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German Pages [577] Year 2021
RENÉ WIESE, KATHLEEN JANDAUSCH (HG.)
SCH W ESTER N IM GEISTE BRIEFWECHSEL ZWISCHEN GROSSHERZOGIN
ALEXANDRINE VON MECKLENBURG-SCHWERIN UND KÖNIGIN ELISABETH VON PREUSSEN
TEIL 1: 1824 – 1850
QUELLEN UND STUDIEN AUS DEN LANDESARCHIVEN M ECKLENBURG-VORPOMMERNS herausgegeben von Kathleen Jandausch, Matthias Manke, Martin Schoebel und René Wiese Band 23
SCHWESTERN IM GEISTE Briefwechsel zwischen Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg- Schwerin und Königin Elisabeth von Preußen Herausgegeben von René Wiese und Kathleen Jandausch Teil 1: 1824–1850
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fallen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen : Cover, Vorderseite: LHAS, 5.2-4/1-2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/ Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1830-1841, Bl. 901: Briefkopf vom 8. Nov. 1837 Cover, Rückseite links: Loeillot des Mars nach Stüler: Königin Elisabeth von Preußen, Lithographie, SPSG, GK II (10) 224/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Daniel Lindner Cover, Rückseite rechts: LHAS, 13.1-3 Bildersammlung Dynastien, Gen. XXII, Alexandrine Nr. 3 Korrektorat : Sebastian Schaffmeister, Köln Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52226-1
Für Anna und Lissi
Inhalt Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Häufig genannte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Briefe 1824–1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
Einführung „Ganz Preußisch, ganz deutsch gedacht“, dozierte 1876 der Historiker Heinrich von Treitschke (1834–1896) in einem Vortrag über Königin Luise von Preußen (1776–1810), „ist das alte Sprichwort, das jene Frau die beste nennt, von der die Welt am wenigsten redet.“1 In dieser Edition sollen – mecklenburgisch gedacht – Frauen ausführlich zu Wort kommen, damit mehr von ihnen die Rede sei. Und: Sprechen wir nicht immer nur über Luise, sondern auch einmal ausführlicher über eine Tochter und eine Schwiegertochter der Königin.2 Wer nach Herrscherinnen des 19. Jahrhunderts sucht, deren Briefwechsel eine wissenschaftliche Edition rechtfertigt, wird nicht gleich an Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin (1803–1892) und Königin Elisabeth von Preußen (1801–1873) denken. An eine Preußenkönigin eher noch, aber sicher nicht an eine nach Mecklenburg verheiratete Hohenzollernprinzessin, die außerhalb dieses Landes bestenfalls als Randfigur im mythenumrankten Lebensbild ihrer Mutter oder ihres Bruders Kaiser Wilhelm I. (1797–1888) aufgefallen ist.3 Die hier vorliegende Briefedition bedarf demnach der Erläuterung, zumal sie die Freundschaft zweier Frauen in den Blickpunkt rückt, die nicht in ein fortschrittliches Geschichtsbild passen. Im Gegenteil, Großherzogin Alexandrine und Königin Elisabeth haben sich mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln für den Erhalt des monarchischen Systems eingesetzt, eines Systems, das keine Bürger, sondern nur Untertanen kannte, deren Beteiligung an politischen Entscheidungen in Preußen bis 1850 gar nicht vorhanden und in Mecklenburg nur einer ständisch verfassten Adels- und Großgrundbesitzerelite vorbehalten war.4 Auch, dass Frauen als Personen minderen Rechts behandelt wurden, sollte so bleiben. Umso wichtiger ist es, darauf zu hören, was Dynastinnen dazu zu sagen hatten. Die Briefedition folgt einer mecklenburgischen Perspektive, die seit einem Jahrzehnt nach Gründen und Kriterien sucht, mit denen die Aufnahme des Schweriner Residenz ensembles in das UNESCO-Weltkulturerbe zu rechtfertigen wäre. Der 1947 untergegan1 Treitschke, Heinrich von: Königin Luise. Vortrag, gehalten am 10. März 1876 im Kaisersaale des Berliner Rathauses, in: Ders.: Ausgewählte Schriften, Bd. 1, Leipzig 1911, S. 276–292, hier S. 277. Vgl. den Topos schon in Perikles’ „Rede auf die Gefallenen“ bei Thukydides 2, 45, 2: „Soll ich aber auch noch kurz erwähnen, was den Frauen wohl anstehen wird, die nunmehr im Witwenstand leben werden, so kann ich alles in eine kurze Ermahnung zusammenfassen. Es ist für euch schon ein großes Lob, nicht schwächer zu sein, als die weibliche Natur es mit sich bringt, und wenn unter Männern im Guten wie im Schlechten von einer Frau so wenig wie möglich die Rede ist.“ 2 Königin Luise von Preußen war schon 13 Jahre tot, als Prinzessin Elisabeth von Bayern den preußischen Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen heiratete. 3 Die Briefe Kaiser Wilhelms I. Hg. vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte. Briefe an seine Schwester Alexandrine und deren Sohn Friedrich Franz II. Bearb. von Johannes Schultze, Berlin 1927. Im Buch von Fischer, Robert-Tarek: Wilhelm I. Vom preußischen König zum ersten Deutschen Kaiser, Wien 2020 kommen Alexandrine und ihre jüngere Schwester Luise gar nicht vor. 4 Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und Starker Staat, München 1994, S. 790–803.
10 Einführung gene preußische Staat hat seine kollektive Identität weitestgehend verloren, Mecklenburg dagegen konnte seine landesbezogenen Bindungen gemeinsam mit dem ehemals preußischen Landesteil Vorpommern 1990 erneuern.5 Diese historische Kontinuität kann allen Traditionsbrüchen zum Trotz eigentlich auch dem Schweriner Welterbeantrag zugute kommen. Doch nach wie vor ist die an die Landesgeschichtsforschung herangetragene Frage noch nicht vollständig beantwortet, welche Quellen und Erkenntnisse zur Antragsbegründung herangezogen werden könnten.6 Einen Beitrag dazu versuchte Band 16 der „Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns“ mit der Edition der Tagebücher von Alexandrines Sohn, des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883), zu leisten.7 Das indes reicht noch nicht, um die mecklenburgische Zweilinienmonarchie mit ihrer gemeinsamen Ständeverfassung historisch richtig einzuordnen. Gerade dann nicht, wenn im Falle einer Herrschaftsform wie der Monarchie durch Heiratsallianzen verbundene Familien regierten, die mit ihren Höfen landestypische Residenzstrukturen ausbildeten. Auch wenn es Männer waren, die regierten und auch in den Familien befahlen, wird doch zu wenig auf die Frauen geachtet.8 Dieser Fehler – denn was sind Dynastien als Geschlechterabfolgen ohne Frauen? – kann für das Haus Mecklenburg im 19. Jahrhundert korrigiert werden, indem die wichtigste Repräsentantin der Schweriner Linie, die die Regierungszeit von vier Großherzögen erlebte und mitprägte, in ihren Briefen selbst zu Wort kommt. Seit 1824 sind die Briefe überliefert, die Alexandrine – zunächst noch als Erbgroßherzogin, dann als Großherzogin und schließlich als Großherzoginwitwe – ununterbrochen über ein halbes Jahrhundert lang an ihre Schwägerin und Schwester im Geiste, die Kronprinzessin und spätere Königin Elisabeth von Preußen, schrieb. Diese im Laufe der Zeit eine Freundschaft noch steigernde Schwesternschaft war für beide besonders wertvoll, da es aus Exklusivitätsgründen an gleichrangigen, noch dazu sympathischen Kontakten im regierenden Hochadel mangelte, und die eigenen Schwestern weit verstreut lebten. Fürstinnen konnten im Kreise ihrer Hofdamen sehr einsam sein. Wobei Elisabeth noch das Glück hatte, dass zwei Schwestern, darunter ihr Zwilling Amalie (1801–1877), ins nahe
5 Das unterstreicht am Beispiel mecklenburgisch-brandenburgischer Grenzidentitäten Clark, Christopher: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947, München 2008, S. 778–780. 6 Ottersbach, Christian: „… einer der schönsten Prospekte in Europa …“ Das Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus, in: ICOMOS Nationalkomitee Deutschland (Hg.): Schloss – Stadt – Garten. Die Residenz als historische Kulturlandschaft, Rostock 2019, S. 19–32. 7 Wiese, René (Hg.): Vormärz und Revolution. Die Tagebücher des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin 1841–1854. Köln u.a. 2014 (Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns 16). 8 Bender, Nadja: Männer ohne Frauen. Das Geschichtsbild der Hohenzollern und ihrer Historiker, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preussen wurde. Ausstellungskatalog, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Dresden 2015, S. 62–77; Schulz, Helmut H.: Kaiserin Augusta. Ihre Ehe mit Wilhelm I. Berlin 1996, S. 52.
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Sachsen verheiratet wurden.9 In der neuen Familie eine „enge Freundin“10 wie Alexan drine zu haben, die sich in der Familie und am Hof des preußischen Königs aufgrund ihres Rangs relativ frei bewegen konnte, war eine kostbare Beziehung, gerade dann, wenn die beiden anderen preußischen Schwägerinnen, Prinzessin Augusta von Preußen (1811– 1890) und deren Schwester Marie (1807–1877), nicht mit der etwas gehemmten Persönlichkeit und mit den politischen Ansichten der Königin harmonierten. Für Alexandrine bewahrte die Freundschaft mit der Gattin des Königs den Zugang zum Berliner Hof, ohne auf die Befindlichkeiten ihrer Brüder und anderen Schwägerinnen Rücksicht nehmen zu müssen. Dass die Königin als Majestät über Alexandrine als Königliche Hoheit rangierte, belastete zwar mitunter den Besuchsalltag am überlaufenen Berliner Hof, trübte aber die Freundschaft der beiden Frauen nicht.11 Alexandrine wurde 1803 als fünftes (überlebendes) Kind des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, in Berlin geboren.12 Die Mutter schrieb nach der Geburt ihrer zweiten Tochter, diese sei „[…] so hübsch, so fett, so rund, als ich es nur wünschen kann.“13 Darin sah die 27-jährige Königin angesichts der auch eine Herrscherfamilie nicht verschonenden Kindersterblichkeit ein gutes Zeichen für das Gedeihen der Prinzessin. Und sie hatte recht damit. Doch Luise erlebte das Heranwachsen ihrer Tochter keine sieben Jahre; die Königin starb 1810 in Hohenzieritz, zu Besuch bei ihrer herzoglich-mecklenburgischen Familie. Das hatte gravierende Folgen für die fortan permanent um die Königin trauernde preußische Königsfamilie, die um 1800 elterliche Nähe und empfindsame Zuwendung als Erziehungsmittel entdeckt hatte. König und Königin entwickelten als „Mama“ und „Papa“ im vertrauten „Du“ eine engere Bindung zu ihren Kindern, als sie selbst es in ihrer Kindheit erfahren hatten.14 Das bekannte Porträt von Heinrich Anton Dähling (1773– 1850) aus dem Jahr 1805 zeigt die Familie in zwar stilisierter, aber durch Quellen verbürgter Häuslichkeit in dem Moment, als der König seiner Frau den ältesten Sohn und Kronprinzen als Offizier vorstellt. Während die Brüder neugierig ins Offizierspatent schauen, blickt die zweijährige Alexandrine im Chemisenkleid dem Betrachter von einer kleinen Sitzbank aus keck in die Augen. Dass es sich um die preußische Herrscherfamilie handelt, ist nur daran zu erkennen, dass König und Kronprinz den Bruststern des Schwarzen Adlerordens tragen und sich offenbar im Zimmer eines Schlosses befinden.
9 Schwerin wurde 1846 und Dresden 1848 über die Eisenbahn mit Berlin verbunden, was die Reisezeit drastisch verkürzte. 10 Minkels, Dorothea (Hg): Briefwechsel des Königspaares. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Elisabeth von Bayern. Bd. 3: Der Industrie- und Kunstförderer und die Protektorin sozialer Einrichtungen, Norderstedt 2020, S. 538. 11 „Wirtshaus zum Schwarzen Adler“ nennt Alexandrine den Hof der Hohenzollern in einem Brief vom 11. Juni 1846. 12 Wiese, René: Großherzogin Alexandrine, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 5, Rostock 2009, S. 14–17. 13 Bailleu, Paul: Königin Luise. Ein Lebensbild, Berlin und Leipzig 1908, S. 124. 14 Schorn-Schütte, Luise: Königin Luise. Leben und Legende, München 2003, S. 40.
12 Einführung Nach dem Tod der Mutter wurde die einzige Schwägerin des Königs, Prinzessin Marianne von Preußen, eine geborene Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846), neben der Hofdame Leopoldine von Kamecke (1782–1856) Alexandrines wichtigste Bezugsperson. Und Weiteres beschwerte die Kindheit der halbverwaisten Prinzessin, denn sie wuchs auf in einer kriegerischen Zeit. Nachdem Preußen ein Jahrzehnt lang sein machtpolitisches Auskommen mit Frankreich gefunden hatte, wurde dann doch eine militärische Konfrontation mit Napoleon unausweichlich. Sie mündete im Oktober 1806 in jene militärische Katastrophe, die Preußen beinahe seine Existenz gekostet hätte und die alte Monarchie zu grundstürzenden Veränderungen zwang. Die vor den Franzosen immer weiter nach Osten ausweichende Königsfamilie gelangte schließlich mitten im Winter an den Rand ihres Reiches nach Memel und Königsberg. Erst lange nach dem demütigenden Frieden von Tilsit 1807 konnten die Hohenzollern im Dezember 1809 in ihre Hauptstadt zurückkehren. Alexandrines jüngere Geschwister Luise und Albrecht wurden in diesen unsicheren Jahren in Ostpreußen geboren, nachdem 1795 Kronprinz Friedrich Wilhelm, 1797 Wilhelm, 1798 Charlotte und 1801 Carl in Berlin bzw. Charlottenburg zur Welt gekommen waren. Die Flucht vor Napoleon und die Existenzkrise des Staates waren ein Trauma, das die Familienmitglieder lange und eigentlich lebenslang beherrschte. Nicht nur für Alexandrine war Hass auf Frankreich, zumindest auf das, was man als dessen revolutionäres Sendungsbewusstsein verabscheute, eine vorpolitische Festlegung, die ihr Denken und Handeln bestimmte. In den Revolutionen und Kriegen der Jahre 1830, 1848/49 und 1870/71 befestigten sich die antifranzösischen Ressentiments immer wieder neu. Die erst mit dem endgültigen Sturz Napoleons 1815 endende Zeit der Kriege, Fluchten und politischen Erschütterungen ließ die Familie – bei allen späteren Konflikten um Politik und Partnerwahl – aber auch eng zusammenrücken. Die Geschwister Friedrich Wilhelm, Wilhelm, Carl und Albrecht, Charlotte, Alexandrine und Luise suchten in unterschiedlichen Konstellationen zeitlebens ihr Zusammensein, auch in Schwerin und Ludwigslust.15 Den Eltern widmeten die Kinder einen von der Mutter ausgehenden Gebetskult im Charlottenburger Mausoleum, der nach dessen Tod auch den Vater vereinnahmte.16 Der melancholisch-scheue König Friedrich Wilhelm III. von Preußen war für Alexandrine einer jener allmächtiger Patriarchen, die ihre Familie mit spärlichen Gesten der Zuneigung noch mehr von sich abhängig machten, als es ihrer absoluten Herrschaft nach ohnehin der Fall war. Mit dieser Befehlsgewalt, die der König wie seine Vorfahren innehatte, waren Staat und Familie im Laufe des 19. Jahrhunderts allerdings immer schwieriger zu handhaben. Auch eine Dynastie war mit Befehl und Gehorsam kaum noch zu führen.17 15 Stamm-Kuhlmann, Thomas: Die Hohenzollern, Berlin 1995, S. 72. 16 Interessant ist in diesem Zusammenhang das Gemälde Anton von Werners aus dem Jahr 1881 „Der preußische König Wilhelm I. am Sarkophag seiner Mutter Königin Louise im Mausoleum zu Charlottenburg (19. Juli 1870)“. 17 Stamm-Kuhlmann, Thomas: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992, S. 517.
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Abb. 1: König Friedrich Wilhelm III. von Preußen stellt Königin Luise den ältesten Sohn Kronprinz Friedrich Wilhelm als Offizier vor, 1805.
Während die standesgemäße Verheiratung des zweitältesten Bruders Wilhelm später durch Lösung der berühmten Verbindung mit der Prinzessin Elisa Radziwill (1803– 1834) erzwungen werden musste,18 machte die Verheiratung Alexandrines keine besonderen Probleme. Nachdem sich schwedische Heiratsabsichten zerschlagen hatten, heira18 Gersdorff, Dagmar von: Auf der ganzen Welt nur sie. Die verbotene Liebe zwischen Prinzessin Elisa Radziwill und Wilhelm von Preußen, Berlin 2013.
14 Einführung tete sie 1822 in der angemessenen Reihenfolge der Töchter – als zweitälteste nach Charlotte und vor Luise – den Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin (1800–1842). Das war keine glänzende Partie, aber sie hatte mit dem lebensfrohen, rothaarigen Mecklenburger auch keine „Niete“ gezogen,19 sondern anders als ihre Schwestern von Anfang an Aussichten auf einen Thron, und zwar auf einen der ältesten Europas.20 Dafür vertauschte sie die 200.000 Einwohner zählende Hauptstadt eines Königreichs, die den öffentlichen Auftritten der Prinzessin ein dankbares Publikum bot,21 mit der kleinen Residenz des eine halbe Million Einwohner zählenden Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, wo der Großvater des Bräutigams, Friedrich Franz I. (1756– 1837), seit 1785 ein patriarchalisch-leutseliges Regiment alten Stils führte.22 Paul Friedrich und Alexandrine führten nach eigenem Ermessen und den Maßstäben der Zeit eine gelungene Ehe.23 Dazu trug auch das gute Verhältnis bei, das Alexandrine zu ihrer Schwiegermutter und anderen „Mama“ Auguste (1776–1871) hatte. Die geborene Prinzessin von Hessen-Homburg und Witwe des 1819 verstorbenen Erbgroßherzogs Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (1778–1819) war eine hochgebildete, belesene und kluge Frau, die es vermochte, am Ludwigsluster Hof und auch von ihm entfernt eigene Lebenskreise zu ziehen. Die kinderlose Fürstin, die erst im Alter von 42 Jahren nach Mecklenburg kam, war, wie ihre Schwester Prinzessin Marianne von Preußen auch, eine der Wegbereiterinnen theologisch fundierter christlicher Erweckung in den protestantischen Dynastien Deutschlands.24 Der mit Konflikten zwischen Großvater und Enkel nicht unbelasteten 15-jährigen Wartezeit auf den Thron entzogen sich Alexandrine und Paul Friedrich durch häufige 19 Brief vom 24. Nov. 1826. 20 Wiese, René: Das Haus Mecklenburg. Fürsten, Herzöge und Großherzöge, in: Kasten, Bernd u.a.: Die Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin, Rostock 2015, S. 6–13. 21 „Aber jenes leuchtende, majestätische Frauenbild, das, mit einem buntglänzenden Gefolge, auf hohem Rosse vorbeifliegt, das ist unsre – Alexandrine. Im braunen, festanliegenden Reitkleide, ein runder Hut mit Federn auf dem Haupte und eine Gerte in der Hand, gleicht sie jenen ritterlichen Frauengestalten, die uns aus dem Zauberspiegel alter Märchen so lieblich entgegenleuchten und wovon wir nicht entscheiden können, ob sie Heiligenbilder sind oder Amazonen. Ich glaube, der Anblick dieser reinen Züge hat mich besser gemacht; andächtige Gefühle durchschauern mich, ich höre Engelstimmen, unsichtbare Friedenspalmen fächeln, in meine Seele steigt ein großer Hymnus – da erklirren plötzlich schnarrende Harfensaiten, und eine Alteweiberstimme quäkt: ‚Wir winden dir den Jungfernkranz’.“ Heine, Heinrich: Werke und Briefe in zehn Bänden, Bd. 3, Berlin und Weimar 1972, S. 510–536: 2. Brief aus Berlin, 16. März 1822. 22 Neuestes Damen-Conversations-Lexikon. Ein Inbegriff des Gesammtwissens für die Frauenwelt, Bd. 1, Leipzig 1856, S. 53. 23 Wiese, René: Großherzog Paul Friedrich, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 5, Rostock 2009, S. 236–239. 24 Wiese, René: Erbgroßherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin (1776–1871) – Wegbereiterin der Erweckungsbewegung, in: Tietze, Claudia u.a. (Hg.): Auf den zweiten Blick. Frauen und Männer der Nordkirche vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Husum 2017 (SVSHKG 61), S. 217–230. Zum Zeitkontext siehe Schmidt, Arno: Fouquet und einige seiner Zeitgenossen, Bargfeld 1993, S. 358.
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und lange Aufenthalte am Berliner Hof. Später, in den 1840er Jahren sorgte die BerlinHamburger Eisenbahn mit ihrer Anbindung an Schwerin dafür, dass Alexandrine den persönlichen Kontakt zu ihrer preußischen Familie nicht verlor. Ihr gutes Verhältnis zu König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth verwendete sie immer wieder, um das symbolische Kapital der Hohenzollern für mecklenburgische Belange nutzbar machen. Die Großherzogtümer hatten bis 1864 z.B. keinen Hausorden und konnten durch Alexandrines Bitten um den „roten Vogel“ am Prestige des vielfältig abgestuften preußischen Roten Adlerordens teilhaben.25 Die Anbindung des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin an die Eisenbahn war eines der fortschrittlichen Projekte, die Großherzog Paul Friedrich nach seiner Thronbesteigung 1837 verfolgte. Auch Schwerin wurde wieder voll in seine Rechte eingesetzt und zu einer auf die umliegenden Seen bezogenen Residenzstadt ausgebaut, ohne allerdings Ludwigslust ganz aufzugeben. Alexandrines bevorzugte Aufenthalte waren ihr „Greenhaus“ im Schweriner Schlossgarten und das großherzogliche Cottage an der See, am Heiligen Damm in „Dobbran“. Paul Friedrich und Alexandrine residierten in Schwerin allerdings sehr bescheiden in einem schlichten Palais aus Fachwerk am Alten Garten, wo die Großherzogin im Frühjahr unter den eisigen Winden litt, auch wenn eine preußische Prinzessin durch die Aufenthalte im kalten Potsdamer Stadtschloss abgehärtet war. 26 Nicht im Alten Palais in Schwerin, sondern in Ludwigslust kamen die drei Kinder zur Welt: 1823 Friedrich Franz (II.), 1824 Luise und 1827 Wilhelm, der mit Spitznamen „Schnaps“ genannte Träger großer Hoffnungen und noch größerer Enttäuschungen.27 Zu ihrem ältesten Sohn hatte Alexandrine ein gutes Verhältnis, die einzige Tochter stand ihr besonders nahe. Eine Fehlgeburt 1828 führte wohl dazu, dass sich Alexandrine und Paul Friedrich darüber verständigten, die Zeugung weiterer Kinder zu vermeiden, ohne dass seitens des theater- und schauspielerinnenbegeisterten Großherzogs ein Mangel an ehelicher Treue überliefert worden wäre. Wie belastend und gefährlich die dynastische Nachwuchsproduktion war, wird in den Briefen häufig besprochen, etwa als Elisabeths Zwillingsschwester Amalie nach acht Geburten mit 44 Jahren noch einmal schwanger wurde. Alexandrine war bei ihrer Schwester Charlotte in St. Petersburg, als deren schwerkranke Tochter Alexandra Nikolajewna (1825–1844), noch von einem Mädchen entbunden wurde, bevor sie eines qualvollen Todes starb. Die schwache Konstitution ihrer Schwiegertochter Auguste, einer geborenen Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1860), gab Alexandrine von Anfang an Grund zur Sorge, sie könne schon die erste Schwangerschaft nicht überstehen. Die bereits 27-jährige Prinzessin wusste, als sie den Antrag des mecklenburgischen Großherzogs 1849 annahm, dass die kleine großherzogliche Familie in Schwerin dringend auf einen Erben angewiesen war. Krankheit, Schmerzen und Tod waren auch im Hochadel ständige Begleiter in einer Zeit noch ohne Narkose, Antisepsis und künstlicher Blutleere bei Operationen. Nach der 25 So z.B. Briefe vom 22. Febr. 1842, 28. April oder 20. Sept. 1843. Zitat im Brief vom 28. April 1843. 26 Brief vom 18. April 1840 oder Brief vom 13. Nov. 1848. 27 Borchert, Jürgen: Alexandrine. Die Königin von Mecklenburg, Schwerin 1995, S. 42.
16 Einführung alten humoral-pathologischen Krankheitslehre war der Aderlass immer noch die wichtigste Behandlungsmethode der Ärzte, wenn sie den Patienten nicht mehr anders zu helfen wussten. Besonders schwer taten sich die Ärzte mit Infektionskrankheiten, deren Ursachen sie nicht kannten und die, wie die Cholera, zu den ständigen Bedrohungen des Lebens in allen Gesellschaftsschichten gehörten.28 In der einflussreichen Stellung, die der kaiserliche Leibarzt Martin Wilhelm Mandt (1799–1858) in Russland z.B. einnahm, kündigte sich allerdings bereits die Herrschaft der Mediziner über die Patienten an.29 Sich Sterbenden und Toten auszusetzen, Kranke zu pflegen oder Gebärenden beizustehen war für Alexandrine nichts Ungewöhnliches. Sicher, Bedienstete kümmerten sich um die körperlichen Bedürfnisse, aber auch hochadlige Frauen schonten sich in den Grenzen ihres Standes nicht. Alexandrine hielt z.B. über Stunden die Knie ihrer Tochter Luise bei deren Niederkunft am Comer See.30 Eigene Kränklichkeit und die ständige Erkundung nach dem Befinden von Bekannten und Verwandten hatten allerdings wohl noch andere als nur somatische Ursachen. Das „Unwohlsein“ taucht auch deswegen so häufig auf, weil Frauen, Fürstinnen zumal, sich damit auch lästigen repräsentativen Pflichten und überzogenen Erwartungen entziehen konnten, ohne eigentlich zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das gebot selbst den unduldsamsten Patriarchen die Rücksicht auf das als schwach konstruierte weibliche Geschlecht. Alexandrine und Elisabeth konnten aus Krankheitsinformationen, aus einer deswegen nicht angetretenen oder abgebrochenen Reise etwa, immer sehr viel mehr ablesen als nur die Erkrankung einer Person. Und die Zeitungen versorgten nicht nur die Untertanen mit minutiösen Informationen über die Wege und Befindlichkeiten der hohen Herrschaften, sondern auch den Hochadel selbst. Selbst diese weit verstreut lebende, an Höfen und Kurorten sich temporär realisierende Sozialgruppe war größtenteils auf journalistische Unterrichtungen zur Selbstvergewisserung angewiesen.31 Es gab allerdings auch dynastische Verbindungen, über die die Großherzogin lieber nichts in den Zeitungen las. So diejenige, die maßgeblich von ihrem Vater König Friedrich Wilhelm III. 1837 zwischen Mecklenburg-Schwerin und Frankreich eingefädelt worden war. Dort regierte seit der Juli-Revolution 1830 der Bürgerkönig Louis Philippe (1773–1850) von Gnaden des Großbürgertums. Keine der europäischen Dynastien, die etwas auf die Legitimität alter Ordnung hielt, wollte eine Verbindung mit dem französischen Thronfolger Ferdinand Philippe von Orléans (1810–1842) eingehen, bis die Wahl auf Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) fiel, mit deren Verheiratung die diplomatische Einbindung Frankreichs befördert werden sollte.32 Die eigene 28 So z.B. Brief vom 11. Sept. 1848. 29 „Wenn er [Mandt] alle Menschen so richtig behandelt wie Charlotte, dann gäbe es keine Kranken mehr. Ich achte aber seinen Blick und seine Umsicht, er ist ein reich begabter Mann, der seine Kenntniß nicht mißbraucht. Sonst, ich glaube, er könnte eine Welt regieren.“ Brief vom 31. Dez. 1845. 30 Brief vom 29. Aug. 1850. 31 „Aus den Zeitungen sehe ich manchmal, was für Fürstlichkeiten zum Besuch kommen.“ Brief vom 18. Sept. 1850. 32 Joost, Sebastian: Preußen im Spannungsfeld von Legitimationsprinzip und Realpolitik. Zur Vermäh-
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Schwägerin auf einem „geraubten“ Thron zu sehen, war Alexandrine und Paul Friedrich jedoch ein Graus. Gleichwohl konnten sie der großen Diplomatie nicht ins Rad greifen, zumal Helene selbst und die Erbgroßherzogin Auguste die französische Chance unbedingt ergreifen wollten. Welch ein Unterschied der Perspektiven war dies zu Helenes Halbschwester Marie (1803–1862), die 1825 nach Sachsen-Altenburg geheiratet hatte. Um als Chef der Familie mit der dynastischen Einhegung der Orléans nichts zu tun zu haben, ließ Großherzog Paul Friedrich sogar seine Stiefmutter die Verhandlungen führen und die Eheverträge unterschreiben. Wie die mecklenburgische Familie sich zu Frankreich und seiner Thronfolgerin Helene stellen sollte, wurde in Schwerin, Neustrelitz und Berlin zum großen Streitthema der 1840er Jahre. Für Alexandrine jedenfalls, die 1829 noch das Paris der restaurierten und ein Jahr später gestürzten Bourbonenmonarchie besucht hatte, war die „französische Familie“ fortan nichts weiter als Plage und Unglück.33 Nur fünf Jahre lang erfüllte Alexandrine als Großherzogin die Bestimmung ihres Lebens, denn der besonders in Schwerin, aber auch in Mecklenburg sonst beliebte Großherzog Paul Friedrich starb 1842 nach plötzlicher, kurzer Krankheit. Abgesehen davon, Ehemann und Partner verloren zu haben, war der 4. März ein besonderer Schicksalstag für Alexandrine, da im regierenden Hochadel Herrscherwitwen nicht wieder heirateten und gegenüber den Untertanen die Gottgefälligkeit ihres Witwenstandes vorzuleben hatten. Dass Großherzogin Anastasia (1860–1922), die Witwe von Alexandrines Enkel, des Großherzogs Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin (1851–1897), in Nizza 1902 einen Sohn zur Welt brachte, wäre für Alexandrine ein unerträglicher Skandal gewesen. Wie tief Alexandrine der Verlust ihres Mannes getroffen hat, zeigen ihre Briefe deutlich. Noch Jahre danach wird die Großherzoginwitwe auch öffentlich von Trauer und Tränen überwältigt. Die zur Grablege des Hauses Mecklenburg-Schwerin aufgewertete Grabstätte Paul Friedrichs im Schweriner Dom geriet, wie schon das Mausoleum der Eltern in Charlottenburg, ins Zentrum eines monarchischen Trauer- und Gebetskultes. Das wurde noch dadurch befördert, dass die trauernde Großherzogin auch nach 1842 im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Hof und Residenzstadt stand, da ihr Sohn Großherzog Friedrich Franz II. erst 1849 heiratete und Alexandrine bis dahin die erste Dame des Großherzogtums blieb.34 Dass die Häuser Hohenzollern und Mecklenburg im 19. Jahrhundert so eng verbunden waren, lag nicht nur an Alexandrine. Auch der 1816 auf den Thron von Mecklenburg-Strelitz gekommene Bruder der Königin Luise von Preußen, Großherzog Georg (1779–1860) wirkte an dieser Verbundenheit mit. Obgleich selbst nur einen Kleinststaat regierend, vermochte der vom preußischen König häufig ins Vertrauen gezogene Großherzog als „der“ Onkel vieles in beiden Familien zu beeinflussen. Er tat dies auch, um lung der Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin mit Herzog Ferdinand von Orléans 1837, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 53 (2002), S. 73–89. 33 Brief vom 5. Mai 1842. 34 Siehe dazu die Schilderung ihrer Urgroßmutter durch Kronprinzessin Cecilie von Preußen: Erinnerungen. München und Berlin 2001, S. 17–20.
18 Einführung sein Land gegen die Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg zu behaupten und überhaupt alle Angriffe (auch Preußens!) auf seine Souveränität abzuwehren. Mit Georgs Halbbruder Karl zu Mecklenburg-Strelitz (1785–1837) agierte ein weiterer einflussreicher Mecklenburger am Berliner Hof. Er war als nachgeborener Herzog mit ausgesprochen aristokratischer Gesinnung in Preußen bis zum General und 1827 sogar zum Staatsratspräsidenten aufgestiegen. Karl bediente sich dabei nicht nur politischer Mittel, sondern machte auch als Impresario zahlreicher Hof- und Familienfeste von sich reden.35 Feste, wie das der Weißen Rose 1829 oder der Brauch des Bohnenkönigtums, dürfen nicht als höfische Banalitäten missverstanden werden, sondern übten nach den Jahren wankender und fallender Throne spielerisch und in historischem Gewand Treue und Gehorsam unter den Beteiligten ein.36 So entstanden, wie Alexandrines Briefe zeigen, Dynastie und Hofadel verbindende Erinnerungen, deren Früchte die Familie dann 1848 im Berliner Stadtschloss ernten konnte, als sich die Prinzen von Geblüt sowie die adligen Getreuen und Offiziere, notfalls auf den Gängen kampierend, um ihren ratlosen König scharten. Mit Festen und Bällen neue Exklusivität zu stiften, war die vergnügungslustige Prinzessin Alexandrine nur zu gern bereit, wie an den häufig beschriebenen Garderoben und Schmuckstücken abzulesen ist. Die Wintersaison konnte bisweilen anstrengend und das für die preußische Monarchie so wichtige Ordensfest am 17. Januar geradezu eine Belastung werden. Dass Alexandrines Lehrer Friedrich Schmidt ihr bescheinigte, eine wenig befriedigende „wissenschaftliche“ Bildung erworben zu haben, ging aber nicht nur aufs Feiern, sondern wohl auch auf mangelnde Auffassungsgabe und die bildungsfeindlichen Kriegs- und Krisenjahre in der Kinderzeit zurück.37 Die aus Weimar mit höherer Bildung vertrauten Schwägerinnen Augusta und Marie von Preußen jedenfalls ließen Alexandrine ihre eigene intellektuelle Überlegenheit immer spüren.38 Aber auch weniger gebildete Prinzessinnen wie Alexandrine konnten den Ansprüchen an eine Monarchin und Landesmutter vollauf gerecht werden. Denn anders als Augusta, die den Widerspruch zwischen ihrer zur Schau getragenen Liberalität und ihrem Beharren auf monarchischer Exklusivität nicht aufzulösen vermochte, hatte Alexandrine auf simplere Weise verinnerlicht, worauf es für den Erhalt des monarchischen Systems nach 1815 ankam: auf die persönlich dem Monarchen verpflichtete Armee, auf die vom Herrscherhaus vorgelebte Religiosität und auf die Rollenfestigkeit ihrer Mitglieder,39 damit diejenigen, die gehorchen sollten, sich auch Herr35 Mecklenburg, Herzog Carl zu: Erinnerungen an Berlin. Festspiele, Berlin 1830. 36 So nahmen z.B. die Grafen von Stolberg-Wernigerode, die Fürsten Solms oder der Herzog von Braunschweig an diesen Festen teil. 37 Langermann, Elisabeth von: Bisher unbekannte und unveröffentlichte Originalbriefe der Großherzogin Alexandrine, der Gemahlin des Großherzogs Paul Friedrich, Mutter Friedrich Franz II., in: Mecklenburgische Jahrbücher 100 (1936), S. 185–192; Marwitz, Luise von der: Vom Leben am preußischen Hofe 1815–1852. Aufzeichnungen von Caroline von Rochow, geb. von der Marwitz und Marie de la Motte-Fouqué, Berlin 1908, S. 75. 38 „Nun Adios, ich bin dumm und der Brief trägt mein Gepräge.“ Brief vom 1. Febr. 1849. 39 Dazu hatte auch Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) eine dezidierte Auffassung. Er berichtete seiner Schwester, er habe seiner Frau Augusta empfohlen, ihre Geistesgaben im Einklang mit
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schenden gegenübersahen, die befehlen wollten. Daran begann es bereits zu hapern, vor allem wenn sich auch Ehefrauen die für Männer selbstverständlichen Selbstbestimmungsrechte herausnahmen. Das Schicksal der ehemaligen Kronprinzessin Elisabeth von Preußen (1746–1840), die nach einem Ehebruch 1769 geschieden und als Staatsgefangene behandelt worden war, stand damals noch vor aller Augen. Ähnliches kündigte sich in der Ehe von Alexandrines Bruder Albrecht an, allerdings ohne die Konsequenzen einer Haft. Der Prinz war mit Prinzessin Marianne der Niederlande (1810–1883) verheiratet, die die sexuellen Freiheiten ihres Mannes nicht nur nicht akzeptieren, sondern auch ein selbstbestimmtes Leben führen wollte. Dass die von Alexandrine despektierlich „Bumsfelde“ genannte Prinzessin, nach Trennungen und der schmachvollen Scheidung 1849, mit einem Mann weit unterhalb ihres Standes zusammenlebte und mit ihm ein Kind bekam, war für Alexandrine ein Skandal mit unabsehbaren Folgen für die Dynastie.40 Dafür, dass die preußischen Könige ihre unmittelbare Befehlsgewalt über ihre „herrliche“ Armee behaupteten, waren sich die Frauen mit ihren Hofdamen für nichts zu schade. Das 2. Garderegiment zu Fuß trug an seiner zerschlissenen Fahne von Alexandrine und ihren Schwestern gestickte Bänder mit Initialen und Allianzwappen.41 Königin Elisabeth besaß sogar ein eigenes Regiment. Nach der Thronbesteigung 1840 übernahm sie die seit dem Tod Königin Luises 1810 unbesetzte Chefstelle des Kürassierregiments „Königin“. Diese Auszeichnung forderte von der Truppe besondere Loyalität zur Herrscherin und kombinierte romantischen Minnedienst mit dem soldatischen Treuekodex.42 1848/49 waren Alexandrine und Elisabeth wichtige Fürsprecherinnen der nach Orientierung verlangenden Armee und ihres Einsatzes gegen die Revolution.43 1861 sollte das mitten im preußischen Heereskonflikt noch deutlicher werden, als die neue Königin Augusta von Preußen das Kürassierregiment „Königin“ übernahm, und Elisabeth dafür das Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 erhielt.44 Es war selbstverständlich, dass Königinnen und Prinzessinnen auch bei Paraden und Aufmärschen in Schnee und Kälte auf den von ihnen bezogenen Posten ausharrten.45
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ihrem Alter und Geschlecht zu halten, indem ihre Äußerungen zu verstehen geben sollten, nicht Urteil [eines Mannes] sondern nur Meinung [einer Frau] zu sein. Brief von Wilhelm an Alexandrine vom 26. März 1830, in: Die Briefe Kaiser Wilhelms I. Hg. vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte. Briefe an seine Schwester Alexandrine und deren Sohn Friedrich Franz II. Bearb. von Johannes Schultze, Berlin 1927, S. 61. Briefe vom 15. Dez. 1842 und 4. Dez. 1843. Dazu allg. Salewski, Michael: Die Revolution der Frauen, Stuttgart 2009, S. 160ff. Schneider, Louis: Des Soldatenfreundes Instructionsbuch für den Infanteristen, Berlin 1872, S. 11. Weißbrich, Thomas: Frauen in Uniform. Militärische und mediale Karrieren im Königreich Preußen 1813–1918, in: Schnelling-Reinicke, Ingeborg und Brockfeld, Susanne (Hg.): Karrieren in Preußen. Frauen in Männerdomänen, Berlin 2020, S. 229–250. Siehe auch Ravenstein, Heinrich: Geschichte des Königlich Preußischen zweiten Kürassier-Regiments Königin, Minden 1842, S. 273. „Gott wolle die preußische Armee ihren guten Geist bewahren. Sie sind doch immer die, die am tapfersten sind und sich nicht irre machen laßen.“ Brief vom 29. Sept. 1848. Altrock, Constantin von: Geschichte des Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3. Von seiner Stiftung 1859 bis zum Jahre 1896, Berlin 1897, S. 12–13. „Ich sah sie nicht seit der großen Parade, wo sie sich erkältet hat, was auch wahrlich nicht zu verwun-
20 Einführung Neben der Armee war es die Religion, die im 19. Jahrhundert wieder bestimmenden Einfluss auf die Wirkungsmöglichkeiten der Monarchie gewann. Das Ideal einer aufgeklärten Monarchie war schon eine Generation vor Alexandrine brüchig geworden. Ein weltliches Dienstethos ist den Monarchen des 19. Jahrhunderts zwar nicht abzusprechen, aber dass ihre Herrschaft vor allem eine hierarchische, von Gott abgeleitete Ordnung abbildete, wurde wieder zu einem Selbstverständnis vieler Fürstenfamilien. Eine neue Generation konfessionell ausgerichteter Theologen wie Theodor Kliefoth (1810–1895) fand Unterstützung und Förderung gerade bei Hofe.46 Bei Alexandrine und Elisabeth hatte sich der die Spätaufklärung überlagernde Spiritismus längst zu einem erneuerten Christentum verdichtet, das schließlich auch die Politik vereinnahmte. Die Königin schrieb 1849, dass Gott sie zur Sündenstrafe in einer revolutionserschütterten Zeit leben ließe, in die sie nicht hineinpasse und sich dagegen auch mit Händen und Füßen sträube.47 Der Großherzogin kam es 1848 so vor, „als wenn Er [Gott] seine Hand von der Erde abgezogen. Sie war Ihm zu schlecht, sie muß erst neu gebohren werden!!“48 Das waren keine Phrasen. Gott galt Alexandrine als ein zorniger Gott, der züchtigend in die Geschichte eingriff und auch die Fürsten harten Prüfungen unterzog, wenn sie ihre Pflichten gegenüber den Untertanen vernachlässigten oder dem Zeitgeist unnötige Zugeständnisse machten. Dass 1848 die französische Bürgermonarchie stürzte oder der sein verarmtes Land terrorisierende König von Neapel-Sizilien vertrieben wurde, hielt sie für eine gerechte Strafe.49 Die Zustände in Süditalien kannte Alexandrine durch einen mehrmonatigen Aufenthalt im Jahr 1846 an der Seite ihrer Schwester Charlotte, der Kaiserin von Russland. Obgleich das Leben der Bauern, Handwerker und Tagelöhner kein Gegenstand ihrer Korrespondenz mit Elisabeth war, kannte Alexandrine doch die Zustände in Mecklenburg gut genug, um 1847 angesichts einer Nahrungsmittelkrise nicht auf Reisen zu gehen und sich unnötiger Kritik auszusetzen.50 Aus diesem Verständnis, die gottgewollten Herrschaftsverhältnisse richtig, also monarchisch, auf Erden abzubilden, leitete Alexandrine auch ihr Mandat ab, alles Mögliche gegen die Beteiligung des Volkes an der Herrschaft zu unternehmen. In ihrem Wirkungskreis in Mecklenburg (und auch darüber hinaus durch die ständige Verächtlichmachung des Parlamentarismus) hatte das fatale Folgen. Gemeinsam mit ihrem jüngsten Sohn
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dern ist, denn der Wind war schneidend kalt und wir hatten ihn die ganze Zeit im Gesicht. Ich war sehr warm angezogen und fror nur im Gesicht, aber die Schwägerinnen bildeten sich, ich weiß nicht warum, ein, es wäre warm und froren gräßlich.“ Brief vom 14. März 1849. Brief vom 1. April 1842 und 17. Juni 1848. Brief vom 22. März 1849. Brief vom 20. März 1848. „Die Regierung hat sie schrecklich behandelt, sie gedrückt, wo sie konnte. Nun sind sie so arm und ausgehungert, daß sie durch eine Revolution nichts verlieren, nur gewinnen. Die Wohlhabenden ging es nicht besser, von jedem Baum mußten sie Abgaben geben, jeden Garten, den sie anlegten, so daß eben jeder sich scheute, ein Grundeigenthum zu haben.“ Brief vom 1. Febr. 1848. „Wir werden daher unser liebes Meklenburg nicht verlaßen und keine Reise machen, denn selbst hier fehlt es an Kartoffeln und Korn. Letzteres ist zu viel ausgeführt worden, weil man nicht glauben wollte, es könne hier jemals fehlen.“ Brief vom 30. April 1847.
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Wilhelm, der Strelitzer Familie und Teilen der mecklenburgischen Ritterschaft brachte sie im Frühjahr 1850 die mecklenburgische Verfassung von 1849, das Staatsgrundgesetz, zu Fall. Ihr Bruder König Friedrich Wilhelm IV. reichte ihr dabei nur zu gern die Hand in einem Moment, in dem er selbst die preußische Verfassung mit merkwürdigen Vorbehalten beschwor. Für die Mecklenburger Frondeure kam es vor allem darauf an, den preußischen König in dieser Frage von seinen Ministern zu isolieren und zum Aufbau einer militärischen Drohkulisse zu bringen. Das hatte schon 1849 funktioniert: „Bey Euch [ist] ja alles glücklich abgelaufen, Gott sey Dank, und in Streliz haben unsere Cuirassire imponirt.“51 Durch Alexandrine vermittelt, war die Drohung eines Einmarschs preußischer Truppen auch 1850 in Schwerin von Erfolg gekrönt. Das konstitutionelle Ministerium unter dem großen mecklenburgischen Staatsmann Ludwig von Lützow (1793–1872) musste im April seinen Abschied nehmen und ließ Großherzog Friedrich Franz II. mit einem gebrochenen Verfassungsversprechen zurück.52 Mit Hans Graf von Bülow (1807–1869) übernahm nun ein preußischer Beamter die Regierungsgeschäfte in Mecklenburg-Schwerin und sorgte für die Wiederherstellung der Verfassungsverhältnisse von 1755. Dabei hatte es das Haus Mecklenburg vor allem der seit den 1840er Jahren verfolgten Reformpolitik Ludwigs von Lützow zu danken, dass die Revolution in den Großherzogtümern, vor allem im bevölkerungsreichen Domanium, keine Massenbasis bekam und die Großherzöge im Laufe des Jahres 1849 mit der Abgeordnetenversammlung zu einer für sie nach den Maßstäben des Jahrhunderts vertretbaren Machteilung kamen, und zwar ohne ein Blutvergießen wie in Berlin am 18. März 1848. Als ein Schiedsgericht im September 1850 das Verfassungsdebakel auch noch legalisierte, gratulierte Königin Elisabeth: „Die vortrefflichen Schiedsrichter haben Euch von der gräulichen Verfaßung befreit und die alten Stände wieder gegeben. Das ist ja ein beneidenswerthes Glück. Hätte doch ein jeder solche Schiedsrichter!“53 Diese ständestaatliche Glückseligkeit blieb den Hohenzollern vorenthalten. Friedrich Wilhelm IV. erhielt immerhin in Mecklenburg eine kleine Kompensation für seine geplatzten politischen Träume, zumal Preußen damals außenpolitisch sonst wenig zu bestellen hatte und von Österreich und vor allem von Russland dominiert wurde.54 Alexandrine hielt die 1815 zwischen Russland, Österreich und Preußen gestiftete Heilige Allianz für die richtige Garantin gottgewollter Herrschaft auserwählter Familien über Reiche, Völker und Nationen.55 Mit ihrer Schwägerin Elisabeth und ihrer Schwester Charlotte hat sie bis in die 1850er Jahre hinein versucht, die Monarchen dazu zu bringen, ihr anachronistisches Bündnis funktionsfähig zu halten. Das Treffen des russischen 51 Brief vom 22. März 1849. 52 Den Sturz Lützows unter Beteiligung von Alexandrine erwähnt auch Vehse, Eduard: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation, Bd. 37, Hamburg 1856, S. 97. 53 Brief vom 18. Sept. 1850. 54 Wiese, René: „Das Beispiel des Einen glücklichen Landes“ – Mecklenburgs Weg in Preußens Bund, erscheint in: Historische Mitteilungen der Rankegesellschaft 32 (2021). 55 Menger, Philipp: Die Heilige Allianz. Politik und Religion bei Alexander I. (1801–1825), Stuttgart 2014, S. 302–319.
22 Einführung und österreichischen Kaisers mit ihrem Bruder in Warschau 1850 ist dafür ein gutes Beispiel. Alexandrine unterstützte ihren Schwager Kaiser Nikolaus I. dabei, die preußische Politik von Parlamentarismus und nationalen Einigungsversuchen zu entfremden. Joseph Maria von Radowitz (1797–1853), preußischer Außenminister und Initiator der Erfurter Union, war ihr geradezu verhasst.56 Dabei lagen die Mängel einer Heiligkeit beanspruchenden Politik in den 1840er Jahren durch die widerstreitenden Interessen der Großmächte und die lähmende Repression ihrer Politik längst offen zutage.57 Alexandrine betrachtete Kaiser Nikolaus I. von Russland, „den“ Kaiser, gleichwohl als politische Leitfigur, deren Dominanz auch über Preußen das monarchische System vor Demokratie und Volkssouveränität bewahren sollte. Während die jüngere Schwester Luise durch ihre Heirat 1825 mit dem nachgeborenen Prinzen Friedrich der Niederlande (1797–1881) politisch relativ einflusslos blieb, war die ältere Schwester Charlotte 1817 mit dem Großfürsten Nikolaus von Russland vermählt worden. Damals ahnte noch niemand, dass die Prinzessin nach dem Tod Kaiser Alexanders I. (1777–1825) und dem Thronverzicht des Großfürsten Konstantin (1779– 1831) als Alexandra Fjodorowna Zarin werden sollte. Dafür musste allerdings die Thronbesteigung in St. Petersburg in einem traumatischen Offiziersaufstand der „Dekrabristen“ blutig erzwungen werden. Der deutsche Einfluss auf Hof und Verwaltung in Russland war damals noch sehr groß. Das von Alexandrine auf das Feld der Politik übertragene Verwandtschaftsgefühl wurde später allerdings nur noch als politisches Defizit gedeutet.58 Heiratsallianzen mit den Romanows waren um 1850 begehrt, wurden aber auch als politische Signale über die politische Ausrichtung eines Landes genau beobachtet. Während sich diese Option für die Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg (noch) nicht realisieren ließ, da Alexandrines Sohn Herzog Wilhelm bei Großfürstin Katharina Michailowna (1827–1894) nicht zum Zuge kam, gelang dies den Strelitzern durch die Vermählung Herzog Georgs (1824–1876) mit dieser Großfürstin 1851. Das könnte als Lektion gedeutet werden, mit der Kaiser Nikolaus I. die Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg für ihre Verfassungspolitik bestrafte und die Strelitzer Linie für ihren Schulterschluss mit den Mächten der Reaktion belohnte. Alexandrine schrieb auch edierenswerte Briefe an ihre beiden Schwestern Charlotte und Luise. Vor allem die Korrespondenz mit der Kaiserin von Russland ist aus den oben genannten Gründen sehr interessant.59 Jedoch bieten die Briefe an ihre Schwägerin Königin Elisabeth von Preußen den dichteren und vielseitigeren historischen Stoff, denn die besprochenen Dinge greifen über die Romanows und Oranier hinaus und beziehen durch
56 „Radowitz ist aber das Unglück von Preußen, das steht ganz fest.“ Brief vom 27. Okt. 1850. 57 Stamm-Kuhlmann, Thomas: Die Hohenzollern, Berlin 1995, S. 56. 58 Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Essen o.J., S. 104. 59 Landeshauptarchiv Schwerin (LHAS), 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 72. Siehe auch Börner, Karl-Heinz: Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte. Briefe 1817–1860, Berlin 1993.
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Elisabeths Herkunft und die Ehen ihrer Schwestern auch die Wettiner, Wittelsbacher und Habsburger sowie weitere Dynastien mit ein. Elisabeth ist unter den preußischen Königinnen wenig bekannt. Anders als bei ihrer Vorgängerin Luise und ihrer Nachfolgerin Augusta wird die Geschichte Preußens ohne sie geschrieben.60 Das ist doch merkwürdig, denn die Monarchie bekam mit ihrer Thronbesteigung 1840 nach 30 Jahren wieder eine Königin. Die morganatische Ehe, die König Friedrich Wilhelm III. von Preußen 1824 mit der zur Fürstin Liegnitz erhobenen Gräfin Auguste von Harrach (1800–1873) eingegangen war, sollte und konnte eine Königin nicht ersetzen und bereitete der höfischen Etikette große protokollarische Schwierigkeiten.61 Im Zeichen dieses Schocks, der plötzlichen Heirat des Vaters mit der „Erlaucht“, setzt die Überlieferung der Briefe ein, mit denen Alexandrine freundschaftliche Beziehungen zu ihrer neuen Schwester, der preußischen Kronprinzessin, festigte. Die Hohenzollern füllten die Leerstelle, die der Tod der Königin 1810 hinterlassen hatte, durch einen ins Land ausstrahlenden und von dort stark reflektierten Trauer- und Erinnerungskult um Luise.62 Hilfreich war dabei, dass die einzige Schwägerin König Friedrich Wilhelms III., die Ehefrau seines Bruders Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851), in die Rolle der königlichen Prinzessin und Ersatzmutter der Königskinder schlüpfte. Während die Prinzessinnen Charlotte, Alexandrine und Luise dann 1817, 1822 und 1825 die Familie gen Russland, Mecklenburg und der Niederlande verließen, kamen 1827, 1829 und 1830 die Prinzessinnen Marie und Augusta von Sachsen-Weimar sowie Marianne der Niederlande durch ihre Heirat mit den Prinzen Carl, Wilhelm und Albrecht nach Preußen. Die in den beiden Jahrzehnten nach 1800 entstandene Familienstruktur formierte sich seit den 1820er Jahren so ganz neu, natürlich auch durch die Hochzeit des Kronprinzen mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern im Jahr 1823. Elisabeth wurde am 13. November 1801 in München als eine von sieben, das Kindesalter überlebenden Töchtern von Herzog Maximilian Joseph von Bayern (1756–1825) geboren. Der Herzog stammte aus dem pfälzischen Zweig der Wittelsbacher und war 1799 durch Erbschaft Kurfürst von Bayern geworden und nach München umgezogen. Bis zur Revolution 1789 hatte er als Offizier in französischen Diensten gestanden. Elisabeth wuchs in Nyhmphenburg und am Tegernsee auf.63 Sie genoss eine vorzügliche Bildung, denn anders als die Hohenzollern brauchten die Wittelsbacher nicht vor Napoleon zu fliehen, sondern Maximilian Joseph gewann im Gefolge der französischen Neuordnung Europas 1806 die Königskrone für Bayern. Als Maximilian I. schuf der neue König 60 Schon die Vermählungsfeierlichkeiten der bayr. Prinzessin Elisabeth 1823 waren von der Erinnerung an die verstorbene Königin Luise geprägt. Förster, Friedrich: Vollständige Beschreibung aller Feste und Huldigungen … Berlin 1824, S. 10. 61 Harrach, Wichard Graf von: Auguste Fürstin Liegnitz, Berlin 1987. 62 Demandt, Philipp: Luisenkult. Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen, Köln u.a. 2003; Büschel, Hubertus: Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830, Göttingen 2006, S. 136; Manke, Matthias: Königin Luise von Preußen, der nationale Mythos in der mecklenburgischen Geschichtsrezeption, in: Mecklenburgische Jahrbücher 129 (2014), S. 45–92. 63 Eine Königin mit bayrischer Seele nennt sie Feuerstein-Praßer, Karin: Die preußischen Königinnen. München 2008, S. 310–342.
24 Einführung mit seinem bedeutenden Minister Maximilian von Montgelas (1759–1838) den modernen bayrischen Staat.64 Der König verheiratete jeweils zwei Töchter nach Österreich und Sachsen, darunter die Zwillingsschwester Elisabeths, Amalie Auguste (1801–1877). Das hatte für die Wittelsbacher alles seine herkömmliche konfessionelle Ordnung, denn die Habsburger und Wettiner waren katholisch. Die Verbindung mit Preußen folgte einem anderen Stern. Sie sollte aus politischen Erwägungen über die Neuordnung der deutschen Staaten im Deutschen Bund die, von Österreich abgesehen, beiden mächtigsten deutschen Staaten einander annähern. Nachdem sich Elisabeth und Friedrich Wilhelm 1819 in Baden-Baden kennen- und auch schätzen gelernt hatten, dauerte es noch Jahre, bis die Frage geklärt werden konnte, unter welchen Bedingungen eine katholische Kronprinzessin in das Haus Hohenzollern eintreten konnte. Eine Konversion zum Protestantismus war für Elisabeth kein Federstrich und kam nur nach eingehender Vorbereitung und Prüfung infrage. Elisabeths Mutter, Karoline von Bayern und geborene Prinzessin von Baden (1776–1841), war übrigens als bayerische Kurfürstin und Königin evangelisch geblieben. Das war für die Wittelsbacher hinnehmbar, solange die Konfession der Königin keinen Einfluss auf die Erziehung der Kinder hatte. Die unwürdige kirchliche Beerdigung der Königin sorgte allerdings über München hinaus für Empörung. Aufgrund der für eine Kronprinzessin tragischen Kinderlosigkeit ihrer Ehe hatte die Frage eines Übertritts zum Protestantismus für Elisabeth keine Eile. Sie wurde erst 1830 evangelisch und nannte sich mit zweitem Namen fortan nicht mehr Ludovika, sondern Louise.65 Für Alexandrine spielte die Konfession ihrer Schwägerin anscheinend keine Rolle. Jedoch trugen die Jahre bis 1830 nicht dazu bei, der Kronprinzessin Kredit bei ihren preußischen Untertanen zu verschaffen, zumindest soweit diese protestantisch waren. Auf Elisabeth lastete sogar der Verdacht, den Konfessionswechsel nur dem Augenschein nach vollzogen zu haben. 1850 schrieb sie in der noch immer schwierigen politischen Lage: „Ich bin jetzt wieder die bête noir66 der Berliner. Es sind keine verrückten, wirklich ganz tollen Gerüchte über mich, die nicht geglaubt werden, auch von den ordentlichen Leuten. Ich muß es tragen und hoffen, daß auch dieß vergehen wird, wie so vieles.“67 Was Wunder, dass sich Elisabeth mit ihrer Rolle als Königin von Preußen schwertat, und sie in Gedanken und Besuchen oft in Bayern oder bei ihren Schwestern in Sachsen war. Sie konnte nie unbeschwert sagen, sie sei mit ihrer neuen Heimat zufrieden und so eng verbunden, wie Alexandrine das von sich und Mecklenburg behauptete.68 Die Königin wirkte häufig scheu und unsicher. Ihr Wesen war wenig dazu angetan, um sich als 64 Minkels, Dorothea: Elisabeth von Preußen. Königin in der Zeit des AusMÄRZens, Norderstedt 2008; Herrscherin von Siam – Elisabeth Ludovika von Bayern (1801–1873), in: Brühl, Christine von: Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern, Berlin 2015, S. 296–319. 65 Krohn, Vanessa: Oranje und Weissblau. Dynastische Verbindungen zu den Oraniern und Wittelsbachern, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde. Ausstellungskatalog, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015, S. 110–121. 66 Frz. = schwarzes Schaf bzw. Tier. 67 Brief vom 6. Dez. 1850. 68 Brief vom 30. Sept. 1845.
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Monarchin auch in der Öffentlichkeit zu behaupten.69 Ihre Kränklichkeit und eine angeborene Beinverkürzung taten ihr Übriges.70 Auf persönliche Befindlichkeiten wie partnerschaftliche Zuneigung oder heimatliche Gefühle nahm das monarchische Konnubium in der Regel keinerlei Rücksicht. So wurde auch der Versuch fortgeführt, die Häuser Hohenzollern und Wittelsbacher über Heiratsallianzen zu verbinden. 1842 heiratete Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889) den Kronprinzen Maximilian von Bayern (1811–1864) und wurde 1848 Königin. Marie konvertierte erst 1874 zum Katholizismus und musste erleben, wie die beiden Länder 1866 Krieg gegeneinander führten. Die großen Erwartungen, mit denen die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen 1840 verbunden waren, konnten weder der König noch die Königin erfüllen. Es fehlte sicher nicht an gutem Willen, die politischen, sozialen, nationalen und konfessionellen Widersprüche der preußischen Monarchie zu überwinden. Aber die romantisch-mittelalterlichen Grundsätze einer mystisch inspirierten Herrschaft passten nicht mehr in die nach grundlegendem politischen Wandel verlangende Zeit. 71 Dabei bediente sich der reisefreudige und aufgeschlossene König durchaus moderner Techniken und Kommunikationsmittel, die ihn zu einer faszinierenden und in der Forschung durchaus präsenten Herrschergestalt des 19. Jahrhunderts machen. Zahllos sind gerade in den 1840er Jahren seine Reisen, Eröffnungen und Einweihungen, seine frei gehaltenen Reden, mit denen er beeindrucken und das Publikum für sein „monarchisches Projekt“ begeistern wollte. Auch grandiose Bauten und Architekturentwürfe dienten dem begabten Zeichner zu diesem Zweck. So ist auch das Schweriner Schloss unter des Königs Beratung und Einflussnahme im Stil des romantischen Historismus zu einem Symbol der historisch und göttlich legitimierten Monarchie umgebaut worden. Wie viele seiner anfänglichen Unterstützer merkten aber auch die Frauen im Umfeld Friedrich Wilhelms IV., dass der impulsive und unstete König viele Ideen, aber wenig politisches Geschick hatte, das Königtum so zu verändern, dass sich alle Preußen mit dieser Monarchie identifizieren konnten. Beim Kaiser von Russland, bei seinem Bruder Wilhelm sowie bei Alexandrine und Elisabeth stand Friedrich Wilhelm IV. immer in Verdacht, unüberlegt und voreilig Zugeständnisse zu machen, die nicht mehr zurückgenommen werden konnten. Das war während der Revolution 1848/49 nicht anders als bei den gescheiterten Experimenten einer ständischen Mitbestimmung in Preußen in den 1840er Jahren: „[…] leider ist auch keine Autorität, jeder thut, was er will, man giebt immer nach, und so kann die Aufregung nicht aufhören.“72 Um das altpreußische Königtum mitsamt der völlig anders gearteten altmecklenburgischen Ständemonarchie zu kon69 Marwitz, Luise von der: Vom Leben am preußischen Hofe 1815–1852. Aufzeichnungen von Caroline von Rochow, geb. von der Marwitz und Marie de la Motte-Fouqué, Berlin 1908, S. 159. 70 Krohn, Vanessa: Oranje und Weissblau. Dynastische Verbindungen zu den Oraniern und Wittelsbachern, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde. Ausstellungskatalog hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015, S. 110–121. 71 Barclay, David E.: Anarchie und guter Wille. Friedrich Wilhelm IV. und die preußische Monarchie, Berlin 1995. 72 Brief vom 4. Mai 1848.
26 Einführung servieren, boten Elisabeth und Alexandrine auch der berüchtigten Kamarilla die Hand, obgleich deren Mitglieder wie die Gerlachs letztlich auch an der Politik und der Persönlichkeit des Königs verzweifelten. Die Kinderlosigkeit des Königspaares richtete das Familienleben der Hohenzollern zunehmend auf Alexandrines Bruder Wilhelm, den Prinzen von Preußen und Thronfolger aus, zumal mit der Geburt eines männlichen Erben 1831 die Erbfolge der Hohenzollern gesichert werden konnte. Königin Elisabeth und Prinzessin Augusta lebten wie ihre Ehemänner auch in einem Spannungsverhältnis, das sich aus vielerlei Gegensätzlichkeiten speiste.73 Elisabeth und Alexandrine meinten einmal, bei ihren Schwägerinnen Augusta und Marie „mit verdrehten Frauen umzugehen“.74 Dieses Urteil betraf vor allem die liberalen Neigungen Augustas und ihre positive Einstellung zur deutschen Nationalbewegung, die Elisabeth ablehnte: „Gott bewahre Fritz vor der Ehre, an der Spize einer solchen confusion zu seyn, mit einer solchen Dornenkrone!“75 Eine der wichtigsten Aufgaben, die die Monarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu lösen hatte, um sich an der Macht zu halten, war die im Pauperismus der 1840er Jahre zugespitzte soziale Frage. Hier bot sich einer barmherzigen Königin ein weites Wirkungsfeld als Förderin sozialer Einrichtungen für Kranke, Kinder und schutzlose Frauen. Da Königin Elisabeth bei Ministervorträgen und Audienzen häufig anwesend war, konnte sie unmittelbar Bitten und Anregungen für die Milderung sozialer Missstände aufgreifen.76 Als Prinzessin Marianne von Preußen, geborene Prinzessin von Hessen-Homburg, 1846 starb, übernahm Elisabeth auch die Führung des preußischen Luisenordens, der seine Exklusivität an soziales Engagement knüpfte und unter der Königin 1850 erneuert wurde.77 Soziale Einrichtungen überliefern bis heute ihren Namen, so wie das Elisabeth-Kinder-Hospital, das heutige Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge in Berlin. Überhaupt markierte die Monarchie im 19. Jahrhundert soziale Einrichtungen und Verkehrsmittel mit den Namen von Dynastieangehörigen, um sich in der beschleunigten Weltverwandlung präsent zu halten. Fontane erinnerte sich aus seiner Kindheit noch an ein nach Königin Elisabeth benanntes Schiff, das auf der Ostsee verkehrte.78
73 Barclay, David E.: Großherzogliche Mutter und kaiserliche Tochter im Spannungsfeld der deutschen Politik. Maria Pawlowna, Augusta und der Weimarer Einfluß auf Preußen (1811–1890), in: Berger, Joachim und Puttkamer, Joachim von (Hg.): Von Petersburg nach Weimar. Kulturelle Transfers von 1800 bis 1860, Frankfurt/Main 2005, S. 127–140. 74 Brief vom 7. Aug. 1848. 75 Brief vom 9. Febr. 1849. 76 Röper, Ursula: Marianne von Rantzau und die Kunst der Demut. Frömmigkeitsbewegung und Frauenpolitik in Preußen unter Friedrich Wilhelm IV., Stuttgart 1997, S. 132. 77 Schneider, Louis: Der Luisen-Orden, Berlin 1867, S. 29/30; Smart, Sara: Die erste Frau im Staat. Zur Vorbildhaftigkeit von Fürstinnen, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preussen wurde. Ausstellungskatalog, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015, S. 206–217. 78 Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre, Berlin 2020, S. 135.
Einführung
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Das Bild der preußischen Königinnen des 19. Jahrhunderts wird nicht unwesentlich beeinflusst von Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen“. Königin Elisabeth, die den späteren Reichskanzler im Frühstadium seiner Karriere 1849 als „prächtige Erwerbung für die gute Sache“ bezeichnete,79 kommt allerdings nur am Rande vor. Einmal schildert Bismarck ein Gespräch mit dem König im Juni 1848, bei dem Elisabeth ihren unter Schlafstörungen leidenden Gemahl gegen Vorwürfe verteidigte, er habe der Revolution zu viele Zugeständnisse gemacht.80 Elisabeth kannte allerdings die hinter dieser Anklage liegenden Probleme nur zu gut: „Fritz ist wirklich außerordentlich zu beklagen. In dem jetzigen System kann er keinen Schritt thun ohne Minister, mit Mühe findet er welche, sie sprechen vortrefflich und ganz in seinen Sinne mit ihm, er glaubt, endlich kräftige Männer gefunden zu haben, und sowie es drauf und dran kömmt, vergeht ihnen der Muth und sie bringen ihn tiefer hinein wie vorher. Und das Schrecklichste ist, daß troz ihrer Verantwortlichkeit alles odium auf ihn fällt, daß man ihn anklagt. Ist das nicht zu traurig?“81 Für Bismarck war auch die familiäre Verbundenheit Elisabeths mit ihrer Heimat Bayern und den nach Österreich und Sachsen verheirateten Schwestern ein politischer Makel, der die Handlungsoptionen der Monarchie unnötig einschränkte. Bismarck fiel zudem auf, dass Elisabeth sehr auf des Königs Ansehen namentlich in kritischen Momenten achtete, ohne jedoch aktiv zu werden, in „einer weiblichen Scheu vor den Konsequenzen der eignen Anschauung und daraus hervorgehender Enthaltsamkeit von fernerer Einwirkung“.82 Für Bismarck waren Frauen ohnehin politisch defizitäre Wesen. Wenn sie sich Königinnen und namentlich seine Gegenspielerin Augusta, in politische Dinge mischten, meinte der Reichskanzler das daran zu erkennen, dass König Wilhelm I. unsachlich und unlogisch argumentierte.83 Also müsse das Interesse des Staates „in der Abwehr von Schädigungen durch weibliche Einflüsse“ bestehen.84 An den Einflüssen, die Königin Elisabeth während der Revolution 1848/49 auf Friedrich Wilhelm IV. nahm, dürfte Bismarck hingegen nichts auszusetzen gehabt haben. Hier besitzt der Briefwechsel mit Alexandrine herausragenden Quellenwert. Das betrifft nicht nur die Abwehr eines nationalen und demokratischen Gemeinwesens sowohl in Deutschland insgesamt85 als auch in Preußen.86 Elisabeths Bilanz des Jahres 1848 war
79 80 81 82 83 84 85
Brief vom 9. Febr. 1849. Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Essen o.J., S. 26. Brief vom 25. Sept. 1848. Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen, Essen o.J., S. 53. Ebd., S. 54 und 292. Feuerstein-Praßer, Karin: Die preußischen Königinnen, Regensburg 2002, S. 277-303. Elisabeth berichtete am 7. Aug. 1848, dass in Kreuzberg „die Leute lächerlich mit deutschen Fahnen herum[gezogen], auch mit republikanischen, vor der 2 Deputierte hergingen. Das ist doch beyspiellos.“ Siehe auch den Brief vom 15. Nov. 1848: „Daß sich die Leute jetzt überall in alles mischen, was sie nicht angeht! Die Erschießung des gräßlichen Blum wird viel Schreien machen, gewiß ist es aber ein Glück, daß Deutschland von diesem Mann befreit ist.“ 86 „Die Constitution ist eigentlich entsetzlich schlecht, aber bey den vielen Versprechungen war es wohl kaum anders möglich. Gott gebe, daß die Wahlen gut ausfallen und dadurch noch manches modi-
28 Einführung Gott zu danken, „daß wir noch hier sind, nicht flüchtig oder verbannt in fremdem Land, wie ich es so oft gefürchtet in dem schrecklichen Jahre“.87 Es bliebe noch vieles zu erwähnen, was den Briefwechsel für die Erforschung des 19. Jahrhunderts interessant macht: Informationen zu Konsumgewohnheiten88 und zum Gabentausch an Fest- und Geburtstagen, zu den jahreszeitlichen Residenzwechseln und Kuraufenthalten sowie zu den künstlerischen und kulturellen Kontakten zwischen den Höfen in Berlin/Potsdam, Schwerin, Neustrelitz, Den Haag und St. Petersburg. Das und vieles Weitere im Leben der beiden befreundeten Schwägerinnen zu entdecken, soll den Leserinnen und Lesern vorbehalten bleiben, um diese Einleitung nicht in ein eigenes Buch ausufern zu lassen. Der Briefwechsel zwischen Alexandrine und Elisabeth reicht von 1824 bis 1873, dem Todesjahr der Königin.89 Der Oberkammerherr Adolf Freiherr von Stenglin (1822–1900) übergab auf Befehl des Großherzogs Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin dem Geheimen und Hauptarchiv in Schwerin in drei Sendungen die Korrespondenz und verschiedene Petschaften aus dem Nachlass der am 21. April 1892 verstorbenen Großherzogin. Die erste Sendung mit 41 Paketen wurde am 14. November 1894 abgeliefert, am 5. und 8. November 1897 folgten weitere Sendungen mit 36 Paketen und einem verschlossenen Holzkasten sowie 2 Kartons mit Bronzebeschlag.90 Der Briefwechsel zwischen Alexandrine und Elisabeth gehörte zur zweiten Sendung vom 5. November 1897. Die Korrespondenz der beiden Frauen war, wie für das 19. Jahrhundert nicht unüblich, sehr umfangreich und regelmäßig: „welche Wonne, daß unsere correspondens so fließend gehet“.91 Die Briefe wechselten wöchentlich, manchmal öfter, wenn es die Ereignisse geboten oder Reisen zu planen waren. Längere Pausen hatten ihre Ursache naturgemäß in gegenseitigen Besuchen oder in der latenten Korrespondenzüberlastung von Fürstinnen. Dann mussten die Hofdamen aushelfen und den Informationsfluss gewährleisten. Die Briefe von Alexandrine sind in zwei weißen, versiegelten Kästen aus Karton übergeben worden. Sie sind jahrgangsweise abgelegt und zum Teil mit Seidenbändern oder gesiegelten Banderolen gebündelt. Dem für die Herausgebenden glücklichen Umstand,
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fizirt werden kann. Von allen Seiten kömmt der Dank für die Constitution, das ist eigentlich dem armen Dicken schrecklich, da er sie so schlecht findet.“ Brief vom 11. Dez. 1848. Brief vom 10. Jan. 1849. Zum Adel zwischen moralischer Ökonomie und moderner Konsumgesellschaft siehe Marburg, Silke: Adel und Hochkultur. Deutschland 1800–1900, in: Matzerath, Joseph und Tiersch, Claudia (Hg.): Aristoi – Nobiles – Adelige. Europäische Adelsformationen und ihre Reaktionen auf gesellschaftliche Umbrüche. Berlin 2020, S. 187–224. Die Briefe befinden sich im Bestand LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 45: Briefe der Königin Elisabeth von Preußen an ihre Schwägerin Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, 1837–1873; Nr. 73: Briefe der Großherzogin Mutter Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin an Königin Elisabeth von Preußen, 1824–1855; Nr. 74: Briefe der Großherzogin Mutter Alexandrine von MecklenburgSchwerin an Königin Elisabeth von Preußen, 1856–1873. LHAS, Zugang 256x vom 13./14. Nov. 1894 und Zugang 8R vom 5. und 8. Nov. 1897. Brief vom 5. Sept. 1850.
Einführung
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Abb. 2: Schreibkabinett der Königin Elisabeth von Preußen in Schloss Charlottenhof, 1846.
dass die Briefe Alexandrines nach dem Tod der Königin Elisabeth nach Schwerin zurückgeschickt wurden, ist es zu verdanken, dass in Alexandrines Nachlass auch ihre eigenen Briefe überliefert sind. Die preußische Königin hatte verfügt, die Briefe ihrer Schwägerin nach ihrem Tod an diese zu übergeben.92 Wie und wann die Übergabe erfolgte, ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Die überlieferten Briefe Alexandrines setzen ab dem 29. November 1824 ein, ein Jahr nach der Hochzeit Elisabeths mit dem Kronprinzen von Preußen. Dieser Teil der Korrespondenz ist sehr dicht, aber nicht ganz vollständig erhalten, wie aus einigen Briefeinleitungen abzulesen ist. Elisabeth hat jedoch auch einige Briefe aufgehoben, um deren Vernichtung Alexandrine gebeten hatte, so den Brief vom 1. Februar 1850, in dem Alexandrine gegen ihren eigenen Sohn Großherzog Friedrich Franz II. intrigiert, um mithilfe ihres Bruders König Friedrich Wilhelm IV. mit der mecklenburg-schwerinschen Regierung auch die neue Verfassung des Landes zu Fall zu bringen. 92 Dem letzten Bündel der Briefe Alexandrines von 1873 ist ein handschriftlicher Vermerk von Königin Elisabeth beigelegt: „Briefe meiner Schwägerin Alexandrine, nach meinem Tode ihr zurück zu geben. Sollte ich sie überleben, ungelesen zu verbrennen.“ Siehe LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 74, Bl. 1.
30 Einführung Alexandrine hat von den Briefen ihrer Schwägerin Elisabeth vor 1848 dagegen leider nur sehr wenige behalten. Es handelt sich um Todesfälle in der Familie, denen ein besonderer Erinnerungswert zugesprochen wurde: im Februar 1837 Großherzog Friedrich Franz I., im Juni 1840 König Friedrich Wilhelm III., im März 1842 Großherzog Paul Friedrich und im April 1846 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. Erst mit den verstörenden Ereignissen der Revolution von 1848 wird die Überlieferung der Briefe Elisabeths dichter, wenn sie auch nicht ganz vollständig ist, wie z.B. in der ersten Hälfte des Jahres 1850. Die Herausgebenden haben die Hälfte des Jahrhunderts als Bandzäsur gewählt, da das Jahr 1850 sowohl in Preußen als auch in Mecklenburg einen tiefen verfassungspolitischen Einschnitt darstellt, der auch das Leben der Briefpartnerinnen stark beeinflusste. Elisabeth war nun Königin eines sich modernisierenden konstitutionellen Königreichs, während in Mecklenburg diese Entwicklung zugunsten der althergebrachten Ständemonarchie abgewürgt wurde. Zudem bekam Mecklenburg Ende 1849 eine neue Großherzogin, und Alexandrine schied aus dieser Rolle aus. Sie wurde von der Großherzoginmutter zur Großherzoginwitwe. So teilt sich der Briefwechsel in zwei etwa gleich starke Bände, deren zweiter dann den Briefwechsel von 1851–1873 umfassen wird. Die Edition richtet sich nach folgenden Grundsätzen: Die Briefe sind vollständig und ungekürzt wiedergegeben. Um die originale Schreibweise zu bewahren, sind orthographische, grammatische und syntaktische Eigenheiten beibehalten worden, soweit sie den Sinn nicht verdunkeln und die Lesbarkeit erschweren. Das war allerdings häufiger der Fall angesichts fehlender Zeichensetzung und stark verschliffener Wortendungen. Hier wurde, da die Briefedition keinen philologischen Ansatz verfolgt, stillschweigend ergänzt und dem heutigen Gebrauch angepasst, da nicht immer klar war, ob tatsächlich grammatische Defizite oder nur Flüchtigkeiten und Verschreibungen vorherrschen.93 Eckige Klammern kennzeichnen tiefer eingreifende Ergänzungen des Herausgebers oder Auslassungen aufgrund von Unleserlichkeit. Zugunsten des Leseflusses sind alle Abkürzungen stillschweigend aufgelöst worden, so wenn lateinisch „i.a.u.“ geschrieben wird, um der Briefpartnerin mitzuteilen, eine Verwandte sei „in anderen Umständen“. Die lateinische Schreibweise ist abweichend von der deutschen Kurrentschrift kursiv gesetzt. Aufgelöst wurden auch alle Anreden, Ränge und Titulaturen, von denen viele heute nicht mehr ohne Weiteres geläufig sein dürften. Für den Umfang der Anmerkungen und die Ausführlichkeit des Personenregisters waren Vor- und Nachteile gegeneinander zu wägen, namentlich die Aufblähung der Fußnoten gegen den Lesekomfort. Die Person wird bei ihrer jeweils ersten Erwähnung in einer Fußnote biographisch kommentiert und wenn dies für den Kontext oder zum Auffinden im Personenregister notwendig ist. „Mglw.“ und „verm.“ erscheint, wenn auf eine Person mit einiger Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. Um auch das Personen93 Von sprachlichen, auch mündlichen Entgleisungen, die sympathisch als altmodisch oder kritisch als ungebildet gedeutet werden könnten, berichtet die Oberhofmeisterin Paula von Bülow: Aus verklungenen Zeiten. Lebenserinnerungen 1833–1922. Hg. von Johannes Werner, Leipzig 1924, S. 72.
Einführung
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register kompakt und übersichtlich zu halten, wird die Person in den Fußnoten mit ihren dem Briefdatum entsprechenden Titeln, Stellung und Namen erläutert, im Personenregister dagegen nur in der Form, die sie am Ende ihres Lebens hatte. Ohne erläuternde Anmerkung bleibt in der Regel ein Kreis häufig genannter Personen aus dem engen Familienkreis und dem Lebensumfeld der Briefpartnerinnen, die dem edierten Text mitsamt der innerfamiliär verwendeten Kosenamen vorangestellt sind. Ein dem Lesen der Briefe vorangehendes Studium dieser Liste ist dringend zu empfehlen, um sich nicht in den komplexen dynastischen Beziehungen zu verlieren. Ins Personenregister aufgenommen worden sind auch die Komponisten und Schriftsteller, deren Werke im Text, sie selbst aber nur in den Fußnoten vorkommen. Die zeitgenössische Schreibung der Ortsnamen ist nur dann in den Fußnoten verbessert, wenn andernfalls eine Auffindung im Register gefährdet schiene. Wir danken unseren Mitherausgebern der „Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns“ für die Aufnahme der zweibändigen Edition in die Reihe. Frau Dr. Antje Strahl, Rostock, hat das Register erstellt und viele wertvolle Hinweise gegeben. Diese verdanken wir auch Herrn PD Dr. Bernd Kasten, Schwerin, der sich der Mühe einer vollständigen Korrekturlesung unterzogen hat. Eine besondere Herausforderung war es, die schwierige Handschrift der Königin Elisabeth zu entziffern, die einmal schrieb: „Ich entsetze mich über mein gestriges Geschmier. Du wirst es kaum lesen können.“94 Bis auf wenige Ausnahmen können wir jetzt sagen: Doch.
94 Brief vom 22. Nov. 1848.
Häufig genannte Personen
(Kommentierung nur bei erster Nennung oder zur Unterscheidung)
Verwandtschaft Adalbert von Preußen, Prinz (1811–1873),
Adalbert
Albrecht von Preußen, Prinz (1809–1872)
Abat, Abbat, Albrecht, Albert, Bumsfeld
Albrecht von Preußen, Prinz (1837–1906)
Der kleine Abat
Alexander II. von Russland, Kaiser (1818–1881)
Sache
Alexandra Fjodorowna von Russland, Kaiserin, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860)
Charlotte
Alexandra Iossifowna von Russland, Großfürstin, geb. Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911)
Sanni, Sanny, Sany
Alexandra von Hessen-Kassel-Rumpenheim, Prinzessin, geb. Großfürs- Adini tin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844) Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1803–1892)
Adine
Alexandrine zu Mecklenburg-Schwerin, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1842–1906)
Adine
Alexandrine von Windisch-Graetz, Prinzessin (1850–1933)
Adini
Amalie Auguste von Sachsen, Königin, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877)
Amelie, Amélie
Amelie von Schweden, Prinzessin (1805–1853)
Amelie, Amélie
Augusta Karoline von Mecklenburg-Strelitz, Großherzogin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge (1822–1916)
Auguste, Erbgroßherzogin
Augusta von Preußen, Königin und Kaiserin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890)
Auguste, Augusta die Schönschwestern, die Schwestern von Prag (mit Schwester Marie)
Auguste von Harrach, Fürstin Lichtenau (1800–1873), morganatische Ehefrau König Friedrich Wilhelms III. von Preußen
Erlaucht, die Fürstin
Auguste von Hessen-Kassel, Kurfürstin, geb. Prinzessin von Preußen (1780–1841)
Tante Hessen, Tante Kurfürstin
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Häufig genannte Personen
Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von HessenHomburg, Erbgroßherzogin (1776–1871)
Mama, Schwiegermama
Auguste von Mecklenburg-Schwerin, Großherzogin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1862)
Auguste
Carl von Preußen, Prinz (1801–1883)
Karl, Carl
Caroline von Dänemark, Kronprinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876)
Lilli
Charlotte von Sachsen-Meiningen, Erbprinzessin, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855)
Lolo, Lollo
Elisabeth von Hessen-Darmstadt, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885)
Elschen
Elisabeth von Preußen, Königin, geb. Prinzessin von Bayern (1801– 1873)
Elis, Elies, Lore
Friederike von Anhalt-Dessau, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850)
Friederike, Filzis
Friederike von Hannover, Herzogin von Cumberland, Königin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1778–1841)
Tante Cumberland, Tante Kumberland, Tante Königin
Friedrich der Niederlande, Prinz (1797–1881)
Fritz (Oranien)
Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin, Großherzog (1756– 1837)
Großherzog, Großpapa
Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, Großherzog (1823– 1883)
(Mein) Fritz
Friedrich Wilhelm II. von Mecklenburg-Strelitz, Großherzog (1819–1904)
Fritz (Strelitz)
Friedrich Wilhelm III. von Preußen, König (1770–1840)
Papa
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, König (1795–1861)
(Bruder) Fritz, Butt, der Dicke
Friedrich III. Wilhelm von Preußen, König und Kaiser (1831–1888)
Fritz Wilhelm, der kleine Wilhelm
Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen, Prinz (1794–1863)
Fritz Louis
Georg von Mecklenburg-Strelitz, Großherzog (1779–1860)
Onkel Georg, George (Strelitz)
Georg zu Mecklenburg-Strelitz, Herzog (1824–1876)
Georg, George (Strelitz)
Gustav zu Mecklenburg-Schwerin, Herzog (1781–1851)
Onkel Gustav
Helena Pawlowna von Russland, Großfürstin, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873)
Helene (Mischel)
Helene von Orléans, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwe- Helene (Orleans) rin (1814–1858)
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Häufig genannte Personen
Hugo von Windisch-Graetz, Fürst (1823–1904)
Hugo
Karl von Bayern, Prinz (1795–1875)
Karl, Carl
Karl zu Mecklenburg-Strelitz, Herzog (1785–1837)
Onkel Karl
Katharina zu Mecklenburg-Strelitz, Herzogin, geb. Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894)
Cathy, Cathi, Katharina
Konstantin Nikolajewitsch von Russland, Großfürst (1827–1892)
Costy
Luise der Niederlande, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870)
Luise
Luise von Baden, Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen (1838–1923)
Luise, Wiwi
Luise von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Landgräfin, geb. Prinzessin von Preußen (1829–1901)
Luise, Wiwi
Luise von Preußen, Königin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1776–1810)
Mama
Luise von Schweden, Königin, geb. Prinzessin der Niederlande (1828–1871)
Puttchen, Putchen (Königin)
Luise von Windisch-Graetz, Prinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859)
Luise, Wiwi
Marianne von Preußen, Prinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846)
Tante Wilhelm, Tante Minnetrost
Marianne von Preußen, Prinzessin, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883)
Marianne, Bumsfelde
Marie von Bayern, Königin, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889)
Mariechen
Marie von Mecklenburg-Strelitz, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1880)
Marie (Strelitz)
Marie von Preußen, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-WeimarEisenach (1808–1877)
Mary, Marie (Carl, Karl), die Schönschwestern, die Schwestern von Prag (mit Schwester Augusta)
Marie von Sachsen-Altenburg, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862)
Marie, dicke Schwägerin
Marie von Sachsen-Meiningen, Herzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888)
Marie (Meiningen)
Marija Alexandrowna von Russland, Kaiserin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1824–1880)
(Kaiserin) Marie Marie Douci, Duzi, Duci
Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876)
Mary, Marie
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Häufig genannte Personen
Michael Pawlowitsch von Russland, Großfürst (1798–1849)
Mischel
Nikolaus I. von Russland, Kaiser (1796–1855).
Nicola, Nicolas, der Kaiser
Olga von Württemberg, Königin, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892)
Olga, Olly
Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, Großherzog (1800–1842)
Paul
Sophie Friederike von Österreich, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872)
Sophie
Therese von Thurn und Taxis, Fürstin, geb. Herzogin zu Mecklenburg- Tante Taxes Strelitz (1773–1839) Waldemar von Preußen, Prinz (1817–1849)
Waldemar
Wilhelm von Braunschweig, Herzog (1806–1884)
William
Wilhelm von Preußen, Prinz (1783–1851)
Onkel Wilhelm
Wilhelm I. von Preußen, König (1797–1888)
Wilhelm, Helmchen
Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin, Herzog (1827–1879)
Wilhelm, Wilhelmchen, Schnaps
Höfisches Umfeld Blücher-Finken, Elisabeth von, geb. von Schöning (1817–1882), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen
(Fräulein von) Schöning
Brandenburg, Friedrich Wilhelm von, Graf (1792–1850), preuß. General und Ministerpräsident
Brandenburg
Brandenburg, Mathilde von, Gräfin, geb. von Massenbach (1798– 1855), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, geb. Prinzessin von Bayern
Mathilde
Finck von Finckenstein, Karl, Graf (1793–1866), preuß. Offizier und Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von MecklenburgStrelitz (1819–1904) und des Herzogs Wilhelm zu MecklenburgSchwerin (1827–1879)
Graf Finkenstein
Gallenfeld, Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen
(Fräulein von) Gallenfeldt, Gallenfeld
Grimm, Heinrich Gottfried (1804–1884), preuß. Generalarzt und Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
Grimm
Jasmund, Bertha von, geb. von Schreeb (1814–1883), Hofdame der (Fräulein von) Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin Schreeb von Preußen
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Häufig genannte Personen
Kamecke, Leopoldine von (1782–1856), Gouvernante der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen
(Fräulein) Kameke
Lützow, Ludwig von (1793–1872), meckl.-schw. Geheimer Ratspräsident und Erster Minister
(Minister von) Lützow
Mandt, Martin Wilhelm von (1799–1858), Leibarzt von Kaiser Nikolaus I. von Russland
Mandt
Meyendorff, Peter von (1796–1863), russ. Gesandter am preuß. Hof
Meyendorf
Radowitz, Joseph von (1797–1853), preuß. Generalleutnant und Außenminister
Radowitz
Rauch, Friedrich Wilhelm von (1790–1850), Generaladjutant von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und preuß. Militärbevollmächtigter am russ. Hof
Rauch
Stolberg-Wernigerode, Anton Graf zu (1785–1854), Generalleutnant und preuß. Staatsminister
Stolberg
Briefe 1824–1850
1824 Ludwigslust, den 29ten November 1824 Beste Elis, heute vor einem Jahr wurdest Du dem dicken Mann angetraut, wie glücklich waren wir alle, da Du uns gleich beim ersten Anblick wie eine liebevolle Schwester vorkamst, und Du es uns immer mehr noch wirst. Wie hübsch und gut hast Du Dich von neuem bei dem unglücklichen Ereigniß1 gezeigt, da Du es doch am meisten empfinden wirst, und wie ich höre, schon empfindest, da sie des Sonntags mit Dir zusammen die Messe hören muß.2 Dies ist wirklich zu viel, und ich kann mir denken, wer dies wieder so liebevoll eingerichtet hat. War es denn nicht möglich dies auszuweichen? Übrigens wird wohl alles so bleiben, wie es sich jetzt schon gestaltet hat, die Fahrten nach Potsdam geschehen regelmäßig. Wie ich aus den Komödien Anzeigen in der Zeitung gesehen, seid ihr diesmal drei Tage dort gewesen. Ich hoffe, Du hast gute Nachrichten aus Wien von Deiner Familie. Wie gefällt es Sophie dort?3 Jetzt wird sie wohl schon ohne ihre Eltern sein. Zu meiner großen Freude habe ich erfahren, daß Friederike in Berlin ist, sie ist gewiß recht froh und glücklich. Wie gefällt ihr denn die neue Fürstin, hat sie sich darüber geäußert? Gewiß nimmt sie die Sache recht vernünftig, und Leopold,4 was sagt denn der? Er hat sich bei Zeiten auch wieder aus dem Staub gemacht. Ich finde es recht gut, dann quält er doch seine Frau nicht so, und man kann sie recht mit Ruhe genießen. Diese Zeit über wird auch wohl in Berlin nicht viel ins Schauspiel gegangen, jeder ist froh, wie in seinem Familienzirkel Thee zu trinken, sich recht auszusprechen oder Ancillon5 vorlesen zu hören. Bei uns hier vergeht ein Tag wie der andere. Diesen Augenblick ist der Comandör vom 24. Infanterie Regiment hier; Peteri,6 worüber Paul sehr erfreut ist. Heute hat er ihm zu Ehren die Uniform angehabt. Lebe wohl, meine beste Schwester, und behalte mich lieb. Adine
1 König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840) hatte am 9. Nov. die katholische Gräfin Auguste von Harrach (1800–1873) morganatisch geheiratet und zur Fürstin von Liegnitz erhoben. 2 Elisabeth von Preußen, geb. Prinzessin von Bayern, blieb als preuß. Kronprinzessin bis 1830 katholisch. 3 Prinzessin Sophie Friederike von Bayern (1805–1872) hatte am 4. Nov. Erzherzog Franz Karl Joseph von Österreich (1802–1878) geheiratet. 4 Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871). 5 Johann Peter Friedrich Ancillon (1767–1837), preuß. Staatsmann und Erzieher des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen. 6 Anton Ludwig von Petery (1780–1851), Oberstleutnant und Kommandeur des in Neuruppin stationierten 24. Infanterieregiments, dessen Chefs seit 1824 die Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin waren.
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Briefe 1824–1850
Ludwigslust, den 14ten December 1824 Beste Elis, Dein Brief hat mich sehr überrascht und ich kann wohl sagen, recht in Verlegenheit gesetzt, denn daß ich in solche Liebesgeschäfte hinein gemischt würde, hätte ich mich nicht träumen laßen. Nun laß uns aber ernsthaft reden. Ich ging denn gleich mit Deinem Brief zu meiner lieben Mama, um ihr alles mitzutheilen und um Rath zu fragen, was ich in der Sache zu thun hätte. Wir kamen dann überein, an Großpapa nichts zu sagen, da er auf keinen Fall Marie7 ihrem Glücke etwas im Wege legen würde und diese allein nur über ihre Hand zu disponieren hätte. Sie hat hier eine so angenehme Lage, daß sie sich auch wahrscheinlich nur verheirathen würde, wenn sie einen Mann fände, der ihr recht gefiele, denn sie ist garnicht so, daß sie nur einen Mann haben wollte, um unter der Haube zu kommen. Dies alles schreibe ich Dir, um es auf guter Manier zu George,8 seinen Ohren kommen zu laßen, danach kann er sich nun einrichten, ob er jetzt gleich kommen wollte oder ob er es laßen will bis Dobbran. Wenn er Marie gefiele, so würde es mich recht freuen, davon siehest Du wohl, hängt alles ab. Doch noch eines muß ich bemerken, wenn Marie ihm zutheil wird, so muß man doch sehr wünschen, daß er in eine unabhängige Lage käme, denn Adjudant wird er nicht bleiben können. Am besten wäre es, wenn er in Hildburghausen ein Etabliesement haben könnte, und wenn dies nicht ginge, ob denn Dein Vater, der König so gnädig für ihn wäre, und ihm ein Sort9 in Baiern machte. Dies ist alles, was ich glaube erinnern zu müßen. Schreib mir nur, wenn Du etwas Gewißes über George sein Herkommen weißt. Mama wird diese Tage auch an die Kaiserin Mutter10 schreiben und ihr anzeigen, daß er sich von neuem gemeldet. Nun Adio meine beste Elis, Deine Adine
7 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862), heiratete am 7. Okt. Prinz Georg von Sachsen-Hildburghausen (1796–1853), ab 1826 Prinz von Sachsen-Altenburg, Adjutant bei König Maximilian I. Joseph von Bayern. 8 Prinz Georg von Sachsen-Hildburghausen, ab 1826 Prinz von Sachsen-Altenburg (1796–1853), Adjutant bei König Maximilian I. Joseph von Bayern. 9 Frz. im Sinne von Auskommen. 10 Kaiserin Maria Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg (1759–1828).
1825 Ludwigslust, den 3ten März 1825 Beste Elis, schon längst hatte ich dir schreiben sollen, besonders da es mir George1 befohlen. Du wirst hieraus sehen und auch wohl schon so erfahren haben, daß dann alles nach Wunsche gegangen ist. Er hat ihr natürlich sehr gefallen, so daß sie vom ersten Moment gleich für ihn gestimmt und sich nach näherer Bekanntschaft sogar Liebe von beiden Seiten angefunden, was sehr zu wünschen war, auch wohl nicht ausbleiben konnte, da er so ausgezeichnet und liebenswürdig ist. Ich glaube wirklich, außer Fritz Oranien, weiß ich niemand, der so wäre wie er, und Marie ist gewiß recht zu gratulieren. Er hat so einen festen Karakter, so reine gute Grundsätze, was sehr viel ist, da er so jung sich selbst überlassen war. Aber Deine Mutter2 ihre Güte hat wohl viel dazu beigetragen. Er ist 3 Wochen bei uns gewesen, da ihm viel daran gelegen war, Marie näher kennen zu lernen, was denn auch ohne Zeugen geschehen konnte, da sie beide des vormittags und nachmittags bei mir waren. Fritz sein Brief hat mir viel Spaß gemacht, er war wieder himmlisch, und ich erwarte das Bild vom Schwarzen Mann3 mit Ungeduld. Ich danke euch beiden für diesen neuen Beweis von Liebe, und ich freue mich, im Mai euch mündlich dafür danken zu können. Der arme Wilhelm ist wieder so leidend gewesen, Gott sei Dank, daß er doch nun wieder ausgeht. Es ist, als wenn er keine Freude ohne Störung genießen sollte. Ach und das Adoptieren von August scheint mir schrecklich, es kann nichts gutes nach sich ziehen, wenn es überhaubt nur doch zu stande kömmt!!!4 Mit der letzten Post bekam ich einen sehr lieben langen Brief von Tante Marianne, die mir von deiner letzten Soiree erzählt, wo gespielt und getanzt worden ist, und wo sie sehr indigniert von Auguste schreibt, die sich, wie sie sich ausdrückt, sehr frech beträgt, und gegen Albert von Rudolstadt5 sich so garstig nimmt, der sie so aufrichtig liebt. Man muß wünschen, daß sie bald einen vernünftigen Mann bekommt, sonst sollst Du einmal sehen, wird sie sich sehr zu ihrem Nachteil verändern, und ganz aus allen Rand und Band schlagen. Nun lebe wohl meine beste Elis und denke Deiner Schwester Adine
1 Prinz Georg von Sachsen-Hildburghausen, ab 1826 Prinz von Sachsen-Altenburg (1796–1853), Adjutant bei König Maximilian I. Joseph von Bayern. 2 Königin Karoline von Bayern, geb. Prinzessin von Baden (1776–1841). 3 Verm. Adolf von Bonin (1803–1872), späterer Adjutant des Prinzen Adalbert von Preußen und Flügeladjutant der preuß. Könige. 4 Prinz August von Preußen (1779–1843) sollte die Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834) adoptieren, um Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) eine standesgemäße Heirat mit ihr zu ermöglichen. 5 Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869) und Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels (1804–1865).
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Briefe 1824–1850
Ludwigslust, den 5ten Juli 18256 Beste Elis, wie ich es versprochen, melde ich, daß ich heute die Nachricht von Charlottens Entbindung mit einer Tochter bekommen, welche recht glücklich zwischen dem 23. und 24. erfolgt ist.7 Dies ist alles, was ich weiß. Fräulein Kameke8 hat mir dies geschrieben. Es würde mich sehr freuen, wenn Du diese Nachricht zuerst durch mich erführest, was zwar denkbar, denn Karl oder Albrecht werden es gleich gemeldet haben. Du bist diesen Augenblick nun wieder in dem lieben Kreis der Deinen. Deine Gefühle kann ich mir denken, auch ich bin sehr glücklich, wieder in Ludwigslust zu sein, wo man mich mit so vieler Liebe empfängt. Es ist diesen Augenblick noch angenehmer hier [als] sonst, und da Großpapa nicht hier und wir nun ungezwungener leben. Leider will das Wetter garnicht schön werden, so daß wie immer in der Stube sitzen. Marie spricht dann nichts anderes als von ihrem George, der den 6ten August nach Dobbran kommen soll, alles hat Beziehung auf ihn und sie hat tausend Attentionen für ihn.9 Mama ist in einem sehr agitierten Zustand, da Albert10 den 19ten nach der Schweiz gehet und mit ihm ihre ganze Freude weicht, denn ihr ganzes Herz hängt an ihm. Im Herbst gehet Marie weg und dann [haben] wir hier auch eine solches Auseinanderreißen der Familie wie in Berlin. Mama ziehet in ein anderes Haus mit Helene, verläßt ganz den Hof, dann stehe ich ganz alleine da.11 Es ist wirklich zu viel in einem halben Jahr, zwei solche liebe Familien zerstört zu sehen durch eigentlich doch frohe Umstände. Bei Dir wird das auch bald so kommen, so wird man nach und nach an Entbehrung gewöhnt. Es muß wohl recht gut sein, sonst ließe es der liebe Gott nicht zu. Ich weiß nicht, wo mein Brief Dich treffen wird. Ich muß mich erst erkundigen laßen, wie lange ein Brief bis Ems gehet. Nun Gott gebe Dir auch seinen Seegen, daß Dir Ems recht wohl thun möge. Lebe wohl und denke [an] Deine Adine Heute kömmt auch die liebe Luise in Brüssel an.
6 Brief war unter dem Jahr 1828 eingeordnet, da die letzte Zahl undeutlich geschrieben ist. Aus dem Inhalt geht aber hervor, dass es sich um das Jahr 1825 handeln muss. 7 Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844) wurde am 24. Juni in St. Petersburg geboren. 8 Leopoldine von Kamecke (1782–1856), ehemalige Gouvernante und Hofdame von Erbgroßherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin am preuß. Hof. 9 Herzogin Marie zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862) heiratete am 7. Okt. Prinz Georg von Sachsen-Hildburghausen (1796–1853), ab 1826 Prinz von Sachsen-Altenburg, Adjutant bei König Maximilian I. Joseph von Bayern. 10 Herzog Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1812–1834). 11 Die Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, und ihre Stieftochter Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) zogen in das Erbprinzliche Palais in Ludwigslust, während Erbgroßherzog Paul Friedrich und Erbgroßherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin im Schloss Ludwigslust wohnen blieben.
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Ludwigslust, den 16ten September 1825 Beste Schwester, wie gut ist es von Dir, mir so bald nach Deiner Rückkehr zu schreiben. Du weißt aber auch, wie sehr mich Deine Liebe glücklich macht. Ich freue mich recht zu hören, daß Du zufrieden mit Deiner Reise bist und werde mir, wenn ich ein Mal wieder nach Berlin kommen sollte, genaue Details darüber ausbitten. Du irrst sehr, wenn Du glaubst, daß die Vermählung von Marie und George schon gewesen. Leider ist er wohl zu krank gewesen, als daß er zu der bestimmten Zeit hätte hier sein können. Gott weiß, was ihm eigentlich gefehlt, man hat es garnicht ordentlich geschrieben. Doch jetzt ist er wieder hergestellt und wir erwarten ihn Montag oder Dienstag.Wann aber die Hochzeit sein wird, ist noch nicht entschieden, da der Großherzog noch in Dobbran ist. Wenn Marie fort ist und Mama nach dem andern Hause ziehen wird,12 dann wird es für mich eine recht traurige Zeit werden. So ganz verlassen und allein stehen, das ist immer sehr unangenehm, und hier noch doppelt, weil man Mittags und Abends nur mit Herren umgeben ist, und die Damen bloß des Sonntags gesehen werden. Ich denke jedoch, es mir etwas unabhängiger einzurichten und vielleicht kann es als dann recht vorteilhaft werden. Seit vorgestern [den 19ten] wird Luise recht glücklich sein. Ich sehe ihr Gesicht, es wird gewiß ganz verklärt sein und man wird sie nun erst recht lieb gewinnen, wenn sie sich recht heiter zeigt. Durch Briefe von der Golz13 weiß ich, daß sie recht sehr in Brüssel gefällt, sie spräche mit den Leuten und gebe sich Mühe, artig gegen jeden zu sein. Nur wünschte man sie etwas herzlicher und vorzüglich mit Fritz Oranien. Wie Du mir aber schreibst, so scheint sich das auch gefunden zu haben. Wenn sie aber auch nicht glücklich, so wäre es doch nur ihre eigene Schuld. Übrigens bedauert sie sehr, noch keine Aussicht zu haben, daß sich ein Sprößling zeigen wollte. Für ihre große Jugend ist es aber recht gut, denn die Gesundheit könnte darunter leiden. Die arme Friederike hat doch recht viel Unglück, so kurz vor ihre Erlösung noch das Kind zu verlieren.14 Wie ich höre, wird sie noch diesen Monat nach Ems gehen, da sie viel Vertrauen zu diesem Bade hat. Leopold soll trostlos sein. Nun lebe wohl, Dein Dicker wird wohl bald zu Dir zurückkehren, grüße ihn von mir sowie die sämtlichen Damen. Wie gehet es denn Auguste Solms?15 Wenn Du etwas genaues darüber weißt, so schreibe es mir doch, wenn Du mal Zeit hast. Deine alte Alex
12 Gemeint ist das Erbprinzliche Palais in Ludwigslust nahe dem Schloss. Die Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, führte einen separaten Hof. 13 Julie von der Goltz (1780–1841), Geliebte König Wilhelms I. der Niederlande (1772–1843). 14 Ein unbenannter Sohn. 15 Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels (1804–1865).
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Briefe 1824–1850
Abb. 3: Schloss Ludwigslust, 1845.
Ludwigslust den 27ten December 1825 Beste Elis, Du wirst mich für recht wenig theilnehmend halten, da ich Dir damals, als Du das Unglück hattest, garnicht geschrieben. Aber gleich wollte ich es nicht thun, da ich glaubte, daß dir solche Briefe wenig Trost sein könnten. Und später weißt du wohl, wie es ist, wenn man eine Sache aufschiebt. Aber gewiß hat deine dicke Schwester recht viel Theil daran genommen, was wohl sehr natürlich, da ich Dich so herzlich liebe und Dein verehrter Vater von allen Menschen so hoch gehalten worden war.16 Der neue Verlust, den wir nun kürzlich gemacht, ließ mir nicht Ruh, biß ich Dir noch geschrieben. Gewiß wirst Du auch unsern Schmerz theilen, da der Kaiser17 ja von Dir gekannt und Dein Onkel war. Ach, die arme Charlotte, die thut mir so unbeschreiblich leit. Was hat sie nicht durch den Kaiser verlohren, einen Freund, einen Beschützer, und in welcher angewiesenen Lage steht sie nun da. Gott weiß, wie sich dies alles gestalten wird! Der Brief an Papa drückte recht ihre Herzensempfindung aus. Papa selbst soll so unbeschreiblich traurig sein. Es war auch sein einziger Freund, an den er mit ganzer Seele und Herzen hing. Den 6ten Januar hoffen [wir] zum Mittag in Berlin zu sein. Unaussprechlich freue ich mich, Dich, geliebte Elis, wiederzusehen, wie auch alle meine dicken und dünnen Brüder. Von Lustbarkeiten wird wohl nicht viel die Rede sein, wonach ich auch nicht viel frage, da ich ja für euch komme. Und ich hoffe, daß wir uns recht viel sehen werden. Gieb mir nur zuweilen eine Tasse Thee in Deinem lieben Cabinet, wo wir oft mit Charlotte saßen, du mit der guten Luise! Wie wird die uns fehlen, besonders bei den Dejeunés in Potsdam, wo sie Klavier spielen mußte, wenn sie auch keine Lust hatte. Recht heimisch will sie doch nicht recht werden in Haag, und nun hat sie gar die Gelbsucht gehabt, das arme Kind.
16 König Maximilian I. Joseph von Bayern (1756–1825) war am 13. Okt. gestorben. 17 Kaiser Alexander I. von Russland (1777–1825) war am 1. Dez. gestorben.
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Von meiner dicken Schwägerin aus Hildburghausen haben wir sehr fleißig Nachrichten und immer die allerbesten, denn sie ist überglücklich. George und der Großvater18 verziehen sie mit die größten Liebesbeweise. Sie verdient aber auch so glücklich zu sein, da sie wirklich eine außerordentlich gute Person [ist] und mir hier unerhört fehlt. Lebwohl, baldiges Wiedersehen, Deine Schwester Adine Ich wünsche Dir auch gleich ein frohes Neues Jahr, wie Deinem dicken Mann auch.
18 Prinz Georg von Sachsen-Hildburghausen (1796–1853), ab 1826 Prinz von Sachsen-Altenburg, und Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen (1763–1834), ab 1826 Herzog von Sachsen-Altenburg.
1826 Ludwigslust den 2ten Juny 1826 Meine alte Elis, Du bist doch so gut wie ein Engel, mir einen so lieben langen Brief zu schreiben. Nie werde ich vergessen, wie Du so gut gegen mich im Winter warst, aber da hatte ich auch gesehen, wie viel Du immer zu schreiben, und mochte nun Deine Corespondens nicht vergrößern. Meinen lieben Wilhelm werde ich am 6ten des Monats hier bei mir sehen, der gute Junge macht einen kleinen Abstecher von seiner Militärreise. Da habe ich auch eine Bitte an dich, unser dicker Butt kömmt auch hier durch das Land. Nun möchte ich gerne, daß Du ihm sagtest, daß ich ihn durchaus sehen müßte, und er käme ¼ Meile vor unserm Guth Plüschow1 vorbei, ob er nicht da eßen oder ein Dejeuner einnehmen wollte. Da antworte mir dann gleich darauf und auch den Tag, wann er da anlangen würde, und wie ers gehalten haben wollte, damit ich ihn nicht weiter aufhielte. Wenn es anginge, begleitete ich ihn garzu gern nach Lübeck. Prinz Louis von Homburg ist jetzt hier,2 und kam eben zu Pferd am Fenster, und als er hörte, daß ich Dir schreibe, bat er mich, ihn Dir zu Füßen zu legen. Mama war sehr überrascht, als er ankam, und wir alle mit. Ich habe ihn garzugern, er hat so etwas gutes und ist auch interessant, wenn er von seinen Reisen spricht. Die liebe Tante wird nun wohl im schönen Homburg sein. Sollte sie Dich nicht in Ems besuchen, oder ist das zu weit? Nun, daß Dir der Ort doch ein wenig angenehm würde. Vielleicht ist auch die Rußin mit Elise3 wieder dort, da machst Du Dir aber so recht viel nicht draus. Wie ich höre, geht weder Massow4 noch Rochow5 mit Dir, sondern Tümpelman.6 Wie kömmt denn daß, dieser ist ein guter Mensch, aber nicht liebenswürdig. Wegen die Projekte, die Wrede für Elisabetchen hat,7 finde ich sehr hübsch. Es hat aber auch gute Wege. Abend ½ 11 Uhr. Prinz Louis hat mir erst heute Abend Deine Bestellung gemacht wegen Auguste8 und William. Ich wollte garnicht glauben, daß diese Person so eine gute Heirath wie mit Ferdinand Solms9 ausgeschlagen. Dies hatte ich doch nun nicht geglaubt nach einer solchen 1 Erbgroßherzog Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (1778–1819) hatte das westlich von Wismar gelegene Gut 1802 erworben. 2 Landgraf Ludwig von Hessen-Homburg (1770–1839), preuß. General. 3 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909). 4 Ludwig von Massow (1794–1850), preuß. Kammerherr und ab 1835 Hofmarschall des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen. 5 Gustav von Rochow (1792–1847), preuß. Kammerherr der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen und später preuß. Polizeiminister. 6 Adam von Tümpling (1781–1871), preuß. Major und Adjutant des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen. 7 Mglw. Carl Philipp Fürst von Wrede (1767–1838), bayr. Generalfeldmarschall, Diplomat und Berater am bayr. Hof. 8 Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels (1804–1865). 9 Prinz Ferdinand zu Solms-Braunfels (1797–1873).
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Geschichte. Der arme William, wenn er in die Schlinge fiele. Prinz Louis hat mir von einem Diner erzählt, wo sie so Jacht auf ihn gemacht und der immer retirirt. Hübsch ist sie doch und für junge Männer anziehend. Nun leb wohl, verzeihe, daß ich so schlecht geschrieben. Doch noch eine Proposition an Butt, ob er vielleicht einen kleinen Umweg von 2 Meilen machen wollte und Schwerin sehen, wo er auch ungeniert sein sollte. Er möchte sich aber bestimmen, und dann bist Du so gut und schreibst mir den Dienstag Antwort. Adine Ludwigslust, den 24ten November 1826 Geliebte Elis, noch immer habe ich keinen Brief von Luise aus Brüssel. Ich fange an zu glauben, daß ihr wohl eher etwas von ihr erfahren werdet als ich und bitte daher, wenn Du Zeit hast, mir etwas zu schreiben. Ich bin denn hier sehr glücklich angekommen. Der Großherzog empfing mich mit der größten Freundlichkeit und Liebe und war sehr besorgt um meine Gesundheit und hatte mir die ersten Tage Stubenarrest gegeben, nun, daß ich mich erst recht ausruhen sollte. Was mir auch vortrefflich bekommen ist. Dies Mal habe ich mich gleich und leichter im Lustigenludwig hineingefunden und fühle mich recht zufrieden hier. Des Morgens arbeite ich sehr fleißig an meiner großen Arbeit und Nachtisch lese ich interessante Bücher und schreibe meine Briefe. Ich hoffe, daß ich auf diese Art pünktlicher meine Corespondens besorgen werde als sonst. Hier fand ich auch Nachricht von Marie, die am 17. des Monats nach Altenburg abgereiset ist, um mit der übrigen Familie ihren Einzug zu halten. Nachher kehrt sie aber mit George nach Hildburghausen zurück, wo sie den Winter allein noch zubringen werden, da in Altenburg keine Wohnung für sie ist. Der kleine Herr Sohn heißt Ernst und hat zu meinem großen Schrecken rothes Haar.10 Ich finde das sehr empfindlich für die Familie, daß diese Farbe sich dahin verpflanzt. „Nein, Therese, ich habe keine Niete gezogen.“11 Die Brüder werden nun auch von Weimar zurück sein. Wie ist es ihnen denn noch ferner gegangen? Es wäre recht barmherzig von Dir, liebe Schwester, wenn Du mir ein wenig Nachricht von Karl gebest, wie er nun ist als glücklicher Bräutigam, Gatte und Vater, was er erzählet in seinem verliebten Rausch und was Wilhelm als ruhiger Beobachter mitgetheilt, denn von den beiden Jungens bekomme ich doch keine Briefe. Von Tante Wilhelm erhielt ich hier auch schon einen Brief, wo sie sehr entzückt von General Dörneberg12 schreibt, den Du auch jetzt in Berlin gesehen haben wirst. 10 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862), mit ihrem Sohn Prinz Ernst (1826–1908), geb. am 16. Sept. 11 Das Zitat bezieht sich wohl auf die Aussage von Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1772–1854), Alexandrine habe mit Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, der ebenfalls rötliches Haar hatte, den falschen Ehemann geheiratet. 12 Wilhelm von Dörnberg (1768–1850), hannov. Generalleutnant und Kommandeur in den Befreiungskriegen.
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Leb wohl geliebte Elise, grüße den Dicken und die drei Brüder. Wie ich hier gehört habe, hat die Barkhausen den Maltzahn ausgeschlagen. Die Verwandten hier sind sehr betrübt darüber. Wenn Du Tante Kumberland13 sehen solltest, sage ihr doch, wie viel Theil ich am Tod der Berg14 genommen hätte. Adine Ludwigslust, den 28ten November 1826 Meinem Versprechen gemäß melde ich, beste Elis, daß ich einen Brief von Luise aus Brüssel vom 17ten gestern bekommen habe, und ich schreibe Dir die Stellen aus, die über Marie von Weimar15 handeln: „Marie gefällt mir sehr, kann ich Dir zu Deiner Beruhigung sagen, sie ist sehr hübsch, wirklich schön und hat sehr was Gutes und Liebes. Im Anfang scheint sie ernst und vorzüglich in Gegenwart von der Mutter16, aber allein ist sie recht heiter und ungezwungen und lacht recht herzlich über Einfälle von Karl. Da wir beide fast denselben Tag geboren sind, so hatten wir schon lange gewünscht uns mal zu sehen, und so fanden wir uns, möchte ich sagen, als hatten wir uns lange gekannt. Ich kam ihr herzlich entgegen und wurde von ihr eben so herzlich empfangen, und bin überzeugt, daß es für sie in jeder Beziehung ein Glück ist, von da fort zu kommen und in eine ehrliche Familie wie die unserige zu kommen. Man siehet, wie schwer die Strenge der Alten sie drückt,17 und wie dankbar und froh sie ist, wenn sie eine andere theilnehmende Seele findet. Gewiß wird sie noch viel einfacher und mittheilender werden, wie sie von uns freundlich aufgenommen wird, und unsere Art zu sein, kennen lernt, wobei sie sich gewiß glücklich fühlen wird. Daß sie Karl liebt, bin ich überzeugt, beide sehen recht glücklich aus miteinander. Die Großfürstin18 sprach viel mit mir von der Sache, da aber die Entscheidung damals nur noch von der Tochter19 abhing, so sagte ich dieser nichts. Ich freue mich unbeschreiblich, die neue Schwester doch gesehen zu haben. Da es Dich interessieren wird, von ihr zu hören, so will ich meinen Steckbrief fortsetzen. Sie ist kleiner als ich und hat einen schönen Kopf und einen lieben guten Ausdruck. Wenn sie spricht, animirt sich ihr ganzes Gesicht zu einer sehr angenehmen Freundlichkeit und dann hat vorzüglich ihr Auge einen so reinen 13 Herzogin Friederike zu Mecklenburg-Strelitz (1778–1841), seit 1815 in 3. Ehe verh. mit Herzog Ernst August von Cumberland, ab 1837 König von Hannover (1771–1851). 14 Die ehemalige preuß. Hofdame Karoline Friederike von Berg, geb. von Haeseler (1760–1826), war am 15. Nov. in Teplitz gestorben. 15 Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877) heiratete am 26. Mai 1827 Prinz Carl von Preußen (1801–1883). 16 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Maria Pawlowna von Russland (1786–1859). 17 Großherzog Karl August (1757–1828) und Großherzogin Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1757–1830). 18 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Maria Pawlowna von Russland (1786–1859). 19 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877).
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Glanz. Die Taille ist nicht besonders schön, aber sie hat in ihrer ganzen Figur etwas schönes und nobles. Als ich sie sah, hatte sie ein weißes Blondonkleid an, den Chatarinen Orden um, Perlen um den Hals mit einem enormen Shmaragd Knull20 wie mein Saphier, und war im Haar frisirt mit Rosen von verschiedenen Farben. Vorne zwischen den Locken hatte sie ein bandeau von Smaragden, das sie aber nachher abnahm, weil es sie drückte und sie nicht Brillianten auf dem Kopf trägt. Es stand ihr aber delicios zu ihrem hübschen frischen Gesicht. Anfangs nannte sie mich Euer Hoheit, da ich mir das verbath, so entstand bald das Du unter uns. Sie war außerordentlich herzlich und gut gegen mich, eine recht ehrliche Guthmüthigkeit spricht sie aus. Da ich Nachtisch meinen Schal nicht bei der Hand hatte, gab sie mir ihren um. Nachher gab sie mir auch Orangenblüthen, wovon sie ein frisches Bouquet vor hatte, weil sie sie liebt. Und so scheint sie eine wahre Freude daran zu haben, anderen Freude zu machen und es ist nicht bloß äußerlich, sondern man sah, daß ihr Herz dabei war. Ich kann wohl sagen, daß war recht schwesterlich gegen mich. Auch finde ich nicht, daß sie so viel Phrasen macht, auch Wilhelm sagt, es hätte sich sehr gegeben. Ich glaube, das Französische ist schuld daran, sie nimmt alle Stunden Französisch und spricht immer mit Älteren, auch in der Gesellschaft wird es viel gesprochen. Sie sagt mir, sie spräche lieber Deutsch, aber das Französische wäre ihr geläufiger. So schließe ich meine Beschreibung. Es wird sich alles zum Besten fügen und in Berlin wird sie noch viel besser werden.“ Da hast Du, liebe Elis, fast den ganzen Brief. Es wird Dich gewiß alles recht interessieren. Adios, ich bin ganz matt von dem Abschreiben. Ludwigslust, den 7ten December 1826 Tausend Dank für Deine beiden Briefe, von denen ich heute den letzten erhielt. Die Nachrichten haben mich sehr interessiert und vorzüglich hat mich das sehr amüsirt, daß Wilhelm den Schwiegerpapa noch machen muß, und Karl dann über ihn lacht. Ich freue mich, daß Karl den Muth gehabt hat, Papa vorzuschlagen, seine Hochzeit in Charlottenburg vollziehen zu laßen. Vielleicht ist dann das die Ursach, daß wir sie in Berlin haben. Daß die Antwort aus Petersburg noch nicht zurück ist, wundert mich sehr. Die Oberhofmeisterin Lukner21 finde ich köstlich. Es ist sehr wahr, solche brauchte man auch. Deine Reden22 würde sich sehr freuen über solche Gespielin. Sehr gerne werde ich bei dem Geschenk für Fritz Louis dabei sein.23 20 Rth ist freilich etwas viel für mich armer Schlucker, indessen wenn es nicht anders sein kann. Mein dicker Fritz hat mir neulich die Freude gemacht, eine Fabel aufzusagen, die die Klockmann24 ihm gelernt. Er war garzu lieb dabei. Es macht ihm selbst viel Spaß. Nun schließe ich mei-
20 Knolle, Klumpen aus Smaragd. 21 Verm. eine Gräfin von Luckner. 22 Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), Oberhofmeisterin der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 23 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). 24 Gouvernante des Herzogs Friedrich Franz (II.) von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883).
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nen Brief, weil ich noch so viel zu schreiben habe. Von Luise bekam ich mit letzter Post 2 Briefe auf einmal. Adine Deinem Dicken und Karl und Wilhelm viel Liebes.
1827 Ludwigslust, den 2ten Januar 1827 Meine gute Elis, auch ich habe für zwei Deiner Briefe zu danken, die mich herzlich gefreut. Im Neuen Jahr trieb es mich an, Dich nicht länger warten zu laßen, und nun sollen Dir diese Zeilen auch meinen Glückwunsch zum Neu Jahr bringen. Gott gebe Dir alles, was Du Dir nur wünschen kannst und gebe, daß der liebe Papa bald wieder gesund wird. Den Silvester Abend haben wir mit einigen Damen und Herren zugebracht. Alles war ausgelaßen lustig, mich war es aber garnicht danach zu Muth. Erst wirklich den Papa leidend zu wissen, und dann meine eigene Lage stimmte mich wehmüthig, so eine Campagne bleibt doch etwas wichtiges und schweres und diesmal will es mir immer dünken, als wenn es nicht gut gehen würde.1 Auf den Himmel muß man bauen, denn der Himmel fügt das Ende. Gestern hörte ich grade darüber eine so schöne Predigt, daß man alles in Gottes Hand legen muß und ihm vertrauen, recht als wenn es ein Fingerzeig für mich sein sollte. Doch warum falle ich Dir mit meinen trüben Gedanken so beschwerlich! Deine Freude, Tante Wilhelm wieder zu haben, kann ich mir recht denken. Ich will ihr heute schreiben und außerdem liegen noch einige Briefe um mich herum, die nach Beantwortung schreien. Nun, daß die alte Historie mit Albert und Auguste wieder angehen würde,2 war ich überzeugt, als ich hörte, daß sie über Homburg reisten. Hübscher wie Ferdinand3 ist er auch, von was sie aber leben werden, von Luft vielleicht! Die Landgräfin4 siehet in Auguste einen Goldenen Kelch. An Mama schrieb sie neulich, sie wäre eine vollkommen liebenswürdige Person, mit Talent begabt und sie hätte sie immer um sich. Verzeihe, wenn ich schon ende, aber die anderen Briefe! Deine Adine An Dicken und Wilhelm viel Schönes, letzterem danke doch für seinen Brief. Mein Gott, beinah hätte ich vergessen, Dir und dem Dicken recht herzlich zu danken für den gelben Tarnower Tuch,5 welcher mir eine solche große Freude gemacht. Nun ist ja auch bestimmt, daß die Hochzeit von Karl in Berlin ist und vielmehr in Charlottenburg. Wo werden sie denn aber zusammen gebettet werden, ich weiß gar keine Stuben?
1 Die dritte Schwangerschaft von Erbgroßherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin ging aber gut mit der Geburt ihres zweiten Sohnes Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879). 2 Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869) und Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels (1804–1865) heirateten am 27. Juli 1827. 3 Prinz Ferdinand zu Solms-Braunfels (1797–1873). Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels hatte die Heirat mit ihrem Cousin offenbar ausgeschlagen und sich nun für Prinz Albert von SchwarzburgRudolstadt entschieden. Vgl. Brief vom 26. Juni 1826. 4 Landgräfin Elisabeth von Hessen-Homburg, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland (1770– 1840). 5 Tuch aus Tarnopol in Galizien.
1828 Berlin, den 11ten Oktober 1828 Liebe Elis, gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Brief, der mich so gefreut, daß ich dir gleich heute dafür danken muß, obgleich mein letzter Brief noch nicht mal in Deinen Händen sein wird. Auch kann ich Dir nichts Neues melden. Das gute Berlin ist leer und schmutzig, da es seit einigen Tagen schrecklich regnet, so daß ich nicht mal zum Essen nach Charlottenburg kommen kann. Gestern ist Jessonda1 gegeben worden, die Schätzel2 hat Amazili gesungen und man sagt, ganz prächtig. Ich selbst bin nicht da gewesen, weil Papa erst im Königsstädter3 und dann in der Komödie [gewesen ist], die gestern ihren Anfang genommen. Ich schreibe Dir dies auch alles, weil William die Schätzel sehr verehrt. Du wirst nun auch wegen ihm beruhigt sein. Papa will ihm wohl, denn er ist nach der großen Loge gegangen, um ihm Adieu zu sagen. Und ich bin überzeugt, Papa erlaubte ihm gern nach Italien zu gehen, aber der Ohm. Nun William muß zu stolz sein, um solche Kleinigkeit zu bemerken. Es wird viel seiner gedacht, Paul findet sich sehr allein ohne ihn. Die kleine Reise nach Inspruck muß Dir doch lieb gewesen sein, besonders um von dem Ort wegzukommen, wo Du Dich vom Dicken getrennt. Jetzt wird er nun schon gehörig in dem warmen Italien schwelgen. Der Leopold von Coburg4 eilt ihm nach, um ihn in Neapel ein Fest zu geben. Helmchen, der gestern hier erwartet wurde, scheint den graden Weg nach Weimar genommen zu haben.5 Da es nun wie es scheint, unumstößlich gewiß ist diese Angelegenheit, so sage ich auch nichts mehr und denke nur das Beste davon, und will, wenn sie unsere Schwester wird, alles thun, um sie lieb zu haben. Denn anders wie Mary muß sie doch sein und um Helmchens Willen müßen wir recht gut mit ihr sein, nicht wahr meine Elis? Du wirst auch herzlich mit ihr sein und zuvorkommend, dadurch kann man schon manches vorbeugen. Sie wird sich zu Dir gezogen fühlen und dich lieben. Siehe, Helmchen muß nun nach so langem Unglück6 doch Frieden finden, und da müßen wir alles zu thun, ihr den zu erhalten. Und für Dich selbst, beste Elis, denke Dir eine liebende Schwester um Dich zu haben. Das ist doch ein Glück. Mary freilich, die wird wohl noch mehr im Hintergrunde stehen. Die müßen wir aber doch auch halten, denn in unserer Familie ist nie eine Spaltung gewesen und das 1 2 3 4 5
Oper von Louis Spohr (1784–1859). Pauline von Schätzel (1811–1882), erste Sängerin an der Berliner Hofoper. Königsstädter Theater, Privattheater in Berlin. Herzog Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1790–1865), später König der Belgier. Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) sollte sich am 25. Okt. mit Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach verloben. 6 Das Unglück bezieht sich auf die langjährige Beziehung und geplante Heirat von Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) mit Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834). Auf eine Heirat hatte er 1826 unter dem Druck seines Vaters König Friedrich Wilhelm III. von Preußen schließlich offiziell verzichten müssen, da die Verbindung als nicht standesgemäß angesehen wurde. Mehrere Versuche zwischen 1820 und 1826, die Ebenbürtigkeit der Fürsten Radziwill nachzuweisen oder Prinzessin Elisa Radziwill durch Adoption in einen passenden Stand zu erheben, waren gescheitert. Siehe u.a. Brief vom 3. März 1825.
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machte unser Glück. Es wird hoch vor Gott und der Welt gestellt, weil es leider selten ist. Leb wohl, meine liebe Elis, und schelte nicht über meine Predigt, es gleicht an Friederike, die es aber auch immer gut meint. Adine
1829 Dobbran, den 25ten Juli 1829 Liebe Elis, Paul schreibt eben an Karl, und mir fiel es wie ein Stein auf dem Herzen, daß ich Dir noch garnicht von hier ein Lebenszeichen gegeben, obgleich ich Deiner schon recht viel gedacht. Du sitzest nun einsam in Sanssouci, wo es noch vor 10 Tagen so lebendig und so heiter war, wo uns der Kaffee der Wildermeth1 um den großen runden Tisch versammelte und wir viel dolles und vernünftiges gesprochen. Nun ist alles nach dem Ort seiner Bestimmung geflogen. Das kann man eben nicht sagen, indessen alles ist von einander getrennt und jeder sitzet mit seinen Gedanken in seiner Stube und hat das Herz noch so voll von schönen und lieblichen Erinnerungen. Es war doch eine Zeit für uns Geschwister, an der Du meine liebe Schwester auch recht viel Theil genommen, die zu schön war und noch lange in unserm Innern nachhallen wird. Ach, daß die Zeit dahin, unwiederbringlich dahin ist, sie uns nie wieder gegeben wird werden. Doch klagen dürfen wir nicht, sondern noch recht dankbar sein und alles in unserm Herzen aufbewahren. Ich denke es mir doch schön, an dem Ort nun so ruhig wohnen zu können, wo so viel Freude geherrscht und wo einem jede Stelle [an] die liebe Zeit erinnert und manchmal zur Wehmuth reizen mag, auch dies Gefühl ist wohltuend. Eben meldet man mir mein Pferd zum reiten, also muß ich schnell enden, obgleich mein Herz garnicht damit zufrieden, sondern gerne noch mit Dir schwatzen möchte. Adios, viel Liebes an Wilhelm und Auguste, nun wie gefällt sie Dir, bei längerem Alleinsein? Adine Dobbran, den 19ten August 1829 So fleißig, wie ich sonst schreibe, [dazu] habe ich bis jetzt noch nicht kommen können. Man thut hier garnichts und doch kömmt man zu nichts, besonders nun die letzte Zeit, wo doch mehrere Fremde hier waren, deren Gesellschaft man so viel suchte als es die Gelegenheit darboth. Denn es ist nur immer eine so kurze Zeit, daß man sie benutzen muß. Seit gestern ist nun alles fort und heute ist ein scheußliches Wetter. Da habe ich denn geschrieben, daß mir die Finger weh tun. Denke Dir, entlich bin ich auch dazu gekommen, an Marianne zu antworten auf ihren gelben Brief. Mein Brief ist auch sehr liebenswürdig geworden. Wie ist denn Albert zurückgekehrt, sehr glücklich? Du bist ja seine confidante.2 Luise schrieb mir, sie wären beide wie zwei Kinder, die sprängen und küßten sich, ohne embarra.3 Nun, ich werde es selbst sehen. Wenn ich mir das so recht vorstelle, so kömmt es mir vor wie eine Unmöglichkeit, daß ich Luise wo anders sehen werde als in Berlin und nun gar bei sich in Brüssel. Ich kann es garnicht so sagen, wie ich 1 Maria Margaretha von Wildermeth (1777–1839), ehem. Hofdame der Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860). 2 Frz. = Vertraute. 3 Frz. embarras = Verlegenheit.
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mich auf die Reise freue, und dann wieder, kann ich nur mit Thränen daran denken. Ich bin noch nie so lange von [zu] Hause gewesen, die Kinder bleiben zurück und so in fernem Lande, das ist ein eigenes Gefühl. Auch schelte mich über die trübe Gedanken, welche so in mir aufsteigen. Doch wie bin ich so einfältig und unterhalte Dich von meiner dicken Person. Wie hast Du Deine Zeit in Sanssouci zugebracht? Nun [da] Fritz da war, ging es wohl munter her. Ihr werdet wohl alle die lieben Plätzchen besucht haben, wenn nur das Wetter diese Ausflüchte erlaubt. Bei uns ist kompletter Oktober. Wir sind aber mehrer Male zu Pferde gewesen und mit dem Herzog von Cambridge4 und den Ungarn, einige weite Promenaden gemacht, was recht amüsant [war] und die Zeit hinbrachte. Die Gräfin Plessen, Ivenack, war hier.5 Sage doch Wilhelm, daß sein ekliger Adjudant6 jetzt recht angenehm geworden, und er allgemeine Achtung besitzt. Die Frau ist noch immer sonderbar mit Herren, aber es ist wahr, sie ist angenehm und unterhaltend. Die Zeit, die wir nun noch in Dobbran zubringen, wird ruhig vergehen, und wenn man nur denkt, daß man auf dem Lande lebet, keine anderen Ansprüche macht, so ist es selbst ganz charmant. Man beschränkt sich auf sich selbst, beschäftigt sich und so ist man vielleicht noch mehr zufrieden als vorher. Paul ruft, ich solle ins Theater. Die Engelmann aus Berlin ist hier, leb wohl, wenn ich kann, schreibe ich noch mal vor unserer Reise. Grüße Fritz, Wilhelm, Auguste, ist noch keine Aussicht zur Familie? Deine Adine Was macht William? Seinen Bruder7 hoffe ich von weitem zu sehen.
Brüssel, den 28ten September 1829 Wie lange habe ich nicht von Dir gehört, meine Elis, und wegen unseres Herumtreibens von einem Ort zum andern, glaube ich, der Freude entsagen zu müßen, von Deiner Hand einige Zeilen zu erhalten. In Frankfurth erfuhr ich durch Herrn von Rochow, Adjutant von Ohm Wilhelm,8 daß Du so krank gewesen. Es hat mich recht erschreckt. Von Luise hier hörte ich, daß Du doch schon wieder geschrieben, daß machte mich recht glücklich. Ich habe Deiner auch so viel auf der Reise denken müßen. Erst bin ich ja ein Tag in Braunschweig gewesen, habe deinen Cousin9 nur durch das Fenster gesehen, was mir eigentlich gar nicht recht [war]. Indessen Paul hatte sich nicht gemeldet. Wir haben uns das Schloß von Aussen recht angesehen, ich weiß auch, wo William wohnt. Dann haben wir den Stall besehen, wo er prächtige Pferde hat. Der Herzog fuhr grade zur Theaterprobe, wo er ge4 Prinz Adolph Friedrich von Großbritannien und Irland, Herzog von Cambridge (1774–1850). 5 Amelie Gräfin von Plessen, geb. Gräfin von Schwerin (1769–1831). 6 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Major, später General und Berater König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 7 Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873). 8 Theodor von Rochow (1794–1854), Adjutant des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). 9 Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873).
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wöhnlich die Morg[…].10 Hier erhielt ich eben Deinen Brief, der mich unendlich freut, unsere Seelen waren sich eben nah, meine Elis, wie ich Dich lieb habe, kann ich garnicht sagen. Du liebe Seele, nun bist Du wieder allein und wir beiden Schwestern sind so glücklich vereint hier. Mir ist es wie ein Traum hier in Brüssel und überhaubt auf der Reise zu sein. Am Rhein glaubte ich wirklich verrückt zu werden, nein, von so etwas Schönem kann man sich keinen Gedanken mache. Wir haben die Nacht vom 14ten–15ten September in Rüdesheim zugebracht, grade da, wo das Schöne so recht anfängt. Es war prächtiges Wetter und [wir] bestiegen zu Esel den Niederwald, sahen dort die 3 schönsten Punkte. Nein, wie mir da war, das kann ich nicht in Worten fassen. Den Blick am Rhein, die Burgen, die prächtigen grünen Berge. Ach es war so schön. Dann schifften wir uns ein in einer ziemlich schlechten Jagd,11 indessen, das that nichts, wir waren nur beschäftigt mit der herrlichen Gegend. In Rheinstein von Fritz Ludwig12 sind wir ausgestiegen und haben die Burg besehen, die mir nun außerordentlich gefiel. Wenn man auf dem einen Turm ist, so schwebt man ganz über dem Rhein. Dann sind wir weiter geschifft und in Bacherach wieder gelandet, um Stahleck zu besteigen, und dabei regnete es fürchterlich, den Weg schmal und glitschig, dicht am Abhang. Indessen wir kamen oben [an] und zur Belohnung schien oben die Sonne, so daß wir die Gegend doch sahen, und ich mir den Heinrich mit Agnes13 deutlich dort denken konnte. Und ich freue mich, daß es nun meiner Elis gehört.14 Ich glaube beinah, Du kannst es selbst noch nicht [glauben]. Es würde Dir gefallen, aber Fritz muß etwas dafür thun, daß es nicht ganz zerfällt. Von da an blieb das Wetter schlecht und wir setzten uns in Boppard in Wagen und fuhren nach Koblenz, wo wir um 8 Uhr ankamen. Den andern Tag haben wir die Festungswerke besehen, haben die Burg besehen, leider regnete es so, daß man von der schönen Aussicht garnichts sah, ich also nicht entzückt war, wie ich es mir gedacht und dann diese rosa Begleitung war so prosaisch. Den 29. Hier wurde ich unterbrochen von Paul, um zu Luise zu gehen. Ach, mit der wieder zusammen zu sein, das ist zu prächtig. Sie ist auch so glücklich, siehet alles mit andern Augen an, da sie mir nun alles sagen kann und wir Bemerkungen machen. Den ersten Tag aß ich bei ihr und den Abend waren wir bei der Königin15 zum Thee. Da saßen wir wie auf einer Insel, schwatzten mit einander und vergaßen fast alles um uns her. Die Königin, wie Du weißt, ist allerliebst, und stimmt so ganz mit unseren Gefühlen überein. Und Marianne, von der bin ich ganz entzückt. Erstlich ist sie sehr hübsch geworden, hat eine schöne Figur, sehr etwas nobles, ziehet sich recht gut an. Dann ist sie so freundlich und herzlich, spricht allerliebst, macht keine Frasen und doch gehet es ihr leicht und sie gefällt allgemein. Sie ist sehr einfach, hat ihren Kopf und resonniert gewaltig und ist 10 11 12 13
Rest des Satzes nicht zu entziffern. = Jacht, Schiff. Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). Gemeint ist die „Hochzeit von Stahleck“ zwischen Agnes von Staufen, Pfalzgräfin bei Rhein (1176– 1204), und Herzog Heinrich d.Ä. von Braunschweig, Pfalzgraf bei Rhein (1173–1227), während des staufisch-welfischen Thronstreits. 14 Die alte Wittelsbacherburg Stahleck hatte Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen 1829 seiner Frau Kronprinzessin Elisabeth geschenkt, ohne dass aber die Burgruine saniert wurde. 15 Königin Wilhelmine der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1774–1837).
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nicht wie der König, der sich tief neigt für die Leute, welche gegen ihn grob sind, sondern sie es ihnen gehörig fühlen. Ich glaube sehr, daß sie Dir gefallen wird. Sie scheint mir sehr in unsere Familie zu passen und ich glaube, sie wird die beiden Schwestern leicht ausstechen, ohne es zu wollen. Vorzüglich hat sie die Gabe, mit den alten Puderköpfen zu sprechen. Jetzt muß ich Dir doch sprechen von einem Ball, den uns Luise gegeben. Ich muß sagen, ich erwartete mir einen sehr steifen und langweiligen, aber es war ganz das Gegentheil. Die Gesellschaft ist charmant, wenigstens für einen Abend, die Tänzerinnen wie Tänzer recht gut. Die Toiletten sind nicht sehr elegant. Wie haben uns unendlich amüsiert, viele Bemerkungen gemacht, auch haben wir drei Herren mit denen wir am liebsten tanzen. Das ist der Kammerherr von Luise d’Utermon,16 der Mann von der Sonntag, Graf Rossi,17 das hat mich mal amüsiert, den Mann zu sehen. Er ist nicht hübsch, aber [hat] recht etwas aimables, elegantes. Doch begreife ich nicht, wie sie so eine Verbindung eingegangen ist. Sie ist zwar mit ihm ordentlich verheirathet, indessen er darf es nie eingestehen, weil er dann seinen Posten verlöhre und die Eltern es auch nie leiden würden. Er leugnet und gesteht es auch nicht, denn wenn man [mit] ihm davon spricht, so soll er immer sagen, es würde ihm eine Ehre sein. Der andere gute Tänzer ist von der russischen Legation Graf Linofski.18 Wir haben bis ½ 3 Uhr getanzt und sogar einen Cotillion, was hier selten, und Luise zu ersten Mal, da sie immer behaubtet, es gäbe keine gute Tänzer. Donnerstag haben wir noch einen Ball, da ziehen wir unsere Krepkleider mit Goldstreifen an. Auf den ersten waren wir auch egal,19 ein weiß Krep mit breiten bie’ und drei Rullo und ein Bucket von Rosen und feinen weißen Blumen.20 Den 1ten Oktober. Bis heute mußte der Brief liegen. Wir waren den Mittwoch nach Antwerpen, haben die schöne Stadt besehen, den Hafen, die süperbe Katedrale. Auf mich macht so eine schöne Kirche noch mehr Eindruck, da ich gar keine solche kenne. Ich habe recht an Fritz denken müßen, wie er wohl entzückt sein würde. Gestern haben wir dann den Ball bei Luise noch gehabt, und er war womöglich noch hübscher wie der erste, da wir nun bekannter und uns schon auf die guten Tänzer freuten. Luise war so glücklich und munter. Wir haben getanzt wie toll und noch heute denke ich mit Entzücken an die verfloßene Nacht. Nun leb wohl, den 5ten reisen wir ab nach Paris. Wir können nicht begreifen, daß Papa nicht gekommen oder vielmehr, kein Mensch schreibt, daß er nicht kommt. Seit 8 Tagen ist hier keine Nachricht aus Berlin gekommen. Anna21 ist fürchterlich bestohlen worden, ihr schönster Schmuck ist weg. Sie nimmt es aber sehr ruhig auf. Deine Adine 16 Henriëtte d’Oultremont de Wégimont (1792–1864), Hofdame bei Königin Wilhelmine der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 17 Carlo Graf Rossi (1797–1864), kors. Diplomat, 1827 verh. mit der Sängerin Henriette Sontag (1806–1854). 18 Person nicht zu identifizieren. Mglw. aus dem schlesisch-mährischen Adelsgeschlecht Lichnowsky. 19 Frz. = gleich. 20 Dahinter handschriftliche Skizze des beschriebenen Kleides. 21 Verm. Prinzessin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795– 1865), ab 1840 Königin der Niederlande.
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Briefe 1824–1850
Paris, den 7ten November 1829 Ich habe Deinen Brief vor ein paar Tagen erhalten. Wie Du weißt, macht er mir immer die größte Freude, und um Dir dies recht zu beweisen, sollst Du einen Brief von mir aus Paris bekommen. Das macht mir selbst Spaß. Ja, in Paris wären wir nun schon 5 Wochen, und ich sehne mich unendlich nach Haus zu meinen Kindern. Paris gefällt mit recht gut, aber ich möchte nicht hier immer wohnen. Nein, Deutschland ist mir doch lieber. Wir haben fast alles gesehen, worunter vieles war, was mich sehr interessiert. Erst von dem Kriege und dann von der Zeit des unglücklichen Louis XVI.,22 an den man recht vielseitig erinnert wird. Dann nahmen wir die Boutiquen sehr in Anspruch. Es ist wirklich etwas eigenes, die zu sehen. Sie nehmen manchmal eine oder auch zwei Etagen ein, und da findet man alles, was man sich nur denken kann. Doch es ist sonderbar, ich habe garnichts gesehen, was man nicht schon in Berlin gehabt. Diese Jahreszeit ist übrigens die unvortheilhafteste für Paris, da alle elegante Leute auf dem Lande sind, und die Moden erst im Dezember neu erscheinen. Einige hatten die Gefälligkeit, uns schon zu zeigen, was man den Winter tragen würde. Da war aber auch nichts besonders neues. Bei dem König wie bei dem Dauphin und Dauphine23 sind wir mit der äußersten Güte und Freundlichkeit aufgenommen worden. Sie überhäuften uns mit Aufmerksamkeit, wo sie nur denken können, daß uns etwas Spaß machen könnten zu sehen. So wurden wir eingeladen, so haben sie uns mit zum Maneuver und zu einer Parforcejagt mitgenommen. Beides hat mich sehr amüsiert. Erstens wegen der ungeheuer schlechten Art und die Jagd, weil ich noch nie eine mitgemacht. Eben komme ich von einer visite bei der Dauphine. Du siehest, ich bin liiert mit ihr. Sie ist wirklich so gütig für mich, daß ich suche, so höflich zu sein, wie ich kann. Sie war so gut und herzlich, hat mir ein schönes Bouquet von Rosen und Veilchen geschenkt. Denke Dir, auf der Straße werden noch immer Veilchen, Kornblumen, Rosen, Orangen, Jasmin usw. Bouquets verkauft. Sonst fängt es doch an, kühl zu werden, aber es ist prächtiges Wetter. Von Luise habe ich sehr oft Briefe gehabt. Ich habe ihr auch zwei Ballkleider machen laßen müßen und Blumen besorgt. Jetzt ist sie mit den Brüdern. Karl soll prächtiger Laune sein und einen Thee, den Marianne in ihrem Zimmer gegeben, sehr gewürzt haben. Marianne hatte selbst Punsch gemacht und Rührei. Luise liebt nicht sehr diese Art. Sie meint, die Bälle in Brüssel, die sie uns gegeben, wären hübscher gewesen. Ich kann sagen, daß ich mich lange nicht so amüsiert habe als dort. Ehe ich diesen Brief schließe, habe ich noch eine Bitte. Ob ich wohl darf unter Deiner Adresse eine Kiste nach
22 König Ludwig XVI. von Frankreich (1754–1793) wurde 1793 hingerichtet. 23 König Karl X. von Frankreich (1757–1836), König seit 1824. Der kinderlose Louis Antoine d‘Artois (1775–1844), Herzog von Angoulême, verh. mit Marie Thérèse Charlotte, geb. Prinzessin von Frankreich (1778–1851), „Madame Royal“.
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Berlin schicken mit Sachen, die ich dort vertheilen will? Dieser Brief bringt ein Herr von Lowtzow,24 der mit uns die ganze Zeit in Paris gewesen. Deine alte Adine [Ludwigslust, Dezember 1829] Liebe Elis, durch Auguste wirst Du erfahren haben, daß Wilhelm bei uns auf die Treppe gefallen ist und daß ihm eine Klappe, die nach dem Dach führt, auf den Kopf gefallen und ihn umgeworfen, so daß er stark auf die eine Schulter gefallen und Schmerzen in der Brust bekommen, so daß er nach der Parade, die er noch mitgemacht, zur Ader gelaßen, was ihm Erleichterung verschaffet, und er besser Athem holen kann. Jetzt liegt er ruhig und darf morgen noch nicht reisen aus Vorsicht. Am Kopf hat er auch einen heftigen Stoß, der jedoch garnichts zu sagen hat. Lebe wohl, dies nur zur Nachricht. Deine Adine Ich bin ganz außer mir.
24 Ludwig Wilhelm von Lowtzow (1809–1843), seit 1823 Offizier in der meckl.-schw. Garde, 1829 Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich, ab 1832 Premierleutnant und Regimentsadjutant beim meckl.-schw. Dragoner-Regiment, später Adjutant bei Generalmajor Johann Caspar von Boddien (1772–1845).
1830 Ludwigslust, den 8ten Januar 1830 Dein Brief, alter [sic!] Elis, hat mich recht erfreut. Gott gebe Dir auch in diesem Jahr Glück und Freude, und führe uns bald wieder zusammen. Vor dem Herbst wird aber wohl nichts daraus werden. Albert ist also wirklich fort und veneratis et fidelitas1 mit. Der wird gewiß ungenießbar zurück kehren, die holde Herrin wird ihn gewiß verziehen.2 Diese Woche, welche recht brillant werden sollte, vergeht nun ganz still, weil der Reisemarschall [von] Buch,3 welcher seit 30 Jahren immer um die Person des Großherzogs war, gestorben ist an der Wassersucht. Aber künftige Woche werden noch einige Bälle sein, den 18ten gehen wir dann nach Schwerin und bleiben da den Winter über. Am Dienstag hatten wir noch eine Schlittenfahrt bei Abend mit Fakeln im Holz gehabt. Es waren 20 Schlitten. Es nahm sich sehr hübsch aus, die Bäume so weiß und das Licht nun dazwischen. Nun ist es aber damit vorbei, denn es taut düchtig. Die Milder4 war auf ihrer Durchreise nach Berlin auf einige Tage hier und hat bei uns ein Concert gegeben, wo sie prächtig gesungen. Sie will nach Petersburg gehen, ein schrecklicher Gedanke finde ich. Du willst wissen, wie ich meine Kinder gefunden? Sie sind sehr gewachsen und die beiden ältesten studieren schon recht fleißig. Sie haben in den viertel Jahr rechte Fortschritte gemacht. Helmchen ist auch gewachsen, hat mich gleich erkannt und war wie die andern überglücklich, seine Mama wieder zu haben. Er spricht doch auch alles, aber undeutlich. Sonst hat sein Gesicht sich nicht verändert, und er ist noch sehr komisch. Da kommt er eben zur Thüre hinein und läßt Tante Kronprinzeß grüßen. Ich bedauere sehr, daß ich den Condova5 nicht kenne. Ich habe ihn nur im Theater im Neuen Palais am 13ten July gesehen, weiß eigentlich nicht mal, wie er aussiehet. Wie ist denn Mary, ziert sie sich noch so schrecklich? Und Auguste, siehest Du sie viel, hat mein Predigen wegen dem Anzug geholfen? Ich bedaure sehr, daß William noch immer leidend ist und nicht tanzen kann. Doch da ich nicht dort bin und diese Entbehrung nicht empfinde, so beruhige ich mich und wünsche ihm gute Besserung. Den 9ten. Ich hörte gestern mit einem recht noblen Wunsch auf und heute fange ich an mit einer Frage, die mich sehr beunruhigt. Nemlich an den Großherzog ist neulich ein Bericht gekommen über den Diebstahl der Jouvelen.6 Der Dieb ist entdeckt, aber von der Art, daß man keine Untersuchung über ihn halten kann, und die Jouvelen sind in 1 Lat. = mit den Verehrten und Treuen. 2 Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) war am 3. Jan. nach St. Petersburg abgereist für einen Besuch bei seiner Schwester Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860). 3 Helmuth Ludwig Theodor von Buch (1777–1830) war am 6. Jan. in Ludwigslust gestorben. 4 Anna Milder-Hauptmann (1785–1838), österr. Sängerin. 5 Person nicht zu identifzieren. Mglw. Cordova, ein Schauspieler, den Erbgroßherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin im Schlosstheater im Neuen Palais in Potsdam gesehen hatte. 6 Diamantenraub bei Kronprinz Wilhelm (II.) der Niederlande (1792–1849) und seiner Frau Kronprinzessin Anna Pawlowna (1795–1865) im Sept. 1829 in Brüssel.
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Frankfurth bei Rothschild. Nun sage mal, was soll man davon denken? Hat Fritz nichts darüber gehört? Hier hatte man auch schon von dem Verdacht gehört und findet ihn dadurch bestätigt. Ich kann Dir nicht sagen, wie mir dies so fatal ist und möchte daher gern mit einer Gewißheit dagegen sprechen. Wenn Du etwas weißt, schreib es mir doch. Nun lebwohl und wenn Du Dich recht amüsiert und siehst den Schwarzen7 Dir gegenüberstehen, so denke [an] Adine Von Luise hörte ich seit Weimar nichts, auch von Charlotte nichts.
Schwerin, den 10ten Februar 1830 Liebe Elis, Dein letzter Brief vom 11ten vorigen Monats, vor grade vier Wochen. Mein Gott ich erschrecke, daß ich so viel Zeit habe vorüber gehen laßen, ohne Dir zu schreiben. Nun ich mache keine Entschuldigung, da käme ich nicht wieder heraus, aber ich ärgere mich darüber, weil grade Dein letzter Brief so voll amüsantem war. Oh, schreibe mir recht viel von Bällen, von Blond, Schwarz, Sylvius8 - der Ungetreue. Ist er noch so beschäftigt mit der Firlemon, die Auguste auch so gefiel? Ich freue mich, daß sie die Golz9 gewählt. Es ist ein gutes, stilles Mädchen. Für die L’Estoque10 thut es mir leid. Sie bedurfte es. Sonntag ist wieder Ball bei Euch gewesen. Wie habe ich mich da vor einem Jahr so gut amüsiert. Es ist wohl unrecht von mir, aber ich sehne mich doch nach Berlin, es ist doch so etwas ganz anderes, wenn man mit verwandten Seelen zu thun hat. Hier und gar hier in Schwerin, wo ich wirklich noch alleine stehe, weil mir die Menschen fremder und dabei so ungemüthlich sind. Man kommt nicht weiter als wie man den ersten Tag gewesen. Die Bälle sind ohne alles Interesse, man dreht sich im Kreise, man weiß nicht warum. Daß ich mich hier auf einen Ball freute, das kenne ich garnicht mehr. In Berlin, da passiert es öfter. Nicht mal Francaise tanzen sie hier gern, wo es mir eine wahre Freude ist mit Mortie. Dabei fällt mir ein, man sagt, die chranke wäre strenger gezogen mit den Gesandten als früher. Doch bei Papa beim Dejeuner dansant waren sie alle gebeten. Wie hübsch mag es wohl da gewesen sein und den Tag hatte ich ja fast den Tod vor Schrecken über das Durchgehen der Pferde mit Paul im Schlitten gehabt. Er sieht noch ganz blau um die Augen aus. Ich kann Gott nicht genug danken, daß es so noch
7 Adolf von Bonin (1803–1872), ab Dez. 1830 Adjutant beim Generalkommando des Garde du Corps unter Herzog Karl zu Mecklenburg-Strelitz. 8 „Blond“ verm. Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862), „Schwarz“ Adolf von Bonin (1803–1872), „Sylvius“ Sylvius von Pückler (1800–1859). 9 Leopoldine von der Goltz (1810–1845), verh. 1831 mit Ferdinand von Kleist (1797–1867). 10 Verm. Luise von L’Estocq (1798–1879), Tochter von Anton Wilhelm von L’Estocq (1738–1815), preuß. General der Kavallerie, und Franziska Friederike, geb. von Koppelow (1759–1856), Oberhofmeisterin bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg.
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abgegangen. Nun werden die Meininger11 auch wohl in Berlin sein. Wie war denn das Widersehen? Etwas verändert wirst Du ihn wohl gefunden haben. Ich sehe Dein Gesicht dabei. Kanntest Du Marie schon? Wie gefällt sie Dir und wie findet man sie überhaubt? Was macht denn William? Karl schrieb vor einigen Tagen an Paul und sagte, er ginge nicht aus, weil er noch an seinem Fuß litt. Wenn Du mal an Charlotte wieder schreibst, so spreche ihr doch von William, denn die alte Orlof12 hat eine Passion für ihn. Charlotte schrieb mir neulich, wie mein Brief aus Berlin hinzugekommen, hätte sie sich gleich erkundigt, ob ich nichts über ihn gesagt. Leider werden in dieser Hinsicht meine Briefe diesen Winter sehr betrübt aussehen, darum übertrage ich es Dir. Wie stehet es mit Deiner Schwester Sophie? Geht es mit ihr in anderen Umständen noch gut? Amelie hat ja ein Töchterchen.13 Ich gratuliere. Adios meine liebe Elis, schreibe mir bald. Adine Schwerin, den 9ten März 1830 Welche Freude hast Du mir durch Deinen Brief und die hübschen Geschenke gemacht. Du bist recht gut, so an mich gedacht zu haben. Der Papagei ist ganz deliziös und gleich recht an Fritz, nemlich seinen gener, er macht hier den größten Efect. Recht mit Freude habe ich gehört, daß Du nach Dresden gingst. Wie hat sich das nur so schnell gemacht. Ich hoffe, Amélie14 wird wohl sein und sich recht Deiner Anwesenheit gefreut [haben]. Wenn wir nun wieder einmal reisen, dann gehen wir gewiß nach Dresden und Dessau. Deine Schwester muß ich kennen lernen. Hast Du Nachricht von Deiner Großmama?15 Wie sie den schweren Winter überstanden und wie es Sophie geht? Ich glaubte gleich, daß Dir Marie Meiningen gefallen würde, und wie ihr wohl das Herz aufgegangen ist in Berlin. Sie schrieb mir sehr glücklich und so viel von Dir, wie sie Dich lieb bekommen. Doch mir deucht, daß ich Dir dies schon geschrieben oder war es an Papa? Ich bin so confus, denn mein Geburtstag hat mir so viel Briefe eingebracht, die ich zum Theil schon beantwortet. Und doch liegt noch ein Korb voll da. Von Luise habe ich einen lieben Brief bekommen. Sie schickt mir ein Armband, so wie Du [eins] von ihr hast. Das wird auch eines werden, was ich immer trage. Marie und Auguste haben mir auch geschrieben. Letzterer Brief ist garzu fremd noch, mit schönen Phrasen. Wie geht es ihr denn? Marie Meiningen meint, sie blaß aussehend gefunden und verändert. Marie dagegen hübscher geworden. Siehst Du Dich denn noch viel mit Auguste? Mach nur, daß ihr Herz an dem 11 Herzog Bernhard II. von Sachsen-Meiningen (1800–1882), verh. 1825 Prinzessin Marie von Hessen-Kassel (1804–1888). 12 Mglw. Olga Alexandrowna Orlowa, geb. Scherebzowa (1807–1880), russ. Hoffräulein, verh. 1826 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861). 13 Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), bekam am 4. Febr. ihre Tochter Elisabeth (1830–1912). 14 Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). 15 Erbprinzessin Amalie von Baden, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1754–1832), Großmutter mütterlicherseits der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, geb. von Bayern.
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Deinen recht aufgeht. Siehst Du Tante Wilhelm zuweilen? Weißt Du, was mir neulich eingefallen ist, warum sie beide noch wenig entwickelt in Gefühlen sind? Sie haben noch nie aus dem Grund ihrer Seele geliebt. Marie mag gerne gefallen und liebt Karl gewiß recht sehr. Aber sie hat gewiß nie die feurige erste Liebe gekannt. Und Auguste, die hat ihren Wilhelm recht gern, aber die beseeligende Liebe kennt sie auch nicht. Was meinst Du dazu? Und laß uns nur gestehen, wir kennen das besser, und sind ohne uns zu rühmen, recht gute Ehefrauen. Das Wetter ist jetzt so schön. Die Sonne scheint warm, da muß ich an den Thiergarten denken, wo es recht lebendig und schön mag sein, wo wir vor 3 Jahren oder sind es 4 Jahre, so viel zusammen gingen, das war eine prächtige Zeit. Daß die Haak Pritwitz16 heirathet, wundert mich garnicht. Wie haben auch schon oft davon zusammen gesprochen und übereingekommen, wir möchten ihn nicht heirathen. Nun Adios, ich muß nun eilen mich zurecht zu machen, um auf das Eis zu gehen, wo heute eine Parthie ist, wo die Herren die Damen auf kleinen Piekschlitten fahren nach einem Ort, wo gefrühstückt wird, und dann kehren wir ebenso zurück. Deine alte Adine Wie geht es William, mein Gott, was macht sein Bruder für Sachen?17 Appropo, ist es wahr, was man vom Kumberland sagt?18 Die Tante wird mit ihrer eigenen Münze bezahlt. Was sie nun wohl betet? Ludwiglust, den 7ten Mai 1830 Der Briefwechsel ist ein wenig ins Stocken gerathen. Ich hatte die Hoffnung, Dich bald wiederzusehen, allein, es wird nun nichts daraus, da Tante Radziwils19 nicht kommt, weil Charlotte nach Antonin geht, und dann die ganze Familie nach dem Ruhberg20 sich begiebt. Mir ist es recht lieb, daß Elise nicht nach Berlin kommt, und da es der liebe Gott so eingerichtet, so ist es auch so gewiß besser. Sie schreibt mir im letzten Brief „Glaube mir, ich bin weit ruhiger, als Du denkst. Ich bin entschloßen zufrieden zu sein, was auch Gott fügen möge. Er wird geben, daß ich es sei.“ Man sieht, daß sie sich alle Mühe giebt, in ihrem Innern Frieden zu erhalten. Der möge ihr auch erhalten werden. Das rendez vous in Fischbach mit Charlotte wird göttlich sein. Mir kam die Nachricht davon sehr überra16 Karl von Prittwitz (1790–1871), verh. 1830 in zweiter Ehe mit Antoinette Gräfin von Hacke (1799–1874), preuß. Hofdame. 17 Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873) stand im Konflikt mit Hannover, was im Deutschen Bund für großes politisches Aufsehen sorgte. 18 Herzog Ernst August von Cumberland (1771–1851), ab 1837 König von Hannover, verh. 1815 mit Herzogin Friederike zu Mecklenburg-Strelitz (1778–1841), verw. Prinzessin von Preußen. Zwischen den Brüdern des im Sterben liegenden Königs Georg IV. (1762–1830) gab es Diskussionen um die Gleichberechtigung der Katholiken und auch die Besetzung des griechischen Königsthrons. 19 Prinzessin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 20 Schloss Ruhberg in Schlesien gehörte der Prinzessin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836).
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schend, denn ich ahnte nicht, daß der Kaiser nach Warschau ging. Ist schon entschieden, ob ihr drei Schwägerinnen auch hingeht? Leider werde ich wohl nicht hinkommen. Paul ist grade im Mai und Juni zu sehr beschäftigt. Wenn ich daran denke, möchte ich weinen, so nah zu sein, und daß so von weitem mit anzusehen. Daß nun auch Paul so viele Jahre nichts zu thun gehabt und es nun grade jetzt bekommen, ach, ich bin ärgerlich.21 Du, meine liebe Elis, bist wieder so krank gewesen, ich war recht in Sorge. So entfernt scheint einem alles schlimmer. Das schöne Wetter wird Dir auch wohl thun, vielleicht ziehst Du bald nach Sanssouci, wo Du eine cour brauchen kannst. Ich sitze den ganzen Tag auf meinem Balkon, umgeben von schönen Blumen und sehe zu meinen Füßen die grünen Bäume. In Potsdam muß es nun herrlich sein. Wie ich höre, ist neulich dort die Tante Hessen in ihre Stuben concert gewesen, wo alle die schönen Sängerinnen vereint. Papa schreibt mir sehr entzückt von der Sonntag.22 Hast Du gute Nachrichten von Deiner Großmama aus Baden? Man meint hier, der Tod ihrer Brüder hätte sie so erschüttert, daß sie sehr krank.23 Gib mir doch Nachricht von ihr. Sophie, die nun Großherzogin [ist], so bald hat sie sich es doch wohl nicht erwartet. Ihr Mann wird gewiß ein guter Regent.24 Wenn Du ihr schreibst, sage ihr doch ein Wörtchen von mir. Wie geht es William, sein Bruder wird nachgeben, wie man sagt. Adios, Deine alte Adine Ludwigslust, den 2ten Mai 1830 Dein lieber Brief liegt vor mir. Ich las ihn eben durch. Du bist eine zärtliche Schwester. Das spricht sich bei aller Gelegenheit aus und nun wieder, wo Du mich wünschest, in Fischbach zu sehen. Alle Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben. Doch weiß ich nicht, worauf ich sie gründe. Ich meine, man muß immer hoffen im Leben. Sonst geht es nicht. Mein Onkel Gustav ist ganz entzückt von aller Gnade und Güte der Familie, wo er Dich denn an die Spitze der Weiblichen stellt. Die Sonntag entzückt ihn. Nun ist diese Erscheinung auch vorüber. Heute reist sie wohl nach Warschau ab. Von Abreise fällt mir William ein.25 Er geht nach Wien. Wenn er nur nicht dem preußischen Rock untreu wird und dafür den bequemen östreichischen anzieht. Es wäre 21 Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin wurde, obgleich seit 1819 Thronfolger, von seinem Großvater Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin weitgehend beschäftigungslos gelassen. 22 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Sängerin. 23 Erbprinzessin Amalie von Baden, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1754–1832), deren Brüder Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt (1753–1830) und Herzog Christian von HessenDarmstadt (1763–1830) am 6. bzw. am 14. April gestorben waren. 24 Großherzog Ludwig I. von Baden (1763–1830) war am 30. März gestorben. Sein Nachfolger war Großherzog Leopold I. von Baden (1790–1852), verh. mit Prinzessin Sophie Wilhelmine von Holstein-Gottorp (1801–1865). 25 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) war preuß. Major im 2. Garde-Ulanen-Regiment.
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schade. Er liebt Wien und die liebenswürdige, schöne Cousine.26 Wäre auch nicht übel. Wie steht es denn mit ihrer in anderen Umständen? Die arme Nostitz,27 welche nach 18 stündigem Leiden ein totes Kind hat, wie traurig. Die Schulenburg wird wohl diesen Sommer heirathen. Wie ist denn Graf Arnim mit ihr,28 hat er schöne Geschenke gegeben wie der Bruder an Mahle?29 Ich bin diese Woche in Schwerin gewesen, habe mir die Gegend im Sommer angesehen. Sie ist wirklich recht schön. Es ist wirklich der Mühe werth, darum zu reisen. Ist Fritz schon weg nach Warschau, und sind Nachrichten von den Majestäten angekommen? Charlotte schreibt mir sehr fleißig, auch von Luise habe ich kürzlich einen Brief gehabt, der aber noch nicht beantwortet [ist]. Deiner ging vor. Du schriebst ihr vom Schwartzen,30 trotz Liebe und Schmerz tanzte er düchtig. Ich bin darüber etwas empfindlich, indessen ich tröste mich damit, daß die Jasmund31 geschrieben, er hätte sich rar gemacht. Du willst es nur nicht eingestehen, aus chalousie.32 Sage doch an Wilhelm, Luise hätte mir geschrieben. Er hätte ihr das Tournierbuch33 geschickt. Das war ja auch verloren gegangen. Nun hoffe ich, hat sich meins auch wieder angefunden. Er müßte es mir schaffen. Arme Luise, langweilt sich schrecklich im Haag und lamentiert, nicht nach Fischbach gehen zu können. Wenn sie nur wüßte, ich Dir so nah und daß es wahrscheinlich vorbei geht. Nein, ich will ja noch hoffen. Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Nun Adios. Die Droschke ist da. Adine
26 Verm. Amalie (1805–1853) oder Cäcilie, Prinzessinen von Schweden (1807–1844), im Exil am österr. Hof in Wien, Cousinen mütterlicherseits des Herzogs Wilhelm von Braunschweig. 27 Luise Gräfin von Hatzfeldt (1807–1858), verh. 1829 August Ludwig von Nostitz (1777–1866), preuß. Generalmajor und seit 1828 Generaladjutant von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 28 Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868) heiratete am 4. Aug. Anna Caroline Gräfin von der Schulenburg (1804–1886). 29 Adolf Heinrichs älterer Bruder Friedrich Ludwig Graf von Arnim-Boitzenburg (1796–1866) hatte 1829 Sophie Amalie von Heister (1800–1855) geheiratet, Tochter des preuß. Generalleutnants Levin von Heister. 30 Adolf von Bonin (1803–1872). 31 Karoline von Jasmund (1808–1875), Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen (1810–1883). 32 Frz. jalousie = Eifersucht, Neid. 33 Gebr. Gropius (Hg.): Beschreibung des Festes: Der Zauber der Weißen Rose … Berlin 1829. Das mit Lithographien geschmückte Festbuch publizierte das mittelalterliche Kostümfest, das am preuß. Hof zu Ehren des Geburtstags der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland am 13. Juli 1829 gegeben worden war.
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Ludwigslust, den 12ten Oktober 1830 Liebe Elis, gestern ist nun wohl Albert mit seiner Frau in Potsdam angekommen. Mir war das Herz recht schwer. Ich dachte immer daran. Bei jeder Stunde sah ich, was nun geschah und ich saß einsam in meiner Stube. Doch Freitag hoffe ich bestimmt in Potsdam einzutreffen. Wir werden um 3 Uhr ausfahren und können um 3 Uhr Nachtisch dort sein. Wie freue ich mich dazu, doch man kann jetzt nichts mit Gewißheit sagen, denn es ist eine schreckliche Zeit. Die arme Luise! In welchem Zustand die wohl ist. Ihren lieben Fritz, der von Meuterern umgeben, kein Verlaß auf die Truppen, eine Stadt nach der andern fällt ab und diese 1000 von Menschen, welche so geopfert worden sind.34 Ich glaube, Luise kann nicht mehr von dieser Sache ergriffen sein als ich. Ich fühle dies alles so mit ihr und welche Zukunft liegt noch vor uns verschleiert. Überhaubt wie sieht es in Deutschland aus. William, der nun einstweilig regiert, er, der sich dies so weit noch dachte, und nach welcher schreckens Scene ist er dazu gekommen. Die Braunschweigische Begebenheit hat mich mit wahrem Abscheu und Entsetzen erfüllt. Es ist zu fürchterlich, aber welche Umgebung hat auch Dein Vetter Karl gehabt.35 Wir haben in Hamburg Welzin36 gesprochen, der doch verjagt worden, was eine Wohlthat für das Land. Was das für ein Mensch ist, ein rechter Esel. Nun ich mag nicht mehr dem Papier anvertrauen. Hast Du Briefe von William seit er in Braunschweig ist? Wie ist ihm denn da, er kann wirklich ein rettender Engel für das Land sein. Das muß ihn glücklich machen. Von der anderen Seite muss es ein schreckliches Gefühl sein, auf diese Art es zu sein. Das Schloß, was so freundlich war, wo er als Kind und nun später gewohnt in Asche. Ich habe eine Zeichnung gesehen, wie es jetzt dasteht. Ein betrübender Anblick. In Dresden sieht es auch sonderbar aus,37 und in Cassel, da soll es fürchterlich sein. Es kam gestern hier ein Herr an, der da durch gekommen, auf den Plätzen ist alle Tage Volksversammlung und ein Böttcher ist der Rädelsführer. Da wird das Wohl des Staates besprochen und entschieden. Der Kuhrfürst muß zu allem ja sagen.38 Wie es scheint, ist die Zeit des Faustrechts wieder gekommen. Dieser Mann sagte aber auch, überall sehe man auf Preußen wie auf einen rettenden Engel. Mit welche Achtung und Liebe man von Papa überall spricht, das glaubte man garnicht so. Radziwils39 sind in Berlin angekommen. Wie freue ich mich darüber, wie wird das aber nun aber auf lange gehen? Luise hat mir viel von Auguste geschrieben. Sie scheint 34 Der blutige Volksaufstand in Brüssel vom 23. bis 27. Sept. endete mit einer Niederlage der von Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881) kommandierten niederl. Regierungstruppen. 35 Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873) musste fliehen, und das Residenzschloss wurde angezündet. Sein Bruder Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) folgte ihm daraufhin auf den Thron. 36 Baron von Weltzien, Hofmarschall am braunschw. Hof. 37 Im Okt. 1830 war die Entscheidung gefallen, dem Königreich Sachsen eine neue Verfassung zu geben und den Staat grundlegend zu verändern. 38 Nach Aufständen hatte es im Kurfürstentum Hessen-Kassel Verfassungsverhandlungen gegeben, die im Jan. 1831 zu einer der liberalsten Verfassungen im Deutschen Bund führte. Ein Böttcher Herbold war im Sept. in Kassel an der Mobilisierung des Volkes beteiligt. 39 Fürst Anton Radziwill (1775–1833) hatte 1796 Prinzessin Luise von Preußen (1770–1836) in einer nicht ebenbürtigen Verbindung geheiratet.
