575, 589 St. Petersburg 31, 33, 59, 63, 65, 67, 73, 75, 76, 86, 88, 101, 106, 134, 136, 144, 148, 152 – 154, 165, 173, 181, 187 – 189, 195, 208, 211, 213, 214, 234, 245, 246, 251, 253, 257, 258, 264, 267, 272, 274, 284, 286, 292, 300, 301, 330, 331, 364, 379, 386, 410, 415, 430 – 432, 440, 444, 474, 486, 506, 600, 617, 671, 724 – 726, 728, 730, 740, 741 Straßburg 355, 637, 725 Strelitz 35, 36, 42, 56, 63, 65, 80, 116, 143, 147, 157 – 159, 165, 171, 174, 192, 193, 255 – 257, 260, 275, 300, 330, 383, 387, 405, 406, 410, 411, 413, 418, 427, 428, 431, 486, 541 – 543, 553, 554, 565, 573, 715, 716, 721, 722 St. Remo 624 Stuttgart 43, 55, 126, 140, 262, 274, 297 Sveaborg 244 Swinemünde 139 Tegernsee 339, 343, 346, 348, 454, 455, 477, 696, 698, 744 Teplitz 290, 298, 299, 584 Tetschen 92 Tiflis 683 Tivoli 362 Töplitz 144, 585, 684 Torbay 405 Torquay 423, 435 Toulon 291 Trebschen 275, 285, 498, 739 Triest 214, 373, 374 Tschenstochau 53 Tschesme 432
795
Turin 291, 487, 593 Ulm 374, 546 Utrecht 641 Valparaiso 327 Venedig 39, 45, 48, 62, 102, 105, 125, 165, 213, 214, 247, 366, 367, 374, 573, 721 Verona 358, 368, 388 Vevey 358, 360, 368, 372, 374, 400, 534, 566, 600, 601, 631, 706 Vichy 534 Villeneuve 539 Warschau 40, 49 – 52, 112, 148, 198, 226, 234, 237, 246, 273, 289, 353, 443, 474, 493, 505, 506, 508, 509 Wassenaar 661, 676, 677 Weilburg 245 Weimar 103, 126, 140, 141, 150, 151, 250, 288, 298, 400, 481, 483, 531, 538 Weißwasser 511 Wernigerode 162, 508, 715 Wied 679, 688 Wien 39, 58, 75, 81, 85, 96, 115, 124, 134, 141, 145, 159, 160, 170, 172, 173, 176, 180, 182, 186 – 188, 194, 211 – 213, 217, 226, 227, 229, 241, 245, 263, 279, 298, 299, 347, 366, 373 – 376, 386, 488, 522, 534, 535, 558, 574, 579, 626, 687, 696, 729, 730, 736, 740, 741 Wiesbaden 247, 389, 601, 612, 628, 642, 646, 648, 711, 713 Wildbad 289, 291, 294, 295, 297, 299, 382, 415, 418, 499, 503, 505, 512, 513 Wilhelmshöhe 653, 733, 736, 741 Wilhelmsthal 391, 400 Wismar 86, 139, 536, 537 Wittenberge 51, 62, 64, 464 Wittstock 429 Wörlitz 737 Würzburg 243, 351, 353, 530, 612 Zarskoje Selo 66, 136, 148, 232, 237, 246, 255 Zürs 374