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noch nicht anders geworden. Nun ich werde alles bald selbst sehen, das ist ein großes Glück. Leb wohl behalte lieb Deine alte dicke Adine Hamburg, den 13ten November 1830 Liebe Elis, gestern wurde ich durch Deinen lieben Brief erfreut, womit schon die Vorfeier des heutigen Tages begann. Auch von hier aus ereilten Dich meine herzlichen Wünsche, möge es Dir immer wohl gehen und Du Deine alte dicke Adine lieb behalten. Wir feiern den Tag heute mit einem Concert von der Sonntag, die vorgestern zu erst hier gesungen und wirklich himmlisch gesungen. Ich habe sie noch nie so gehört. Leider war es aber sehr leer, da man hier etwas böse auf sie ist, und nun machen will, als wenn sie nur eine mittelmäßige Sängerin wäre, indessen, ich glaube, sie hat sie eines bessern überzeugt. Den 14ten. In Hamburg ist es nicht möglich, zwei Minuten sein eigen zu nennen, obendrein sind meine beiden Oheims auch hier. Die kommen dann zu mir. Onkel Gustav hat mir aufgetragen, ganz besonders vor seiner Kronprinzessin genannt zu werden und seine Wünsche zu Füßen gelegt zu wissen. Das Concert war dann gestern stickend voll, und sie hatte den größten Beifall. Sie ist wunderhübsch diesen Augenblick, sieht sehr wohl und frisch aus. Sie erwartet den Grafen Rossi,40 den sie abholen will, weil die Wege unsicher sind. Doch ganz gewiß ist es nicht. Es sind mehrere Offiziere aus Ludwigslust mit uns hier, und da ist einer, der soll sehr Deinem Vetter Karl von Braunschweig gleichen, so daß die Sonntag ihn par Durchlaucht anredete. Und da er sich zurück zog und verlegen antwortete, glaubte sie, er wollte nicht gekannt sein. Das hat so viel Aufsehen gemacht, daß die Polizei sich danach erkundigt. Wir haben uns sehr darüber amüsiert. Nur fürchteten wir, daß er um sein junges Leben kommen könnte, denn die Stimmung ist schrecklich gegen ihn. Nach allem, was in der Zeitung steht, scheint William sehr thätig und erwirbt sich viel Liebe. Der Einzug in Wolfenbüttel mag ihm mal unangenehm gewesen sein, wenn er noch so ist wie sonst. Den Prinz Radziwill41 will ich in Gold fassen lassen, daß er so eine Äußerung über ihn gemacht. Ich glaube, er würde sehr in der Familie dort gefallen haben. Wenn ehe, er mal wieder nach Berlin kommt, wenn ich nur dann auch da wäre, ich tröste mich sonst nie darüber. Daß Dein Neveu42 ihn nicht ersetzt, das begreife ich sehr wohl. Wenn es nur nicht die gute Reden43 hört, das amüsiert mich gar zu sehr, daß die so in Sorgen umher gegangen ist. Sie ist garzu gut. Ich liebe sie, meine Empfehlung ihr, wenn sie wüßte, bei welcher Gelegenheit ich ihrer gedacht. Ob Dein Geburtstag im Neuen Palais gefeiert worden ist? Das Wetter ist himmlisch, aber kühl. Wie laufen hier den ganzen Tag herum. Von Luise habe ich
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Carlo Graf Rossi (1797–1864), kors. Diplomat. Einer der beiden Söhne Fürst Anton Radziwills (1775–1833), die in preuß. Diensten standen. Frz. = Neffe. Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), Oberhofmeisterin der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen.
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ewig lange nichts gehört. Ich denke doch nun bald einen Brief zu erhalten. Was Wilhelm Oranien44 in England wohl auswirken will und wird? Leb wohl, Deine alte Adine Aus Spaß sende ich Dir von hier eine kleine Hulanen45 Mütze, in Deinen Farben, es sind zwei theure Gegenstände in eins gezogen. Fräulein Kameke wird Dir wohl meine kleinen Gaben überreicht haben. Ludwigslust, den 30ten November 1830 Liebe Elis, eben haben wir in der Zeitung und noch einem anderen Brief gelesen, worin sich es wirklich bestätigt, daß in Braunschweig von neuem Unruhen sind, die der Herzog Carl selbst veranlaßt durch Geldvertheilung.46 Ist es denn möglich, daß ein Regent so noch handeln kann, nachdem man ihn verjagt und er sieht, daß man ihn hasset, und er weiß, daß man seinen Bruder liebt, mit ihm zufrieden ist. Aber vielleicht ist das grade der Grund, wie schrecklich, wenn dies die Veranlaßung wäre. Daß sie feindlich sich gegenüberständen. Oder wird William Braunschweig verlaßen? Wenn Du etwas hörst oder Briefe von William bekommst, so theilst Du sie mir wohl mit, es interessiert mich sehr. Wie das nun wieder alle Gemüther beschäftigt. Kaum denkt man in Ruhe zu kommen, so geht es wieder von neuem los. Bei uns in Wismar sah es auch übel aus, doch es scheint sich ohne gewaltige Maßregeln zu beruhigen.47 Paul las mir eben aus der Staatszeitung die Proklamation von William vor. Er bleibt also. Wie wird sich dies alles nur endigen? Er hat doch Schutz beim König von England.48 Das ist mein Trost. Den 1ten December 1830. Wie schrecklich, daß wir schon am Ende des Jahres sind. Ich finde, man hat dies Jahr weniger auf die Jahreszeit geachtet und da überrumpelt sie einen, denn man hat ganz andere Dinge im Kopf. Ich finde, was wir erlebt und durchgemacht vom Monat August bis jetzt in den 5 Monaten ist, als wenn wir ein halbes Jahrhundert durchgemacht. Es ist schrecklich, und Gott weiß allein, was uns das neue Jahr bringen wird. Es gestaltet sich immer ernster. Wie ich gehört, ist am Geburtstag von Deinem Neveu ein Diner 44 Kronprinz Wilhelm (II.) der Niederlande (1792–1849) war bereit, die Unabhängigkeit Belgiens anzuerkennen, als dessen Schutzmacht England auftrat. 45 Ulanen. 46 Der geflohene und durch seinen Bruder Herzog Wilhelm (1806–1884) ersetzte Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873) versuchte u.a. damit wieder auf den braunschw. Thron zu kommen. 47 1830 kam es in Wismar zu Tumulten unter dem Advokaten Christian Düberg (1806–1873). Durch eine von 1200 Wismaranern unterzeichnete Protestschrift vom 9. Nov. 1830 hatte er versucht, den Rat zu einer Umgestaltung der Stadtverfassung zu bewegen, die einen Großteil der Bürgerschaft von der Mitwirkung ausschloss. Er initiierte unter seinem Vorsitz eine „Deputierten-Versammlung der ehrliebenden Bürgerschaft“ mit fast allen Gewerken der Stadt. Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin ließ die Deputierten-Versammlung verbieten und am 10. Dez. Militär in die Stadt einrücken. Die Stadt erhielt im Dez. noch eine neue Verfassung. Düberg wurde verhaftet, ging nach mehrmaliger Flucht nach Straßburg ins Exil, trat dann jedoch eine Festungshaft in Dömitz an. 48 König Wilhelm IV. von Großbritannien und Irland (1765–1837)
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und Ball bei Luxburg.49 Ihr mögt euch wohl recht gut amüsiert haben. Wir haben auch einmal wieder getanzt. Es war aber kein Ball. Nun ist uns wieder alle Lust vergangen. Leb wohl. Der Brief ist nur kurz und ich möchte aber doch, daß er bald in Deine Hände käme. Und die Post geht gleich ab. Adine Ludwigslust, den 6ten December 1830 Es ist eben 7 Uhr Morgens und wir wollen nach Schwerin fahren, wo Paul Geschäfte hat. Ich muß Dir aber noch in aller Eile danken für Deinen Brief, der Freudiges und Trauriges enthält. Erst will ich mit der Ankunft von Luise beginnen. Nein, ist es wirklich wahr? Es ist zu schön, kann so etwas glückliches noch in dieser Zeit geschehen? Man kann es kaum faßen. Nein, die Wonne, Luise endlich nach dieser Kummerzeit in Berlin, in unserer Familie und grade zur Weihnachtszeit und Neujahr! Damit das alte Jahr nicht zu schrecklich mit seiner Wirklichkeit von uns scheidet. Nun aber zu der Trauernachricht. Wie schrecklich in Warschau, auch von der Seite noch, obgleich man sich wundern mußte, daß Pohlen so lange ruhig. Constantin ist zu verhaßt.50 Was für Bluth ist um ihn gefloßen und wird es noch kosten. Der arme Kaiser dauert mich, den lieben sie doch. Übrigens sagten mir mehrere wie die Ministerin von Plessen51 und einige Herren, welche voriges Jahr und dies Jahr in Karlsbad mit Pohlen zusammen gewesen, daß die Stimmung schon damals schrecklich gegen den Großfürsten gewesen sei, sie gemeint, so unter seiner Geißel wollten sie es nicht länger aushalten. Alle diese Nachricht kam gestern grade an, wie wir alle versammelt, um etwas zu tanzen. Ich kann sagen, der Spaß war mir nun ganz verdorben. Ich war so schon nicht recht dazu aufgelegt, weil es bei uns im Lande garnicht besonders aussieht. Leb wohl, der Wagen steht vor der Thür. Wenn keine Stafette heute geht, so bleibt der Brief bis morgen liegen, wo erst die Schnellpost geht. Aber wir kommen erst gegen Abend zurück. Darum schreibe ich heute. Wenn Du nicht Zeit hast zu schreiben, so bitte doch Wilhelm, der mir so versprochen, es zu thun, so wie etwas interessantes vorkäme. Paul hatte einen Brief von William gehabt, aber ehe sein Bruder diese neue verrückte Idee gefaßt.52 Adios Adine
49 Friedrich Graf von Luxburg (1783–1856), bayr. Gesandter in Berlin. Verm. fand das Diner zu Ehren des bayr. Kronprinzen Maximilian (II.) Joseph (1811–1864) statt, der am 28. Nov. Geburtstag hatte. 50 Großfürst Konstantin Pawlowitsch von Russland (1779–1831), Bruder von Kaiser Nikolaus I. und russ. Generalstatthalter in Polen. 51 Sophie von Plessen, geb. Freiin von Campenhausen (1776–1835). 52 Der geflohene und durch seinen Bruder Herzog Wilhelm (1806–1884) ersetzte Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873) versuchte mit allen Mitteln wieder auf den Thron zu kommen.
1831 Schwerin, den 27ten Februar 1831 Liebe Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief und den schönen rosa Atlas, wie gut von Dir, meiner so ehrlich gedacht zu haben. Deinen Brief habe ich wirklich verschlungen und dann noch mal recht ordentlich gelesen. Ach Kind, ich sehne mich noch recht nach Berlin. Ich bin hier ganz traurig. Es ist mir so gewiß indifferent, das Leben. Ich laufe so hier herum, ich weiß nicht zu was. Schwerin ist auch garzu traurig nach dem hübschen Aufenthalt. Es war auch dies Jahr wieder zu schön, wenn ich in Ludwigslust wäre, dann würde es mir leichter werden. An meinem Geburtstag war ich den Morgen recht heiter und froh. Aber den Abend war Ball auf dem Schloß, da war ich ganz kaput. Ich habe mich mit zwei Landstände herum gequält.1 Da hatte ich genug und habe dann nur zwei Francaisen getanzt und rührte dann kein Bein mehr. Also war es für mich keine Freude, und ich dachte nach Berlin. Die schöne Musik zauberte mir die Bilder zurück, und ich verlohr mich in meine Gedanken. Das war meine Freude. Wie amüsierte mich die Beschreibung vom Schwarzen.2 Wirklich, auf dem Sonnabendsball fehlte er. Wie rührend, wenn es eine wirkliche reine wahre Neigung ist, und es ihn zum Glück spornet. Denn will ich es mir gefallen laßen. Ich muß es auch freilich so mir gefallen laßen. Den 1ten März. Ach Kind, da liegt mein Brief nun wieder zwei Tage. Gestern war ein froher Tag für mich, Fritz sein Geburtstag. Den Abend war Ball, der recht hübsch. Ich habe auch mehr getanzt wie an meinem. Doch nach Berlin will es nicht recht schmecken, und besonders alle die selben Musiker, wonach man nur so geflogen, hier muß man sich schleppen. Doch was leiere ich Dir davor. Ich habe einen Brief von Tante Minnetrost gestern gehabt. Einen prächtigen. Ich bin sehr glücklich darüber. Doch scheint sie sich nicht recht in Cöln zu gefallen. Sie spricht viel von Fritz Louis.3 Er wäre viel bei ihr, spreche sich recht aus. Auch Stolberg4 erwähnt sie en passent. Ich werde ihm nächstens schreiben, wenn erst alle meine Briefe abgeschrieben sind. Darum bekommst Du heute auch nur so einen kurzen, dummen Brief. Heute ist bei Asseburg5 Ball. Wenn ich da sein könnte und die Blumenfluhr mit den Schmetterlingen sehen. Adios, Adine
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Landtagsfähige Mitglieder der meckl. Großgrundbesitzer. Adolf von Bonin (1803–1872). Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). Mglw. Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1772–1854). Verm. Ludwig von der Asseburg (1796–1869).
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71 Schwerin den 28ten April 1831
Deinen lieben Brief bekam ich gestern. Wie habe ich mich über ihn gefreut. Du schreibst so recht viel von ihm, was ich grade so wünschte. Ich nehme sehr viel theil an allem, was ihn angeht. Oh, an seinem Geburtstag habe ich viel seiner gedacht. 6 Wie ich aus der Schlafstube kam und frühstückte, da hing mir sein Bild grade über. Ich wünschte ihm alles mögliche Glück und Muth zu seiner neuen Laufbahn. Es ist keine Kleinigkeit, ein Regent zu sein und besonders grade in dieser Zeit. Du hast sehr recht zu glauben, daß man ihn verkennen wird. Hier, wo jeder resonnieren muß, sind die Meinungen sehr getheilt, besonders nach zwei Briefen, die von seinem Bruder Karl an ihn geschrieben, in der Allgemeinen Zeittung abgedruckt waren.7 Ich habe sie nicht gelesen. Hast Du sie vielleicht gelesen? Sie sollen sehr schön sein. Wenn Du Nachricht hast, wie am 25ten dort zu gegangen ist, so läßt Du es mich wohl wissen. In einer halben Stunde fahren wir wieder nach Ludwigslust zurück. Es ist zwar jetzt hier sehr schön, mit dem frischen Grün. Gestern Abend schien der Mond so schön, beleuchtete das alte Schloß und spiegelte sich im See. Es war wie ein schönes Bild. Den 29ten. Heute ist der Geburtstag von Charlotte ihrem Alexander.8 Er wird 13 Jahre glaube ich. Von den Pohlen waren die letzten Nachrichten besser, daß heißt, die Rußen waren Sieger. Wenn da nur endlich das Glück wieder einkehren wollte. Deine Angst begreife ich sehr über Deiner Mama und Amelie. Die Menschen sind wie ganz toll, was wollen sie denn, das wißen sie aber selbst nicht, das schöne Dresden, wo man glücklich sein könnte.9 Den 30ten. Gestern wurde ich hier durch einen Besuch gestört, und nun liegt mein Brief noch. Heute ist der Geburtstag von Albert von Rudolstadt. Wie es ihm wohl geht? Auguste ist wieder guter Hoffnung, aber jaloux10 mehr wie je, wie ich höre, wodurch sie sich beide unglücklich fühlen.11 Wie sich die Menschen doch mit aller Mühe ihr Leben erschweren. Und er verdient gewiß glücklich zu sein. Ich möchte, er wäre nur halb so glücklich, wie ich es bin. Dein Neveu,12 der dich so amusiert, wie schlecht von Dir, es ist ein so guter, unverdorbener Junge. Ich möchte, mein Weißkrangen wäre so. Wilhelm will der Tante die Hände küssen. Was sagst Du dazu, daß Dein kleiner Liebling absolut Dir schreiben wollte, als ich ihm sagte, daß ich Dir schreibe. Von Tante Wilhelm hörte ich lange nichts. 6 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) hatte am 25. April Geburtstag. 7 Siehe „Außerordentliche Beilage der Allgemeinen Zeitung“, Nr. 128–133 (11.–15. April 1831), worin Herzog Karl II. von Braunschweig von Paris aus seinem Bruder Herzog Wilhelm die Unmöglichkeit seiner Regentschaft auseinandersetzte und sich über den Beschluss der dt. Bundesversammlung zur Herrschaftsübertragung im Herzogtum Braunschweig beschwerte. 8 Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881). 9 Gemeint ist die konstitutionelle sächsische Verfassung von 1831, die von den Großmächten misstrauisch beobachtet wurde. 10 Frz. = eifersüchtig. 11 Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869) diente in der preuß. Armee, verh. 1827 Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels (1804–1865). 12 Frz. = Neffe.
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Ich will aber bald mal wieder schreiben. Jetzt wird sie wohl ein ruhiges Leben führen, so ganz nach ihrem Geschmack und in der beneidenswerten Nähe von Anton Stolberg,13 dem ich auch noch beabsichtige zu schreiben. Leb wohl, die Schnellpost ist fort, doch der Brief soll heute weg, also nimmt ihn die Fahrpost mit. Deine Adine Dobbran, den 20ten August 1831 Liebe Elis, nun, wenn noch etwas aus unserem Plan wird, nach Berlin künftige Woche zu kommen, ein freundliches Gesicht von Dir zu erhalten, so schreibe ich heute noch schnell durch Oberst Besserer14, der uns allen recht lieb geworden ist und [den] wir nur ungern scheiden sehen. Die Furcht, daß die Cholera uns zuvorkommen könnte, hat unsere Reise nach Berlin beschleunigt. Mein Himmel, da kommt Besserer, um den Brief zu holen. Sei mir freundlich und zürne nicht der faulen Person, so ganz ist [es] auch nicht meine Schuld, weil ich viel bei der Königin15 bin. Leb wohl, bald sehen wir uns, ich habe Dir viel zu erzählen und werde Dich auch recht ausfragen. Deine alte, faule Adine Schwerin, den 14ten September 1831 Daß wir uns wiedersehen sollen, muß wohl der Himmel nicht wollen, meine Elis, denn seit dem Monat Mai als Deine Mutter in Berlin war und andere Leute, die ich so gern gesehen hätte, habe ich schon zwei Mal den Entschluß gefaßt, meine liebe Familie wieder zu besuchen. Allein, es wurde nichts davon, zuletzt wird Dir wohl Besserer16 gesagt haben, wie ich so eine Sehnsucht hatte, Papa und Euch alle vor dem Ausbruch der schrecklichen Krankheit zu sehen und wie darum gebetet, allein, es sollte wohl nicht sein. Nun sind wir wohl für lange Zeit getrennt, abgeschnitten vom geliebten Vater, Geschwister. Es ist sehr hart und die Zeit ruht schwerer auf uns. Gott schütze Euch nur alle. Du bist im lieben Sanssouci, manchmal mag es wohl schon ein wenig kühl sein. Später ziehest Du auch wohl nach dem Neuen Palais. Dir mag auch wohl mal recht bang gewesen sein, als unser dicker Fritz in Stettin. Mir fuhr es durch alle Glieder, als ich es hörte. So wird jeder geprüft. Wie ist es Dir denn in Schlesien gegangen? Du hattest Besuch von Karl und von Max,17 der nun fern in München ist. Ich hoffe, Du fühltest Dich so wohl, wie voriges Jahr nach Deinem Aufenthalt. Ich habe Deiner viel gedacht, wenn ich es auch 13 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854). 14 Adolf Friedrich von Besser (1777–1836), preuß. Offizier. 15 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854), war am 28. Juli in Doberan angekommen. 16 Adolf Friedrich von Besser (1777–1836), preuß. Offizier. 17 Prinz Karl von Bayern (1795–1875) und Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811– 1864).
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nicht schwarz auf weiß beweisen [kann]. Kein Tag verging, daß ich nicht mit Therese18 von Dir gesprochen. Ach, ich muß sagen, daß sie mir sehr gefallen hat. Sie ist unbeschreiblich gut, ist unendlich freundlich gegen jedermann, geniert keinen Menschen, im Gegentheil, sie belebt die Gesellschaft. Wir machten viele Parthien in der Umgegend, da war sie immer dabei. Die Gräfin Hahn und Reichenbach/Schlippenbachs,19 die ritten, und meine 2 Damen, da machten wir die Parthie zu Pferd. Otto20 ritt auch immer mit und amüsierte sich sehr. Er kam sich sehr groß vor. Besserer habe ich auch näher kennen gelernt, und hat mir sehr gefallen. Er ist recht liebenswürdig. Ich sah ihn ungern scheiden. Damals glaubte ich zwar, bald ihn wieder zu sehen. So gehet es uns. Heute erhielt ich einen Brief von meiner kleinen Schwägerin Helene aus Rudolstadt, die schreibt mir von Albert, wie er verändert sei, [sehe] so still und traurig aus. Und Auguste wäre so unendlich eifersüchtig.21 Er thäte ihr sehr leid. Er trüge es mit unendlicher Geduld. Wilhelm Solms hat sie auch dort gesehen mit seiner Frau.22 Sie hat ihr recht gut gefallen. Hast Du von ihm Nachricht? Ich weiß garnichts. Wie es ihm wohl gehet? Ob er wohl noch recht eifrig sich der Geschäfte annimmt? Ach, daß ich ihn nicht recht gesehen, wie glücklich mag er sich in Berlin gefühlt haben. Ja, 4 volle Monate sind seit der Zeit hingeschwunden. Was ist in der Zeit alles geschehen? Der arme Waddi23 ruht auch in der Erde, ihm ist wohl. Ich höre, die ganze Familie soll es mit vieler Fassung getragen haben. Noch sind sie in Töplitz, der Tante soll das Bad wohl bekommen. Wann ehe kehren sie wohl zurück? Da fällt mir noch grade ein, daß Therese mir aufgetragen hat, Dir zu sagen, wie unendlich leid es ihr wäre, Dich in Berlin nicht gesehen zu haben. Sie selbst durfte wegen ihrer Augen nicht schreiben. Ich soll also in ihrem Namen Dir und meinem Fritz recht herzlich danken, was ihr für Max in Berlin gethan. Sie würde es Euch nie vergessen, eben so auch, was Papa für Güte für ihn gehabt hätte. Bald wird Auguste wohl die Welt vernehmen, wenn es nach ihrer Figur gehet, wie man sagt, werden es Drillinge.24 Onkel Karl sagt, diese sehe man deutlich. Leb wohl, Gott schütze Dich und Euch alle. Ewig Deine Adine
18 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 19 Heinrich Gustav Gottlob von Reichenbach-Goschütz (1801–1869), verh. mit Adelheid Gräfin von Schlippenbach (1808–1888). Deren Schwester war Agnes Gräfin von Hahn, geb. von Schlippenbach (1812–1857). 20 Prinz Otto von Bayern (1815–1867). 21 Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869) und seine Ehefrau Auguste geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels (1804–1865). 22 Prinz Wilhelm zu Solms-Braunfels (1801–1868), verh. 1831 mit Maria Anna Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau (1809–1892). 23 Prinz Wladislaw Radziwill (1811–1831) war am 9. Juni gestorben. 24 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890), war schwanger.
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 31ten Oktober 1831 Heute könntest Du eher mich eigennützig nennen, denn ich will Nachricht von Dir, meine Elis, haben. Das schöne Wetter hat mich einige Posttage versäumen lassen, nun aber muß ich wieder von Euch hören. Mit dem Würtemberger25 warst Du allein, als mein Brief kam. Ei, Ei, das schien mir sehr gefährlich. Ist es ein angenehmes Männchen, eine neue Bekanntschaft, die mir bevorstehet? Wenn ich nur erst so weit wäre, Euch alle wiedersehen zu können. In Berlin nimmt es ab und wir werden sie nun wohl bekommen. Die nasse Witterung wird nun wohl ihren Anfang nehmen und denn, wir sind jetzt so umzingelt. Ich gehe mit Muth dieser Zeit entgegen. Gott wird uns schützen. Heute erhielt ich einen Brief von Charlotte und von Tante Marianne. Letztere hat ihren Geburtstag in Homburg zugebracht und Stolberg hat es so eingerichtet, daß er den Tag vorher noch eingetroffen. Die Tante sehnt sich doch auch manchmal zurück. Wie geht es nun mit Auguste? Die soll ja so sehr krank gewesen sein, nun sind [es] 12 Tage. Ist sie wohl schon aufgewesen?26 Den 1ten November. Gestern blieb ich mitten im Brief stecken, heute fängt ein neuer Monat an. Was wird der uns wieder neues bringen? Von Luise hörte ich nichts. Wie steht es mit Holland, nimmt es die Befehle an? Mir deucht, man springt wieder schlecht mit ihm um. Die Brandenburg27 soll so hübsche Sachen bekommen haben, doch Du hast es wohl nicht gesehen, denn noch seid ihr in Sanssouci, wo es aber jetzt wohl etwas kühl sein mag. Doch ich sehe Kaminfeuer lodern und die Theegesellschaft darum vereinigt. Es mag doch ganz behaglich sein. Wie ist denn Emilie jetzt?28 Ruhig und vernünftig? Wie war sie bei der Geburt des Sohnes? Tante Wilhelm schreibt mir, es käme ihr vor, als wenn Elise29 an Töplitz auch ein großes Interesse hat. Ich kann es mir denken. Sollte ihr Herz noch einmal sprechen, ach glücklich wäre es für sie wohl. Schreibe mir doch, ob Du etwas davon gehört hast. Hast Du gute Nachricht von den Deinen? Der Max ist mit Pottschi nach Italien.30 Das wird ihm gefallen. Und von ihm, wie gehet es, schreibt er fleißig? Möge es ihm wohl gehen in dieser ernsten Zeit. Leb wohl, Deine Adine
25 Verm. Prinz August von Württemberg (1813–1885), trat 1831 in preuß. Militärdienst und wurde dem Regiment Garde du Corps zugeteilt. 26 Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen (1831–1888), der spätere Kronprinz, König und Kaiser Friedrich III., wurde am 18. Okt. geboren. 27 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1885). 28 Emilie von Brockhausen (1802–1833), Hofdame der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. Sie hatte ein kurzes Verhältnis mit Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888), das durch die Heirat mit Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach beendet war, und heiratete 1832 Eugen von Dönhoff (1803–1871), seit 1830 Kammerherr der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 29 Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834). 30 Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864) und Franz von Pocci (1807–1876), bayr. Hofbeamter, Dichter und Zeichner.
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Meine geliebte Elis, Du wirst diesen Brief wohl an Deinem Geburtstag selbst oder doch gleich nachher erhalten. Also soll er Dir meine herzlichen Wünsche bringen, die gewiß recht aufrichtig sind und aus einem Herzen kommen, das Dich unaussprechlich liebt. Ja, meine theure Elis, ich halte sehr viel von Dir. Du bist immer so gut und lieb gegen mich gewesen. Und ich denke, Du wirst auch so gegen mich bleiben. Dein Geburtstag wird also mit der Taufe des kleinen Wilhelm begangen werden.31 Mir deucht, daß der erste Tag in Deinem neuen Jahr mit einer harten Probe anfängt, aber Du bist so gut wie ein Engel, und ich fühle mit Dir, was Du wohl nicht laut eingestehen magst. Das Mantellied von 30 Jahren kann man Dir nun vorsingen.32 Noch ein Jahr und ich singe es auch. Oh, es ist schaudervoll. Dabei fällt mir Eugenio ein.33 Was macht er? Hast Du ihn wohl mal in Sanssouci gesehen? Und die Prittwitz, was macht die?34 Von der höre ich nie etwas. Sie leben daher wohl sehr glücklich. Du glaubst wirklich, daß Elise35 in Östreich bleiben könnte? Ach, das wäre recht traurig so entfernt und dann vielleicht nicht einmal verstanden zu werden. Arme Seele, noch gebe ich auf die Gerede nichts. Einen Schwarzenberg,36 und wenn sie dann mal herkäme mit einem so wildfremden Mann, nein, ich kann es mir nicht denken. Von Elimi bie37 glaubst Du so gewiß zu sein, daß diese Liebe so ausgerottet und verschwunden. Wäre das wohl möglich, wenn man einmal recht geliebt hat. Die Liebe ist unauslöschbar. Sie kann tief im Herzen zurück gedrängt sein, aber aufhören, das ist unmöglich. Denn bei der geringsten Berührung steht sie wieder da. Rede ich nicht wie ein Buch, man könnte es drucken. Die Großfürstin Helene38 in Wisbaden oder Bibrich ist mir eine Sache, die ich nicht begreife. Ich beneide den Herzog nicht. Den 13ten. Ich glaubte, mein Brief sollte heute schon in Deinen Händen sein und um diesen Zweck hatte ich den Brief gestern mit in Ludwigslust, wo ich auf ein paar Stunden war. Allein, da kam ich zu nichts. Also empfange noch heute meinen herzlichen
31 Der am 18. Okt. geborene Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888) wurde am 13. Nov. getauft. 32 Gemeint ist das Lied über einen Soldatenmantel aus Karl Holteis Schauspiel „Lenore“ aus dem Jahr 1828 mit den Anfangszeilen: „Schier dreißig Jahre bist Du alt, hast manchen Sturm erlebt …“. 33 Verm. Eugen von Dönhoff (1803–1871), seit 1830 Kammerherr der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 34 Die preuß. Hofdame Antoinette Gräfin von Hacke (1799–1874) hatte am 25. April 1830 Karl von Prittwitz (1790–1871) geheiratet, preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 35 Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834). 36 Friedrich Karl Fürst zu Schwarzenberg (1800–1870), der als Major in österr. Diensten stand. Die Verbindung scheiterte, verm. da Prinzessin Elisa Radziwill in dieser Zeit an Tuberkulose erkrankte. 37 Sinn dunkel. Mglw. die Beziehung zwischen Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) und Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834). 38 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873).
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Glückwunsch, und damit schließe ich auch diese Zeilen. Deine Gesundheit und des kleinen Christen haben wir aus vollem Herzen getrunken. Dein auf ewig Adine Erzähle mir doch von der Taufe, was ihr angehabt, wie Auguste aussah.
Schwerin, den 2ten Dezember 1831 Geliebte Elis, lange habe ich diesmal mit meiner Antwort auf Deinen letzten Brief gezögert, aber heute zieht es mich mit Macht zu Dir. Du wirst sagen, wie ist sie interessiert, denn ich weiß durch einen Brief von Fräulein Kameke, daß heute Abend Onkel Karl39 sein Geburtstag bei Papa nachgefeiert wird durch Theater, Ballet und Ball. Die eigentlichen Ursachen sind doch wohl die Elslers,40 da wird Erlaucht wieder eifersüchtig sein. Es ist jetzt bald 6 Uhr, wo ihr beinah mit der toilette fertig seit und nach dem Louischen Palais fährt. Ich sehe alles erst im Grünen Saal sich versammeln und dann nach dem andern hinüber ziehen, wo wir sonst im Zwischen ackt sahen, ob gute Tänzer auch da wären, und dann die Mengen schäuslicher alter Weiber und schäuslichen Fröhlens. Du mußt mir im nächsten Brief recht viel von heute Abend schreiben. 1ten: Was hast Du angehabt, Max41 und Erlaucht? 2ten: Was für junge Damen? 3ten: Was für Tänzer, ob die Blumen und der Schmetterling da gewesen, ob er an der Heister42 die Cour gemacht? 4ten: Was für Stücke? Ach, ich lebe ganz auf, wenn ich an Berlin denke. Wenn ehe wird mir die Freude werden, Euch alle wieder zu sehen. Vielleicht Ende des Winters. Ehe aber die Krankheit nicht ganz aufhört, ist nicht daran zu denken, da die Grenzsperre auch ehe aufgehoben, und Großpapa, der jetzt in Ludwigslust, hat solche entsetzliche Furcht, daß er nicht mal an meinen Schwager Albert43 erlaubt hat, zu seinem Geburtstag zu kommen, trotzdem, daß er 10 Tage quarantaine halten wollte.44 Am Donnerstag gehen wir nach Ludwigslust, um den Geburtstag von Großpapa zu feiern, der am 10ten des Monats ist. Man glaubt, daß wenig Fremde dazu kommen werden, doch soll am Sonntag Ball bei uns sein. Ein Gedanke, der mir schrecklich, allein, Helene wünscht es sehr und es sind auch mehrere 39 Herzog Karl zu Mecklenburg-Strelitz (1785–1837) hatte am 30. Nov. Geburtstag. 40 Die beiden Schwestern Therese (1808–1878) und Fanny Elßler (1810–1884) waren bekannte österr. Tänzerinnen und feierten seit 1830 erste Erfolge in Berlin. Therese Elßler heiratete 1850 in morganatischer Ehe Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 41 Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864). 42 Hofdame der Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Mglw. Elisabeth Henriette Wilhelmine Sophie von Heister (1808–1867), verh. 1835 Ernst von Niebelschütz. 43 Herzog Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1812–1834). 44 Ab 1831 war auch in Europa eine Cholera-Pandemie ausgebrochen: Im Jahr zuvor war die Krankheit durch russ. Truppen von der indischen Grenze erstmals nach Europa gelangt. Von der baltischen Küste und Warschau breitete sie sich nach Großbritannien, Deutschland und Österreich (1831), Frankreich (1832) und in die Niederlande (1832) aus.
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junge tanzlustige Damen da, also wird es wohl gehen. Unter uns gesagt, frage ich nicht viel nach, da besonders die guten Tänzer, unsere Offiziere fehlen, da sie an der Grenze stehen. Am 12ten und 13ten kehren wir hier her wieder zurück. Ich bin auch ganz gern nun hier. Ist Auguste denn wirklich auch in Berlin? Wie gehet es ihr? War sie auch vielleicht heute da? Wenn sie sich nur nicht zu viel bietet. Dadurch macht sie sich auf lange schwach. Du bist neulich so gut gewesen und hast Fräulein von Kameke zum Thee gehabt. Es hat ihr sehr viel Freude gemacht. Die schrieb mir aber, als wenn die Unschuld sehr mit Emilie45 beschäftigt gewesen. – Also, die kleine Bülow46 wohnt in meinen Stuben, das thut mir leid. Die Golz47 hat aber doch auch eine Wohnung, hoffe ich, auf dem Palais bekommen. Wie ist denn die Dame Gans48 jetzt? Erlaucht hat viel Leiden nun auf einmal, die Elslers und diese. Leb wohl. Deine alte Adine Hast Du Nachricht von ihm? Ich dachte dieser Tage viel seiner!!!
Schwerin, den 15ten Dezember 1831 Tausend Dank, daß Du mir so ausführlich auf meine Fragen geantwortet hast. Ich war den ganzen Tag, an dem ich den Brief erhalten, so froh und heiter wie lange nicht. Ich hatte mich so in alles hineingedacht, daß ich glaubte, es mit durchlebt zu haben. Ach, die schöne Zeit von Berlin vergißt man doch nie. Alles interessiert mich, die Blumen, die Kleider, eine einzige Erscheinung muß die jüngste Brunn49 gewesen sein, ein verunglückter Junge. Wenn ich nur alles dies bald wieder sehe. Auf der heutigen Zeittung sind nur 4 krank, mein Gott, was ist das in einer Stadt wie Berlin. Ich hoffe immer mehr und mehr, zum Februar Euch alle wiederzusehen, wenn nur bis dahin in Havelberg auch alles aufhört, denn das ist uns näher und ehe der Kordon nicht aufgehoben und die Furcht vom alten Herrn50 nicht. Doch es ist noch lange hin, also Muth. Die Großfürstin Helene kommt am 18ten in Berlin an, wie man hier wißen will. Ach, erzähle mir von ihr, wie sie war und wie sie aussah. Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, ihre Aussichten sind trübe. Die fünfte 45 Emilie von Brockhausen (1802–1833), Hofdame der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, verh. 1832 Eugen von Dönhoff (1803–1871), seit 1830 Kammerherr der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 46 Mglw. Luise von Bülow-Dennewitz (1813–1905), Hofdame der Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 47 Verm. Juliane von Schack (1760–1835), verh. 1796 August Graf von der Goltz (1765–1832), preuß. Oberhofmarschall. 48 Verm. aus der märk. Adelsfamilie Gans zu Putlitz. 49 Die neunjährige Marie Charlotte Johanna Adolphine Ida von Oertzen (1822–1906), jüngste Tochter von Carl von Oertzen auf Brunn (1788–1837), verh. 1847 August Heinrich von der Lühe (1819– 1883). 50 Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin (1756–1837).
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Tochter würde mich wie ein Schreckenbild verfolgen.51 Jetzt ist es ein Jahr, daß Luise mit der Königin52 in Berlin ankam. Sie schrieb mir neulich davon und schon halb verzweifelt über den Gedanken, daß Albert mit Hofstaat bald abreisen sollten. Sie sagt, die 5 jungen, muntern Menschen hätten ganz neues Leben dort hineingebracht. Und Sylvius macht bedeutend die cour an Luise Constant,53 und Annette,54 die ihm die cour machte, protegiert nun dies. Auch sagt sie mir, daß er fast in jedem Brief, den ihr beide Euch schreibt, vorkäme, aber immer auf einer jämmerlicheren Art, denn mit dem Ausziehen der Uniform und des Schnurbarts sei alles von ihm abgefallen, eine köstliche Idee. Also, am Rock und an dem bischen Haar hing der ganze charmee. Es ist jammervoll. So würde es aber wohl mit allen andern gehen. Das ist eine traurige Entdeckung. Deine Sende hat nun schon ihren kleinen vertrakenden Thun geheiratet.55 Bien lui fasse.56 Ich möchte ihn nicht, mir wäre das auch nie eingefallen, daß die ein Paar werden könnten. Deine beiden Andern, die werden wohl weg bleiben, wenn die Unschuld nicht ernst noch macht.57 Ich glaube, hier bei mir wird auch bald eine von den neuen Hofdamen abgehen. Doch ich weiß nichts bestimmtes, also nenne ich auch keinen Theil. Luise schreibt mir, sie hätte in der letzten Nacht von William geträumt. Er wäre so aimable gewesen, wie sie ihn bei der ollen Stetten58 gesehen. Neulich sprach ich jemand, der ihn in Hannover gesehen, wo er wohl recht gut gefallen. Er wäre nun ein großer Liebhaber von der Jagd und wäre mit dem Herzog, ich weiß nicht wo gewesen. Ich möchte ihn wohl einmal wieder sehen. Wenn Helene in Berlin, wird wohl wieder ein Ball sein, dann schreibe mir recht ausführlich, so wie im letzten Brief und beobachte auch ein wenig. Tante Wilhelm kommt ja nach Berlin, welche Wonne. Elisabeth59 soll wohl eingesegnet werden. Auch, daß ich nicht da bin, um die liebe Minnetrost wieder zu sehen. Aber ich freue mich dennoch auch hier, und für Dich freut es mich. Wie sieht Elisabeth aus,
51 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), hatte bereits vier Töchter, bevor 1834 noch ein Mädchen geboren werden sollte. 52 Königin Wilhelmine der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1774–1837). 53 Sylvius von Pückler (1800–1859), preuß. Kammerherr, heiratete 1833 Louise Isabelle de Constant Rebecque (1809–1852), Tochter von Jean Victor de Constant Rebecque (1773–1850), niederl. Generalmajor und Stabschef bei König Wilhelm II. der Niederlande, seit 1819 Gouverneur der flandrischen Provinzen. 54 Person nicht zu identifizieren. 55 Philipp Wilhelm Ulrich von Thun (1784–1862), Flügeladjutant des preuß. Königs, verh. mit Mathilde von Senden (1802–1854), Tochter des hess. Gesandten in Berlin Carl von Senden (1752– 1833). 56 Frz. = Ihm viel Vergnügen! 57 Mglw. Emilie von Brockhausen (1802–1833) und Eugen von Dönhoff (1803–1871), als Hofdame und Kammerherr im Dienst bei Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. Emilie hatte kurzzeitig ein Verhältnis mit Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888), musste sich nach dessen Heirat 1829 vom Hof entfernen. Eugen von Dönhoff und Emilie von Brockhausen heirateten am 26. Mai 1832. 58 Verm. aus der fränk. Adelsfamilie von Stetten. 59 Prinzessin Elisabeth von Preußen (1815–1885), verh. 1836 mit Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877).
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unverändert? Ich hoffe, embelliert. Im Kalender ist ihr Bild frappant. Aber doch glaubt man, es sei eine große hübsche Person. Wem sie wohl zutheil wird? Ihm!!! Nun Adios. Weihnachten ist vor der Thür, ach, wie ich vor 6 Jahren die Überraschung machte, daß war himmlisch. Nimm auch dies Jahre meine kleine Gabe freundlich an. So auch der Dicke, auf dem Weihnachtstisch wird es sich einfinden. Deine alte Adine
1832 Schwerin, den 5ten Januar 1832 Vor aller erst, geliebte Elis, viel Glück zum Neuen Jahr. Möge der Himmel es Dir gut und wohl ergehen lassen. Und nun meinen einzigen Dank für das wunderhübsche Zeug. Es hat mir große Freude gemacht. Ich habe es mir gleich machen laßen und auf dem Thee, den wir in Ludwigslust hatten, angehabt und so viel effect damit gemacht, so bewundert worden, daß ich ganz stolz war. Ich bin sehr erfreut, daß die Spange Dir einigen Spaß gemacht und zugleich bin ich sehr dankbar, daß ihr am Weihnachtsabend meinen Schwager Albert1 so freundlich eingeladen und so reichlich beschenkt. Er war sehr glücklich darüber und schrieb so dankbar davon. Wir sind die 11 Tage, welche wir in Ludwigslust zugebracht, froh und heiter gewesen. Es that uns allen so wohl, einmal so lange ruhig an dem lieben Ort zuzubringen. Wir sind alle ordentlich alle aufgelebt. Den zweiten Weihnachtstag haben [wir] ein Liebhabertheater gehabt, was sehr hübsch war. Und dann wurde getanzt. So feierten wir auch den Sylvesterabend. Recht froh und heiter haben wir das sonst so traurige Jahr vollendet und das neue begonnen. Gott allein weiß, was es uns bringen wird. Ich hoffe, viel Gutes. Übrigens, wir Meklenburger haben eigentlich ein sehr glückliches Jahr gehabt, kein Krieg, gute Ernte, viel Ausfuhr und keine Cholera. Dies alles können wir erst erwarten, vielleicht beschützt uns der Himmel noch ferner. Die Kordons werden nun eingezogen, da es ja so gut in Berlin ist. Wenn doch nun erst alle Krankheit aufhört, daß man daran denken könnte, nach Berlin zu reisen. Doch vor Februar wird wohl nicht die Rede davon sein. Und dann fürchte ich immer, daß es erst nach meinem Geburtstag sein kann, weil man sich sehr darauf freut, ihn hier feiern zu können. Überhaubt denkt man schon sehr daran, den Winter heiter zu durchleben. Künftigen Freitag wird eine Art Sonnabendsball gegeben werden. Wenn die Truppe bis dahin zurück [ist], so kann es ganz gut werden. Sonst wird es schrecklich sein. Den 6ten. Gestern kamen Stöhrungen. Da blieb mein Brief liegen. Heute der Drei Königstag und Bohnenfest wird wohl bei euch gefeiert werden. Voriges Jahr war ich in Berlin. Die Bülow war Königin und ließ sich mit vieler Würde die Hand küssen.2 Ich weiß, Luise und ich, wir waren wüthend und die Königin war sehr komisch beim Knicks machen. Hernach wurde getanzt. Ich habe Dir noch garnicht für die zwei Briefe gedankt. Der erste, wie Helene3 dort gewesen war. Sie hat Dir sehr wohl gefallen. Aber ich glaube, ich schlage mich auch zur Partei von Tante Minnetrost. Ich traue ihr nicht, aber sehr hübsch soll sie sein. Papa findet Ähnlichkeit mit Mama. Du bist eine gute Seele, in der Stummen4 auch meiner gedacht zu haben. Wir haben sie manchmal zusammen gesehen und uns mit den Zusehenden beschäftigt. Der gute Schwarze5 dauert mich, so 1 Herzog Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1812–1834). 2 Das heißt nach dem Brauch des Bohnenfestes die Umkehrung der Hierarchie. 3 Verm. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873). 4 Sinn dunkel. 5 Adolf von Bonin (1803–1872).
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angegriffen von der Cholera zu sein. Er wird doch wohl zum Monat Februar wieder zurück sein? Ohne ihn kann ich mir hübsche Bälle nicht denken. Wie ich vernommen, seid ihr auf einem Ball von Schuckmann6 gewesen. Die geben ja alle Augenblicke einen Ball. Wenn sie nur späther auch noch so aimable wären. Ich möchte für mein Leben gern mal wieder in Berlin tanzen. Also Elisabeth7 hat sich nicht embelliert. Schade. So wie sie sonst, kann und wird sie ihm nie gefallen. Berede ihn doch im Februar nach Berlin zu kommen. Ich möchte so gerne ihn wieder sehen, aber erst Ende des Monats. Hier will man immer wißen, man sei gar nicht im Lande mit ihm zufrieden und fürchtet für die Auftritte wie in Kassel. Da sieht es doch aus, die arme Tante! Der Kurfritz soll sie so schlecht behandeln, und dies Weib, was er sich gekauft, soll recht gemein sein, aber klug und die Hessen bei ihrer schwachen Seite nehmen.8 Was macht denn Marianne, auch der muß ich auch noch antworten. Sie schrieb mir einen sehr freundlichen, französischen Brief, den ich deutsch beantworte. Der Tante Minnetrost lege mich zu Füßen. Ich kann mir Dein Glück denken mit ihr nun wieder sein zu können. Sie bleibt nun wohl ganz in Berlin, die liebe grüne Stube, der Fakelplatz, wann würde ich dort mein Licht leuchten laßen? Stolberg ist noch am Rhein, kommt er nicht auch zurück? Ich habe einen Brief von Elise gehabt, die mir recht zufrieden von Töplitz schreibt, schickt mir Haare von Ferdinand und Waddi,9 auch eine Lithographie von letzterem, recht ähnlich. Erlaucht hat mir so ein Buch geschickt mit den Lithographien, nein süperbe, oben hat sie selbst Kornblumen und Apfelblüthen gemahlt. Die Kornblumen hat sie gewiß mit Bedacht gewählt. Leb wohl, ewig Deine Adine Schwerin, den 21ten Januar 1832 Wenn Du meinen Brief bekömmst, geliebte Elis, wirst Du wohl schon mit der toilette zum Ordensfest bescheftigt sein. Was Euch Heulert wohl vorheulen wird. Dies Fest betraure ich grade nicht, mitmachen zu können, aber daß die schöne Aussicht euch bald wieder zu sehen so entfernt wieder steht durch die 9 Kranken, welche sich eingefunden. Ich kann nicht sagen, wie mich dies unglücklich macht. Es kostet mir viele Thränen. Im Februar wird es ein ganzes Jahr, daß ich Papa und Euch nicht sah. Und grade nach all dem Leiden sehnt man sich noch mehr zu den Theuren. Ich finde, man bekömmt auch
6 Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834), preuß. Innenminister. 7 Prinzessin Elisabeth von Preußen (1815–1885) heiratete am 22. Okt. 1836 Prinz Karl von HessenDarmstadt (1809–1877). 8 Die kurfürstliche Familie in Hessen-Kassel plagte vor allem das zerrüttete Familienleben von Kurfürst Wilhelm II. (1777–1847) und Kurfürstin Auguste (1780–1841), geb. Prinzessin von Preußen. Der autokratische Kurfürst lebte in Kassel mit seiner Mätresse zusammen, und Auguste hatte 1826 das Land verlassen. 9 Prinzessin Elisa Radziwill schickte Erinnerungen an ihre verstorbenen Brüder Prinz Ferdinand (1798–1828) und Prinz Wladislaw (1811–1831).
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außer diesen noch so viele traurige Nachrichten. Der alte Golz10 ist todt, ein so alter Bekannter, und die arme Gräfin Brühl, welche so leidend ist. Gott, das ist fürchterlich. Die arme Klausewitz wird hart geprüft.11 Du, liebe Elis, hast auch wieder den Husten gehabt, ich dachte, der würde in Sanssouci geblieben sein. Du bist doch eine gute Seele, mich nach dem Ball geschrieben zu haben. Es scheint, als wenn recht tanzlustig wieder aufgelegt. Hier haben wir erst zweimal getanzt, eine Art Sonnabendsball und ein Ball bei der Bourgeoisie. Dienstag gehe ich aber nach Ludwigslust, um Helenes Geburtstag mit zu feiern. Da ein Ball sein wird, auf den wir uns freuen, da die Offiziere nun wieder zurück sind. Sage mal, trägst Du gescheitelt Haar und die beiden Schwestern? Oder ist das bloß bei Papa seinem Hof, denn der soll es so hübsch finden. Ich werde mich nie dazu entschließen. Ich sehe schrecklich aus, dazu muß man jung und hübsch sein. Trägst Du auch die Puffen ganz niedrich wie im Modenjournal? Früher, weißt Du, gingen wir so. Das ist auch 12 Jahre her. Der Brandenburg12 stand es so gut. Ich muß Dir doch auch die Verlobung von Herrn von Sell mit meiner 2ten Hofdame, Fräulein von Massenbach anzeigen.13 Die Braut ist nicht hübsch, eher hässlich zu nennen, aber recht liebenswürdig. Leb wohl, die Post muß fort, also mein Brief auch. Schreib bald einmal wieder. Deine alte Adine Schwerin, den 12ten Februar 1832 Liebe Elis, wie lange habe ich wieder nicht geschrieben. Alle Tage nahm ich es mir vor, und jedesmal kam etwas dazwischen. Besonders nimmt der bevorstehende Maskenball alle Aufmerksamkeit in Anspruch. Ich werde als einer der Krebse erscheinen, muß aber vor viele Andern Costume angeben und mahlen. Und das nimmt schrecklich viel Zeit. Vor allen Dingen, geliebte Elis, muß ich Dir meine schöne Aussicht mittheilen, nehmlich, wenn Berlin wirklich frei bleibt von Kranken, so werden wir am 2ten März abends in Berlin eintreffen. Wenn nur nichts dazwischen kömmt, denn ich freue mich so unendlich. Es sind nicht mehr ganz 3 Wochen. Ich zittere ordentlich vor Wonne bei dem Gedanken, euch alle wiederzusehen. Vor allem Dich, meine Elis, die Du mir eine wahre liebe Schwester bist. Es wird himmlisch14 sein. Übermorgen ist es ein ganzes Jahr, daß ich in Berlin nicht gewesen, ein schrecklicher Gedanke. Aber nun leuchtet uns die Hoff10 August Graf von der Goltz (1765–1832), preuß. Oberhofmarschall, war am 17. Jan. in Berlin gestorben. 11 Sophia Gräfin von Brühl, geb. Gomm (1761–1837), war offenbar erkrankt. Ihre Tochter Marie Sophie von Clausewitz, geb. Gräfin von Brühl (1779–1836), hatte kurz zuvor im Nov. 1831 ihren Mann Carl von Clausewitz (1780–1831), preuß. Generalmajor und Militärreformer, vermutlich durch die Cholera verloren. 12 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1792–1850). 13 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (II.) von Mecklenburg-Schwerin, verlobte sich mit der meckl.-schw. Hofdame Sophie Fredericke Henriette Charlotte von Massenbach (1804–1842). 14 Verbessert aus „wirklich“.
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nung, das baldige Wiedersehen. Seitdem sich diese Möglichkeit gezeigt, lebe ich wieder ganz auf, sehe wohler aus und werde etwas stärker, bin heiter und lustig, denke auch an Putz und Eitelkeit. Unter anderem laße ich mir Dein rosa Altaskleid, was ich voriges Jahr von Dir bekam, zum Geburtstag machen, wo groß Diner auf dem Schloß sein wird. Und dann will ich mich in Berlin auch darin zeigen und eine Menge Eroberungen machen. Sollte man wohl glauben, daß eine Person von 29 Jahren so einen Unsinn schreiben kann? Schadet nichts, mein ich, wird doch richtig verstanden. Sage, kommen Strelitzens jetzt nach Berlin? Hier will man es nicht begreiflich finden, da in dieser Zeit grade die Vorarbeiten zum Landtag sind, wo der Landesherr doch eigentlich nicht fehlen darf. Paul ist jetzt diese Zeit in Schwerin recht fleißig gewesen und alle Leute freuen sich recht darüber. Großpapa ist nun auch seit gestern hier, aber wie man sagt, von einer schrecklichen Laune. Überhaubt wird er recht kindisch und schwach jetzt. Ich fahre bald hin, ihm meine visite zu machen. Den 13ten. Eben erhielt ich einen Brief von Fräulein von Kameke, die mir schreibt, daß heute ein dejeuner dansant bei Papa, und die Gesandten dazu eingeladen. Ach wie gern wäre ich auch da. Die Sonne scheint prächtig, wie freundlich und lustig wird es da sein. Ich habe aber Papa schon geschrieben, wenn ich nach Berlin käme, müßte er mir eins geben. Oh, schreib mir, was ihr anhabt? Der Ball bei Wartenslebens15 denke ich mir lebhaft. Voriges Jahr habe ich schon einen so mit durchgemacht. Er blieb dort die Haubtperson. Ob er nicht jetzt nach Berlin kömmt? Ich möchte ihn so gerne wiedersehen. Tante Minnetrost schrieb mir neulich einen so lieben Brief, aber was läßt sie mir nun ahnen. Elise, ich bin fast zu Salz vor Schreck geworden. Paul kennt den Gegenstand. Er soll nicht mehr jung sein, wenn es nemlich der älteste Sohn ist, und der jüngere, so ist es ein Windbeutel. Sage mir verblühmt eine Antwort darauf. Adios, an Mary muß ich noch schreiben. Adine Dem Dicken meinen innigsten Dank für seinen lieben Brief. Es war garzu gut von ihm. Nun wird er auch wohl zufrieden sein, daß wir am 2ten kommen.
Ludwigslust, den 4ten Mai 1832 Liebe, liebe Elis, endlich, wirst Du sagen, ein Brief von Adine. Sei mir nicht böse, liebe gute Schwester. Schelte auf dem Malen, welchen ich mich ganz ergeben. Und da sind die Morgende immer so rasch hin. Man weiß nicht, wie. Bald sehen wir uns nun wieder. Die liebe Luise hast Du schon seit 4 Tagen und bist gewiß in Peristan16 viel mit ihr zusam-
15 Mglw. Gustav Ludwig von Wartensleben (1796–1886), preuß. Gardeoffizier und später Kammerherr. 16 Exotischer Ortsname in der von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gestalteten Potsdamer Residenzlandschaft.
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men gewesen. Papa schrieb mir sehr glücklich, sie und die Kleine zu haben.17 Nur die holländische Sprache geniert ihn sehr. Am 18ten denken wir von hier abzureisen, so daß wir den Abend erst späth in Berlin ankommen, den andern Tag ganz munter und ausgeschlafen, mich in eure Arme werfen kann. Ich sehne mich sehr nach dem Augenblick. Ach, welche himmlische Zeit werden wir dann zusammen verleben. Ich hoffe, daß nichts dazwischen kömmt. Mein alter Großpapa ist diese Nacht recht krank gewesen. Es ist für die Alten eine schlimme Zeit jetzt, wo alles grün wird. So ist es in der Welt, so recht mit Ruhe soll man die Freuden nicht genießen. Einer oder der andere hat doch seine Angst. Und dazu rechne ich uns beide, denn was hätte ihm nicht begegnen können. Mein Himmel, wie erschrak ich, als diese Nachricht hier ankam.18 Ist es denn wirklich, daß es so schlechte Menschen giebt? Ihm nach dem Leben zu streben, und daß ein leiblicher Bruder so handeln kann. Und dieses Weib, Gott bewahre, daß unser Geschlecht sich so hinreißen laßen kann. Liebe Elis, schreib mir bitte, was Du von ihm über diese Geschichte weißt. Daß es mich interessiert, brauche ich Dir nicht zu sagen. Wir erhalten unsere Nachrichten immer aus Hamburg und da weiß man doch nicht, ob sie so wahr sind. Ich habe fast keinen andern Gedanken als diese Begebenheiten. Wie ihm wohl zu Muth ist? Diesen Winter bath ich ihn, er möchte sich nicht zu sicher glauben. Er ist zu gut, er muß erstmal drunter fahren, daß die Leute Nase und Ohren aufsperren, denn so meinen sie immer, er gebe sich nicht ernst genug mit der Regierung ab, er wäre indolent. Dein Aufenthalt in Dresden war gewiß recht angenehm und die Trauer hat vielleicht gemacht, daß Du mehr ruhig mit deiner Schwester sein konntest. Wie hast Du sie gefunden und wie war ihr Mann? Den letzten Tag vor meiner Abreise aus Berlin kamen die beiden Schwestern zu mir und haben gebeichtet. Mir war ganz bange, was kann ich grade nun sagen und wie nimmt man sie? Mit Auguste, glaube ich, kann man vernünftig sprechen. Mit Mary aber muß man predigen, nun daß sie nicht zu exaltiert wird. Nun lebwohl. An Papa und Luise werde ich nächstens auch schreiben. Deine Adine Dobbran, den 30ten Juni 1832 Liebe Elis, unser aller Butt ist dann gestern Abend um 6 Uhr Abends einpassiert und war sehr verwundert, die Nichten von Rußland nicht zu finden.19 Und erst heute Morgen durch deinen Brief erfuhren wir, daß sie noch nicht fortgereiset wären. Ich rechne nun, daß sie am 29ten wohl erst abgesegelt sind, also vor Dienstag nicht hier sein können. Der 17 Prinzessin Luise der Niederlande (1828–1871), Tochter von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 18 Mglw. ist der seit 1830 schwelende Thronkonflikt zwischen den Herzögen Karl II. (1804–1873) und Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) gemeint. 19 Die Großfürstinnen Marija (1818–1881), Olga (1822–1892) und Alexandra Nikolajewna (1825– 1844) von Russland, Töchter von Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, sollten geplant Doberan besuchen und dort auch Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen treffen, was aber nicht zustande kam.
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Abb. 4: König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, 1840/1845.
liebe Dicke wird so lange hier bleiben. Und nun hoffen wir noch bestimmt, daß Du liebe Elis noch zu uns kömmst. Deine Wohnung stand schon bis jetzt ganz bereit Dich aufzunehmen, weil wir glaubten, Du würdest wie heute hier eintreffen. Bitte, bitte Elis, erfülle unser aller Wunsch und komme noch. Dann mußt Du aber wenigstens 8 Tage hier bleiben, um Dich auch auszuruhen von der Reise. Den ersten Tag wirst Du bis Ludwigslust gehen und die Nacht in meinen Zimmern auf dem Schloß zu bringen. Laße nur durch Deinen Sekretär an meinen schreiben,20 dann findest Du alles bereit, denn sie haben dort schon Befehl zu allem. Und den zweiten Tag gehest Du bis hier, wo Du um 7-8 Uhr Abends hier sein kannst, denn 12 Stunden brauchst Du dazu. Fritz erzählte mir auch von einem kleinen Ball, der bei Abats gewesen, also hat Luise noch ihren Wunsch in Erfüllung gehen sehen. Und alles Schöne ist dagewesen, wie Luise wohl glücklich war. Und 20 Paul Heinrich Theodor Sasse, preuß. Kabinettssekretär, und C. Zöllner, meckl. Hofrat und Sekretär.
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Du hast auch so viel getanzt, aller Elis, hast Dich prächtig amüsiert. Das ist herrlich, bald werde ich wohl einen Brief von Luise bekommen mit gehörigen Erzählungen. Nun lebwohl, ich will an Papa noch schreiben und auch von Dir einfließen laßen. Auf baldiges Wiedersehen, Deine Adine Ludwigslust, den 19ten August 1832 Liebe Elis, garnicht habe ich Dir geschrieben, seitdem ich Deinen Brief bekam, der mir Dein Nichtkommen meldete. Seit dem sind noch allerhand Querstriche geschehn, aber auch manche Freude habe ich gehabt. So war mir das Zusammensein mit Auguste unendlich lieb und ich kann sagen, daß ich sie recht lieb gewonnen habe. Sie war sehr heiter und munter, und von Launen war nicht die Rede. Vorzüglich war sie unbeschreiblich gut für mich, als ich so leidend war, was 14 Tage fast angehalten. Meine Nerven taugten nichts, da hat sie mich gepflegt mit einer Aufmerksamkeit und Sorgfalt, wie sie mir helfen konnte. Auch bei dieser Gelegenheit habe ich die beiden Solms21 von einer recht vortheilhaften Seite kennen gelernt. Sie waren voller Aufmerksamkeit und theilten oft meine Einsamkeit. Karl (das bleibt unter uns) hat sich wenig Freude erworben. Er hatte ein ganz sonderbares Benehmen, so stolz und aufgeworfen war er, und gegen junge Damen unendlich dreist, so daß alle sich vor ihm fürchteten. Er war so ganz das Gegentheil von unserm lieben Butt, der wirklich so lieb und gut, wie wir ihn übrigens kennen, in Dobbran war, daß alle Menschen von ihm entzückt. Therese,22 dachte oft an die hübschen Abende, welche wir mit ihm bei ihr zugebracht, und wo er von der heitersten Laune war. Die böse Cholera hat sie und uns Alle so viel früher von Dobbran weggetrieben. Wir scheiden wieder mit recht schwerem Herzen voneinander. Doch habe ich sie dies Jahr nicht so viel gesehen wie voriges, da sie die Badestunde späther gewählt als die übrige Badegesellschaft. Und dann war ich viel mit Auguste. Dann reisete sie nach Putbus, kam krank zurück und ich ebenfalls. Da lag jeder in seinem Hause, und kaum waren wir beide wieder auf die Beine, als wir abreiseten. Großpapa ist heute Nachtisch hier angekommen, sehr wohl und munter. Die Krankheit hatte schnelle zugenommen und so war es doch besser, daß er hier kam. Am Mittwoch zum Theater denke ich in Berlin zu sein, ich freue mich sehr darauf, nur befürchte ich, daß auch etwas dazwischen kommen könnte, weil jetzt alle Augenblick etwas kommt, was alle Pläne umwirft. So war unsere Absicht heute, Karl nach Schwerin zu begleiten und ihm dort alles zu zeigen. Da bekamen wir die Nacht um 1 Uhr die Estafette, daß der Großherzog ankommen würde. Also ist er allein hinüber, kömmt bald zurück und will dann noch abreisen nach Berlin. Von Luise habe ich viele liebe Briefe bekommen, aber seit 3 Wochen habe ich nicht geschrie21 Die Prinzen Alexander (1807–1867) und Carl zu Solms-Braunfels (1812–1875), jüngere Söhne von Friederike geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1778–1841) aus deren zweiter Ehe mit Prinz Friedrich Wilhelm zu Solms-Braunfels (1770–1814), waren seit dem 7. Juli zu Besuch in Doberan und wohnten im Erbgroßherzoglichen Palais. 22 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854).
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ben, denn ich konnte es nicht aushalten. Auch an Charlotte bin ich Antwort schuldig. Sie hat mir so viele hübsche Geschenke gemacht, die eigentlich die Kinder mitbringen sollten. Auguste hat für mich die Antwort vorläufig übernommen. Nun sage ich Dir Lebewohl, denn ich muß mich noch etwas hinlegen, meinen Kopf ruhen. Der Großherzog will Thee bei mir trinken und seine Parthie machen. Du siehst, daß ich noch eine schwache Person bin. Wie wird das in Berlin werden? Du wohnst wohl noch in Sanssouci, wenn ich komme. Wann werde ich Dich dann sehen? Kommt William zum Manöver? Adine
1833 Schwerin, den 28ten Januar 1833 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen lieben Brief. Ich war glückselig, als ich Deine Hand auf der Adresse erkannte. Nur wenige Worte kann ich Dir heute senden, da wir heute unsern Abschiedsball geben, der zu meinem Schrecken sehr foll werden wird, indem viele Fremde angekommen und unser Haus sehr klein [ist].1 Sonnabend um 5 Uhr nachmittags denken wir in Berlin einzutreffen. Mach es doch bei den Geschwistern bekannt, denn zu ihnen zu kommen vor dem Sonnabendsball wird mir unmöglich. Vorzüglich wünschte ich, wenn Marianne schon dort hin gehet, daß ich sie vorher bei mir sehen könnte. Sage dies an Albert, denn die kann ich unmöglich auf einem Ball zum ersten Mal wiedersehen. Ach Kind, ich bin toll, wenn ich denke, bald bin ich unter Euch und was für Liebes werde ich alles wiedersehen. Dich, meine liebe Elis, Tante Minnetrost, Radziwils2 – es ist zu viel. Noch fürchte ich manchmal, es könnte etwas dazwischen kommen, wenn mein Schwager Albrecht3 nur glücklich die Masern übersteht. Ehrenstein ist seine Krankenpflegerin.4 Großpapa, welcher auch eine Zeit recht krank gewesen war, ist ganz wohl wieder. Am Donnerstag zu Helenes Geburtstag war ich in Ludwigslust gewesen, fand es aber dort ganz eigen, so verstimmt sah alles aus. Nur Helene war munter und glücklich über unsern Besuch. Mama fand ich auch sehr verändert, so schwach und matt. Ich bin ordentlich besorgt, doch klagt sie nicht und liebt nicht, daß man danach frägt. Der Februar ist ein schöner Monat. Was wird er alles bringen? Viel Freude! Leb wohl. Bald, bald sehe ich Dich, meine Elis. Deine alte Adine Frau von Hanneken5 wird also Donnerstag bei Aufmarsch wohl zuerst erscheinen. Arme Mary, das wird ein harter Moment.
1 Wenn sich Erbgroßherzog Paul Friedrich und Erbgroßherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin in Schwerin aufhielten, hatten sie ihre Wohnung im sogenannten Alten Palais oder Prinzenpalais am Alten Garten. Zuvor hatte es Paul Friedrichs Eltern Erbgroßherzog Friedrich Ludwig (1778–1819) und Erbprinzessin Helena von Mecklenburg-Schwerin, geb. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland (1784–1803), gehört. Nach seinem Regierungsantritt 1837 als Großherzog und der ständigen Verlegung der Residenz von Ludwigslust nach Schwerin wurde das Palais durch Baumeister Georg Adolf Demmler erneut erweitert und sollte dem großherzoglichen Paar als Wohnsitz bis zur Fertigstellung des Schlossumbaus dienen. Nach dem überraschend frühen Tod ihres Ehemannes 1842 nutzte es Großherzogin Alexandrine als Witwensitz (Alexandrinenpalais). 2 Fürst Anton Radziwill (1775–1833) und seine Ehefrau Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 3 Herzog Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1812–1834). 4 Mglw. Helene Juliane Elisabeth Stüdemann von Ehrenstein (1790–1868). 5 Mglw. Kunigunde von Fritsch zu Horchheim (1797–1839), verh. Woldemar von Hanneken (1789– 1849), 1833 preuß. Major, zuletzt Generalmajor.
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89 Pyrmont, den 20ten Juny 1833
Liebe Elis, den lieben Brief vom 10ten bekam ich vor einigen Tagen. Ich war unaussprechlich erfreut, als ich Deine Hand auf der Adresse erkannte. Freilich habe ich am Ball von Siam gedacht. Das war ein Abend, nein, so einzig und nie wieder zu erreichen. Wie Luise wohl zurück gedacht? Es mag an dem Tag nun vorgefallen sein, was da wolle, wenn wir doch bald Nachricht von ihr bekommen. Ach, ihr werdet sie schon lange haben, wenn ich noch in der peinlichen Ungewißheit sitze, obgleich ich ihr so viel näher bin. Doch keiner wird die Barmherzigkeit haben, gradezu mir zu schreiben. Und Fritz Oranien in Berlin. Mir ist die Nachricht in den Gliedern gefahren. Es muß etwas ganz besonderes vorgefallen sein, oder soll geschehen, daß grade er in diesem Augenblick gereiset. Gott gebe, daß es was gutes ist. Mir ist sehr bang, zum Guten hat man jetzt so wenig Muth. Obgleich es mir persöhnlich so gut geht, so will mir die Zukunft nicht heiter erscheinen. Wenn ich mich nur selbst verstünde, mein Inneres ist betrübt und ernst. Wirklich, man kann es sich nicht vorstellen, denn ich bin, wenn ich unter Menschen, immer heiter und lustig, und wenn ich in meiner Stube sitze, so möchte ich vergehen vor Trübsinn. Hier ohne Paul zu sein, ist mir schrecklich. Es ist mir so öde und lehr, und doch behagt mir das ganze ruhige Leben sehr. Ich erhole mich hier wirklich zusehens ordentlich unanständig. Ich werde dick und fett, habe rothe Backen, marschiere noch wo weit, fahre, reite auf Esel, sehe keinen Menschen als in der Allee, wo ich aber noch keine Bekanntschaft gemacht, weil garnichts da ist, was sich vorstellen lassen könnte. Heute kömmt aber der Wasa mit seiner unverheiratheten Schwester.6 Die Oberhofmeisterin Frau von Scharnhorst,7 so ist sie mir wenigstens genannt, ist schon hier, und am 25ten kömmt Cecile mit ihrem alten Mann.8 Ich freue mich sehr auf Deine beiden Cousinen. Das wird wohl mein einziger Umgang sein. Ob sie das angenehme Wesen von Sophie haben? Nun, ich schreibe Dir, wie wir uns behagen. Eigentlich wollte ich so lange warten, allein, mein Herz trieb mich doch früher dazu, Dir diese Zeilen zu senden. In Sanssouci muß es prächtig sein. Und wird nun endlich Deine Mutter bei Dir sein, die sich sehr lange erwarten laßen? Ich kann mir denken, daß ihr der Abschied von Dresden sehr schwer werden wird. Was wird sie nun so ohne Tochter anfangen? Hier in Pyrmont haben wir fast immer schönes Wetter. Wir gehen und fahren viel, gestern waren wir nach einem Ort gefahren, was 2 Meilen von hier. Schieder,9 ein Jagdschloß, was dem Fürst von Lippe gehört, und der grade heute mit seiner Frau und 8 Kinder hinzieht.10 Die Gegend ist prächtig, im Thal mit schönen, grün bewachsenen Bergen. Das Schloß ist nicht besonders, nur klein und alterthümlich, aber auf unangenehme Art. Unter andern hat die Fürstin nur eine Schlafstube mit dem Gemahl und 8 Kindern zusammen und daneben 6 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877) und seine Schwester Prinzessin Amalie von Schweden (1805– 1853). 7 Christa von Scharnhorst, Oberhofmeisterin am Hof in Oldenburg. 8 Prinzessin Cäcilie von Schweden (1807–1844), verh. 1831 Großherzog August I. von Oldenburg (1783–1853). 9 Jagdschloss und Sommerresidenz der Fürsten zur Lippe. 10 Fürst Leopold II. zur Lippe (1796–1851).
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eine kleine Wohnstube. Der Garten ist nur klein, aber sehr niedlich und mit vielen schattigen Parthien, wo man immer von Wind und Wetter geschützt. Tante Wilhelm ist nun wohl schon in Homburg, und Elschen ihr Geburtstag [wird] dort gefeiert. Ob der Ferdinand ihr noch gefährlich sein wird? Dabei fällt mir ein, in Hannover habe ich die Landgräfin gesehen und kennen gelernt.11 Das ist eine Maschiene, nein, so was sah ich noch nie. Die hat die Fräulein von Stein, welcher Bruder Ferdinand zuerst geliebt.12 Es ist ein hübsches Mädchen, aber sehr verblüht wie eine geknickte Rose. Es hat mich interessiert, sie zu sehen. Die Cambridge13 war sehr erfreut, mich zu sehen und wir haben viel geschwätzt. Sie geht nach Hamburg, um den König von Dänemark mit seiner Familie zu sehen. Der Herzogin kennt den König von sonst her, und dann reiset sie nach Strelitz, wo sie den Sommer bleibt. William wird nun wohl aus London zurück sein. Noch weiß ich nichts von meinen Treuen von dort. Ich möchte wohl wißen, wie es ihm geht. Unkraut, den du noch garnicht gesehen, das ist wirklich sehr traurig. Sollte er noch garnicht zurück sein? Auguste schrieb mir vor einiger Zeit, daß Du ihr zu verstehen gegeben, daß Du nur zu sensible gewesen, und nur durch die Ehe zu der jetzigen Seelenstärke gelangt. Sie meint, daß sie recht zu beneiden, denn bei ihr wäre es doch grade umgekehrt gewesen, was da nun zu thuen sei. Leb wohl meine Elis, denke mein, Adine Den berühmten Fersen,14 welchen du auch gesehen, wie amüsant, ich habe ihn mir so gedacht, wie Du ihn beschreibst, in seinem Benehmen etwas wagend.
Dobbran, den 1ten August 1833 Noch garnicht, meine liebe Elis, habe ich Dir gedankt für Deine beiden letzten Briefe, die sich hintereinander folgten vom 10ten July und vom 9ten. Erster brachte mir die frohe Kunde von Luisens Niederkunft, die ich schon etwas früher erfahren durch Fritz Oranien, der mir gleich geschrieben.15 Es war aber unbeschreiblich gut von Dir, daß Du meiner gedacht und bedacht warst, mir diese Freude so schnell als möglich zu verkünden. Nun ist Luise schon ganz auf und sehr wohl. Seit dem 9ten Tag habe ich nichts mehr von ihr gehört. Mit schwerem Herzen habe ich Pyrmont verlaßen, denn es hatte mir sehr wohl gethan an Seele und Leib. Ich habe mich unbeschreiblich erholt, doch fühle ich mitunter noch einige Schwäche, wenn etwas viel hintereinander vorgenommen wird. 11 Verm. Landgräfin Louise Charlotte von Hessen-Kassel-Rumpenheim, geb. Prinzessin von Dänemark (1789–1864). 12 Mglw. Prinz Friedrich Ferdinand von Dänemark (1792–1863). 13 Prinzessin Auguste von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1797–1889). 14 Aus der pomm. und balt. Adelsfamilie von Fersen. 15 Prinz Wilhelm der Niederlande (1833–1834), Sohn von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, wurde am 6. Juli geboren.
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Und dies betrübt mich hier, denn in Pyrmont, wo doch mehr ein gleichmäßiges Leben geführt, bemerkte ich es nicht. Die letzten 14 Tage waren sehr heiter verfloßen, denn William kam hin, gefiel sich so, daß er länger blieb, als er wollte. Er war sehr elegant, ganz frisch aus London gekommen, also höchst modern. Auch war er sehr freundlich und liebenswürdig. Fräulein von Kameke ist ganz von ihm entzückt und schwärmt förmlichst für ihn. Er aß fast täglich bei uns oder es waren an andern Orten Dines. Kurtz, den ganzen Tag brachten wir mehr oder weniger in seiner Gesellschaft zu, wo er sich wirklich nur immer im vortheilhaftesten Licht zeigte, so höflich und gesprächig war, daß er allgemein gefallen. Auf Bällen tantze er viel, so gar mit einer garstigen Prinzeß, die Tochter des Fürsten von Bückeburg,16 kurtz, liebenswürdig gegen alle Menschen. Die Frau seines Hofmarschalls Marenholz17 war da, eine junge hübsche Frau, die ihn adoriert. Wie er darüber denkt, blieb dunkel. Mit deiner Cousine Amelie18 bin ich sehr gut Freund geworden. Ich liebe sie unbeschreiblich. Fast alle Morgen, wo ich sie treulich von 6 ½ Uhr bis 8 Uhr beim Brunnentrinken ganz langsam geleitet, habe ich hernach um 8 ½ Uhr bei ihr Kaffee getrunken und oft bis 10 Uhr mich fest geschnakt, denn sie ist garzu lieb und herzig. Sie bedurfte der Erheiterung, und Du kennst mich, sie hat manchmal über mich lachen müßen. Ihre Kränklichkeit macht sie still und ernster, doch ihren Blicken entgeht nichts. Und dann kann sie komisch das Aufgefaßte mittheilen. Überhaubt, wenn wir beide allein waren oder auch nur beisammen in Gesellschaft waren, konnte sie doch heiter sein. Wir fuhren öfter mit einander, überhaubt, wie waren so viel beisammen wie möglich. Und die Trennung wurde uns daher Beiden sehr schwer. Denk Dir nur, wir schreiben uns, sie selbst schlug es mir vor. Da konnte ich denn nicht wiederstehen, und schon vom andern Tage unserer Abreise hat Amelie mir geschrieben einen so lieben Brief, der auch schon beantwortet. Wir haben oft von Dir gesprochen. Überhaubt, da ich so bekannt in Deiner Familie, durch Deine Liebe und Vertrauen, so war das schon ein Anziehepunkt. Cecile19 habe ich auch 8 Tage gesehen. Sie hat eine schöne Figur, doch das Gesicht nicht hübsch. Das Obertheil gleich der Herzogin von Cambridge und das Untertheil an Luise. Wir sind uns auch nicht nahe gekommen. Ich war immer verlegen mit ihr, und da ich das Glück kenne, wenn zwei Schwestern miteinander sind, so habe ich mich die Zeit über zurückgehalten. Wie Cecile fort war, habe ich mich auch Amelie mehr genähert, da ihr die Trennung so schwer geworden. Am 19ten, wo ich mit Euch erst in der Kapelle gebethet, machte ich eine Parthie allein mit meinen Damen nach Ohr,20 was an der Weser liegt, wo es prächtig war, um den Tag allein zuzubringen. Am Abend, wie [ich] zurückfuhr, sehe ich auf dem Hohenberg, über den wir nah unserem Thal mußten, zwei Damen, die mit dem Tuch winken. Und wer war es? Amelie, welche mir entgegen gefahren gekommen. Ich stieg bei ihr ein und so machten wir den Theil des Weges zusammen. So hatte sie immer tausend Beweise von Liebe für mich. Am 22ten reiseten wir 16 17 18 19
Eine der vier Töchter des Fürsten Georg Wilhelm von Schaumburg-Lippe (1784–1860). Der braunschw. Hofmarschall Freiherr von Mahrenholz. Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). Prinzessin Cäcilie von Schweden (1807–1844), verh. 1831 Großherzog August I. von Oldenburg (1783–1853). 20 Rittergut der Familie von Hake.
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ab, und kamen hier den 4ten Tag an, wo es ziemlich brillant. Es ist eine zahlreiche, lustige Gesellschaft, welche sich zu amüsieren sucht, wo es geht. Es sind schon zwei Thee dansans gewesen, wo ich garnicht getanzt aus lauter Vernunft. Nun soll ich mich anziehen, um nach dem Bade zu fahren, wo die Gesellschaft beisammen ißt. Es ist aber ein stürmischer Tag, obgleich der Himmel klahr ist. Den 5ten August. Nein, ich bin in Verzweiflung, ich habe die Post nach Berlin versäumt, und nun liegt der Brief noch hier. Also jetzt nur einige Worte. Den Geburtstag von Papa haben wir denn sehr heiter gefeiert. Das Wetter war schön. Den Morgen fuhren wir an der See, wo sich die Badegesellschaft zahlreich einfand, um zu gratulieren. Den Mittag wurde die Gesundheit getrunken, und viele folgten. Es war ein Lärmen, um toll zu werden, dem meine Nerven nicht gewachsen sind, ich auf dem Bett den Abend so angegriffen war, daß ich nicht tanzen konnte, mich mit dem Zusehen sehr amüsierte und nach dem Souper zu Bett begab. Einige Heirathen scheinen sich machen zu wollen, was nun dem Ganzen einen großen Glanz verleiht, und alle Menschen in reger Aufmerksamkeit erhält. Nun, leb wohl, meine Elis, grüße die Schönschwestern, denen ich auf mehrere Briefe Antwort schuldig bin. Deine alte Adine Denke Dir, der infame General Langermann ist hier,21 leider ein Meklenburger von Geburt, um meiner Gnade soll er sich nicht erfreuen.
Ludwigslust, den 30ten Oktober 1833 Dein Brief hat mich unaussprechlich gefreut, und ich kann Dir nicht genug danken, daß Du hast in dem Trubel an mich gedacht. Deinen Brief bekam ich am 28ten, grade an dem Tage, wo Du wohl recht betrübt gewesen sein wirst, da Sophie den Tag abreisen sollte. Ich dachte Deiner viel, was ich überhaubt oft thue, und nun lamentiere ich in Luisens Seele, daß Du erst im December nach Berlin zurückkehrst. Die Arme, wie mußt Du ihr fehlen. Sie wird sich ordentlich fremd fühlen. Hast Du ihr diese Nachricht schon mitgetheilt? Sie ist übrigens rasend faul im Schreiben. Ich habe ihr auch aus Berlin geschrieben, nach dem 4ten Oktober, und noch habe ich keine Antwort. Überhaubt, meine eifrigsten Correspondenten schweigen. Auguste hat mir aus Weimar auch erst einmal geschrieben, und ich antwortete ihr selbst aus Ivenak so gleich. Von Ivenak kann ich ein Liedchen singen, denn ich habe mich da prächtig amüsiert. Das Wetter war prächtig, einige Jagdten habe ich mitgeritten, daß heißt, die Barbie,22 Gräfin Hahn23 und ich. Wie waren zu Pferde und 21 Daniel Gottfried Georg Langermann (1791–1861), in Güstrow geboren, kämpfte in poln. Diensten gegen die russ. Truppen, trat 1832 in belg. Dienste. 22 Mglw. Pauline Clementine Ulrike von Wulffen (1800–1880), verh. 1819 Wilhelm von Barby (1795–1883), preuß. Rittmeister im Garde du Corps. 23 Agnes Gräfin von Hahn, geb. von Schlippenbach (1812–1854), verh. 1830 Friedrich Graf von Hahn (1804–1859).
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haben die Jagdt von Fern verfolgt. Manchmal freilich mußten wir rasch reiten, um sie im Auge zu behalten. 30 Herren ritten wohl. Alle in den rothen Röcken. Es sah süperbe aus. Die olle Rädern aus Potsdam mit 2 Töchtern und dem langen grünen Sohn waren da.24 Wie die gemein ist, so etwas ist mir nicht vorgekommen. Manchmal war ich ganz erschrocken. Wie Eugenio [es] mit der aushalten kann, ist mir unbegreiflich.25 Den 6ten November. Lange hat der Brief geruht und ich weiß auch nicht, ob er heute fertig wird, doch meine Erzählung aus Ivenak muß ich zu Ende führen. Graf Hahn26 hatte Graf Kalkreut27 zu sich nach Basedow eingeladen, und den brachte er mit zu Graf Plessen.28 Es hat mich sehr amüsiert, ihn dort zu sehen. Alle Abend wurde getanzt, aber nicht mit großem Eifer, da es nur war, um die Zeit hinzubringen und es weniger steif machte. Schon den ganzen Tag beisammen sein machte, daß der lange Räder sonderbare Manieren annahm, war mir fatal, doch wußte ich nicht es abzuhelfen, bis Kalkreut mir behilflich war. Er guvernierte mich förmlich, konnte nicht leiden, wenn ich mit ihm freundlich war. Auf eine Jagd nahm sich Kalkreuth sehr hübsch gegen mich. Wo die Lust der Jagd selbst Bülow29 von meiner Seite führte, blieb er neben mir und gab recht acht auf mein Pferd, damit mir nichts geschehn könnte. Diesmal sind wir auch in Burch Schlitz gewesen, was Bassewitz gehört.30 Es liegt prächtig, auf einem hohen Berg mit Buchen bewachsen, und von da übersieht man den Malchiner See, der sehr hübsche Ufer [hat], die mit lauter wohlhabende Güter beseht [sind]. Auch hier haben wir uns prächtig amüsiert. Den Abend war ein großer Ball, weil die Nachbarschaft sehr bedeutend. Bis 4 Uhr haben wir getanzt, 2 Cotillon unter andern, aber der erste diente bloß dazu, daß man, wie man tanzte, sich an kleine Tische setzte. Wir hatten einen lustigen, lauter Bekannte. Ich hatte meinen Tänzer, ein Herr von Müller,31 neben mir, Kalkreuth mit der Gräfin Plessen, der lange Räder und Gräfin Bassewitz und Leutnant Lanken32 von den Husaren mit Fräulein von Lowtzow.33 24 Aus der märk. Adelsfamilie von Redern (Rädern, Rödern). Mglw. Caroline von Rödern, geb. von Katzeler (1778–1849), und ihre jüngsten Kinder Alfred (geb. 1805), preuß. Sekondeleutnant im 5. Kürassier-Regiment, Natalie (1813–1902) und Auguste (geb. 1819) von Rödern. 25 Verm. Eugen von Dönhoff (1803–1871), seit 1830 Kammerherr der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 26 Friedrich Graf von Hahn (1804–1859). 27 Mglw. Richard Graf von Kalckreuth (1808–1879), preuß. Sekondeleutnant im 2. Garde-LandwehrKavallerie-Regiment, ab 1842 Kammerherr bei Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 28 Gustav Helmuth Theodor Dietrich Freiherr von Maltzahn, Graf von Plessen (1788–1862), Majoratsherr auf Ivenack und preuß. Oberstleutnant im Garde du Corps, verh. 1811 Cecilie von Rauch (1795–1855). 29 Jasper von Bülow (1794–1871), meckl.-schw. Oberforstmeister und Hofkavalier bei Erbgroßherzog Paul Friedrich und Erbgroßherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 30 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861), verh. Adele von Labes (1801–1855). 31 In Mecklenburg-Schwerin gab es mehrere Familien von Müller aus dem Briefadel. 32 Aus der rüg.-pomm. Adelsfamilie von der Lancken, Sekondeleutnant im preuß. Garde-HusarenRegiment. 33 Aus der meckl. Adelsfamilie von Lowtzow.
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Doch nun genug davon. Wie ich höre, hast Du Tegernsee schon verlaßen, weil Deine Mama findet, daß ihr der Aufenthalt nicht bekömmt. Ist es wirklich so, dann wird es Dir leid sein, das stille Thal verlaßen zu müßen, und mit der Ruhe wird es dann auch aus sein. Mir ist unbegreiflich, daß Deine Nichte Mathilde34 affectiert ist. Therese35 hat doch nichts davon. Nun im künftigen Monat ist wohl die Hochzeit? Ist sie eine glückliche Braut? Ist Max36 zurück, und wie? Noch so voller confidencen?37 In Griechenland sieht es auch nicht zu besten aus.38 Der Dicke entzückt alle Menschen am Rhein. Möge es nur von Dauer sein und wahr gemeint. Ich bekam vorgestern einen Brief von Luise, die mir schrieb, Fritz Oranien wäre bei Butt und seelig endlich einmal mit ihm längere Zeit zubringen zu dürfen. Sie zählt denn Stunden und Minuten, wo sie nach Berlin kömmt, freut sich unbendig. Ich habe ihr von Lorbeer, von Unkraut geschrieben, von allem möglichen. Dies alles wiederzusehen, amüsiert sie schrecklich. Mary schreibt mir oft, ach Kind, ich ängstige mich um sie. Es geht zu weit, Lorbeer hällt sie auch nicht mehr.39 Auf einige Parforce Jagden war sie mit. Da sind einige Dinge vorgefallen. Man spricht gewiß fürchterlich über sie. Gestern hat die olle Golz40 einen Thee gegeben. Man weiß nicht, wie sie dazu gekommen. Es sollte getanzt werden. Mary selbst ahnt nicht, wie es kommt, da sie niemand gesehen. Auguste, von der ich auch gestern einen Brief [bekam], schreibt auch in Verzweiflung über die Schwester. Was soll man aber thun? Ich will sie noch einmal recht dringend ermahnen. Nun lebwohl. Es ist Zeit, daß der Brief fort kömmt. Du schreibst mir wohl noch einmal, ehe Du zurückkehrst. Ewig Deine alte Adine An Therese viel Liebes. Und sage ihr, wie gern ich noch der Tage in Dobbran gedenke. Sie möchte mir nur immer so gut bleiben wie damals.
Ludwigslust, den 28ten December 1833 Meine liebe Elis! Gestern Abend erhielt ich Dein schönes Kleid, was mir ein Zeichen war, daß Du meiner auch in der Ferne gedacht. Tausend Dank für Deine Liebe, die mir aber auch in dem nun bald beginnenden Neuen Jahr erhalten werden muß. Wie Luise wohl 34 Prinzessin Mathilde Karoline von Bayern (1813–1862) heiratete am 26. Dez. Erbgroßherzog Ludwig (III.) von Hessen-Darmstadt (1806–1877). 35 Königin Therese von Bayern (1792–1854), geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen. 36 Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864). 37 Frz. = Vertrauen. 38 Gemeint ist der schwierige Aufbau einer griechischen Monarchie unter dem bayr. Prinzen Otto, als König Otto I. von Griechenland (1815–1867). 39 Mit Lorbeer und Unkraut sind wohl Personen aus dem Umfeld des preußischen Hofs gemeint, die nicht zu identifizieren sind. Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, verhielt sich in den Augen ihrer Familie offenbar recht sorglos und leichtsinnig. 40 Verm. Juliane von Schack (1760–1835), Witwe des preuß. Oberhofmarschalls August von der Goltz (1765–1832).
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seelig ist, Dich nun wieder um sich zu haben. Sie war wohl schon sehr glücklich in Berlin. Du hast ihr aber unendlich gefehlt, so bei Bällen und Festen, wo sie gerne ein verwandtes Auge begegnet, um ohne Worte verstanden zu werden. Sie hat schon sehr frohe Zeiten in Berlin zugebracht und alte Flammen fangen an wieder zu lodern. Ich bin sehr neugierig, auf welcher Seite der südliche Baum sich neigen wird. Ob er der ersten treu bleibt. Mir will das nicht recht denkbar sein. Wenn es wirklich der Fall und es wird gemerkt, dann fürchte ich viel. Obgleich es eine radical cur sein könnte, nun ganz geheilt zu werden. Meine ernste correspondence gehet noch immer fort, und ich hoffe und schmeichle mir damit, daß sie wenigstens dahin gewirkt, den Entschluß gefaßt zu haben, sich überwinden zu wollen, und es auf 2 Bälle wenigstens dahin ausgeführt, nicht mit ihm getanzt zu haben. Deine Reise hast Du sehr rasch zurückgelegt und wohl ein wenig angegriffen. Welch eine glückliche Zeit mußt Du aber verlebt haben. Nach Deinem letzten Brief von Ende November waren viele Bälle, wo Du Dich prächtig amüsiert und selbst getanzt [hast]. Wie begreife ich das, daß in der Heimath einem das Herz aufgeht und man sich so ganz anders fühlt. Der Abschied von Deiner theuren Mama und von so vielen Lieben ist denn recht herbe, für die Zurückbleibenden doch am härtesten. In Berlin hast Du gleich Fremde vorgefunden, Wilhelm Oranien mit seinem großen Sohn.41 Ich freue mich, daß er nach Petersburg geht. Daß sich alle Gemüther wieder beruhigen und vereinigen. Auch dieser Besuch in Berlin war gewiß zum Guten. Nun ist auch wohl unsere liebe aufgeblasene nach Wien abgereiset. Gebe Gott, daß sie was vernünftiges zusammen berathen. Wir beschäftigen uns jetzt sehr mit costüme zu einem Maskenball, den Onkel Gustav am 3ten Januar geben will. Man verspricht sich viel Vergnügen, und ich freue mich auch sehr darauf, weil ich dann den andern Mittag abreise, um Euch, ihr Lieben, wiederzusehen. Leb wohl, ich muß noch heute eine Menge Briefe schreiben, behalte lieb Deine alte Adine
41 Kronprinz Wilhelm (1792–1849) und sein ältester Sohn Prinz Wilhelm (1817–1890) der Niederlande, als Wilhelm II. und Wilhelm III. spätere Könige der Niederlande.
1834 Schwerin, den 9ten April 1834 Meine liebe Elis, Du wirst, wenn Du meine Hand auf dem couvert erkennst, sagen, na!, das ist doch endlich Zeit, daß sie an mich gedacht. Du thust mir aber recht unrecht, wenn Du glaubst, daß ich Deiner nicht gedacht. Ich liebe Dich so recht von Herzen, aber wenn man ins Aufschieben kömmt, dann ist man auch verlohren. Zuerst will ich Dir danken, daß Du mir das andere Goldrosen Diadem mit Steinen geschickt. Es kam am Ostern Festtag an, wie ich meins auf dem Kopf hatte, und da konnte ich mich nicht mehr entschließen, mein erstes herauszugeben. Darum kam das selbe zurück, doch noch tausend Dank dafür. Hier hat man es sehr bewundert, und überhaubt alle meine mitgebrachten Goldsachen. Vom Großherzog bekam ich bei meiner Rückkehr ein blonden Kleid, ganz glatt mit einer Borte unten und eine Echarpe1 dazu. Das hatte ich zu dem Diadem an und das Halsband von Papa. Wie ich von Mary gehört, bist Du an Husten recht leidend gewesen. Den hast Du Dir wohl in Potsdam geholt bei dem Herüberbegleiten von Luise. Ich habe einen langen traurigen Brief von ihr, worin sie mir den Abschied von Potsdam beschreibt, auch noch die Herüberfahrt. Es war ein schrecklicher Tag! Ich war auch so mürbe und gekränkt von dem Abschied, daß ich wirklich ankam wie eine Kranke. Und die arme Luise, welche nun 5 Tage so gereiset ist, sie ist auch noch ganz angegriffen und matt davon. Und ihre Kräfte erliegen immer von neuem, wenn sie denkt, daß nun der alte Schlendrian wieder angehet. Für sie ist es auch so viel trauriger, weil sie sich so schwer in ihr Verhältnis findet. Es mag auch ein trauriges Leben sein. In Ludwigslust lebte ich hier, ich weiß nicht wie, wie in einem Traum. Ich hatte so eine Ruhe in mir, die keine rechte war, so tonlos, so kraftlos. Doch war ich damit zufrieden. Ich erhielt mich mit Mühe darin, um nicht daraus aufzuwachen und die Wirklichkeit zu erkennen. Bis hier her hielt es sich auch, aber in Schwerin, wo ich so ungern bin, da will es garnicht gehen. Ich muß düchtig an mich arbeiten. Nun, Du begreifst das auch recht, da Du es nicht längst erst durchgemacht hast. Doch Paul merkt davon nichts, der ist so gern hier. Alle Abend gehen wir ins Theater, doch manchmal bleibe ich zu Haus. Das ist dann so eine Wohlthat. Das Wetter ist hier schäuslich, so kalt, wegen die Seen noch mehr wie woanders. Heute konnte ich garnicht heraus, und die Zeit habe ich benutzt, Dir zu schreiben, was mir so wohl thut, denn ich hatte mich schon lange danach gesehnt. Und ich glaube, die beiden Briefe von Mary und Auguste, welche ich zu beantworten hatte, haben mich das Schreiben scheuen laßen. Wie geht es mit William, hast Du Briefe seitdem? Ich hoffe, er ist wieder ganz hergestellt! Von Amélie2 habe ich aus Wien Briefe bekommen. Sie erkundigt sich nach Deiner Gesundheit. Den 20ten Juny wird sie in Pyrmont eintreffen, und wo ich dann auch sein werde. Sie schreibt sehr herzlich und freundlich über unser Wiedersehen. Ihre Schwäge1 Frz. = Schal. 2 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853).
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rin3 hat den großen Wunsch, zur Mutter zu reisen und will ihr Kind mitnehmen. Das findet nun Schwierigkeit. Man will es ihr nicht mitgeben. Amélie selbst fühlt sich viel wohler und will sich gerne in Dresden aufhallten bei Deinen Schwestern, weil sie voriges Jahr nur flüchtig gesehen. Adio nun, Elis, bald höre ich wohl von Dir. Adine Schwerin, den 18ten April 1834 Meine liebe Elis, welche Freude, so eine schnelle und lange Antwort zu erhalten. Du glaubst nicht, wie glücklich mich Deine Briefe machen. Und bald willst Du in die Ferne ziehen, nach dem kalten Norden, doch der Sommer soll dort manchmal recht schön sein. Und an Charlotte machst Du gewiß eine rechte große Freude, schon so lange war es ihr sehnlicher Wunsch, Dich und den Dicken dort bei sich zu haben. Wie sie nun wohl schon bescheftigt ist, alles einzurichten. Und der Kaiser, welcher Dich so gern hat, denn das hat er bei aller Gelegenheit gezeigt, und schrieb es ja noch von Schwed aus an Charlotte. Mathilde4 erzählte davon. Adalbert geht mit Dir, und der Schwartze.5 Dem letzteren gönne ich recht die Reise. Sie wird ihm gut thun, ihn beruhigen, andere Menschen und Sitten kennen lernen und die alten Thorheiten vergessen. Wie die Seereise Dir bekommen wird? Du kennst es noch garnicht, ohne Kranksein wird es wohl nicht abgehen. Doch in 2 Tagen könnt ihr bequem in Petersburg sein. Nicht wahr, einmal schreibst Du mir von dort her. Den 16ten Juny gehe ich nach Pyrmont und bleibe dort wohl bis zum 24–26 July. Denke Dir, die Cambridge6 kommt auch Anfang July hin, und obendrein hat sie mein altes Quartier, was ich so liebe. Nun wißen wir noch nicht, wo wir hinkommen werden, denn Amélie hat das andre hübsche Haus genommen. Ich fürchte, die gute Herzogin wird uns beide etwas genieren. Für Amélie paßet sie garnicht. Von letzterer hatte ich vorige Woche einen langen Brief. Den 20. Juny kommt sie nach Pyrmont. Der Bruder begleitet sie nicht, weil er mit seiner Frau zur Mutter geht.7 Meinen Glückwunsch zur neuen Nichte! Und Sophie, die wieder in anderen Umständen.8 Das ist zu arg. Was will denn der Landgraf9 in Wien? Also Stolberg ist noch in Berlin. Nicht wahr, 3 Prinzessin Luise von Wasa, geb. Prinzessin von Baden (1811–1854), mit ihrer 1833 geb. Tochter Carola (1833–1907). 4 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). 5 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873) und sein Adjutant Adolf von Bonin (1803–1872) seit Jan. 1833. 6 Prinzessin Auguste von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1797–1889). 7 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877) mit seiner Ehefrau Prinzessin Luise von Wasa, geb. Prinzessin von Baden (1811–1854), zu Besuch bei Großherzogin Stéphanie von Baden, geb. de Beauharnais (1789–1860). 8 Herzogin Ludovika Wilhelmine in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892), hatte am 4. April ihre Tochter Herzogin Helene (Néné) in Bayern (1834–1890) geboren. Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), war offenbar ebenfalls schwanger. 9 Landgraf Ludwig von Hessen-Homburg (1770–1839), preuß. General.
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er ist ein herrlicher Mensch. Das Herz geht einem auf, wenn man mit ihm spricht. Grüße ihn doch recht herzlich von mir und sage ihm, daß ich recht oft seiner gedenke. Seit einigen Tagen ist das herrlichste warme Wetter. Doch ist es hier noch garnicht grün, was die Gegend hier sonst so vorzüglich schön macht. Ich sehne mich nach Dir. Hier bin ich so allein. Alle Empfindungen muß ich für mich behalten, und mein Herz ist so voll. Doch gebe ich die Ruhe, die ich jetzt in mir habe, um nichts in der Welt hin. Nun leb wohl. Glaubst Du wirklich, daß William nach Pyrmont kömmt? Ich meinte, er macht im Sommer eine Reise nach Wien und andere Höfe. Deine alte Adine An Dicken viel Schönes. Ludwigslust, den 7ten Mai 1834 Meine liebe Elis. Ich muß gleich anfangen zu klagen über die Stiftung vom Orden Heinrichs des Löwen.10 Das will mir garnicht gefallen, denn recht viel Werth wird er für niemand haben und ist seine Stellung wohl schon sicher genug. Eben ist Parade, und da spielen sie den einen hübschen Marsch, den das 2te Garde Regiment immer zur Parade bläset. Da muß ich an Luise denken, die schreibt mir sehr fleißig. Ich denke, das Frühjahr mit seinem11 Blüthendurft und lauen Lüften wird ihr gut thun, und sie sich dort ein wenig besser gefallen laßen. Doch einsam bleibt es immer. Das ist es aber auch hier gewaltig, den ganzen Vormittag sitze ich allein in meiner Stube. Seit dem es warm, bin ich in ein Zelt, was Papa an Fritz zu Weihnachten geschenkt und was auf einem großen grünen Platz im Garten vor dem Schloß aufgeschlagen ist. Dort ist es prächtig. Ich sehe vor mir die schönen grünen Bäume, genieße die schöne erquickende Luft und bin vor Wind geschützt. Wirst Du nach Deiner großen Reise nach Sanssouci ziehen, oder ist dazu keine Zeit mehr? Ich kann mir auch denken, daß Du lieber noch mit Tante Minnetrost bist. Du siehest sie wohl viel. Lege mich ihr doch zu Füßen. Dem guten Julius12 hätte ich auch die Reise geschenkt, wenig Ehre mit ihm einzulegen. Den guten Schwartzen13 kann man schon eher produzieren. Der ist mit Adalbert in Potsdam, und der Blonde, welcher wirklich heirathen [wird]!14 Es kann sein, daß er sich ganz ändert, Liebe kann alles. Ame10 Herzog Wilhelm von Braunschweig hatte am 25. April 1834 den Hausorden Heinrichs des Löwen als Zivil- und Militärverdienstorden gestiftet. 11 Im Original „ihrem“. 12 Mglw. Julius Freiherr Menu von Minutoli (1804–1860), seit 1832 preuß. Regierungsrat in Posen. Sein Vater Heinrich Menu von Minutoli war 1810 bis 1820 Erzieher des Prinzen Carl von Preußen gewesen, so dass Julius von Minutoli schon in jungen Jahren engen Kontakt zur preuß. Königsfamilie hatte. Dieser heiratete am 22. Nov. 1834 in der Jerusalemkirche in Berlin Mathilde Freiin von Rotenhan (1812–1878). 13 Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 14 Der verwitwete Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862), Flügeladjutant bei Friedrich Wilhelm III. von Preußen, heiratete am 16. Nov. 1835 Luise Alexandrine Dorothea von Borstell (1804– 1889), eine Hofdame der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen.
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lie15 schreibt mir vom 28ten, daß sie hätte zu Sophie gewolt, sie aber nicht gesehen, weil die Herzogin von Berry16 einen Besuch gemacht, welche auch beim Kaiser gegessen. Das wundert mich eigentlich. Und denn hat man sie im Prater erwartet, wo alles zu Pferd und Wagen heraus geeilt, um dies Wunderthier zu sehen. Allein, alles kam mit langer Nase zurück, denn klugerweise ist sie nicht herausgefahren. Daraus schließe ich aber auch, daß Deine Schwester wohl ist, aber es ist doch recht betrübt, so eine getäuschte Hoffnung. Mathilde hat endlich ein Töchterchen,17 schade, daß es kein Sohn, sonst wären es 4 Jungen und eben soviel Töchter. Die Ingenheim18 muß ja sehr koloßal sein, denn alle Briefe sprachen von ihr. Ich freue mich, daß die Aussöhnung zustande gekommen ist. Nun leb wohl. Mary schreibt vernünftiger. Wir schreiben uns einzige, kluge Briefe. Nie wird das Geringste berührt. Auguste und Wilhelm sollen aber wieder wie Hund und Katze leben. Deine alte dicke Adine Ludwigslust, den 27ten December 1834 Glaube nicht, meine Elis, daß es Mangel an Liebe ist, daß ich Dir noch garnicht geschrieben. Allein, meine Morgende sind nicht mehr so ruhig wie sonst, da um 11 Uhr schon George und Marie19 zu mir kommen, und dann gewöhnlich sitzen bleiben bis wir zusammen ausgehen. Oft sehnt ich mich danach, Dir einmal schreiben zu können. Noch nichts, garnichts habe ich aus Berlin gehört. Es muß wohl sehr still und ruhig zugehen. Bei uns ist, glaube ich, schon mehr vor gewesen, was der Geburtstag vom Großherzog so mit sich bringt. Auch um Weihnachten haben wir ein paar Stunden getanzt. Der gute Dicke schickte mir gestern ein so hübsches Kragetuch und eine Mappe mit Petersburger Ansichten, was ich mit doppelt Interesse jetzt betrachte. Sage ihm meinen Dank, es war ehrlich von ihm, meiner zu gedenken. Wenn nur etwas aus unserer Reise wird. Es ist so schön, der Gedanke, daß mir ganz schwindelt. Der Großpapa ist jetzt sehr wohl und so mild und gut, daß man garnicht gewohnt und Angst nehmen könnte, das Ende wäre nicht fern. Auch sind seine Füße bis zum Knie so sehr geschwollen. Eine wasserartige Geschwulzt, das im Augenblick keine Besorgniß giebt. Doch es kann schnell noch höher steigen. Das Neu Jahr, was nun wieder so nahe steht, macht einen immer ernste Betrach15 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 16 Die verwitwete Herzogin Maria Karolina von Berry, geb. Prinzessin von Bourbon-Sizilien (1798– 1870) aus der 1830 entthronten französischen Bourbonendynastie, führte ein skandalumwittertes Exilleben und lebte in Österreich. 17 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855), hatte am 3. Mai ihre Tochter Alexandra Friederike Wilhelmine Marianne (1834–1885) geboren. 18 Verm. Eugenie Gräfin Ingenheim, geb. de Thierry (1808–1881), verh. mit Gustav Adolf Wilhelm Graf von Ingenheim (1789–1855), Sohn von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen aus seiner morganatischen Ehe mit Julie von Voß, seit 1787 Gräfin von Ingenheim. 19 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862).
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tung anstellen. Und was kann das alles wieder bringen und nehmen, was doch die letzte Helfte des alten Jahres so mit Freud und Leid verflochten. Von Charlotte und Luise bekam ich vor einigen Tagen an ein und demselben Tag Briefe. Wir drei Schwestern fanden uns auf diese Art alle zusammen, und es sollte mit mir eine ilusion machen, als wenn wir wie vor 4 Wochen noch zusammen schwatzten. Ich war unbeschreiblich glücklich, von den beiden Lieben endlich Nachricht zu erhalten. Wie verschieden waren die Briefe. Einer voll Glück und Seligkeit, die lange beschwerliche Reise überstanden zu haben, im Kreis der lieben Kinder zu sein, die jubelnd und frohlockend die Mama umgeben. Die andere voll Zagen den Augenblick des Ankommens entgegensehen, dann die schreckliche Ankunft und die fürchterlichen ersten Tage, dann aber sich ermannend, und noch der schönen Tage der Vereinigung gedacht. Auch hatte Luise einen kleinen Thee bei sich gehabt, wo die Herzogin Bernhard20 und Maltzahn mit Begleitung gewesen. Sie scheint aber recht angegriffen. Jeder Morgen läßt ihn von neuem den Verlust empfinden. Der Kleine21 fehlt bei so vielen Gelegenheiten und es nagt ihr am Herzen. Die Queen22 hat sie und Fritz ausgefragt über Lady Bumsfelde.23 Sie soll einzige Briefe geschrieben haben, daß die Mama behaubtet, sie hätte le coeur touché.24 Mir scheint es auch so. Kömmt sie manchmal zu Dir, oder ist es stehn geblieben bei dem einen Besuch? Was macht denn Mary und Auguste? Letztere hat noch kein Wort von sich hören laßen. Ich bin sehr schlecht bei ihr angeschrieben. Das Gute hat es, daß ich nun nicht alle Tage Briefe erhalte. Was macht die arme Tante Radziwill?25 Heute ist es ein viertel Jahr von Elises Tode und der frohen Ankunft von Charlotte. Warum mußte das so zusammen treffen?26 Auch nach der lieben Tante Marianne muß ich mich erkundigen. Sie wird auch Charlotte schmerzlich vermißen, denn sie liebt sie sehr. Wo ist denn die Weihnachten gegeben worden? Hier bei uns war er sehr brillant. Ich habe so schöne Sachen bekommen, unter andern so ein Mäntelchen wie Charlotte und Du hast, etwas dunkles hellblaue Samt mit Zobel und eine kleine Uhr von Papa. Vom Großherzog muß ich doch noch erwehnen, ein Halzband von Türkis, in Gold gefaßet. Nun leb wohl, im Neuen Jahr erhalte mir Deine Liebe so wie bis jetzt. An Fritz meine herzlichen Wünsche. Deine alte Adine
20 Herzogin Ida von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1794–1852), verh. 1816 mit Herzog Karl Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach (1792–1862). 21 Der 1833 geborene Prinz Wilhelm der Niederlande war 1834 gestorben. 22 Königin Adelaide von Großbritannien und Irland (1792–1849), geb. Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen, Schwester der Herzogin Ida von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen. 23 Gemeint ist verm. Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, und deren außereheliche Beziehungen. 24 Frz. = „[Von der Liebe] berührtes Herz.“ 25 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 26 Gemeint ist der Tod von Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834).
1835 Ludwigslust, den 3ten Januar 1835 Meine liebe Elis, welche Freude hast Du mir noch im alten Jahr bereitet durch Deinen Brief, nach dem ich mich schon so lange gesehnt. Und wie beschämt stehe ich vor Dir, daß Du mich zu Weihnachten noch einmal beschenkt hast, nach dem ich die schöne Schnalle schon bekommen. Sage mir einmal, ich möchte doch wißen, ob ich Dir eine Kleinigkeit zur Weihnachten gegeben oder nicht. Fräulein Kameke schrieb mir gestern, daß sie nichts in meinem Nahmen Dir hingestellt. Und ich hatte mir fest eingebildet, daß grade sie von mir in Berlin schon etwas bekommen, wie ich es für die andern Schwägerinnen gemacht. Sollte wirklich nichts da sein, so bitte ich sehr um Verzeihung. Es geht mir über den Spaß, aber dann mußt Du auch etwas warten, bis hier wieder neuere Sachen herkommen. Jetzt ist alles ausverkauft. Den 6ten. Heute ist heilige 3 Könige. Wie froh waren wir voriges Jahr. Mein armer Schwager Albrecht1 wurde König. Wir wollen ein souper geben, und da soll der Bohnenkuchen gegessen [werden], und welcher die Bohne bekömmt, der soll einen Ball geben. Wir führen überhaubt ein ziemlich bewegtes Leben. Garnicht so still, als wir es glaubten. Das macht aber Marie und George.2 Onkel Gustav giebt morgen einen kleinen Ball und dazu sollte mein Bruder Abat kommen. Allein, Papa hat es ihm nicht erlaubt. Warum kann ich nicht begreifen. Denk doch nur, daß Marianne mir sehr oft schreibt. Schon drei Briefe habe ich von ihr bekommen. Wie ist die so anders geworden. Nun bin ich mit allen vier Schwägerinnen in correspondence. Die Schwestern von Prag3 halte ich mir aber etwas vom Leibe. Es sind so langweilige Briefe. Ich weiß nicht, was ich ihnen schreiben soll. Von Charlotte habe ich schon zwei Briefe. Das ist mir so eine Freude. Da bleiben wir doch auf dieser Art uns nahe, und als wenn wir zusammen plapperten. Ich sehne mich oft so nach beiden Schwestern. Luise ist faul. Erst einen Brief bekam ich von ihr, so wahr und trüb. Die Arme hat man in Berlin recht falsch beurtheilt, weil sie so früh ausging und tanzt nach dem Tod ihres Kindes.4 Ich sagte es gleich, denn die andern kannten ihr Inneres nicht so wie wir, und wir wußten, daß ihr Wesen in zwei Theile getheilt war die ganze Zeit. Sie hätte aber sonst den Kaiser garnicht gesehen und auch die letzte Zeit Charlotte so wenig genossen. Aber die Welt urtheilt nur nach dem Schein und es wäre wohl eigentlich besser gewesen, sie wäre zu Hause geblieben. Danke Dir, meine Elis, daß die gute Tante Ratziwill mir geschrieben hat, um zu danken für die Beweise von Theilnahme. Ach, der Brief war so schön. Sie hängt im Geist viel 1 Herzog Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1812–1834) war im Jahr zuvor am 18. Okt. gestorben. 2 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 3 Gemeint sind verm. die Prinzessinnen Marie und Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. „Die Schwestern von Prag“ heißt ein bekanntes Singspiel des Österreichischen Komponisten Wenzel Müller (1759–1835) aus dem Jahr 1796, dessen Lieder weit verbreitet waren. 4 Der 1833 geborene Prinz Friedrich der Niederlande war 1834 gestorben.
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mit ihr so fest zusammen. Wenn Du sie siehest, kannst Du ihr meine Dankbarkeit noch recht sagen, obgleich ich ihr gleich geschrieben. Ribeaupierre5 war 2 Tage hier. Allein, bestimmte Antwort hat er nicht erhalten und sei sehr ungnädig darüber. Allein, der Großpapa scheut sich vor dem Jubiläum6 eine Antwort zu geben, denn er scheut sich vor dieser Zeit. Indessen, glaube ich, ist es wohl ganz gewiß, besonders da Luise auch schon die Erlaubniß vom König7 bekommen hat. Ach, das Geld, das ist was scheusliches! Die Gräfin Redern8 macht zu Berlin viel sprechen. Erlaucht schrieb mir gestern davon. Diese hat mir inseparable9 Nadel geschickt, die zu delicios sind. Sage ihr meinen Dank im Voraus. Ich habe noch so viele Briefe zu schreiben, daß die ganze Woche darauf hingehen wird. Leb wohl, meine Elis und schreibe bald wieder. Adine Schwerin, den 28ten Januar 1835 Seit Montag Mittag haben wir unsern glorreichen Einzug hier in Schwerin gehalten. Ich sage garnichts, bin still und froh, bis jetzt noch ruhig in meiner Stube bleiben zu können. Doch heute sehen wir schon einige Menschen zum Essen, und heut Abend gebe ich einen kleinen Thee an 4 alten Weibern, welche dies Jahr nicht mehr in die große Welt gehen wollen, die aber bei mir privatim in einfachem warmen Costum erscheinen werden. Es sind übrigens einige liebenswürdige Frauen darunter, und ich bedaure, sie weniger zu sehen. Auch genieren werden sie mich nicht sehr, denn ich setze sie am Spieltisch und bleibe dann mit der Jugend im andern Zimmer, und mache mich dabei doch liebes Kind. Die Zeittungen sind ja voll der gefährlichen Krankheit des armen Wilhelm Oranien. Durch was mach er es sich zugezogen haben? Marianne ist gewiß recht in Angst. Gestern ist das Dejeuner dansant bei Papa gewesen, wie ich höre. Das fürchte ich, wird lahm gegangen sein. Erstlich sind die Schwestern von Prag10 nicht sehr tanzlustig, und dann, wenn solche Nachricht von Wilhelm da sind, wird niemand aufgelegt gewesen sein zum Tanzen. Dafür wird die Liebenswürdigkeit an der Stelle getreten sein, und alle Gesandten entzückt haben. Wie war denn Auguste mit Bresson?11 Der kleine Fritz Wilhelm12 ist ja so krank gewesen, hat sie mir geschrieben. Sie war sehr in Angst, oder merkte man ihr 5 6 7 8
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Alexandre de Ribeaupierre (1783–1865), russ. Gesandter in Preußen. 50-jähriges Thronjubiläum von Großherzog Friedrich Franz I. von Meckenburg-Schwerin. König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). Friedrich Wilhelm Graf von Redern (1802–1883), preuß. Generalintendant der kgl. Schaupiele, hatte am 19. Dez. 1834 Dorothea Sophia Bertha Jenisch (1811–1875), Tochter eines Hamburger Kaufmanns und Senators, geheiratet. Frz. = untrennbare. Gemeint sind verm. die Prinzessinen Marie und Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. „Die Schwestern von Prag“ heißt ein bekanntes Singspiel des österr. Komponisten Wenzel Müller (1759–1835) aus dem Jahr 1796, dessen Lieder weit verbreitet waren. Charles-Joseph Bresson (1798–1847), frz. Gesandter in Preußen. Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888).
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nichts an? Das Pappier ist geduldig und sie schreibt sehr schön. Friederike soll recht krank in Dessau gewesen sein. Die fatigen des Berliner Lebens haben sie so angegriffen, wenn es nicht Ärger war, daß wir immer mit Charlotte saßen. Von Charlotte habe ich einen langen Brief gehabt nach ihrem rußischen Neujahr, was ihr sehr gut bekommen, sich garnicht so angegriffen gefühlt und meint, die Vaterlandsluft wirke noch nach. Ihr Costum auf dem großen Maskenball von 22.000 Menschen soll manifik gewesen sein, und nun bescheftigt sie sich mit einem Bohn[en]fest, was ganz nach alter doller Berliner Art begangen werden sollte. Alle Damen en paniés13 und die Herren, der Kaiser a la tête in Uniformen vom vorigen säculum. Er war in orange gekleidet und sie in weißen Atlas, apretention mit 2 Fuß hoher Coiffure und Puder. Adini und Costi sind Bohnenkönig.14 Wenn ich doch die Bekanntschaft von den Kindern machen könnte, ach, es sieht alles so weit noch aus mit meinen Wünschen. Doch gebe ich es nicht ganz auf. Kömmt Zeit, kömmt Rath. Mit dem Herzog von Meiningen15 geht es jetzt ganz besser, Marie hatte direkte Nachrichten, daß heißt, meine dicke Schwägerin. George legt sich Dir zu Füßen.16 Mit seiner Gesundheit geht es nicht gut. Er ist fast immer leidend an heftige Kopfweh oder Schmertzen im Halse, dann im Leibe, so daß er schon zweimal das Zimmer gehütet. Er läßt sehr seine Entschuldigung machen, daß er nicht seine Aufwartung gemacht. Er ist aber nur durch Potsdam gegangen, von da auf Nauen. Und daß Du damals dort warst, wußte er nicht. Auf der Rückreise wird er nicht ermangeln, sich zu melden. Adios meine Elis. Adine Schwerin, den 3ten März 1835 Meine liebe Elis, Dein lieber blauer Brief, am 23ten selbst geschrieben, hat mir eine garzu große Freude gemacht. Deine Liebe, die Du mir bei aller Gelegenheit beweisest und nun auch wieder so lieb mir zeigst, macht mich so glücklich. Ich liebe Dich aber auch so innig wie meine beiden Schwestern, daß sagt bei mir sehr viel, denn ich hänge innig an sie. Seit dem wir zusammen gewesen, haben wir uns von neuen fest an einander geschloßen und unsere corespondens hat neues Leben gewonnen. Wir schreiben uns sehr fleißig. Charlotte schickte mir ein Fermoir von Rubi balais,17 […]18 Blumen und eine deliciose Mütze, die ihr so gleicht. Der Fecher, den ihr mir alle zusammen geschenkt, hat mir eine große Freude gemacht, denn ich wünschte mir schon lange einen solchen, also meinen herzlichen Dank. Ich hätte wohl gerne mein Neujahrsfest, wie so manches Jahr, unter Euch gefeiert. Allein, ich bin hier mit soviel Liebe überhäuft worden, daß es mir recht wohl 13 14 15 16
Frz. panier = Reifrock. Brauchtum zum Dreikönigstag unter Umkehrung der Hierarchien. Herzog Bernhard II. von Sachsen-Meiningen (1800–1882). Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 17 Frz. = Verschluss von rubinartigen Edelsteinen. 18 Wort nicht zu entziffern.
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gethan, und besser ist es gewiß so, gehöre ich doch hier her. Es waren viele Damen und Herren vom Lande hereingekommen, die sich nun nach und nach verliehren, denn ich kenne nichts schrecklicheres als wenn alles aufeinmal abreiset. Wir haben 4 Bälle gehabt, die alle recht hübsch und lustig waren. Unter andern war Graf Felix Voß hier, eben fuhr er vorbei, der Sohn der Luise Voß und Bruder der Revenklow Gesandtin.19 Als Kind hatten wir uns viel gesehen, und da freue ich mich immer, ihn wiederzusehen. Seine Mutter gehet diese Tage nach Berlin. Wie mag der gestrige Tag gefeiert worden sein? Ich habe viel hingedacht. Auguste und Albert20 sind auch angekommen. Wie findest Du sie beide? Er soll stark geworden sein, was ihm nicht stehen kann. Und wie stehet es mit Alex und Bumsfelde?21 Man war ja krank. Haben die Ermahnungen von Wilhelm Oranien und Deine geholfen? Ich möchte sie wohl beide sehen!!! Von Luise habe ich gestern einen Brief bekommen. Die amüsiert sich prächtig. Es sind eine Menge Bälle. Sie tanzt und gefällt, glaube ich, da sie freundlich und liebenswürdig ist. Sage mal, ist es denn wahr, was in alle Zeittungen stehet, daß die Königin von England22 guter Hoffnung ist? Ich kann es mir nicht denken. Mit Marie von Meiningen23 geht es gut. Sie hat gestern an meine Schwägerin geschrieben, und der Mann ist ganz wieder hergestellt. Tante Wilhelm schreibt mir auch von Emilie Gneisenau,24 daß sie ihr so wehmütig gestimmt, da sie ihr Schlesien mit den vielen Verlusten erinnert. Sie findet sie zu ihrem Vortheil verändert, einen ruhigen Ausdruck. Für die arme Person ihre Ruhe ist es mir lieb, daß Wilhelm25 nicht in Berlin. Man erzählte hier, sie sei versprochen mit dem neuen Minister Graf Alvensleben.26 Von Tante Radziwil27 habe ich auch einen Brief gehabt, wie mir die so gut ist, und nie andre vergißt. Sie schickte mir von Elise ein klein Porzellan Körbchen, und ein Alabaster Kamm. Noch habe ich nicht schreiben können. George,28 der noch immer unwohl war, nahm meine ruhigen Stunden in Anspruch. Heute wird er zum ersten Mal zum Essen kommen. Und da trage ich meine Schuld nach und nach ab. Die Büste von Elise sah ich bei Wichmann.29 Sie gefiel mir so sehr. Es waren ganz die lieben Züge von ihr, so hold und mild. Ohne Wehmuth kann man sie nicht betrachten. Ach, überhaubt, 19 Luise Gräfin von Voß, geb. von Berg (1780–1865), deren Sohn Felix Graf von Voß (1801–1881) und Tochter Elisabeth (1812–1876), verh. Eugen von Reventlow (1798–1885), dän. Gesandter in Preußen. 20 Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869) und seine Ehefrau Auguste, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels (1804–1865). 21 Gemeint sind Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), und deren außereheliche Beziehungen, zu diesem Zeitpunkt anscheinend mit Prinz Alexander zu SolmsBraunfels (1807–1867). 22 Alle Kinder der Königin Adelaide von Großbritannien, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1792–1849), waren als Säuglinge gestorben. 23 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 24 Emilie von Gneisenau (1809–1855), verh. 1838 Karl von Hohenthal (1803–1852). 25 Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 26 Albrecht Graf von Alvensleben (1794–1858), preuß. Finanzminister, blieb unverheiratet. 27 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 28 Prinz Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853). 29 Die Brüder Karl (1775–1836) und Wilhelm Wichmann (1788–1859), betrieben als Bildhauer zu-
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ich kann mich noch nicht darüber faßen, diesen Engel nicht mehr leben zu wißen, und doch ist ihr so wohl, aber arme Mutter. Leb wohl, Deine Adine Schwerin, den 20ten März 1835 Meine Elis, Dein letzter Brief hat mir ganz besonders viel Freude gemacht. Du schreibst so liebevoll, meinem Herzen so wohl thuend. Wie dank ich Dir für Deine Liebe, meine Elis, ich gebe sie Dir auch treu zurück, das weißt Du wohl. Daß der Tod des theuren Kaisers30 Dich besonders ergreifen und betrüben würde, wußte ich wohl, waren ihm doch zwei theure Schwestern anvertraut und unter seinen Schutz gegeben.31 Er war Vater jeden seiner Unterthanen, wie viel mehr nicht seinen Kindern. Mit ihm ist auch der letzte Deutsche Kaiser dahin gegangen. Vieles vereinte er in sich, und sein Nachfolger, was kann man von dem erwarten? Bis jetzt nimmt er sich sehr gut, wie man sagt. Ist es denn wahr, daß Dein Schwager nach Mailand geht? Wie weit zieht denn Deine Schwester fort, nach einem schönen Land, aber auch wie schwierig dort die Lage? Und was wird die Kaiserin32 thun? In Wien bleiben, wo sie nichts hällt, aber wohin? Doch dies ist ihr gewiß noch nicht klar. Es wird ihr alles so neu sein. Wilhelm, wenn er zurückkehrt, wird Dir mündlich viel mittheilen können. Ihn interessiert alles, und wie viel mehr, was Deine Familie angeht. Du läßt mir dann auch wohl ein Wörtchen zukommen, denn wer nimmt mehr theil an allem, was Dich und Deine Familie betrifft als ich, die Dich so innig liebt. Daher war ich auch recht besorgt, wie Du so unwohl zuletzt warst, und das Blutspucken, was weg war. Ach meine Elis, wie mich das ängstigt, was war nur die Veranlaßung hierzu? Der Winter war doch so gelinde. Du mußt wohl noch einmal dies Jahr nach Petersburg zu Wasser reisen, da die Seeluft Dir so gut bekommt. Du kannst meinen Platz einnehmen und mit Luise die Fahrt machen. Für mich wird dieser sehnliche Wunsch wohl nicht in Erfüllung gehen. Ich hoffe und hoffe, aber manchmal bin ich ganz muthlos. Das Jubiläum,33 was doch nun gefeiert [wird], macht es fast unmöglich. So reich sind wir nicht, zwei solche außerordentliche Dinge bestreiten zu können. Übrigens sprich hiervon nicht. Sage mir lieber, ob Du wirklich noch die Idee hast, wenn Fritz geschickt würde, was ich auch nicht weiß, mit zu uns zu kommen, oder ob Du auf gar keinen Fall die Reise unternehmen wirst. Ich will auch Papa befragen im Geheimen, ob er überhaubt denkt, einen Bruder zu schicken. Viel Freude würde es machen, und vorher es zu wißen,
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sammen in Berlin ein Atelier, das auf Porträtbüsten spezialisiert war. Diese hatten eine Büste der am 27. Sept. 1834 verstorbenen Prinzessin Elisa Radziwill gefertigt. Kaiser Franz II. von Österreich war am 2. März 1835 gestorben. Zwei Schwestern von Kronprinzessin Elisabeth von Preußen waren nach Österreich verheiratet: Kaiserin Karoline Auguste von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873) und Erzherzogin Sophie von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). Kaiserin Maria Anna von Österreich, geb. Prinzessin von Savoyen (1803–1884). 50-jähriges Thronjubiläum von Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin.
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wäre für den Hofmarschall34 sehr wünschenswerth. Denn es kommen viele Prinzlichkeiten. Erst aus Strelitz35 alles, dann der Cambridge,36 die beiden Söhne vom Herzog von Coburg, Enkel des Großherzogs.37 Aus Braunschweig hat man auch geschrieben, William hätte geäußert zu kommen, doch daran zweifle ich. Sieht ihm nicht ähnlich, daß wirst Du eher erfahren können als ich, wenn Du ihn befrägst. George38 empfiehlt sich Dir herzlich und ist sehr besorgt um Therese,39 denn sie kann sich garnicht erholen. Er hatte noch vor 4 Tagen einen Brief von der Oberhofmeisterin.40 Meine Mama, Helene, Marie und George sind alle wieder nach Ludwigslust zurück. Wir sind nun ganz alleine wieder und führen ein stilles Leben. Morgen geben wir unsere letzte große soireé und zwar werden tableaux gemacht. Don Carlos mit der Königin, die erste Scene, wo er vor ihr kniet.41 Dann der Gang nach dem Eisenhammer, Fridolin, als er Abschied nimmt von der Gräfin von Savern.42 Aus Wallenstein, als Thekla mit der Neubrunn den schwedischen Haubtmann sieht43 und Tasso wie er von der Prinzeßin Leonore den Kranz erhällt.44 Nun lebwohl, Adine Ludwigslust, den 19ten Mai 1835 Meine geliebte Elis, durch Fritz wirst Du genug der Nachrichten von uns gehabt haben, der uns leider so früh verließ, da er eine große Sehnsucht hatte nach seiner Lore,45 die wohl sehr glückliche Tage bei ihren Schwestern zugebracht. Du wirst schon längst mit details wißen, daß ich nicht eine gleiche Freude haben werde. Es würde mir entsetzlich schwer, diesen Lieblingswunsch aufzugeben. Es hat mir viele Thränen gekostet, und ich bin noch recht kindisch, aber ich kann nicht ohne nasse Augen davon sprechen. Und nun Luise, die durch Berlin kömmt, 10 Tage sich wohl aufhalten, und ich kann nicht 34 Eberhard Christian Reinhard von Röder (1771–1855), meckl.-schw. Hofmarschall, Sohn des Eberhard Ludwig Reinhard von Röder (1728–1792), württemb. Landoberjäger- und Oberforstmeister zu Waldenbuch. 35 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz mit Familie. 36 Prinz Adolph Friedrich von Großbritannien und Irland, Herzog von Cambridge (1774–1850). 37 Die Prinzen Ernst (1818–1893) und Albert (1819–1861) von Sachsen-Coburg-Gotha, Söhne von Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha. Die beiden Brüder waren mütterlicherseits Urenkel von Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin. 38 Prinz Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853). 39 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 40 Maria Theresia von Deroy, geb. von Scherer (1778–1849). 41 Im 1. Akt von Schillers Drama „Don Carlos“ gesteht Don Carlos bei einem Treffen mit der Königin dieser seine Liebe. 42 In Schillers Ballade „Der Gang nach dem Eisenhammer“ entgeht Fridolin, der Diener der Gräfin von Sabern, auf dem Weg zur Messe einem Mordkomplott des Grafen. 43 Schiller, Wallensteins Tod, 10. Aufzug. 44 Goethe, Torquato Tasso, 1. Aufzug. 45 So nannte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen seine Frau Elisabeth.
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hin. Paul hatte die Freundlichkeit, es mir anzubieten, um mir eine Freude doch zu machen. Allein, der kleine Albert von Marie ist so sehr krank.46 Wir sind in eine beständige Angst und Sorge, und da mag ich sie nicht verlaßen. Sollte die Sehnsucht zu groß werden und der Kleine besserte sich, dann komme ich doch wohl noch angeflitzt. Die Großfürstin Helene kömmt auch in diesen Tagen an und bleibt recht lange, wie ich höre, 8 Tage. Papa hat sie gern, dann geniert es ihn auch nicht. Ob es ihm aber lieber gewesen, Luise alleine zu haben? Großpapa ist eben ganz wohl und munter nach Dobbran abgereiset. Noch kann es nicht schön dort sein, am wenigsten heute, wo es kalt ist. Du bist auch schon nach Sanssouci gezogen, wie ich höre. Da mag es prächtig sein. Das frische Grün, die warme Sonne und dann schon, daß ihr alle gern da seid. Doch Tante Wilhelm wirst Du nun wenig sehen vor ihre Abreise. Sie war so gütig, mir ein paar mal zu schreiben, seitdem Albert von Rudolstadt47 hier gewesen, den ich mich sehr gefreut, wiederzusehen. Er war hier sehr munter, wie ich ihn garnicht kenne. Der alte, ehrliche Alexander kam auch her.48 Da konnte ich doch Abschied von ihm nehmen. Nun ist er über 8 Tage fort. Ach Gott, was war das wohl noch für ein Gejammer die letzten Tage. Hast Du es erlebt! Wie ich so höre, muß Bumsfelde ganz eine andere Natur bekommen haben.49 So rücksichtslos beinah möchte ich sagen, sinnlos. Was doch aus dem Menschen werden kann. Es ist traurig. Sie ist ja auch wohl ein Herz mit den Schwestern von Prag, die sie sonst nicht leiden konnte. Nun leb wohl. Wir wollen jetzt zu Marie fahren, wo wir fast den ganzen Tag sind. Deine alte Adine Ludwigslust, den 4ten November 1835 Liebe Elis, mein Herz zog mich schon oft zum Schreibtisch hin, um doch endlich von Dir etwas zu hören, denn diese Stille ist nicht zu ertragen. Ich schreibe mich mit niemand von der Familie. Ich habe alles aufgegeben, denn es kömmt nichts dabei raus. Sie können doch nicht lernen […]50 so zu sein wie andere Menschen und bringen einen mit im Unglück. Denk Dir, daß ich mich hier recht gefalle, mehr wie sonst. Es ist mir auch garnicht schwer geworden, mich wieder hier hinein zu finden. Das stille Leben sagt mir so sehr zu. Es mag wohl kommen, weil das Herumtreiben doch zuletzt zu arg wurde, und 46 Prinz Albrecht von Sachsen-Altenburg (1827–1835), Sohn der Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, starb am 28. Mai in Ludwigslust an einer Gehirnentzündung und wurde dort auch beigesetzt. Prinzessin Marie war mit ihrer Familie beim 50-jährigen Thronjubiläum ihres Großvaters Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin zu Gast. 47 Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt (1798–1869), preuß. Offizier, verh. 1827 Prinzessin Auguste zu Solms-Braunfels (1804–1865). 48 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Rittmeister und Schwager von Prinz Albert von Schwarzburg-Rudolstadt. 49 Gemeint sind Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), und ihre außereheliche Beziehungen. 50 Wort nicht zu entziffern.
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dann war ich ja von den Schwestern schon 8 Tage getrennt. Und in Berlin bei Euch bin ich nur so kurtze Zeit gewesen, daß ich mich auch nicht verwöhnen konnte. Manchmal steigt wohl so eine kleine Sehnsucht auf, doch gleich wird kalt Wasser übergegoßen. Ich bin hier auch so aimable, da fast alle Tage Theater ist, und also kein Abend ist, wo ich die Damen sehen könnte. So bitte ich mir des Mittags einige. Das gefällt denen sehr. Die Menschen sind doch auch theilnehmend, und beweisen mir Liebe. Darin habe ich wieder einen Vorzug gegen die arme Luise, die gar keine Theilnahme findet, und der König51 resoniert noch oben ein, bespöttelt alles, spricht von Kömodien, Spielen usw. Heute ist der Todestag des armen Kleinen von Luise. Welch ein Tag muß das für sie sein. Den 5ten. Grade gestern Abend, als ich Dir schrieb kam ein Brief von Luise, danach sehe ich, daß ich mich geirrt im Todestag. Es war den 1ten November.52 Die Arme! Sie kann noch nicht heimisch werden, hatte wieder ein Diner beim König gehabt, wo sie ganz wüthend noch war. Sie hatte von imposant gesprochen, als man von Kalisch sprach.53 Das Wort fiel ihm auf, und immer ist er wieder darauf zurückgekommen mit spöttischen Ton, und meinte, er möchte wohl wißen, was da hätte grandios und imposant sein können, und hat garnicht aufgehört. Zuletzt hat sie dann geantwortet, es gehört zu den Sachen, die man garnicht beurtheilen könnte, wenn man es nicht gesehen. Ich bedaure sie recht sehr. Sie ist so wenig mittheilend, und wenn ihr nun so etwas begegnet, dann knieht sie ganz in sich hinein. Bist Du wohl so gut und schreibst mir, wenn Orloff54 in Berlin, und wie lange er bleibt? Denn ich will durch ihn schreiben und etwas mitschicken. Sein olles Weib55 bleibt den Winter im Hage. Hast Du gute Nachrichten von Deinen Schwestern aus Dresden? Wenn Du ihnen schreibst und daran denkst, so empfehle mich ihnen. Wie steht es mit Sophie? Noch hat es nicht in den Zeittungen gestanden. Oder sollte es mir entgangen sein, und sie schon entbunden sein? Leb wohl. Die Zeit drängt. Sonst kommt der Brief zu späth. Was machen die beiden Schwestern von Prag? Adine
51 König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843), Schwiegervater der Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 52 Prinz Wilhelm der Niederlande (1833–1834), Sohn der Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, war am 1. Nov. 1834 verstorben. 53 Revue von Kalisch, Militärparade preuß. und russ. Truppen im Sept. 1835. 54 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. Generaladjutant und Vertrauter Kaiser Nikolaus I. von Russland. 55 Olga Alexandrowna Orlowa, geb. Scherebzowa (1807–1880), russ. Hoffräulein, verh. 1826 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861).
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Meine geliebte Elis, ich fürchte zwar, daß Du morgen an Deinen Geburtstag kaum Zeit haben wirst, einen Blick auf meinen Brief zu werfen, doch kann ich nicht wiederstehen, wenigstens mich auf diese Art unter den Gratulanten zu mischen und Dich in Gedanken recht innig an mein Herz zu drücken und Dir recht viel Glück zu wünschen. Der Himmel möge Dir recht viel Freude bereiten und Dich in seinen gnädigen Schutz nehmen. Mir laß aber auch in diesem Jahre ein Theilchen Deiner Liebe zufallen, die mich bisher so unaussprechlich glücklich gemacht. Ich hänge wenigstens mit der innigsten Liebe an Dich. In Deiner Nähe ist mir immer so wohl. Du bist unserem Hause ein schützender Engel. Sei dann auch ein milder Engel den Verirrten und habe Geduld mit ihnen! Ach, erinnerst Du Dich am vorigen Jahre, wie der Kaiser die himmlische Überraschung machte?56 Wie seelig waren wir da Alle. Es gab uns neues Leben nach all der Trauer. Recht leid war es mir, daß Orloff schon in Berlin und im Abreisen war, als Du mir schreibst. Gern hätte ich ihm meinen Brief mitgegeben, der doch sicherer durch solche Gelegenheit geht. Ich gratuliere auch zur glücklichen Entbindung von Sophie mit einer Tochter.57 Sie ist gewiß recht glücklich. Möge ihr der Himmel diese Freude erhalten. Wenn Du schreibst, so empfehle mich unbekannterweise. Aber eigentlich ziele ich auf einen Gruß an Erzherzog Franz Karl,58 den ich so gerne habe. Er hat garzu etwas Gutes. Überhaubt die östreichische Familie ist recht ausgezeichnet. Wenn ich an Erzherzog Karl und Johann denke,59 wird mir das Herz ganz groß. Ich sehe auch den armen kleinen Kaiser herumtrippeln, daneben die liebe Kaiserin.60 Denke Dir, von Charlotte habe ich auch keinen Brief gehabt, und ich sehne mich so nach Nachrichten. Ich habe sehr bedauert, daß Du in Deinem Beruf als Mutter Watzek erkrankt bist. Nun zu morgen hoffe ich, wird alles vorüber sein. Mein Angebinde, was ich mit den Geschwistern zusammen gebe, hoffe ich wird Dir nicht ganz mißfallen. Leb wohl, meine innig geliebte Elis. Ewig Deine Adine Wie geht es Tante Radziwil?61
56 Meistens erfreute Kaiser Nikolaus I. von Russland seine Schwägerinnen damit, dass er seiner Frau spontane Besuchsreisen zu ihnen ermöglichte oder Einladungen nach St. Petersburg aussprach. 57 Die einzige Tochter von Erzherzogin Sophie von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805– 1872), Maria Anna Karolina (1835–1840), wurde am 27. Okt. geboren. 58 Erzherzog Franz Karl Joseph von Österreich (1802–1878). 59 Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) und Erzherzog Karl von Österreich-Teschen (1771– 1847). 60 Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) und Kaiserin Maria Anna von Österreich (1803–1884). 61 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836).
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Ludwigslust, den 26ten November 1835 Meine Elis, ich habe zwar Zahnweh und dicke Backe, kann aber nun nicht länger mit meinem Dank warten für Deinen lieben Brief, wo Du im Staat saßest zur Hochzeit der Borstell.62 Das wäre nun auch überstanden und läge hinter ihr! Ich habe viel von der Schönheit der Borstell gehört und von dem hübschen arangement des Pfeiler Saals. Selbst Papa schrieb über letzeres, der leider längere Zeit unwohl war. Er ist in Potsdam gewesen, wo wohl auch das Wiedersehen mit Marianne stattgefunden hat, welche am Dienstag, wie mir geschrieben wurde, zurück erwartet. Ich beneide ihr auch nicht, dies wieder Auftreten. Sie wird sich gewiß gescheut benehmen und alles anwenden, um sich gut zu stellen. Aber es ist doch schrecklich. Wegen [des] Weihnachtsgeschenks wollte ich Dir sagen, daß sich Charlotte bei mir so eine doppelte Schlange bestellt hat, wie Du von Fritz bekommen, nur mit dem Unterschied, daß der Kopf von Emaille wie meine sein soll. Humbert63 hat solche angefertigt, recht gut, und dazu habe ich 6 Herzen von verschiedenen Steinen bestellt, die nun auch fertig werden. Die sollen wir 6 Geschwister ihr senden. Die Schlange aber soll 72 Reichsthaler kosten, dazu müßte doch die Familie beitragen. Ich gebe recht gern 15 Reichsthaler zur Schlange, ein Herz kostet 5–6 Reichsthaler, also im ganzen 20 Reichsthaler. Wer nun theil daran nehmen will, wird gerne gesehen. Nur nicht zu viele, sonst wird es zu wenig. Ich denke, Du und Fritz, Wilhelm und Auguste oder wer will, arangieren es. Darum bitte ich Dich. Die Post ist schon gekommen und da ich ja gern bald Antwort haben möchte, sende ich hier diese wenigen Zeilen. Adine Ludwigslust, den 16ten December 1835 Für Deinen Brief, meine Elis, empfange den herzlichsten Dank. Er hat mir doppelte Freude gemacht, da ich sehe, daß das Verhältniß unter Euch Schwägerinnen jetzt so gut ist. Gott möge es so erhalten und das alte herzliche Verhältniß, was sonst in der Familie herrschte, wieder einkehren. Die Großherzogin von Strelitz wollte doch den Winter mit ihrer Tochter Luise in Berlin zubringen. Leider wird wohl nichts davon werden, da der Onkel George so krank gewesen und noch jetzt unendlich schwach ist. Auf der Tante hätte ich sehr gerechnet. Sie sollte so vortheilhaft auf die Gemüther wirken. Sie liebt Dich so herzlich, und die Anderen zerrten an sie. Besonders Auguste wollte sich ihrer bemächtigen. Da sollte sie nun mit Freundlichkeit die rebellen zurückführen. Da es aber nun nicht nöthig ist, so ist es so noch viel viel besser. Hier hat sich ein Gerücht verbreitet, wo Du vielleicht am besten Aus-
62 Der verwitwete preuß. Generaladjutant Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862) hatte am 16. Nov. Luise Alexandrine Dorothea von Borstell (1804–1889), eine Hofdame der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, geheiratet. 63 Goldschmied und Juwelier Jean George Humbert und sein Sohn George betrieben gemeinsam das Juweliergeschäft Humbert & Sohn „Königl. Hof-Juweliere“, das sich bis 1889 in der Schloßfreiheit 2 in Berlin befand.
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kunft geben kannst, nehmlich in Fischbach soll sich Dein Vetter Karl von Darmstadt64 befinden und sich um Elschen bewerben. Ist das wohl wahr? Es wäre wirklich eine sehr gute partie. Es schien mir ein Glück für Elschen.65 Die Tante kömmt nun wohl bald nach Berlin. Dann wird man es wohl erfahren. Übrigens, wenn Elschen den August W.66 noch liebt, so hoffnungslos, dann möchte es ihr doch schwer werden. Eine zweite Geschichte, die meine Neugierde sehr in Anspruch nimmt, ist, daß Berbel Solms67 in Berlin sei, von Tante Cumberland dazu aufgefordert, um die Angelegenheit von Karl Solms mit der Beier in Richtigkeit zu bringen. Wenn das ein Paar wird, so bedauere ich sie gegenseitig.68 Die Menschen sind doch sehr verrückt in ihrem Wahn. Das Schlangenarmband wird in Deinen Händen sein oder vielleicht schon weiter befördert. Da ich sehe, daß alle Geschwister nebst Schön Schwestern daran theil nehmen, so glaube ich, können wir nun alle zu gleichen Theilen gehen und jeder gebe dann 11 Reichsthaler. Das wäre sehr schön und ich könnte etwas anderes noch senden an Charlotte. Schenken wir an Auguste noch etwas alle zusammen zur Villa?69 Mir schien, es war die Absicht. Von der Frau [des] französischen Botschafters70 ist Berlin ganz voll. Dir hat sie so gefallen und alle Menschen sind entzückt. Auch Papa soll sie gefallen. Er hat bei Abats mit ihnen gegessen. Ich freue mich recht, daß Papa da gewesen. Das wird die Gemüther beruhigen und alles vergessen machen. Unsere alter Oberhofmeister von Lützow71 ist seit einigen Tagen recht schlecht. Gestern sahen [wir] seinem Tod jeden Augenblick entgegen. Heute geht es zwar besser, doch erholen wird er sich wohl nicht. Leb wohl, meine Elis, nimm zu Weihnachten meine kleine Gabe freundlich auf. Sie wird Dir von einem treuen Herzen gereicht, was Dich über alles liebt. Deine alte treue Adine
64 Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877). 65 Prinzessin Elisabeth von Preußen (1815–1885) heiratete am 22. Okt. 1836 Prinz Karl von HessenDarmstadt (1809–1877). 66 Mglw. Prinz August von Württemberg (1813–1885), seit 1831 in preuß. Diensten, Major im Regiment Garde du Corps. 67 Prinz Bernhard zu Solms-Braunfels (1800–1868), preuß. Major im Regiment Garde du Corps. 68 Prinz Carl zu Solms-Braunfels (1812–1875) hatte schon 1834 Louise Beyrich morganatisch geheiratet. 69 Gemeint ist das im Okt. 1835 eingeweihte, damals noch kleine Schloss Babelsberg im Besitz Prinz Wilhelms von Preußen (1797–1888). 70 Charles-Joseph Bresson (1798–1847), verh. 1842 Louise-Charlotte Comtesse de Pechpeyrou-Comminges de Guitaut (geb. 1819). 71 Rudolf Friedrich August von Lützow (1757–1835), meckl.-schw. Oberhofmeister.
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Ludwigslust, den […]72 December 1835 Meine geliebte Elis, diesen Brief bringt Dir der junge Graf Bernstorf, Bruder des Bräutigams meiner Rantzau.73 Er war bis diesen Herbst im Haag und ein Lieblingstänzer von Luise. Dieser bringt Dir meinen doppelten Dank, erst für Deinen lieben Brief vom 22ten des Monats, wo Du wirklich noch Zeit fandest trotz Deiner Geschäfte zum Weihnachten, mir diese Freude zu bereiten, und dann für das delikate Armband, was schon Werth genug hatte, da es von Dir kam. Allein, die Zeit von Töplitz, daran noch zu knüpfen, macht es mir auch noch lieber. Der Weihnachten war wieder bei uns recht heiter. Die Kinder wie die Großen freuten sich der mannigfaltigen Gaben. Ich wurde auch sehr reichlich von allen Seiten beschenkt, unter anderem hat mir Paul einen unwattierten Überrock von hellblau Atlas mit Schwaan besetzt zur Kirche gegeben. Wir haben nehmlich im Winter hier im Schloß im Kirchensaal Kirche. Von Marianne bekam ich ein paar Zeilen, begleitet von einem sehr hübschen Weihnachtsgeschenk. Sie schreibt sehr glücklich über die freundliche Aufnahme von Dir und den übrigen Geschwistern und freute sich, des guten Vernehmens in der Familie. Gebe Gott, daß es nun so bliebe. Dies werden auch wohl die letzten Zeilen sein in diesem Jahr. Wir werden wohl alle ziemlich gleich ungern vom alten Jahr scheiden. Man weiß, was man gehabt, aber nicht, was die Zukunft bringt. Für manchen mag das verfloßene viele Freude gehabt haben. Von mir kann ich dies nicht sagen. Es war voller Entsagung und Entbehrung. Nur die zwei schönen Monate September und Oktober möchte es mit den anderen aufnehmen. Von Charlotte weiß ich seit 14 Tagen nichts. Man munkelt was von in anderen Umständen, doch nach den letzten Nachrichten tanzte sie noch. Ich möchte es ihr nicht wünschen. Von Luise bekomme ich fleißige Nachricht. Die Arme sieht conter cour viele Menschen. Sie geben mehrere Bälle, so gar Wilhelm Oranien läßt einige loß. Doch bringt es Abwechslung im langweiligen Leben. Die alte Orlof74 bringt die Winter dort zu, warum möchte ich auch wissen. Ich sage Dir nun Lebewohl, denn ich habe noch viele Briefe zu schreiben. Kömmt William diesen Winter nicht nach Berlin? Wie lange ist das nun her, daß ich ihn nicht gesehen? Leb wohl. Noch einmal drücke ich Dich an mein Herz, bleibe mir im neuen Jahr so gut wie bisher, meine Liebe zu Dir ist unwandelbar. Einen Kuß dem lieben Fritz, er möge mir auch immer ein liebender Bruder bleiben. Dein auf ewig Adine Paul, legt sich Dir wie Fritz zu Füßen und [wir] bitten um ein gnädiges Andenken und Fortdauer Eurer Liebe.
72 Tagesdatum fehlt. 73 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873). Die meckl.-schw. Hofdame Frieda von Rantzau (1812– 1861) heiratete Hermann Graf von Bernstorff (1804–1876). 74 Mglw. Olga Alexandrowna Orlowa, geb. Scherebzowa (1807–1880), russ. Hoffräulein, verh. 1826 Fürst Alexej Fjodorowitsch Orlow (1786–1861).
1836 Schwerin, den 14ten Januar 1836 Nach der Überschrift siehest Du, daß wir in unser Winterquartier gezogen sind, wo es aber so abscheuliches Wetter ist, daß ich noch keinen Fuß aus dem Haus gesetzt. Es ist zum melankolisch werden. Sonst bin ich ganz zufrieden hier zu sein. Wie gehet es Dir denn in dem neuen Jahr? Es ist meine Schuld, daß ich noch nichts von Dir gehört habe. Allein, ich habe sehr an Zahnweh und Zahngeschwür gelitten, was mich ganz krank macht. Seit dem 9ten hat mich auch die Rantzau1 verlaßen. Die Trennung wurde mir recht schwer von ihr, denn ich hatte sie sehr lieb. Sie war mir so komode, und nun habe ich eine neue Hofdame, die sehr hübsch, aber sehr verlegen. Doch das wird sich geben. Noch stehen wir uns fern, obgleich sie aus Ludwigslust selbst ist, die Tochter des Oberstallmeisters Bülow und Nichte vom Gesandten Bülow in London.2 Den 15ten. Gestern Abend bekam ich einen langen Brief von Tante Wilhelm, der mich sehr glücklich machte. Sie scheint so glücklich über die Heirath von Elschen, lobt den Bräutigam, von dem ich aber auch nur gutes gehört. Amélie3 schreibt mir aus Wien, daß er 14 Tage dort gewesen und auch sehr von seiner Braut eingenommen wäre, von dem Leben in Fischbach, es sei so heiter gewesen, daß sie viel hatte lachen müßen. In Wien wäre der Carneval auch sehr animirt, wie es in Berlin auch der Fall ist. Wenigstens hat der Ball bei Ribeauspierre4 viel beschäftigt, und nun wollen die jungen Herren noch einen großen Ball geben. Hier ist es desto stiller, und wird es wohl auch bleiben. Wir werden die einzigen bleiben, welche des Sonnabends die Gesellschaft bei sich sehen, und das thut auch nichts. Mama und Helene kommen morgen. Da haben wir doch immer lieben Umgang. Von Luise und Charlotte bekomme ich oft Nachricht. Vorzüglich von Ersterer, die sich so verlaßen vorkömmt. Indessen giebt Wilhelm Oranien sie5 viele Bälle, suchen die Gesellschaft in Bewegung zu bringen, was auch gelingt, und man ist sehr zufrieden. Charlotte indessen ist in anderen Umständen und ist nicht damit zufrieden, besonders leidend diesmal, und hat sich Karl als Aufheiterungsmittel zu sich kommen laßen. Ich hätte gewünscht, es wäre nicht geschehn, da Mary doch in diesen Umständen ist. Auf einer Seite kann er sie vielleicht grade jetzt am ruhigsten verlaßen, da sie garnicht ausgeht, und also auch keinen Schutz bedarf, ihr Gemüth auch grade ganz still und ruhig ist. Ich hatte den 3 Schwägerinnen zu Neujahr geschrieben, und von allen sehr freundliche und liebe Ant1 Die meckl.-schw. Hofdame Frieda von Rantzau (1812–1861) heiratete Hermann Graf von Bernstorff (1804–1876). 2 Caroline von Bülow (1813–1852), Tochter des meckl.-schw. Oberstallmeisters Vollrath Joachim von Bülow (1771–1840) und Nichte des preuß. Diplomaten Heinrich von Bülow (1792–1846), heiratete am 26. Jan. 1838 Ludwig (Louis) von Hirschfeld (1803–1842), meckl.-schw. Hauptmann und Flügeladjutant. 3 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 4 Alexandre de Ribeaupierre (1783–1865), russ. Gesandter in Preußen. 5 Gemeint ist „ihr“.
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worten erhallten. Damit ist es nun wieder aus. Eine Stelle aus Augustes Brief muß ich Dir doch abschreiben, die mir so gefallen: „Die Thränen, die wir vergoßen haben, wollen wir zu jener Erinnerung zählen, die gleichsam in den Heiligthum der Seelen verborgen werden, nicht um vergessen zu sein, sondern um dort im Geheimen zu fließen, da es uns läutert und warnt und der Schmertz doch nicht vertilgt werden kann.“ Grüße sie von mir, und sage ihr, wie ihr Brief mich erfreut, auch der hübsche Blumenkranz. Nun leb wohl. Denke mein, Deine Adine An Tante Radziwil6 lege mich zu Füßen. Schwerin, den 19ten Januar 1836 Unsere Briefe haben sich wieder gekreuzt, und da eile ich gleich heute zu antworten, damit es nicht wieder geschiet. Zuerst meinen herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, beste Elis, der mir ein Trost zugleich war, daß Du mir von Karl schreibst, ich fürchte immer, er würde krank sein. Ach, das gräsliche Unglück,7 es ist nicht zu fassen, und mich hat es so erschüttert, daß ich mich garnicht erholen kann. Des Nachts wache ich manchmal vor Schreck auf, wenn ich träume. Es liegt mir auch wie ein Alp auf der Brust, und nun noch das Leiden der armen Klausewitz.8 Es ist zu viel, was wir arme Menschen erleben müßen. In der Ferne nimmt sich auch alles trüber aus, wo man doch selten Nachricht bekömmt. Wir hatten hier am Sonntag die Einweihung des Neuen Theaters,9 was natürlich sehr bescheftigt. Es ist aber auch ganz allerliebst gerathen. Auch die Vorstellung selbst war so vortreflich, daß ich garnicht denken konnte, hier in Schwerin zu sein, wo alles noch so nach dem alten Schlendrian gehet. Es ist so grandois, daß ich selbst ganz stolz bin. Sonst ist es so still. Das Wetter war scheuslich. Man konnte nicht aus dem Haus. Heute hat es nun düchtig gefroren, und Schnee liegt. Doch zum Schlittenfahren wird es nicht gehen. Mama und Helene sind auch nicht gekommen, denn Helene ist ganz krank gewesen, hat zu Bett gelegen, und so bin ich denn noch allein. Ich weiß auch garnicht, wenn ehe sie nun kommen werden. Onkel Gustav ist am Sonnabend gekommen, den wir weniger bestimmt erwartet, da er uns 8 Tage vorher sehr viel Angst machte. Tausend Glück6 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 7 Das „Unglück“ ereignete sich am 9. Jan. gegen 18 Uhr auf der Reise von Prinz Carl von Preußen mit Schlitten von Königsberg nach St. Petersburg. Carl hatte mit dem ersten Schlitten eine Brücke hinter Tauroggen in Litauen passiert. Der zweite Schlitten stürzte nach einem Bruch der Deichsel von der Brücke auf den zugefrorenen Fluss. Karl Graf von Schlippenbach (1795–1836), preuß. Hauptmann und Adjutant des Prinzen, kam dabei ums Leben. Heinrich Gottfried Grimm (1804–1884), preuß. Regimentsarzt in Potsdam und später kgl. Leibarzt, und ein Diener überlebten schwer verletzt. Carl brach die Reise nach der Beisetzung seines Adjutanten in Tilsit ab und kehrte am 13. Jan. nach Berlin zurück. 8 Marie Sophie von Clausewitz, geb. Gräfin von Brühl (1779–1836), starb am 28. Jan. in Dresden. 9 Das neue Hoftheater in Schwerin wurde am 17. Jan. 1836 mit dem Lustspiel „Schule des Lebens“ von Ernst Raupach (1784–1852) eröffnet.
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wünsche zur glücklichen Niederkunft Deiner Amélie.10 Wenn Du ihr schreibst, laße doch ein Wörtchen von mir einfließen, auch an Marie.11 Beide habe ich so lieb. Sie waren so gütig und freundlich für mich in Dresden. Ich werde es nie vergessen. Von Luise hatte ich mit Deinem Brief zusammen auch einen bekommen. Sie seufzt und denkt viel der schönen vergangenen Tage. Auch sage doch an Auguste bitte, daß ich Luise geschrieben hätte, daß sie mir die Georgischen Prinzen geschenkt, die mir so eine große Freude gemacht, und die lechzt nun auch danach. Sie möchte doch barmherzig sein, ihr welche schicken. Was macht denn Mary? Hat sie sich nicht sehr erschrocken über die plötzliche Rückkehr von Karl? Ich hoffe sehr, im Mertz nach Berlin zu kommen. Früher gehet es nicht, weil man unsere Gegenwart hier sehr wünscht, und wir doch auch für unser Land etwas thun müßen. Zu meinem Geburtstag, da wollen viele Damen und Herren aus dem Lande kommen. Sie machen sich schon jetzt ein rechtes Fest daraus. Ich wollte ihnen alles dies schenken, wenn ich weg könnte, ich sehne mich so nach Berlin. 14 Tage werde ich dann nur dableiben. Eine Oberhofmeisterin werde ich mir bis dahin auch angeschafft haben, eine Gräfin Bassewitz, geb. Lützow, Nichte von Schilden.12 Eine liebenswürdige Frau, das Äußere ist auch recht hübsch. Nun Adios, dem Dicken viele Liebes. Adine Schwerin, den 5ten Februar 1836 Meine geliebte Elis, mit unendlicher Sehnsucht sah ich deinem Brief entgegen, der mir gestern gebracht. Du glaubst nicht, wie lieb mir Deine Briefe sind. Leider bist Du sehr betrübt über den Tod Deiner Tante,13 was übrigens wohl natürlich ist, und für Deine Mutter ein großer Verlust. Obgleich ich nie gehört, daß sie sich viel sehen oder besucht hätten. Es ist aber immer sehr traurig, wenn man alle die Seinen überlebt und allein zuletzt dasteht. Möge uns nie ein gleiches Schicksal treffen. Ich hoffe, Du wirst bald beruhigende Nachrichten von Deiner Mutter erhalten. Wie begreife ich Dich, daß Du gern zu ihr hineiltest, mit ihr den Kummer zu theilen und tragen zu helfen. Vielleicht käme Sie zu Dir nach Berlin, wo sie leben könnte, wie sie wollte. Papa würde gewiß nichts dagegen haben. Der Tod der guten Klausewitz14 hat mich sehr betrübt, obgleich es ihr wohl nun wohler ist und sie ihren schrecklichen Leiden überhoben. Doch alle, die sie gekannt und geliebt haben, ist es ein recht großer Verlust. Ich kannte sie seit meinen frühesten Kinderjahren. Ich erinnere sie nur sehr wohl als Marie Brühl in Königsberg, wo sie viel bei Radziwil war. Später war sie Hofdame bei Charlotte. 10 Prinzessin Anna Maria von Sachsen (1836–1859), Tochter der Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), wurde am 4. Jan. in Dresden geboren. 11 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 12 Oberhofmeisterin Marianne Gräfin von Bassewitz, geb. von Lützow (1802–1865), war mit Carl Christoph Graf von Bassewitz (1784–1837) verheiratet, die Ehe wurde geschieden. 13 Elisabeths Tante mütterlicherseits Großherzogin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Baden (1788–1836), war am 27. Jan. auf der Rosenhöhe in Darmstadt an Typhus gestorben. 14 Marie Sophie von Clausewitz, geb. Gräfin von Brühl (1779–1836), war am 28. Jan. gestorben.
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Für Auguste ist es ein Verlust, vielleicht wird sie dies erst jetzt einsehen, denn früher erkannte sie garnicht ihren Werth, wenn ich denke, wie sie in Schlesien und Kalisch mit ihr umging, so daß ich es ihr einmal sagte, weil es mich so ärgerte. Wie eine Dienstmagd war es wirklich. Nun wird es schwer werden, eine passende Frau zu dieser Stelle zu finden und ob sich eine wird finden laßen wollen. Wir werden eine Oberhofmeisterin bekommen, eine Gräfin Bassewitz, die ich sehr gern habe und die ganz zu dieser Stelle gemacht scheint. Wenn ich noch nach Berlin komme, werden wir sie mitbringen. Sie kömmt Mitte dieses Monats erst aus Stuttgard hier an, wo sie sich bis jetzt aufgehalten. Ist Marianne vielleicht in anderen Umständen? Denn ich höre immer fort, sie sei unwohl. Wie gehet es denn sonst? Ist sie höflich und freundlich und läßt sich nichts merken? Dabei fällt mir ein, daß Anton Stolberg nach Berlin kommen wollte.15 So schrieb mir Tante Wilhelm. Ist er denn da gewesen oder ist er vielleicht jetzt dort? So grüße ihn von mir. Gern würde ich ihn wiedersehen. Nun lebwohl, meine liebe Elis, behallte immer ein bischen lieb, Deine alte Adine Schwerin, den 27ten Februar 1836 Liebe Elis, diese flüchtigen Zeilen sollen Dir nur meinen herzlichen Dank sagen für Deine beiden Briefe, die sich so schnell folgten und für Deine Theilnahme an dem delikaten prächtigen und bequemen Lehnstuhl, der mir eine unbendige Freude gemacht. Er ist außerordentlich bewundert worden von allen Fremden und diente noch außerdem als Stoff zum Sprechen. Ich melde hiermit auch, daß wir am 4ten Merz zur soiree bei Papa eintreffen werden. Gestern erhielt ich einen Brief von Papa, worin er mir dies schrieb, und meiner wird auch schon in seinen Händen sein, wo wir uns anmelden zum souper. Nun werden wir uns einige Stunden früher auf den Weg machen als es unsere Absicht war. Ich freue mich unendlich nach Berlin zu kommen, und Euch, ihr Lieben, wieder zu sehen. Heute haben wir den Einweihungsball des neuen Tanzsaales im Schauspielhaus. Es wird ein fürchterlicher Abend sein, 600 Menschen aus allen Klassen. Adios, auf baldiges Wiedersehen, Adine Die arme Charlotte, Gott sei Dank, daß sie wohl. Der Himmel helfe ihr ferner. An Butt meinen Dank. Die alberne Werdeck,16 ich bedaure Dich. Die Beschreibung vom dicken Liebhaber und der Schlieben17 hat uns sehr amüsirt, und die Beschreibung der Maskenaufzüge bei Ohm Karl. 15 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Offizier und Minister des kgl. Hauses. 16 Mathilde von Werdeck (1812–1888), Hofdame der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 17 Verm. aus der Adelsfamilie von Schlieben, in der mehrere Häuser während des 18. Jh. in den preuß. Grafenstand erhoben wurden.
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Meine liebe Elis, seit 3 Wochen bin ich von Berlin fort und habe noch keinen Buchstaben Dir gesendet, obgleich mein Herz mich recht oft dazu hinzog. Allein, ich hoffete immer, es sollten wieder bessere Zeiten hier eintreten, die meinen Briefen mehr Heiterkeit verleihen sollten. Allein, es bleibt sich immer gleich. Der liebe Großherzog ist sehr krank, doch wechselt es oft, so daß man mitunter Hoffnung hat, dann ist es wieder ganz aus. So sind nun 14 Tage vergangen. Du glaubst nicht, wie es angreifend ist. Gegen mich ist er unendlich freundlich. Gestern habe ich 3 Stunden an seinem Bett geseßen. Das macht ihm Freude. Er ist aber so matt, daß er kaum sprechen kann. Dabei zwingt er sich, seine Geschefte noch selbst zu führen. Wir sind in einer recht traurigen Lage. Auch die Geschefte leiden sehr. Und wenn dieses Leiden noch dauern sollte, und doch nicht zur Besserung führen, so wird Paul einen fürchterlich schweren Anfang haben. Nun möchte ich einmal wißen, wie es Dir gehet, denn seit ich fort bin, weiß ich garnicht, was in Berlin passiert. Papa war einmal so gütig, mir zu schreiben. Dadurch weiß ich, daß der Oldenburg18 dort war. Ich hoffete, er sollte eine Parthie für Helene werden, aber jetzt würden wir ihn kaum gesehen haben, denn die Krankenstube ist unser Aufenthalt und unser einziger Gedanke. Darum verzeihe, wenn mein Brief so unendlich dumm ist, und ich schließe ihn lieber, mit einen Kuß und der Bitte, daß Du meiner nicht vergeßest. Deine alte Adine Ludwigslust, den 29ten April 1836 Dein Brief, geliebte Elis, verdiente wohl eine frühere Antwort. Du glaubst nicht, welche Freude Du mir dadurch gemacht. Allein, ich kann nicht so über meine Zeit bestimmen. Du hast jetzt die Freude, Deinen Vetter Karl,19 den Bräutigam in Berlin zu sehen. Papa schrieb mir, er gefiel ihm sehr. Auch fände er ihn nicht zu embrassirt. Wie ist denn Elschen mit ihm? Natürlich und herzlich? Aber welch ein Gräuel stehet euch noch bevor, den Herzog von Orleans und Nemour in Berlin zu sehen.20 Nein, das ist zu schäuslich. Papa ist auch ganz kaput darüber. Ich bin so froh, diese beiden nicht zu sehen. Man weiß garnicht, was man für ein Gesicht machen soll. Etwas eisig wird die Luft wohl bleiben. Bitte, liebe Elis, schreib mir doch einmal, wie es mit Mary gehet. Ich hörte so von weitem, als wenn es nicht besonders stünde. Sie soll so aufgeregt sein. Die Mama aus
18 Herzog Peter von Oldenburg (1812–1881), Sohn von Herzog Georg von Oldenburg (1784–1812) und der Großfürstin Katharina Pawlowna von Russland (1788–1819). 19 Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877) heiratete am 22. Okt. 1836 in Berlin Prinzessin Elisabeth von Preußen (1815–1885). 20 Die Herzöge Ferdinand Philippe von Orléans (1810–1842) und Louis von Nemours (1814–1896), die ältesten Söhne von Louis Phillippe (1773–1850), König der Franzosen, waren auf Brautschau.
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Weimar21 kömmt darum nicht. Wer hat denn das durchgesetzt? Es ist ein Meisterstreich, aber wie traurig und betrübt, wenn eine Mutter so zu die Kinder stehet. Wir beide, Gott sei dank, kennen so etwas nicht. Von unserem alten Herrn muß ich doch ein paar Worte sagen. Seit gestern Nachtisch gehet es mit ihm bedeutend schlechter. Seine Schwäche nimmt sehr zu. Die Medicinen thun nicht mehr ihre Schuldigkeit. Seit 7 Tagen hat er keinen offenen Leib gehabt. Die Beängstigung zeigt sich wieder mehr, und jetzt klagt er über Kälte im Kopf, was vermuthen läßt, daß auch dort sich Wasser sammelt. Er ist oft unbesinnlich, schläft fast immer, und wenn er erwacht, so jammert er, daß er keinen Schlaf hat. Du bist vielleicht so gut und läßt es Papa wißen, daß es wieder weniger gut ginge mit dem Großherzog, weil [ich] gestern morgen grade das Gegentheil geschrieben. Wie schön muß es jetzt nun in Peristan sein. Hier wenigstens ist es so grün. Nur leider ist heute ein Herbsttag, denn es ist recht kalt. Wilhelm22 ist krank gewesen, wie Graf Hessenstein23 schreibt, der vorzüglich von Deiner und Butts Gnade entzückt ist. Deine Adine Ludwigslust, den 15ten Juny 1836 Meine liebe Elis, erst heute komme ich dazu, Dir zu schreiben, obgleich mein Herz mich schon längst dazu getrieben. Denn ich möchte Dir so gerne meinen Dank recht ausdrücken für Deine Liebe, die Du mir diesmal wieder so sehr bewiesen hast. Ich kann Dir nicht aussprechen, welche Freude Du mir gemacht hast, daß Du mich bei Dir in Sanssouci aufgenommen hast. Dort konnte ich mich mir Dir recht aussprechen, Dich recht viel sehen, um Dich sein, denn Du weißt vielleicht garnicht so wohl, wie lieb ich Dich habe. Bei Dir ist mir so wohl. Es war mir, als würde ich in der schönen Vergangenheit zurückversetzt, wo wir sonst so oft miteinander waren. Das macht mir Potsdam auch so lieb, weil wir dort uns viel mehr sehen als in Berlin, wo ich wenigstens gar nicht zu mir selbst komme. Diese 8 Tage, welche ich diesmal in Berlin und Potsdam gewesen, werde ich nie vergessen, denn sie waren zu schön, haben mir eine so liebe Erinnerung zurückgelaßen. Und daran hallte ich mich fest. Die Zukunft liegt zu dunkel und trübe vor mir. Der alte Herr, welchen ich so wohl vorgefunden, liegt heute recht krank. Er hat das Fieber bekommen, und man kann noch nicht wißen, was es für Folgen haben wird. Er selbst ist ängstlich und mir ist ganz schlecht zu Muth. Drei Stunden hat er Frost und nun liegt er in Hitze. Den 16ten. Gestern wurde ich hier gestöhrt, was vielleicht recht gut war, da ich wirklich höchst unbrauchbar. Aber heute gehet es besser, wenn die große Hitze mich nicht ganz dumm macht, in der ich in der Mittagsstunde nach Schwerin geschleppt wurde. Großpapa hat das Fieber gestern um Mittag verlaßen, wonach er sich sehr wohl fühlte. Die Nacht war aber doch nicht besonders, und ich finde ihn heute schwach und unbe21 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Maria Pawlowna von Russland (1786–1859). 22 Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 23 Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Preußen.
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sinnlich, was auch nicht zu verwundern. Doch Gefahr ist nicht, was wir gestern sehr besorgten. Wenn Du Papa am 18ten siehest, dann bist Du wohl so gut, und sagst ihm, wie es mit Großpapa stehet. Ich habe heute keine Zeit zu schreiben, weil ich Mama versprochen, heute nach Dessau ihr Nachricht nachzusenden. Darum muß ich hier auch schon schließen. Dir hoffe ich, gehet es recht wohl im schönen Sanssouci, denn bei der Hitze und dem klahren Wetter muß es ganz besonders himmlisch dort sein. Ein wenig besser als in Paretz, wo Papa bis Freitag bleibt, wie mir Erlaucht schreibt, die so gut war, mir Nachricht von Tante Cumberland zu senden, von der ich garnichts erfuhr. Was sagst Du dazu, daß Peter Oldenburg24 am selben Tag wie ich ankam, wie eine Bombe bei uns hereinfiel. Gesehen hat er, was er sollte, aber nur den Abend. Wilhelm war auch angekommen. Was es für Folgen haben wird, weiß ich nicht. Ich glaube, keine nach solchem kurtzen Besuch, denn in der Nacht reisete er schon ab, weil er den andern Tag sich in Hamburg nach London einschiffte. Nun Lebwohl! Ewig, Deine treue Adine Ludwigslust, den 9ten July 1836 Meine geliebte Elis, eine rechte Sehnsucht habe ich, Dir zu schreiben, denn seit langer Zeit hörte ich garnichts von Dir, und noch habe ich nicht einmal gedankt für Deinen herzlichen Brief vom 23ten aus Sanssouci. Dort muß es himmlisch sein, denn seit langer Zeit haben wir das schönste Wetter von der Welt, was zwar einen unerhörten Staub veruhrsacht, an dem man stickt. Allein, man braucht sich nicht aus seinem Garten zu begeben. Indessen man sich auf Reisen begiebt, wie wir am Dienstag, wo wir nach Dobbran ziehen, möchte man sich doch etwas Regen wünschen, nur gleich warmes schönes Wetter wieder folgen laßen. Der liebe Großpapa bestimmte diesen Tag für uns, als er hörte, daß der Wasa mit seiner Frau25 schon am 4ten hinkommen würde, an dem Tag er aber grade hier durchkam und sie nur einige Stunden sich aufhielt, er aber den ganzen Tag blieb. Die hatten den Tag vorher eine fürchterliche tour gemacht von Magdeburg quer durch in einem fürchterlichen Sand, und sind am Abend 10 Uhr bis in der Nacht 2 Uhr herumgefahren. Die arme Prinzeßin war sehr angegriffen und ging daher nur einige Meilen bis Wismar, um dort recht auszuschlafen und bei Zeit in Dobbran anzukommen. Sie hat so einen lieben Ausdruck, etwas trübes in den Augen, scheint ein wenig schüchtern, doch glaube ich, wenn sie nur erst Stärkung von den Seebädern empfindet, wird sie heiter und munter werden. Der Prinz Wasa hat die Absicht, Dich vielleicht im August zu besuchen. Überhaubt hat er viele Pläne, was er im Sommer vornehmen will. Ich gehe übrigens schon am 4ten von hier fort, denn ich fürchte, unser lieber Großpapa wird uns nicht nach Dobbran 24 Herzog Peter von Oldenburg (1812–1881) war auf Brautschau in Ludwigslust und traf dort Alexandrines Schwägerin Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858). Er heiratete aber am 23. April 1837 Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 25 Prinzessin Luise von Baden (1811–1854), verh. mit Prinz Gustav von Wasa (1799–1877).
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folgen. Er ist noch zu schwach, obgleich er alles thut, um sich stark zu machen, hat auch eine Fahrt gemacht von 10 Minuten. Die ist ihm aber grade schlecht bekommen, denn seitdem kann er sich garnicht erholen. Die ersten Tage danach lag er sogar ganz wieder zu Bett, was ihm auch am wohlsten ist nach seiner eigenen Aussage. Du kannst Dir aber denken, wie ungern er uns scheiden sieht, und dann hofft er zwar noch zu folgen, doch sein eigener Glaube daran scheint mir nur schwach. In Berlin wird es nun auch wohl immer stiller. Die Tante Königin ist mit Marianne abgereist. Die Churfürstin26 folgt gewiß bald. Papa reiset auch am 15ten July, doch gewißes weiß ich nichts darüber. Wie ist denn Mary, seit dem sie in der großen Welt wieder aufgetreten ist? Die bleibt Dir als Stütze für den Sommer, in Glineke. Wie sind denn die Wettrennen abgelaufen? Ist kein Unglück geschehen? Ist Kettler27 nicht mitgeritten? Luise schreibt mir, Tante Radziwil28 wäre abgereist nach Töplitz. Ist das wahr? Wie ging es denn der armen Tante? Ich höre nun garnichts mehr aus Berlin, seit dem Fräulein Kameke fortgereiset ist. Der Oldenburg soll, wie ich höre, versprochen sein mit Therese von Nassau,29 und zwar schon damals, als er zu uns kam. Also wird es für Otto30 nichts sein. Meine Schwiegermama und Helene sind jetzt in Marienbad, haben Therese und Otto dort gefunden. Letzterer soll hübscher geworden sein und einen jungen schönen Griechen bei sich haben im Costum, mit dem er oft am Tage wechselt, um Aufsehen zu machen. Leb wohl meine Elis, es umarmt Dich Deine brave Alex Dobbran, den 4ten August 1836 Meine liebe Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 16ten vorigen Monats. Es ist eine ganze Zeit seitdem verstrichen, und wehrend dem hat die Lintheit im Affen Cabinet ein Kind in die Welt gesetzt.31 Welche eine Überraschung, doch muß es embarassant im ersten Moment gewesen sein, da doch nicht das Geringste in der Art in Ordnung war. Wie ich hören, soll sie wohl sein. Was es aber für ein individuum geworden, weiß ich nicht. Grüße sie von mir und ich gratuliere zur Überraschung. Dein Vetter Gustav32 ist von 2–3 in der Nacht zurück gekommen von seinen Reisen. Er hat Cecile33 wohl gefunden. Sie ist jetzt mit ihrem Gemahl nach Franzesbrunnen, was er gebrauchen soll. Die liebe, kleine Frau habe ich während der Zeit recht viel gesehen. Sie ist garzu lieb und gut 26 Kurfürstin Auguste von Hessen-Kassel, geb. Prinzessin von Preußen (1780–1841). 27 Verm. August Joseph Freiherr von Ketteler (1808 –1853), preuß. Sekondeleutnant in der Kavallerie des 13. Landwehr-Regiments, zuletzt preuß. Major im 1. Garde-Ulanenregiment. 28 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 29 Herzog Peter von Oldenburg (1812–1881) heiratete 1837 Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 30 König Otto I. von Griechenland (1815–1867), Prinz von Bayern. 31 Person nicht zu identifizieren. 32 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877), verh. 1830 Prinzessin Luise von Baden (1811–1854). 33 Prinzessin Cäcilie von Schweden (1807–1844), verh. 1831 Großherzog August I. von Oldenburg (1783–1853). Am 15. Febr. war ihr zweiter Sohn Nikolaus Friedrich August (1836–1837) zur Welt gekommen.
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und liebt ihren Gustav über alles. Ob er es so erwidert, daß weiß ich nicht. Er scheint immer so kühl. Jetzt möchte er gerne wißen, ob Du mit nach dem Rhein gehest, weil er die Absicht hat, Dich zu besuchen, und dann Papa seine Aufwartung zu machen. Den 9ten. Mein Schreiben hier ist nicht weit her, wie Du siehest. Und ich thue am besten, wenn ich diese wenige Zeilen so rasch als möglich fortsende, sonst werden sie uralt. Gestern haben wir eine Seeparthie nach Warnemünde gemacht, die recht lustig war. Wenigstens für die Gesunden. Es waren aber viele Kranke. 19 Menschen sind zusammen gezählt, worunter Gräfin Braschma34 und die Schreeb todt krank.35 Die andern hielten sich auf den Füßen. Die Wasa36 war auch sehr miserabel, gab aber nichts von sich und lief herum. Dein Vetter, Paul und ich waren ganz munter. In Warnemünde hielten wir eine halbe Stunde an. Mehrere gingen am Lande, und da wir im Schlepptau vom Dampfschiff waren, konnten wir uns nicht länger aufhalten. Einige hatten sich verspäthet und liefen nun wie verlohren am Ufer lang. Doch schnell nacheilende Böthe brachten sie uns noch nach. Auf der Warnow konnte niemand krank werden. Also wurde Musik gemacht. Ein junger Ruße, der hier ist, Captain Aminof von den Finländischen Jägern,37 welcher die Guitarre spielte und dazu sang, brachte mehrere Damen und Herren zum Mitsingen, und so verging die Stunde bis Rostock auch schnell. Hier stiegen wir aus und sollten die Stadt besehen. Allein, die Prinzessin Wasa war so kaput, daß sie sich hinlegte, ich desgleichen. Nur die Herren durchzogen die Stadt. Um 4 Uhr wurde gegessen. Alles machte bunte Reihe,38 daher das Diner recht munter war. Der Baron von Wettberg39 ist auch hier. Ein Kurländer, welcher preußischer Kammerherr ist. Überhaubt sind dies Jahr viele aus der Fremde hier. Mehrere Rußen, Engländer, Östreicher, was dies Jahr das Leben ganz angenehm macht. Doch können wir über alles dies nicht die Abwesenheit des lieben Großpapa verwinden. Es ist zu traurig, sein Platz bei Tisch ist lehr. Er, der immer herumlief und Leben in die Gesellschaft brachte. Alles ist so still und nun noch das Gefühl, was man hat, wie schwer es ihm selbst wird, nicht hier zu sein. Er dauert mich zu sehr, daß er diese Zeit so verleben muß. Nun lebwohl, meine Elis, ich hoffe, es gehet Dir recht gut. Sage mal, was haben Claris für einen Trauerfall in der Familie? Die Tochter Mathilde ist auch sehr ernstlich krank, wie ich höre.40 Sonst soll es recht langweilig sein, garnicht gesellig wie sonst, so schreibt Papa, der nun bald wieder zurückkehrt. Deine alte Adine 34 Wilhelmine Gräfin Praschma, geb. von Wurmbrand (1798–1854), Oberhofmeisterin der Prinzessin Luise von Wasa, geb. Prinzessin von Baden. 35 Bertha von Schreeb (1814–1883), Hofdame der Erbgroßherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 36 Prinzessin Luise von Wasa, geb. Prinzessin von Baden (1811–1854). 37 Verm. Adolf Graf Aminoff (1806–1884), russ. Capitain, Sohn von Johann Frederik Graf Aminoff (1756–1842), zuletzt russ. Generaladjutant und General der Infanterie. 38 Bunte Reihe bedeutet eine Tafel, bei der sich Männer und Frauen abwechselnd platzieren. 39 Otto Baron von Wettberg (1805–1846), preuß. Kammerherr. 40 Mathilde von Clary und Aldringen (1806–1896), verh. 1832 Prinz Wilhelm Radziwill (1797– 1870).
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An Butt tausend Schönes. Haben wir alle zusammen Papa etwas zum Geburtstag zugeben, oder nicht?
Ludwigslust, den 12ten November 1836 Meine innig geliebte Elis, leider ward mir nicht die Freude, Dich zum Geburtstag selbst an mein Herz zu drücken, und so muß dieses grüne Blatt41 meine Stelle vertreten. Wie gerne ich grade an diesem Tag noch bei Dir gewesen, brauchte ich wohl nicht erst viel in Worten weit und breit auseinander zu setzen. Du weißt, wie innig ich Dich liebe und wie hoch ich Dich hallte. So nimm nun freundlich meinen herzlichen Glückwunsch an. Mögest Du einen recht frohen Tag begehen, der Dir ein frohes Jahr profezeie. Deine Mama ist wirklich schon am Mittwoch in Berlin eingetroffen. Für Dich freut es mich außerordentlich, aber daß ich nun wieder um das Glück und die Freude gekommen bin, persönlich mich ihr presentieren zu können, kann ich nicht verschmertzen. Und wäre die bestimmte Antwort vor meiner Abreise gekommen, ich glaube, ich wäre nicht fort gegangen. Daß es übrigens so gekommen ist, ist gewiß recht gut, denn unsern alten Großpapa haben wir doch viel schwächer vorgefunden, als wie wir es erwartet. Sein Geist hat abgenommen wie seine Kräfte. Besorgniß giebt es sonst nicht, allein, es ist gewiß gut, daß wir wieder um ihn sind. Es macht ihm auch Freude. Er zeigt es selbst. Das tröstet für manche Entbehrung. Noch lebe ich ganz in der Erinnerung von Berlin. Wie mir daß immer wohl thut, wenn ich dagewesen. Hier ist es garzu still und einsam. Das trübe Wetter dabei. Ich werde ganz melankolisch. Kannst Du Dir deine dicke Alex so denken? Nun so arg ist es auch nicht. Am Montag wird erst die Feier im Louischen Palais sein, wie man mir geschrieben. Die hätte ich auch gern mitgemacht. Nun so werde ich viel hindenken. Dann erwarten wir Marie und George mit den Kindern.42 Sie werden wohl 4 Monate bei uns bleiben. Ich freue mich recht, daß sie kommen. Nun leb wohl, geliebte Elis. Ich muß nach Schwerin fahren, wo heute Abend ein Concert ist. Paul ist schon um 7 Uhr hin. An Papa küße die Hände und sagst ihm wohl wegen Großpapa, daß er garzu schwach wird. Und Deiner Mama lege ich mich zu Füßen. Marie von Strelitz küße ich innig. Deine alte Adine Was ich Dir heute zum Angebinde gebe, weiß ich nicht. Ich bin mit den Geschwistern, möge es Dir Freude machen.
41 Alexandrine verwendete einen grünfarbigen Briefbogen. 42 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862), mit ihren Kindern Prinz Ernst (1826–1908) und Prinz Moritz (1829– 1907).
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Meine Elis, noch habe ich Dir garnicht geschrieben seit dem Tod der lieben Tante Radziwill.43 Ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, wie betrübt ich bin. Und grade den Tag vor dem Geburtstag vom Großherzog, wo schon eine Menge Fremde hier versammelt waren, bekam ich diese Todesnachricht, welche mich ganz niederdrückte, denn ich liebte die Tante wie eine Mutter. Seit meinem dritten Jahre war ich so viel bei ihr gewesen wegen Elise, alle frohe und alle trübe Zeiten hatte sie mit uns getheilt und immer war sie so unendlich gut und lieb für mich. Noch den Tag vor meiner Hochzeit habe ich den ganzen Abend bei ihr zugebracht. Wie glücklich bin ich nun, daß ich die arme Tante noch 2mal am letzten Tag in Berlin gesehen, wo ich sie auffallend verändert fand. Und noch da war sie so herzlich und gut. Ach, es ist ein recht großer Verlust. Doch ihr ist wohl. Sie ist mit ihren Lieben vereint, die vorangegangen, denn seit dem Tod von Elise lebte sie mehr dort als hier. Nur Wanda hielt sie.44 Die Arme ist recht zu beklagen, wenn ihr der Schmertz nur nicht schadet bei ihren Hoffnungen. Nun ist das liebe Haus, wo ich so viele Tage und Stunden zugebracht, recht lehr, eigentlich ausgestorben zu nennen. Ich kann ohne Thränen nicht daran denken. Dir meine Elis wird dieser Verlust auch recht nahe gehen, denn ich weiß, Du liebest sie von Herzen, und Tante Wilhelm, wie wird die ergriffen sein. Sie war so innig mit der Tante verbunden. Das schöne Schlesien, das liebe Thal von Hirschberg ist um eine theure Person ärmer. Es wird für die Tante eine rechte Lücke dort sein. Den 20ten. Weiter konnte ich gestern nicht kommen, und jetzt kann ich Dir auch Lebwohl sagen, in dem ich gleich nach Schwerin fahre, um noch Weihnachtssachen einzukaufen, die Ribeauspierre, welcher seit 2 Tagen hier ist, mitnehmen soll. Er kam, um einem Ball zu entgehen, welchen er zum Nahmenstag vom Kaiser hatte geben müßen. Nimm gütig die Gabe an, welche ich Dir senden werde, und denke meiner in Liebe. Adine Ludwigslust, den 29ten December 1836 Tausend herzlichen Dank, meine geliebte Elis, für Deinen lieben Brief, welchen ich gestern Abend erhielt. Du hast mir eine rechte Freude gemacht. Leider sehe ich aber, daß der gute, liebe Butt wieder unwohl ist. Das kömmt ihm ja jetzt oft. Grüße den lieben Dicken, und ich ließe ihm ein glückliches Neu Jahr wünschen. Er möchte immer so lieb und herzlich für mich bleiben wie bisher. Und Du auch meine Elis, erhalte mir Deine Liebe und Freundschaft, die mir so überaus werth ist, und ohne der ich nicht leben könnte. Du glaubst nicht, mit welcher innigen Liebe ich an Dich hänge, und wie mir jeder Beweis Deiner Zuneigung glücklich macht. So ist mir der Tag, wo ich einen Brief 43 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836), war am 7. Dez. in Berlin gestorben. 44 Prinzessin Wanda Radziwill (1813–1845), verh. 1832 mit Fürst Adam Konstantin Czartoryski (1804–1880).
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von Dir bekomme, ein wahrer Freudentag. Noch mit rechter Wonne denke ich der Stunde nach dem Essen bei Dir, wo wir so recht von Herzen weg mit einander sprachen. So mit Dir mich auszusprechen, thut mir immer so wohl, und doch kommen wir selten dazu, wenn ich in Berlin bin. Leider werden wir uns im Winter nicht wiedersehen, denn Paul kann nicht fort. Wir gehen auch schon am 10ten Januar nach Schwerin, wo Mama mit Helene und Marie und George45 in einigen Tagen folgen und dann bei uns bleiben. Mit Großpapa gehet es ziemlich und giebt für den Moment keine Besorgniß, doch bleibt er schwach. Was hast Du für Nachrichten aus München? Die Cholera gehet doch etwas über. Deine Mama ist noch in Dresden. Das ist eine große Beruhigung. König Otto ist nun auch auf seiner Reise nach Griechenland.46 Eine hübsche Jahreszeit. Ich möchte ihm wohl gönnen, daß er Abschied von seiner Familie nehmen [kann]. Therese,47 schrieb an George,48 es sei dies noch ungewiß. Du hast mir noch eine rechte Freude gemacht dadurch, daß Du mir geschrieben, daß Tante Radziwill49 meiner noch in der letzten Zeit mit Liebe gedacht. Das macht mich sehr glücklich. Ich werde an Wanda50 noch schreiben, noch that ich es nicht, um Haare von der lieben Tante bitten, und vom Prinzen,51 denn ich habe sie von Allen, die nun vereinigt sind. Wie die wohl glücklich sind. Der arme alte Buch hat mir recht leid gethan.52 Von meinen frühesten Kinderjahren an kenne ich ihn. Doch auch ihm ist die ewige Ruhe zu gönnen. Er war doch recht jammervoll. Nun leb wohl, denn die Post kömmt eben. Behalte mich lieb auch im Neuen Jahr. Ach Gott, was wird es uns bringen? Deine alte Adine Die attention von William ist wirklich allerliebst.
45 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 46 König Otto I. von Griechenland, Prinz von Bayern (1815–1867), hatte am 22. Nov. Herzogin Amalie von Oldenburg (1818–1875) geheiratet. 47 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 48 Prinz Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853). 49 Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). 50 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845). 51 Einer der verstorbenen Söhne des Fürsten Anton Radziwill (1775–1833). 52 Adolph Friedrich von Buch (1767–1836), preuß. Oberzeremonienmeister und Kammerherr, war am 21. Dez. gestorben.
1837 Ludwigslust den 5ten Januar 1837 Meine arme Elis, welch ein trauriges Neues Jahr hast Du an[ge]fangen. Gott sei nur gelobt, daß die Gefahr schnell gehoben und es dem lieben Dicken ziemlich gut nun gehet. Habe tausend Dank, daß Du mir gleich geschrieben, daß macht mir eine besondere Freude, da ich daraus sehe, daß Du mich liebst und mein besorgtes Schwesternherz kennst. Grüße den lieben Dicken recht herzlich von mir und sage ihm, wie ich auch besorgt und Angst um ihn gewesen. Durch Fräulein Kameke hörte ich, daß es am 3ten doch bedeutend besser gegangen ist. Du hast auch keine genauere Nachricht über die Krankheit der lieben Luise Wasa.1 Vom 20ten waren Nachrichten hier durch die Fürstin Kinski,2 danach ging es besser. Ich hoffe, es sind verspätete Nachrichten in der Zeitung. Doch will ich Amelie3 schreiben, der ich so eine Antwort schuldig bin. Unser alter Herr4 hat uns wieder einige Besorgniß gegeben, indem er alles ausbrach, was er aß. Indessen heute soll es besser gehen. Die Nacht ist ruhiger gewesen. Wir haben sonst das Neue Jahr ganz heiter vollendet und begonnen, zwei Bälle gehabt, welche sehr munter. Ich selbst habe mehr getanzt wie sonst. Ich glaube, ich that es, weil ich weiß, daß es in Schwerin nie so amüsant sein kann, und da wir Dienstag, den 10ten dahin ziehen, so benutzte ich diese letzern Male. Wenn ich in Schwerin einige Wochen erst bin, dann gehet es. Aber die erste Zeit, die ist scheuslich. Späther kommen auch mehrere Herrn und Damen vom Lande herein. Das giebt sehr viel Abwechslung. Einige Tage hatten wir soviel Schnee, daß wir mehrere Schlittenfahrten gemacht. Die letzte bestand aus 16 Schlitten und einem Musikschlitten voraus. Das gab viel Amüsement. Nun ist es aus. Zwar liegt noch Schnee, aber wenig, und der wird auch wohl noch davon gehen, denn es taut. Nun lebwohl. Ich hoffe, mit der Besserung wird es seinen guten Fortgang haben. Deine alte Adine Wenn Dir die Gräfin Hessenstein5 presentiert wird, empfehle ich sie Dir. Es ist eine gute Frau, wenn sie auch ein sonderbares Äussern hat.
1 Prinzessin Luise von Wasa, geb. Prinzessin von Baden (1811–1854). 2 Wilhelmine Elisabeth Kinsky von Wchinitz und Tettau, geb. von Colloredo-Mannsfeld (1804– 1871). 3 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 4 Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin. 5 Angelika Gräfin von Hessenstein, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1802–1852), verh. mit Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Berlin.
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Ludwigslust, den 3ten Februar 1837 Meine liebe Elis, Du wirst es mir gewiß nicht übel ausgelegt haben, wenn ich Dir nicht den ersten Tag geschrieben, wo unser theuerer Großvater und Herr von uns geschieden.6 Allein, ich war außer Stande, denn der Schmerz hatte mich ganz nieder gedrückt. Ich liebte den alten armen Herrn so von ganzer Seele, und seit 10 Monaten war ich ja mehr denn je nur mit ihm bescheftigt gewesen. Und nie werde ich seine Liebe für mich vergeßen. Er hat mich immer verzogen. Noch den letzten Abend lächelte er mich an, als ich ihm zu trinken reichte, was er nicht mehr herunter bringen konnte. Die letzten Tage waren schrecklich, wo man sein Hinscheiden so augenscheinlich bemerkte, wo er sogar mit uns sprechen wollte, und es nicht mehr ging. Den Dienstag lag er den ganzen Tag im Sterben, so daß wir in der Nacht vorzüglich sein Ende erwartet. Allein, da ward er etwas ruhiger. So ward auch sein Ende. Er schlief ruhig ein, und als wir gleich darauf kamen, war sein Ausdruck im Gesicht so engelsmild. Auch soll er sich jetzt noch wenig verändert haben. Was so rührend ist, daß eine Menge Bauern Meilen weit kommen, um den seeligen geliebten Herrn noch zu sehen. Es ist ein recht beglückendes Gefühl, wenn man sieht, wie das Volk an ihre Herrn hängen. Gott möge meinen armen Paul stärken und ihn erleuchten, daß er die neu übernommene Pflicht recht treu und zum Glück seines Volkes führe. Paul wie ich sind tief gerührt von Fritz seinem Brief, der so viel Theilnahme und Liebe ausspricht. Grüße den lieben Bruder. Er möge uns beiden seine Liebe erhalten. Leb wohl, meine Elis, Deine Liebe bleibt mir, hoffe ich, unwandelbar. Deine tief betrübte Adine Die Beisetzung kann vor dem 13ten nicht sein, weil so viel zu machen ist.
Berlin, den 4ten Februar 18377 Meine geliebte Adine, ich denke so viel an Dich, daß ich nicht umhin kann, Dir ein paar Worte zu schreiben, wenn ich auch ein wenig fürchte, daß es Dir jetzt lästig ist. Du jammerst mich sehr. Ich kann mir so gut denken, was Du leiden mußt und welche Leere Dir der gute, alte Herr lassen muß. Aber welcher Trost für Dich, daß Du ihn bis zulezt pflegen konntest, daß er es auch so dankbar anerkannte und es Dir bis zum lezten Augenblick bewies. Ich habe Deinen Brief an Papa gelesen, er hat mich so gerührt. Ich sah Dich dabey immer in Thränen, Du Geliebte. Auch Pauls Brief an Fritz und seinen Bruder war so rührend. Sage ihm doch, wie viel Antheil ich an seinem Schmerze nehme und wie ich ihm allen Seegen des Himmels wünsche, in seinem neuen, schweren Stand. Fritz hat ihm gleich geantwortet aus der Fülle seines Herzens, obgleich er gerade sehr angegriffen vom ersten diné beym König war, wo doch keine Fremden waren. Aber er kann noch gar wenig ertragen und muß sich sehr in acht nehmen und schonen. Diese Schwäche ausgenommen, 6 Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin war am 1. Febr. gestorben. 7 Handschriftlicher Vermerk am linken, oberen Rand: „Tod des Großherzogs Friedrich Franz I.“.
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geht es ihm Gottlob gut, und ich hoffe mit der beßren Jahreszeit wird auch seine gute, blühende Gesundheit wieder kommen. Er umarmt Dich zärtlich und möchte wißen, ob Hoffnung ist, Dich im Frühjahr hier zu sehen? Ich fürchte immer nein, aber es wäre eine gar große Freude. Ich hoffe, mit Helene geht es besser, Auguste war sehr besorgt um sie.8 Nun will ich aber enden, Du bist jetzt wohl nicht aufgelegt, Briefe zu lesen. Lebe wohl, liebe, gute Adine, ich bete für Dich um Paul. Gott seegne Dich, Deine alte Elis Ludwigslust, den 7ten Februar 1837 Dein Brief, liebe Elis, hat mir wieder gezeigt, wie Du mir eine wahre Schwester bist. Da Du den lieben Großpapa nicht gekannt, so war Deine herzliche Theilnahme nur aus Liebe zu mir entsprungen. Und das thut mir immer gut. Wie viel mehr nicht, wenn das Gemüth zerrißen ist von Schmertz. Auch ich kann es mir oft nicht denken, daß alles nun anders ist und daß ich den lieben Alten nicht mehr sehen kann. Daß ich mehr um ihn beschäftigt bin, daß ich so ganz still in meiner Stube gebannt, wo ich Paul auch fast nicht sehe, da er jetzt natürlich grade in der ersten Zeit so unendlich viel zu thun hat. Er hat aber den Muth und gehet mit Freudigkeit seiner Bestimmung entgegen, und gewiß bald wird sein Volk ihn noch mehr lieben und achten wie bis jetzt. Mama und Helene sind noch in Schwerin geblieben, weil die Grippe sie so angegriffen, und dieser Schmertz machte es nicht besser. Doch am Montag dem 13ten, wo die feierliche Beisetzung sein wird, werden sie herüber kommen. Bei solcher Gelegenheit ist doch gern die ganze Familie beisammen, wenn es möglich ist. Ach, es werden noch schwere Tage kommen. Einige habe ich schon durchgemacht. Gott stehet aber helfend zur Seite. Auf Ihn muß man bauen. Nimm den alten General Boddin9 gnädig auf. Er ist dem alten Seeligen Herrn mit Leib und Seele attachirt, denn seit 30–40 Jahren in seinem Dienst. Noch tausend Dank für Deine Beweise von Liebe. Deine gebeugte Adine Berlin, den 10ten Februar 1837 Ich habe nun schon zwey liebe Briefe von Dir, geliebte Adine, und kann Dir nicht genug sagen, wie dankbar und gerührt ich sie empfing. Wie gut bist Du, an mich zu denken in Deinen Schmerze, das weiß ich recht zu erkennen und thut meinen Herzen recht wohl. General Boddin10 sah ich gestern. Er erzählte uns viel vom seligen Herrn und von Dir und sagt mir, daß Du Gottlob körperlich wohler bist, aber recht tief gebeugt. Wie begreiffe ich das! Du hast nicht allein am eigenen Schmerz zu tragen, aber auch so viel neue Sorgen, die Dein Ver8 Die befreundeten Cousinen Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) und Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890). 9 Johann Caspar von Boddien (1772–1845), meckl.-schw. Generalmajor und Generaladjutant. 10 Johann Caspar von Boddien (1772–1845), meckl.-schw. Generalmajor und Generaladjutant.
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hältniß und besonders Pauls neue Lage mit sich bringen. Es ist gar schwer, einem so geliebten Herrn zu folgen, aber ich freue mich herzlich, daß er mit so viel Muth und Freudigkeit an seine neuen Pflichten geht. Das wird ihm Gott seegnen, und Dich auch, Du Geliebte, denn Du hast den Seegen so reichlich verdient durch Deine treue, kindliche Pflege. Boddin wird Dir diese Zeilen mit bringen und Dir von uns Allen erzählen können. Der Aermste ist gestern entsezlich im Schloß herumgejagt worden, von einem zum andern, nach dem Diné bei Papa, wo ich ihn auch sah. Wie traurig für Deine Schwiegermutter und Helenen, daß sie nicht bey Euch seyn konnten in den lezten schweren Tagen! Wenn sie nur Mondtag kommen können. Ich freue mich für Dich, daß Du wenigstens Marie und George11 hast, grüße sie beyde, besonders ihn, und sage doch auch ein Wort der Theilnahme von mir an Deinen Onkel Gustav, der gewiß recht tief betrübt ist. Fritz schreibt Dir auch eben. Es geht ihm gut, Gottlob, und vielleicht, wenn das Wetter gut bleibt, geht er künftige Woche auf ein paar Tagen nach Stettin mit Zepplin12 zu jubeln. Wir leben sehr still und eingezogen, was mir ganz recht ist. Nun lebe wohl, Du Geliebte, ich muß enden, sonst kömmt der Brief zu spät zum General. Gott stärke Dich in allem Schweren, was Dir noch bevorsteht, und schenke Dir seinen besten Seegen. Herzliche Grüße an Paul. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 16ten Februar 1837 Meine Elis, wie kannst Du nur glauben, daß Deine Briefe, welche sich öfter gefolgt, mir langweilig wären. Im Gegentheil, Du bist wie eine liebe Schwester für mich, die meine tiefe innige Trauer theilt, ohne den Gegenstand derselben gekannt zu haben, was es doch schwieriger macht. Wenn Du nur den lieben alten Herrn gekannt. Er war zu gut und wem er wohl wollte, dem war er auch wirklich attaschiert, und Dich hätte er gewiß recht lieb gehabt, denn von Fritz hielt er viel. Der gute Dicke soll wieder ganz wohl aussehen, nur sehr schlank. Mache doch, daß er bis im Mai die taille erhält, dann hoffe ich, gewiß werden wir unsern Besuch machen können. Die zwei tiefen Trauern sind dann aus, so daß wir nicht so gräulich aussehen und nicht stöhren mit unserm Erscheinen. Erst müssen wir nach Strelitz, weil es ein Haus mit uns ausmacht. Mein Herz zieht mich aber vielmehr nach Berlin zu Papa und zu Euch. An Fritz sage doch, daß leider sehr viel die Rede von einer Heirath zwischen Helene und den Orelan13 war. Bis jetzt wehrten wir uns 11 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 12 Konstantin von Zepelin (1771–1848), preuß. Generalleutnant und Kommandant von Stettin. 13 Im Sinne einer diplomatischen Einbindung der frz. Julimonarchie verfolgte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen auch ein Heiratsprojekt zur dynastischen Integration der seit 1830 in Frankreich regierenden Orléans, indem die Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) den Thronfolger Ferdinand Philippe heiraten sollte. Diesen vom König begehrten Dienst an der europäischen Diplomatie lehnten der ndeue Großherzog Paul Friedrich und Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin als Zumutung ab. Mit einer in Frankreich von Gnaden des Großbürger-
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Abb. 5: Schloss Schwerin, 1845.
mit Hände und Füßen dagegen. Allein, Helene ist so aus der Deutschen Art geschlagen, daß sie ihn durch aus haben will. Wir alle sind dagegen, nur Mama nicht. Die meint, ihre persönliche Ansicht dürfte hierbei nicht [in] Anschlag kommen, denn es macht sie im innersten auch unglücklich. Helene ist aber wie verhext. Die Familie war schon ganz entzweit, nur der jetzige Verlust hat uns näher gebracht. Onkel Karl weiß von allem Bescheit. Fragt den nur im Geheimen, daß Papa es nicht erfährt, denn der ist der protector dieser Sache, durch ihm ist es gekommen. Er ist sehr böse auf uns, daß wir nicht seiner Meinung sind. Ach, dies macht mich schrecklich unglücklich. Strelitzens wißen alles, die können von reden. Doch hallte es geheim, weil es sonst noch mehr Unannehmlichkeit giebt. Ewig Deine Adine Schwerin, den 27ten Februar 1837 Meine liebe Elis, Dein Brief, den mir Gräfin Hessenstein14 gebracht, am traurigen 23ten selbst, hat mir eine große Freude gemacht wie immer. Doch nein, der Brief kam ja eine Tag späther mit der Post. Verzeih meine Konfusion, allein, von der Grippe an habe ich wirklich eine Schwäche in meinem Gehirn behalten, daß mir manchmal Angst wird. Ich werde schwachsinnig, denn damals mußte ich es so anstrengen in der infamen Geschichte, daß ich wirklich ganz dumm bin. Heute noch hatte ich eine lange conversation tums revolutionär auf den Thron gekommenen Dynastie wollten sie nichts zu tun haben. Für Herzogin Helene dagegen bot sich die Chance, in Paris als Königin der Franzosen zu regieren. Das unterstützte auch ihre Stiefmutter, die Erbgroßherzoginwitwe Auguste, die in diesem außergewöhnlichen Fall den Großherzog als Familienchef sogar diplomatisch vertrat. 14 Angelika Gräfin von Hessenstein, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1802–1852), verh. mit Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Berlin.
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mit Mama und Helene. Ganz freundlich, allein, sie wollte mich sprechen. Und da habe ich ihnen wieder auseinandergesetzt, wie wir es ansehen, unsere Gründe, und wie es der Kaiser auch geschrieben hat, als er Nachricht davon erhielt, aber nicht durch mich. Den Brief übrigens habe ich Papa gradezu hingeschickt, damit er sehen sollte, wie der Kaiser es ansiehet, ohne von Rücksichten getreten zu werden. Wenn er nun erfahren wird, daß es durch Papa gegangen ist, dann wird er seine Meinung nicht ändern, allein, er wird dann vielleicht schweigen und blutige Thränen weinen, oder doch weniger bestimmt gegen auftreten. Die Schande fällt doch auf uns, denn jeden Menschen können wir doch nicht einzeln alles erzählen, wie es gekommen ist. Leb wohl. Marie und George kommen eben.15 Ich kann also nicht weiter schreiben, doch nochmal meinen innigen Dank für Deinen Brief, daß Du auch theil am schönen amoblement16 genommen. Es ist wundervoll und ich freue mich unbendig drüber. Deine Adine Schwerin, den 18ten März 1837 Tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 14ten März, meine geliebte Elis. Deine Theilnahme an unserm Kummer rührt mich so, und ich finde die Sprache viel zu arm, um es recht auszusprechen. Ich fürchte, der gute Onkel George in seiner Lebhaftigkeit hat Eure Gemüther recht warm gemacht, und ich finde die Sache an sich allein ist schon schlimm genug. Man braucht sich nicht zu montieren. Ich gebe mir die größte Mühe, ruhig zu bleiben, denn es ist zu wichtig, nichts übereiltes zu thun, und die Augen aufzuhalten. Der Brief an meine Schwiegermama vom Onkel ist prächtig. Er spricht alles so klar aus und stellt alles so deutlich hin, wie man es nur wünschen kann. Übrigens habe ich ihnen beiden dies alles schon selbst gesagt. Mama stimmte mit mir über ein, allein, Helene wollte nichts davon hören. Ich laße mich aber nicht stöhren. Den 20ten. Gestern habe ich eine kleine Ausflucht nach Ludwigslust gemacht, um Marie und George noch zu sehen, die am Freitag dort hingegangen und gestern Nacht nach Altenburg abgereiset sind.17 Ich war recht glücklich, denn ich habe doch eine große Vorliebe für den Ort. Zugleich hörte ich eine schöne Predigt und die Einsegnung der Kinder sah ich mit an, worunter immer eine Menge Bekannte sind. Leider werden wir diesen Donnerstag nicht zum Abendmahl gehen, da Paul noch zu viel Geschäfte hat. Und dann kömmt heute Abend der General Marschal18 aus Wien. Wie lange der bleiben wird, ist ungewiß. Man sagt von ihm, er sei ein sehr gescheiter Mann und geschickter Diplomat, und wenn Metternich19 etwas durchsetzen will, wird dieser geschickt. Ob er 15 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 16 Frz. ameublement = Möblierung. 17 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 18 Freiherr von Marschall, österr. Kammerherr und Generalmajor. 19 Fürst Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773–1859), österr. Staatskanzler.
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vielleicht gewählt ist, um die Heirath zu begünstigen? Allein, der feinste Diplomat scheitert an Paul seiner offnen Rechtlichkeit, und wenn hier nachgegeben wird, ist es nur aus Liebe und Rücksicht für Papa. Von dem Briefe des Onkel George hat Mama nichts merken laßen. Indessen sagte mir Marie, sie hätte den Freitag den ganzen Tag beschrieben, und Helene ist lustiger und guter Dinge denn je. Also ist alles in Wind geschrieben, was ich mir auch nicht anders erwartet habe. Ich denke mir, am 22ten wird das Palais von Wilhelm wohl mit einem Diner eingeweiht werden,20 und im Mai, wenn Luise da ist, mit einem Ball. Heute ist hier der Winter wieder eingekehrt. Es schneit, was es kann. Ach, noch eine Frage. Weiß Tante Wilhelm etwas von dieser Heirath? Und wie denkt sie darüber? Leb wohl, dem guten Dicken, jetzt magerer, viel herzliches. Deine alte Adine Schwerin, den 6ten April 1837 Meine liebe Elis, mein heutiger Brief wird Dir wenig Freude machen, und ich möchte das ganze Pappier schwartz machen, so trauern wir. Was es bedeuten soll, wirst du leicht errathen. Am Dienstag hat sich Bresson und Minister Plessen, letzterer nur als Mensch und als Beihülfe für Mama, in Perleberg zusammen gefunden,21 und alles ist nun abgemacht. Gegen unsern Willen und Wissen hat sich Bresson darauf nach Ludwigslust begeben und der neuen Braut seine Aufwartung gemacht und Briefe von seinem Herrn und dem Herzog überbracht.22 Also nun ist das schöne Bündniß geschloßen. Ich habe immer gesagt, von Frankreich kommt nichts Gutes, und das sehen wir bei dieser Gelegenheit. Denn was ist entstanden? Zwist und Hader, und was mich am unglücklichsten macht, ist, daß Papa so ganz wüthend auf uns ist. Und leider habe ich das noch vermehrt durch einen Brief, welchen ich ihm schrieb und wo ich Wittgenstein und Kamps23 nannte als diejenigen, welche beständig hetzten und geschrieben hatten, daß Papa allein der Beförderer wäre, und letzterer gesagt, daß Papa dem Herzog diese Partie vorgeschlagen. Was diese gewaltig übel genommen, da sie wahrscheinlich zu weit gegangen sind in ihrem Feuer Eifer. Du siehst aber, wie traurig unsere Stellung durch alles dieses geworden ist. Es liegt ein Fluch auf Frankreich. Helene wird auch nicht glücklich werden, denn ohne Seegen der Familie ist kein Glück zu erwarten. Die erste Idee war, sie sollte nach den Berühmten Julytagen in Paris 20 Altes Palais in Berlin, 1834–1837 von Carl Ferdinand Langhans (1781–1869) für den Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) errichtet. 21 Der frz. Botschafter in Berlin, Charles-Joseph Bresson (1798–1847), und die Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, verhandelten mit Unterstützung des meckl.-schw. Ersten Ministers Leopold von Plessen (1769–1837) den Ehevertrag zwischen den Orléans und den Mecklenburgern auf preuß. Territorium. Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin lehnte seine Beteiligung an der Eheanbahnung ab. 22 Der König der Franzosen, Louis Philippe (1773–1850), und sein Sohn, der Thronfolger Ferdinand Philippe von Orléans (1810–1842). 23 Wilhelm Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des königlichen Hauses, und Karl Albert von Kamptz (1769–1849), preuß. Justizminister.
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ankommen. Allein, nun höre ich, soll es noch schneller vorsichgehen. Man kann die Zeit nicht erwarten. Übrigens, wenn es einmal sein soll, so ist es auch besser, so schnell wie möglich, damit sie hier fort kömmt, denn angenehm kann es uns nicht sein, sie nun noch hier zu sehen. Zum Glück sind wir in Schwerin und die Andern in Ludwigslust. Tante Wilhelm, will mir scheinen, ist nicht unserer Meinung. Sie wickelt sich zu sehr in andere Dinge ein und spricht dadurch gar nichts aus, und das scheint mir so gut wie dagegen. Meine Ankunft in Berlin wird scheuslich werden. Alles wird über mich herfallen. Alles will ich ertragen, wenn nur Papa nicht mehr böse ist und vielleicht kalt gegen mich wäre. Ich glaube, wir reiseten gleich wieder ab. Auf Luise hoffe ich. Doch wenn die in die Mache genommen wird und glaubt alles, was man ihr dort von uns erzählt, so ist die auch verlohren. Eben erfahre ich daß schreckliche Ende vom Minister Örtz in Berlin. Es ist ja entsetzlich, wie es scheint, ist er verbrannd.24 Für Strelitz wird es ein großer Verlust sein. General Marschal25 wird uns nun wohl bald verlaßen. Ich sehe ihn ungern ziehen, denn wir lieben ihn alle. Er hat das biedere östreichische Wesen und ist dabei klug wie kein Mensch. Das sieht man seinem ganzen Angesicht an. Eigentlich mag er wohl geschickt sein, um uns andere Ansichten beizubringen. Allein, die kann uns niemand nehmen, und es ist ja auch alles zu Ende. Also zu was noch viel sprechen. Übrigens weiß ich, daß er uns recht gut begreift. Nur schiebt er die Politik vor und sieht es von der Seite sehr wünschenswerth an. Ich falle immer wieder in das alte Lied, verzeih, es muß Dich schrecklich langweilen. Es ist aber mein einziger Trost, mich aussprechen zu können. Mir ist es auch unbegreiflich, warum die Taufe bei Wanda nicht in der Stille abgemacht worden ist.26 Wie viel natürlicher und anpassender. Allein, Mathilde und der gute Wilhelm haben es gewiß so haben wollen.27 Höre mal, die Visiten vom Coburger28 laße ich mir noch gefallen, allein, der Oscar,29 daß ist wat scheusliches, und den werde ich am Ende auch genießen, denn im Mai möchte ich doch gerne kommen, wenn sich alle Stürme verzogen haben bis dahin. Leb wohl Adine Sind Nachrichten von Benkendorf da? Lebt er noch, oder ist es todt? Paul legt sich zu Füßen. Er ist wüthend und seine gute Laune hällt ihn nur aufrecht, denn sonst sprünge er gerne im See, doch ist er viel ernster wie sonst. 24 August von Oertzen (1777–1837), meckl.-strel. Staatsminister und Kammerpräsident, war am 3. April in Berlin an schweren Verbrennungen infolge einer ärztlichen Fehlbehandlung gestorben. 25 Freiherr von Marschall, österr. Kammerherr und Generalmajor. 26 Wegen der Trauerzeit für die Mutter. Die mit Fürst Adam Konstantin Czartoryski (1804–1880) verh. Prinzessin Wanda Radziwill (1813–1845) hatte am 12. März die Tochter Aniela Ludowika geboren. 27 Prinz Wilhelm Radziwill (1797–1870) und seine Ehefrau Mathilde, geb. von Clary und Aldringen (1806–1896). 28 Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha (1784–1844). 29 Mglw. Kronprinz Oskar von Schweden und Norwegen (1799–1859), sympathisierte mit liberalen Ansichten.
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Tausend Dank, geliebte Elis, für Deinen Brief vom 17ten aus Potsdam, den ich gestern erst hier erhielt. Du hast mir eine unendliche Freude dadurch gemacht, denn ich hatte noch keine Nachricht, seitdem Luise angekommen ist. Ich kann mir recht das Glück von ihr denken, wieder im Väterlichen Hause zu sein. Auch ich erwarte mit Ungeduld diesen Augenblick. Obgleich ich nicht leuchnen kann, daß ich mich auch etwas sehr fürchte, denn so ganz gnädig wird Papa doch nicht sein. Meine Hoffnung bestehet darin, daß er es gleich beim ersten Wiedersehen abmacht und dann alles vergeßen ist. Ich denke, daß wir den 11ten in Berlin ankommen, und zwar von Streliz aus, wo wir zu erst unsere visite machen müßen. Wenn alles so bleibt, reisen wir dort am 8ten hin, bleiben zwei Tage. Eigentlich kömmt mir dies sehr in die Quer, denn der Weg von Strelitz nach Berlin ist gräulich, und man weiß nicht, in wie viel Stunden der Weg gemacht ist. Gestern Abend erfuhren wir den Tod von Ancillon.30 Es gehet mir wirklich nahe, da ich ihn auch seit mehr denn 20 Jahre kenne. Ribeauspierre31 sagte uns schon, daß man keine Hoffnung hatte, als er abgereiset. Was sagt nur die Flore dazu? Zuletzt soll das Verhältniß besser gewesen sein, nun wird sie wohl ganz zur Perponché32 ziehen. Das war doch nur das Ziel. Wann ehe die Hochzeit sein wird, weiß ich nicht. Man sagt aber um [den] 10ten Juny, und da würden sie denn wohl Anfang Juny abreisen. Ich möchte, sie wäre zum Kuckuk! Mama begleitet sie wirklich nach Paris. Wie sie es aber aushalten wird, begreife ich nicht, da sie entsetzlich verändert ist. So schwach. Nun hat sie wieder die Grippe gehabt, mit starkem Fieber. Schont sich garnicht, packet und kramet alles zusammen, daß man glauben sollte, sie wolle nicht wiederkommen. Ich fürchte, sie erliegt der Sache und fühlet es. Ich sehe wirklich mit Besorgniß der Zukunft entgegen. Helene hat auch die Grippe wieder gehabt. Allein, doch nur leicht, und soll sehr wohl aussehen. Wir haben Mama wie sie zum 26ten eingeladen, wo wir uns im Theater zum ersten Mal öffentlich zeigen, und da wünschen wir, daß die Familie zusammen sei und bei der Gelegenheit die Spannung[en] etwas nach nachlassen. Eben erfahre ich, daß man von Frankreich aus wünscht, daß die Heirath schon am 15ten Mai sein sollte. Allein, so rasch können sie nicht fertig werden. Also ist nachgegeben worden, daß sie am 15ten Mai abreisen. Nun, mir ist es recht, so früh als möglich. Adios, grüße mir Fritz und sage ihm, daß ich recht fühle, wie ihn der Tod von Ancillon betrübt. Deine alte Adine An Luise tausend Liebes.
30 Johann Peter Friedrich Ancillon (1767–1837), preuß. Außenminister und ehem. Erzieher des preuß. Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.), war am 19. April in Berlin gestorben. 31 Alexandre de Ribeaupierre (1783–1865), russ. Gesandter in Preußen. 32 Mglw. Adelaide Gräfin van Reede (1792–1861), verh. 1816 mit Hendrik George Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1771–1856), niederl. Gesandter in Berlin.
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 5ten September 1837 Liebe Elis, tausend Dank für Deinen Brief, der mir ein Labsal war, denn wenn man so lange nichts hört von die, welche man liebt, so kann das Gefühl von Freude nicht beschrieben werden. Du scheinst wie alle Menschen ganz gedrückt von der bösen Zeit in Berlin,33 und das hat mich so angesteckt, daß ich so besorgt jetzt bin. Besonders noch nach einem Brief von der Fürstin, die mir gestern schrieb. Die ist ganz davon hin, da sie Papa auch so hipoxonder sieht. Der Tod des Kammerlaqeien hat sie besonders erschreckt. Gott verhüte alles Unglück. Der Herr beschirmt die, welche er liebt, und in seiner Hand muß man sich wie alles übergeben. Seit gestern Abend sind wir auch sehr besorgt über Onkel George, welcher in Trier sehr krank geworden ist. Der Herr von Örtz,34 welcher ihn begleitet, hat geschrieben, daß sie sehr besorgt um ihn wären. Ihr Hoffen stünde dahin, daß es Gicht sei, welche sich nach den Füßen ziehen möge. Auch von Onkel Karl schreibt man besorgt. Hast Du vielleicht von beiden etwas gehört, so laße es mir doch wißen. Wenn mein Brief in Deine Hände kömmt, so sind die Lager Freuden ihrem Ende nahe, und dann denke ich, werden sich die Gemüther beruhigen, denn die Angst, daß die Cholera da sich hineinbegeben, macht doch viel Angst und mit Recht. Wir sind seit 1ten September hier in Schwerin und gehen am Donnerstag nach Ludwigslust, wo wir bis den 1ten November bleiben. Wir haben zwar noch für diesen Monat allerhand Reiseprojekte. Ich fürchte, es wird aber garnichts davon. Nun lebwohl, ich will an Papa meinen Brief noch enden. Marianne, wie ich höre, hat die Rückreise zum Meer machen wollen!!! Ich freue mich, daß Sie Alex35 nicht begegnet ist auf der Hinreise. Wie mag es jetzt gewesen sein? An Dicken tausend Liebes. Deine alte Adine Graf Redern soll ja auf ’s Land zu seiner Mutter geholt worden sein, weil sie einen Anfall von Cholera [hatte].36 Wie mag es ihr gehen? Und Quittel, der tod ist, wie die alte Poikern.37 Schwerin, den 8ten November 1837 Liebe Elis, in dem schönen Thegernsee und im glücklichen Familien Kreis wirst Du mein langes Schweigen gewiß nicht bemerkt haben. Sonst möchte es recht undankbar erscheinen, daß ich Dir noch nicht gedankt für Deinen lieben freundlichen Brief, den Du gleich 33 34 35 36
Gemeint ist die regelmäßig grassierende Cholera-Pandemie der 1830er Jahre. Aus der meckl. Adelsfamilie von Oertzen. Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867). Friedrich Wilhelm Graf von Redern (1802–1883) und seine Mutter Wilhelmine Gräfin von Redern, geb. von Otterstedt (1772–1842). 37 Clara von Peucker, geb. von der Schulenburg-Ottleben (1802–1837), die Ehefrau Eduard von Peuckers (1791–1876), war am 17. Aug. gestorben.
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nach dem Hinscheiden des lieben Onkel Karls38 mir geschrieben. Ach, welch einen Verlust haben wir nun noch nach diesem gemacht an der prächtigen lieben Tante Königin.39 Da waren zwei so schnell hinter einander folgende Schläge, die noch lange im stillen Herzen nachhallen werden. Beide haben wir recht aufrichtig beweint, und die Tante ihr schnelles Ende hat mich noch mehr ergriffen, da ich Luise ihre Mutter darin beweine. Sie macht den größten Verlust. Es war eine Seele, von der sie sich verstanden wußte, mit der sie sich manchmal aussprechen konnte. Die Arme steht doch eigentlich da wie eine Blume auf fremdem Boden. Sie kann nicht einheimisch werden. Das finde ich etwas ganz schreckliches. Ich könnte es nicht ertragen. Gott, welches Glück, daß der kleine Fritz40 der armen Luise erhalten worden ist. Das wäre zuviel für die gewesen. Marianne ist, wie Du weißt, zu spät gekommen, da man die Gefahr ihr verheimlicht oder selbst vielleicht nicht so eingesehen. Es muß fürchterlich sein, zu späth anzukommen. Doch hat sie es mit mehr Fassung ertragen, als wie man es geglaubt. Gestern erhielt ich von ihr selbst einige sehr tief betrübte Zeilen. Sie fühlt recht klahr, was sie an der Mama verlohren. Besonders da sich diesen Sommer dies Verhältnis grade so gestellt, wie es immer hatte sein sollen. Sie schreibt, daß sie nicht bloß eine Mama, sondern eine Freundin in ihr betrauert. Sie wird wohl so lange wie möglich beim König41 bleiben, der sehr des Trostes bedürfte. Der hat auch sein ganzes Glück und seine Häuslichkeit verlohren, für ihn unersetzlich. Onkel George ist in Strelitz zurück. Er war in Hannover, soll aber noch sehr schwach sein, daß es wie immer Besorgniß giebt. Ach, das Jahr 1837 ist ein fürchterliches Jahr. Es ist schwartz, ganz schwartz. In Folge dieses Gedankens knüpft sich die Rückkehr von Mama nach Rudolstadt. Mir ist es nur lieb, daß sie nicht zu uns kömmt. Es würde kein gutes Blut setzen. Die Geschichte, glaube ich, überwinde ich mein Leben nicht. Du beklagst Mama, daß sie in Frankreich so herumgezogen. Das hat sie mit Freuden gethan, und wenn die Heirath nicht mit den Würtemberg gewesen,42 wo sie die Laste von neuen scheute, so glaube ich, wäre sie noch da. Das lange Dableiben hat uns auch nicht beglückt. Besonders, da Paul ihr hatte wißen laßen, sie möchte Ende July nicht mehr da sein, worauf gar keine Antwort gekommen, sondern die That gesprochen. Doch davon müßte ich garnicht sprechen, sonst komme ich in Rage. Rantzau wird diese Tage hier ankommen.43 Ich fürchte mich dafür!!! Mein Fritz ist seit dem 1ten November nach Dresden, wo er bleiben soll, um seine Studien recht ungestöhrt zu vollenden.44 Deiner Schwester, der Königin45 habe ich ihn 38 Herzog Karl zu Mecklenburg-Strelitz (1785–1837), der Präsident des preuß. Staatsrates und Bruder des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz, war am 21. Sept. gestorben. 39 Königin Wilhelmine der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1774–1837), war am 12. Okt. gestorben. 40 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846). 41 König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). 42 Herzog Alexander von Württemberg (1804–1881) hatte am 17. Okt. 1837 Prinzessin Marie Christine von Orléans (1813–1839) geheiratet. 43 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 44 Am Blochmannschen Institut, einer Privatschule in Dresden. 45 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877).
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empfohlen, aber mit der Bitte, ihn unbeachtet zu laßen, da er ein Kind ist und nur als solches behandelt werden soll, um die Stunden recht regelmäßig zu nehmen, und wenig Zerstreuung haben soll. Wenn Du schreibst, lege ihr diese Bitte von meiner Seite noch recht am Herzen. Deiner Mama lege ich mich unbekannter Weise zu Füßen. Wenn Du Therese46 siehest, grüße sie herzlich von mir. Wir sind seit 8 Tagen hier in Schwerin. Nach dem [am] 1ten November die schmertzliche Trennung von meinem Fritz überstanden war, trenneten wir uns auch vom lieben Ludwigslust, wo wir 2 Monate geblieben. Wir hatten zwar viele Trauer da gehabt, doch war es uns unendlich gut dort gegangen. Ich schied mit Thränen von dort. Hier war und ist das Wetter schäuslich, um melankolisch zu werden. Sonst habe ich mich in mein klein Häuschen recht bequem eingerichtet, mit tausend kleine Etablissemens, so daß es mir in meiner Stube recht wohl gefällt. Fräulein von Kameke bleibt auch den Winter hier. Da habe ich auch ein treues Herz um mich, was mich versteht. Seit 2 Tagen erfreut uns Herr Mantius durch seinen Gesang.47 Seine Stimme nimmt sich in unser neues Theater prächtig aus. Man glaubt nicht, daß es der selbe Sänger ist, in Berlin und hier. Der Dicke hat eine Fußreise gemacht in Tyrol, wie ich aus der Zeittung gesehen. Das wird ihm sehr gut bekommen sein, und dabei einen großen Genuß gewähren in den schönen Gegenden herum zu schwärmen. Einen herzlichen Gruß zum Geburtstag habe ich ihm garnicht geschrieben aus Faulheit und Zerstreutheit. Denn grade in den Tagen waren die Brüder in Ludwigslust, erst Wilhelm mit Fritz Louis,48 und dann Karl. Letzterer blieb mit ihm, und dann kam die Todesnachricht der geliebten Tante. Nun lebe wohl, ich flicke für Dich noch meinen herzlichen Glückwunsch an, zum bevorstehenden Geburtstag. Du wirst ihn recht heiter feiern, und Gott möge Dich segnen. Meine kleine Gabe besteht in einem Kleid, was aber erst späther folgen wird. Vielleicht trägst Du es noch im schönen Tegernsee, und wird Dir dadurch lieb werden. Liebe immer Deine alte Adine Paul legt sich Dir und Fritz zu Füßen. Schwerin, den 11ten December 1837 Tausend herzlichen Dank, meine geliebte Elis, für Deinen lieben Brief vom 5ten des Monats. Ich sehnte mich recht nach Nachrichten von Dir und bin um so [mehr] belohnet durch Deinen langen Brief. Ich konnte es mir wohl denken, daß Du so recht glücklich bei Deiner theuren Mama sein würdest, und der Aufenthalt Dir in Leib und Seele wohl thun würde. Schon von anderen Seiten hörte ich, daß Du stärker und blühender aussehest. Ach, die Heimaths Luft thut so gut, frischt die Lebensgeister auf. Auch wenn man nicht in so schöne Gegend gebohren ist wie Du. Ich sehne mich unbeschreiblich 46 Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). 47 Eduard Mantius (1806–1874), geb. in Schwerin und Sänger an der Berliner Hofoper. 48 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863).
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nach Berlin, den lieben Papa wiederzusehen, und Dich, meine Elis. Allein, sobald wird sich das nicht machen laßen. Vielleicht im Märtz. Ich fühle mich hier sehr glücklich, besonders da man an Paul so viel Liebe bezeigt, wie es sich jetzt beim Landtag gezeigt, der so brillant gewesen, wie man es sich nie erinnert. Auch macht das Land ihm ein Geschenk von 24.000 Reichsthalern, welches am 22ten des Monats hier von den Landmarschällen überbracht wird. Gott möge es so ferner erhalten und Meklenburg recht aufblühen laßen. Dazu gehört denn, daß auch die Familie festhielte in Liebe, und der erste Schritt ist denn natürlich wieder von uns ausgegangen. Paul und ich haben an der Mama zum Geburtstag geschrieben und heute grade die Antwort erhalten, die recht freundlich war. Und so denke ich, ist nun wieder alles zum Guten eingeleitet. Es freute mich sehr, daß Du mir in Deinem Brief so aufrichtig schreibst, grade über unser Verhältnis zu der Mama, und auch zur Versöhnung räthst. Eben so schrieb mir Charlotte von Moskau aus, und wir hatten schon vorher diesen Schritt gethan, den ihr so sehr billigt. So vereinigte sich unser Sinn wieder einmal nach recht alter Art, und wie es unter Geschwistern immer sein sollte, das bringt Seegen!!! Deine Schwestern sind überaus gnädig und freundlich für meinen Fritz. Der gefället sich sehr, wenn er bei Hof ist. Auch haben sie sich durch Herrn von Reitzenstein mit Sell freundschaftlich verständigen laßen wegen dem Ausgehen.49 Ich kann es nicht genug danken, daß sie so viel Rücksicht nehmen. Ich kann mir denken, wie glücklich Du über die Überraschung warst, außer den Schwestern Deinen Vetter Gustav50 zu finden. Ach, die Geschichte bleibt doch dumm. Es macht entsetzlich viel Aufsehen, wenn nur die Zeittungen geschwiegen hätten, denn es wirft auf beiden einen heslichen Klecks. Ich weiß garnicht, wo mein Brief Luise finden soll. Ich bin ihr eine Antwort schuldig. Außerdem embarasiert es mich auch, ihr zu schreiben. Rathe mir einmal, was soll ich thun? Daß das eheliche Glück nun noch mehr gestöhrt ist, ist wirklich fürchterlich. Welch ein Leben wird das nun werden. Luise liebt aber doch so sehr den Gustav. Wenn ich nach Berlin komme, muß ich darüber mehr erfahren. Ich kann mir Auguste denken, wie sie von einem Ball zum andern fliegt. Sie ist ganz des Kukuks. Und Mary spielt die melankolische. Ach, welche Verkehrtheiten. Doch die goldne Mittelstraße sollst Du halten, und auch ein wenig die Gesellschaften besuchen. Ich weiß, das man es in der Stadt so sehr wünscht und großen Werth darauf legt. Es ist wirklich gut, wenn man sich auf diese Art den Menschen nähert und sich zeigt, wenn es einem selbst auch nicht viel Spaß macht. Heute sende ich auch das Zeug, welches ich Dir zum Geburtstag bestimmt, ab. Es sieht aus wie ein altes Gardinenbett, in der Probe fand ich es hübscher. Mit Deiner Erlaubniß werde ich künftige Woche eine Kiste senden mit Weihnachtssachen. Doch bitte, laße sie nur von meinem
49 Der Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Franz (II.) von Mecklenburg-Schwerin, Adolf Freiherr von Sell (1797–1891), und der sächs. Oberhofmarschall Carl Leopold Christoph Freiherr von Reitzenstein (1777–1858). 50 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877).
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alten Bohm51 auspacken, weil auch Sachen für Fritz nach Dresden drin sind, die weiter gehen sollen. Deine Adine Schwerin, den 21ten December 1837 Liebe Elis, Du verzeihst, wenn ich heute nur sehr flüchtig auf Deinen lieben Brief antworte, der mir so viel Freude gemacht. Doch muß ich Dir sagen, daß Paul die Gelegenheit der Erbschaft vom Seeligen Großpapa benutzt hat, um an Helene selbst zu schreiben, und daß sie in diesen Tagen recht freundlich geantwortet hat, und daß also mit ihr doch auch ein besseres Verhältniß statt findet. Obgleich weiter es nie kommen wird, denn es bleibt doch schäuslich und dreimal schäuslich. Sehr freundlich war es von dir, die Sachen von Fritz Deiner Schwester senden zu wollen. Allein, daß sehe doch zu unbescheiden aus, und Fritz würde es sehr embarassieren. Die beiden Ungarn, von denen ich den Einen kenne, Graf Caroly, ich weiß zwar nicht, welcher der drei Brüder52 es ist, allein, einer war mal längere Zeit in Dobbran, unverheiratet damals, und den fanden wir in Paris, wo ich ihn auch sah. Der war damals sehr schön. Seine Schwägerin (Kaunitz meine ich, war sie gebohren)53 hatte den Fuß gebrochen, und der andere hatte seine Frau ver lohren. Macht Auguste diesen beiden Fremden nicht die cour nach gewohnter Weise? Der Ball war ihnen gewiß zu Ehren. Ich finde es auch sehr recht, daß sie endlich mal das schöne Haus wieder zeigen. Ich sehe ordentlich den durch dringenden Blick von Mary. Allein, sie selbst weiß es nicht. Daß sie es thut, würde mich daher wenig genieren, doch in Deinem Turm immer gefährlich. Alexander und Berbel Solms54 sind von Braunschweig aus auf einige Tage hier angekommen. Dir sage es ich, aber sei verschwiegen. Alexander ist mir seit der Geschichte von Marianne ganz unheimlich. Ich sah ihn auch seit dem nicht. Berbel hingegen liebe ich. Er ist so gescheut und wirklich liebenswürdig und gefällt hier sehr. Heute sind sie auf die Jagdt, die ihm nach Braunschweig schlecht schmecken wird, wo sie außerordentlich brillant war. Sie sind übrigens entzückt vom Herzog.55 Er soll so aimable gewesen sein, immer im höchsten Staat mit Orden und Scherpe, und Ernst August56 sehr zufrieden. Eben ist Adolph Stenglin57 aus Brandenburg angekommen. Das war eine sehr große Freude. Er wurde mit Fritz bis jetzt hier erzogen. Adios meine alte Elis. Deine alte 51 Person nicht zu identifizieren. 52 Ludwig Károlyi de Nagykároly (1799–1863), verh. mit Ferdinandine Karolina Luisa von KaunitzRietberg (1805–1862), hatte die Brüder István (1797–1881), Lajos (1799–1863) und György (1802–1877). 53 Ferdinandine Karolina Luisa Károlyi de Nagykároly, geb. von Kaunitz-Rietberg (1805–1862). 54 Die Prinzen Alexander (1807–1867) und Bernhard zu Solms-Braunfels (1800–1868). 55 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884). 56 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851). 57 Adolph von Stenglin (1822–1900) besuchte die Ritterakademie in Brandenburg und war gemeinsam mit Erbgroßherzog Friedrich Franz (II.) von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883) in Ludwigslust erzogen worden.
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Adine Schwerin, den 30ten December 1837 Meine geliebte Elis, viel Zeit habe ich heute nicht, um Dir einen langen Brief zu schreiben. Vor allen Dingen sage ich Dir und Fritz meinen Dank für die Weihnachtsgaben, welche mir viel Freude gemacht und mit welchen ich mich den ersten Weihnachtstag gleich geschmückt. Diesen Brief erhällst Du am ersten Neujahrstag. Lieber spräche ich Dir mündlich meine Wünsche aus, die recht aufrichtig aus dem Herzen kommen. Behalt mich immer lieb, meine Elis, Du weißt, wie ich Dich liebe. Möge der Himmel uns ein froheres Jahr aufgehen laßen als das verfloßene, welches von Anfang bis zu Ende ein trübes Jahr blieb. Ich möchte sagen, mit Freuden trete ich aus dem Jahr 37–38 über. Schlechter konnte es uns hier wirklich nicht gehen und mit Muth sehe ich in der Zukunft. Wenn ich so zurückblicke, Gott mich schaudert, was verlohren wir nicht alles für theure Häupter aus unserer Familie, wie viele Bekannte und theure Personen. Von dem Andern, was uns auf Ewige Zeiten eine Wunde geschlagen und nie heilen wird, mag ich garnicht sprechen. Nun leb wohl, im Märtz so Gott will, sehen wir uns wieder. Wie freue ich mich darauf. Man spricht ja davon, daß Prinz August58 wieder eine neue projekture in der Welt führen läßt, unter welchem Titel denn? Die erste Auflage hieß seine rechtmäßige. Wenn das so fort gehet, wird kein Saal groß genug sein, um sie alle aufzunehmen. Nochmal leb wohl. Ewig, Deine alte treue Adine Paul legt sich zu Füßen nebst seinen aufrichtigsten Wünschen.
58 Prinz August von Preußen (1779–1843) war Vater zahlreicher illegitimer Kinder und für seine Adoptionsprojekte bekannt.
1838 Schwerin, den 13ten Januar 1838 Meine liebe Elis, unsere letzten Briefe vom alten Jahr haben sich begegnet und so waren wir uns am ersten Tage des Neuen Jahres doppelt nahe. Tausend Dank, meine Geliebte, für Deine Liebe. Gott sei Dank, daß alle Gefahr von Deiner lieben Schwester gewichen ist. Welche schreckliche Tage und Stunden mußt Du verlebt haben. Die Beschreibung von Prinz August seiner Kinderschar hat mich lachen laßen, und ich freue mich, daß ich nicht dabei war, als die Chorführerin damit eingetreten sind.1 Wenn ich komme, dann ist es schon etwas altes. Graf Bassewitz mit Frau2 ist gestern hier eingetroffen und hat mir viel von Dir und Berlin erzählt. Unter anderem von einer Mütze a la Puritaner,3 die Dir so gut gestanden. Du könntest mir eine rechte Freude machen, wenn Du mir recht bald eine in violettem Sammet mit Blumen, oder wie Du es trägst, schickst. Aber ein bischen bald, denn sonst haben es die andern Menschen schon alle. Noch habe ich eine Bitte, wenn Du Deiner Schwester Marie4 schreibst. Erst condoliere in meinem Nahmen und dann danke ihr recht innig für die Güte, welche sie für meinen Fritz hat. Ich kann es nicht genug sagen, wie ich und Paul es erkennen und tief fühlen. Ich hoffe auch, daß mein Fritz sich ordentlich bei ihr betrüge und sich dankbar bezeigt. Er schreibt wenigstens immer sehr glücklich und vom Weihnachtsabend erzählte er viel. Am 19ten wird dann endlich die Reise nach Strelitz angetreten. Am 21ten ist der Geburtstag von Marie und da haben wir die Zeit dazu gewählt. Leider bleiben wir nur 3 Tage. Am 24ten sind wir zurück. Eben schrieb ich an Helene zum Geburtstag, der an dem Tage ist, und schicke ihr ein Armband. Ach Gott!!! Von dem Östreicher habe ich mir viel erzählen laßen. Leider haben die bestetigt, was die Zeittungen von Wasa’s andeuteten. Wenn es danach nicht wahr ist, so ist es doch in den Mündern der Wiener.5 Ist es denn in Berlin auch so entsetzlich kalt wie hier? Alle Tage 10° haben wir. Heute ist kein Wind, da kann man es in unserem Hause aushalten. Sonst bin ich beinah erfrohren. Du weißt, Lenné6 ist jetzt bei uns und ganz entzückt von unserer schönen Gegend, trotz Kälte, Eis und Schnee. Heute bringt er uns den Plan von dem neu anzulegenden Garten. Das alte Schloß liebt er auch sehr. Heute Abend geben wir ein Kinder Maskenball. Wiwi kommt en panier7 und gepuderter hoher Perü1 Prinz August von Preußen (1779–1843) war Vater zahlreicher illegitimer Kinder und für seine Adoptionsprojekte bekannt. 2 Mglw. Adolf Graf von Bassewitz auf Prebberede (1787–1841), Ritter des Königlich Preußischen Johanniterordens, und seine Ehefrau Luise Gräfin von Bassewitz, geb. von Levetzow (1794–1862). 3 Nach englisch-puritanischer Art gefertigter breitkrempiger Hut mit kegelstumpfförmiger Krone. 4 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 5 Die 1830 geschlossene Ehe des Prinzen Gustav von Wasa (1799–1877) mit Luise von Baden (1811– 1854) wurde 1844 geschieden. 6 Der preuß. Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné (1789–1866) übernahm die gärtnerischen Planungen beim Ausbau der Residenzstadt Schwerin ab 1837. 7 Frz. panier = Reifrock.
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cke, Schnaps8 als Herr im selben Zeitalter. Es wird gewiß sehr amüsant sein. Leb wohl. Denke meiner in Liebe. Deine alte Adine Die Schwestern von Prag haben mir noch nicht geantwortet!9
Schwerin, den 25ten Januar 1838 Meine liebe Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief, welcher dem meinigen so schnell folgte. Die Mütze kam denn wirklich Donnerstag Abend hier an, und gleich nahm ich sie nach Strelitz mit, wo ich sie am Freitag aufsetzte, als ich schon zum Diner um 3 Uhr dort einpassiert. Sie ist wunderhübsch und stehet mir nicht sehr schlecht, obgleich ich sie entsetzlich auffallend finde. Marie bewundert sie und dachte im Stillen, sollte sie aus Paris sein. Es war ihr ein Stein vom Herzen, als ich sagte, sie sei von Dir. Du kannst denken, daß wir viel das Vergangene sprachen. Ich bewunderte, daß ich ruhiger darüber sprechen konnte wie bisher. Und des lieben Onkel Karls gedachten wir viel. Marie spricht fast immer von ihm. Grade ihr Geburtstag erinnert sie an die vergangene Zeit, da er sonst alle Jahr da war. Übrigens habe ich sie recht leidend gefunden, denn sie hat die Grippe gehabt und einen fürchterlichen Husten behalten, welcher sie entsetzlich angegriffen. Sie war ordentlich erschöpft. Den Onkel hingegen fand ich wohler wie je. Er sah blühend aus. Du wirst lachen, allein, seine Wangen sind runder und geröthet. In Strelitz hat es mir außerordentlich gefallen. Es ist so gemüthlich dort und gehet so nobel daher, ohne Prunk. Die hat alles der seelige Onkel noch so geregelt. Alle Menschen sind so höflich und herzlich. Die Zeit unseres Aufenthalts war nur kurtz, besonders da Marie unwohl und ich sie in den ruhigen Zwischenzeiten nicht sehen konnte. Bei Tisch pappelten10 wir recht viel. Von Dir sprachen wir recht viel. Sie liebt Dich sehr. Du hast ihr in Berlin so schrecklich gefehlt. Die Schwestern von Prag wären so eisig gewesen. Doch hätte Mary noch mehr Gefühl gezeigt als die Andern. Von Charlotte habe ich einen Brief vorgestern gehabt. Die schreibt sehr betrübt über das Feuer,11 und Anstrengung hatte gemacht, daß sie 3 Tage ganz wohl und kräftig gewesen, allein, dann sei sie ganz zusammen gebrochen und hatte solche Schwäche in den Knien wie Ohnmacht darin. Überhaubt packte sie 8 Nach einer Anekdote hatte Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) als kleines Kind versehentlich ein Fläschchen Alkohol seiner Amme in die Hände bekommen und war davon bewusstlos geworden. Seitdem hatte er in der Familie den Spitznamen „Schnaps“, den er durch seine spätere Charakterentwicklung als „junger, lebenslustiger Herr“, „passionierter Spieler“ und „glücklicher Verehrer der Damen“ bestätigen sollte. Siehe Eduard Vehse, Geschichte der kleinen deutschen Höfe, Hamburg 1856, 3. Teil, Anm. S. 49. 9 Die Prinzessinnen Marie und Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. 10 = schwatzen. 11 Am 29. Dez. 1837 war der Winterpalast in St. Petersburg vollständig ausgebrannt.
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gewaltig ein, sehe schäuslich aus. Das thäte ihr leid für den Kaiser. Ihr wäre es egal, denn ihre Töchter blühten prächtig auf, und es sei ganz bestimmt, daß sie im Frühjahr nach Berlin käme. Das ist eine schöne Aussicht. Ich zittere aber dafür, daß sie recht verändert ist. Ich sehe ihr kleines Gesichtchen ganz blaß und runtzlich. Man spricht unendlich von Sache und Lilli in Strelitz, daß sie ein Paar werden sollten.12 Sie ist niedlich, aber zur Kaiserin mir nicht stattlich genug, die Tournure nicht distinguiert. Morgen reiset von hier ein sehr berühmter Violinspieler Ole Bull nach Berlin,13 der viel besser ist wie Paganini.14 Er hat solche himmlische Thöne, daß man nicht glaubt, es sei das abscheuliche Instrument. Seine compositionen sind unendlich melankolisch, daß man meinen könnte, er hat aber auch Unglück gehabt, wie man es sich nicht denken kann. Ihn sprechen zu hören, ist recht interessant. Vielleicht läßt ihr ihn bei Euch spielen. Es ist recht etwas merkwürdiges und ihr würdet Freude davon haben. An Graf Redern15 habe ich ihn empfohlen. Eigentlich wollte er sich nicht in Berlin aufhalten, sondern nach Petersburg gehen. Allein, wir haben ihn beredet. Er fürchtet sich für Spontini und Möser,16 welche niemand aufkommen ließen. Ich denke, wenn ihr ihn unter Euren Schutz nehmt, ist die Hauptsache. Nun lebwohl und denke in Liebe Deiner alten Adine Der Ole Bulle wird Dir diesen Brief selbst bringen, und rechnet bei Euch zu spielen. Sehr amüsiert hat mich Dein Schrecken über den rothen Bülow17 mit den enormen Nasen. Morgen ist die Hochzeit von der Tochter mit Hirschfeld.18 Am Montag gehen wir hinüber zum Ball. Wie wird der Ofen ablaufen?19
Schwerin, den 6ten Märtz 1838 Meine liebe Elis, gerne hätte ich schon früher meinen Dank gesagt für Deinen lieben rosa Brief. Allein, es war mir nicht möglich. Heute eile ich nun für Brief, Armband und Bild meinen Dank und meine Freude darüber auszusprechen. Mein Geburtstag war denn sehr brillant, da Marie von Strelitz mit den Töchtern hier war. Der Onkel kam wegen Unwohlsein nicht her, was das Ganze viel ungenierter machte. Doch that es mir recht leid, ihn nicht hier zu sehen, da er immer so gut und liebevoll für uns ist. Er hat mir eine 12 Ein Heiratsprojekt zwischen Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) und Herzogin Caroline zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876). 13 Ole Bull (1810–1880), norweg. Violinist und Komponist. 14 Niccolò Paganini (1782–1840), ital. Komponist und führender Geigenvirtuose seiner Zeit. 15 Friedrich Wilhelm Graf von Redern (1802–1883), Generalintendant der kgl. Schauspiele in Berlin. 16 Gaspare Spontini (1774–1851), ital. Komponist und preuß. Generalmusikdirektor, sowie Carl Möser (1774–1851), preuß. Musikdirektor und Erster Konzertmeister in Berlin. 17 Vollrath Joachim von Bülow (1771–1840), meckl.-schw. Oberstallmeister. 18 Caroline von Bülow (1813–1852), Hofdame der Großherzogin Alexandrine, heiratete am 26. Jan. den meckl.-schw. Flügeladjutanten und Hauptmann Ludwig (Louis) von Hirschfeld (1803–1842). 19 Verm. Anspielung auf die Hochzeitsnacht.
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große Freude gemacht durch ein Armband, wo die Haare vom Onkel Karl drein liegen und was er an Marie gegeben und mir so sehr gefiel. Es ist wirklich recht sinnreich, bald werde ich es Dir selbst zeigen können. Denn so um den 16ten denken wir nach Berlin zu kommen, wenn auch nicht auf lange. So sieht man sich doch jetzt ehe als im Mai, wenn Kaisers kommen. Weißt Du denn etwas um der Ankunft und Projekte, welche diese für den Sommer haben? Ich weiß garnichts. Tante Wilhelm schrieb geheimnisvoll darüber. Lilli kann ich mir nicht als Kaiserin denken!!!20 Mit unendlicher Freude haben Marie und ich gehört, daß Du diesen Winter so viel Leute gesehen. Du glaubst nicht, wie daß die Berliner gefreut. Es ist ein Jubel darüber. Alles spricht und schreibt davon. Wie mich das freut, daß der Schwartze endlich eine Frau gefunden und obenein eine reiche.21 Er hat es mir anzeigen laßen durch Kälbchen.22 Wegen dem Brief von Paul an Frankreich ist es ganz wahr, bei Constantini-Nemours23 Rückkehr geschrieben, aber nur höchst höflich ohne Annäherung. Wegen Helene mußte ein Wort gesagt werden, unser Land sprach den Wunsch zu deutlich aus. Dabei bleibt es nun. Ewig bleibt diese Verbindung uns ein Greul, und wir werden uns nie als Verwandte betrachten, obgleich das von Frankreich sehr danach gestrebt wird. Nun Adios, bald sehen wir uns wieder. Wenn ich kann, werde ich Fritz noch antworten, dessen Brief mir zu viel Freude gemacht. Deine alte Adine Dobbran, den 27ten July 1838 Meine liebe Elis, durch meinen Fritz erfuhr ich gestern, daß Du jetzt in Pillnitz bist und da eile ich, Dich im Kreis Deiner Schwestern aufzusuchen, denn Sophie muß nun auch angekommen sein. Luise schrieb mir aus Töplitz, daß sie sie gesehen und wie sehr sie ihr gefallen. Doch die Kaiserin Mutter24 muß nicht gekommen sein, worauf sich Charlotte so gefreut. Wie hast Du denn Charlottes Aussehen gefunden? Ich hörte von mehreren Seiten, sie hätte sich erholt und sei sehr heiter und munter. In Schlesien war sie und Luise sehr glücklich. Die Ruhe in Fürstenstein hat ihnen so behagt, und das Leben in freier Luft. Von Fischbach schrieben beide immer in solchem Entzücken, wären garzu gerne 20 Ein Heiratsprojekt zwischen Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) und Herzogin Caroline zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876). 21 Adolf von Bonin (1803–1872) heiratete am 23. Okt. Marie Sophie von Zieten (1820–1846). 22 Edda von Kalb (1790–1874), Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, Tochter von Charlotte von Kalb, geb. Marschalk von Ostheim (1761–1843). 23 Der zweitälteste Sohn des frz. Königs Louis Philippe, Herzog Louis von Nemours (1814–1896), hatte die Eroberung der algerischen Stadt Constantine durch die Franzosen 1836/37 befehligt. Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin war nicht bereit, über diplomatische Höflichkeiten hinaus die 1837 geschlossene Verbindung mit den Orléans durch familiäre Vertraulichkeiten zu sanktionieren. 24 Verm. Kaiserin Karoline Auguste von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1792–1873), Witwe von Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835) und eine weitere Schwester von Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, geb. Prinzessin von Bayern.
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längere Zeit dort geblieben. Die Tante,25 glaube ich, ist aber auch schon fort nach dem Rhein. Von Butt habe ich heute die Nachricht gehabt durch Onkel Gustav, der in Karlsbad ihn gesehen, wo er Charlotte erwartet. Er soll sehr munter gewesen sein und stürmte eben zur Thür beim Onkel heraus, als dieser schrieb, und dabei sich den Rock zerrißen. Du bist gewiß recht glücklich, mit Deinen Schwestern zu sein und in Pillnitz einen ruhige Zeit zu zubringen. Wie lange bleibst Du denn noch? Vielleicht kehrst Du schon zum 3ten August zurück. Hier in Dobbran ist es recht still, lehr kann man zwar nicht nennen, allein, es fehlt an Gesellschaft, und das schlechte Wetter lokt niemand aus den Häusern. Paul ist seit Dienstag in Hamburg zum Pferderennen, wo der Herzog von Braunschweig auch späther angekommen ist, weil er unwohl in Hannover liegen geblieben. Zugleich meldet mir Paul heute, daß William am Montag hier eintreffen wird, auch ein Graf und Gräfin Auersberg26 aus Prag. Eine wunderschöne Frau. Wir haben sie damals in Prag gesehen. Wenn man ihr nur courmacher schaffen könnte. Daran ist sie, glaube ich, gewöhnt. Amélie von Schweden ist in Franzesbrunnen27 mit Deiner Schwester Amélie gewesen. Wie mag es ihr gehen? So viel Onkel Gustav flüchtig gesehen, doch viel besser wie voriges Jahr in Ischel. Du wirst sie wohl nicht sehen. Leb wohl, meine Elis, verzeih dieses flüchtige Geschreibsel, allein, ich möchte doch, daß der Brief fort kommt, und wir fahren zum Essen nach der See heraus, wo Lilli von Strelitz wohnt und sich amüsiert.28 Also noch einmal leb wohl, Deinen Schwestern empfehle ich mich herzlich und danke innig für alle Güte, die sie für meinen Fritz haben. Ach, Anna Oranien29 war ja in Pillnitz und wie herablassend und stolz. Adios, Deine alte Adine Auguste ist ja mit nach Töplitz. Warum nur? Vielleicht um Papa die cour zu machen?
Schwerin, den 23ten Oktober 1838 Meine liebe Elis, grade heute sind es 8 Tage, daß ich Euch Ihr Lieben verließ. Der Abschied wurde mir schwerer als ihr vielleicht glaubtet. Ich war so verwöhnt durch die schöne Zeit, welche ich diesmal wieder in Berlin und Potsdam verlebt. Es war aber auch eine himmlische Zeit. Wir alle, wir waren uns so viel näher gerückt. Es herrschte eine solche große Einigkeit in der Familie, wie ich sie lange nicht gesehen. Die ganze Zeit war 25 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). 26 Laut den Badelisten kamen am 3. Aug. ein österr. Kammerherr Graf von Auersperg und seine Ehefrau aus Prag in Doberan an. Um wen es sich konkret handelt, ließ sich nicht ermitteln. Es gab zu dieser Zeit mehrere österr. Kammerherren in der Familie von Auersperg. 27 Gemeint verm. Franzensbad in Böhmen. 28 Herzogin Caroline zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876) war in Doberan zu Gast und wohnte offenbar am Heiligen Damm, direkt an der Ostsee. 29 Prinzessin Anna der Niederlande (1795–1865), geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland, ab 1840 Königin der Niederlande.
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eine gesegnete und möchte sie noch lange fort tönen. Von Luise habe ich schon 2 Briefe. Die Ärmste, die lebt doch nur in Erinnerung. Die Gegenwart will ihr dort nie schmecken. Ich denke mir das etwas sehr unglückliches, sich in seiner Bestimmung garnicht hinein finden zu können. Ich könnte so garnicht leben. Eine gute Seite, meine ich, müßte man doch dem Lande abgewinnen können, und sich daran festklammern. Gott sei Dank, in meinem Meklenburg fühle ich mich sehr glücklich. Das Land ist aber auch ganz prächtig. Den 24ten. Weiter kam ich gestern nicht. Wengstern30 aus Strelitz war angekommen, und hat mir von der Tante die Rede von Rödern gebracht, welche recht schön und von ihr selbst gesprochen gewiß einen sehr tiefen und rührenden Eindruck gemacht. Überhaubt, die ganze Handlung soll so feierlich und schön gewesen sein, und dem ganzen so angemessen.31 Marie hat die Tage vorher zu Bett gelegen, aber zu diesem Tage sich herausgemacht, und es hat ihr nichts geschadet. Onkel George hingegen soll immerfort kränkeln, so daß man doch besorgt ist, und er war auch nicht bei dieser Feier. Heute sind wir in die Erwartung des Dänischen Graf Reventlow, welcher den Elefanten an Paul überbringen soll.32 Noch ist er nicht da, und wir sollten ein ganz großes Diner haben, wenn wir damit sitzen blieben, wäre es hart. Von Charlotte sind wohl noch keine Briefe angekommen, seitdem sie in Petersburg zurück. Der Leuchtenberg33 muß nun bald ankommen! Wohl dem, der nun nicht auf der See herumschwindet, denn wir haben einen Sturm seit gestern und nur 4° Wärme. Ich habe mich schon vom Fenster entfernt und sitze mitten in der Stube wie im Winter. Sonst scheint die Sonne hell und klar. Seid ihr denn noch in Sanssouci ? Es wäre wirklich ein Heldenstück, wenn Du es nur nicht mit Unwohlsein müßest. Papa, wie ich höre, hat bis Freitag vorige Woche in Potsdam ausgehalten. Ein sonderbares Vergnügen und nun ist er schon wieder drüben. Lebe wohl, meine theure Elis, denke meiner in Liebe. Ewig Deine Adine
30 Friedrich Bernhard Harnasch von Wenckstern (1786–1868), meckl.-strel. Offizier und Kommandant des Strelitzer Infanteriebataillons, verh. mit Friederike von Kleinow (1794–1849), einer illegitimen Tochter von Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin. 31 Eine Offiziersdeputation des preuß. Gardekorps gedachte am Sarg Herzog Karls zu MecklenburgStrelitz in Mirow der Völkerschlacht bei Leipzig (16. Okt. 1813), bei der der Herzog schwer verwundet wurde. Der Kommandeur der preuß. Gardeinfanterie, Generalmajor Eugen Maximilian von Röder (1782–1844), hielt eine Rede. 32 Gemeint ist die Aufnahme des Großherzogs Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin (1800– 1842) in den dänischen Elefantenorden und die Überbringung der Ordensinsignien. 33 Herzog Maximilian von Leuchtenberg (1817–1852) sollte die Großfürstin Marija von Russland heiraten, die älteste Tochter von Kaiser Nikolaus I. von Russland.
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Schwerin, den 12ten November 1838 Meine liebe Elis, Fritz Louis34 wird Dir mündlich schon meine Glückwünsche bringen mit der kleinen Gabe verbunden, die aber keine Zeilen begleiten konnten. Daher ich heute eile, Dir meine Glückwünsche schriftlich zuzusenden, und vom Himmel recht viel Seegen für Dich erflehe. Noch danke ich Dir für Deinen lieben Brief vom 30ten. Ich hatte solche Freude darüber, und gerne gedenke ich der Stunde in Sanssouci, wo wir zusammen schwatzten. Das damals besprochene Geheimnis wird nun wohl bald veröffentlicht werden. Ich erhielt gestern einen Brief von Charlotte, worin sie schreibt, daß der Herzog von Leuchtenberg angekommen sei, aber noch nichts bekannt gemacht würde, weil sie sich erst näher kennen kernen sollten. Sie brennten aber lichterloh für einander. Mit Onkel Wilhelm soll es ja noch traurig aussehen. Er soll so verändert sein. Wie ängstlich für die Tante. Sie war so freundlich, mir auf meinen Brief zu antworten. Darin vermißt sie aber recht ihr schönes Fischbach, wie Du auch, meine Elis, in Deinem Brief Sanssouci erwehnst. Ich kann mir denken, daß das Schloß recht was beengendes hat, nach so einem freien Leben. Es giebt nur ein Sanssouci. Ich liebe es so, und dieser Herbst hat es mir noch lieber gemacht. Charlotte schrieb auch, daß sie mit Entzücken daran zurück dächte. Ehe ich es vergesse: Bitte doch Fritz, daß er einmal mit dem Minister Alvensleben35 spricht wegen dem Herr von Conring36 in Stettin, um den ich schon mal geschrieben, und dann einen Brief eingesendet. Der Minister kennt ihn persönlich, und hat versprochen zu helfen, wenn Fritz ein Wort ihm darüber sagt. Vielleicht hilft das etwas, daß dem armen unglücklichen Conring geholfen werden kann. Er verhungert beinah. Heißt Deine neue Hofdame Marwitz oder Meiring?37 Lesen konnte ich den Nahmen nicht im Brief. Ist es erstere, so kenne ich ihre Schwester, aber sie nicht. Sie soll sehr hübsch sein. Wir haben diesen Augenblick einen ganz vorzüglichen Bassisten hier, Herr Reichel.38 Fritz Louis39 wird Dir auch sagen, daß er prächtig ist. Spontini ließ ihn nicht wieder weg. Er hat 6 Fuß, und diese Menschensorte liebt er sehr zu seine Priester.40 Nun lebwohl. Behalte immer lieb auch in diesem begonnenen Jahr Deine alte treue Adine An Fritz viel Schönes, und Auguste, die noch herumläuft. Es ist glaube ich dies Jahr Mode, 12 Monate zu gehen. Wir haben mehrere Beispiele diesen Augenblick. 34 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). 35 Albrecht Graf von Alvensleben (1794–1858), preuß. Finanzminster. 36 Mglw. der Gutsbesitzer Justus von Conring (1792–1880), verh. mit Karoline von der Lühe (1801– 1883). 37 Bertha von der Marwitz (1817–1879). 38 Joseph Reichel (1801–1856), Sänger in Hamburg und später in Darmstadt. 39 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). 40 Gaspare Spontini (1774–1851), ital. Komponist und preuß. Generalmusikdirektor. Mglw. ist dies eine Anspielung auf die Familie von Spontini, der als Kind armer Eltern wie seine Brüder zunächst Priester hatte werden sollen.
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Meine liebe Elis, etwas lange ist es her, daß ich Dir nicht geschrieben. Du bist unwohl in der Zeit gewesen. Daran sind gewiß die kalten Fahrten nach Potsdam schuld. Endlich hat Auguste die Welt vermehrt mit einer Tochter, die sich unendlich lange geputzt hat.41 Sie wird gewiß sehr eitel werden. Auguste soll anfangs doch sehr angegriffen gewesen sein, aber wie Papa mir gestern schreibt, nun ganz wohl sein. Wie das Kind nur heißen wird? Helene kömmt gewiß darin mit vor. Dabei fällt mir ein, daß die Schwiegermama zurück ist. Innerlich ganz Glück. Allein, sie hat so viel Verstand, daß sie es nicht merken läßt. Doch meiner Nase entging es nicht. Sie ist aber vernünftig und freundlich, und so gehet alles seinen ruhigen Gang. Mit der Tante Kurfürstin gehet es auch gut. Wie aber das Ende sein wird, wenn sie wirklich lahm bleiben sollte, das wäre sehr hart. Nun soll aber Tante Taxes sehr krank sein. Du wirst wohl bessere Nachricht haben wie ich, denn Therese ist dort gewesen, um sie noch zu sehen, und die Esterhasie42 ist bei der Mutter geblieben, um sie zu pflegen. Wenn Du etwas erfährst, theile mir die Nachrichten mit, denn ich habe die Tante doch sehr lieb, und ihr Tod würde mir doch nahe gehen. Wie ist denn Marianne seit ihrer Rückkehr? Luise schreibt, ihre Briefe an König wären einzig. Ihre Güter verdrehten ihr den Kopf, denn sie spräche, als wenn sie Alleinherrscherin wäre. Meinen Fritz erwarten wir den 22ten hier in Schwerin. Er wird sich aber bei Papa melden bei seiner Durchreise. Sprich aber noch nicht davon, da ich heute nicht mehr zum Schreiben an Papa komme, und ich es ihm doch melden will. Fritz ist zweimal beim König zum Concert gewesen, der erst nicht längst vom Weinberg hereingezogen ist.43 Der Erbprinz von Coburg44 ist nun in den Dienst getreten in Dresden. Er soll recht hübsch sein. Allein, ein gewaltiger Freigeist. Nun lebwohl. Du bist wohl so gut und erlaubst, daß ich meine Weihnachtsgaben für Berlin Dir wieder adressiere? Tausend Schönes an Butt. Deine alte Adine
41 Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter der Prinzessin Augusta von Preußen (1811– 1890), wurde am 3. Dez. geboren. 42 Fürstin Maria Esterházy de Galántha (1794–1874), Tochter der Fürstin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839). 43 Palais am Weinberg in Wachwitz. 44 Erbprinz Ernst (II.) von Sachsen-Coburg-Gotha (1818–1893).
1839 Schwerin, den 26ten Januar 1839 Tausend Dank für Deinen lieben Brief, meine Elis. Meine heutige Antwort wird nicht sehr heiter sein, da mich der Tod des Landgrafen von Homburg1 sehr betrübt, da ich ihn so viel gekannt, und wir so zu sagen unter seinen Augen aufgewachsen sind. Und er hatte mich immer lieb. Das unangenehme, was er uns zugefügt, indem er Mama einen Lorbeerkranz auf ihrem Platz gelegt hat, als sie aus Paris das erste Mal zurückkam, als Zeichen des schön errungenen Sieges,2 verzeiht man nach dem Tode gern, und denkt nur am besseren. Mama wird gewiß sehr betrübt sein und die arme Tante Wilhelm, welche so eng ihren Brüdern verbunden war, und grade Bruder Louis, am meisten immer um sich gehabt hat. Er kam fast alle Jahr nach Berlin. Wie wird sie ihn vermissen. Ach, so ein schneller Übergang vom Leben zum Tod ist doch etwas unerklährliches. Da fällt mir die lebhafte Unterredung in Sanssouci ein, und die Predigt hernach von Termin3 im Dom. Die arme Tante Taxes soll sich unendlich quälen, wie mir Marie aus Strelitz schreibt. Auch Marie von Meiningen soll von neuem recht krank an ihrem alten Übel sein. Wenn das nur nicht mit Tante Taxes ihrem Übel Ähnlichkeit hat. Die Tante Churfürstin ist auch noch nicht hergestellt. Das geht doch recht langsam. Recht komisch schreibst Du über Auguste ihr Schwachsein, daß ihr das so gut stünde. Möchte es noch etwas anhalten, ohne ihr zu schaden. Der Carneval kömmt bei Euch auch garnicht zustande. Wir haben den heutigen Sonnabendsball auf Dienstag ausgeschoben, aus attention für Mama. Ob sie dies erkennt, weiß ich nicht. Denke Dir nur, doch als Gewißheit habe ich es nicht gehört, nur ahnen wir es, daß Helene die Absicht gehabt hat, nach Berlin zu kommen und von da aus uns einen Besuch zugedacht. Das wäre eine schöne Geschichte gewesen. Nun soll sie aber in anderen Umständen sein, und das ist unser Glück. Allein, alle Jahre wird uns dies wie ein Gespenst vorgehalten werden, bis es erscheint und zur Wirklichkeit wird. Sage mal, hast Du etwas davon gehört, daß der schöne Thalberg der Heegen so die cour gemacht, und der französische Schauspieler St. Aubin dazu gekommen, alles zerschlagen hat in ihrer Stube und sie nach Dresden abgereiset, um dem ersten Skandal zu entgehen? Dies schrieb man hier her.4 Denke Dir, daß ich keine Ahnung gehabt von Luise ihrer fausse couche,5 bis ich von ihr selbst einen Brief bekam, worin sie es mir schrieb, aber schon wieder ganz wohl, wie ihr überhaubt nichts gefehlt hat. Und ich denke, es ist es auch wohl nicht gewesen. Ich freue mich, daß 1 Landgraf Ludwig von Hessen-Homburg (1770–1839), Landgraf seit 1829 und preuß. General der Infanterie, war am 19. Jan. gestorben. Er war der Bruder der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 2 Gemeint ist die Verbindung des Hauses Mecklenburg mit der frz. Königsfamilie der Orléans seit 1837. 3 Franz Theremin (1780–1846), Theologieprofessor und Hof- und Domprediger in Berlin. 4 Charlotte von Hagn (1809–1891) war Schauspielerin an der Berliner Hofbühne, Saint-Aubin Mitglied einer frz. Schauspielergesellschaft und Sigismund Thalberg (1812–1871) Klaviervirtuose. 5 Frz. = Fehlgeburt.
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die Türkisfrange auf der Selbstherrscherin Hals schon gehangen hat. Die 14 sind, nachdem ich es genau durchgerechnet, 13, denn Paul, Fritz Oranien und die Fürstin geben mit. Fritz Louis6 sollte der 14te sein, gab aber allein sein Scherflein. Sei so gut und besorge, daß das Geld eingefordert wird. Das arme, gute Bokchen7 soll recht schwach werden. Sie wird es auch wohl nicht mehr lange machen. Nun Adios, Deine alte Adine Mein Fritz ist ganz entzückt von einem Ball beim König,8 und als er schrieb, sollte einer bei der alten Prinzeß9 sein.
Schwerin, den 15ten May 1839 Meine innig geliebte Elis, ich wage es heute, Dir selbst zu schreiben, da ich nun weiß, daß Du ganz hergestellt bist, obgleich, wie natürlich, noch recht matt und angegriffen. Wir können aber Gott nicht genug danken, daß er Dich uns erhalten, und die Gefahr so gnädig von Dir abgewendet. Ich kann Dir nicht beschreiben, geliebte Elis, in welcher Angst ich die Tage zugebracht, bis ich Nachricht erhielt, daß es Dir besser ginge. Ich sehnte mich nach jeder Post und fürchtete sie zugleich, denn was für Nachricht konnte sie bringen! Kaum war die Angst für Dich etwas vorüber, so kam Wilhelm10 seine heftige Krankheit, die mich in neue Sorgen versetzte. Der Himmel hat aber auch hier gnädig geholfen, und nun hoffe ich, wenn ich Mittwoch Nachmittag den 22ten in Berlin ankomme, ihr Lieben alle wieder wohl und auf die Beine [zu] finden. Ich freue mich unbeschreiblich, Dich Geliebte wieder zu sehen. Nur fürchte ich, werden wir uns wenig sehen, denn gleich fangen die Manöver an, und dann wird wohl Potsdam winken, und lange bleibe ich auch nicht. Sehr würde es mich interessieren, wenn es sich so träfe, daß die Herzogin von Braganza11 in den Tagen nach Berlin käme. Ich weiß aber nicht, ob es überhaubt wahr ist, daß sie hinkömmt, denn es wird jetzt so viel zusammen gelogen, daß man keiner Nachricht trauen kann. So möchte ich wißen, ob das gegründet ist, daß William gesagt, seine Verbindung mit einer Prinzeßin wäre nicht mehr fern. Da habe ich mir ausgedacht, es wäre vielleicht die eine Prinzessin von Oldenburg. Nun ich komme ja selbst nach Berlin und werde mir die Antwort mündlich ausbitten. Schreiben darfst Du gewiß noch nicht, und wenn es auch wäre, so wirst Du so viel zu schreiben haben, und ich sehe Dich bald selbst. Das ist das allerbeste. Lebe nun wohl, auf baldiges Wiedersehen. 6 7 8 9 10 11
Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). Henriette Auguste Bock (1762–1845), Erzieherin der Prinzessin Luise von Preußen. König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854). Mglw. Prinzessin Maria Augusta von Sachsen (1782–1863). Prinz Wilhelm I. von Preußen (1797–1888). Prinzessin Amélie von Leuchtenberg (1812–1873), Herzogin von Braganza und bis zur Abdankung 1831 Kaiserin von Brasilien.
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Abb. 6: Cottage der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin in Heiligendamm, 1845.
Freitag ist Luise ihr Geburtstag, wo sie 15 Jahre alt wird. Der soll, wenn das Wetter schön ist, in mein Cottage gefeiert werden, und den Abend ein kleiner Ball den Tag beschließen. Nochmal Adios, Deine alte treue Adine Gräfin Reden12 war einmal so gütig, mir zu schreiben. Ich glaubte Adeleidens13 Hand darin zu erkennen, daß thut nichts. Bitte danke ihr doch für die attention.
Dobbran, den 25ten July 1839 Deine unbeschreibliche Liebe, mir gleich nach Deiner Ankunft in Pilnitz zu schreiben, um mir Nachrichten von Fritz zu geben, habe ich recht sehr erkannt, und hat mich mit den aufrichtigstem Dank erfüllt. Gerne hätte ich Dir früher dies schriftlich bewiesen, allein Gott weiß, wie es kam, aber ich kam nicht dazu. Wir sind hier in Dobbran seit dem 14ten Abends, nach dem uns der Erzherzog14 eine Stunde vorher verlaßen hatte. Am 16ten Abends sahen wir ihn am Bade vorbeidampfen. Es ging unendlich schnell, und nach unserer Berechnung muß er eine glückliche Fahrt bis Petersburg gehabt haben. Möge es ihm dort nur ferner gut gehen, ich habe ihn ordentlich lieb, und da möchte ich, daß es ihm gut ginge. Wie es Dir, meine Elis, in Pilnitz wohl geht? Eigentlich in solchem lieben Familienkreis kann man es nicht anders erwarten, als daß alle Freude und Glück 12 Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), Oberhofmeisterin der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen. 13 Adelaide Gräfin van Reede (1792 –1861), Tochter von Wilhelmine Gräfin van Reede, verh. 1816 Hendrik George Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1771–1856). 14 Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895).
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mit Mutter und Schwester in so ungestöhrter Ruhe zu sein, wohltätig einwirken kann. Deine Kräfte nehmen gewiß zu und daß Du im August wieder den alten train mitmachen kannst. Ich möchte Dir einen kleinen Klatsch von Auguste mittheilen, der mir geschrieben worden ist. Nehmlich, als ich fort war, hat sie gerne ganz in der Art wie ich war, eintreten wollen unter anderen zum Thee und kleine Loge kommen. Indeßen, es ist garnichts angenommen worden, und sie ist nicht näher gerückt, wie sie es erwartet. Eines thut mir nur leid dabei, daß Papa die 4 Tage recht allein gewesen ist. Dies hat mich aber sehr gewundert. Es muß doch eine große Aufklährung zustande gekommen sein!!! Deine Mama lege mich zu Füßen und Deinen beiden Schwestern empfehle mich bestens. Fritz schrieb mir neulich, daß er auf eine Parthie wieder gewesen ist, die wunderhübsch ausgefallen sei. Daß schöne Wetter begünstigt auch alle Ausflüchte, die letzten Tage waren vergnügter. Du weißt natürlich nicht, daß ich seit vorigen Sonntag ohne Paul bin, der sich ganz plötzlich entschloß nach Hamburg zu gehen, weil William dort sein wollte zum Wettrennen.15 Ich habe schon mehrere Briefe von dort. Beinah mehr wie die Pferde beschäftigten die Unruhen in Hannover, welche auch keiner guten Art sind. Daß so etwas in Deutschland vorfallen kann. Der König hat wohl viel Schuld, indeßen es bleibt doch schlimm.16 In Paris scheint es auch unter der Asche zu glimmen, gestern sprach ich viel mit unserm General Röder.17 Der ist seit einige Tage hier, um Seebäder zu brauchen. Es macht mir viel Freude, ihn hier zu sehen. Überhaubt ist dies Jahr Dobbran sehr besucht. Nun lebe wohl, denk mein, auch wenn es Dir recht glücklich geht. Deine alte Adine Meinen Fritz grüße herzlich. Schwerin, den 13ten November 1839 Meine liebe, liebe Elis, mit der innigsten Liebe drücke ich Dich schwesterlich an mein Herz, um Dir Glück zu wünschen zum heutigen lieben Tage, und ich erflehe vom Himmel tausend Seegen für Dich, und tausend Glück, damit er Dich uns noch recht lange erhalte und alles Böse von Dir abwende. Eigentlich haben wir Ursach, doppelt dem Herrn an diesem Tage zu danken und zu preisen, da er Dich glücklich durch manche Trübsal geführt und uns erhalten hat. Wir haben Dich heute Mittag hoch leben laßen. Lené,18 welcher hier ist, kann es bezeugen. Er hat wieder allerhand schöne Projekte für unsern Schloßbau,19 und wenn es auszuführen sei, würde es sehr schön werden. Er reiset 15 Pferderennen in Wandsbek bei Hamburg. 16 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) enthob den Hannoveraner Stadtdirektor Rumann des Amtes und verfügte eine Kriminaluntersuchung gegen alle Magistratsmitglieder wegen Majestätsbeleidigung. Diese Maßnahmen waren Teil eines seit 1837 schwelenden Verfassungsstreits. 17 Eugen Maximilian von Röder (1782–1844), preuß. General. 18 Peter Joseph Lenné (1789–1866), preuß. Landschaftsarchitekt. 19 Geplant war der Bau eines Palais’ am Alten Garten in Schwerin, das durch den frühen Tod des Großherzogs Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin 1842 nicht über die Fundamente hinausgelangte.
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morgen zurück und wird wohl so glücklich sein, Dir selbst diese Zeilen überbringen zu können. Mein Geschenk, welches ich Dir schon selbst in Berlin überbracht, hoffe ich, wird Dich schon einige Male erwärmt haben, und Du dann meiner ein wenig gedacht haben. Daß ich Dir noch garnicht geschrieben, ist eigentlich unverzeihlich, besonders da ich acht Tage zu Haus geseßen habe, indem ich einen steifen Hals gehabt, der mich aber grade hinderte, irgent etwas vorzunehmen. Dann sind wir 5 Tage in Ludwigslust gewesen zur Jagd, die sehr brillant ausgefallen. Und nun sitze ich und arbeite wie für Geld an einem Pantoffel für Papa, den er sich bestellt. Luise, an der er es gesagt, hat es vergeßen. Da kannst Du denken, wie nun gestichelt wird. Ich hoffe, sie bald fertig zu schaffen. Das kannst Du an Papa sagen, darum schreibe ich auch nicht, denn alle Zeit wird dem Pantoffel gewidmet. Also sage ich Dir lebe wohl. Denke in Liebe Deiner treuen, Adine Butt tausend Schönes. Paul legt auch seinen innigen Glückwunsch zu Füßen. Eben jagd er sich mit seiner Leibässin20 herum.
20 Verm. Hundename.
1840 Schwerin, den 18ten April 1840 Meine liebe Elis, wie so herzlich und freundlich war es von Dir, mir am 14ten zu schreiben als am Einsegnungstag von meinem Luischen. Es war ein wunderschöner Tag, so feierlich und so tief bedeutend, mein Herz erbebte mit im Innersten. Gott möge mein Kind seegnen und in seinen Schutz nehmen, und ihre Vorsätze, die sie so recht aus vollem Herzen aussprach, ihr ausführen helfen. Eben so schön und feierlich war die communion am Grünen Donnerstag, wo wir mit unsere beiden Kindern, sie zum ersten Mal es nahmen. Ich kann mein Gefühl dabei garnicht beschreiben. Mama hatte sich auch angeschloßen, und seit der französischen Expedition war auch dies das erste Mal. Also ein rechtes Versöhnungsfest. Ich kann nicht anders sagen, als daß es mich recht glücklich gemacht. Morgen haben wir ein großes Diner, wo Luise nun als grande personne auftritt. Die Nachrichten von Papa sind nun Gott sei Dank recht gut. Schwach soll er sich noch fühlen. Das macht wohl viel die Frühlingsluft, nur hoffe ich, daß er am Montag nicht nach Potsdam geht. Die Luft im Schloß ist immer noch kalt. Ich benutze diese schönen Tage viel zum Gehen, Fahren und Reiten. Schwerin ist in dieser Zeit prächtig. Karl sein Unglück hätte fürchterlich werden können. Der Herr hat ihn sichtbar geschützt. Charlotte als Großmutter kann ich mir nicht denken. Sie war selbst wieder unwohl. Sage mal, Janti1 soll wieder nach dem Haag, und Abat, geht er mit? Es ist doch zu arg, daß diese jungen Leute so viel getrennt leben. Daß kann nicht gut wirken. Dem alten König gönne ich übrigens diese Freude, nach sein Opfer, was ihm so schwer werden soll.2 Nun lebe wohl, meine Elis, tausend Dank für den neuen Beweis Deiner Liebe. An Fritz viel Schönes. Luischen und Fritz grüßen herzlich. Dein in Treue, Deine Adine Sonnabend, Schwerin, den 23ten May 1840 Dein Brief, geliebte Elis, hatte mich recht beunruhigt über dem Befinden von Papa. Allein, nach dem letzten Brief aus Berlin will es doch nicht recht forwerts mit den Kräften, und daß ängstigt mich sehr, obgleich es auch natürlich ist, daß Papa einmal alt wird. Indeßen, dies scheint mir zu plötzlich. Sei so gut und gieb mir bald wieder Nachricht. Man sagt, seine Umgebung sei auch so entsetzlich ängstlich und sieht so schwartz. Besonders soll die Ankunft von Charlotte Entsetzen erregen.3 Mir deucht, wenn man nur vernünftig ist, so kann das alles so leicht gemacht werden. Charlotte soll doch auch nicht ausgehen.
1 Verm. Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 2 König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843) dankte am 7. Okt. 1840 zugunsten seines ältesten Sohnes Wilhelm II. (1792–1849) ab. 3 Wie der älteste Sohn hatte auch die älteste Tochter eine besondere Stellung in der Familie, zumal wenn sie wie Charlotte Kaiserin von Russland war.
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Also kommt es mir vor, daß man Thümen4 den Auftrag macht, an Charlotte zu sagen, wie Papa seine Gesundheit ist, daß er vielleicht lieber in Berlin oder Charlottenburg bleibt, sie also auch dahin käme, und ein ruhiges Leben führen, daß zum Beispiel Papa nicht miteßen will, wir draußen eßen ohne rußische Umgebung und nicht die ganze Familie, sondern wie immer nur einer zur Zeit. Dann kann es ihm garnichts ausmachen, und es muß ihn doch etwas zerstreuen, denn Langeweile schleicht sich auch mit ein, wenn er garnicht heraus kommt. Denn man sagt, er besucht das Theater auch nur selten. Wegen meinem Kommen nach Berlin ist noch nichts bestimmt, und ich denke, wenn Charlotte in Warschau ist, denn wird man bestimmt erfahren, wann sie in Berlin ankömmt. Sollte es beim 2ten Juny bleiben, würde ich dann den 1ten vielleicht kommen. Ich fürchte, man ist Papa nicht angenehm, wenn ich jetzt käme, obgleich es mich recht zu ihm zieht. Wenn nur die Manöver Tage vorüber sind, wird es sich mit Papa gewiß bessern. Die nun nicht mitmachen zu können, ist ihm gewiß ganz schrecklich. Es wird auch allgemein einen trüben Eindruck machen. Ich freue mich, daß ich nicht da bin. Leb wohl, meine Elis. Ich schließe hier meinen Brief, denn Du siehest, ich habe nur einen Gedanken und über den kann ich nicht fort. Wäre nur der Mai erst überstanden. Deine Adine Wird etwas aus Deiner Reise?
Berlin, den 25ten May 1840 (Dein Hochzeittag; ein Jahr, daß ich zuerst ausfuhr)5 Heute Morgen bekam ich Deinen lieben Brief, meine Adine, und eile ihn zu beantworten. Wir haben trübe, schwere – ich kann es Dir nicht verfehlen – beynahe hoffnungslose Tage verlebt. Seit gestern sind aber Gott sey Dank bessere Anzeichen in dem Zustand des armen Papa, dessen Schwäche und Niedergeschlagenheit ein nicht zu beschreibender, schmerzlicher Anblick ist. Nach mehreren schlechten Nächten ist endlich die von gestern zu heute ruhiger gewesen und er fühlte sich heute weniger angegriffen, muthiger, der Puls auch ist gut. Die Aerzte sehen es auch als ein gutes Zeichen an, daß er etwas Durst hat. Alter Ungarwein, den mein Schwager von Sachsen6 geschickt, thut ihm wohl. Den nimmt er mit Zwieback oder biscuit. Uebrigens ißt er gar nichts wie Suppe oder Bouillon, nicht einmal Brodl. Dabey können die Kräfte nicht wiederkommen, aber mit Gottes Hülfe wird es ja besser werden. Die Mittel wirken gut und schaffen unglaublich Harz weg. Die Krankheit ist eine Verschleimung vom Schlund und bis hinunter in die Gedärme. Was ihm moralisch gut thun wird, ist, daß er sich vor mehreren Tagen entschloßen hat, Fritz den Vortrag und die Unterschrifften zu überlassen. Er hat es ganz aus eig4 Wilhelm von Thümen (1792–1856), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, der häufig in höfisch-diplomatischen Angelegenheiten an den russ. Hof gesendet wurde. 5 Nach einer schweren Krankheit im Frühjahr 1839. 6 Verm. König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854).
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nem Antrieb gethan, mit unbeschreiblicher Güte für den Dicken. Bis dahin hatte er sich immer, wie in gesunden Tagen, mit der Arbeit gequält, troz seiner Schwäche, mit derselben Gewißenhaftigkeit und Pflichttreue wie sonst. Fritz hat den Vortrag mit Lindheim7 und Müller8 im Palais und geht dann zu Papa hinauf, um mit ihm über die Geschäffte zu sprechen, was gewiß sehr gut ist und sie immer näher zusammen bringt. Ach, meine Alex, vom Theater ist keine Rede oder von Fahrten nach Potsdamm. Rauch9 ist nach Warschau, um dem Kayser und Charlotten zu sagen, wie es hier steht. Er will ihr rathen, noch etwas länger in Warschau zu bleiben und später hieher zu kommen, und auf jene Weise den Kayser abhalten, hieher zu kommen. Das hielte Papa gar nicht aus, auch nur ihn hier zu wißen, wenn er ihn auch nicht sähe. Sache, der den 28ten von Darmstadt hieher reisen wollte, ist auch geschrieben worden, später zu kommen. Thümen10 ist gestern auch fort entzogen und Papa hat durch ihn an Charlotten sagen lassen, sie möchte gleich nach Sanssouci und ihn nur auf der Durchreise sehen. Wenn nur das Wetter besser wäre. Wenigstens ist es seit gestern wieder warm, aber es regnet heute beständig und das Manoeuvre wurde abbestellt. Die Parade sah Papa an seinem Fenster. Es griff ihn sehr an. Fritz reist nun natürlich gar nicht. Die arme Erlaucht jammert mich sehr. Zum Glück ist sie selbst wohl. Meine gute Amelie ist endlich gestern in der Nacht glücklich mit einem Mädchen entbunden worden.11 Ich bin sehr glücklich, daß es vorüber ist. Meine Reise habe ich aufgegeben. Es thut mir wehe und die Schwestern sind trostlos, aber jetzt möchte ich nicht fort und der Arzt in Dresden wollte mich nicht dort während der 9 Tage. Jordan12 ist hier und kann dann Fritz nicht genug rühmen. Lebe wohl, meine Alex, Du sollst bald wieder von mir hören und so Gott will nur Gutes. Auf ewig, Deine alte Elis Papa ist so weich und so rührend gut, daß wir wie die Kinder darüber weinen, Fritz und ich. Schwerin, den 27ten Mai 1840 Meine liebe Elis, wie danke ich Dir für Deinen ausführlichen Brief vom 25ten über Papa seine Gesundheit. Es war das erste Mal, daß ich ordentlich erfuhr, was ihm gefehlt, denn 7 Karl Friedrich David von Lindheim (1791 –1862), seit 1834 Generaladjutant und vortragender Offizier im Militärkabinett von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 8 Carl Christian Müller (1773–1849), vortragender Kabinettsrat im Zivilkabinett von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 9 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) besaß als Flügeladjutant und preuß. Militärbevollmächtigter in St. Petersburg eine besondere Vertrauensstellung. 10 Wilhelm von Thümen (1792 –1856), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 11 Prinzessin Margarete von Sachsen (1840–1858), Tochter von Prinzessin Amalie Auguste und Prinz Johann von Sachsen, wurde am 24. Mai in Dresden geboren. 12 Johann Ludwig von Jordan (1773–1848), preuß. Gesandter in Dresden.
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Gott sei Dank, scheint es als wenn die Besserung auf gutem Wege wäre. Wenn es nur so bleibt, wozu man sich der Hoffnung hingeben kann, indem die Mittel anschlagen, und die Schleimanhäufung doch fortgeschafft wird. Wie schrecklich müßen die Tage vorher gewesen sein, ehe es sich wendete. Am Montag erfuhr ich erst, daß man Gefahr befürchtet, und den Brief bekam ich, als ich eben mit meiner toilette fertig war und zum Ball heraus gehen wollte, den wir Luise ihrem Geburtstag nachträglich gaben. Du kannst denken, in welchen Zustand ich war, obgleich der Schluß des Briefes etwas mehr Muth enthielt. Da kam gestern Dein lieber Brief und richtete mich etwas auf. Wenn der Himmel alle unsere Gebete erhört, so wird der geliebte Vater besser, und seine constitution ist eigentlich doch gut. Ich kann nicht leuchnen, daß mich entsetzlich erschreckte, daß Papa die Geschefte an Fritz übergeben hat, denn das war ein Zeichen, wie ungeheuer schwach er sich finden mußte. Indeßen es ist gewiß so gut wie möglich, indem in gesunden Tagen es ihm oft zu viel wurde, und dann stellt es Fritz dem lieben Papa so nahe, was so glücklich und nur zu wünschen ist. Ich freue mich mit Dir, daß Deine Schwester Amelie glücklich entbunden ist. Das Töchterchen hat sich lange erwarten laßen. Sehr natürlich finde ich es, daß Du jetzt nicht hingehest. Es müßte erst wohl ganz gut gehen mit dem Papa, sonst hättest Du keine Ruhe. An die Fürstin habe ich gestern geschrieben, daß ich lieber auch warten wollte, bis man in Berlin weiß, wann Charlotte kömmt. Sie wird mir eine Estafette schicken, denn ich möchte in Berlin sein, wenn sie hinkömmt. Heute schrieb ich nun noch einmal, daß ich sehr den Wunsch hätte, Papa zu sehen. Nur seine große Schwäche hielt mich ab, und dann wäre es möglich, daß Charlotte darum auch lieber später käme, und ich wollte mich nicht aufdrängen. Doch daß füge ich Dir hinzu, erlaubte es Papa, daß ich so käme, so würde ich gleich abreisen, und es würde mich sehr glücklich machen. Ich weiß nicht, ob man es ihn fragen darf und kann. Schreibe mir bald wieder. Vor Sonnabend geht keine Post, leider. Lebe wohl. Tausend Dank für Deinen Brief. Deine Adine Berlin, den 30ten May, 9 1/4 Uhr, 1840 Meine Adine, Luise wird wohl um 1 Uhr eintreffen, und Fritz und Wilhelm sind ihr eilig entgegengefahren nach Potsdamm. Ich hatte gestern einen kleinen Brief von ihr durch ihre Leute. Sie schreibt trostlos und seufzt nach Dir. Leider findet sie den armen Papa im Bett. Auch gestern schon lag er den ganzen Tag und hatte den Abend einen etwas aufgeregten Puls. Es war eine kurze Freude, die drey bessern Tage. Donnerstag schon wurde er wieder viel matter, und Kynast13 mußte ihn zum ersten Mal die Treppe hinaufführen. Er konnte Fritz den Morgen nicht sehen, ließ ihn aber den Nachmittag kommen, sprach viel, war aber matt. Die Grundsteinlegung des Monuments14 übermorgen beschäfftigte ihn sehr. Ach, welcher Contrast zwischen dem Fest und seinem Zustand! Gestern Mor13 Kienast (gest. 1841), Kammerdiener und seit 1830 Geheimer Kämmerer von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 14 Die „Friedenssäule“ in Berlin-Kreuzberg wurde zur Erinnerung an die Befreiungskriege am 3. Aug. 1843 eingeweiht.
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gen waren wir bey Kynast, Fritz und ich, und sprachen die Aerzte. Wiebel15 war besonders sehr besorgt und traurig, daß die Kräfte und der Apetit gar nicht kommen wollen. Ich gehe nachher ins Arnimsche Palais, Luise zu empfangen. Ich hoffte so, ihr eine freudigere Botschafft zu bringen. Wohl war die Nacht besser, er hat 4 Stunden geschlafen. Aber daß er im Bette bleibt, ängstigt mich. Ich endige erst heute Nachmittag. Tausend Dank für Deinen lieben Brief von gestern. Wie muß Dir auf dem Balle zu Muthe gewesen seyn, Du Arme! Von Charlotte wißen wir nichts. Luisen ist angekommen und so froh hier zu seyn. Die lezten Tage hat sie furchtbar zugebracht. Sie ist wohler. Fritz ist mit ihr, aber Putchen nicht.16 Sie ißt im Palais von Albrechts.17 Lindheim18 fand heute Papa kräftiger wie gestern. Lebe wohl, meine Adine. Ich denke immer, wir sehen uns bald wieder. Mit treuer Liebe, Deine Elis Schwerin, den 19ten Juny 1840 Meine liebe Elis, wie schmertzlich bewegt ergreife ich heute die Feder, die Dir zuletzt geschrieben, um Nachrichten von dem geliebten Papa zu holen, und nun ist alles aus. Er ruht bei seinen Vätern, ihm ist recht wohl. Das muß ich täglich mehrere Mal erinnern, um nicht meinem Schmertz zu erliegen. Aber es ist zu traurig, zu schrecklich, daß wir ihn nie wiedersehen werden. Im Geist verkehren wir mit ihm, und meine Sehnsucht zieht mich ihm nach. Doch die Leere, die entstanden, kann nie ersetzt werden. Es ist zu betrübt, wenn ich nach Berlin denke, wo er ja nur war, um den sich alles drehte. Wenn ich ihn mir nur im Sarge denken muß, es ist um nie aufzuhören mit Weinen. Es macht mir auch viel Mühe, mich hier an dem Leben zu gewöhnen, wo natürlich viel Theilnahme mir bewiesen wird. Allein, die Sache selbst doch sehr im Hintergrunde tritt, und ich allein stehe mit meinem Schmertz. Das giebt mir noch mehr Wehmuth. So ganz anders war es mit Euch, wo uns nur ein Gefühl beseelte, da fand einer in dem andern Trost. Die arme Luise wird Euch heute trostlos verlaßen haben. Die ist vielleicht noch mehr zu beklagen, da sie sich dort immer fremd fühlt, ich hingegen mich glücklich in Meklenburg fühle. Sonntag wird Kirche im Lager sein, und dann Parade. Davor fürchte ich mich sehr. So etwas bringt mich noch ganz aus meiner Faßung. Heute war ich einen Augenblick 15 Johann Wilhelm von Wiebel (1767 –1847), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Chef des militärischen Medizinalwesens. 16 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, wohnte mit ihrem Ehemann Prinz Friedrich der Niederlande verm. im Palais Arnim am Pariser Platz in Berlin, seit 1816 im Besitz von Prinz August von Preußen (1779–1843). Ihre Tochter Prinzessin Luise der Niederlande (1828– 1871), genannt Putchen, hatte sie nicht begleitet. 17 Prinz-Albrecht-Palais in der Wilhelmstraße in Berlin, 1830 durch Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) erworben. 18 Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862), Generaladjutant von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen.
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draußen beim Exerzieren, weil man gewünscht hat, mich zu sehen. Allein, ich habe so angefangen zu weinen, daß ich mich in mein Schleier verbarg. Die Musik, die fröhlichen Märsche, welche ich so oft in Berlin gehört, dann das Militär selbst, erinnerte mich so lebhaft an Papa, und so wird [es] mir noch oft gehen. Heute sind es 8 Tage, daß Luise und ich nach Sanssouci kamen, wo schon alle schweren Momente hinter uns lagen. Daß wir den Donnerstag gut überstanden, ist wirklich viel. Ich glaubte, ich müßte erliegen. Übrigens bin ich auch hier entsetzlich angegriffen, thue aber alles mögliche, um mich wieder aufzurichten. Er ist wohl recht unpaßend, daß ich so viel von mir spreche. Besser wäre es, daß ich nach dir und Fritz frage, die doch so entsetzlich angegriffen waren. Das Wetter ist so trostlos wie im April, bald Sonnenschein, dann Regen. Das bringt einen auch zur Verzweiflung. Noch habe ich aus Berlin keine Silbe gehabt. Doch die heutige Post bringt mir gewiß einen Brief von Luise. Ich sehne mich so nach Nachrichten, möchte gerne wißen, wie es Euch geht, wie die Tage zugebracht sind seit meiner Abreise. Lebe wohl, grüße Fritz und die Brüder von mir. Deine Dich ewig liebende Adine Ach Kind, was haben wir für traurige Tage zusammen zugebracht. Von Mittwoch bis Sonntag Nachmittag, die waren doch entsetzlich, und die vernichtende Gewißheit, daß der theure Vater uns genommen. Sein Ende war freilich schon, doch die Hinterbliebenen sind zu beklagen. Denk Dir, die Großherzogin von Baden19 war so unbeschreiblich freundlich, mir einen so theilnehmenden und herzlichen Brief zu schreiben. Es freut mich ordentlich. Dobbran, den 13ten August 1840 Liebe Elis, dieser Brief soll nur eine Anfrage sein. Am 1ten-2ten September werden wir unsere größere Reise nach der Schweitz antreten und hatten die Idee, am 15ten Oktober in Berlin zu sein, um unsere Glückwünsche zu dem Tage selbst zu bringen. Nun möchte ich gerne wißen, was Fritz meint, ob er mich an dem Tage, wo also auch die Huldigung sein wird, und welches für uns Kinder ein schwerer Tag sein wird, ob er mich dann gerne um sich haben möchte, oder ob es ihm lieber wäre, wenn ich einige Tage später käme. Wie es ihm am liebsten ist, werde ich es thun, denn das erste mal nach Berlin zu kommen, wird mir immer entsetzlich schwer sein. Ob es also früher oder späther, bleibt sich gleich. Wenn Du Fritz gleich befragen könntest, und mir die Antwort gleich schicken, so würde ich sie in Dobbran noch erhalten können, das wir am 31ten verlaßen. Mehr füge ich heute nicht hinzu, als daß ich mich langsam erhole. Das Gehen ist noch meine schwache Seite. Grüße alle tausend Mal. Deine Adine 19 Großherzogin Sophie Wilhelmine von Baden, geb. Prinzessin von Holstein-Gottorp (1801–1865).
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Meine geliebte Elis, ich muß doch endlich Dir meinen Dank sagen für Deinen lieben Brief, und für die Theilnahme an meiner Krankheit.20 Gott sei Dank geht es täglich besser, und wenn Paul zurück kömmt, denke ich, findet er mich ganz gut. Wie dachte ich Deiner gestern an diesem so ernsten und feierlichen 15ten Oktober,21 der unvergeßlich in jedem preußischen Herzen fortleben wird. Gottes Seegen und Papa seiner werden doppelt auf Fritz seinem geheiligten Haupte ruhen. Es muß ein unbeschreiblich ergreifender Moment gewesen sein, wo diese Menge gehuldigt hat. Ich habe viel zu Gott gebetet, denn es war mir recht wahr ums Herz. Gestern Abend, als ich schon Briefe und Zeitungen bekommen, und ich ganz verzweifelte, daß das Armband kommen sollte, da erschien mit einmal das Paket. Ich war glückselig, und wie tief gerührt war, als ich das Armband sah. Danke doch dem lieben Fritz recht herzlich dafür. Wie lieb mir sein Geschenk, brauche ich wohl nicht in Worten auszusprechen. Gott sei mit Dir. Ewig Deine Adine Die armen Abats, die ihr kleines Kind verlohren!22
Schwerin, den 5ten November 1840 Meine geliebte Elis, ich kann Dir meine Freude nicht beschreiben, als Dein lieber Brief vom 19ten in meine Hände kam, und daß Du noch Zeit finden konntest, in der damals so freudig bewegten Zeit zu schreiben und an mich zu denken. Ich war zwar immer bei Euch und freute mich der Liebe und Anhänglichkeit, die man von Papa so im reichen Maße auf Fritz übertrug. Dies ist ein Seegen, den er hinterließ, überhaubt solche Liebe kann nur von Vater auf Sohn übergehen. Ich habe eigentlich eine rechte Sehnsucht, Dich und die lieben Brüder wiederzusehen, und möchte so gerne Euch besuchen, aber ich fürchte mich ungeheuer für das erste Wiedersehen. Ach, der theure Vater, wie wird er mir fehlen, um ihn drehte sich unser ganzes Leben, und nun, ich kann es garnicht denken ohne den theuren Dahingeschiedenen. Ich habe jetzt ein Öhlgemälde von Papa nach Krüger,23 was so wundervoll ähnlich ist. Es ist zwar sehr ernst, doch erinnert es mir sehr die lieben Züge, besonders in der guten Zeit, nicht den Schmertzenszug von der letzten Zeit, die mir noch so vor Augen stehen.
20 Nach einem grippalen Infekt im Aug. hatte sich nun eine Lungenentzündung eingestellt. 21 Geburtstag König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen und Huldigungstag der preuß. Stände in Berlin. 22 Die am 27. Aug. geborene Prinzessin Elisabeth von Preußen verstarb am 9. Okt. 23 Gemälde des bekannten Porträtisten Franz Krüger (1797–1857). Das Ganzkörperporträt zeigt König Friedrich Wilhelm III. von Preußen tatsächlich streng und melancholisch.
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Wie lange bleibst Du in Sanssouci? Bei den jetzt schönen Tagen werdet ihr nicht Verlangen tragen, den himmlischen Ort zu verlaßen. Du schreibst mir, daß es Fritz seine Absicht war, noch im Herbst nach Charlottenburg zu ziehen. Bleibt es noch dabei? Die zu schlechte Jahreszeit müßt ihr aber nicht abwarten, sonst wird der Aufenthalt zu traurig, und der arme verlaßne Ort wird dann zu unangenehm. Ich habe jetzt auch recht viel Beweise von Liebe erhalten, während meiner Krankheit und nun jetzt bei meiner Genesung von der Stadt Schwerin. Am Montag war mir zu Ehren eine große Parade, worauf alle Offiziere zu mir kamen. Den Mittag hatten wir Diner, am Abend brachten mir alle Einwohner Schwerins einen Fackelzug von 300 Fackeln, was recht schön war. Mit Musik, drei Deputationen kamen zu uns herauf, und einer hielt eine sehr hübsche und rührende Rede. Am Donnerstag Abend ging ich zum ersten Mal im Theater, wo ich sehr herzlich empfangen wurde. Das Haus war glänzend erleuchtet. Alle diese Beweise haben mich sehr beglückt. Zu meiner Freude hat mir dies alles nicht geschadet, da es mich doch etwas fatigiert. Allein, Freude schadet nicht. Sonst bin ich noch sehr vernünftig. Ich stehe nicht zu früh auf und gehe um 9 ½ noch zu Bett. Doch dies soll nun aufhören, da ich ja ganz gesund bin, und mehr wie seit langer Zeit. Doch werde ich mich noch immer etwas schonen. An Fritz sage recht viel Liebes. Nun Adios, denke in Liebe Deiner treuen Adine In Paris, da sieht es ja recht hübsch aus, was wird daraus werden, und meine Schwiegermutter, die da hingereiset ist. Schwerin, den 12ten November 1840 Heute, meine Elis, möchte ich Dir so recht sagen können, wie lieb ich Dich habe, und wie ich Dir so recht viel Glück vom Himmel für Dich erflehe, und es Dir wünsche, auf Deiner nun neuen Lebensbahn. Auch für Dich wird dieser erste Geburtstag ein wichtiger sein, und gern hätte ich meine Wünsche selbst gebracht. Allein, ein leichtes Unwohlsein hielt mich wieder fest in der Stube, und gestern bin ich erst wieder ausgegangen. Du wirst Deinen Geburtstag noch im göttlichen Sanssouci zubringen, was ich begreiflich finde. Möchte es so schönes Wetter sein, wie es heute hier ist, dann erscheint einem alles viel rosiger und noch festlicher. Charlottenburg wird danach schlecht schmecken. Der arme traurige Ort! Deinen Brief, den ich gestern Abend erhielt, hat mich so gerührt. Tausend Dank für Deine Liebe. Du verstehst´, die armen wunden Herzen. Und mein ist noch so zerrißen. Doch heute keine traurigen Gedanken! Wie gut von Dir, mir Eure Pläne mitzutheilen. Ich glaube, wenn ich meinen Wunsch ausführe, Euch ihr Lieben zu besuchen, dann werde ich warten, bis ihr in Berlin seid. Obgleich ich gerne mit Euch in Charlottenburg gewesen. Allein, dort sind die Wohnungen alle feucht und zuchig. Dafür muß ich mich in Acht nehmen.
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Auch erwarten wir vom 18ten an den Kronprinzen von Dänemark,24 der einige Tage hier verweilen wird, und dann nach Strelitz gehet, wo er zur Jagdt länger bleibt. Ich bin sehr neugierig, wie er ist. Viel erwarte ich mir nicht von ihm. Mit rechter Theilnahme sah ich aus der Zeitung, daß die schönen Hoffnungen Deiner Schwester Sophie nicht erfüllt sind. Daß aber Amelie von Schweden25 krank war, ahnte ich nicht. Ich muß ihr doch gleich schreiben, denn seit meiner Krankheit bin ich noch nicht dazu gekommen. In Ischel fühlte sie sich dies Jahr sehr glücklich. Am politischen Horizont sieht es ja ziemlich friedlich aus. Gott erhalte den Frieden.26 Von meinem Fritz aus Bonn habe ich sehr gute Nachrichten. Er gefällt sich nach den ersten flüchtigen Eindrücken sehr gut da, damals wie er mir schrieb, war er nur zwei Tage dort. Also der König Herzog von Nassau kömmt nach Berlin,27 wie eigen, und wird bei Abat wohnen. Das ist doch eine eigene Begebenheit. Nun lebe wohl, mein Paul küßt die Hände zum Wiegenfeste, und die Kinder legen sich zu Füßen. An Butt einen herzlichen Kuß. Deine treue Adine Meine Gaben, die ich mit den Geschwistern vereint zu Füßen lege, ich weiß zwar nicht, was es ist, möchte es Dir gefallen und freuen! Der junge Coburg28 ist ja in Berlin. Sollte es etwas mit Mariechen [sein]?29 Andere meinen, er reise nach Petersburg. Ist das wohl wahr? Schwerin, den 28ten Dezember 1840 Ach, meine liebe Elis, noch ist der Kronprinz bei uns. Er gefällt sich so hier, daß er nicht fort finden kann. Jetzt eben ist der beschäftigt drüben mit einem Theater aufbauen zu Tableaux, die er arangieren will. Und das soll noch alles fertig werden bis zu Tisch. Das Weihnachtsfest war mir recht schwer, obgleich ich fast keine Zeit behielt an mich und meinen Schmertz zu denken, denn ich hatte so viel zu denken und arangieren. Allein, als ich einen Moment allein vor meinem Tisch stand, da brachte ich fast zusammen. Und nun den Neujahrstag, wo ich auch wieder nicht allein sein kann, sondern mit einem Ball den Jahreswechsel begehen muß. Das ist fast zu viel, alles so etwas sollte diesmal unterbleiben. Allein, die Anwesenheit des Kronprinzen machte es, daß es gewünscht wurde. 24 Kronprinz Friedrich (VII.) von Dänemark (1808–1863). 25 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 26 Hintergrund der Bemerkung ist die von der frz. Regierung provozierte Rheinkrise 1840 um die Ostgrenze Frankreichs, die ein Aufflammen des Nationalbewusstseins im Deutschen Bund nach sich zog. 27 Gemeint ist der sich seit 1840 „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennende abgedankte König der Niederlande. Wilhelm I. war seit 1837 Witwer und heiratete in Berlin die Gräfin Henriëtte d’Oultremont (1792–1864). 28 Erbprinz Ernst (II.) von Sachsen-Coburg-Gotha (1818–1893). 29 Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889), Tochter des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783– 1851).
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Ich habe mich in Klagen verlohren, denn mein Herz ist gebrochen und vergesse ganz darüber, Dir und Fritz zu danken für den wundervollen Huth, der so eigenthümlich und hübsch ist, wie ich lange nichts sah. Er sitzt mir auch recht gut, doch habe ich noch keine Gelegenheit gefunden, ihn einzuweihen. Auch das Gold Körbchen ist wunderschön. Es hat mir so viel Freude gemacht wie immer alles, was von Euch kömmt. Dieser Brief ist der letzte in diesem trüben Jahr. Gott, welch ein Jahr. Es häufte sich bis zum letzten Tag, es kann kein zweites mehr so geben. Und doch war in den trüben Junytagen so unendlich viel Schönes, was zum Himmel uns zog und uns begeisterte. Sein Seegen ruhe auf uns und seie uns ein Schild in dem Neuen Jahr, was ja auch sein Glück spenden kann, wenn wir auch nicht einsehen, wie es beschaffen sein soll.30 Nun lebe wohl, an Fritz sage tausend Liebes. Wie gerne schriebe ich ihm, allein, ich komme zu nichts, da der Kronprinz schon des Morgens zu uns kömmt. Ich möchte ihm so recht viel Seegenswünsche sagen, denn er braucht Seegen und Kraft zu seiner Regierung, doch der Verklährte wacht. Dein auf ewig Adine Sollte ich den andern Geschwistern [und] Schwägerinnen nicht Neujahr schreiben können, so sage Ihnen meinen Dank für die hübschen Geschenke.
30 Verbessert aus „kann“.
1841 Schwerin, den 19ten Januar 1841 Dein Brief, meinen liebe Elis, aus dem stillen Potsdam durch Hopfgarten1 hat mich unbeschreiblich gefreut. Ach, Du ahnst nicht, wie sehr ich mich nach Euch ihr Lieben sehne, und dabei ist mir so wehmüthig, ich könnte weinen. Hopfgarten hat mir recht viel von Berlin und Potsdam erzählen müßen, von den neuen entstandenen Stuben. Ich sah dabei so deutlich Dein Kabinet und die rosa Stube, wo wir sonntags frühstückten, und dann um ¾ 10 Uhr zu Papa gingen. Die Erinnerung überwältigte mich und die Thränen liefen mir über die Backen. Ich kann mir also recht denken, wie es Dir anfangs dort unheimlich vorkam. Grade, daß Seine Stunden so anders waren wie die übriegen, und das exackt sein macht, daß man ihn noch mehr vermißt, da man immer in Angst schwebte, zu späth zu kommen.2 Ach, der theure liebe Papa!!! Ich denke doch täglich, stündlich an ihn und kann mir das Leben ohne ihn nicht denken. Die Strelitzer werden nach Berlin kommen, wie mir Lilli schrieb. Wie wird es ihnen so anders vorkommen wie vergangenes Jahr, wo ich den Märtz mit ihnen zusammen dort war? Ich schreibe heute an Marie schon zum Geburtstag. Wie gerne wären wir dazu nach Strelitz gegangen. Allein, der furchtbare Schnee und nun das Tauwetter hielten uns davon ab. Ich hätte so gerne Marie aufrichtig und frei über die Heirath gesprochen, weil ich Hamlet3 ganz genau kennen gelernt, ich mir wenigstens einbilde, ich könnte vielleicht Gutes stiften, indem ich ihr sagte, wie ich glaubte, es am besten sei, ihn zu nehmen. Denn das ist nicht leicht. Mit unendlicher Geduld, das sind die ersten Bedingungen, dann große Offenheit und Vertrauen einflößendes Benehmen. Das würde ihn fesseln. Dann würde er wieder an gute Menschen glauben lernen. Er würde in sich gehen, würde sich ändern. Allein, es wird Zeit kosten. Aber nur nicht nachlaßen. Lilli würde ihn dann wieder auf der rechten Bahn führen und ihn den Menschen wiedergeben. Wenn sie das nicht thut, so wird sie sich unglücklich machen. Und er wird auch seinem Vater auf den Thron folgen, denn jetzt mit seinem Benehmen macht er sich verhaßt. Willst Du dies vielleicht an Marie schreiben oder zeigen? So thue es. Ich mag es und kann es ihr nicht schreiben, da sie mir ja nicht darüber ihre Ansicht mitgetheilt. Und so sehe es so aufdringlich aus. Seine ganze Familie kann er nicht leiden. Wenn also Lilli klug ist, wird sie sich mit Allen gut stellen, aber sich keinem anschließen und Rath holen, wenigstens müßte das so geschehn, daß er es nicht merkt, da er allen mißtraut. Seine Absicht ist, Lilli glücklich zu machen, und sie mit allen äußeren Annehmlichkeiten zu umgeben. Das innere Glück muß sie sich schaffen. Allein, das ist nicht leicht gethan, besonders wenn das Herz nicht für den Mann spricht. Mein Brief, fürchte ich, wird Dich langweilen, allein, ich stifte vielleicht ein gutes Werk, und das hat mich dazu bewogen. 1 Carl Anton Ulrich Ernst von Hopffgarten (1797–1862), meckl.-schw. Oberstleutnant und Flügeladjutant von Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin. 2 König Friedrich Wilhelm III. von Preußen war bekannt und in der Familie offenbar auch gefürchtet als ein Mann nach der Uhr. 3 Gemeint sind Kronprinz Friedrich (VII.) von Dänemark und sein schwieriger Charakter.
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Heute haben wir einen Ball bei Minister Lützow. Ach, ehe ich es vergeße: Fritz hat uns und ihn sehr glücklich gemacht durch den rothen Adler Orden und besonders als Andenken von der Huldigung.4 Auch habe ich von Fritz die Huldigungsmedaille bekommen, was mir eine große Freude gemacht. So auch das Gedicht von den Halloren,5 welches mich wieder so an Papa erinnerte, da er es mir immer selbst schickte und sein Neujahrbrief brachte. Lebe wohl, meine Elis, was habt ihr für Pläne für die Carnevals Zeit? Werdet ihr auch wie Papa alle Woche Ball und Dejeuner dansant haben, oder etwas anderes dafür geben? Ball und Concert oder was? Sonnabend geben wir einen kleine Thee dansant und Dienstag einen großen Ball. Adios, Deine alte Adine Ist es gegründet, daß Tante Hessen nach Berlin kommt und in welchem Monat?
Montag, Schwerin, den 15ten Februar 1841 Tausend Dank, meine geliebte Elis, für Deinen Brief vom 2ten des Monats. Durch Marie von Strelitz wußte ich schon, daß Du meinen Brief ihr gesendet, und sie hat ihn mit gewohnter Liebe und Herzlichkeit aufgenommen. Aber wie ist ihr mütterliches Herz zerrißen. Ach Gott, was muß das für ein Zustand sein. Ich kann mir nur nicht denken, daß wenn mir so etwas begegnet, ich es zugeben würde. Das Lebensglück meines Kindes ginge mir doch über alles. Doch man kann über andern nicht urtheilen. Wie freue ich mich, geliebte, Elis, daß Du wieder wohl bist. Hast schon wieder einen Ball im Schloß gegeben? Aber auf der Redoute bist Du wohl nicht gewesen. Sie soll recht hübsch gewesen sein, wie hier her geschrieben worden ist. Wie kann ich mir denken, welche Freude es für Dich und viele Menschen war, den Ball in den kronprinzlichen Gemächern zu haben. In solchen Momenten entschwindet die Wirklichkeit, und man wähnt sich in der Vergangenheit, die einem doppelt lieb wird, und woran sich so viele Erinnerungen knüpfen. Du bist so lieb, mir vom Monat Märtz zu sprechen, daß ich kommen möchte. Allein, grade dieser Monat würde mir sehr schwer werden, da ich voriges Jahr am 8ten dort ankam und bis zum 4ten April blieb, wo ich Papa so schwach verließ. Und die Strelitzer waren auch grade da, reiseten nach dem unglücklichen Dejeuner dansant von Abat ab. Nun jetzt ist ja die Bombe geplatzt mit dem König Graf v. Nassau. Leider habe ich mich hierin auch nicht getäuscht und diese Heirath lag immer im Hintergrund.6 Marianne soll ja 4 Verleihung der Ersten Klasse des preuß. Roten Adlerordens an den Geheimen Ratspräsidenten und Ersten Minister von Mecklenburg-Schwerin Ludwig von Lützow am 7. Jan. 1841. 5 Die Salinenarbeiter in Halle pflegten ein besonderes Brauchtum: Alljährlich sandten sie zu Neujahr eine Deputation von drei Halloren an den preuß. König, indem sie ihm in einem Gedicht gratulierten und ihm bei Tisch eine Wurst und Soleier überreichten. Sie brachten ihm auch die ersten Lerchen als Lehnsgabe dar und spielten bei der Huldigung eine besondere Rolle. 6 Wiederverheiratung des abgedankten Königs Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843) und seine Übersiedlung nach Berlin.
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außer sich sein, und die Golz,7 welche den Haag verließ, um von dieser Sache fern zu bleiben, wird nun mit ihr unter einem Dach wohnen. Für Euch ist dies auch nicht angenehm. Welche Stellung wird die einnehmen? Wie fatal auch für Erlaucht. Luise ließ im letzten Brief ein Wörtchen fallen, doch so nahe schien mir der Moment nicht. Du kannst denken, wie wenig erfreut sie ist. Gestern haben wir die Nachricht bekommen, daß der Schwiegersohn vom Minister Lützow, Herr von Maltzahn von Gülz, welcher zur Huldigung in Berlin war mit seiner Frau, gestorben ist, nachdem er nur 5 Tage krank gewesen. Dieser Tod betrübt uns sehr. Er war ein so guter Mensch und die Ehe sehr glücklich.8 Es heißt, als wenn meine Schwiegermama schon Anfang März Paris verlaßen wollte. Sie wollte bis Mai bleiben, allein, ich habe durch Rantzau9 einen freundlichen aber dringenden Brief geschrieben und ganz offen meine Meinung gesagt, wie wenig passend es sei, daß sie jetzt dort sich auffhielte, wo ganz Deutschland sein Auge auf dort gerichtet, und die allgemeine Stimmung gegen Frankreich sich so offen ausspreche.10 Vielleicht hat das geholfen. Nun Adios, denke in Liebe Deiner treuen Adine Schwerin, den 24ten Februar 1841 Meine liebe Elis, nur einige Worte des innigen Dankes soll Dir Karl mit zurück nehmen für den schönen Kasten und den Ochsenkopf, welches mir beides viel Freude gemacht.11 Die Ankunft der lieben Brüder war wirklich himmlisch. Zuerst war es mir entsetzlich wehmütig ums Herz. Ich arbeitete es aber glücklich herunter, und diese Freude machte mir den gestrigen Tag leichter tragen. Auch hatte ich mich beim Erwachen recht ausgeweint. Es wurde mir an diesem Tage so viel Liebe und Anhänglichkeit bewiesen, was einem wehen Herzen stärkt und wohlthut. Mehr kann ich nicht, an Fritz gieb einen Kuß von mir. Deine Adine 7 Mglw. Julie von der Goltz (1780–1841), ehem. Geliebte König Wilhelms I. der Niederlande (1772– 1843). 8 Axel von Maltzahn (1808–1841), preuß. Landrat im Kreis Demmin, war am 12. Febr. in Gülz gestorben. Er war verh. mit Auguste von Lützow (1820–1891). 9 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 10 Die meckl.-frz. Beziehungen waren in der deutschnational aufgeladenen Rheinkrise ein besonderes Politikum, da das Haus Mecklenburg-Schwerin in der Haltung gegenüber dem frz. Bürgerkönigtum gespalten war. Die Erbgroßherzoginwitwe Auguste und der Herzog Gustav pflegten den persönlichen Kontakt nach Paris, während Großherzog Paul Friedrich und Großherzogin Alexandrine davon nichts wissen wollten. Der Großherzog vermochte sich gegenüber seiner Stiefmutter, der selbstbewussten Erbgroßherzoginwitwe Auguste, in dieser Frage nicht durchzusetzen, zumal er ihr 1837 die Heiratsverhandlungen übertragen hatte. 11 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin hatte am 23. Febr. Geburtstag.
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 27ten Februar 1841 Meine geliebte Elis, erst gestern erhielt ich Deinen lieben Brief, den Paul mir vorenthalten, indem er wünschte, daß während der 3 Tage, wo hier Feste waren, mir die Trauerbotschaft nicht zu Ohren kommen sollte. Was ihm auch ganz vollkommen gelungen, denn gestern Morgen hat er es mir erst gesagt, ich habe mich heftig erschrocken und bin tief betrübt. Ich liebte die theure Tante von ganzer Seele.12 Meine Kinderjahre wurden durch ihre Liebe mir verschönert. Ich war so oft und viel bei ihr auf dem Schloß und spielte mit Marie.13 Ich erinnere mich noch so deutlich, wie sie gleich den ersten Abend zu uns kam, als wir 1809 von Königsberg zurückgekehrt.14 Sie nahm mich gleich mit sich auf den Weihnachtsmarkt, und bei Gammet15 schenkte sie mir eine sehr schöne Puppe. Das gewann natürlich gleich mein Herz. So scheidet eine nach der andern aus der frühesten Kindererinnerung. Aber mir ist es auch deutlich geworden, wenn man so einen Verlust gemacht wie wir im Juny, dann läßt sich alles andere leicht ertragen. Und der theuren Tante ist nun wohler als auf Erden, die ein Dornenpfad für sie war.16 Und sie ist nun mit ihren Geschwistern vereint! Das nenne ich glücklich sein. Über die Trauer vergesse ich ganz die Freude, welche ich über Deinen lieben Brief gehabt. Deine Liebe macht mich sehr glücklich und ich hoffe, daß ich es Dir bald selbst sagen werde, denn Paul und ich fragen bei Dir und Fritz, ob es Dir recht seie, wenn wir, wie Du es vorgeschlagen, doch noch im Monat Märtz nach Berlin kommen, den 15–16ten und bis gegen Palmsonntag bleiben. Die Brüder sagten mir, daß Mary mit ihrem Mann17 Anfang April käme und die Großfürstin von Weimar18 auch einen Besuch beabsichtigte. Da wäre grade das, was ich nicht wollte, Fremde da. Also lieber jetzt, denn schwer bleibt es mir immer, das erstemal hinzugehen. Die Strelitz werden am 3ten nach Berlin kommen, so schrieb mir Marie. Es wird ihr einen Wohlthat sein, sich endlich einmal mündlich aussprechen zu können. Sie ist unbeschreiblich gebeugt und unglücklich und darf es sich nicht recht merken lassen.
12 Kurfürstin Auguste von Hessen-Kassel, geb. Prinzessin von Preußen (1780–1841), war am 19. Febr. in Kassel gestorben. 13 Prinzessin Marie von Hessen-Kassel (1804–1888) war seit 1825 verh. mit Herzog Bernhard II. von Sachsen-Meiningen (1800–1882). 14 Im Dez. 1809 war König Friedrich Wilhelm III. von Preußen nach mehr als drei Jahren mit seiner Familie aus Ostpreußen nach Berlin zurückgekehrt, das sie im Okt. 1806 nach der verheerenden Niederlage gegen Napoleon bei Jena/Auerstädt verlassen hatte. 15 Julius Theodor Gamet (1804–1882), Wachswarenhändler in Berlin. 16 Vor allem die völlig zerrüttete Beziehung zu Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel (1777–1847) ist gemeint, die die Kurfürstin Auguste, geb. Prinzessin von Preußen, sogar ins „Eheexil“ nach Berlin führte. 17 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), mit ihrem Ehemann Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 18 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Maria Pawlowna von Russland (1776–1859).
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Mit ihrer Luise ihrer Gesundheit ist es auch nicht vom Besten. Der Kummer um die Schwester soll sie so ehlend machen. Armes Kind, so geopfert zu werden.19 Die Heirath vom König Graf von Nassau hat mich grade nicht in Erstaunen gesetzt, denn ich sah das immer im Hintergrund.20 Arme Marianne, sie soll es aber mit vieler Fassung tragen, Abat weniger. Luise schrieb mir, man wäre im Lande sehr aufgeregt darüber, und der neue Regent gebe auch Veranlaßung dazu. Sie säufst dort sehr. Die Brüder hatten ihre Leute in den neuen Livreén angezogen und mir gezeigt. Es ist recht schön, allein, in Berlin selbst wird es mir vielleicht zu fremd vorkommen. Nun Adios und sei so gut, mir bald zu schreiben, ob es Fritz genehm ist, uns da zu haben. Bis dahin wird er gewiß ganz wohl sein. Grüße ihn herzlich von mir. Deine alte Adine Mademoiselle Garnier, die bei Luise war, hat sich in Genf versprochen mit einem reichen Banquier.21 Schwerin, den 4ten März 1841 Der Anfang Deines Briefes, meine Elis, hat mich sehr amüsiert wegen Erinnerung der alten Hofdamen vom 2ten März. Ich weiß, wir lachten unanständig darüber. Du wußtest noch nichts von der visite der Weimarschen Herrschaften, also scheint es nur ein projekt. Nun bist Du auf alles gefaßt! Also sind wir Euch willkommen. Das freut mich. Ich werde auch recht vernünftig sein, und unsere alte Wohnung werden wir auch bekommen. Das war alles, was wir wünschten. Es sollte schon an Meiring darum geschrieben werden.22 Es wundert mich sehr, daß die Strelitz noch garnicht sich gemeldet. Marie schrieb es mir selbst, daß sie am 4ten nach Berlin gehen. Sie mögen wohl wegen der tiefen Trauer noch etwas zögern, und dann haben sie viel zu thun zu den Hochzeitsarangements. Woran am liebsten niemand dächte. Es ist zu schrecklich. Auf der Art werde ich die Strelitz in Berlin wohl noch treffen. Das freut mich sehr. Sie waren ja im Juny mit uns. Paul legt sich zu Füßen und bittet an Fritz zu sagen, er möchte so gütig sein und ihm den Brief von seiner Fritzens Hand zurück recht bald senden. Er freut sich sehr am 15ten sich zu Füßen zu legen. Wenn es erlaubt ist, bringe ich Luischen mit, die Gräfin Bassewitz, Fräulein von Schreeb, Fräulein von Hochstedter.23
19 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz (1818–1842) war kränklich, und ihre Schwester Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876), kam in der schwierigen Ehe mit dem dänischen Thronfolger Friedrich (VII.) nicht zurecht. 20 Der abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843) hatte am 17. Febr. in Berlin als Graf von Nassau morganatisch die katholische Gräfin Henriëtte d’Oultremont (1792–1864) geheiratet. 21 Louise Garnier, Gouvernante der Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859). 22 Richard von Meyerinck (1812–1889), preuß. Hofmarschall. 23 Die meckl.-schw. Oberhofmeisterin Marianne Gräfin von Bassewitz, geb. von Lützow (1802–1865),
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Was nimmt denn die Gräfin von Nassau24 für einen Platz ein? Ich hoffe eigentlich, daß diese ehe schon abgereiset sein würde, wenn wir hinkommen. Die Trauer in Berlin wird wohl bis zum 21ten getragen. Also kommen wir mit schwartze Kleider an. Du wirst es vielleicht einfältig finden. Dies ist mir aber grade lieb. In Carolinens Stelle würde ich mich nicht ganz fest auf ihres Bruders Versprechen verlaßen. Doch ist es mir lieb zu hören, daß Fritz tief betrübt über den Tod der Mutter ist.25 Ich schließe, denn mein Brief wird wie ein Knüpeldam. Ich bin aber aller Augenblick gestöhrt worden. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine An Fritz viel Liebes. Schwerin, den 9ten März 1841 Liebe Elis, dieser Brief soll uns nun förmlich anmelden zum 15ten März, und zwar zwischen 8–9 Uhr werden wir wohl eintreffen. Ich hoffe, es wird alles so bleiben wie sonst, daß heißt, daß wir ganz freundschaftlich ohne ceremonie aufgenommen werden und wenn es Zeit ist, zu Dir heraufkommen. Ich freue mich sehr, Euch ihr Lieben wiederzusehen. Ein bisschen wehe wird es mir wohl ums Herz sein! Morgen ist der 10te, voriges Jahr war ich noch mit dem theuren Papa in Charlottenburg. Ach, keiner ahnte, daß nach 3 Monaten er dort schon ruhen würde. Ich erinnere mich, wie wir bei ihm in der Stube, war er sehr bewegt und sprach so liebevoll zu uns. Er begleitete uns nicht, da es feucht und kalt. Ich freue mich nur, daß ich diesen Tag, wo er zum letzten Mal ihn feiern sollte, noch bei ihm war. Ach, nun ruht er an der Seite der geliebten Mama, und ihr werdet Euch von einem Sarg zum andern wenden in tiefer Betrübniß. Diese Stätte zu besuchen wird für mich eine liebe traurige Pflicht sein. Die Strelitzer werden wohl gestern in Berlin angekommen sein. Marie hat gewiß schon ihr armes gepreßtes Herz Luft gemacht. Ich hoffe, ich finde sie noch, sage es ihr bitte. Wir gehen heute Abend auf einen Kinderball in der Stadt. Wilhelmchen ist dort eingeladen. Es wird gewiß amüsant sein. Paul legt sich zu Füßen und bittet Dich, indem er Fritz nicht noch einmal mit einem Brief beschwerlich fallen will, Fritz doch zu bitten, daß die Antwort wegen der Eisenbahn noch vor unserer Abreise hier ankömmt.26 Indem, wenn Bestimmungen hier zu treffen wären, er sie gleich vornehmen sollte, und Paul doch sowie die Hofdamen Bertha von Schreeb (1814–1883) und Charlotte von Hochstetter (1819– 1908). 24 Henriëtte Gräfin d’Oultremont de Wégimont (1792–1864), als Gräfin von Nassau Ehefrau des abgedankten Königs Wilhelm I. der Niederlande. 25 Die Kinder der verstorbenen Kurfürstin Auguste von Hessen-Kassel, geb. Prinzessin von Preußen, Karoline (1799–1854) und Friedrich Wilhelm (1802–1875). 26 Es ging um den Bau der Berlin-Hamburger Eisenbahn über mecklenburgisches Territorium. Es gab auch Überlegungen, die Strecke westlich der Elbe nach Hamburg zu führen und Mecklenburg auszusparen.
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gern gleich mitkommen möchte, was sonst nicht anginge. Lebe wohl, meine liebe Elis, bald bin ich bei Dir. Deine treue Adine Von Marie Meiningen27 habe ich zwei liebe Briefe. Noch gestern Abend erhielt ich einen. Sie ist tief betrübt, so recht gebeugt vom Schmertz. Caroline28 war bei ihr, wollte aber gestern wieder abreisen, was ihr sehr leid that. Fritz hatte an Fräulein von Kameke eine unbeschreibliche Freude gemacht durch das kristallene Blumenglas von Papa. Sie ist ganz seelig. Schwerin, den 5ten April 1841 Meine liebe Elis, es sind nun beinah 8 Tage, daß ich Euch verließ, und ich kann mit Wahrheit sagen, daß es mir schwer wurde fortzugehen. Du und der liebe Fritz waren so gut gegen mich, daß ich mich in Eurer Nähe wohl fühlte. Nur hätte ich mir eine ruhigere Zeit gewünscht, um Dich, meine Elis, mehr zu sehen und zu sprechen. Wenn wir bei Tisch nicht manchmal die Zeit dazu benutzt, so hätte ich Dich garnicht gehabt. Aus der ganzen Zeit leuchten mir die beiden stillen Abende bei Dir nach guter alter Art recht hervor, und dann der letzte Musikabend, woran wir alle mit Entzücken denken. Der Madame Curschmann ihre Stimme hallet noch in mir nach.29 Nun sind wir in der Woche, die uns alle mit stillem Ernst erfüllt. Am Grünen Donnerstag gehen wir hier in der Schloßkirche zum Abendmahl. Nie bin ich mit mehr Ernst und gesammelter als dies mal dazu gegangen. Das Jahr 40 mit seiner Trauer und leider hat das Gemüth mehr wie je dazu vorbereitet, und ich kann sagen, daß ich mich unbeschreiblich zu diesem Liebesmal freue. Es wird mich stärken und kräftigen zum Guten, und der Seegen des theuren Vaters wird dabei auf mich ruhen. So schmertzlich mir der Aufenthalt in Berlin war, so lieb war es mir auch, alle die lieben Orte wieder zu sehen und zu betreten, wo wir sonst mit dem theuren Verklährten vereint lebten. Ich glaubte mich dort ihm näher, und das war so wohlthätig. Grüße mir herzlich den lieben Fritz, auch die Brüder und Schwägerinnen. Gebe Gott, daß das Verhältnis so gut bleibt. Eben scheint der Mond so klar in mein Fenster und spiegelt sich prächtig im See. Das Wetter ist überhaubt himmlisch. Ich reise fleißig und freue mich, das Erwachen der Natur täglich fortschreiten zu sehen. Im Thiergarten war es gewiß himmlisch. Es wird gewiß recht grün. Nun Adios, liebe Deine treue Adine
27 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 28 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854). 29 Rose Curschmann (1818–1842), Sängerin.
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Schwerin, den 19ten April 1841 Heute wirst Du wohl Potsdam verlaßen haben, denn die Weimarischen Herrschaften sind wohl schon in Berlin. Möchte Dir und Fritz der Aufenthalt in Potsdam gut gethan [haben]. Wenn es wie hier, so war es fast alle Tage schönes Wetter, und Du wirst es gewiß zur Promenade benutzt haben nach Sanssouci und Siam.30 Heute regnet es, allein, es ist so warm dabei, daß es danach gewiß recht grün wird, und danach sehne ich mich. Zu meiner größten Verwunderung wird Wilhelm, oder vielmehr ist er schon nach Petersburg abgereiset. Es freut mich sehr, denn es wird einen sehr guten Eindruck machen. Es ist doch sehr nothwendig, daß Rußland freundschaftlich bleibt, wie Papa in seinem Testament sagt: „vor allem aber möge Preußen, Rußland und Österreich sich nie voneinander trennen, ihr Zusammenhalten ist als der Schlußstein der großen europäischen Allianz zu betrachten.“31 Freilich ist Wilhelm vielleicht auch nützlich in Berlin, indeßen eine kurtze Abwesenheit schadet wohl nicht, und er kann da sehr nützen. Durch ihn wird man auch wohl bestimmt erfahren, wann Charlotte heraus kömmt und was ihre Pläne auf der Rückreise sind. Ich hoffe, sie geht über Schlesien zurück, dann könnte ich sie doch sehen. Wenn nur die Braut auch wohl genug ist, nun, daß die Hochzeit32 vollzogen werden kann. Dabei fällt mir Georgine Berg ein, welche wirklich einen Mann gefunden, und zwar Wilkens, der hessische Gesandte.33 Nicht jung und schön, aber ein braver Mann. Ich habe ihn ganz gern. Mutter und Tante34 sollen in ein Meer von Wonne sein. Es war ihnen wohl schon bang, Georgine bliebe sitzen. Als Frau wird sie noch ganz angenehm sein und ein hübsches Haus ausmachen. In der Zeitung steht eine große Beschreibung, auf welcher Art ihr die Armbänder an Lilli gegeben habt. Der Kronprinz ist recht krank gewesen. Ich hoffte, es sollte sich in der Länge ziehen. Allein, es geht schon beßer. Sehr viel Freude hast Du mir gemacht, daß Du schreibst, daß Fritz in Bonn gefällt. Diesen Augenblick ist er auf der Reise in Holland. Am 22ten kömmt er im Haag an. Heute früh erhielten wir noch einige Zeilen vor seiner Abreise. Er freut sich sehr, Luise zu sehen, die er besonders liebt. Luise kann sich garnicht zufrieden geben, den König Wilhelm Friedrich in Berlin zu wißen, wo es ihm gefällt, und zwar mit seiner machére.35 Da beide sonst nicht eifrigeres thaten, als auf Preußen und besonders Berlin zu schimpfen. Und nun giebt es ihm zum zweiten Mal Asiel, wo er sonst nicht wüßte, sein Haupt hinzulegen. Hat er dich 30 Gemeint ist Schloss Charlottenhof. 31 Wörtlich korrekte Wiedergabe des für die Öffentlichkeit bestimmten Testaments von 1827. Vgl. Eichler, G.: Das Testament Friedrich Wilhelms III. und die Thronreden Friedrich Wilhelms IV. bei Huldigung zu Königsberg und Berlin. Sechs Staatsurkunden für das preußische Volk. Berlin 1840, o.S. 32 Verm. Hochzeit zwischen dem Thronfolger Alexander (II.) von Russland und Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), die am 28. Apr. 1841 stattfand. 33 Carl Friedrich Freiherr von Wilkens-Hohenau, von 1821–1842 kurhess. Gesandter in Berlin, verh. mit Georgine von Bergh (1812–1883). 34 Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780 –1870), preuß. Hofdame und Oberhofmeisterin, und ihre Schwester Pauline Gräfin von Neale (1779–1869), preuß. Hofdame. 35 Der abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande, Graf von Nassau, und seine Ehefrau Henriëtte, geb. Gräfin d’Oultremont de Wégimont (1792–1864).
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wieder bei seinem Besuch gestöhrt mit Anton Stolberg?36 Weißt Du, Du erzähltest es damals, daß es fast jedes Mal der Fall sei. Nun sage ich Dir lebe wohl. Morgen fahren wir nach Ludwigslust zum Ball bei Onkel Gustav, worauf Luise sich am meisten freut. Übermorgen kommen wir schon wieder zurück. Wenn das Wetter schön, dann wäre es prächtig, im Garten etwas herum zu gehen, denn dort ist es schon grüner wie hier. Adios. An Fritz viel Liebes. Vorgestern hatte ich einen recht traurigen Tag. Ich bekam durch Karl eine Uniform vom lieben seeligen Papa, einen Huth mit Federbusch und eine Degenkoppel. Alles recht viel getragen. Die Uniform ist die, welche in Paretz gelegen, Papa also da getragen. Ich habe viel weinen müßen, ach, so deutlich sah ich ihn vor mir stehen mit seinem freundlichen Lächeln, wenn die Bauernjungen das Brod und den Wein bekamen und er den alten, schwachen Kranken das Geld gab. Deine Adine Schwerin, den 4ten Mai 1841 Unendlich lange habe ich Dir nicht geschrieben. Es kam aber daher, ich war sehr beschäftigt, mein Grünhaus37 einzurichten. Dann bin ich viel geritten, und die Hitze, welche wir beinah 8 Tage hatten, hatte mich ganz dumm gemacht. Nun hat sie mit Schrecken ein Ende genommen. Das Gewitter hatte solche Kälte gebracht, daß wir beinah wieder eingeheitzt haben. Heute hat es sich doch besonnen, und ich bin wieder im Grünhaus, wo es himmlisch ist mit dem schönen frischen Grün, was wirklich herausgestürtzt ist, nun freilich, die Köpfe etwas hängen läßt. Wenn es nur morgen recht schön wäre, wo wir auf 2 Tage nach Ludwigslust gehen, wo Markt ist. In dieser Zeit bin ich öfter dort gewesen, zu Bälle, einen bei Onkel Gustav und den anderen gab Frau von Sell.38 Beide waren hübsch, und die Sonne war aufgegangen, als wir sie verließen, was Luise unendlich viel Spaß machte, da es das erste Mal war, daß sie so lange getanzt. Noch habe ich Dir garnicht gedankt für Deinen Brief vom 23ten April. Es war wirklich zu gut von Dir, mitten in Deinen Fatiguen meiner zu gedenken. Jetzt werden die Weimarer doch fort sein. Indessen, wenn sie nach Petersburg gehen, müßen sie wieder durch. Die arme Charlotte bedauere ich, daß sie diese Last den Sommer über haben wird. Ihre Brust ist doch nicht die stärkste, und Ems hätte ihr so wohl gethan, wenn sie es zum zweiten Mal hätte brauchen können. Der Kaiser hat sich in den Gedanken nicht finden können, wieder einen Sommer ohne sie zu sein. Möge er es nicht bereuen, sich in diese kleine Entbehrung nicht gefunden zu haben. Wenn Du Briefe von Wilhelm bekömmst, theile mir doch mit, wie er Charlotte gefunden, und wie die junge Frau aussieht.39 Man hat so viele Geschich36 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Offizier und Minister des kgl. Hauses. 37 Das 1838–1840 errrichtete Greenhouse im Schweriner Schlossgarten diente als Sommerhaus der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 38 Sophie Fredericke Henriette Charlotte von Sell, geb. von Massenbach (1804–1842), Ehefrau des mit dem Erbgroßherzog abwesenden Gouverneurs Adolf Freiherr von Sell (1797–1891). 39 Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) hatte am 28. April Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880) geheiratet.
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ten über ihren tint.40 Überhaubt will man ihr Zusammensein nicht loben. Ob wohl etwas wahres daran ist und darum Charlotte nicht reiset? Wann ehe denkst Du denn Deine Reise zu machen nach München zu Deiner Mama? Du verbindest sie wohl mit der Rheinreise. Die weiß ich auch nicht, wann sie begonnen werden soll, und dann gehet es nach dem lieben Schlesien. Wie lange gedenkt ihr denn doch zu bleiben? Werdet ihr nach dem Manöver in Erdmannsdorf eine ruhige Zeit bleiben? So ganz bestimmt, weiß ich recht gut, kann es noch nicht sein. Aber ein Plan ungefähr wird doch gemacht sein. Wie viel muß ich an vergangenes Jahr gedenken, wo Papa im Mai so leidend war. In diesen Tagen war er ja nach Potsdam, oder war das Ende April? Ich weiß es nicht so genau, wo die Schwäche so auffallend zunahm. Gott, das ist nun schon ein Jahr [her]. Wie ist das so schnell dahin gegangen mit all dem Leiden und Schmertzen, welches schreckliches Jahr, und mir kömmt es vor, als wenn es höchstens einige Monate her wäre. Leb wohl, meine Elis, denke mein in Liebe, an Fritz viel Liebes. Deine treue alte Adine Der Kronprinz von Dänemark ist doch wieder besser geworden.
Schwerin, den 19ten Mai 1841 Meine liebe Elis, Du wirst wohl erfahren haben, daß ich mit einem Mal in Hamburg war. Ein schneller Entschluß am Mittwoch bei Tisch gefaßt, und am Donnerstagmittag saß ich mit Luise, Gräfin Bassewitz und Fräulein von Levetzow41 im Wagen. Es war eine rechte Eitelkeitsreise, denn nur wegen Putz setzten wir uns in Bewegung, um desto reitzender in Strelitz zu erscheinen. Wir hatten bis jetzt gar keine Anstalt darzu getroffen, weil wir immer glaubten, daß die Krankheit vielleicht es verzögern würde. Allein, es ist kein Erbarmen. Das Schicksal schreitet unaufhaltsam fort, und so stürmten wir nach Hamburg, wo wir alles fanden, was wir suchten. Es war eigentlich sehr amüsant, denn gelaufen sind wir aus einem Laden in andere wie die Unklugen, und haben doch noch nebenbei einige Fahrten in der schönen Gegend gemacht. Es war alles so frisch, der Flieder blühte so voll, überhaubt das Grün so recht üppig. Nur das Wetter hätte etwas freundlicher sein können. Es war kalt und windig. Gesehen haben wir bloß Hänlein mit Frau,42 die ich mir zum Diner bestellt hatte. Im Theater waren wir, aber nicht lang. Die Zauberflöte war zu amüsant. Den Sonnabend früh fuhren wir wieder ab, und ich überraschte Paul, der mich erst späth Abends zurückerwartet. Er war den Tag nach Wismar gefahren und kam eben angefahren, wie ich ausstieg. Es war eine schöne Harmonie der Seelen. 40 Frz. = Teint. 41 Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin reiste mit ihrer Tochter Herzogin Luise, der Oberhofmeisterin Marianne Gräfin Bassewitz (1802–1865) und der Hofdame Dorothea von Levetzow (1818–1841). 42 Johann Christoph Ferdinand Ludwig (Louis) von Hänlein (1790–1853), preuß. Gesandter in Hamburg und zuständig auch für Mecklenburg, und seine Ehefrau Luise, geb. Schuster (gest. 1879).
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Den 21ten. Wie wohnen seit Montag hier im Grünhaus, wo es prächtig ist. Das Wetter war auch bis jetzt zimlich, so daß wir ganz früh im Garten herumgehen können. Jetzt sitze ich auf meinem Balkon, weil zum ersten Mal kein Wind, was eine Wohlthat ist. Gestern Abend erfuhren wir, daß Wilhelm glücklich zurück von Petersburg. Ist er zufrieden mit seinem Aufenthalt? Wie hat er den Kaiser gestimmt gefunden? Wie geht es mit Charlotte ihrer Gesundheit? An eine Reise nach Ems scheint keine Rede zu sein, da sie alle nach Moskau gehen, was die Zeitung sagt. Wie ist das junge Ehepaar?43 Bin ich nicht wie ein Thorschreiber? Nimm es mir nicht übel, allein, ich möchte es so gerne wißen. Deine Güte habe ich wohl erkannt, daß Du Auguste bewogen, mir den Brief von Wilhelm zu senden. Er hat mich sehr interessiert, und danach schien ja alles gut zu gehen. Auguste erwähnte aber mit keiner Silbe, daß Du ihr die Idee gegeben, sondern sie machte, als wenn ganz von ihr diese intention käme. Allein, ich sah es durch. Sie soll jetzt wieder eine glückliche Zeit feiern, da die Fürstin Dinon in Berlin ist.44 Die gute Frau könnte auch weg bleiben. Sie ist zu klug. Wo haltet ihr Euch denn eigentlich auf? In Potsdam oder in Berlin? Sanssouci ist noch nicht fertig mit dem Bau, wie man sagt. Charlottenburg zu bewohnen, wie erst die Idee [war], ist wohl ganz aufgegeben. Sonst wäre es jetzt ein hübscher Augenblick gewesen. In diesen Tagen werden wieder viele Fremde nach Berlin kommen. Die Grim45 macht den schönen Anfang, nachdem sie ewig auf sich warten ließ. Dann kömmt Mary mit Mann und Kind.46 Grüße sie herzlich von mir. Diese Tage sind recht mit schmertzlichen Erinnerungen angefüllt. Morgen vor einem Jahr, die schrecklich traurige Parade, wo Papa am Fenster nur erschien. Dann das auffallende Zunehmen der Schwäche. Ach, ich erinnere mich, daß nun mir alle Tage geschrieben wurde. Es war eine schreckliche Zeit. An Himmelfahrt kam Papa nicht mehr in der Capelle, sondern Straus hatte die schöne Unterhaltung mit ihm.47 Ob er sie wohl aufgeschrieben? Nun leb wohl, tausend Dank für Deinen lieben Brief. Doch quäle Dich nicht, mir zu schreiben, wenn Du anderes zu thun hast. Wenn Du Zeit und Lust verspührest, dann thue es. An Fritz tausend Liebes. Deine alte Adine
43 Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) hatte am 28. April Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880) geheiratet. 44 Herzogin Dorothea von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1793–1862), seit 1845 Herzogin von Sagan. 45 Verm. Antonie Helene Rosalie Gamet (1809–1885), verh. 1835 Heinrich Gottfried Grimm (1804– 1884), preuß. Oberstabsarzt und Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 46 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) mit ihrem Ehemann Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852) und ihrer erstgeborenen Tochter Alexandra Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1840–1843). 47 Gerhard Friedrich Abraham Strauß (1786–1863), preuß. Hofprediger und Theologieprofessor in Berlin.
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Schwerin, den 2ten Juny 1841 Wie freundlich war es von Dir, meiner am Hochzeitstag gedacht zu haben, und mir das Epheublatt zu schicken. Es hat mich recht innig beglückt, wie alles, was von Dir kömmt und mir Deine Liebe bezeigt. Nun wohnst Du im lieblichen Sanssouci, und wie ich hoffe, mit eben so schönem Wetter. Wenn man klagen wollte, so ist es zu trocken. Alles verschmachtet. Es sieht so verdorrt aus. Wie ich höre, ist Mary48 mit hingezogen, weil sie späther in Petersburg ankommen soll. Für Euch ist das nicht ganz angenehm. Ich denke aber, nun wird sie fort sein, damit ihr die Trauerwoche ungestöhrt zubringen könnt. Gestern, voriges Jahr kam ich in Berlin an. Welche schreckliche Fahrt war das. Und die vielen Menschen, welche um dem Palais standen, als ich vorbeifuhr. Heute sah ich Papa gegen 12 Uhr und fand ihn so gut aussehen noch so um 2 Uhr, und dann Nachtisch die schreckliche Veränderung, von wo an es mit schnellen Schritten zum Schlimmen führte. Wir tranken den Abend Thee bei Dir, und Fritz kam vom Palais mit übeler Nachricht. Den andern Tag schriebst Du mir ein Billetchen, die Nacht sei schlecht gewesen. Um 10 Uhr kam Wiebel uns holen, wie fürchterlich war der Tag.49 Wilhelm fuhr Charlotte entgegen, und wir [hatten] die Angst, sie kämen beide zu späth. Unser Diner im Prinzen Palais, dann die Ankunft von Charlotte. Papa schlief den Nachmittag lange. Um 7 Uhr erwachte er, und wir drei Schwestern gingen zu ihm herein. Wie er sich freute, Charlotte zu sehen. Ach Gott, was für fürchterliche Tage folgten. So wird sich in dieser Woche ein schmertzlicher Tag in der Erinnerung dem anderen folgen bis zum allerschmertzlichsten! Tiefe Wehmuth alle Herzen erfüllen, die den großen Schmertz empfunden und ewig nachfühlen werden. Schon der erste Pfingsttag war schrecklich in der Erinnerung und nun der 7te!! Ich beneide Euch, wenn es möglich wäre, daß ihr Geschwister an dem Tage um seinen Sarg knien und beten könnt und Euren Schmertz ausweinen. Denket dann in Liebe der abwesenden Schwestern. Den folgenden Morgen reise ich nach Strelitz und werde da in Saus und Braus die schrecklichsten Tage meines Lebens verleben, denn am Begräbnißtag ist landemain, cour und concert. Und in diesen Tagen, wo man nur der trüben Erinnerung leben möchte, kommen so viel toiletten Angelegenheiten, daß mir alles noch wideriger wird als sonst. An Fritz sage tausend Liebes. Wilhelm meinen Gruß, und er sollte sich nur nicht mit Schreiben an mich quälen. Du warst ja so gut, mir das Interessanteste zu schreiben. Von Charlotte habe ich auch einen Brief gehabt, zwar kurtz, aber glücklich über die liebe Schwiegertochter und das Glück des jungen Paares.50 Sie sind nun in Moskau nach der Zeitung? Oder ist das späther? Wie geht es mit dem König Wilhelm Friedrich51 seiner Gesundheit? Ist er außer Gefahr? Marianne will gerne nach Schlesien und ihn mit haben, wie man sagt, daher sie ihn für nicht sehr krank ansieht. Lebe wohl, denke in Liebe Deiner alten Adine 48 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 49 Johann Wilhelm von Wiebel (1767–1847), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 50 Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) hatte am 28. April Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880) geheiratet. 51 König Wilhelm II. der Niederlande (1792–1849).
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Fritz wird Dir, geliebte Elis, gesagt haben, wie glücklich mich Dein Brief gemacht. Aber aus Strelitz konnte ich Dir nicht dafür danken, da war zu viel Lärmen. Ich habe viele Thränen bei Deinem Brief vergoßen, denn es war das Durchleben der schrecklichsten Zeit meines Lebens. Ich sah mich in Gedanken mit Euch in der Capelle des Palais und in der Gruft am Sarge von Papa. Durch Wilhelm wirst Du erfahren haben, daß wir am 11ten nach Hohenzieritz waren. Es that mir so wohl, grade an diesem Schmertzenstag dort meinen Thränen freien Lauf laßen zu können und von Wilhelm, der seit 30 Jahren nicht da gewesen, noch detaills von jenem Tage zu hören. Beide Trauertage, die so entsetzlich weit von einander, scheinen nun zusammen geschmoltzen, wie überhaubt das Andenken an Mama durch diese Zeit uns viel lebendiger geworden und alles näher getreten. Der 7te selbst und alle vorhergehenden Tagen waren schrecklich. Die darauf folgenden, da war man so zerrißen von Festen und Zerstreuungen, daß man nicht zu [sich] selbst kam. Besonders, da das junge Paar entsetzlich unglücklich wird, Lilli wenigsten, nein, es war wirklich zum Erbarmen. Dann die Tante in einer solchen Verzweiflung, und alle Anwesende nicht minder. Die Dänen, daß sie dem Kronprinzen den Rücken drehte. Er, daß sie unfreundlich ihn nicht antwortete, wenn er sie anredete. Lilli war wie ein Stein, keine Thräne vergoßen, das Gesichtchen ernst und blaß, für niemand ein freundlichen Blick, gegen alles gleichgültig. Nur wenn sie bei Marie war, hat sie ein paar mal geweint. Unter anderem hat sie gesagt, daß sie von der Traurede garnichts gehört, sie hätte sich den Putz der Damen angesehen, denn sonst hätte sie nicht die Kraft gehabt, es zu ertragen. Überhaubt hätte sie nicht die Kraft gehabt zu der ganzen Sache, wenn sie nicht in ihrem 17. Jahr schon so tief geknickt worden wär mit Sache. Doch dies bitte behalte für Dich. Marie theilte es mir nur mit, um mir zu zeigen, in welchen Zustand das arme Kind war. Onkel George war auch nicht glücklich. Sein Inneres war im Zwiespalt. Der Kronprinztitel und die Aussicht einer Krone schmeichelte ihm. Von der anderen Seite sah er, wie die Sachen wirklich standen, dann sprach sein Vaterherz, und er war außer sich. Doch dies äußerte er nur gegen mich. Unter anderem sagte er mir, wenn Luischen mal bei ihnen heirathet, dann kommen wir auch. Dann wollen wir aber recht lustig sein, und nur keine große Parthie, aber ein Prinz, den sie gern nimmt, mit dem man rechnen kann, glücklich zu werden. Nicht wie hier. Und so machte er mehrere Äußerungen, die mich in einen Zustand brachten, denn wenn man sieht, es hat sich eine Person zum Opfer gebracht, und keiner ist dadurch beglückt. Dabei bleibe ich aber immer, daß wenn Lilli freundlich für ihn ist, so wird alles recht gut gehen. Denn wenn sie es einmal ist, so ist der Kronprinz ganz seelig und bekömmt die Thränen vor Freude in die Augen. Aber freilich, dann benimmt er sich oft so unzahrt bei so vielen Gelegenheiten, daß man zurück schreckt. So bin ich in den 8 Tagen immer hin und her balotiert worden. Einmal fand ich ihn recht gut und dann wieder schrecklich. Übrigens wurde der Kronprinz ziemlich schlecht behandelt. Man bekümmerte sich garnicht um ihn. Lilli ging, wenn sie aufgestanden, gleich zur Mama und in ihre alte Stube, dann in die tableaux Proben und sah ihren Mann garnicht, zog sich dann zum Diner an und Nachtisch eben so. Es war ihm
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nicht zu verdenken, wenn er manchmal ungnädig war. Leider werde ich nicht fertig mit meinem Brief, denn von den Festen muß ich doch noch erzählen. Also auf Morgen. Den 19ten. Zwei Tage lag der Brief. Ich konnte nicht dazu kommen. Die Truppen sind seit vorgestern hier zusammen, und das macht dann eine Bewegung in unserer kleinen Stadt, als wenn es eine Armee sei. Nun noch von Strelitz. Wir haben wirklich sehr glänzende Feste gehabt, nach meiner Idee nur zu groß für so ein kleines Land, die Diners und souper immer gleich zahlreich an Schüsseln und sehr schön zubereitet. Das Theater war neu zurecht gemacht und sehr geschmackvoll. Die Hänel und Wild sangen süperbe.52 Den 12ten war Ball im Schloß. Da hätte der Saal heller erleuchtet sein können, sonst die toiletten recht hübsch. Überhaubt die Robentagen, da waren die Damen manifik. In Berlin sah ich früher nicht dergleichen. Den 13ten war ein kleines Diners, weil Nachtisch um 6 Uhr das Tournier war, welches durch gutes Wetter begünstigt und sehr gut ausfiel. Die Costume waren auch manifik. Alles von dem schönsten Samt, weich mit Gold, die Helme wunderschön gearbeitet, die Pferde meist schön, so daß es einen sehr schönen Eindruck machte. Lilli vertheilte an allen blaue Schleifen mit einem silbernen C. Darauf folgten die tableaux, die Perle von Lindaheide,53 einer dänischen Sage von Förster, und Musik von mehreren Componisten, einzelnes sehr hübsche. Der gute blonde Bonnin war der Haubtheld und sah recht gut aus. Seine Geliebte, die Gräfin Felix Voß,54 eine wunderschöne Frau, machte das Ganze nur noch besser gelingen. Den 14ten machte ein sehr großer Ball im angebauten Saal die Feste glänzend beendend. Alles war heiter, sogar der Kronprinz, er tanzte wie verrückt. Nur Lilli war still, obgleich sie viel umher ging unter den Bürgerlichen und sprach. Mehrere fremde Herren und Damen nahmen Abschied, aber keine Thräne zeigte sich. Den anderen Morgen reisete ich bei schäußlichem Wetter wieder ab. Heute ist nun die arme Lilli von Strelitz abgereiset. Welch ein furchtbarer Tag muß das für alle sein. Und die arme Marie, welche allein mit Luise zurückbleibt, die ihrer Gesundheit wegen doch manche Besorgniß erregt. Sie hustete viel und mußte sich die Treppe von zwei Leuten heraufbringen laßen, beinah tragen. Ehe ich schließe, muß ich noch sagen, daß Charlotte mir geschrieben und ungeheuer dankbar ist, wie Mary55 in Berlin aufgenommen und wie Du sie geschont hast. Ist es war, daß Rauch in Petersburg bleibt,56 und Lindheim57 abgegangen und Neumann58 seine Stelle bekömmt? Es wurde gestern hier erzählt. Mit inniger Liebe, Deine alte
52 Die Sänger Amalie Hähnel (1806–1849) aus Berlin und Franz Wild (1791–1860) aus Wien. 53 Friedrich Förster: Die Perle auf Lindaheida, Berlin 1841. 54 Felix Graf von Voß (1801–1888), seit dem 20. Mai in zweiter Ehe verheiratet mit Luise Gräfin Henckel von Donnersmarck (1820–1902). 55 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 56 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) besaß als Flügeladjutant und preuß. Militärbevollmächtigter in St. Petersburg eine besondere Vertrauensstellung. 57 Karl Friedrich David von Lindheim (1791–1862), Generaladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 58 August Wilhelm von Neumann (1786–1865), Chef des preuß. Militärkabinetts.
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Adine Schwerin, den 30ten Juny 1841 Gott sei Dank, geliebte Elis, können wir heute sehr gute Nachricht von Wilhelm geben.59 Die Stiche unter der Schulter haben ganz aufgehört. Er kann beide Arme gebrauchen, auch die Mattigkeit hat sich sehr verlohren. Er ist mit mir ausgefahren und hat garkeine Empfindung an irgent einer Stelle gehabt. Dann sind wir 2 Stunden im Greenhaus gewesen, wo er erst mit Appetit etwas Butterbrod und Fleisch gegessen, dann Erdbeeren. Darauf bath ich ihn, etwas in einer Stube still und allein zu bleiben, wo aber viel Passage war. Dort blieb er beinah eine Stunde. Ehernach war er ganz munter und um 2 Uhr brachte ich ihn nach dem Schloß die Treppen herauf, die er ganz gut stieg, so daß ich glaube, wohl nichts mehr zu fürchten ist, daß irgent etwas Schlimmes noch nachträglich zu erwarten ist. Grimm,60 der um 8 Uhr heute Morgen ankam, fand ihn auch recht gut. Jetzt ½ 6 Uhr wollen wir noch einmal mit ihm ausfahren und dann etwas im Theater gehen, was er sehr wünscht. Er selbst wird morgen und übermorgen die besten Nachrichten bringen, denn eben ließ er mir sagen, er würde morgen reisen. Leb wohl, geliebte Elis, niemand ist glücklicher als wir, daß das Unglück noch so abgegangen ist, und daß er so Gott will wohl zu Euch zurückkehrt. An Fritz tausend Liebes. Sonnabend gehen wir auf 4 Tage bis zum 9ten nach Hamburg zum Musikfest. Vielleicht bist Du so barmherzig und schreibst mir nur ein paar Worte, wie Wilhelm angekommen und was ihr für Nachricht von Hannover habt über das Befinden von der lieben Tante. Ich bin sehr besorgt. Deine treue Adine Grimm wird mit Wilhelm reisen, so war es besser, um zu sehen, wie die Reise ihm bekäme. Schwerin, den 7ten July 1841 Es war recht freundlich von Dir, meine Elis, daß Du mir Nachricht von Wilhelm gleich gabst, denn mit unendlicher Angst sahen wir ihn abreisen, da er den Morgen weniger wohl sich fühlte. Mit Deinem Brief zusammen erhielt ich einen Brief von Wilhelm selbst. Du kannst denken, wie seelig ich war, schon als Zeichen, daß er glücklich angekommen. Und nun wurde ich noch sehr überrascht, daß er gar keine Schmertzen beim Fahren gehabt und die Nacht gut geschlafen und sich wohl fühlte. Alle diese lieben Briefe bekam ich in Ludwigslust, wo ich 2 Tage ganz still zugebracht. Es war himmlisches Wetter und so
59 Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) war vom 26. Juni bis 1. Juli in Schwerin bei seiner Schwester zu Besuch und hatte offenbar einen Unfall erlitten. 60 Heinrich Gottfried Grimm (1804–1884), preuß. Generalarzt und Leibarzt König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.
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Abb. 7: Greenhouse der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin im Schlosspark von Schwerin, 1846.
habe ich mich im Schweitzerhaus61 ganz etabliert gehabt, und eine prächtige Zeit dort zugebracht, umgeben von den schönsten Eichen und Rosen und Düften der Lindenblüthe. Der Tod der theuren Tante von Hannover hat mich tief betrübt.62 Es war die letzte Schwester meiner Mama und ihr Liebling. Und für mich war sie immer so unaussprechlich liebevoll und herzlich, was nicht immer mit dankbarem Herzen aufgenommen wurde. Ich mache mir Vorwürfe darüber und noch mehr, daß ich an ihrer Kränklichkeit nie glaubte, so daß ich es jetzt auch noch nicht ernst ansah, als in den letzten Tagen erst, wo sie schon tot. Sie mag viel gelitten haben. Friederike63 ist recht tief betrübt, hat aber den schönen Trost, der Mutter noch in der letzten Zeit recht viel gewesen zu sein. Wie muß sie das glücklich machen. Die arme Tante verdiente auch diese Freude, die Tochter bei sich zu haben, da sie sie so liebte. Das Ende soll so fromm gewesen sein, und der Herr, welcher barmherzig und langmüthig, hat sie gnädig bei sich aufgenommen, wie ihre Seele wohl jetzt wohl ist. Sie ist aber in den letzten Jahren ihres Lebens noch recht hart geprüft worden. Ihr Verlust soll vom Lande sehr aufrichtig betrauert werden, da sie unendlich viel Gutes hat und auch auf den König viel Einfluß gehabt. Sie soll vieles gemildert haben. Den 8ten. Ich muß recht viel an Luise denken. Gestern war ihre Rechnung zu Ende. Ich hatte noch einen Brief von ihr am 28ten. Gott wird sie schützen. Die Sophie Oranien64 61 Das Schweizerhaus ist ein im Cottagestil um 1790 errichtetes Sommerhaus im Ludwigsluster Schlosspark. 62 Königin Friederike von Hannover, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1778–1841), war am 29. Juni in Hannover gestorben. 63 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 64 Prinzessin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), seit 1839 verh. mit Kronprinz Wilhelm (III.) der Niederlande (1817–1890).
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ist auf einige Tage von Stuttgard wieder im Haag gewesen und hat geeilt, nach Ems zu kommen, weil sie es dort so scheuslich findet. Alle Zeitungen sprechen davon, daß Charlotte nach Ems ginge. Hat Rauch vielleicht geschrieben? Denn ich erfahre immer alles zuletzt. Es wäre wirklich sehr schön, wenn es noch geschehe. Dobbran wird dies Jahr von hohen Herrschaften aufgesucht. Also, zuerst kömmt die Fürstin Liegnitz, die wie ich höre am 22ten eintrifft, da ihr die cour in Schlesien wohl bekommt. Dann kömmt meine dicke Schwägerin Marie mit George,65 und nun hat sich noch angemeldet der Herzog von Augustenburg mit Familie.66 Onkel Gustav hat uns schon mehrere Male geschrieben, Lilli gefiele sehr in Koppenhagen. Sie wäre sehr freundlich, sehe wunderhübsch aus. Der Kronprinz wäre außerordentlich verliebt, sei aber noch nicht sehr erkenntlich, doch recht heiter. Nun, Neumann67 wird ja besser erzählen können, als ich es schreibe. Er selbst hat unendlich gefallen, und man hat ihn ungern abreisen sehen. Adios, an Butt und Wilhelm viele Liebes. Deine alte Adine Du hast wirklich den gräulichen Herzog von Bernburg68 gesehen, nach dessen Anblick Papa so schmachtete. Du hast ihn schauderhaft gefunden, wie natürlich.
Schwerin, den 10ten July 1841 Liebe Elis, tausend Dank für die frohe Nachricht von Luise ihrer glücklichen Niederkunft.69 Ich danke dem Himmel, der ihr über die schwere Stunde fortgeholfen. Es wird ja auch ferner gut bleiben. Mit Wilhelm geht es auch besser, wie mir Graf Königsmark schreibt.70 Aber am Sonntag, wo die Uniformen von Papa niedergelegt worden sind in der Garnisons Kirche, hat er sich unwohler gefühlt und ist nicht mit nach Paretz gefahren. Es war wohl für Euch auch das erste Mal, daß ihr dort hin gingt. Wie wird Papa da gefehlt haben, denn ohne ihn wart ihr nie da. Der liebe theure Papa! Es vergeht kein Tag, daß man nicht an ihn denkt. Alle Augenblick denke ich, nun muß ich ihm schreiben und will ihm dies oder jenes mittheilen. Besonders heute wieder bei Luise ihrer Niederkunft, wo ich ihm gratulieren würde zur Nichte, machte ihm so viel Spaß. Der Tod der Tante von Hannover würde ihn auch ergriffen haben. Ihr Ende war recht heilig und fromm, und Gott, der barmherzig ist, wird nicht mit ihrer Seele ins Gericht gehen. So ein Tod 65 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 66 Herzog Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1798–1869), verh. mit Luise Sophie von Danneskjold-Samsöe (1796–1867). 67 Mglw. August Wilhelm von Neumann (1786–1865), Chef des preuß. Militärkabinetts 68 Herzog Carl Alexander von Anhalt-Bernburg (1805–1863) starb schizophren ohne Nachkommen. 69 Prinzessin Marie der Niederlande (1841–1910) wurde am 5. Juli geboren. 70 Adolf Wilhelm Hans Graf von Königsmarck (1802–1875), Adjutant bei Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888).
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kann einem rechte ernste Gedanken geben. Ich hatte dem armen König71 selbst geschrieben, und er war so gütig, mir auch zu antworten, und noch recht viel von ihrem Ende zu schreiben. Er selbst ist ganz vernichtet und kann sich nicht finden in seinen Verlust. George soll es mit vieler Fassung tragen, und bei der Beisetzung sehr ruhig gewesen sein.72 Ich kann mir dies wohl denken, denn er hat keinen Begriff von der Einwirkung der äusseren Begebenheiten und Eindrücke. Ihre liebevolle Pflege wird er mit der Zeit vermißen, denn die Aufmerksamkeit, die sie für ihn gehabt, kann gewiß niemand anders so haben. Er geht wieder nach Nordernei und der König nach Ems. Paul ist heute ganz früh aus Hamburg zurück gekehrt und sehr zufrieden mit seinem Aufenthalt. Von den Menschenmassen soll man sich keinen Begriff machen, die dort versammelt gewesen. Die Haubtsache ist aber das Essen, die Musik nur mittelmäßig. Lebe wohl, meine Elis, noch tausend Dank, daß Du mir die Nachricht gleich geschrieben. Ewig Deine alte Adine Schwerin, den 15ten July 1841 Dies werden meine letzten Zeilen aus Schwerin sein, da wir Sonnabend nach Dobbran gehen. Ich wollte aber vorher Dir noch meinen innigen Dank sagen für Deinen letzten Brief vom 12ten mit den frischen und guten Nachrichten von Luise. Es ist beinah was übernatürliches, daß ich dreimal in 24 Stunden Nachricht aus dem Haag haben konnte. Wenn es immer so gute Nachrichten sind, dann läßt man es sich gefallen. Aber daß Wilhelm wieder von neuem Schmertzen an seinem Arm hat, beunruhigt mich sehr. Wenn nur der Knochen nicht einen Riß bekommen hat. Es müßte sich doch sonst geben, und die große Mattigkeit begreife ich auch nicht. Da wird er doch wohl nach Teplitz geschickt werden. Besser gleich, als daß es zu späth ist. Das gute Paretz muß recht wehmüthige Erinnerungen hervorgerufen haben. Von Auguste Rudolstadt73 und Alexander74 hatte ich Briefe, die recht tiefe Betrübnis aussprechen und das Lob von Friederike enthalten. Ich weiß nicht, wie lange sie noch dableibt. Wie ich hörte soll der Nachlaß gleich in Ordnung gebracht werden, und Friederike ihn leiten.75 Gestern bekam Paul einen Brief vom Herzog von Augustenburg,76 worin er sich anmeldet mit der Herzogin, 5 Kindern, einem Lehrer, einer Gouvernante, einem Leibarzt und 8 Personen als Dienerschaft. Sie 71 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851). 72 Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819–1878), Sohn der Königin Friederike von Hannover aus 3. Ehe. 73 Prinzessin Auguste von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels (1804–1865), Tochter Königin Friederikes von Hannover aus 2. Ehe. 74 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Rittmeister und Sohn Königin Friederikes von Hannover aus 2. Ehe. 75 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau (1796–1850), geb. Prinzessin von Preußen, Tochter Königin Friederikes von Hannover aus 1. Ehe. 76 Herzog Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1798–1869), verh. mit Luise Sophie von Danneskjold-Samsöe (1796–1867).
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sollen alle im Palais wohnen, wo schon Marie von Altenburg und George wohnen.77 Wir wißen garnicht, wohin mit alle den Menschen. Sonst freut uns dieser Besuch sehr. Eben bekam ich einem Brief von Onkel George aus seinem Schweitzerhaus. Er trägt den Verlust mit vieler Fassung und Ergebenheit. Er freut sich über die guten Nachrichten von Lilli, die wirklich in Koppenhagen sehr gefällt. Auch von Luise78 aus Salzbrunnen sind gute Nachrichten. Onkel Gustav kömmt heute oder den 19ten mit dem Dampfschiff nach Kiel. Der wird uns mündlich noch manches mittheilen. Der Kronprinz79 soll manchmal unbegreiflich sein, aber herzensgut. Auch muß ich herzlich danken für die Schelte, daß ich nicht ungemeldet nach Sanssouci kam. Wenn es mal wieder so kommen sülde, so werde ich es mir merken. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Dienstag, Dobbran, den 3ten August 1841 Meine liebe Elis, vom 19ten habe ich einen so lieben Brief erhalten und noch habe ich nicht dafür gedankt. Es ist unverzeihlich. Nun heute, an einem Tag, der sonst der glücklichste in unserem Leben und der nun in einen Trauertag verwandelt ist, nehme ich die Feder zur Hand, weil ich weiß, daß Du meiner gedacht, wie Du am Sarge des theuren Verklährten gebetet. Du und Fritz waren die Einzigen, die wirklich dort [waren]. Wir anderen Geschwister, wir alle fanden uns in Gedanken dort zusammen, und manche heiße Gebete stiegen zum Himmel. Ich habe meinen Tag recht still im Cottage an der See verlebt, wo die Fürstin wohnt. Zwei Stübchen habe ich mir reserviert. Dort schrieb ich den Schwestern, und da das Wetter recht schön [war], so bin ich viel mit den Kindern herumgegangen. Den Mittag aßen wir mit der Fürstin. Vorher hatten wir uns schon gesehen und recht viel vom geliebten Papa gesprochen. Es war eine Wohlthat, sich an solchem Tage recht auszusprechen. Der Fürstin that es auch so gut. Sie ist aber dies Jahr besorgter um ihre Gesundheit wie sonst. Und das stille Wohnen an der See sagt ihr nicht recht zu. Sie kam bei dem schlechten Wetter herein, hat das Theater besucht und auch einen Thee dansant mitgemacht, was ihr beides erst recht schwer [war]. Indessen es war doch gut, daß sie einen Anfang machte und hier konnte es ihr keine Erinnerung machen. Das Wetter war so über alle Begriffe schlecht bis jetzt. Heute hat es wirklich einmal nicht geregnet. An Fritz sage tausend Liebes. Durch Königsmarck80 hatte ich heute Nachricht von Wilhelm. Er ist immer noch recht leidend, muß den Arm in der Binde tragen. Der heutige Tag wird ihm in Töplitz nicht leicht geworden sein. Das Monument für Papa ist
77 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 78 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz (1818–1842). 79 Kronprinz Friedrich (VII.) von Dänemark (1808–1863). 80 Adolf Wilhelm Hans Graf von Königsmarck (1802–1875), Adjutant von Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888).
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heute aufgestellt.81 Dort wird man glücklich gewesen sein, einen Sohn dabei zu haben. Nun leb wohl, verzeih der alten Faulen, die Dich innig liebt. Deine treue Adine Dobbran, den 14ten August 1841 Meine liebe Elis, Du wirst mir verzeihen, wenn ich heute nur sehr flüchtig auf Deinen lieben Brief antworte, indem ich zur Herzogin von Augustenburg muß, die mir außerordentlich gefällt.82 So auch ihre beiden Töchter, welche nicht hübsch, aber so wohl erzogen sind. Mein heutiger Brief soll Dich bitten an Fritz zu sagen, daß wir den Graf Finkenstein aus Strelitz,83 der den Erbgroßherzog verlaßen, haben den Antrag machen laßen, als Gouverneur bei Wilhelm zu kommen. Nachdem er sich Bedenkzeit ausgebeten, hat er sich dazu entschloßen, wenn Fritz es ihm erlaubt, da dieser ihm das Versprechen gemacht, ihn irgentwo anzustellen. Du kannst denken, daß wir sehr wünschen, solchen ausgezeichneten Mann um Wilhelm zu haben, der sehr solchen Mannes bedarf.84 Wenn Fritz seine Einwilligung giebt, daß er diese Stelle annimmt, so wird der dann hier her kommen. Bitte spreche aber weiter nicht davor, bis alles in Ordnung ist, was wohl Ende des Monats sein würde. Du giebst mir wohl die Antwort von Fritz, damit ich sie an Finkenstein mittheilen darf. Adios, Deine Adine Vendredi, Dobbran den 20ten August 1841 Meine liebe Elis, Dein liebes Briefchen kam heute in meine Hände, und wenn ich auch weiß, daß ich heute nur einige Worte schreiben kann, so will ich doch damit beginnen. Das schöne Wetter duldet nur mich garnicht im Zimmer. Schon ganz früh um 7 Uhr gehe ich spazieren, dann um 9 Uhr fahren wir nach dem Meer. Da ich nicht bade, so spaziere ich dort auch herum. Erlaucht hatte ich 2 Tage nicht gesehen, denn sie war nicht 81 Das Denkmal würdigte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen als Wohltäter des Kurortes Teplitz. 82 Herzogin Luise Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, geb. von DanneskjoldSamsöe (1796–1867). 83 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Offizier und Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904) und danach des Herzogs Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879). 84 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) wurde in der Familie seit seiner Kindheit „Schnaps“ genannt. Unabhängig davon bestätigte er diesen Spitznamen durch seine spätere Charakterentwicklung, in seiner Stellung als nachgeborener, unbeschäftigter Fürstensohn. Der berufliche Erfolg im Militär oder seine musische Begabung sollten ihm keinen Halt bieten. Eduard Vehse bezeichnete ihn 1856 in seiner „Geschichte der kleinen deutschen Höfe“ als „jungen, lebenslustigen Herrn“, als „passionierten Spieler“ mit viel Pech im Spiel, als „glücklichen Verehrer der Damen.“ Siehe Vehse, Eduard: Geschichte der kleinen deutschen Höfe, Hamburg 1856, 3. Teil, Anm. S. 49.
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recht wohl und melankolisch. Aber heute habe ich ihr aufgepasset. Sie war doch ganz munter, klagte nur über ihren Magen. Und heute war sie zum Kaffee, den wir auf dem Kamp gewöhnlich trinken, hereingekommen, und kömmt auch vielleicht zum Thee nach Althof.85 Den 21ten. Unsere Parthie nach Althof war sehr gelungen, das Wetter himmlisch. Gegen 8 Uhr kamen wir erst zurück. Wie ich die Herzogin von Augustenburg im Palais absetzte, sah ich zu meinem Erstaunen die Fürstin noch in ihrem Zimmer. Sie hatte sich durch Unwohlsein entschuldigt zum Thee. Ich ging also am Fenster, und da sagte sie mir, daß sie so schwindlich geworden und sah entsetzlich echofiert aus und weinte beinah, weil sie meinte, nichts mitmachen zu können, ohne daß sie hernach für büßen müßte. Die Augustenburger Herrschaften gefallen mir alle Tage besser. Die Herzogin hat so etwas freundliches, verbindliches, und ist so natürlich. Die beiden Töchter sind nicht hübsch, aber ein allerliebstes, bescheidenes Wesen, heiter und munter und amüsieren sich prächtig. Wir geben ihnen zu Ehren heute Abend einen großen Ball. Es ist aber schon zweimal getanzt worden. Überhaubt, es ist trotz dem schlechten Wetter ganz brillant hier. Seit Montag hat sich Sonnenschein eingefunden und da lebt alles auf. In Berlin ist nun Manöver. Wirst Du sie wohl mit ansehen nach guter alter Gewohnheit? Sie sind zwar ganz anderer Art wie sonst, mit mehr bivaiques. Daß Luise nach Schlesien kömmt, freut mich recht für alle zusammen. Nur wäre es mir lieber gewesen, sie wäre bis Mitte September im Haag geblieben, weil wir den 9–10 September nach dem Rhein gehen und Luise besuchen wollten. Unser weitestes Ziel ist Baden Baden, wo wir einige Tage bleiben wollen und dann in Bonn bei Fritz einen Besuch beabsichtigen, der morgen nach Italien abreiset. Genua und Venedig sind die äußersten Punkte. Wie lange gedenkst Du für Deine Person in Schlesien zu bleiben? Daß ich nicht hinkommen kann, thut mir eigentlich ungeheuer leid. Paul wünscht aber sehr diese Reise. Heute kömmt William in Berlin an. Vielleicht nehmen wir unseren Weg über Braunschweig. Es ist aber noch ganz unbestimmt. Aber zurück über Berlin, das ist gewiß. Das wird auch ungefähr um den 20ten Oktober sein. Dann bist Du wohl schon zurück, und Luise bleibt doch noch in Berlin. Die möchte ich doch so gerne sehen. Daß Wilhelm so wohl von Töplitz zurückgekommen ist, freut mich sehr. Wenn die Manöver ihm nicht schaden. Ein Bruder nach dem anderen kehrt nun zurück. Wenn Auguste auch nur gnädiger Laune heimkehrt! Lebe wohl. Ich muß fort nach der See. An Fritz und Geschwister viele Grüße. Deine treue Adine Schwerin, den 13ten November 1841 Den heutigen Tag, meine Elis, kann ich nicht vergehen laßen, ohne Dir meine herzlichen Wünsche auszudrücken, und Dir doppelt zu gratulieren, daß Du Deinen Geburtstag bei 85 Ort bei Doberan, erster Standort des dortigen Zisterzienserklosters und Ausflugsziel für die Kur- und Badegäste.
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Deiner theuren Mutter feierst. Möchte sie Dir noch lange erhalten bleiben. Der liebe Fritz ist auch mit Dir vereint. Wie ihn das wohl glücklich macht, denn ohne Dich ist ihm auch nicht wohl. Du weißt, daß ich die ungeheure Freude gehabt habe, Luise und Fritz Oranien 3 Tage hier in Schwerin bei mir zu haben. Heute leider ist sie abgereiset, nachdem wir sie nach Ludwigslust begleitet und ihr dort das Schloß gezeigt. Es waren für mich drei glückliche Tage. Aber wie rasch flogen sie dahin. Doch haben wir uns natürlich den ganzen Tag gesehen und recht viel gesprochen. Das war eine solche Wohlthat, denn seit dem schrecklich traurigen Juny 40 sahen wir uns nicht. Nun hat sie alles wiedergesehen, ich alle gesehen, und wir beide können nicht Gott genug danken, daß Fritz so liebevoll und herzlich für uns ist und das Andenken an Papa so aufrecht erhält. Wir werden stets gerne zu ihm kommen, und so oft wie wir nur können. Luise hat Dich, liebe Elis, nur recht wenig gesehen, was ihr recht leid war. Denn wir beide lieben Dich so innig wie eine Schwester, was Du uns auch von jeher gewesen bist. Ich hoffe, Du bleibst mir ferner auch gut. Du weißt, daß wir eine himlische Reise gemacht bis nach Genf, wo man Paul und uns so unendlich freundlich und herzlich aufgenommen hat. Auch die Reise nach Chamoini86 war nicht bittet.87 So etwas himlisches sah ich nie und kann es auch garnicht beschreiben, diese Naturschönheit, daß Grüne neben dem erstarrenden Eis, die Lieblichkeit des Thals mit der Majestät des Mont Blanc. Der ganze Weg dorthin ist bezaubernd. Nur haben wir alles zu flüchtig gesehen. Den übrigen Theil der Schweitz haben wir nur durchflogen und das schöne Oberland nur ganz in der Ferne gesehen. Dies haben wir uns auf ein andermal aufgehoben. Ich könnte immer fort so schreiben, allein, Deine Zeit will ich nicht weiter in Anspruch nehmen. Nur bitte ich Dich noch, diese Broche, welche ich in Genf für Dich kaufte, freundlich aufzunehmen, und dann Deiner Mama die Hände von mir zu küssen, die ich zwar leider nicht das Glück habe zu kennen. An Butt tausend Schönes, und Therese88 nebst Söhnen meine Empfehlung. Mit inniger Liebe, Deine alte treue Adine Paul legt seine Glückwünsche zu Füßen, und küßt Deine Hände, wie Luise und Schnaps.
Schwerin, den 20ten November 1841 Meine liebe, liebe Elis, zagend zwar ergreife ich die Feder, aber mein wundes Herz kann sich nicht von dem heißen Wunsch losreißen, mich Dir so tief und schmertzlich trauernd schriftlich zu nahen. O, welch ein schwerer, schwerer Augenblick, wo die letzte Hoffnung verschwand und das theure Leben brach!89 Meine Elis, wer kann wohl aufrichtiger Dei86 87 88 89
= Chamonix. Sinn dunkel. Königin Therese von Bayern, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854). Königin Karoline von Bayern, geb. Prinzessin von Baden (1776–1841) und Mutter von Königin
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nen Schmertz theilen und verstehen als wir, wo Du ja mit uns selbst einen gleichen Augenblick und gleiche Zeit durchgemacht. Ich hoffte, Gott würde Dich bewahren für solchen Kummer. Er ist fast zu schwer zu tragen. Dem wirklich verklährten Geist ist wohl, aber in unser Leben dringt tief die Wunde ein, die der Tod der geliebten Person uns schlug. Und lange, lange dauert es, bis der heiße Schmertz in tiefe Wehmuth übergeht. In solchen Augenblicken giebt es nur noch einen Trost, der zu trösten, nur noch eine Kraft, die zu stärken vermag – der Glaube und tief feste Zuversicht zu Gott. In jeden Jammer findet man einen Trost, so auch hier. Daß Du, theure Elis, die letzten Tage Deiner verklährten Mutter verschönert und sie hast umgeben können, und daß Fritz die Freude hatte, die Theure noch zu sehen, und ihr selbst, wie man sagt, dadurch eine Freude gemacht, und daß er Dir nun zur Seite stand, als das Entsetzlichste Dich traf. Auch hierin kann man die allliebende Vorsehung wieder erkennen, und wie erhoben und ergriffen fühlt man sich hierdurch. In Deinem frommen Gemüth ist der Seegen des Herrn gewiß reich eingegoßen, doch zittere ich für Deine Gesundheit, meine Elis, und bete ich, daß Dein Körper nicht den Seelenleiden unterliegt. Paul, wie meine Kinder theilen aus der Tiefe ihres Herzens Deinen Kummer. Bleibe mir ferner gut, meine Elis, ich liebe Dich so innig wie eine Schwester. Deine treue Adine Schwerin, den 8ten Dezember 1841 Dein Brief, meine liebe Elis, hat mich recht tief ergriffen. Ich fühle mit Dir die tiefe Trauer um die theure Dahingeschiedene. So ein Verlust ist nicht zu ersetzen. Für das ganze Leben bleibt in der Tiefe des Herzens ein Wehe, das immer wieder hervorbricht. Daß ich Deine theure Mutter nicht gekannt, darüber kann ich mich nicht trösten. Ich hoffte immer, es würde sich noch so treffen, daß wir uns begegneten. Immer habe ich so unendlich viel Gutes von ihr gehört. In der Zeitung stand es noch vor ihrem Dahinscheiden, als man sie so leidend wußte, daß sie ein Engel für die Armen, trostbringend für Alle, und daß man für ihre Erhaltung betete. Wie begreife ich, daß Du das Trauerjahr still in Charlottenburg zu bringen willst. So sammelst Du auch Kraft, um dann späther Deiner Pflicht zu genügen, in der Welt wieder heraus zu treten. Das wird aber unerhört schwer werden. Ach, jede Bewegung in Deinem Herzen fühle ich Dir nach. Es ist mir, als wäre unser Schmertz, unser Verlust ein und derselbe. Für uns bleibt jene Erinnerung ewig frisch und neu und tritt bei der leistesten Berührung in aller Kraft hervor. Solcher Schmertz läutert die Herzen und führt zu Gott. Die gute Karoline Hessen90 wird sich glücklich fühlen, theilnehmende Herzen zu finden. Wie schrecklich muß es ihr sein, so verlaßen in der Welt zu stehen. Ein Theil des Elisabeth von Preußen, war am 13. Nov. in München gestorben. 90 Die unverheiratete Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854), deren Mutter Kurfürstin Auguste von Hessen, geb. Prinzessin von Preußen, am 19. Febr. gestorben war.
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Briefe 1824–1850
Herbstes ist sie schon in Fischbach bei Tante Wilhelm gewesen. Kehrt sie dann nach Kassel zurück, oder was wird aus ihr? Tante Wilhelm kömmt wohl bald nach Berlin so gegen Weihnachten. Das wird eine Freude sein, so ein liebendes Herz mehr um Dich zu haben, mit der Tante zu sprechen ein Balsam für Herz und Geist. Von Charlotte und Luise, von beiden hatte ich kürtzlich Briefe. Sie theilen recht aufrichtig Deinen Schmertz. Es geht ihnen gut, wenn der Winter nur Charlotte nicht neue Leiden bringt. Luise hat viel Leiden in der dortigen Familie. Das muß ein schreckliches Leben sein. Der alte König ist ja wohl in Berlin zurück?91 Marianne soll ja anfangen, sich zu erholen. Fritz Oranien war aber recht besorgt über ihren Zustand. Sie muß schrecklich aussehen. Nun komme ich mit einer Frage, die Dir vielleicht recht lästig scheint. Es betrifft Weihnachten, wie und wo soll gefeiert werden? Sonst sendete ich meine Gaben in einer Kiste an Dich, und Du übergabst sie dann an Fräulein von Kameke. Ist es Dir aber lieber, dieses Jahr damit verschont zu bleiben, so würde ich sie an Auguste senden. Doch ohne Deinen Willen wollte ich es nicht thun. Nun leb wohl, meine liebe Elis. An Fritz viel Herzliches. Deine treue Adine Wie lange trägst Du Deine Trauer? Schwerin, den 20ten December 1841 Meine liebe Elis, mein heutiger Brief soll Dir nur danken für Deine pünktliche Antwort. Die Kiste mit Weihnachtssachen ist heute an Dich abgegangen. Ich habe aber gleich darauf bemerken lassen, daß sie an Fräulein von Kameke abzugeben sei. Ich hoffe, daß ich es so recht gemacht habe. Das Weihnachtsfest ist uns nun auch getrübt worden, indem meine arme Levetzow diese Nacht gestorben ist.92 Sie war seit einem halben Jahr sehr leidend und schleppte sich mit Mühe diesen Winter herum, wollte ungern zu Haus bleiben, und so hat sie nur 8 Tage ihr Zimmer gehütet. Seitdem ging es aber mit schnellen Schritten zu Ende, welches aber recht schwer war von 6 Uhr abends an, wo sie selbst das Herannahen des Todes gefühlt, wo sie ihren Vater und Bruder93 holen ließ. Bis 1 ¼ Uhr lag sie im Todeskampf. Sie hatte oft Besinung. Die letzte ¼ Stunde wurde sie ruhiger und schlief dann sanft ein. Von 9 Uhr Abends an war ich in der Nebenstube. Es ist doch schwer, das Sterben! Du kannst denken, daß wir alle recht betrübt sind. Es ist außerdem etwas recht herzzerreißendes, ein junges Leben hinscheiden zu sehen. Friede sei mit ihr! An Fritz möchte ich, daß Du einen Auftrag übernähmest. Ich habe heute erfahren, daß er so unbeschreiblich freundlich und gütig gewesen ist und will die Teller, welche der gute Papa an meinen Fritz zu Weihnachten seit Jahren gegeben, auch noch fortsetzen, 91 Der in Berlin als Graf von Nassau lebende abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande (1772– 1843). 92 Dorothea von Levetzow (1818–1841), meckl.-schw. Hofdame. 93 Joachim Otto Ulrich von Levetzow (1777–1843), meckl.-schw. Kammerherr und Hofmarschall, sowie verm. Carl Friedrich von Levetzow (1813–1854), meckl.-schw. Kammerherr.
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was ich gethan hatte. Du kannst begreifen, daß diese Aufmerksamkeit und zugleich das Andenken an Papa so in Ehren gehalten zu sehen, mich unbeschreiblich glücklich gemacht hat. Bitte sage ihm recht, wie dankbar ich ihm dafür bin. Ich schreibe es ihm nicht selbst, denn er hat mehr zu lesen als meinen Brief. Von Dir dies zu hören macht ihm gewiß noch mehr Freude. Lebe wohl. Tante Wilhelm kömmt nun wohl diese Tage und Caroline Hessen94 verläßt Dich. Es freut mich so für Dich, daß sie Dir so lieb war. Der gleiche Kummer zog schon Eure Herzen zueinander und wie sich die arme Caroline wohl glücklich an Deinem Herzen fühlte, die sonst keine Theilnahme in Kassel findet! Mit inniger Liebe, Deine treue Adine Sonnabend, Schwerin, den 25ten December 1841 Meine theure Elis, wie freundlich und lieb war es von Dir, in Deinem Schmertz meiner zu gedenken und mir so schöne Sachen zum Weihnachten zu schenken. Ich war so davon überrascht, als ich sie auf meinem Tisch erblickte. Habe tausend Dank dafür. Und auch Fritz sage ich meinen herzlichen Dank. Eigentlich möchte ich Dir mündlich sagen, wie lieb ich Dich habe, aber ich weiß nicht, ob ich Dir gelegen käme. Sonst möchte ich den Wunsch aussprechen und anfragen, ob Du und Fritz mich am 3ten Januar95 haben wollt bis zum Sonnabend. Ich würde dann allein kommen mit meinem Luischen. Paul wäre gerne mitgekommen, allein, er kann so gleich nach Neujahr nicht fort. Aber ich sehne mich sehr danach, Dich zu sehen und mich von Deiner Gesundheit selbst zu überzeugen. Bitte schreibe mir recht bald ein Wörtchen Antwort. Aber recht aufrichtig, ob ich auch nicht ungelegen komme, und wo ich Euch antreffe, in Berlin oder Charlottenburg? Wenn ich wirklich so glücklich sein sollte, Euch so bald zu sehen, so würde ich zu Neujahr nicht schreiben. Es ist ein kummervolles Jahr, was Du verläßt. Der Himmel hat Dich schwer seine Hand fühlen laßen, die Du aber in kindlicher Hingebung unter Thränen küßt und sagst: Was der Herr thut, ist wohlgethan. Auch wir verleben das Ende des Jahres nicht heiter. Der Tod der armen Dorothe Levetzow hat uns alle tief erschüttert. Außerdem sind noch manche von unsern Bekannten gestorben, und mehrere liegen noch schwer krank darnieder, an deren Aufkommen man zweifelt. So trägt jeder mehr oder minder einen Kummer im Herzen und sieht das Jahr mit Thränen scheiden. Leb wohl, meine Elis, Gott sei mit Dir und Fritz, und behalte lieb Deine treue Adine
94 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854). 95 Der 3. Jan. fiel 1841 auf einen Sonntag.
1842 Schwerin, den 11ten Februar 1842 Meine Elis, Du warst die Erste, welche mir die glückliche Niederkunft von Marianne mittheilte.1 Habe tausend Dank dafür, denn ich war doch sehr [in] Angst, wie es ablaufen würde. Der Herr hat es zum Guten gewendet, und wir Menschen quälten uns umsonst. Gott sei Dank geht es ja fortwährend gut, sonst muß ich sagen, die so schnelle Art der Niederkunft ließ mich für böse Folgen fürchten. Auch die Masernkrank sind ja alle in der schönsten Besserung. Wie fatal aber, daß die beiden Töchter von Graf Stolberg,2 die die Masern zum zweiten Mal bekommen haben. Dies ist eine seltene Erscheinung, eine schlechte Überraschung für den rückkehrenden Vater. Du erwartest Fritz in den nächsten Tagen. In England ist er wirklich mit so viel Auszeichnung aufgenommen worden.3 Besonders der Intusiamuß des Volks erfreut mich, weil das nicht zu bestellen ist. Ich bin recht stolz auf unseren Bruder, der doch durch sich selbst so hoch steht und der Seegen von Papa auf ihm ruht und ihn überall begleitet. So erbt sich der Seegen solches Vaters auf die Kinder und sein Volk fort. Und daß er über den Haag zurückgegangen, freut mich auch unbeschreiblich. Es war zu schrecklich, die Spaltung zwischen deutschen Fürsten und Verwandten. Luise wird überseelig sein. Ich freue mich schon auf ihren nächsten Brief. Wie Königin Anna4 wohl erhaben gewesen sein wird! Dem guten alten König Ernst August5 macht Fritz auch einen Besuch. Wie wird dies den alten Mann beglücken, und in seinem Kummer einen Trost und ein Freudenstrahl sein. Vielleicht giebt ihm dies neue Lebenskraft. Das schöne Wetter, was wir seit einigen Tagen haben, wird Dir auch recht gut thun. Ich gehe alle Tage mit spazieren. Ich finde, man lebt von neuem auf. Eine zeitlang hätte man sich gerne aufgehangen. Ist wegen der Reise von Onkel Wilhelm schon etwas bestimmt? Wie mag Mary sich mit Oriola nehmen?6 Da bin ich begierig darauf. Wir haben hier einen jungen Herrn von Bülow aus Braunschweig, Bruder des Hofmarschalls.7 Er hört leider sehr schwer und will noch nach Dresden, wo ein sehr guter Arzt sein soll, wo er eine cour gebrauchen will. Wir haben ihn sehr gern. Es ist ein kleines, 1 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906) wurde am 1. Febr. in Berlin geboren. 2 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854) hatte zu diesem Zeitpunkt noch fünf unverheiratete Töchter im Haus: Marianne (1815–1844), Bertha (1816–1861), Anna (1819–1868), Charlotte (1821–1885) und Friederike (1824–1848). 3 Mit öffentlicher Aufmerksamkeit verfolgte Reise des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. zur Taufe des Kronprinzen Edward (VII.) von Großbritannien und Irland, Prince of Wales (1841– 1910). 4 Königin Anna der Niederlande, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland (1795–1865). 5 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851). 6 Joaquim Graf von Oriola (1772–1846), port. und in Preußen eingebürgerter Diplomat. Seine Söhne Eduard (1809–1862) waren Offizier und Alphonse (1812–1863) Diplomat in preuß. Diensten. 7 Verm. Friedrich Freiherr von Bülow-Wendhausen (1814–1855), braunschw. Kammerjunker. Er war der jüngere Bruder des braunschw. Hofmarschalls Hermann Freiherr von Bülow-Wendhausen (1802–1846) und hatte am 3. Febr. Henriette von Heise-Rotenburg (1824–1850) auf Steinhagen in Mecklenburg geheiratet.
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blondes, bescheidenes Männchen. Nun Adios. Die himmlische Sonne zieht mich zum Spazierengehen mächtig fort. Mit innigster Liebe, Deine treue Adine Mardi, Schwerin, den 22ten Februar 1842 Meine liebe Elis, nur wenige Worte schreibe ich heute. Allein, ich wollte gerne noch vor meinem Geburtstag Dir für Deinen lieben Brief danken vom 17ten. Ich freue mich unbeschreiblich, daß Fritz wohl und munter von seiner Reise zurückgekehrt, und daß sie so in aller Hinsicht gelungen ist. Auf das Armband, was er mir mitgebracht, freue ich mich sehr und danke schon im Voraus. Der Tod der armen Luise Strelitz hat mich unbeschreiblich betrübt.8 Wie herzzerreißend und schön ist der Brief der armen Marie. Man weiß noch nicht, welchen Weg sie nehmen wird. Vom 3ten sind die letzten Nachrichten, wo sie wenigstens wohl ist. Graf Finkenstein,9 den wir gleich nach Strelitz sendeten, kam gestern zurück und sagte, dem Onkel ginge es gut, er wäre zwar tief betrübt, jammerte aber am meisten über die arme Marie. Auch hier haben wir wieder einen Todesfall. Die arme Frau von Sell ist gestorben.10 Sie hat die Schwindsucht und kam in Wochen. Dazu trat ein hitziges Fieber, und den 10ten Tag war sie tot. Der arme Sell kam 4 Tage späther, da er die Nachricht von ihrem Erkranken den Tag erfuhr, als sie gestorben. Er soll außer sich sein, da er keine Ahnung von Gefahr hatte. Er bleibt nun mit 3 Kindern zurück. Von Charlotte habe ich vorgestern einen Brief. Sie schreibt sehr glücklich, daß die Frau von Sache in anderen Umständen ist. Ihr selbst geht es gut, da es gelinder Winter ist. Olly und Adine amüsierten sich prächtig. Dann sagt sie auch, wie sehr sie sich auf Bällen langweilte, da sie nicht mehr tantze. Sie macht mir nun sehr viel Freude, da wird der Kaiser zufrieden sein. Nun adio, behalte mich auch lieb, wenn ich auch stark auf 40 Jahre loß gehe. Deine alte treue Adine Ach, da muß ich noch mit einer Bitte kommen, die eigentlich an Fritz gerichtet ist. Nehmlich, es ist doch jetzt eine convention mit Preußen abgeschloßen wegen der Eisenbahn.11 Bei solchen Gelegenheiten werden Geschenke oder Orden ausgetheilt. Von dänischer Seite höre ich, ist um viele Orden gebeten worden. Da hätten wir nun sehr den 8 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz (1818–1842) war am 1. Febr. in Rom gestorben. 9 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant, Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz und des Herzogs Wilhelm zu MecklenburgSchwerin. 10 Sophie Fredericke Henriette Charlotte von Sell, geb. von Massenbach (1804–1842), Ehefrau des mit dem Erbgroßherzog abwesenden Gouverneuers Adolf Freiherr von Sell (1797–1891). 11 Abkommen mit Preußen über den Bau der Berlin-Hamburger Eisenbahn über mecklenburgisches Territorium.
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Wunsch, ob es anginge, daß unser Minister von Levetzow12 vielleicht den Rothen Adler Orden 1. Klasse mit dem Band erhalten könnte. Er ist ein ausgezeichneter Mann, von sehr altem Adel. Er würde überseelig sein, eine solche Auszeichnung von Preußen zu bekomen, da er noch nichts in der Art hat. Weniger würde man ihm aber nicht geben können. Bitte trage dies gnädigstem Fritz vor. Er würde Paul und mir wirklich eine ganz besondere Freude dadurch machen, doch geht es nicht, so müßen wir uns darin finden. Adios, Adios. Schwerin, den 25ten Februar 1842 Meine liebe Elis, wie soll ich danken für alle Liebe und Freude, die Du und Fritz mir bei jeder Gelegenheit machet. So nun auch wieder jetzt durch die beiden Eckschränke. Sie sind zu hübsch und machen mir so viel Freude. Habet beide tausend Dank. Und gestern empfing ich noch Deinen lieben Brief, der mich aber etwas trübe fand, da Paul plötzlich recht ernstlich in der Nacht vom 23ten–24ten erkrankt ist an einem heftigen Magenkrampf und zugleich an Verstopfung litt, die nach vielen, vielen Mitteln erst gestern Nachmittag etwas gehoben wurde, sodaß man sich gestern der Hoffnung hingab, es würde rasch vorüber gehen. Die Nacht war leidlich, allein, die Spannung im Leibe und der Schmertz wollen nicht weichen. Es sind ihm Blutegel gesetzt worden, die gut gesogen, aber bis jetzt noch nicht recht viel bewirkt haben. Die Ärtze meinen aber, es sei doch nichts besorgendes. Hiernach wirst Du merken, daß wir nicht die liebevolle Einladung, zur Taufe zu kommen, annehmen können, was uns sonst viel Spaß gemacht. Ich fühle mich so sehr geschmeichelt, daß die Kleine meinen Nahmen führen soll.13 Nachtisch 6 Uhr. Seit einer viertel Stunde geht es mit Paul viel beßer, aber um Mittag war er recht krank, so daß er zur Ader gelaßen wurde, wo es sich zeigte, daß [eine] Entzündung sich bildete. Nun scheint die Wirkung des Aderlaßes sich erst zu zeigen. Der Leib wird weicher und Paul ist heiterer. Weiter kann ich nicht schreiben, weil ich ihn eigentlich nicht verlaße, obgleich er mich im Theater auf einen Ackt schickt, damit das Publikum nicht besorgt wird. Adios, so ist mein Geburtstag verdorben worden. Deine alte treue Adine Bitte entschuldige mich bei Mary, daß ich nicht in diesen Tagen antwortete. Ich konnte aber nicht jetzt, danke aber sehr für die hübschen Mützen.
12 Theodor Diederich von Levetzow (1801–1869), meckl.-schw. Zweiter Minister und Chef der Kammerverwaltung. Aus der Verleihung wurde, anders als beim ersten Minister Ludwig von Lützow, nichts. Vgl. den Brief vom 19. Jan. 1841. 13 Taufe von Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906).
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Nur zwei Worte des herzlichsten Dankes, meine Elis, für Deine Theilnahme an Paul seiner schweren Krankheit. Vorgestern und gestern ging es zimlich gut, dafür war diese Nacht desto böser. Er klagte viel über Schmertzen im Leibe wieder, so daß mitten in der Nacht Blutegel gesetzt werden mußten. Bis 1 Uhr war ich an seinem Bett. Da schien [es], als ginge es ihm beßer, und er schickte mich zu Bett. Um 5 Uhr hörte ich Lermen in seiner Stube und als ich hinkam, war er wieder sehr leidend bis 8 Uhr, dann schlief er ein wenig ein. Darauf bekam er andere Midicien, die krampfstillend und schweiztreibend. Auf beide Art that sie ihre Schuldigkeit. Bis 6 Uhr lag er in heftigem Schweiz, der ihm aber sehr gut that, da er allerhand erweicht haben mußte, denn nun zeigte sich erst viel veraltete Unreinigkeit, und [die] ihm nun Luft schaffte, so daß wir heute Abend hoffen konnten, daß die Nacht ruhiger werden wird. Gefahr ist auch Gott sei Dank nicht mehr. Wenn der Himmel nur so wie jetzt es erhalten wollte. Leb wohl, Fritz viel Liebes. Das Armband ist noch nicht angekommen. Wegen Minister Levetzow14 bitte erinnere ihn doch. Die arme Marie Strelitz brachte einen Abend bei mir zu. Gott wie muß ihr zu Muth sein. Lilli kommt nach Strelitz in diesen Tagen, wie die arme unglücklich ist und Gott dankt, aus Koppenhagen herauszukommen. Adios. Ewig deine treue Adine Berlin, den 8ten März 184215 Meine geliebte, theure Adine, ich habe keine Worte für meinen Schmerz, ach, und für den Deinen, Du armer Engel, nur Thränen und Gebet. Ich bin so erschüttert, daß mir die Hände zittern. Ich sehe Dich immer vor mir in Deinem tiefen Schmerz und kann’s noch nicht glauben, daß der lebensfrohe, glückliche Mann aus Deinen Armen gerißen ist. Ach gewiß, was der Herr thut, ist wahr gethan, aber es ist schwer sich darin fügen, es zu tragen das namenlos Schwere. Ich möchte bei Dir seyn und mit Dir weinen und beneide die Brüder. Dein armer, lieber Fritz, der so früh solche Last übernehmen muß, so jung, so unerfahren, aber der Herr wird ihm und Dir gewiß bey stehen, der Seegen des Vaters ruht auf dem lieben Kinde. Wie danke ich Gott, daß er noch kam und dem lieben Paul noch die lezte Freude auf Erden wurde. Grüße Deinen lieben Fritz, alle Deine armen Kinder. Ach, es zerrreißt mir das Herz, mir Euren Jammer zu denken. Besorgt war ich immer sehr, und im Stillen regte sich oft, wenn Deine oder Lüzows Briefe kamen, eine große Angst, daß es nicht gut aus gehen würde, besonders gestern. Täglich betete ich zu Gott, daß er das Unglück von Dir abwenden möge. Nun will ich um Kraft und Trost für Dich, Du Geliebte, beten. Ich erwarte noch Fräulein Kameke, so sie geht. Wir sind alle ganz vernichtet vor Schmerz. Mit treuer Liebe, Deine Elis 14 Bitte um den Roten Adlerorden für den Zweiten Minister Theodor Diederich von Levetzow (1801– 1869). Vgl. Brief vom 22. Febr. 1842. 15 Handschriftlicher Vermerk am linken, oberen Rand: „Tod des Großherzogs Paul Friedrich“.
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 11ten März 1842 Meine theure Elis. Nur mit Thränen kann ich auf Deine Liebe erwidern. Worte will mein Schmertz nicht erlauben. Dein Mitgefühl war ich gewiß. Ich ringe im Gebet nach Trost und Faßung, die mich manchmal verlaßen will. Gott allein kann helfen. Ich vertraue fest auf ihn, allein, der Kummer drückt mich fast zur Erde. Die Anwesenheit der Brüder erfreut mich sehr. Ihre Theilnahme ist so wahr und aufrichtig, und mein gutes altes Fröhlenchen16 ist mir ein rechter Trost. Sie sagte mir, daß Du sie hast noch heraufkommen laßen vor ihrer Abreise. Wie lieb von Dir. Deine Äußerung, mich gleich aufzusuchen, erfreute mein gedrücktes Herz. Allein, ich bin aufrichtig: Laße mich und meinen Schmertz noch eine Weile allein. Laß mich erst ein wenig ruhiger werden und gesammelter. Ich bin jetzt so unfähig, so unbrauchbar. Auch meine Kräfte so hinfällig, aber etwas stäther. Wenn Deine Fremden fort sind, dann führe Deinen Vorsatz aus und eile in die Arme Deiner geknickten Adine Sage an Fritz, wie ich ihm dankte für alle Liebe, die er mir jetzt bewiesen und meinem theuren Paul erwiesen hatte. Daß er Grim17 ihm noch geschickt, werde ich ihm nie vergeßen. 10 ½ Abend. Eben bekam Karl einen Brief von Mary, worin sie sagt, daß Fritz die Absicht hat zur Beerdigung her zu kommen. Diese herzliche Auszeichnung, die Paul noch werden soll, macht mich zu glücklich. Nur wird Fritz Nachsicht haben müßen mit der Wohnung. Berlin, den 13ten März 1842 Meine geliebte, theure Adine, mit welchen Gefühlen ich Deinen Brief las, kann ich Dir nicht beschreiben. Meine Thränen floßen von neuem und inniger wie je betete ich für Dich um Kraft und Trost. O, wie begriff ich, was in Dir vorgeht, wie schwer es oft ist sich zu fügen und zu ergeben. Aber Gott hilft doch und verläßt nicht, die Ihn recht bitten. Für Deine aufrichtige Antwort wegen meinen Wunsch zu Dir zu kommen, bin ich Dir wahrhaft dankbar, meine Adine. Ich wäre trostlos, wenn ich Dir im Geringsten lästig wäre, und es ist gewiß besser so. Überdem hatte ich freylich in meinem Schmerze nicht an die Fremden gedacht, die mir in diesem Augenblick höchst lästig sind. Brauchitsch,18 der heute mit diesem Briefe abgeht, wird Dir noch sagen, wie sehr sich Fritz gefreut hat, daß Du ihn 16 Verm. Leopoldine von Kamecke (1782–1856), ehemalige Gouvernante und Hofdame von Großherzogin Alexandrine am preuß. Hof. 17 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte dem erkrankten Großherzog Paul von Mecklenburg-Schwerin seinen Leibarzt Dr. Heinrich Gottfried Grimm (1804–1884) nach Schwerin geschickt. 18 Eduard von Brauchitsch (1798 –1869), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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gerne sehen willst zum Begräbniß. Es war ihm ein wahrer Herzenswunsch, ein tröstlicher Gedanken, Deinen Paul noch die lezte Ehre zu erweisen. Ach, oft denke ich, es ist nicht möglich, und meine, ich sehe ihn in jedem Winkel, aber unten in Deiner Stuben besonders. Da ist es mir schon geschehen, Leopold19 Paul zu nennen. Ich habe gestern Deinem Fritz geschrieben. Mein Herz drängte mich dazu. Du weißt, wie ich ihn immer geliebt habe. Abat schreibt so viel Gutes von ihm. Ich danke Gott, daß Er Dir einen so guten Sohn gegeben hat, der Dir gewiß ein Trost seyn wird. Ach, wäre er nur nicht so jung. Seine schönsten Jahre sind ihm verdorben, und es ist hart, so früh schon Last und Sorgen zu kennen. Des Vaters Seegen ruht auf ihm, der wird ihn stärken und heben. Ich wollte noch an Abat schreiben, aber ich sehe, daß ich mit meiner Zeit schiebe. Du, sey so gut, ihm zu sagen, wie sehr sein Brief mich gerührt hat, und seine Aufmerksamkeit, mir Nachricht von Dir zu geben, er soll es nicht übel nehmen, wenn ich nicht mehr antworte. Er ist ein gar zu guter Mensch. Sein Schmerz war herzzereißend. Nun lebe wohl, meine geliebte Adine. Gott seegne Dich und gebe Dir Kraft. Deine Kinder umarme ich in Gedanken. Wie sie mich jammern, kann ich nicht beschreiben! Mit treuer Liebe, Deine Elis Luise schrieb den 8ten in einen rosa Couverts, voll Hoffnung. Es thut mir so unaussprechlich wehe. Noch tausend Dank für Deinen lieben Brief.
Schwerin, den 26ten März 1842 Nur ein paar Worte, meine Elis, um Dich um Nachricht von Deiner Schwester Amelie zu bitten. Gestern Abend wurden wir sehr erschreckt durch die Nachricht ihres Erkrankens. Zwar noch heute sind beßere Berichte gekommen. In welcher Angst mußt Du sein, meine liebe Elis. Wenn Du keine Zeit hast, so laß mir durch eine Hofdame wißen, wie es Dir geht und welche Nachricht Du erhallten. Mein Herz zog mich schon lange nach Dir und wie gern hätte ich geschrieben. Allein, ich habe so eine Masse von Briefen zu beantworten. Noch bin ich nicht durch, und da es von Verwandten sind, die wirklich aus Liebe und aufrichtiger Theilnahme schreiben, so will ich sie nicht lange warten laßen. Mit meiner Gesundheit geht es bis jetzt ganz leidlich, nur oft todmatt und im Innersten zerrißen von Schmertz und Kummer. Wie die Brüder hier waren, hatte ich wirklich enorme Kräfte. Doch die werden schwach. Die Öde, die Leere, die Länge der Zeit, wo ich meinen lieben Paul nicht mehr sehe, legt sich zentner schwer auf mein Herz. Ach, meine Thränen fließen. Ich sehe die Buchstaben nicht. Lebe20 wohl, denke in Liebe Deiner trauernden Adine 19 Mglw. Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871). 20 Tinte an dieser Stelle verlaufen.
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An Fritz und Brüder viel Liebes, sie waren alle so gut und lieb.21
Schwerin, den 1ten April 1842 Ich kann Dir mit Worten nicht beschreiben, meine Elis, wie Deine Briefe mich immer erfreuen. Deine Liebe, Deine Theilnahme thun meinem armen Herzen so wohl. Du fühlst selbst so tief, daher kannst Du begreifen, was ich leide. Das ist auch unbeschreiblich, und täglich, wenn ich erwache, wundere ich mich, wie ich noch lebe und wie ich das Leben ertragen kann, und doch geht ein Tag nach dem andern dahin. Ich werde viel in Anspruch genommen. Es giebt so manches zu besprechen, zu ordnen. Das ist vielleicht gut. Lobanof22 war ein paar Tage hier. Den habe ich des Abends beim Thee allein gesehen. Sonst bin ich mit dem Kindern. Noch kann ich mich nicht entschließen, mit dem Hof zu eßen. Morgen gehen wir nach Ludwigslust, bleiben Sonntag. Montag kehren wir wieder zurück. Jedes Neue bewegt mich sehr, also auch dort hinzukommen, wo ich 15 Jahre so glücklich mit Paul gelebt habe, in den selben Räumen zu wohnen ohne ihn. Aber es muß alles durchgemacht werden, habe ich doch viel Schweres erlebt. Ich wollte meine Schwiegermama und Onkel Gustav besuchen, die sich so herzlich für mich gezeigt, außerdem in der Kirche gehen und Herrn Kliefoth23 predigen hören, der doch bei Schnäpschen erst war, und dann bei Fritz. Er soll so vorzüglich predigen. Heute habe ich auch etwas vor, wofür ich mich ängstige, daß ich die Damen aus der Stadt sehe. Es sind nur wenig, natürlich, und da man sich sich in kleinen Orten viel mehr kennt, wie wo anders, so ist das Verhältnis mehr herzlich und greift daher mehr im Innern an. Abends 7 ½ Uhr. Nur schnell will ich meinen Brief zumachen, denn den Tag über konnte ich nicht schreiben. Ich war entsetzlich angegriffen, nachdem ich die Damen gesehen. Es wurde mir schwerer, als ich glaubte. Meine Kräfte versagten mir fast ganz. Die Wirklichkeit, wenn sie so ganz klahr vor mir tritt, wirft mich um. Es ist zu viel, zu schwer. Ach Gott, Du hast zu viel auferlegt. Ich kann es nicht tragen. Verzeihe, aber es überwältigt mich. Ich bin zu unglücklich. Mit deiner Schwester geht es wohl beßer, da Du mir im gestrigen Brief nichts darüber sagst und nur den sehr liebenswürdigen Brief der Queen Victoria schickst. Ihr Mann Albert hatte mir auch schon einen sehr freundlichen Brief geschrieben.24 Ich bewundere, daß sie so gut deutsch schreibt. Heute Mittag sah ich einen Augenblick Herrn von Bielefeld, aus Altenburg25 geschickt. Und nun, vor dem souper, werden wir einen Herrn von 21 Hier folgt ein kurzer Brief an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen vom 29. März 1842. 22 Fürst Aleksej Jakowlewitsch Lobanov-Rostov (1795–1848), russ. Generalleutnant, Generaladjutant und Vertrauter von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 23 Theodor Kliefoth (1810–1895), Pastor in Ludwigslust, vormals Erzieher von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin und späterer Superintendent und Oberkirchenrat. 24 Königin Viktoria von Großbritannien und Irland (1819–1901), verh. seit 1840 mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha (1819–1861). 25 Georg Friedrich Odo Freiherr von Bielfeld (gest. 1872), Major, Flügeladjutant und Kammerherr in Sachsen-Altenburg.
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Tümpling aus Weimar26 sehen, der angekommen, weil wir morgen nicht hier sind. Leb wohl, Gott sei mit Dir.27 An Fritz tausend Liebes, seine Wünsche werden erfüllt werden. Deine traurige Adine Schwerin, den 12ten April 1842 Meine liebe Elis, der heutige Brief wird Dir garnicht ansprechen, da er sehr von meinen jetzigen Gefühlen abweicht, allein, ich muß doch. Erstlich habe ich sehr auf eine Antwort von Fritz gehofft auf meinen sehr aufgeregten Brief, denn es liegt mir garzuviel daran, daß nichts geschieht, was anstoßen kann. Du weißt, wie wir uns jetzt schon gestellt mit Frankreich. Freilich kam der erste Schritt von dort. Jetzt will Onkel Gustav mit Gewalt nach Paris, woran wir ihn nicht hindern werden, denn das ist eine Unmöglichkeit. Allein, wir möchten nur wenigstens, daß er nicht so schnell dahin eilte, da es allemal zu viel ist, daß er hingeht, und wir haben es ihm auch schon gesagt. Allein, ehe ich nicht ganz fest auftrete, wird davon nichts. Das Zweite ist, daß Fritz so gnädig war, und hier an die beiden Herren, die ihm beigegeben waren beim Trauerzug, Orden zu vertheilen. Diese beiden stehen sich im Range gleich, und Schloßhaubtmann von Lützow28 eher noch etwas mehr ist als der General von Elderhorst,29 und hat doch einen kleineren Orden bekommen. Vielleicht ist Fritz so gnädig und tauscht ihn, denselben um mit der 2ten Klasse, wie der General bekommen. Die Menschen sind schwach und kleinstädtisch! Dann wage ich noch einmal daran zu erinnern, an Paul seinen letzten Wunsch, den er durch mir aussprechen ließ, den Minister von Levetzow30 den großen Rothen Adler Orden zu geben. Vielleicht findet sich einmal eine passende Gelegenheit dazu. Von Deiner Schwester sind Gott Lob etwas bessere Nachrichten gekommen. Der Adjudant des Königs, Heintz,31 brachte sie uns gestern. Denkst Du noch zu ihr hinzugehen? Diese Frage geschieht eigentlich sehr aus eigenem Interesse, nehmlich ob ich dann wohl noch eine schwache Hoffnung behalten darf, Dich noch hier bei mir zu sehen. Übrigens muß ich selbst wünschen, so lang dies kalte Wetter mit Ostwind ist, daß Du nicht hierher kömmst, denn Schwerin ist grade dann sehr ungesund und schädlich, und Deine Stuben liegen hier nach Osten. Soll ich von mir noch etwas sagen? Es ist nicht viel, als daß ich bis zum Tode betrübt und matt bin. Heute früh war ich bei ihm, bei meinem Paul. Ich betete, weinte und kniete an seinem Sarge. Dies ist das Einzige, was mir geblieben. Es ist 26 Friedrich Gustav von Tümpling (1797–1858), Hauptmann und Kammerherr in Sachsen-WeimarEisenach. 27 Hier folgt ein kurzer Brief an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen vom 8. April 1842. 28 Carl von Lützow (1794–1868), meckl.-schw. Kammerherr und Schlosshauptmann. 29 Hartwig von Elderhorst (1789–1871), meckl.-schw. Generalmajor und Kommandeur der meckl. Brigade. 30 Bitte um den Roten Adlerorden für den Zweiten Minister Theodor Diederich von Levetzow (1801– 1869). Vgl. Brief vom 22. Febr. 1842. 31 Friedrich Leopold von Heintz (1790–1875), kgl. sächs. Major und Flügeladjutant.
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kaum zu faßen, dies Entsetzliche. Welch ein Schmertz, er geht durchs Leben bis mit im Grabe. Gott, warum hast Du mich so unglücklich gemacht? Doch still, ich will ja ruhig in meinem Kummer ausharren. Leb wohl, mit innigster Liebe, Deine treue alte Adine Was macht denn Friederike32 [bei] Euch in Berlin? Sie läßt Agnes33 wohl ausbilden? Der König von Hannover reiset bald ab, wie man sagt. Und König Herzog von Nassau,34 ist er in Besserung? Beinahe hätte ich vergeßen, nach Deiner Gesundheit zu fragen, wenn Du dich doch bald erholen wolltest. Schwerin, den 18ten April 1842 Liebe Elis, ich muß sehr um Verzeihung bitten, daß ich Dir und Fritz nicht meinen Wilhelm schon früher angemeldet habe. Er wird am 20ten nach Berlin gehen und dort die Befehle erwarten, wo ihr ihn sehen wollt, in Berlin oder Potsdam. Nur muß ich bitten, daß ihm erlaubt wird, am 21ten Abends nach Berlin mit der Eisenbahn zurückzufahren, da er am 22ten morgens mit der Eisenbahn über Leibzig nach Dresden gehen soll. Nimm ihn gnädig auf. Es wird ihm unendlich schwer, sein Vaterhaus zu verlaßen, was freilich ohne Vater ist, dessen Seegen ihn aber überall begleitet. Onkel Gustav hat sich schon auf meine Bitte bis zum 10ten Mai entschloßen zu bleiben. Ich finde es noch zu früh, allerdings will er langsam reisen und erst Ende Mai in Paris ankommen. Wenn Fritz es noch zu früh findet, und es mir durch Dich schreiben ließe, so würde das gewiß von großer Wirkung sein. Nächstens werde ich mehr schreiben, heute kann ich nicht. Deine Adine Heute ist die Huldigung,35 und gestern war Gedächtnis- und Trauergottesdienst, 2 schwere, schwere Tage für mich. Gott stehe mir bei.
Schwerin, den 25ten April 1842 Meine liebe Elis, welche schöne Aussicht eröffnest Du mir, daß Du wirklich zu mir kommen willst. Auch welche Freude macht mir dies, und Paul, wenn er es weiß und siehet aus dem Jenseits, wie wird er Dir dankbar sein. Du wirst also wohl nun so gnädig sein, und den Tag Deiner Ankunft näher angeben, damit Dich unsere kleinen Stuben anständig empfangen können. Ich denke mir, daß es Dir lieber sein wird, bei mir im kleinen misera32 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 33 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 34 Gemeint ist der sich seit 1840 „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennende abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). 35 Huldigung für den neuen Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883).
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blen Palais zu wohnen, als viele hohe Stufen auf dem Schloß zu steigen. Du wirst sehr nachsichtig sein müßen. Doch muß ich recht gegen mein Interesse Dich aufmerksam machen, ob es Dir nicht zu angreifend sein wird, erst die Reise zu mir und dann gleich zu Deiner Schwester zu gehen. Mir scheint in diesem Augenblick Deine Schwester doch die Hauptsache, da sie so leidend ist. Ich bitte Dich also recht dringend, Dich nicht wegen meiner zu genieren und Deiner Gesundheit nicht zu viel zu bieten. Denn wenn Du unwohl würdest nach der Schweriner Reise und dann nicht nach Dresden [könntest], ich wäre untröstlich. Überlege es recht und schreibe mir dann Deinen Entschluß. Vielleicht kömmst Du späther zu mir. Das Wetter ist jetzt so himmlisch. So möchte ich, daß es bleibe, wenn Du herkömmst. Potsdam ist gewiß prächtig und recht grün. Hier treibt es gewaltig, ein milder Regen fehlt. Durch Hessenstein36 erfuhren wir schon, wie gnädig und freundlich Du und Fritz für mein Wilhelmchen gewesen seid. Ach, der liebe Junge fehlt uns sehr im kleinen Kreis. Ich freue mich, daß er Dir gefallen. Er hat viel Gefühl und ist ein kleiner, lieber Mensch. Ich hoffe, daß in Dresden Deine Schwester und der König37 ihn auch gnädig aufnehmen werden. Fritz Oranien ist in Berlin angekommen. Das wird den alten König doch freuen. Wie ich höre, zweifelt man an seinem Aufkommen und Marianne schrieb mir, daß sein Zustand beklagenswerth sei. Kömmt Luise nicht vielleicht noch? Sie hat mir auch einen Besuch versprochen, ungefehr Ende Mai, wenn der König keinen Querstrich macht, und die rußische Reise. Das würde mir für beide Schwestern unendlich leid thun. Leb wohl, ich warte mit Ungeduld auf den Lesebrief von Fritz. Deine treue Adine Mir geht es körperlich gut, ich sehe selbst wohl aus, aber sonst bin ich schrecklich gebeugt. Nachtisch. Wenn Du die Güte hättest und an Fritz sagen wolltest, daß ich die Idee hätte, im Dom, wo mein theurer Paul steht, die Fenster mahlen zu laßen.38 Nun hat es aber seine Schwierigkeit, was gemahlt werden soll. Ich stimme für Figuren, wie die Apostel. Die Madonna weiß ich nicht, ob das geht in einer Evangelischen Kirche. Vielleicht könnte Fritz, der sich der Fenster erinnern wird, angeben, was genommen werden kann. Ich zeichnete die Fenster eben auf, ziemlich schlecht, doch man sieht die Form. Wenn Fritz mit Dir herkommt, wie er es versprochen, dann könnte er es am besten beurtheilen.
Schwerin, den 5ten Mai 1842 Himmelfahrt Ich antworte Dir gleich, meine Elis, weil ich Dir den Brief von Onkel Gustav senden will, den ich eben erhalten als Antwort von dem von Fritz. Ich kann nichts anderes sagen, als 36 Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Preußen. 37 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877), und ihr Ehemann König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854). 38 Großherzoginwitwe Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin plante, durch den Schweriner Glasmaler Ernst Gillmeister (1817–1887) die alte Heilig-Blut-Kapelle im Schweriner Dom als Grablege des großherzoglichen Hauses ausgestalten zu lassen.
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daß der Onkel auf diesen Punkt etwas verrückt ist, und ihn nichts aus diesem Wahn reißen kann. Nur habe ich die einzige Bitte, daß Fritz wie Du ihn deutlich merken läßt, daß ihr die Reise jetzt nicht billigt, denn sonst bildet er sich ein, wir sind nur so dumm und vernagelt. Im Lande ist man allerdings mit der Reise zufrieden. Was er aber meint mit den schönen Hoffnungen, weiß ich nicht. Ich hoffe, es soll nichts danach kommen, doch das können Menschen nicht berechnen. Diese französische Familie ist doch eine wahre Plage und Unglück für uns.39 Nun zu etwas recht freudigem: Du willst kommen und das bald. Das macht mich zu glücklich. Das Wetter ist nun wunderschön, und es ist hier schon recht grün. Schwerin würde Dir so gefallen. Vielleicht regnet es bis zu Deiner Ankunft, damit alles recht frisch und ohne Staub wäre. Allein, die gestrengen Herrn werden wohl schlecht Wetter bringen. Laß nur zu rechten Zeit schreiben, wenn Du kömmst. Und Fritz will Dich begleiten, wie wird mich das freuen. Ihr werdet entsetzlich schlecht wohnen. Fritz muß ich unter Dir logieren, wo Schnäpschen gewohnt. Es wird ihm vielleicht nicht mal recht sein. Allein, oben sind nicht so viele Stuben. Nun Adios. Der Tante küße ich die Hände. Wie lange bleibt sie noch in Berlin? Fritz Oranien ist abgereist, um bald wieder zu kommen. Da kann ich Luise wohl wirklich Ende Mai erwarten. Wie viel Freude mit wie viel Trauer verbunden, wird mir zuteil. Deine treue trauernde Adine Fritz danke doch für seinen Brief. Der Onkel weiß, daß ich an Fritz geschrieben, um ihm zu melden, daß ich seinen Brief dem Onkel mitgetheilt. Schwerin, den 10ten Mai 1842 Meine theure Elis, ich bin wirklich so erfreut, wie ich es nur jetzt sein kann, denn alle Freude ruft meinen Schmertz lebhafter hervor, wenn ich etwas ohne meinen Paul erleben soll. Also, ich bin sehr glücklich, daß Du den 17ten hier zu mir kommen willst, und Fritz wird Dich wirklich begleiten. Zwar nur auf einen Tag, aber es ist doch etwas. Aber welch Wiedersehen! Gott stehe mir bei. Der Onkel ist heute abgereiset und war wie ein Hund, den man geprügelt hat, der den Schwanz einzieht. Morgen wird er sich, hoffe ich, bei Euch eine kleine Wäsche holen. Wir haben diese Tage eine Menge Gesendete und Gesandte: vorgestern Graf Giulay aus Wien,40 der uns morgen verläßt, um die Manöver mitzumachen in Berlin, gestern Graf Hardenberg aus Hannover,41 morgen Mr. Tallnay als Antwort für Herrn von Sch39 Herzog Gustav zu Mecklenburg-Schwerin (1781–1851) plante einen Besuch in Paris bei den verschwägerten Orléans. Seine Nichte Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858) war seit 1837 mit dem frz. Thronfolger Ferdinand Philippe von Orléans, Herzog von Chartres (1810– 1842), verheiratet. Alexandrine war gegen die Heirat gewesen und nun auch gegen die Reise. 40 Ferenc (Franz) József Gyulay, Graf von Maros-Németh und Nádaska (1798–1868), österr. Generalmajor. 41 Carl Ludwig August Graf von Hardenberg (1791–1865), hannov. Oberjägermeister.
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ack für Paris42 und übermorgen der österreichische Gesandte Herr von Kaisersfeld.43 Dann hoffe ich, ist es aus. Wir dürfen Dich wohl am 17ten um 7 Uhr oder 8 Uhr erwarten, und 3 Tage bleibst Du, wie gut und lieb ist dies von Dir. Ach, es thut meinen Herzen wohl, denn ich liebe Dich so innig wie eine Schwester. Wir verstehen uns so gut. Luise wird wohl erst späther kommen, denn Albert schreibt mir, der olle König44 will nach dem Loo reisen und Fritz Oranien soll ihn erwarten, und vor dem 22–23 kann er nicht dort sein. Leb wohl, also auf Wiedersehen. Wenn nur nichts dazwischen kömmt. Deine treue Adine Ludwigslust, den 22ten Mai 1842 Wie wehe that es mir, Dich scheiden zu sehen und mit aller Schwere fiel nun meine Verlaßenheit auf mich ein. Deine liebe Gegenwart half mich über manches hinweg, überhaubt, sie gab mir manche liebe Zerstreuung. Nun ist alles verschwunden und nur die kalte Wirklichkeit bleibt mir. Ich kann so Momente haben, wo mich mein Kummer so nierderdrückt, daß ich meine, ich könnte nicht leben. In solcher Stimmung bin ich gestern und heute. Die schöne warme Sonne macht das Herz noch sehnsüchtiger und weicher gestimmt. Doch wie ungezogen von mir, daß ich Dir von mir spreche. Ich habe Dir gar nicht genug gedankt, und nicht genug gesagt, wie glücklich mich Dein Besucht gemacht. Es war unbeschreiblich herzlich gut von Dir, daß Du die Reise in Sonne und Staub zu mir unternommen hast. Du hast mich aber so glücklich gemacht, daß kann ich Dir versichern, denn Deine Nähe, Dein Umgang ist von jeher mir so vorzüglich lieb gewesen. Du verstehst so wunde Herzen und begreifst ihren Schmertz. Du weißt sie zu nehmen und gehest so liebevoll mit ihnen um. Du warst mir auch diesmal wieder ein guter tröstender Engel. Schwerin, den 23ten Nachmittag. Gestern meinen Brief zu Ende zu bringen, war eine Unmöglichkeit, denn viele alte Bekannte suchten mich auf. Heute Morgen sind wir denn hier wieder eingerückt. Nachdem ich den Besuch von Gräfin Plessen mit Gemahl und Elis Rauch45 gehabt, bin ich nach dem Grünhaus herausgezogen. Es war mir recht schwer und viele Thränen begleiteten meinen Einzug. Ach, das Diner nach alter Art, alles, alles erinnerte mich an meinen Paul voriges Jahr, als ich mich so glücklich hier fühlte. Es war im Anfang auch so schönes Wetter. Es ist 6 Uhr, vielleicht ist Luise schon bei Dir, grüße sie herzlich von mir. Ihr heute zu schreiben, ist mir unmöglich. Ich bin sehr matt. Die 42 Auguste de Tallenay (1795–1863), frz. Ministerresident in Hamburg. Der meckl. Bundestagsgesandte Adam Reimar Christoph von Schack (1780–1852) hatte in Paris die Nachricht vom Tod des Großherzogs Paul Friedrich überbracht. 43 Maximilian von Kaiserfeld (gest. 1849), österr. Gesandter in Hamburg. 44 Prinz Albrecht von Preußen über seinen Schwiegervater, den abgedankten König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). 45 Cecilie von Maltzahn, Gräfin von Plessen, geb. von Rauch (1795–1854), und ihre Nichte Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909).
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Fahrt und die Hitze, das Kramen, alles hat mich angegriffen. Sage ihr aber von meiner Idee wegen meiner Reise. Sie wird wohl bald etwas von sich hören laßen. An Fritz so viel Liebes und so vielen Dank, daß er sich auf einen Tag von seinen Geschäften loß gelaßen und mich besucht. Es wird noch lange in meinem dankbaren Herzen nachhallen. Deine Adine Von Charlotte hatte ich gestern einen Brief. Sie ist sehr beschäftigt mit Luisens Ankunft und ist seelig. Schwerin, den 31ten Mai 1842 Nur zwei Worte, meine Elis, erstlich will ich unmenschlich danken für Deinen lieben, lieben Brief vom 28ten, und dann will ich mich mit Luise (Tochter) melden, daß wir am Freitag Abend 6-7 Uhr in Sanssouci ankommen werden. Luise46 sagte mir, daß Du und Fritz es wünschet, daß ich früher kommen möchte, und so entschied ich mich, schnell zum Freitag. Fräulein von Schreeb und Fräulein von Hochstedter werden mich begleiten.47 Das Wiedersehen mit Luise und Fritz Oranien war traurig wie mit Dir, und heute bin ich so wehmüthig, daß ich viel weine. Ich suche mich aber auf alle Art zu stärken und werde auch zur Sicherheit meinen Leib Pillenträger (Sachse)48 mitbringen. Ich freue mich unendlich, bei Euch in Sanssouci zu wohnen, da genießt man sich dort. Heute Morgen sind wir im Schloßgarten gewandert und dann spazieren gefahren in Deinem Buchenwald. Jetzt Nachtisch werden wir nach dem Werder fahren. Adios auf Wiedersehen. Deine treue Adine Schwerin, den 14ten Juni 1842 So sehr ich auch wünschte, Dir gleich gestern zu schreiben, meine Elis, so war es doch unmöglich. Doch dachten wir, Luise49 und ich, oft an euch ihr Lieben und mit so dankerfüllten Herzen, denn ich kann es nicht beschreiben, wie sehr ihr mich beide gerührt durch die Liebe und Theilnahme, die ihr mir bewiesen, und durch die vielen, vielen attentionen, die ihr hattet. Ich kann sagen, daß der Aufenthalt in Eurer Nähe mir wohl gethan hat. Ich habe wieder etwas mehr Muth zum Leben, aber hier, hier ist es doch zu traurig. Mein Ankommen war unter vielen, vielen Thränen.
46 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 47 Die meckl.-schw. Hofdamen Bertha von Schreeb (1814–1883) und Charlotte von Hochstetter (1819–1908). 48 Dr. Hans Sachse (1806–1869), meckl.-schw. Geh. Medizinalrat und Leibarzt der Großherzoginwitwe Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 49 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
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Fritz fanden wir in Ludwigslust, wo wir schon um 4 ½ Uhr ankamen, also sehr rasch gefahren trotz der entsetzlichen Hitze. Wir sind beinah umgekommen und dachten oft nach dem schönen Sanssouci zurück, folgten Euch mit unseren Gedanken überall nach, nach Charlottenhof, Neues Palais, um 11 Uhr der Gottesdienst, dann Vorbeimarsch, Speisung und Ruhe bis zur toiletten Zeit und Diner. Abends Theater, wo es gewiß entsetzlich heiß war, und ich Euch bedauerte, besonders der Müff, den Du nicht vertragen kannst. Piepen50 hatte Sehnsucht nach Dir, meine Elis, und oft werden Dich meine Gedanken umgeben. Ich weiß nun auch, wie ihr dort lebet, kann also immer ungefehr wißen, was geschieht. Ach, die hübschen Promenaden des Abends, vor allem war die Römerschanze51 zu Abend einzig schön. Die prächtige Ruhe in der Natur, das Schaukeln auf dem See und Fritz,52 der uns immer entgegen arbeitete, wie lächerlich war das. Nachdem wir uns in Ludwigslust ausgeruht und ausgekühlt, fuhren wir nach Schwerin, wo wir gegen 8 Uhr ankamen, früh aßen und zu Bett gingen, denn wir waren sehr fatigiert. Heute erst komme ich zu mir selbst, den ersten Tag ist immer viel zu thun. Nun sitze ich in meinem Thürmchen, ganz gemüthlich. Die Sonne scheint warm, obgleich es windig ist. Es ist 10 ½ Uhr, da bist Du von Charlottenhof eben wohl zurück gekommen. Gegen Abend wird es immer still, und dann macht ihr, wenn George53 nicht wieder in Sanssouci ist, eine Parthie. Piepen möchte mit sein. Siehe einmal, so habet ihr mich verwöhnt. Es ist doch gut, daß ich in meine Stille zurückgekehrt. Ich sammele mich, und hier bin ich meinem Paul näher, der doch eigentlich mein ganzes Herz erfüllet. An seinem Sarge kniete und betete ich gleich den ersten Morgen. Sonst empfing er mich mit offenen Armen und war unbeschreiblich froh und heiter, und nun muß ich ihn so aufsuchen. Ach Gott, es ist eine harte Prüfung, und ich fürchte manchmal, daß ich sie nicht dehmüthig genug trage. Aber manchmal kann ichs kaum tragen. Ich habe zu viel verlohren, oft ergreiffet mich solche Sehnsucht nach Paul, daß ich vergehen möchte. So viel, worüber ich mit ihm sprechen, wo ich seinen Rath haben möchte, und dann stehe ich so da wie zurückgestoßen. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben. So kalt, so öde ist es um mich herum. Wie ich um Nachsicht Dich bitten muß, daß ich immer von mir, von meinem Schmertz spreche, aber es ist mir eine Wohlthat, wenn ich mich mal aussprechen und ausschreiben kann. Denn sprechen kann ich nicht recht über meinen Verlust. Mir bleiben die Worte stecken, das Gefühl ist zu lebendig in mir, denn kann ichs nicht in Worte kleiden, darum schweige ich oft, wenn ich gerne spreche. Und dann fürchte ich mich auch, daß ich mich zu sehr hinreißen laße, denn kann ich mich nicht leicht wieder faßen. Das ist mir nicht gut. An Fritz sage recht, recht viel Liebes. Grüße die Geschwister, Deine Damen und Herren, alle waren so theilnehmend für mich. An Tiek54 sage auch, wie glücklich mich sein Vorlesen am Morgen gemacht. Ich habe ihm nicht Lebewohl
50 51 52 53 54
Verm. Hundename. Nichtrömische, bronzezeitliche Wallanlage bei Potsdam. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795–1861). Verm. Prinz Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853). Ludwig Tieck (1773–1853), Dichter und Übersetzer, seit 1841 in Berlin u.a. Vorleser des preuß. Königs Friedrich Wihelm IV.
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gesagt, was mir leid. Bitte sage es ihm. Was macht Graf Stollberg sein Enkel?55 Ihm einen Gruß. Deine treue, dankbare Adine Schwerin, den 20ten Juni 1842 Nur wenige Worte, meine Elis, weil Du kaum Zeit haben wirst, sie zu lesen, da es der letzte Tag vor Deiner Abreise, und da weiß ich, giebt es immer entsetzlich viel zu thun. Allein, ich mußte Dir so recht von Herzen danken für Deinen lieben Brief. Wie traurig ist es, daß wir uns nun so aufsuchen müßen. Du glaubst es gewiß nicht, daß wir täglich von Dir und dem lieben Dicken sprechen und uns der schönen Tage in Sanssouci erinnern. Es ist mir recht lieb, daß ich doch den Sonntag abgereiset, da wie es scheint, ein hoher Besuch den andern jagte. Williams Besuch wird Dir der liebste gewesen sein. Hast Du ihn wegen seiner Heirath gesprochen? Vielleicht bedauert er nun, die Prinzessin von Baden56 nicht genommen zu haben. Wie Luise nun wohl glücklich ist in Petersburg. Ich hatte einen Brief von Charlotte, die mir beschreibt, wie sie die Stuben von Luise ausgeputzt hat und seelig war in der Erwartung. Du weißt vielleicht schon etwas von ihrer Ankunft. Ehe es zu mir kömmt, dauert es eine Weile. Mein Wilhelmchen freut sich unendlich, Dich bald wieder zu sehen. Gieb ihm einen Kuß von mir. Ich beneide Dich, daß Du ihn sehen wirst. Seine Redestunde mit Prinz Albert57 fällt für ihn noch immer sehr schlecht aus, da seine Reden schlecht wären. Die letzte wäre angegangen. Ermahne ihn in meinen Nahmen zum Fleiß. Wie Du nur Deine Schwester finden wirst, nachdem sie so krank gewesen, und welche Freude, einige Zeit bei ihr ruhig zuzubringen. Es wird Euch Beiden gut thun. Du wirst bei Jordan wohnen, wie Schnaps schreibt, um näher von Antons Palais58 zu sein. Ist wohl der silbernen Kronleuchter, welchen wir schenken an Charlotte, fertig geworden, oder wird er nachgeschickt? Und machte sich das Model gut, was Hasheuer59 zeigen wollte? Wir haben Briefe aus Paris. Onkel Gustav ist am 5ten abgereiset, weil man ihn fast getödtet hat mit Artigkeit, die stark an Unhöflichkeit gegrenzt, so daß er unzufrieden abgereiset. Ich kann nicht anders sagen, als daß ich mich darüber freue, weil er doch selbst eingesehen, daß sein Besuch besser gewesen, wenn er ihn nicht gemacht. 55 Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode (1840–1910), Enkel von Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Minister des kgl. Hauses. 56 Mglw. seine Cousine Prinzessin Marie Amalie von Baden (1817–1888), verh. 1843 William Hamilton, 11. Herzog von Hamilton (1811–1863). 57 Prinz Albert von Sachsen (1828–1902) 58 Palais der Sekundogenitur in Dresden, 1764–1770 erbaut, 1781–1927 Wohnsitz des zweitgeborenen Prinzen aus dem Haus Wettin, als erstes von Prinz Anton von Sachsen (1755–1836), ab 1827 König, und nun auch von Prinz Johann von Sachsen mit Familie. 59 Johann George Hossauer (1794–1874), preuß. Hofgoldschmied und Unternehmer in Berlin. Er richtete 1819 mit finanzieller Unterstützung von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen eine Fabrik ein, in der er die serienmäßige, maschinelle Produktion plattierter Waren aus Edelmetallen weiterentwickelte.
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Unter anderem hat er garnichts geschenkt bekommen als einen Schlafrock, den Helene schon seit Jahren für ihn liegen gehabt. Außerdem ist er an Körper und Geist so herunter gewesen, daß er garnicht hat gleich nach Wismar gehen [können], sondern erst eine kleine Erholungsreise [machen müssen] über Lyon und Genf. Ich denke, Graf Bernstorf60 wird dies wohl auch geschrieben haben, da alle Deutsche entrüstet gewesen sind, wie man ihn behandelt, wie einen Gefangenen. Es ist ihm aber ganz recht. Nun Adios, von mir schweige ich heute, denn es ist alles beim Alten, als daß ich mich doppelt verlaßen vorkomme, da Fritz auf 8 Tage fort ist nach Rostock und Wismar, um zu exerzieren. An Fritz tausend Liebes. Er geht auch einer heiteren Zeit entgegen, denn Charlotte und der Kaiser sind seelig ihn zu sehen. Deine treue Adine Luise küßt Deine Hände, und Daisy befindet sich im besten Wohlsein wie Piepen.61 Noch eine Bitte: In Sanssouci in dem Schreibtisch, welcher in meiner Stube stand, muß ich in einem Etui ein Armband haben stehen laßen, Gold mit der Inschrift Erinnerung in schwartze Emaille, und die lange schwartze Nadel, im Hut zu stecken, auf der toilette, liegen laßen. Schicke Sie mir beide.
[Anfang Juli 1842] Dein letzter Brief aus Sanssouci, meine Elis, hat mich wirklich sehr überrascht. Das konnte ich nicht erwarten, daß Du den letzten Tag zum Schreiben Zeit finden würdest. Noch muß ich ganz besonders danken, daß Du das Armband mir wieder verschaffet. Es war zum Geschenk für meine Schwägerin Marie aus Altenburg bestimmt. Auch meinen Wilhelm hast Du so liebevoll und gnädig in Dresden empfangen. Er schrieb mir gleich den andern Tag, um mir seine Freude mitzutheilen, und nun bekam ich wieder einen Brief, wo er am Sonntag bei Dir gefrühstückt, und den Mittag in Pillnitz gegessen. Er ist ganz seelig, die liebe Tante Elis zu sehen und sie in Dresden zu wißen. Deiner Schwester soll es ja immer besser gehen und sie sich erholen. Wie hast Du sie denn gefunden? Bitte sage ihr und Prinz Johann62 recht meinen Dank für die überaus gnädige Art und herzliche Weise, wie sie meinen Schnaps behandeln. Sie möchten ihn mir nur nicht zu sehr verziehen und verwöhnen. So weit die Zeitung uns Nachricht von Deinem Fritz gibt, so ist seine Reise glücklich gewesen, und seit gestern schwimmt er auf der See. Das Wetter ist hier heute ganz prächtig. In Petersburg wird er mit der größen Sehnsucht erwartet. Charlotte und Luise haben mir gleich den andern Tag ihrer Ankunft geschrieben, glückselig und doch meiner mit Wehmuth gedenkend. Ich hatte hier noch einige recht schwere Tage, wo die Manöver und Parade war. Ich sah nichts davon, nur 60 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), preuß. Gesandter in Paris. 61 Verm. Hundenamen. 62 Prinz Johann von Sachsen (1801–1873) und seine Ehefrau Prinzessin Amalie Auguste, geb. Prinzessin von Bayern.
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den letzten Tag, wo Manöver beim Ortkrug war und ein bivouac bezogen wurde, etwas was hier noch nie zustande gekommen, und also ganz neu, daher wenig erinnert.63 Außerdem war es schon mehrfach gewünscht, daß ich einmal herauskommen möchte. Sie sind es so sehr gewöhnt, mich sonst täglich beim Exerzieren zu sehen. Das Wetter war ziemlich gut, etwas viel Wind. Meinen Fritz hat das Ganze viel Freude gemacht. Heute ist nun der erste Tag, wo die Ausstellung64 von den gesammelten Arbeiten ist. Es sind 650 Stück und meist recht hübsche Sachen. Wenn nur recht viel Geld eingeht, daß die Mühe belohnt wird, und wir uns damit sehen laßen können. Von Onkel Gustav selbst kam ein Brief, ehe er abreiset. Man konnte dem Dinge anmerken, daß er nicht sehr zufrieden. Von seinem Begleiter ersehen wir überdeutlich, daß man ihn mit Ehrenbezeugung erdrückt, im Ganzen ihn aber nicht besonders behandelt, mehr wie ein Gefangener. Denn er hat von Paris buchstäblich nichts gesehen. Zweimal haben sie sich heimlich durch eine kleine Gartenthür gerettet, um allein sprechen zu können. Mir ist es auch sehr lieb, daß er unzufrieden, denn wir rechnen uns dies nicht zu. Es ist nur für seine Person. Geschenkt hat er nichts bekommen wie einen Schlafrock, den Helene schon lange für ihn liegen hatte. Vielleicht habe ich Dir dies schon alles geschrieben, dann bitte ich um Verzeihung. Übrigens wird Herr von Bülow65 bald zurück kommen und uns alles erzählen können. Für ihn ist man auch unartig gewesen. Das hat er aber zu verstehen gegeben, worauf es dann besser geworden. Nun Adios, möchte es Dir recht gut gehen bei Deinen Schwestern. Auch den Majestäten sage etwas von meiner Erkenntlichkeit für ihre Gnade für Schnaps, und daß sie ihn nicht zu viel einladen. Ich bitte sehr um Verzeihung für die Flecke im Pappier. Ich sah sie erst nicht. Von der Fürstin wißen wir noch nichts. Ob sie nach Dobbran käme. Es würde mir sehr viel Freude machen, aber mein Cottage an der See gebe ich ihr dies Jahr nicht. Deine treue Adine Schwerin, den 6ten July 1842 Meine geliebte Elis, Du bist so unendlich freundlich für meinen Schnaps. Er ist so glücklich, seitdem Du da bist. Das Herz geht ihm auf. Er schreibt uns viel öfter seitdem. Sehr komisch muß die recontre bei ihm gewesen sein mit dem Dänen Fürst,66 und auf der Flucht sind einige Schleier vergeßen worden. Es hat mich sehr amüsiert. Der arme Hamlet wird wohl von Strelitz immer fort geschickt. Man will ihn nicht da behalten. Ich 63 Die in Wismar und Rostock stationierten Infanteriebataillone und die Dragoner aus Ludwigslust führten gemeinsam mit den in Schwerin stationierten Truppen vom 17. Juni bis 1. Juli 1842 eine militärische Übung vor den Toren der Residenzstadt durch. 64 Gemeint ist eine Kunst- und Gewerbeausstellung in Schwerin. 65 Mglw. hatte Jasper von Bülow (1794–1871), seit 1837 meckl.-schw. Hausmarschall bei Großherzog Paul Friedrich, Herzog Gustav zu Mecklenburg-Schwerin auf seiner Reise an den französischen Hof begleitet. 66 Kronprinz Friedrich (VII.) von Dänemark (1808–1863).
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fürchte mich schon. Nach Dobbran kömmt er gewiß auch. Am 13ten Abends erwarten wir Onkel George mit seinem Sohn Fritz in Dobbran. Er bleibt bis zum 17ten. Es wird ein recht trauriges Wiedersehen werden. Ich freue mich aber auf ihn. Er ist so sehr herzlich und teilnehmend. Nun muß ich Dir erzählen, daß Herr von Bülow67 von Paris zurückgekehrt ist. Onkel Gustav ist über Lyon nach Genf gegangen, wo er 8 Tage geblieben und einige Ausflüchte gemacht. Dort hat er sich angefangen zu erholen von seinem Pariser Aufenthalt. Er soll an Leib und Seele so herunter gewesen sein. Seine Nerven entsetzlich angegriffen, so zerdrückt, wie man sagt, weil er sich ganz so ganz getäuscht gefunden hat. Die Königliche Familie68 hat ihn erdrückt mit Höflichkeit. Man hat es von Hause aus darauf angelegt, ihn gleich wieder fort zu schaffen. Man hat Bülow gleich die ersten Tage gefragt, wann der Herzog wieder abreiset, und das vor ganz vornehmen Männern wie Damen. Am Onkel selbst hat die Frau des Herrn, welcher ihm beigegeben war, wo er am 8ten Tag visite machte, gesagt, er reisete wohl schon Ende Mai ab, denn ihr Mann wäre ihm nur 14 Tage beigegeben. Das hat den Onkel dann entsetzlich verletzt. Sonst von der Familie kann man nur sagen, daß sie ihn höflich behandelt. Allein, das Ganze ist unheimlich gewesen. Den 8ten. Mein Brief ist nicht weiter gekommen und nun 2 Tage liegen geblieben, denn gestern hat Fritz die Masern bekommen. Du kannst Dir denken, welchen Schreck ich bekam, und wie diese Nachricht wieder allgemein beunruhigt. Ich bin wirklich in einem Zustand, den ich nicht beschreiben kann. Allein, ich laße es mir nicht merken, denn nachdem, was ich erst durchgemacht und erlebt habe, kann man es mir nicht übel nehmen, wenn ich ängstlich bin. Ich möchte immer weinen und bete zu Gott, er möge es gnädig machen. Bis jetzt stehet alles gut. Die Masern kommen noch immer mehr heraus. Die Nacht war sehr unruhig und kein Schlaf, doch nun ist Fritz etwas ruhiger. Das Fieber ist wohl abgezogen, er fühlt sich krank und gelangweilt. Eben sah ich in sein Zimmer hinein. Er schläft. Vielleicht stärkt ihn das. Der gestrige Tag war in aller Hinsicht unangenehm. Meyendorfs69 hatten sich gemeldet, und da der Geburtstag des Kaisers war, so sollte auf dem Schloß großes Diner sein. Meine Schwägerin Marie wollte auch mit eßen, und alles hatte die Trauer abgelegt. Stattdessen wurde Fritz krank, und ich mußte Meyendorf im Greenhaus sehen, auch mit abgelegter Trauer, was mir entsetzlich schwer wurde. Den Abend nahm aber Marie sie zum Souper. Sie ist nemlich von uns abgesperrt, da sie sich fürchtet für die Masern. Sie hat sie nicht gehabt, und wird nun wohl ohne uns nach Dobbran gehen, hat aber erst bei George70 gefragt, was er bestimmen will. So sind wir alle auseinander gesprengt. Luise und ich, wir wohnen auf dem Schloß und sehen nur ein Theil unseres Hofes, da der andere bei Marie auf dem Palais ist. Eben bekam Fritz einen Brief von Onkel Gustav aus Wisbaden. Er schreibt, er wäre sehr angegriffen, und das Bad hoffte er, würde ihm gut thun, Herr von Bülow würde uns wohl schon viel erzählt haben. 67 Mglw. Jasper von Bülow (1794–1871), meckl.-schw. Hausmarschall bei Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin. 68 Die Familie von Louis Philippe, König der Franzosen (1773–1850). 69 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin, verh. 1830 Sophie Gräfin von BuolSchauenstein (1800–1868). 70 Prinz Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853).
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Er theilte meist ganz seine Ansicht und [war] wohl etwas milder. Der Herzog von Nassau71 ist nach Wisbaden, das wundert mich. Adine Schwerin, den 16ten July 1842 Meine Elis, Deine Liebe und Theilnahme, die mir immer so wohlthut, bewehret sich von neuem. Gestern Abend bekam ich Deinen lieben Brief vom 12ten. Hier geht es mit meinem Fritz recht gut. Er ist seit 2 Tagen aufgestanden, und gestern fühlte er sich schon weniger matt als den ersten Tag. Nur böses Zahnweh plagte ihn sehr. Am Abend jedoch war es besser, und die Nacht soll auch ruhig gewesen sein. Es ist bald 9 Uhr, und er schläft noch. Das ist sehr erfreulich. Deine Güte für Schnaps ist wirklich unbeschreiblich. Er fühlt sich auch so glücklich bei Dir. Wenn Du abgereiset bist, wird er sehr traurig sein. Er ist ein guter Junge, hat viel Gemüth und Herz und hängt sehr an seiner Familie, dazu rechne ich die Preußische. Von Deinem Fritz hatte ich durch Charlotte Nachricht, daß er einen halben Tag zu Bett gelegen, den Abend aber wieder wohl und munter gewesen, und sie alle göttlich amüsierte durch seine prächtige Laune. Der Erzherzog Karl72 wäre der einzige Fremde, der sie aber nicht genierte. Wo ist der Herzog von Nassau73 geblieben? Nun ist Fritz schon fort, worüber Charlotte sehr jammerte, daß es nur so wenige Tage wären, und sie ihn daher garnicht genießen konnte. Wenn Fritz zurück ist, so schreibst Du mir wohl, wie er alles gefunden, die Thronfolgerin74 und alles, alles. Es interessiert mich sehr. Und wie die Umgebung zufrieden gewesen, abgerechnet das entsetzliche Speien. Deiner Schwester danke ich herzlich für ihre Grüße, und ich freue mich, daß es beiden gut geht. Die Rede, welche Schnaps gehalten, muß einzig gewesen sein, aber wohl nicht sehr gelungen. Onkel Gustav ist doch jetzt etwas beruhigt, da Louis Philippe75 ihm eigenhändig geschrieben, sehr verbindlich, und ihm ein Geschenk in Porcelan macht. Das stopft ihm den Mund etwas, aber eigentlich bleibt es doch nur hinkend, da es eine Folge seiner Klagen und Unzufriedenheit, die er in Genf an der Bontemps76 ausgesprochen und auch an Helene geschrieben. Nun, es ist doch dies wenigstens eine Artigkeit, die bis dahin ganz abging, und man sieht, daß sie dort in Paris in Angst gerathen sind, daß man ihnen einen schlechten Nahmen macht. Ich weiß nicht, ob ich schon geschrie-
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Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905). Erzherzog Karl von Österreich-Teschen (1771–1847). Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905). Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 75 Louis Philippe, König der Franzosen (1773–1850). 76 Die ehemalige Gouvernante der Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin, Anne-Marie (Nancy) Salomon aus Genf, hatte Oberst Auguste François de Bontemps (1782–1864) geheiratet.
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ben, daß Herzog Bernhard von Weimar den großen Orden in Paris bekommen.77 Dies ist für den Onkel78 wirklich sehr empfindlich, da es ungezogen ist. Den 18ten. Gestern ging keine Post, da mußte der Brief liegen bleiben, da ich ihn nicht fertig gemacht. Heute eile ich ihn abzusenden, aber erst muß ich Dir sagen, daß hier alles ganz [nach] Wunsch geht. Fritz ist schon einen halben Tag aus dem Bett und fühlt sich täglich besser. Wie es mit Luise wird, kann die Zeit lehren. Heute scheint sie mir etwas blaß. In einigen Tagen wird es sich wohl entscheiden. Dobbran bedaure ich auch sehr, besonders da ich glaube es [für] mich gut wäre, wenn ich warme Seebäder mit Kräuter nehme, denn ich fühle mich sehr erschöpft, recht matt, was übrigens recht natürlich ist. Seit gestern sind wir recht in Besorgnis über den Unfall, welcher dem Herzog von Orleans begegnet ist. Die Verletzung am Kopf muß sehr bedeutend sein, man hat schon die allerschlimmsten Gerüchte. Helene wegen hoffe ich, sind sie ungegründet. Ich will ihr aber doch gleich schreiben. Adios. Ewig Deine Adine 9 Uhr Abend. Der Herzog von Orleans [ist] doch tot, wie schrecklich für die arme Helene.79 Es ist wieder ein Fall, der einen durch und durch erschüttert, und welch ein miserables Ende. Ein Fall aus dem Wagen, Gott gehet hart mit seinen Kindern um!!
Schwerin, den 4ten August 1842 Liebe Elis, Du wirst garnicht begreifen können, daß ich Dir noch garnicht gedankt habe für Deinen lieben Brief vom 24ten, der mir solche Freude gemacht. Nun hast Du schon dazwischen einen Aufenthalt in Schlesien gemacht, der wohl recht schön gewesen sein mag, und jetzt bist Du wohl in Berlin. Daß ich Dir nicht ehe schrieb, daran ist meine eigene Gesundheit Schuld. Die Pflege der beiden Kinder hat meine Kräfte gänzlich erschöpft, und ich bin so matt, daß ich garnicht mehr gehen kann. Ich schleiche nur so herum, und Gott allein weiß, was daraus wird. Die Ärtze haben nun fest entschieden, daß ich Sonnabend nach Dobbran gehen soll, ganz still an der See wohnen, um die Luft einzuathmen und stärkende Bäder zu nehmen. Meine Luise, die erst über 14 Tage die Masern gehabt, muß ich hier in Schwerin laßen und der treuen Pflege der guten Fräulein von Kameke. Du kannst glauben, daß ich ungern meine Pflicht verseume, bei ihr zu bleiben, bis sie mitkönnte. Allein, ich kann ihr jetzt in diesem Zustand der Schwäche garnicht helfen, und so gehe ich denn. Gott wird geben, daß es mit mir besser wird. Ich denke oft, Gott vereint mich bald mit meinem lieben Paul. Doch ich wünsche nichts, ich
77 Herzog Karl Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach (1792–1862) war Mitglied des Königlich Französischen Ordens der Ehrenlegion, mglw. ist die Verleihung des Großkreuzes gemeint. 78 Herzog Gustav zu Mecklenburg-Schwerin. 79 Der frz. Thronfolger Herzog Ferdinand Philippe von Orléans (1810–1842) war am 13. Juli bei einem Kutschenunfall in Sablonville gestorben.
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ergebe mich in seinen Willen. Mehr kann ich nicht. Hopfgarten80 ist heute aus Petersburg gekommen. Luise und Charlotte schreiben beide recht erschüttert über den Tod des Herzogs von Orleans. Leb wohl. Ewig Deine Adine [Heiligendamm] Cottage, den 13ten August 1842 Meine theure Elis, zwei liebe Briefe erhielt ich hier hintereinander. Wie danke ich Dir, daß Du mir so liebevoll von Erdmannsdorf geschrieben, wo Deine Zeit gewiß auch recht in Anspruch genommen war, und nun wirst Du Dich bald zur Abreise nach dem Rhein rüsten. Du kömmst garnicht zur Ruhe. Durch Herrn von Reitzenstein81 wirst Du hören, wie es mir geht. Eigentlich kann ich es nicht rühmen, denn meine Beine sind noch ganz matt. Wenn es auch einen Tag besser geht, so ist es den anderen weniger gut. Sonst die Seeluft ist so prächtig stärkend, und ich habe das Glück gehabt, solange ich hier bin, was 8 Tage ist, daß immer das schönste Wetter ist. Dann sind viele angenehme Damen, die hier draußen wohnen. Meine Schwägerin Marie besucht mich täglich 2 Mal. Heute blieb sie den ganzen Tag hier, und da ich mich besser fühle, so ist es mir recht. Ich glaube, ich habe den letzten Brief recht melankolisch geschrieben, aber ich bin es manchmal recht sehr. Doch wenn ich mich besser fühle, ist das auch weniger. Man meint, ich sehe garnicht krank aus. So kann ja noch alles gut werden. Wie lange ich hier bliebe, weiß ich nicht. Es war so eine flüchtige Idee, daß ich im September eine kleine Reise machen möchte, um mich zu zerstreuen. Wenn ich aber nicht gehen kann, und man es mehr wünscht, daß ich länger hier bleibe, so ist mir das auch ganz recht, denn es ist wirklich himmlisch hier. In Dobbran selbst ist es zu traurig für mich. Ich bin auch noch nicht in meinem Haus gewesen, weil ich fühle, ich hielte es nicht aus. Ich habe nur Marie und Fritz besucht, und [bin] in einige Läden gegangen, weil ich für Onkel George etwas kaufen wollte. Gestern war dort die Silberne Hochzeit. Wie ganz anders wird dieser Tag dort gefeiert worden sein als in Petersburg. Dort die zährtlichste Liebe und das größte irdische Glück, und alle Kinder lebend noch. Hier war wohl Achtung, aber nie Liebe, und jetzt Kummer und Leid in der Familie durch die Heirath von Lilli und den Tod der armen Luise.82 Leb wohl, mehr kann ich nicht. Deine treue Adine
80 Carl Anton Ulrich Ernst von Hopffgarten (1797–1862), meckl.-schw. Flügeladjutant. 81 Karl Freiherr von Reitzenstein (1797–1878), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 82 Großherzog Georg und Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von HessenKassel-Rumpenheim, feierten am 12. Aug. ihre Silberhochzeit. Ihre ältere Tochter Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz (1818–1842) war am 1. Febr. verstorben, die zweite Tochter Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876), war unglücklich in der schwierigen Ehe mit dem dänischen Thronfolger Friedrich (VII.).
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[Heiligendamm] Cottage, den 27ten August 1842 Meine theure Elis, wie viel muß ich Deiner gedenken bei dieser Hitze und Staube. Wie Du wohl angegriffen sein wirst, wenn es Dir nur nicht schadet. Ich glaube, niemand ist zufriedener mit dem Wetter als ich, die hier am kühlen Strande wohnet, wo die Luft so erquickend und belebend ist. Du glaubst nicht, wie ich mich erholt. Ich kann schon ziemlich weit gehen, zwar langsam, obgleich doch noch immer eine Schwäche in den Füßen bleibt. Was mich auch hindert, eine Reise zu machen, denn ich würde sie nicht genießen können. Besonders wenn es in einer Gegend mit Bergen wäre, was eigentlich die Idee war, nach Schlesien, um Tante Wilhelm und Mariechen83 zu sehen, auch Marianne. Ich kann auch vor dem 16ten September nicht fort, da am 12ten die Tante von Strelitz mit Lilli hier her kömmt auf ihre Durchreise nach Lübeck, den 13ten hier bald dann nach Schwerin gehen, wo ich nicht mitgehe, sondern erst am 14ten, wenn sie fort sind. Den 15ten, der sonst so ein schöner glücklicher Tag für mich war, und nun in Trauer verwandelt [wurde], werde ich still für mich zubringen und an seinem Sarge. Wie viel solche frohe Tage sind nun mit tiefer Trauer bedeckt! Also würde dies meine Abreise sehr verspäthen, und dann finde ich es recht unbescheiden in den letzten Tagen, die die Tante mit Mariechen noch recht ungestöhrt sein kann, mich da hinein zu drängen. Nun ist im Vorschlag, nach Rügen zu gehen, doch ich schäue alles, wenn ich nicht still zu Haus bleiben kann. Marie und George84 werden wohl bis im November bleiben, was mir sehr lieb ist. Ich schäue mich sehr vor dem Winter. Manchmal denke ich, kann es nicht überleben, wenn alles wieder in dem stillen, gleichmäßigen Treiben kommt, und alles, alles anders ist. Doch ist es so weit, dann geht es doch wieder. Nun leb wohl, ich möchte Dich wohl bitten, ob Du die Gnade haben willst, und diesen Brief an Fritz schicken. Ich denke, er kömmt schneller durch Deine Hand ihm zu. An Deinen Fritz viel tausend Schönes. Deine treue Adine [Heiligendamm] Cottage, den 6ten September 1842 Meine theure Elis, durch die Nachrichten in der Zeitung folgen wir Euch nach und ersehen, daß der gut Dicke am Fuß leidet. Was kann es sein? Doch nicht Podagra, und grade dort, wo man ihn so gerne sehen will. Wie es Dir nur geht? Wenn es mit Fritz nichts zu sagen hat, so wird Dir diese kleine Unterbrechung, wodurch Ruhe entstanden ist, so recht wohlthätig gewesen sein. Denn Du mußt ganz erschöpft sein, und ich bin bange, daß es Dir schaden kann. Eben brachte man mir die Zeitung, und ich sehe, Fritz ist besser, hat Parade und Ball mitgemacht. Nun, Gott sei Dank war es nichts bedeutendes. Die Feier
83 Prinzessin Marie von Preußen (1825–1885), heiratete im Okt. 1842 Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864). 84 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862).
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zur Grundsteinlegung85 denke ich mir, wird recht schön gewesen sein. Deine Schwester Luise ist bei Dir. Das wird eine rechte Freude sein. Meine Schwester Luise kömmt den 8ten an, wie sie mir aus Stettin schreibt. Ihre Seereise soll prächtig gewesen sein. Sie hat mir am Bord vom Bogatir geschrieben, schon ein Zeichen, wie ruhig die See gewesen sein muß. Dies kann man weniger von den letzten Tagen sagen, wo ein starker Sturm war und die See so brauste, daß ich davon in der Nacht aufgewacht bin. Heute hat sie sich beruhigt. Meine Reise nach Schlesien habe ich aufgegeben, ebenso die kleine Ausflucht nach Rügen. Marie bleibt noch bei mir und vielleicht bis gegen Weihnachten, wenn nicht die Vermählung von der Prinzessin von Altenburg im Herbst ist, worüber noch nichts bestimmt scheint.86 Vielleicht werde ich aber nach Dresden [reisen], um Wilhelmchen zu sehen. Und dabei möchte ich Euch, Ihr Lieben, in Berlin oder Potsdam auch einen oder zwei Tage sehn, aber nicht in die Vermählungsfeierlichkeiten fallen,87 noch in die Abschiedstage. Daher habe ich noch nichts über die Zeit festgesetzt, nur vorläufig Anfang Oktober. Vielleicht bist Du so gut und schreibst, wann Du Zeit dazu hast oder läßt durch eine Hofdame schreiben, wann ehe es Euch am passendsten wäre, auf der Hin- oder Rückreise von Dresden. Lange würde ich nicht bei Euch bleiben können wegen Marie, die in Schwerin zurückbleibt, mir diesen Besuch aber sehr gönnt. Adios, ewig Deine Adine Hast Du die Gnade, beide Einlagen zu besorgen, den Brief von Helene an Luise habe ich vergessen mit einzulegen. Ludwigslust, den 4ten Oktober 1842 Meine liebe Elis, morgen früh werde ich meine Reise antreten und eile noch vorher, Dir zu danken für Deinen lieben Brief aus Brühl. Mir war es nur unbegreiflich, daß Du noch Zeit dazu finden konntest, denn Luise88 machte mir eine Beschreibung von dem Treiben, und ich konnte es auch ziemlich aus den Zeitungen entnehmen. Das muß etwas Enormes gewesen sein. Mich erfreute aber sehr der große Entusiamus, der überall war. Möge er nur die Treue und Liebe immer fester in den Herzen der Preußen begründen. Auch freute ich mich zu hören, daß es Dir unbegreiflicherweise gut gegangen ist mit Deiner Gesundheit. Möge Dich Gott ferner behüten. Morgen ist auch die Vermählung von Mariechen.89 Das wird einzig sein. Darf ich nun von meinem Plan sprechen, also werde ich am 6ten nach 85 Grundsteinlegung des Kölner Doms am 4. Sept. 1842 durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und den Koadjutor des Erzbischofs von Köln, Johannes von Geissel (1796–1864). 86 Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1818–1907) heiratete am 18. Febr. 1843 Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819–1878). 87 Prokurative Vermählung von Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889) mit Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864). 88 Verm. Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 89 Prokurative Vermählung von Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889) mit Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864).
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Leibzig kommen mit der Eisenbahn von Magdeburg, und wenn ich zu fatiegiert bin, da bleiben, dann mit der Eisenbahn über Leibzig nach Dessau, und Friederike meinen Besuch machen. Ich weiß nicht, wann man dort ankömmt. Wäre es früh, so ginge ich den Abend noch bis Berlin. Sonst bleibe ich die Nacht und komme den 11ten mit dem ersten Zug nach Potsdam, würde den 12ten bleiben und den 13ten wieder abreisen. Fritz wird es mir nicht schlecht auslegen, wenn ich seinen Geburtstag nicht bleibe. Erstlich wegen meiner Trauer, und zwar nicht wegen der Äußern, sondern wegen der wirklich inneren kann ich mich nicht an solchen frohen Tagen zeigen. Es ist mir zu schmertzlich, und ich bin stöhrend, weil der Schmertz oft so heftig ausbricht. Auch will ich meine Schägerin Marie nicht lenger als 8 Tage hier allein laßen. Nun leb wohl. Sollten Dir die Tage nicht passen, so schreibst Du es mir nach Dresden, wo ich vom 7–10 Morgens bin. In Dresden denke ich an einem der Morgende einen Besuch Deiner Schwester, der Königin,90 zu machen, aber wegen meiner Trauer nichts weiter anzunehmen. Leb wohl, meine theure Elis, heute ist der Geburtstag von Albert, - was wird daraus werden? Deine treue Adine Dresden, den 8ten Oktober 1842 Meine theure Elis, Du wirst Dich wundern, schon wieder einen Brief von mir zu bekommen. Es ist aber, um mich nun bestimmt anzumelden. Ich werde am 9ten in Leibzig die Nacht zubringen, den 10ten morgens mit dem ersten Zug nach Dessau. Wie ich höre, komme ich da schon um 9 Uhr morgens an, bleibe da 3 Stunden und gehe mit dem nächsten Zug bis Berlin, wo man um 7 Uhr Abends sein soll. Dann würde ich bitten, dort die Nacht bleiben zu können, um mich auszuruhen, und den 11ten zum ersten Frühstück, wenn die Eisenbahn so passet nach Sanssouci kommen. Von hier kann ich Dir die besten Nachrichten geben, Deine beiden Schwestern sind bis auf etwas Schnupfen wohl, die Königin91 ist viel, viel stärker geworden, was ihr sehr gut stehet. Und Deine Schwester Amelie hat sich so erholt. Ich finde sie besser aussehend wie vor 2 Jahren, wo sie so gelb aussah, ihre Farbe ist so gut. Leb wohl. Also auf wieder sehen. Deine Adine Beinah hätte ich die Haubtsache vergessen. Ich werde George92 von Altenburg mitbringen, der sehr wünschte, seine Aufwartung bei Dir und Fritz zu machen, und den ich beredet, mich gleich zu begleiten, da er doch zu uns nach Meklenburg kommen wollte. Da Du seine schwachen finance Verhältnisse kennest, so bitte ich, daß man keine Umstände mit ihm macht, aber doch, daß er in Berlin wie Potsdam oder Sanssouci im Schloß wohnen darf, weil das weniger kostet als im Wirtshaus. Es ist wohl sehr impertinent, daß ich so aufrichtig schreibe. 90 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 91 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 92 Prinz Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853).
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Ludwigslust, 20ten Oktober 1842 Meine liebe Elis, ich hatte so viele alte Sünden abzutragen, nehmlich im Briefe schreiben, daß ich erst heute dazu komme, Dir meine liebe Elis, zu schreiben, wozu es mich schon lange zog. Wie leid war es mir, nicht länger in Sanssouci bleiben zu können. Bei Dir und Fritz ist es mir immer sowohl, obgleich diesmal der Aufenthalt mir sehr verleidet wurde durch die Bumsfelder93 Geschichte. Wie mag es nun damit stehen? Gott, es ist zu traurig. Wenn mich etwas nach dem Tode von Paul noch tief betrüben konnte, so ist es dieses. Es ist dies ein Schmertz, der auch recht tief eindringend [ist], weil es Schande über unser Haus bringt und Zwist. Ich schrieb noch an Wilhelm, er möchte Abat milder behandeln, anders kömmt er nicht zur Besinnung. Er wird sonst noch halsstarriger. Wenn man ihm aber Zeit läßt, man muß ihn wie einen Kranken behandeln, und dann späther liebreich zureden, dann giebt er sich, vielleicht. Hier in meiner Ruhe muß ich soviel daran denken, und ich fange an zu glauben, daß Albert wirklich Recht hat, da er doch so ganz bestimmt dabei bleibt. Oder sollte es wirklich eine Einflüsterung sein von Andern? Ich kann es mir kaum denken, daß es so schlechte Menschen giebt. Ach, man weiß nicht, was man glauben, was man hoffen soll. Es bleibt beides schrecklich. Hast Du schon Nachrichten aus München, seit der wirklichen Vermählung,94 wie es Mariechen geht? Die Zeitung studiere ich fleißig, um alles zu wißen, was sich zuträgt. Danach hat sie sehr gefallen, was ich mir recht denken kann. Die Weimarschen Schwägerinnen werden auch nach Weimar gehen, um ihren Bruder mit der jungen Frau einziehen zu sehen.95 Luise schreibt, sie sei seelig, sich fetieren96 zu laßen und in ihrem Schmuck und Kleidern zu wählen. Auch waren die Eltern ganz gnädig. Luise schmeckt es im Haag nicht sehr nach Petersburg und dem Rhein. Es mag wohl ein kleiner Unterschied sein. Wir haben hier jetzt ein ganz bewegtes Leben. Die Jagdten werden einen Tag um den andern gehalten. Dazu sind zwar nur wenige Herrn aus dem Lande gekommen, aber wir eßen alle zusammen um 6 Uhr. Fritz wünschte es, und ich sehe ihn sonst garnicht. Am 15ten war ganz großes Diner hier, alle Damen und Herren mit Musik, wobei ich aber nicht erschienen bin. Fritz seine Gesundheit wurde mit Trompeten Schall begleitet. Ich aß oben in meinem Zimmer mit Fräulein von Kamecke und trank von Herzen auf das Wohl meines lieben Bruders. Möge ihm Gott beistehen, besonders in dieser Zeit, wo die Landstände versammelt, damit er den rechten Weg ergreife.97 93 Gemeint ist das eheliche Zerwürfnis zwischen Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, und deren außereheliche Beziehungen. 94 Nach der prokurativen Vermählung in Berlin folgte die katholische Trauung von Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864) und Prinzessin Marie von Preußen (1825–1885) am 12. Okt. in München. 95 Erbgroßherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901) hatte am 8. Okt. in Den Haag Prinzessin Sophie der Niederlande (1824–1897) geheiratet. 96 Frz. = feiern. 97 Der verfassungspolitische Weg, den Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zeitlebens für sein Königreich suchte, sollte zwischen konstitutioneller Monarchie und bürokratischem Neoabsolutismus verlaufen und auf einer Ständeversammlung als Beratungsgremium des Monarchen beruhen.
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Den 21ten. Ich will meinen Brief nur schnell zumachen, und Dir lebe wohl sagen. Heute ist ein prächtiger Morgen. Wie schön muß es in Sanssouci sein, wo die Wasser aber noch nicht springen, wie mir Fritz schrieb. Es war unbeschreiblich lieb von ihm, mir gleich am 15ten selbst zu antworten. Adios, Adios! Deine treue Adine Von fremden Reisenden hörten wir noch nichts.
Ludwigslust, den 27ten Oktober 1842 Meine liebe Elis, so viel Freude mir Dein Brief machte, so betrübte er mich auch, denn es ist eine trübselige Geschichte, die wirklich zu traurig ist, da man kein erträgliches Ende davon absieht. Gott wie muß er aber unglücklich sein, wenn er Gewißheit hat. Doch ist es mir unbegreiflich, daß er nicht milder gestimmt ist. Er kann ja bei seinem Entschluß bleiben, nur nicht so liebloß sein. Gott, welch eine Schande für sie, und welch eine Schande für beide Häuser. Daß ihm dies so gleichgültig ist, ist mir unfaßlich. Nun schreibe ich Dir auch noch davon, und Du hörst ja leider nur zu viel davon. Doch muß ich noch eine Idee mittheilen, die mir gekommen ist. Es war doch die Rede davon, ihr beide Kinder zu nehmen. Ob man ihr nicht die Töchter mitgeben wollte,98 wie es Papa gethan, als Tante Cumberland als Prinzessin Solms damals fortging?99 Da blieb Friederike mit ihr, bis alles nach Preußen flüchtete. Es wäre doch milder, obgleich ich glaube, ihr nicht sehr viel darangelegen ist, da der kleine Abat100 nicht mit dabei ist, und dies geht natürlich auf gar keinen Fall. Kein Prinz und die 3 Jahr sind lang. Bis dahin wird sich wohl etwas anderes finden, was mir weniger lieb, da da noch keine Existens ist, spätherhin erst 2 Aussichten, oder auch keine, die Familie mir sehr zuwider ist, foller Intriegen. Ich laß in der Zeitung ihre Ankunft in Berlin. Du wirst Dich auch nicht sehr gefreut haben darüber.101 Wir führen jetzt hier ein sehr eigenthümliches Leben. Die Jagdttage aßen wir um 5 oder 6 Uhr, haben dadurch einen unendlich lange Vormittag und gar keinen Nachmittag
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Die Prinzessinnen Charlotte (1831–1855) und Alexandrine von Preußen (1842–1906), Töchter des Prinzen Albrecht von Preußen. 99 Nach dem Tod des Prinzen Friedrich Ludwig von Preußen (1773–1796) hatte seine Witwe Prinzessin Friederike von Preußen, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1778–1841), den Prinzen Friedrich Wilhelm zu Solms-Braunfels (1770–1814) geheiratet und Berlin Richtung Ansbach verlassen. 100 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906), Sohn des Prinzen Albrecht von Preußen. 101 Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1787–1867) und Landgräfin Louise Charlotte, geb. Prinzessin von Dänemark (1789–1864). Vermutlich ging es um die Aussichten ihrer jüngsten Tochter Prinzessin Auguste (1823–1889), die aber erst 1854 Baron Carl Frederik von Blixen-Finecke (1822–1873) heiratete.
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noch Abend. Denn um 9 Uhr trinken wir 5 allein Thee und sind dann so müde, als wenn wir mitgejagt hätten, daß um 10 Uhr keine Spur von uns über geblieben ist. Wir hatten einen Tag ein kleines gutes Diner beim Onkel Gustav, von 5–8 ½ Uhr. Etwas lang, wir waren aber ganz heiter, so daß wir die Länge nicht bemerkten. Bei all dieser Heiterkeit, welche mich umgiebt, schleicht immer ein wehmüthiges Gefühl in mein Herz, was so scharf absticht. Indeßen hier geht es noch, weil Paul hier so selten mit uns war. Ich kam sehr oft allein herüber und sah dann Leute bei mir. Aber Schwerin, daß weiß ich nicht, wie es sich machen soll, und doch habe ich Sehnsucht dorthin, nach der Trauerstelle. Doch nun nichts mehr, mein Brief ist kurtz, leb wohl, Deine Adine Heute ist der Todestag von Elisa.102
Freitag-Sonnabend, Ludwigslust, den 29ten Oktober 1842 Schon wieder einen Brief, wirst Du sagen, geliebte Elis, wenn mein schwartz gerandetes Kuvert in Deine Hände gelegt wird. Diesmal ist es Deine Gefälligkeit, die ich in Anspruch nehme. Du hast so einen vortrefflichen Mahler,103 der das Innere der Zimmer aufnimmt. Ich glaube, es ist derselbe, welcher die Zimmer im Palais von Papa gemacht. Diesen wünschte ich sehr, wenn Du ihn veranlaßen könntest, hier her zu kommen. Ich möchte mehreres gemahlt haben, 8–10 Gegenstände. Er würde freie Wohnung bekommen und Eßen. Bis zum 10ten November bleiben wir hier, da könnte er mit hier beginnen. Vielleicht bist Du so gut, mir erst seinen Nahmen zu nennen, und dann, ob er es angenommen, und wann wir ihn hier erwarten können, und wie viel er für ein Zimmer nimmt. Das sind eine Menge Fragen, wie langweilig wirst Du sagen. Ich kann aber nicht helfen, denn es liegt mir viel daran, diese Zimmer zu haben, weil es mehrere von Paul sind. Nun leb wohl, tausend Liebes an Fritz und den Geschwistern, wenn sie schon zurück sind. Deine alte Adine Ludwigslust, den 4ten November 1842 Meine theure Elis, Du bist wirklich die Güte selbst, mir so oft zu schreiben. Wegen des Mahlers Kloß, ich sehe seiner Ankunft mit Ungeduld entgegen. Bis Donnerstag, den 10ten sind wir noch hier, dann gehen wir nach Schwerin zurück, was mir unbeschreiblich lieb ist. Ich sehne mich dorthin. Für Dich, meine Elis, fängt auch an eine trübe Zeit näher zu rücken. Wie wird Dir das vergangene Jahr mit aller seiner Trauer so deutlich vor der Seele treten und Du Dir jeden kleinen Umstand zurückrufen, wo und wie Deine 102 Prinzessin Elisa Radziwill (1803–1834). 103 Friedrich Wilhelm Klose, gen. Kloß (1805–1875), Berliner Landschafts- und Architekturmaler, dessen Spezialität Zimmerbilder waren.
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Mutter noch war. Du wirst sie von neuem beweinen, und eigentlich beweint man sich selbst nur, denn die Verklährten kann man nicht zurückwünschen in diesem Leben von Jammer und Trübsal. Sie sind die Glücklichen, die erlösten. Wir, die wir hier noch ohne sie sein müßen, ohne ihre Liebe ferner leben, wenigstens unmittelbar nicht von ihrer Liebe umgeben, und müßen so viel Kummer noch zum eigenen Leib hinzugefügt tragen. Die Sache mit Albrecht-Marianne ist so etwas trauriges, so schrecklich traurig, daß sie mich immer fort verfolgt. Es freut mich nur, daß der Olle104 aus Neudek105 einsieht, daß es nicht so geht, wie er es sich gedacht. Vielleicht bringt seine Ankunft noch besseres hervor, denn er wird doch Vernunft annehmen und kann dann weiter wirken. In Berlin ist man denn vom kleinsten Umstand unterrichtet, und wirklich ganz der Wahrheit getreu. Frau von Thilau (Jagow),106 welche mich besucht hat, hat es an Fräulein Kameke erzählt, mit der allein spreche ich darüber. Sonst kommt es nicht über meine Lippen. Leb wohl, leider muß ich hier schließen, aber wir sind zum Kaffee ausgebeten, und es ist ¾ 7 Uhr. An Fritz tausend Liebes und an Caroline.107 Deine Adine Schwerin, den 14ten November 1842 Meine geliebte Elis, eben verläßt mich der Mahler Kloße,108 welcher gestern Abend angekommen ist. Morgen wird er sich an der Arbeit machen. Ich danke Dir daher von Herzen, mir dieses Männlein geschickt zu haben, denn er wird mir manche traurige Gegenstände festhalten, die in einigen Jahren nicht mehr bestehen. Gestern gedachte ich Deiner in tiefem, traurigem Mitgefühl. Es wird für Dich ein schrecklicher Tag gewesen sein. Hier war er auch nicht erfreulich, denn Fritz hat zum ersten mal ein ganz großes Diner auf dem Schloß, an der Schweriner Gesellschaft, woran ich natürlich nicht theil nahm. Aber allen Menschen war das Herz entsetzlich schwer, denn es war im selben Local, wo am 23ten Februar das letzte Fest war, woran Paul theilnahm. Wie es mir wieder schwer wird, hier zu sein, kann ich nicht sagen. Ich kann es kaum ertragen, und fühle mich auch nicht wohl, doch das ist vorübergehend. Dabei ist melankolisches Wetter, grauer trüber Himmel, Regen und Sturm. Dies passet alles besser zu mir, als die geräuschvolle Zeit in Ludwigslust. Sie schnitt mir in der Seele und doch wurde ich mit fortgerißen. Ich kann garnicht beschreiben, wie mir da zu Muth war, so ein zerrißenes Wesen. Hier habe ich nur ein Gefühl, die schwere Zeit, der Schmertz und Kummer, der mich erfüllt, daß stille 104 Gemeint ist der sich seit 1840 „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennende abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). 105 Herrschaft und Schloss Neudek in Böhmen. 106 Luise Juliana Friederike Sophie von Thilau, geb. von Jagow (1802–1886). Ihre Mutter Luise von Jagow, geb. von Heynitz, war Hofdame der Königin Luise von Preußen (1776–1810) und Oberhofmeisterin der Prinzessin Augusta von Preußen (1811–1890) gewesen. 107 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854) war seit dem 31. Okt. zu Besuch. 108 Friedrich Wilhelm Klose, gen. Kloß (1805–1875), Berliner Landschafts- und Architekturmaler, dessen Spezialität Zimmerbilder waren.
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dumpfe Hinleben. Hier finde ich mich wieder, hier bin ich gesammelt. Der Rückblick auf Ludwigslust ist mir unheimlich, peinlich. Ich möchte die Zeit aus meinem Leben wegwischen können. Es kommt mir vor, als wenn ich da eine große Sünde begangen hätte. Das schreibe ich Dir, und schreibe als wenn ich zur Beichte ginge. Es thut mir aber so wohl, wenn ich mich aussprechen kann. Es wird mir dann alles klahrer, und ich fühle mich leichter. Du bist so engelsgut und hörst mich mit unbeschreiblicher Geduld an. Du hast mich so verwöhnt durch Deine Liebe, da mußt Du nun leiden, und ich plage Dich mit meinen Briefen und Klagen. Jetzt in Charlottenburg zu wohnen, wird Dir ganz lieb sein, in Deinen hübschen Stuben comfortabel établiert. Da kann man mit Ruhe das Weltgetümmel mit ansehen. Karoline109 bleibt auch wohl eine Zeit. Meine Schwiegermama hat sich nun entschloßen, den Winter in Paris zu bleiben, wo sie Helene von Nutzen und Trost sein kann. Gott, die arme Helene, nur bei Gott kann sie Trost finden, wie wohl eigentlich jeder Mensch. Allein, der Himmel giebt doch auch manchen den Vorzug, in anderen Dingen in manchen äußeren Verhältniß Beruhigung zu finden, wie mir ja selbst bei meinem großen Verlust die Freude geblieben ist, in meinen Kindern Trost zu finden inmitten eines treuen Volkes zu leben. Wie mag es nun bei Abats stehen? Es muß bald sein Ende erreichen. Dies ist doch auch ein Kummer, so etwas in seiner Familie zu erleben. Leb wohl, meine Elis, habe Nachsicht mit meinem Brief, und denke in Liebe Deiner alten Adine Von Wilhelm habe ich noch immer gute Nachrichten, vielleicht laßen ihn die Masern unbeachtet. Freitag, Schwerin, den 18ten November 1842 Meine theure liebe Elis, ich drücke Dich mit der innigsten Liebe an mein Herz und bete zum Himmel für Dein Glück. Möchte es Dir der 19te November geben, vor allen Dingen erhalte der Himmel Dir Dein häusliches Glück. Geschieden von dem, was einem das Theuerste auf Erden ist, da hört das Glück auf, wenn auch das ferne Leben noch manche Freude bringt. Wie Dein Geburtstag wohl in Charlottenburg gefeiert wird? Ich kann es mir nicht denken. General von Brandenstein,110 der heute bei uns war, wußte auch nichts davon. Ich wollte Dir eine Kleinigkeit von hier schicken, allein, es giebt in diesem Augenblick garnichts. Die Kaufleute erwarten erst neue Sachen. Vielleicht haben die Geschwister meiner gedacht bei der Wahl ihres Geschenkes. Ob Bumsfelds sich bei Euch treffen werden? Fritz hat sie neulich beide düchtig vorgehabt, wie ich höre. Und sie haben sich gesehen. Er ist gar zu ihr gegangen. Das Ende wird sein, daß jeder seinerseits reiset, und der Rückweg der Aussöhnung nicht ganz abgeschnitten wird. Das wäre doch wenigstens 109 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854) blieb tatsächlich länger und richtete sich in einem Appartement im Schloss Sanssouci ein. 110 Joachim von Brandenstein (1790–1857), preuß. Generalmajor a.D. und Oberstallmeister, war auch meckl.-schw. Kammerherr.
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etwas. Glaube mir, die Ankunft des Ollen111 war gut. Er mußte ja einsehen, wie die Sachen wirklich standen. Charlotte schreibt mir auch recht unglücklich darüber. Luise bedauere ich, die sie nun den ganzen Winter besitzen wird. Darf ich auf etwas aufmerksam machen? Macht es Marianne nicht zu leicht. Sie muß noch lange fühlen, wie sie unrecht gehandelt hat. Wie ihr Karakter ist, wird sie alles nur zu schnell hinter sich werfen und denken, es ist vergessen. Dies vergißt sich nicht so leicht, und in der Welt noch lange nicht. Für heute leb wohl. Ach, die Verlobung der Prinzessin Marie von Baden mit dem Marquis von Douglas, wie wundert mich das.112 Der arme kleine Fürstenberg.113 Für ihren Karakter spricht dies nicht. An Fritz tausend Liebes. Deine treue Adine Schwerin, den 29ten November 1842 Meine geliebte Elis, seit ich Deinen lieben Brief vom 20ten November habe, habe ich recht viel Nachricht von Berlin durch Herr von Rantzau.114 Wilhelm schrieb mir, daß Albert nun endlich vernünftig wird und Scheidungsgedanken aufgegeben, und Marianne mehrere Male besucht, und zuletzt ihr gesagt, nach einigen Monaten sie wiederzusehen. Gott, wenn sie sich doch wieder vereinten, wie wollte ich dem Himmel auf den Knien danken. Doch abgereiset ist noch keiner und öffentlich zeigen sie sich wohl nicht zusammen. Das wäre sonst vielleicht recht gut. Herr von Rantzau war sehr glücklich über die gnädige Art, wie er in Berlin empfangen und behandelt worden ist. Denn seit 5 Jahren sah man ihn kaum an, so war es auch hier. Ach, der Tod löset alle Banden, erst haben wir ihn lange den Morgen behalten, und den Abend war er allein bei uns zum Thee en famille. Ach Gott, es ist ja so trauriges, was er nun zu erzählen hat. Alles irdische Glück und Größe ist für Helene hin, nicht bloß ihr Herz ist gebrochen, sondern auch ihr Stolz, und davon ist schwerer genesen. Denke Dir, die liebe Tante Wilhelm hat mir von Hohen Schwangau geschrieben, natürlich glückselig über Mariechen und Max,115 welche sich unendlich liebten, und wie er so außerordentlich liebevoll für sie wäre und sie eigentlich nicht fortlaßen wollte. Der Winter wäre dort auch hart eingetreten, obgleich den einen Tag sie noch im Grünen gewesen und auf dem See gefahren. Den andern Tag sind sie im Schnee begraben gewesen. 111 Gemeint ist der sich seit 1840 „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennende abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). 112 Prinzessin Marie Amalie von Baden (1817–1888) heiratete am 23. Febr. 1843 William Douglas, 11. Herzog von Hamilton (1811–1863). 113 Verm. Prinz Karl Egon (III.) zu Fürstenberg (1820–1892), verh. 1844 Prinzessin Elisabeth Henriette Reuß (1824–1861). Seine Eltern waren der erste badische Standesherr Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg (1796–1854) und Prinzessin Amalie von Baden (1795–1869). 114 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 115 Kronprinz Maximilian II. Joseph (1811–1864) und Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889) hatte im Okt. geheiratet.
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Jetzt werden sie beinah schon in Berlin sein. Es hat mich sehr amüsiert, in der Zeitung zu lesen von der Ankunft von Adalbert in Brasilien.116 Von der Fürstin findet man nichts in der Zeitung, aber was Du mir schreibst von ihren Reiseplänen nach Neapel finde ich ganz himmlisch. Recht zu beneiden, wenn sie es nur recht zu genießen weiß und hernach noch Freude an der Reise hat, wenn sie in Berlin ist. Es gibt so viele Menschen, die keinen Genuß von Reisen haben, wie sind die zu beklagen. Der Tod des armen Herrn von Bronikofsky117 hat mich recht frappiert. Er war ein sehr hübscher Mann, ich erinnere mich seiner sehr wohl. Mein Fritz ist seit Sonntag in Redefin zur Jagdt und kömmt Mittwoch Abend wieder. Die Abreise von George und Marie118 rückt immer näher und ich sehe der Zeit mit rechter Trauer entgegen, denn sie sind beide so angenehm und lieb im Umgang, und um ihrenthalber reißt man sich heraus, um daß es nicht langweilig ist. Dann wird es aber still werden, und das thut mir für die Kinder leid. Leb wohl, meine Elis, tausend Liebes an Butt und Caroline,119 die Kinder küßen die Hände. Deine alte Adine Schwerin, den 15ten December 1842 Tausend herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, meine geliebte Elis, die Nachrichten, welche Du mir gabst, waren mir sehr interessant und lieb. Vor der Welt war wenigstens ein Schritt gethan, und nun sind sie Alle fort. Es wird Dir wie den Geschwistern ein Stein vom Herzen sein. In der Welt, so wie ich gehört, verdammt man Marianne doch am meisten, denn sie sagen, wenn Albrecht auch unrecht gehabt, so wäre es doch einmal angenommen, daß der Mann mehr Freiheit hat. Aber eine Frau, wenn die nur ein Schatten auf ihren Ruf fallen ließe, hätte immer unrecht. Und nun käme noch das Benehmen dazu, sie hätte es bravieren120 wollen, hätte sich überall gezeigt und wäre fester aufgetreten wie je. Dies hat unendlich mißfallen. Den 16ten. Gestern konnte ich nicht weiter schreiben, denn ich bekam einen Besuch von Hessensteins, die auf ihrer Durchreise nach Berlin hier zwei Tage verweilen, und Du weißt, wenn die einmal im Erzählen kommen, ist so leicht kein Ende zu finden. Sie haben übrigens viel Unglück gehabt, denn ihr Hof von 13 Gebäuden ist ihnen diesen Sommer abgebrannt. Das Wohnhaus ist stehen geblieben, sie haben aber bedeutend verlohren.121 Ehe ich es vergeße, mein Wilhelm wird am 20ten mit der Eisenbahn nach 116 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 117 Carl Ludwig von Oppeln-Bronikowski (1766–1842), preuß. Flügeladjutant, war schon am 5. Juli in Berlin gestorben. 118 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 119 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854). 120 Frz. braver = sich trotzig verhalten, stolzieren. 121 Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Berlin, und seine Ehefrau Angelika, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1802–1852).
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Berlin von Dresden kommen, den 21ten dort verweilen, und vielleicht schon am Abend nach dem Theater, was aber ihm befohlen wird, abreisen. Nur daß er den 22ten bei Zeiten hier bei uns ankömmt. Du kannst denken, wie ich mit Freude und Schmertz zugleich seine Ankunft erwarte. Was war das immer für ein Fest für Paul, wenn Fritz zurück kam, und die Weihnacht, wie freute sich Paul dazu. Da war er so geschäftig und hatte viel Heimliches. Und jetzt kostet es mir Mühe, nur daran zu denken und Einkäufe zu machen, doch ich weiß, es wäre ganz gegen den Willen von Paul, wenn ich den Kindern nicht ihren Tannenbaum gebe. Es wird mir aber sehr schmertzlich sein. Lege mich Tante Wilhelm zu Füßen, und ich freute mich über alles, was ich von Mariechen hörte. Sie gefällt unendlich und wird von der Familie herzlich geliebt. Mir ist neulich aus Berlin eine Litographie von Mariechen nach Begas122 zugeschickt worden. Deliziös, wirklich. Ich sage Dir lebe wohl, weil ich mit Marie und George123 die letzten Tage noch etwas zusammen sein will. Montag in der Früh reisen sie ab, es ist zu traurig. Deine Adine Schwerin, den 28ten December 1842 Meine Elis, wie viel Freude hast Du mir wieder gemacht, erst, das Du mir durch Wilhelmchen geschrieben, der mir nach dem ersten Kuß gleich Deinen Brief einhändigte. Diese Überraschung der frühen Ankunft war mir unendlich lieb, denn es hob mich leicht über trübe Empfindungen fort, da ich wirklich ganz betäubt war und nur Freude empfand. Sonst war das schöne Fest für mich unendlich traurig. Ich konnte es garnicht überstehen. Ich glaubte zu vergehen in Schmertz und Thränen. Alle Freude ist für mich in Trauer verwandelt. Gott schütze Euch alle im neuen Jahr für solche Erfahrungen, und laß mich am Schluß des alten Dich und Fritz recht aus der Tiefe meines Herzens danken für alle Beweise von Liebe und Theilnahme, die ihr mir beide so in reichen Maßen habt bewiesen bei meinem großen, großen Verlust, bei meiner tiefen Trauer. Es war mir so wohlthuend in Eurer Nähe zu sein. Du weißt, meine Elis, wie ich Dich immer lieb gehabt habe, und wenn es möglich ist, liebe ich Dich nun noch mehr. Deine Liebe ist mir so wohlthätig und gehört zu meinem nun öden Leben. Dir zu schreiben gehört zu meiner Freude, zu meinem Trost. Dir kann ich so alles sagen, wie es mir ums Herz ist, Dir muß ich mich anvertrauen, kein Geheimniß habe ich für Dich. Für den Jahres Wechsel fürchte ich mich. Was hat mir das alte Jahr geraubt, mein Lebensglück. Was kann das neue bringen? Nichts, keine Hoffnung habe ich mehr, denn daß ich lebe, daß ich mich wieder unter Menschen bewege, dies alles thue ich für die Kinder, um daß die nicht alle Jugend Freude entbehren. Entbehren sie doch schon so viel, die Liebe des Vaters und seinen Schutz, und da ich nicht ausgehe, doch so manche irdische Freude. Ich kann nur beten, 122 Carl Joseph Begas (1794–1854), von den Hohenzollern geförderter Maler und Porträtist, hatte ein Porträt von Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen, angefertigt. 123 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862).
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daß der Himmel sie so erhällt, und alle anderen Menschen Glück und Freude bereitet. Dies wechselvolle Leben ist ja für uns alle nur ein kurtzer Übergang, und selbst so lange wir noch unsre irdische Hülle tragen, giebt es doch keine völlige Trennung. Denn im Geist bleibt die Seele vereint. Wir wißen, daß die Theuren uns in die wahre Heimath voran geeilt, eine Seeligkeit umfaßt, für die wir hier noch müsam kämpfen und arbeiten. Doch bricht aber das Herz unter tausend heißen Thränen, wenn die Scheidestunde naht. Nachtisch. Hier wurde ich unterbrochen, und es war vielleicht recht gut, denn ich hätte mich von neuem so ganz in meinem Schmertz verlohren. Daran bist Du Schuld, daß ich mich so gehen laße. Deine Liebe verzieht mich. Über alle Trauergefühle, die nun am Schluß des Jahres von neuem hervorbrechen und so lebhaft werden, vergesse ich für die Freude zu danken, die Du und Fritz mir gemacht durch die Weihnachtsgeschenke. Der Schrank ist wunderschön und die Mütze so allerliebst. Du hast es so ausgesucht, daß ich sie wohl schon tragen kann, und da habe ich mich gestern zu einem Diner damit geschmückt. Man fand sie allgemein wundervoll. Von Luise habe ich noch keinen Brief, seitdem der alte König und Marianne da ist. Es muß in Berlin ordentlich eine Ruhe eingekehrt sein, seitdem sie Alle fort sind. Wohin kann ich Albert schreiben? Er hat mir etwas geschenkt und will ihm dafür danken. Ach, Elis, ich fürchte, Du hast recht mit Deiner jetzigen Ansicht, und ich denke es noch mehr, da die Umgebung oft sagte, jetzt hat sie sich nichts vorzuwerfen, warum macht der Prinz jetzt Lärmen. Lebewohl, behalte lieb, Deine trauernde Adine
1843 Schwerin, den 6ten Januar 1843 Meine Elis, Wilhelmchen wollte sich nicht die Freude nehmen laßen, Dir selbst einen Brief zu bringen. Daher habe ich meine Antwort verschoben. Er wird den Sonntag in Berlin zubringen, und freut sich sehr darauf, denn er liebt Dich sehr. Du scheinst ihn aber auch sehr zu verziehen. Ihn scheiden zu sehen, wird mir wie den Geschwistern recht schwer, denn er ist immer munter und weiß was zu erzählen. Dann wird es still werden. Die armen Kinder dauern mich, denn denen gönne ich doch sehr eine kleine Aufheiterung, und ich kann ihnen darin nichts geben. Das Theater, welches nun wieder hier spielt, macht eine kleine Abwechslung. Luise habe ich auch neulich hinein geschickt. Es wurde ihr schwer, aber ich weiß, Paul wäre es garnicht recht, wenn nicht wenigstens die Kinder hingingen. Für mich ist es natürlich unmöglich. Ach, der Wechsel des Jahres war zu fürchterlich. Das kann sich niemand denken, was ich empfand. So alles zurück zu laßen, was nie wieder gegeben werden kann. Für Deine lieben, tröstenden Worte danke ich Dir von Herzen. Gott hat mir wohl noch viel gelaßen an den lieben Kindern. Fritz und Luise machen mir viel Freude, und der Himmel wird es ihnen einst lohnen. Es freut mich recht für Dich, daß Brandenburgs in Berlin sind. Grüße Mathilde1 recht herzlich von mir. Sie schrieb damals, in meiner Kummerzeit. Es freute mich so, daß sie meiner in der Ferne gedacht. Wie gerne würde ich sie einmal wiedersehen. Ach, Mathilde wird glückselig sein, mit allen Kindern einmal wieder in Berlin zu sein. Wenn die Tochter sich nur recht amüsieren [wird]. Friederike kömmt auch mit Agnes.2 Das ist mir recht lieb. Ich beredete sie dazu, wie ich in Dessau war. Es ist doch eine große Freude, wenn man so eine hübsche Tochter in der großen Welt einführen kann. Aber einen Mann schaffe ihr, das wird die gute Friedrike Dir gewiß am meisten danken. Wie es scheint, glaubt sie, daß Du ein joye3 davon hast. Der König von Hannover will nach Altenburg kommen, und schiebt es immer auf. Du kannst denken, wie sie dort in Nöthen sind. Er zeigt wenigstens deutlich, daß er die Heirath nicht mag, und quält den armen George entsetzlich.4 Das wußte ich garnicht, daß die Reise von Marianne so ein Triumphzug war. Ich dachte mir, es würde gar keinen guten Eindruck machen, daß sie jetzt alle Höfe besuchte. Mir schien es entsetzlich unpassend, so unzahrt. Luise schrieb mir, sie wäre heiter und munter wie immer. Sie hätte sich gefürchtet, daß sie bewegt sein würde beim Wiedersehen, aber Gott bewahre, auch mein Erzählen alles Vorgefallenen, kein Gefühl, sich aber frei darstellend. Das ist, was ich fürchtete. Sie geht nicht in sich. Es wird sie nicht bessern. Wen hat denn Albert mit auf seiner Reise? Manteufel ist versprochen mit der Witzle-
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Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1885). Herzogin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). Frz. = Freude. Heirat des blinden Kronprinzen Georg (V.) von Hannover (1819–1878) mit Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1818–1907).
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ben.5 Ich bin überzeugt, dieser Skandal hat ihn zum Entschluß gebracht. Er mag das Mädchen nicht dort am Hof laßen. Da werden neue Damen zu wählen sein. Der Mops ist in Ivenak,6 wie man sich hier erzählt, aber wieder zurückberufen, um das Gerede niederzuschlagen. Den Abschied hat sie bekommen, nicht wahr? Wie mag es dem Pfesser Röder gehen, der wahnsinnig ist?7 Der arme Vater ist recht zu bedauern. Nun leb wohl, tausend Schönes an Fritz, meine beiden Kinder legen sich zu Füßen. Deine treue Adine Lundi, Schwerin, den 16ten Januar 1843 Liebe Elis, mein Wilhelmchen war denn wieder seelig, seine liebe Tante gesehen zu haben, und konnte mir nicht genug von seinem Glück schreiben, bei Dir gewesen zu sein. Jetzt sitzet er und studiert wieder, wie ich hoffe, fleißiger wie bisher. Am 11ten hat er gleich einen großen Ball bei Hof mitgemacht, worauf er sich sehr freute. Bei euch in Berlin ging es ja auch hoch her mit cour und Concert, und da es in Roben war, so ist es wohl ein Stellvertreter von Polonäsenball. Der König Ernst August mit Sohn war auch mit Dessaus und Solmsens dort.8 Wie ist denn Alexander9 jetzt? Vom alten König ist es aber recht grausam, den Bräutigam nach Berlin zu schleppen, und dort mehrere Tage zu bleiben. So macht er es aber immer mit ihm, und für die Braut ist es auch nicht verbindlich.10 Es zeigt ihr garzu sehr, wie wenig er die Verbindung wünscht. Sage mal Elis, ist es denn wahr, daß der Waasa sich jetzt von seiner Frau will scheiden laßen?11 Und sie will es durchaus nicht? Marie schrieb es mir aus Altenburg. Es soll, glaube ich, in einer Zeitung stehen. Albert ist nun wohl in Rom, und ich freue mich für ihn, daß er Freude findet an den Kunstschätzen. Da scheint er doch ernster gestimmt. Ich habe rechte Furcht, daß er mit Fritz Louis12 da zusammen kömmt, und der soll dort wirklich ein betrübendes Leben führen, und böses Beispiel kann er nicht noch vertragen. Der Herr, der ihn begleitet, 5 Der spätere Adjutant des Prinzen Albrecht von Preußen, Edwin von Manteuffel (1809–1885), verh. seit 16. Jan. 1845 mit Hertha von Witzleben (1815–1879), Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. 6 Verm. Rosalie von Rauch (1820–1879). Sie war Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. Ihr wurde eine außereheliche Beziehung mit deren Ehemann Prinz Albrecht von Preußen nachgesagt. Nun war sie offenbar zu ihrer Tante Cecilie von Maltzahn, Gräfin von Plessen auf Ivenack, gereist und wurde wieder an den Hof zurückberufen. 7 Mglw. einer der Söhne von Eugen Maximilian von Röder (1782–1844), preuß. Generalleutnant. 8 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) mit Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819– 1878) und den Kindern seiner verstorbenen Ehefrau Königin Friederike von Hannover, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, aus erster und zweiter Ehe. 9 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867). 10 Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1818–1907), verh. 1843 mit Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819–1878). 11 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877), verh. mit Prinzessin Luise von Baden (1811–1854). 12 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863) lebte als preuß. General auf Schloss Jägerhof bei Düsseldorf.
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kenne ich, glaube ich, nicht. Reklam13 ist aber ein vortrefflicher Mensch. Onkel George schwelgt gewiß recht in dem Genuß der Musik. Die arme Marie hat ihn nicht begleitet. Sie durchlebt nun auch traurige Tage, am 1ten Februar starb die arme Luise.14 Aus Koppenhagen weiß man jetzt nichts. Wenigstens höre ich nichts, und das, denke ich, ist ein gutes Zeichen. Wie Du immer so gütig und liebevoll für meine Kinder bist, daß Du auch daran gedacht, Luise eine Freude zu bereiten, da sie eine solche Musik Freundin ist. Ich habe es wirklich mit Rührung gelesen. Wir haben aber auch an List15 schreiben laßen und ihn auf 1–2 Concerte uns erbethen. Ob er kömmt, wißen wir noch nicht, vielleicht frägst Du ihn danach, und dies könnte ihn noch geneigter machen. Fritz wie Luise, beide wünschen sehr, ihn zu hören, und ganz Schwerin verlangt danach. Nun leb wohl, hier ist es sehr still, und wird auch wohl nicht belebter werden. Ach, wie oft scheint es mir unmöglich, da der liebe Paul nicht mehr alles durch seine Gegenwart belebt und erheitert. Die Tage gehen so unbeachtet hin, man weiß wirklich nicht, ob man lebt. Es ist so ein Hingehen, ohne Interesse. Ich weiß eigentlich garnicht, was in der Welt passiert, wenn Fremde kommen, schäme ich mich, wie dumm ich bin. Leb wohl, denke meiner in Liebe. Deine alte Adine Auguste ist wohl sehr enchantiert über List. Schwerin, den 26ten Januar 1843 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen Brief. Du glaubst nicht, welche Freude es für mich ist, wenn man mir des Abends Deinen Brief hereinbringt. Die Post fährt vor meinen Fenstern vorbei, und da lauere ich dann, was sie mir wohl bringt. Ich freue mich auch recht, daß die Elsler16 nicht zum Geburtstag von Marie nach Strelitz gegangen ist. Es ist eine unbegreifliche Idee, da sie sich alles verbeten hatte an dem Tag, und zu den Vorstellungen von der Elsler wurde das ganze Land in contrebution gesetzt. Überhaubt, der Onkel ist in dieser Trauerangelegenheit unbegreiflich für Marie gewesen.17 Er hat sie von Anfang an erheitern wollen mit Musik, Concerte und Gesellschaften, was natürlich über ihre Kraft ging. Wie wirst Du froh sein, Deine vornehme Gesellschaft loß zu sein. In Altenburg ist der alte Ernst August sehr aimable gewesen, und er ist sehr freundlich für die Braut gewesen und hat ihr sein Bild in sehr schönem Brillanten gefaßt geschenkt, am rothen Georgen 13 Laut Rang- und Quartierliste der kgl. preuß. Armee ein Sekondeleutnant Reclam im Garde-Schützen-Bataillon in Berlin, kommandiert zum Regiment des Prinzen Albrecht von Preußen. 14 Erster Todestag von Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz (1818–1842). 15 Franz Liszt (1811–1886), Pianist und Komponist. 16 Therese Elßler (1808–1878), Tänzerin, liiert mit Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 17 Die älteste Tochter Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz (1818–1842) war ein Jahr zuvor verstorben.
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Band an der Schulter zu tragen.18 Dies sind meine Nachrichten nach den ersten zwei Tagen. Filzis bleibt wohl noch lange in Berlin. Amüsiert sich Agnes?19 Aber von Bällen bei meiner hohen Familie, habe ich noch nichts gehört, und das ist doch für die Jugend das erste Erfordernis. Da wir natürlich das Jahr an so etwas kaum denken, so suche ich es doch in der Stadt in Gange zu bringen. Ich sehe doch Menschen genug, denn jetzt, wo der Termin ist, kommen viele Herren nach Schwerin. Es ist doch etwas eigenes, was unser Stand so mit sich bringt, daß man garnicht nach seinem Gefühl und Neigung leben kann. Mir wäre es natürlich am liebsten, ganz still und einsam zu leben, aber den Kindern kann ich es doch nicht zumuthen, so gar niemand zu sehen als ihre 4 Wände. Und dann wäre es Paul seinen Ansichten so ganz entgegen. Es ist schon nicht recht, daß ich garnicht ausgehe, aber das ist unmöglich. Jetzt ist ja so die letzte Zeit, wo Paul vergangenes Jahr noch wohl und heiter unter uns war. Sein Unwohlsein, was ihm mitunter befiel, wurde wenig geachtet, da er selbst es nicht achtete. Gott, wenn man das hätte ahnen können, wie es so schrecklich endete, und wie er wohl gelitten hat. Leb wohl, behalte lieb ewig Deine [Adine] Schwerin, den 27ten Januar 1843 Liebe Elis, heute schreibe ich Dir nur ein paar Worte, um den Nahmen zu erfahren, von dem Baumeister, der in Sanssouci den Neubau geleitet hat.20 Unser alter Schloßbau soll nun wieder zur Hand genommen werden, und Fritz empfahl uns diesen Mann, als wenn er Rath ertheilen könnte. Mir wird immer ganz miserabel, wenn ich von dem Bau höre, da man auf so große Schwierigkeiten stößt und mir der Muth dann vergeht. Am Ordensfest hast Du ja den Schwanenorden angehabt.21 Nach der Beschreibung muß er sehr schön sein, und ich freue mich, daß er wirklich wieder erneuert worden ist. Weitere Bestimmungen sind wohl noch nicht darüber gemacht, ob er vertheilt werden soll? Adios, ich schreibe in großer Eile, einen Ball habt ihr gegeben, was viele Freude bereitet. Deine Adine Vendredi, Schwerin, den 3ten Februar 1843 Heute ist der Geburtstag von Mary Karl, wie mag er gefeiert werden? Nun aber, wo ich mit anfangen hätte sollen, mit meinem besten herzlichen Dank für Deinen lieben Brief.
18 Gemeint ist der 1839 gestiftete Hannoversche St. Georgs-Orden mit dunkelroter Schärpe. 19 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), und ihre Tochter Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) auf Brautschau. 20 Friedrich August Stüler (1800–1865), Architekt bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 21 Orden der Ritter Unserer Lieben Frau zum Schwan. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen versuchte den 1440 von Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg gestifteten Ritterorden zu erneuern.
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Ich zögerte mit meiner Antwort, weil ich mit Fritz sprechen wollte wegen Styler22 und dem Schloßbau. Er hat sich aber noch zu nichts entschloßen, und so geht mein Brief ohne resultat ab. Daß Du mir aber geschrieben hast, grade an dem Tage, wo Du wirklich gehetzt warst von einer Sache zur anderen, ist zu gut. Was Hetzen heißt, weiß ich jetzt hier garnicht mehr. Es geht so still und ruhig ein Tag nach dem andern hin. Wenn ich denke, wie das vorige noch anders war. Gestern Abend ist Graf Heinrich Bassewitz Schlitz mit seiner Frau gekommen zum Besuch auf einige Tage.23 Dann gehen sie nach Berlin und werden sich auch presentieren. Beide waren Paul so attaschiert. Es war mit ihm in Genf zusammen. Daher kam die Freundschaft. Alle Jahre kam er auf einige Zeit her nach Schwerin. Das freute Paul so, und ich meine, in dessen Andenken sind sie wieder hier, und das erkenne ich recht aus dankbarem Herzen. Morgen gehe ich nach Ludwigslust bis Sonntag Mittag. Ich wollte zur Kirche erst bloß hinüber. Nun ist unser guter Hofmarschall Levetzow gestorben.24 Ich glaube, Du hast ihn garnicht gesehen. Er war damals unwohl. Der wird Sonnabend beerdigt, wozu Fritz herüber geht, und da begleite ich ihn gleich. Dieser Verlust geht mir recht nahe, da er unserem Haus sehr attaschiert war. Wie ich höre, ist Wittgenstein25 ja recht krank. Sein Zustand soll bedenklich [sein], und ich glaube, er soll ein Übel haben, wovon der Hofmarschall Levetzow gestorben ist. Wenn der auch stürbe, das wäre ein rechter großer Verlust. Marie von Altenburg schreibt mir, der König [von Hannover] war bis zuletzt sehr liebenswürdig und freundlich gewesen. Er hätte die ganze Familie eingeladen zur Vermählung. Allein, sie können nicht hin, da sie sich in Weimar schon angemeldet hätten. Er hat die ganze Welt eingeladen. William und der Herzog von Nassau,26 darüber wird Friederike recht zufrieden sein. Vielleicht gefällt Agnes ihm jetzt besser. Ich finde sie wirklich allerliebst und begreife nicht, wie sie nicht gefällt.27 Was sind für Nachrichten von dem kleinen Prinz von Baden gekommen?28 Ist Besserung von Bestand, und so auch von der Keller?29 Ist Stolberg noch hin? Nun leb wohl. An Fritz tausend Liebes. Soll er vielleicht dies Jahr Marienbad besuchen? Mich will man hinschicken im Mai. Wenn ihr mich haben wollt, komme ich aber erst nach Berlin. Deine Adine
22 Friedrich August Stüler (1800–1865), Architekt des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 23 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861) und seine Ehefrau Adele, geb. von Labes (1801– 1855). 24 Joachim Otto Ulrich von Levetzow (1777–1843) war am 28. Jan. in Ludwigslust gestorben. 25 Wilhelm Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des kgl. Hauses. 26 Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905). 27 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 28 Mglw. Prinz Karl von Baden (1832–1906), der jüngste Sohn des Großherzogs Leopold von Baden. 29 Jenny Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1813–1900), Tochter des Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, verh. 1838 Alexander Graf von Keller (1801–1879).
226
Briefe 1824–1850
Schwerin, den 13ten Februar 1843 Heute, meine Elis, schreibe ich Dir bei dem schönsten Sonnenschein. Der erwärmt die Seele und Leib und macht mich doch traurig. Ach, die Zeit rückt so mächtig an und macht mich schon so mürbe, daß ich sie kaum ertragen werde. Das Herz erbebt in meiner Brust, wenn ich ans vergangene Jahr denke, wie wir so sorgloß lebten, und grade in der kommenden Woche recht heiter waren auf 2 kleine Bälle, wo Paul zwar klagte, aber doch selbst auf dem einen noch recht heiter tanzte. Es ist entsetzlich. Wie der Mensch so leichtsinnig lebt und nicht weiß, was ihm vom einen Tag zum andern bevorsteht. Man möchte gar nicht hinaus aus seinen Zimmern und sich nur ernsten Gedanken nachhängen. Das ist aber gegen den Willen des Herrn. Er will doch, daß wir das freudig genießen sollen, was er uns durch das Leben reichen will. Aber in Dehmuth und nicht, als wenn es uns so zukommen müßte. Du hast auch einen Verlust gemacht an der Gouvernante von Deiner Schwester. Es thut so weh, wenn der Kreis der Jugendbekannten schmiltzt, je älter man wird. Ja, alleine bleibt man stehen und jeder Tag wird fast mit der Zeit ein Trauertag. Friederike ist also fort und wird vielleicht schon nach Hannover sein. Wenn es sie glücklich macht, so kann ich ihr sagen, daß Fritz hingeht zu Vermählung, am 16ten abends ankömmt und den 22ten wieder hier zurück sein will. Es schien eine passende Zeit, seine Aufwartung zu machen, da Fritz die Einladung des Königs im Herbst zur Jagdt nach der Görde30 nicht annehmen konnte wegen dem Landtag. Es wird gewiß eine sehr brillante Zeit werden, und der König sehr glücklich sein, so viele vornehme Herrschaften an seinem Hof zu sehen. Daß Fritz hingeht, finde ich unendlich gnädig. Für Friederike wird es doch recht traurig sein, das erste Mal nach dem Tode ihrer Mutter wieder hinzukommen, und gleich in solchen troubel. Am Mittwoch gehe ich mit Fritz nach Ludwigslust, weil es von dort näher nach Hannover ist, und ich bleibe dann da bis Sonntag Mittag. Du frägst, warum ich nach Marienbad gehen soll. Die Aertze halten die Schwäche in meinen Füßen für ein Leiden im Unterleibe, und da soll mir das gründlich ausgewaschen werden. Ich kann nur sehr wenig gehen, meine Kräfte versagen mir leicht. Ich übe sie aber täglich durch kleine Spaziergänge. Sonst bin ich wohl und so stark geworden, wie ich lange nicht war. Der Maskenball am 28ten wird wohl sehr brillant werden. Nähmet ihr Costume oder nicht? Und werden Aufzüge sein oder Tableaux oder irgend etwas in der Art? Agnes31 würde es gewiß sehr viel Freude machen, sich zu costumieren und überhaubt so ein Fest mitzumachen. Sollten sie aber so früh von Hannover fort gelaßen werden? Lebe wohl, meine liebe Elis, Dank für Deinen lieben Brief. Ich ende wieder damit, wo ich anfangen sollte. Ewig Deine Adine
30 Göhrde, hannov. Jagdgebiet bei Dannenberg. 31 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897).
1843
227 Schwerin, den 21ten Februar 1843
Meine liebe Elis, ich schreibe heute, weil ich weiß, daß mein Brief am 23ten bei Dir ist und Du meiner mit Wehmuth gedenken wirst. Bete für mich. Ich werde es gebrauchen können, denn ich fühle mich so vernichtet und so matt an Kraft, daß ich nicht weiß, wie ich diese Zeit überleben soll. Aber der Mensch ist zehe und erträgt unendlich viel. Je älter man wird, desto reicher wird das Leben an Erinnerungstagen des Schmertzes und Verluste. Habe Dank, meine liebe Elis, für Deinen lieben, langen Brief. Ich habe auch sehr viel an Hannover gedacht, und hoffe wie Du, daß die alte Bonne den Ofen32 besorgt hat. Überhaubt, es ist ein schauerlicher Gedanke, so einen blinden Mann zu haben. In Manheim wird es sehr anders gewesen sein. Welche verschiedene Verbindungen!33 Aus München habe ich neulich gehört, daß noch viele Feste sind, aber um 9 Uhr geht der Kronprinz mit Mariechen zu Haus.34 Neulich hat der rußische Gesandte einen großen Ball gegeben.35 Da hat Max bitten laßen, er möchte um 7 Uhr anfangen, denn um 9 Uhr müßte er zu Bett gehen, sonst hätte er den andern Tag Migrene. Er ist aber ausnahmsweise bis 10 Uhr geblieben und hat zu dem Wirt gesagt, daß er es bloß ihm zu Ehren gethan. Du kannst denken, was dies für Aufsehen macht, da Mariechen gesagt, sie bliebe so gern und tanzte noch. Es müßten denn Ursachen sein, dann würde sie aber nicht tanzen! In Stutgart ist es auch sehr brillant. Die jüngste Tochter des Königs ist aufgetreten, und da hat die Prinzessin Katerine, welche noch ihr Zimmer nicht verlaßen darf, darauf bestanden, daß die Schwester nicht zu kurtz kommen sollte, und daß immer alle Wochen 2 Bälle sind.36 Meine Gräfin Bassewitz37 hat es geschrieben, die sich in Ludwigsburg aufhällt. Hast Du vielleicht schon die Gräfin Bassewitz Schlitz38 gesehen? Ich empfehle sie Dir recht recht, denn sie ist eine garzu liebe Frau. Ich habe sie sehr lieb, und er mit all seinem Leichtsinn ist von Herzen sehr gut und hängt mit solcher Liebe an Paul, daß besticht mich sehr.39 Leb wohl, mehr schreibe ich heute nicht, sonst fange ich in meiner alten Leier wieder an. An Fritz viel Liebes und den andern Geschwistern, denke meiner, Deine treue Adine 32 Verm. Anspielung auf die Hochzeitsnacht nach der Heirat des blinden Kronprinzen Georg (V.) von Hannover (1819–1878) mit Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg (1818–1907) am 18. Febr. 33 Heirat von Prinzessin Marie Amalie von Baden (1817–1888) mit William Douglas, 11. Herzog von Hamilton (1811–1863) am 23. Febr. 34 Kronprinz Maximilian (II.) Joseph (1811–1864) und Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1885). 35 Dimitri Petrowitsch von Severin (1792–1865), russ. Gesandter in Bayern. 36 Prinzessin Katharina (1821–1898) und ihre Schwester Prinzessin Auguste von Württemberg (1826– 1898). 37 Marianne Gräfin von Bassewitz, geb. von Lützow (1802–1865), Oberhofmeisterin der Großherzoginwitwe Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 38 Adele Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. von Labes (1801–1855). 39 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861).
228
Briefe 1824–1850
Wiwi hat den Schnupfen, sehr stark und liegt im Bett. Nein, Abat, der nach Ägypten und Constantinopel geht, mir scheint es recht gut, daß er noch reiset. Marianne hätte ich auch noch im Haag gelaßen. Es bleibt doch etwas trauriges und schiewes. Der Maskenball wird gewiß sehr schön werden. Schwerin, den 25ten Februar 1843 Meine geliebte Elis, wie erkannte ich deine Liebe und Dein zahrtes Gefühl, grade diesmal für mich, die lieben Zimmer zu wählen als Geschenk. Du hättest mir keine größere Freude machen können, denn auch sie enthalten traurige und liebe Erinnerungen. Als ich sie am 23ten bekam und eins nach dem andern auspakte, sagte ich immer, nein, wie gut von Elis, wie das von ihr wieder lieb ist, mir grade dies zu schicken. Ich habe es in dem Buch gelegt, wo von hier die lieben, traurigen Zimmer hineingekommen sind, nur das chamoi40 ist zu groß und wird aufgehangen werden. Vom Tag selbst und von den 2 Tagen, welche nun verfloßen sind, sage ich nichts. Sie sind zu schrecklich, und ich bin recht angegriffen. Alles wiederhole ich mir mit Luise, und doch ist manches uns nicht ganz erinnerlich, die Angst benahm uns doch ganz die Besinnung. Wir lebten nur von einer Stunde zu andern. Das fühle ich, je lebhafter der Schmertz, je weniger kann man darüber sprechen und darum bin ich heute stum. Doch wegen Agnes41 muß ich noch sagen, Fritz findet sie recht hübsch, nur hätte sie kaum Augen. Sehr charmiert ist er nicht von ihr. Wie er überhaubt nicht recht viel auf dergleichen Dinge achtet, da er meint, heirathen wolle er nicht vor 24–25 Jahr, und da hätte er noch Zeit. Und so lange hoffe ich für Agnes, wartet sie nicht. Doch meint Fritz, sie scheine William zu gefallen. Der hätte mehrmal bei ihr geseßen. Doch das ist so ein Zugvogel. Nun reiset er nach Italien und heirathet wohl nie. Der alte Graf von Nassau42 scheint sich doch schwer wieder zu erholen. Marianne sollte nur bei ihm bleiben. Abat, wie es scheint, ist ohne Erlaubniß nach Egypten. Das ist nicht Recht, sonst scheint es mir auch sehr gut, daß er noch weiter reiset und noch nicht zurückkehrt. Ich höre, der Mops43 soll sehr keck als kreutz dann Visiten in der ganzen Welt machen. Mir auch unbegreiflich, sie hat es aber von ihrer Herrin gelernt, wie man in der Welt auftreten muß, bringt aber keine Ehre. Heute kann ich keine Briefe weiter schreiben, die Augen thun mir so weh vom vielen Weinen. Doch danke dem lieben Dicken für seinen Brief, auch Auguste hat mir geschrieben, Marie und Karl. Leb wohl, tausend Dank für Deinen lieben Brief und die lieben Zimmer. Deine treue Adine
40 Verm. Chamoisleder. 41 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 42 Gemeint ist der sich seit 1840 „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennende abgedankte König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843). 43 Rosalie von Rauch (1820–1879) war Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, später Geliebte und Ehefrau von Prinz Albrecht von Preußen.
1843
229 Schwerin, den 4ten März 1843
Meine geliebte Elis, wie Du immer engelsgut für mich bist. So warst Du es diesmal wieder. Hier aber versagen mir die Worte, um Dir auszudrücken, was ich empfand, als Dein lieber Brief mir gegeben wurde. Wenn die Worte recht viel ausdrücken sollen, dann erscheinen sie kalt. Daher kann ich Dir mit Worten nicht danken. Wenn Du meine Thränen hättest sehen können, so würdest Du sie verstanden haben. Gott lohne Dir, was Du mir gethan. Ach Elis, was für Tage habe ich verlebt, wie waren alle Wunden von neuem wieder gerißen. Alles durchlebte ich noch einmal, besonders schwer war mir der 6te, wo er, der Theure, so langsam hinstarb. Ich glaubte, ich würde es nicht überleben. Am 7ten selbst war ich still zerdrückt, mit dem unermeßlich tiefen Schmertz im Herzen. Das Weh hatte mir fast alle Kraft geraubt. Der Schmertz war stumm und fast ohne Thränen. Doch bin ich wohl, wenigstens körperlich. Mehr sage ich heute nicht, denn ich bin noch recht angegriffen. Dies soll auch nicht für ein Brief gelten, nur wollte ich Dir gleich sagen, wie wohl mir Deine Liebe gethan. Wilhelm legt sich zu Füßen und ist eigentlich sehr unglücklich, daß er es nicht in Berlin selbst thun darf. Allein, er muß doch so rasch als möglich wieder zu seinen Stunden. Ihr werdet es also nicht ungnädig aufnehmen. Deine treue Adine Lundi, Schwerin, den 13ten März 1843 Meine liebe Elis, neulich schrieb ich Dir nur so ganz flüchtig ein paar Worte des Dankes für Deine Liebe, die Du mir auf eine so herzliche und innige Art bewiesen hast. Heute will ich noch einmal es thun, denn es thut mir so wohl, mich von dir so völlig verstanden zu sehen. Die schweren Tage liegen hinter mir, und Gott hat mir Kraft gegeben, sie zu überstehen. Ich bin zwar sehr matt und angegriffen, und ein unermeßlich tiefes Weh erfüllt mich. Aber ich will vernünftig sein und mich meinem Schmertz nicht zu sehr hingeben, wenn diese Woche vorbei ist. Am 19ten war die Beisetzung, dann ich gehe ich wieder aus und werde suchen, ganz die alte Lebensweise wieder anzufangen, wie Paul es gewünscht. Dann soll auch die Musik wieder anfangen. Das heißt, wenn wir Diners haben, das wird eine harte Probe werden. In Berlin sind ja Fremde genug diese Zeit über gewesen. Wie geht es denn der armen Marie Strelitz? Es wird ihr eigentlich schwer, in Berlin zu sein. Marianne ist auch zurück. Ich hatte zwei Briefe von ihr, von meinem Geburtstag und vom 7ten März. In beiden sprach sich ein hübscher Sinn aus. Sie scheint doch im Innersten ergriffen, eine Lehre wird es ihr für’s Leben sein. Ich habe sie nur gebeten, nicht zu dreist und fest aufzutreten. Das gefiele nicht und beweise auch garnichts. Ein ruhiges Benehmen aber machte immer einen guten Eindruck.
230
Briefe 1824–1850
Alexander44 ist ja in Berlin, ich möchte, er wäre nicht in diesem Augenblick da. Der Maskenball soll alles, was man Schönes gesehen hat, die tableaux alles, alles soll süperbe gewesen sein. Wird er nicht noch einmal wiederholt? Es wäre schade, wenn so viel Mühe nur für einen Abend gewesen. Eben bekomme ich einen Brief von Marie aus Strelitz. Gleich kann ich ihr nicht antworten. Ach Gott, auf der ruht auch schwer die Hand des Herrn. Wie wird sie den Aufenthalt dort aushalten können? Ich bedaure, Dich, Du arme Elis. Wir Meklenburger sind Dir jetzt recht zur Last mit unserem Kummer und Leiden. Und doch wollte ich mich melden, wenn es Euch recht wäre, den 16ten Mai. Es ist zwar noch lange hin, und es kann sich auch manches ändern, aber so ist unser Plan: 14 Tage gedachten wir zu bleiben, dann nach Altenburg auf 1 Tag und den 4ten Juny in Marienbad anzukommen. Wenn Euch die Zeit nicht recht ist, so läßt Du es mir wohl wißen. Ich will sehen, ob ich es danach ändern kann. Wir hatten einige recht schöne Frühlingstage, aber die schöne freundliche Sonne am 7ten thut wieder so weh wie der Tag selbst. Nun lebwohl, denke meiner in Liebe. Ist William noch in Berlin? Das war doch schändlich, daß er krank, als der Maskenball war. Friederike mit alle ihre agitation ist auch wohl fort, und der Herzog von Nassau.45 Sie reisen immer zusammen, wie es scheint. Deine alte Adine Ich hoffe, Du und Fritz haben es nicht ungnädig genommen, daß Wilhelmchen sich auf seiner Durchreise nicht presentiert hat, aber er muß sich eilen, wieder zur Arbeit zu kommen. Schwerin, den 14ten März 1843 Du wirst Dich wundern, wieder einen Brief zu bekommen. Mir ist gestern, als meine Epistel schon weg war, eingefallen, daß Friederike46 ihre Silberhochzeit den 18ten April ist, und ob Fritz vielleicht die Idee hat, daß wir Geschwister (da sie sonst als Schwester gerechnet wird), wir ihr zusammen ein Geschenk machen wollen. Dann möchte ich wohl mit dabei sein. Ich will nur noch bemerken, daß Maiblumen ihr Liebling ist, vielleicht könnte man sie anwenden. Dann bitte ich noch sehr, bei dem Geschenk für Wilhelm mit theilnehmen zu dürfen. Wird etwas besonderes an dem Tag sein, da es grade Mitfasten47 ist? Lebe wohl und behalte lieb Deine alte Adine
44 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867). 45 Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905). 46 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), war seit dem 18. April 1818 verh. mit Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871). 47 Sonntag Lätare vor Ostern.
1843
231 Schwerin, den 18ten März 1843
Ich habe die größte Angst, daß sich unsere Briefe wieder begegnen, und doch möchte ich Dir so bald als möglich danken für Deinen letzten Brief, der mir so viel vom 10ten erzählt, und vom Monument, wie es jetzt geworden.48 Ich denke mir auch, daß es nicht stöhrend sein kann. Wenn ich nach Berlin komme, will ich gleich hin, wie ich es ja in den letzten Jahren immer gethan. Die Statue von Papa ist also schön und edel und ähnlich, und doch kann ich nicht begreifen, warum sie den Rücken nach dem Eingang dreht. Man hätte sie nur umsetzen dürfen. Das denke ich mir nicht angenehm, wie es jetzt ist. Kleine Büsten, wie Mama ihre, bis an der Brust giebt es wohl nicht von Papa. Es würde sich vielleicht gut machen, sonst wäre es für uns Kinder eine Freude, beide zusammen zu besitzen. Jetzt hast Du nur noch die Strelitzer bei Dir und die werden Dich nicht genieren. Ich denke mir, Marie wird es doch recht zerstreuen. Es giebt in Berlin so vieles, was sie interessiert, und das wird sie von ihren trüben Gedanken abziehen. Arme Friederike, die so abgezogen ist. Es mag aber doch peinlich für eine Mutter sein, wenn sie eine Tochter hat, die mit heirathbare Prinzen zusammen kömmt.49 Wünsche hat man doch für einen oder den andern. Vielleicht wäre ich das zweite Mal in Berlin nur zum Maskenball gekommen und da gleich fort. Nun, jeder Mensch hat seine Schwäche. Heute vor einem Jahr waren alle Brüder bei mir wieder vereint zum traurigen Tag der Beisetzung. Ihre Liebe that mir damals so wohl, und nie vergeße ich sie ihnen. Ich bin noch sehr angegriffen und matt, sonst bin ich wohl. Ewig mit Liebe, Deine alte Adine Ich glaube, ich habe neulich vergeßen zu schreiben, daß mein Fritz im Juny nach Petersburg reisen wird, um seine Aufwartung zu machen. Wie beneide ich ihn. Grüße William.
Schwerin, den 27ten März 1843 Unbegreiflicherweise habe ich die ganze vorige Woche vorübergehen laßen, ohne Dir zu schreiben. Vorzüglich war eine alte langweilige Arbeit daran schuld, die nun endlich beseitigt ist. Ich danke Dir herzlich für Deinen Brief. Es war mir, als wenn wir zusammen sprechen. Herr von Bernstorf50 aus Strelitz, der jetzt hier ist und eben aus Berlin kömmt, hat mir nicht genug erzählen können von dem süperben Maskenball, und wie amüsant die Überraschung von Reinecke Fuchs gewesen sei. Diese Woche haben wir die Ver48 Erweiterung des im Juni 1843 eingeweihten Mausoleums in Charlottenburg und Anfertigung eines Kenotaphs für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 49 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), und ihre Tochter Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) auf Brautschau. 50 Verm. Wilhelm von Bernstorff (1806–1861), meckl.-strel. Kammerherr und Regierungsbeamter, später Staatsminister.
232
Briefe 1824–1850
sammlung des Adels und Bürgerliche, um einen Vergleich zwischen beide zu versuchen. Mir ist ganz miserabel dabei, wenn ich nur daran denke, denn ich glaube nicht, daß etwas danach kommen wird. Es ist zu schwierig, und die beiden Partheien zu schroff.51 Was hast Du für Nachrichten über das Befinden des Erzherzogs? Es scheint mir nach der Zeitung doch sehr bedenklich. Gott wolle ihn erhalten. Es wäre ein Unglück, un berech[en]bar. Das letzte Bulletin ist doch beruhigender. In welchem Zustand muß Deine Schwester sein. Marie von Strelitz soll sich in Berlin doch erholen und der Aufenthalt ihr gut thun. Es zerstreut sie gegen ihren Willen. Sie bleiben wohl bis im April. Aus Koppenhagen sollen die Nachrichten doch nicht so erfreulich klingen, als wie ich es mir eingebildet. Spricht Marie darüber mit Dir? Ich fürchte, es wird doch nichts kluges daraus werden. Nein, das Wunder von Marie Meiningen!52 Ich kann mich nicht darüber freuen. 17 Jahre ist sie nun älter geworden, und 38 Jahre alt. Das ist kein Spaß, es kann ihr das Leben kosten. Es soll sie aber sehr glücklich machen. Im August, glaube ich, erwartet sie die Entbindung. Caroline ist jetzt nicht zu ihr gereiset, sondern nach Cassel. Wie mag dann der cher frére53 gegen sie sein, nach seiner solchen langen Abwesenheit.54 König Ernst August55 hat sich auch, wie man glaubt, auf lange Zeit in Berlin établiert. Am Ende finde ich ihn noch dort. Höret man etwas vom kronprinzlichen Paar?56 Warum läßt er es so lange allein? Leb wohl, ich eile den Brief zur Post zu senden, es ist dumm genug. Deine alte Adine Ich höre, die Reise von Fritz nach Petersburg macht viel Aufsehen, und eine Heirath soll durchaus daraus entstehen.57 Ich glaube aber, alle heirathslustige junge Prinzessinnen können sich beruhigen. Die Reihe kann noch immer an sie kommen! Fritz amüsiert es sehr, daß er jetzt so eine gesuchte Waare wäre.
51 Es ging auf dem Landtag um die Beteiligung der zahlreichen bürgerlichen Gutsbesitzer an ständischen Rechten, wie Wahlämtern und Klosterstellen, die dem Adel vorbehalten waren. 52 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888), sollte am 6. Aug. mit 39 Jahren ihre Tochter Auguste zur Welt bringen. 53 Frz. = lieber Bruder. 54 Prinzessin Karoline (1799–1854) und ihr Bruder Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875). 55 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851). 56 Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819–1878) und Kronprinzessin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907). 57 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883) reiste am 14. Juni mit dem Dampfschiff „Kamtschatka“ der russ. Marine von Wismar nach Kronstadt, weiter nach Petersburg. Als regierender Großherzog war er nun ein begehrter Junggeselle, dachte mit 20 Jahren aber noch nicht an eine Heirat.
1843
233 Schwerin, den 5ten April 1843
Du glaubst nicht, meine Elis, wie ewig lange mir es vorkam, keinen Brief von Dir gehabt zu haben, und gestern Abend sprach ich noch davon, daß ich garnichts hörte von Dir, als Dein Brief fast zugleich mit dieser Äusserung herein gebracht wurde. Du kannst Dir denken, wie ich mich freute. Aber daß der Monat März Dich wieder mit Husten heimgesucht hat, ist mir zu leid, und dabei ist Onkel George nicht zu brauchen. Ich kann mir denken, daß es Marie nicht recht ist, so viel aus gewesen zu sein. Man denkt wirklich, man thut eine Sünde, wenn man so zerstreut wird, und doch glaube ich eigentlich, daß die Todten es grade für Pflicht ansehen, wenn es die Stellung erfordert. Der Schmertz im Herzen bleibt doch gleich tief. Ich habe am Sonnabend so einen ziemlich schweren Abend gehabt, wo wir bei uns ein Concert hatten mit vielen Menschen, dies alles zum ersten Mal. Die vielen bunten geputzten Damen, die hell erleuchteten Räume, wo sonst nur Freude und Heiterkeit herrschte, und die am meisten von Paul ausgingen, brachten mich um alle Fassung. Ich habe furchtbar gekämpft, um der Menge, die so ein Gefühl doch nicht begreifen kann, es nicht zu zeigen. Einige nahe sitzende Damen sahen aber doch meine Thränen fließen. Ich war aber doch Herr meiner Gefühle, als ich in der Menge wieder treten mußte. Das Frühlingswetter mit ihre belebende Lüften erfreut mein Herz, aber mein Körper greifft es sehr an. Ich bin matt wie eine Fliege. Überall sieht man schon grüne Sträuche, und der Flieder hat dicke Knospen, das heißt Blätter. Mein Fritz als gesuchter Mann kann die Michelische Töchter gleich nehmen, wenn er will.58 Man angelt sogar danach, und soll sie durchaus sehen, was sich schwer arrangieren wird. Daß ich sie in Marienbad besitzen werde, ist wirklich entsetzlich, sie geht auch nach Baden Baden!!!!59 Von Abat habe ich auch einen sehr lieben Brief aus Cairo gehabt vom 1ten März. Wenn er so schreibt, zeigt er sehr viel Gefühl. Er muß also doch ungeheuer gereitzt gewesen sein. Wenn er nur milder heimkehrt. Wenn Marianne sich in Berlin nur mit Teck60 [be]nimmt, und nicht zu dreist ist. Ist Alexander61 noch dort? Aus Koppenhagen hörte ich kürtzlich, sehe es traurig aus, und man glaubt es kömmt doch zu einer Scheidung. Beide Fälle sind unglücklich, denn im letzteren wirft man ihr doch den Stein, und im erstern ist sie kreutz unglücklich. Daß Mathilde62 weg geht, kann ich mir denken, daß es Dir leid ist. Ich hätte sie garzu gern einmal wieder gesehen. Es liegt viel Trauer zwischen der Zeit, daß ich sie nicht sah. Grüße sie bitte recht herzlich von mir.
58 Heiratsprojekte für Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883) mit einer der vier Töchter des Großfürsten Michael Pawlowitsch von Russland (1798–1849). 59 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), verh. mit Großfürst Michael Pawlowitsch von Russland (1798–1849), und Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin waren im Juni beide zur Kur in Marienbad. 60 Prinz Alexander Paul Ludwig Konstantin von Württemberg-Teck (1804–1885), verw. seit 1841. 61 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867). 62 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1885).
234
Briefe 1824–1850
Adalbert63 flog durch Ludwigslust. Ich dachte mir gleich, daß er eine Überraschung machte. Mariechen64 soll angegriffen aussehen? Denke Dir, daß ich keine Ahnung hatte, daß Luise krank war. Kein barmherziger Mensch hat mir Nachricht von ihr gegeben, und nun schreibt sie mir ganz matt und gegen die Erlaubniß ein paar Worte, um es mir selbst zu sagen, und sie soll sehr krank gewesen sein. Man hat Nervenfieber befürchtet, die abscheulichen varioliden, man ist scheuslich krank dabei.65 Nächstens wirst Du einen Empfehlungs Brief von mir bekommen, durch der Sängerin Mademoiselle Schlegel,66 welche sehr wünscht, Gastrollen in Berlin zu geben und keine bekommen kann. Vielleicht kannst Du es ihr verschaffen oder läßt sie bei Dir singen. Du kennst sie schon! Dann wird sich ein Herr Riefstahl67 auch melden, dem ich keinen Brief mitgab, der aber wirklich sehr schön auf der violine spielt, nicht so verrückt wie manche, aber sehr schön. Wenn er sich meldet, kann er sich wohl in ein Concert hören laßen. Adios Adine Der Vergleich zwischen Adel und Bürgerliche ist zwar nicht ganz zustande gekommen, aber doch auf dem besten Weg.68 Gott sei Dank, daß aus Wien bessere Nachrichten kommen. Adalbert scheint […]69 wohl nicht liebenswürdiger [ge]worden.70 Ist Onkel Heinrich wirklich so krank?71 Schwerin, den 7ten April 1843 Dies ist nun der Brief, welcher die Mademoiselle Schlegel72 empfehlen soll, um zu einem Gastspiel zu gelangen, wo sie gewiß gefallen wird, denn ihr Stimme ist reitzend. Auch in einem Concert bei Hof würde sie sich gut machen, obgleich ihr sehr verwöhnt seid durch die schönen Stimmen vom Italienischen Theater. Vielleicht kannst Du ihr doch zu etwas behülflich sein. Ich empfehle sie Deine Gnade. Deine Adine
63 64 65 66 67 68 69 70 71 72
Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). Mit Varioliden sind die Pocken gemeint. Luise Köster-Schlegel (1823–1905), Sängerin. Carl Riefstahl (1808–1845), Violinist und Komponist. Gemeint ist die auf dem Landtag verhandelte Beteiligung der bürgerlichen Gutsbesitzer an den dem Adel vorbehaltenen ständischen Rechten, wie Wahlämter und Klosterstellen. Wort nicht zu entziffern. Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). Prinz Heinrich von Preußen (1781–1846) lebte in Rom. Luise Köster-Schlegel (1823–1905), Sängerin.
1843
235 Schwerin, den 18ten April 1843
Welch einen lieben Brief hast Du mir geschrieben und wie lang war er. Es freut mich unbeschreiblich, daß Charlotte jetzt im Ganzen wohler ist. Ach, wie gerne wäre ich nach Petersburg gegangen. Es wäre mir gewiß eben so gut gewesen wie Marienbad. Die Reise von Fritz nach Petersburg scheint viel Aufsehen zu machen. Ich bekam gestern einen langen Brief von Onkel George73 aus Strelitz, der Gott weiß was dahinter sehen will. Ich habe ihm nun ganz einfach geantwortet, daß keine andere Absicht zu Grunde läge, als daß es uns geschienen hätte, es Fritz seine Pflicht sei, nach Petersburg zu reisen, um seine Aufwartung dem Kaiser und der Kaiserin zu machen, die seine nächsten Verwandten wären, ehe er eine andere größere Reise vornehme, da wir die Banden des Blutes sehr hoch hielten. An einer Heirath mit einer Tochter des Kaisers wäre garkeine Möglichkeit, und die Töchter des Großfürsten Mischel wären nicht dort, sondern in Deutschland, die übrigens zu sehen, recht gut wären, da sie recht viel Lob hätten. Sonst wäre es meine Ansicht, daß es wünschenswerth sei, daß Fritz sich andere Prinzessinnen noch ansehe, er übrigens vor 3–4 Jahre garnicht heirathen wollte, und wir ihm darin nicht entgegen wären, daher seine Reisen jetzt noch ganz ungeniert gemacht werden könnten, da sie nur dazu dienen sollten, die Welt kennen zu lernen und sich zu instruieren. Die Welt ist doch einzig, daß sie in allen Handlungen, die ganz einfach sind, etwas anderes suchen und finden wollen. Dann hat der Onkel Angst, daß eine Parthei in Schwerin sei, die gegen eine Verbindung mit Rußland ist, von der wir garnichts wißen, und um der wir uns auch nicht bekümmern würden, wenn wir etwas wollten. Übrigens liegt uns ein Heirathsplan noch so weit, daß wir auf dergleichen nicht achten.74 Nun genug dieser Angelegenheit. Seit dem ersten Osterntag ist denn das himmlischste Wetter von der Welt, besonders heute, wo ich am offenen Fenster sitze und Dir schreibe. Doch von Bestand wird es nicht sein, desto dankbarer nimmt man es aber auf. Heute ist nun Silber Jubel in Dessau,75 welch Glück, wer so etwas erleben kann! Der Minister von Lützow, welcher nach Berlin geht, wird diesen Brief mitnehmen. Es ist wegen der Eisenbahn, wo wir sehr hoffen, daß Preußen den Ausschlag giebt, ob sie zustande kömmt. Paul interessierte sich so sehr dafür, und Dein Fritz war ihm behülflich. Seit der Zeit ist es etwas locker geworden, aber wir hallten fest an Paul seinem Wunsch und am Wohl Meklenburgs.76
73 Davor gestrichen „Gustav“. 74 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz achtete sehr darauf, ob – nachdem die Schweriner Linie 1837 eine Verbindung mit der revolutionären Julimonarchie eingegangen war – in Mecklenburg Stimmen gegen eine familiäre Verbindung mit Russland, der Schutzmacht der Restauration in Europa, zu hören waren. Die Schweriner Regierung unter Ludwig von Lützow stand beim Strelitzer Großherzog im Verdacht, eine zu liberale Gesellschaftspolitik zu betreiben. Hier schwelte ein innermecklenburgischer Konflikt, der sich in der Revolution 1848/1849 entlud. 75 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), war seit dem 18. April 1818 verh. mit Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871). 76 Gemeint ist der Verlauf der Berlin-Hamburger Eisenbahn über mecklenburgisches Territorium.
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Die gute Marianne, welche immer über das Maaß geht, sie ist doch eine einzige Person. Ich schrieb ihr noch im Februar, sie möchte sich ruhig und still verhalten. Das passete in alle Fälle, denn die Frauen bekämen doch die meiste Schuld, da die Grenze enger gehalten wäre als die der Männer, und daher wäre bescheidenes Auftreten nur vortheilhaft. Ich bitte Dich, mache, daß sie nach Schlesien geht. Es würde einen fürchterlichen Skandal geben, wenn sie es nicht thäte. Schreibe es ihr, wenn Du es ihr nicht mündlich sagen willst. Es ist ja zu ihrem Besten. Gestern hatte ich einen flüchtigen Brief von Luise, die über ihre Augen klagt, da sie zu früh geschrieben und gelesen hat. Ich wundere mich, daß der König von Hannover so plötzlich von Berlin aufgebrochen ist und nicht nach Dessau gegangen ist. Sollte er sich zu schwach fühlen? Die arme Marie von Strelitz ist wirklich zu beklagen, daß sie Thränen über ihre lebende Tochter weinen muß.77 Ach, die Luise ist glücklicher, sie ist beim Herrn und dem seinen Schutz. Die Thränen, die wir um den geliebten Todten weinen, die weinen wir uns eigentlich nur selbst, die verlaßen auf Erden stehen. Ich muß schnell aufhören, weil wir ausfahren wollen, um ein Hünen Grab ausgraben zu sehen, was sehr intereßant sein soll.78 Adios, am 15ten Mai hoffe ich, Dich wiederzusehen. Und bleibe bis zum 30ten, wenn es nicht geniert und ihr mich nicht herausschmeißt. Deine Adine Schwerin, den 28ten April 1843 Meine liebe Elis, daß Du wieder unwohl bist und Blut ausgespuckt, ist mir zu leid. Ich hoffte, es sollte mit dem Unwohlsein in Berlin abgemacht sein für dies Jahr, aber freilich diese kalten Tage mit den schäuslichen Ostwinden waren ganz gräulich. Heute ist es denn dafür himmlisch warm, ein wenig Regen von gestern hat dann alles Laub hervorgezaubert. Wir waren in Ludwigslust am Dienstag zum Ball bei Onkel Gustav. Diese wäre nun auch hinter mir. Erst ging ich fort im Nebenzimmer, um mich zu sammeln, dann ging es aber auch ganz gut und ich blieb bis um 3 Uhr, um daß Luise die Freude des Tanzens recht genießen konnte. Beide Kinder haben sich prächtig amüsiert und alles schien recht heiter. Wie die ersten schweren Momente vorbei waren, freute ich mich doch, daß sie endlich einmal wieder eine solche Freude hatten, die ihrem Alter erlaubt und angemeßen ist. Heute haben wir die letzte Vorlesung von Professor Löbell79 gehabt, was uns sehr leid ist, denn es waren sehr angenehme Stunden. Die Stadt Schwerin oder vielmehr die Zuhö77 Nach dem Tod von Herzogin Luise zu Mecklenburg-Strelitz 1842 entwickelte sich die ein Jahr zuvor geschlossene Ehe ihrer Schwester Herzogin Caroline mit dem dänischen Kronprinzen zu einem Desaster. 78 Im Dorf Peckatel bei Schwerin wurde der sogenannte Kesselwagen, ein Leitfund der Bronzezeit, in Gegenwart der großherzoglichen Familie ausgegraben. 79 Johann Wilhelm Löbell (1786–1863), Professor für Geschichte in Bonn und akad. Lehrer von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin.
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rer haben ihm ein Paar silberne Armleuchter geschenkt. Am 1ten Mai reiset er von hier ab, über Berlin, wo er sich ein paar Tage aufhalten wird, und sein sehnlichster Wunsch ist, sich bei Hof präsentieren zu können, wenigstens Fritz vorgestellt zu werden. Und dann hat er noch einen heimlichen Wunsch, den rothen Vogel80 zu bekommen. Das weiß ich nun nicht, ob das geht. Wollest Du es aber vielleicht an Fritz sagen, daß es uns viel Freude machen würde, kann wohl dabei in Betracht kommen. Minister von Lützow ist immer noch in Berlin, und sein Geschäft hat nicht den erwünschten Erfolg, was sehr schade ist, da Preußen und Meklenburg sonst immer Hand in Hand bei solchen Unternehmungen gegangen sind.81 Den 29ten. Gestern konnte ich nicht fertig werden, und nun habe ich gehört durch Minister von Lützow, der noch in Berlin ist, daß ihr wieder nach Potsdam seid. Bei dem schönen Wetter ist das prächtig. Werdet ihr schon in Sanssouci wohnen, wenn wir am 15ten kommen oder noch in Potsdam? Ich zähle schon die Tage bis dahin. Es sind bald nur 14 Tage. Heute geben wir ein großes Concert, um einmal die ganze Gesellschaft zusammen bei uns zu sehen. Die Mademoiselle Walker aus Hamburg wird singen, eine Mademoiselle Burchka aus Berlin und eine Mademoiselle Schuman aus Mainz.82 Die Vorlesung von dem Franzosen und Frau muß schrecklich gewesen sein. Ich freue mich, daß ich nicht dabei war. Wie geht es nur Tiek83 jetzt? Werden wir den vielleicht in der Zeit einmal lesen hören? Wie hat Dir die Frau vom Erbschatz gefallen?84 Sie soll gescheut und munter sein. Die Schwägerinnen werden sie wohl fetieren.85 Hat Rauch nichts gesagt, ob die Großfürstin Helene über Berlin geht?86 Ich möchte sie erst kennen lernen, ehe wir zusammen gesperrt werden in Marienbad. Es wäre mir auch lieber, wenn die ein ander Jahr dahin gekommen wäre. Die Mutter soll sehr ehlend sein.87 Marie aus Altenburg schrieb es mir sehr besorgt über sie. Nun leb wohl, mit alter Liebe Deine Adine
80 Gemeint ist der Preußische Rote Adlerorden. 81 Die Regierung von Mecklenburg-Schwerin setzte weiterhin alles daran, den Verlauf der Berlin-Hamburger Eisenbahn über mecklenburgisches Territorium zu realisieren. 82 Maria Antoinette Walker (geb. 1810) aus Hamburg, Marie Burchardt aus Berlin und eine „Madame Schumann“ vom Wiesbadener Hoftheater. 83 Ludwig Tieck (1773–1853), Dichter und Übersetzer, seit 1841 in Berlin u.a. Vorleser des Königs. 84 Erbgroßherzog Carl Alexander (1818–1901) und Erbgroßherzogin Sophie von Sachsen-WeimarEisenach, geb. Prinzessin der Niederlande (1824–1897), waren in Berlin zu Besuch. 85 Frz. = feiern. Die Schwägerinnen waren die Prinzessinnen Marie und Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. 86 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) war als Flügeladjutant des preuß. Königs und zugleich preuß. Militärbevollmächtigter in St. Petersburg der Verbindungsmann zwischen dem russ. und preuß. Hof. 87 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), Tochter der Prinzessin Charlotte von Württemberg, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen (1787–1847).
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Schwerin, den 9ten Mai 1843 Meine liebe Elis, die Ankunft von Herrn von Reitzenstein88 hat mir doppelt Freude gemacht, da er mir Deinen lieben Brief brachte. Daß Du aber wieder unwohl gewesen bist, bringt mich zur Verzweiflung. Ich hoffte, Dich recht wohl und munter wiederzusehen. Und da der böse Ostwind Dir diese Leiden bringt, so fürchte ich, wirst Du Dich schwer erholen, da er sehr bestendig bleibt, und dabei ist es so eisig kalt, daß wir wieder hier einheitzen und in dicke Wintermäntel gehen. Da werde ich Dich wohl noch in Potsdam finden und nicht auf den grün belegten Terrassen. Ich danke Dir, daß Du mich vorbereitet hast auf diesen Anblick. Ich wäre sonst vor Schreck vielleicht im Wagen zurück gesunken, anstatt auszusteigen. Ich melde mich mit Fritz und Luise nun förmlich an zum Montag, den 15ten Nachmittag. Wir wollen um 7 Uhr von Ludwigslust ausfahren, und denken denn um 6 Uhr in Potsdam zu sein. Auch wollte ich darum bitten, ob ich wohl andere Stuben im Schloß bekommen könnte als die, wo ich sonst gewohnt, da sie mir immer sehr traurig vorkamen. Und nun nachdem ich so viel verlohren, würden sie mir noch trüber vorkommen. Vielleicht könnte ich die Zimmer von Luise89 bekommen. Da könnte ich sehr gut mit meiner Luise zusammen wohnen. Herr von Reitzenstein sagt mir, die Brandenburg wäre noch in Berlin.90 Ach, ich bitte Dich, mache doch, daß sie so lange bleibt, bis ich komme. Ich möchte sie so gerne wiedersehen. Werde ich denn Tante Wilhelm noch in Berlin finden? Ich sehne mich so danach, sie wiederzusehen. Es sind über 2 Jahre, daß ich sie nicht sah, nein, anderhalb ist es her. Mein Fritz ist beinah seit 8 Tagen unwohl an Schnupfen, Fieber. Er hat sich heftig erkältet. Wir hoffen aber, bis Montag wird er wieder ganz hergestellt sein. Das Fieber ist ausgeblieben. Er ist aber entsetzlich matt und darf noch nicht ausgehen. Nun leb wohl, ich freue mich, sehr bald bei Dir zu sein und ich zähle auch die Tage. Deine treue Adine Marienbad, den 21ten Juny 1843 Meine liebe Elis, ich weiß Dich so glücklich bei Deinen Schwestern, daß ich mir denke, daß Du mein gänzliches Schweigen nicht bemerkt haben wirst. Recht oft dachte ich Deiner und wollte auch mehere Male schreiben. Allein, es kam nicht dazu, da man nicht viel schreiben darf. So schob ich es immer heraus, weil ich doch manchmal an meinen Fritz zu schreiben hatte, der nun ganz froh abgereiset ist, da alles nach Wunsch gegangen ist, und er mit leichtem Herzen nun schon 2–3 Tage in Petersburg sein wird, wo es ihm gewiß recht gut gehen wird. Deine Schwester, die Erzherzogin,91 ist nun wohl schon fort. 88 Karl Freiherr von Reitzenstein (1797–1878), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 89 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1873). 90 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1855). 91 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872).
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Sie wird Dir erzählt haben, daß wir uns wirklich auf der Chaussee getroffen, und ich bei ihr im Wagen gestiegen bin, was mich sehr glücklich gemacht, denn sie war unendlich freundlich für mich. Und viel hätte ich darum gegeben, wenn ich sie länger in Pilnitz hätte sehen können. Durch meinen Wilhelm weiß ich, daß es Dir gut geht, und ich hoffe, die Cour wird Dir gut bekommen sein. Wenn einem etwas bekömmt bei diesem Wetter. Es ist zum Verzweifeln, daß macht auch den Aufenthalt hier in Marienbad zu langweilig. Wenn es irgent angeht, so machen wir Parthie, aber es sind auch so wenig Orte dazu. Die Großfürstin nimmt uns manchmal mit. Sonst sehen wir uns nur wenig. Sie geniert sich nicht gern, geht lieber mit Herrn wie mit Damen. Ich langweile sie, das fühle ich, obgleich sie unendlich freundlich ist. Die Töchter92 gefallen mir sehr gut. Die älteste ist aber die vorzüglichste. Sie ist einfach, gutmüthig, aber sie hat wenig Verstand. Die zweite ist mir die wenigst angenehmeste. Die jüngste ist die klügste und munterste, und ist sehr amüsant, besonders wenn die Mama nicht dabei ist. Den 23ten. Wieder ist der Brief liegen geblieben. Das Wetter war schön, und da lockte es heraus, so daß wir 2 Nachmittage hintereinander große Spazierfahrten gemacht. Dafür ist es heute düchtig kalt. Seit einigen Tagen ist Therese Esterhasie93 hier. Sie ist sehr verändert und alt geworden, aber sie sieht doch unbegreiflich gut aus. Nur des Nachmittags hat sie so entsetzlich viel Roth auf, daß es nicht zum Ansehen ist, duftet nach allem möglichen parfums. Überhaubt, ihr Erscheinen hier ist für mich nicht angenehm, denn ich weiß nicht, wie ich mich nehmen soll. Ich spreche mit ihr und dann gehen wir etwas zusammen, aber bald mache ich mich loß. Überhaubt geht sie fast immer allein, dann jammert sie mich. Übrigens hat sie einen Herrn bei sich, einen Ungarn, der macht mit ihr die größeren Spaziergänge, und da habe ich sie neulich zusammen begegnet. Das war mir sehr unangenehm. Heute werde ich zu ihr hinmüßen, denn sie ist zweimal bei mir gewesen. Das gute Marienbad ist greslich, denn man höret hier garnichts. Es ist, als wenn man von der ganzen Welt abgeschnitten wäre. Bücher kann man auch nicht bekommen. Gräfin Hagen (Hardenberg),94 die leihet mir manchmal welche. Jetzt lese ich ein skandalöses Buch, les mémoires du diable.95 Es ist mitunter amüsant. Lieber hätte ich etwas anderes. Überhaubt bekömmt man hier nichts, kein hübsches Zeug zum Kleid, noch Mäntelchen, die man hier viel braucht. Jetzt will mir Gräfin Nostitz96 aus Paris eins kommen laßen. Außer Glassachen ist nichts hübsches hier. Noch bleibe ich 14 Tage hier, dann gehe ich den 9ten nach Eger, wo ich bis den 24-26ten bleibe, und nehme meinen Weg über Rudolstadt, Eisenberg, Altenburg nach Berlin, wo ich schon den 2ten August mit dem ersten Zug nach Potsdam von Berlin kommen werde, also zum Kaffee mich 92 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), und ihre Töchter Maria (1825–1846), Elisabeth (1826–1845) und Katharina (1827–1897). 93 Fürstin Maria Esterházy de Galántha, geb. Prinzessin von Thurn und Taxis (1794–1874), Tochter der Fürstin Therese von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1773–1839). 94 Adelbert vom Hagen (1798–1876), preuß. Kammerherr, und Eveline vom Hagen, geb. von Hardenberg (1801–1847). 95 Les Mémoires du Diable, 1837/1838 erschienener Roman von Frédéric Soulié (1800–1847). 96 Caroline Gräfin Clam-Gallas (1798–1863), verh. 1818 Johann Wenzel Graf von Nostitz-Rieneck (1791–1852), Palastdame der Kaiserin Maria Anna von Österreich.
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Abb. 8: Ansichten von Marienbad, 1843.
anmelde. Es ist noch lange hin, es kann freilich noch alles anders kommen, und ich schreibe auch wohl noch einmal während der Zeit. Von Luise habe ich gestern einen Brief. Sie hofft, Ende August zu euch, ihr Lieben, zu kommen. Sonst geht es ihr gut. Von Charlotte hatte ich auch einen Brief. Durch Reitzenstein97 wirst Du noch bessere und genauere Nachricht erhallten haben, der sehr entzückt von dort zurück gekehrt sein soll. Nun leb wohl, verzeih diesen dummen Brief, allein, ich bin so müde vom vielen Gehen. 3 Stunden des Morgens früh, um Mittag eine Stunde und Abends wieder eine Stunde, das ist zu viel für schwache Beine und Köpfe. An Fritz viel Liebes. Er ist nun bei Dir, aber mein Brief wird Dich nicht mehr in Dresden finden, sondern schon in Potsdam. Ewig Deine, in Liebe Deine Adine Marienbad, am 5ten July 1843 Meine theure Elis, Dein Brief aus Potsdam vom 30ten Juny hat mich recht innig erfreut, denn ich sehnte mich recht nach Nachricht von Dir selbst. Seit einem Jahr hast Du mich so verwöhnt mit viele Briefe, dass mir es recht fehlte, obgleich es meine Schuld zum Theil 97 Karl Freiherr von Reitzenstein (1797–1878), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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mit war. Mit Freuden sehe ich, daß Du es Dir gut gegangen ist, woran ich zwar nicht gezweifelt, denn im Kreis seiner lieben Geschwister gesundet Leib und Seele. Deine Schwester, die Erzherzogin98 ist sehr wohl von der Reise zurück gekommen. Dieses erfuhr ich durch den Erzherzog Albrecht,99 der am 3ten hier eine Erscheinung machte. Kein Mensche ahnte seine Ankunft, und ich saß in meiner Stube mit Rauch, der aus Karlsbad gekommen war auf ein paar Tage, um die Großfürstin und mich zu sehen.100 Da kam ein Lakai hereingestürtzt, meldete den Erzherzog an. Luise und ich, wir präsentierten uns sehr en négligeé. Nach den beiden visiten reisete er gleich weiter. Ich habe mich aber sehr gefreut, ihn wiederzusehen. Ich finde ihn embelliert. Luise meinte zwar das Gegentheil, sie hat ihn sonst auch so gern, weil er so etwas einfaches und ehrliches hat. Wir haben hier mehrere Besuche von Prinzen gehabt. Der Herzog von Braunschweig101 kam am 27ten hier auch ganz plötzlich an. Leider kam er um Mittag und reisete den andern Morgen früh wieder ab. Doch war er so freundlich, gleich zu mir zu kommen. Wir sprachen viel von frühern frohen Zeiten, und er gedachte recht theilnehmend und herzlich meines lieben Paul. Ich fand, daß er recht gut aussah. Er trägt das Haar jetzt anders, was ihm recht so gut steht. Doch seine schöne Figur frappiert, selbst Luise, die ihn sich kaum erinnerte. Dann war der Prinz Moritz von Nassau102 mehrere Tage hier, um seine Tante, die Großfürstin zu sehen. Das ist ein sehr hübscher Mensch. Er erinnerte mich sehr [an] seinen seeligen Vater,103 und kann auch so munter sein. Wir sahen ihn aber garnicht, da er nur mit seiner Tante und Cousinen war. Wie der Herzog von Braunschweig hier war, aßen wir grade bei der Großfürstin mit ihm und dem Herzog. Das langweilige Leben hat noch so fort gedauert bis gestern, wo es der erste Tag mit ganz schönem Himmel und Sonnenschein war, und heute ist es ebenso. Gestern war wieder reunion, wo getanzt wurde. Es war aber fast zu heiß. Vorgestern hat es 24 Stunden ohne Unterbrechung geregnet, daß alles überschwemd wurde. Den Nachmittag gaben die Herrn einen Kaffee und machten eine Cour im Cotillon, wo eine Polonaise getanzt wurde. Da bekam man von seinem Herrn ein bouquet, worin ein Loos steckte, und auf der Nummer zog man eine hübsche Kleinigkeit. Es war ganz hübsch arangiert. Dann hat Gräfin Hahn104 einen kleinen Ball bei sich gegeben, wo wir nicht eingeladen. Stattdessen war Rauch zum Thee bei uns. Ich habe ihn diesmal viel gesehen. Er war recht vernünftig, 98 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). 99 Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895). 100 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), Flügeladjutant des preuß. Königs und zugleich preuß. Militärbevollmächtigter in St. Petersburg, besuchte Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873), und Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin in Marienbad. 101 Herzog Karl II. von Braunschweig (1804–1873), hatte 1830 den Thron an seinen Bruder Herzog Wilhelm von Braunschweig verloren. 102 Prinz Moritz von Nassau (1820–1850) besuchte seine Tante Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873), und deren Töchter. Seine Mutter Herzogin Pauline von Nassau, geb. Prinzessin von Württemberg (1810–1856), war eine Schwester der Großfürstin. 103 Herzog Wilhelm I. von Nassau (1792–1839). 104 Agnes Gräfin von Hahn, geb. von Schlippenbach (1812–1854).
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und einmal habe ich ganz offen gesprochen von meinen Verlust, von meiner Trauer, wie mich dies so ernst gemacht, und wie ein solcher Kummer das Leben so ganz anders ansehen lehrte, und ihm gezeigt, wie ich Paul geliebt, und wie dieser Schmertz mich nie verlaßen würde. Ich könnte wohl heiter sein und hätte manchmal etwas Lebensmuth, doch das wäre nur so vorüber gehend. Da war er recht theilnehmend und sah wohl, wie so anders alles stünde, als wie er vielleicht gedacht. Heute sind Nachrichten vom Großfürst Mischel gekommen. Er war in Dresden und ist nun nach Weimar, wo er einige Tage sich aufhällt. Am 11ten kommt er hier an. Dann bin ich schon fort nach Franzensbrunnen. Doch zum 13ten, Charlottens Geburtstag, werde ich wohl hier wieder herkommen. Am 7ten giebt die Großfürstin einen Kaffee im Ferdinandsbrunnen um 5 Uhr Nachmittags. Dann soll getanzt werden Am Sonnabend will die Esterhasie105 einen Thee im Freien geben. Damit ziehe ich dann ab. Du glaubst nicht, wie die noch gut aussieht und ziehet sich an, nur zu jung und sehr blaß, aber mit viel Geschmack. Die gute Marianne bleibt doch unverbesserlich, daß sie so angefahren kam nach Potsdam, ohne eingeladen zu sein. Ihr Aufenthalt in Schlesien war auch nicht zu lang. Von Abat weiß man immer noch nichts. Ich erwarte nichts Gutes von seiner Rückkehr. Lebwohl, wir wollen eine Parthie nach Königswarter machen mit Hofmarschall Schöning und seine Töchter.106 Schreibe mir bald nach Franzensbrunnen, wenn du Äußerung erfahren selbst von dem Reisenden. Adine Franzensbrunnen, den 22ten July 1843 Durch Graf Redern107 wirst Du diese wenigen Zeilen erhalten. Der Brunnen will mir garnicht recht bekommen. Er échaufiert mich sehr und schreiben kann ich garnicht, da ich starkes Kopfweh bekomme. Also sei Dir nur flüchtig, aber innig gedankt für Deinen lieben Brief vom 10ten des Monats. Am 27ten verlaße ich dies gräuliche Bad, gehe über Rudolstadt, Eisenberg. In jeden Ort hallte ich mich einen Tag auf, um meine Mama und Schwägerin108 zu sehen. Am 1ten August komme ich in Berlin an und bitte um Erlaubniß, die Nacht da zuzubringen, den 2ten dann zum Frühstück mich in Sanssouci einzufinden. Von Albert habe ich einen Brief gehabt aus Constantinopel. Er klagt sehr, daß kein einziger Bruder ihm geantwortet. Seine Gemüthsstimmung ist sehr traurig, und ich sehe keinen Frieden, und nun ist Stokhaus gestorben,109 der auch noch vortheilhaft auf ihn einwirken konnte. Alles verschwört sich dagegen. Den 10ten August will er in Berlin 105 Fürstin Maria Theresia Esterházy de Galántha, geb. Prinzessin von Thurn und Taxis (1794–1874). 106 Kurd von Schöning (1789–1859), Hofmarschall des Prinzen Carl von Preußen, mit den Töchtern Helene und Rosalie von Schöning. 107 Friedrich Wilhelm Graf von Redern (1802–1883). 108 Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 109 Johann Karl Friedrich Ludwig von Stockhausen (1775–1843), preuß. Offizier und Hofmarschall des Prinzen Albrecht von Preußen, war am 4. Juli gestorben.
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sein. Ich sende den Brief mit. In Sanssouci giebst Du ihn mir wohl wieder. Ach, ich freue mich so, die 2 Tage bei Dir zuzubringen. Mein Fritz ist glückselig in Petersburg und geht ungern fort. Am 20ten abends ist er nach Moskau, bleibt 4 Tage und in Warschau 2 Tage. Am 8ten denkt er zurück zu sein. Meine Rückkehr zu Haus wird wieder trüb sein. Hier kann ich recht heiter sein, aber bald wird es damit aus sein. Lebwohl. Redern wird Dir viel von Paris erzählen. Auf baldiges Wiedersehen. Deine alte Adine Denke Dir meine Freude, Wilhelm110 hat mich gestern überrascht und bleibt heute hier und geht dann nach Marienbad, um Helene zu sehen. Adios.
[Heiligendamm] Cottage, den 15ten August 1843 Wie gerne hätte ich schon früher geschrieben, meine liebe Elis, allein, Karl wird Dir sagen, daß ich keine Zeit dazu hatte. Seine Ankunft und Aufenthalt hat mir viel Freude gemacht und seine gute-Laune hat mich über manches schmertzliche leichter herüber geholfen. Er kann sehr gemüthlich und herzlich sein, und ich kann sagen, ich sah ihn ungern abreisen. Wie mag es jetzt in Bumsfelde aussehen?111 Er ist angekommen, das ist alles, was ich weiß. Ich zittere für die Entscheidung. Das schöne Wetter wird Euch in Sanssouci auch recht willkommen sein. Die Strelitzer reisen morgen wohl wieder ab. Eben komme ich vom Wasserfahren zurück, und finde Nachricht vor, daß Lollo morgen hier in Dobbran eintreffen wird, um die Seebäder zu nehmen.112 Ich freue mich sehr darüber. Aber was heißt das? Sie sollte ja mit nach Italien, was mag da vorgegangen sein? Sie soll an der See wohnen. Das hat seine Schwierigkeiten, da keine Wohnungen frei sind. Einige Tage wird sie in meinem Haus wohnen bis zum 20ten, wo dann Wohnungen hier offen kommen. Ach, gieb mir bald Nachrichten von dem Stand der Dinge in Berlin. Der Erzherzog Stephan113 ist auch in Berlin, wie die Zeitung sagt. Der Herzog von Nassau ist mit seinem Bruder nach Petersburg.114 Was wird das geben? Einer von beiden wird wohl auf dem Schlachtfeld bleiben. Hänlein115 war zu dem festlichen Tag hier, und der erzählte, er wäre in Condito116 in Travemünde angekom110 Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 111 Gemeint ist das eheliche Zerwürfnis zwischen Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, und deren außereheliche Beziehungen. 112 Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855) besuchte offenbar die Seebäder in Doberan, statt mit ihrer Mutter Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, nach Italien zu reisen. 113 Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867). 114 Die Herzöge Adolph I. (1817–1905) und Moritz von Nassau (1820–1905) auf Brautschau in Petersburg. 115 Johann Christoph Ferdinand Ludwig (Louis) von Hänlein (1790–1853), preuß. Gesandter in Hamburg und auch zuständig für Mecklenburg. 116 Verm. gemeint „In Cognito“.
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men und auf dem gewöhnlichen Dampfschiff nach Petersburg gereiset, obgleich 2 Tage darauf Peter von Oldenburg mit seiner Frau auf ein eigenes Dampfschiff abgegangen wären.117 Ich schreibe nichts weiter, weil Karl von hier erzählen wird, und ich gerne diesen Brief recht bald absenden möchte. Deine Adine Mit Freuden gedenken wir der schönen Tage in Sanssouci, und ich hoffe, wenn mein Fritz nach Lüneburg, was wohl den 20ten September sein wird, ich dann wieder zu Dir komme bis zum 8ten Oktober. Das ist so meine Idee, ob sie euch behagt, weiß ich nicht.
[Heiligendamm] Cottage, den 26ten August 1843 Meine Elis, wie faul bin ich im Schreiben geworden, aber ehe ich Dobbran verlaße, sollst Du noch von mir hören. Lollo ist denn glücklich hier am Ufer des Meeres untergebracht, und wie es mir scheint, bekömmt ihr hier die große Ruhe recht gut. Sie badet täglich mit einiger Überwindung. Mir kömmt sogar vor, als wenn ihre Gesichtsfarbe besser geworden. Leider muß ich sie am Dienstag verlaßen, wo wir von hier abreisen, um nach Schwerin zurückzukehren. Auch ich verlaße ungern mein Cottage, wo ich mich nach der Reise und der Kur sehr erholt habe. Das Wetter war unbeschreiblich schön die ganze Zeit, nur drei Tage, wo Regen und es kalt wurde. In Schwerin ziehe ich aber nach dem Greenhaus, wo ich bleibe, bis Fritz nach Lüneburg geht. Dann möchte ich um der Erlaubniß bitten, nach Sanssouci kommen zu dürfen vom 20ten September bis zum 8ten Oktober. Von Luise erhielt ich vorgestern einen Brief, wo sie mir scheibt, Anfang September in Berlin mit allen Kindern anzukommen gedenkt. Sie freut sich ungeheuer, die Kinder mitzubringen, aber vom Bleiben im Winter will sie nichts hören wegen Putchen ihrem Religionsunterricht. Den könnte sie wirklich in Berlin auch nehmen. Übrigens fürchtet sie sich wegen Abats und hat auch wenig Hoffnung. Marianne ist fort, und wenn sie an der Schukmann118 schreibt, entsetzlich traurig ohne Kinder. Dies scheint mir schon ein Zeichen, daß keine Versöhnung zustande kömmt. Obgleich sie selbst, wie sie durch Lollo schrieb, alle Hoffnung dazu hat, da sie ihn milder fand. Ich denke mir, es war, weil er bestimmt wußte, daß sie fort reisete und darauf seine Hoffnung gründet, es ganz zu lösen. Übrigens soll Marianne wirklich in einem bedenklichen Zustand sein, und die Ärtzte wenig Hoffnung haben, besonders da zum Baden in Livorno es zu spät ist. Die Ingenheim hat denselben Artzt.119 Die erzählte es mir. Sonst sieht man sie garnicht. Die Gesellschaft sagt ihr nicht zu. Sie will immer die Erste sein, ist unhöflich für alle Menschen. Also bleibt 117 Herzog Peter von Oldenburg (1812–1881), seit 1837 verh. mit Prinzessin Therese von Nassau (1815–1871). 118 Marie von Schuckmann (1803–1884), Gouvernante der Prinzessin Charlotte von Preußen (1831– 1855). 119 Eugenie de Thierry (1808–1881), verh. mit Gustav Adolf Wilhelm Graf von Ingenheim (1789– 1855), illeg. Sohn von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen (1744–1797).
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sie für sich. Mit der alten Gräfin Asseburg und ihrer Tochter Gräfin Zieten hielt sie zusammen.120 Sie sind nun abgereist. Bei Lollo sind sie manchmal mit den Kindern. Ich glaube nicht, daß Dobbran ihr gefällt. Rauch mit seinen Töchtern121 haben wir viel gesehen. Er war einmal zum Essen hier im Cottage, zum Kaffee und zum souper, was ihm sehr gefallen. Er hat uns sehr aufgeheitert durch seine muntere Laune. Nun wird er bald in Berlin sein. Ich habe noch immer keine Nachricht, wie es mit der ältesten Tochter von Mary geht, aber einige wollten gestern behaubten, sie sei tod. Eben wie ich diese Zeile schrieb, kommt Dein Brief. Wie dank ich Dir, daß Du mir so geschrieben, ohne meinen Brief abgewartet zu haben. Also wirklich ist [die] Kleine von Mary tot.122 Wie schrecklich für Alle. Es ist der erste Schmertz dieser Art in der kaiserlichen Familie. Möge nichts schweres folgen. Mir wird bang, wenn ein Unglück beginnt. Das Opernhaus hat mir so schrecklich leid gethan. Als wenn mir ein guter Freund gestorben. Was für Erinnerungen knüpften sich daran, und nun liegt alle in trümmern. Das Feuer muß furchtbar gewesen sein, und der armen Auguste wird es gewiß schaden. Sie soll doch recht leidend sein. Wie traurig, wenn ich nach Berlin komme und finde mein liebes Opernhaus nicht mehr.123 Die gute Bumsfelde ist doch zu leichtsinnig in allem, was sie thut. Sie hat also selbst alles verdorben.124 Die Schukmann125 muß etwas davon ahnen. Sie sprach mir neulich flüchtig davon. Ich verstand sie nur nicht. Es ist zu traurig. Nun leb wohl. Wo werdet ihr uns in Sanssouci hinstecken? An Fritz viel Schönes, und ich dächte mir allerhand bei seinem viel sagen laßen. Luise und Fritz legen sich zu Füßen. Deine alte Adine Schwerin, den 20ten September 1843 Meine liebe Elis, dies kleine Briefchen soll Dir nun meine Ankunft wieder anzeigen. Am Sonnabend denke ich um 6 Uhr von Ludwigslust abzufahren, und um 6 Uhr in Sanssouci zu sein. Beinah schäme ich mich, sobald wieder einzurücken. Aber wir freuen uns alle garzu sehr, einige Zeit mit Dir ruhig in Sanssouci zuzubringen. Wenn das Wetter nur auch so schön bliebe, wie es diese ganze Zeit war. Heute Morgen sind unsere Truppen nach Lüneburg abmarschiert. Es ist wirklich ein événement für Schwerin, beinah für ganz 120 Bernhardine Friederike Gräfin von der Asseburg, geb. von Blücher, verw. von der Schulenburg (1786–1870), und ihre Tochter aus erster Ehe Amalie Gräfin von Zieten, geb. von der Schulenburg (1807–1853), waren am 28. Juli in Doberan angekommen. 121 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) hatte vier Töchter. 122 Alexandra Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1840–1843), Tochter von Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 123 Vom 18. zum 19. Aug. 1843 war das königliche Opernhaus Unter den Linden in Berlin abgebrannt. 124 Gemeint ist Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, und deren außereheliche Beziehungen. 125 Marie von Schuckmann (1803–1884), Gouvernante der Prinzessin Charlotte von Preußen (1831– 1855).
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Meklenburg.126 Die Augustenburgs127 sind heute auch abgereiset. Sie kamen Montag Abend späth, blieben gestern, wo sie noch den ganzen Abend getanzt haben, was die beiden Mädchen sehr entzückt. Es war zum ersten mal im Grünhaus bei mir. Ganz leicht, kannst Du Dir denken, war dies nicht für mich. Allein, es muß doch alles gehen, und was ist dies gegen den wirklichen Schmertz. Aber das Herz leidet doch dabei. Nun komme ich mit einer Bitte, die Du Fritz in meinem Nahmen vortragen sollst. Nehmlich Anfang Oktober feiert mein Artzt, der alte Sachse,128 sein Jubiläum, und da möchte ich Fritz bitten, ihm dem rothen Adler um den Hals zu verleihen. Das würde den alten Mann überglücklich machen, und ich wüßte ihm an dem Tag keine größere Freude zu machen, als wenn ich es ihm im Nahmen von Fritz schicken dürfte. Ich schreibe es heute, weil ich fürchte, es in Sanssouci zu vergeßen. Ich komme mir wie Filzis vor, die auch immer um so etwas bettelt. Auf baldiges Widersehen. Deine alte Adine An Fritz und Luise viel Liebes, ich dankte für ihre lieben Briefe.
Sonnabend, den 21ten Oktober 1843, Ludwigslust Meine liebe Elis, wie viel muß ich täglich an Euch, Ihr Lieben, gedenken und versetze mich dann unter Euch. So ziemlich kann ich wißen, was ihr vornehmt, nach Berlin seid ihr gewesen, das wußte ich, sollte geschehen. Die Zeitung bestetigt es. Eigentlich sollte ich meinen Brief beginnen mit dem innigsten Dank für die unbeschreibliche Liebe und Freundlichkeit, die Du wieder für uns gehabt. Ich sage uns, weil Du ja manches gethan, um meine Luise zu erfreuen, die es gewiß recht mit dankbarem Herzen erkannt hat. Hier angekommen, wo wir einige Herrn zur Gast vorfanden und nun glaubten, einer bewegte Zeit entgegen zu sehen, sitzen wir nun allein hier, denn mein Fritz bekam eine Einladung von Graf Bassewitz Schlitz129 zur Jagdt. Er konnte nicht widerstehen und ist gestern hin, bleibt bis Dienstag fort. Auch soll Sonntag dort ein großer Ball sein. Um daß Luise hier auch eine kleine Freude hat, so wird heute Abend etwas getanzt werden im sogenannten rothen Vorzimmer, das Zimmer neben dem goldenen Saal. Sie freut sich sehr darauf. Das Theater besuchen wir täglich, was sie auch amüsiert, so daß sie ganz heiter ist. Aus Cecil130 hat sie mir die Nachmittage oder nach dem Theater vorgelesen, wo wir nur Thee trinken und zwar allein. Das ist eine kleine Wohlthat, die ich mir eingerichtet habe. 126 Die gesamte meckl.-schw. Brigade wurde zu einem Manöver des X. Armeekorps nach Lüneburg verlegt. 127 Herzogsfamilie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg. 128 Dr. Hans Sachse (1806–1869), Geh. Medizinalrat und Leibarzt der Großherzogin Alexandrine, erhielt den Roten Adlerorden 2. Klasse. 129 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861). 130 Es gab mehrere frz. Romane mit dem Titel „Cécile“, z.B. der von Félicité de Choiseul-Meuse
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Nachmittag. Ich hatte die Freude, einen Brief von Luise131 heute zu bekommen mit der Arbeit für meine Luise. Ich kann heute nicht mehr antworten, willst Du so gütig sein, und meinen Dank ihr sagen? Ihr habt mich vermißt, ihr Lieben, das ist so lieb von euch. Auch ich denke viel an der lieben Zeit in Sanssouci. Sie war garzu schön, und ich möchte sagen, garzu kurtz. So etwas verwöhnt. Nun sitze ich recht viel allein mit meinen trüben Gedanken. Das ist aber auch gut. Ich sammele mich mehr, obgleich mich diesmal, wo wir ja auch ruhiger gelebt, es mich nicht so im Innern zerrißen hat wie die ersten Male. Leider muß ich hier schon meinen Brief enden, denn ich soll mich anziehen. Tausend Liebes an Fritz, mit inniger Liebe. Deine alte Adine Schwerin, den 18ten November 1843 Gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Brief, und da morgen Dein Geburtstag gefeiert wird, so eile ich heute meine herzlichesten und innigsten Glückwünsche zu senden. Gott sei Dir schützend und schirmend zur Seite und erhalte Dir Dein Glück. Wenn man immer so könnte, wie man wollte, so wäre ich gerne morgen in Charlottenburg und feierte einmal mit Deinen Geburtstag und stände in der Reihe der Geschwister bei der Übergabe unserer Gabe, die ich nicht weiß, worin sie besteht. So muß ich hier bleiben und habe dafür ein großes Diner, aber ohne 42 Lichter Kuchen, nein, diese horible Idee, Dir so etwas zu bereitet, und zwar bei einem Fremden großen Hof Diner. Es ist wirklich merkwürdig. Ich theilte diese hübsche Geschichte den Kindern mit, die sich prächtig darüber amüsierten und gleich sagten, das ist recht Dessausch. Werden wir Filzis diesen Winter das Glück haben in Berlin zu sehen? Die Großfürstin Helene wird schön böse auf mich sein, daß Fritz nicht in Berlin war bei ihrer Durchreise, und meinen Brief wird sie auch nicht dort bekommen haben. Nun, es ist gut, daß wir uns nicht so bald wiedersehen. Ich bedaure sehr, daß William seine Wünsche nicht erfüllt worden sind, denn sie ist eine kleine, kluge und liebenswürdige Person. Außerdem wird ihm solche mißlungene Versuche immer mehr abschrecken, einen Entschluß wieder zu fassen. Luise schreibt mir, daß sie wirklich noch die Idee hat, mich hier zu besuchen, aber ob Fritz mit kann, wäre ungewiß wegen dem alten Graf.132 Ich konnte es mir denken, daß seine Ankunft nicht Glücksbringer sei. Und Marianne, die in Rom sitzen bleiben will! Wie sie sich nur nimmt? Still und ruhig oder herumfahrend und wild? Wenn sie uns nur nicht Schande macht. (1767–1839): Cécile ou l’élève de la pitié, dt. 1816: Cäcilie oder der Zögling der Barmherzigen Schwestern. 131 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 132 Der Besuch von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870), und eventuell ihres Ehemannes Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881) war abhängig von dessen Vater, dem sich „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennenden, abgedankten König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843).
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Die Heirath der Rehdiger133 hat mich so verwundert, daß ich es erst nicht glauben wollte. Wenn sie es nur gern thut. Für Dich ist es ein rechter Verlust und giebt nun wieder eine neue Wahl. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Du solltest doch Kambises, den Welteroberer nehmen.134 Weißt Du noch, wie sie aussah im Marmorpalais und wie der Bordeaux135 herzlich über sie lachte? Diesen Augenblick ist Hessenstein mit Frau und Tochter hier auf einige Tage.136 Sie kommen mir recht in der Quer, weil ich Medizin nehmen soll und den heutigen Tag, wo Saujagdt ist, dazu benutzen wollte. Sonst amüsieren mich diese Menschen, weil sie so viele unglaubliche Geschichten immer haben. Sie meinen es aber gut und ehrlich. Adios, leb wohl. An Luise viel Schönes. Ihre Zimmer wären schön warm und erwarteten sie. Heute über 8 Tage wird Ball im Schauspielhause sein, wozu sich die Jugend sehr freut. An Butt viel Liebes. Ewig Deine treue Adine Schwerin, den 4ten December 1843 Liebe Elis, recht lange zögerte ich mit meinem Brief, aber ich habe in dieser Zeit so manches zu thun. Die Einsegnung von Wilhelm bescheftigt uns sehr. Er legt sich Dir zu Füßen. Am Sonntag, den 10ten December, wird er in der Schloßkirche eingesegnet. Ich hoffe, er wird recht gesammelt und ernst diese heilige Handlung begehen. Am Montag werden wir mit ihm zum Abendmahl gehen. Denselben Abend erwarten wir die Erbgroßherzogs aus Strelitz, welche den 14ten wieder fortgehen. Dann wollen wir am 15ten nach Dobbran, um den alten Großherzog zu seiner letzten Ruhestette zugeleiten. Der Sarcophag, den er sich selbst bestellt, ist nun fertig geworden und in der Kirche zu Dobbran aufgestellt.137 Alles dies drängt sich so und muß doch alles geordnet werden. Nachmittag. Eben, als ich Dir dies geschrieben, kam Fritz zu mir, um mir anzuzeigen, daß er einen Brief von Fritz Strelitz gehabt, und daß sie in Dresden länger bleiben wegen einen berühmten Sänger und nun erst den 17ten zu uns kommen wollen. Mir ist dies sehr lieb, denn ich muß sagen, nach der Einsegnung und Communion gleich mit Festen 133 Marie von Rehdiger (1810–1880), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen, heiratete am 4. März 1844 in Berlin Wolf Benno Ludwig von Schlegel (1801–1860), preuß. Major und 1848 militärischer Begleiter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen. 134 Wer mit diesem persischen Königsnamen gemeint ist, ist unklar. Nachfolgerin als Hofdame wurde Antoinette Gräfin von Maltzahn (1824–1899), Tochter des preuß. Diplomaten und ehemaligen Außenministers Mortimer Graf von Maltzahn (1793–1843). 135 Henri d’Artois (1820–1883), Herzog von Bordeaux und später Graf von Chambord, war der bourbonische Thronanwärter, der sich seit der Julirevolution 1830 mit seiner Familie im Exil aufhielt und für König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen legitimer König von Frankreich war. 136 Der meckl. Gesandte in Berlin Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867) mit seiner Frau Angelika, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1802–1852), und ihrer Tochter Auguste (1821–1905). 137 Der Granitsarkophag für den 1837 verstorbenen Großherzog Friedrich Franz I. von MecklenburgSchwerin war in der Schweriner Schleifmühle angefertigt und von dort in die Doberaner Klosterkirche transportiert worden.
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sich zu bescheftigen, war mir so entsetzlich entgegen, und besonders wegen Wilhelm, dem diese heilige Handlung nicht ernst und heilig genug genommen werden kann, denn er ist so sehr viel flüchtiger wie Fritz, obgleich er in recht guter Stimmung ist. Und ich möchte so sehr gerne, daß ihm diese Zeit und dieser Tag so einen bleibenden Eindruck machen sollte, der ihm sein bewegtes Leben späther immer wie ein Anhalte-Punkt vorleuchten möchte. Wie verschieden sind die beiden Brüder. Dem ältesten kann ich so ganz vertrauen und ihn ruhig ziehen sehn, diesen hingegegen werde ich mit Sorgen in der Welt treten sehen. Höre einmal, die Nachrichten aus Rom über Bumsfelde sind ja ganz entsetzlich.138 Luise erzählte mir davon. Ich war fast zu Marmor aus Entsetzen, und welchen Geschmack. Nein, so etwas gemeines ist nicht zu glauben. Ich glaube, das Beste wäre, Fritz trete einmal entschieden auf und ließ sie zurückkommen, besonders da ihr Rom so mißfallen. Sie geht sonst ganz gewiß nach Neapel zurück. Übrigens ist diese neue Begebenheit leider kein Geheimnis mehr. Fräulein Kameke schrieb mir, daß ganz Berlin sich unglaubliche Dinge von der Aufführung zuflüsterte. Ich denke mir, die Leute haben es selbst erzählt. Diese Öffentlichkeit desoliert mich noch dabei, wenn das er, Bumsfelde, erfährt, dann ist ja alles aus. Gott, wie soll das enden? Sagte ich nicht immer, wenn sie uns nur nicht im Ausland Schande macht? Von Charlotte hatte ich gestern einen Brief aus Petersburg selbst vom 24ten, und da war Helene grade angekommen. Charlotte fürchtet sich auf der Conversation. Lilli findet sie collosal, Cathy sehr zu ihrem Vortheil verändert, und Mary ist ihr auch die liebste.139 Helene selbst aufgeregt heiter, doch noch leidend. Nun Adios. Wie sehr ist das Fest bei Stollberg gestöhrt gewesen? Erst, daß Du selbst nicht da warst, und dann das Feuer. Es soll ein ganz abscheulicher Moment gewesen sein. Ich beklage die armen Stolbergs. Noch einmal Adios mit inniger Liebe. Deine treue Adine An Luise viel Liebes. Schwerin, den 18ten December 1843 Wie hast Du mich erfreut durch Deinen lieben Brief vom 10ten December. Es war gut von Dir, daß Du meiner schriftlich des Tages gedacht. Es war ein schöner, aber unaussprechlich trauriger Tag zugleich. Denn der Seegen vom Vater fehlte, vom Jenseits hat er sein Kind gewiß gesegnet und mit seiner Liebe umgeben, aber hier fehlte er. Was ist aber
138 Gemeint ist das eheliche Zerwürfnis zwischen Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, und deren außereheliche Beziehungen. Offenbar hatte nun Prinzessin Marianne von Preußen in Rom erneut einen öffentlichen Skandal verursacht. 139 Die Großfürstinnen Elisabeth Michailowna (1826–1845), Katharina Michailowna (1827–1894) und Maria Michailowna (1825–1846) von Russland, Töchter der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873).
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dazwischen für ein plötzlicher Todesfall eingetreten.140 Mein Gott, wie erschreckend! Es mag ein schöner Tod sein, ohne Kampf hinüberzutreten. Der arme Fritz soll tief betrübt sein, und Luise schreibt auch recht traurig. Welches Glück aber, daß sie noch nicht abgereist waren. Für Fritz wird es ein großer Trost und Beruhigung sein, und aus mancher Hinsicht auch wohl sehr wichtig. Jetzt wird wohl garnicht an der Abreise gedacht. Ehe ich es vergeße, mein Fritz wird am 2ten Januar Abends von Schwerin abreisen und wünscht am 3ten eine Aufwartung zu machen, und am 4ten weiter nach Dresden zu reisen. Werdet ihr dann in Berlin oder Potsdam sein? Doch jetzt ist kaum wohl etwas darüber bestimmt. Du läßt es ihn aber wohl vor der Abreise wißen. Wilhelm wird noch einge Tage länger mit uns bleiben, und dann am 6ten Januar, hoffe ich, bei Euch mit Sack und Pack eintreffen. Wir freuen uns schon alle auf diese Zeit. Wenn Fritz hier weg sein wird, dann ist es kaum zu ertragen. Schon die zwei Tage, wo die beiden Söhne nach Dobbran waren, war es hier zu traurig und einsam. Ich bin nicht mit gewesen, weil ich mich fürchtete, es wäre mir zu schmertzlich gewesen und zu angreifend. Mit Entsetzen sehe ich eben, daß ich das Pappier verkehrt genommen, und Donnerstag am Ende gedruckt steht. Du nimmst es wohl nicht übel. Die arme Marianne wird außer sich sein, wenn sie die Todes Nachricht erhällt. Ach, möchte dieser große Verlust sie in sich gehen machen und sie herausreißen aus ihrem Irwahn. Anders kann man es nicht nennen. Ich hoffte, Albert sollte gleich hin, ihr die Nachricht selbst bringen, sich aussöhnen und sie mit zurück bringen. Die Idee, die Witzleben141 zurück zu schicken, ist unbegreiflich. Was heißt denn das? Sie scheut die wohl. Ach Gott, laßt sie zurückkommen. Es wird sonst ein entsetzliches Skandal. Beugt doch das Ärgste vor. Nun lebwohl. Heute Abend erwarten wir die Strelitzer Erbgroßherzogs. Die Trauer macht nun auch, daß sie die 2 Tage still mit uns zubringen müßen. Wenigstens kann jetzt kein Ball bei uns sein, nur Diners und Theater. An Luise sage tausend Liebes. Ach noch eins, wenn Du erlaubst kömmt die Weihnachtskiste wieder unter Deiner Adresse und wird dann an Fräulein Kameke weiter besorgt. Deine treue Adine Schwerin, den 30ten December 1843 Meine theure liebe Elis. Diese Zeilen werden Dich begrüßen am ersten Morgen im Neu Jahr. Möge Gott Dir seinen Seegen und viel Glück bereiten. Mir bleibe aber so gut, so eine liebende Schwester wie bisher. Deine Liebe macht mich so glücklich und hat mir so viel Trost in meinem Schmertz gegeben. Ach, habe Dank für alles, was Du für mich gethan. Möge Dir der Herr die herbsten Schmertzen recht fern hallten. Auch an Fritz sage recht viel Liebes. Ich schreibe ihm nicht selbst, denn am 6ten Abends will ich ja 140 Der abgedankte, sich „König Wilhelm Friedrich Graf von Nassau“ nennende König Wilhelm I. der Niederlande war am 12. Dez. in Berlin gestorben. 141 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, hielt sich nach der Trennung von ihrem Mann Prinz Albrecht von Preußen im Haag auf. Sie hatte offenbar ihre Hofdame Hertha von Witzleben (1815–1879) wieder nach Berlin zurückgeschickt.
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selbst meine Wünsche noch aussprechen. Und mein Fritz wird am 3ten Vormittags in Berlin ankommen und mündlich meine Grüße bringen. An diesen Abschied mach ich nicht denken, und doch ist er so nahe. Nun vor allen Dingen nehme meinen herzlichen Dank für die lieben Weihnachtsgeschenke, welche mir so viel Freude gemacht. Die Zimmer von Papa sind mir so lieb. Ich hatte sehr den Wunsch, die zu besitzen. Auch der kleine Aufsatz erfreute mich und gestern zum Diner für Hänleins142 habe ich ihn aufgehabt. Er ist deliziös und Du wirst ihn in Berlin mir oft aufsehen. Die arme Luise ist nun fort. Das Ende ihres Aufenthalts war recht traurig und schwartz geworden. Doch die Erinnerung an die guten Zeiten wird es nicht verwischen können. Heute kömmt sie in Haag an. Ob die Leiche wohl schon angekommen ist? Auf der Elbe ist das Dampfschiff zweimal festgefahren, woran der starke Nebel schuld gewesensein soll. Der alte König muß nach den Nachrichten in der Zeitung ungeheuer reich gewesen sein, und Marianne wird auch unmenschlich reich. Von ihr können wohl noch keine Nachrichten da sein. Wenn es doch auch ihr einen günstigen Eindruck machte. Nun, wenn ich nach Berlin komme, dann werde ich es wohl erfahren. Heute über 8 [Tage] komme ich zu Euch. Diesen Augenblick sind zwei Bräutigams in Berlin, die nach Petersburg eilen. Die Vermählungen sind beide Ende Januar, wie ich höre.143 Das wird dort eine brillante Zeit werden. Ich schließe schon hier meinen Brief, weil wir gleich nach Ludwigslust fahren, um bei Mama zu eßen und den Abend giebt uns die ganze Gesellschaft einen Ball. Ich möchte auch, es wäre nicht. Ich bin wenigstens nicht dazu aufgelegt. Meine Gefühle bei Ende des Jahres und beim Anfang, die kann wohl jeder begreifen. Leb wohl, meine Elis. Gott sei mit Dir. Deine treue Adine Wärst Du vielleicht so gütig, wenn ihr am 3ten Januar nicht in Berlin seid, es in Nauen Fritz wißen zu laßen, wohin er kommen soll?
142 Johann Christoph Ferdinand Ludwig (Louis) von Hänlein (1790–1853), preuß. Gesandter in Hamburg, zuständig auch für die meckl. Großherzogtümer, und seine Ehefrau Luise, geb. Schuster (gest. 1879). 143 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884) heiratete Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844), und Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905) die Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland (1826–1845).
1844 Schwerin, den 2ten Januar 1844 Meine liebe Elis, mein Fritz soll Dir diese Zeilen des herzlichsten Dankes mitbringen für Deinen lieben Brief vom 30ten, den ich gestern Abend erhielt und mir die größte Freude machte. Du bist immer so lieb und gut für mich, daß ich es Dir nicht in Worten ausdrücken kann, aber tief im Herzen fühle ich es. Zum 6ten Januar Abends melde ich mich nun förmlichst hierdurch an. Luise und Wilhelm küßen die Hände und freuen sich sehr zu Berlin. Schnäpschen wird aber nur den 7ten bleiben. Ich melde diese heute im Fall, Du ihm einen Brief für die Schwestern mitgeben willst. Lebwohl, auf baldiges Wiedersehen. Der Abschied heute Abend wird entsetzlich traurig sein, und der gestrige war es für mich recht sehr. Deine alte treue Adine Schwerin, den 24ten Februar 1844 Liebe Elis, ich muß so viel Deiner gedenken, daß ich mich gleich zum Schreiben niedersetze. Freilich habe ich Dir von hier noch weniger interessantes mitzutheilen als in Berlin, und grade in dieser Zeit, wo ich niemand sehe und meine Seele mit so viel Trauer angefüllt ist. Aber ich muß Dir doch sagen, wie lieb ich Dich habe und wie glücklich mich die Stunde machte, wenn ich bei Dir sein konnte. Wenn es 1 Uhr schlägt, dann möchte ich immer fort und Deine Suppe, die dann auch ankam. Es war zu traurig, daß Du krank warst, aber wie der Mensch immer egoist ist, so habe ich nur dabei gewonnen, denn ich sah und sprach Dich mehr als es sonst gewesen wäre. Und da nun die langweilige Zeit hinter Dir liegt, und Du wieder gesund und vielleicht wohler bist, als wenn Du den fatiganten Carneval mitgemacht hättest, so können wir Gott nicht genug danken, daß er alles so gut geführt hat. Heute bin ich zwar etwas um Dich besorgt wegen dem heftigen Ostwind, der hier unerträglich ist mit ein Schneetreiben verbunden, daß man garnicht sehen kann. Das macht den Aufenthalt hier nicht freundlich, sondern nur melankolischer. Der gestrige Tag war entsetzlich traurig wie nur alle folgende. Von Dir selbst werde ich lange nichts hören, vielleicht läßt Du mir durch Fräulein Kameke sagen, wie es Dir geht. Morgen siehest Du nun die Geschwister. Ich hoffe, es wird alles gut abgehen. Ich schreibe heute so groß, damit es Deine Augen nicht zu sehr angreift. Noch tausend herzlichen Dank Dir und dem lieben Fritz für alle Freundlichkeit, die ihr beide für mich gehabt habt. Die kleinen Abende bei Fritz waren mir so angenehm. An Tante Minnetrost küße die Hände. Deine treu liebende Adine
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253 Schwerin, den 27ten Februar 1844
Meine Elis, wie soll ich danken für den Beweis Deiner Liebe? Du hast mir selbst am 23ten geschrieben. In Worten kann ich es nicht faßen, meine Thränen des Dankes würden es vielleicht besser ausdrücken. Du hast mir aber eine Freude gemacht, die unbeschreiblich ist und das grüne Blatt läßt mir hoffen, daß das Schreiben Deinen Augen nicht geschadet. Du kannst denken, wie schrecklich mir der Tag war. Mein erster Gang nach meiner Ankunft war nach dem Dom und das gab mir Trost, wenigstens auf diese Art ihm nahe zu sein. Ich fühlte recht, daß ich diesen Tag nirgens anders ausgehalten hätte. Ich war zu traurig, zu unglücklich, und dann weißt Du, ist die Einsamkeit einem das liebste. Die Tage jetzt sind eben so. Mein Herz ist tod müde. Ich lebe nur in der Erinnerung, obgleich ich um Luise ihren Willen, damit sie den Abstand von Berlin nicht zu sehr fühlt, des Mittags mit meinen Damen und Herren eße, des Abends Thee mit den Damen trinke. Es wird mir aber recht schwer und nach morgen, wo Fritz sein Geburtstag, laße ich den Mittag eingehen. Von Fritz habe ich aus Florenz einen Brief vom 12ten, der zum 23ten berechnet war, wo er so lieb und herzlich schreibt, selbst sehr froh und heiter ist und sich im schönsten warmen Frühjahr befindet. Am 16ten früh wollte er in Rom eintreffen. Vor dem 1ten März können wir auf keinen Brief wieder rechnen. Gott möge dies liebe Kind geleiten! Nun sind Deine 6 Wochen um. Du wirst die Geschwister wiedergesehen haben. Sie werden sich recht gefreut haben. Um 1 Uhr denke ich immer am lebhaftesten an Dich, wo ich mit den Gerstenschleims1 erschien. Es waren die schönsten Momente meines Aufenthalts in Berlin. An Fritz sage recht viel Liebes. Wenn Du Stolberg siehest, so erinnere ihn an den Doktor Fessel, welcher gerne ein Titel haben will.2 Ich bath ihn darum, es zu verschaffen. Und meine besten Grüße für ihn. Siehest Du denn nun Menschen zum Eßen und zum Thee, oder bist Du noch nicht ganz als gesund geschrieben? Der böse Ostwind ist heute wieder mit Schneetreiben in Bewegung. Adios, behalte lieb Deine treue Adine Tausend Dank für die Nachrichten aus Petersburg über das Maskenfest. Es muß reitzend gewesen sein. Amelie von Schweden3 glaubt mich noch in Berlin, darum trägt sie mir vieles für Dich auf. Ich sende den Brief mit. Wie traurig und wie geknickt ist ihr Leben auch. Von Marianne lege ich einen Brief ein, weil er so hübsch geschrieben, aber, aber – es ist doch kein Bestand!!
1 Magenschonende Speise. 2 Dr. med. Fessel, Sanitätsrat in Berlin. 3 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853).
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 13ten März 1844 Meine liebe Elis, wie gut war es von Dir, meiner so liebevoll am 7ten zu gedenken. Es waren schwere Tage und haben mich ein paar Tage auch krank gemacht an […]4 Kopfweh. Sonst hätte ich Dir früher auf Deinen grünen Brief geantwortet. Allein, Ruhe konnte mir wieder auf die Beine helfen. Ach Gott, die Angelegenheit mit Abat nimmt doch ein schlechtes Ende. Wollet ihr nicht noch vielleicht das letzte Mittel versuchen, und wenn er mit Marianne ausginge, und es ein paar mal gethan, ihm dann sagen, daß die Rauch gesehen würde?5 Oder soll es vielleicht bis künftigen Winter so bleiben und abwarten, was Charlotte vielleicht vermag? Marianne wird nun auch bald abreisen, da sie zu Ostern nicht in Berlin sein soll, und die Gräfin von Nassau6 ist heute fort. Wie schnell sind die 3 Monate hingegangen. Auguste wird sie recht vermißen, nun kann sie nicht alle Tage herüber laufen! Diesen Augenblick ist Schwerin sehr bescheftigt mit der Kunstreuter Gesellschaft von Herrn Cuzent und Lejars,7 die wirklich sehr ausgezeichnet sind. Ich war gestern dort. Die Madame Lejars ist hübsch, gracios und tanzt delizios. Dann reitet die Mademoiselle Pantin nach Bouché die hohe Schule ganz süperbe, und der Herr Cuzent ist hübsch und macht unglaubliche Sachen. Sie gehen Montag nach Berlin. Sie ein paar mal zu sehen, würde es Dich vielleicht amüsieren? Das Ausfahren setzest Du wahrscheinlich nicht sehr eifrig fort, denn was für ein Wetter haben wir. Es ist zu schäuslich. Heute schneit es und der Schnee liegt. Die andern Tage regnete es und taute. In den Straßen zu gehen ist fast unmöglich. Ich freue mich für Dich, daß William Dich jetzt besucht hat. Er wird Dir ein lieber Gesellschafter sein. Geht er denn wirklich wieder nach Italien? Was macht er nur da alle Jahre. Sein armes Braunschweig verläßt er so viel. Von meinem Fritz habe ich die besten Nachrichten aus Rom, wo er sich unendlich gefällt. Beim Pabst ist er gewesen, hat Italienisch mit ihm sprechen müßen, und dieser ist sehr gnedig für beide junge Herren gewesen.8 Fritz schwelgt in Alterthums Genüßen, von 11–5 wird täglich besehen. Moliers und Herr von Buch sind unendlich freundlich für ihn.9 Der Dr. Braun10 hat es übernommen, Fritz in den Alterthümern und Museen herumzuführen und soll eine sehr angenehme Art dabei haben. Jetzt sind sie nun in Neapel und kommen am Palmarum 4 Wort nicht zu entziffern. 5 Rosalie von Rauch (1820–1879), Hofdame bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, hatte ein Liebesverhältnis mit deren Ehemann Prinz Albrecht von Preußen. 6 Henriëtte Gräfin d’Oultremont de Wégimont (1792–1864), als Gräfin von Nassau Ehefrau des abgedankten Königs Wilhelm I. der Niederlande. 7 Der frz. Zirkusunternehmer Paul Cuzent (1812–1856) tourte mit seinen Schwestern Antoinette und Armantine sowie der mit Jean Lejars (gest. 1848) verh. Schwester Pauline durch Europa. 8 Am 24. Febr. erhielten Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883) und Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875) eine Audienz bei Papst Gregor XVI. (1765– 1846). 9 August Ludwig Bernhard von Molière (gest. 1845), Major und Adjutant des Prinzen Heinrich von Preußen in Rom (1781–1846), und Ludwig August Baron von Buch (1801–1845), preuß. Gesandter in Rom. 10 Emil August Braun (1809–1856), Archäologe.
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nach Rom zurück, bleiben hier 14 Tage und reisen dann nach Sicilien, wo sie wieder 14 Tage bleiben, dann nach Malta und von da nach Constantinopel und Sicilien. Diese Ausflucht wird Anfang Juny beendet sein und dann nach Malta zurück und über Neapel den Rückweg angetreten. So stehen wenigstens jetzt die Pläne fest. Ich denke, Butt wird mit dieser Reise zufrieden sein. Der Prinz von Lippe11 begleitet Fritz. Filzis ist nun wohl bald ihrer Haft entlaßen und sieht dann vielleicht nach den ersehnten Gegenstand. Hast Du etwas aus Wien gehört wegen Orloff?12 Ob wirklich an der Heirath wieder gearbeitet worden ist?13 Ich hörte lange nichts aus Petersburg, und da nur von Festen und Bällen. Luise legt sich zu Füßen, ist sehr glücklich über Deine Grüße. Sie war mir jetzt bei den schrecklich traurigen Tagen ein rechter Trost. Sie war so lieb und wohlthuend. Leb wohl, meine Elis, an Butt tausend Liebes. Ach, ehe ich es vergeße, habt ihr den Artikel aus der Berliner Zeitung gelesen, daß ich den König von Hannover heirathe, um nach seinem Tode die Regentschaft zu führen, weil der blinde Sohn nicht folgen könnte? Was sagt ihr hier zu? Es ist zu dumm.14 Adine Schwerin, den 20ten März 1844 Meine liebe Elis, zwei liebe grüne Briefe habe ich vor mir liegen, für die ich herzlich danke. Sie brachten mir zwei sehr erfreuliche Nachrichten. Erstlich, daß Du Dich doch jetzt ganz wohl wieder fühlst, und zweitens, die Umwandlung mit Albert. Was ist das für eine Freude. Von der andern Seite aber wie betrübt, daß er von dem jungen Stockhausen15 so abhängig ist, bei dieser Gelegenheit sehr, sehr glücklich. Nach meiner schwachen Idee ist es aber jetzt ganz klar, wo all das Unglück hergekommen ist, wo der Eigensinn, man möchte sagen, Halsstarrigkeit herkam. Haben wir doch immer recht gehabt, daß es nicht sein Karakter war. Könnte man nicht auf irgent eine Art Stockhausen in seiner Gewalt behalten, damit er nie mehr einen schädlichen Einfluß ausüben kann? Jetzt mag er vielleicht alles thun, um seine eigene Strafe dadurch zu erleichtern, und ist das gelungen, dann fällt er in seine alte Rolle. Den 21ten. Nun eile ich meinen Brief zu Ende zu bringen. Ich hoffte gestern, etwas genaueres über den Brief von Herrn von Plessen zu erfahren, weil ich mich nicht getraute, so allein abzuurtheilen. Allein, erfreuliches habe ich nicht erfahren. Ich kannte ihn persönlich. Er hat seinen Eltern seit vielen Jahren nur Kummer gemacht und jetzt seinen Geschwistern, die ihm helfen, wo sie können, fast ihr Vermögen darüber verlohren. Ihm 11 Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875). 12 Fürst Alexei Fjodorowitsch Orlow (1786–1861), russ. Generaladjutant und Vertrauter von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 13 Gemeint ist die vom russ. Kaiser Nikolaus I. betriebene Verbindung zwischen Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867) und seiner Tochter Olga (1822–1897), die nicht zustande kam. 14 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851), verw. seit 1841, und sein Sohn, der blinde Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819–1878). 15 Friedrich Ludwig Albert von Stockhausen (1810–1858).
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ist wohl nicht zu helfen, da er schwach und leichtsinnig, sonst von vielen Fähigkeiten. Es ist alles mögliche mit ihm versucht worden, um ihn wieder in verschiedene Karrieren zu bringen, nichts hat er durchgeführt, als Geld durchgebracht. Minister Lützow, dem ich die Sache anvertraut, will sich aber noch einmal genau erkundigen.16 Gestern Abend hatte ich einen Brief von der jungen Herzogin von Nassau17 aus Berlin. Sie sendete mir einen von der Mama, welcher sehr aimable ist. Nun muß ich nur beiden anworten. Sache ist auch in Berlin angekommen, wohl als Überraschung. Er wird auch wohl die Nachricht mitgebracht haben, wie Charlotte mir selbst schreibt, daß sie Anfang Juny nach Sanssouci kömmt und 6 Wochen da ruhig bleiben will und Ende July wieder zurückkehrt. Sie freut sich sehr, ihr liebes Vaterland wieder zu sehen und uns alle. Olly wird sie begleiten. Die Zeitung erzählt ja recht unschuldig, warum nichts aus einer Verbindung zwischen Olly und dem Stephan werden kann.18 Wenn wirklich etwas daran gewesen, so ist [das] der Öffentlichkeit nicht angenehm, für alle übrige heirathslustige Prinzessinnen aber nun alle Hoffnungen genommen. Filzis wird nun hier über ganz beruhigt sein. Hast Du nicht vom Wasa19 gehört? Kömmt er noch nach Berlin? Und wie mag es der armen Amelie20 gehen? Die Strelitzer bleiben wohl noch. Ich kann mir denken, wie sich die dicke Auguste amüsiert. Aber daß der Onkel nicht kömmt, begreife ich nicht. Er muß doch noch schwach sich fühlen. Wie war denn die Nassauer in Berlin? Nahm sie sich hübsch und freundlich? Nun lebwohl, wenn ich noch etwas genaueres über den Herrn von Plessen erfahre, werde ich es schreiben. Ich glaube aber, daß er nicht würdig ist, von Fritz geholfen zu werden oder vielmehr, daß ihm dieses geforderte Geld nichts helfen wird, Behalte lieb, Deine Adine Luise küßt die Hände. Schwerin, den 23ten März 1844 Meine liebe Elis, hier sende ich den Brief von Herrn von Plessen21 zurück, und nach allen eingezogenen Nachrichten wäre es nur weggeworfenes Geld, wenn Fritz ihm die 100 16 Mglw. Friedrich von Plessen (1806–1853) und seine Geschwister Luise von Oertzen, geb. von Plessen (1804–1857), und Hermann von Plessen (1810–1855), Kinder des meckl.-schw. Diplomaten und Ersten Ministers Leopold von Plessen (1769–1837). 17 Herzogin Elisabeth von Nassau, geb. Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland (1826– 1845), und deren Mutter, die Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873). 18 Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1892) und Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867). Die Verbindung kam nicht zustande. Olga heiratete 1846 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891) 19 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 20 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 21 Mglw. Friedrich von Plessen (1806–1853), ältester Sohn des meckl.-schw. Diplomaten und Ersten Ministers Leopold von Plessen (1769–1837).
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Louisdor geben wollte, da er Schulden an 60.000 hätte, und man jetzt ein arangement mit ihm machen würde, wo ihm die Hände mehr gebunden. Noch eine Bitte hätte ich: Eine Majorin von Notz,22 welche sich schon einmal an Dich gewendet, wenn Du der etwas zuwenden könntest. Sie hat 7 Kinder, 4 sind unversorgt, und sie hat nur 100 Reichthaler Pension. Wenn Fritz etwas für einen Sohn thun könnte, und Du vielleicht für die Töchter? Sie soll es verdienen und sie aus großer Noth retten. Du würdest Dir einen Gottes Lohn verdienen. Wie ich höre, ist Friederike glücklich ihrer Haft nun entlaßen. Sie soll seelig sein, aber noch bis Ostern in Berlin bleiben, weil Marianne23 nicht in der Kälte reisen soll. Ist dies wirklich wahr? Das wäre doch ein Aufenthalt ohne Ende. Wie glücklich wird sie sein, auch noch die Strelitzer zu sehen und William! Gestern hatte ich den Geburtstag von Wilhelm24 zu Ehren ein Diner. Es war mir sehr unheimlich ohne Fritz. Sonst leben wir ganz still. Im Theater gehen wir oft, und heute wollen wir ein paar Leute zum Thee haben. Luise soll sich etwas amüsieren mit Laufspiele. Die halbe Gesellschaft liegt aber an der Grippe krank, daher wenig Auswahl. Von Fritz habe ich gestern Nachrichten vom 9ten März aus Rom, wo er sehr wohl und glücklich war, mitunter Sehnsucht nach dem lieben Vaterland hat. Nun Adios, Deine Adine Schwerin, den 11ten April 1844 Meine Elis, zwischen uns Beiden war mit einem Mal eine fürchterliche Schreib Pause eingetreten, und niemand leidet mehr darunter als ich, die ich denn so garnichts von Dir weiß. Wenigstens nichts gewißes. Doch schrieb man hier her, Du seist wohl. Fritz hingegen hätte einen Tag zu Bett gelegen wegen Podagra. Das mag recht gesund sein, aber höchst unbequem, und Marienbad und Karlsbad würde wohl für dies Jahr sehr zu empfehlen sein. Wenn nur die hohe Geberin von Norden25 nicht käme. Mir schrieb sie neulich: So Gott will, sehen wir uns Anfang Juny. Hat sie nun nicht noch etwas genaueres nach Berlin geschrieben, oder Rauch? Hier hatte sich mit einem Mal die Nachricht verbreitet, wir würden alle nach Schlesien auf 3 Wochen gehen. Da freuen sich Luise und ich schon sehr dazu. Ach, wenn es doch geschehe. Nun sind endlich Deine Gäste alle fort. Die Dessaus26 glaube ich, haben Hütten bei Euch gebaut, die gingen nie fort. Die erste Woche von Ostern liegt nun zwischen,27 22 Major von Notz im preuß. 13. Infanterie-Regiment in Münster. Ab 1844 wurden zwei von Notz als Sekondeleutnants in der preuß. Armee geführt. 23 Prinzessin Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906), Tochter der Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 24 Geburtstag von Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) am 22. März. 25 Mglw. Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 26 Familie des Herzogs von Anhalt-Dessau. 27 Der Brief ist vom ersten Donnerstag nach Ostern, der Abendmahlsgottesdienst war am Ostersonntag, dem 7. April
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möge uns die heilige Handlung alle Stärkung und Seegen bringen. Ich ging wenigstens diesmal recht gesammelt zum Abendmahl. War denn Albert auch im Dom zur Communion? Ich möchte, der Herr hätte ihm ein versöhnendes Herz gegeben. Du hast nicht Muth, daß es besser wird. Ich hoffte von Stockhausen viel!28 Jetzt ist Marianne im Haag. Ich hörte noch nichts, seit sie da ist. Von dort geht sie wohl nach Schlesien? Was sagst Du nur zu dem schönen Wetter? Es wird Dir recht wohlthuend sein und nach Potsdam Sehnsucht geben. Doch da wird noch wohl nichts daraus wegen Fritz, und dann fürchte ich, dauert es nicht lange, und wir bekommen wieder kalte Witterung. Von meinem Fritz habe ich einen Brief vom 25ten aus Neapel, wo er eben den Vesuv bestiegen hatte. Er schwärmt denn so für Neapel. Heute ist er von Neapel nach Sicilien übergeschifft. Dazwischen ist er aber zu dem Fest in Rom wieder gewesen. Auf Sicilien bleibt er 14 Tage. Am 26-28ten gehet er von Malta nach Constantinopel. Noch ist Fritz und Umgebung wohl. Der arme Kronprinz von Württemberg29 hingegen soll recht krank sein. Er kann sich nicht wieder erholen. Nun komme ich wieder mit einer Bitte, die eigentlich Graf Finkenstein30 sehr betrübt. Daher sende ich den Brief mit für Fritz. Es betrifft einen Orden für Herrn Blochmann in Dresden,31 wo Fritz gewesen und nun Wilhelmchen ist. Es wäre sehr gnädig, wenn Fritz diesen Wunsch berücksichtigen will. Leb wohl und schreib mir bald wieder. An Butt tausend Schönes und Besserung. Deine alte Adine Schwerin, den 19ten April 1844 Meine theure Elis, Gott gebe, daß Dir das gestrige Fest nichts geschadet, und Du heute recht lange und gut geschlafen hast. Ich hoffe, durch Fräulein Kameke recht bald Nachricht darüber zu erhallten. Ich mußte gestern Abend immer Deiner gedenken. Ich schwärmte noch späth in der Natur umher, weil es ein köstliches Wetter war. Vom Theater, wo ich zuletzt noch hingegangen war, gingen wir um ½ 10 Uhr zu Fuß nach Haus. Es war himmlisch. In Potsdam muß es schon recht schön sein, und im Thiergarten doch auch. Hier wenigstens sind die Sträuche ganz grün und der Flieder bekömmt seine Blätter. Es ist was herrliches um dem Frühjahr. Noch dankte ich nicht für Deinen Brief. Ganz betrübt hat es mich, daß es mit Abat wieder so schlecht steht. Ich gab mir der Hoffnung hin, es ginge alles gut. Nach Schlesien will er sie nicht hin laßen, weil Charlotte vielleicht hinkömmt, und das scheint er mir verhindern zu wollen, daß sie 28 Friedrich Ludwig Albert von Stockhausen (1810–1858). 29 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 30 Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866), preuß. Oberstleutnant und Gouverneur des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz und des Herzogs Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin. 31 Karl Justus Blochmann (1786–1855), Lehrer und Schulleiter einer höheren Lehranstalt in Dresden, in der auch Großherzog Friedrich Franz II. und Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin unterrichtet wurden.
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sich sehen sollen. Ich weiß garnicht, wer mir geschrieben hat, daß wenn Marianne wieder reisen würde, die Gräfin von Nassau32 sie begleiten wolle, um alles Gerede über sie zu vermeiden. Ob das Marianne nun grade zusagen würde, weiß ich nicht. Ich freue mich, daß Dir die Gräfin Maltzahn zusagt.33 Ist denn die andere Schwester mit ihr, oder wie hat es sich gemacht? Auguste schien nicht Lust zu haben, sie als 3. Dame zu nehmen.34 Von meinem Fritz habe ich aus Rom wieder Briefe. Er ist garnicht von dem Kirchenfeste am Grünen Donnerstag zufrieden. Es wäre nur alles Schein und keine Andacht dabei. Er hat einen Reisegefährten bekommen, der Erbprinz von Schwartzburg Rudolstadt.35 Der wird mit nach Sicilien und Constantinopel gehen. Vielleicht weiß es Tante Wilhelm noch nicht. Willst Du es ihr sagen, und dabei daß der Prinz sich sehr erholt haben soll? Nach der Zeitung bekömmst Du einen Besuch vom Leuchtenberg.36 Das wird aber auch nur ein flüchtiger sein. Adini in anderen Umständen ist entsetzlich früh, besonders daß man schon ein fausse couche37 befürchtet. Das könnte doch wohl nur als ein dérangement angesehen werden. Wenn sie nur nicht macht, daß Charlotte späther käme und am Ende garnicht. Ach, das hoffe ich nicht. Und die Aussicht auf Schlesien bezaubert mich. Fritz war doch so gut, mich mit Luise einzuladen nach Erdmannsdorf. Ich würde dann eine Dame und einen Herrn nur mitbringen. Nun leb wohl, ich will Dich mit einem längeren Brief nicht langweilen. Deine treue Adine Luise legt sich zu Füßen, an Butt tausend Schönes.
Schwerin, den 25ten April 1844 Liebe Elis, am Dienstag Abend erhielt ich diesen Brief von Abat. Da wir großen Ball den Bückeburgs. Da wir großen Ball den Bückeburgs. Da wir großen Ball den Bückeburgs38 zu Ehren hatten, konnte ich ihn erst gestern lesen, wo ich aber so aufgeregt davon war, daß ich erst heute schreibe und Dir den Brief von Abat sende mit meiner Anwort, die ich aber noch nicht abgesendet, weil ich erst Deine und Fritz seine Meinung darüber wißen möchte. Willst Du sie noch andern geprüften Freunden vorlegen, so hängt es von Dir ab. 32 Henriëtte Gräfin d’Oultremont de Wégimont (1792–1864), als Gräfin von Nassau verh. mit dem abgedankten König Wilhelm I. der Niederlande. 33 Antoinette Gräfin von Maltzahn (1824–1899), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 34 Mglw. Charlotte Gräfin von Maltzahn (1827–1861). 35 Erbprinz Günther von Schwarzburg-Rudolstadt (1821–1845). 36 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 37 Frz. = Fehlgeburt. 38 Bückeburg war die Residenz der Fürsten zu Schaumburg-Lippe. Fürst Georg Wilhelm (1784–1860) und Fürstin Ida Karoline Luise zu Schaumburg-Lippe, geb. Prinzessin zu Waldeck-Pyrmont (1796– 1869) waren mit Familie seit dem 22. März in Schwerin zu Gast.
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Wünschet Ihr etwas geändert darin, so setze es nur dazu. Dann sende es mir aber so bald als möglich, weil es Albert auffallen könnte, so späth Antwort zu erhallten. Mehr sage ich heute nicht, als daß ich Dich innig liebe. Deine alte Adine Schwerin, den 3ten Mai 1844 Tausend Dank, meine Elis, für Deinen Brief vom 28ten, wo ihr schon ganz etabliert in Potsdam wart. Bis gestern war es auch schön und warmes Wetter, aber heute ist es so kalt wie im Herbst. Ein abscheulicher Ostwind bläset über den See auf meine Fenster. Wenn es Dir nur nicht schadet, so mach er hier blasen, so lang er will. Nun ist es auch entschieden, daß Charlotte nicht nach Schlesien geht. Mit thut es sehr leid, denn ich hätte zu gerne all die lieben Orte wieder gesehen wie Fischbach und Erdmannsdorf. Freilich in Sanssouci werden wir uns ruhiger und mehr genießen, da wir alle an einem Ort sind, und das ist doch die Haubtsache. Der Tag der Ankunft ist aber wie es scheint, noch nicht bestimmt, auch nicht, ob sie zu Wasser oder zu Lande geht. Nun, bald wird sich dies auch wohl entscheiden, denn ich habe den Wunsch, ihr entgegen zu gehen. Unser Wiedersehen wird doch traurig sein. Also nach Stettin oder Frankfurt würde ich denn mit der Eisenbahn gehen. Und wenn ihr mich nicht hinauswerft, so werde ich den 1ten oder 3ten Juny nach Sanssouci kommen. Hast Du schon bestimmt, wo Du uns hinthun willst, in den Neuen Kammern oder im Anbau von Sanssouci? Die Nachrichten über Abat sind ja sehr traurig. Es ist wirklich abscheulich von ihm, daß er sie mit den Kindern so quält. Mein Brief muß gestern in seine Hände gekommen sein, er wird auch nichts bewirken. Aber er mußte wißen, wie wir über ihn denken. Luise war mit Marianne im Haag zufrieden. Sie ist mit ihnen zum Abendmahl gegangen und soll sehr ergriffen gewesen sein. Sie jammert mich jetzt selbst, weil sie nach meiner Ansicht den besten Willen hat, aber nun ist es etwas späth. Wenn sie nur im Herbst nicht wieder die Reisepassion bekömmt. Man kann sie nicht gut allein laßen, unter Augen haben, ist das Beste. Nun höre einmal, die Herzöge von Anhalt und Sachsen haben sich erstaunt kleinlich benommen, und so aus eigener Machtvollkommenheit.39 Können sie denn das ohne die Erlaubniß des Bundes, und werden es die großen Mächte anerkennen? Ich möchte, es geschehe nicht, wenn jeder so allmächtig werden will, da kann es weit gehen. Von meinem Fritz habe ich einen so entzückten Brief aus Palermo bekommen. Er findet Sicilien weit schöner als Neapel, was er sich bis dahin nicht denken konnte. Heute wird er in Constantinopel angekommen sein, wie wird er wieder bezaubert sein. Nun Adios, an Fritz meinen herzlichsten Dank, daß er den Doktor Fessel40 einen Titel gegeben hat. Er ist überselig, und mich hat es sehr glücklich gemacht. Leb wohl, meine Elis, 39 Verm. ging es um die Annahme des Prädikats „Hoheit“, die Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871) im April 1844 verkündet hatte. 40 Dr. med. Fessel, Sanitätsrat in Berlin. Weitere Daten nicht zu ermitteln.
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bleibe mir recht gesund, bis wir alle um Dich versammelt sind, damit wir Dich blühend und kräftig finden. Deine treue Adine Schwerin, den 22ten Mai 1844 Ich eile, Dir gleich zu danken für Deinen lieben Brief, den ich schon mit rechter Sehnsucht erwartete, und bin sehr dankbar, daß Du Dich des Geburtstages von Luise erinnerst. Sie selbst küßt Dir dankbar die Hände dafür und erinnert sich noch mit der größten Freude des hübschen Balles, den Du so rasch arangiert. Dies Jahr waren wir in Ludwigslust, wo ein großer Ball im Goldenen Saal war, wo sich die Jugend prächtig amüsiert. Es waren einige ganz hübsche junge Mädchen aufgetreten, so daß es recht jugendlich und frühlingsmäßig aussah, und Luise sehr froh und heiter war. Am Montag sind wir hierher zurückgekehrt, wo es solche Hitze ist, daß ich mich noch entschlossen habe, heute nach dem Grünhaus herauszugehen. Zwar haben wir seit 2 Tagen alle Nachmittage heftige Gewitter, die die Natur auffrischen, aber die Luft warm bleibt. Gestern Abend habe ich die große Freude gehabt, aus Constantinopel Briefe von Fritz zu haben vom 6ten Mai, der die schönste Seereise gemacht hat, die man sich denken kann und nun seelig ist über die himmlische Gegend, Natur, den türkischen Gesichtern, über die Trachten weniger, die wir kennen. Er wohnt in Pera bei derselben Madame Guiseppe, wo Albert gewohnt. Herr von Lecoque41 ist unendlich freundlich für Fritz, hat ihn vom Dampfschiff abgeholt und wird ihn nun zum Sultan geleiten, was am 6ten Mai geschehen sollte. Am 4ten sind sie angekommen, bis gegen den 15ten gedachten sie dort zu bleiben und dann nach Klein Asien. Fritz schreibt, er käme sich vor wie ein verwünschter Prinz, der nicht weiß, ob es Zauber ist oder Wirklichkeit, was er sehe. Den Blick aus seinem Fernster, über Zipressen auf dem goldenen Horn, den Hafen nach Stambul wäre feenhaft. Er ist denselben Tag seiner Ankunft auf den Thurm des Seraskiers gestiegen, wo von man die ganze Stadt übersieht, ein prächtiger Anblick. Dann hat er schon den Besuch vom Schwager des Sultans und seines Ministers des Auswärtigen gehabt, Fethi Amed Pacha42 und Risaat Pacha.43 Außerdem hat er einen General Staab der Garde, Pacha Abdi,44 der ihm zugegeben ist. Die freundliche Audienz wird im Sommer Pallast Begler Beg sein, wo sie [sich] erst zu Pferde und dann in einem kaiserlichen Kaick hinbegeben. Auch soll ein großes Diner ihm zu Ehren gegeben werden. Mir kömmt es auch so unbegreiflich vor, Fritz dort zu wißen und nun alle die absonderliche Nahmen von Orten und Menschen von ihm zu hören.
41 Gustav von Le Coq (1799–1880), preuß. Gesandter in Konstantinopel. 42 Ahmed Fethi Pascha (1801–1858) war Inhaber hoher militärischer Ämter und verh. mit der Halbschwester des Sultans Abdülmecid I. (1823–1861). 43 Riza Pascha, osman. Minister des Auswärtigen, 1845 gestürzt. 44 Abdülkerim Nadir Pascha, auch Abdi Pascha (1807–1883), osman. Offizier.
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Um wieder in alte Geleise zu kommen, so muß ich vom Bumsfelde sprechen.45 Das ist und bleibt eine betrübte Sache, die uns gewiß manche betrübte Stunde in unserem Familienkreis in Sanssouci machen wird. Wenn ich denke, in beinah 14 Tagen sind wir schon alle beisammen! Ich freue mich, daß man doch endlich bestimmt weiß, daß Charlotte den 9ten Juny kömmt, denn wenn sie auch zu Wasser käme, so bliebe dieser doch als Ankunftstag stehen. Wenn es mir erlaubt ist, werde ich mit Luise Fräulein Schreeb, Gallenfeldt und Hochstedter am 3ten am Nachmittag in Sanssouci ankommen.46 Das wäre an einem Montag. Ich denke, Luise47 kömmt dann auch bald, zum 7ten wohl gewiß. Fritz Oranien fürchtet, daß er wenig Erholung dort haben wird wegen Albert. Nun Adios, ich ziehe nach dem Grünhaus und da muß noch manches besorgt werden. Deine Adine Meine Schwiegermama wird gewiß entzückt von Dir und Deiner Güte sein. Ich höre, sie hat alles mitgemacht. Hier thut sie, als wenn sie kaum das Leben hätte. Also sieht man, daß es die Nerven bei ihr ist. Schwerin, den 27ten Mai 1844 Nur ein paar Zeilen, meine Elis, um Dir zu danken für Dein Briefchen und für die bestimmten Nachrichten über die Ankunft von Charlotte. Ich werde mich am 3ten July Nachmittags in Sanssouci einfinden. Nun möchte ich Dich bitten, mir gleich nach Ankunft dieser Zeilen ein paar Worte [zu] anworten, ob Butt wirklich auf Besichtigung von Truppen ist und erst am 4ten zurückkömmt. Wilhelm ist nehmlich jetzt bei mir, und ich wollte ihn mit über Sanssouci nehmen, wenn Fritz da wäre. Eigentlich muß er am 4ten zurück. Kömmt aber Fritz am 4ten zurück, so würde es nichts ausmachen, wenn Wilhelm am 5ten dann erst ginge. Ich möchte also die Bestimmtheit haben, ob Fritz am 4ten gewiß zurückkehrt. Die Nachricht über Schwiegermama beunruhigt mich, weil ich sie wirklich für krank hielt, wie ich hier fortreisete, und ich nur fürchte, die Überanstrengung kann ihr schaden, denn ihr Geist hat doch gelitten. Sie sagte es oft selbst und nun ist so vieles auf ihr eingestürmt, das sie hat nicht verarbeiten können. Adios, heute feiert der Minister von Lützow seine Silberne Hochzeit,48 da sind wir schon gewesen zum Glückwünschen, und heute Abend wird ein Ball sein. Deine treue Adine 45 Gemeint ist das eheliche Zerwürfnis zwischen Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, und deren außereheliche Beziehungen. 46 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859) sowie die meckl.-schw. Hofdamen Bertha von Schreeb (1814–1883), Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869) und Charlotte von Hochstetter (1819–1908). 47 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 48 Ludwig von Lützow (1793–1872), meckl.-schw. Geheimer Ratspräsident und Erster Minister, verh. seit dem 27. Mai 1819 mit Sophie von Brandenstein (1796–1876).
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Meine theure Elis, ich danke Dir herzlich für Deine lieben Zeilen, die ich gestern Abend erhielt. Ich werde mich Montag, den 3ten Juny in Sanssouci einfinden. Ich denke, um 7 Uhr von Ludwigslust abzureisen. Und Wilhelm wird mich begleiten. Ich freue mich sehr, Dich, geliebte Elis, wiederzusehen und einige Tage mit Dir ruhig in Sanssouci zuzubringen. Die Überraschung des Kaisers war ja einzig, wo ist er denn hin, wohl nach England? Denke Dir, ich habe die Angst, Charlotte kömmt am Ende garnicht, denn Adini ihr Zustand wird sich nicht so bald ändern. Das wäre doch zu traurig. Was meint denn der Kaiser, äußert er sich nicht darüber? Ich frage und schreibe, als wenn ich die Antwort noch bekommen könnte. Diese werde ich mir nun selbst holen. Wenn nur das Wetter schön bleibt. Regen haben wir sehr lange nicht gehabt, dafür aber viel kalten Ostwind, der uns hier im Grünhaus einige Erkältung zugezogen, so daß ich nicht ganz wohl bin. Ich denke, es wird bis zur Reise wieder vorüber sein. Von meinen Fritz habe ich schon zum zweiten Mal Briefe aus Constantinopel vom 14ten. Und heute wird er aus Malta schon entlaßen, und ist bestimmt, wenn nicht alles anders kommt wie es feststeht, am 1ten August in Dobbran. Er schreibt sehr zufrieden und vergnügt. Es käme ihm alles wie ein Traum vor, wie 1000 [und] eine Nacht. Nun Adios, auf Wiedersehen. Es wäre prächtig, wenn Tante Wilhelm noch in Sanssouci wäre. Luise und Wilhelm legen sich zu Füßen. Von meiner Schwieger Mama habe ich Briefe aus Dessau. Es scheint ihr dort besser zu gehen. Deine alte Adine Zarskoe Selo, den 20ten Juny 1844 Meine Elis, Gott wird geben, daß Du wieder ganz wohl bist, und der Husten sich gegeben. Dein Unwohlsein machte mir das Scheiden von Dir noch schwerer. Du wirst ungeduldig sein, von hier zu hören. Wenig erfreuliches kann ich melden. Den gestrigen Tag hielt man für einen der besseren. Die Ankunft, das Wiedersehen mit dem Kaiser hatte ihr nicht geschadet. Sie war ruhig und auch kein eigentliches Fieber, aber heute kömmt es wohl nach, denn die Schwäche ist sehr groß. Das Sprechen greift sie an. Der Kaiser hat sie eben gesehen und findet sie matter und gezogner, weiter sagte er nichts. Es ist aber ein Zustand in der Familie, alles hat die Thränen in den Augen. Du kannst denken, wie wenig festlich das für mich ist. Meine Ankunft hatte sonst himmlisch sein können. Charlotte begegnete ich im Hereinfahren im Garten von Zarskoe Selo. Wir waren sehr bewegt. Mit unter, wenn die Kinderchen kommen, die deliziös sind, ist man heiter und lacht. Besonders gestern, wo alles aufgeregter war. Heute sind wir alle still. Auch das Wetter ist trüb, die Luft sonst gut, so daß wir nach 9 Uhr von dem Frühstück ausfuhren. Um 10 Uhr kommt der Kaiser, trinkt Kaffee mit uns, Charlotte, Olly und Luise und ich, um 12 kömmt das zweite Frühstück, da kommen die anderen, verheirathete Kinder. Mary sieht
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blaß aus, und Max ist magerer geworden.49 Er legt sich Dir zu Füßen, hat heute in der Früh exerziert. Sache ist stark geworden, sonst unverändert. Seine Frau50 gefällt mir recht gut, sieht zahrt aus und wird sehr geliebt von allen Menschen. Die Kinder sind nicht hübsch, die Tochter ist aber allerliebst. Der Junge ist ein Fleischklumpen und gleich der Erbgroßherzog Louis.51 Verzeih, wenn ich hier aufhöre zu schreiben. Ich bin aber so matt, daß ich mich ohnmächtig fühle. Luise wird Dir ihren Brief zeigen, den ich ihr schrieb. Die Seereise hat mich so angegriffen. Ich war so krank, außerdem wurde ich unwohl. Das wirft mich um, verzeih das Geschmier. Bald schreibe ich wieder. Deine Adine Zarskoe Selo, den 28ten Juny 1844 Meinem Versprechen gemäß, oft Nachricht zu geben, schreibe ich täglich an Luise,52 und die wird Dir wohl die sehr schnell geschriebenen Briefe mittheilen. Sie enthalten wenigstens genau Mittheilungen über Adini ihren Zustand, der im allgemeinen einen Stillstand gemacht. Mandt,53 der gestern hier war, sie aber erst am Abend gesehen, und auch das Instrument zum Hören gebraucht, konnte oder wollte nichts sagen, meinte, die Brust sei sehr mit Schleim angefüllt. Er konnte also nichts unterscheiden. Heute Mittag wird er sie nun wieder sehen und dann erst sich erklähren, was er gestern gesehen. Was sie ausspuckt, ausbricht und so weiter, das hat ihn nicht befriedigt. Wenigstens findet er keine Besserung, aber auch nichts verschlechtert. Damit muß man aber doch zufrieden sein. Der Himmel wird ja weiterhelfen. Gestern war sonst wohl kein guter Tag zu nennen. Bis 4 Uhr soll sie unruhig gewesen sein, aber wenig gehustet, von da an geschlafen haben. Ein decidiertes Fieber hat sie nicht, aber ein Fieberzustand. Indessen kann sie jetzt besser gehen. Das Eßen schmeckt ihr abwechselnd. Da alles natürlich besorgt ist und sich nicht von hier fort wagt, so sehe ich garnichts. Wir fahren täglich hier im Garten spazieren, aber auch hier habe ich kein einziges Gebäude gesehen, weder das Schloß noch die Häuser im Garten. Nach Pavlovsk fahren wir auch durch den Garten, der sehr schön ist. Überhaubt bin ich entzückt von den schönen Bäumen. Man vermißt gar keine, Eichen in Jelagain54 sind, selbst so große starke Buchen findet man fast keine, Linde und alles übrige. Du siehst, ich hallte mich bei Bäumen auf, weil ich nichts weiter sehe. Durch Peters49 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), und seine Ehefrau Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 50 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 51 Großfürstin Alexandra Alexandrowna (1842–1849) und Großfürst Nikolai Alexandrowitsch von Russland (1843–1865). Als Vergleich dient verm. Erbgroßherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt (1806–1877), Großherzog ab 1848, deren Onkel mütterlicherseits. 52 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 53 Martin Wilhelm von Mandt (1799–1858), Leibarzt von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 54 Jelagin-Insel in der Newa bei St. Petersburg.
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Abb. 9: Weg nach Zarskoje Selo, 1844.
burg bin ich nur gefahren, aber es ist eine imposante Stadt, die schöne Gebäude, das Winterpalais, die Kirche. Ich fuhr zur Großfürstin Helene, die mich ganz mit Hofstaat und Gott weiß was empfing. Da bin ich mit ihr auf die Inseln herumgefahren. Mary begleitete mich. Kamenroi ostroff55 ist übrigens ganz wundervoll gelegen, das Schloß so bequem eingerichtet mit Balkons, am Wasser Blumen und so weiter. Sie selbst war sehr freundlich, sonst sieht man sie nicht. Mischel kömmt öfter. Der ist in Pavlovsk. Gestern Abend ist Luise56 mit Mary nach ihrem Landsitz bei Peterhoff gefahren, Sergievka genannt. Es liegt am Meer und soll eine himmlische Lage haben. Heute Abend kommen sie zurück. Der Tag selbst war nicht schön, Wind und Regen. Der Abend muß aber göttlich gewesen sein, da es still und klahr wurde. Wenn ich manchmal ruhig bei Charlotte sitze, dann denken wir recht nach Sanssouci hin und sprechen von Euch, ihr Lieben. Ach, sie hatte sich so gefreut, all ihre Lieben wiederzusehen und mit Euch auf der Terrasse zu sitzen und die schöne warme Luft einzuathmen. Bis jetzt geht es mit ihrer Gesundheit gut. Das Herzklopfen meldete sich ein wenig, verging aber gleich. Sie hat es nun seit 12 Tage nicht gehabt. Die Angst um Adini scheint dies Übel nicht aufkommen zu laßen. Doch wir wollen es nicht berufen. Heute weiß ich noch nichts von ihr. Diesen Brief beendige ich erst, wenn ich weiß, was Mandt gesagt hat. An Luise sage viel Herzliches, an Butt und Brüdern, auch den schönen Schwestern. Morgen ist Karls Geburtstag, da werde ich ihm schreiben. Von meinem Fritz habe ich nach langer Zeit einen Brief aus Neapel, wo er sehr froh war zu sein, denn die sehr unglückliche Besteigung des Aetna, wo sie beinah alle der
55 Kamenny-Insel in der Newa bei St. Petersburg. 56 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859, Tochter von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
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fatigue und Anstrengung unterlegen haben, hat ihn das Reisen verleidet. Er ist wohl jetzt in Mailand, am 15ten July will er in Stuttgart ankommen. Mandt hat untersucht und gefunden, daß die Brustkrankheit einen Stillstand gemacht, den Leib untersucht und den Pulsschlag des Kindes sehr sehr schwach gefunden. Dies sagte mir eben Charlotte. Eben kömmt der Kaiser und sagt, die Ärzte hätten eben erklährt, besonders Mandt, daß die Krankheit keine Fortschritte gemacht, sondern einen Stillstand, und das wäre schon viel. Hiermit schließe ich, denn der Brief muß fort. Charlotte will an Tante Wilhelm schreiben, ob sie dazu kömmt, ist ungewiß. Lege mich Tante und Onkel Wilhelm zu Füßen, auch an Stolberg sage recht viel Liebes. Ich habe garnicht Abschied genommen. Deine treue Adine Zarskoe Selo, den 22ten July 1844 Noch habe ich Dir garnicht gedankt für Deinen lieben Brief vom 6ten. Luise wird Dir aber gesagt haben, wie sehr er mich gefreut hat. Du hast seit der Zeit schon so einen lieben prächtigen Brief an Charlotte geschrieben, der ihr so viel Freude machte. Sie wollte gleich dafür danken, allein, das Schreiben greift sie sehr an. Sie kann nicht hinter andere dabei bleiben, und da wird dann selten etwas daraus. Ach, und von hier jetzt zu schreiben, ist traurig. Dabei ist es auch so gräulich. Am Tage erfährt man jetzt beinah garnichts, denn was der Kaiser sagt, darauf gebe ich nichts. Aber er ist jetzt stiller und findet immer alles so gut. Aber gestern Abend wurden wir sehr erschreckt, denn Fritz Hessen57 kam mit einem Mal herein und bath Charlotte nicht mehr zu Adini zu gehen. Sie wäre so entsetzlich aufgeregt, weint, hätte im Tage schon mehrere Male wieder die Erstickungen gehabt, was, wenn man das Fenster aufmacht, sich bald gebe, aber sie wäre auch so schwach und litte Schmerzen am Ohr. Charlotte ging also gleich hin, um wenigstens durch die Thür zu sehen, da fand sie es auch so. Sie klagte überhaubt über Schmertzen im ganzen Körper und stöhnte viel. Alle Ärtzte wurden geholt, was sie gesagt, weiß ich nicht. Um 10 Uhr wurde soupiert und um 11 Uhr ging ich mit Charlotte noch nach der Vorstube, da schlief sie seit einer halben Stunde, hatte aber bis dahin gestöhnt und unruhig gewesen. Allein, man sieht deutlich, daß es nach und nach zu Ende geht, und durch die Kammerfrauen hörte ich, daß es außerordentlich schlecht geht. Wie lange sie der Himmel noch erhallten will, weiß er allein. Nach menschlichen Ansichten wohl nicht mehr lange. Ich hoffe, dieser Brief trifft Dich noch in Erdmannsdorf. Was mein nächster bringen wird, weiß der Himmel allein. Ich werde dieser Woche aber wieder schreiben. Du kannst Dich auf mich verlaßen. Ich schreibe wenigstens alle 8 Tage. An Luise will ich auch noch schreiben. Wie haben wir uns gewundert, wie die ganze Familie in der Welt herumstreift und Waldemar,58 der solche Reise unternimmt. Ich weiß auch garnicht, warum Fritz dies erlaubt. Etwas
57 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 58 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849) befand sich auf einer Reise nach Indien.
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hätte er damit warten können. An Deinen Fritz tausend Liebes, wie Tante und Onkel Wilhelm. Adios, Deine alte Adine Wie freue ich mich für Dich, daß Du Deine Schwester sehen wirst. Ich hoffe, Du wirst die recht genießen. Bitte grüße herzlich, so auch, wenn die arme Amélie von Schweden59 da ist. Eben sprach ich Markus,60 aber allein, und der sagte mir, daß wenigstens vorgestern und gestern hätte er alles befürchtet. Heute ist schönes Wetter, und da hoffen sie, die Luft wird ihr gut thun. Es ist zum ersten Mal drückend heiß, nachdem wir in der Nacht ein furchtbares Gewitter gehabt. Ich erlebte lange so etwas nicht. Es kracht alles um einen her. Wir sitzen draußen und schreiben. Charlotte umarmt Dich herzinniglich. Daß ich auf unbestimmte Zeit jetzt hier bleibe, wirst Du erfahren haben. Ich kann wohl sagen, daß ich ein großes Opfer bringe. Denn Du weißt, wie mein armes Herz an meinem Fritz hängt, allein, indessen glaube ich, daß ich hier wirklich nützlich sein kann. Der Kaiser und Charlotte, beide sprachen mir den Wunsch aus, daß ich bleiben möchte und so that ich es gleich. Mit schwerem Herzen, denn ich gehe hier einer schweren Zeit entgegen. Der Kaiser kömmt eben und sagt, Adini wäre aufgewacht, von der besten Laune, hätte prächtig geschlafen. Ich habe Mandt nur ein paar Worte sagen hören, daß Adini sich besser fühle. Das wäre für sie viel Werth, aber es wäre nicht besser.
Zarskoe Selo, den 29ten July 1844 Ich schreibe heute nur ein kleines Zettelchen, liebe Elis, weil ich eigentlich im Allgemeinen Gutes zu berichten habe. Es will mir scheinen, als wenn es die Wiederholung würde von dem, was wir vor 4 Wochen durchgemacht. Erst der heftige Anfall, wo man glaubte, es sei bald aus, dann geht es wieder etwas besser, obgleich der gestrige Tag versprach, besser zu werden als er war. Da die Nacht von Sonnabend auf Sontag ruhig und gut war, besonders gestern Abend, wie Charlotte sie gesehen, war sie sehr angegriffen, war schlechter Laune, verlangte nach Mandt. Dem erzählte sie ausführlich, wo und was ihr unbehaglich war, hatte drei Stuhlgänge, welche sehr dünn. Die Nacht war aber doch ziemlich, von 3–5 Uhr hat sie viel gehustet, sonst abwechselnd geschlafen. Um 11 Uhr ist sie aufgewacht, Charlotte ist hinübergegangen. Ich weiß noch nicht, wie Adini sich selbst fühlt, und was die Ärtzte sagen. Du wirst wohl heute Erdmannsdorf verlaßen. Meine Briefe werden Dir auch nach Ischl folgen, und Mandt und Rauch schreiben ja auch abwechselnd. Ich glaube nun, daß es wieder so 4 Wochen hingehen wird, bis zum 24ten August. Dann wird wieder so ein Sturm kommen. Ob sie dann noch die Kraft hat, ihn wieder auszuhalten? Dann geht es auch bis zum 9ten Monat, aber ihre Kräfte haben in diesen letzten 4 Wochen sehr abgenommen. Die 59 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 60 Carl Franz Michael Anton Markus (1790–1865), seit 1837 Leibarzt der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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Kammerfrau sagte mir gestern, daß sie garnicht mehr gehen könne und daher seit einigen Tagen ihre toilette im selben Zimmer, wo sie schläft, machte. Sonst ging sie ins Nebenzimmer. Das ist doch ein Zeichen, wie es mit ihr Berg abgeht. Das Kind bewegt sich manche Tage sehr stark, besonders mehr, wenn Adini sich krank fühlt. Da kömmt Charlotte. Adini ist zufrieden mit ihrer Nacht, hätte aber gleiche einen dünnen Stuhlgang, was sie angreift, ängstigt und sie matt macht. Es ist aber auch recht schlimm. Nun leb wohl, Deine Adine Deiner Schwester und Amelie viel Schönes. Zarskoe Selo, den 2ten August 1844 Meine theure Elis, ich habe Gott auf den Knien gedankt, daß Er Euch mit seiner Macht geschützt und das Unheil von Euch abgewendet hat. Gestern Abend bekam ich einen Brief von Adelaide61 mit der furchtbaren Nachricht von dem Attentat.62 Du kannst Dir meinen und Charlottens Schreck denken. Gleich darauf kam der Kaiser mit noch andern Briefen, ganz außer sich. Es war ein Schrei des Unwillens, des Schreckens. Und dann dankten wir alle Gott, daß er das Unheil abwendete. Meine Elis, wie muß Dir zu Muth gewesen sein, welcher Schrecken, welche Erschütterung für Herz und Gemüth. Wenn es Dir nur nicht schadet. Ich bin entsetzlich bang dafür, doch Luise wird mir von Schlesien aus gewiß gleich Nachricht senden. An Fritz sagst Du wohl in meinem Nahmen, wie unglücklich uns diese Nachricht gemacht. Wie wir aber deutlich gesehen, daß der Herr Euch Beiden allmächtig beschützt. Auch sprach sich in Berlin gleich die innigste Liebe für Euch aus, und die größte Indignation für die That. Adelaide kann ich es nicht genug danken, daß sie mir gleich und doch mit so schohnender Art die ganze Sache geschrieben, selbst noch fast betäubt von der fürchterlichen Wahrheit, daß wir so etwas in Berlin erleben müßen. Es ist zu fürchterlich. Es ist um blutige Thränen zu weinen. Gott steht aber den Gerechten bei, und ihm allein muß man sich gläubig anvertrauen. Das fühlen wir hier täglich, denn Adini neigt sich täglich dem Grabe zu, und doch giebt es Tage und Stunden, wo sie sich selbst wohl fühlt. So ein Wundertag war Mittwoch. Die Nacht war nicht gut, gegen Mittag schlief sie und beim Erwachen fühlte sie sich so wohl und kräftig, daß sie den Kaiser holen ließ und Fritz,63 und die mußten sie nach dem Garten führen, obgleich es Markus64 nicht wollte. Sie stand aber allein von der Chaiselonge auf, ging ganz allein die große Stube bis nach der Thür. Da setzte sie sich hin, ruhte sich aus, nahm den Mantel um, setzte einen Huth auf, band ihn sich selbst zu und ließ sich vom Kaiser und 61 Königin Witwe Adelaide von Großbritannien, geb. Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen (1792–1849). 62 Am 26. Juli hatte Heinrich Ludwig Tschech (1789–1844) in Berlin ein Attentat auf König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen verübt. 63 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 64 Carl Franz Michael Anton Markus (1790–1865), seit 1837 Leibarzt der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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Fritz die Treppe herunter tragen. Und da ging sie von beiden unterstützt wohl 10 Schritte nach einer Bank, wo sie sich hinsetzte, eine viertel Stunde blieb, dann wieder bis zur Treppe ging und sich hineintragen ließ nach ihrem Zimmer. Sie fühlte sich gut danach, auch folgte nicht gleich eine große Abspannung. Aber seit vorgestern Abend, gestern und heute Morgen fühlt sie sich nicht gut, ist schlechter Laune, hat viel Leibschmerzen. Eben wollen wir in der Messe für die Kaiserin Mutter65 gehen. Charlotte hat Adini gesehen. Sie ist heute besser und macht eine Menge Pläne. Leb wohl. Ich weiß noch nicht, wann ich gehe. Meine Idee war vielleicht am 10ten August, aber eigentlich will man [mich] nicht fortlassen. Fritz ist am 24ten in Schwerin mit viel Liebe und herzlicher Art empfangen worden und ist glückselig, dort zu sein. Seit dem 1ten August ist er nach Dobbran. Wie mir das das Herz schwer macht, nicht dort zu sein und ihn so lange nicht gesehen zu haben. Und wann werde ich ihn wiedersehen? Hier denke ich, geht es den 7ten Monat noch durch und vielleicht noch länger. Leb wohl, Gott schütze Euch, Ihr Lieben. Deine Adine Noch habe ich Dir garnicht gedankt für Deinen lieben langen Brief noch aus Sanssouci, wo Du mir so viel erzählst. Es macht solche Freude, so liebe Briefe in der Ferne zu bekommen. Labanof66 schickt der Kaiser zu Euch, um seine Theilnahme auszudrücken. Er ist in Verzweiflung und hällt so viel von Euch Beiden.
Zarskoe Selo, den 6ten August 1844 Meine liebe Elis, ich schreibe jetzt selten, weil ich wirklich nicht weiß, was man sagen soll. Einige Tage dachte man, es ginge ziemlich. Nun, seit 3-4 Tagen nimmt die Schwäche wieder zu. Der Durchfall ist bis jetzt nicht gehalten worden. Alles, was sie dagegen nimmt, hilft nicht. Am Tag hat sie Ruhe, aber von 8 Uhr Abends bis am Morgen wird sie öfter dadurch gestöhrt. Ihre Stimme soll etwas rauhes, schwankendes bekommen und von Tag zu Tag sich so verändern zum Erschrecken. Costy ist gestern angekommen.67 Man hat es ihr heute gesagt, und wenn sie sich ein bisschen besser fühlt, will sie ihn sehen. Alle fürchten sehr, daß er sich wird verrathen, wenn er sie sieht und in Weinen ausbrechen. Darum soll er nur einen Augenblick darin bleiben. Heute beschäftigt sie sich damit, wie sie im 8ten Monat nach Petersburg transportiert werden kann und macht Pläne. Im Antichkof68 Palais 65 Kaiserin Maria Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg (1759–1828). 66 Fürst Aleksej Jakowlewitsch Lobanov-Rostov (1795–1848), russ. Generalleutnant, Generaladjutant und Vertrauter von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 67 Der 16-jährige Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892) wurde bei der russ. Marine ausgebildet und besuchte seine schwerkranke Schwester Prinzessin Alexandra von HessenKassel-Rumpenheim, geb. Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland (1825–1844), die vier Tage später am 10. Aug. verstarb. 68 Anitschkow-Palais.
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soll sie ihre Wochen hallten, und wenn es eine Tochter würde, dann würde sie gewiß so schön werden wie Olly, weil die dort gebohren wäre. Seit gestern empfindet sie mehr Kühle und soll an Fritz69 gesagt haben, er möchte ihr von der ersten Zeit ihrer Heirath sprechen, um sie zu erwärmen. Das würde ihr gut thun. Am 3ten August, wo der Nahmenstag von Marie und Mary war,70 hat sie beide gesehen, und diese kamen ganz außer sich heraus, weil sie Adini so entsetzlich verändert gefunden haben, garnicht wie ein menschliches Wesen, sondern wie ein Geribbe, nicht zu ahnen, wer es eigentlich wäre. Die Ärtzte sagen auch, daß es nun noch mit schnellen Schritten zu Ende ginge. Vor 2 Tagen haben wir auch einige schlimme Stunden verbracht, weil Schleim sich so fest auf der Brust gesetzt, daß sie ihn nicht herausbringen konnte und zweimal nahe daran war, zu ersticken. Endlich gelang es ihr aber ein Stück Schleim heraus zu bringen. Husten thut sie wenig. Die Fieber sind abwechselnd stärker und schwächer, doch unter 110 Schläge nie. Der Siebente Monat wird nun doch wohl der entscheidende sein. Mein Brief enthält nichts als einen Krankenbericht. Meine Absicht abzureisen am 13ten ist natürlich wieder aufgegeben und nun ganz auf das Ungewiße heraus geschoben. Ich sage Dir ein herzliches Lebewohl, möge Dir die Zeit in Ischl mit Deiner Schwester wohl thun, und dein armes gedrücktes Herz etwas aufrichten. Ach, Elis, was muß der Mensch nicht für schreckliche Erfahrungen auf diesem Erdenweg machen. Gottes Wege sind dunkel! Gott mit Dir. Costy war eben bei Adini und fand sie auch unerhört verändert und ihre Stimme so hohl. Deine alte Adine Zarskoe Selo, den 10ten August 1844 Adini ist von einem Sohn entbunden. Sie hatte eine große Freude darüber, da er sehr schön. Aber nach einer Stunde starb er. Er war ziemlich groß, allein, dies erfährt sie nicht. Die Nachgeburt ist auch glücklich heraus, aber ihre Schwäche ist natürlich unerhört und man glaubt nicht, daß sie den Tag überlebt. Sie selbst ist ganz still und ruhig, und man glaubt und hofft, daß sie so einschlafen wird. Gott wolle ihr diese Gnade gewähren. Charlotte ist unerhört gefaßt. Sie kömmt manchmal heraus nach dem anderen Zimmer und still ergeben in den Willen Gottes. „¼ 2 Uhr. Mama ist, seitdem sie schrieb, immer mit der Tante Charlotte in Adinis Stube und trägt mir daher auf, diesen Brief zu schließen und abzusenden, um die Post nicht zu versäumen. Ich soll nur hinzufügen, daß die arme Adini so schwach ist, daß man glaubt, sie könne nur kurze Zeit noch leben. Deine gehorsame Nichte Luise“71 69 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 70 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), und Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876). 71 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
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Abb. 10: Blockhaus in Zarskoje Selo, 1844.
Zarskoe Selo, den 12ten August 1844 Meine liebe Elis, Du wirst schon die Nachricht empfangen haben, ehe diese Zeilen Dich erreichen, daß der Himmel wieder eine schöne Seele zu sich gezogen, die zu rein für diese Erde war. Adini schied sanft, ohne harten Todeskampf am Sonnabend, den 10ten um 4 ¼ Uhr aus dieser Welt. Ich stand am Bett, als sie die letzten Athemzüge that. Gott, welcher Anblick. Die einst so blühend schöne Adini zu einem Geribbe herabgesunken schon bei Lebzeiten. Es war ein fürchterlicher Anblick. Der Kaiser hielt Charlotte umschlungen, und dann knieten wir am Bett. Sie hatte bis ganz kurtz vor ihrem Tode keine Ahnung, daß sie stürbe. Nur als sie kälter wurde, klagte sie darüber. Und dann sagte sie an Mich, spreche ich schon wirre, und an den Kaiser und Charlotte sagte sie, es ist Zeit, adieu, adieu. Und wiederholte es auf russisch mit einer Art Hast. Dann schloß sie die Augen und der Athem wurde kürtzer. Da kam ich grade herein und hatte noch Zeit zu winken, daß die Geschwister herein kamen. Es ist ein Herz zerreißender Anblick, die Eltern in ihrem tiefen Schmertz, so ergeben und sanft zu sehen. Dies schrieb ich heute ziemlich früh. Nun haben wir noch schwere Augenblicke durchgemacht. Um 10 Uhr wurde an der Leiche ein kurtzes Gebet gehalten, und Adini dann vom Bett im Sarg gelegt. Das war ganz fürchterlich. Die Damen und Charlotte selbst legten die Hand zur Hülfe mit an. Darauf trug der Kaiser, der arme Fritz,72 welcher sich kaum aufrecht hällt, alle Prinzen und die ältesten General Adjudanten, den Sarg. Wir folgten durch den Garten, dann durch die Säle der Griechischen Kapelle, die hier in einem Saal ist. Dort wurde die Leiche niedergesetzt, darauf Todten Amt gehalten, und dann Messe hinterher, wo wir aber bald herausgingen, weil der Kaiser selbst es nicht 72 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884).
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mehr aushalten konnte. Charlotte hat eine bewunderungswürdige Kraft, die einem aber der liebe Gott oft in solchen Momenten giebt. Hernach waren wir in ihrem Zimmer. Sie lag und wir sprachen viel von Adini. Jeder weiß etwas von ihr zu erzählen, besonders von ihrer großen Religiosität und von ihrer unbeschreiblichen Liebe zu Fritz. Es haben sich manche Briefe gefunden, die sie bald nach ihrer Heirath geschrieben, worin sie dies so schön und edel ausspricht, mit so viel Ernst und mit solcher Innigkeit. Es muß ein einzig schönes Gemüth gewesen sein, zu schön für diese Erde. Morgen Abend wird Adini von hier fort gebracht nach der Festung.73 Der Kaiser, alle seine Söhne und Prinzen nebst allem Gefolge begleiten sie zu Pferde bis an das Thor. Dann folgt alles zu Fuß. Wir gehen erst späth mit der Eisenbahn bis Petersburg und von da gleich nach Jelagin,74 wo wir bis Freitag bleiben, gehen aber alle die Tage vor und nach Mittag nach der Festung zur Messe. Freitag ist die Beerdigung und dann gleich nach Peterhof, wo man ruhig bleibt. Fritz reiset noch den selben Tag mit dem Dampfschiff nach Koppenhagen ab. Ich gehe den 24ten August am Sonnabend auch fort. Der Gedanke, jetzt abzureisen, wo ich sie Alle im Unglück weiß, wird mir sehr schwer. Für Deinen Brief, liebe Elis, habe ich noch nicht gedankt. Er kam grade an, wie Adini im Sterben lag. Es war ein schmertzlicher Augenblick. Auch Du schreibst, wie Dein Leben nun eine trübe Seite mehr kennen gelernt durch das fürchterliche Attentat. Wie hat aber Gott über Euch gewacht, denn es grenzt fast an einem Wunder. Verzeih diesen sehr konfusen Brief. Ich bin aber sehr angegriffen von Schmertz, Trauer und Kopfweh. Die Todten Messen reißen einem das Herz entzwei. Der Gesang ist wunderschön und stimmt noch mehr zur Wehmuth. Gott sei mit Dir, ehe ich von hier abreise, aus Peterhof schreibe ich noch einmal. Deine Adine Gothe,75 den 21ten August 1844 Ich weiß zwar, daß mein Brief nicht vor meiner Abreise von hier fort kömmt, aber ich muß Dir doch schreiben, weil mein Herz sich nach Dir sehnt, und ich recht viel an Dich denke. Jetzt bist Du in Ischl, und so Gott will, recht wohl. Deine Schwester hat die Rose gehabt, daher bist Du noch späther mit ihr zusammen gekommen. Dies Jahr ist ein Jahr, wo alles anders geht, als man glaubt. Nur Mandt täuschte sich nicht, daß Adini den 9ten Monat nicht überleben würde. Du kannst Dir denken, wie alles gedrückt ist, der Kaiser aber am meisten. Er kann sich garnicht erholen, sein Gesicht hat so einen Ausdruck von Trauer und Kummer. Er leidet auch viel an der Leber und wird nun eine Kur anfangen, erst Blutegel sich an der Leber setzen und dann Kissingen trinken. Wir wollen hoffen, daß es das Rechte ist, denn etwas brauchen muß er, denn er ist leidend und sieht ehlend aus. 73 Peter-Pauls-Kathedrale in der Peter-Pauls-Festung, Grabkirche der Romanows. 74 Jelagin-Insel in der Newa bei St. Petersburg. 75 Ortsangabe unklar. Mglw. ist Gotland gemeint.
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Schwerin, den 16ten September.76 Wenn Du diesen Brief aufmachen wirst, wirst Du glauben, einen verlohrenen zu bekommen. Aber er war so unvollendet in meiner Mappe mitgekommen, und in Dobbran konnte ich die ersten Tage zu nichts kommen, und dann bin ich sehr ungeschickt gewesen und habe mir den rechten Fuß dermaßen umgeknickt, daß ich 14 Tage ganz still liegen muß und noch so länger liegen bleiben muß. Ich habe diese Geschicklichkeit ausgehen laßen, als der Bogatyr, mein Dampfschiff,77 was mich zurückgebracht, wieder zurückging, und in Dobbran noch anhielt um Abschied von uns zu nehmen. Wir hatten ein Dejeuner noch an Borth. Es war herrlich mit Flaggen ausgeziehrt, und als ich lebe wohl gesagt und im Both sprang, weil die Wellen sehr hoch gingen, knikte ich mir den Fuß um. Ich hatte so einen heftigen Schmertz, daß man glaubte, der Fuß sei gebrochen. Dies erzähle ich nur zu meiner Entschuldigung, daß ich nicht ehe geschrieben, und nun wird es mir schwer, im Liegen zu schreiben. Allein, ich kann es nicht länger aushalten, so garnichts von Dir zu hören, nachdem ich so verwöhnt war durch Deine Liebe. Ich bekam in Dobbran einen, und aus Rußland wurden mir zwei Briefe nachgeschickt. Habe tausend innigen Dank für alle lieben Briefe. Ich denke mir, Du wirst jetzt in Berlin sein, aber ich weiß garnichts darüber. Die Zeitung habe ich nicht gelesen. Ich habe solche Sehnsucht, Dich wiederzusehen nach der Lebensgefahr, der Du und Fritz so wunderbar entgangen sind, daß wir uns vorgenommen hatten, zum Geburtstag von Fritz auf 8 Tage nach Sanssouci zu kommen. Aber nun weiß ich nicht, ob ich es ausführen werde können wegen meinem Fuß. Ich schone mich sehr, um ehe davon los zu kommen. Von Petersburg, oder eigentlich Peterhof, wo ich die letzten 8 Tage mit der ganzen kaiserlichen Familie zugebracht habe, muß ich noch erzählen. Das Wetter war sehr schön, so daß wir recht viel im Freien sein konnten, auch die verschiedenen hübschen Balkons vom Cottage établiert waren, was Leib und Seele wohl that. Der Kaiser hat an Charlotte eine Insel geschenkt, worauf Siam78 im Kleinen gebaut ist. Eigentlich mehr die Seite vom Bad im Gärtnerhaus. Ich glaubte, ich wäre da. Es ist deliziös, aber nun eingerichtet, um sich dort aufzuhalten, so geschmackvoll, und der kleine Garten daneben, angefüllt mit Blumen. Es hat Charlotte viel Freude gemacht, aber die tiefe Trauer im Herzen ließ ja kaum etwas daneben aufkommen. Wir haben aber doch Thee getrunken und gefrühstückt, und selbst etabliert mit Arbeit da gewesen, was dem Kaiser sehr viel Freude machte. Denn er hatte sich ein rechtes Fest daraus gemacht, es an Charlotte zu geben. Wenn sie von ihrer Reise zurückgekommen wäre. Und nun war alles so traurig. Charlotte selbst badete damals, was ihr wohl that, aber sie hatte sich heftig erkältet und mußte den ganzen Tag das Bett hüten, hatte furchtbares Kopfweh, so daß sie mich nicht sehen konnte. Den zweiten Tag ging es besser, aber schwach, und den 3ten Tag, wo ich abreisete, begleitete sie mich noch mit dem Dampfschiff bis am Bogatyr. Ach, der Abschied war schrecklich traurig, so ein Losreißen, nachdem man so viel Leid und Schmertz getheilt und getragen hatte. Wenigstens mir wurde es darum nur noch schwerer. Und bei aller Trauer waren doch vorher heitere und muntere Tage gewesen, und war 76 Großherzogin Alexandrine und Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin kamen am 29. Aug. aus St. Petersburg in Wismar an. 77 Erste Dampffregatte der russ. Marine. 78 Schloss Charlottenhof in Potsdam.
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ich so dort eingewöhnt, weil wir79 so ruhig und gleichmäßig gelebt, immer nur unter uns gewesen. Das machte es uns so viel lieber und wohnlicher. Der Kaiser kam mit dem männlichen Theil der Familie mit auf den Bogatyr und brachte mich noch weit hinter Kronstadt, ach, wie ich den Kaiser liebe. Er ist ein prächtiger und ausgezeichneter Mensch. Noch dort konnte ich lange mit ihm sprechen, und als ich nun wieder von ihm schied und den lieben Kindern, brach mir das Herz noch einmal. Die ersten 24 Stunden hatten wir himmlisches Wetter, und wir glaubten und hofften, es würde so bleiben, aber wir irrten uns. Der Wind kam uns entgegen, verwandelte sich nach und nach in Sturm, der 48 Stunden anhielt. Alles wurde krank, ich bekam aus Anstrengung Krämpfe und glaubte, ich würde sterben. Da holte mich der Capitän mit Gewalt aus der Kajütte, weil es da am meisten schwankte, und ich wurde oben auf dem Verdeck in einer andern gebracht, und da konnte ich doch wenigstens die übrigen Tage ziemlich zubringen. 5 Tage haben wir auf der See zugebracht. Es war ganz schaudervoll. Wie wir in Wismar ankamen am 29ten, war das Wetter ruhig und Sonnenschein. Fritz und Wilhelmchen kamen mir entgegen. Das Gefühl, die lieben Kinder zu [um]armen, besonders Fritz, den ich 8 Monate nicht gesehen, der diese große Reise gemacht, das läßt sich nicht beschreiben. Und dann den meklenburgischen Boden wieder zu betreten, unter dem Zuruf der versammelten Menschenmenge und doch so allein, ohne meinen Paul, alle diese Gefühle bestürmten mich und machten mich fast verlegen. Jetzt bin ich nun so glücklich, hier zu sein. In Dobbran war es die ganze Zeit wunderschönes Wetter, am 14ten bin ich hierher gekommen, um den 15ten, Pauls Geburtstag, an seinem Sarge in Thränen und Gebet zu feiern. Allein, durch das Fahren war der Fuß nicht besser geworden, und ich bin auf der couchette gebunden worden, darf mich garnicht rühren. Heute regnet es in Ströhmen, und da ich noch im Grünhaus wohne, so ist das doppelt traurig und fühlbar. Nun weißt Du meine ganze Lebensgeschichte. Bald hoffe ich von Dir eine zu bekommen. Leb wohl, mit Liebe Deine alte Adine Schwerin, den 27ten September 1844 Meine liebe Elis, ich schreibe Dir heute nur ein paar flüchtige Worte, um Dir und Fritz Glück zu wünschen, daß ihr wieder in Berlin glücklich angekommen seid, und daß das Volk auf so innige und herzliche Art ihre Freude an den Tag gelegt hat, wo ihr ihm von neuem geschenkt worden seid. Es muß Euch Beiden ein wichtiger und überaus rührender Tag gewesen sein, so Euch wieder unter sie geführt zu sehen. Gott erhalte Euch noch lange. Die Beschreibung in der Zeitung hat mich wahrhaft gerührt, und besonders der Moment, wo Fritz Dich auf den Balkon geführt. Dies alles und das große Diner wird Dich, meine geliebte Elis, Leib und Seele angegriffen haben. Die Ruhe in Sanssouci, wenn es auch nur wenige Tage sind, wird Dir gut thun, denn bald werden wohl Fremde von allen Seiten wieder ankomen. Ich habe Dir noch garnicht gedankt für Deinen Brief aus 79 Der Brief trägt neben dem Bild den Vermerk: „Peter Oldenburg sein Haus bei Peterhof.“
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Merseburg. Es war zu gut von Dir, mir in der bewegten Zeit zu schreiben. Alles hat mich so interessiert. Haben sich denn die neuen Hoheiten in Köthen und Dessau wohl sehen laßen, oder maulen sie! Dies hat in Petersburg viel Aufsehen gemacht, und mich hat es gewundert, daß diese Mächte erst in der Zeit, daß ich da war, am Kaiser geschrieben, nachdem sie schon gleich im Frühjahr an England und Frankreich geschrieben, um Anerkennnung.80 Darmstadt hat doch etwas appartes mit großherzogliche Hoheit, so erzählt man wenigstens.81 Von Charlotte habe ich vor 8 Tagen Briefe, da war sie wieder nicht wohl, hatte Schmertzen im Kopf und Ziehen. Es war wohl Erkältung, da es recht kalt im Kottage geworden und sie daher vorigen Sonntag, den 22ten, nach Gatschina ziehen wollten. Du weißt, Mary ist in anderen Umständen und sehr kratzbürstiger Laune.82 Aber liebe Elis, Deine Schwester Amelie, die auch wieder in anderen Umständen [ist], das thut mir so leid für sie. In ihrem Alter ist daß kein Spaß, nun Gott wird ja helfen.83 Ich dachte es mir gleich, daß der Aufenthalt in Ischl mit den Schwestern Dir Leib und Seele stärken und auffrischen würde. Habe ich es doch jetzt selbst so im hohen Maße empfunden, und so hast Du auch den schweren Schritt leichter überwunden, München nun so wiederzusehen.84 Welch ein schwerer, schwerer Moment wird das für Dein liebendes Herz sein, wie fühle ich es mit Dir, meine liebe Elis. Nun leb wohl, ich muß an Charlotte schreiben, alle 8 Tage durch das Lübecker Dampfschiff geht ein Briefchen ab. Mit meinen Fuß geht es besser, seit gestern gehe ich etwas an einem, auch wohl zwei Stöcken, aber bis zum 13ten Oktober, wo ich gerne abends in Sanssouci ankäme, wird es wohl ganz besser sein. Wie stehet es mit dem Opernhaus? Wird es fertig zum Geburtstag? Es ist so still darüber, das scheint mir verdächtig. Deine alte Adine Schwerin, den 10ten Oktober 1844 Mein heutiger Brief soll mich nun wirklich anmelden zum 13ten Abends. Du wirst zwar noch sehr viel Nachsicht mit mir haben, weil ich zwar etwas gehen kann, aber nicht ohne zu hinken, und das Stehen wird mir schwer. Ich hoffe aber doch, daß ich weiter dadurch nicht zur Last fallen werde. Luise und Fritz legen sich zu Füßen und werden mich begleiten, letzterer nur auf einige Tage. Für Deinen lieben Brief danke ich Dich herzlich. Ich 80 Gemeint ist die Anerkennung des Prädikats „Hoheit“ für die Anhaltinischen Herzogtümer im Jahr 1844. 81 Die nachgeborenen hessischen Prinzen erhielten 1844 das Prädikat „Großherzogliche Hoheit“. 82 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), war schwanger mit Tochter Eugenia Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1845–1925), geb. am 1. April 1845. 83 Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), war mit 43 Jahren noch einmal schwanger mit ihrer jüngsten Tochter Prinzessin Sophie von Sachsen (1845–1867), geb. am 15. März 1845. 84 Mglw. ist der erste Besuch in München nach dem Tod der Mutter von Königin Elisabeth von Preußen, geb. Prinzessin von Bayern, im Jahr 1841 gemeint.
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hoffe, wir bringen besser Wetter mit, denn wir hatten hier auch ein paar fürchterlich stürmische Tage. Dann muß ich immer an die armen Seereisenden denken. Rauch wird mit seine Töchter nun in Berlin angekommen sein, und Dir also die allerneuesten Nachrichten gebracht haben.85 Der letzte Brief von Charlotte aus Gatschina war zu traurig wieder. Sie war die Tage vorher in der Festung gewesen zum ersten Mal seit der Beerdigung, um zu beten an dem Sarg ihrer Adini. Das war dann fürchterlich für sie. Außerdem hatte die arme Cecile die Nachricht bekommen, daß ihr ältester Sohn am Kaukasus bei einer brillantenen Affere geblieben sei,86 und diese Todesnachricht hatte Charlotte ihr sagen müßen, was sie natürlich tief erschüttert hatte. Dann hat sie am Abend in Gatschina den Hof zum ersten Mal wieder zum Thee gehabt. Das alles hatte sie sehr angegriffen. Ach, ich muß so viel dahin denken. Es ist eine garzu liebe Familie. Daß man von Abat garnichts weiß, ist doch einzig. In Italien treibt er sich herum, aber warum denn? Am Ende kömmt er mit Marianne durch Zufall zusammen. Bleibt sie den Winter fort? Was sind denn eigentlich ihre Pläne? Nun, ich komme ja selbst und werde dann mir Antwort holen, denn ich weiß eigentlich garnichts von meiner hohen Familie. Lebe wohl, auf Wiedersehen so Gott will am Sonntag Abend, Deine alte Adine An Fritz tausend Liebes. Schwerin, den 22ten Oktober 1844 Meine liebe Elis, ich eile, Dir au jour le jour zurück zu senden, und noch nicht um Verzeihung zu bitten, daß ich das Buch so lange behalten.87 Gestern Abend war ich nach 7 Uhr hier, viel früher als man mich erwartet, denn überall mußte ich auf Pferde warten, und hier war Fritz noch auf dem Schloß, der gleich darauf angestürzt kam. Das Wetter war gestern prächtig, und ich denke, Du wirst es recht benutzt haben zum spaziehren gehen. Dann war das Diner und am Abend Theater. Öfter dachten wir hin, wie wir 3 allein beim Thee saßen. Aber es war recht gut, daß ich nicht geblieben, denn Fritz fühlt sich so allein und verlaßen, und morgen geben wir schon einen Ball dem Bräutigam zu Ehren, Bülow seine Tochter und Graf von Bassewitz, der früher beim 1ten Garderegiment gestanden.88 Am Freitag ist gleichfalls ein Ball aus dem selben Grunde beim Minis85 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) war als Generaladjutant des preuß. Königs und preuß. Militärbevollmächtigter in St. Petersburg der Verbindungsmann zwischen dem russ. und preuß. Hof. Er hatte vier Töchter. 86 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 87 Mglw. der Roman „Au Jour le Jour“ (Von Tag zu Tag) von Frédéric Soulié (1800–1847), den er vom 28. Dez. 1843 bis zum 10. Febr. 1844 im Feuilleton der Pariser Tageszeitung „Journal des Débats“ in 27 Fortsetzungen veröffentlichte und der noch im selben Jahr auch in Buchform erschienen war. 88 Caroline von Bülow (1827–1900), Tochter des meckl.-schw. Hofmarschalls Jasper von Bülow (1794–1871), heiratete am 13. Juli 1845 Carl Graf von Bassewitz (1821–1873).
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ter Lützow. So brillant wird diese Woche, um hernach desto stiller zu werden, wenn mein Fritz nach Ivenack und Basedow geht, dann fällt alles zusammen. Ob ich ihm dorthin folgen werden, ist noch ungewiß wegen meinem Fuß, der natürlich nicht besser ist. Ich werde ihn aber nun sehr schonen, in meinem Zimmer liege ich, und er wird sehr soigniert.89 Weiter schreibe ich nichts, als denn ich Dir und Fritz so danke für alle Nachsicht, die ihr für mich gehabt, und daß ich recht fürchte, doch manchmal zur Last gefallen zu sein mit meiner lahmen Pothe. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Mit Wilhelm seinem Arm, hoffe ich, bleibt es nun so gut.
Schwerin, den 4ten November 1844 Ich habe Dir so lange nicht geschrieben, aber ich bin dümmer wie je. Ich glaube vom Liegen, denn ganz gesund und ewig liegen, das ist zu viel. Wie ich gehört, ist Fritz von seiner Jagdt wieder zurück, und ich hoffe, so zufrieden wie vergangenes Jahr, wo ich grade in Sanssouci war, als er zurückkam. Du wirst die Zeit recht einsam und still zugebracht haben, hast aber doch schöne Tage gehabt, die sich in einen furchtbaren Sturm auflösten, und gestern hat sich der Winter eingestellt. Der Schnee liegt noch. Das ist doch zu früh, welche Aussicht zum Winter. In Sanssouci muß es diesen Augenblick nicht lieblich sein. Wilhelm90 ist denn glücklich in Berlin angekommen, wie mir Fräulein von Kameke schreibt, und hätte die erste Nacht gut geschlafen. Ich freue mich für ihn, daß er doch etwas mehr Zerstreuung aus seinem Fenster hat als wie auf dem Babel. Albert und Marianne sind beide in Italien. Wenn sie sich nur nicht begegnen! Ich habe jetzt in meiner Einsamkeit darüber nachgedacht. Es wäre wirklich das Beste, wenn sie still schweigend überein kämen, sich nicht in Berlin zu treffen, und so sich trennten ohne Aufsehen, denn das Zusammensein wird nie gehen, und macht nur immer mehr böses Blut, giebt schrecklich viel zu sprechen und hilft zu nichts. Von Charlotte hatte ich am Freitag einen Brief wieder. Es geht ihr nun recht gut, doch Du wirst frischere und ausführlichere Nachricht durch Max Leuchtenberg91 gehabt haben, der wie ich in der Zeitung gelesen, durch Berlin gereiset ist. Ich beneide es Dir, denn ich habe ihn sehr gern und hätte von ihm selbst gern die Bestettigung, daß es Charlotte und dem Kaiser gut geht. Auch Mary soll wieder wohler sein.92
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Frz. = gepflegt. Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), war schwanger mit Tochter Eugenia Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1845–1925), geb. am 1. April 1845.
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Mein Fritz ist in Strelitz gewesen, um seinen Besuch zu machen von Ivenack aus, wo er sich sehr gut amüsiert. Heute ist er in Basedow bei Graf Hahn93 zur Hubertus Jagdt. Am Mittwoch erwarte ich ihn zurück. George Strelitz will auch kommen, wie mir Marie Strelitz schreibt. Der arme Fritz Hessen wird in diesen Tagen seine beide Schwestern nach Dessau geleiten,94 und späther uns besuchen. Er soll noch so traurig sein. Lilli bleibt im Winter in Strelitz nach der Entscheidung der Ärtzte, was Marie natürlich sehr freut. Wie steht es denn mit der Einweihung des Opernhauses, bleibt es bei dem 7ten Dezember, und ist die schwedische Sängerin endlich angekommen? Bitte antworte mir hierauf, denn wir alle sind sehr erpicht, es zu wißen. Luise hatte heute früh eine große Freude. Max hat bis Berlin ihr einen Brief von Olly mitgebracht und ein Päkchen von Charlotte für sie mit Andenken von der armen Adini. Beides hat ihr eine große Freude gemacht. Olly schreibt ziemlich heiter. Die Thees wären nicht sehr amüsant im Arsenal, da alle Herren mit dem Kaiser Kriegsspiel spielen müßen, also Alexander auch, und der amüsiert sie, wie es mir scheint, recht sehr. Nun Adios, schreib mir ein bischen, was Max erzählt hat. Deine Adine Luise küßt die Hände. An Fritz tausend Schönes. Ich glaube, ich habe den ganzen Brief zu Ende geschrieben und gar keinen Dank gesagt für Deinen Brief, der so ausführlich war. Jetzt nimm ihn noch recht herzlich hin.
Schwerin, den 18ten November 1844 Liebe Elis, vorige Woche ließ ich vorüber gehen, um Dir zum 19ten nun von ganzem Herzen Glück zu wünschen, und ich bitte Dich, behalte mich auch noch ferner etwas lieb. Unser Geschenk, höre ich, besteht in aquarelle Bilder zu Deinem Album. Ich hoffe, daß sie hübsch sind und Dir einige Freude machen mögen. Wo wird aber Dein Geburtstag gefeiert werden? Denn noch hörte ich nicht, daß ihr nach Charlottenburg umgezogen seid, und in Sanssouci scheint es mir jetzt recht wenig lieblich. Fritz kann in Charlottenburg auch recht viel herum spazieren, freilich bei Potsdam besser gehen. Für Deinen letzten Brief danke ich Dir recht herzlich! Abat ist ja nun da, also wird er mit dem Vertrag wohl einverstanden sein. Gott wolle nun Ruhe und Frieden geben. Traurig ist es aber, daß ihm alles einerlei scheint, wenn er sich auch nur so stellet. Hat er denn den lieblichen Kammerherrn mitgebracht? Es wäre wirklich die Möglichkeit, und behält ihn noch bei sich!!!! Marianne bleibt in Como den Winter. Das ist auch das Beste. Für die Kinder ist es traurig. Seit gestern Abend ist der Kronprinz von Dänemark hier. Ich sah ihn aber erst 93 Friedrich Graf von Hahn (1804–1859). 94 Der frisch verwitwete Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884) begleitete offenbar seine Schwestern Prinzessin Luise (1817–1898) und Prinzessin Auguste (1823– 1889) zu ihrer Schwester Prinzessin Marie (1814–1895), verh. seit 1832 mit Prinz Friedrich August von Anhalt-Dessau (1799–1864).
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heute Morgen, und eben haben wir ein großes Diner gehabt, wo von ich ganz matt bin. Ich liege, um meinen Fuß wieder auszuruhen. Das Stehen verträgt er nicht, sonst geht es recht gut. Mitunter muß ich noch etwas hinken, andere Male merkt man garnichts. Morgen haben wir einen großen Ball, womit Dein 19ter auch gefeiert werden soll. Den Mittag bleiben wir ganz en famille. Wir erwarten George von Strelitz, aber es ist nicht gewiß. Fritz Strelitz ist ja als ein Birkenholz wieder abgereiset nach England, wo seine Frau Wochen halten wird.95 Man ist außer sich in Strelitz und es soll keine angenehme Scene gegeben haben. Ich denke, ich werde wohl von unsern Gästen noch etwas Näheres darüber hören. Bis jetzt finde ich, hat sich der Kronprinz sehr zum Vortheil verändert. Aber zum Mann möchte ich ihn nicht, arme Lilli, warum hat sie ihn genommen? Er hat aber selbst gewollt, daß sie in Strelitz bleiben sollte, und ist ganz damit zufrieden. Zu Neujahr kömmt er wieder. Bei uns bleibt er bis Sonnabend. Es werden alle Tage Jagdten sein, da kommen sie dann späth zurück, und dann ist Theater, wo sie hinkommen, wann sie wollen. So genieren sie mich nicht. Aber ich sage Dir lebwohl, erstlich bin ich dumm, und zweitens wollen wir noch etwas ins Theater gehen, was erst gestern hier seinen Anfang genommen. Leb wohl, an Fritz viel Liebes. Gott mit Dir. Deine treue Adine Von Charlotte habe ich, seit Max einen Brief an Luise96 geschickt, garnichts gehört. Ein Zeichen, daß es ihm wohler ist, und sie nun mehr ausgeht und auch wohl Briefe schriebe.
Ludwigslust, den 30ten November 1844 Tausend Dank, meine geliebte Elis, für Deinen freundlichen Brief, den ich bis heute heraus schob zu beantworten, um, wie ich hoffte, etwas Interessantes berichten zu können. Allein, es blieb alles ziemlich gleich. Wir sind seit gestern hier, um einige Jagdten in der Gegend zu hallten, wozu eine Menge junge Landstände sich eingefunden. Und morgen wird ein großer Ball im goldenen Saal sein, wozu sich die Jugend unerhört freut. Die Sonne scheint köstlich in mein freundliches Zimmer, aber es ist bitter kalt, so daß erst die Fenster mit Eis gefroren waren. Wegen unserer Reise nach Berlin sind wir noch nicht ganz einig. Wird am 6ten December, wo der Nahmenstag vom Kaiser ist, ein Diner bei Euch sein, also eine Art Feier, so würden wir am 5ten Abends ankommen, denn ich liebe den Kaiser so sehr, daß ich gern daran theilnehme. Sonst würde ich vielleicht erst den 6ten kommen, weil dann Fritz uns gleich begleiten könnte, der sich jetzt eigentlich nicht 95 Die Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge (1822–1916), besaß eine so starke Bindung an Großbritannien, dass sogar der Strelitzer Thronfolger dort geboren werden sollte, was im Großherzogtum starke Kritik an der zukünftigen Großherzogin hervorrief. Ihr Ehemann Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904) hatte dem offenbar nichts entgegenzusetzen. 96 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
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entfernen darf wegen dem Landtag und also nur den 7ten in Berlin bleiben kann. Du bist wohl so gut und giebst mir gleich Antwort, damit wir unsere Einrichtung treffen können. Am Donnerstag dürfte ich dann der Antwort wohl entgegen sehen. Heute hat Fräulein von Schöning97 ihren Dienst bei Luise angetreten. Sie ist grade nicht sehr hübsch, aber ihr Wesen scheint recht angenehm. Luise ist übrigens nicht recht wohl. Sie hat einen sehr starken Husten, der zwar scheint, als wenn die Luftveränderung ihm gut gethan. Es geht heute viel besser. Vom guten Bokchen98 hat mir Fräulein von Kameke recht besorgende Nachricht gegeben. Sie ist gefallen und liegt seit der Zeit fast immer ohne Besinnung. Sie ist 82 Jahre alt. Das ist schon allein genug, um ein Besorg zu machen. Von Charlotte hatte ich vom 15ten einen Brief. Da ging es ihr garnicht gut. Das Herzklopfen kömmt alle 6 Tage, und nun grade, wo sie mir schrieb, hatte sie es auf 3 Tage wieder bekommen. Das greift sie natürlich sehr an. Sie begreift nicht, woher es jetzt so oft käme, da sie wie die Maulwürfe lebten, so einförmig und still. Und damals, im Sommer, wo ihr Herz voll Unruhe und Angst und Qual erfüllt war, kam es höchst selten. Seit dem 17ten sind sie in der Stadt. Sehr ungern verließen sie das stille Gatschina, wenigstens Charlotte und Olly. Sie waren schon auf ein paar Tage in Anischkof99 gewesen zur Hochzeit von der Troubetzkoy mit dem Ribeauspiere,100 sehnten sich aber sehr zurück. Damals schienen sie noch nichts von Max101 seinem Unwohlsein zu wißen. Es wird sie gewiß recht verschrecken, und ich muß auch sagen, so leicht darf man es nicht ansehen. Die Rückreise in der Kälte ist auch kein Spaß. Über Strelitz und Schwiegertochter werden wir noch hören, wenn Marie nach Berlin kömmt. Es sollen aber arge Scenen gewesen sein, von der sie vielleicht nicht sprechen wird. Es bleibt auch ein starkes Stück. Fritz ist doch sehr schwach, sonst hätte er sich anders genommen, denn es soll ein Plan von ihrer Seite von Anfang an gewesen sein. Nun hat sie gemacht, als wenn sie Krä[m]pfe bekäme, wenn sie an Strelitz dächte.102 Leb wohl, theure Elis, bitte, bitte um baldige Antwort. Deine Adine Schwerin, den 21ten December 1844 Es ist eigentlich unerlaubt, daß ich Dir, liebe Elis, noch garnicht geschrieben seit meiner Abreise. Die Fahrt war etwas kalt, obgleich wir es im Wagen nicht gemerkt. Auch hat die 97 98
Elisabeth von Schöning (1817–1882), Hofdame der Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin. Henriette Auguste Bock (1762–1845), Erzieherin der Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen. 99 Anitschkow-Palais. 100 Der Sohn des russ. Gesandten in Preußen, Iwan Alexandrowitsch de Ribeaupierre (1817–1871), heiratete Sophia Wassiliewna Trubetzkaja (1823–1893). 101 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 102 Vgl. Brief vom 18. Nov. 1844. Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge (1822–1916), plante, dass ihr erstgeborenes Kind unbedingt in Großbritannien zur Welt kommen solle, was im Großherzogtum starke Kritik an der zukünftigen Großherzogin hervorrief.
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Reise Luise weiter nicht geschadet. Aber sie hat gestern ihr Zimmer noch nicht verlaßen dürfen, um den Husten ganz fort zu schaffen, was übrigens noch nicht gelungen ist. Die Kälte, welche wir gehabt, war auch nicht dazu gemacht. Nun hat sie bedeutend nachgelaßen. Mein Fritz war auch mehrere Tage unwohl an starker Erkältung, und grade in der Zeit, wie Fritz Hessen103 hier war, so daß der noch stillere Tage hier zugebracht als sonst, da er nun immer oben bei Fritz saß, was ihm wohl zu thun schien, da er sich dort aussprechen konnte. Und mein Fritz fühlte so recht innig mit ihm, und was mich an ihm gefreut zu sehen, ist, daß er jetzt so recht seinen Verlust einsieht und durchdrungen ist, was Adini für ein Engel war. Er wird sich immer mehr bewußt, was er verlohren, und seine Trauer wird dadurch nur tiefer, ist nichts Äußeres. Ich habe dies alles an Charlotte geschrieben, weil es ihr Freude macht, denn sie betrauert ihr Kind so tief und innig. Übrigens hat sie es auch nie anders von Fritz erwartet, da sie ja wußte, wie er Adini geliebt. Diese Tage bin ich recht viel herumgelaufen, um zum Weihnachten einzukaufen. Mit deiner Erlaubnis wird morgen eine Kiste oder Paket unter Deiner Adresse abgehen, und darauf bemerkt sein, daß man sie an Fräulein von Kameke abgiebt. Es ist wenig darin, weil für die Geschwister in Berlin durch Wilhelm alles besorgt wird. Nur für Dich, was ich schon in Petersburg gekauft, ist darin, etwas für die Fürstin und für Abat. Wie mag Wilhelm mit Abat zufrieden sein? Ob er seiner Erwartung entspricht? Morgen werden wir ein kleines Concert geben, weil einige Künstler hier sind. Die Nahmen weiß ich nicht, Ruffo oder Russo,104 ein kleiner Klavierspieler, und eine Mademoiselle Evers105 aus Hamburg wird singen. Ich hoffe, es soll weniger steif ausfallen. Ich will suchen, es etwas wie bei Auguste einzurichten, mit einige etablissements. Die Menschen hier sind nur so unverständlich und steif und können sich in solche neue Ideen nicht finden. Mein Wilhelm wird vielleicht sich Sonntag bei Dir melden, aber gewiß weiß ich es nicht, weil ich zu späth geschrieben, und ob der es nun so hat einrichten können. Am Nachmittag würde er weiterreisen. Nun leb wohl und denk in Liebe Deiner alten Adine Schwerin, den 28ten December 1844 Vor aller erst, meine theure liebe Elis, muß ich Dir und Fritz so viel und herzlich danken für die überaus schönen Weihnachtsgeschenke. Ich bin fast beschämt, denn all meine Wünsche sehe ich erfüllt, die ich so zufällig an Fräulein Kameke erzählt, und diese hat sich gestern auch schon als Verrätherin gemeldet. Habe tausend Dank für die Freude, die ihr Beide mir gemacht. Das schwartze Sammtkleid ist ganz wundervoll mit diesem schönen Besatz. Ich habe es zum großen Diner am 2ten Weihnachtstag angehabt. Und der Plusch mit der süperben Farbe, damit werden die Möbel schon überzogen, um sich zum Neu Jahr in neuem Glanz zu zeigen. Das Neue Jahr ist uns schon so nah gerückt, zum Erschrecken nah. Mir ist der Jahreswechsel jetzt immer so traurig und gräulich. Wenn 103 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 104 Angelo Ruffo, Pianist aus Neapel. 105 Kathinka Evers (1822–1899), Sängerin.
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man jung und glücklich ist, dann ist einem alles gleich, aber mit den Jahren und mit Trauer und Schmertz, da sieht man es anders an. Für Dich und Fritz wünschte ich, daß das Neue Jahr ein recht glückliches werden möge, damit das verfloßene mit seinen ernsten Erfahrungen nicht vergeßen, das kann man nicht, aber vergütigt würde und Liebe und Macht des Herrn immer gleich über Euch bleibe. Und mich, meine Elis, behalte immer etwas lieb, denn ich hänge mit treuer Liebe an Dich. Wie ich gehört, ist Abat garnicht am Heilig Abend bei Euch gewesen, weil er krank. Ist das wahr, oder ist wieder etwas vorgefallen? Wenn er wirklich unwohl, dann muß etwas bedeutendes doch sein. Bitte schreibe es mir. Tante Wilhelm ist auch in Berlin zurück. Das wird Dir eine große Freude sein. Ist es schon ganz gewiß, daß Mariechen106 nach Berlin kömmt? Es wurde so geschrieben. Ich muß Dir doch von meinen Weihnachtsgeschenken erzählen. Mein Fritz hat mir so viel gegeben, unter anderem auch ein Stück schwartzen Sammt, weil er von meinem Wunsch gehört. Dann ein schwartz Atlas Mäntelchen, eine dunkelblaue Mantille von einer süperben Farbe, ein Armband, ein violetten Samthut zum spazieren gehen und einen Tisch von chinesischem Portcellan. Mein Fritz legt auch an meinen Bruder seinen unterthänigsten Dank für seine 6 Teller zu Füßen, die außerordentlich schön sind. Meine Luise hat mir einen Fußsack gemacht, und lilla Zeug zum Kleid, und Wilhelm eine Fußdecke, welche er in Dresden vom Frauenverein gekauft hat. Von meiner Schwiegermama eine kleine Etage, und vom Onkel eine Mappe und ein Körbchen. Luise schickte mir aus dem Haag ein tarlatent Kleid107 in Silber genäht, zu hübsch und jugendlich für mich. Heute sind meine Söhne auf einer Saujagdt. Wie sie fort fuhren, war es 7°, doch nun scheint die Sonne, da ist es nur 3°. Das findet man jetzt warm, und da gehet man spazieren. Ich auch, denn meinem Fuß geht es fast ganz gut, nur schnell und weit kann ich [nicht], dann wird er schwach. Luise108 ihr Husten verläßt sie nun endlich, aber er hat sie sehr angegriffen. Sie ist noch matt und mager. Charlottenburg habet ihr nun wohl ade gesagt, und seid nun ganz in der Stadt gezogen. Noch denke ich mit Freuden an die wenigen Momente, die mir diesmal nur wenig zufielen, die ich bei Dir, in dein hübsches Kabinett zugebracht. Es war dort so heimlich und warm. Der arme Stolberg hat ja seine älteste Tochter verlohren,109 nachdem sie viel gelitten haben soll. Gott, wie mir das nahe geht. Ich stehe eigentlich an, ihm zu schreiben und ihm selbst meine Theilnahme auszusprechen. Vielleicht bist du so gut und sagst es ihm. Vielleicht entschließe ich mich noch zu schreiben. Lebe nun wohl, meine Elis, in diesem Jahr, Gott schütze Dich im Neuen Jahr und behalte lieb Deine treue Adine
106 Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 107 Ein Kleid aus Tarlatan, ein Stoff. 108 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 109 Marianne Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1815–1844), zweitälteste Tochter von Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), war am 16. Dez. in Berlin gestorben.
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283 Schwerin, den 31ten December 1844
Nur zwei Worte, meine liebe Elis, um Dich zu bitten, diese beiden Zeichnungen an General Rauch zu geben, der sie an Charlotte in meinem Nahmen übergeben soll. Es sind die Ansichten von meinem Cottage und das Innere meines Zimmers daselbst. Da ich nicht weiß, wann er geht, so sende ich sie auf das Ungewiße Dir, da ich Deine Nachsicht und Güte kenne. Dies sind die letzten Worte, welche ich in diesem Jahr schreibe. Für deinen Brief danke ich nur jetzt flüchtig. Ein ordentlicher Brief kömmt späther. Gott sei mit Dir, Deine alte Adine Von Charlotte hatte ich gestern vom 28ten December einen Brief, wonach es ihr garnicht gut geht. Sie ist immer leidend, bald Zahnweh, dann Fieber und immer Herzklopfen, was 4 Tage anhällt, daß sie ganz schwach wird und kaum aus einem Zimmer im andern gehen kann. Ich werde sehr besorgt!
1845 Schwerin, den 4ten Januar 1845 Erst heute, meine liebe Elis, kann ich Dir meine innigen Wünsche zum Neuen Jahr aussprechen. Gott seegne Dich und Fritz und behaltet mich ferner lieb. Mein Herz zog mich schon all die Tage, Dir zu schreiben, aber ich kenne Deine Nachsicht und Milde, und schrieb daher erst den Schwägerinnen, die mich auch so schön beschenkt und Auguste sogar mir dabei geschrieben. Ich freue mich, daß meine kleinen Gaben Dir gefallen, und der Huth ist wirklich nicht zu jugendlich. Trage ihn nur recht oft. Von Charlotte habe ich vom 24ten einen Brief, eigentlich Luise1 von Olly, die ihr ausführlich über die Gesundheit schreibt. Sie soll sehr matt und angegriffen sein, so daß man doch einsah, etwas ernstes mit ihr vornehmen zu müßen. Und so hat sie Tuchbäder genommen, die sie warm anfängt und almälich kälter werden, um die Nerven zu stärken und den Körper kräftiger zu machen. Sie hatte ein paar genommen und ist davon zufrieden. Sie hat selbst Vertrauen dazu. Der Aufenthalt in der Stadt wäre ihnen allen ganz schrecklich. Wegen des Unwohlseins von Charlotte sehen sie fast keinen Menschen und jeder hinge seiner Trauer nach. Selbst Olly wäre geistig wie körperlich herunter. Nach Neujahr wolle Mary anfangen, im Theater zu gehen, da müßte Olly dann mit, was ihr vorkäme, als könnte sie es nicht. Einmal ist sie bei Helene2 zu einem Konzert gewesen, wo Charlotte sie hingeschickt. Da hatte sie sich sehr schlecht aufgeführt und geweint. Sie sehen aber ein, daß sie sich herausreißen müßten. Heute ist wohl Max Leuchtenberg3 bei Dir in Berlin. Rauch hat mir schreiben laßen, daß er am 6ten abreiset. Du wirst wohl so gütig sein und ihm die Zeichnungen einhändigen. Es ist ein rechtes Glück, daß ich sie Dir schon geschickt, denn heute kam erst sein Brief. Also wäre es unmöglich gewesen, sie noch bis morgen Abend nach Berlin zu schaffen. Wir erwarten morgen Abend den Kronprinzen von Dänemark, der ein paar Tage hier verweilen will bei seiner Durchreise von Koppenhagen nach Strelitz. Ob er dort wohl sehr willkommen ist? Es ist jetzt wirklich nothwendiger wie je, daß ihr Verhältnis sich so gut wie möglich stellt, denn es sieht in Dänemark häslich aus.4 Abat sein Rückfall zur Unpäslichkeit ist ein trauriges Zeichen. Ich hoffe nur, Fritz tritt recht bestimt auf und läßt sich nicht erweichen. Ermahnungen und Briefe helfen zwar nichts, ich habe aber doch in dem Sinn zum Neuen Jahr geschrieben. Von Luise5 weiß ich noch nichts, denn seit längerer Zeit habe ich keinen Brief. Meine Kinder legen 1 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 2 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 3 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 4 Die Kinderlosigkeit der kronprinzlichen Familie stellte die Dynastie der Oldenburger neben den wachsenden nationalistischen Spannungen im dänischen Gesamtstaat vor große Probleme. 5 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870).
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durch mich ihre Glückwünsche zu Füßen. Wilhelm wird nicht über Berlin gehen, weil er zu lange hier geblieben. Morgen reiset er von hier ab. Zu Ostern, wenn er Dresden verläßt, wird er über Berlin gehen. Ostern fällt so unerhört früh dies Jahr, beinah auf Bruder Wilhelms Geburtstag.6 Nun leb wohl, Dein Schnupfen, hoffe ich, wird Dich verlaßen haben. Das war gewiß der böse Ostwind, der sich geltend machte. Nun ist es ganz milde. Der Karneval beginnt nun und wird Dich fatigieren. Ist der weiße Saal fertig, und wie stehet es mit Meiring?7 An Graf Stolberg habe ich doch noch nach dem Tag geschrieben und auch schon einen sehr betrübten, Gott ergebenen Brief erhalten.8 Deine alte treue Adine Schwerin, den 14ten Januar 1845 Mir kömt es vor, als wenn ich Dir unendlich lange nicht geschrieben. Und geantwortet habe ich auch nicht auf Deinen letzten Brief, der mich wieder so innig erfreute, da Du so liebevoll schreibst. Die Hessenstein9 war 2 Tage hier und wird Dir wohl morgen auf dem großen Ball im Rittersaal meine Grüße bringen. Sie ist unerhört dick, beinah bin ich eben so. Ich werde stark, wie ich seit undenklichen Jahren nicht war. Ich glaube, es ist ein arangement gemacht mit Hessensteins, daß letzte versucht, um sie noch zu hallten. Ob es aber gelingen wird, das weiß man nicht. Ich sehe sie mit Angst hingehen. Deine freundliche Einladung zum 22ten, wo durch einen Ball der weiße Saal eingeweiht werden soll,10 können wir leider nicht nachkommen, denn unser Karneval ist so brillant nach unserer Art, und grade in 8 Tagen wollen Familien aus dem Lande herein kommen, um sich hier einige Tage aufzuhallten, wie Graf Bassewitz Schlitz11 und Graf Bassewitz Prebberede.12 Sogar von Gräfin Hahn13 geht das Gerücht, daß sie kommen will. Ich hoffe aber, dies geht an uns vorüber. Indessen der mardi gras,14 wenn denn etwas Außerordentliches vor wäre auf dem Schloß oder bei Wilhelms, dann würden wir ehe kommen können, und dann möchte ich so gerne die Lindt15 hören, die alle Welt und Dich auch so entzückt. Wir hörten sie bei Wilhelms, da schien sie garnicht so ausgezeichnet, wenngleich die 6 Der Ostersonntag fiel 1845 auf den 23. März. Am frühestmöglichen Ostertermin, dem 22. März, feierte Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) seinen Geburtstag. 7 Richard von Meyerinck (1812–1889), preuß. Hofmarschall und Schlösserintendant. 8 Marianne Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1815–1844), zweitälteste Tochter von Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), war am 16. Dez. 1844 in Berlin gestorben. 9 Angelika Gräfin von Hessenstein, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1802–1852), verh. mit dem meckl. Gesandten in Berlin, Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867). 10 Zum Fest des Schwarzen Adlerordens am 17. Jan. wurde der Weiße Saal im Berliner Schloss umgestaltet. 11 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861). 12 Adolf Graf von Bassewitz (1813–1878). 13 Agnes Gräfin von Hahn, geb. von Schlippenbach (1812–1854). 14 Dienstag vor Aschermittwoch. 15 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin.
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Stimme uns sehr entzückte. In der einen Zeitung soll ja so beunruhigende Nachricht über das Befinden des Kaisers stehen. Hast Du etwas gehört? Ich habe über 8 Tage keinen Brief gehabt. Ich hoffe, daß es nicht wahr ist. Gestern war Neujahr, das wird ein recht betrübter Tag gewesen sein. So ein Abschied, meint man, reißt die Kluft nur noch größer. Die arme Gallenfeldt hat auch ihre Mutter am Sonntag verlohren.16 In Wien ist die Prinzeßin von Hohenzollern gestorben.17 Sie war eine intime Freundin von Amelie von Schweden.18 Die wird darüber sehr betrübt sein. Ich habe unendlich lange nichts von ihr gehört. Ich muß ihr bald schreiben. Fritz19 sein langer Aufenthalt in Strelitz wird dort sehr beglückt haben. Wie mag der Kronprinz dort gewesen sein? Hier war er recht gut, aber zum Mann muß er doch schrecklich sein. Es war noch unbestimmt, wie lange er dort bleibt. Er will nicht gern nach Koppenhagen, weil er sich mit dem König nicht verträgt. Die Zeitungen sind wirklich groß, wie sie in Dänemark über die Zukunft sprechen, als wenn der Kronprinz nicht in der Welt wäre.20 Ich sage Dir lebe wohl, wir geben heute unsern zweiten Ball, außerdem sind wir beschäftigt, ein Bohnenfest zu arangieren. Deine alte Adine Der Tod des jungen Pfuhl hat mir recht leid gethan.21 Er ist in Karlsruh mit allen Ehren beerdigt worden. Meine Gewinste in der Gewerbe Erzeignisse sind nicht schön.22 Auf 40 Loose habe ich 5 Gewinste bekommen, 2 Stück Scheeren, 2 Leuchter, 1 wollene Unterjacke, 6 Desserteller, 2 Leuchter, lakiert.
Schwerin, den 23ten Januar 1845 Ich danke tausendmal, geliebte Elis, für Deinen Brief, den ich gestern Abend erhielt, wo Du grade im Staat im weißen Saal auf dem Ball warst. Wir kamen aus den Theater und soupierten allein a trois in mein Zimmer, weil wir Dienstag unseren Ball gehabt und heute wieder ein Bohnenfest bei uns haben. Da war diese Ruhe sehr wünschenswerth. Du schreibst so viele schöne Neuigkeiten aus München. Über die glückliche Niederkunft der 16 Anna Wilhelmine Hedwig (Galle) von Gallenfeld, geb. von Moltke (1772–1845), war am 12. Jan. in Eldena gestorben, Mutter von Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 17 Pauline von Hohenzollern-Hechingen, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1782–1845), war am 8. Jan. gestorben. 18 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 19 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 20 Der Gefahr des Aussterbens seiner Dynastie versuchte König Christian VIII. von Dänemark (1786– 1848) zu begegnen, indem er das Königsgesetz im Sinne einer weiblichen Erbfolge änderte. 21 Artur Heinrich Julian von Pfuel (1815–1844), preuß. Offizier, starb nach einer Forschungsreise durch Vorderasien. 22 Erste Gewerbeausstellung in Schwerin im Dez. 1844.
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Prinzessin Luitpold23 freute ich mich sehr, und nun die erfreulichen Aussichten von Mariechen,24 von denen ich nichts wußte. Wenn das nur wirklich der Fall ist, denn dies wäre doch das wünschenswertheste, und nun auch die Hildegard.25 Das ist wohl der Komet, der alle diese Wunder hervorbringt. Aus Petersburg hatte ich am Sonntag einen Brief von Cecile26 vom 30ten December/11ten Januar, worin sie mir schrieb, daß Charlotte Herzklopfen gehabt hat, 6 Tage hintereinander und seit der Zeit fast keine Ruhe hatte, so verändert wäre, so schwach und matt, so entkräftet, so mager, daß Cecile sie nicht ohne Thränen der Besorgniß ansehen könnte. Dabei wäre sie so sanft und mild und freundlich, herzzerreißend. Du glaubst nicht, Elis, wie ich mich ängstige! Olly schreibt von Neujahr, wo sie ihre Weihnachten bei Sache bekommen und der Kaiser ihr ein Husarenregiment geschenkt. Das hat sie denn so überglücklich gemacht, und sie waren so toll und ausgelassen gewesen, daß sie damit Papa und Mama aufgeheitert hätte. Dies hoffe ich nun, soll etwas auf ihre Gesundheit einwirken, denn Kummer und leidende Körper, das hällt kein Mensch aus. Wenn nur eine rechte Freude in der Familie wieder käme, das sie sich daran aufrichten könnten. Aber nun kömmt der Jahrestag von der Vermählung und die Zeit, wo Adini anfing zu leiden. Das wird immer schlimm. Der Winter ist noch so lang, ach, mir bangt sehr. Und mit dieser Sorge nur im Herzen muß ich hier Bälle und Feste mitmachen, und doch freue ich mich, daß man wieder anfängt, sich zu amüsieren und heiter ist. Paul wird gewiß damit zufrieden sein. Aber über Rauch bin ich sehr außer mir, daß er mir kein Wort sagen läßt, daß er so lange in Berlin geblieben. Erstlich hätte mein Paket längst weggeschickt werden können, und dann hoffte ich immer, er sollte mir aus Petersburg Nachricht schreiben. Ich hätte ihm dahin geschrieben, um daß er Mandt bitten sollte, mir Nachricht von Charlotte zu geben. Der Brief irrt nun auf der Landstraße umher. Es ist mir schrecklich fatal. Hier wurde ich unterbrochen, da ich geholt wurde, um die Probe zum Bohnenfest mit bei zuwohnen. Dann bin ich ausgefahren. Die Luft war recht scharf. Dieser Winter ist wirklich sehr angenehm, man kann täglich aus, und die reine Kälte habe [ich] gern. Nein, höre, daß Du mit dem schwartzen Mann27 am Ordensfest gesprochen, ohne es gleich zu merken, das finde ich köstlich. In der Liste las ich Dr. Stuhr, und ich dachte mir, sollte es mein ehemaliger Geliebter sein? Also richtig, er ist Zeit seines Lebens verrückt gewesen. Warum hat er denn einen Orden bekommen?!!28 Hopfgarten war in 23 Prinz Luitpold von Bayern (1821–1821) und Prinzessin Auguste Ferdinande von Bayern, geb. Erzherzogin von Österreich (1825–1864). Ihr Sohn, der spätere und letzte König Ludwig (III.) von Bayern (1845–1921) wurde am 7. Jan. in München geboren. 24 Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), war schwanger mit ihrem ersten Sohn, dem späteren König Ludwig (II.) von Bayern (1845–1886), geb. am 25. Aug. auf Schloss Nymphenburg. 25 Erzherzogin Hildegard Luise von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1825–1864), war schwanger mit ihrer ersten Tochter, Erzherzogin Marie Theresia von Österreich (1845–1927), geb. am 25. Juli. 26 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 27 Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 28 Gemeint ist Peter Feddersen Stuhr (1787–1851), Prof. für Geschichte an der Berliner Universität.
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Berlin wegen Artillerie, außerdem ist auch Major Scheffer und Hauptmann Schumacher von der Artillerie nach Berlin geschickt in der Angelegenheit.29 Hopfgarten kömmt morgen zurück, dann muß er recht viel erzählen vom Weißen Saal, mit dem Du zufrieden scheinst. Wegen unserem Kommen oder Nichtkommen kann ich noch garnichts bestimmen. Ich fürchte, das letztere wird wohl sein. Nun Adios, tausend Schönes an Fritz, meine Kinder küßen Deine Hand. Deine alte Adine Schwerin, den 12ten Februar 1845 Ich ahnte garnicht, geliebte Elis, daß Du so lange und anhaltend unwohl warst. Es beruhigt mich aber sehr, aus Deinem eigenen Munde, wohl eigentlich Brief, zu sehen, daß es Dich nicht angegriffen hat und Du nun wieder ausgehst. Natürlich wirst Du Nachricht durch Rauch von der Gesundheit des Kaisers und Charlottes eher gehabt haben wie ich. Indessen will ich Dir doch mittheilen, was Mandt mir geschrieben, daß er bis jetzt gar keine Besorgnis über Charlotte hatte, da nach genauer und sorgfältiger Untersuchung das Herz gesund und alles übrige im besten Stande ist. Er schließt aber mit diesem Nachsatz, den ich wörtlich abschreibe, daß er sich keineswegs verhehle, daß Erschöpfung der Kräfte oder ein organischer Antheil des Herzens selbst die mögliche Folge einer hartnäckigen Andauer der Palpitation sein könne. Wir müßen zu Gott beten, daß er ihr Kräfte giebt. Rauch schreibt mir, daß er sogar Charlotte jetzt besser aussehen gefunden und weniger schwach, als wie er sie Anfang Oktober verlaßen. Das ist mir nun unbegreiflich, denn damals litt sie viel an den Augen, und das Herzklopfen fing erst an, mehr zu werden. Nun, wir müssen uns freuen und hoffen, daß der liebe Gott sie gnädig schütze. Mit dem Kaiser soll es auch täglich besser werden. Es war von Kissinger Brunnen und der heftigen „Als junger Privatdocent wurde er von einer merkwürdigen Liebesleidenschaft erfaßt, deren Gegenstand kein geringerer war, als die Prinzessin Alexandrine von Preußen, Tochter des Königs Friedrich Wilhelm III., geboren 1803. Wo die hohe Dame sich damals öffentlich zeigte, folgte ihr in ehrerbietiger Entfernung der schwarzgekleidete junge Professor, mit dem Anblick der angebeteten Frau sich still begnügend. Die Sache war damals in Berlin allgemein bekannt, da jedoch Stuhr’s Liebe die Grenze der Harmlosigkeit nicht überschritt, ließ man ihn ruhig gewähren. Zu jener Zeit bewarb sich grade der Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, welcher röthliches Haar hatte, um die Hand der Prinzessin, und ihr ältester Bruder, der damalige Kronprinz, als König Friedrich Wilhelm IV., verfehlte nicht, seinen bekannten Witz leuchten zu lassen in der Bemerkung: ‚Alexandrine spielt jetzt rouge et noir!‘ Uebrigens war der regierende König, der Vater der Prinzessin, Friedrich Wilhelm III., dem stillen Anbeter seiner Tochter von Herzen gewogen und nahm ihm seinen stummen Minnedienst nicht übel. Ich habe selbst in Stuhr’s Besitz eine goldene Schnupftabaksdose gesehen, ein Geschenk des Königs, in welche allerlei symbolische Figuren gravirt waren, die sich auf jenes romantische Verhältniß bezogen.“ Siehe Meyer von Waldeck, Friedrich: Stuhr, in: ADB 36 (1893), S. 738–741. 29 Carl Anton Ulrich Ernst von Hopffgarten (1797–1862), meckl.-schw. Offizier und Flügeladjutant des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. Major Scheffer kommandierte die meckl.-schw. Artillerie und Hauptmann Schumacher als Zeughausoffizier die Munitionskolonne.
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Gemüthbewegung ein starker Gallenerguß hervorgebracht, wodurch der Kaiser wohl einem bösen Gallenfieber entgangen ist. Er war doch so schwach gewesen, daß er 8 Tage nicht hat arbeiten können. Und nun, wie es doch scheint, sich alles zum Besten wenden will, aber kömmt dieser neue Schlag.30 Ich fürchte sehr für alle. Helene soll auch leidend und schwach gewesen sein. Wie wird es alle Herzen von neuem bluten laßen. Gott möge seine schützende Hand über die Famille ausbreiten und sie erhalten. Wenn Du durch Rauch etwas nach dieser Todesnachricht hörst, bist Du wohl so gut, es mir zu schreiben. Überhaubt bist Du wohl so gut, nur mit ein paar Worten öfter mir wissen zu laßen, was Rauch über die Gesundheit schreibt. Denn es vergehen manchmal 14 Tage, manchmal 3 Wochen, wo ich garnichts von Petersburg erfahre. Ich habe zwar Cecile31 mehrere Male schon darum gebeten, öfter zu schreiben, allein, es geschieht nicht. Welch ein Contrast, daß in Frankfurth Zwillinge bei Graf Döhnhof ankamen32 und in Wisbaden Mutter und Kind von der Erde scheiden. Für die Familie Döhnhof muß dies Ereigniß unerhört erfreulich sein, bitte gratuliere Deiner Hofdame von mir. Der Kronprinz von Dänemark war 4 Tage hier. Heute hat er uns verlaßen, gestern Abend hatten wir ein ganz kleines Concert, worin die Spatzer Gentiluomo33 gesungen, welche einige Gastrollen gegeben. Ihre Stimme ist diesen Augenblick nicht recht klahr, aber ihre Metode ist prächtig und sie gefällt doch sehr. Heute wird sie in der Tochter des Regiments34 zuletzt auftreten. Wie freue ich mich, daß es mit Mariechen35 ihre Hoffnungen noch so gut stehet. Nun leb wohl, meine Elis, tausend Schönes an Butt. Deine alte Adine Schwerin, den 17ten Februar 1845 Ich danke Dir tausend Mal, geliebte Elis, daß Du gleich meine Bitte erfüllt und mir Nachricht aus Petersburg gegeben. Gebe nur Gott, daß die Trauer Nachricht nicht nachträglich noch schlimme Folgen hat. Man wird so zaghaft und fürchtet immer. Ich habe noch nichts direkt von dort gehört. Cecile36 ist schrecklich faul, und Charlotte kann nicht oft schreiben. Wenn der Kaiser nicht nach Kissingen ginge, so wäre es recht unvernünftig, denn er gebraucht es gewiß recht nöthig, und ich fürchte sehr, daß er es einst zu 30 Am 28. Jan. war Herzogin Elisabeth von Nassau, geb. Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland (1826–1845), in Wiesbaden bei der Geburt einer Tochter gestorben. 31 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 32 August Heinrich Hermann von Dönhoff (1797–1874), preuß. Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt am Main, verh. mit Pauline von Lehndorff (1823–1889). 33 Louise Gentiluomo-Spazzer (geb. 1818), Sängerin, verh. mit Giovanni Gentiluomo (1809–1866). 34 Die Regimentstochter, Oper von Gaetano Donizetti (1797–1848). 35 Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), war schwanger mit ihrem ersten Sohn, dem späteren König Ludwig (II.) von Bayern. 36 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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späth brauchen wird. Charlotte kömmt aber gewiß, wenn sie denn nur reisen kann. Der Kaiser geht wohl nach dem südlichen Rußland, wohin er schon längst wollte, und das hällt er natürlich für seine Pflicht. Wir sind im Begriff, heute nach Ludwigslust zu einem Ball zu fahren, den Herr von Rantzau37 giebt. Luise ist so wohl, daß es nicht schaden kann, besonders da es ganz warm geworden. Morgen zum Mittag kommen wir wieder zurück, und Mittwoch haben wir hier noch einen kleinen Thee dansant bei Herrn und Frau von Oertzen.38 Die Frau ist die Tochter vom seligen Minister von Plessen. Dann hört es für uns ganz auf, das Tanzen, dann kommen die traurigen Tage, die so schmertzliche Erinnerungen für uns haben. Der alte 23te wird natürlich nicht mehr gefeiert. Du erwehnst wieder die Mademoiselle Lind.39 Wie lange bleibt sie wohl in Berlin? Wir möchten eigentlich gerne kommen und sie hören, allein, Fritz findet, wir wären genug herumgefahren und gereiset. Sollte Sie aber bis gegen Palmsonntag, den 16ten März noch in Berlin sein, daß es noch Zeit wäre, nach dem 10ten März zu kommen, dann weiß ich doch nicht, was wir thun! Sie soll zu ausgezeichnet sein. Marianne scheint ja ganz außerordentlich tugendsam geworden zu sein. Ich glaube, sie ist so froh, so halb frei zu sein, daß sie dadurch alle Verdrehtheit verlohren. Sie kommt mir wie ein wildes Pferd vor, was immer im Zügel beißt, und läßt man es nun ganz laufen, so macht es erst furchtbare Sprünge, weiß aber dann nicht, was es mit seiner Freiheit anfangen soll und geht dann ganz still und ruhig. Bei ihm würde es vielleicht auch so gehen, wenn er nicht so vortreffliche Rathgeber sich immer wieder kommen ließe, wie nun Stockhausen.40 Das ist ein Leiden. Über die guten Nachrichten von Waldemar41 habe ich mich recht gefreut, die Elephanten Jagdt denke ich mir einzig. Nun leb wohl, an Butt viel Schönes. Die Kinder sind entzückt, daß Du sie oft grüßen läßt, küßen die Hände dafür. Deine alte Adine Der Dinerzettel, welchen du als Umschlag im Brief gebracht, hat mich sehr amüsiert. Wie geht es Stolberg und seiner armen Frau?42 Grüße ihn von mir.
Schwerin, den 25ten Februar 1845 Meine theure, liebe Elis, habe tausend herzlichen Dank für Deinen Brief, den ich gestern empfing, und glaube mir, die Beweise Deiner Liebe machen mich am glücklichsten. Er37 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 38 Friedrich Albert von Oertzen (1797–1873) und Luise von Oertzen, geb. von Plessen (1804–1857), Tochter des meckl.-schw. Diplomaten und Ersten Ministers Leopold von Plessen (1769–1837). 39 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 40 Friedrich Ludwig Albert von Stockhausen (1810–1858). 41 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849) befand sich auf einer Indienreise. 42 Anton Graf Stolberg-Wernigerode (1785–1854), verh. mit Luise Freiin von der Recke (1787–1874).
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halte sie mir auch ferner in dem für mich neu begonnenen Jahr. Du weißt, daß der sonst so heitere 23te nun für immer seit Jahren mit Trauer bedeckt ist und ich ihn am liebsten ganz übersehen sehe. Allein, es will mir nicht gelingen, die Kinder und meine Umgebung können es nicht lassen. Allein, die Geschenke bath ich mir am 22ten zu geben, und so fand ich denn bei Luise alles schon vereint, worunter ich denn gleich Deine und Fritzens schöne Gaben entdeckte. Sie sind wirklich süperbe, so wohl die Kameen als der süperbe Kasten. Nehmt Beide meinen innigen Dank dafür. Meine Kinder haben mich auch sehr reich beschenkt. Fritz hat mir sein Bild zu Pferde gegeben, wie er das Karussel reitet. Es ist nicht sehr ähnlich. Dann ein breites, schönes gold und dunkelblaues Armband, mit kleinen Perlen und Brillanten, drei Reihen Poins zum Kleid und ein Bon auf einem Tisch von römischem Mosaik, den er damals selbst bestellt. Luise hat mir ein kleines Öhlgemählde gemahlt, dann einen Aufsatz von weißem Schaal und ein Kupferstich „Der Orgelspieler“, was ich so liebe, und ein Englischbuch mit hübschen Stahlstichen. Wilhelmchen hat sich noch nicht eingestellt, so auch die Brüder noch nicht. Von Tante Wilhelm, glaube ich, blaue Glassachen, eine köstliche Farbe, aber gewiß weiß ich es nicht. Von Charlotte eine kleine brillant Tuchnadel mit 2 brillant Tropfen, wie sie schreibt, unsere zusammengeweinten Thränen, und Zeuge zu Kleidern. Von meinen Damen und einigen Damen aus der Stadt, welche schon seit 4 Jahren gearbeitet, ein Teppig durch mein ganzes Zimmer, was so hübsch ist. Den Tag selbst, den 23ten, haben wir noch stiller und einsamer zugebracht als wir wollten, weil Luise Flußfieber bekam und sich hinlegen mußte, und Onkel Gustav gefallen ist und den Arm dicht am Handgelenk brach. Es geht ihm so gut, wie es kann. Er hat viel Schmertzen, ist aber munter dabei. Luise geht es besser. Sie ist aber sehr matt und der Husten ist noch stark, und sie soll nun sich recht still hallten und sich auskurieren, damit nichts Schlimmes daraus entstehet. Mit dem Husten darf man nicht spaßen, daher wir wenigstens jetzt noch nichts entscheiden können, ob wir die Lind43 noch hören können. Onkel George kömmt auch bald nach Berlin, wie mir Marie aus Strelitz schreibt. Die Verlobungen von Herrn von Bernstorff mit Fräulein Dewitz44 und dann von Herrn von Dewitz mit Fräulein von Hersel,45 machte großes Aufsehen, weil beide Herrn viel Curage haben müßen, denn sie nehmen beide Frauen, deren Ruf nicht schlechter sein kann! Von Charlotte selbst habe ich einen Brief vom 14ten Februar, worin sie mir schreibt, daß sie wieder 22 Tage hintereinander Herzklopfen gehabt. Auch von Helene habe ich einen sehr traurigen, aber sehr freundlichen Brief gehabt. Die schreibt mir, daß Charlotte sehr leidend und hinfällig wäre, aber etwas müßte es doch besser gehen, da sie täglich zu ihr käme. 43 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 44 Der meckl.-strel. Regierungsrat und Kammerherr Wilhelm von Bernstorff (1806–1861) heiratete die meckl.-strel. Hofdame Auguste von Dewitz (geb. 1812), Tochter des meckl.-strel. Staatsministers Otto Ludwig Christoph von Dewitz (1789–1864), wegen der sich zuvor der preuß. Oberlandstallmeister und Demminer Landrat Karl Hans Friedrich Freiherr von Maltzahn (1797–1868) von seiner Frau getrennt hatte. Theodor Fontane nahm die Ereignisse als Vorlage für seinen Roman „Unwiederbringlich“. 45 Ulrich Otto von Dewitz (1814–1871) auf Miltzow und Ulrichshof heiratete am 6. März Hedwig von Maltzahn (1819–1888), die von einem Freiherrn von Herzeele geschieden war.
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Nun leb wohl, verzeih diesen confusen Brief. Ich wurde aber so oft unterbrochen, und zuletzt bin ich dazwischen Schlitten gefahren. In der Zeitung standen so beunruhigende Nachrichten über die Großfürstin aus Weimar,46 daß wir recht besorgt waren. Mary schreibt mir aber, daß sie sie wohler verlaßen, also war es eine Lüge, Gott sei Dank. Deine alte Adine Schwerin, den 6ten März 1845 Du wirst verzeihen, liebe Elis, wenn ich Dir heute nur wenige Worte des Dankes sage für deine beiden lieben Briefe. Aber heute ist ein so schmertzlicher, erinnerungsreicher Tag, daß ich nicht recht schreiben kann. Doch wollte ich keinen Tag damit warten, da Du gestern wieder so unbeschreiblich freundlich warst und mir Nachricht über Charlotte giebst. Wir müßen recht Gott danken, da er sie so mächtig unterstützt, denn das ist wohl keinem Zweifel unterlegen, daß ihre Kräfte zugenommen, trotzdem daß sie 26 Tage Herzklopfen hatte. Sie hat mir auch vom 23–24ten geschrieben und ist jetzt sehr beschäftigt mit dem Krieg im Kauskasus, wo Alexander,47 Fürst Bariatisky,48 Benkendorf49 und Fürst Gagarin50 hingehen. Erster hatte aber noch keine Erlaubniß vom Vater. Ich finde es sehr glücklich, wenn junge Männer sich thätig auszeichnen im Krieg können, aber viele Thränen werden die Trennungen verursachen. Dann danke ich Dir noch für das Blätchen vom Sarge von Bokchen.51 Karl hat mir einen so lieben Brief geschrieben über den Tod und die Beerdigung von Bokchen. Ach, ich beweine sie recht aufrichtig und wahr. Es ist so hart, wenn man denkt, daß man solche liebe, treue Personen nicht mehr sehen wird und daß sie einem aus dem Leben genommen sind. Sonst die Todten sind ja glücklich. Leb wohl, Deine mit treuer Liebe, Deine Adine Schwerin, den 18ten März 1845 Mein Wilhelmchen anoncierte mir schon vorgestern, daß ich wie gestern einen Brief von Dir erhalten sollte, der denn auch wirklich zu meiner größten Freude ankam. Habe tausend Dank dafür, und für alle schönen Neuigkeiten, die Du mir mittheilst. Zuerst gratu46 Großherzogin Maria von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. Großfürstin Maria Pawlowna von Russland (1786–1859). 47 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), russ. Generalmajor. 48 Fürst Alexander Iwanowitsch Barjatinski (1815–1879), russ. Oberst. 49 Konstantin Graf von Benckendorff (1817–1858), russ. Oberst und Flügeladjutant von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 50 Mglw. Fürst Alexander Iwanowitsch Gagarin (1801–1857), russ. Generalleutnant. 51 Henriette Auguste Bock (1762–1845), Erzieherin der Prinzessin Luise von Preußen, war am 24. Febr. gestorben.
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liere ich von Herzen zur glücklichen Niederkunft von Deiner Schwester Amélie mit ein Töchterchen. Gott sei gedankt, daß alles gut ging und sie wohl sich fühlt. Auch daß Dein Karl52 wieder in Besserung. Erst vor ein paar Tagen erfuhr ich, daß er lebensgefährlich krank sei. Die Staatszeitung, die ich nur allein lese, ist jetzt so langweilig mit den Landtagssachen, daß sie garnichts anderes aufnimmt.53 Sehr überrascht war ich von Marie Duzi Niederkunft, die viel späther erwartet wurde, denn Charlotte schrieb mir von 8ten, daß sie am 16ten zum Abendmahl gehen wollte, nur daß beide Marien noch daran theilnehmen sollten.54 Nun es ist wohl schön, daß es als Überraschung kam. Desto größer war die Freude, die erste seit 7 Monaten. Nun wird wohl alles etwas mehr Leben bekommen, obgleich die Abreise von Alexander doch eine Lücke laßen wird. Er wird von mancher sehr gern gesehen. Gott wird ihn ja schützen, sonst ist dies ein böser Krieg.55 Von Charlotte hatte ich in der letzten Zeit wirklich alle 8 Tage einen Brief, heitere und trübe abwechselnd. Unter andern schrieb sie mir, daß Lilli von Nassau56 im letzten Augenblick gesagt hat: „Ich sehe die Locken vom lieben Gott.“ Es ist so eigen, was sie damit meinte, aber doch was schönes liegt darin, als wenn sie schon Gott gesehen, der sie zu sich rief. Dann schreibt sie auch recht betrübt über den Tod von Bokchen.57 Durch einen Brief von Wilhelm, den Sauvaroff58 mitgebracht, hat sie es zuerst erfahren. Mein Brief kam 2 Tage darauf. Eine Äußerung, die sie dabei macht, läßt mich noch fast hoffen, daß sie kommen wird. Sie sagt, „ich hatte so gehofft, sie noch zu sehen und hatte grade Silberzeug gekauft, um es mitzubringen.“ Ach, es ist aber noch so lange hin, vorher im Mai ist ja wohl die Absicht, daß ihr nach Stolzenfels gehen wollt. Man muß wirklich den Blick der Zukunft zu wenden, denn jetzt in der Kälte und dem Schnee verliehrt man ganz den Muth. Mir kömmt es immer vor, als wenn garkein Frühling und Sommer mehr kommen könnte. Ich freue mich für Charlotte, daß sie sich entschloßen hat, im Theater zu gehen. Es mag ihr recht schwer geworden sein, aber es ist ihr gewiß gut, daß sie sich herausreißet. Sie ist viel bei Helene, sitzet so gar mit ihrer Arbeit da, und sprechen zusammen. Mischel zwingt Helene des Mittags 3 Leute zu Tisch zu haben und macht kleine Späße, um sie aufzuheitern. Das ist ihr nun ganz entgegen, und da freut sie sich, mit Charlotte so still sprechen zu können. Ihr Schmertz ist gewiß recht anders darin. Sie ist leidenschaftlich und heftiger. 52 Verm. Prinz Karl von Bayern (1795–1875), Bruder der Königin Elisabeth von Preußen. 53 Allgemeine preußische Staatszeitung, ab 1843 Allgemeine Preußische Zeitung: preußische Regierungszeitung zur politischen Beeinflussung der Öffentlichkeit. 54 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), hatte am 10. März ihren Sohn Alexander (III.), und Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), am 1. April ihre Tochter Eugenia Maximilianowna geboren. 55 Die militärische Eroberung des Kaukasus durch Russland. 56 Herzogin Elisabeth von Nassau, geb. Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland (1826– 1845), war am 18. Jan. bei der Geburt einer Tochter gestorben. 57 Henriette Auguste Bock (1762–1845), Erzieherin der Prinzessin Luise von Preußen. 58 Verm. der russ. Diplomat Alexander Arkadjewitsch Suworow (1804–1882).
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Ich begreife Onkel George nicht, der von der Lind59 nicht so entzückt gewesen ist. Wie mag denn die Löwe60 gefallen haben bei ihrem Auftreten? Ach, ich bin sehr erfreut, daß dein Fritz an Graf Finkenstein etwas über die Schweitzer Reise gesagt.61 Wir sind nehmlich nie recht einverstanden gewesen, und nun jetzt garnicht. Unsere Meinung ist auch, es doch erst abzuwarten. Nun lebwohl, morgen gehen wir zum Abendmahl, und da wird Fritz Karl grade in Charlottenburg eingesegnet.62 Ich werde auch dorthin denken. Möge uns dieses Heilige Mahl zum Seegen gereichen und uns stärken. Gott mir Dir und Fritz! Deine Adine Mit Luise geht es jetzt ganz gut. Sie siehet uns und erscheint im hohen Kleid zu Tische. Der Husten ist fast ganz fort, sie sieht auch wieder blühend und wohl aus.
Schwerin, den 31ten März 1845 Ich habe so lange nichts von Dir gehört, daß es mir nicht klahr ist, ob ich Dir eine Antwort schuldig bin oder Du mir. Nun, es ist gleichviel, ich muß einmal wieder mir Dir schwatzen. Zu meiner Freude höre ich, daß Du täglich ausfährst. Also muß es Dir mit Deiner Gesundheit gut gehen, und wie mir Wilhelm schreibt, ist heute eine Soirée mit Theater bei Euch. Ich denke mir dies ganz scharmant, und erinnert mich recht an die hübschen Soiréen im Louischen Palais, die jetzigen Herren und Damen sollen außerordentlich gut spielen. Wir sind heute ganz verlaßen, da meine beiden Söhne sich schnell entschloßen haben, nach Hamburg zu fahren, um die Lind63 zu hören, die heute in Norma singt. Morgen kommen sie nach Ludwigslust, wo wir mit ihnen zusammen treffen und wo Ball ist. Außer ihnen sind noch 10 junge Herren mit. Du kannst denken, daß ihnen allen das viel Spaß macht. Die arme Löwe64 gefällt in Berlin nicht sehr nach der Lind. Das konnte ich mir denken. Sie ist nicht jung und hat so eine ganz andere Manier. Der Klavierspieler Prudent65 muß sehr ausgezeichnet sein. Ersetzt er vielleicht List?66 Denn er soll bei Auguste spielen. In Strelitz ist wohl heute die Hochzeit von Auguste Dewitz.67 Man 59 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 60 Sophie Löwe (1815–1866), Sängerin. 61 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin reiste mit seinem Erzieher Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866) durch die Schweiz, wo damals Spannungen im Vorfeld des Sonderbundkrieges von 1847 herrschten und auch die preußische Exklave des Kantons Neuenburg umstritten war. 62 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. 63 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 64 Sophie Löwe (1815–1866), Sängerin. 65 Émile Prudent (1817–1863), Pianist. 66 Franz Liszt (1811–1886), Komponist und Klaviervirtuose. 67 Der meckl.-strel. Regierungsrat und Kammerherr Wilhelm von Bernstorff (1806–1861) heiratete die meckl.-strel. Hofdame Auguste von Dewitz (geb. 1812), Tochter des meckl.-strel. Staatsministers Otto Ludwig Christoph von Dewitz (1789–1864), wegen der sich zuvor der preuß. Oberlandstall-
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meint, morgen gingen sie nach Berlin. Vielleicht siehest Du sie! Ob ihr der Ofen wohl etwas neues ist?68 Hier will man behaupten, nein. Heute ist ein Wetter! Regen, Schnee, Kälte, trübe, wirklich abscheulich. Gestern war es so sommerlich. Es gingen so viel Menschen spazieren. Alles lebte auf. Der Schnee ist fast ganz weg getaut, aber die Eisdecke über den See ist noch so dick. Sonst that das Wetter schon dazu, was es konnte. Die Geschichte in Schlesien im Hirschberger Thal hat mich sehr betrübt, grade da, wo man den König und die Familie so viel siehet und kennt, da ist es doppelt schändlich.69 In der Schweitz sieht es auch noch bunt aus, und ich bin sehr froh, daß sich Fritz an Graf Finkenstein auch dahin ausgesprochen hat, daß er es besser findet, daß Wilhelm noch nicht hingeht.70 Unsere Meinung ist es auch. Übrigens ist der Graf Finkenstein ganz krank in Berlin liegen geblieben. Erst heute wird er abreisen. Der Kaiser ist auch wieder unwohl gewesen. Er kränkelt doch immer fort. Wenn er nur eine Badecour brauchen wollte diesen Sommer. Es ist ihm so nothwendig. Mit Deiner Schwester Amélie geht es ganz gut in ihren Wochen. Das ist ein rechtes Glück. Nun leb wohl. An Butt viel Liebes von mir. Mit alter Liebe, Deine alte Adine Schwerin, den 4ten April 1845 Meine liebe Elis, ich habe Dich noch nicht auspassiert nach Dresden gelesen, also denke ich mir, daß Dich der hohe Wasserstand davon abgehalten. Es muß ganz schrecklich in Dresden sein, und die schöne Brücke, welche gelitten.71 Meine beiden Söhne, kannst Du Dir denken, interessieren sich sehr dafür und lamentieren sehr über das Unglück. Es muß ein schrecklicher Zustand dort sein. Wenn nur keine Menschen dabei verunglücken. Am Rhein ist es eben so arg, und dies alles an ein und demselben Tag in diesen verschiedenen Gegenden. Dies Jahr fängt doch furchtbar an, erst dieser lange und heftige Winter, nun die Wassernoth. Was wird dann noch folgen können?! Ich freue mich recht, daß die Nachrichten von Deinen beiden Geschwistern so gut sind, und daß es mit Mariechen72 auch sich hällt. In Hannover sind ja auch schöne
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meister und Demminer Landrat Karl Hans Friedrich Freiherr von Maltzahn (1797–1868) von seiner Frau getrennt hatte. Die Ereignisse verwendete Theodor Fontane später als Vorlage für seinen Roman „Unwiederbringlich“. Verm. Anspielung auf die Hochzeitsnacht. Ermittlung gegen den liberal-demokratischen Fabrikanten Friedrich Wilhelm Schlöffel (1800–1870) aus Niederschlesien wegen Hochverrats, dessen Zentrum im Hirschberger Tal vermutet wurde, wo die Hohenzollern zahlreiche Schlösser besaßen. Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin reiste mit seinem Erzieher Karl Graf Finck von Finckenstein (1793–1866) durch die Schweiz, wo damals Spannungen im Vorfeld des Sonderbundkrieges von 1847 herrschten und auch die preußische Exklave des Kantons Neuenburg umstritten war. Die Dresdener Augustusbrücke war beim „Jahrhunderthochwasser“ von 1845 eingestürzt. Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889).
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Briefe 1824–1850
Hoffnungen.73 Das ist wirklich der Kometh. Von Charlotte hatte ich selbst einen Brief. Sie schreibt viel von der jungen Wöchnerin und wie so sehr alles gut gegangen, weil ihre ehemalige Guvernante bei ihr sei, und sie die 9 Tage sehr streng gehalten. Aber Mary sei viel leidend an falschen Wehen, so daß sie zu Bett gehalten worden ist. Nun sei der 9te Monat erreicht, und wenn es nur 14 Tage sich noch hielte, dann wäre für das Leben des Kindes nichts zu befürchten.74 Von Reisen schreibt sie nichts. Es wäre aber wohl möglich, daß man dafür stimmt, sie im Herbst nach ein mildes Klima zu bringen. Dann wird Luise75 im Sommer zu ihr gehen. Das gönne ich beiden Schwestern. Die arme Luise hatte voriges Jahr einen harten Kampf zu bestehen, als ich mit dem Kaiser fortging. Den 5ten. Wie ich gestern gehört, erwartest Du erst Nachricht aus Dresden, um Deine Reise dann anzutreten. Doch nun wird es wohl bald gehen, aber der Schaden mag unberechenbar sein. Meine Söhne sind nach Hamburg gewesen, um die Lind76 zu hören, mehrere junge Herrn haben sie begleitet und sind alle entzückt zurück gekehrt. Wir werden sie auch hier hören den 22ten aber leider erst, weil sie auf 12 Vorstellungen in Hamburg engagiert ist. Am 1ten Mai geht sie dann über Lübeck nach Schweden zurück. Für die Ostereier habe ich noch garnicht gedankt. Sie haben Luise77 und mir viel Freude gemacht, und kamen so unerwartet. Bist Du vielleicht so gut, und sagst an Fritz meinen Dank für die Sendung der Zeichnung der Gebäude um Potsdam? Sie sind mir doppelt angenehm, da ich gerne will, daß man hier auch in der Art bauen soll. Heute ist wieder wunderschönes Wetter, aber neuer Westwind. Luise hatte starken Schnupfen und hustet wieder, darf daher nicht ausgehen. Eben kömmt sie herein und bittet, Dir genannt zu sein und Deine Hände zu küßen. Hier ist es jetzt Mode, daß alle junge Mädchen reiten lernen. Wir gehen manchmal nach dem Stall, um es mit anzusehen. Sie sehen hübsch aus. Bald werden sie draußen reiten. Das wird viel Leben unter den jungen Herrn geben. Luise wird aber noch nicht so bald daran denken dürfen, was für sie eine große Entbehrung ist, denn sie reitet so gern. Mein Brief ist nüchtern, daß ich mich entsetze, aber ich kann ihm nichts besseres zu fügen, also sage ich lebe wohl. Deinen Schwestern in Dresden empfehle mich bestens. Deine Adine
73 Prinz Ernst August von Hannover (1845–1923), der Sohn des Kronprinzen Georg (V.) und der Kronprinzessin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg, sollte am 21. Sept. zur Welt kommen. 74 Eugenia Maximilianowna de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg (1845–1925), wurde am 1. April geboren. 75 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 76 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 77 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
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Mardi, Schwerin, den 29ten April 1845 Ich habe Dir, meine Elis, nicht ehe antworten wollen auf Deinen lieben Brief, ehe ich nicht Jenny Lind78 gehört. Nein höre, das übersteigt alle Begriffe. Wir sind so entzückt und so bezaubert, daß wir keine Worte haben. Besonders sind wir von Norma so ergriffen, so gerührt gewesen, daß wir alle nachher gar nicht sprechen konnten. Sie hat die Rolle so eigenthümlich aufgefaßt, wie ich es noch nie gesehen. Es war hier auch ein entusiasmus, wie ich es auch noch nicht erlebt. Heute ist sie nun abgereiset, von allen bedauert, das nur 2 Mal sie uns erfreut mit ihrem Gesang und Spiel. Denn das Spiel ist doch auch ganz was einziges. Ich kann Onkel George nicht begreifen, daß er nicht ganz hingerissen gewesen. Wir haben ausgemacht, daß er sich gefürchtet, man könnte sie über die Rossi79 stellen wollen. Vielleicht gehen wir Freitag nach Hamburg, wenn sie dann Norma giebt, und kehren Sonnabend zurück oder Sonntag. Wir können es nicht lassen, wir folgen erröthend ihrer Spuhr. Dein Brief, meine Elis, hatte mir solche Freude gemacht, denn ich hatte recht lange garnichts von Dir gehört. Überhaubt scheint in allen Weltrichtungen ein Stillstand eingetreten zu sein, denn aus Rußland habe ich seit dem 3ten April keine Zeile, keine Silbe gehabt, und ich bin etwas unruhig, weil sich hier durch Briefe aus Berlin die Nachricht verbreitet, daß Charlotte recht krank gewesen sei und auch noch fieberte. Wenn das wirklich der Fall, dann müssen wir recht besorgt sein, denn Fieber ist das, was die Ärtzte für das Gefährlichste für sie hallten. Ich bitte Dich, wenn Du etwas darüber weißt, schreibe es mir gleich. Wie schön wird es jetzt in Berlin und Potsdam sein. Das Grün kömmt so rasch, es sieht alles so frisch aus. Hier wird es jetzt ganz prächtig. Luise benutzt die schönen Tage, um viel zu reiten, was ihr gut bekömmt. Dein Aufenthalt in Dresden, kann ich mir denken, wird allen recht wohlgethan haben. Grade nach den Schrecken und Elend, und dann wieder die Freude, Deine Schwester so wohl gefunden zu haben und mit ihr ungestöhrt zu leben. Es muß sonst aber ein betrübter Anblick sein, den die Stadt und die Umgegend gewährt. Bei uns sieht es auch traurig aus, besonders in Boitzenburg. Daß die arme Wanda80 so leidend ist, finde ich schrecklich ängstlich. Ach Gott, wenn man denkt, wie diese große Familie so eins nach dem andern im Grabe sinkt und daß so rasch. Wo wird sie wohl im Bade gehen? Wie ich mich freue, daß Mariechen81 schon das Glück hat, ihr Kind zu fühlen, kann ich garnicht sagen. Gott wolle weiter helfen. Der Kronprinz von Württemberg82 wird nach den Zeitungen bald nach Berlin kommen. Die Zeitung lügt aber oft. – Nun leb wohl, an Fritz tausend Schönes, Deine alte Adine
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Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Sängerin. Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845). Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891).
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Briefe 1824–1850
9 Uhr Abend. Eben bekam ich einen Brief von Cecile,83 die mir so ganz nebenbei schreibt, Charlotte käme nicht im Sommer, und sie sei unwohl gewesen, wäre noch sehr matt.
Schwerin, den 10ten Mai 1845 Tausend Dank für Deinen lieben Brief, meine Elis, er hat mich so gefreut. Aber daß Du Dich wieder in Potsdam erkältet, ist zu arg, da es alle Jahr die selben Geschichten. Man müßte ordentlich durchheitzen, ehe du kömmst, sonst ist das Wetter auch danach, um sich zu erkälten. Man kann sich das schöne Grün garnicht freuen. Den Onkel George kann ich garnicht begreifen. Wir haben ausgedacht, daß er fürchtet, man könne die Lind der Rossi vorziehen,84 und das wolle er nicht erlauben. Aber schön ist es, daß er in seinem Alter so viel Freude an allen diesen Dingen hat. Ist nicht die Tante von Strelitz diesen Augenblick mit Lilli bei Euch? Diese soll sehr blühend und hübsch sein, und Pyrmont wird sie nun wohl ganz stärken. Ich glaube aber nicht, daß es lange vorhällt, wenn sie erst wieder mit dem Kronprinz85 zusammen ist. Die Erbgroßherzogin, so erzählt man sich hier, kömmt erst nach Strelitz, wenn Lilli fort ist. Ein und dieselbe Luft kann sie nicht mit ihr einathmen. Das ist doch ein wunderbarer Dünkel! Den July geht die Tante nach Rumpenheim, und hat sich eine neue Hofdame gewählt, ein Fräulein von Behr aus Wismar,86 die eine schöne Gestallt hat, sonst sehr scharfe Züge, aber ein recht gebildetes, junges, anständiges Mädchen ist. Ich kann nur beide Theile gratulieren. Von Charlotte selbst habe ich einen Brief, worin sie mir schrieb, daß sie wieder recht ehlend gewesen wäre, und bei der Taufe87 hätte sie der Kaiser durch alle Säle geführt, halb todt und ohnmächtig, was man aber nicht bemerkt. So könne sie sich äußerlich zusammen nehmen. 5 Wochen hindurch hatte sie am Kopf Krämpfe gelitten, nun ginge es besser, dank sei es einer strengen Diät von Mandt verordnet. Dann schreibt sie, daß sie nicht nach Berlin käme, sondern die Sommer Monate dort bliebe, um zum Winter weiß Gott wohin zu gehen. Es thut ihr aber so leid, Dich und Fritz und die Brüder noch nicht wieder zu sehen. Gott gebe im Herbst! Nun hofft sie sehr, daß Luise88 kömmt, und daran ist wohl nicht zu zweifeln. Sie äußert auch, „Bruder Karl wäre auch prächtig zu haben, wie würde er uns aufheitern durch seine launenhaften Einfälle.“ Sie hat aber wohl nichts davon geschrieben! Von der Großfürstin Helene weiß ich garnicht, wenn sie wohl nach Ischl gehet? Aber der Besuch ihres lieben Vaters89 in Berlin muß ganz schrecklich gewesen sein, wenn die 83 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 84 Die Sängerinnen Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), und Jenny Lind (1820–1887). 85 Kronprinz Friedrich (VII.) von Dänemark (1808–1863). 86 Marie von Behr (1822–1860), meckl.-strel. Hofdame. 87 Taufe von Großfürst Alexander (III.) von Russland (1845–1894), geboren am 10. März, Enkel von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 88 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 89 Prinz Paul von Württemberg (1785–1852) lebte als apanagierter Prinz in Paris im Zwist mit der königlich-württembergischen Familie.
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Nachwehen seines Erscheinens nur nicht sich bald fühlen laßen. Ich wußte garnicht, daß ein Courier an Marianne geschickt worden war. Die Angelegenheit bleibt doch immer beim alten, und sie bleibt auch gleich verdreht. Es ist eine wahre Landplage, dieses Ehepaar. Bleibt er in Berlin, oder will er auch die Welt umsegeln? Mein Wilhelm ist nun seit dem 5ten fort. Heute wird er wohl schon nahe seinem Ziel sein, morgen oder übermorgen gedenkt er in Genf zu sein. Ich hoffe, man hat ihn ruhig reisen laßen. Bruder Fritz schrieb an meinen Sohn Fritz, er ginge im Juny nach Preußen. Ich möchte wohl wißen, wann, denn ich möchte ihn, wenn es möglich ist, in Berlin sehen, wenn ich nach Marienbad gehe. Am 12ten Juny will ich schon dort sein und vorher Mama in Rudolstadt besuchen.90 Auch wünschte ich mit Luise in Berlin zusammen zu treffen, wenn sie nach Petersburg gehet. Alles dies muß ich nun wißen, ehe ich meine Abreise bestimme. Von Koppenhagen ist wohl für Butt nicht die Rede, mein Fritz gehet im July hin. Mit treuer Liebe, Deine Adine Was macht Wanda?91 Gestern morgen ist der gute alte General Boddin in Ludwigslust gestorben. Wir betrauern ihn aufrichtig. Ich kannte ihn 25 Jahre, am Hof war er 47 Jahre.92 Schwerin, den 20ten Mai 1845 Wie habe ich mich über Deinen Brief gefreut, da Du mir sagst, Du gehest nach Ischl. Das wird Dir recht gut thun. Und hast Du außerdem noch die Freude, mit Deiner Schwester zu sein. Das ist die Anderhälfte der Cur. Vor dem August gehst Du wohl nicht? Dieser Brief soll mich mit Luise nun anmelden zum 3ten Juny nachmittags, wo Du auch seiest, ich suche Dich auf. Man will behaubten, daß Du in Charlottenburg wohnest. Nun, in Nauen, wo sich die Wege theilen, werde ich Order finden, wohin ich mich wende. Die Gräfin Bassewitz, Fräulein Gallenfeld und Fräulein Schöning werden mich begleiten und Herr von Stenglin.93 Die Gräfin ist übrigens diesen Augenblick unwohl und weiß nicht, ob sie mich gleich begleiten wird. Vielleicht kömmt sie erst nach. Von Schwester Luise weiß ich noch immer nichts. Bis zum 8ten kann ich nur bleiben, dann muß ich fort. Charlotte und Cecile94 schreiben mir beide, es geht so, so mit der 90 Die Erbgroßherzoginwite Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, wohnte zu dieser Zeit bei ihrer Schwester Fürstin Karoline von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1771–1854). 91 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845). 92 Johann Caspar von Boddien (1772–1845), meckl.-schw. Generalmajor und Generaladjutant, war am 9. Mai gestorben. 93 Alexandrines Oberhofmeisterin und Hofdamen und der diensttuende Kammerherr Otto Henning von Stenglin (1802–1885). 94 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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Briefe 1824–1850
Gesundheit. Noch hatten sie keine Antwort von Luise, ob sie kommen könnte. Sie wären sehr gespannt, und daß Karl nach Petersburg geht, freut mich recht. Ob es wohl gegründet, daß der George von Cambridge95 nach Rußland geht? Mehr schreibe ich nicht, denn am Dienstag Abend sehen wir uns. Ich freue mich so, mit Dir ein paar ruhige Tage zuzubringen. Bist Du in Potsdam oder Sanssouci, so würde ich bitten, Donnerstag früh nach Berlin zu gehen, um einiges zu kaufen und Fräulein Kameke zu sehen. Deine Adine Schwerin, den 24ten Mai 1845, Geburtstag von Tante Radziwill96 sonst Mit welcher Ungeduld sah ich Deinem Brief entgegen, der mir nun endlich zukam. Habe tausend Dank dafür. Das weiß ich, daß man in Berlin zu nichts kommt, wenn man nur auf ein paar Stunden da ist. Diese Tage werdet ihr auch wohl wieder dort gewesen sein, da der Kronprinz von Würtemberg97 nun dort ist. Wie mag er sich entwickelt haben? Ich hoffe, recht zum Vortheil, damit seine Zukunft Glück bringe. Man wird wohl etwas gespannt sein! Alle mögliche junge Prinzen sind jetzt in Bewegung. Der Erbgroßherzog von Baden98 ist nach London. Wird er zurückkehren in der Zeit, daß Helene99 in Ischel und in den Süden sich dort aufhält? Sollte es ihr nicht gelingen, den zu fangen? Übrigens sollen beide Töchter seit dem Tod der Schwester sehr gewonnen haben, viel mittheilender und umgänglicher. Der arme Großfürst soll so weich sein, daß er sich über die Abreise seiner Kinder nicht trösten kann, und die Thränen in den Augen bekommen. Er hat sich so an ein häusliches Leben gewöhnt, daß er sich recht allein fühlt.100 Charlotte ist immer leidend, und der Kaiser nun abgereiset. Ich dachte immer, Fritz würde nach Warschau gehen, um ihn zu sehen. Der Emil von Darmstadt101 reiset wohl mit dem Kaiser, und auch der Erzherzog, aber wohin, das weiß ich garnicht. Du müstest nach Ischel wieder, während Fritz abwesend, denn die Luft allein hat Dir damals so gut gethan, und da Du jetzt so mager wirst ohne Ursache, so wäre das das beste Mittel. Sage einmal, weißt Du etwas bestimmtes, ob die Königin von England wirklich nach Koburg kömmt? Und sollte sie nicht nach Berlin gehen, um Gegenvisite zu machen, oder darf sie nicht nach der Haubtstadt, weil sie in Paris nicht war? Wenn es sich nemlich vereinigen ließe, so möchte ich sie wohl sehen an irgent einem Ort! Ich gedenke, wenn es sich machen läßt, am 3–4 Juny zu Dir nach Sanssouci und Potsdam zu kommen und bis zum 8ten zu bleiben. Ich hoffe, in den Tagen wird Luise auch kommen. Sie sind aber noch nicht einig mit sich, denn es ist doch eine weite Reise, außerdem die Seereise, und die Kinder sind zahrt. 95 96 97 98 99
Prinz George von Großbritannien und Irland, Herzog von Cambridge (1819–1904). Fürstin Luise Radziwill, geb. Prinzessin von Preußen (1770–1836). Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). Erbgroßherzog Ludwig (II.) von Baden (1824–1858). Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), mit ihren Töchtern Maria (1825–1846) und Katharina (1827–1894). 100 Großfürst Michael Pawlowitsch von Russland (1798–1849). 101 Prinz Emil von Hessen-Darmstadt (1790–1856).
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Wie Putchen wohl geworden?102 Ich denke, in Petersburg wird sie sich sehr gefallen, obgleich niemand von ihrem Alter da ist. Aber Olly weiß sich zu jeder zu stimmen. Ist etwas bestimmt, wohin Wanda103 gehen wird? Ich muß so viel an sie denken. Also, Theodor Rochow104 geht nach Petersburg. Das wird dem Kaiser gewiß lieb sein, daß es ein Militair, sonst wünschte er Graf Bernstorf zu haben, der nun nach München geht, was dieser wohl sehr vorzieht.105 Mariechen106 ist nach Hohenschwangau, bis der Mann zurückkehrt. Wann erwartet sie ihre Entbindung? In Hannover scheinen sich die Hoffnungen auch zu bestättigen, obgleich der König,107 der mir eben geschrieben, kein Wort davon sagte.108 Leb wohl, an Bruder Fritz tausend Liebes, wie schade, daß ich ihn nicht sehe. Seine Reise wird recht viel Seegen bringen, viele Thränen trocknen. Deine alte Adine Von Wilhelmchen habe ich gestern die erste Nachricht aus Genf erhalten. Es geht ihm schlecht und recht, denn er sehnt sich zu Haus. Alexander109 ist noch da, und einen Ball sollte er am Abend bei der Großfürstin Anna110 haben, die er noch garnicht kennt. Die Einladung fand er schon bei seiner Ankunft vor. Von Unruhen wäre dort nichts zu merken. Marienbad, den 26ten Juny 1845 Schon recht lange verlangt mich danach, Dir zu schreiben, meine Elis, aber ich war die erste Zeit so angegriffen, daß ich mich nicht dazu entschließen konnte. Aber ich habe solche entsetzliche Sehnsucht nach Dir, daß ich alles überwinde, denn ich kenne nichts traurigeres, als so ein gänzliches Verstummen. Ich bitte Dich daher, sei mitleidig und antworte mir bald wieder. Zuletzt hörte ich von Dir durch einen Brief von Luise, vor ihrer Abreise geschrieben. Fritz wird nun auch in Sanssouci zurück sein, und wie ich ihm in der Zeitung gefolgt bin, hat er bis Stettin alles glücklich überstanden. Auch Du warst dort, wie Du es Dir vorgenommen. Heringsdorf und Schwinemünde habe Dir nicht sehr 102 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, plante mit ihren Kindern Prinzessin Luise, (1828–1871), Prinz Friedrich (1836–1846) und Prinzessin Marie der Niederlande (1841– 1910) eine Reise nach St. Petersburg. 103 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845). 104 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Generalmajor und 1845–1854 Gesandter in St. Petersburg. 105 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), geb. in Dreilützow in Mecklenburg, preuß. Geheimer Legationsrat, 1845–1848 preuß. Gesandter in München. 106 Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 107 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851). 108 Schwangerschaft der Kronprinzessin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907). 109 Alexander Graf zu Solms (1807–1867). 110 Großfürstin Anna Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1781–1860).
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gefallen, wie mir Fräulein Kameke erzählt. Von Charlotte hatte ich einen Brief vom 13ten, wo sie in Jelagin war und halb und halb Luise schon erwartete. Sie hatte 8 Tage schönes Wetter dort gehabt, wollten noch einige Tage bleiben und dann nach Peterhof. Der Kaiser war glücklich von seiner Reise zurück gekehrt, doch Du wirst viel neue Nachricht haben, denn bis hier gehen die Briefe 14 Tage. Diesen Brief wird Grünewald111 von der Großfürstin Helene mitnehmen. Er war 2 Tage hier, um seine Schwester zu sehen, eine Frau von Heinitz aus Sachsen,112 und nun geht er nach Berlin, warum weiß ich nicht. Ob er wieder eine Heirath arangieren soll? Er sagt, nur um Prinz August von Würtemberg113 zu bereden nach Ischel zu kommen. Indeßen, um solche Kleinigkeit sendet man nicht seinen Herren 100 Meilen mit. Der Herzog von Nassau114 ist jetzt bei ihr und bleibt die ganze Zeit. Sollte sie mit dem Projekte schon wieder haben? Nun, die Zeit wird es lehren!!! Soll ich Dir von hier erzählen? Da ist wenig zu sagen. Die ersten 10 Tage haben wir ganz himmlisches Wetter gehabt. Es war so heiß, daß wir beinah alle umkamen. Ich war ganz hin, da kamen mehrere Gewitter. Es wurde kühler und alles lebte auf, sodaß ich schon die beiden höchsten Berge bestiegen habe, worüber ich sehr stolz bin. Aber seit gestern, da scheint es echt Marienbader Wetter zu werden, obgleich es an beiden Morgenden noch ganz schön war, sodaß man seine Brunnen ganz behaglich nehmen konnte. Aber seit Mittag regnet es ununterbrochen und es ist so kalt, daß wir wie im Winter mit dick wattierte Mäntel gehen. Es ist jetzt auch schon recht voll, aber besonders liebenswürdige Menschen sind nicht hier. Die Gräfin Plessen Ivenack mit Elise115 und eine Gräfin Bassewitz mit Tochter aus Meklenburg,116 eine Gräfin Mengersee, Gräfin Münster mit Mann,117 Herr und Frau von Arnim, Bruder von der Hofdame von der Tante Wilhelm.118 Das sind so, die wir sehen. Was weißt Du aus Homburg von der Tante?119 Und wie geht es mit Wanda? Von dieser waren die letzten Nachrichten recht traurig, der Sohn ist ja gestorben.120 Nun Adios, wenn Du aus Petersburg etwas hörst, so schreibe es mir. So im
111 Otto Magnus von Grünewald (1801–1890), russ. Reisemarschall der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873). 112 Elisabeth von Heynitz, geb. von Grünewald (1804–1855). 113 Prinz August von Württemberg (1813–1885). 114 Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905). 115 Cecilie von Maltzahn, Gräfin von Plessen, geb. von Rauch (1795–1854), und ihre Nichte Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909). 116 Luise Gräfin von Bassewitz, geb. von Levetzow (1794–1862), und ihre Tochter Helene Gräfin von Bassewitz (geb. 1819). 117 Joseph Bruno Graf von Mengersen (1804–1873) auf Rheder, verh. 1835 Charlotte Gräfin zu Münster-Ledenburg, Freiin von Grothaus (1816–1870). 118 Georg von Arnim (1806–1845), preuß. Kammerherr und Fideikommissherr auf Suckow, verh. 1837 Maria Josepha Ernstine Adamine Gräfin von Blumenthal (1811–1865). Seine Schwester Konstanze Luitgarde Kunigunde von Arnim (1809–1867) war Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg. 119 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846). 120 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845).
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Abb. 11: Blick über Marienbad, 1845.
Anfang der 20er im July werde ich wohl durch Berlin kommen und einen Tag bleiben. An Butt viel Liebes. Deine alte Adine Marienbad, den 8ten July 1845 Welche Freude hatte ich gestern, meine Elis, als ich Deinen zweiten Brief erhielt. Habe tausend Dank, daß Du mir sogleich wieder geschrieben. Ach, es ist so eine Wonne Briefe zu bekommen, und besonders hier, wo man doch wie von der Welt abgeschnitten ist. Hier erfährt man nichts Neues, [was] in der ander Welt vorgeht. Die Nachrichten von Tante Wilhelm, die Du mir giebst, haben mich mit Angst und Sorgen erfüllt. Gott wolle sie schützen und das Schlimmste abwenden. Mein Onkel Gustav, welcher erst hier war und nun nach Ems gegangen, ist über Hamburg gegangen und schrieb mir auch recht besorgt über die Tante. Allein, ich muß sagen, ich hoffte, er übertriebe. Er gab mir den Auftrag, es auch meiner Schwiegermama nach Rudolstadt zu schreiben, was ich aber darum noch nicht gethan, sie wird doch auch Nachricht haben. Die Prinzeßin Karl121 ist an einem ähnlichen Fieber krank, so daß die Schwestern in einer doppelten Besorgniß 121 Fürstin Luise Ulrike von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1772– 1854).
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Briefe 1824–1850
schweben werden. Wenn Du etwas wieder hörst, so schreibe es mir bitte, doch fällt mir ein, ich kann keinen Brief mehr bekommen. Am Freitag, dem 11ten ziehen wir von hier fort nach Karlsbad, bleiben den 12ten, den 13ten reisen wir nach Prag und bleiben da 3–4 Tage, mit dem Dampfschiff gehen wir dann nach Dresden. Dorthin könntest Du einige Zeilen senden. Das würde also den 17ten und 18ten sein. Ich werde mich wohl nicht bei Deinen Schwestern melden, da sie in Pilnitz sein [werden], und ich eben noch nicht weiß, wann wir dort durchkommen. Aber eine Nacht bleibe ich in Dresden. Den 19ten würde ich in Berlin ankommen, und wenn es erlaubt ist, auch dort die Nacht bleiben, weil die Leute mit den Sachen sonst so unerhört späth in der Nacht nachkommen. Entweder bin ich um 9 Uhr zum Kaffee in Sanssouci am 20ten, oder ich komme mit dem darauf folgenden Zug und bleibe dann den 21ten auch noch bei Dir. Auf diese 2 Tage freue ich mich recht sehr. Durch Cecile122 habe ich Nachricht von Charlotte. Sie hofft, daß es nicht so arg mit ihr stehet, wie die Ärtzte es dort ansehen, als wenn es eine Erweiterung des Herzens wäre. Cecile meint aber, daß sie dann doch das viele Herumfahren nicht vertragen könnte. Mir ist aber doch Angst, wenn sie nur im Herbst heraus könnte. Sie selbst wünscht es eigentlich, aber der Entschluß, den Kaiser zu verlaßen, ist zu groß und recht natürlich. Gestern haben wir die Bekanntschaft von Erzherzog Steffan123 gemacht, der so aimabel war und auf ein paar Stunden von Eger herüber kam, um mich zu besuchen. Da es grade Essen Zeit war, so blieb er zum Diner. Er ist ein unendlich liebenswürdiger, ausgezeichneter Prinz und wünschenswerth für alle Mamas, die Töchter haben. Aber am meisten bedaure ich sehr, daß er Olga nicht heirathen kann. Es würde ein sehr glückliches Paar werden. Er hat so viel Herz und Gemüth wie Verstand und Männlichkeit. Wir haben ihn alle sehr unbefangen betrachtet. Ich möchte sagen, leider, und sind entzückt von ihm. Nun leb wohl, Gott mit Dir und Fritz, den ich herzlich grüße. Luise küßt Deine Hände, also so Gott will, am 20ten in Sanssouci. Auf Wiedersehen. Hier leiden wir seit 4 Tagen eine solche Hitze, im Schatten 31°, in der Sonne 37°. Ist das nicht zu arg, und keine Wolke am Himmel. Wir zerfließen beinah, und dabei das Gehen müßen. Deine alte Adine Dobbran, Cottage, den 2ten August 1845 Meine liebe Elis, seitdem Du aus Berlin bist, habe ich noch garnichts vernommen als gestern Abend. Wenn ich ins Theater trete, sehe ich den alten Perponcher,124 der eben aus Berlin kam und mir sagte, daß Dich die Reise sehr angegriffe und Du unwohl in Stolzenfels angekommen seiest. Das betrübt mich sehr, doch hoffe ich, daß Fritz Dir Zeit gela122 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 123 Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867). 124 Hendrik George Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1771–1856), niederl. Gesandter in Berlin.
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ßen hat, um Dich ganz wieder zu erholen. Der ruhige, stille Aufenthalt in der schönen Burg würde Dir wohlthuend sein. Die Königin Victoria,125 wie es heißt, kommt den 11ten nach Brühl, wohin die Gräfin Reden sich heute aufmacht.126 Gott gebe, daß der hohe Besuch Dich nicht zu sehr angreift und Du am 14ten nach Ischel abreisen kannst. Aus Petersburg habe ich durch Cecile127 und Luise recht gute Nachrichten, aber ich fürchte mich für diese Tage und für den schrecklich traurigen 10ten August. Gott gebe ihr Kraft, diese gut zu überstehen. Es ist eine schwere trübe Zeit, jede Stunde bringt schmertzliche Erinnerungen. Noch weiß ich nichts seit Fritz Hessens128 Ankunft, doch diese Tage muß wieder ein Brief kommen. Luise ist übrigens ganz seelig in Petershof. Sie fingen grade an, etwas mehr Menschen zu sehen, und es kehrte große Heiterkeit in dem Kreise ein, das schöne Wetter begünstigte kleine Parthien, die nach allen Richtungen gemacht wurden. Öfter werden kleine Spiele gespielt, wobei sich zwei Adjudanten auszeichneten. Putchen wäre ganz munter. Aus dem Kaukasus waren schon 2 mal ganz außerordenlich gute Nachrichten gekommen, wobei Alexander Hessen sich ausgezeichnet und Bariatinsky auch.129 Beide haben den St. Georgen Orden bekommen. Letzterer ist sogar verwundet. In der Zeitung stand auch schon ein ausführlicher Bericht, den wir mit vielem Interesse gelesen. Welch ein Krieg muß das aber sein!!130 Du bist in Homburg gewesen bei der lieben Tante. Wie hast Du sie nur gefunden? Fräulein Kalb schrieb an der Schöning,131 daß es viel besser geht, aber danach sieht man, wie schwer krank die Tante gewesen. Die Besserung geht nur langsam fort, denn die Fieber und die Nacht Schweiße dauern doch noch und der Schlaf ist nicht erquickend. Das sind noch schreckliche Zustände, die ich kenne. Man findet sich selbst dann erst recht krank. Daß Schönlein132 gekommen, hat die Tante sehr erfreut und beruhigt, weil sie selbst gefühlt, daß die Krankheit von dem Tag an, daß er sie behandelt, einen Stillstand gemacht. Sie wird sich recht gefreut haben, Dich und Fritz zu sehen. Von hier kann ich garnichts schreiben. Es ist noch sehr leer. Die Familie Prilwitz ist hier. Die junge Person ist nicht hübsch, sieht wie alle Waldenburgs aus, ist aber recht wohl erzogen.133 Brassie 125 Königin Viktoria von Großbritannien und Irland (1819–1901). 126 Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen. 127 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 128 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 129 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), russ. Generalmajor, und Fürst Alexander Iwanowitsch Barjatinski (1815–1879). 130 Die militärische Eroberung des Kauskasus durch Russland. 131 Edda von Kalb (1790–1874), Hofdame von Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, und Elisabeth von Schöning (1817–1882), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 132 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 133 Verm. Elisabeth von Prillwitz (1827–1854), eine illegitime Tochter des Prinzen August von Preußen (1779–1843) aus seiner Beziehung mit Auguste Arend, seit 1825 von Prillwitz (1801–1834). Sie heiratete 1846 Harry von Arnim (1824–1881). Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-
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de St. Simon134 wünscht sehr ihren Besitz, aber ob er erhört wird, weiß ich nicht. Heute sollen mehrere Badegäste eintreffen. Ich hoffe, dann wird es hübscher werden. Das schöne Wetter macht aber bis jetzt alles gut. Morgen am 3ten August denken wir alle nach einem Ort, ach, dieser schöne Tag, ein so großes Fest sonst, ist auch mit Trauer bedeckt. Ich werde zur Kirche nach einem Dorf in der Nähe hier, wo Herr Wilbrand Prediger ist, der sonst Lehrer bei meinen Kindern war, als sie noch ganz klein waren. Er predigt sehr gut, und der hiesige Prediger ist schrecklich.135 An einem solchen Tag muß ich etwas Gutes hören, das mir Trost giebt, denn was haben wir in unserem lieben Papa verlohren, das ist unersetzlich, wenn überhaubt, das, was man Liebes verliehrt, nie ersetzt werden kann. Es bleibt eine Lücke und im Herzen ein Schmertz. Leb wohl, Gott schütze Dich und Fritz. Deine alte, treue Adine Cottage, den 20ten August 1845 Da ich Dich nun bestimmt auf dem Weg nach Ischel weiß, so schreibe ich endlich wieder, denn am Rhein würdest Du kaum Zeit gefunden haben, den Brief nur anzusehen. Die Zeitung spricht von Wunderdingen, vom Empfang, von der Erleuchtung und Beleuchtung. Es muß wirklich recht schön sein, aber fatigant, und Du wirst froh sein, die Zeit hinter Dir zu haben, wenn es auch gewiß sehr interessant war. Ischel wird Dir nun wohl thun mit seiner Luft, Ruhe und Zusammensein mit Deiner Schwester. Ich freue mich für Dich, daß es trotz vieler Schwierigkeiten doch zustande gekommen ist. Von dort läßt Du mir wohl wißen, wie es Dir gehet und gegangen ist. Wenn Du nicht Zeit zum selbst schreiben hast, trage es einer von Deinen Damen auf. Dabei fällt mir ein, daß Deine Döhnhoff136 mir geschrieben hat, um mir den Tod des armen Obersten Reitzenstein anzuzeigen im Auftrag von der armen, armen Pauline.137 Wer hätte das gedacht, daß sie den Mann überleben würde, sie, die eigentlich seit Jahren sterbend ist. Es ist unbeschreiblich hart, aber für die Kinder ein Glück, daß ihnen die Mutter geblieben. Sie soll auf unbegreifliche Art diesen Kummer tragen, und einige meinen sogar, daß sie vielleicht besser wird. Mir will es das Gegentheil scheinen. Aus Petersburg weiß ich noch nichts seit den schweren traurigen Tagen. Doch in diesen Tagen muß ich Briefe bekommen. Vom 9ten habe ich einen Brief von Charlotte selbst, worin sie mir viel vom vergangenen Jahr spricht, und daß sie an dem Tage nach
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Schwerin vergleicht sie optisch mit den illegitimen Kindern des Prinzen August von Preußen aus seiner vorherigen Beziehung mit Karoline Wichmann, seit 1810 von Waldenburg (1781–1844). Joseph Maria Anton Brassier de Saint-Simon-Vallade (1798–1872), preuß. Diplomat, verh. 1848 Marie de Ribeaupierre. Adolf Willebrand (1804–1867) war meckl. Prediger in Parkentin. In Doberan predigte der Präpositus Friedrich Crull (1782–1847). Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1871), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. Friedrich Ernst Georg Freiherr von Reitzenstein (1791–1845), verh. mit Pauline von Roeder (1802–1849).
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Zarskoe Selo sollte zum ersten Mal wieder seit dem Tode von Adini. Und am 10ten würde sie von Jelagin aus nach der Festung am Grabe von Adini Todten Messe haben, dann wieder nach Peterhof zurückkehren. Die Anwesenheit von Fritz Hessen138 thäte ihr wohl, und der Kaiser wäre sehr mit ihm zufrieden. Er hätte durch den Kummer so sehr gewonnen, wäre so gereift. Das freut mich nun sehr, auch Cecile139 schreibt es, alle Menschen wären zufrieden und er gefiele so sehr. Luise findet ihn nicht männlich. Du wirst dich gewiß recht gefreut haben, daß Alexander Hessen sich im Kaukasus so ausgezeichnet, und besonders Bariatinsky.140 Diesem soll Alexander einen wunderhübschen Brief geschrieben haben. Von hier muß ich mit ein paar Worte berichten. Es war einige Zeit unendlich brillant, viele vornehme, reiche Familien versammelten sich. Die Masse ist freilich verschwunden, aber die angenehmsten sind geblieben, mit denen man ein angenehmes Leben führt. Das Wetter ist freilich nicht allzu schön, besonders in der letzten Zeit sehr starke Regengüße. Der Erbprinz von Lippe141 ist seit 8 Tagen hier, ein kleiner, weißblonder, harmloser Mensch, wie ein gutes Kind, nicht sehr unterhaltend. In einigen Tagen kommen seine 3 jüngsten Brüder und bleiben hier, eine Überschwemmung von Lippen.142 Es scheint mir nicht gefährlich, sie bleiben bis September. Wir gehen am 2ten fort, dann folgen sie uns späther nach Schwerin. Übrigens ist der Prinz doch noch recht angegriffen und kann keine Fatigen ertragen. Nun leb wohl, noch tausend Dank für Deinen Brief aus Stolzenfels am 1ten August. Mandt war in Petersburg angekommen, und die Entscheidung wird nun wohl schon vor sich gegangen sein. Man glaubte so gar, daß es Italien wird. Deine alte Adine Schwerin, den 30ten September 1845 Meine liebe Elis, so Gott will bist Du recht wohl in Sanssouci angekommen. Wie gerne hätte ich Dich abgewartet, um mich selbst davon zu überzeugen, denn mir war doch bange, daß Dich der Tod der guten lieben Wanda angegriffen hat, da ich Dein liebes Herz kenne und weiß, wie viel Du von ihr gehallten.143 Allein, es war mir nicht möglich, da es sich so schnell entschied, daß ich Charlotte nach Palermo folgen möchte, wo von ich zuerst nichts hören wollte, bis Mandt es mir zur Pflicht machte. Du weißt, wie un138 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884). 139 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 140 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888), russ. Generalmajor, und Fürst Alexander Iwanowitsch Barjatinski (1815–1879). 141 Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875). 142 Gemeint sind die Prinzen Friedrich (1827–1854), Herrmann (1829–1884) und Karl Alexander (1831–1905) zur Lippe. 143 Fürstin Wanda Czartoryski, geb. Prinzessin Radziwill (1813–1845), war am 16. Sept. gestorben.
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gern ich meinen armen Fritz auf lange verlaße, da er so allein stehet, und auch mein liebes Meklenburg, womit ich so fest verwachsen bin. Außerdem ist die Reise im Winter nicht angenehm. Allein, ich denke, wenn ich wirklich Charlotte von Nutzen sein kann, so muß dies alles überwunden werden. Ich kann aber mit Wahrheit sagen, daß ich recht ungern reise und alles Liebe hinter mir laße. Du wirst durch Deine Lore144 und Luise erfahren haben, daß wir alle Charlotte wohler gefunden, als wir erwartet. Indessen, es muß sich noch vieles ändern, bis sie ganz hergestellt werden kann. Gott wird ja seinen Seegen dazu verleihen. Wir sind diesen Augenblick auch recht in Sorgen um meine Gräfin Bassewitz,145 die recht ernstlich krank am Gallenfieber liegt. Wir gehen nun morgen auf 3 Wochen nach Ludwigslust, und ich bin recht Angst, sie so krank zurück zu laßen. Heute ist der Geburtstag von Auguste. Der ist am Morgen wohl auf dem Babel gefeiert worden, und heute Abend, denke ich mir, in Sanssouci. Wenn Du nun recht wohl bist, die Anwesenheit von Luise wird Dir lieb sein. Die arme Marianne soll recht leidend sein. Wenn Du etwas darüber hörest, so schreibst Du es mir wohl. Sollte es sich wirklich zum schlechten wenden, so müßte Albert zurück kommen und sich mit ihr aussöhnen. Es wäre doch fürchterlich, wenn sie so aus der Welt ginge. An Luise gieb einen Kuß, und ich ließe danken für ihren Brief, und wenn sie wieder etwas von Charlotte hört, möchte sie es mir mittheilen. Von Ludwigslust werde ich ihr schreiben. Adios, meine liebe Elis, Du hast uns oft in Sanssouci gefehlt, und Charlotte sprach es oft aus. Mit inniger Liebe, Deine alte Adine Ludwigslust, den 14ten Oktober 1845 Nur ein paar Worte, meine liebe Elis, um Dich zu ermahnen, mir recht bald einmal zu schreiben. Ich weiß von Dir selbst, seitdem Du in Sanssouci, noch garnichts. Dein Bruder Karl ist schon wieder fort, was mich für Dich recht betrübt. Ich habe die Freude gehabt, ihn diesmal mehr zu sehen. Er war sehr liebenswürdig. Ich gratuliere Dir auch zum Geburtstag von Fritz. Gott mag ihm Glück und Weißheit verleihen. Deine alte Adine An Luise einen Kuß. Ludwigslust, den 18ten Oktober 1845 Tausend Dank, meine liebe Elis, für Deinen lieben Brief, nach dem ich mich so sehr gesehnt. Welche Freude machte er mir nun erst und welche schöne Nachricht theilst Du mir mit, daß der Kaiser Charlotte nach ist. Gott, wie wird sie glücklich sein und er auch. 144 Mglw. Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 145 Marianne Gräfin von Bassewitz, geb. von Lützow (1802–1865), Oberhofmeisterin der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin.
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Ich denke mir, er wird sie in der Villa Somariva Carlotta überrascht haben,146 und da noch 2 Tage mit ihr zusammen gewesen sein. Und nun geht er mit ihr zur See nach Palermo und bleibt dort einige Wochen. Dann ist Charlotte auch nicht lange allein, wenn ich ankomme. Heute über einen Monat setze ich mich in Bewegung. Jetzt ist wohl Luise auch von Sanssouci fort. Es wird ihr schwer geworden sein, sich von Dir zu trennen. Nun fällt sie in ihre Einsamkeit. Ob Marianne wirklich noch nach Holland will? Und vor allen Dingen möchte ich wißen, wie Du sie gefunden und ob ihr Zustand wirklich so gefährlich ist, wie Wesemeier147 sagt. Durch Fräulein Kameke weiß ich, daß Tante Wilhelm glücklich in Berlin angekommen ist, aber viele Schmertzen im Arm haben soll. Auch von ihr sagst Du mir wohl, sie Du sie gefunden, ob sie wohl viel erholter ist wie damals in Homburg. Die Freude, Mariechen148 als Mutter zu sehen, hat sie nun ganz aufgeben müßen. Vielleicht kömmt diese dafür im Frühjahr nach Berlin, denn das Reisen mit dem kleinen Kinde scheinen die Eltern nicht zu scheuen, denn aus der Zeitung sah ich, daß sie in so späther Jahreszeit nach Hohenschwangau gegangen sind. Der Herzog von Cambridge149 hat sich bei uns zum 21ten angesagt, was mich sehr freut, denn er war von jeher ein treuer Freund unseres Hauses. Es wird ein schmertzliches Wiedersehen sein, vieles ist dahin gegangen. Er findet außer mich die Gallenfeld niemand bekanntes am Hof mehr. Denselben Abend reiset er nach Berlin, den 24ten nach Braunschweig und den 25ten nach Hannover, und den 31ten muß er in England sein. Nun leb wohl, ich komme vom Jagdt Diner und muß gleich zum Ball. Meine beiden Kinder sind nicht recht wohl. Fritz hat eine dicke Backe und Luise hat gestern ein Brechmittel genommen und sieht heute sehr gelb aus, sodaß man nicht recht weiß, ob es nicht die Gelbsucht wird, daher werde ich nur eine Stunde bleiben. Deine alte treue Adine Ludwigslust, den 22ten Oktober 1845 Nun habe ich für zwei liebe Briefe zu danken, meine Elis. Welche Freude machten sie mir. Du giebst mir so gute Nachrichten und nun will ich auch mit einer kommen. Ich habe einen von Charlotte aus der Villa Somariva, wo sie seit 2 Tagen war und entzückt ist vom italienischen Himmel. Die ganze Reise ist ihr wie eine Spazierfahrt vorgekommen, garnicht fatiegiert, sonders mit der ersten Nacht in Brixen. Wann sie aufwacht, hat sie kein Herzklopfen mehr, und so war es noch 6 Tage nach. Ist das nicht ein Wunder und ein enormes Glück? Alles ist seelig, sie vor allem, denn seit 10 Monaten war es das erste Mal. Gott wolle sie weiter so geleiten und sie ganz herstellen. Dann schrieb sie mir, daß sie den Kaiser noch dort erwartete, also macht er diesmal keine Überraschung. Sie ist 146 Die Villa Carlotta in Tremezzo am Comer See gehörte Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 147 Dr. Albert Vehsemeyer (1807–1871), Leibarzt der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. 148 Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 149 Prinz Adolph Friedrich von Großbritannien und Irland, Herzog von Cambridge (1774–1850).
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aber überglücklich. Die Villa und Lage gefällt ihr sehr, nur die Einrichtung wäre so, als wenn niemand darin wohnete. Der schöne Courier, welchen sie mit hat, ist ihr treuer Begleiter zu Esel und erzählt ihr viel, unter anderem, daß die Gebieterin immer enorme touren machte und auch bivaiquiert hätte auf dem hohen Berg von 5000 Fuß in der Nähe der Villa. Der Erzherzog Vice König mit 2 Söhnen150 hat Charlotte von Lecce zu Dampf nach der Villa geleitet bei dem himmlischen Wetter der See mit schönster Farbe. Es waren sehr liebe Leute. Wenn mein Brief noch ankömmt bei Dir, wenn der Herzog von Cambridge151 da ist, so sage ihm doch, wie wir alle betrübt wären, daß wir ihn nicht gesehen. Eigentlich kann ich mich nicht darüber trösten, denn ich hatte mich unbeschreiblich zu ihm gefreut. Er war von je her ein treuer Freund unseres Hauses und hatte Paul so lieb. Daher hätte ich ihm gerne meinen Fritz vorgestellt, daß er ihn auch lieb gewönne. Außerdem waren alle seine alten Freunde herbei gekommen, um sich zu Füßen zu legen. Du kannst denken, wie die alle betrübt waren und nun mußten sie zum Diner mit mir allein vorlieb nehmen, denn Fritz hatte eine dicke Backe, ging noch nicht aus, und Luise hat die Gelbsucht, sitzet auch in ihrem Zimmer, so daß wir unsere Reise im Lande fürs erste aufgegeben. Sollte es sich ganz geben, so werden wir noch auf einen Tag nach Strelitz gehen und nur en passent Besuche in Ivenack und Burch Schlitz bei Gräfin Bassewitz152 machen. Auch dies verstimmt uns recht. Nun Adios, der Brief soll noch mit der Post fort. Deine alte Adine Ich muß zerstreut gewesen sein, daß ich Elis geschrieben.
Schwerin, den 30ten Oktober 1845 Meine liebe Elis, ich habe gestern so gute Nachrichten von Charlotte bekommen durch meinen Sohn Wilhelm aus Genua, daß ich sie gleich mittheilen will. Die Zeitung theilt zwar diesmal ziemlich alles genau mit, aber doch nicht, daß Charlotte das Herzklopfen ganz verlohren hat. Einmal in Como wäre nur eine leichte Anmahnung gewesen. Der Kaiser wäre dann mit ihr sehr heiter und froh, unendlich gnädig für meinen Wilhelm. Sie sind dann überall herumgestiegen, was Charlotte nicht sehr fatiegiert, und am 21ten des Morgens gegen 10 Uhr haben sie sich dann eingeschifft auf der Kamschatka153 bei schönem Wetter. Albrecht ist mit ihnen und bleibt wie der Kaiser bis zum 27ten November. Der Kaiser hat auch den Herzog von Genua und den Prinzen Carignan nach Palermo eingeladen,154 welche auch bald nachgefolgt sind. Also wird es ganz gesellig sein.
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Erzherzog Rainer von Österreich (1783–1853), Vizekönig von Lombardo-Venetien. Prinz Adolph Friedrich von Großbritannien und Irland, Herzog von Cambridge (1774–1850). Adele Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. von Labes (1801–1855). Russ. Dampffregatte auf der Ostsee. Verm. Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855) und sein
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Von uns noch zu sprechen: so ist aus unserer Reise nach Strelitz und Ivenack nichts geworden. Luise ist zwar ganz wohl und munter, allein, der Artzt erklährte auf das Bestimmteste, daß er es nicht zugeben könnte, indem sie noch medizinieren soll, um zur italienischen Reise ganz gestärkt zu sein und sich noch zu schonen, da sie freilich das Zimmer nicht verlaßen hatte und noch in hohe Kleider geht. Die Herüberfahrt hier nach Schwerin ist ihr aber gut bekommen. Du kannst aber denken, daß es einen Kampf gekostet, ehe wir diese Reise aufgegeben, da wir uns so sehr dazu gefreut. Mir thut es unbeschreiblich leid, vorzüglich, nicht nach Strelitz zu kommen. Ich hätte gerne die Herzogin von Cambridge155 gesehen und Lilli. Allein, vernünftiger ist es gewiß, daß wir nicht gereiset sind. Nun leb wohl, weiter wollte ich Dir nichts mittheilen, und meine Briefe sind langweilig genug. Deine alte Adine Schwerin, den 3ten November 1845 Meine liebe Elis, ich muß Dir doch melden, daß ich nun schon den 8ten November abreise, weil der Kaiser gewünscht hat, mich noch in Palermo zu sehen vor seiner Abreise, und da diese am 27ten November statt findet, so mußte ich mich schnell entscheiden. Wenn es also erlaubt ist, so komme ich den 8ten Abends nach Sanssouci, oder geht ihr schon nach Charlottenburg? Dann habe ich sehr den Wunsch, Tante Wilhelm und Marianne in Berlin noch zu sehen. Da wäre es wohl am besten, wenn ich Sonntag nach der Tafel mich schon in Sanssouci empfehle und hinüber fahre. Vielleicht hat die Lind156 die attention und singt dann Abend im Opernhaus, welche eine schöne, deutsche Erinnerung würden wir nach Italien mitnehmen. Für Deinen lieben Brief, den ich gestern Abend erhielt, danke ich Dir tausend Mal. Nach Italien vergeße nur nicht mir auch zu schreiben. Wenn man fern ist, möchte man immer Briefe bekommen. Daß Meyendorf157 in Palermo ist, freut mich sehr, aber seine arme Frau bedaure ich, denn es ist eine sehr lange Trennung. Rauch ist ja auch hin. Das wird ihn sehr glücklich machen, denn es war sein einziger Gedanke und Wunsch. Ich hätte gewünscht, es wäre ihm nicht gelungen. Luise legt sich zu Füßen, ist wieder ganz wohl, nur sehr mager und noch etwas dunkel im tint, doch der Artzt meint, die Reise würde nicht schaden. Bis ich zu Dir komme, wirst du, hoffe ich, ganz wohl sein, kein Husten und kein Schnupfen, obgleich es jetzt wohl recht kalt ist, so thut die klare Luft gut. Verzeih den sehr zerrißenen Brief, ich bin aber immer unterbrochen worden. Deine treue, alte Adine Bruder Herzog Victor Emanuel (II.) von Savoyen-Carignan (1820–1878), ab 1849 König von Sardinien-Piemont. 155 Prinzessin Auguste von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1797–1889). 156 Jenny Lind (1820–1887), Sängerin. 157 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin.
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Nürnberg, den 12ten November 1845 Meine liebe Elis, Luise behaubtet, Du hättest Nachricht von meiner Wenigkeit von hier haben wollen. Das ist wirklich zu gut von dir, denn mein Unwohlsein war ja vorübergehend und unbedeutend, daß ich schon am selben Abend fast nichts mehr davon wußte. Wir kamen dank Fritz seiner Güte sehr wohl in Leibzig an, garnicht fatigiert, denn alles hatte sich auf Stühle und Sophas herum gelagert. In Leibzig fanden wir meine dicke Schwägerin Marie und George,158 die beide sehr wohl aussahen, doch Zeit zum Aeßen fanden wir nicht, da wir späth ankamen und nur so viel Zeit war, um rasch unsern Wagen anzuhängen. In Altenburg verließen uns George und Marie, und Joseph kam einen Augenblick, um uns zu sehen.159 In Zwickau kanen wir um 6 ½ Uhr an. Dort soupierten wir und gingen früh zu Bett. Um 6 Uhr den andern Morgen reiseten wir ab, unter tausend Thränen von meinen lieben Fritz scheidend. Die Tagereise war aber hart, denn wir kamen erst gestern Morgen um 3 ¼ Uhr in Bamberg an, und die andern 3 Wagen erst um 5 ½ Uhr. Du kannst denken, sehr ermüdet. Schnell legte man sich noch zu Bett, um sich wenigstens etwas ausstrecken, denn um 9 Uhr standen wir schon wieder auf, besahen den Dom, und sahen von Außen die neue Residenz und das Rathhaus. Um 11 Uhr mußten wir schon auf der Eisenbahn sein. Mit der kamen wir hier um 1 ½ Uhr [an], die ganz superbe ist, es stößt garnicht, man gleitet nur so dahin. Hier fingen wir gleich an, die Kirchen zu besuchen und sind vorzüglich von der Lorenzkirche entzückt. Wie es dunkelte, kamen wir erst im Wirtshaus an und speiseten unerhört, denn wir hatten seit Zwickau nichts gegessen. Gestern Abend war nur Thee zu Erlangen. Nun gute Nacht, wir eilen im Bett, denn um 4 Uhr früh müßen wir fort, um zur rechten Zeit die Eisenbahn in Donauwörth zu erlangen. An Fritz sage noch meinen herzlichsten Dank für den schönen Wagen, Gott mit Euch, ihr Lieben, mit alter Treue, Deine alte Adine Palermo, den 26ten November 1845 Meine liebe Elis, nur einige Worte von hier, um Dir wenigstens zu sagen, daß ich Charlotte außerordentlich erholt gefunden habe, trotzdem daß die Seereise sie angegriffen, und die Mode Krankheit 10 Tage sie belästigt. So ist sie doch im Gesicht etwas stärker und im Ganzen kräftiger, die Gesichtsfarbe klahrer. Sie badet ein Tag nun den andern, was ihr bis jetzt gut bekommen. Aber ein Wetter hatten wir die 2 Tage, daß ich hier bin, man könnten sich tief im Norden denken: Sturm, Regengüße und Hagel, die Stücke von einer Größe, wo ich sie nicht kenne. Also kann ich nicht sagen, daß mir Palermo einen schönen Eindruck gemacht. Überhaubt die ganze Seereise war fürchterlich, so wie wir von Genua ausliefen, fielen wir in Wind und Sturm. Du kannst denken, wie wir alle krank waren, sogar Luise hat die erste Nacht hart herhallten müßen. Von mir spreche ich 158 Prinz Georg (1796–1853) und Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1803–1862). 159 Herzog Joseph von Sachsen-Altenburg (1789–1868).
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garnicht, denn ich war wieder zum Sterben, und kann mich noch nicht erholen. Mein Magen hat sich zu sehr verdreht. Ich weiß nicht, lag es am Schiff, oder hat das Mitländische Meer noch unangenehmere Bewegungen. Erst den letzten Morgen, schon in der Nacht wohl, fingen wir uns an zu erholen. Aber gelegen habe ich 3 Nächte und 2 Tage, ohne mich zu rühren. Den 2ten Morgens um 9 Uhr kamen wir bei Sonnenschein an, der sich aber in Regen abwechselnd auflösete. Der Kaiser kam selbst an Bord, um mich zu holen. Der König von Neapel160 hatte mir seinen Herrn gesendet zum Bewillkommnen, und so fuhren wir an Land. Charlotte kam mir entgegen im Wagen, zu ihr fuhren wir und tranken Kaffee. Das war eine Wonne mit ihr vereint in Palermo zu sein. Olly und Albert waren mit ihr, alle sehr wohl und munter, denn sie hatten schönes warmes Wetter gehabt, 19–20 Wärme, das erwarte ich nun. Die Einfahrt und Lage von Palermo von der See aus ist übrigens einzig schön. Die hohen blauen Berge, wogegen die fabelhaften Gebäude sich hart abscheiden. Dann die Gärten, das ist eine Wonne. Gestern ging ich durch meinen Garten zu Charlotte unter Orangenbäumen, Palmen, Datteln, im schönsten Verein mit Zipressen. Nein, das ist so etwas himmlisches, wie ein Traum, nur fehlte die Wärme. Der König von Neapel wird wohl heute abreisen, da es schönes Wetter ist. Er ist groß und stark, adoriert den Kaiser, der aber auch einzig für ihm ist, sodaß er am liebsten noch länger bliebe. Er hat schon gestern reisen wollen, allein, das schlechte Wetter hielt ihn davon ab. Der Aquila mit seiner Donna Januario waren auch hier.161 Er sieht im blauen aus wie der Bordeau,162 ist recht angenehm. Sein jüngster Bruder Trapanie ist ganz schäuslich und piept nur, wenn er spricht.163 Leider muß ich hier schließen. Manndorf164 will die Briefe haben. An Fritz tausend Schönes, wie Brüdern und Schwägerinnen. Albert wird wohl zur Weihnacht nach Berlin kommen, sage dies Marianne. Die wollte es gerne gleich wißen, und ich kann nicht mehr schreiben. Deine Adine Den 27ten morgens geendet diesen Brief. Palermo, den 10ten December 1845 Wenn auch nicht viel, so muß ich Dir doch, liebe Elis, einmal wieder von hier schreiben. So lange Rauch hier ist, bekömmt ihr regelmäßig und ausführlich Nachricht, daher ich jetzt nur wenig schreibe, eigentlich nur mehr, weil mein Herz mich dazu treibt, Dir einmal selbst sagen zu können, wie himmlisch es hier ist. Davon macht man sich keinen Begriff. Seit 14 Tagen bin ich nun hier, und außer die ersten 2 schäuslichen Tage haben 160 König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien (1810–1859). 161 Ludwig (Luigi) von Bourbon (1824–1897), Prinz beider Sizilien und Graf von Aquila, verh. mit Januária von Brasilien (1822–1901). 162 Mglw. Henri d’Artois (1820–1883), Herzog von Bordeaux und später Graf von Chambord. 163 Prinz Franz von Bourbon, Graf von Trapani (1827–1892). 164 Mglw. Anton Freiherr von Manndorff (1797–1866) oder sein Bruder Adolf Freiherr von Manndorff (1802–1876).
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wir ununterbrochen schönes, klares, warmes Wetter. Ein paar mal war es zum Sticken heiß, 18–19° Wärme. Es wehte eine Art Scirocco, noch nicht der Rechte, den mag ich aber garnicht erleben, denn ich war schon jetzt ganz davon ermattet. Sonst geht es uns allen bis jetzt recht gut. In meinem Garten und in dem von Charlotte, durch beide gehe ich immer, wenn ich zum Kaffee und zum zweiten Frühstück wandere unter Orangenbäumen, die ganz mit Goldenfrüchte bedeckt sind. Unter Palmen, Rosen, Zipressen und andern Blumen Heliotrop, wirklich fabelhaft. Alle Tage machen wir Promenaden zu Wagen, Stunden weit. Das ist eine Wonne in der Wärme sich so bequem bewegen zu laßen in der schönen Gegend, den blauen Himmel über sich, vor einem das Meer, was dunkelblau ist, die hohen Berge von der andern Seite, die das fruchtbare Thal einfassen, in den schönsten Farben gehüllt, bald violett, lilla, blau, röthlich, einzig schön. Den Aetna haben wir nur einen Tag deutlich gesehen, mit Schnee bedeckt, aber nicht rauchend. Eben ist Rauch angekommen, und ein Brief von Dir brachte er mir. Diese Freude, es sind die ersten Nachrichten, die ich bekomme. Habe tausend, tausend Dank dafür. Am 19ten habe ich Deiner in Liebe gedacht, aber schreiben konnte ich nicht. Ich habe mir in Eile alles Mögliche erzählen laßen. Es thut so wohl, von der Heimath zu hören. Marianne wird nun wohl fort sein. Dir hat sie also gesagt, daß sie Eile nach Holland hatte, und mir sagte sie, am liebsten würde sie bleiben, aber Albert käme zurück, das triebe sie fort. Von Abat muß ich noch sagen, daß Mandt ihn wirklich für recht krank hällt und ihn am liebsten den Winter hier behalten [würde], weil seine Nerven so zerrüttet sind, daß alles ihn aufregt, woran andere Menschen nicht denken, selbst Charlotte ist es nicht so in dem hohen Grad. Er soll in Berlin auch noch nach Mandts Vorschrift sich behandeln lassen. Hier war Abat ganz gut, Charlotte hat ihn mehrere Mal ernst gesprochen und ihn ermahnt. Allein, du weißt, wenn man fern ist und nicht genau eingeweiht ist, kann man nicht so darin wirken, wie man wünscht. Meine Ansicht ist die, daß größte Glück wäre, wenn sie ganz getrennt, oder doch wenigstens alles so fest bestimmt wäre, daß keine Seite was ändern könnte, und blinglinks still seinen Weg ginge. Dann kann einmal an ein Nebeneinander Leben zu denken sein, was er auch nicht als unmöglich ansieht. Nur will er recht gedrängt dazu sein und keine Zeit bestimmen. Genug dieses Gräuels, hier muß man dergleichen Dinge verbannen. Eigentlich ist es ein großes Glück, mit Charlotte zusammen zu leben. Sie hat bei aller ihrer Unruhe doch so viel Herz und Gemüth, und spricht man mit ihr in ihrem Cabinet so ganz allein, da thut sie einem so wohl, so etwas beschwichtigendes hat sie, so liebend und herzlich. Ich möchte, daß Du sie so mehr sehen könntest in ihrem inneren Leben. Du würdest sie lieben und sie verstehen lernen. Wir leben eigentlich sehr still und ruhig. Um ½ 10 Uhr Caffee. Wir bei ihr bleiben eine Stunde, dann bleibt man bis 1 Uhr bei sich, wo dann zweites Frühstück und Promenade gemacht wird, nah oder fern. Um 5 Uhr wird gegessen, meist wir allein oder Soltekof165 und ein paar Herrn, an denen wir sehr arm sind und daher der junge Rauch sehr will-
165 Fürstin Soltikoff, Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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kommen ist.166 Des Abends gegen 9 Uhr versammelt man sich wieder zum Thee, dann sind Damen und Herren da. Meiendorf167 liest vor, Albert, der morgen abreist, schläft fast ein. Also wird seine Abreise erst abgewartet, dann wird lebhaft conversation gemacht. Ein Bruder von Schuwaloff, der zwei sehr kranke Kinder hat und seit 2 Jahren schon hier den Winter zugebracht, ist auch wieder hier und ist sehr aimable. Sonst ist nur Schuwaloff, Apraxin, Meiendorf, Rauch, mein Hopfgarten und der Adjudant von Albert hier.168 Wir erwarten Costy von einem Tag zum andern. Der wird wohl mehr Leben hinein bringen und hat auch junge Herrn bei sich. Du wirst Dich wundern, daß ich so nach junge Herrn schmachte, ich bin es weniger, aber die Jugend thut es. Gestern haben wir den Monte Pelegrino bestiegen. Es war ein himmlischer Tag dazu. Nur fast zu warm, und zuletzt wurde es neblich. Charlotte, ich und zwei Damen, wir haben uns herauf und herunter tragen lassen. Das war äußerst bequem. Die Herrn und unsere Jugend sind zu Esel geritten. Den Tag vorher hatten wir einen fatiganten Tag. Es war ein Fest der Mutter Marie, wo ihre Bildsäule von einer Kirche zur andern mit einer großen Prozession gebracht wird. Erst war Messe in der Kirche, zu der wir eingeladen waren, aber nur kurtze Zeit blieben, da es unerhört heiß war. Wir waren alle sehr schön geputzt, besonders Charlotte war sehr schön. Ein dunkles, blaues Sammtkleid mit Gold an den Seiten geschnürt, worunter weißer Atlas. Auf ihr Haupt hatte sie auch eine klein coiffure von blauem Sammt und Brillanten und einen schwartzen Schleier, denn ohne dem darf man in der Kirche nicht gehen. Ich war in violetten Moor auf dem Kopf, von Dir einen Samtdings in verschieden Samt und schwartze Kante und einen solchen Schleier. Es sieht eigentlich sehr nobel aus. Unsere beiden Töchter waren in weißen Musselin Kleidern, rosa Mantillen und Scherpen und weiße Schleier auf dem Kopf. Es stand ihnen gut. Und späther sahen wir vom Haus in der Stadt Serra di Falco die Prozession mit an, wo es aber so wild her ging, gar keine Andacht, alles war beschäftigt, Charlotte und Olly anzusehen. Das Volk schrie und lermte. Wir dankten dem Himmel, als es vorbei war und ließen uns den ganzen übrigen Tag nicht mehr sehen, so todmüde waren wir. Eigentlich wohl nur von dem Lermen, von dem man sich keinen Begriff machen kann, und von der drückenden heißen Luft, die in der Stadt sehr arg war. Heute sind wir nur an dem Meer gefahren, auf der Marina, um uns zu kühlen. Der Himmel bezieht sich, vielleicht bekommen wir Regen, worum so gar Gebete gehalten werden, weil die Trockenheit so groß. Vom Kaiser sind heute zwei Briefe aus Neapel angekommen. Es gefiel ihm dort. Die ersten Tage war es nur leider regnigt und trüb. Er ist viel mit der königlichen Famillie, die
166 Mglw. Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Sekondeleutnant im Regiment Garde du Corps, Sohn des preuß. Militärbevollmächtigten in Russland Friedrich Wilhelm von Rauch. 167 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin. 168 Der russ. Hofmarschall Graf Schuwalow, der russ. Generaladjutant Graf Apraxin, der russ. Gesandte in Preußen Peter von Meyendorff, der preuß. Militärbevollmächtigte in Russland Friedrich Wilhelm von Rauch, Carl Anton Ulrich Ernst von Hopffgarten (1797–1862), Oberstleutnant und Flügeladjutant des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. Adjutanten des Prinz Albrecht von Preußen waren von Westarp oder von Manteuffel.
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ihm gefällt. Ich glaube, ich schrieb Dir im ersten Brief, wie ich den König169 und Aquilla170 gefunden habe. Der König ist hier garnicht beliebt. Er läßt so viel Abgaben zahlen und drückt das Volk, das so arm ist, denn die Priester ziehen von der andern Seite das Volk aus.171 Nun Adios, Alexander von Preußen172 macht eine Reise im Innern von Sicilien und kömmt dann wieder her. Er ist gescheut, hat auch was gelernt, ist aber so ohne Kraft und Saft und stolz, läßt sich garnichts sagen, doch die 14 Tage, die er hier war, da hat er wirklich gewonnen. Olly belebte ihn ein wenig. Er muß im Frühjahr wirklich zurück und in ein Regiment gesteckt werden, vielleicht nach Breslau, damit er gehorchen lernt, es ist schrecklich. An Fritz tausend Liebes. Deine alte treue Adine An Tante Wilhelm küße die Hände, Gott sei dank, daß du selbst findest, daß es der Tante besser geht. Mir ist immer sehr angst. Gott wolle alles zum besten leiten. Albert ist sehr aufgeregt über den Brief von Fritz, wo er nach 4 Monate noch Nasen bekömmt wegen nicht am Rhein Erscheinen.173 Ich finde es auch etwas späth dazu, sonst ist er gut und voll gute Vorsätze. Adios Marianne hat den Courier behalten, den man hier in Italien nebst Famillie unter polizeilicher Aufsicht gestellt gehabt, als er mit ihr fortging. Bei Charlotte hat er sich unerhörte Betrügereien zu Schulden kommen lassen, da es das 10fache war, also zu auffallend. Als Meiendorf und Schuwaloff ihn davon überführten, hat er auf die Knien gelegen und gebeten, es in Berlin nicht zu sagen und es anzuzeigen. Er würde sonst dort nicht angenommen. Das ist ihm versprochen worden. Nun ist aber aus Berlin geschrieben worden, daß er sich dort über die Russen und Schuwaloff 174 beklagt hat. Darauf wird nun alles genau dahin betrachtet werden. Ihre neuen Wahlen am Hof finde ich einzig. Graf Golz, ein recht leichtsinniger Mensch, dafür bekannt, scheint mir als ihr Begleiter nicht wünschenswerth, und dann das ganz junge Mädchen, die Königsmarck, die freilich bei der Mutter wohnen bleiben sollte und keine Reise mitmachen, scheint mir etwas unnütz.175 Nun Adios, das mußte ich noch zu schmieren, an Brüder viel Liebes, ihre Briefe haben Charlotte sehr gefreut. Sie sollten nur öfter schreiben.
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König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien (1810–1859). Ludwig (Luigi) von Bourbon (1824–1897), Prinz beider Sizilien und Graf von Aquila. Siehe dazu die Briefe vom Febr. 1848. Prinz Alexander von Preußen (1820–1896). Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) entzog sich immer wieder den repräsentativen Ansprüchen, die sein Bruder Friedrich Wilhelm IV. als König von Preußen und Chef des Hauses Hohenzollern an ihn stellte. 174 Graf Schuwalow, Hofmarschall der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 175 Der neue Hofstaat der getrennt lebenden und alleinreisenden Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), wurde besonders beobachtet.
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Meine liebe Elis, welch ein schöner Schluß vom alten Jahr mit einem Brief von Dir. Habe tausend und hunderttausend Dank für die Freude, die Du mir dadurch gemacht. Eigentlich sahen wir alle recht sehr nach einem Brief von Dir entgegen, weil wir so sehr besorgt waren um Tante Wilhelm, und die Entfernung alles schlimmer ansehen läßt, weil so viel Zeit vergeht von einer Nachricht zur andern. Aber auf Dich, meine Elis, hoffte ich immer, daß, wenn wirklich Besorgniß da wäre, Du an uns denken würdest und mir schreiben. So hast Du nun heute Gott sei Dank etwas bessere Nachricht gegeben. Möge es doch von Bestand sein und der liebe Gott ihr Kräfte gibt, die Leiden und Schwäche zu überwinden. Man kann den Gedanken vom Gegentheil garnicht ausdenken. Schelte mich nicht um diese Worte, aber am heutige Tage, an einem Abschluß des Jahres, da erscheint einem alles noch ernster und wichtiger wie an gewöhnlichen Tagen. Diesen Tag fern von der Heimath zu feiern und ein neues Jahr zu beginnen, erscheint mir recht schwer und ernst. Mir ist so bang um dem Herzen. Die Frage drängt sich auf, was wird dies neue Jahr wieder bringen. Es liegt so bang und dunkel vor einem. Wie viel Thränen, wie viel Freude! Mit den Jahren sieht man banger und befangener in die Zukunft. In der Jugend ist das anders, da liegt einem das Leben so heiter und rosig vor einem. Doch mag hier manchen jungen Herzen bange schlagen. Die Zukunft mag Ernstes bringen, und die Ungewißheit das Peinlichste sein. Heute sind Briefe vom Kaiser aus Venedig gekommen. Die Stadt hat ihm sehr gefallen. Den Kronprinz von Würtemberg176 hat er dort gefunden und ihm offen und ehrlich gesprochen. Gegen Ende Januar wird er vielleicht hier herkommen. Auch andere Besuche werden erwartet, aber wo und wie, weiß ich nicht. Der Kaiser wird diesen Augenblick in Wien sein. Dieser Besuch ist auch von Wichtigkeit. Das neue Jahr, meine Elis, ist für alle Menschen wichtig, also auch für Dich und Fritz. Gott segne Euch und stärke Euch und gebe Einsicht zu allem Guten und Rechten. Die Zeiten sind ernst und wichtig. Ich möchte, man könnte dazu einen Artzt gebrauchen wie Mandt, der in den Menschen hineinsieht wie in ein Haus. Er hat George177 untersucht und schickt durch Graf Keller seine Ansicht ein.178 Wenn er alle Menschen so richtig behandelt wie Charlotte, dann gäbe es keine Kranken mehr. Ich achte aber seinen Blick und seine Umsicht, er ist ein reich begabter Mann, der seine Kenntniß nicht mißbraucht. Sonst ich glaube, er könnte eine Welt regieren. Abat hat 6 Meilen hinter Florenz geschrieben, wo er 3 Tage fest in Schnee gesessen hat in ein klein miserables Haus, wo er nicht mehr als 7° Wärme hatte. Vor 2–3 Januar kann er nun nicht in Berlin sein. Deine Ansichten über Abat und sein Verhältnisse sind so richtig. Wolle Fritz es auch so ansehen und ihn nun ganz ruhig leben laßen, ohne sich darin zu mischen. Es ist ja nun alles geregelt. Die Zeit wird vielleicht manches lindern und ändern, aber daran rühren darf nicht zu beider Seiten […].179 Dein Weihnachtsge176 177 178 179
Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). Mglw. Prinz Georg von Preußen (1826–1902), preuß. Sekondeleutnant. Alexander Graf von Keller (1801 –1879), preuß. Hofmarschall und Intendant der Kgl. Gärten. Wort nicht zu entziffern.
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schenk habe ich noch nicht in meinen Händen, ich danke Dir aber herzlich dafür, daß Du mir etwas schickst. Das macht mir grade Freude, daß es hier her kömmt. Du weißt, auf Größe und Pracht lege ich keinen Werth, nur daß meiner gedacht, erfreut mich. Unsere Weihnacht verging ruhig, am 6ten Januar wird rußische Weihnacht gefeiert und bei Charlotte aufgebaut. Costy, daß wirst Du schon wißen, kam am 24ten Mittags hier an, in 14 Tagen von Plimoth. Das war eine Freude, die Charlotte aber doch etwas geschadet, da das Herz etwas hupst, aber bis jetzt noch kein Herzklopfen. Man hoffte eigentlich, es sollte diesmal so übergehen, Gemüthsbewegung verträgt sie nicht. Übrigens ist sie heiter und wohl. Liebermann,180 der 14 Tage hier war, reiset morgen ab, wie Graf Keller und Alvensleben. Alle sind sehr freundlich aufgenommen. 2 Fürsten Windisch Grätz, wo von wir den zweiten aus Marienbad kennen, finden hier auch Gnade.181 Sie gehen nach Ägypten und Afrika. Nun leb wohl, Gott mit Dir, und bleibe für mich wie bis jetzt so lieb und herzlich. Ich bin ewig Deine alte treue Adine An Fritz tausend Liebes, und an Tante Wilhelm küße ich die Hände. Charlotte küßt Dich herzlich, Luise, Olly und Costy küßen die Hände.
180 August von Liebermann (1791–1847), 1835–1845 preuß. Gesandter in Russland. 181 Mglw. Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), der 1849 Herzogin Luise zu MecklenburgSchwerin (1824–1859) heiratete, und einer seiner Brüder.
1846 Palermo, den 10ten Januar 18451 Meine liebe Elis, heute schreibe ich Dir nur, um Dich zu bitten, daß Grimm, wenn es ihm möglich ist, alle 8 Tage einige Worte über Tante Wilhelm mir schreibe, recht offen und ehrlich, wie es mit der lieben Kranken ginge. Ich würde dann nur das herausnehmen, was Charlotte nicht zu sehr ängstigt. Die gestrigen Nachrichten vom 22ten December waren wieder recht beunruhigend, und Charlotte ist entsetzlich besorgt. Bitte, bitte besorge es. Grimm könnte an Frau von Meiendorf2 die Briefe zu besorgen schicken, dann kommen sie sehr rasch an. Mit Charlotte geht es gut, aber ich fürchte mich sehr für die nächste Zeit, weil Besuch kömmt. Im Stillen sind alle Herzen mehr für den andern, man weiß aber nichts darüber, die Ungewißheit peinigt sehr. Beides sind annehmbare Dinge. Adios Deine alte Adine Palermo, den 14ten Januar 1846 Meine Elis, vorgestern kam Deine Kiste mit den hübschen Geschenken an. Habe tausend Dank dafür. Ich habe mich so über die deliziöse Mütze und dem deliziösen Armband, was ich immer trage, gefreut. Die Mütze setzte ich gleich zu Tisch auf. Es war rußische Sylvester, sonst kein Feiertag. Da es aber der Geburtstag vom König beider Sicilien3 war, so kam doch manches vor. Um 2 Uhr unter anderm war große Parade auf der Marina, die wir von der Terrasse des Herrn Fortchella4 mit ansahen. An sich selbst war die Parade höchst einfach und ungezwungen, aber der ganze Anblick machte sich hübsch. Die vielen Menschen am Ufer des Meeres, was ganz still und blau war, die Berge von der Sonne schön beschienen. Es machte sich einzig schön. Danach fuhren wir spazieren und blieben bis zum Theater ruhig, wo aber alles in Galla war, alle Damen in brillante und schönen toiletten. Charlotte war den Abend sehr schön, in Diadem und vielen Jouvelen, dazu ein weiß Atlas Kleid. Olly und Luise waren beide sehr hübsch, in weiß Linon, ein echt türkisch Ves und ein rothe, türkisch Echarpe, Weihnachtsgeschenk, ich in bekannten weißen Moor und violetten Sammthuth, den ich im Opernhaus aufhatte und viele […].5 Gestern war nun rußisch Neu Jahr. Der Tag verging besser als wie alle erwarteten, da es doch immer ein wichtiger Abschnitt im Leben ist. Um 11 Uhr war Messe, im selben Putz, darauf gingen wir im Garten, wo baise mains6 war, erst von allen Herrn, dann von den 1 2 3 4
Verschrieben für 1846. Sophie von Meyendorff, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868). König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien (1810–1859) Verm. das Palazzo Forcella de Seta in Palermo im Besitz des Marquis Enrico Carlo Forcella (17951855). 5 Wort nicht zu entziffern. 6 Handkuss-Zeremonie.
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Damen. Die Fürstin Partanna7 mußte en robe de cour sein, weil auch die Nachricht von der Niederkunft der Königin8 gekommen war, und da ist 3 Tage galla. Dies nahm sich unter grünen Bäumen einzig aus. Dann wurde gefrühstückt. Bis zum Abend blieben wir in Ruhe, dann zum Thee kam der Kronprinz von Würtemberg,9 der angekommen. Costy holte ihn. Ich war so verwundert, ihn embelliert zu finden seit den 6 Monaten, wo ich ihn in Berlin sah. Er ist stärker geworden. Natürlich war er verlegen, aber es war auf keine unangenehme Art, und ich glaube, daß er keinen unangenehmen Eindruck gemacht. (Im Stillen seufzt aber alles.) Mit der Gesundheit von Charlotte geht es wieder recht gut. Wir wollen nun sehen, wie es mit dem Herzklopfen wird. Morgen ist der Tag. Es ist schon viel, daß nach den vielen Gemüthbewegungen, die sich besonders auf ein paar Tage zusammen gehäuft hatten, sie so geblieben ist. Den 15ten. Nur noch ein paar Worte setze ich heute zu. Es ist wohl anzunehmen, daß wir noch bis zum 10ten März hier in Palermo bleiben. Vielleicht bis Ende des Monats, aber das ist noch nicht ausgemacht. Dann auf 14 Tage nach Neapel, 4 Wochen in Rom, und es zeigt sich die Aussicht, daß die Rückreise über Schlesien gehen wird, was Charlotte sehr freut, weil sie dann hofft, Dich gewiß und die Brüder zu sehen. Dies würde Ende Mai sein. Nun leb wohl, heute verläßt uns Rauch mit Räuchlein,10 was uns allen leid thut, aber er mußte doch einmal fort. Mit Liebe Deine Adine Aus Wien wirst Du wohl mehr wißen als ich! Mir scheint es ein Rätzel.
Palermo, den 6ten Februar 1846 Ich glaube, ich habe Dir, meine Elis, ungeheuer lange nicht geschrieben, und dadurch werdet ihr alle nun garnichts von hier wißen. Charlotte hat zwar, fällt mir eben ein, an Fritz selbst geschrieben, um ihm das öffentliche Geheimniß anzuzeigen. Wenn ich nicht hier dabei gewesen wäre und noch bin, um zu sehen wie sie glücklich ist, wie ihr das Herz aufgegangen, wie sie nur an ihren Charles11 denkt und, nun er fort ist, keinen anderen Gedanken hat als ihn und auf Nachrichten hofft. Aus Petersburg kann die Einwilligung in 14 Tagen hier sein. Sie hat an nichts mehr Freude, ist am liebsten allein mit ihrem Glück. Kurtz, es ist eine Herrlichkeit. Mit Charlotte geht es immer gut, nur leidet sie mitunter an an starkem Kopfweh, besonders wenn sie nur einmal etwas mehr ißt als gewöhnlich. 7 Fürstin Agata von Partanna, geb. Gravina e Gravina, Prinzessin von Palagonia (geb. 1792), verh. mit Vincenzo I. Grifeo, Fürst von Partanna (1791–1846). 8 Prinz Gaetano Maria von Neapel-Sizilien, Graf von Girgenti (1846–1871), wurde am 12. Jan. geboren. 9 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 10 Verm. einer der Söhne Friedrich Wilhelms von Rauch (1790–1850). 11 Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1897) heiratete Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891).
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Jetzt sind wir hier recht verlaßen, unser kleiner Kreiß ist jämmerlich, denn Costy ist noch von seiner Reise nach Malta nicht zurück. George mit dem hübschen Windisch Grätz12 sind gestern fort. Letztern sahen wir auch nur selten. Auf einer Promenade zu Pferde durften sie mit George die Gesellschaft begleiten. Die Abende bringen wir mit arbeiten zu, und der jüngste Bruder von Graf Schuwaloff13 liest vor, manchmal mißlingt dies wegen der Jugend. So geht ein Tag nach dem andern hin, in Ruhe und Stille und wir sehen mit Betrübnis sie schwinden, da sie uns den Tag der Abreise immer näher bringen. Ein Wetter haben wir aber dafür, ganz Sommer. Ich schreibe Dir im Garten, umgeben von Veilchenduft, den schönsten Rosen, eine balsamische Luft, die Vögel singen. Es ist beneidenswerth, so ein Klima zu haben. Wie es Dir wohlthätig wäre, diese schöne klare warme Luft einzuathmen, und einem rauen Winter ganz zu entgehen. Man kann sich es eigentlich nicht denken, daß man sich so glücklich fühlen kann. Künftige Winter wird es mir hart ankommen, aber wenn man sich glücklich zu Haus fühlt, dann ist es doch da am besten. Für Deinen lieben Brief am 21ten Januar habe ich Dir noch garnicht gedankt, und er hat mir doch so viel Freude gemacht. Es ist immer eine ganz besondere Freude, wenn Deine Briefe kommen, denn es interessiert uns beiden Schwestern alles so, was aus dem lieben Vaterlande kömmt. Die arme Auguste bedaure ich übrigens von Herzen, daß sie grade im Karneval die Masern bekommen, und überhaubt, es ist eine ekliche Krankheit, was sie aber auch alles hat. Wenn sie recht ruhig und vernünftig abwartet, kann sie recht wohl danach werden. Wir haben gar keinen Karneval, da wir nicht ausgehen und auch niemand sehen, was Mandt so sehr wünscht, weil er eigentlich das Herzklopfen gerne ganz fort haben will, und unglückseligerweise hat es sich immer getroffen, daß grade zu der Zeit, wo Charlotte recht ruhig leben sollte, irgent ein Fest fiel, etwas nicht abzuwenden, und dann hat sie Herzklopfen bekommen. Nun wollen wir sehen, wie es jetzt gehen wird. Ich muß zum Kaffee, es ist ½ 10 Uhr. Den 7ten. Der gestrige schöne Tag wurde uns recht getrübt durch einen Brief von Luise, die so schrecklich traurige Nachricht über ihren Fritzi gab.14 Noch hatten sie einen Schimmer von Hoffnung, aber auch nur einen Schimmer. Gott, wie mag es bei ihr aussehen? Vielleicht ganz schlecht, alles aus. Dann tröste sie Gott. Menschen vermögen da nichts, oder sie sind im Glück, ihr Kind wieder zu besitzen. Am Dienstag können wir erst wieder Nachricht haben. Bis dahin werden wir Schwestern recht peinvolle Tage verleben. Gestern, nachdem ich Dir geschrieben, war ich zum Kaffee bei Charlotte. Da blieben wir bis 11 Uhr, dann fuhr ich mit Luise und meinen Damen nach einer Grotte, die am Meer liegt, wo sie zeichneten bis 1 Uhr. Diese Grotte ist so was einziges, schönes. Von einer Seite rechts sieht man noch Palermo vor einem, das Meer, die Gebirge, wo von die höchsten noch mit Schnee bedeckt sind, was sich in dem schönen Sonnenglanz 12 Mglw. Prinz Georg von Preußen (1826–1902) und Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), der 1849 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859) heiratete. 13 Bruder des Grafen Schuwalow, Hofmarschall der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 14 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846), Sohn von Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen, war am 23. Jan. verstorben.
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prächtig machte, und links sieht man in das unendliche Meer, wo das Auge durch nichts gehindert wird, der Blick in die Ewigkeit hinaus hinausschweifen kann. Es war unbeschreiblich schön dort, dies einmal so ganz still und ruhig zu genießen. Überhaubt, die große Wonne ist grade hier, dies Klima, die Gegend, alles so still zu genießen, sich mit ihnen einzuleben. Desto schwerer wird das Losreißen sein, dann muß man den Gedanken festhalten, daß man nach seiner Heimath zurückkehrt, wo es am besten ist. Wenn Du die liebe Tante wiedersiehst, lege mich zu Füßen und küße ihre Hände in meinem Nahmen. Gott wolle die Besserung fortschreiten laßen und sie uns erhalten. Manchmal wird mir sehr bange, ob die Kräfte dies lange Leiden aushalten. Charlotte und ich, wir sprachen so viel von ihr und sehnen uns so nach Nachrichten. Manndorf,15 der durch seine Frau oft Nachricht bekömmt, ist mit Costy fort. Heute oder morgen kommen sie alle zurück, und dann will Charlotte mit ihren Kindern künftige Woche ihre devotion hallten, weil es hier am ruhigsten ist. In Rom zu Ostern wäre es keine gute Zeit, und dann hat sie die Kirche nicht im Hause sondern im Gesandtschafts Gebäude. Da müßte sie zweimal des Tages hinfahren. Das könnte ihr schaden. Was Du mir über Abat sagst, ist wirklich traurig. Er hat es auch an Charlotte geschrieben, daß er den Freund hat kommen laßen. Die ist auch außer sich, da sinken einem die Arme am Leibe herab und aller Muth verläßt einen, wenn man so etwas erlebt. Eben war Hopfgarten16 hier und brachte mir die Trauernachricht, die über Marseille gekommen ist, daß Fritzi nicht mehr ist.17 Arme, arme Luise. Gott, wie schwer prüfst Du auch diese Arme. Jetzt sind wir drei Schwestern mit großem Kummer belastet, wir alle tragen schwer daran. Den 9ten. Heute gehet mein Brief fort. Wir sind recht tief betrübt, zum Glück scheint der Schmerz Charlotte nicht geschadet zu haben. Sie hat sich recht ausweinen können und viel sprechen über den Tod des Kleinen, sodaß sie bis heute recht wohl ist. Costys Ankunft brachte auch gleich etwas Veränderung hervor. Er erzählt viel von seiner Reise, sodaß sie schon am ersten Tag öfter abgezogen wurde. Doch erfüllt unsere Seele eigentlich nur der Gedanke an die arme, arme Luise. Wie wird sie diesen Kummer ertragen? Fritzi war doch der Liebling, er war auch allerliebst, klug und hatte so viel Gefühl. Morgen kann ich erst Briefe von ihr haben. Deine Adine Palermo, den 9ten Februar 1846 Wir sitzen um den Kaffeetisch und Charlotte küßt Dich, meine Elis und Fritz und bittet Dich, diese Bitte, welche ihr zugeschickt worden ist von der Großfürstin Anna18 in der 15 Mglw. Anton Freiherr von Manndorff (1797–1866) oder sein Bruder Adolf Freiherr von Manndorff (1802–1876). 16 Carl Anton Ulrich Ernst von Hopffgarten (1797–1862), meckl.-schw. Oberstleutnant und Flügeladjutant bei Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 17 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846) war am 23. Jan. verstorben. 18 Großfürstin Anna Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld
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Schweitz an Fritz zu geben, und wenn es möglich ist, daß die Bitte erfüllt würde, um daß sich die Liebenden heirathen können. Charlotte ist wohl und schreibt eben an die arme Luise ihren Brief fertig, dann gehen wir in die Messe, da Geburtstag vom Großfürst Mischel ist. Deine alte Adine Olly, Luise, Costy küßen Deine Hände. Palermo, den 16ten Februar 1846 Meine liebe Elis, nur in großer Eile schreibe ich diese Zeilen, da ich mich verspätet habe. Die Abreise von hier ist nun auf den 15ten oder 17ten März festgesetzt. Von Wind und Wetter hängt es dann doch ab, ob man fort käme. Charlotte hat den Wunsch über Schlesien zu gehen, um Dich, meine Elis, zu sehen und auch die Brüder. Nun kommt es darauf an, wo und an welchem Ort. Ob Breslau für Fritz nicht zu unangenehm? Ob Domanze19 anginge? Da ist nur so wenig Platz. Vielleicht Görlitz, oder könnt ihr einen Vorschlag machen, dann bitten wir nur um schnelle Antwort, um den Plan danach zu machen, weil es dem Kaiser auch immer vorgelegt werden muß. In Neapel soll bis zum 1ten April geblieben werden, den 2ten in Rom, wo Charlotte 4 Wochen bleiben will, dann nach Florenz 8 Tage, Venedig 6 Tage. Das Übrige ist noch nicht festgesetzt. Wir haben gestern uns sehr amüsiert auf dem Corso mit Confect werfen. Wir waren eigentlich alle ganz verrückt. Charlotte hat sich prächtig amüsiert. Sie ist wohl, hat zwar nach 3 Wochen ihr Herzklopfen wiederbekommen, aber sehr unbedeutend. Die letzten 8 Tage haben wir recht still und traurig verlebt wegen der Trauer für den armen, kleinen Fritzi.20 Ach, Luise hat uns einen so entsetzlich traurigen Brief geschrieben, herzzerreißend und doch so ergeben im Willen Gottes. Wir haben viel um sie geweint, wir theilen so recht aus der Tiefe unseres Herzens den Schmertz mit ihr. Aus Berlin wird uns geschrieben, wie ein Gerücht in der Stadt, als wenn Agnes den Grafen Hochberg heirathen würde, der würde Fürst Plessen werden.21 Ist davon etwas wahres? Wir sind sehr neugierig. Dann noch meinen Dank, daß Du durch Grimm hast schreiben laßen. Es hat uns doch etwas beruhigt. Gott muß aber doch gnädig sie in seinen Schutz nehmen. An den beiden Ärtzen hier haben wir den Brief gezeigt. Mandt meint, man müßte sehr darauf sehen, daß der Unterleib gereinigt würde, und es wäre nicht übel, wenn man am Fuß etwas ableitendes macht. Adios, Charlotte ruft mich, sie ist im Garten unter meinem Fenster. Deine treue Adine (1781–1860). 19 Schloss Domanze bei Mettkau gehörte Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850). 20 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846) war am 23. Jan. verstorben. 21 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) und Hans Heinrich X. Graf von Hochberg (1806–1855), ab 1847 Fürst von Pless, aus einer Nebenlinie des Hauses Anhalt-Köthen,
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Palermo, den 1ten März 1846 „Liebe Tante! Im Auftrag von Mama, nehme ich22 die Feder zur Hand, um Dir in ihrem Namen für Deinen Brief zu danken, da sie es leider heute noch nicht selbst thun kann. Heute vor 8 Tagen fühlte sie sich sehr unwohl, so daß sie sich gegen Mittag zu Bette legen mußte, mit starkem Fieber. Mandt gab ihr gleich Mittel, um dasselbe zu confieren23 und so kam glücklicher Weise das gastrische Fieber nicht ganz zur Ausbildung, doch war die arme Mama recht krank und litt besonders sehr an Kopfschmerzen. Jetzt geht es, Gott sei Dank, viel besser, und es ist nur noch eine sehr große Mattigkeit nachgeblieben, die aber hoffentlich auch bald verschwinden wird, da Schlaf und Apetit wieder ganz gut sind. Mandt war keinen Moment ängstlich, aber mir wurde doch ein paar Mal Angst, als ich Mama so leidend sah. Auch ist es zu traurig, daß sie die letzte Zeit unseres Aufenthalts im wundervollen Palermo nun nicht so ungestört genießen kann. Aber ich danke Gott von ganzer Seele, daß es so vorüber gegangen ist. Ich soll Dir viele herzliche Grüße von Mama sagen und daß Dein Brief ihr große Freude gemacht und sie sehr interessiert hätte, obgleich sie denselben in einem miserablen Moment erhalten. Auch soll ich Dir einige Sachen nennen, welche sie an ihrem Geburtstag, den sie übrigens ziemlich traurig zubrachte, von der Tante24 bekommen hat. Zuerst also ein Bild von der Tante in miniature in ganzer Figur, dann einen Saphir mit einer Perlen poire und fermoir,25 Saphier mit Diamanten, beides ist reizend. Außerdem machten ihr einige hiesige Ansichten und l’aquarel Freude. Die Gesundheit der Tante fährt fort sich wunderbar zu erholen, und man kann es nicht ohne innige Freude sehen, wie ihr Aussehen immer kräftiger und besser wird. Es ist hier aber auch so himmlisch, daß das Athmen der Luft allein schon eine Freude ist, wie auch jeder Blick in den Himmel und auch die wundervolle Natur. Könntest Du, liebe Tante, doch dies alles auch sehen und genießen. Ich schließe jetzt, um zu Mama zu gehen, da sie anfängt, viel Langweile zu fühlen, was ja auch immer ein gutes Zeichen ist. Übrigens ist sie, einen Tag ausgenommen, immer auch eine Stunde aufgestanden, und gestern und heute hat sie schon paar Augenblicke auf dem Balcon gesessen, um sich der schönen Sommerluft zu freuen. Willst Du die Güte haben, mich dem Onkel zu Füßen zu legen? Deine gehorsame Nichte Luise“
22 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin im Auftrag ihrer Mutter Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 23 Frz. confire = einlegen, einkochen. 24 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860), als Tante von Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859). 25 Frz. = Perlentropfen und Verschluss.
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325 Palermo, den 8ten März 1846
Meine liebe Elis, ich schreibe Dir heute, um vielleicht falschen Gerüchten vorzubeugen über die Gesundheit von Charlotte, die recht leidend war an heftigem Kopfweh. Mandt nannte es Gastrisches Kopfweh, sie lag 3 Tage zu Bett. Seit Freitag geht es aber viel besser, da hörte das Kopfweh auf, aber natürlich fühlt sie sich angegriffen von den Schmertzen. Ich sah sie Freitag, [da] war sie eigentlich ganz munter. Vorgestern, an meinem schrecklich traurigen Tag, wo ich nicht ausging, hat sie ihr Herzklopfen wieder bekommen. Aber einen Tag nach 3 Wochen, was viel ist, da sie doch sehr am Kopf gelitten, und Mandt eigentlich fürchtete, es würde früher daherkommen. Also ist er zufrieden. Heute ist es schon vorüber, und sie steht am Nachmittag auf. Ich besuchte sie am Morgen, wo sie munter war und heiter. Ich selbst bin noch von meinem Gastrischen Fieber angegriffen, doch geht es mir sonst gut. Ich darf nur noch nichts eßen, muß hungern und bekomme eine taille wie eine Wespe. Meine Beine sind schwach und wollen mich nicht tragen. Ich gehe aber im Garten, um sie zu zwingen. Heute über 8 Tage, wenn Wind und Wetter es erlauben, verlaßen wir dies Paradies, unser liebes Palermo, um hinausgestoßen zu werden in die große Welt. Neapel, wenn wir da sind, wird es uns auch wohl gefallen. Nun leb wohl, durch einen Brief von Grimm wißen wir, daß die arme Tante doch recht leidend gewesen ist, nachdem sie den Tod ihrer Schwester26 erfahren, aber nun ginge es wieder beßer, und nun wird sie die Freude haben, Mariechen27 bei sich zu haben. Das wird das beste Mittel sein, um sie zu zerstreuen und daß sie beßer wird. An der Fürstin sagst Du wohl vorläufig meinen Dank für ihren Brief. Ich würde nächstens selbst schreiben. Es greift mich nur noch an, mein Kopf ist schwach und dumm. Leb wohl, in Liebe, Deine treue Adine Mein Fritz wird wohl heute bei Euch ankommen. Er freut sich, ein wenig zu zerstreuen und andere Luft zu athmen. Sei gnädig für ihn, denn er liebt Dich sehr.
Palermo, den 12ten März 1846 Meine liebe Elis, gestern erhielt ich Deinen lieben, herzlichen Brief vom 23ten, wo Du so freundlich meiner gedacht. Leider habe ich den Tag krank zugebracht, wurde aber so schön von allen Seiten beschenkt. Ich glaube, Luise hat es Dir schon geschrieben, doch konnte ich mich kaum freuen. Nun bin ich fast ganz hergestellt, nur noch matt. Die Haubtsache ist aber, daß Charlotte wieder ganz wohl ist, sich auch nicht angegriffen fühlt 26 Erbprinzessin Amalie von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1774–1846), eine Schwester der Prinzessin Marianne von Preußen und der Erbgroßherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, war am 3. Febr. in Dessau gestorben. 27 Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889).
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und gut aussiehet. Sie schont sich natürlich sehr, da die Abreise auf Sonntag feststeht, soviel Menschen bestimmen können, und sie ängstlich geworden ist vor Erkältung. Gestern Abend war ich zum ersten Mal wieder bei ihr, Meiendorf28 und die Soltikof29 auch, da wurden viele Briefe vorgelesen von allen Weltgegenden. Der Brief von ihr, der Meiendorf,30 interessiert natürlich am meisten. Und dann schreibt sie so unerhört amüsant, grade wie sie spricht. Ein wahrer Festtag ist aber für mich, wenn ein Brief von Dir kommt, und ich kann sagen, er ist auch für Charlotte. Noch gestern, als ich ihr mehreres aus Deinem Brief vorlaß, sagte sie, „Nein, die Briefe von Elis sind prächtig. Die machen einem ordentlich Freude. Sie schreibt so lieb und spricht von allem, was einen interessieren kann.“ Auch dankt sie Dir herzlich über die freundliche Art, wie Du Dich über Olly und den Kronprinzen31 äußerst. Sie fürchtet, daß andere Personen es weniger thun, und diesmal ist wirklich nichts dazu gethan. Dies werde ich Dir bei meiner Durchreise in Berlin ordentlich erzählen. Ich denke, dies wird Ende Mai sein. Wie ungern wir Palermo verlaßen, dies Paradies auf Erden, kannst Du leicht denken. Und nun noch zu guter letzt können wir beiden Mütter es garnicht recht genießen. Auch ist seit 3 Tagen trübes, feuchtes Wetter eingetreten. Doch kann man immer einige Stunden mit Sonnenschein ausfahren. Alles ist mit der Abreise beschäftigt, und überhaubt mit der ganzen Reise. Und Charlotte studiert, um einen Ort zu finden, wo sie Dich, liebe Elis, und die Brüder sehen könnte, was auch auf einen oder 2 Tage sein könnte, da der Kaiser sehr drängt, daß sie so bald wie möglich in Warschau ankäme. Sie dachte an Dresden, wo sie auf jeden Fall durchmuß, und einen Tag bleibt, oder Görlitz, um Euch auch den langen Weg auf so wenige Stunden zu erspahren. Daß sie Tante Wilhelm wohl garnicht sehen wird, betrübt sie sehr. Der Zustand der geliebten Tante ist doch eigentlich sehr sehr traurig, vielleicht stärkt sie die Anwesenheit der lieben Töchter. Wie wir uns freuen, daß sie diese Freude hat, können wir garnicht sagen. Von Waldemar32 sind ja Nachrichten gekommen, wie Albert schreibt. Luise schrieb mir auch aus dem Haag, daß Marianne33 wieder ganz aufblüht. Welch ein Wunder. Von sich selbst sagt sie, sie sei ein jämmerliches Ding. Arme, arme Luise. Gott wolle sie stärken in ihrem Jammer, ihr Herz zieht sie zu uns nach Italien. Sie meint, dies wäre das einzige, was ihr Linderung geben könnte, aber wegen Fritz, der sich hier allein fühlen würde, wird wohl nicht daraus werden, und ich begreife es. Nachtisch: Wie ich heute um 12 ½ Uhr zu Charlotte komme, finde ich sie angezogen, um herauszugehen im Saal, wo einige Damen und Herrn von hier versammelt waren, die gebeten hatte, eine Messe mit anzuhören. Der Kaiser hat nehmlich Sänger geschickt. Mit dieser Gesellschaft wurde gesprochen und gefrühstückt. Sie wanderte kräftig dazwischen herum. Ich hingegen konnte mich kaum auf meine Füße hallten und mußte auch heraus28 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin. 29 Fürstin Soltikoff, Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 30 Sophie von Meyendorff, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868). 31 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1893). 32 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849). 33 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883).
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gehen. Gegen 5 Uhr haben wir a deux zusammen gegessen, unsere wenigen Speisen, denn wir müßen hungern. Da war sie ganz munter und heiter und erzählte, sie hätte an Karl geschrieben. Die Unruhen in Gallizien beschäftigen sehr die Gemüther.34 Der Maskenzug und Quadrillen am 24ten Februar müßen sehr hübsch gewesen sein, und ich danke Dir sehr, daß Du mir die Nahmen der Theilnehmer geschickt. Das versprochene Geschenk, wofür ich im voraus danke, werde ich in Berlin holen. Was werde ich noch alles sehen bis dahin: Neapel, Florenz, Venedig. Adios, Gott mit Dir, der lieben Tante küßen wir beiden Schwestern die Hände. Den Dicken küßen wir. Ewig Deine alte Adine Neapel, den 20ten März 1846 Von hier, vom schönen Neapel, eile ich, Dir Nachricht zu geben von Charlotte und von unserer Abreise vom Paradis, von unserem geliebten Palermo, was uns immer gleich lieb bleibt, wenn wir auch Schönes sehen. Es sollte am Sonntag gereiset werden. Es war alles bestimmt, allein, Wind und Wetter hatte die Tage vorher das Meer so aufgerührt, daß man allgemein abriet. Aber nun am Montag wollte Charlotte sich nicht aufhalten, da die Zeit in Neapel sonst zu kurtz würde, und trotz allem Vorurtheil und Gegenvorstellung wurde Montag sich eingeschifft bei schönem Wetter. Die Straßen, die Marina, alles angefüllt mit Menschen, die ganz betrübt aussahen. Dicht am Hafen waren Truppen aufgestellt, und die Behörden hatten sich dort versammelt, ganz bewegt und traurig nahmen wir von unseren Häusern und Gärten Abschied, von vielen Lieblingsplätzen, und begleitet von hunderten von kleinen Böthen, die angefüllt mit Menschen, kamen wir auf der Kamschatka.35 Unter Rufen und Wehen mit Tüchern ging es fort, die ganze Überfahrt war eigentlich prächtig. Anfangs war das Meer noch etwas unruhig, daß, Charlotte und ich, wir uns hinlegten, und auch einmal spiehen, aber dann wurde es ganz ruhig. Die Nacht war Sternen klahr und Mondschein. Um 11 Uhr kamen wir hier an, leider war es trübe und kalt, so daß der erste Eindruck nicht so schön war, wie es eigentlich sonst der Fall sein soll. Der König mit seinen Brüdern kam entgegen auf Böthe, um uns abzuholen.36 Die Königin nebst Königin Mutter empfing uns oben an der Treppe, weil man nur in eine kleine Zinne heraufgewunden wird, was unerhört bequem ist. Therese ist so verändert, daß man sie garnicht erkennt,37 wie ein ausgewischtes Bild, ohne Leben, eiskalt. Es sieht aus, als wenn ihr alles fattal wäre und langweilt. Die Figur ist wie Filzis, nur noch weniger Anstand. Die olle Königin sieht einzig aus, klein, dick, den Bauch vor, aber freundlich und gesprächig, sonst recht häslich.38 Die hat zwei Töchter, die eine, die ist am Infanten Sebastian verheirathet, nicht groß, aber sehr dick, unförmlich und eine jüngere Schwester, Caroline, unverheirathet, auch nicht hübsch, aber beide Schwestern sind sehr 34 35 36 37 38
Bauernaufstand in Galizien gegen polnische Großgrundbesitzer mit tausenden Opfern. Russ. Dampffregatte. König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien (1810–1859). Königin Maria Theresia von Neapel-Sizilien, geb. Erzherzogin von Österreich (1816–1867). Königin Maria Isabella von Neapel-Sizilien, geb. Prinzessin von Spanien (1789–1848).
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herzlich und freundlich.39 Luise und Olly sind schon ganz bekannt zusammen. Der Infant ist klein und häslich, sehr schwartz und schielt, hat aber etwas Gutes. Der Comte de Syrakus40 hat eine ganz hübsche Figur, ist blond, hat aber so etwas suffisantes und unangenehmes, daß man sich freut, wenn man fern von ihm bleibt. Die Aufgabe seines Lebens ist, die hübschen jungen rußischen Damen in schlechten Ruf zu bringen, nebenbei auch einige Engländerinnen. Seine Frau ist kränklich und geht nicht aus. Dies ist der Theil der Familie, welchen wir nun haben kennen gelernt. Der König ist wirklich herzlich und liebenswürdig. Wie wir alle wohnen, davon hat man keinen Begriff, wie schön und wie in den kleinsten Theilen alles soingiert ist. Die Zimmer sind nur zu groß, alle wie Dein Salon mit den enormen Sophas, wahre Säle, und alles so süperbe eingerichtet, die schönsten Gemählde, Bronsen, Porzelan, Kristall, alles, alles, was man sich nur denken kann, Teppiche so schön und reich, wie ich nichts kenne. Die Aussicht von den Fenstern von Charlotte und Olly ist süperbe auf dem Meer, eingefaßt von Bergen, vor allem der Vesuf, der gestern Abend ordentlich in Bewegung war, Flammen spieh und die Lava sah man herunter fließen. Die Terrasse vor dem Fenster ist mit Blumen und Lauben-Gang arangirt, einzig hübsch. Meine Fenster gehn auf einen großen Platz, der sehr belebt ist, und da um die ganze Etage ein schmaler Balkon läuft, so kann ich sehr leicht nach der terrasse kommen, was auch alle Morgen mein erster Gang ist. Den ersten Tag, nachdem wir uns einige Stunden ausgeruht, fuhren wir mit dem Königs Paar spazieren, die Haubt Promenade, die Chiaga, villa Reale und trada nova. Leider war es trübe und kalt, daß wir nicht viel Genuß davon hatten. Dann war Diner en famille bei Charlotte. Den Abend blieben wir ganz allein. Denke Dir, wie wir im Hafen einfahren beim Ankommen, sehe ich meinen Wilhelm. Der machte mir die surprise und war bis hier her entgegen gekommen, und wären wir nach Neapel, so wäre er nach Palermo nachgekommen. Nein, die Freude, es war einzig. Nun bleibt er so lange, wie ich in Italien noch bin. Der Aufenthalt in Neapel wird schrecklich kurtz, und wir haben erst gestern angefangen zu besuchen. Den andern Tag von unserer Ankunft, also am 18ten, sind wir nach Capo di Monte41 gefahren. Das ist ein Parque, so etwas Schönes kenne ich auch nicht, prächtige Bäume, immer grün und dazwischen frisches Grün. Es machte sich prächtig, und der Blick von da auf die Stadt und den Golf [ist] einzig. Die Sonne schien, also war auch alles beleuchtet. Aber mit der kühlen Luft können wir uns nicht vertragen. Es war in Palermo so sehr viel wärmer und milder. Dann war beim König Diner en famille, den Abend bei Oldenburgs. Therese ist guter Hoffnung und ist sehr verändert, und man ist besorgt, nur Peter nicht.42 Gestern waren wir [im] Studi und Museo Borbony, wo einige Gemählde und die Haubt Sache die ausgegrabene Sachen aus Pompeji, wo wir heute hinfuhren. Gestern habe ich nichts von 39 Prinzessin Maria Amelia von Neapel-Sizielien (1818–1857), verh. mit Prinz Sebastián Gabriel de Borbón y Bragança, Infant von Portugal und Spanien (1811–1875), und ihre Schwester Prinzessin Maria Carolina (1820–1861) von Neapel-Sizilien. 40 Prinz Leopold von Neapel-Sizilien, Graf von Syrakus (1813–1860). 41 Capodimonte, Sommerresidenz der Könige von Neapel-Sizilien. 42 Herzog Peter von Oldenburg (1812–1881), aus der russ. Nebenlinie des Hauses Oldenburg, und seine Ehefrau Herzogin Therese, geb. Prinzessin von Nassau (1815–1871). Am 21. Sept. wurde Tochter Katharina geboren.
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dem weiblichen Theil der Famillie gesehen. Der König und Prinzen waren mit Brüdern mit im Museum. Nun Adios, wir fahren mit der Eisenbahn nach Pompeji, tausend Schönes an Fritz, Charlotte grüßte und ist wohl, friert aber hier. Deine treue alte Adine [Neapel, Ende März 1846] Meine liebe Elis, tausend Dank sage ich Dir für Deinen lieben Brief. Charlotte grüßt Dich und Fritz herzlich und läßt Dir sagen, Sie hätte wohl an Fischbach und Erdmannsdorf gedacht, aber geglaubt, daß ihr nicht gerne in dem lieben Thale sein würdet nach der traurigen Entdeckung,43 welche man dort gemacht und daher wäre sie auf die andern Orte gekommen. Ihr würde es immer am liebsten sein, Euch in Erdmannsdorf zu sehen. Es geht ihr heute recht gut. Sie hat gut geschlafen. Ich weiß garnicht, ob ich schon gesagt, daß sie einen Anfall von der Rose im Gesicht gehabt, was ihr Fieber und Schmertzen veruhrsacht. Heute ist der 8te Tag und sie ist recht munter, aber es ist recht betrübt, daß sie die schöne Zeit hier im Bett zubringt, und ist sie besser, wird sie kaum heraus dürfen. Das Wetter ist eben auch nicht besonders. Wir können keinen blauen Himmel bekommen. Das Meer ist grau. Wenn der Vesuf nicht so aimable wäre und am Abend seine Flammen zeigt und seine breiten Lahvaströhme, so wäre es trübe hier. Unsere Parthien kommen daher nicht von der Stelle, da alles auf den schönen Aussichten berechnet ist. Den Vesuf haben Costy und Wilhelmchen mit den Herrn allein bestiegen, da ich Husten habe. Es soll aber etwas ganz einzig Schönes sein, und wir hoffen, künftige Woche es noch versuchen zu können. Nach Baja und Cap Missen sind wir gewesen.44 Der Tag war ziemlich schön und auf dem Wege haben wir manche schöne Blicke auf dem Meer gehabt und in einigen Thälern. Nur fehlt das Grün noch, dann mag es wunderbar schön hier sein. Wir sind alle ganz betrübt, nicht von der Schönheit Neapels so bezaubert zu sein, wie es wohl in anderer Jahreszeit sein würde. Palermo bleibt uns daher noch immer in seiner ganzen Glorie unvergeslich. Durch Manndorf45 hören wir, daß es mit Tante Wilhelm garnicht gut geht und sie nun so sehr nach Waldemar verlangt, und den auf der Rückreise glaubt. Allein, nach der Zeitung ist er wieder zu dem Kriegsschauplatz zurückgekehrt.46 Ich möchte auch, er wäre erst zurück. Du giebst uns gewiß bald wieder Nachricht von der lieben Tante. Pompeji und Herkulanum habe ich mir auch besehen, was unendlich interessant ist. Im ersteren wurde auch Ausgrabung gemacht, die sehr reich ausfielen. Wann wir von Neapel abreisen, ist noch ungewiß, doch hofft man, Sonnabend 43 Ermittlungen gegen den liberal-demokratischen, schlesischen Fabrikanten Friedrich Wilhelm Schlöffel (1800–1870) wegen Hochverrats, dessen Zentrum im Hirschberger Tal vermutet wurde, wo die Hohenzollern mehrere Schlösser besaßen. 44 Baia und Capo Miseno in der Bucht von Neapel. 45 Mglw. Anton Freiherr von Manndorff (1797–1866) oder sein Bruder Adolf Freiherr von Manndorff (1802–1876). 46 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849) beobachtete an der Seite der brit. Armee den Ersten Sikh-Krieg in Indien.
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den 4ten April. Vielleicht gehe ich Freitag, um Palmsonntag schon in Rom zu sein. Nun lebwohl, ich will jetzt meine visite der Königin Mutter machen, die gefallen ist und unwohl war. Wann Charlotte in Schlesien sein könnte, das wäre Ende Mai, aber es ändert sich so oft. Deine alte Adine Neapel, den 3ten April 1846 Meine liebe Elis, von Charlotte kann ich gute Nachricht geben. Sie steht täglich auf und sieht einige Bekannte, die ihr erzählen müssen. Den König und die Königin und die Königin Mutter hat sie auch gesehen. Das hat sie etwas angegriffen, eben war ich bei ihr, sie grüßt Dich und Fritz herzlich und ließ sagen, es ginge ihr gut. Wegen der Abreise von hier ist noch nichts bestimmt. Es wird wohl morgen erst. Ich werde aber Dienstag nach Rom gehen, um die Stille Woche dort zu erleben. Kommt sie bald nach, dann bleibe ich da, sonst kehre ich nach 8 Tagen hier her zurück. Leider haben wir mit der letzten Post besorgende Nachricht über Tante Wilhelm bekommen. Gott, es wäre zu traurig, wenn sie uns genommen werden sollte. Sie war seit dem Tod von Mama wie eine Mutter für uns gewesen, und wir lieben sie alle so von ganzem Herzen. Gott erhällt sie vielleicht doch, und was kann nicht schon wieder geschehen sein in dieser langen Zeit und dieser Entfernung. Wir wißen garnicht, was wir an Charlotte sagen sollen. Wir wollen nun die nächste Post abwarten. Vielleicht bringt mir die einen Brief von Dir oder von Grimm. Gestern haben wir eine himmlische Parthie mit der königlichen Famillie gemacht auf dem Dampfschiff nach der Insel Capri, um die blaue Grotte zu sehen. Schon wenn man sich der Insel nähert, ist das Meer von einer ganz himmlischen Farbe, und nun in der Grotte selbst, es ist etwas Magisches und Unbeschreibliches. Von der Farbe, von dem Glanz kann man sich keinen Begriff machen. In ganz kleine Fischerböthe kann man nur herein und auf dem Boden sitzend, denn der Eingang ist ganz niedrig. Von da sind wir nach Amalfi, eine Stadt, die ganz reitzend gelegen ist an einem hohen Berge, als wenn sie nur angeklebt wäre. Da sind wir nach einem Kloster herausgestiegen, um den schönsten Blick von dort auf die Stadt und das Meer zu haben. Das Wetter war auch so unbeschreiblich schön. Den Golf von Neapel haben wir auch zum ersten Mal gesehen. Es ist ein prächtiger Anblick. Erst nach 7 Uhr Abends kamen wir zurück im Dunklen, und da gab uns der Vesuf ein schönes Schauspiel. Die Lava fließt herab und Flammen spiehet er wie dicke Raketen. Ich war am 31ten März oben auf dem Vesuf. Es war ein herrlicher Anblick, denn am Abend saßen wir noch dicht bei dem glühend heißen Lavastrohm. Wir mußten auch über ihn fortgehen. Oben hat er eine Krüste, worauf man gehen kann. Es war aber sehr heiß. Herauf läßt man sich tragen, was für die Träger fürchterlich ist, und herunter läuft man in der Asche den Berg herab. Nun Adios. Der Brief muß fort. Am 9ten Mai trifft mich in Venedig noch [ein] Brief, dann aber keiner mehr. Adine
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Rom, den 15ten April 1846 Meine liebe Elis, früher war es mir garnicht möglich, Dir von hier zu schreiben, obgleich ich oft den Wunsch hatte. Aber leider bin ich ohne Charlotte hier, wie Du wissen wirst. Und so habe ich noch einen Brief mehr zu schreiben. Die Nachrichten von Charlotte sind aber sehr gut, und so wird sie wohl den 21ten Neapel verlaßen, was sie aber für einen Weg nun nehmen wird, ist noch unbestimmt. Doch in den nächsten Tagen muß es sich entscheiden, vielleicht ehe dieser Brief abgeht. Nun also von Rom muß ich erzählen. Ich werde mit dem Ende anfangen, das heißt mit dem heutigen Tag, wo ich meinen Besuch beim Pabst gemacht.47 Das war eine embarassante Sache, denn Herr von Canitz48 mußte dolmetschen. Übrigens war der Pabst sehr freundlich, sprach viel und Abb. 12: Brief der Großherzogin Alexandrine munter, eine ganze halbe Stunde haben von Mecklenburg-Schwerin aus Rom vom 15. wir bei ihm geseßen. Er ist noch kräftig April 1846. und rüstig, macht mehrere Millien49 des Tages im Garten und in den schönen Museum im Vatican, wo ich heute war von 10 Uhr bis um 2 Uhr, wirklich halbtod vom Besehen. Und es sind wunderschöne Sachen, Statuen wie Gemählde da, die prächtigen Raphael. Die ersten Tage sind wir garnicht zu uns selbst gekommen, die Vor- und Nachmittage waren [wir] im St. Peter. Nein, höre, das ist eine Kirche, so etwas kann man sich garnicht denken, so unerhört groß, prächtig, schön, mächtig. Sie macht einen ganz unerhörten Eindruck, der sich mit jedem Male noch vermehrt. Wir sind mit unserm Reisewagen dort vorgefahren, und eine ganze Stunde gleich herumgegangen, und zwei Miserere50 haben wir gehört am Donnerstag und Freitag. Letztere ist die älteste Musik, und wird sehr bewundert. Mir war die andere lieber und machte auf mich einen sehr großen Eindruck. Sie wurde auch sehr schön gesungen. Von den Messen spreche ich nicht, [eine] sehr feierliche ist am Ostern, wenn der Pabst selbst die Messe liest, und wenn er hereingetragen wird in die Kirche. Und ganz hinreißend und feierlich ist, wenn er den Seegen 47 Gregor XVI. (1765–1846), Papst seit 1831, starb am 1. Juni 1846. 48 Karl Friedrich Ernst Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), Legationssekretär bei der preuß. Gesandtschaft in Rom. 49 Frz. mille = Meile. 50 Vertonung des 51. Psalms „Miserere mei, Deus“.
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giebt oben am Balkon, das versammelte Volk auf die Knie fällt, das ist wirklich sehr ergreifend. Wir waren bei diesem feierlichen Moment mit Prinzessin Amelie von Sachsen51 zu sammen und und bekamen dort oben auf der Collonade einen Besuch von Don Miguel,52 dessen Bekanntschaft ich gemacht den Abend vorher bei der Fußwaschung, welches die vornehmen Herrn und Damen selbst vornehmen an den Pilgern und Armen, was nicht sehr angenehm ist, selbst bloß anzusehen. Diese Bekanntschaft entschädigt mich aber. Er ist klein und stark, aber eine gute Figur, sprechende brennende Augen, grade Nase, kleiner Mund, kurtzes Haar und ein Bart um das Kinn, ist sehr aimable und spricht gut französisch und hat hübsche Formen. Auch habe ich heute die Bekanntschaft gemacht von Prinz Coburg Cohari, welcher gern König von Spanien werden will. Er kömmt aus Lissabon.53 Er hat wenig ansprechendes. Zwei sehr schöne Anblicke haben wir gehabt, die Beleuchtung der Cupole,54 was wirklich magisch ist, und die Girandole55 auf der Engelsburg, was auch alles von Feuerwerk übertreffen soll, die es giebt. Dabei war der Himmel so schön blau mit unzähligen Sternen. Gestern waren waren wir in Tivoly bei einer Hitze zum Schmelzen mit Liebermann56 und Herrn von Canitz. Beide sind uns gestern [von] Nutzen, ersterer ist so gütig, und fährt mit uns in die Museen. Auf den Capitol sind wir auch gewesen, dann meine Lieblingspromenade in das Forum romanum. Da fuhren wir gleich vorbei, als wir ankamen. Das Colisseum, wie das schön [ist], das haben wir bei Tage, bei Mondschein und Fackelschein gesehen. Es ist ein mächtiges Überbleibsel von vergangener Größe. So finde ich, sind die Termen des Caracalla auch ganz prächtig. Das Grabmal der Cecilia Melette,57 wo nicht fern die Catacomben, in die wir mit Kerzen herumgestiegen sind. Beschreiben thue ich nichts, dazu bin ich zu ungeschickt. Es ist aber ein ganz eigenes Gefühl, wenn man in diesen mächtigen Ruinen herumgeht und denkt, wie viel Größe damit zu Ende gegangen ist, und wie Menschenwerke, wenn sie noch so groß und schön sind, doch vergänglich und nichtig sind. Es ist aber auch schön zu denken, daß Menschen solche Werke schaffen konnten. Wir haben noch viel zu sehen, nächstens wird der St. Peter Turm bestiegen, dafür fürchte ich mich, dann den Lateran, das Qurinal, besehen noch einige Gallerien in Privat Gebäude und ein[ige] Atellier, Kirchen. Wie wir mit der Zeit auskommen, weiß ich nicht. Ich denke, den 23ten verlaße ich Rom und gehe nach Florenz, denn lange kann Charlotte nicht bleiben. Es wird ihr mit der übrigen Zeit zu kurtz. Der Weg der Rückreise ist noch garnicht bestimmt. Aus Petersburg vom Kaiser werden erst die Befehle erwartet. Bis Dresden, das steht wohl fest, aber dann, sollte Tante Wilhelm noch leben, so wird es Charlotte suchen möglich zu machen, durch Berlin zu kommen. Du giebst ja etwas bessere Nachrichten 51 Prinzessin Amalie von Sachsen (1794–1870), Schriftstellerin. 52 Verm. Michael I. von Portugal (1802–1866), 1828–1834 König von Portugal. 53 Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha-Koháry (1816–1885), seit 1837 als Ferdinand II. Titularkönig von Portugal. 54 Ital. = Kuppel. 55 Ital. = Kerzenhalter. 56 August von Liebermann (1791–1847), 1835–1845 preuß. Gesandter in Russland. 57 Grabmal der Caecilia Metella aus der 1. Hälfte des 1. Jh. v.Chr. an der Via Appia Antica im Südosten Roms.
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von der Tante. Wenn der Himmel sie doch uns erhalten wollte, ohne sie zu sehr leiden zu laßen. Ach, wir fürchten doch sehr, daß die Kräfte nicht ausreichen, diese langen Leiden zu tragen, und Waldemar58, welcher so fern ist. Gott wird es so wenden, wie es zum Besten ist. Wenn du kannst, so küße ihr in meinen Nahmen die Hände und sage ihr, daß ich in meine Briefe immer nach ihre fragte und ich für sie bete, daß sie nicht viel leide. Nun, leb wohl, Luise und Wilhelm legen sich zu Füßen. Sie sind sehr glücklich hier in Rom zu sein. Wenn ich kann, schreibe ich aus Florenz. Sonst möchte dies mein letzter Brief sein, bis ich mich selbst in den letzten Tagen [des] Mai’s in Berlin einfinde. Von Venedig aus werde ich über Verona und Como, den See sehn und dann über den Splügen nach dem Bodensee und über München zurück. An Fritz und die Geschwister viel Schönes. Für meinen Fritz warst Du wieder so unaussprechlich gut, und er fühlte sich sehr glücklich bei Euch. Ungern verließ er Berlin. Mit alter treuer Liebe. Deine Adine Luise trägt mir auf, Dir die Hände zu küßen für die große Güte, daß Du ihr so liebevoll geantwortet hast. Den 18ten. Ich trage heute nur hinzu, was Herr von Canitz59 wohl schon beantwortet hat, daß Charlotte nicht nach Rom kömmt, sondern zu Wasser nach Livorno geht, den 21ten Neapel verläßt und am 23ten in Florenz ankommt, wo sie 8 Tage bestimmt bleibt. Es geht ihr viel besser, nur wollen die Füße sie noch nicht recht tragen, und daher hat sie die Reise so eingerichtet. Noch einen großen chagrin60 hat sie, wie sie mir schreibt, daß der Kaiser bestimmt hat, sie soll den nächsten Weg zurück nehmen über Prag und Krakau, und daß sie nun fürchtet, Dich und die Brüder garnicht zu sehen. In Florenz wird sie mir gewiß einen Auftrag wieder für Dich geben. Ich weiß nicht recht, ob der Weg garnicht durch Schlesien führt? Nun leb wohl, gestern habe ich die St. Pauls Kirche besehen, welche im Bau ist. Ich meine, sie wird ganz manifik. Ewig, Deine treue, alte Adine Ich habe wirklich die Kugel von St. Peter bestiegen und zwar gestern, aber nicht bis in die Kugel, das habe ich Luise und Wilhelm überlassen.
Berlin, den 15ten April 184661 Meine Adine, nur zwey Worte durch Rauch, der Euch entgegen geht, mit der schmerzlichen Nachricht. Du ahndest sie wohl, wenn Du meinen gestrigen Brief früher erhieltest. 58 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849), Sohn des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). 59 Karl Friedrich Ernst Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), Legationssekretär bei der preuß. Gesandtschaft in Rom. 60 Frz. = Kummer, Ärger. 61 Handschriftlicher Vermerk am linken, oberen Rand: „Tod der Prinzessin Wilhelm v. Preussen“.
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Doch glaubte ich das Ende der ewig Geliebten, ewig Unvergeßlichen selbst nicht so nahe. Ich kann den Schmerz nicht überwinden, daß ich sie in den lezten zehn Tagen nicht mehr sah, daß ich bey ihrem sanften, herrlichen Ende nicht zugegen war, nicht die seegnende Hand auf mir lag, wie auf den Kindern. Aber ich danke Gott, daß sie ohne Schmerz und Kampf von uns genommen wurde. Ich will mich ergeben, ich will Gott bitten, daß ich nur an ihre Seligkeit denke, an ihr überstandenes, unaussprechliches Leiden, und nicht an mich. Ich war eben oben, sie liegt da wie ein Bild des Friedens, die schönen Züge sind ganz wiedergekehrt. Der arme, liebe Onkel62 schreibt selbst an Charlotte. Ach, Du kannst denken, wie ihm ist, aber er weint viel und sein Schmerz ist wohlthuend, auch der der armen Kinder.63 Mariechen hatte die Kraft, im lezten Augenblick ihr ein schönes Lied vorzusagen mit lauter Stimme, und sie hörte es noch und die Worte, die Strauß64 in des geliebten Papa’s lezten Augenblicken sprach, weil sie wußte, welchen Eindruck sie ihr damals machten. Es ist ein wohlthuender Gedanken, daß sie wie begleitet von der Stimme des geliebten Kindes in die Ewigkeit ging. Was aus dem armen Onkel werden soll, Gott weiß es! Seine Zukunft ist schrecklich! Und Waldemar, der unglückliche Waldemar! Grüße Charlotte, Gott gebe, daß ihre Gesundheit nicht leide durch den Schmerz, mir bangt davor! Sie wird so tief erschüttert seyn, sie liebte sie ja so treu und innig. Von der Leere in meine Leben will ich nicht sprechen, ich will nur zu Gott beten um Kraft und Muth und ihr nachstreben, so gut ich es kann. Ich muß enden. Lebe wohl, meine geliebte Adine, Gottes Seegen sey mit Euch allen. Deine alte Elis Rom, den 20ten April 1846 Nur zwei Worte, meine liebe Elis. Eben war mein Brief an Dich fort, so wurde mir Dein lieber Brief vom 2–3ten April gebracht, mit den so guten Nachrichten über das Befinden von der lieben Tante Wilhelm. Du hast mir eine solche Freude gemacht, daß ich Dir dafür gleich danken muß. Gott wolle es nur so erhalten und die Genesung fortschreiten laßen. Auch die avancements haben mich sehr interessiert. Der gute Möllendorf,65 welcher General, es macht ihm gewiß viel Freude, und Herwarth,66 welcher seine Uniform behällt, aber über Schöler habe ich mich gewundert.67 Mir ist er auch nicht angenehm. 62 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851). 63 Die Söhne Prinz Adalbert (1811–1873) und Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849), die Töchter Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1815–1885) und Kronprinzessin Marie von Bayern (1825–1889), geb. Prinzessinnen von Preußen. 64 Friedrich Strauß (1786–1863), vierter Dom- und Hofprediger in Berlin und Prof. für Praktische Theologie. 65 Johann Carl von Möllendorff (1791–1860), preuß. Generalmajor seit 31. März. 66 Karl Eberhard Herwarth von Bittenfeld (1796–1884) blieb Oberstleutnant, bekam aber das prestigereiche Kaiser Franz-Garde-Grenadier-Regiment. 67 August von Schöler (1798–1866), seit 31. März Flügeladjudant des preuß. Königs Friedrich Wilhelm IV.
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Gestern am Sonntag haben wir eine nasse Parthie nach Fraskaty gemacht. Als wir ankamen, drohte schon der Regen, indessen konnten wir noch beurtheilen die Gegend, welche reitzend sein muß. Aber kaum saßen wir auf unsere Esel, als es anfing zu regnen, und uns nur erlaubte, eine kleine Tour zu machen, wo wir schon ganz naß wurden. Indessen waren wir ganz heiter. Liebermann und Herr von Canitz begleiteten uns.68 Wenn Du den Vater siehst, so kannst Du ihm sagen, daß sein Sohn unendlich gefällig für uns gewesen war, und wir seine Zeit sehr in Anspruch genommen.69 Morgen verlaße ich Rom ungern. Indessen mit Charlotte wieder vereint zu sein, ist eine große Wonne. Leb wohl, Wilhelm, der eben in mein Zimmer tritt, küßt Deine Hände, Deine Adine [Florenz, Ende April 1846] Unter tausend Thränen, meine Elis, las ich Deinen Brief. Ach, wie wenig ahnte ich diese Thrauernachricht, da dein letzter Brief in Rom vom 3ten April mir so viel bessere Nachricht gab. Gestern um 11 Uhr Abends kam ich hier in Florenz an, seelig und froh, Charlotte schon angekommen zu wißen, was ich eigentlich nicht glaubte. Und heute morgen eilte ich, zu ihr zu kommen. Aber eine Abhaltung nach der andern kam, und mit einem Mal sagt mir Wilhelm, Rauch ist aus Berlin gekommen. Da schrie ich laut auf und rief, Gott, dann ist Tante Wilhelm tod.70 Ich beweine sie wie eine Mutter und kann mich nicht trösten. Charlotte ist tief davon ergriffen und recht angegriffen. Wie sprachen viel zusammen von der Tante. Sie war es eigentlich, welche mir detailles von ihrem sanften Ende gab, da ich noch niemand gesehen. Nun habe ich alle Briefe gelesen vom Onkel und Mariechen, die wunderbar gefaßt und erhoben sind von dem Tod. Gott möge ihnen die Kraft und den Muth erhalten. Den armen Onkel wird es noch schwer genug werden, sein einsames Leben so fort zu tragen. Es werden ihm Monate kommen, wo er es kaum ertragen wird. Gebet und Glaube an Gott und Ringen nach Muth, das ist die einzige Stütze. Du, meine arme Elis, verliehrst nach dem Onkel am meisten durch den Tod der Tante. Dein stilles Leben entbehrt nun diesen Trost, dort ein Herz zu haben, wo Du Deinen Kummer und Deine geheimsten Gedanken niederlegen kannst. Aber ihr ist unbeschreiblich wohl. Sie ist bei dem Herrn und all ihr Leiden hat sie körperlich wie geistig abgeworfen. Ihre reine Seele liegt zu den Füßen des Herrn. Nun leb wohl. Für heute kann ich nicht weiter. Charlotte habe ich in diesen 14 Tagen sehr erholt gefunden. Sie ist sehr unruhig und betrübt, daß der Kaiser bis jetzt darauf
68 August von Liebermann (1791–1847) und Karl Friedrich Ernst Freiherr von Canitz und Dallwitz (1812–1894), Legationssekretär bei der preuß. Gesandtschaft in Rom. 69 Karl Freiherr von Canitz und Dallwitz (1787–1850), preuß. Minister für auswärtige Angelegenheiten. 70 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1785–1846), war am 16. April in Berlin gestorben.
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dringt, sie soll den nächsten Weg machen. Sie kann nicht anders, wenn nur nicht vom Kaiser eine andere Bestimmung kömmt. Adios, Deine Adine Sie sehnt sich nach Brüdern und Dich so herzlich. Bologna, den 5ten Mai 1846 Meine liebe Elis, Rauch soll Dir diese wenigen Zeilen bringen. Wir sind hier noch mit ihm zusammen getroffen, und heute Mittag, wenn ich hier alles besehen, gehe ich noch bis Ferrara, und er grade nach München. Er geht mit schwerem Herzen, weil es ihm nicht geglückt ist, den Rückreise Plan des Kaisers für Charlotte zu ändern, was ihr selbst entsetzlich leid ist, denn sie legt großen Werth darauf. Wenn man aber die kläglichen Briefe des Kaisers liest, wie er sich nach Charlotte sehnt und jeden Tag und jede Stunde früher, wo er mit ihr zusammen kommt, berechnet, so kann man beide begreifen. Aber ein Herzeleid bleibt es doch. In Florenz hat sich Charlotte recht erholt. Sie war recht kräftig und munter. Am Sonntag, wo ihr Nahmenstag, das war ein fatiganter Tag, und ich will hoffen, daß er ihr nicht geschadet. Ich reisete den Montag gestern schon ab, weil ich sonst keine Pferde bekommen. Charlotte reiset heute fort und kommt den 8ten in Venedig an. Die großherzogliche Famillie in Florenz hat uns sehr gefallen. Er scheint ein schwacher Mann, hat etwas Mattes.71 Die Frau (Schwester des Königs von Neapel) ist hübsch, herzlich und freundlich.72 Die verwittwete Großherzogin aus Sachsen73 wirst Du natürlich kennen, hat uns so gefallen, wir haben sie ordentlich lieb gewonnen. Wir waren wie alte Bekannte. Die Schwester des Großherzogs, Erzherzogin Luise, ist eine kleine, pukliche Prinzessin, einzig kleine Person, scheint dies Haus zu kommandieren.74 In Venedig werden wir den Vice König mit Frau finden, den Erzherzog Johann, den der Kaiser schickt und Erzherzog Friedrich.75 Nun Adios, mit inniger Liebe Deine alte Adine Ach, an Tante Wilhelm denken wir immer und immer, und bei so vielen Worten fällt sie uns ein. Ich werde wohl in Berlin ankommen den 27-28ten Mai, bleibe einen Tag, nimm mich freundlich auf. 71 Großherzog Leopold II. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1797–1870). 72 Großherzogin Maria Antonia von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von NeapelSizilien (1814–1898). 73 Großherzog Ferdinand III. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1769–1824) hatte 1821 Prinzessin Maria von Sachsen (1796–1865) geheiratet. 74 Prinzessin Maria Luisa von Toskana, Erzherzogin von Österreich (1798–1857), gen. „Gobbina“. 75 Erzherzog Rainer von Österreich (1783–1853), Vizekönig von Lombardo-Venetien, mit seiner Ehefrau Erzherzogin Maria Elisabeth, geb. Prinzessin von Savoyen-Carignan (1800–1856), Erzherzog Johann von Österreich (1782–1852) und Erzherzog Friedrich von Österreich (1821–1847), VizeAdmiral und Marine-Oberkommandant.
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Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 28ten April, der mich so gefreut, denn ich war recht besorgt um Dich und wußte wohl, wie tief Dich der Tod der geliebten Tante angegriffen haben würde. Hier im einzig schönen Venedig kam Dein Brief grade in der Stadt, die Dir und der geliebten Tante so gefallen. Ich bin ganz rappelich darüber, so einzig merkwürdig und so romantisch habe ich sie mir nicht vorgestellt. Wenn ich jung wäre, würde sie mir sehr gefährlich werden, besonders, wenn man Bekanntschaften hätte. Der Mond scheint, die Luft ist warm und mild, dies sanfte Gleiten auf den Kanälen, liegend in den Gondeln. Das ist etwas einziges. Ich war einen Tag früher hier wie Charlotte, da haben wir die Zeit benutzt, um umher zu fahren und am Abend auf den Markusplatz zu gehen. Gestern haben wir uns mit Meiendorf76 hingesetzt und Eis gegessen. Charlotte ist leider angegriffen von der Reise, denn es war sehr heiß und viel Staub. Auch ist sie sehr heiser. Ich denke, die Tage hier sollen ihr gut thuen. Sie wohnt im Palais, was recht hübsch und warm ist, nur leider wird sie nicht viel zu Wasser fahren dürfen und daher nicht auskommen. Den 9ten. Gestern kam ich nicht recht weiter. Charlotte war gestern Abend viel wohler. Sie ist auch entzückt von der Eigenthümlichkeit Venedigs. Ihr Einzug hier war allerliebst. Bei der Eisenbahn war der Vice König, Erzherzog Friedrich, der uns allen ungeheuer gefällt, und Erzherzog Leopold und [für] alle Kaiserliche Hoheiten Gondeln, ganz große mit Roth und Gold, ganz nach alter Art, wie es bei den Dogen gewesen.77 Es waren 6 solche, in denen wurden wir und die suite78 vertheilt, und nun unzählige Gondeln mit elegante Damen und Herrn umgaben uns. Es war schöner Sonnenschein, alles sah festlich aus. Es war wunderhübsch, die Schiffe, welche auf dem Kanal bei dem Dogen Palast wimpelten. Wir machten eine kleine detours, um den Markusplatz vom Wasser aus zu zeigen, und dann wurde an Land gestiegen, wo die Vice Königin79 empfing. Ich hatte sie schon den Tag vorher gesehen. Es ist eine schöne Frau mit großen schwartzen Augen, sehr feurig und doch melankolisch, und der Alte hat etwas Herzliches und Gutes wie alle Erzherzöge. Sein Sohn Leopold ist auch ein hübscher großer Mensch, gleich der Mutter, aber der Erzherzog Friedrich, der hat so etwas Angenehmes, so Ausgezeichnetes, sehr einfach und liebenswürdiges. Seine Augen haben eine ganz eigne Farbe. Es ist zu betrübt, daß er Maltaiser ist.80 Man sagt, die Ursach dieses Schrittes wohnt hier. Über die Reise von Charlotte ist denn nun wieder die größte Ungewißheit, denn der Feldmarschall Lieutenant Graf Vierben,81 welcher vom Kaiser aus Wien geschickt ist, um Charlotte zu begleiten, versichert, es sei ganz unmöglich, daß sie über Krakau ginge, denn Gallizien, 76 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin. 77 Erzherzog Rainer von Österreich (1783–1853), Vizekönig von Lombardo-Venetien, Erzherzog Leopold (1823–1898) und Erzherzog Friedrich von Österreich (1821–1847). 78 Frz. = Gefolge. 79 Erzherzogin Elisabeth von Österreich, geb. Prinzessin von Savoyen-Carignan (1800–1856). 80 Erzherzog Friedrich von Österreich (1821–1847) war 1845 in den Malteserorden aufgenommen worden. 81 Verm. Graf Ladislaus von Wrbna (1796–1849), österr. Feldmarschallleutnant.
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wo sie einen Tag darin reiset, sei so untergraben von geheimen Gesellschaften, und keine Famillie wäre nicht comprometiert, daß er nicht dazu rathen könnte. Nun ist ein courier nach Warschau geschickt, um dort anzufragen, und in Salzburg kann die Antwort zurück sein. Dann wird der Weg erst entschieden. Am Ende kömmt sie doch nach Berlin. Es wäre das allerbeste und einfachste, aber die Ursache ist allein die, daß der Kaiser Charlotte gerne einige Tage früher wiedersehen will. Die Sehnsucht wächst immer mehr, wie kenne ich das. Charlotte hat deinen lieben Brief gelesen und küßt Dich innig wie Fritz. Sie bewundert wie ich den armen Onkel, wie er so fortleben kann nach der alten Art, in den selben Zimmern, an den selben Stellen, ohne ihr, der himmlischen Tante. Es muß furchtbar sein, den großen Lehnstuhl so leer zu sehn, und nun das Schlafen an der selben Stelle. Es ist zuviel, aber jeder Mensch fühlt anders, da kann man nicht urtheilen wollen. Lebe nun wohl, meine Elis. Den 10ten. Noch war mein Brief nicht zu, als ich Deinen zweiten lieben Brief erhielt vom 1ten Mai, eine Antwort auf meinen aus Rom. Wie nun rasch die Briefe gehen, das ist eine rechte Freude, aber dies wird auch wohl der letzte sein, den ich bekomme, denn am Donnerstag muß ich schon fort und mich von Charlotte trennen, die Freitag abreiset, weil ich sonst 2 Tage länger hier bleiben müßte. Was eigentlich kein Unglück wäre, denn in Venedig läßt man es sich gefallen. Aber es würde mir doch zu viele Tage zur Rückreise nehmen, denn ich gehe über den Comer See, wo wir drei Tage bleiben wollen und mit meinen Sohn Fritz zusammen treffen am 15–16ten. Die Pferde sind so knapp und die Kaiserin braucht viele. Charlotte ist recht angegriffen, denn wir haben viel Hitze hier, und die verträgt sie nicht. Eine große Freude hat sie am Fahren auf den Gondeln. Gestern ist sie zweimal gefahren, zuerst allein, bloß mit Katharina und Schuwaloff,82 weil ich die Liebenden83 begleiten muß bei dem Besehen. Wir waren in der Markuskirche, dann im Dogenpalast und in der Bilder Gallerie. Wie schön ist die Kirche mit den Mosaiks, erinnert uns an die Kirche in Monreal, wo wir die ersten Mosaiken so sahen, und wie merkwürdig historisch ist der Dogenpalast. Heute, Sonntag werden wir nichts besehen. Am Abend ist allgemeine Gondelfahrt, wenn es das Wetter erlaubt und kein Gewitter erscheint, worauf die Luft sehr ist. Im Theater sind wir in Galla noch nicht gewesen, weil Charlotte etwas hustet. Vielleicht geht es heute besser. Morgen wird der Markus Platz mit doppelter Gaserleuchtung sein, was außerordentlich schön sein wird. Ich gehe alle Abend dort spazieren, was so amüsant ist, aber gestern sind wir beinah erdrückt worden, weil der Erzherzog Friedrich mit dem Kronprinzen von Würtemberg und Wilhelm84 dort umher stieg und an uns herankam. Da glaubte man, es sei Olga, und alles stürzte auf uns zu. Wir mußten uns zuletzt ins Palais flüchten, wo wir im Garten blieben bis 9 Uhr. Es wurde garnicht kühl. Nun Adios, ich muß zum Kaffee zu Charlotte fahren, und das ist eine
82 Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) und Graf Schuwalow, Hofmarschall der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 83 Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1897) heiratete Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 84 Erzherzog Friedrich von Österreich (1821–1847) mit Kronprinz Karl von Württemberg (1823– 1891) und Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879).
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ganze Strecke. Wie bin ich dumm gewesen, gar nicht von Onkel Heinrich85 gesprochen zu haben. Er war sehr herzlich und freundlich. Deine Adine Schwerin, den 11ten Juny 1846 Noch habe ich mich garnicht mit meinen Briefen eingefunden, aber ich wußte Dich bei Deiner lieben Schwester, und da wirst Du mich nicht vermißt haben, besonders, da ich Dich eben erst gesehen und so viel vorgeschwatzt hatte. Nun weiß ich Dich in Berlin wieder, und zwar ist das Wirtshaus zum Schwartzen Adler86 sehr besetzt, denn Luise schrieb mir, die Großfürstin Helene87 sei in Berlin angekommen, und Marie von Meiningen88 sollte Dienstag kommen. Da bist Du wieder recht in Anspruch genommen. Doch erstere soll nicht leidend sein. Wie hast Du sie gefunden und ihre Töchter? Sie wird Dich wenigstens nicht mit Besuchen gequält haben. Aber eigentlich ist man sehr für sie besorgt, und diesmal wird sie ihren Aufenthalt wohl nicht so schleunig abbrechen und den Winter in Italien zubringen. Marie Meiningen möchte ich garzugerne wieder sehen. Seit 1829 habe ich sie nicht gesehen. Wenn sie sich entschließen könnte, auf ein paar Tage mich zu besuchen, das wäre himmlisch. Denn nach Berlin jetzt wieder zu kommen, ist mir unmöglich. Von Marie von Strelitz habe ich heut einen langen Brief bekommen, worin sie mir ausführlich über Lilli ihre Lage schreibt. Hedeman wird nun mit der letzten Antwort zurück erwartet, nehmlich sie verzichten auf die Appanage der Kronprinzessin.89 Geht man das ein, dann ist sie frei. Ach, es ist eine garzu traurige Geschichte, und die beiden Eltern jammern mich, denn es quält sie schrecklich unglücklich. Aber den Kronprinz bedaure ich auch, denn er liebt sie wirklich. Er wird nun ganz zu Grunde gehen. Von Marianne habe ich ein Briefchen aus Camenz.90 Lollo war recht krank gewesen, sonst schreibt sie nur, wie sie ihr Leben jetzt geregelt und wie sie lebt. Nun lebe wohl, heute schreibe ich nicht mehr, denn ich will noch ausfahren. Das Wetter ist schön. Deine alte Adine Dein Brief, der mich in München erwarten sollte, ist nach Genf gegangen und hat mich da gesucht. Habe tausend Dank für den Brief. 85 Prinz Heinrich von Preußen (1781–1846) lebte fernab dynastischer Verpflichtungen in Rom. 86 Gemeint ist der königlich-preußische Hof analog zur Wappenfigur der Hohenzollern. 87 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 88 Herzogin Marie von Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 89 Adolph Otto Wilhelm von Hedemann (1793–1849), dän. Hofmarschall, verhandelte wegen der Scheidung des dän. Kronprinzen Friedrich (VII.) und Kronprinzessin Caroline, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, mit Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz. 90 Schloss Kamenz in Schlesien gehörte Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883).
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Schwerin, den 3ten July 1846 Meine geliebte Elis, für Deinen lieben Brief laß mich zuerst danken, denn er hat mich wieder recht beglückt. Luise91 ein paar Tage bei mir zu haben, ist eine große Freude. Ich glaube, sie gefällt sich auch hier, da wir recht still leben, und dann wird sie hier garnicht am lieben Fritzi92 erinnert, was doch an allen andern Orten geschieht. Sie spricht aber immer von ihm, bei aller Gelegenheit. Dann rollen ihr die Thränen über die Backen. Die Arme, das ist eine Trauer, die durch das ganze Leben geht. Puttchen finde ich eigentlich unverändert. Sie fängt nun an, etwas mehr zu sprechen. Bei Luise93 ist sie den ganzen Tag und soll da viel erzählen. Schwester Luise und ich, wir sitzen auch immer zusammen, da das Wetter leider kühl und unfreundlich ist. So können wir nicht viel vornehmen, was mich für die Umgebung betrübt, denn die langweilen sich. Einige Fahrten in unsern Wäldern machten wir zwar, davor war die eine, als wenn man es im Oktober unternommen. Nach Friedrichsthal, was Dir damals so gefallen, sind wir noch nicht gekommen. Heute wollten wir hin, allein, es droht mit Regen. Du wirst nun auch ein paar Tage recht Ruhe gehabt haben und Deine Schwester recht genoßen, denn ich höre, alles ist nach Rügen, selbst Karl mit Famillie!!! Von Charlotte haben wir die besten Nachrichten. Wenn die Gesundheit nur so bleiben wollte. Ich höre, der Kronprinz94 hat Dir auch besser gefallen. Schön ist er nicht, aber wirklich gut, und wird an der Seite von Olly noch mehr gewinnen. Max seine Reise nach Frankreich finde ich weniger erfreulich.95 Dann geht er gewiß nach Paris. Sollte das ganz aus ihm gekommen sein? In Strelitz, wie ich von Luise höre, ist man schon mit der veränderten Lage unzufrieden, nachdem man alles angewendet hat, um loß zu kommen. Sie wißen doch wirklich nicht, was sie wollen, denn das wußten sie auch, daß, wenn sie auf der appanage verzichteten, sie in einer abhängigen Lage käme, und daß der Sohn Fritz garnicht zufrieden ist mit seiner Schwester.96 Mehr 91 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870), war vom 30. Juni bis 4. Juli mit ihrer Tochter Luise (1828–1871) in Schwerin zu Gast. 92 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846). 93 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 94 Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 95 Die Bemerkung zur Reise des Kronprinzen Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864) zeigt einmal mehr die tief sitzende Verstimmung von Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin wegen der Heiratsverbindung des Hauses Mecklenburg-Schwerin mit Frankreich im Jahr 1837. 96 Die schmalen Einkünfte und Schulden der großherzoglichen Familie waren ein großes Problem für den späteren Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904). Der Verlust der dän. Einkünfte durch die Scheidung seiner Schwester Caroline bedeutete eine zusätzliche Versorgungslast angesichts des kleinen Domaniums, aus dem die Strelitzer Linie des Hauses Mecklenburg vor allem ihren Unterhalt bezog. Nach seinem Regierungsantritt vermehrte Großherzog Friedrich Wilhelm deshalb das Vermögen des Herzogshauses mit allen Mitteln, durch einen rigiden Sparkurs bei allen öffentlichen Ausgaben und riskante Finanzspekulationen. Dies machte ihn zu einem der reichsten deutschen Fürsten, hemmte aber auch notwendige Investitionen und die Modernisierung im Land.
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sage ich dir heute nicht, denn Du brauchst diesen Augenblick weniger wie sonst meine dummen Briefe. Deiner lieben Schwester empfehle mich herzlich. Deine treue Adine Dobbran, den 18ten July 1846 Ich eile, Dir gleich heute meinen Dank zu schreiben für Deinen Brief vom 13–14ten, der mich doppelt erfreut, da Du mir am letzten Tag doch etwas bessere Nachricht von Luise geben konntest. Ich kann nicht leuchnen, daß ich mich geängstigt, denn das Kopfweh war doch zu heftig, und ich mußte am armen Fritzi97 denken, bei dem es auch so anfing. Und dann, wenn man so leidet, dann denkt man noch mehr an den Verlust, den man macht, und das verschlimmert nur die Krankheit. Gott wolle nur geben, daß sie nun gehoben ist und die Besserung fortschreitet. Aber wie matt und angegriffen wird sie nun sein. An Reisen wird lange nicht zu denken sein. Auf einer Seite ist das recht gut, dann hat Dein Fritz doch Gesellschaft und Du kannst dann leichten Herzens abreisen. Dir wird die Reise wie der Aufenthalt mit den lieben Schwestern recht wohlthun. Du hast Deine Schwester aus Sachsen auch recht genießen können, da in der Zeit wirklich einmal keine Fremden kamen. Wir sind seit dem 15ten hier in Dobbran, wo es unbeschreiblich schön ist. Das Wetter begünstigt uns auch hier. Es regnet wohl mal, aber dabei bleibt es warm, und wir können immer auf dem Balkon sitzen. Das Meer ist so schön blau und grün. Die Badenden sind sehr mit der Wirkung zufrieden, aber eigentlich ist es ungewöhnlich leer, was wir zu unserem Vortheil benutzen und ganz ländlich leben, das Cottage fast nicht verlaßen. Das Theater hat uns nur einige Male angezogen, weil wir so lange keins gesehen, und nun deutsches seit 9 Monaten nicht. Auch ist es diesen Augenblick recht gut besetzt. Die Reisenden aus Rügen kehren wohl bald zurück. Ich finde auch die ganze Art, wie man es betrieben, höchst unpassend. Aber erinnerst Du Dich, daß ich Dir schon bei meiner Rückkehr erzählte, daß wir in Palermo davon gehört? Natürlich nicht von den handelnden Personen, sondern Beobachtenden. Der Kronprinz von Baiern98 läßt es sich recht wohl sein in Paris, und wird nach Diepp99 erst denn recht lange bleiben. Was man nicht alles erlebt. Ich wundere mich nur, daß ich mich noch wundern kann, das Unmögliche ist möglich!!! Am Dienstag werde ich vielleicht auf 2 Tage nach Strelitz gehen, um meinen Besuch zu machen. Ich habe nun erst schreiben laßen, um zu erfahren, ob die Großherzogin dann noch da ist, denn sie reiset mit Lilli nach der Schweitz und Oberitalien. Man behaubtet, daß von Coppenhagen Briefe gekommen wären, mit der ernsten und bestimmten Mahnung im August wieder dort einzutreffen. Da sie aber nun erst reisen wollen, scheint es, als wenn sie nicht darauf achteten. Das ist auch eine Begebenheit, die zu traurig ist, da sie hier auch nicht recht wißen, was sie wollen. Vielleicht spricht mir Marie darüber, dann werde ich wohl erfahren, wie es wirklich stehet.100 97 98 99 100
Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846). Kronprinz Maximilian (II.) Joseph von Bayern (1811–1864). = Dieppe, frz. Badeort in der Normandie. Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876),
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Dies sind wohl die letzten Zeilen, die Dich in Sanssouci treffen. Bitte laße mir nur wißen, wann Du in Ischel anzukommen gedenkst, damit ich dann meine Briefe dahin sende. Gott geleite Dich, und an Deinen Fritz viel Liebes. Sollten keine Briefe und Nachrichten aus Petersburg nach dem Ofen101 kommen, so läßt Du mir etwas Nachricht zukommen. Ja, der Ofen, wie wird der gewesen sein!!! Deine alte treue Adine An Luise viel Liebes und auch an Puttchen. Das ist ein gutes Kind, als wenn sie 10 Jahre wäre. [Heiligendamm] Cottage, den 16ten August 1846 Ich habe Dir so unerhört lange nicht geschrieben, daß ich mich schäme, und doch verlangt mich so sehr nach Nachricht von Dir, geliebte Elis. Deinen letzten Brief, den Tag vor Deiner Abreise geschrieben, bekam ich noch in Strelitz.102 Die zwei Tage, die ich dort zubrachte, waren zu angenehm. Ich sah Marie viel und konnte mich recht mit ihr aussprechen, was seit Jahren nicht geschehen, da wir uns flüchtig sahen. Lilli sah sehr wohl aus. Ihr Kopf ist sehr hübsch, und die Figur auch, denn sie ist voll, und doch passet beides nicht zusammen, eins ist zu groß. Sie war heiter. Und der Onkel schwamm in ein Meer von Wonne über die Gräfin Rossi,103 die noch immer da war und ihm durch Musik und ihre Liebenswürdigkeit dermaßen die Nerven herunter gebracht hat, daß ich ihn sehr verändert fand, und er gleich nach meiner Abreise auf 8 Tage nach sein Schweitzerhaus vom Artzt geschickt wurde, um sich zu erholen. Ich muß aber sagen, daß mich die Rossi auch unerhört entzückt hat durch ihren Gesang. Es ist wie eine Nachtigall, wie Glocken so rein. Es wurde den einen Abend zwei Stücke aufgeführt, ein kleines französisches, worin die Gräfin Rossi mitspielte und ganz allerliebst war, und dann eine kleine Operette, der Wittwer, wo sie und Dachröden104 sangen, eine Menge Sachen einlegten. Das war wirklich etwas ganz Allerliebstes. Strelitz war eigentlich gar nicht wieder zu erkennen. Eine Vergnügung jagte die andere. Seit 5 Monaten, behaubtete man, wäre alles so aufmelliert, was die Erbgroßherzogin hervorgebracht. Die hat keine Ruhe, von Morgens bis Abends geht das so fort. Die Tante war es etwas viel, und ich fand sie auch angegriffen, denn die hat die Sorge im Herzen um der Scheidung, und das quält sie sehr. Ihr Reisetag war noch nicht bestimmt, und nun höre ich, ist der Dänische Minister Revent-
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flüchtete aus der schwierigen Ehe mit dem dän. Thronfolger Friedrich (VII.). Über die Scheidung wurde bereits verhandelt. Verm. Anspielung auf die Hochzeitsnacht. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822– 1897) hatte am 13. Juli Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891) geheiratet. Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin besuchte die großherzogliche Familie in Neustrelitz. Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Sängerin. Cäsar Carl Ludwig von Dachröden (1808–1882), meckl.-strel. Kammerherr und Theaterintendant.
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klow Criminel105 grade den Abend vor dem Geburtstag vom Onkel angekommen, um alles ins reine zu bringen mit der Scheidung. Und dann reist sie durch die Schweitz nach Venedig. In Dänemark sieht es übrigens schön jetzt aus. Es ist gräslich, diese Wirtschaft. Hier in Dobbran war der Monat July sehr leer, und wir konnten das schöne Wetter recht am Meer in mein Cottage genießen. Vom 1ten August an füllte es sich und mit sehr liebenswürdige Gesellschaft. Das Wetter blieb unausgesetzt schön, ohne Regentropfen, was nur freilich den Staub unerhört macht, aber alles gesellig erhält. George von Strelitz war 3 Tage hier und gleich wurde ein Corso bei Abend eingeführt. Der Weg wurde mit große bunte Lampen und Fackeln erleuchtet, alle Wagen in Bewegung gesetzt. Es fand sehr viel Beifall, dreimal wurde es wiederholt, viele Blumen und Confetti geworfen. Das Publikum, was zahlreich von beiden Seiten des Weges sich einfand, warf auch mit Blumen und amüsierte sich prächtig. Jetzt nimmt die Zahl der Badenden schon sehr ab. Bald bleiben wir allein. Ich erzähle nun so viel von hier und möchte doch eigentlich nur von Dir hören, wie Du die Reise gemacht und wie Ischel Dir diesmal bekömmt. Deine beiden Schwestern sind dort, und wie die Zeitung erzählt, würde der Kaiser von Östreich auch hingehen. Marie Louise ist dort.106 Letzeres wäre wohl eben so gut, wenn es nicht der Fall. Bitte grüße Deine Schwester Sophie. Wir hatten zwei Ungarinnen hier. Eine hat einen Lieutenant von Hammerstein geheirathet. Ich weiß aber den Famillien Nahmen nicht.107 Und eine Gräfin Stubenhausen,108 die sehr reich sein soll und jetzt in Gratz wohnt. Sie war nicht hübsch, amüsierte sich aber vortreflich. Die andere war mir lieber. Nun adios, Luise geht es langsam besser, noch ist sie in Sanssouci, was mich für sie und für Bruder Fritz freut. Dann ist er nicht so allein und sie ist glücklich dort. Aus Petersburg habe ich die besten Nachrichten. Charlotte selbst schreibt, daß sie wohl ist und stärker geworden, wie ich sie in Palermo gesehen. Das Herzklopfen ist selten und schwach. Sie macht die Feste mit, bleibt aber nur kurtze Zeit. Olly ist überglücklich über ihren Mann, sie adoriert ihn. Adios, Gott mit Dir, Deine Adine Schwerin, den 1ten Oktober 1846 Meine liebe Elis, da ich Dich nun im stillen Erdmannsdorf zurück weiß, soll Dich mein Briefchen dort aufsuchen. Ich war ganz verwundert, Dich bald hier, bald dort in der Zeitung zu finden, denn ich glaubte, Du wolltest während der Zeit der Manöver recht ruhig in Erdmannsdorf leben. Nun wird es Dir doppelt lieb sein, Dich nach dieser Strapatze auszuruhen, und wenn dort eben das schöne Wetter ist wie bei uns, so muß es eine rechte Erquickung sein. Bei Tage ist es doch so warm wie im Sommer. Seit einigen Tagen 105 Heinrich Graf von Reventlow-Criminil (1798–1869), dän. Außenminister. 106 Erzherzogin Marie-Louise von Österreich (1791–1847), Witwe Kaiser Napoleons I. und Herzogin von Parma und Piacenza. 107 Verm. Johanna Nepomucena Josepha Freiin von Banhidy (1824–1891), verh. 1845 Adolf Freiherr von Hammerstein (1823–1872), österr. Offizier. 108 Verm. Anna Gräfin von Stubenberg (1821–1912), verw. Remekházy von Gurahoncz.
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bin ich aber recht durch Briefe von Karl erschreckt worden, da seine arme Luise109 so schwer am Nervenfieber danieder liegt nach seinem letzten Brief vom 21ten. Da muß ich fürchten, daß sie schon ausgelitten. Der Artzt fügte zwar noch hinzu vom Morgen um 10 Uhr, wo starker Schweiz über den ganzen Körper eingetreten, und man hoffen konnte, daß es eine Crisis sei. Gott wolle es geben. Es wäre eine allzu schwere Prüfung für den armen Karl und für Mary. Wie sollte sie es ertragen? Gott ist ja barmherzig und gnädig und kann alles zum Guten wenden. So hoffe ich denn von einem Tag zum andern. Ach, wir haben aber schon so viel Schweres in unserer Famillie erfahren, daß man wenig Muth hat und nur beten kann zu Gott, er wolle helfen und Kraft geben zum Tragen. Kaum habe ich den Muth zu fragen, wie Dir die beiden Schweden gefallen.110 Der eine ist ja mit dem Pferd gestürtzt. Hat Fritz wohl geantwortet auf die Anzeige von den beiden Bewerbern? Es will mir scheinen, als wenn die Ungewißheit und der Gedanke daran, die Kranke quäle. Gott, wie mag es jetzt dort in Genua aussehen? Wenn man einen Blick dahin thun könnte. Wilhelm ist ja in Wien auch krank geworden. Es scheint aber nicht bedeutend, denn es wird in der Zeitung nichts darüber gesagt. Aber von der Marie Mischel111 sind auch schlechte Nachrichten aus Wien gekommen. Man fürchtet, daß sie die Auszehrung hat. Was ist das wieder für eine Zeit der Sorge und Betrübnis. Mein Fritz verläßt mich heute, um eine Hartzreise mit Ober Lippe112 zu machen auf 14 Tage. Es betrübt mich, denn nun kann er nicht mit nach Berlin zum Geburtstag von Deinem Fritz, weil er nur einen Tag früher zu Haus kömmt, und dann seine Geschäfte auf ihn warten. Es bleibt doch dabei, daß ihr zum Geburtstag von Schlesien zurück kommt und in Sanssouci seid? Wenn es anders beschlossen wird, dann läßt Du es mir wohl wißen. Nun leb wohl, meine Kinder küßen Deine Hände. Von Charlotte habe ich die besten Nachrichten. Deine alte Adine Schwerin, den 2ten November 1846 Noch habe ich Dir garnicht geschrieben, geliebte Elis, seit meiner Abreise von Sanssouci, und es bangt mir recht nach Nachricht von Dir. Wir haben uns während der Zeit im Lande herum getrieben, wo es uns unendlich gefallen. In Burch Schlitz bei Graf und Gräfin Bassewitz113 ist es prächtig. Das Schloss liegt auf einem Berg, der mit Buchen Wald umgeben und an dem sich Garten-Anlagen anschließen. Der Blick reicht weit im 109 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, war in Genua lebensgefährlich erkrankt. 110 Kronprinz Karl (XV.) von Schweden und Norwegen (1826–1872) und verm. sein Bruder Prinz Gustav von Schweden und Norwegen (1827–1852) warben um Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 111 Großfürstin Maria Michailowna von Russland (1826–1846) starb am 19. Nov. an Tuberkulose. 112 Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875). 113 Heinrich Graf von Bassewitz-Schlitz (1799–1861) und seine Ehefrau Adele, geb. von Labes (1801–1855).
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Lande herein, was dort hüglich und waldig ist, und vor sich hat man den Malchiner See. Das Wetter war die 2 Tage ziemlich schön, so daß die Haasen Jagdt gut ausfiel und es wunderhübsch aussieht, wie die Herren zu Pferde in röthen Röcken herumflogen und den Haasen nachsetzten. Die Gesellschaft war dort klein, aber recht angenehm. Zum Ball waren dann mehrere aus der Nachbarschaft gekommen, und es wurde sehr munter getanzt. In Ivenak war die Gesellschaft größer, da die Famillie zahlreicher. Die ganze Rauchsche Famillie114 war auch da, und dann kamen die Bassewitzens alle mit hin. Es war aber scharmant, munter und lustig und sehr anständig, was man Ivenak Schuld giebt, nicht immer zu sein. Ich habe mich eigentlich gewundert, daß so garnichts vorfiel, da [es] nach der Jagdt und dem Diner leicht etwas zu sehr munter werden konnte. Dort habe ich auch den Sohn von Prinz Croy kennengelernt, ein guter, lieber, anständiger junger Mann.115 Donnerstag sind wir dann von Ivenack fort gegangen nach einem Großherzoglichen Schloß zu Dargun, was uralt und recht schön ist. Seit undenklicher Zeit ist es nicht bewohnt gewesen und nun oberflächlich eingerichtet, aber ganz anpassend. Fritz gab dort den Herrn eine Schießjagdt. Einige junge Damen kamen zum Essen, und dann wurde noch getanzt, und in der Nacht fuhr die Gesellschaft noch nach Ivenak zurück, wo Fritz noch 2 Tage blieb. Ich schlief in Dargun und kehrte nach Schwerin zurück, wo ich nun in der Stadt wohne, und mit Einkrahmen sehr beschäftigt war, denn seit einem Jahr, also seit meiner Italienischen Reise war ich nicht wieder dort gewesen, da ich draußen im Grünhaus gewohnt. Ich bin aber sehr zufrieden, nun zur Ruhe zu kommen, denn das immer währende Herumziehen wird mir sehr über. Eben scheint die Sonne so schön in meine Zimmer, da mag es auf der Terrasse von Sanssouci recht schön sein. Sonst die letzten Tage waren hier nur 3° Wärme, also kühler wie wir es den ganzen Winter in Palermo hatten. Wie war Costy? Hat er sich etwas merken laßen wegen Altenburg? Luise116 hat aus Stuttgart schon 2 Briefe. Sie gefällt sich dort, der König117 soll sehr liebenswürdig für Olly sein.118 Zweimal in der Woche eßen sie mit den Eltern, sonst für sich oder mit dem Hofstaat, sehen auch Leute bei sich. Am 31ten wollen sie ihren ersten großen Ball geben. Aus Petersburg weiß ich durch die Rauch,119 daß alles wohl ist. Ich bin so im Rückstand mit meinen Briefen, daß ich den Schwestern lange nicht geschrieben. Daher adieu. Was macht Babels120 Laune? Aus Genua sind ja immer gute Nachrichten. Schweden wird nun wohl bald da sein. Am 27ten war er noch in Stuttgard. Der Dicke ist wirklich mit 114 Familie der Cecilie von Maltzahn, Gräfin von Plessen, geb. von Rauch (1795–1854). 115 Prinz Leopold von Croy (1827–1894), Sohn des Prinz Philipp von Croy (1801–1871), preuß. Major und Eskadronchef im Garde-Dragoner-Regiment, ab Okt. 1848 Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 116 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 117 König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864). 118 Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland (1822–1897) hatte am 13. Juli Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891) geheiratet. 119 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 120 Gemeint sind Prinz Wilhelm (I.) von Preußen und seine Ehefrau Augusta, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, wegen ihres Schlosses Babelsberg.
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Schmertzen bei Graf Schwerin121 erwartet worden, denn er hatte enorme Zubereitungen gemacht. Deine alte Adine [Schwerin, November 1846] Meine liebe Elis, Dein Brief hat mir wieder ein Mal eine rechte Freude gemacht, und welche schöne Bestättigung, daß der Bravo122 wirklich sich verheirathet. Uns ist zu Muth, ich weiß es nicht zu beschreiben. Fritz sagte, Gott sei dank, nun ist mir ein Stein vom Herzen. Sie war erst sehr betroffen und etwas unwillig, allein, nach dem sie überlegt und siehet ein, wie alle froh sind, wird es ihr immer klahrer, daß es so wohl am besten ist. Alle Nachrichten, die Du mir gegeben, haben mich interessiert. Daß der Kronprinz von Schweden,123 welcher in Mailand, hat umkehren müßen, finde ich einzig. Es freut mich aber für Wiwi,124 denn es hätte ihr gewiß geschadet. Ob noch etwas daraus wird? Es stellt sich so viel dazwischen?! Die Nachrichten von der armen Marie125 aus Wien sind aber trostlos. Mischel hat neulich einen herzzerreißenden Brief am Kaiser geschrieben, und der soll auch sehr still und betrübt sein sonst. Charlotte geht es gut. Sie hat ein Diner gehabt am Tage der Ankunft von Palermo, wo alles mitgegeßen, welche dort waren, und der Kaiser hat den beiden Ärtzten zuerst zugetrunken. Er kann Gott nicht genug danken, daß diese Reise gemacht worden ist, denn nun hat er seine Frau noch und wer weiß, ob es sonst noch der Fall gewesen. Von hier weiß ich Dir nichts zu schreiben, als daß wir frieren, denn gestern war 1° Kälte, heute aber doch 1° Wärme. Ihr ziehet jetzt wohl bald nach Charlottenburg, wo ich am 18ten Abends denke, mich einzufinden und zwar von Berlin aus werde ich dann hinkommen, also vor 9 Uhr Abends kann ich nicht da sein. Wenn es Dir recht ist, werden Luise und ich in Charlottenburg wohnen. Ob mein Fritz gleich mitkömmt, ist ungewiß wegen dem Landtag. Die Damen und Herren denke ich in Berlin zu laßen. Bist Du vielleicht so gütig und schickst an Auguste diese schottische Sammt Probe? Ich habe sie vergeßen einzulegen in meinem Brief an ihr. Sie will so gut sein und mir Zeug aus England kommen laßen. Ich wünsche mir sehr so ein dunkles Kleid, wenn es noch dunkler sein könnte, wäre es mir noch lieber. Die armen Strelitzer Herrschaften haben doch Unglück mit ihrer Reise, daß sie vor den Thoren von Italien umkehren müßen. Hast Du vielleicht etwas von den Erbgroßherzogs126 121 Verm. Maximilian Graf von Schwerin-Putzar (1804–1872), preuß. liberaler Ständepolitiker. 122 Person nicht zu identifizieren, aber offenbar jemand, der Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859) Hoffnungen gemacht hatte. 123 Kronprinz Karl (XV.) von Schweden und Norwegen (1826–1872). 124 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, lag schwer erkrankt in Genua und konnte den schwedischen Kronprinzen Karl (XV.) nicht empfangen. 125 Großfürstin Maria Michailowna von Russland (1826–1846) starb am 19. Nov. an Tuberkulose. 126 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm und Erbgroßherzogin Augusta von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland.
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in England gehört? Wie es dem armen Fritz gehen mag? Hier will man wißen, er hätte die Rückenmarks Schwindsucht und würde den Winter in London bleiben. Allein, wir können garnichts Gewißes erfahren. Es wäre zu traurig für die armen Eltern. Mein Wilhelm ist jetzt in Bonn, und wie es scheint, gefällt es ihm. Fritz Karl127 war auch eben angekommen. Von Luise habe ich ewig lange nichts gehört. Nun leb wohl. Ewig deine alte Adine Den 8ten. Ich habe in der Zeitung gesehen, daß die Leiche von Onkel Heinrich128 angekommen und schon gestern im Dom beigesetzt. Gerne wäre ich dabei gewesen, da ich die letzte von der Famillie war, die ihn gesehen. Es muß doch wieder ein recht trauriger Moment gewesen sein! Schwerin, den 28ten November 1846 Noch habe ich nicht geschrieben und Dir nicht gedankt wieder für Eure beide freundliche Aufnahme. Sehr ungern ging ich fort, denn so ein paar Tage hat man so wenig von einander und doch war es gut, da Luise mit Fieber zurückkam und Husten und gleich zu Bett mußte und erst seit gestern in der Besserung ist. Obgleich es weiter nichts war als eine leichte Grippe, so hat es sie sehr angegriffen. Doch denke ich, wenn das Wetter so milde ist, wird sie in einigen Tagen ausfahren. Der Tod von der Großfürstin Marie129 hat sie sehr erschüttert. Und dann auch der plötzliche Tod vom Sohn von Graf Plessen Ivenack,130 mit dem sie vor 3 Wochen noch getanzt und überhaubt dort so eine frohe und heitere Zeit verlebt. Sie kam nun zu ihrem Unwohlsein zu und hatte wohl dies Fieber verstärkt. Beide Todesfälle haben mich auch sehr betrübt, weil sie wirklich für beide Eltern gleich traurig sind. An Helene131 habe ich gleich geschrieben, aber es ist so traurig, daß wir von ihr und Caty so garnichts wißen. Weißt Du etwas, so theile es mir bitte mit, denn ich bin für beide Theile recht besorgt. Auch in Petersburg wird es sehr alle Wunden aufreißen, auch von dort weiß ich nichts. Charlotte schrieb mir nur vorher schon recht betrübt. Hier bei uns geht alles seinen ruhigen Weg. Fritz ist viel auf Jagdt. In der nächsten Woche ist er nur einen Tag zu Haus. Der Landtag ist schäuslich. Da kann man auch nicht gegen an.132 Also sind wir eigentlich alle ganz still und gedrückt. Das Theater hat 127 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. 128 Prinz Heinrich von Preußen (1781–1846) war am 12. Juli in Rom gestorben. 129 Großfürstin Maria Michailowna von Russland (1825–1846) war am 19. Nov. in Wien an Tuberkulose gestorben. 130 Friedrich von Maltzahn (1828–1846), Sohn von Gustav Helmuth Theodor Dietrich von Maltzahn, Graf von Plessen auf Ivenack (1788–1862), preuß. Portepee-Fähnrich im Garde-KürassierRegiment, war am 21. Nov. auf Urlaub in Ivenack an einer Unterleibsentzündung gestorben. 131 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), und ihre einzig verbliebene Tochter Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894). 132 Es ging auf dem Landtag erneut um die Beteiligung der zahlreichen bürgerlichen Gutsbesitzer an ständischen Rechten, wie Wahlämtern und Klosterstellen, die dem Adel vorbehalten waren.
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wieder seinen Anfang genommen, doch wegen der Trauer waren wir die letzten Tage nicht dort. Wir trauern 3 Wochen. Ich höre, daß es mit Gräfin Reden133 viel besser gehen soll, seitdem sie einen Artzt aus Dresden genommen. Das wäre doch ein großes Glück, wenn sie wieder hergestellt würde. Von Adelaide134 fand ich am Abend, wie ich von Wilhelm kam, einen trostlosen Brief, worin sie alle Hoffnung aufgegeben hatte. Also mußte sie an dem Tage wohl vorzüglich schwach gewesen sein. Von Luise135 habe ich einen Brief, wo Fritz Louis grade da war und ein Prinz Hermann von Weimar.136 Ich denke mir, er ist vielleicht etwas für Putchen. Marie von Strelitz ist ja wirklich angekommen und hat sich nicht in Berlin aufgehalten, aber Erbgroßherzogs sind nicht unterwegens. Nun leb wohl, tausend Liebes an Fritz, meine Kinder küßen deine Hände. Deine alte Adine Schwerin, den 3ten December 1846 Geliebte Elis, gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Brief, den ich recht ersehnt, da ich garnichts von Dir seit unserer Trennung wußte. Und nun hast Du mir so besorgende Nachrichten von Luise Karl gegeben, von denen ich keine Ahnung hatte, sondern grade vor ein paar Tagen an Karl schrieb, um mich mit ihm der neuen Besserung seines lieben Kindes zu freuen.137 Gott, es wäre ja entsetzlich, wenn es ihm doch genommen werden sollte. Die Nachrichten müssen recht betrübend lauten, da man die Helwig138 gewünscht zu haben. Ach, hätte sie nur hingekonnt. Es ist so ein liebes, sanftes Wesen, den allen dort, sollte das schlimmste eintreten, ein Trost, eine Haltung gewesen. Sie hat selbst so viel Schweres im Leben zu tragen gehabt. Ich bitte Dich, gieb mir nur gleich Nachrichten, wenn wieder welche kommen, denn ich bin sehr besorgt und in Angst. Gott wolle diesen Schmertz von den armen Eltern und von uns allen abwenden. Meine Luise ist jetzt recht munter und heiter. Der Husten ist auch unbedeutend, aber sie wird das Zimmer nicht eher verlaßen, bis er ganz fort ist. Nun leb wohl, verzeih dies Geschmier, sollten bulletins kommen, so bitte laße sie mir abschreiben und so zuschicken. Deine treue Adine Wie kalt war es ein paar Tage! 133 Verm. Gräfin Friederike von Reden, geb. von Riedesel-Eisenbach (1774–1854). 134 Königin Adelaide von Großbritannien, geb. Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen (1792– 1849). 135 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 136 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863) und Herzog Hermann von SachsenWeimar-Eisenach (1825–1901). 137 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, war lebensgefährlich erkrankt. 138 Dora von Hellwig, Gouvernante der Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918).
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Meine liebe Elis, es ist zu gut von Dir, mir selbst immer Nachricht über Luise Karl139 zu schreiben, weil ich weiß, wie Deine Zeit in Anspruch genommen wird. Mir scheint aber, da sich etwas eingestellt, daß nun die Gefahr vorüber, denn davon hing wohl alles ab. Indeßen mag sie grade sehr krank sein, da die Natur doch entsetzlich hat arbeiten müßen, ehe sie so weit gekommen, und die arme Kranke mag arg erschöpft sein. Gott gebe, daß sie Kraft behällt. Den armen Karl bedaure ich entsetzlich, er macht eine schreckliche Zeit durch. Welcher Trost wird es ihm und Allen sein, wenn Grimm kömmt. Er wird Ihnen wie ein Retter in der Noth sein. Aber Du, meine Elis, bist ja garnicht wohl. Du mußt recht erschöpft sein. Was kann es nur sein, daß dies so lange anhällt? Die Ruhe wird dabei recht erwünscht und wohlthätig sein. Es freut mich, daß es mit der Reden140 besser geht. Der arme Bonin,141 welcher wieder Dienst thut, es wird für ihn selbst auch recht gut sein, daß er sich herausreißt. Leider kann ich nicht mehr schreiben. Ich hatte so viele Unterbrechungen. Von Marie Strelitz hatte ich gestern Abend einen Brief. Adios, Deine alte Adine Die Kinder küßen Tante und Onkel die Hände.
Schwerin, den 15ten December 1846 Das gänzliche Verstummen aller Nachrichten aus Genua142 ängstigt mich so, daß ich Dir, geliebte Elis, heute schon wieder schreibe, und besonders da andere Zeitungen keine guten Nachrichten geben. Sie sprechen von Fieber und Phantasieren, was mir so bedenklich scheint, daß man wirklich recht Arges denken muß. Habe Erbarmen, wenn Du etwas weißt, theile es mir mit. Sollte es vielleicht geheim gehallten werden, so kann ich ja schweigen oder sagen, es hätte sich nichts geändert. Nur sage mir die Wahrheit. Grimm scheint auch nicht anzukommen. Man will hier wißen, er wäre an der Gränze aufgehalten worden, weil seine Pässe nicht in Ordnung. Welche Angst für ihn und die Armen, welche ihn sehnlich erwarten. Adios, deine Adine Wir haben Fuß hohen Schnee und 10° Kälte. 139 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 140 Verm. Gräfin Friederike von Reden, geb. von Riedesel-Eisenbach (1774–1854). 141 Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, verh. mit der am 17. Okt. in Berlin verstorbenen Marie Sophie von Zieten (1820–1846). Das Paar hatte drei minderjährige Kinder. 142 Von der an Nervenfieber erkrankten Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen.
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Schwerin, den 19ten December 1846 Habe tausend Dank, geliebte Elis, für Deinen Brief, der ja auch gleich die Ankunft von Grimm in Genua verkündete. Und seine Ansicht, ach, sie scheint doch recht betrübend, obgleich es mir vorkömmt, als wenn er einen guten Moment getroffen. Aber die vielen Aderläße finde ich so ängstlich. Es kann ja die Wassersucht daraus entstehen. Mir scheint es auch ein gutes Zeichen, daß Luise143 Grimm erkannt und nach Berlin gefragt und sich von ihm erzählt hat laßen. Das Weinen dabei will mir auf Heimweh hindeuten. Wenn man sie jetzt im Winter transportieren könnte, woran aber wohl nicht zu denken ist, vielleicht, daß sie ganz genesen würde. Armes, armes Kind. Sie mag viel leiden, und Karl und Mary, in welchem Zustand die wohl sind? Ihr Kind so zu sehen. Grimm ist ihnen allen gewiß wie ein Engel vom Himmel gesendet. Er ist gewiß ihre letzte Hoffnung, wenn er nur die Hülfe bringt! Die arme Zastrow144 und der Dr. Weiß,145 kann ich mir denken, wie sie herunter sind. Wenn man ihr nur Hilfe zu Pflege senden könnte, jemand sicheres, der auch wirklich von Nutzen wäre. Das dicke Blökchen,146 jemand bekanntes müßte es auch sein, denn das Leiden wird sich doch wohl noch in der Länge ziehen. Wenn ich Luise nicht hätte, so machte ich mich gleich mit der Gallenfeld147 auf den Weg. Wir beide verstehen zu pflegen. Du wirst über mich lachen, daß ich mich selbst lobe. Es würde Karl und Mary, glaube ich, auch ganz recht sein, denn sie sind dort auch so allein, so abgeschnitten vom Vaterland und von der Famillie. Ich denke mir ihren Zustand dort in aller Art ganz schrecklich. Von Dir, meine Elis, sagst Du mir garnichts, wie es Dir jetzt geht. Ich hoffe, das ist ein gutes Zeichen. Dein Fritz und Wilhelm sind zur Jagdt in Sagan gewesen, wie ich aus der Zeitung gesehen. Zu Weihnachten sende ich Dir von hier leider garnichts. Man hat dies Jahr so wenig Hübsches. Ich schließe mich also an dem Geschenk mit den Geschwistern an. Gestern Abend ist die berühmte gute Tänzerin Ceritto hier angekommen und wird Sonntag und Montag tanzen, Dienstag schon wieder nach Berlin zurückkehren.148 Ich kenne sie noch garnicht und freue mich daher, sie zu sehen. Es ist nur gut, daß sie gestern gekommen, heute wird garkeine Eisenbahn ankommen können, da solcher Sturm und Schneetreiben ist, daß alles zuweht. Es ist schäuslich.149 [Adine]
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Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Fräulein von Zastrow, Gouvernante der Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901). Mglw. Dr. Weiß, preuß. Oberstabsarzt und Regimentsarzt im 1. Garde-Ulanen-Regiment. Caroline von Block, Hofdame der Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918). Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 148 Fanny Ceritto (1817–1909), Tänzerin. 149 Der unbeendete Brief wurde mit dem vom 25. Dez. 1846 mitgesendet.
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Meine liebe Elis, heute will ich Dir gleich mittheilen, daß ich einen Brief von Karl selbst hatte vom 12ten, wo er denn sehr glücklich schreibt, daß Fritz Grimm ihnen gesendet, und daß dieser wie Dr. Alerz150 zufrieden und einverstanden wären mit der Behandlung von Luise,151 daß diese den ersten Tag zu schwach gewesen wäre, um mit Grimm zu sprechen, da sie wieder 2 Tage vorher zu Ader gelaßen, wo sie eigentlich 3mal, denn 2mal ist kein Blut gekommen, und daß 3te Mal an Laaken Art sei nur spärlich eine Tasse voll dickes Bluts tröpfelnd gekommen. Dies scheint mir nun recht ängstlich. Auch hatte sie wieder seit 35 Stunden kein Auge zugethan und auch kein Apetit. Dies käme aber öfter vor und allarmiert sie nicht mehr, denn ihre gute Constitution hätte sich noch grade in 4 Monat der Krankheit daran gewöhnt. Ich möchte nur wißen, was Grimm davon denkt, da er Luise nun schon mehrere Tage gesehen. Ob er wirklich glaubt, daß sie nicht lebensgefährlich krank ist, und daß sie wieder hergestellt werden kann? Es muß aber ein Jammer sein. Dies viele Blut ablaßen mag nothwendig sein, aber wo soll das hinaus, denn es dauert so lange und die Kräfte müßen schwinden. Wir haben nun auch wieder Trauer um den Landgraf von Homburg.152 Dieser Tod betrübt mich sehr, da er ein recht alter Bekannter ist. Als Kind erinnere ich mir, wie er schön war und liebenswürdig. Und wie fand ich ihn verändert 1841, wie ich in Homburg war, ein Greiß war er geworden. Wie aber diese viele Verluste meine arme Schwiegermama und ihre beiden alten Schwestern ertragen sollen, weiß ich nicht. In einem Jahr 2 Schwestern und einen Bruder zu verliehren, ist wirklich entsetzlich hart.153 Der Gedanke, daß man selbst so etwas erleben müßte, ist kaum auszudenken. Mehr will ich Deine Zeit nicht in Anspruch nehmen, denn ich fürchte, dieser Brief fällt in die Weihnachtsbescherung hinein. Adios, an Dicken viel Liebes. Deine alte Adine Schwerin, den 25ten December 1846 Geliebte Elis, nur ganz schnell Dir einige Worte geschrieben, um Dir und Fritz so ungeheuer zu danken für die Weihnachtsgeschenke. Nein, das Bild von Palermo, ich schrie laut auf, als ich es erblickte. Das ist eine so einzige liebenswürdige Idee, daß ich es garnicht aussprechen kann. Die Bronce Gruppe der seeligen Brunnhild ist scharmant gemacht. Und gestern beim Weihnachten kam noch Dein lieber Brief an. Das war auch eine Freude und brachte auch ein Schimmer von bessern Nachrichten über Luise Karl.154 150 151 152 153
Clemens August Alertz (1800–1866), Geh. Sanitätsrat in Rom und päpstl. Leibarzt. Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Landgraf Philipp von Hessen-Homburg (1779–1846) war am 15. Dez. gestorben. Gemeint sind die Schwestern Erbprinzessin Amalie von Anhalt-Dessau (1774–1846) und Prinzessin Marianne von Preußen (1785–1846), geb. Prinzessinnen von Hessen-Homburg, sowie der Bruder Landgraf Philipp von Hessen-Homburg (1779–1846). 154 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen.
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Briefe 1824–1850
Ach, wenn Gott unsere Gebete erhören wollte. Du verkündigst mir noch ein Geschenk, was noch nicht angekommen ist. Es ist zu lieb von Dir, mir noch etwas zu senden. Tausend, tausend Dank für alle Liebe, die Du mir bei aller Gelegenheit zeigst. Wilhelms haben mir auch deliziöse Sachen gesendet. Nächstens werde ich Auguste dafür danken. Nun muß ich schnell fort. Wir wollen bei Fritz frühstücken, wo unsere Weihnachten noch stehet. Da habe ich dann auch so unerhört Vieles und Hübsches erhallten, unter anderem ein Point Echarpe und 2 Kleider, eine weiß gestickte Mantille, von meiner Luise ein kleines Bild von Palermo, die Marina, 2 Leuchter, ein Buch mit Ansichten von Venedig und ihr Bild. Nun Adios, Deine treue Adine Da finde ich aber einen angefangten Brief an Dich vom 19ten. Ich sende ihn Dir aber doch mit. Schwerin, den 31ten December 1846 Noch im alten Jahr möchte ich Dir danken für den letzten Brief, der mir die besten Nachrichten von Luise Karl155 gab und die Ankunft von Grimm meldet. Ach Gott, wolle das liebe Kind den armen Eltern erhallten [bleiben] und wie es scheint, hat Grimm Hoffnung zu Herstellung. Aber recht krank muß sie denn doch noch immer sein. Ist es wohl wahr, daß der Dr. Kaspar156 nach Genua geht? Er soll wohl Weiß ablösen, oder bleibt der auch? Ich glaube, wir machen uns keine klahre Vorstellung von der Krankheit von Luise, ihr wohl in Berlin, und nun besonders, da Grimm alles erzählen kann und auseinandersetzet, aber wir, wir hallten es immer für schlimmer oder leichter! Wenn man sie nur in andere Luft bringen könnte, denn die 4° Kälte in dem luftigen Hause muß schrecklich sein, auch für die Gesunden. Ich will heute noch an Karl schreiben. Ach, Gott allein weiß, was das Neu Jahr bringen wird, mit zagen kann man nur der Zukunft entgegen gehen. Gott weiß zwar alles weise einzurichten, es ist oft aber für den armen, schwachen Mensch schwer, sehr schwer zu tragen. Wie viel Wunden schlägt er, die nie heilen, wie viel Thränen fließen um den Entschlafenen, dabei muß ich recht an der armen, Luise denken. Die hatte ein Thränen schweres Jahr, Weihnachten war für sie ein Schmertzens Tag, da der liebe Fritzi157 fehlte. Auch meine Luise läßt manche Wünsche zurück, sah sich getäuscht in ihren Erwartungen, nur der Herr weiß allein, zu was es gut ist. Meine Schwester Luise schrieb mir vor ein paar Tagen ganz ausführlich über den Hermann,158 aber so komisch dabei, daß ich habe darüber lachen müßen. Es ist ein Glück, daß das gute Kind so reich ist, da findet sich wohl einer wieder, denn um ihrer 155 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 156 Johann Ludwig Casper (1796–1864), Prof. in Berlin, Geh. Medizinalrat und Leibarzt des Prinzen Carl von Preußen. 157 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846). 158 Herzog Hermann von Sachsen-Weimar-Eisenach (1825–1901).
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selbst willen käme sonst wohl keiner. Wir haben seit gestern den schwedischen Gesandten Graf Wrangel159 aus Hamburg hier. Er bleibt einige Tage. Der fragte sehr angelegentlich nach Luise,160 und ich konnte ihm ja bessere Nachricht geben. Ach, eine Bitte hätte ich, wenn Du an Grimm vielleicht sagtest, er möchte mir aufrichtig und offen über Luise schreiben. Er kann überzeugt sein, daß ich es nicht mißbrauchen [werde]. Und Du kannst mir vielleicht angeben, was man in der Welt nur wißen soll. Das würde ich dann verbreiten. Nun leb wohl, Gott sei Dir und Fritz ein Schutz und Schirm, und für mich bleibe immer so lieb und gut wie bisher. Ich liebe Dich aber auch so recht aus der Tiefe meines Herzens. Mit Treue, Deine alte Adine Meine beiden Kinder küßen Deine Hände, und legen Dir wie Fritz ihre Glückwünsche zu Füßen. Nachtisch. Eben ist Dein Geschenk angekommen, ein weißer Glaß Korb und von bronce drei Arme zu Licht, wie es aber in Verbindung gebracht werden soll, weiß ich nicht.
159 Anton Reinhold Graf Wrangel von Sausis (1800–1876), schwed. Ministerresident in Hamburg und Gesandter auch für Mecklenburg. 160 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen.
1847 Schwerin, den 8ten Januar 1847 Tausend Dank, geliebte Elis, für Deine beiden Briefe vom 4–6 Januar. Der letztere hebt doch etwas die Angst vom anderen, und doch will mich noch wenig Muth beleben. Es dauert garzu lang. Allein, das Vertrauen zu Gott muß einen aufrecht hallten. Er wird die Angst und den Kummer der armen Eltern belohnen. Es ist mir leid, daß Karl an Grimm das Verboth gegeben. Dadurch ist ein Geheimniß um der Sache gelegt, die schlimmer als die Wahrheit ist, da die Welt nun sich in den schwärzesten Vermuthungen erschöpft, und sie für Gewißheit ausgiebt. Da ich von nichts weiß, so spreche ich von Nervenaufregung, wenn man mir davon spricht. Der schwedische Gesandte aus Hamburg, welcher hier war, hatte auch immer die schrecklichsten Nachrichten. Ich konnte ihn nicht beruhigen und nur antworten. Ich wüßte davon nichts. Gott wolle die liebe Kranke in seinen gnädigen Schutz nehmen. Wir waren zwei Tage in Ludwigslust zu einem Ball im Casino, der sehr hübsch ausfiel, und es wurde mit Passion getanzt. Den andern Tag, wie gestern hatten wir ein Diner beim Onkel Gustav, und erst gegen 10 Uhr Abends kehrten wir hier her zurück. Am Dienstag, dem 12ten beginnt unser Karneval hier mit einem großen Galla Ball. In Berlin beginnt er wohl erst nach dem Ordensfest.1 Ich kann mir denken, daß ihr eigentlich nicht aufgelegt seid zu großen Festen, indessen die Welt verlangt dergleichen. So halb und halb hoffe ich noch im Winter einmal nach Berlin zu kommen. Die Zukunft wird lehren, ob es möglich ist. Leb wohl, noch einmal tausend herzlichen Dank, daß Du mir immer so gleich Nachricht giebst, wenn welche aus Genua kömmt. Es ist nur zu gut von Dir, daß Du Dich jedesmal selbst die Mühe zu schreiben giebst, aber ich bin Dir ungeheuer dankbar dafür. Daß Fritz die Erlaubniß an meinen Fritz gegeben zu dem gewißen Besuch, erfreut mich ganz und garnicht.2 Leb wohl, Gott mit Dir, die Zeit der Ruhe in Potsdam ist nun auch aus. Deine treue Adine Mathilde Brandenburg schreibt mir einen glücklichen Brief mit der Verlobungsanzeige ihrer Tochter.3
1 Das Stiftungsfest des 1701 entstandenen Hohen Ordens vom Schwarzen Adler war am 18. Jan. 2 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hielt sich vom 14. bis 18. Juni in Stonsdorf auf, verm. um seine spätere Ehefrau Prinzessin Auguste von Reuß-Köstritz (1822–1862) zu besuchen. 3 Friederike Wilhelmine Elisabeth Mathilde Gräfin von Brandenburg (1825–1900) heiratete am 24. Mai Erdmann Alexander Georg von Pückler (1820–1864).
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Schwerin, den 20ten Januar 1847 Dein Brief, liebe Elis, hat mir eine doppelte Freude gemacht, da ich sehe, daß es mit Deinem Schnupfen besser ging. Wenn Du auch noch das Zimmer hütest. Und dann gibst Du auch bessere Nachricht von Wiwi4 aus Genua. In einer Zeitung stehet, es sogar ausführlich, daß ihr die Kälte behagt. Den 23ten. Es war mir nicht möglich bis heute, diese angefangenen Zeilen fortzusetzen, so nichtssagend sie sind. So laß ich sie, damit Du siehest, daß ich wenigstens schon angefangen zu schreiben. Seitdem habe ich Briefe aus Genua gehabt von Karl vom 12ten und von Mary vom 13ten. Beide sprechen mir ihre Freude aus, daß es doch wirklich seit 11–14 Tage etwas besser ging. Aber sie sind natürlich so zaghaft geworden, daß sie es kaum wagen auszusprechen. Zweimal war sie auf eine Stunde aufgewesen, in einem Lehnstuhl sitzend. Der Schlaf wolle danach nicht kommen, es rege sie noch zu sehr auf, aber mit großer Geduld und Zeit kann man Heilung doch erwarten. Gott wird es ja geben. Der Brief vom Dicken hat uns ungeheuer amüsiert. Wie aber der olle König von Cumberland5 doch schlecht berichtet ist und man ihm viel Lügen vorerzählt. Diese Heirath fehlte noch!!!!!! Nun komme ich mit einer ungeheuer neugierigen Frage, nemlich, es sind mehrere Fremde hier und es kommen noch künftige Woche welche, die längere Zeit bleiben wollen. Nun liegt es aber noch in unserem Plan auf 8–14 Tage zu euch nach Berlin zu kommen und etwas Carneval mitzumachen. Du schriebst nun, wegen großer Armuth würdet ihr am Hof wenig geben. Da wollte ich fragen, ob ihr gar keinen großen Ball in der letzten Carnevals Woche mehr gebet vom 7–16ten, und ob Wilhelms in dieser Zeit auch nichts giebt. Dann würden wir lieber hier bleiben, und die Fremden bei uns behalten. Da dies aber bestimmt werden muß, so möchte ich Dich bitten, mir bis Donnerstag, wo wir grade in Ludwigslust sind, mir deine Ideen mitzutheilen, was vielleicht in den letzten 14 Tagen vom Carneval die Absicht ist zu thuen und nicht zu thuen. Es sieht eigentlich wohl sehr impertinent aus, aber es ist nicht so gemeint, und ich kenne Deine Nachsicht. Daß wir immer gerne zu Euch kommen, das wißt ihr. Es sind nur die Umstände, die diese Frage herbeiführen. Unsere Idee war, vielleicht am 5–6ten Februar nach Berlin zu kommen! Wir haben hier schon mehrere Bälle, die sehr hübsch waren. Heute ist ein Concert für die Armen. Morgen ist bei Euch das Ordensfest. Das ist eine Fatiege. Ich hoffe, daß es Dir gut bekommen wird, und Du Dich nicht erkältest. Aus Petersburg habe ich gute Nachrichten. Olly schrieb heute aus Stuttgard, daß sie sich dort sehr gut amüsiere, unter anderem geben sie ein Bohnenfest mit allem möglichen Späßen, Hofchargen und dergleichen. Die arme Luise hat heute einen schrecklich traurigen Tag, der Todestag vom Fritzi.6 Sie schrieb mir schon vor ein paar Tagen so traurig. Arme, arme Luise, sie durchlebt so jede Stunde, jede Minute. Wie kenne ich das! 4 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1902), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 5 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851), Herzog von Cumberland. 6 Prinz Friedrich der Niederlande (1836–1846) war am 23. Jan. 1846 verstorben.
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Der Palatin ist nun auch tod,7 was wird es geben, kömmt der Stephan nach Ungarn oder nicht? Darauf bin ich sehr gespannt. Nun leb wohl und verzeih meine Fragen. Mit Liebe Deine alte Adine Schwerin, den 30ten Januar 1847 Mit rechtem Bedauern höre ich, daß Du liebe Elis, doch noch unwohler geworden bist, als Du es glaubtest. Wie Du so gut warst, mir zu schreiben am 26ten. Du bist zur Ader gelaßen und das hat mich recht erschreckt. Gott wolle geben, daß es weiter nichts zu sagen hat und daß wir uns wohl und heiter wiedersehen. Doch möchte ich Dich recht dringend bitten, mir zu sagen, ob wir auch lieber späther kommen sollen, daß wir Dich jetzt genieren. Sonst war unsere Idee, am Freitag, dem 5ten Februar mit der Eisenbahn um 4 Uhr in Berlin anzukommen und 8–14 Tage zu bleiben. Lieber wären wir am Mittwoch schon gekommen, allein, da haben wir noch einen Ball in Ludwigslust und so werden wir uns nun gleich in die große Welt bei Wilhelm stürtzen. Heute haben wir unseren 2ten Sonnabend Ball, der sehr besucht werden wird. In Berlin ist er auch wohl heute, und da er für Arme, so wird er gewiß recht viel einbringen. Eben bekam ich einen Brief von Fräulein von Kameke, die mir schreibt, daß Du noch immer krank, viel hustest und recht angegriffen seiest. Wie mir das leid ist, kann ich garnicht sagen. Ich hoffte, es sollte nur ein leichtes Unwohlsein sein, und nun dauert es so lange. Bitte laß mir durch irgent eine Deiner Damen sagen, wie Du es wünschest mit unserem Kommen. Es wäre gewiß am besten, wenn wir auch erst Sonnabend oder Sonntag kämen, dann sind es doch 8 volle Tage noch, und die brauchst Du gewiß zur Herstellung. Wilhelms sind nach Weimar, also geben die ihren ersten Ball auch nicht am 5ten. Nun leb wohl, ich sitze schon im Ballstatt, das heißt, schwartzes Samtkleid von Dir und einen schwartzen Samthuth mit rother Pfeder und Brillanten. Ich will mein Volk éblouieren.8 Mit Liebe, Deine Adine Schwerin, den 2ten Februar 1847 Meine liebe Elis, Du bist so gütig gewesen und hast mir durch Fräulein Kameke schreiben laßen, daß Du Dich freuen würdest, wenn ich käme, mich aber nicht in den ersten Tagen sehen könntest, da Du noch zu angegriffen sein würdest. Das betrübt mich recht innig, denn ich sehe immer mehr daraus, wie Du krank gewesen bist und wie Du wieder davon schwach und matt geworden. Es würde mich sehr glücklich machen, wenn ich dir 7 Auf den am 13. Jan. gestorbenen Erzherzog Joseph von Österreich (1776–1847) folgte als Palatin und Stellvertreter des Königs von Ungarn sein Sohn Erzherzog Stephan von Österreich (1817– 1867). 8 Frz. = durch Glanz blenden und verblüffen.
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nützlich sein könnte, wenn Du erst soweit sein wirst, mich sehen zu können, Dir ein bischen vorschwatzen, um die Zeit zu vertreiben, und was Dir grade recht ist. Auf jeden Fall werden wir nun erst Sonntag kommen. Das ist schon etwas länger und dann habe ich eher Aussicht, Dich bald zu sehen. Übrigens denke ich, werden wir weder Dich noch Fritz genieren, und ihr beide werdet machen, als wenn wir nicht da sind. Nur ab und zu einmal sehen, wenn es Euch passt. Am Donnerstag haben wir einen Ball in Ludwigslust und Sonnabend wird noch ein Ball im Schauspielhaus sein, der erst am 13ten sein sollte, aber man wünschte mehr, daß wir anwesend wären. In 2 Stunden fängt unser Galla Ball an, dann ist es bei uns aber vorbei. Nun leb wohl, Gott gebe Dir baldige Besserung und laße Deine Kräfte bald wiederkehren. Mit inniger Liebe. Deine alte treue Adine Fräulein Kameke ist so gut und schreibt mir täglich, wie es Dir geht. Das ist mir viel werth, dann weiß ich doch alle Tage, wie Du geschlafen. Das scheint aber auch nicht recht gehen zu wollen.
Schwerin, den 25ten Februar 1847 Meine innig geliebte Elis, endlich darf ich Dir wieder schreiben, nach so langen bangen Tagen. Ach Gott, wie habe ich für Dich gezittert, und wie innig stig täglich mein Gebet für Dich zum Himmel. Nun, Gott hat uns erhört, dafür sei er gepriesen. Nun muß ich Dir gleich ungeheuer danken für Dein Bild. Nein, die Freude, die Du mir dadurch gemacht, ist nicht in Worten auszudrücken. Dein Herz wird es Dir aber sagen, da Du weißt, wie lieb ich Dich habe. Ich bin überglücklich, denn ich hatte keinen größeren Wunsch, und grade so auf meinen Tisch stellen zu können, und daß es mich auf Reisen begleiten kann. Habe tausend, tausend Dank dafür, so auch für das Atlas Kleid und das schottische Sammt Kleid. Überhaubt bin ich wieder so reichlich beschenkt worden. Ich will Dir alles aufzählen, vielleicht zerstreut es Dich ein bischen. Von meinen Sohn Fritz ein Sammt Kleid (dolia), einen schwartzen Kanten Echarpe und ein Armband. Von meiner Luise ein Öhlgemählde, eigene Composition und selbst gemahlt, einen Sonnenuntergang am blau italienischen Meer, wo der Mond sich als Sichel matt sehen läßt, im Vordergrund, ein Schiffer am Kahn gelehnt, außerdem ein Heft mit Ansichten von Venedig. Von Wilhelm eine Tischdecke. Von meinem Onkel Gustav 2 bronce Schaalen. Von Marie aus Altenburg, wie Du hast, nach Wiener Modell ein Büchertisch. Von Helene einen weißen Huth zur Promenade. Von Charlotte eine Brosche von Ametist, eine dicke Bommel, so apetitlich. Von Wilhelms und Abat eine wunderhübsche Ampel. Von Fräulein Kameke mehrere Kleinigkeiten, von der Schreeb eine Tischplatte, worauf sie Blumen gemahlt, von der Schöning eine selbst gemahlte Ansicht von Palermo, von der Gallenfeld mit mehreren bekannten Damen eine Portiere.9 Fräulein Kameke schrieb mir gestern, daß 9 Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Elisabeth von Schöning
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Du so gütig gewesen bist und hast ihr durch der Clauss10 so freundliche Grüße für mich bestellen laßen. Habe Danke für alle Liebe, die Du mir so oft und vielfältig beweisest. Nun will ich aber aufhören, es könnte Dich ermüden. Vielleicht komme ich zum 10ten Märtz nach Berlin, weil Fritz mich so liebevoll mehrmals nun eingeladen hat, aber erst möchte ich wißen, ob es Grimm erlaubt, daß es Dir nicht schadet, wenn ich Dich dann besuchen darf. Mit innigster Liebe, Deine treue alte Adine Schwerin, den 8ten März 1847 Meine theure Elis, endlich kann ich mit Bestimmheit sagen, daß ich morgen am 9ten Nachmittag in Berlin par Eisenbahn ankommen werde, worauf ich mich unendlich freue, weil ich hoffe, Dich vielleicht noch gleich zu sehen, oder den andern Vormittag. Meine Söhne werden wohl einige Tage späther kommen, da mein premier Lieutenant11 mit dem Pferd gestürzt war und sich am Auge eine Wunde gefallen, die zwar zu, aber sonst noch braun und blau im Gesicht aussieht, so also sich nicht sehen laßen kann. Er thut zwar, was er kann, um schön zu werden, denn er sehnt sich seinen Dienst anzutreten. Der gestrige schmertzliche Tag war für mich diesmal wieder unendlich schwer! Du hast gewiß meiner in Liebe gedacht. Auf Wiedersehen, meine innig geliebte Elis, wie danke ich Gott, daß er mir diese Freude wieder giebt. Deine treue Adine An Fritz bist Du wohl so gut, meine Ankunft anzuzeigen. Er hat mich in der letzeren Zeit recht mit seiner Liebe und Freundlichkeit in Briefen und That verzogen.
Schwerin, den 28ten März 1847 Meine liebe Elis, mit unendlicher Freude nahm ich heute nach alter Gewohnheit wieder die Feder zur Hand, um Dir zu schreiben und schon gestern hatte ich durch Fräulein Kameke wieder Nachricht von Dir, wo Du gut geschlafen, aber natürlich nicht mehr ausgefahren warst, da mit unserer Abreise alle Sonnen verschwunden waren. In unserer Eisenbahn eingesperrt, hoffte ich von einer Stunde zur anderen, es sollte [sich] Sonne und warme Luft einstellen, allein, es wurde immer kälter. Ich war ordentlich böse, denn die Luft wäre die beste stärkende Arzenei für Dich. Heute sieht es freundlich aus, aber es ist noch sehr früh, eben 8 Uhr vorbei. Ich hoffe, daß auch heute die Nacht gut war. Hat denn der abscheuliche reitz Husten im Bett aufgehört? (1817–1882) und Bertha von Schreeb (1814–1883), Hofdamen der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 10 Fräulein Clauce, Kammerfrau der Königin Elisabeth von Preußen. 11 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879).
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Wir haben dann in Ludwigslust noch einen rechten hübschen Abend verlebt. Es war ein Liebhaber Theater, und die Stücke wurden sehr gut gegeben. Das Erste war „Der erste Eindruck“12 und das Zweite „Nach Sonnenuntergang“.13 Wir haben viel gelacht und waren sehr munter. Das war aber nöthig, daß wir aufgeheitert wurden, denn wir verließen Berlin recht ungern. Es war so gesellig, alles hatte neues Leben bekommen, da die lange Angst sich in Freude verwandelt. Bei dieser Gelegenheit hat sich recht die Liebe für Dich klahr und deutlich gezeigt, und das that mir so wohl, daß die Menschen es aussprechen. Jetzt werden wohl alle Besuche aus Berlin fort sein, denn die jungen Strelitzer wollten gestern gehen. Diese paar Tage thaten ihnen ordentlich gut, obgleich es Fritz vielleicht körperlich angriff, aber es zerstreute ihn auch. Der Braunschweig14 geht wohl morgen. Ich habe mich sehr gefreut, ihn wiederzusehen. Für mich bleibt er sich immer gleich. Auguste war den letzten Abend einzig mit ihm. Mich hat es sehr amüsiert. Die kleine Croy15 gefiel ihm aber besser. Hier ist nun freilich eine stille Zeit an sich selbst. Es kömmt uns diesmal aber recht eigen vor. Ich weiß nicht, woher, es macht uns allen denselben Eindruck. Wenn es erst grün wird, dann geht es wieder. Mir sind eben die ruhigen Stunden sehr viel werth. Wenn man älter wird, dann ist alles anders in der Welt. Nun leb wohl, ich muß frühstücken, die Kinder kommen schon und küßen Deine Hände. Beide lieben Dich unendlich, so wie ich es thue. Deine treue Adine Ich bitte Dich nur, mir nicht zu schreiben. Das greift Dich noch zu sehr an, und Deine Geschwister haben mehr Recht dazu. Laß mir nur durch Fräulein Kameke sagen, wie es Dir geht, und was der Reitzhusten im Bett macht. Bist Du vielleicht so gnädig, und läßt meinem Wilhelm dies Briefchen zukommen. Ich denke mir, daß er heute in Berlin ist und den Abend im Theater ist, und da weiß ich ihn nicht zu finden.
Schwerin, den 5ten April 1847 Wäre ich meinem Herzen gefolgt, so hätte ich Dir schon längst gedankt für Deinen lieben Brief. Allein, ich dachte, es sei besser zu warten, und so gebe ich dieses Briefchen an meinen Sohn Wilhelm mit, der uns morgen früh verläßt. Die Stunde seiner Ankunft wird wohl schon etwas späth im Nachmittag sein, so daß er Dich nicht sehen kann, und er eilt noch am selben Abend nach Potsdam. Nun aber vor allem muß ich Dir unerhört viel danken für die Freude, die Du mir hast gemacht durch den selbst geschriebenen 12 13 14 15
Der erste Eindruck, Lustspiel von Eugène Scribe (1791–1861). Nach Sonnenuntergang, Lustspiel von Hippolyte Leroux (1801–1860). Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884). Verm. Prinzessin Luise von Croy (1825–1890), Tochter von Prinz Philipp von Croy (1801–1871), preuß. Major im Garde-Dragoner-Regiment, heiratete am 20. Juni 1848 Konstantin von Benckendorff (1817 –1858), Flügeladjutant bei Kaiser Nikolaus I. von Russland und ab 1847 russ. Militärbevollmächtigter in Berlin.
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Brief. Ich traute meinen Augen nicht, wenn es Dir nur nicht geschadet, denn es hat Dich recht angegriffen, obgleich es Deiner Handschrift nicht anzumerken war. Wir haben die stille Woche recht still und ernst zugebracht, was doppelt wohl that nach der so sehr geräuschvollen Zeit in Berlin. Wir haben uns alle recht vorbereitet zum Abendmahl am Grünen Donnerstag, was so schön und feierlich im Dom jetzt gehalten wird, so lange der Schloßbau dauert. Besonders mir ist es immer so viel werth dort, da Paul dicht hinter dem Altar steht, und so kömmt es mir vor als wenn er mit mir an [den] Tisch des Herrn trete, und er mich mit seiner Liebe umschwebte. Aber es war unerhört kalt, so daß wir alle ganz erstarrt zurück kamen, und ich den andern Tag Schmertzen im ganzen Kopf hatte. Du hast wohl diese tage noch vorüber gehen laßen zu dieser heiligen Handlung. Das würde Dich zu sehr angegriffen haben, da die bloße Kirche vom Nebenzimmer Dich schon so angreift. Ich bin überzeugt, es ist der Gesang, der die Nerven so ergreift. Karl und Mary sind also auf 8 Tage ausgeflogen. Das gönne ich ihnen recht, diese kleine Freude nach so viel Angst und Sorgen, und außerdem sind sie so nahe von ihrem lieben Kind, in 2 Tage erreich sie es bequem. Nun hoffe ich, wird sich ihr Geist nun aufschwingen, da sie so herausgerißen werden auf ihrem täglichen Leben, neue Gegenstände sehen, Menschen sprechen können, schöne Natur und Kunst vereint finden in beiden Städten wie Rom und Florenz. Karl wird den neuen Papst gewiß kennen lernen.16 Du sollst nur sehen, es wird einen günstigen Einfluß auf ihn haben. Von Charlotte weiß ich nichts, aber Luise schrieb mir einen recht angstvollen Brief über König Wilhelm,17 welcher plötzlich so krank geworden war, aber nun scheint es besser zu gehen. Auch Helene18 scheint erkrankt nach der Zeitung. Weißt Du etwas davon, so bitte laß es mir wißen. Der König […]19 Schwerin, den 14ten April 1847 Ich schreibe Dir schon heute, um Dir zu danken für Deinen lieben Brief vom 11ten. Der wichtigste Tag für Preußen und für ganz Deutschland! Ich fand die Rede von Fritz ganz wunderschön, so kräftig und klahr. Keiner kann in Ungewißheit bleiben, was die Idee von ihm ist, und ein jeder wird nun wißen, woran er sich zu halten hat. Ich denke mir, die Rede muß einen mächtigen Eindruck gemacht haben.20 Noch danke ich Dir, daß Du mir gleich mitgetheilt hast, daß Karl noch gekommen ist. Es freut mich eigentlich ungeheuer, und daß er schon wieder fort ist, ist auch gut, denn sein längerer Aufenthalt wäre nicht gut ge16 Pius IX. (1792–1878), zum Papst gewählt am 16. Juni 1846. 17 König Wilhelm II. der Niederlande (1792–1849). 18 Mglw. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873). 19 Der Rest des Briefes fehlt. 20 In seiner berühmten Rede proklamierte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen anlässlich der Eröffnung des Vereinigten Landtages als Versammlung der Stände aller preußischen Provinzen in Berlin seine Vorstellungen einer vormodernen Ständemonarchie zwischen Absolutismus und konstitutioneller Monarchie. Er erwähnte dabei auch das Vorbild des einen glücklichen Landes, das diese Verfassung bewahrt habe, meinte dabei aber wohl nicht England, sondern Mecklenburg.
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wesen. Daß Luise21 aber immer noch so aufgeregt ist und unruhigen Schlaf hat, will mir garnicht gefallen. Nun werden sie wohl bald Genua verlaßen. Darauf bin ich nur neugierig, wie ihr das bekommen wird. Ich denke, das wird ein wichtiger Schritt sein und viel davon abhängen. Warum ich aber grade heute schreibe, wirst Du leicht errathen. Es ist der Todestag der geliebten Tante. Ach, was haben wir in ihr verlohren, und meine Thränen fließen ihrem Andenken. Mir ist wehe um das Herz, als wenn es unserer Mutter Todestag wäre. Ich muß so viel des lieben armen Onkels gedenken und der beiden Söhne, nicht minder der entfernten Tochter.22 Das sind schwere Tage für die armen Zurückgebliebenen! Voriges Jahr war ich in Rom und hatte so wenig eine Ahnung von dem, was in Berlin vorging, was uns für eine Trauer überkam. Ich war heute nach Tyvolie bei einem himmlischen heißen Tag, und wir genoßen so das Schöne, die Natur wie die Kunst. Wir waren so recht froh. Charlotte war in Neapel und fuhr wider aus nach ihrer Krankheit. Aus Petersburg sind ja, dem Himmel sei dank, ganz gute Nachrichten wieder. Wie krank ist aber der Kaiser gewesen? Charlotte schrieb mir selbst vom 28ten März, wo es eben so besser ging, und sprach mir doch selbst aus, daß sie geglaubt, es könnte einen Tag schlecht enden, der Kaiser selbst es geglaubt. Seine Natur und Mandt23 haben ihn gerettet. Seitdem hat sie mir durch Rauch24 schreiben laßen, vom 4ten April sind meine letzten Nachrichten. Doch soll der Kaiser da noch recht schwach und angegriffen gewesen sein, was wohl nicht zu verwundern nach solchen Leiden. Wenn Mandt es doch nun jetzt durchsetzen könnte, daß der Kaiser nach Kissingen ginge. Es ist ihm gewiß so recht nothwendig und würde ihm das Leben auf manche Jahre erhalten! Charlotte erhielt sich bis dahin wunderbar gut trotz Angst und Osterfeiern. Wenn es nur nicht nachkommt. Wie wollte ich mich für Charlotte und Luise freuen, wenn sie zusammen sein könnten. Der armen Luise gönnte ich so recht diese Wonne und dieser Genuß nach solcher Trauer und manchen Entbehrungen. Doch es hat seine Schwierigkeiten wegen Fritz seiner Gesundheit. Der bedarf auch recht der Stärkung an Leib und Seele. Und der Krankheitsanfall von Wilhelm hat ihn sehr erschreckt. Für mich ist so halb und halb von Marienbadt die Rede. Ich möchte es aber dies Jahr nicht wegen der theuren Zeit und nun gebrauche ich so eine Cour, die es vielleicht unnöthig macht. Bis Anfang Mai wird es sich dann entscheiden. Meine Beine wollten mich wieder nicht tragen und waren so schwach. Heute ist himmlisches Wetter, daß ich denke, Du wirst gewiß ausfahren. Das wird Dich stärken. Du mußt nun kräftiger werden. Das dauert zu lange. Lenee25 ist jetzt hier und meint, Du gingest nach Potsdam, wenn das Wetter schön würde. Dann wird es Dir auch recht wohlthätig sein. Denn jetzt in Berlin, wo Du meinst, die Fremden sehen zu müßen, das kann Dir nur schaden. Adios, Gott mit Dir, Deine treue Adine 21 22 23 24
Prinzessin Luise von Preußen (1829–1902), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Gemeint ist die Familie von Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851). Martin Wilhelm von Mandt (1799–1858), preuß. Leibarzt von Kaiser Nikolaus I. von Russland. Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) war als Generaladjutant des preuß. Königs und zugleich preuß. Militärbevollmächtigter in St. Petersburg der Verbindungsmann zum russ. Hof. 25 Peter Joseph Lenné (1789–1866), preuß. Gartenarchitekt.
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Hat Agnes nicht die Oberlippe26 in Berlin gesehen? Die müßen ein Paar werden!
Schwerin, den 30ten April 1847 Ich habe Dir so schrecklich lange nicht geschrieben, daß es mir ganz unheimlich ist, aber ich habe doch Nachricht von Dir und weiß, daß Du ausfährst und die Treppen herunter gehest, herauf noch getragen. Das nenne ich doch Fortschritte machen, und bei dem warmen Regen, wonach alles grün wird, wirst Du Doch auch schneller erholen. Zwar müßten keine Gemüthsbewegungen dabei vorkommen, wie sie [sich] in der letzten Zeit darbothen. Ach, die Noth ist ein schlimmes Ding, einjeder muß sich so etwas gewärtig sein. Wir werden daher unser liebes Meklenburg nicht verlaßen und keine Reise machen, denn selbst hier fehlt es an Kartoffeln und Korn. Letzteres ist zu viel ausgeführt worden, weil man nicht glauben wollte, es könne hier jemals fehlen. Bei allem dem zeigt aber unser lieber Bruder, wie man es hoffte, bei dem Landtag sich kräftig und bestimmt, und daß soll solchen großen Eindruck machen, daß alle Parteien ihn bewundern und ehren. Aus Wien habe ich einen Brief von Amélie von Schweden und aus Petersburg hörte ich, wie an beiden Orten die Thron Rede große Zufriedenheit erregt hätte. Das macht doch Freude zu hören. Nun komme ich mit einer Bitte, die Du, ich bitte, an Fritz vortragen sollst. Der alte Oberjägermeister Pressentin,27 den Fritz 1842 zum Dienst in Schwerin bekommen sollte, der ist gestorben, und seine Orden werden nun zurück gesendet. Da wünscht seine alte Witwe sehr, daß ihr Schwieger Sohn, ein Herr von Weltzien, der Kammerherr bei mir ist, und diesen Augenblick Dienst bei mir hat, daß der den Johanniter Orden zurück bekäme, weil er so ein vortreflicher Mensch ist, treu dem Fürstenhaus und ihr ein treuer Sohn.28 Ob Fritz uns diesen Wunsch wird erfüllen können und wollen, weiß ich nicht. Er würde uns auch eine Freude damit machen. Ich habe hiermit nur den Wunsch der alten Frau auszusprechen. Ich komme mir immer wie Friederike von Dessau29 vor, wenn ich mit so einer Bitte ankomme, bitte also um Nachsicht. Ich schließe auch schon meinen Brief, denn sonst bleibt er liegen. Von morgen an geht nun die Eisenbahn von hier und fällt in die Hamburg Berliner Eisenbahn ein. Das ist ein großes evenement.30 Deine treue Adine 26 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897) und Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821– 1875). 27 Dietrich Karl Friedrich von Pressentin (1775–1847), meckl.-schw. Oberjägermeister, verh. mit Karoline von Dorne (1782–1849). 28 Helmut Ludwig Heinrich von Weltzien auf Klein Tessin (1800–1867), meckl.-schw. Kammerherr, erhielt den Johanniterorden. 29 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 30 Nachdem es gelungen war, den Streckenverlauf der Berlin-Hamburger Eisenbahn auf meckl. Territorium zu ziehen, wurde 1846 von Hagenow eine Verbindung in die Residenzstadt Schwerin gebaut, von wo aus dann bis 1850 die Küstenstädte Wismar und Rostock angebunden wurden.
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Charlotte war auch recht krank, doch nun alles in Besserung.
Schwerin, den 8ten Mai 1847 Nun wirst Du wohl in Potsdam ganz établiert sein und das schöne warme Wetter recht genießen. Alles wird mit Macht grün. Es ist hier in den Buchenwäldern ganz über alle Begriffe schön, und ich muß recht an dich denken, wie Du von unseren Wäldern entzückt sein würdest. Wir kommen eben, es ist 10 ½ Uhr, vom spazierenfahren zurück. Luise ist mit Fritz und den Damen geritten. Es war wundervoll, nur zuletzt recht windig. Und ich will noch um 2 Uhr mit der Eisenbahn nach Ludwigslust fahren, wo eine Dame, die Generalin Both,31 recht schwer erkrankt ist, und da will ich selbst hören, wie es ihr geht. Von meinem Fritz soll ich Dir noch recht viel Entschuldigung machen, daß er sich den einen Abend nicht bei Dir zu Füßen gelegt hat, aber aus confusion war sein Zeug erst mit dem letzten Bahnzug nach Berlin nachgekommen. Er wäre nur im Überrock im Theater bei den Brüdern gewesen, und so hatte er sich nicht gewagt zu präsentieren. Ich meinte zwar, Du würdest es gnädig verziehen haben. Wenn Luise32 nach Berlin kömmt, dann werde ich mich auch auf ein paar Tage einstellen. Es ist aber wohl noch nichts darüber bestimmt. Charlotte sieht es aber an, als wenn sie Anfang Juny nach Petersburg käme. Die Thronfolgerin hat wieder ein Söhnchen, ein Wlademier.33 Ich finde den Nahmen wunderhübsch. Die wird dann ungefähr wohl nach Darmstadt. Ich habe hier erzählen hören, daß Mischel und Helene die Äußerung gemacht haben sollen, sie wünschen Caty bei sich zu behalten und würden suchen, sie an einen Prinzen zu verheirathen, der in Petersburg stende.34 Sollte sie auf Alexander rechnen? Bis dahin haben sie ihn unerhört schlecht behandelt, eigentlich denke ich mir, wäre ihr der Erzherzog Stephan35 doch lieber. Der Tod des Erzherzogs Karl hat mir recht leid gethan. Ich hatte ihn recht lieb gewonnen damals in Töplitz. Wie werden seine Kinder ihn tief betrauern wie die ganze Nation. Es war der letzte Held von 1813.36 So hat die Zeit alles hinweg gerafft. Onkel Wilhelm37 liebte ihn sehr. 31 Carl Wilhelm Ludwig Hartwig von Both (1778–1860), meckl.-schw. General, verh. mit Johanna von und zu der Tann (1785–1863). 32 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 33 Großfürst Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847–1909) wurde am 22. April geboren. 34 Großfürst Michael Pawlowitsch von Russland (1798–1849), seine Frau Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807–1873), und ihre einzig verbliebene Tochter Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894). 35 Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867). 36 Erzherzog Karl von Österreich-Teschen (1771–1847) war am 30. April in Wien gestorben. Er hatte 1809 als österr. Feldmarschall Kaiser Napoleon I. in der Schlacht bei Aspern besiegt und war nach einer Niederlage und einem eigenmächtigen Waffenstillstand im selben Jahr suspendiert worden, somit 1813 militärisch nicht im Amt. Ab 1815 übernahm er das Kommando der Bundesfestung Mainz. 37 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851), preuß. General der Kavallerie. Er war 1824 einer der Nachfolger von Erzherzog Karl von Österreich-Teschen als Kommandant der Bundesfestung Mainz.
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Karls, denke ich, werden nun wohl Genua verlaßen haben und nach Como sein. Wenn Du etwas davon hörst, so bist Du wohl so gut und theilst es mir mit, denn ich möchte gerne wißen, wie die Reise und die Luftveränderung Luise bekommen.38 Viele Menschen haben Karl so alt geworden gefunden, wie mag nun erst Mary aussehen? Ist für Dich denn noch garnichts bestimmt worden, was Du diesen Sommer gebrauchen, ob Du nach Ischel gehest oder Ems? Denn so ganz unbenutzt wird man die Zeit doch nicht laßen. Du mußt etwas Stärkung gebrauchen nach Deinem schweren Leiden. Nun leb wohl, an Dicken viel Liebes. Deine alte Adine Ludwigslust, den 29ten Mai 1847 Meine liebe Elis, ich habe so unendlich lange nichts von Dir gehört, daß ich endlich wieder schreiben muß. Sonst vergißt Du mich. Wie habe ich Deiner mit Liebe gedacht bei der Nachricht des Todes Deines lieben Neffen Ernst.39 Du hattest ihn vorzüglich lieb, und es soll ein so scharmanter junger Mensch gewesen sein. Gott, die armen Eltern, Deine arme Schwester, wie wird sie von Kummer und Gram gebeugt sein. Ich fürchte für sie. Von solchem Schlag erholt man sich schwer. Du hast gewiß oft Nachricht von ihr. Wie trägt sie nur diesen Schmerz? Wenn Du ihr schreibst, laß ein Wörtchen von meiner aufrichtigen Theilnahme einfließen. Sie war ja für meine beiden Kinder, besonders für Wilhelmchen, so unaussprechlich gütig. Wilhelm hat dieser Tod auch recht betrübt. Morgen Mittag verläßt er uns wieder. Wir hoffen ihn aber bald wieder zu sehen, und darum möchte ich gleich heute anfragen, ob wir Alle am 5ten Abends oder 6ten Juny früh nach Potsdam oder Sanssouci kommen dürfen, und vielleicht 8 Tage bleiben. Ich wünschte, Luise auch dort abzuwarten, wenn sie nach Peterburg geht, aber die Zeit ihrer Reise scheint noch nicht bestimmt. Charlotte schrieb mir, sie wünschte, daß Luise nicht vor dem 13–15ten Stettin verließe. Das Kaiser Paar hat sich dann endlich auch erholt, und ich freue mich, daß Luise und Abat hingehen. Das wird sie zerstreuen. Sage mal, ist mit Marianne wieder etwas vorgefallen? Es munkelt davon. Von Mary habe ich einen Brief von der Villa Carlotta, wo es ihnen sehr gefällt und die Luft der armen Luise gut thun soll.40 Wann sie weiter gingen, wüßten sie noch nicht. Karl ist ja wohl jetzt bei seinem Armee Corps und wird zum 7ten in Berlin sein und ein paar Tage bleiben. Ich freue mich recht, ihn wiederzusehen, denn vergangenes Jahr, als ich aus Italien kam, war er schon fort nach Erfurt, oder ich weiß nicht, wohin. Nun leb wohl, ich hoffe, daß wir uns bald wiedersehen. Die Tante von Strelitz war auch bei Dir in 38 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1902), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, erholte sich langsam von einer schweren Erkrankung. 39 Prinz Ernst von Sachsen (1831–1847), Sohn von Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, war am 12. Mai gestorben. 40 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1902), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, erholte sich langsam von einer schweren Erkrankung.
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Potsdam. Das wird ihr eine große Freude gewesen sein. Ich freue mich so darauf, wieder mit Dir, meine Elis, sein zu können. Jetzt bei den warmen Tagen wirst Du Dich recht erholen und erquickt fühlen. Mit alter Liebe, Deine Adine An Fritz viel Liebes. Sind Wilhelms schon in Babel? Schwerin, den 24ten Juny 1847 Ich eile, schon heute Dir zu schreiben, denn mein Herz sehnt sich nach Dir. Diese 14 Tage haben mich auch verwöhnt und eigentlich wäre ich gerne noch länger geblieben. Aber einmal muß man doch zurück, und dann denke ich, wird Fritz froh sein, in diesen Tagen ruhig mit Dir zu sein, wo sich so wichtiges entscheiden muß.41 Den 25ten. Hier in Schwerin ist man so froh, uns wieder zu haben. Das schöne Wetter erlaubte auch, daß wir am Abend Parthien machten. Gestern fuhren wir bei einem himmlischen Wetter zu Wasser auf der anderen Seite vom See zu einem Herrn von Beehr, der dort ein prächtiges Gut hat mit einer himmlischen Gegend und Aussicht.42 Heute sollte es wiederholt werden, weil Onkel Gustav uns besucht und es gerne kennen lernen möchte. Allein, diesen Augenblick regnet es so stark, daß wir noch garnicht wißen, was daraus werden soll. Luise wird so Gott will, heute in Petersburg angekommen sein. Ich hoffe nur, daß sie vorgestern nicht den Sturm hatte, wie wir ihn hier gehabt. Was werden die Schwestern glücklich sein, nun vereint zu sein. Ein kleiner Säuftzer drängt sich dann aus meiner Brust, wenn ich denke, ich hätte auch mit ihnen sein sollen. Heute brachte mir meine Luise die Zeitung, worin sie gefunden, ihre Verlobung mit William.43 Es war ihr sehr fatal, und mir nicht minder. Dagegen wurde aus Braunschweig gesagt, es wäre garnicht die Rede davon. Wenn er daß liest, so wird er uns alle zusammen garnicht mehr leiden, und das würde uns leid sein, denn grade diesmal hat er uns alle sehr bezaubert. Den 26ten. Ich komme nicht dazu, diese wenigen Zeilen zu Ende zu bringen. Immer kommen Stöhrungen. Unsere Wasserparthie ist doch noch ganz gut abgelaufen, während dem Thee regnete es düchtig. Dann wurde es wieder schön, und wir konnten im Garten herumgehen, und die Zuhausefahrt war prächtig, ganz warm, keine Wind, sodaß gerudert werden mußte. Um 10 Uhr kamen wir erst zurück. Da fand ich einen Brief von Charlotte vor, die glaubte, er würde mich in Berlin finden und beschwört mich, doch noch mit Luise zu kommen. Der Kaiser legte so einen Werth darauf, uns 3 bei sich zu41 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war zu keinen parlamentarischen Zugeständnissen bereit. Er schloss am 26. Juni den Vereinigten Landtag als Versammlung der Stände aller preußischen Provinzen nach dem Scheitern der Verhandlungen über die preußische Verfassung. 42 Das Gut Görslow befand sich im Besitz von Oberforstmeiter Carl von Behr (1786–1850). Gemeint ist u.a. die spätklassizistische Kirche in Görslow, 1842 erbaut unter dessen Bruder Georg von Behr (1784–1845). 43 Gerücht über eine Verlobung zwischen Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) und Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859).
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sammen zu sehen. Er sagt: J’aim les soeurs comme les mienne, plus que les miennes.44 Du kannst denken, theure Elis, wie uns das Herz groß wurde, und wie ich mich eigentlich freute, nicht mehr der Versuchung ausgesetzt zu sein. Denn hier freut man sich zu sehr, daß wir bleiben, und nicht Geld verreisen. Ich denke, das wird man erkennen und uns Seegen bringen. Wie mag es Dir nun gehen, geliebte Elis? Ich denke, die große Ruhe, welche nun eingetreten sein muß, nachdem alle so auf einem Mal abgereist, muß Dir gut thuen und noch mehr die Schließung des Landtages, was heute sein wird. Dein Fritz geht den selbigen Tag nach Breslau, um das Monument enthüllen zu sehen.45 Da wirst Du ganz allein ein paar Tage sein. Alle morgen denke ich an unsere Promenade, wie gern begleite ich Dich, nun im Herbst vielleicht. Adios, Deine Adine Schwerin, den 8ten July 1847 Meine liebe Elis, entsetze Dich nur nicht schon wieder, einen kleinen Brief von mir zu bekommen. Allein, da ich Deine Abreise nicht weiß, so wollte ich Dir nur sagen, daß wir von Onkel George so liebenswürdig und dringend eingeladen worden sind nach Strelitz zu kommen, daß wir Sonnabend in der Frühe dort hingehen, wo am selben Abend die Rossi46 den Faust wie in Berlin einstudiert hat und am 12ten 2 Akte von Lucretia Borgia47 geben wird auf dem kleinen Theater im Palais. Dies war zu viel, um zu widerstehen, und wir 3 gehen bis zum 14ten dorthin, bringen den Geburtstag von Charlotte da zu und gehen dann nach Dobbran, wo ich hoffe, Fritz wird Wort halten und mich besuchen.48 Wenn er kömmt, ließ ich bitten, Graf Stolberg doch mitzubringen und einen liebenswürdigen, alten bekannten Adjudanten, wie den Schwartzen (Grauen)49 oder Brauchitsch.50 Wir haben jetzt wunderschöne Tage, aber fast zu heiß, besonders heute. Heute Abend fahren wir nach Friedrichsthal. Von da will Luise reiten durch die schönen Buchenwälder am See herum, und [ich] fahre hinterher wie eine alte Klukke. Aus Petersburg haben wir gestern Nachricht durch Puttchen. Es ist alles wohl und munter. Die arme Olly wird nun glückselig sein mit dem Bruder und Marie in Kissingen zu sein.51 Leb wohl, Deine kost44 Frz. = „Ich liebe die Schwestern wie meine eigenen, ja mehr als meine eigenen.“ Kaiser Nikolaus I. von Russland hatte vier eigene Schwestern, darunter die verstorbene Erbprinzessin Helena von Mecklenburg-Schwerin, geb. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland (1784–1803). 45 Ein Denkmal für König Friedrich II. von Preußen in Breslau. 46 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854). 47 Lucretia Borgia, Oper von Gaetano Donizetti (1797–1848). 48 König Friedrich Wilhelm IV. und Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) besuchten vom 13. bis 17. Aug. ihre Schwester Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin in Doberan. 49 Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 50 Eduard von Brauchitsch (1798 –1869), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 51 Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) und seine Ehefrau Großfürstin Marie, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1824–1880).
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bare Zeit will ich durch mein dummes Geschreibsel nicht in Anspruch nehmen. Denke meiner, wenn es Dir gut geht im Kreise Deiner Schwestern. Gott geleite Dich und laße dich ganz genesen und kräftig in Ischel werden. Deine treue alte Adine Dobbran Cottage, den 15ten July 1847 Meine geliebte Elis, mein Erstes hier, sei Dir von Herzen zu danken für Deinen lieben Brief, den ich in Strelitz bekam, von wo wir gestern Abend um 9 Uhr zurückgekehrt sind, und sehr zufrieden und entzückt von allen Freuden, die uns da geworden sind. Erstlich sind Onkel und Tante von einer Herzlichkeit und Freundlichkeit gewesen, und dann hat uns die Rossi52 wirklich bezaubert. Wie wir ankamen, war sie unwohl, sang aber am Abend in Faust. Nun, Du hast sie ja darin gehört. Sie ist zu lieblich, und am Sonntag gab sie dann die beiden ersten Akte aus Lucrecia Borgia. Vorzüglich war der 2te Akt ganz besonders schön gegeben. Sie sang und spielte süperbe, alles war in Entzücken, und der Onkel, der sprang beinah aus sich heraus. Beide Abende war er danach so ergriffen, daß er nicht zum souper blieb und sich zurückzog, weil er fühlte, er müßte sich ruhen und sammeln. Sonst war er wohl und unverändert. Lilli sieht blühend aus und ist viel wohler wie die andern Jahre und glücklicher, ganz frei zu sein. Er hat sie neulich grüßen laßen, und er würde nicht heirathen, weil er nach Schweden, so glaubte man es. Es wird für sie ein sehr hübsches Haus gebaut, worauf sie sich freut, allein zu bewohnen.53 Mir würde das unendlich wehe thun, freilich ist sie glücklich in ihrer Freiheit. Am 13ten war nichts weiter vor, als daß getanzt wurde. Zum Glück war es etwas kühler. Um 2 Uhr kamen wir erst zu Bett, und am 14ten um 7 Uhr reiseten wir ab, besuchten die armen Graf und Gräfin Plessen in Ivenack,54 die erst unendlich traurig war, aber hernach konnten sie doch von andern Dingen reden, und nehmen Theil an allem, was man erzählt. Natürlich kamen sie immer wieder auf den Sohn zu sprechen. Sie haben mir aber sehr gefallen in ihrem Schmertz. Sie tragen ihn mit Ergebung sanft und still und garnicht egoiert. Dort frühstückten wir etwas, der Bruder Karl Maltzahn war da,55 dem sonst Sommersdorf gehört, und der nun das schöne Gut Remplin gekauft, da wir durchmüssen. So bath er, ob wir es nicht besuchen wollten. Dort hielten wir uns auch auf. Es ist süperbe, ein großes Schloß mit schönen großen Räumen, einen süperben Garten, aber alles ist etwas verfallen. Der gute Fürst Bückeburg56 zog das Geld heraus, aber that nichts dafür. Und Malt52 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854). 53 1850 wurde das Karolinen-Palais in der Nähe des Neustrelitzer Schlosses als standesgemäßer Sitz für die geschiedene Kronprinzessin Karoline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, fertiggestellt. 54 Gustav Helmuth Theodor Dietrich von Maltzahn, Graf von Plessen (1788–1862), Majoratsherr auf Ivenack, und seine Ehefrau Cecilie, geb. von Rauch (1795–1855). Ihr Sohn Friedrich (1828–1846) war am 21. Nov. 1846 überraschend gestorben. 55 Karl Hans Friedrich von Maltzahn (1797–1868). 56 Prinz Georg Wilhelm von Schaumburg-Lippe (1784–1860).
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zahn muß nun sehen, seinen Kaufpreis heraus zu bekommen und kann zuerst auch nichts dafür thun. So kamen wir um 9 Uhr dann erst hier an, wo es so herrlich schön ist. Wir sind den ganzen Tag ruhig hier geblieben, um es recht zu genießen. Jetzt ist es 10 Uhr vorbei, und ich will zu Bett. Der gute ehrliche Finkenstein wird sich gewundert haben über seine neue Herrin.57 Der Eigensinn ist wirklich unerhört. Ich freue mich nur, daß Fritz fest bleibt. Übrigens macht die Geschichte ungeheuer viel Aufsehen. In Strelitz war man ziemlich richtig unterrichtet. Die Gräfin Voß58 war da und wußte alles. Mein Wilhelm sagte mir, daß ihm Albert gesagt, Marianne muß es arg machen, daß man ihr einen Gouverneur schickt, und daß der ganze Hof abgeht, läßt auf allerlei deuten. Der Prediger59 aus Rom war in Berlin. Das wußte ich garnicht. Ach Gott, daß er auch sagt, daß seine Warnungen nichts geholfen. Sie bleibt ein Schandfleck in der Familie. Nun gute Nacht, an Dicken viel Schönes, er möchte nur nicht zu späth nach Dobbran kommen. Vom 8ten August an fangen die Pferderennen an und dauern bis zum 11ten. Dann ist es hier unerhört voll. Es wäre besser, wenn er den 4–5 August käme, damit er in Ruhe Dobbran genießen könnte, und wir uns etwas mehr am Meer aufhallten. Ich denke, er wird im engen Cottage noch ein Stübchen finden zum Wohnen, aber nachsichtig muß er sein. Gott mir Dir. Deinen Schwestern meine Empfehlung. Meine Kinder küßen die Hände. Deine Adine Dobbran, den 16ten August 1847 Ich muß mir die Freude machen, geliebte Elis, und Dir schnell ein paar Worte senden, während Fritz und Wilhelm beide bei mir im Cottage sind.60 Ach, diese Freude kann ich Dir nicht beschreiben. Das Wetter begünstigt ihren Aufenthalt, so daß sie einen angenehmen Eindruck von hier mit fort nehmen. Mein Cottage gefällt ihnen, obgleich es entsetzlich klein ist, daher ich Fritz nicht hier wohnen laßen konnte. Aber ein Zimmerchen bei Tag ist da, in dem er sich aufhalten kann. Wilhelm hat die Zimmer von den Hofdamen, wie eine Kajütte, so klein. [Adine] Marienbad, den 22ten August 1847 Es war keine Möglichkeit, nur ein Wort in Dobbran noch zu zu schreiben, da meine Abreise mit denen der Brüder fiel. Es war so viel zu thuen. Hier ist es denn desto stiller. 57 Mglw. Wilhelm Finck von Finckenstein (1792 –1877), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 58 Mglw. Luise Gräfin von Voß, geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck (1820–1902). 59 Person nicht zu identifizieren. 60 König Friedrich Wilhelm IV. und Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) besuchten vom 13. bis 17. Aug. ihre Schwester Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin in Doberan.
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Alles, was zur Gesellschaft gehört ist fort, man sieht nur Juden und Pohlen auf der Promenade, und dann ist der Sohn von Don Carlos mit seiner Frau hier.61 Er ist nach England zu seinem Bruder. Sie ist eine Modéna, leider recht taub, sonst so lieb und gut. Wir haben sie schon recht gern, allein, ihr Umgang ist fatigent wegen dem lauten Sprechen und doch werden wir mit ihr sein müßen. Wir wollen heute hin, unsere visiete machen, denn gestern hat sie uns überrascht, wie wir eben aus dem Bad kamen. Durch Deinen Fritz weißt Du alles, wie es in Dobbran war, und was wir gemacht. Daher sage ich nichts darüber, nur daß er die Liebenswürdigkeit selbst war, heiter und munter, nachsichtig mit allem, und daß ich dann mit ihm bis Schwerin gereist, von da nach Nauen im Eisenbahn Kasten gesperrt bei einer Hitze. Von Nauen fuhr ich wieder mit ihm bis Sanssouci, wo ich in dem großen Zimmer gewohnt, weil Fritz am anderen Morgen neben der Charmille62 Kafféen wollte wie bei Helene,63 die ich leider nicht gesehen, obgleich ich ihr geschrieben, ob sie uns nicht abwarten könnte. Allein, sie hatte einen bestimmten Tag dem Großfürst genannt, wo sie ankommen wollte! Was sie nun wieder für Pläne haben mag? In Altenburg sah ich die Braut und finde sie allerliebst.64 Sie ist groß, schöne Figur, so Halz und Arme, schöne dunkle Augen. Sie gleicht in der Darmstädter Familie, die Sprache noch ziehig und piepig, nicht angenehm, aber ich glaube, sie passet gut in der dortigen Famille. Nur ganz entgegen gesetzt von Marie Dusi, weil sie ungeheuer lebhaft ist. Sie wird rechtes Leben da wieder hinein bringen. Von Petersburg und den Schwestern habe ich seit dem 3ten nichts gehört. Bruder Wilhelm hatte zwar einen Brief von Charlotte, wo sie viel über Bumsfelde spricht.65 Er weiß alles, was vorgefallen und will nun ganz bestimmt geschieden sein. Butt hatte ja auch von ihm darüber einen Brief. Ach Gott, zu verdenken ist es ihm nicht. Du weißt, daß ich es schon immer auch gefunden, es sei das Beste. Doch man kann sich irren. Um von etwas anderem zu sprechen: Eine Braut will sich gern durch mich Dir zu Füßen legen. Es ist die Schöning, welche sich den letzten Tag in Doberan versprochen mit einem jungen Grafen Blücher,66 der reich und ein exzellenter Mensch ist. Nur, was mir dabei nicht gefällt, ist daß er 4 Jahre jünger ist und sie schon 30 Jahre zählt. Er wird wohl bald hier ankommen. Wie es aber hier still ist, davon macht man sich keinen Begriff. Das Wetter war aber bis jetzt schön, diesen Augenblick regnet es aber ernstlich. Wie ich höre, ist es in Ischel auch so abwechselnd, und Du bist zufrieden mit Deiner cour. Die Anwesenheit der Geschwister, die Berg Luft, alles vereinigt sich, um Dich gesund zu ma61 Erzherzogin Maria Beatrix von Österreich-Este, Prinzessin von Modena und Reggio (1824–1906), verh. 1847 Prinz Juan (III.) Carlos Maria Isidro de Borbón y Bragança, Graf von Montizón (1822– 1887), Sohn von Prinz Carlos María Isidro Benito de Borbón y Borbón-Parma (1788–1855). 62 Frz. = Laubengang. 63 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 64 Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911), verlobt mit Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892). 65 Gemeint ist Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), und deren außereheliche Beziehung mit Johannes van Rossum (1809–1873). 66 Elisabeth von Schöning (1817–1882), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin, verlobt mit Adolf Graf von Blücher-Finken (1821–1875).
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chen, und nun kommt Dein Fritz. Das ist das Beste. Morgen kömmt er durch Eger, allein, wohl so späth, daß es mir nichts nützen wird, wenn ich hinfahren wollte. Wenn er Zeit gehabt, wollte er mich hier besuchen. Das wäre wunderhübsch gewesen. Für Deinen Brief, den ich den letzten Tag in Dobbran bekam, habe ich noch garnicht gedankt. Und er hat mir doch so viel Freude gemacht. Der späther geschriebene Brief an Fritz war einen Tag früher angekommen. Vielleicht fand man meinen interessanter in Wien und hat ihn länger gelesen. Wie Du aber fleißig dem Dicken schreibst, das ist ungeheuer. In Sanssouci beim Kaffee kam wieder einer an, und einer von Madame Bumsfelde lag darin. Aber ich weiß nicht, was er enthielt. Ich entsetzte mich nur darüber, als ich die Handschrift erkannte. Die Fürstin war da und erzählte mir in der Eile, daß Madame la belle soeure ganz Parthei wäre. Nun erkläre ich mir auch die sonderbare Stimmung, in der sie den Abend von unserer Ankunft war, bitter süß. Wir alle waren froh, als sie nach einer halben Stunde wieder fort eilte. Die Fürstin fand ich wohl und heiter und zufrieden mit ihrem ruhigen Aufenthalt in Potsdam. Fräulein Kalb war noch bei ihr,67 die Waldersee sieht noch bleich aus, thut aber wieder Dienst.68 Massow69 war auch den Abend da und bleibt die paar Tage dort, die Fritz in Sanssouci ist. Nun leb wohl, Gott laße Dur eine heitere Zeit verleben und die Cour recht zu Seegen gereichen. Deine Schwestern und Prinz Karl empfehle ich mich. Auch an Amélie von Schweden viel tausend Schönes. Die Nachrichten von Luise Karl, sagt man in der Welt, seien nicht gut. Weißt Du etwas genaues? Es ist doch recht traurig. Ich fürchte, das zieht sich nicht zurecht. Was werden die Schweden dazu sagen?70 Deine treue Adine Marienbad, den 20ten September 1847 Meine liebe Elis, vergebens hoffte ich auf ein Wörtchen von Dir aus Ischel, daß Du mir durch Fritz hattest schreiben laßen. Ich selbst reise nun morgen von Marienbad ab und will Dir nur sagen, daß ich oft und viel Deiner gedacht und hoffe, daß Du mit Deiner Kur so zufrieden warst, wie ich mit meiner in Marienbad. Ich gehe sehr dankbar fort, und mache noch eine deliziöse Reise mit Fritz, der vorgestern hier angekommen.71 Wir gehen über Regensburg auf der Donau nach Linz und Wien. Was sagst Du dazu? Ist es 67 Edda von Kalb, Hofdame der Prinzessin Augusta von Preußen. 68 Amalie von Waldersee, Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 69 Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, seit 1837 Intendant der Königlichen Gärten und seit 1843 Mitglied des preuß. Staatsrates. 70 Das Heiratsprojekt zwischen dem Kronprinzen Karl (XV.) von Schweden und Norwegen (1826– 1872) und Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen, zerschlug sich nach ihrer schweren Erkrankung. 71 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin begleitete seine Mutter Großherzogin Alexandrine und seine Schwester Luise auf ihrer Reise von Marienbad über Regensburg auf der Donau nach Wien.
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nicht einzig? In Wien bleiben wir 3-4 Tage bis zum 28ten September, dann über Prag nach Dresden, nach Rudolstadt, Weimar und Hannover. Letztes nimmt mir aber die Freude, durch Berlin zu gehen und Dich wiederzusehen, blühend und gestärkt nach Deiner Kur. In Wien werde ich mich am Hof melden und hoffe Deine Schwester dort zu sehen, worauf ich mich sehr freue. Nun leb wohl, aus Petersburg habe ich die besten Nachrichten. Charlotte bleibt den Winter in Petersburg, um die Braut zu hüten. Mit Liebe Deine alte Adine Ludwigslust, den 12ten Oktober 1847 Meine liebe Elis, ich eile Dir zu sagen, daß ich doch am 15ten Oktober zum Geburtstag vom lieben Fritz komnen werde, aber erst um 11 Uhr in Sanssouci sein kann, weil ich mit dem Zug von Wittenberge komme, der um 9 Uhr erst in Nauen ist. Dorthin muß ich um einen Wagen bitten, der mich holt. Begleiten thut mich Luise und Wilhelm und die Schreeb und Kammerherr Le Fort.72 Leider muß ich am 16ten wieder fort, aber zu Deinem Geburtstag denke ich dann einige Tage zu bleiben. Wir sind erst Sonnabend und Fritz Sonntag von unserer schönen Reise zurückgekehrt, und da können wir nun nicht gleich wieder fort bleiben. Mündlich werde ich Dir erzählen können von aller Gnade und Freundlichkeit Deiner Schwestern in Wien und Dresden. Deine alte Adine Ludwigslust, den 29ten Oktober 1847 Meine liebe Elis, Du wirst glauben, ich bin ganz verschollen, denn seit ich Dich verlaßen, hab ich noch kein Lebenszeichen. Nun sind wir seit Mittwoch auf Burg Schlitz bei Gräfin Bassewitz73 zurück, und ich eile, Dir zu sagen, daß ich sogar von da einen Morgen Dir schreiben wollte, weil ich Sehnsucht nach Dir hatte, allein, da kam die Gräfin, und die Zeit verschwand. Ich hoffe, daß das kalte Wetter nicht nachtheilig auf Deine Gesundheit einwirkt, denn ich finde die Luft schon recht eisig und den Wind unerträglich. Burg Schlitz lag so geschützt vom Buchenwald umgeben, daß wenn die Sonne schien, was fast immer war, so glaubte man sich im Sommer. Der Malchiner See war denn so blau, und die Verschiedenheiten im Laub machten es zauberhaft schön. Fuhren wir denn ab zur Jadgt und kamen aus diesem Schutz heraus, da fiel uns die Kälte und Wind an. Wir waren aber alle sehr heiter und munter. Die drei sehr hübschen Nichten waren mit ihren Männern da. Die Marie Beehr74 kennst Du ja, sie belebte sehr den Kreiß durch ihre Lebhaftigkeit. Es wurde auch mehrere Male getanzt, einen ganz großen Ball hatten wir mit 72 Bertha von Schreeb (1814–1883), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin, und verm. August David Peter Baron von Le Fort (1797–1864). 73 Adele Gräfin von Bassewitz-Schlitz, geb. von Labes (1801–1855). 74 Marie von Behr (1822–1860), verh. 1847 Henning Graf von Bassewitz (1814–1885).
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sämtlicher Nachbarschaft, die alle sehr hübsch toilette gemacht. Die Hahn war da mit ihrer Tochter.75 Sie gleicht sehr der Mutter, hat auch einen bösen Zug im Gesicht, kann aber noch recht freundlich sein. Meine beiden Söhne, George von Strelitz, mehrere junge reiche Gutsbesitzer beeiferten sich zu tanzen und die cour zu machen. Luise amüsierte sich prächtig und wäre gerne länger geblieben, allein, man muß nicht zur Last fallen. In Remplin haben wir einen Mittag gegessen bei Karl Maltzahn, der die Geschichte mit der Dewitz gehabt,76 und einen Mittag bei Graf Felix Voß in Schorsow. Da fällt mir ein, hat die Alte bei Dir in Sanssouci schon gewohnt? Ich amüsierte mich prächtig über Dein Gesicht, wie Fritz es vorschlug. Die junge Frau ist wunderschön diesen Augenblick und die Stief Tochter zu liebenswürdig und lieblich.77 Was hast Du für Nachrichten von Deinen Schwestern aus Wien und Dresden? Und was macht Bumsfelde, kommen noch Briefe mit Stellen aus der Bibel angefüllt?78 Der arme neue Kavallier79 hat neulich eine Ohnmacht bei ihr bekommen. Sollte das Ärger sein? Mich würde es nicht wundern. Nun Adios, Rauch ist, wie ich höre, in Berlin und hat gute Nachrichten mitgebracht. Luise sitzt im Haag und seufzt nach dem schönen verfloßnen Sommer. Es ist aber doch viel werth, wenn man sich nach solcher Zeit hernach glücklich zu Haus findet. So geht es mir immer, hier ist es am besten. Deine treue Adine Ludwigslust, den 6ten November 1847 Meine geliebte Elisabeth, ich danke Dir innigst für Deinen lieben blitzblauen Brief, der mir einen sehr warmen Eindruck machte und meine Bewunderung erregte in der vollkommenen Harmonie. Nein wirklich, es ist wunderhübsch diese blaue Farbe. Ob ihr wohl in diesem Kramsvogel Wetter in Sanssouci seid? Wir haben solchen Nebel des Morgens, daß wir nichts sehen können und die Jagdten daher späther anfangen können, und wir nicht vor 6 Uhr zum Eßen kommen. Heute soll Ball sein, zwar nicht bei uns, aber 75 Agnes Gräfin von Hahn, geb. von Schlippenbach (1812–1854), und ihre Tochter Anna Gräfin von Hahn (1830–1894). 76 Der Oberlandstallmeister und Demminer Landrat Karl Hans Friedrich von Maltzan auf Remplin (1797–1868) hatte sich wegen der Strelitzer Hofdame Auguste von Dewitz von seiner Frau getrennt. Theodor Fontane diente diese Geschichte als Vorlage für seinen Roman „Unwiederbringlich“. 77 Gemeint sind Felix Graf von Voß (1801–1881), die „Alte“ seine Mutter Luise Gräfin von Voß, geb. von Berg (1780–1865), die „junge Frau“ seine zweite Ehefrau Luise Gräfin von Voß, geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck (1820–1902), und die „Stieftochter“ seine Tochter aus erster Ehe Anna Gräfin von Voß (1829–1905). 78 Gemeint ist Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), und deren außereheliche Beziehung mit Johannes van Rossum (1809–1873). Tatsächlich waren beide tief religiös. Johannes van Rossum wird in einigen späteren Briefen auch als „der Heilige“ bezeichnet, auch wenn es Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin eher spöttisch meinte. Siehe Briefe vom 22. März 1849, 20. Aug. und 4. Sept. 1850. 79 Mglw. Wilhelm Finck von Finckenstein (1792 –1877), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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man ist denn doch besorgt, daß eßen und tanzen rasch aufeinander folgt, denn auf der schrecklichen Höhe haben wir uns noch nicht geschwungen, daß 10 Uhr früh ist. 8 Uhr ist auch anständig. In Strelitz wird große Freude sein, daß Marie und Lilli zurück sind. Hast Du vielleicht etwas über Fritz80 gehört, wie es ihm in Vevay und Italien geht? Meine beiden Söhne sind zwar immer mit George zusammen gewesen, allein, keiner hatte danach gefragt. Seit Donnerstag sind sie von ihrer parforce Jagdt aus Malchin zurück, haben sich prächtig amüsiert und sind alle mit ganzen Gliedern wiedergekehrt. Morgen geht Fritz mit Bruder Wilhelm nach der Görde,81 und der holt ihn auf der Eisenbahn ab. Das klingt so amüsant, ich werde mich auf der Bahn einfinden, um Wilhelm zu sehen. Ich bin so viel gestöhrt worden, daß mein Brief nun gleich fort muß, und ich wollte Dir noch mehreres schreiben. Noch schnell, daß meine Absicht ist, wenn es Dir recht, am 17ten mit der Eisenbahn am Nachmittag nach Berlin zu gehen, und dann um 8 Uhr zum Thee nach Charlottenburg zu kommen, den 18–19ten zu bleiben, und dann führen unsere Wege uns wieder auseinander. Nun leb wohl, Deine ewig treue Adine Bumsfeld ist ganz verrückt, eine Schwester schreibt aus Verzweiflung, so auch ihr Bruder.
Ludwigslust, den 14ten November 1847 Meine geliebte Elis, so Gott will, werden Luise und ich am 17ten in Berlin ankommen und dort werden wir Deine Befehle erwarten, ob wir um 8 Uhr zum Thee nach Charlottenburg kommen sollen. Die Oranien ist dort und daher könnte es sich ändern. Sehr heimlich wird sie uns die paar Tage nicht machen. Ich werde zum 18ten ein Diner Kleid mitnehmen und an deinem Geburtstag bleibt es wohl wie voriges Jahr, zur gratulation ausgeschnittene Kleider und den Abend wohl Concert im Putz und dann ist ja alles aus. Sollte sich etwas anderes ereignen, was unerhörtes, ich weiß nicht, was, dann läßt Du es uns wohl wißen. Der Sturtz von Waldemar82 hat uns hier sehr erschreckt, da man schlimme Folgen erwartete, aber es scheint ja Gott sei Dank nicht so schlimm. Mein Wilhelm ist eben mit schwerem Herzen nach Bonn abgereist. Es machte ihm sehr viel Freude, daß Croy83 und Rauch ihm das Geleit von hier noch geben. Die paar Tage, wo mein Bruder Wilhelm hier war, sind denn wie immer viel zu schnell vergangen, aber ich danke es ihm sehr. Nun 80 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904) befand sich auf einer Reise durch die Schweiz und Oberitalien. 81 Göhrde, hannov. Jagdgebiet bei Dannenberg. 82 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849). 83 Prinz Philipp von Croy (1801–1871), preuß. Major und Eskadronchef im Garde-Dragoner-Regiment, ab Okt. 1848 Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, und Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), Generaladjutant und preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
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Adios, auf baldiges Wiedersehen. Ob mein Fritz am 18ten Abends noch kommen wird, hängt ganz von dem Landtag ab, der dann eröffnet ist. Deine treue Adine Der Tod von Schnupftuch84 hat mich sehr frappiert, und ich dachte gleich an dich. Mendelsohn und Tievenbach sind auch zwei große Verluste.85
Schwerin, den 3ten Dezember 1847 Meine geliebte Elis, ich ließ eine lange Zeit vorübergehen, ehe ich Dir schrieb, weil ich Dich in Dresden wußte mit Deinen Schwester, und da ich eigentlich nichts zu schreiben hatte, so wartete ich Deine Rückkehr ab. Die ist nun beinah 8 Tag eher. Nun möchte ich aber wißen, wie Dir die Reise bekommen ist, wie die Silberne Hochzeit Deiner Schwester gewesen,86 ob sie nicht zu traurig war, und doch noch dankbar und froh den Tag feierte, da sie ja dieses Fest begehen konnte. Ach, das ist doch ein großes Glück, wenn der Himmel einen so lange zusammen läßt! Deine Geschenke haben gewiß viel Freude gemacht! Dort hast Du den Wasa87 gehabt und auch den Leuchtenberg,88 beides wird Dich gefreut haben, denn Du fürchtetest, Max garnicht zu sehen. Wie fandest Du ihn, unverändert und offen wie sonst? Wir haben auch Besuche gehabt, erst den liebenswürdigen Erbprinz von Lippe89, der übrigens dies Mal wirklich menschlich war, und dann kamen Meiendorf und Frau auf 3 Tage. Das freute uns sehr, wir sahen sie viel und thaten, was wir konnten, um den Aufenthalt erträglich zu machen. Es sind beides liebenswürdige Menschen, sie mit ihren trockenen Bemerkungen, und er hat so viel Verstand. Sie erzählten viel von Petersburg, von Stuttgard und die schöne Erinnerung von Palermo geben dem Ganzen viel Wärme. Er, Meiendorf, findet doch wirklich sehr, daß Charlotte gewonnen hat an Kräften und daß ihre Gesundheit sich mächtig befestigt. Gott, was das für ein Glück ist, und der Himmel wolle sie ferne erhallten. Der Tod des Kurfürsten hat mich sehr überrascht, da ich ihn nicht krank wusste.90 Marie von Meiningen91 schrieb mir gestern sehr betrübt, und zugleich erfreut, daß sie ein so liebes Andenken an ihn behalten, da er ganz mit seinen Kindern ausgesöhnt, und 84 Person nicht zu identifizieren. 85 Der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) war am 4. Nov. in Leipzig und der Chirurg Prof. Johann Friedrich Dieffenbach (1792–1847) am 11. Nov. in Berlin gestorben. 86 Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877), und Prinz Johann von Sachsen hatten am 21. Nov. 1822 geheiratet. Der Sohn Prinz Ernst von Sachsen (1831–1847) war im Jahr der Silberhochzeit gestorben. 87 Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 88 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 89 Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875). 90 Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel (1777–1847) war am 20. Nov. in Frankfurt am Main gestorben. 91 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888).
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er liebevoll und herzlich für sie gewesen ist. Diese beiden contraste klingen einzig, sind aber doch wahr. Ich finde, daß ihr ihn als Onkel sehr kurtz betrauert.92 Von Luise weiß ich garnichts. Ich bin die Schuldige, denn ich schrieb lange nicht. Da fällt mir die Meiendorf ein, die war zu komisch, wenn sie von Puttchen sprach, besonders wenn man sagte, sie soll sich recht herausgemacht haben. Bringe sie mal darauf, wenn Du sie siehest. Nun leb wohl, mein Brief ist dumm und öde, darum will ich Deine Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Es war nur, damit Du siehst, ich lebe und denke Deiner in inniger Liebe. Deine alte treue Adine Schwerin, den 13ten December 1847 Meine liebe Elis, tausend Dank für Deinen lieben Brief. Ich schrieb nicht früher, weil gäntzliche Ebbe in meinen Gedanken entstanden war. Noch ist es nicht viel besser, aber Du mußt nun so es nachsichtig aufnehmen. Wie es scheint, haben die Zeitungen diesmal recht gesagt von einer Heirath Deiner Nichte Elis mit dem Genua.93 Es soll ein schöner und liebenswürdiger Mann sein. Die Famillen Verhältniße sind nicht reitzend. Ich hoffe, daß man ihm nun die Freiheit giebt, einmal aus dem Lande zu kommen. Das sollte nur gleich ausgemacht werden, daß sie nach Sachsen manchmal kommen darf. Das ist sonst verbothen. Ich hätte die Elise lieber für den Stephan94 gehabt, am allerliebsten zu meiner Schwieger Tochter! Also Caroline Hessen kömmt wieder nach Berlin, die Arme!95 Für sie ist es gewiß ein großer Trost und eine Freude, aber ich wünsche auch für Dich, nicht auf ewig und nicht zu lang. Der arme Cöthen hat mir leid gethan. Was wird seine Wittwe beginnen? Ob sie dort bleibt, auch peinlich, in nun eines andern Herrn Lande!96 Daß Fritz sie besucht, ist einzig lieb von ihm, und in Dessau wird man entzückt gewesen sein, ihn dort die Nacht zu besitzen! Ich glaubte schon, ihr werdet in Ungnade bei Dessaus gefallen, da sie so lange nicht zum Besuch kamen. Im Winter wird es wohl nachgeholt werden. Von Luise habe ich gestern Briefe. Sie rüstete sich grade zu einem großen Ball zum Geburtstag des Königs.97 Bumsfelde erscheint nirgens, nur zum Dejeuner und dann in einer Art Pilger92 Der familiär und politisch isolierte Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel (1777–1847) hatte mit seiner Geliebten Emilie Gräfin Reichenbach-Lessonitz zusammengelebt, mit der er acht Kinder hatte. Seine 1841 verstorbene Ehefrau Kurfürstin Auguste, geb. Prinzessin von Preußen (1780– 1841), lebte von ihm getrennt. 93 Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855), verh. 1850 Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912). In der Familie gab es Streit um die Herrschaft in Sardinien-Piemont. 94 Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867). 95 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854). 96 Mit dem am 23. Nov. verstorbenen Herzog Heinrich von Anhalt-Köthen (1778–1847) endete die Köthener Linie des Hauses Anhalt, die an Anhalt-Bernburg fiel. Der Herzog hinterließ die Herzoginwitwe Auguste, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1794–1855). 97 König Wilhelm II. der Niederlande (1792–1849).
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kleid. Ach, es ist zum weinen, solche Verdrehtheiten.98 Mein Wilhelm schrieb uns aus Bonn, daß er Albert von Sachsen nur wenig sehe, da er ganz mit Fritz Karl wäre, und er kann sich nicht recht mit ihm vertragen.99 Du weißt, die Art von Fritz Karl kann sehr unangenehm sein. Nun leb wohl, mit Liebe Deine alte Adine Schwerin, den 27ten December 1847 Meine Elis, wie soll ich Dir danken für all die schönen Geschenke, die ich bekommen habe. Das Bild, den Wasser Corso vorstellend, hat mir viel Spaß gemacht und lebhaft an die amüsanten Abende erinnert. Die schöne Mantille und der deliziöse Huth haben mich innig erfreut. Aber am meisten fand ich Deine Liebe und Deine liebenswürdige attention in dem blauen geränderten Papier mit Nahmenszug. Du glaubst nicht, wie ich mich darüber gefreut, denn ich wünschte mir schon lange solches und nun so vollständig mit Couverts und Siegellack. Habe tausend Dank, wie für alle Liebe, die Du mir in dem nun bald vollendeten alten Jahr bewiesen und bleibe auch ferne so herzlich und gut für mich wie bis jetzt. Auch, ein Jahr liegt nun wieder hinter uns. Wir alle müßen Gott doppelt dankbar sein, daß er uns so wieder heraus geführt. Erst warst Du ja so krank, so nahe daran, uns entrißen zu werden. Er, der Allmächtige hat Dich uns wieder gegeben. Dann im Frühjahr die neue Stände Einführung, den dem das Wohl und Wehe ganz Europas abhing. Die ist auch kräftig durchgeführt, und so hat uns der Himmel gesegnet durch der Zeit geführt, und dennoch zagt man wieder in ein Neues Jahr zu treten. Man wagt kaum den Blick zu erheben, und in der Zukunft zu blicken, die wohlweißlich auch verhüllt bleibt. Darum tritt man aber auch zaghafter vorwärts. Ich hoffe, daß dies kommende Jahr mir eine Schwiegertochter bringt, und womöglich einen Schwiegersohn. Doch von alledem ist noch garnicht die Rede. Es sind nur fromme Wünsche. Du wirst über mich lachen, und denken, die ist auch schon wie die Dessauer. Von Weihnachten muß ich noch erzählen. Du weißt, Wilhelmchen überraschte uns am 18ten durch seine Ankunft, und er bleibt bis zum 3ten. Dann geht er über Berlin, wo er 2 Tage bleibt, um seine Aufwartung zu machen, dann über Hannover nach Bonn zurück. Also unser Weihnachten war daher viel froher wie sonst, und die Kinder waren sehr heiter unter ihren schönen Sachen. Meiner hatten sie auch sehr reichlich bedacht, 2 Kleider, Portieren für meine Türen, ein boul Tisch, sehr schöne Glasfenster, schön gestickte Taschentücher, 2 Armbänder, einen weißen Huth zur promenade, ein Reise Sack. Von Onkel Gustav ein weißen Putz Huth, von Marie aus Altenburg eine Mütze usw. Meine drei Kinder legen sich zu Füßen mit ihren Glückwünschen zum Neuen Jahr, und Luise dankt unterthänigst für den englischen Roman. Sie hat ihn aber schon gelesen.
98 Gemeint ist Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), und deren außereheliche Beziehung mit Johannes van Rossum (1809–1873). 99 Der spätere König Albert von Sachsen (1828–1902) studierte auch in Bonn und war offenbar eher mit Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885) befreundet.
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Wie mag es nur mit dem Sohn der armen Meyendorf gehen?100 Gott wolle geben, daß bessere Nachrichten gekommen sind. Also Ernst von Altenburg101 war in Berlin. Wie fandest Du ihn? Wir würden uns sehr gefreut haben, wenn er uns besucht hätte. Ich sah ihn seit 5 Jahren nicht. Ich denke mir beinah, daß Du noch in Charlottenburg bist, denn der Ostwind hörte noch nicht auf und schneidet einem ein Gesicht. Dort bist Du besser aufgehoben wie im Schloß. Das Theater in Charlottenburg muß amüsant gewesen sein, und hübsch unter erleuchteten Orangenbäumen zu gehen. Da hast Du einen kleinen Begriff von Palermo haben können. Am Nahmenstag vom Kaiser war dort der Garten so erleuchtet, und wir standen auf dem Balkon und gingen im Garten. Leb wohl, geliebte Elis, im alten Jahr, Gott schütze Dich und Fritz im Neuen. Deine treue Adine
100 Verm. einer der Söhne von Sophie von Meyendorff, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800– 1868). 101 Erbprinz Ernst (I.) von Sachsen-Altenburg (1826–1908).
1848 Schwerin, den 3ten Januar 1848 Dir, meine geliebte Elis, schreibe ich die ersten Zeilen in dem neuen Jahr. Gott möge es Dir gesegnet sein laßen! Wie ich schon gehört, seid ihr in Charlottenburg geblieben und [habt] dort das Neue Jahr begonnen. Es war gewiß so am vernünftigsten. Nun möchte ich dich aber recht dringend bitten, das Ordensfest nicht mitzumachen und Dich dies Jahr recht zu schonen. Es ist zwar noch langehin bis zum 18ten, allein, es ist besser, gleich von vornherein es garnicht als möglich anzunehmen. Du wirst über mich lachen und denken, die hat doch immer etwas zu predigen und zu resonnieren. Mein Wilhelm bringt Dir diese Zeilen und geht nun nach Bonn zurück, wo er sich nicht sehr gefällt. Der arme, junge Erbprinz von Homburg ist ja noch immer so gefährlich krank. Die Eltern sind hin.1 Es wäre schrecklich, wenn der junge Mensch stürbe, dann wäre das einst so alte Haus und so reich an schönen Söhnen ganz ausgestorben. Es ist überhaubt merkwürdig, wie grade jetzt die ältesten Häuser alle am Aussterben stehen. Gott möge unser armes Meklenburg dafür bewahren. Nun leb wohl. Ich umarme Fritz von Herzen. Deine treue Adine Schwerin, den 13ten Januar 1848 Ich habe mit meinem Dank auf Deinen Brief vom 9ten etwas gezögert, da mein Wilhelm erst ein Zettelchen von mir Dir brachte. Das blaue Papier, wie ich schon im früheren Brief bemerkt, hat mir eine ungeheure Freude gemacht. Allerdings habe ich auch die Buchstaben nicht entziffern können. Das thut aber nichts zur Sache. Dir geht es bis jetzt gut, und der böse Ost Wind, welcher uns dies Jahr garnicht verlaßen will, wird, hoffe ich, Dir nichts schaden. Gehe nur nicht zum Ordensfest. Das scheint mir der böseste Feind. Ach, wegen dem Ordensfest möchte ich ein rothes Vögelchen für meinen Freund, den Herrn Costenobel, der Eisenbahn Direktor bitten.2 Er verdient wirklich diese Auszeichnung. Wolltest Du es vielleicht in meinem Nahmen an Fritz sagen? Er führte die Locomotive selbst, als Fritz und wir von Schwerin nach Berlin oder Nauen fuhren. Er ist ein ausgezeichneter Mann. Von Charlotte habe ich vorgestern ein paar Zeilen gehabt, wonach der Kaiser wirklich recht krank gewesen. Das Fieber ist garnicht zu hemmen gewesen, was nun aber doch fortgeblieben, er aber so schrecklich schwach wäre, daß er noch nicht arbeiten konnte, und nun läge Sache krank zu Bett, der ihm sonst treu zur Seite gestanden und treu half bei den wichtigen Pappieren und Geschäften. Nun fürchte ich nur, daß Charlotte sich 1 Erbprinz Friedrich Ludwig Heinrich Gustav von Hessen-Homburg (1830–1848) starb am 4. Jan. in Bonn. 2 Ernst Costenobel (1804–1868), Direktor der Berlin-Hamburger Eisenbahn. Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin erbat für ihn den preuß. Roten Adlerorden.
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bald legen wird, so ging es vergangenes Jahr auch. Hast Du gute Nachrichten von den Deinen aus Dresden und Wien? Man wird ganz ängstlich über alle die plötzlichen Todesfälle. Unbeschreiblich hat mich der Tod des Erbprinzen von Homburg betrübt.3 So ein junges Leben, mit dem die Hoffnung der Eltern und des ganzen Landes begraben wird. Mit ihm stirbt ein altes ritterliches Fürstenhaus aus. Daß Tante Wilhelm diesen Schmertz nicht erlebt, ihr altes Haus aussterben zu sehen, freut mich ordentlich. Aber meine arme Schwiegermama und ihre beiden alten Schwestern, die müßen diesen Kelch leeren. Wir leben bis jetzt still und ruhig hier, aber am Donnerstag wird bei uns Bohnenfest sein, was in einer Redoute besteht. Alles kommt in Dominos und späther wird ein Ball daraus. Ich hoffe, die Jugend wird sich amüsieren. Nun leb wohl, draußen stürmt der Schnee vom Himmel, kein schöner Anblick. Vor 2 Jahren in Palermo, wo wie heute Rußisch Neujahr, waren wir nach der Messe im Garten, wo wir [es] zu heiß hatten. Charlotte hatte baise mains, die Partana4 war en manteau de cour, in weißen Atlas Schuhen, die Herren in Schuhen und Strümpfen, dabei ein Duft von Blumen. Es war zu himmlisch, ob man je wieder nach Palermo kommen kann? Es sieht da nicht gut aus. Vielleicht hülft der Herzog von Serracapriola dort.5 Gott mit Dir. Adine Schwerin, den 1ten Februar 1848 Heute [ist] Luise ihr Geburtstag6 und ich schrieb ihr grade, als Dein lieber Brief kam, auf den ich gleich antworte. Erstlich, um herzlich zu danken und dann wegen die Zimmer, die Friederike in Beschlag nehmen will. Allerdings ist unsere Idee erst im Märtz nach Berlin zu kommen, so am 9ten. Also wären bis dahin die Zimmer frei. Indessen meinen Fritz und Wilhelm, wenn mal etwas besonderes bei ihnen wäre, wollten sie uns dazu haben. In diesem Falle wäre es dann nicht angenehm, die Wohnung besetzt zu wißen. Doch vielleicht kommt so etwas garnicht vor. Aber zum März muß sie heraus. Meine Luise, die Dir die Hände küßt, resonniert sehr, daß Dessaus7 die Zimmer haben wollen und meint, Du möchtest es nicht erlauben. Aber sage mal, dieses Jahr sterben ja die Fürsten so ungeheuer viel. Was bleibt dann über? Der Tod von Julie von Köthen thut mir 3 Erbprinz Friedrich Ludwig Heinrich Gustav von Hessen-Homburg (1830–1848) war am 4. Jan. in Bonn gestorben. Neben seinem Vater Gustav, der im Sept. 1848 sterben sollte, lebte zu diesem Zeitpunkt nur noch sein unverheirateter Onkel Ferdinand als letztes männliches Mitglied des landgräflichen Hauses Hessen-Homburg. 4 Fürstin Agata von Partanna, geb. Gravina e Gravina, Prinzessin von Palagonia (geb. 1792), verh. mit Vincenzo I. Grifeo, Fürst von Partanna (1791–1846). 5 Herzog Nicola Maresca Donnorso von Serracapriola (1790–1870), sizil. Botschafter in Paris, seit 28. Jan. Premierminister des Königreichs beider Sizilien. 6 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870) feierte ihren 40. Geburtstag. 7 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), und ihre Familie.
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leid.8 Beinah 40 Jahr habe ich sie gekannt. Bis zu ihrer Heirath sahen wir sie täglich. Späther freilich kamen wir ganz auseinander, und nun sah ich sie noch in Wien, wo wir recht freundlich und herzlich zusammen waren. Das ist auch eine Person, der man die Ruhe im Tode recht gönnt. Ihr Leben war nicht glücklich, aber wenn der arme Alexander der Niederlande sterben sollte, so jung und hoffnungsvoll, das ist denn zu traurig.9 Die Gräfin Renir wird ihre Kinder und Mann10 ein großer Verlust sein, denn sie waren glücklich, in Florenz sah ich sie noch. Unser Carneval wird morgen beginnen mit einem Galla Ball bei uns. Die tiefe Trauer für den König ist heute aus.11 Auch wir sehen mit Bangen der Zukunft von Dänemark entgegen. In unserem schönen Palermo sieht es recht traurig aus. Wenn sie die Stadt beschießen, all die schönen Gärten zu Grunde gingen. Es wäre zu traurig, doch kann ich es den Einwohnern nicht verdenken, wenn sie sehr unzufrieden sind. Die Regierung hat sie schrecklich behandelt, die gedrückt, wo sie konnte. Nun sind sie so arm und ausgehungert, daß sie durch eine revolution nichts verlieren, nur gewinnen. Die Wohlhabenden ging es nicht besser, von jedem Baum mußten sie Abgaben geben, jeden Garten, den sie anlegten, so daß eben jeder sich scheute, ein Grundeigenthum zu haben. Aus Strelitz hatten wir gestern Nachricht, daß es mit dem Onkel besser ginge. Er hat aber doch Angst gemacht und soll recht schwach sein. Fritz in Nizza geht es auch nicht besonders.12 Er hat viel Schmertzen im Rücken und kann nicht gehen. Sie mißfallen sich dort gründlich. Gott, wenn er doch hergestellt würde. Wie nützlich würde er nun auch dem armen Onkel sein, der doch alt wird. Aus Rußland weißt Du wohl garnichts? Es scheint eine allgemeine Schreibfaulheit dort eingekehrt zu sein. Selbst Olly klagt nur, selten Briefe zu bekommen. Wie freue ich mich, daß es mit der Großherzogin von Toskana13 besser geht. Ich fürchte sehr für unseren lieben Wittgenstein.14 An Fritz danke doch in meinem Nahmen für die Gnade, die er gehabt hat für meinen alten Bohm,15 der heute sein Jubiläum feiert. Adios, Gott mit Dir. [Adine] 8 Herzogin Sophie Julie von Anhalt-Köthen (1793–1848), geb. Gräfin von Brandenburg, war am 27. Jan. in Wien gestorben. Sie war eine illegitime Tochter König Friedrich Wilhelms II. von Preußen (1744–1797) und katholisch geworden. 9 Prinz Alexander der Niederlande (1818–1848) starb am 20. Febr. auf Madeira, wo er sich zur Kur aufhielt. 10 Ehefrau von Daniel Graf Renier, österr. Geh. Rat und Kämmerer, Oberstforstmeister in LombardoVenetien. 11 König Christian VIII. von Dänemark (1786–1848) war am 20. Jan. in Kopenhagen gestorben. Er war ein Neffe von Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin. 12 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904) befand sich auf einer Reise durch die Schweiz und Oberitalien. 13 Großherzogin Maria Antonia von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von NeapelSizilien (1814–1898). 14 Wilhelm Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des königl. Hauses. 15 Person nicht zu identifizieren.
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Meine geliebte Elis, wie hast Du mich und der liebe Fritz wieder reich beschenkt. Die Zeichnungen von dem Zimmer in Palermo haben mich unbeschreiblich gefreut und beinah zu Thränen erpresset, denn die schöne Zeit ist unwiederbringlich vorüber. Und wenn man denkt, daß dieser friedliche Winkel der Erde mit seiner paradiesischen Natur, der uns wie ein Asyl der Wonne und des Friedens vorgekommen, nun kaum 2 Jahr her, alles drüber und darunter ist. Freilich unzufrieden waren die Sicilianer mit Recht gegen den König.16 Es aber so weit zu treiben ist schäuslich. Nun übrigens sieht es in ganz Italien recht traurig und besorglich aus, und in München. Das ist auch eine traurige Begebenheit. Davon wollen wir nicht sprechen.17 Ich komme in Politik, anstatt noch für das schöne Zeug zum Kleide zu danken, was mir denn so gelegen kam, da ich nicht wußte, was ich zum Geburtstag von Fritz anthun sollte. Es ist bereits in Arbeit. Den 27ten. Ich konnte drei Tage garnicht zum Schreiben kommen, und Dir danken für Deinen lieben Brief, den ich denselben Abend noch erhielt. Du mußt schon verzeihen, wenn ich nur flüchtige Worte sende, denn ich habe kaum einen Moment für mich. Diese Tage, wo ich am liebsten still und ruhig verlebte, gehen nun in einem Taumel und Gewirr hin, daß ich kaum Zeit habe zu denken, was es für Tage sind, wenn mein schweres Herz mich nicht mitten im Geräusch daran erinnert. Ach, es wird mir und Fritz so viel Liebe gezeigt, die muß man dankbar erkennen und sie liebevoll aufnehmen. Man weiß nicht, was die Zeit bringt. Ich sehe trübe in der Zukunft. Am 9ten März denken wir bei Euch einzutreffen, und Euch recht lange auf dem Holz zu bleiben. Mich beruhigt nur, daß wir nicht genieren, denn wir kommen dazu viel zu oft. Heute Mittag haben wir cour von den hiesigen Herren, 190 Personen, morgen nur die Fremden und die Damen, 170. Wenn ich daran denke, wird mir schwach, 2 Tage solche Freuden zu genießen. Und am Dienstag großer Ball. Dann ist es aus. Nun leb wohl. Tausend Dank für alles Liebe. Deine Adine Schwerin, den 2ten März 1848 Meine geliebte Elis, was haben wir erlebt! Eine revolution in Frankreich, der König18 fort, eine Regentschaft von Helene, die wieder gestürzt, republique. Alles dies stürmte in das schöne Fest an Fritz seinem Geburtstag über uns ein. Es war eine Bestürtzung, die man nicht beschreiben kann, und nun die Angst um Helene, was aus ihr geworden sei. Da sieht man doch, daß im Unglück die Banden der Natur nicht von einem laßen. Was muß 16 König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien (1810–1859). 17 Es gab einen großen Skandal um König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) und seine Geliebte Lola Montez (1821–1861), der sich mit politischen Protesten in München vermischte und zur Schließung der Universität führte. 18 Der König der Franzosen, Louis Philippe I. (1773–1850), war Ende Febr. 1848 nach England geflohen.
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sie leiden, was für Erfahrungen machen. Und sie ist vielleicht noch nicht am Ziel, denn das sie in Paris, scheint mir sehr glaublich. Sie wird auf einen günstigen Augenblick warten, um dann wieder die Rechte ihres Sohnes in Anspruch zu nehmen.19 Viel Liebe hat sie im Volk und eine große Partei. Was wird die Zukunft bringen? Was werden wir in Deutschland diesen Stoß lange noch fühlen. Es sieht nirgens ruhig aus. Gott schütze uns. Am 9ten März kommen wir, wenn nichts dazwischen kommt. Deine treue Adine Schwerin, den 6ten März 1848 Liebe Elis, da wir jetzt die bestimmte Nachricht haben, daß Helene mit ihren Kinder in Ems angekommen ist, so werden wir am 8ten nach Berlin kommen. Luise und ich werden am 9ten unsere Reise gleich fortsetzen über Hannover und Köln mit der Eisenbahn und dann weiter nach Ems. Fritz wird uns nur bis Berlin bringen und dann zurückkehren nach Meklenburg, weil es doch besser ist, daß jeder Fürst in seinem Lande bleibt. Wenn wir dann zurück kommen von Ems, dann erlaubst Du wohl, daß wir uns in Berlin einige Tage aufhalten. Ich freue mich recht, den 8ten Abends mit Dir zu sein. Wir haben viel zusammen zu sprechen nach den schrecklichen Ereignissen und Dingen, die täglich vorfallen. Ich schließe, die Eisenbahn geht sonst fort. Bist Du vielleicht so gut und läßt diese Nachricht von Eherkommen an Fräulein Kameke sagen? Ich kann ihr nicht mehr schreiben. Deine treue Adine Morgen am 7ten denkst Du gewiß meiner.
Berlin, den 17ten März 1848, Freytag Morgen Ich denke, meine Adine, Du sehnst Dich nach Nachrichten von uns, und ich eile, Dir welche zu geben. Der gestrige Morgen war ruhig, auf dem Schloßplaz nur wenig Menschen, der gewöhnliche Verkehr und Wagen, die man in den lezten Tagen gar nicht mehr hörte. Gegen Mittag aber hatte ein Zug von Studenten, die zum Commendenten gingen, um sich zum Schuz anzubieten, Aufregung unter den Linden verursacht, die sich bis den Abend steigerte, bis ein paar Schüße die Menge in solcher fabelhaften Schnelligkeit zerstreute, daß es einen beynahe ängstlich wurde. Die Studenten waren impertinent bey Dittfurth,20 der ihnen sehr gut antwortete und das wirkte. Sie wurden nicht bewaffnet, aber angewiesen sich den Schuz Commisarien an zu schließen. Gestern Abend war aber Klage gegen sie, daß sie die Leute aufreizten. Später am Abend zeigte sich etwas in der 19 Nach dem Tod des Thronfolgers 1842 hofften die Anhänger der Orléans, das Bürgerkönigtum durch eine Regentschaft von Louis Philippe von Orléans, Graf von Paris (1838–1894), retten zu können. 20 Wilhelm von Ditfurth (1780 –1855), preuß. General und 1848 Stadtkommandant von Berlin.
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Brüderstraße, es hatte aber keine Folge. Heute ist alles ruhig bis jetzt, doch sollen endlich ernste Maßregeln ergriffen werden gegen die vielen der duchtigen Fremden und das Gesindel, das auf der Eisenbahn kommt. Die Bürger, die Gottlob sehr gut und treu gesinnt sind, klagen, daß man das Unwesen so lange dauern läßt, daß man sie nicht genug schüzt. Da muß ernst eingeschritten werden, um ihren guten Willen nicht zu mindern. Eben ist Fritz in Berathung mit Polizey und Militair in meinem großen Zimmer und ich höre viel Schreyen. Die Nachrichten aus Wien sind ein furchtbar gefährliches Beyspiel. Dort wurde alles aufgegeben. Metternich21 zog sich zurück, in den Vorstädten wurde geplündert, Metternichs Villa demolirt. Die Maßregeln waren schwach, Preßfreyheit, National Garde, Bewaffnung der Studenten, alles ist aufgegeben. Mir schwindelt und ich glaube zu träumen! Canitz22 las uns die Dépèchen vor, als ich Abschied von Marie23 genommen hatte, ein trauriger Abschied in der jetzigen Zeit! Nachher zog ich mich aus und blieb auf der chaise longue liegen, mit Umschlägen bis zum Abend. Es that mir gut, das Geschwür ist auf, aber noch sehr empfindlich. Onkel George, seinen Sohn und den Meiningen24 sah ich vor Tisch an meiner kleinen Couchen. Der Meiningen ist heute fort und kömmt wohl nicht wieder. Schade! Den Abend schickte Wilhelm Frau und Kinder in’s Schloß, weil er sein Haus nicht sicher glaubte. Auguste war schrecklich aufgeregt und unartig gegen Wilhelm. Ich beklage ihn doch sehr, wenn er so geplagt ist und im Haus diese Frauen zu ertragen hat. Das Wetter ist immer göttlich, jetzt eine Woche Calamität. Friederike hat geschrieben. So arg, wie man ihre Lage dargestellt hatte, scheint sie freylich nicht zu seyn, aber viel hat der arme Leopold25 doch nachgeben müßen. Der Pöbel verhinderte ihn nicht abzureisen, aber sein Sohn26 flehte ihn zu bleiben, was auch gewiß besser war. Fritz hat für’s erste Potsdamm aufgegeben, aber gewiß nicht auf lange. Er meinte, seine Gegenwart hier vermehre die Aufregung. Ich bin aber vom Gegentheil überzeugt. Gestern Abend war dieselbe Menge Menschen bey uns wie die früheren Abende, sehr viel Unruhe, Gehen und Kommen. Benkendorf27 war auch im grünen Zimmer. Dein kleiner Kammerherr brachte uns die gute Nachricht Deiner glücklichen Ankunft. Vorher schon hatte Fritz den Brief Deines Sohnes bekommen, der uns sehr erfreute. Gottlob, daß Du alles gut und ruhig gefunden hast. Gott erhalte es Euch. Onkel George war auch viel beruhigter gestern Abend. Er will heute um 12 Uhr abreisen. Nun will ich machen, daß der Brief wegkömmt, damit Du bald von uns hörst. Lebe wohl, Du 21 Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich (1773–1859), österr. Haus-, Hof- und Staatskanzler. 22 Karl Freiherr von Canitz und Dallwitz (1787–1850), preuß. Minister für auswärtige Angelegenheiten. 23 Mglw. Kronprinzessin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889), ab 20. März Königin von Bayern. 24 Mglw. Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914), verh. 1850 mit Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855). 25 Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871). 26 Erbprinz Friedrich (I.) von Anhalt-Dessau (1831–1904). 27 Konstantin Graf von Benckendorff (1817–1858), russ. Oberst und Flügeladjutant bei Kaiser Nikolaus I. von Russland, 1847–1856 russ. Militärbevollmächtigter in Berlin.
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Geliebte. Mit unbeschreiblicher Wehmuth trennte ich mich von Dir! Gott wolle uns beystehen und den Dicken mit Weißheit und Einsicht seegnen. Tausend Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 18ten März 1848 Wie unerhört gut von Dir, meine liebe, liebe Elis, daß Du mir selbst Nachricht von euch giebst. Du kannst denken, mit welchen Gefühlen ich abreisete. Gern wäre ich geblieben, um mit Dir in diesen schweren Tagen zu sein. Zu zweien erträgt man so etwas leichter, besonders, wenn sich zwei Herzen verstehen wie es sich unsere beiden verstehen. Das ist ein Glück für mich, was mich ewig in allen Verhältnissen des Lebens glücklich machen wird. Und von der anderen Seite zog es mich mächtig nach mein liebes Meklenburg, was man ja nicht wißen konnte, wie es sich in dieser Zeit nehmen und hallten würde. Zu meiner Freude fand ich alles ruhig und in Schwerin von dem besten Geist beseelt. Die kleine Unruhe28 hat die Herzen Fritz näher geführt, da er sich mit Ruhe und Besonnenheit benommen. Was uns aber aus dem Lande noch kommen wird, besonders von Rostock, das wird in einigen Tagen sich zeigen, wo ein schlechter Geist ist und alles Böse herkömmt.29 Daher wir keines weges ruhig sind, aber vorbereitet. In Berlin, wie Du schreibst, ist es weniger unruhig gewesen. Mir kömmt es vor, als wenn es sich nur auf einen anderen Stadttheil geworfen, doch ich denke, in Berlin wird man der Sache doch Herr werden. Allein, in Wien, das ist ein trauriges Beispiel.30 Was wird daraus werden? Wie habe ich mich geärgert über Leopold von Dessau, den Dank, den er seinem Volk geschrieben. Wirklich so schön und so herrlich gesagt, das es mich empört, solche Worte an ein solch undankbares Volk gerichtet zu sehen. Was soll man hernach an einem wirklich treuen Volk sagen? Und hinter diesen schönen Worten bewilligt er 17 Artikel. Es ist zu arg.31 Der alte Ernst August hingegen hat prächtig, kräftig geantwortet.32 Gott wolle uns alle in seine Allmacht nehmen und beschützen. Leb wohl, an Fritz danke noch für seine Fürsorge für uns. Es wird uns und Ihm Seegen bringen. Der Brief muß fort. Deine treue Adine
28 Es war in Schwerin am 13. März zu Ausschreitungen gekommen. 29 Rostock war das Zentrum der bürgerlich-liberalen Reformbewegung in Mecklenburg. 30 Staatskanzler Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich (1773–1859) war am 13. März zurückgetreten und geflohen. Bei Gefechten gab es die ersten Toten. 31 Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871) hatte am 12. März auf Petitionen seiner Untertanen mit einem Reformversprechen in 17 Punkten reagiert. 32 Indem König Ernst August I. von Hannover als Vertreter der Gegenrevolution Forderungen nach demokratischer Partizipation zunächst vehement ablehnte.
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385 Schwerin, 20ten März 1848
Ich werfe mich an Deinen Halz, geliebte Elis, mit dem tiefsten Schmertz über den schrecklichen Tag und die Nacht vom 18ten–19ten. Gott, daß es so weit kam und kommen mußte? Welche Zeit erleben wir und machen sie mit durch. Fritz seine Proclamation ist wunderschön, so väterlich und so eindringend.33 Einen Eindruck muß sie doch gemacht haben, und der Seegen Gottes wird mit ihr sein. Die Truppen sollen sich prächtig geschlagen haben, mit Muth und großer Ruhe. Wie viel Opfer sind aber gefallen! Außer dem Tod des kleinen Lieutenant von Zastrow von Uhlanen weiß ich noch nichts.34 Aber Möllendorf muß etwas zugestoßen sein, gefangen oder blessiert.35 Man kann nichts erfahren. Wir erwarten aber heute noch Briefe. Graf Bernstorf (Sohn von Amerika)36 kam heute mit seiner Famillie durch. Der hat uns viel erzählen müßen. Allein, so ganz bestimmt konnte er uns über manches nicht Auskunft geben. Aber, geliebte Elis, wie geht es Dir, die Du schon leidend warst? Du hattest Muth und Ruhe, wie wir uns trennten. Uns ahnte aber schon nichts Gutes. Wie viel schlimmer ist es aber geworden. Der Ministerwechsel hat mich auch betrübt.37 Alles wird umgestoßen, und die Zukunft wird alles umwältzen. Gott gebe, daß mit den Opfern, die viele Länder bringen müßen, das Heil und die Einheit Deutschlands erkauft wird. Gott wird auch hier helfen. Sonst es kömmt mir vor, als wenn Er seine Hand von der Erde abgezogen. Sie war Ihm zu schlecht, sie muß erst neu gebohren werden!! Leb wohl, Gott stärke uns in seinem Glauben und gebe uns Kraft, das Schwere so zu tragen, daß wir würdig sind, seine Kinder zu heißen. Mit Liebe und Treue Deine Adine Meine Kinder küßen Deine Hände. Sie sind tief erschüttert von den Welt-Ereignißen. Abend 11 Uhr. Wir haben nun erst das ganze Schreckliche von Berlin erfahren. Gott, Gott, hast Du die Deinen verlaßen? Ich bin so ergriffen und so hin von allem dem Gehörten, daß ich kaum das Leben habe. Nun stehen wir hier auch am Abgrund und müßen erwarten, daß wir hineingeschleudert werden. Denn wenn Preußen so fällt, wie kann sich unser Staat halten? Leb wohl, wo werden wir uns wiedersehen? Ewig Deine Adine 33 In dem Aufruf „An meine lieben Berliner“ vom 18./19. März 1848 verband König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die gewaltlose Unterordnung der Bürger mit der Schlussbemerkung: „Eure liebreiche Königin und wahrhaft treue Mutter und Freundin, die sehr leidend darnieder liegt, vereint ihre innigen, thränenreichen Bitten mit den Meinigen.“ 34 Adolf August von Zastrow (1819–1848), Leutnant im 2. Garde-Ulanen-Regiment. 35 Der mit dem Schutz des Berliner Stadtschlosses beauftragte Generalmajor Johann Carl von Möllendorff (1791–1860) war am 19. März gefangen genommen und misshandelt worden. 36 Arthur Friedrich Karl Graf von Bernstorff (1808–1897), Sohn der Amerika Gräfin von Bernstorff, geb. Freiin Riedesel zu Eisenbach (1780–1856). 37 Der reformorientierte Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868) hatte am 19. März die Regierungsgeschäfte in Preußen übernommen.
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Schwerin, den 23ten März 1848 Ich zögerte mit meinem Brief, geliebte Elis, denn mein Herz blutet bei allem, was in Berlin vorgegangen. Davon kann und will ich nicht sprechen. Aber von Dir, meine geliebte Elis, möchte ich wißen, wie es Dir geht, wie Du all die mannigfaltigen Erschütterungen ertragen. Du warst schon leidend, als wir uns trennten, und die Thränen beim Abschied zeigten, wie tief bewegt unsre Herzen waren und wie wir den Ernst der Zeit erkannt. Allein, dies ahnten wir nicht. Noch im letzten Brief an Dich ahnte ich nicht, was vorgefallen. Nur die letzten Zeilen zeigten, daß ich es erst erfahren. Was mag der arme Fritz gelitten haben, bis er zu dem Entschluß kam. Sein Geist bleibt groß in allen Verhältnissen. Hast Du Nachrichten von Deinen Schwestern aus Wien und Dresden? Luise wird recht betrübt sein über den Tod von Alexander der Niederlande.38 Charlotte ging es ziemlich. Die Nachrichten aus Paris hatten sie doch ergriffen. Helene39 ist noch in Ems mit Hoffnungen für den May. Wenn denn nichts für sie entscheidet, wird sie einen andern Ort sich suchen. Wilhelm hat sie gesehen. Von ihm selbst haben wir noch keinen Brief. Durch einen Lakaien, den Mama sendet, erfuhren wir es, der Frau von Rantzau holen sollte, da ihr Mann recht krank geworden.40 Leb wohl, mit alter treuer Liebe, Deine treue Adine Gott schütze Dich und Fritz!!! Bruder Wilhelm ist nach England, wie die Zeitung sagt! Den 24ten. Gestern ist Bruder Wilhelm von Perleberg kommend bei Onkel Gustav eingekehrt, hat dort gegessen und ist dann bis Hagenow mit Pferde gefahren und von da mit Eisenbahn nach Hamburg. Er hat mich so gern besuchen wollen, es aber doch nicht gewagt. Wie es mir leid ist, ihn nicht gesehen und gesprochen, kann ich nicht sagen. Und ihn auf der Flucht zu wissen, ist ein schrecklicher Gedanke. Minister Lützow bringt diesen Brief selbst nach Berlin oder Potsdam.41 Daher schrieb ich dies von Wilhelm noch hinein. Mein Fritz kann noch nicht Schwerin verlaßen. Nur wenn seine Gegenwart unvermeidlich ist, wird er erscheinen. Schwerin ist ruhig bis jetzt, aber das Landvolk soll sehr aufgehetzt werden, und da kann man nie eine Stunde sicher sein. Leb wohl, Gott mit Dir.
38 Prinz Alexander der Niederlande (1818–1848) war am 20. Febr. auf Madeira gestorben. 39 Die Pläne einer Regentschaft durch Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu MecklenburgSchwerin (1814–1858), für ihren Sohn Louis Philippe von Orléans (1838–1894), Graf von Paris, hatten sich zerschlagen. 40 Carl von Rantzau (1782–1851), Hofmarschall der Erbgroßherzoginwitwe Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, verh. mit Eleonore von der Goltz (1798– 1861). 41 Der liberale Regierungschef Ludwig von Lützow blieb in Schwerin weiter unangefochten, hatte aber immer im Blick, welchen Weg Preußen vor allem deutschlandpolitisch einschlug.
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Meine Kinder küßen Deine Hände. Wenn Du nicht selbst schreiben kannst, noch magst, so laß durch Editte42 nur sagen, wie es Dir geht. Denn das ist mir die Haubtsache, Nachricht von Dir zu bekommen.
Berlin, den 23ten März 1848 Meine Adine, Du weißt alles, Du wirst mir also die Erzählung der Ereigniße der lezten Tage ersparen. Was ich gelitten und noch leide, vermag keine Feder zu schildern. Die Ruhe ist wieder eingekehrt, aber welche Ruhe und um welchen Preis? Ich bin vernichtet und der Boden wankt mir unter den Füßen. In einem Tage ein solcher Sturz, und von Tag zu Tage ein tieferer Fall. Ach Gott, wie haben wir das verdient? Gestern war Wilhelms Geburtstag, und er entfernt, verborgen, sein Haus ein Bittschrifften Banon, wohl aus guter Absicht es zu schüzen, aber dennoch Herz zerreißend.43 Meine Lebensmuth ist gebrochen, Gott wolle mich stärken und den armen Dicken das Rechte eingeben. Er schläft und ißt nicht, ist aber sonst wohl. Doch ist es mir oft, als sey er ein andrer Mann geworden, gebrochen und geschlagen. An unser braves Militair darf ich nicht denken ohne den brennends- Abb. 13: Brief der Königin Elisabeth von Preußen aus Berlin vom 23. März 1848. ten Schmerz. Heute war Kleist44 aus Potsdamm hier im Civil Ueberrock. Alle Adjudanten gehen auch so, und das hier! Gestern habe ich mich zum erstenmal in den Lustgarten gewagt, sonst bin ich noch nicht aus dem Schloßportal gekommen. Heute, sagt man, sollen wir aus fahren, bis jetzt ging das nicht. Die gestrige Beerdigung45 ging 42 Editha von Hacke (1821–1889), preuß. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 43 Das Kronprinzen-Palais von Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) in Berlin wurde von einigen revolutionären Berlinern mit Inschriften bemalt, wie „Volkseigenthum“, „Eigenthum der ganzen Nation“ und „Bürgergut“. Dies sollte wohl aber auch Brandstiftung verhindern. 44 Mglw. Wilhelm Bogislaw Graf von Kleist vom Loss (1791 –1860), preuß. Major und Hofjägermeister, oder Ferdinand von Kleist (1797–1867), 1848 preuß. Major. 45 Öffentlicher Trauerzug am 22. März bei der Beerdigung der 183 am 18. März in Berlin getöteten Zivilisten unter der aufsehenerregenden Teilnahme von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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ruhig vorüber. Die Bürger sind gut und treu, aber noch ist keine autorität, keine Festigkeit in den Verhältnissen zurückgekehrt. Wer hätte das gedacht, als wir uns trennten. Dein lieber Brief thut mir sehr wohl. Ich weiß, wie Du mit mir fühlst. Stolberg,46 Thiele47 sind entfernt, das war eine harte Trennung. Du glaubst nicht, wie viel einzelne, bittere Tropfen noch auf das Herz fallen, außer dem tiefen Kummer, der es schon erfüllt. In allem, was mir am liebsten und theuersten war, woran ich am meisten hing, bin ich so peinlich berührt. Gebet hilft mir allein, die tiefe Schmach tragen. Zum erstenmal in meinem Leben habe ich begriffen, daß ein Mann ohne Glauben sich das Leben vor Verzweiff lung nehmen kann. Wilhelm ist gestern Abend nach England gereist, Auguste in Potsdamm mit den Kindern. Seit ihrer Flucht Sonntag sahen wir sie nicht wieder. Die Trennung von ihnen, als sie durch das Schloß nach der kleinen Treppe der […]48 flohen, war fürchterlich! Wir selbst waren mehrere Male ganz fertig zur Flucht, immer wurde es hintertrieben. Vielleicht war es besser so, ich weiß es nicht. Ich bin so vielfach diesen Morgen gestört und überlaufen worden, daß ich nicht zu Ende kommen konnte. Jetzt eben bin ich zum erstenmal ausgefahren und zwar zum alten Witgenstein,49 der noch zu Bette war. Er hat sich etwas erholt, doch ist er noch sehr schwach. Von der Stille und Leben der Straßen hat man keinen Begriff. Die Freyheit sieht recht traurig aus. Die scenen des Sonntags übersteigen alle Beschreibung, daß ich sie überlebt, fasse ich noch nicht. Ich bin eigentlich wohl, heute aber doch sehr matt vom vielen Weinen. Kleist aus Potsdamm war hier, ich wurde bitterlich, als ich ihn sah ohne Uniform, dann kam Wilhelm Radziwill50 zum Abschied, er geht nach Torgau. Jeder Abschied wird so schwer jetzt. Es ist nun Abend und wieder ein Tag beynahe vorbey. Ich bin immer froh, wenn ich wieder einen hinter mir habe. Alles ist Gottlob ruhig. Eine Volksversammlung wurde von gutgesinnten Arbeitern aus einander gesprengt und ein schlechter Literat tüchtig durch geprügelt. Das ist gut. Gott wird ja helfen. Bete für uns. Wie bin ich confus. Ich sprach Dir zweymal von Kleist. Du siehst, wie schwach mein Kopf ist. Karl mit Frau und Kinder sind in Potsdamm. Er war heute hier einen Augenblick. Abat ist hier und besuchte mich heute Morgen. Onkel und Söhne halten treulich bey uns aus.51 Viel treue Seelen haben sich bewährt in dieser schrecklichen Zeit. Noch immer schlafen die Herren in der Hallen, im Eßzimmer, meine Damen im Sallon. Man-
46 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), preuß. Minister des Königl. Hauses, seit 1842 Staatsminister, zurückgetreten am 18. März. 47 Ludwig Gustav von Thile (1781–1852), preuß. General, seit 1841 Staatsminister, zurückgetreten am 19. März. 48 Wort nicht zu entziffern. 49 Fürst Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770 –1851), seit 1819 preuß. Minister des Königl. Hauses. 50 Prinz Wilhelm Radziwill (1797–1870), 1848 preuß. General. 51 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) und seine Söhne Prinz Adalbert (1811–1873) und Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849).
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teuffel und Oriola sind bey Fritz zur Dienstleistung.52 Massow53 ist prächtig, Rauch,54 Keller55 eben so, alle vortrefflich, bey Tag und bey Nacht. Lebe wohl, Du Geliebte, denke an uns und vertraue mit uns auf Gottes Hülfe. Deine Kinder umarme ich. Fritz Wilhelm56 ist so tief betrübt, daß er gar nicht aus dem Zimmer gehen will. Welche Erfahrung in seinem Alter für seine ganze Zukunft. Er sagte Sonntag an Schilden:57 „Ich will suchen, es zu vergeßen.“ Ist das nicht zu rührend! Fritz umarmt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Heute ist meiner armen Reede Todestag.58 Wie glücklich ist sie! Schwerin, den 27ten März 1848 Meine Elis, Dein Brief hat mir das Herz zerschnitten, da ich sehe, daß Du Dich nicht täuschest und die ganze krasse Wahrheit des jetzigen Moments und der jetzigen Zeit Dir klar vor der Seele steht. Es ist schauerlich, wenn man das thut, aber gewiß gut, denn dann wird man erst recht auf den Himmel allein gewiesen, denn der kann nur helfen, und Gott wird helfen, wenn Er es für gut hällt. Aber was fällt alles. Mit blutendem Herzen sieht man ganze Völker fallen, alle bestandenen Rechte, alle Ordnung. Der Himmel hat die Menschheit zu schlecht, zu verderbt gehallten. Er muß sie züchtigen. Was wird danach kommen! Man beugt sein Haubt und hilft und hällt, wo man kann, um vielleicht noch tiefer zu fallen. Nun, wir stehen in Gottes Hand. Minister Lützow kehrte gestern von Berlin zurück. Er brachte wenig Trost, aber viel Trauer! Das brave Militair benimmt sich allein, wie es ein Preuße thun muß. Es fällt aber auch bald der Gewalt. Es ringt noch nach Kraft und Einheit. Blutige Thränen weint man über sie und über Preußen. Meine Elis, immer und immer muß ich an Dich denken und möchte bei Dir sein können. Du hast so niemand, mit dem Du Dich aussprechen kannst. Doch bei einem solchen Seelen Schmertz, der so groß ist, daß keiner daneben kommen kann, da ist man nach meinem Gefühl am liebsten allein, um ihn mit sich selbst durchzukämpfen und sich selbst erst wieder zu finden. 52 Edwin Freiherr von Manteuffel (1809–1885) und Eduard Graf von Oriola (1809 –1862), preuß. Flügeladjutanten. 53 Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, seit 1837 Intendant der Königl. Gärten und seit 1843 Mitglied des preuß. Staatsrates. 54 Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generaladjutant. 55 Alexander Graf von Keller (1801 –1879), preuß. Hofmarschall und Intendant der Königl. Gärten. 56 Der 16-jährige Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888), der spätere König und Kaiser. 57 Friedrich Anton Freiherr von Schilden (1773 –1851), seit 1840 Oberhofmeister der Königin Elisabeth von Preußen. 58 Wilhelmine Gräfin van Reede, geb. von Krusemark (1768–1847), 1823 bis 1846 Oberhofmeisterin der Königin Elisabeth von Preußen, war am 22. März 1847 gestorben.
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Den 28ten. Gestern erst erfuhr ich, daß der Herzog von Braunschweig59 in Potsdam war. Das wird erst ein trauriges Wiedersehen sein, dann Dir aber wohlgethan haben, einen so lieben Verwandten zu haben, mit dem Du sprechen kannst. Er ist sehr klar und geht sehr sicher seinen Weg. Aber kaum ist man von einer Seite etwas beruhigt, so kömmt wieder etwas Neues, wie wieder Schleswig-Holstein.60 Wir sehen schon unsere Truppen marschieren, und das ist in diesem Augenblick nicht angenehm, wo es auf dem Lande anfängt, unruhig zu werden! In Baiern ist ja ein neuer König, ein König Max und eine Königin Marie.61 Was man nicht alles erlebt, doch finde ich jeden zu beneiden, der im jetzigen Augenblick sein Amt ablegen kann. Er ist viel glücklicher als die, die sich mit Regieren plagen und doch es niemand Recht machen. Noch kann ich sagen, daß in Mek lenburg dies zwar nicht der Fall ist, allein, in vier Wochen ist die Gewalt des Fürsten gebrochen. Er kann nicht mehr so frei das Gute schaffen, was sein Herz so warm für sein Volk will. Wir gehen einer traurigen Zukunft entgegen. Sage mal, ist das wahr, daß meine lieben Zimmer unten im Schloß jetzt die Blessierten aufgenommen? Dann werde ich sie lange, lange nicht beziehen! Mein Wilhelm ist in Potsdam. Ich hoffe, Du wirst ihn gesehen haben. Wie ich höre, wird er uns späther vielleicht besuchen. Wilhelm ist nun wohl in England!!! Er ist durch Ludwigslust gekommen und hat beim Onkel Gustav gegessen. Von diesem erfuhr ich erst, daß mein Bruder auf der Flucht sei. Das war ein Augenblick, ich glaubte, ich ertrüge es nicht. Gott schütze ihn! Auguste ist mit den Kindern in Potsdam und bleibt auch wohl da. Leb wohl. Aus Petersburg ist wohl auch keine Nachricht, wie Charlotte diesen Schlag ertragen. Wie man seine Briefe hinbekommen soll, weiß man jetzt nicht. Ewig, Deine treue Adine Meine beiden Kinder legen sich zu Füßen. So viel Thränen, wie wir diese Zeit vergießen, ist lange nicht vorgekommen. Schwerin, den 12ten April 1848 Ich habe so unerhört lange nichts von Dir gehört, meine Elis, daß ich wieder einmal schreiben muß. Ich hoffe, die schönen, warmen Frühlingstage werden Dir gut gethan haben, und Du wirst sie in Potsdam genießen können, da Du in dem schönen, lieben Sanssouci gewiß viel herum gehest. Ich weiß nicht, ob es Dir geht wie mir. Eigentlich freut man sich über das frische Grün und doch macht es mich sehr traurig. Es kontrastiert so mit der Stimmung, in der man ist. Neulich war ich in Friedrichsthal, da war es so 59 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884). 60 Die Erhebung in Schleswig-Holstein gegen Dänemark wurde u.a. durch preuß. und auch meckl. Truppen militärisch unterstützt. 61 König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) hatte am 20. März 1848 abgedankt. Durch die Thronbesteigung König Maximilians II. Joseph (1811–1864) und Königin Maries von Bayern (1825–1889) wurde eine Prinzessin aus dem Haus Hohenzollern Königin von Bayern, während mit Königin Elisabeth eine Wittelsbacherin Königin von Preußen war.
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still und so friedlich, und dachte an Dich, wie es Dir damals 1842 so gefiel, die schönen Buchen und überhaubt unsere Wälder, die freilich noch nicht grün sind. Wir leben hier in Schwerin noch ruhig. Wir können aber beinah nach Wochen und Tagen berechnen, wie lang es noch wahren wird. Die Osterwoche wird wohl die letzte sein. Dabei fällt mir ein, wird Charlottchen noch eingesegnet,62 natürlich in Potsdam und wohl nur in der Famillie. Das ist eine doppelt ernste Zeit für sie. Das arme Kind hat überhaubt nur Trauer und Kummer in ihrem Leben! Von meinen beiden Schwestern habe ich natürlich wehmütige Briefe. In diesen Tagen marschieren nun unsere Truppen ab. Ein wehmütiges Scheiden. Gestern bekamen wir die Nachricht von der ersten Schlacht, die der König von Dänemark selbst kommandiert und Sieger blieb bei Flensburg. Jetzt werden die Preußischen Regimenter vielleicht schon gegen ihn fechten. So wird das Gefühl von allen Seiten in Anspruch genommen. Heute aßen die Offiziere bei uns, die in der ersten Abtheilung abmarschiren. Darum kann ich nicht nach Ludwigslust, um Dein Regiment zu sehen,63 was ich mir vorgenommen und was mir eine besondere Freude gemacht hätte, denn ich liebe die armen Preußischen Truppen sehr. Habt ihr Nachricht von Wilhelm? Wenn Du Auguste siehest, so grüße sie von mir, ich hoffte, sie hätte meinen Brief bekommen. Mein Wilhelm hat manchmal das Glück, Dich zu sehen. Er ist bei seinem lieben Regiment. Leb wohl, Gott mit Dir und den Deinen. Dein Schwager Franz Karl steht jetzt dem Kaiser zur Seite!64 Mit alter treuer Liebe, Deine Adine Potsdamm, den 13ten April 1848 Ja wohl, meine Adine, habe ich lange nicht geschrieben, zürne nicht. Es gab so viel zu schreiben, überdem lockte mich das schöne Frühjahr oft hinaus, und was soll ich sagen! Ich bin traurig, und Lebensmuth und Freudigkeit sind verschwunden. Man dankt nur Gott, wenn ein Tag wieder vorüber ist, ohne zu viel Unruhe und Kummer, aber eigentlich besser wird es nicht. Die Zukunft ist so dunkel in der Verwirrung, die sich aller Menschen bemächtigt hat. Man sollte zuweilen glauben, man lebe in einem Narrenhaus. Nach Berlin bin ich nicht wieder gekommen seit dem 26ten und habe auch keine Lust, das liebe, ruhige Potsdamm zu verlassen. Fritz geht zuweilen herüber, dankt aber Gott, wenn er wieder hier ist. Er ist im Ganzen besser, aber doch sehr verändert an Geist und an Körper. Der Landtag verging gut,65 und es ist eine Art Ruhe in Berlin eingetreten, aber es ist keine erfreuliche, die alte Ruhe nicht mehr. Ich möchte so viel noch sagen, 62 Konfirmation der Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 63 Kürassierregiment Nr. 2 „Königin“ in Pasewalk. 64 Erzherzog Franz Karl Joseph von Österreich (1802–1878) unterstützte seinen Bruder Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793–1875). Auf seine eigenen Thronambitionen verzichtete er später auf Drängen seiner Ehefrau Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), zugunsten seines Sohnes Franz Joseph (1830–1916). 65 Am 2. April war der vereinigte Landtag der preußischen Provinzen in Berlin das zweite Mal nach
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aber schrifftlich geht das nicht. Gott gebe nur, daß in Holstein uns nicht eine neue Schmach erwartet, das wäre schrecklich.66 Eben läßt sich Rauch melden, dem schütte ich oft das Herz aus. Von Wilhelm sind die Nachrichten Gottlob gut. Er ist so herzlich in England empfangen worden von allen Classen. Bergh67 ist dieser Tagen zurück gekommen und brachte uns mündliche und schrifftliche Nachrichten. Auguste werde ich heute Deine Grüße sagen. Sie lebt hier im Schloß sehr zurück gezogen mit ihren Kindern und kam erst einmal zum Familiendiné und immer in Trauer. Sie sieht übel aus, sehr mager und ist auch leidend. Ich sehe sie täglich. Karls sind auch hier im Schloß mit ihren Töchtern.68 Fritz Karl69 wohnt im Neuen Palais mit dem Füselier Bataillon, wobey er jetzt steht. Onkel Wilhelm und Waldemar, der zum Erbarmen übel aus sieht, waren die ganze Zeit hier und gingen nur heute auf ein paar Tage nach Berlin, wo sie den Todestag der geliebten Tante zu bringen wollen.70 Adalbert und Fritz Louis71 gehen ab und zu, Albert äußerst selten und nur mit dem unerträglichen Stockhausen,72 in deßen Bande er mehr wie je ist. Seine Kinder sind hier, und Charlotte73 soll am 19ten hier im Schloß vor einen kleinen Kreis eingesegnet werden von Snethlage,74 der nachher gleich die Vorbereitung halten wird, denn den grünen Donnerstag wollen wir alle zusammen in der Garnisonkirche zum heiligen Abendmahl gehen. Williams hiesiger Auffenthalt, obwohl nur kurz, that meinen Herzen sehr wohl, denn seine Theilnahme, so thätig und treu, ist wirklich rührend. Da kömmt eben Fritz vom Neuen Palais, wo er das Füselierbataillon exerciren sah. Er ist zu Fuß zurück und ganz im Schweiß. Er sagt Dir alles möglich Liebe. Wie schade, daß Du mein Regiment nicht sahst!75 Warum rechnest Du so bestimmt auf Unruhen? Ich hoffe zu Gott, Ihr kommt noch gut durch. Ach, wie gerne denke ich noch an das stille, hübsche Friedrichsthal,76 an Eure herrlichen Wälder. Hier ist es jetzt wunderschön, alles um einen Monat voraus, die Obstbäume in voller Blüthe. Könnte man es nur recht genießen, mit leichtem Herzen, aber das Herz ist voll und schwer und die Augen rothge1847 zusammengetreten, um über demokratische Wahlen und die Vereinbarung einer Verfassung mit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zu beraten. 66 Die Erhebung in Schleswig-Holstein gegen Dänemark wurde u.a. durch preuß. und auch meckl. Truppen militärisch unterstützt. 67 Mglw. Christian Carl Maximilian Maria August Freiherr von Bergh, preuß. Hauptmann und Adjutant des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 68 Prinz Carl von Preußen (1801–1883) mit seiner Familie. 69 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. 70 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) trauerte um seine Ehefrau Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, die am 14. April 1846 gestorben war. 71 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873) und Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). 72 Friedrich Ludwig Albert von Stockhausen (1810–1858), preuß. Kammerherr. 73 Konfirmation der Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 74 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), preuß. Hof- und Domprediger in Berlin. 75 Kürassierregiment Nr. 2 „Königin“ in Pasewalk. 76 Jagdschloss bei Schwerin.
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weint! Doch ist das frische Grün eine Wohlthat, ein Zeichen, daß uns Gott in seiner Gnade noch nicht verlassen hat. Wir wollen recht von Herzen zu Ihm beten. Dein Wilhelm fühlt die jetzige Zeit recht tief. Tausend Dank für Deine beyden frühern Briefe. Von Charlotte hatte ich wenige, aber herzzerreißende Zeilen, von Luise einen langen Brief. Wir denken alle gleich. Lebe wohl, Du Geliebte, tausend Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine Elis Schwerin, den 19ten April 1848 Meine liebe Elis, nur einige sehr flüchtige Worte schreibe ich Dir, indem ein treuer Diener von Wilhelm heute Abend hier ankam, von ihm aus geschickt, und der morgen in aller Frühe wieder zurückgeht, diese Zeilen mitnehmen soll. Es sieht ja wieder recht besorglich in Berlin aus.77 Die Menschen sind ja wirklich Teufel geworden und des Herrn Gericht kommt nun über sie. Jetzt wird es sich entscheiden, wer die Oberhand behällt. Ach, ich hoffte, wir wären hart genug geprüft. Was wird uns nun noch vorbehalten? Heute war die Einsegnung von Charlottchen, die wird auch entsetzlich gewesen sein mitten in dieser neuen Angst. Du gehest morgen zum heiligen Mahl und wir auch. Ich hoffte, es mit ruhigem Geiste thun zu können und nun sind wir wieder so bang bewegt. Es zeigt uns aber recht klar den Weg, den wir nehmen sollen, daß ohne Glauben und ohne Gott die Menschen nicht bestehen können. Nur durch ihn und mit ihm können wir die schweren Wege und Tage dieses Lebens [durch]wandern. Gott möge uns diese heilige Handlung zum Heil und Frieden gereichen und uns Kraft geben, das Schwerste zu tragen. Leb wohl, Gott mit Euch und uns. Dein auf ewig Adine Potsdamm, den 4ten May 1848 Dein Wilhelm ließ mir sagen, er schicke seinen Kammerdiener morgen nach Schwerin. Da benuze ich denn schnell die Gelegenheit, Dir ein paar Worte zu schreiben, meine Adine, obgleich ich heute wieder einen von den Tagen gehabt, wo ich gar keinen Augenblick für mich hatte, außer den Morgen früh, als Fritz nach Berlin ging. Ueberdem lockte mich die Sonne zweymal hinaus. Sie war verrätherisch, denn der Wind ist bitter kalt und ich fühle ihn gleich auf der Brust. Eben komme ich vom Wildpark aus dem bayerschen Häuschen,78 wo es so friedlich und so still ist. Ach, könnte man dort bleiben in Ruhe, nichts hören, was so weh thut, und nicht sehen von dem Getriebe der lauten Welt mit ihren verdrehten Köpfen. Mir ist, als nähme die Verwirrung noch immer zu. Was soll 77 Am 19. März hatte mit Ludolf Camphausen (1803–1890) ein rhein. Liberaler das Amt des preuß. Ministerpräsidenten übernommen. 78 Das „Bayrische Haus“ in Potsdam war 1847 im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen für seine Ehefrau Königin Elisabeth, einer geb. Prinzessin von Bayern, errichtet worden.
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daraus werden? Der Zustand von Berlin ist immer noch trostlos, finde ich, denn leider ist auch keine Autorität, jeder thut, was er will, man giebt immer nach, und so kann die Aufregung nicht aufhören. Der arme Dicke leidet schrecklich. Es ist nicht möglich alles zu sagen, was uns drückt, es ist wahrlich zu viel und zuweilen nicht zum aushalten. Gott wolle uns schüzen und stärcken, das Leben ist schwer. Dank, tausend Dank für Deine beyden lieben Briefe, die mich so erfreuten. Wie konnte man Dir so bange machen? In der Entfernung ist es noch viel ärger. Den grünen Donnerstag waren einmal ordentliche Maßregeln genommen, und es ging auch ruhig. Während dem gingen wir alle, auch Dein Wilhelm, zum heiligen Abendmahl, mit welchem Gefühl weißt Du aus eigner Erfahrung, aber es that sehr wohl. Charlotte war vortrefflich bey ihrer Einsegnung, antwortete sehr erlich. Es war sehr erbaulich und rührend. Armes Kind, sie jammert mich sehr. Man meldet mir Erlaucht zum Thee und Radziwill.79 Ich muß also schnell enden. Verzeihe den dummen Brief. Von Wilhelm hatten wir Gottlob gute Nachrichten, könnte er doch bald zurück kommen. Welcher Trost in dem herrlichen Benehmen unsrer Truppen, das muß ihnen Anerkennung schaffen. Fritz Karl80 ist glückselig. Seine Mutter ist in Weymar.81 Nun schnell addio, ich umarme Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Fritz umarmt Dich. Ludwigslust, den 9ten Mai 1848 Mein Wilhelm wird Dir diesen Brief überbringen und Dir sagen, daß wir hier in Ludwigslust einige glückliche Tage zugebracht haben. Wir hörten von nichts. Ich weiß nicht einmal, wie es in Schwerin aussieht. Fritz war nur einen halben Tag hier und wird vielleicht heute Nachmittag wieder kommen. Wir genießen unsere Freiheit hier recht, gehen des Morgens früh spazieren in dem himmlischen frischen Grün. Wenn es nicht zu heiß ist, fahren wir um der Mittagsstunde, und des Abends reitet Luise. Morgen hat all diese Freude ein Ende, und ich fürchte mich für Schwerin. Aber eigentlich ist es doch besser, dort zu sein. Die Zeit ist ernst und man muß sie auch so aufnehmen und sie so tragen. Mein Herz sehnt sich recht nach Dir, geliebte Elis, und es würde für uns beide eine Erleichterung sein, wenn wir uns gegenseitig aussprechen könnten. Allein, ich muß Dir aufrichtig gestehen, ich kann mich noch nicht entschließen, zu Euch zu kommen. Es ist zu viel entsetzliches geschehn. Es liegt so viel Schweres und Trauriges noch voraus. Ich muß erst noch viel ruhiger werden, Du wirst wohl aus Weimar wißen, daß Helene mit ihren Kindern und Mama nach Eisenach ist, wohin sie der Großherzog schon gleich eingeladen hatte.82 Dort wird sie 79 80 81 82
Mglw. Prinz Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. General. Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877). Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858), war mit
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sich nun fürs erste niederlaßen. Dieser Entschluß soll Helene entsetzlich viel gekostet haben, da es ihr nun klarer wird, wie sehr sie sich in ihren Erwartungen getäuscht. Überhaubt soll sie sich sehr unglücklich fühlen, da sie auch nicht weiß, wie und wo von sie ihre Kinder erziehen soll. Man hofft noch, daß man ihr ihr Witthum aus Paris bewilligen wird. Ich zweifle sehr daran. Dann fällt sie uns doch wahrscheinlich zu, und das ist ihr das schrecklichste, was sie sich denken kann. Mir wäre es auch schrecklich in ihrer Stelle! Was hast Du für Nachrichten von den Deinen aus Wien und Dresden? Mariechen, die junge Königin, hat ja einen Sohn, was mich sehr gefreut.83 Waldemar84 ist nun aus Berlin fort nach Münster. Das wird den armen Onkel recht betrüben. Der Krieg in Schleswig scheint vors erste beendigt.85 Das ist mir recht lieb. Wir wollen uns nun gegen Frankreich wenden. Willißen hat ja Pohlen recht ruhig hinterlaßen.86 Der Bruder von der Schöning ist beim General Hirschfeld.87 Durch den bekommen wir immer recht ausführliche Nachrichten. Es ist schaudervoll dort, Verrath und Meuchelmord, die Pohlen kriechend und falsch, die Truppen aber wie die Engel, gehorsam und tapfer, aber nicht grausam. Der Aufenthalt im nördlichen Schleswig, von Flensburg an, und da wo grade unsere Meklenburger stehen, wäre alles ganz dänisch gesinnt. Sie sagten es ganz offen und wollen nicht Deutsche werden, wozu man sie zwingen will, um sie glücklich zu machen. Adios, tausend Dank für Deinen lieben, lieben Brief. Adine Sans Souci, den 15ten May 1848 Das erste Wort, das ich hier schreibe, ist für Dich, meine Adine. Dein Wilhelm soll dieß mitbringen, ein Wort der Liebe aus dem lieben Ort, nach dem ich mich dieses Jahr besonders gesehnt habe, der freylich auch nicht mehr ist, was er war, denn wir bringen ihm keine leichten Herzen, keine ruhigen Gemüther mehr zu. Aber dennoch kann man sich in der äußeren Ruhe einige illusion machen. Es ist so schön hier, alles blüht. Gottes Seegen siht man überall, aber die Menschen sind gar zu schlecht. Die lezten Tage waren wieder gräßlich und voll Angst. Vielleicht wäre eine Krisis ein Glück, wie in einer Krankheit, aber sobald Wilhelms Name darin genannt wird, dann ist es ein Unglück. Er ist nur der Vorwand, das Hauptziel dieser Leute, die legitime Succession zu stören. Hätten sie
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ihren Söhnen aus Paris in das Exil nach Eisenach geflohen, wohin ihr Onkel mütterlicherseits, Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853), sie eingeladen hatte. Eine Rückkehr in das revolutionäre Frankreich war unmöglich, und auch ein Exil in Mecklenburg war nach dem Streit mit ihrem Bruder Paul Friedrich um ihre eheliche Verbindung 1837 keine Option. Prinz Otto von Bayern (1848–1916) wurde am 27. April in München geboren. Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849), Sohn des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). Die preuß. Truppen in Schleswig-Holstein operierten zu diesem Zeitpunkt erfolgreich. Oberst Karl von Willisen (1788–1873) kommandierte die preuß. Truppen während des poln. Aufstands in der Provinz Posen. Moritz von Hirschfeld (1790–1859), preuß. General.
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einmal dies erlangt, so wäre der Thron erschüttert, und dann würden sie leichtes Spiel haben. Gott gebe den Ministern Festigkeit. Bis jetzt bleiben sie fest. Ich denke, um 6 Uhr kömmt Nachricht aus Berlin, denn um 4 Uhr wollten sie Antwort auf die gestrigen, schändlichen Anträge geben.88 Eigentlich ist meiner Meinung nach darauf gar keine Antwort. Ach, es ist eine schwere Zeit, ein Leben, das oft kaum mehr so genannt werden kann. Auguste war natürlich in diesen Tagen sehr agitirt und heute sehr betrübt, als wir heraus zogen, denn sie war viel bey mir und klagte mir ihr Leiden. Ich hoffe nur, sie kann bald auf den Babelsberg, denn im Potsdammer Schloß ist die Hize jetzt unerträglich. Karls kommen morgen zurück und gehen wohl gleich nach Glienicke, und Albrechts Kinder werden im Marmor Palais wohnen, im neuen Flügel.89 Mariannes Hofstaat ist zurück gekommen. Das hat Charlotte90 sehr frappirt und ihr wehe gethan. Die wahre Ursache ahndet sie aber nicht. Marianne ist immer in denselben Gesinnungen und Eigensinn befangen und hat nun den Bibliothekar zum Kabinets Sekretair gemacht! Seine ganze Familie ist mit ihr auf dem Lande.91 Luise hat mir einen langen Brief durch Finkenstein92 geschrieben. Es ist mir immer, als lese ich meine eignen Briefe, so ganz gleich denken wir. Dank Dir von ganzem Herzen für Deinen lieben Brief. Ich wußte nicht, daß Dir Fritz hatte vorschlagen lassen, hieher zu kommen. Das hätte ich nicht gethan. Mir wäre es unmöglich, jetzt jemand in unser Elend einzuladen, wißen wir ja selbst kaum, was in kurzen aus uns werden wird. Kommen noch bessere Tage mit Gottes Hülfe, oh, dann werde ich glücklich seyn, Dich, Du Geliebte, wieder zu sehen, und welche Wohlthat dann mit Dir zu sprechen, mein Herz in Dein gleich gestimmtes aus zu schütten. Mary hat Helene gesehen und fand sie nicht verändert.93 Ich höre auch, daß doch einige Hoffnung ist, daß sie etwas Vermögen rettet. Ich habe mich für Euch der ruhigen Tage in Ludwigslust gefreut. Mein besten Seegenswünsche Deiner Luise und viel Liebes an Fritz. Er will mit Wilhelm nach Schleßwig, höre ich. Fritz Karl94 ist zurück, ganz verbrannt, aber recht vergnügt, nur war es ihm zu kurz. Er ist nach Weymar, den Eltern nach. Meine Dönhof95 und […]96 waren
88 U.a. wurde die Abdankung König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen gefordert, um über eine Regentschaft seines Neffen Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888) die Monarchie mit dem Volk zu versöhnen. 89 1843–1848 wurde der Seitenflügel des Potsdamer Marmorpalais’ ausgebaut. 90 Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 91 Johannes van Rossum (1809–1873), verh. 1837 mit Catharina Wilhelmina Keijzer, seit 1843 Kutscher bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), ihr Lebensgefährte und offiziell in ihrem Dienst als Kabinettssekretär. 92 Wilhelm Finck von Finckenstein (1792 –1877), 1848 preuß. Oberst und Flügeladjutant von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 93 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877) besuchte ihre Cousine Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858), in ihrem Exil in Eisenach. 94 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. 95 Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1871), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 96 Wort nicht zu entziffern.
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in Wernigerode und haben Stolberg97 besser an Seele und Körper gefunden, wie sie dachten. Sie haben dort ein paar recht erquickliche Tage zugebracht. Anton98 will nach Kreppelhof und sich ganz dort etabliren. Lebe nun wohl, Du Geliebte, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Fritz umarmt Dich zärtlich. Ludwigslust, den 27ten Mai 1848 Wilhelmchen sollte wieder der Überbringer dieses Briefes ein, daher wartete ich so lange mit meinem Dank für Deinen lieben Brief aus Sanssouci, wo Du damals grade hingezogen warst. Die Stille dort wird Dir gut thuen, obgleich man Ruhe nirgens findet. Denke Dir, ich hatte die Freude einen Brief von meinem armen Bruder Wilhelm vom 18ten aus London zu haben, wonach er aber abreisen wollte nach Berlin, als die schäuslichen Nachrichten vom 15ten ankamen, und er nun nicht [zu] bestimmen wußte, wann er reisen. Hier will man behaubten, daß er in diesen Tagen schon in Berlin ankäme. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Ich hätte ihn diesen Augenblick gerne noch fern gewußt. Welch trauriges Wiedersehen wird es sein. Gott schütze Euch, ihr Lieben. Hier in Meklenburg haben wir auch eine schreckliche Scene auf einem Gut gehabt, wo das schöne Haus, was 300 Jahre gestanden, geplündert und verbrannt worden ist von einer wilden Horde, meist chausee Arbeiter, aber auch schlechtes Volk von den Städten.99 Es ist zu betrübend, solche Dinge in seinem Lande erleben zu müßen. Es zeigte sich aber von der andern Seite auch wieder so viel guter Geist, der sogar überwiegend ist. Allein, das Gräuel ist doch nicht ungeschehen zu machen. Der Geburtstag von Luise verging wirklich recht heiter, was wir nicht erwarteten, da das Ende des Landtages nicht unseren Wünschen entsprochen,100 allein, die Liebe der Landstände erkaltet nicht, und so kamen viele zu dem Tage nach Ludwigslust, was uns sehr freute. Meine beiden Kinder legen sich zu Füßen. Eben bekam ich einen Brief von Charlotte aus Zarsko Selo. Sie schreibt recht traurig, denn sie hat ganz ihr preußisches Herz behalten. Die vielen Beweise von Liebe dort machen sie recht glücklich. Graf Finkenstein hier auf einen Tag zu sehen, hat mich sehr gefreut, denn er konnte mir von euch, von Luise und von Marianne erzählen. Letzeres ist eine schäusliche Geschichte, sie
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Heinrich Graf zu Stolberg-Wernigerode (1772–1854). Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), von seinen Ämtern zurückgetretener preuß. Staatsminister. 99 Beim Aufstand von Tagelöhnern war das Gutshaus von Jürgen Heino von Behr-Negendanck in Torgelow am See am 21. Mai abgebrannt. Es war auch noch im Nov. 1918 gängig, für das Aufbegehren der Untertanen „Ausländer“, also nicht Mecklenburger, verantwortlich zu machen. 100 Es ging um die Aufgabe der althergebrachten landständisch-adligen Rechte und eine indirekte Wahl ohne Zensus.
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[ist] nun wohl ganz aus der Famille gestrichen, da sie nur mit ihm, mit ihrem Seelenheil leben kann. Nun leb wohl, mit Liebe Deine Adine Die Wiener Begebenheit ist auch traurig, doch glaube ich, war es das Rechte, daß der Kaiser fortging, man soll sehr betrübt sein, und daher zu sich kommen.101
Schwerin, den 7ten Juny 1848 Da ich am heutigen Tage nicht mit Euch sein kann, geliebte Elis, so will ich wenigstens mich auf dieser Art unter Euch gesellen. Meine Thränen floßen dem theuren Vater nach, und ich war mit Euch in Charlottenburg und in Berlin, wenn ihr wirklich dorthin habt gehen können. Ach, was für ein Tag ist dies, und dies Jahr will er mir vorzüglich traurig und schrecklich erscheinen. Schloß doch mit ihm ein Abschnitt glücklicher Jahre. Und in welchem Abschnitt stehen wir nun. Gott wolle uns gnädig draus helfen, allein, ein Ende ist nicht abzusehen. Auch mit dem Krieg in Schleswig, den wir alle so überhaben, will es nicht zu Frieden kommen. Am 28ten-29ten haben wir Meklenburger viel verlohren.102 Unsere arme Garde hat sehr gelitten. Ein Offizier ist tod, der Bruder von unserm ehemaligen Adjudanten Hirschfeld, was uns unerhört leid thut.103 Der Commandant Oberstlieutenant von Plessen104 ist leicht in der Hüfte blessiert und vorgestern hier her gebracht. Ich sprach ihn gestern. Lieutenant Jasmund105 ist in der Seite blessiert und tod. Da wir sie alle so viel sahen, will man keinen gerne mißen. Hier in mein Grünhaus ist es jetzt recht hübsch, der Garten so prächtig, Rosen, Jasmin und Akazien. Es ist ein himmlischer Duft, aber man kann es nicht recht genießen. Das Herz und die Seele ist so getheilt. Mich stimmt all dies Schöne so traurig. Nun leb wohl. Bruder Wilhelm ist wohl gestern angekommen, welch ein Wiedersehen wird das gewesen sein.106 Ich denke es mir recht traurig. Er geht auch keiner rosigen Zeit entgegen. Gott möge nur sein Leben schützen. Grüße Fritz und die andern Brüder. Erinnerst Du Dich noch vergangenes Jahr, wie Marianne in bunt ankam, und keine Ahnung von dem Tag hatte? Und wie sie schrecklich heiter war? 101 Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793–1875) war aus Wien nach Innsbruck geflohen. 102 Gefecht bei Düppel und Niebüll. 103 Alexander von Hirschfeld (1819–1848), Premierleutnant im meckl. Garde-Grenadier-Bataillon. Im Gefecht von Düppel fielen sechs meckl. Soldaten, 20 wurden verletzt, und 18 galten als vermisst. 104 August von Plessen (1797–1862), meckl.-schw. Oberstleutnant. 105 Ein Leutnant von Jasmund, der 1848 verstarb, ist in der Stammtafel der Familie von Jasmund im Gothaischen Genealogischen Hofkalender der uradligen Häuser von 1903 nicht nachzuweisen. Viktor von Jasmund (1814–1875) war Premierleutnant im meckl. Garde-Grenadier-Bataillon, verstarb jedoch nicht, sondern heiratete 1850 Bertha von Schreeb (1814–1883), die Hofdame von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 106 Nach der Rückkehr des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) aus dem Exil in England.
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Das ist eine schlechte Erinnerung. Gott, wie sind die Menschen doch verdreht im Leben. Deine treue Adine Schwerin, den 10ten Juny 1848 Meine Elis, ich benutze die sichere Gelegenheit durch Gräfin Hessenstein,107 Dir schnell ein paar Worte zu schreiben und um meinem betrübten Herz Luft zu machen. Ist es denn möglich, daß Berlin so ganz entartet ist und Wilhelm so aufnehmen konnte? Ich habe bitterlich geweint, denn es erscheint mir viel schimpflicher als die Verbannung vom 19ten May, damals waren ja alle Teufel, mit Erlaubniß, losgelassen. Aber jetzt, wo man doch sucht, sich zu sammeln, wo viele gute Elemente aufgestanden, jetzt konnte noch so etwas geschehen? Und wie mag ihm, dem armen Bruder, zu Muth sein? Er muß ja Berlin haßen, er, der mit so vielem guten Willen und warmem Herzen zurückgekehrt. Ihm muß so etwas geschehen. Nun hoffe ich aber, daß man das nicht so hinziehen läßt, und die Provinzen nun mal zeigen, daß sie nicht bloß sprechen, sondern auch handeln können. Gott schütze Euch, ihr Lieben, ich bin ganz gebeugt. Wie viel Menschen hat das Gefecht bei Nübel und Düppel gekostet, wie viel treue Preußen sind für fremde Sachen geblieben. Künftige Woche gehen von uns auch noch Truppen nach. Was dann aber aus uns wird, da Meklenburg noch nicht ruhig ist? Gott wird ja helfen. Deine treue Adine Sans Souci, den 13ten Juny 1848 Meine geliebte Adine, ich konnte Deine lieben Briefe nicht gleich beantworten, hoffe aber Gräfin Hessenstein108 und Dein Wilhelm haben Dir gleich geschrieben. Ich bin wirklich trostlos, daß man Dir Wilhelms Erscheinung in Berlin so tragisch vorgestellt hat, denn dem war ja nicht so, und wir haben alle Gott gedankt, daß es so ablief.109 Nach dem, was man gegen ihn in der ganzen Zeit geschrieben und gesagt hatte, war es ein Wagestück hin zu gehen, und ein Beweiß von Muth, der guten Eindruck machte. In Berlin war nicht die geringste Aufregung, und wenn die rechte Seite nicht bravo gerufen hätte, wären die Schlechten wohl auch ruhig gewesen. Daß die linke Seite nicht aufstand, war pöbelhaft, aber großer Gott von solcher Gesellschafft nichts beßres, nur schlimmres zu erwarten. Wer hat Dir denn die schlimmen Nachrichten geschrieben? Die Hessenstein behauptet, ihr Mann habe Dich nur beruhigt. Da ich aber weiß, wie er ist, möchte ich glauben, daß er so tragisch schriebe, und Dein Sohn glaubt es auch. Dank Dir von Her107 Angelika Gräfin von Hessenstein, geb. Gräfin von der Osten-Sacken (1802–1852), verh. mit dem meckl. Gesandten in Berlin, Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867). 108 Dies. 109 Rückkehr des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) aus dem engl. Exil nach Berlin am 7. Juni.
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zen, daß Du mir den 7ten so lieb und treu schreibst. Es war ein Tag voll Geschichten alter Art. Wilhelm kam den Morgen an, nachdem wir ihn den Abend vorher umsonst erwarteten. Es war ein gräßlicher Abend, so dunkel, stürmisch, Fritz so besorgt, unwohl dabey, er und Karl nicht rosiger Laune, ich auch zum drein schlagen, der Saal in Siam110 so voll Minister wegen dem Regen, eine schwüle Hize und die Angst im Herzen, nie werde ich das vergessen. Um 10 Uhr kam Golz111 mit der Nachricht, er bleibe die Nacht in Magdeburg und wäre im ganzen Land mit Freude und Liebe empfangen worden. Das war ein großer Trost. Den 7ten Morgens war ein herrlicher, sonniger Tag. Wir gingen früh nach Siam und nach dem Ausstiegsplaz,112 wo er bald ankam. Du kannst Dir das Wiedersehen denken! Er war so bewegt und weinte so viel, und ich vergoß Ströme vorher schon bey jedem Offizier, den ich begegnete. Wir frühstückten noch zusammen in Siam. Auguste war ihm den Tag vorher mit den Kindern entgegen gefahren. Dann fuhren wir mit Pferden nach Charlottenburg, was uns für uns alle sicherer schien. Ich kann nicht sagen, was ich empfand, als ich meine lieben Zimmer wieder sah, und Thiele,113 Schilden,114 Uhden,115 den ich aber öfter schon gesehen. Die Thränen erstickten mich. Wilhelm, Dein Sohn, wird Dir von unsrem kurzen Auffenthalt dort geschrieben haben. Ach, wie viel schmerzlicher doch wie sonst war unsere Vereinigung am Sarge des geliebten Papa. Wenn er das hätte ahnen können, all den Jammer, der über sein Land und seine Kinder gekommen ist! Fritz blieb lange am Kopfende kniend, in Schmerz und Gebet versunken, als wir schon alle aufgestanden waren. Der Arme, Du glaubst gar nicht, was er alles zu leiden hat! Wir kamen spät nach Hause, es war ein so heißer Tag, der Abend herrlich, den Wilhelm bey uns zubrachte. Er sieht sehr wohl aus, viel stärker geworden und nicht aufgeregt. Alles wetteifert hier, ihm seine Freude zu zeigen. Die Offiziere brachten ihm einen Fackelzug zu Waßer, der allerliebst war. Er erzählte uns viel und sehr interesant von England, wo er sehr zufrieden war und sich außerordentlich gefiel. Welchen Contrast wird er hier finden in allen Zuständen! Freytag waren wieder arge Geschichten, wo man Minister Arnim116 zu Leibe ging und den Prediger Sydow117 ins Waßer werfen wollte! Wo das noch hinaus soll, es ist nicht zu berechnen. In Oesterreich siht es beynahe noch trauriger und ängstlicher aus wie bey uns. Meine Schwester siht sehr klar in ihre Lage. Ich bin nur froh, daß sie und die Kinder geborgen 110 Gemeint ist Schloss Charlottenhof in Potsdam. 111 Verm. Karl Friedrich Graf von der Goltz (1815–1901), seit 1848 Adjutant des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 112 Bahnstation Charlottenhof. 113 Ludwig Gustav von Thile (1781–1852), preuß. Staats-, Kabinetts- und Schatzminister und Generaladjutant. 114 Friedrich Anton Freiherr von Schilden (1773–1851), Oberhofmeister der Königin Elisabeth von Preußen. 115 Alexander (von) Uhden (1798–1878), bis März 1848 preuß. Staats- und Justizminister, Mitglied des Staatsrats. 116 Verm. Heinrich Alexander von Arnim (1798–1861), vom 21. März bis 20. Juni 1848 preuß. Minister des Auswärtigen. 117 Adolf Sydow (1800–1882), 1836 Hof- und Gardedivisionsprediger in Potsdam, 1846 Prediger an der Neuen Kirche in Berlin.
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sind. Wäre nur der älteste Sohn118 glücklich zurück. In Italien steht es auch nicht gut. Wie habe ich Deinen Schmerz um die Mecklenburger getheilt. Ach, wir haben auch wieder viel verloren und noch kein Ende abzusehen, und wer weiß mit welchen schlimmen Folgen! Adalbert ist gestern nach Schleßwig, um seine Artillerie zu inspicieren.119 Fritz Karl120 wollte auch wieder hin, aber Fritz hat es ihm nicht erlaubt, was auch gewiß weit vernünftiger in jedem Betracht ist. Der arme Schelm hat keine guten Tage im elterlichen Hause. Ich erlaubte mir gestern mit Marie darüber zu sprechen. Vater und Mutter behandeln ihn wie einen kleinen Jungen und sagen ihm die ärgsten Sachen vor jedermann. Das kann ihm nicht hülfsam seyn, besonders da sein Karakter schon sehr verschloßen ist. Halb Berlin wohnt hier in der Umgegend. Meyendorfs sind entzückt von ihrem Etablissement. Benkendorfs Hochzeit wird heute über acht Tagen in Potsdamm gefeyert.121 Die Hize ist furchtbar drückend, aber die visitation herrlich, die Rosen wunderschön. Die Hessenstein erzählte mir viel von Dir. Sie sagt, Du sahst übel aus. Dein Green Haus soll allerliebst seyn. Nun lebe wohl, meine Adine, tausend Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Fritz umarmt Dich zärtlich. Rauch begegnete Fritz von Strelitz in Berlin, wohin er kam, um Schönlein zu consultiren.122 Er hat ihn kaum erkannt, so verändert ist er.
Schwerin, den 17ten Juny 1848 Meine geliebte Elis, Dein Brief hat mir wieder eine rechte Freude gemacht. Du glaubst nicht, wie ich mich nach Dir sehne, und so ist mir nun jedes Wort von Dir noch viel mehr Werth wie sonst. Ich hoffte immer, es sollte sich ein günstiger Moment zeigen, daß ich einmal herüber fahre könnte, aber Großer Gott, die Berliner, sie werden nicht vernünftig und machen es immer toller. Der Himmel wird sie aber einst düchtig strafen, und thut es schon durch die Verarmung. Die vielen Beweise von Liebe und Anhänglichkeit, die man an Wilhelm auf seiner Reise und in Potsdam bewiese, thut wohl und die Guten werden Muth bekommen und sich ermannen. So kann es doch nicht bleiben. Und der Krieg in Schleswig will auch kein Ende nehmen. Es ist schon so viel Blut gefloßen und wir sind um nichts weiter gekommen. Die Holsteiner könnten wirklich allein das abmachen, und alle unschuldigen Menschen müßten zurück, denn das erleben wir noch, daß alle größern Mächte mit hinein verwickelt werden, und was ist dann? Ich mag 118 119 120 121
Erzherzog Franz Joseph Karl (I.) von Österreich (1830–1916). Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873), Generalinspekteur der preuß. Artillerie. Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. Konstantin von Benckendorff (1817 –1858), russ. Oberst und Flügeladjutant bei Kaiser Nikolaus I. von Russland, 1847–1856 Militärbevollmächtigter in Berlin, heiratete am 20. Juni Prinzessin Luise von Croy (1825–1890). 122 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904) konsultierte Dr. Johann Lukas Schönlein (1793–1864), den Leibarzt König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.
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garnicht den Gedanken denken. Es wäre zu schrecklich. Was hat Frankreich für Unglück über uns gebracht. Hier in mein Grünhaus sehe ich nichts wie schöne Natur. Die Rosen sind in voller Pracht. Es ist himmlisch. Wir haben zwei Rosenlauben, wie ein Mantel. Dort frühstücken wir und athmen den himmlischen Duft ein. Am Donnerstag hatten wir hier eine kirchliche Feier im Dom, der 600 Jahre steht.123 Es war recht schön und feierlich und Kliefoth124 hielt eine wundervolle, schöne Predigt, so klahr und ergreifend. Es mußte jedes Herz tief ergriffen sein. Die Stadt hatte ein gemaltes Glasfenster dazu geschenkt, was über dem alten Eingang, welcher garnicht mehr benutzt wurde, gekommen, und diesen dabei wiederhergestellt. Die schönen Tage benutzten wir zum Wasserfahren und Spazierfahrten. Wir haben grade Besuch von Herrn von Maltzahn Saro und seiner Frau (Freiherrin Maltzahn Ivenack), Nichte von Rauch, die Schwerin mit ihren hübschen Umgegenden garnicht kennen.125 Siehest Du noch viel Rauch? Er war Dir im Märtz angenehm, eine treue Seele ist er. Wie mag es Stolberg gehen, der Arme! Nun leb wohl, verzeih diesen dummen Brief. Allein, es ist heute eine Hitze, wirklich, ich bin ganz gedankenloß und sage Dir nur, daß ich Dich innig liebe. An Fritz und Wilhelm viel, viel Liebes. Deine treue Adine Sans Souci, den 28ten Juny 1848 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief vom 17ten, der mich sehr erfreute. Ich bin froh, Dich ruhig in Deinen Greenhouse zu wißen, wo Du nicht gestört wirst von der Außenwelt. Die Natur und die Blumen, das sind jetzt die einzigen reinen Genüße, die man hat. Sanssouci ist auch prächtig dazu, aber Berlin ist zu nahe, um ruhig zu seyn. Gestern hatte ich wieder viel Kummer und wieder beynahe den ganzen Tag. Die Unruhen betrüben mich beynahe weniger wie die Folgen und alles, was daran hängt. Unsere Lage ist zu traurig, es ist nur schwer, das so zu schreiben, wie es ist, aber ich sehe sehr schwarz. Fritz hat noch immer guten Muth. Gott wolle ihn ihm erhalten und ihn stärken und Weißheit verleihen, in der beyspiellosen Verwirrung aller Gemüther. In Paris geht es toll zu.126 Was daraus noch werden soll? Wenn es doch die einfältigen Deutschen von dem Verlangen nach Republik heilen könnte, aber sie sind unheilbar verdreht.
123 Der Schweriner Dom wurde 1248 geweiht. Dort hatte kurz zuvor der meckl. Landtag getagt. 124 Theodor Kliefoth (1810–1895), Superintendent in Schwerin, ab 1850 Mitglied des Oberkirchenrats. Die Predigt wurde veröffentlicht: Predigt am 600-jährigen Jubelfeste der Domkirche zu Schwerin, in derselben gehalten, Schwerin 1848. 125 Gustav von Maltzahn auf Sarow (1817–1871), verh. 1840 mit Cecilie von Maltzahn, Gräfin von Plessen (1823–1863). 126 Blutige Niederschlagung des Aufstands der Pariser Arbeiter vom 22. bis 26. Juni durch die Armee unter General Louis-Eugène Cavaignac (1802–1857).
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Ich habe kurz hinter einander zwey liebe, alte Verwandte verloren, meinen Onkel von Darmstadt127 und die Kurfürstin von Bayern, die auf schreckliche Art durch Umsturz des Wagens starb.128 Man hob sie schon todt auf. Es thut mir gar zu leid. Beyde gehörten zu den glücklichen Erinnerungen der Vergangenheit, und an diese hält man sich immer fester, je trauriger die Gegenwart und je unsicherer die Zukunft in dieser Welt wird. So geht es Dir gewiß auch? Camphausens Rücktritt that mir sehr weh.129 Er ist ein braver Mann von edelen Karakter und hatte sich sehr an Fritz attachirt. Das neue Ministerium, von dem ich auf Energie hoffte, hat nicht gut angefangen. Du wirst das auch gefunden haben? Schreckenstein130 ist vortrefflich und läßt sich mit den Leuten in Berlin gar nicht ein, auch fürchten sie ihn schon. Rauch ist immer mit uns. Seine Familie wohnt im Neuen Palais. Er kömmt auch viel zu mir und fühlt treu mit uns. Fritz Louis131 ist nach Dessau, woran er auch durch die heillose Erstürmung des Zeughauses verhindert worden war. Ich denke aber, er kömmt bald wieder. Der Onkel132 ist immer hier, nur gestern war er ein Paar Stunden in Berlin. Die Geschwister kommen oft hieher, und Sonnabend waren wir auf dem Babelsberg, wo auch die Herzogin von Sagan133 war. Sie brachte zwey Tage in Potsdamm zu, und ich war froh, als sie wieder fort war. Sie ist gar zu affectirt. Ihr Schwager Schulenburg134 war mit und erzählte mir viel von Wien, wo er gerade den 26ten May war. Heute hatte ich einen langen Brief von Sophie aus Insbruck. Gottlob, daß sie noch alle dort sind, wo könnten sie besser seyn! Wie schrecklich sind die Begebenheiten in Prag, der tragische Tod der armen Windischgräz.135 Er ist ein Held an Muth und an fester Haltung, und doch so gemäßigt bey so furchtbaren Schmerz. Die unglückliche Frau ging noch in’s andre Zimmer zu ihm, obgleich tödtlich verwundet, und er hielt sie 2 Stunden in den Armen in der Hoffnung, sie wieder erwachen zu sehen. Mit ihrem Blut bedeckt ging er hinunter, um mit den Rebellen zu sprechen! Benkendorfs136 sind von ihrer Brautreise nach dem Harz und nach Braunschweig zurück und 127 Großherzog Ludwig II. von Hessen-Darmstadt (1777–1848) war am 16. Juni gestorben. 128 Kurfürstin Maria Leopoldine von Bayern, geb. Erzherzogin von Österreich-Este (1776–1848), war am 23. Juni gestorben. 129 Ministerpräsident Ludolf Camphausen (1803–1890) war als Vermittler zwischen Königtum und preuß. Nationalversammlung am 20. Juni zurückgetreten. Sein Nachfolger war der liberale Rudolf von Auerswald (1795–1866). 130 Ludwig Roth von Schreckenstein (1789–1858), preuß. General, wurde am 25. Juni zum Kriegsminister ernannt. 131 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863). 132 Verm. Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851). 133 Herzogin Dorothea von Sagan, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1793– 1862). 134 Carl Rudolf Graf von der Schulenburg (1788–1856), verh. mit Herzogin Wilhelmine Biron von Kurland (1781–1839). 135 Beim gegen Österreich gerichteten Prager Pfingstaufstand war die Frau des Prager Stadtkommandanten Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz, Fürstin Marie Eleonore, geb. Prinzessin zu Schwarzenberg (1796–1848), am 12. Juni durch einen Querschläger getötet worden. 136 Konstantin von Benckendorff (1817 –1858), russ. Oberst und Militärbevollmächtigter in Berlin, verh. mit Prinzessin Luise von Croy (1825–1890).
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haben sich in einem kleinen, hübschen Hause am Fuße des Pfingstberges établirt. Wir waren bey der protestantischen Trauung in der Garnisonkirche, von Snethlage137 vollzogen. Die Braut war gar hübsch und so heiter. Man sah ihr das Glück recht an. Es sind so viele Berliner hier in allen Landhäusern zerstreut, und ich begreiffe nicht, wie sie noch Plaz finden. Der alte Luck138 hat sich ganz erholt. Gräfin Rossi139 ist nach Streliz, wie ich höre. Sie wohnt hier beym Küster der rußischen Kirche. Stolbergs sind in Kreppelhof. Anna140 macht ihnen immer etwas Sorgen, sie kann das kalte Fieber nicht los werden und war erst kürzlich so gefährlich krank. Gott bewahre sie vor neuen Kummer. Es regnet heute beynahe beständig, und ich will so gern nach dem Neuen Palais mit Spielsachen für den kleinen Schlegell,141 deßen Geburtstag es ist. Es ist ein prächtiger Junge, so schön und so kräftig, Gottlob. Gott erhalte ihn so. Ich hoffe, nun wird doch endlich Frieden in Schleßwig. Ich wünsche es sehnlich, denn dieser Krieg könnte uns noch in schreckliche Verwicklungen bringen. Nun hört der Regen auf und ich will fort. So lebe denn wohl, meine Adine, und grüße Deine Kinder von mir. Ich umarme Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Deinen Wilhelm sah ich Sonntag. Wie muß Dich die Feyer im Dom ergriffen haben!
Schwerin, den 4ten July 1848 Tausend herzlichen Dank, meine Elis, für Deinen lieben Brief, der mich so erfreute. Heute lege ich Dir aber eine Frage vor, die Du mir recht offen und wahr beantworten sollst. Nehmlich, ich habe sehr den Wunsch, Dich und die lieben Geschwister einmal wiederzusehen. Am 20ten gehe ich mit Luise nach Dobbran, wo diese eine ordentliche Bade cour brauchen soll. Nun möchte ich vorher auf 2 Tage nach Sanssouci kommen. Aber nur, wenn es Dir recht wäre. Daher möchte ich, daß Du es mir aufrichtig sagst, denn es ist wirklich möglich, daß Du mich lieber erst im September sehest, wo es dann so Gott will, schon viel besser in der Welt aussieht. Ich hoffe, der Erzherzog Johann nimmt die Stelle an und giebt uns so die Aussicht zu Einheit und Ordnung und Ruhe.142 Auch 137 Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1792–1871), Hof- und Domprediger sowie Oberhofprediger in Berlin. 138 Hans von Luck (1775–1859), ehem. Erzieher und Generaladjutant König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. 139 Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), Sängerin. 140 Anna Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1819–1868). 141 Mglw. Friedrich Hermann Wolf von Schlegel (geb. 1845), Sohn von Wolf Benno Ludwig von Schlegel (1801–1860), preuß. Major und 1848 militärischer Begleiter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, und seiner Frau Marie, geb. von Rehdiger (1810–1880), ehem. Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 142 Auf Wunsch der Frankfurter Nationalversammlung sollte Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) Reichsverweser werden.
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möchte ich eine Zeit wählen, wo man hoffen kann, daß es in Berlin nicht drunter und drüber geht. Wenn Du mich haben willst, so wäre vielleicht künftige Woche eine passende Zeit. Unser Wiedersehen wird recht, recht schmertzlich sein, aufrichtig gesagt, ich fürchte mich dafür, und doch zieht es mich zu mächtig zu Euch, ihr Lieben. Ich hoffe, meinen Bruder Wilhelm auch dort zu finden. Hier will man zwar wißen, er ginge nach Weimar und von da nach Stettin. Du bist wohl so gütig und antwortest mir recht bald. An mein Wilhelmchen habe ich es auch geschrieben diesen Plan, sonst weiß es niemand außer Fritz. Leb wohl, ich eile, die Eisenbahn fährt sonst fort. Deine treue Adine Schwerin, den 7ten July 1848 Meine liebe Elis, ich werde mich Dienstag Nachmittag in Sanssouci einfinden. Früher ist es mir nicht möglich, aber in Nauen werde ich mir Pferd und Wagen ausbitten, vielleicht Post. Keller ist wohl so gütig, mir das zu besorgen.143 Luise wird mich begleiten und die Schreeb und ein Herr, vielleicht Sell oder Hopfgarten.144 Du hast noch Trauer, wie ich glaube, also werden wir nur zum Geburtstag von Charlotte145 bunt brauchen. Freitag werde ich mich wieder empfehlen, denn gern ist man nicht lang von zu Hause. Ich freue mich eigentlich unendlich, Dich, geliebte Elis, wieder zu sehen und die Geschwister, aber es ist dabei doch entsetzlich viel Trauriges. Mein Bruder Wilhelm bleibt bis zum 13ten und den wünsche ich sehr wiederzusehen. Deine treue Adine An Fritz tausend Liebes. Gott erhallte ihm den Muth. Heute der Geburtstag vom theuren Kaiser. Gott stärke ihn und erhallte ihn lange!
Schwerin, den 19ten July 1848 Meine geliebte Elis, ich kann nicht aussprechen, welche Freude ich empfunden, Dich und die lieben Geschwister wiedergesehen zu haben. Ich kann nicht leuchnen, daß es mich unendlich ergriffen, alles äußerlich beim Alten zu finden und doch so entsetzlich verändert zu sehen. Es schnitt mir oft ins Herz. Gott wird ja geben, daß es sich bald ändert und die alte Kraft zurückkehrt. Der Waffenstillstand in Schleswig Holstein scheint doch zustande kommen zu sollen. General Wrangel hat es wenigstens gestern hier an Fritz gemel-
143 Alexander Graf von Keller (1801 –1879), preuß. Hofmarschall und Intendant der Königl. Gärten. 144 Adolf Freiherr von Sell (1797–1891) und Carl Anton Ulrich Ernst von Hopffgarten (1797–1862), meckl.-schw. Flügeladjutant. 145 Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, hatte am 13. Juli Geburtstag.
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det.146 Ob nun andere Bedingungen gemacht, davon weiß ich nichts, oder ob er Vernunft angenommen. Wenn nur Frankfurt nicht noch ein Querstrich macht. Ach, der Reichsverweser ist nicht der Mann, den man sich dachte.147 Vielleicht geht es aber auch besser, wie man denkt. Mein Fritz148 vertraut ihm sehr. Wie mag der democratische Klubb149 abgelaufen sein? Und seid ihr nach Paretz oder nicht? Der Herzog von Braunschweig, sehe ich, ist in Sanssouci angekommen, und ich hoffe für ihn, daß ihr dort geblieben seid. Camphausen hat doch nicht die Ministerstelle angenommen.150 Was sagt man zu Peuker?151 Er ist mir zu unbekannt, um über ihn urtheilen zu können. Ob ihr wohl heute nach Charlottenburg gefahren seid? Ich war mit meinen Gedanken und Gebet unter Euch an den theuren Särgen. Es ist in der jetzigen Zeit eine rechte Wohlthat, wenn man an solchen Orten sich ausweinen kann und innig zu Gott beten. Dort ist noch Ruhe und Frieden. Nun lebwohl, ich möchte gerne, daß der Brief noch fort soll. Sonst kömmt er erst am Abend fort. Ich gehe Freitag am 21ten nach Dobbran. Mein Fritz folgt erst zum 1ten August, weil noch viel zu thun ist. Gott schütze Dich und die Deinen. Deine Adine Den 20ten. Noch schnell ein paar Worte. Der Brief war liegen geblieben. Der Genua ist ja König von Sicilien nach der Zeitung. Ich weiß nicht, ob ich ihn beneiden soll, diese Stelle.152 Deine Nichte kömmt in ein himmlisches Klima und kann viel Gutes stiften unter der Armut. Einen Moment hoffte ich, es würde nichts aus der Heirath. Ich hätte sie so gern zur Schwiegertochter, aber ich weiß nicht, ob es Deine Schwester gethan wegen der Religion?!153 Leb wohl.
Sans Souci, den 24ten July 1848 Tausend Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief. Ich hätte Dir so gern schon geschrieben, kam aber nicht dazu, denn wie Du fort warst, fiel ich in die unbeschreiblichste Müdigkeit zurück, aus der Du mich gerissen hattest. Gerade als William hier war, hatte 146 General Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877), Oberkommandierender der preuß. Truppen in Schleswig, an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 147 Erzherzog Johann von Österreich agierte liberaler und demokratischer, als Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin gehofft hatte. 148 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883). 149 Der radikale demokratische Flügel sammelte sich in Berlin im Demokratischen Klub. 150 Gemeint ist das Angebot an Ludolf Camphausen (1803–1890), ins Reichsministerium einzutreten. 151 Eduard von Peucker (1791–1876), preuß. Offizier und seit 15. Juni Reichskriegsminister. 152 Das war eine Falschmeldung. Der Aufstand in Sizilien gegen König Ferdinand II. brachte Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855), nicht auf den Thron von Neapel-Sizilien. 153 Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855), heiratete am 22. April 1850 Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912).
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ich alle Mühe mich aufrecht zu halten. Jedes Wort, jeder Schritt war mir zu viel. Nun geht es besser und ich hoffe, die Molkenbäder, die ich heute angefangen, sollen mich wieder stärken. Dank Dir noch von Herzen, daß Du bey uns warst. Es thut so wohl, Dich zu sehen in Deiner Treue, warmen Theilnahme, und Dir mein Herz aus zu schütten, was mir ja so selten vergönnt ist. Ich fürchte nur, ich habe Dir so viel gesagt, daß Du eine schlechte Meinung von mir haben wirst, aber ich hoffe dennoch, Du weißt, wie ich es meine. Ich mache mir nur gar keine illusionen. Vielleicht wären sie für mich glücklich. Ich würde vieles leichter tragen und es in rosigeren Lichte ansehen. Die Verordnung aus Frankfurt wird Euch auch sehr erfreut haben? William schrieb mir auch heute darüber. Das ist ja gar nicht zu dulden, und wie konnte unser guter Peucker154 so etwas thun, er, der so außer sich über seine Ernennung war, daß er bey Usedom155 laut heulte! Da hätte er doch lieber gleich abgehen sollen. Man behauptet hier, der Erzherzog156 würde in diesen Tagen hieher kommen. Ich wünsche es nicht. Die Stimmung für ihn ist nicht gut, und ich glaube, es würde doch für Fritz eine große Verlegenheit seyn. Fritz war heute in Charlottenburg. Den 19ten waren wir dort über Spandau hingefahren, ein wirklich hübscher Weg, der uns schnell hin brachte. Es war drückend heiß. Du kannst Dir denken, wie uns jetzt der heilige Ort noch tiefer ergreifft wie sonst, mir wenigstens geht es so. Gott wolle unsere Gebete an der heiligen Stätte erhören! Wir aßen auf dem Pfingstberg den Tag, auf dem alten Plaz vor dem Schloß. Hier ein Blättchen aus dem Monument.157 Gestern erfreute uns die frohe Nachricht aus Streliz. Fritz schrieb sie mir und so glücklich! Wie froh müssen sie alle seyn. Es wird ein ganz neues Leben in der Familie seyn mit dem jungen Wesen.158 Ich sagte die Nachricht Deinem Wilhelm, der behauptete, ich hätte eine ganze Sammlung von Familiennachrichten, denn ich theilte ihm auch mit, daß George von Altenburg sehr krank war und sein Sohn Moritz in bayersche Dienste tritt.159 Er ist ein gar vermickertes Männchen! Die Nachricht über den Herzog von Genua bekam Fritz auch, aber bis jetzt noch nicht bestätigt. Noch ist er verlobt mit meiner Nichte.160 Sie schreiben sich und zanken sich schon, ohne sich zu kennen, über den Krieg, der ihr sehr mißfällt. Hast Du wirklich ernstlich an sie gedacht? Wir waren nicht in Parez, und die Demokraten kamen nicht, weil man sie nicht wollte in […].161 William war von der besten Laune. Leider war es kalt, wie er hier war, denn ein so schneller Wechsel der Luft ist mir noch in keinen Sommer vorgekommen. Freytag war Gräfin162 hier. Sie geht nach 154 Gemeint ist der „Huldigungserlass“ des Reichskriegsministers Eduard von Peucker (1791–1876), durch den die Armeen der deutschen Einzelstaaten dem Reichsverweser huldigen und die deutschen Farben tragen sollten. Das wurde von Preußen und Österreich nicht befolgt. 155 Verm. Guido von Usedom (1805–1885), preuß. Diplomat. 156 Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859), Reichsverweser. 157 Aus dem Mausoleum in Charlottenburg. 158 Herzog Adolf Friedrich (V.) zu Mecklenburg-Strelitz (1848–1914) wurde am 22. Juli geboren. 159 Prinz Georg (1796–1853) und sein Sohn Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg (1829–1907). 160 Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855), verh. 1850 mit Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912). 161 Wort nicht zu entziffern. 162 Henriette Gräfin d’Oultremont de Wégimont (1792–1864), als Gräfin von Nassau verh. mit dem abgedankten König Wilhelm I. der Niederlande (1772–1843).
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Schlesien, ist sehr gealtert und mager geworden. Abat wirst Du bald sehen. Er schrieb mir heute über seine Angelegenheit. Lolo163 möchte gern die Mutter wieder sehen, aber wo? Darüber zerbreche ich mir den Kopf. Nach dem Haag kann man sie nicht gehen lassen, und Marianne will nicht nach Schlesien kommen. In dem vielen, großen Unglück ist diese Angelegenheit auch recht peinlich und schmerzlich, denn wenn die Scheidung in das Publikum kömmt, so wird es nun Waffe gegen das königliche Haus. Nun will ich enden, damit der Brief wegkömmt. Lebe wohl, meine Adine, tausend Liebes an Luisen. Fritz umarmt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine Elis Was sagt Du zu Lobanofs Tode?164 Mir thut er unaussprechlich weh. Er starb an der Cholera, unterwegs in einen kleinen Ort. Pfuel165 kam entzückt zurück, die Krankheit nimmt ab. Charlotte soll sehr wohl und stärker aussehen.
Dobbran, den 1ten August 1848 Dein Brief, meine liebe Elis, hat mich so unendlich erfreut und, wenn Albert nicht hier gewesen wäre, hätte ich Dir schon früher geschrieben. So meinte ich, hättest Du schon Nachricht genug von mir, da mein Wilhelm auch heute wie eine Bombe bei mir im Zimmer fiel. So will ich diesem meine paar Zeilen mitgeben. Es gehen ja wieder wunderbare Dinge vor. Unser Preußen scheint seine alte Kraft und Ehre wiederfinden zu wollen. Gott wolle es unterstützen und kein Wankelmuth dazwischen gerathen laßen. Dein Söhnchen ist nach Paris als General.166 Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Seine Familie flößt mir kein Vertrauen ein. Sie hat noch nirgens Glück gebracht. Dabei fällt mir ein, Abat macht ja jetzt wirklich seine Angelegenheit richtig. Wenn es ein anderer Augenblick wäre, wäre es allerdings besser. Doch kann ich es ihm nicht verdenken, wenn er es nun klar haben will. Er scheint auch ruhig und vernünftig. Nur glaube ich, etwas ist nicht gut, daß Fritz so garnichts darin sagen will. Denn eine Klausel hätte ich mir festgestellt, daß er nicht unter seinem Stand heirathen dürfte. Denn das steht zu befürchten, daß es doch dahin kömmt. Er sagte aber kein Wort in der Art.167 Der dicke, 163 Prinzessin Charlotte von Preußen (1830–1855), Tochter des Prinzen Albrecht und der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. 164 Fürst Aleksej Jakowlewitsch Lobanov-Rostov (1795–1848), russ. Generalleutnant und Vertrauter von Kaiser Nikolaus I. von Russland, verh. mit Sofia Petrowna Lopuchina (1798–1825), russ. Hofdame. 165 Mglw. Ernst von Pfuel (1779–1866). 166 Person nicht zu identifizieren. Mglw. Friedrich Graf von Brühl (1791–1859), seit 1846 Kommandeur der preuß. Leibgendarmerie, seit 1848 Generalmajor und General à la suite bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 167 Prinz Albrecht von Preußen plante seine Scheidung von Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. Seine Schwester Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwe-
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dicke Stockhausen168 war mit, Gott sei Dank, lahm am Fuß und erschien daher nicht. Nur ging er beim Cottage mit Abat vorbei, wo ich einige Worte ihm sagte. Er scheint aber immer bei ihm zu sein, denn im Märtz war er schon da. Ich kann nicht anders sagen, als daß ich mich sehr gefreut habe, Abat wiedergesehen zu haben, denn er gefiel mir wohl in seinen Ansichten und Reden. Am 3ten August werdet ihr wohl wieder nach Charlottenburg. Ach, gedenke mein und bete auch für mich am Sarge des theuren Papa. Ich finde alle diese Trauerjahrestage dies Jahr so viel schwerer als sonst zu tragen. Der Schmertz und Kummer beugt einen zu tief, und doch das Gebet stärkt wieder. Ich schreibe Dir heute auf meinem balkon vom Cottage. Es ist so wunder schön heute, das Meer so blau und wenig bewegt. Es sieht so mächtig und unendlich aus. Die ersten Tage war ich ganz melankolisch. Die Ruhe und Stille um mich her ließ mich mehr mit Sammlung alles überlegen und fühlen als in Schwerin. Und da kam mir alles so furchtbar vor, als wenn man diese Zeit nicht überleben und ertragen könnte. Nun habe ich mehr Muth. Mein Sohn Fritz kömmt morgen von Schwerin hierher, um 4 Wochen zu bleiben. Bis jetzt hat er dort noch unerhört arbeiten müßen. Aus Petersburg habe ich gestern einen Brief bekommen. Charlotte ist wohl, aber sie verliehren viele an der Cholera, die sich zwar bessert, so gar eine junge Sell du chiffer Bulgakoff ist davon gestorben.169 Wenn die Krankheit nur nicht hierher kömmt. Eigentlich unbegreiflich, daß es noch nicht geschehn durch die Dampfbothe. Nun Adios, Gott stärke Dich und sei mit Dir. Deine treue Adine Sans Souci, den 7ten August 1848 Meine Adine, Dein Wilhelmchen wird Dir wieder wie ein Bandit in’s Zimmer fallen und Dir diesen Brief überreichen. Er freute sich sehr auf diesen kleinen Abstecher, betreibt die Reise aber sehr geheimnißvoll. Tausend Dank für den lieben Brief, den er mir lezthin mitbrachte und der mich sehr erfreute. Ich habe recht von Herzen für Dich gebetet am Grabe des theuren Papa. Ach, wohl sind diese Tage jetzt doppelt schmerzlich und schwer, wo das Herz schon so voll Kummer ist. Zuweilen glaube ich, ich kann es nicht mehr aushalten vor Schmerz und auch vor Aerger, diesen Unsinn zu erleben, unter dem wir alle seufzen und der wie ein Alp ist auf einem Schlafenden. Man fühlt ihn und hat doch nicht die Kraft ihn abzuschütteln. Wenn nur einmal ein wirkliches Erwachen käme! Einen Augenblick hoffte ich es durch den Unsinn in Frankfurt, aber auch dieß scheint mir nichts oder nur confus zu seyn. Gestern glaubte man, es würden viel loyale démonstrationen gemacht werden. Es kamen auch Bauern nach dem Kreuzberg mit preußischen Fahrin befürchtete, dass er anschließend unstandesgemäß seine Geliebte Rosalie von Rauch (1820– 1879) heiraten könnte, was er 1853 auch tat. 168 Friedrich Ludwig Albert von Stockhausen (1810–1858). 169 Mglw. Maria Bulgakow (1823–1848), Tochter des russ. Diplomaten und Postdirektors Konstantin Jakowlewitsch Bulgakow.
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nen, aber sie gingen ruhig fort, ohne die Stadt zu berühren. Und dort zogen die Leute lächerlich mit deutschen Fahnen herum, auch mit republikanischen, vor der 2 Deputierte hergingen. Das ist doch beyspiellos. Fritz ist heute nach Bellevue und wollte von da in die Stadt. Ich hatte mich entschloßen mit ihm zu gehen, um einiges zu sehen, aber nach diesen Nachrichten blieb ich hier. In Charlottenburg empfing ich Donnerstag den Magistrat, der sich seiner vortrefflichen Maaßregeln rühmte, und die Ruhe der Stadt, nachdem man sich Tags vorher tüchtig geprügelt hatte, auch von Errungenschafften sprach, es war nicht angenehm. Ich nahm nach Tisch von Erlaucht Abschied, die nach Schandau gereist ist, wo sie Verwandte hat. Es that mir leid, denn ich bin so an sie gewöhnt und kann ihr so vieles sagen. Sie hat ein so treues Gemüth und ist so ruhig und vernünftig. Es thut immer wohl, wenn man wie ich mit verdrehten Frauen umzugehen hat. Vielleicht bin ich so glücklich, nach Pilniz zu meinen Schwestern zu gelangen, wenn nehmlich Fritz nach Cölln geht. Das kann sich aber erst nach Belows170 Rückkehr aus Frankfurt entscheiden. Wenn die Schleßwigsche Angelegenheit nicht in Ordnung kömmt, kann Fritz nicht mit dem Reichsverweser dort begegnen. Aber sind die Nachrichten gut, dann will er gehen, und ich eile davon Sonnabend oder Sonntag. Wilhelms sind gestern sehr befriedigt von Stettin heimgekehrt. Die treuen Pommern haben sich wieder recht bewährt. Auguste und Wilhelm wollen morgen nach Wilhelmsthal, wo Mary schon ist. Das Zusammenseyn der beyden Schwestern wird nicht das erfreulichste bey diesem Séjour seyn, denn sie harmoniren weniger wie je. Abat kam so entzückt von Dobberan zurück, daß er die größte Lust hat, bald wieder hin zu gehen. Die Nähe einer gewißen kleinen Dame171 hat, fürchte ich, auch etwas Einfluß auf diesen Wunsch. Sie haben sich wohl auch hier gesehen. Eine Heyrath wäre schrecklich, aber Fritz, dem ich Dein Bedenken sagte, meint, er könne nicht dies Bedingung zur Scheidung machen, aber nachher verbieten. Abat ist jetzt heiter und beßrer Laune, doch mußte ich ihm sagen, daß wenig Hoffnung auf Mariannens Einwilligung da ist. Es war ihr ein rendezvous mit den Kindern in Wangeroge vorgeschlagen, wo der kleine Abat172 jährlich badet. Sie nahm es an, schrieb aber der Schuckmann,173 ohne ihren Sekretair könne und werde sie nie reisen, er sey ihr unentbehrlich.174 Sie ist zu verdreht. Es ist ihr nun geantwortet worden, daß sie zwischen dem Mann und den Kindern zu wählen habe. Ich kann es Abat durchaus nicht verdenken, daß er von ihr los seyn will, nur der jetzige Augenblick, wo man die Fürsten ohnedieß in dem Koth herumzieht, ist es schlimm. Ich hatte vorige Woche einen langen Brief von Charlotte. Die Choléra nimmt ab, Gottlob. Nun lebe wohl, meine Adine, es ist wieder schön geworden, und ich will ein
170 Gustav von Below (1791–1852), preuß. Generalmajor und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 171 Verm. Rosalie von Rauch (1820–1879), Geliebte des Prinzen Albrecht von Preußen. 172 Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906), Sohn des Prinzen Albrecht von Preußen. 173 Marie von Schuckmann (1803–1884), Gouvernante der Prinzessin Charlotte von Preußen (1831– 1855). 174 Johannes van Rossum (1809–1873), Kabinettssekretär und Lebensgefährte der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883).
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wenig aus gehen. Nachher hat sich Auguste angesagt. Grüße Deine Kinder herzlich von mir. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Hier ein Blatt aus dem Monument.175 Du hast Dich gewiß auch über die Siege der Oestereicher gefreut? Mit Karl […]176 sieht es schlecht aus. Dobbran, den 17ten August 1848 Zu meiner großen Freude habe ich gesehen, daß Du nach Dresden bist zu Deinen lieben Schwestern. Wie wird Dir das wohlthuen, wie wird es Dich stärken, mit den Deinen Dich aussprechen zu können. Das Zusammenleben ist schon so ein Glück, was einen stärkt und belebt. Ich weiß recht so ein Glück zu schätzen, daher fühle ich es so mit Dir. Ach, und Dich auf Tage glücklich zu wißen, das ist mir so eine Beruhigung. Du verdienst es so in reichem Maße und besonders jetzt nach den unendlichen Leiden und Kummer. Fritz ist also auch nach Cöln. Möge alles gut ablaufen, wie wir es wünschen. Möchte auch ein Verständniß mit dem Reichsverweser statt finden, was zum Seegen für Preußen würde. Below hat doch in Frankfurt gut gewirkt.177 Thäten doch alle Menschen ihre Pflicht, wie würde es dann anders aussehen. Jetzt will man in Berlin Schrekenstein gewaltig zuleibe.178 Sie wollen ihn gerne loß sein. Er ist ihnen zu stark und kräftig. Gebe Gott, daß er fest bleibt und nicht schwankt und man sich an ihn anschließt. Bruder Wilhelm ist nicht mit nach dem Rhein und Auguste auch schon nach Babel179 zurück. Sie hat es wohl dort nicht aushalten können. Helene hat vor 8–10 Tagen einen Besuch in Weimar auf einige Stunden gemacht.180 Es ist ihr sehr schwer geworden, dort aber bei der Famille und den Einwohnern eine große Freude gemacht. Das Volk hat gejubelt und geschrien, was ihr viel Thränen gekostet. Es soll sie tief ergriffen haben. Rantzau war mit ihr hin, und der erzählte es uns vorgestern. Mein Fritz und Onkel Gustav waren in Strelitz zur Taufe als Gevattern und zum Geburtstag vom Onkel.181 Es soll alles sehr schön und vornehm gewesen sein. Auguste ist den Tag nicht wohl gewesen, aber sonst sehr wohl. George 175 Aus dem Mausoleum in Charlottenburg. 176 Wort nicht zu entziffern. 177 Gustav von Below (1791–1852), preuß. Flügeladjutant, überbrachte Erzherzog Johann von Österreich die Zustimmung Preußens zur Reichsverweserschaft und zur Errichtung der deutschen Zentralgewalt. 178 Ludwig Roth von Schreckenstein (1789–1858), preuß. Generalleutnant und seit 25. Juni Kriegsminister. 179 Schloss Babelsberg. 180 Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858), verließ für einige Tage ihr Exil in Eisenach, um die großherzogliche Verwandtschaft in Weimar zu besuchen. 181 Taufe von Herzog Adolf Friedrich (V.) von Mecklenburg-Strelitz (1848–1914). Durch seine Geburt am 22. Juli war, anders als in Schwerin, die Erbfolge in Mecklenburg-Strelitz langfristig gesichert. Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779–1860) feierte am 12. Aug. Geburtstag.
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soll wunderschön gewesen sein in seinem Samtrock. Hierher ist er nicht zum Pferderennen gekommen. Es heißt nun, daß Fritz Strelitz noch die Seebäder hier im September gebrauchen soll. Wir reisen am 1ten September nach Schwerin zurück, wo im Oktober der Landtag sein wird und unser Alt Meklenburg zu Ende geht.182 Ob das neu Entstehende so glücklich je werden wird und kann, wie das Alte war, wird die Zukunft lehren. Ich sehe schwartz in der Zukunft, mir [wäre] sehr lieb, wenn ich irre. Hier in Dobbran ist es himmlisch. Eben sah ich so auf und mein Blick fiel auf das unendliche Meer, was zwar heute grau ist, da keine Sonne scheint, sondern Regenwetter, und doch ist es bezaubernd. Wie anders ist es dies Jahr hier. Voriges Jahr waren vom 13–16ten Fritz und Wilhelm hier bei schönem, warmem Wetter. Wir waren so heiter und froh.183 Und nun? Diesmal ist es leer, kalt und alles trüb gestimmt. Zwar haben wir eine sehr liebe Gesellschaft hier, mit der wir uns viel sehen. Gestern unter anderem waren wir fast den ganzen Tag zusammen. Heute dafür widme ich mich dem Ort, da Onkel Gustav hier ist und sehr unglücklich, daß man Dobbran so verläßt, was sonst der brillanteste Sammelplatz war. Die paar Tage werden wir ihm zuliebe nun mehr darin sein. Leb wohl, Gott mit Dir und den Deinen. Empfehle mich deinen Schwestern und der angehenden Königin von Sicilien.184 Ewig Deine treue Adine Der kleine Kaiser185 ist ja wieder in Wien!!!
Sans Souci, den 28ten August 1848 Tausend Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief, den ich bey meiner Rückkehr aus Pilniz hier vorfand und der mir große Freude machte. Dank Dir besonders, daß Du meine Freude über die kleine Reise in der Ferne getheilt hast. Sie war mir eine große Wohlthat und Erholung, wofür ich Gott nicht genug danken kann. Ich glaubte nicht, daß es mir in diesen Jahren noch so gut werden würde. Das erste Wiedersehen war recht wehmütig, und ich fühlte es wohl, daß auch in so lieber Umgebung, in dem Orte, wo ich immer so froh und glücklich war, der Kummer nicht aus dem Herzen weicht, aber er wird gemildert, und schon das Aussprechen thut wohl. Ich fand meine Schwestern recht 182 Aus dem Wahlgesetz vom 15. Juli 1848 ersah Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin bereits, dass die im Okt. zusammenkommende Abgeordnetenkammer die alte Adelsherrschaft in Mecklenburg nicht halten würde. Die Bezeichnung „Alt-Mecklenburg“ bezeichnet diese landesgeschichtliche Zeitenwende. 183 König Friedrich Wilhelm IV. und Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) hatten vom 13. bis 17. Aug. 1847 ihre Schwester Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin in Doberan besucht. 184 Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912), verlobt mit Prinz Ferdinand Maria von SavoyenCarignan, Herzog von Genua (1822–1855). 185 Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793–1875).
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wohl, aber meine Schwäger, besonders den König, gealtert.186 Georg187 war nicht wohl, als ich kam, und konnte sich gar nicht erholen, was mich ängstigte, aber nun ist er wieder ganz hergestellt. Er und mein Neffe Louis188 sind ungeheuer gewachsen. Die kleinen Mädchen189 sind zu allerliebst und ihre unbefangene Heiterkeit that mir wohl. Elise ist auch sehr heiter und ist durch ihre Zukunft nicht sehr beunruhigt, zu froh, daß die Sardinische Krone bestimmt aus geschlagen ist.190 Der junge Mann hat ihr darüber sehr hübsch geschrieben, auch ihre Niederlage bey Mayland. Er hat all sein […]191 verloren, nur nicht ihr portrait. Ich hoffe, das ist von guter Vorbedeutung für sie. Sie hat den glücklichsten Karakter, den man sich denken kann, und ich weiß nicht, was sie alle anfangen werden ohne sie. Fritz und Marie192 adoriren sie und verziehen sie auf ’s beste. Wenn sie nur dort auch solche Liebe und Nachsicht findet wie in ihrer Familie. Das portrait des Bräutigams, das sie in einem sehr reichen Armband hat, sieht streng aus. Wenn er nur nichts vom Karakter des Papa’s hat, das ist ein gräulicher Patron.193 Wie schlecht und falsch hat er sich bis zulezt benommen. Die Siege der Oesterreicher sind herrlich und für alle Gutgesinnten ein ungeheures Glück, das einen wieder Muth macht, denn das Recht hat endlich einmal wieder gesiegt. Fritz hat mich in Pilniz abgeholt, wo er nicht ganz 24 Stunden blieb. Er war ganz erschöpft von der anstrengenden Reise, aber sehr zufrieden, denn sie ist ja Gottlob so glücklich gewesen, wie wir nur wünschen konnten. Nur leider in Düßeldorf waren traurige Störungen, aber mehr nach seiner Abreise als während seiner kurzen Anwesenheit, wo sie sehr übertrieben wurden. Das Fest in Cölln im Dom soll unbeschreiblich schön gewesen seyn, imposant und erbaulich im höchsten Grade.194 Der Erzherzog195 war vortrefflich, er ist aber in schrecklicher Lage. Seine Minister sollen ganz entsezliche Menschen seyn, so taktlos wie möglich, und leider ist er doch sehr in ihren Händen. Der taktlose Erlaß an Hirschfeld und an Eichmann gleich nach der Reise beweist das recht.196
186 Prinz Johann von Sachsen (1801–1873) und sein Bruder König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854). 187 Prinz Georg von Sachsen (1832–1904). 188 Mglw. Herzog Ludwig in Bayern (1831–1920) oder Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1833–1896). 189 Verm. die Prinzessinnen Margarete (1840–1858) und Sophie von Sachsen (1845–1867), die beiden jüngsten Töchter der Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern. 190 Prinz Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua (1822–1855), verlobt mit Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912). Innerhalb der Familie wurde um die Herrschaft in Sardinien-Piemont gestritten. 191 Wort nicht zu entziffern. 192 König Friedrich August II. (1797–1854) und Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877), hatten keine eigenen Kinder. 193 König Karl Albert von Sardinien-Piemont, Herzog von Savoyen-Carignan (1789–1849). 194 600-Jahrfeier des Kölner Doms. 195 Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) als Reichsverweser. 196 Moritz von Hirschfeld (1790–1859), preuß. Kommandeur in Köln, und Franz August Eichmann (1793–1879), Oberpräsident der preuß. Rheinprovinz.
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Mich freut es nur, daß die Frankfurter Herren gemerkt haben, daß es noch einen König von Preußen giebt und daß man ihn in den Rheinlanden auch als solchen anerkennt. Das Wetter war anfangs nicht schön in Pilniz und die Abende kalt, aber zulezt wurde es schön, und den Tag unsrer Rückreise sind wir vor Hize beynahe umgekommen auf der Eisenbahn. Diese Woche war nun wieder bitterkalt, und ich ließ die Teppiche in meine Zimmer legen, und wir fingen das Herbstleben an. Aber seit gestern ist es wieder ganz warm und heute schwül. Wir wollen im Wildpark eßen, noch einmal mit dem armen Brauchitsch,197 der heute Abend nach Erfurt abreist zu seinem Regiment. Mir thut es außerordentlich weh, den lieben, treuen Mann aus unsrer Nähe zu verlieren, und er weint auch seine heißen Thränen. Nun bleibt nur noch Bonin198 aus der alten Zeit mit den guten, alten Tradizionen. Was sagst Du zu der Verlobung der schönen Hülle? Im Luckschen Hause ist große Freude und Ueberraschung, denn er hatte sich nie etwas merken lassen, kaum daß Cäcilie in den lezten Tagen etwas ahndete.199 Mich freut es sehr. Gestern sollte Dein Wilhelm bey Lucks Klarinett blasen mit accompagnement von Reuß und Gräfin Rossi.200 Er fürchtete sich so darauf, daß er bey Tisch ganz préoccupirt201 aussah, und ich meinte, er habe Kummer. Fritz fand ihn vorgestern Morgen bey Lucks eben beschäfftigt zu blasen, Adelaide von Beethoven.202 Fritz war entzückt von seinem Spiel und Ausdruck. Ich bin neugierig, von der gestrigen production zu hören. Morgen wird Gräfin Rossi mit Cecilie, Knebel und Wizleben das Stabat Mater von Pergolese in der Friedenskirche singen.203 Es wird gewiß sehr schön seyn. Mary ist vorgestern zurück gekommen aus Weymar. Sie hat in Wilhelmsthal und Eisenach Helene viel gesehen.204 Ihre Magerkeit soll beyspiellos seyn. Sie hat immer Besuch von ihrem Hofstaat aus Paris, und alle ihre Sachen, auch ihre équipagen bekommen, auch alles, was in dem Zimmer des Herzogs noch unangetastet geblieben war. Wenn sie 197 Eduard von Brauchitsch (1798 –1869), preuß. Kommandeur des in Erfurt stationierten Infanterieregiments Nr. 31. 198 Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 199 Hans von Luck (1775–1859), preuß. General und Generaladjutant, ehem. Gouverneur des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen. Seine Tochter Cäcilie Wilhelmine Karoline von Luck (1822–1908) verlobte sich mit August Joseph von Ketteler (1808–1853), preuß. Major im 1. Garde-Ulanenregiment. 200 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin mit der Sängerin Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854) und mglw. Prinz Heinrich IV. von Reuß-Köstritz (1821–1894), preuß. Premierleutnant im Garde du Corps. 201 Frz. = besorgt. 202 Adelaide, Liedkomposition von Ludwig van Beethoven (1770–1827). 203 „Stabat Mater“ des ital. Komponisten Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736) in der Potsdamer Friedenskirche. Sängerin Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854) mit Cäcilie Wilhelmine Karoline von Luck (1822–1908) sowie mglw. Rittmeister von Knebel-Doeberitz, aggr. beim Garde-Husaren-Regiment, und Hartmann Erasmus von Witzleben (1805–1878), preuß. Kammerherr. 204 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877), besuchte ihre Cousine Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858), in ihrem Exil in Eisenach.
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nur auch Geld aus Frankreich bekäme! Wilhelm findet die Kinder schwächlich und schmal. Onkel Wilhelm wird wohl morgen zurückkommen. Er war in Münster geblieben, wo Waldemar sehr krank war, aber nun besser ist, nur noch sehr matt. In Berlin ist es wieder toll zugegangen in voriger Woche, zu gleicher Zeit auch in Wien. Man spricht von neuen Conflikten, die zu erwarten sind. Gott weiß! Die Rückkehr des Kaysers205 nach Wien hat mir sehr leid gethan. Es scheint aber, daß sie nicht mehr zu vermeiden war. Schreckenstein206 ist prächtig, und man hat den größten Respekt vor ihm. Wie ich höre, ist Fritz Streliz bey Euch. Möge ihm das Seebad wohl thun. Warum trägt George einen Sammtrock? Welche sonderbare Idee! Lilli kömmt auch nach Dobberan, sagt mir Wilhelm? Dieser Dein Sohn küßt Dir die Hand. Königsmark207 schrieb, daß Fritz von Oranien nicht wohl gewesen wäre, wie eine Art Cholérine, die aber arg war. Auch seine Leute hatten alle mehr oder weniger dieselbe Art Uebel. Bey ihnen soll es von schlechtem Fett herrühren, was sie aßen, ein ekelhafter Gedanke. Die Cholera ist sehr mild in Berlin und hier aufgetreten und macht wenig Fortschritte. Gott gebe, daß sie nicht ärger wird. Wir sind unter einem strengen régime gesezt, das mich sehr ärgert. Aus Petersburg sind die Nachrichten gut, und für den Waffenstillstand scheint hier Gottlob wieder mehr Aussicht zu seyn. Wie will ich mich freuen, wenn es endlich so weit ist. Von Erlaucht hatte ich einen Brief aus Schandau, wo sie sehr zufrieden und ruhig lebt. Massow208 war in Schlesien und hat auch Stolberg besucht und mir einen langen Brief von ihm mitgebracht. Er fand ihn sehr mager, aufgeregt, traurig. Er sehnt sich sehr nach uns, und wann werden wir ihn wiedersehen können, ihn, der so ganz in unsren Kreiß gehörte und in alle unsre Intereßen verwebt war. Es ist zu traurig, daß man seine besten Freunde meiden muß! Nun aber muß ich den langen Brief enden. Lebe wohl, Du Geliebte, und grüße Deine Kinder und die Strelizer, die in Deiner Nähe sind. Schade, daß Du den schönen Ort schon den 1ten verläßest und solche betrübten Veränderungen auch bey Euch bevorstehen. Gott schüze Euch! Fritz umarmt Dich zärtlich und ich bin mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 9ten September 1848 Meine liebe Elis, was ist nur wieder alles geschehn, seitdem Dein lieber Brief in meinen Händen ist. Was wird nun geschehn? Ist nicht der Moment gekommen, wo alles biegen oder brechen muß? Gott kann doch seine Kinder nicht ganz verlaßen. Er wird helfen. Die Menschen müßen aber handeln. Mit Zittern nehme ich wieder die Zeitungen zur 205 Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793–1875). 206 Ludwig Roth von Schreckenstein (1789–1858), preuß. General und seit 25. Juni 1848 Kriegsminister. 207 Hans Graf von Königsmarck (1799–1876), preuß. Gesandter in den Niederlanden. 208 Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, seit 1837 Intendant der Königlichen Gärten, seit 1843 Mitglied des Staatsrates.
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Briefe 1824–1850
Hand, denn was wird sie bringen, ist der erste Gedanke. Gestern aßen zwei Preußische Offiziere bei uns vom General Stab, ein Herr von Klausewitz209 bei Wilhelm Ratziwill210 und einer, der beim General Bonnin,211 dessen Nahmen ich vergeßen. Sie machen die Marschrute für die Preußischen Regimenter. Dein Cürassier Regiment212 kommt am 19ten hier nach Schwerin und machte einen Ruhetag am 20. Das 2te Regiment Königsregiment kommt am 17ten,213 bleibt aber nur die Nacht. Kaiser Alexander kommt durch Ludwigslust am 19ten durchmarschiert und bleibt in Grabow.214 Ich hoffe, ich werde es so einrichten, daß ich sie sehen werde. Es trifft nur den Tag, wo Dein Regiment hier ist. Kaiser Franz kommt erst am 24ten in der Gegend, doch wer weiß, ob sich dies nicht alles ändert.215 Mein Wilhelm ist nach Petersburg, ohne meine noch Fritzens Erlaubniß sich zu holen. Du kannst denken, daß wir sehr böse darüber sind, und ich begreife nicht, geliebte Elis, daß Du oder mein Bruder Fritz ihn nicht darauf aufmerksam gemacht habt. Denn wenn er auch in Berlin Erlaubniß bekommen, so gehört doch unsere vor allen Dingen dazu. Dann finde ich es so unpassend, ohne Einladung zur Vermählung216 wie eine Bombe beim Kaiser hereinzufallen. Wenn er es mir früher geschrieben, dann hätte ich ihn anmelden können und alles hätte eine anstendige Art gehabt. Außerdem fürchte ich sehr, daß man ihm da allerhand im Kopf setzt, und dann noch weniger Ordnung zu hallten ist als jetzt. Ich habe nun sehr gebeten, ihn dort nicht länger als bis zum 1ten Oktober zu hallten, denn sonst bleibt er Monate fort. Ich habe nun Dobbran am 6ten verlaßen mit schwerem Herzen, denn es war so friedlich und still dort, auch grade die letzten Tage prächtiges Wetter. Und dann liegt wieder ein ganzes Jahr dazwischen, bis man es wieder sieht. Und was kann und wird nicht alles bis dahin geschehn. Vielleicht sehen wir es nie wieder. Diese 7 Wochen waren wirklich recht wohlthuend und kaum steckte ich hier den Kopf aus der Eisenbahn, so empfingen uns schlechte Nachrichten. Gott, wie soll das alles enden? Ich sehe mit wenig Muth der Zukunft entgegen. Nun leb wohl, Gott nehme Preußen und uns alle in seinen gnädigen Schutz. Deine treue Adine
209 Mglw. Friedrich von Clausewitz (1807–1866), preuß. Hauptmann. 210 Prinz Wilhelm Radziwill (1797–1870), preuß. Generalleutnant und Kommandeur der 6. Division. 211 Eduard von Bonin (1793–1865), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 16. Infanteriebrigade. 212 Preuß. Kürassierregiment „Königin“ aus Pasewalk. 213 Preuß. 1. Garde-Regiment zu Fuß. 214 Preuß. Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment. 215 Preuß. Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment. 216 Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892) heiratete Herzogin Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911) am 11. Sept. 1848.
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Ich eile, Deinen lieben Brief zu beantworten, meine Adine. Ich bekam ihn gestern während dem Familiendiné und danke herzlich dafür. Vor einigen Tagen war ich sehr niedergeschlagen und muthlos, der arme Fritz so nervous und agitirt. Nun ist er aber wieder guten Muthes, und obgleich wir gewiß in einer sehr bedenklichen Lage sind, so hoffe ich doch, daß diese neue Crisis Seegen bringen wird, denn Fritz ist ganz fest. Das Ministerium hat seinen Abschied gefordert, bleibt aber so lange ein neues zusammengesezt ist. Da liegt freylich die Schwierigkeit und die allergrößeste. Man glaubte bestimmt, es würde heute Spektackel in Berlin seyn, es ist aber alles ruhig in der Versammlung abgelaufen. Die Truppen werden nun wahrscheinlich per Eisenbahn kommen, troz Frankfurt, wo man auch anfängt etwas weniger grandios zu seyn. Heute ist also die Hochzeit in Peterhof oder in Petersburg, ich weiß nicht, und Meyendorfs217 sollen bey uns essen. Deine Unzufriedenheit mit Wilhelmchen thut mir sehr leid, und ich hoffe, Ihr werdet Gnade für Recht ergehen lassen. Freylich hätte er früher um Erlaubniß fragen sollen, sich anmelden lassen, aber sein an Costi gegebenes Versprechen fiel ihm erst in der Nacht vom Donnerstag zum Freytag ein, und Sonnabend sollte das Schiff von Stettin abfahren! Ich habe wie gewöhnlich nichts erfahren, Du weißt, daß Fritz immer vergißt, mir irgend etwas zu sagen. So kam es dann, daß mir Finkenstein,218 der bey uns aß, nach Tisch beyläufig sagte, Wilhelmchen ginge den andern Tag nach Petersburg. Denke Dir mein Erstaunen, an die Hochzeit dachte ich gar nicht. Bald darauf kam er selbst, um von mir Abschied zu nehmen. Du sihst also, daß ich ganz unschuldig an seiner Sünde bin. Erst dann wurde ein Offizier zu seiner Begleitung gesucht. Rauch hatte Caniz vorgeschlagen, aber seine Frau, die ihren ersten Mann auf einer Reise nach Rußland verlor,219 war so unglücklich über den Gedanken, daß man es aufgab und nun Münster220 aufsuchte, der anfangs gar nicht zu finden war. Endlich um 10 Uhr Abends kam er sich bey Fritz zu melden. Du hast den Termin zur Rückkehr viel weiter hinaus geschoben als er selbst, denn er sprach nur von 14 Tagen, die er dort zubringen wollte. Ich hoffe, man wird ihm den Kopf nicht verdrehen und er wird dann ruhig hier bleiben und nicht zu oft wegreisen. Es regnet heute zum erstenmal seit langer Zeit. Wir hatten die schönsten, wärmsten Tage, die Nächte so mild und von dem herrlichen Mondschein beleuchtet, die Terrasse war zu schön. Es wundert mich, daß Du Dobberan schon verlassen hast, und begreiffe, 217 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin, und seine Ehefrau Sophie, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868). 218 Wilhelm Finck von Finckenstein (1792 –1877), preuß. Oberst und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 219 Adolf Freiherr von Canitz und Dallwitz (1810–1868), preuß. Oberst, verh. 1840 mit Luise Gräfin von der Recke (1815–1886), Witwe des Karl Graf von Schlippenbach (1795–1836), preuß. Hauptmann und Adjutant des Prinzen Carl von Preußen, tödlich verunglückt auf einer Reise in Russland. Siehe Brief vom 19. Jan. 1836. 220 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Rittmeister beim Regiment Garde du Corps.
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Briefe 1824–1850
Abb. 14: Blockhaus im Park von Peterhof, 1846.
daß es Dir schwer wurde. Jeder Abschied von Menschen und Orten ist jetzt doppelt schmerzlich, die Zukunft so unsicher, so dunkel. Die Cholera ist dieß Mal schlimmer hier wie in Berlin, aber im Ganzen doch nicht sehr arg, und wenn man sich recht in Acht nimmt und keinen Diätfehler macht, so kann man sich davor bewahren, aber das geringste Unwohlseyn muß beachtet werden. Onkel Wilhelm ist wieder hier, Adalbert geht ab und zu. Der Onkel hat eine Reise nach Bayern vor mit Waldemar, der doch noch sehr angegriffen ist, aber dem eine Luftveränderung gewiß gut wäre.221 Auguste ist jetzt, unberufen, sehr guter Laune. Eine Zeit lang war es nicht der Fall. Lebe nun wohl, meine Adine. Dein Seegenswunsch für Deine geliebte Heimath hat mich tief gerührt. Gott wolle ihn erfüllen und uns Alle in Gnaden bewahren und führen. Tausend Liebes Deinen Kindern. Fritz umarmt Dich zärtlichst. Mit treuer Liebe, Deine Elis Schwerin, den 22ten September 1848 Meine geliebte Elis, ich habe etwas gezögert mit meinem Brief, um Dir Nachricht von Deinem schönen Regiment zu geben, was am 19ten einrückte und den 20ten. Ruhe in Schwerin hatte. Es war mir leid, Barbi nicht mehr dabei zu sehen, sondern einen ganz fremden Commandeur, der aber ein braver Mann sein soll, obgleich es ihm schwer ist,
221 Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) und seine Söhne Prinz Adalbert (1811–1873) und Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849).
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Barbies Nachfolger zu sein.222 Das Offizierscorps scheint scharmant zu sein, aber Rittmeister sind dabei von 30-32 Jahr dienend, die aber brav und voller Liebe für König und Vaterland sind, und Dich, ihren Chef, adoriren, und die legen sich zu Füßen, besonders Rittmeister Plehn. Er könnte wirklich einmal avancieren und Major werden.223 Unsere Truppen sind nun auch alle wieder zurück. Gestern kamen wir hier her, um die Dragoner einrücken zu sehen. Das waren die letzten hier. Wie in Schwerin, aber besonders in Schwerin, war der Jubel unerhört und die Soldaten wie Offiziere konnten fast nicht gehen vor Blumen und Kräntze. Gott weiß, was ihnen hier noch bevor steht. Nach den gräulichen Ereignißen in Strelitz weiß man nicht, was auch hier noch kömmt.224 Einen solchen Angriff, der am Sonntag sein sollte, kam garnicht zustande, da Fritz gleich sehr ernst und bestimmt auftrat und auch das Jägerbataillon mit Eisenbahn gleich kommen ließ. Ich muß aber auch zu Ehren von Schwerin sagen, daß die Demokraten da noch keinen Boden gefunden haben. Gott allein weiß, ob es so bleibt. Nun sind aber wider schreckliche Scenen in Frankfurth. Gott schütze die gerechte Sache und laße die Soldaten Sieger bleiben und ihn behaubten. Mein Bruder Fritz scheint nun auch ernst und fest aufzutreten und die Soldaten von neuem mit Muth und Liebe zu beleben durch seine Ansprachen. Das Heer ist seine einzige Stütze. Nun nur nicht zu lange gezögert mit der National Versammlung, die aus einandergejagt und dann Berlin umzingelt. Alle Truppen haben nur einen Gedanken, sich an Berlin zu rächen. Alexander Solms war 3 Tage bei uns, wie sein Regiment in und bei Ludwigslust war.225 Mein Wilhelm ist unendlich gnädig und liebevoll in Petersburg aufgenommen worden, und ist glücklich dort. Ich denke, er kömmt bald zurück, doch weiß ich nichts darüber. Charlotte schrieb sehr vergnügt über die Überraschung und daß Münster226 mit ist, den sie immer gern hatte. Adios, ich muß zur Eisenbahn. Gott mit Euch. Deine Adine Luise küßt die Hände.
222 Wilhelm von Barby (1795–1883), preuß. Oberst und Kommandeur des Kürassierregiment „Königin“, übernahm am 13. Mai 1848 die 6. Kavallerie-Brigade in Torgau. Sein Nachfolger war Major Karl von Schwemmler (1793–1873). 223 Bis in die 1860er Jahre gab es, u.a. verursacht durch Finanzknappheit, in der preuß. Armee lange Beförderungzeiten. Kommandostellen wurden oft ohne sofortige Beförderungen vergeben, und ein Major als Regimentskommandeur war keine Seltenheit. 224 Nach Demonstrationen in Neustrelitz am 20. Sept. 1848 entließ Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz seine Regierung. Die Schweriner Regierung unter dem Ersten Minister Ludwig von Lützow führte wie schon im März 1848 ihr Amt weiter. 225 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Major und Kommandeur des 3. Husarenregiments. 226 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Rittmeister beim Regiment Garde du Corps.
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Sans Souci, den 25ten September 1848 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief vom 22ten, den ich denselben Abend empfing. So schnell gingen die Briefe noch nie. Tags drauf hörte ich mit Erstaunen durch Adalbert,227 daß Dein Wilhelmchen mit ihm auf der Eisenbahn hieher gefahren war, aber wegen einen schlimmen Fuß nicht erscheinen könne. Bald drauf kam Hugo Münster228 und erzählte uns viel, sehr entzückt von der Reise und von der Gnade des Kaysers. Sie sind so schnell gereist zu Land, Tag und Nacht, um nicht hier zu fehlen, wenn es in diesen Tagen zu etwas kommen sollte. Diesen löblichen Eifer verwünsche ich im Stillen, denn ich war im Herzen ganz froh, daß Dein Sohn weg war und außer dem Schuß. Wer weiß übrigens, ob es noch dazu kömmt. Auf heute ist man sehr gespannt, Du weißt das aus den Zeitungen. Gott gebe den Ministern, besonders Pfuel,229 Kraft und Einsicht. Mir scheint, daß wie man diese erste Stelle antritt, ein sonderbarer Geist in die Menschen fährt, kein guter, kein kräftiger, leider Gottes. Fritz ist wirklich außerordentlich zu beklagen. In dem jetzigen System kann er keinen Schritt thun ohne Minister, mit Mühe findet er welche, sie sprechen vortrefflich und ganz in seinen Sinne mit ihm, er glaubt, endlich kräftige Männer gefunden zu haben, und sowie es drauf und dran kömmt, vergeht ihnen der Muth und sie bringen ihn tiefer hinein wie vorher. Und das Schrecklichste ist, daß troz ihrer Verantwortlichkeit alles odium230 auf ihn fällt, daß man ihn anklagt. Ist das nicht zu traurig. Fritz unterbrach mich heute Morgen, er kam vom exerciren. Später ging ich nach Potsdamm, um Lollo‘s Portrait von Magnus231 zu sehen, das sie der Mutter schickt und das wirklich allerliebst ist, in Lebensgröße, im Kleide der Einsegnung, von einer Treppe in einen Garten herunter gehend, die ganze Anordnung so geschmackvoll. Dein Wilhelm aß bey uns und mußte mir berichten. Was sagst Du denn dazu? Gestern sah ich Wilhelm zuerst wieder vor der Friedenskirche, die nun endlich eingeweiht wurde.232 Es war eine schöne Feyer beym herrlichsten Wetter, und nachher hatten wir im Jaspis Saal ein ungeheures déjeuné, wobey 22 Prediger waren.233 […] la petite portion.234 Die Kirche ist doch gar zu schön, und Heim235 predigte herrlich, so beruhigend, was ich namentlich sehr brauchte, denn ich war so aufgeregt.
227 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873). 228 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Rittmeister beim Regiment Garde du Corps. 229 Ernst von Pfuel (1779–1866), seit 21. Sept. preuß. Ministerpräsident und Kriegsminister. 230 = Anrüchigkeit, Beigeschmack. 231 Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855) hatte beim Berliner Maler Eduard Magnus (1799– 1872) für ihre Mutter Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, ein Porträt von sich in Auftrag gegeben, 232 Einweihung der Friedenskirche in Potsdam am 24. Sept. 233 Jaspissaal in den Neuen Kammern in Sanssouci, mit einer Wandverkleidung aus rotem Jaspis. 234 Erster Teil des Satzes nicht zu entziffern, dann frz.= die kleine Portion. 235 Albert Heym (1808–1878), preuß. Hofprediger und Erster Pfarrer an der Potsdamer Friedenskirche.
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Dank Dir für die Nachrichten von meinen Regiment. Ich regrettire auch Barby.236 Der andre ist gewiß sehr vortrefflich, aber das Äußere nicht gar schön.237 Wir waren die lezte Zeit jeden Morgen in Potsdamm, um die Truppen durch marchiren zu sehen. Sie sehen so vortrefflich aus, so wohl und vergnügt. Sie sahen aus wie ein wandelnder Garten, so waren sie mit Blumen bedeckt. Nun stehen sie alle um Berlin herum, und Wrangel238 hat sein Hauptquartier in Charlottenburg. Schade, daß der Mann so affectirt ist und eitel. Er ist sonst so brav und tapfer. Die Parade, die er in Berlin hielt, machte guten Eindruck. Eure Butterkrawalle239 scheinen Gottlob ohne weitere Folgen zu seyn. In Streliz ist es auch wieder ruhig. Wir waren sehr betrübt für den armen, alten Onkel, der noch so etwas in seinem Alter erleben mußte. Aber wer bleibt jetzt verschont! Die Gräuel in Frankfurt übersteigen auch allen Glauben. Lichnofsky und Auerswald sind furchtbar massacrirt worden, namentlich Lichnofsky.240 Er hatte solche Freude noch, daß Major Deez mit einer compagnie zu seiner Hülfe gegangen, aber ohne ihn zu finden, daß er sagte, er würde weinen, wenn er noch könnte.241 Welches Ende, großer Gott! Was wird die arme Sagan242 außer sich seyn! In Berlin hat diese Gräuelthat nicht den gehofften Eindruck gemacht, auch sind die lieben Berliner Blätter über unsre armen Soldaten in Frankfurt hergefallen, als wären es keine Landsleute. Es ist zu schmählich, dieser vollkommne Mangel an Vaterlandsliebe, an Patriotismus. Man lernt die Menschen recht verachten. Graf Schwerin243 wurde durch den Erzherzog hieher geschickt und erzählte uns zuerst die détails aus Frankfurt, die mich ganz krank machten. […]244
Schwerin, den 29ten September 1848 Durch Dich, geliebte Elis, erfuhr ich zuerst die plötzliche Ankunft von meinen Wilhelm in Potsdam aus Petersburg. Ich freue mich sehr darüber, daß er gleich nach der ersten Nachricht zurückgekehrt ist. Sein Brief, der mir seine Ankunft melden sollte, kam erst 236 Wilhelm von Barby (1795–1883), preuß. Oberst und ehem. Kommandeur des 2. Kürassier-Regiments „Königin“ in Pasewalk, seit Mai Kommandeur der 6. Kavallerie-Brigade in Torgau. 237 Karl von Schwemmler (1793–1873), preuß. Major, seit Mai Kommandeur des 2. Kürassier-Regiments „Königin“. 238 Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877), preuß. General und seit Sept. Oberbefehlshaber des Oberkommandos in den Marken. 239 Siehe Brief der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin vom 29. Sept. 1848. 240 Ermordung des preuß. Generals Hans von Auerswald (1792–1848) und des Fürsten Felix von Lichnowsky (1818–1848) am 18. Sept. bei den Septemberunruhen in Frankfurt am Main. 241 Albert August Wilhelm Deetz (1798–1859), preuß. Major, von Mai 1848 bis Mai 1849 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, 1848–1854 Kommandant von Frankfurt am Main. Siehe auch den Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 142 vom 23. Sept. 1848, S. 750. 242 Herzogin Dorothea von Sagan, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1793– 1862), unterhielt eine Beziehung mit Fürst Felix von Lichnowsky (1818–1848). 243 Verm. Maximilian Graf von Schwerin-Putzar (1804–1872), Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung. 244 Der Rest des Briefes fehlt.
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gestern hier an. Er schreibt in Rätzeln, allein, uns ahnte etwas, doch da wir sonst garnichts darüber gewußt, so müßen wir erst abwarten, bis er uns deutlich sagt, was er will und wie die Sachen gekommen. Es ist der schlimste Augenblick, den er wählen konnte, da wir ja selbst nicht wißen, was die Zukunft uns bringt, also auch kein Entschluß gefaßt werden kann.245 Daß die Friedenskirche246 eingeweiht, freut mich sehr. Sie ist zu wundervoll und stimmt so andächtig. Wenn ich mal wieder nach Sanssouci kommen sollte, hoffe ich, ist Gottesdienst dort. Doch jetzt kann ich nicht fort, obgleich es ruhig ist, denn der unglückliche Butterkraval, der in der Zeitung so viel besprochen, war garnichts. Wir wußten garnichts davon, denn es waren die Jäger, welche fanden, die Butter war zu theuer, 15 Groschen, in Schleswig wäre es nicht so gewesen, und hatten die Butter dem Kaufmann fortgenommen und für ihn für den halben Preis verkauft. Das war die ganze Sache. Da man aber bis jetzt mit dem Militair ernster noch verfahren kann und Ordnung hineinbringen, so war es am 2ten Tag schon alles abgemacht.247 Die Gräuelscenen in Frankfurth sind wirklich zu schaudervoll. Welches furchtbares Ende von Auerswald und Lichnofsky.248 Letzter hat sich im Tode groß benommen. Wir dachten auch gleich an die Sagan.249 Erinnerst Du Dich noch im Neuen Palais, Lüge nofsky, wie Alexander250 ihn nannte. Ich mochte ihn nie leiden und sein zweideutiges Benehmen in den Märztagen. Zuletzt war er zwar für die gute Sache, und dies grauenvolle Ende ist doch zu gräuslich, der Unglückselige, das söhnt alles aus. Den 30ten. Gestern konnte ich meinen Brief nicht enden und will nun eilen, weil wir heute Mittag nach Friedrichsmoor fahren, wo Fritz seit vorgestern zur Jagdt ist. Wir wollen da eßen und dann pirschen fahren, was so amüsant ist. Heute ist Friedrike ihr Geburtstag. Dessau ist ja sehr heroisch mit seinem Adel abschaffen gewesen.251 Nun, wir kommen auch wohl dahin. Ich möchte beinah sagen, schade, daß am vergangenen Montag in Berlin es nicht zum Schlagen gekommen ist. Dann stünden wir Alle fester. Pful
245 Hintergrund war die Auseinandersetzung zwischen Dynastie und Abgeordnetenversammlung über die Stellung, auch die finanzielle, des Hauses Mecklenburg in der konstitutionellen Monarchie. 246 Am 24. Sept. war die Potsdamer Friedenskirche in Anwesenheit des Königspaares feierlich eingeweiht worden. 247 Soldaten vom meckl.-schw. Jäger-Bataillon hatten auf dem Schweriner Markt die ihnen zu teuer erscheinende Butter eines Händlers beschlagnahmt und für einen geringeren Preis für den Händler verkauft. 248 Die rechtsliberalen Abgeordneten Fürst Felix von Lichnowksy (1814–1848) und Hans von Auerswald (1792–1848), preuß. General, waren am 18. Sept. bei Ausschreitungen in Frankfurt am Main ermordet worden. 249 Herzogin Dorothea von Sagan, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland (1793– 1862). 250 Mglw. Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867). 251 Die radikaldemokratischen Verfassungsentwürfe in den anhaltinischen Herzogtümern, u.a. mit der totalen Abschaffung des Adels (nicht nur als Stand), sorgten für allgemeines Aufsehen. Mit Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), regierte dort eine Herzogin aus dem Haus Hohenzollern.
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seine Ernennung zum Minister wunderte mich sehr.252 Ich erinnere mich noch seiner sehr gut, die Abende bei Dir im Märtz, wie die Unruhen ausbrachen! Gott wolle die preußische Armee ihren guten Geist bewahren. Sie sind doch immer die, die am tapfersten sind und sich nicht irre machen laßen. Das ärgert aber die Schlechtgesinnten. Bruder Fritz muß ihnen nur bei aller Gelegenheit seine Zufriedenheit zu erkennen geben, denn sie sind seine einzige Stütze noch!!! Nun leb wohl, Gott mit Dir und den Geschwistern. Deine treue Adine Brandenburg seinen Befehl fand ich wundervoll kräftig.253 Er muß aber auch bekrittelt werden. Sans Souci, den 9ten Oktober 1848 Tausend Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief vom 29ten, geschrieben während Fritz Wilhelms Einsegnung in Charlottenburg.254 Du wußtest wohl nicht, daß sie an dem Tage seyn sollte, oder hatte ich Dir es geschrieben? Es war eine sehr schöne Feyer, rührend durch seine Einfachheit und Festigkeit im Antworten. Er that es mit solcher freudiger Ueberzeugung. Meine Thränen floßen unaufhaltsam, besonders als er kniend gesegnet wurde und ich an seine Zukunft dachte, die so bedroht ist! Ehrenberg255 machte es ihm schwer und quälte ihn sehr mit Fragen, die er langsam und schläfrig vorbrachte. Es dauerte lange. Wir déjeunierten en famille in meinem grünen Zimmer und sprachen dann mit der sehr zahlreichen Gesellschafft, Geistliche, Militair, Jugendfreunde, Lehrer, Bekannte von Auguste. Nachher kehrten wir alle hierher zurück, und den 30ten an Augustens Geburtstag war die Vorbereitung. Alexander Solms256 war gerade in der Zeit bey uns hier. Ich finde ihn viel ernster wie sonst, was auch so natürlich ist. Der jetzigen Zeit widersteht auch nicht der heiterste Sinn. Leider sehe ich das täglich mit Schmerz an dem armen Dicken. Er wird immer trüber, immer einsylbiger. Bey Tisch spricht er fast gar nicht, und den Abend sizt er dar, stumm und auf einen Flecke sitzend, und nur selten gelingt es ihn für etwas zu interessiren. Wie mir das wehe thut, begreiffst Du. Sein Glauben an den Menschen, den er so lange festhielt, muß auch schwinden, sie gehen zu schrecklich mit ihm um. Du weißt, so lieb ich ihn habe, so bin ich doch nicht blind für ihn. So glaubst Du mir, wenn ich Dir sage, daß er an seinen jetzigen, den allergrößten Verlegenheiten nicht die geringste Schuld hat. Er hoffte so viel, er dachte, alles so gut eingeleitet zu haben, da läßt man ihn im Stich, giebt nach, wo er Kraft und Energie 252 Ernst von Pfuel (1779–1866), seit 21. Sept. preuß. Ministerpräsident und Kriegsminister, war konstitutionell gesinnt und nahm am 1. Nov. seinen Abschied. 253 Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850), preuß. General, war seit 2. Nov. Ministerpräsident in Preußen. 254 Konfirmation des Prinzen Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). 255 Friedrich Ehrenberg (1776–1852), preuß. Oberhofprediger. 256 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867).
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wollte, und wir sind wieder tiefer gesunken. Mein Herz bricht, ich denke oft, ich kann den Kummer jeder Art gar nicht mehr tragen. Das heilige Abendmahl that uns doch sehr wohl! Wenn ich nur die Ergebung und den Glauben recht festhalten könnte, aber der Mensch ist gar zu schwach! Die Abendmahlsfeyer war auch sehr schön. Karls, Onkel Wilhelm und wir gingen mit den Eltern und Fritz in die Garnisonkirche. Ich war mit genauer Noth in die Kirche gekommen, denn Grimm wollte mich nicht hinlassen. Ich war nehmlich den Morgen mit argem Kopfweh erwacht, das sich dann nach Art meiner guten Natur durch gräßliches Gallenerbrechen löste. Ich wußte wohl, daß es damit zu Ende war, aber er fürchtete die Choleraluft. Ich ging dann doch, wahr wohl angegriffen, aber wieder wohl. Er hatte aber Mühe, es mir zu verzeihen. Es war gerade ein so herrlicher Tag, so sonnig und warm, wie beynahe die ganze Woche. Noch gestern war es herrlich. Wir waren in der Friedenskirche, wo Heim257 herrlich predigte. Sie war ganz voll, und die bunte Menge nahm sich nachher so hübsch aus in dem blühenden, sonnigen Garten. Die Abende im Mondschein waren auch prächtig und so milde, man konnte sich von der Terrasse kaum losreißen. Heute Morgen schien die Sonne schon so schön, aber jetzt ist es neblig und grau. Fritz ist auf einem Manoeuvre, das Wrangel258 commandirt. Die Gräuel in Ungarn sind doch entsezlich! Wir fallen wirklich in die Barbarey zurück, vor lauter Fortschritt und civilisation. Dein Wilhelm sagte mir gestern, die Wahlen bey Euch seyen gut ausgefallen.259 Das freut mich sehr. Wilhelm hat nun viel zu thun, leider nichts Angenehmes, wegen der fatalen Prügeleyen in Potsdamm.260 Wie mich das auch schmerzt! Die armen Garde du corps sind so rührend! Abats Geburtstag feyerten wir im Wildpark. Leider mußte Fritz den Tag nach Bellevue, und statt seiner fuhr Dein Wilhelm mit mir hin, was mich sehr amusirte. Sein Räthsel hast Du wohl verstanden. Er scheint wirklich sehr an dem Gedanken zu hängen, und die Partie wäre glänzend, aber wie sie darüber denkt, weiß ich nicht.261 Friederike262 schreibt sehr traurig. Es geht ihnen ganz besonders schlecht. Es wurde selbst ein Antrag gemacht, ihre Umgebungen zu entfernen, da sie nicht zeitgemäß dächten. Sie müßen nun Leute sehen, sie, die wie die Einsiedler lebten! Sie plagt sich mit demokratischen Minister herum. Jeder hat sein eigne Plage. Nun lebe wohl, meine Adine, viel Liebes Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine Elis 257 Albert Heym (1808–1878), preuß. Hofprediger und Erster Pastor an der Potsdamer Friedenskirche. 258 Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877), preuß. General und seit Sept. Oberkommandierender in den Marken. 259 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879). Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin sah das anders, denn die Demokraten gewannen die Stimmenmehrheit. 260 Am 12. Sept. hatte es quasi im Herzen der preuß. Armee in Potsdam eine Militärrevolte gegeben wegen der schlechten Behandlung der Soldaten durch die adligen Offiziere des 2. Garde-Regiments zu Fuß. 261 Gemeint sind die Heiratspläne Herzog Wilhelms zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1897) mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894). 262 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850).
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Onkel Wilhelm reist übermorgen nach München, Waldemar wohl erst später. Es geht noch nicht gut mit ihm. Schwerin, den 12ten Oktober 1848 Meine liebe Elis, diesmal muß ich mich schriftlich zum Geburtstag von Fritz einfinden. Ich könnte doch nur einen Tag kommen und hätten wir Alle nichts von einander gehabt. Vielleicht komme ich vor Anfang unseres Landtags, um Dich, meine Elis, zu sehen. Eigentlich bin ich jetzt nichts werth. Mein Muth sinkt immer mehr, und ich sehe sehr, sehr schwartz in der Zukunft. Und dann ist es eigentlich besser, man bleibt, wo man ist. Die Wiener Ereigniße sind von so schrecklicher Art. Es kommt ja wie nach der ersten französischen Revolution eine Schreckens-Zeit. Gott, was wird uns noch alles bevorstehen. Ich schaudere davor, denn man kann wohl erwarten, daß Berlin nicht verschont wird. Die nun begnadigten Pohlen263 werden es wohl besorgen, aus Dankbarkeit! Und dann wird es furchtbar werden! Die kaiserliche Famille scheint nach Linz. Und in welcher Gefahr haben sie geschwebt. Es ist gräslich. Um einmal auf etwas ganz anderes zu kommen: Die Ober Lippe264 ist seit beinah 14 Tagen hier und liegt den ganzen Tag auf Jagd, so daß wir ihn wenig sehen. Eine sehr amüsante Scene spielte schon 2 Mal, wenn er mit Luise musi ziert. Er hat eine Leidenschaft zum Singen, und nach meiner Idee hat er keine Stimme, wenigstens ohne Klang. Sie muß ihn begleiten und thut es mit vieler Ergebung. Ich als gute Mutter muß dann dabei sitzen. Neulich sagt sie, wie schade, daß es nicht ein anderer Prinz ist, der einem gefiel, dann wäre diese Musikscene deliziös. Heute und morgen sind wir verlaßen, da alles zur Jagdt ist. Und Sonntag gehen wir nach Ludwigslust auf 2 Tage, damit Lippe dort Haasen jagen soll. Mittwoch reiset er ab. Er sieht die Zeit garnicht so schlim an, wenigstens hat er noch Reise Pläne und ist froh und heiter. Mir schneidet es ins Herz, ihn so zu sehen. Noch bin ich in meinem Greenhaus, aber heute ist es schäuslich kalt und regnicht. Wenn wir von Ludwigslust kommen, bleiben wir in der Stadt. Wie geht es denn Luise Karl?265 Ich hörte garnichts von ihr. Ist sie zurück von Heringsdorf? In der Zeitung stand einmal etwas, als wenn sie nach Münster ginge. Ist da etwas Wahres dran? Nun leb wohl, Du könntest wohl mal meinen Wilhelm bereden, daß er uns schriebe. Wie wissen garnichts von ihm. Am morgigen Tag gedenke ich Deiner in Liebe, auch um der armen lieben Tante Wilhelm werden unsere Thränen sich mischen. Deine in Liebe Adine An Fritz schreibe ich morgen.
263 Nach dem Aufstand in der preuß. Provinz Posen. 264 Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875). 265 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen.
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Sans Souci, den 20ten Oktober 1848 Meine Adine, die Abreise Deines Sohnes war so unerwartet, daß ich ihm kein Wort für Dich mit geben konnte. Als er den Abend kam, um uns seine Abreise zu sagen, war ich anfangs ganz erschrocken, denn ich dachte, es wäre ein Unglück bey Euch geschehen. Dem war Gottlob nicht so, und Wilhelmchen schien ganz zufrieden und voll heißer Hoffnungen und Gedanken. Es wäre doch wirklich komisch, wenn dieser Dein Jüngster vor den Geschwistern in den Ehestand träte, ein Gedanke, der mir überhaupt noch gar zu komisch vorkömmt. Als er weg war, fiel mir erst ein, daß ich Dir wollte sagen lassen, daß Olga sehr bald nach Rußland geht, über Lübeck oder Dresden. Vielleicht weißt Du es schon? Der Kayser soll es verlangt haben, weil sich in den Struweschen Papieren266 gefunden hat, daß man sie als Geißel behalten wollte. Das ist freylich ein gräulicher Gedanke, aber ich fürchte doch, die Reise wird in Würtemberg kein guten Eindruck machen, besonders wenn der Gemahl mit geht, was doch wohl zu vermuthen ist. Vorhin bekam ich einen Brief meines Neffen Max267 aus Olmüz an einen seiner Vettern in Dresden. Sie waren den 14ten Gottlob glücklich dort angekommen, und das ist eine große Beruhigung. Sophie hatte vom 13ten aus dem lezten Nachtlager geschrieben. Sie waren 8 Tage unterwegs auf der kleinen Strecke, weil sie mit den Truppen reisten und oft rasten mußten. Langsam und feyerlich bewegte sich der lange Zug durch das Land und wurde überall, besonders in Mähren, mit großer Freude empfangen. Nur in Stein an der Donau268 hatten die Leute Minen gemacht, die Brücken abgebrochen, der Anblick des Militairs imponirte ihnen. Sophiens Söhne machten die Reise zu Pferde.269 Sie selbst und die ganze Familie gingen viel zu Fuß. Amelie von Schweden ist auch in Olmüz, sie kam aber früher an, weil sie nicht die ganze Zeit in dem großen Zuge fahren wollte. Gerade den Tag, als ich Dir zulezt schrieb, kam die gräßliche Nachricht aus Wien. Du kannst Dir meinen Schrecken, meine Todes Angst denken. Die Grausamkeit, die jetzt an der Tagesordnung ist, läßt einen keine Ruhe mehr, wenn man die Seinigen in Gefahr weiß. In Berlin fängt der Meuchelmord auch schon an, die nothwendige Folge der vollkommenen Straflosigkeit der heutigen Zeit. Sonntag, an des armen Dicken Geburtstag, entschloßen wir uns denn in den Dom in Berlin zu gehen. Es waren nun beynahe 7 Monate, daß ich die Stadt nicht betreten hatte. Es ward mir sehr schwer. Am Bahnhof, an der Kirche war viel Volk, viel Geschrey, Blumen, weinende Frauen! Es überwältigte mich beynahe die Wehmuth in der Kirche. Ehrenberg270 predigte und ganz gut. Sein Gebet für Fritz war besonders schön und ergreiffend. Dann fuhren wir nach Bellevue. In dem 266 Gustav Struve (1805–1870), Rechtsanwalt und Publizist in Baden, proklamierte im Sept. 1848 in Lörrach eine Deutsche Republik, wurde daraufhin mit etwa 4000 Freischärlern bei Staufen geschlagen und gefangen genommen. 267 Erzherzog Ferdinand Maximilian (I.) von Österreich (1832–1867). 268 Westlich von Krems. 269 Die Erzherzöge Franz Joseph (I.) von Österreich (1830–1916), Ferdinand Maximilian (1832– 1867), Karl Ludwig (1833–1896) und Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919). 270 Friedrich Ehrenberg (1776–1852), preuß. Oberhofprediger.
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Hof war eine Compagnie des Garde Regimentes aufgestellt, ein Labsal. Fritz empfing eine Menge Menschen, unter anderem eine Députation der National Versammlung. Er antwortete herrlich dem Presidenten271 wegen des abgeschafften von Gottes Gnaden. Was hast Du dazu gesagt? Ich war ganz krank über diese neue Schlechtigkeit. Auch an Rimpler272 antwortete er scharf, und ich glaube, daß das gute Benehmen der Bürgerwehr den Tag drauf eine Folge davon war. Eine Menge alte Bekannte hatten sich eingefunden, viel Militair. Von der Volksversammlung, die unterdeßen unter den Zelten statt fand, merkten wir nichts, da wir einen anderen Weg nahmen. Aber einige liebenswürdige Individuen dieser Gesellschaft zischten neben den Wagen deiner Brüder und Onkel Wilhelm. Um 12 Uhr fuhren wir hieher zurück. Fritz sah die Potsdammer im Schloße, und ich ruhte und schrieb noch etwas hier. Dann ritten wir nach Parez, dieß Mal nur mit unseren nächsten Umgebungen. Wir wohnten oben, Fritz und ich. Es ist viel wärmer und stiller dort, beynahe zu warm, doch war es mir eine wahre Wohlthat. Die Geschwister gingen nach Tisch weg. Es war das erste Mal seit langen Jahren, daß wir ohne dich und Onkel George waren. Das war traurig, dennoch kann ich niemand hieher wünschen in unser Elend. Den Abend fuhren wir auf eine kleine Anhöhe, um die Freudenfeuer der Umgegend zu sehen. Es rührte uns sehr. Hier soll auch der Tag festlich und freudig begangen worden seyn. Das Militair tanzte auf vielen Bällen. Wilhelm wird dir das erzählt haben. Adélaide273 tanzte auch aus Patriotismus mit den Soldaten in den Cammern! Wir kamen Mondtag zu Tisch zurück. Der Abend war wieder angenehm durch die Nachrichten aus Berlin. Das arme Schloß mußte wieder die Gebliebenen aufnehmen. Es ist ein Jammer, wie es gemißbraucht wird. Nun endlich mein Dank für Deinen lieben Brief. Der Gesang der Oberlippe274 amusirte mich sehr. Schade, daß er nicht Regierender ist! Vielleicht, wenn er mit Agnes275 sänge, würde das gute Folgen haben. Der Gute sieht also die Zeit nicht, wie sie ist. Das ist vielleicht ein Glück. Ich möchte noch illusionen haben! Onkel Wilhelm ist noch nicht fort. Die Nachrichten aus Wien ergriffen ihn sehr, und da zu fürchten war, daß sie auch bey uns den schlimmsten Einfluß haben würden, wollte er uns nicht verlassen. Nun erkundet er nur noch die Rückkehr von Schönlein276 aus Münster, um abzureisen. Mit Waldemar geht es immer noch nicht gut. Adalbert ist nach Frankfurt berufen, um an den Unterhandlungen über die Flotte Theil zu nehmen. Vielleicht wird er einmal Admiral, aber dazu muß man erst Schiffe haben.277 Aus Wien erfährt man immer noch nichts 271 Wilhelm Grabow (1802–1874), Bürgermeister von Prenzlau. 272 Major Otto Rimpler (1801–1882), von Juni bis Nov. 1848 Kommandant der Berliner Bürgerwehr. 273 Mglw. Adelaide Gräfin von Hacke (1812–1891), Hofdame der Prinzessin Augusta von Preußen, oder Adelaide Gräfin van Reede (1792–1861), verh. 1816 Hendrik George Graf von PerponcherSedlnitzky (1771–1856), niederl. Gesandter in Berlin. 274 Erbprinz Leopold (III.) zur Lippe (1821–1875). 275 Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 276 Johann Lukas Schönlein (1793–1864), Leibarzt des preuß. Königs Friedrich Wilhelm IV. 277 Prinz Waldemar (1817–1849) und Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873), Söhne des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). Nach dem Beschluss der Frankfurter Nationalversammlung zur Aufstellung einer eigenen Reichsflotte wurde Prinz Adalbert von Preußen zum Leiter der „Technischen Marinekommission“ ernannt. Zur Umsetzung dieses Ziels legte er eine „Denkschrift
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Bestimmtes. Gott gebe der guten Sache den Sieg. Was wird sonst aus uns allen werden? Fritz war wieder sehr verschnupft, aber heute geht es gut, und der Nebel scheint endlich einmal dünner zu werden. Den 18ten schien die Sonne hell. Das machte mich ganz glücklich für unsren guten Fritz Wilhelm.278 Ich hoffte, es ist von guter Vorbedeutung für seine Zukunft. Gott gebe, daß sie besser sey wie unsere trostlose Gegenwart. Luise Karl279 ist noch in Freyenwalde und wird wohl für’s erste da bleiben. Sie schreibt den Eltern, auch an Fritz und ihren Geschwistern und Cusinen. Es geht weit besser wieder, aber sie bedarf der größten Ruhe, und deßhalb will sie der Arzt nicht zu den Eltern lassen. Knyphausens280 sind weg von hier, auch Graf und Gräfin Rossi,281 aber Meyendorfs sind noch hier. […]282 den 12ten waren wir bey der Trauung der schönen Hülle zugegen.283 Er und sie sahen wirklich sehr schön aus, kniend vor dem Altar. Es ist ein stattliches und recht glückliches Paar. Wir aßen dann bey den Eltern am Pfingstberg, es war ein heiteres Hochzeitmahl. Ich saß neben dem Bräutigam und Fritz neben der Braut, aber das Paar sprach mehr zusammen als mit uns. Es war eine Freude, einmal wieder glückliche Menschen zu sehen. Lebe nun wohl, meine Adine, ich umarme Dich und Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine Elis Schwerin, den 25ten Oktober 1848 Meine Elis, Deine Briefe sind für mich ein wahrer Genuß. Du schreibst so lieb und gut und dabei immer so interessant, sodaß ich oft fürchte, meine dummen Briefe müßen Dich recht langweilen. So habe ich nun wieder zu danken für Deinen lieben, langen Brief vom 20ten. Wir hatten den Tag auch einen Brief von Olly, die uns sagte, daß sie am 26ten dächte in Hamburg zu sein und den 27ten in Lübeck, bis wo der Kronprinz284 sie begleitet. Daß er nicht mit nach Petersburg, das verdirbt ihr eigentlich die Freude der Reise, die sie sonst so überglücklich macht. Wenn es wirklich wahr wäre, daß sich in Struves Pappieren solche Beweise gefunden, so kann ich begreifen, wie der Kaiser auf diese Reise bestanden und wie man in Würtemberg selbst es vielleicht gewünscht, um sie sicher zu wißen.285 Es ist doch eine Zeit der
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über die Bildung einer deutschen Flotte“ vor. 1854 wurde er tatsächlich Admiral der preußischen Küsten und Oberbefehlshaber der preußischen Marine. Konfirmation des Prinzen Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Verm. Carl Wilhelm Georg Graf zu Inn- und Knyphausen (1784–1860), hannov. Gesandter in Preußen. Carlo Graf Rossi (1797–1864), kors. Diplomat, verh. 1827 mit der Sängerin Henriette Sontag (1806–1854). Wort nicht zu entziffern. Cäcilie Wilhelmine Karoline von Luck (1822–1908) heiratete August Joseph von Ketteler (1808– 1853), preuß. Major im 1. Garde-Ulanen-Regiment. Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). Es wurde eine Geiselnahme der Kronprinzessin Olga von Württemberg, geb. Großfürstin Olga
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Gräueln und es kommt wohl noch schlimmer! Aber der kleine Kaiser in Olmütz,286 der ist ein ganzer Mann (wohl eigentlich seine Räthe). Der tritt kräftig und bestimmt auf, da weiß man doch, an was man sich hallten kann. Es thut so wohl, wenn man eine kräftige Sprache hört. Windischgrätz287 wird es schon machen. Der weiß auch, was ein Soldat ist und treuer Unterthan. Gott wolle da die Gutesache fördern und schützen, dann sind wir Alle gerettet. Dann wird Berlin sich auch ermannen, und es kann sich zum Bessern wenden. Am Dienstag ist bei uns der Anfang des Landtages und des Ehlendes.288 Das wird eine schwere, schwere Zeit werden. Daher möchte ich noch gerne vorher zu Euch, Ihr Lieben, kommen und doch meine Elis einmal wieder sehen und sprechen. Wenn also Olly morgen Donnerstag nach Hamburg käme, so würden wir auch hingehen und Freitag mit dem ersten Zug wieder fort. Dann war meine Absicht bis Nauen mit der Eisenbahn zu gehen, wo mir dann Bruder Fritz so gütig wohl ist, und Pferde und Wagen zu senden. Dann komme ich in Sanssouci zwischen 4–5 Uhr an. Dies ist der Plan auf das Ungewiße gemacht, aber auch nur so ausführbar. Wenn ich also Freitag Nachmittag nicht in Nauen wäre, so ist es ein Zeichen, daß Olly später gekommen und mich daran hindert. Sonst wäre ich Sonnabend und Sonntag geblieben. Montag muß ich fort. Nun leb wohl, vielleicht auf baldiges Wiedersehen. Wenn es jetzt nicht geht, dann kann ich den ganzen Winter nicht kommen, auch nicht zu Deinem Geburtstag und nicht zur Silbernen Hochzeit. Deine Adine Schwerin, den 3ten November 1848 Nur schnell ein paar Worte, weil ich nicht weiß, wie es morgen bei Euch aussehen wird und ob Du dann Lust haben wirst, meine Zeilen zu lesen. Dich, geliebte Elis, einmal wiederzusehen, war mir so eine Freude, daß ich es nicht aussprechen kann. Und es wird mir ein Trost auf langer Zeit sein. Möge Gott Fritz zu seinem bevorstehenden Plan beistehen und seinem Arm Kraft geben, den Kampf durchzuführen.289 Ich weiß zwar garnicht, wie es damit aussieht, obgleich Pfuhl290 nach meiner Idee immer mehr den Strick verdient und daher ohne zu wollen, die Gute Sache fördert. Die Geschichte mit dem
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Nikolajewna von Russland, befürchtet, wie aus den Unterlagen des Revolutionsführers Gustav Struve (1805–1870) hervorgehen sollte. Der Wiener Hof war aufgrund des Wiener Oktoberaufstands in die fürstbischöfliche Residenz Olmütz geflohen. Durch den regierungsunfähigen Kaiser Ferdinand I. und den designierten Thronfolger Franz Joseph I. befand sich die Monarchie der Habsburger in einem Schwebezustand. Während des Wiener Oktoberaufstands wurde General Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862) das Oberkommando übertragen. Gemeint ist der Beginn der Verfassungsberatungen und der staatlichen Neuordnung der mecklenburgischen Großherzogtümer. Plan, die preuß. Nationalversammlung gegen deren Willen nach Brandenburg zu verlegen. Ernst von Pfuel (1779–1866), seit 21. Sept. konstitutionell gesinnter preuß. Ministerpräsident, nahm bereits am 1. Nov. seinen Abschied.
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Schauspielhaus291 übersteigt doch jeden Begriff. Was sagt nun die Menge zur Übergabe von Wien! Hier bei uns verlangten auch 2 Individuen den ersten Tag gleich, man sollte den unglücklichen deutschen Wienern zur Hülfe kommen, und waren sehr bestürtzt, als die Nachricht von der Übergabe kam.292 Hier wird es sehr traurig werden, denn die bösen Geister hallten fest zusammen und sehen uns wie die Strauchdiebe. Lebwohl du schöne Freiheit und das blühende Land. Es geht seinem Untergang entgegen. Leb wohl, Gott mit Dir. Gott schütze auch meinen Wilhelm in der Stunde der Gefahr. Deine treue Adine Fritz legt sich zu Füßen. Sans Souci, den 5ten November 1848 Meine Adine, ich benuze einen langen, einsamen Morgen, um Deinen lieben Brief vom vorgestern bald zu beantworten. Fritz ist nehmlich nach Sarmund früh gefahren, um der Einweihung der neuen Kirche bey zu wohnen.293 Und ich bin zu Hause gebannt mit einem Husten, der mir vor ein paar Tagen wie ein Bliz kam, wohl durch den schnellen Wechsel der Luft. Es war Mondtag so schön wie im May, und ich bedauerte es doppelt, daß Du nicht mehr mit uns warst. Ich war in Babelsberg, wo damals Auguste noch recht leidend war, und da oben war es zu schön, die Aussicht so herrlich. Ich ging im Park spazieren und begegnete Wilhelm, der mit mir ging. Deine Nähe war mir so wohlthuend, und ich danke Dir noch von Herzen, daß Du hier warst, wenn es auch gar zu kurz war. Aber es thut doch gar zu wohl sich zu sprechen. Durch deinen Sohn erfuhr ich die Eröffnung Eures Landtags. Gott gebe, daß es besser gehe wie Du fürchtest! An Erfahrungen kann es wenigstens nicht fehlen, da Ihr Euch noch am längsten gehalten habt und so viel erlebt. Du weißt, was in Berlin wieder vorging. Es war zu arg, ein solcher Skandal. Wirklich, man muß sich schämen. Wir aßen im Wildpark bey mildem, aber nicht schönem Wetter, als die ersten Nachrichten aus Berlin kamen. Croy294 hatte noch den Dienst und war sehr eifrig. Den Abend kamen noch mehr détails, aber die meisten erst den andern Tag. Der Donnerstag Abend war auch angenehm! Eine députation von 25 Deputirten kam hieher, um gegen Brandenburg in eine Adresse zu protestiren. Sie ahndeten nicht, daß er selbst mit ihnen hieher fuhr auf demselben train! Jakoby war insolent295 gegen Fritz, was aber andere fühlten und ihn désavouir-
291 Die preuß. Nationalversammlung tagte in Berlin im Schauspielhaus. 292 Übergabe Wiens an die kaiserlich-österr. Truppen. 293 Nachdem der Vorgängerbau abgebrannt war, wurde 1846 bis 1848 die evangel. Kirche in Saarmund (Nuthetal) durch Friedrich August Stüler (1800–1865) nach den Plänen von Ludwig Persius (1803–1845) als dreischiffige neuromanische Basilika wieder errichtet. 294 Prinz Philipp von Croy (1801–1871), preuß. Major und seit Okt. Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 295 Frz. = anmaßend, unverschämt.
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ten.296 Die Herrn blieben immer in Potsdamm, um eine Antwort zu haben. Drey kamen noch spät zu Fritz. Genug, es war gräßlich und für Brandenburg wahrlich nicht ermuthigend, doch war alles ruhig, als die Antwort von Fritz in der Versammlung verlesen wurde. Gerade an dem gräulichen Abend, Donnerstag, kam die Nachricht per Telegraph, daß Wien von den kayserlichen Truppen besezt sey. Das war ein Lichtpunkt! Gottlob hat auch die Burg und die Bibliothek nicht so gelitten, wie man anfangs glaubte. Von Bomben kam das Feuer in der Burg nicht, es war angelegt von den schlechten Leuten, die bis zulezt Verrath gegen Windisch Gräz297 übten. Aber was wird nun werden! Wohl muß Ungarn zuerst unterworfen werden. Auguste war Freytag Morgen bey mir und das Fahren hat ihr nicht geschadet. Sie gedenkt Dienstag zu reisen, wenn es hier so aussieht, daß man sich entfernen kann. Bonin und Eichmann298 wollen nicht bleiben. Ersteren regrettire ich sehr, und auch Eichmann hat zulezt Energie gezeigt, aber wie schwer ist es, die besten, nothwendigsten Maßregeln durch zu setzen, wenn die Versammlung sich beständig dagegen opponirt! Pfuel299 ist nach Magdeburg gegangen und will sich dort ganz zurück ziehen. Brandenburg ist voll Muth und gutem Willen. Gott wolle ihm beystehen und unsren armen Fritz seegnen und beschüzen. Ich fürchte nur immer, es kömmt alles noch ganz anders, wie man denkt. Es ist eine gar entsezliche Zeit, und es geht ein Gericht Gottes über uns. Die Clauce300 ist vorgestern aus England heimgekehrt, auf den Tag 14 Tage nach ihrer Abreise. Ihre Reise war sehr glücklich und ohne alle Verlegenheit. Sie hat mir allerley mitgebracht, was mich freute. Meyerink,301 der in England bleiben wollte, ist mit ihr zurück bis Mecheln und nahm da unter Ströme von Thränen Abschied von ihr, um den Winter in Brüßel zuzubringen. Er ist förmlich démoralisirt durch die jetzige Zeit und fühlt es selbst, daß er ganz unbrauchbar geworden ist. Er kann nur noch weinen. Nun lebe wohl, meine Adine, grüße Deine Kinder. Gott leite Deinen Sohn und bewahre Wilhelm, wenn er in Gefahr kommen sollte. Mit treuer Liebe, Deine Elis
296 Frz. = in der Öffentlichkeit bloßstellen. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte die Adresse der Deputierten wortlos entgegengenommen. Johann Jacoby (1805–1877), Arzt und als linker Demokrat Mitglied der preuß. Nationalversammlung, entgegnete daraufhin ungefragt und somit gegen die Hofetikette: „Das ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen!“ 297 Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862), General und Kommandeur der Wien erobernden Truppen. 298 Gustav von Bonin (1797–1878), preuß. Finanzminister, und Franz August Eichmann (1793– 1879), preuß. Innenminister. 299 Ernst von Pfuel (1779–1866), preuß. General. 300 Fräulein Clauce, Kammerfrau der Königin Elisabeth von Preußen. 301 Verm. Ludwig von Meyerinck (1789–1860), preuß. Vizeobermarschall.
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Schwerin, den 10ten November 1848 Nun sind die Würfel gefallen.302 Gott wird ja geben, daß alles zum Heil ausfällt. Wie mir aber das Herz schlägt vor Erwartung. Von einem Tag zum andern glaube ich irgent etwas in der Zeitung zu finden, und immer nichts, bis nun gestern und heute. Wie mag es nun aber in Berlin stehen? Wird die Linke im Schauspielhaus Hütten bauen und wird man sie haben sitzen laßen? Gewiß nicht. Also Gewalt wird gebraucht werden. Was wird schon geschehn sein, indem ich diese Zeilen schreibe? Gott wird mit den Seinen sein und die Gerechte Sache schützen. Viel Blut wird fließen, möge es zum Heil der Krone und zum Heil Deutschlands sein. Alle Augen sind auf Preußen gerichtet. Es kann uns allein nur retten. Auch hier bei uns sieht es schlecht aus. Die Linke hat die Oberhand und reißt alle Wahlen an sich.303 Wenn nicht eine Spaltung in der Linken geschieht, so unterliegt das Gute. Die Rechte ist zu schwach. Du kannst denken, geliebte Elis, was ich leide, wenn mein Herz so nahe von zwei Seiten auf einmal erfaßt wird. Ich bin auch ganz unwohl, leide sehr an heftigem Kopfweh mit Beängstigungen. Geht es in Berlin gut, woran ich nicht zweifle, dann ist schon alles gewonnen. Aber zittern thue ich doch, denn es geht dies Jahr alles so anders wie sonst. Es kommt alles so unerwartet, wenn man auch glaubt, auf alles gefaßt zu sein. Ich denke, Fritz muß sich um vieles freier fühlen, wo er nun entschieden und fest auftreten kann. Nur nicht nachgiebig sein und Schwäche zeigen. Nun, er wird ja alles in sichere Hände gelegt haben mit umfaßender Vollmacht, damit er hernach nicht mitzusprechen hat, bis alles abgemacht ist und man ihm die Stadt besiegt zu Füßen legt. Was wird die Post morgen bringen? Wir alle sind so gespannt. Den 11ten. Der heutige Morgen brachte ja himmlische Nachrichten von Einrücken der Truppen in Berlin ohne Blutvergießen und theilweise unter Jubel des Volks. Ach, Gott hat Erbarmen mit seinen Getreuen. Er wird nun auch weiter helfen. Nachmittag. Ach, könnte ich zu Euch eilen, Ihr Lieben, um mich mit Euch zu freuen, daß bis jetzt alles geglückt, was Fritz unternommen. Gott seegne Euch. Wie muß Euch leicht und glücklich zu Muth sein. Hier bei uns ist denn eine Freude, man sah so viel frohe Gesichter. Allein, unsere Demokraten sind wüthend und wollen, man soll der Nationalversammlung zu Hülfe eilen. Das ist denn eine himmlische Idee, den Wienern wollten sie auch beistehen.304 Ach, die Menschen sind zu verrückt. Sage doch an Fritz, wie wir ihm Glück wünschten und wie alle Herzen ihm entgegen schlagen. Heute Mittag tranken wir [auf ] seine Gesundheit. Nun nur stark bleiben und nicht weich werden und es kräftig durchführen, aber leicht ist es nicht. Leb wohl, ach, ich bin zu glücklich, und wie muß Dir zu Muth sein. Adine 302 Der Erfolg der kaiserlich-österr. Truppen in Wien gab auch der Reaktion in Preußen Auftrieb. Wenige Tage nach der Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstands am 10. Nov. sprengte die preuß. Armee die preuß. Nationalversammlung auseinander, erklärte am 12. Nov. den Belagerungszustand und am 14. Nov. schließlich das Kriegsrecht über Berlin. 303 Tatsächlich fielen die Ausschusswahlen im Sinne der Demokraten aus. 304 Bei der Verteidigung gegen die kaiserlich-österr. Truppen.
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433 Schwerin, den [13ten] November 1848
Mein Erstes war heute, theure Elis, für Dich zu beten und vom Himmel für Dich und Fritz den Seegen des Herrn zu erflehen. Ach, Er sei schützend mit Dir und mit Preußen, denn nur Er kann retten und alles zum Guten wenden. Wir wollen Ihm vertrauen. Möchte Dich der heutige Tag, der sonst so froh für uns Alle verging, auch diemal ein Freudentag sein und etwas ganz besonderes Schönes bringen. Die große Stille, die in Berlin herrscht, und das langsame Abnehmen der Gewehre will mir nicht gefallen, auch daß der Belagerungszustand so milde ist. Heute kamen 2 Herren von Berlin und versicherten, daß hunderte von Menschen zusammen standen und sprachen, was doch verbothen. Ich meine, was verbothen, darauf muß strenge gehallten werden. Die schlechten Menschen verstehen Milde nicht und werden trotziger und unverschämter. Die armen Soldaten werden verspottet. Das ist doch zu viel für die armen, viel geprüften Menschen. Da resonniere ich nun recht und weiß doch, daß alles mit vielem Bedacht erwogen wird. Verzeih, aber es thut so gut, wenn man es loß ist, was einen drückt. Über uns in Schwerin könnte man bogenlang resonnieren, aber es wird auch eine Zeit kommen, wo hier mit Ernst gehandelt werden wird.305 Noch ist es nicht an der Zeit. Einen Sieg hat man heute erfochten, daß der Minister nicht verantwortlich geworden. Es erhob sich gleich so eine entschiedene Stimme dagegen, daß die Linke zurückzog.306 Der Ausspruch aus Frankfurth über Preußen scheint uns doch gut. Es könnte freilich bestimmter gefaßt sein, allein, Fritz hat nach meiner Ansicht doch freie Hand zu handeln. Aber die Hinrichtung von Robert Blum scheint einen Sturm in Frankfurth herauf zu beschwören.307 Wenn das Ministerium sich nicht hallten könnte, es wäre ein Unglück ohne gleichen. Mein Wilhelm wird Dir eine Samtmantille in meinem Nahmen überbracht haben. Ich denke, im Potsdamer Schloß könnte sie von Nutzen sein. Das Schloß muß überfüllt sein, und die ersten Tage, wo alles so zusammengeholt worden ist in den kalten Räumen, muß schrecklich gewesen sein. Die Schwägerinnen ihre Launen müßen schrecklich gewesen sein. Wenn Du Dich nur nicht erkältet hast. Ich zittere für Dich, nur jetzt nicht krank werden, wo man so seine Kraft und Muth zusammen hallten muß. Onkel Wilhelm und Adalbert werden nun wohl zurück kommen. Wenn sie doch Hoffnung machte für Waldemar.308 Du sagst mir wohl ein Wörtchen darüber. Nun leb wohl, Gott sei mit Dir, meine Elis, meine Gedanken sind immer mir Dir und Fritz, den ich herzlich grüße. Er
305 Bei den Verhandlungen der Regierung unter dem Ersten Minister Ludwig von Lützow mit dem Parlament über die neue Verfassung. 306 Die parlamentarische Ministerverantwortlichkeit war eine der zentralen Forderungen der Demokraten. 307 Robert Blum (1807–1848) hatte sich als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung am Oktoberaufstand 1848 auf der Seite der Revolutionäre an der Verteidigung Wiens gegen die kaiserlich-österr. Truppen beteiligt und wurde nach der Niederschlagung des Aufstands am 9. Nov. standrechtlich hingerichtet. 308 Prinz Waldemar (1817–1849) lag schwer erkrankt in Münster. Sein Bruder Prinz Adalbert (1811– 1873) und sein Vater Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) hatten ihn in besucht.
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darf nicht schwanken noch wanken, sondern fest stehen. Dann wächst das Vertrauen, was noch zaghaft ist nach allem erlebten. Gott segne Dich und behalte lieb Deine treue Adine Meine beiden Kinder küßen Deine Hände und legen ihre aufrichtigsten Wünsche zu Deinem Glück zu Füßen. Ach, alles, alles sieht nach Preußen und wartet von dort Erlösung. Von Olly bekam Luise gestern einen Brief, die schreibt darin so glücklich, nein, aber so glücklich, daß es uns mit beglückt.
Potsdamm, den 15ten November 1848 Meine Adine, Dein lieber Brief, vorgestern hier empfangen bey einem sehr […]309 in dem eiskalten Zimmer, hat mich erwärmt und mir die größte Freude gemacht. Ich kann mir denken, was in Dir vorgeht, war ich doch selbst so glücklich, einmal wieder Kraft, Leben zu sehen. Nachher kamen wieder dunklere Stunden, der eigensinnige Widerstand in Berlin, die schamlosen Lobeserhebungen in den Provinzen für die rebelischen Deputierten, das war schwer zu tragen und konnte einen weiter besorgt machen, aber Gottlob seit gestern ist mir wieder viel besser zu Muthe. Wrangel hat den widerspenstigen Magistrat tüchtig abgekanzelt, und er hat sich unterworfen.310 Die guten Adressen nehmen zu, die Bauern in der Mark sind mit Mühe zurück zu halten, sie möchten alle ihren König schüzen, heute ist auch die Abnahme der Waffen ohne Störung vollzogen. Ein heiterer, frischer Wintertag belebte und […]311 auch! Wenn wir fallen, so fallen wir wenigstens mit Ehren und nicht aus Schwäche. Arme Adine, Du lernst nun auch ganz neue Leiden für Dein Mecklenburg kennen, das sonst ein so glückliches, ruhiges Land war. Es ist, um blutige Thränen zu weinen. Gott schüze Euch und lasse es nicht so weit kommen wie bey uns. Ich hätte nicht geglaubt, daß ich Freude an einem Reichscommissair haben könnte, und doch ist es so. Man schickte uns einen solchen in dem Herrn Bassermann, der [seit] gestern ist.312 Er ist jetzt ganz wohlgestimt von seinen Irrthümern zurück gekommen, ein ganz hübscher Mann, aber eitel und von Manieren nicht sehr vornehm. Er hat uns aber doch einen Dienst geleistet, in dem er den rebellischen Deputirten die Wahrheit sagte und ihnen versicherte, daß sie auf den Schuz der Central Gewalt durchaus nicht zu rechnen hätten, die Fritz durchaus Recht geben. Sie waren ganz verblüfft, das glaubten sie nicht. Die Schweriner sind noch nicht gekommen, wohl aber eine Adresse, glaube ich. Daß sich die 309 Wort nicht zu entziffern. 310 Unter General Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877) wurde am 12. Nov. der Belagerungszustand und am 14. Nov. schließlich das Kriegsrecht über Berlin verhängt. 311 Wort nicht zu entziffern. 312 Friedrich Daniel Bassermann (1811–1855), Unternehmer aus Baden, als liberaler Politiker Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, Vorsitzender des Verfassungsausschusses und Unterstaatssekretär im Innenministerium der Provisorischen Zentralgewalt.
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Leute jetzt überall in alles mischen, was sie nicht angeht! Die Erschießung des gräßlichen Blum313 wird viel Schreien machen, gewiß ist es aber ein Glück, daß Deutschland von diesem Mann befreit ist. Boddin314 ist Flügel Adjutant geworden, das weißt Du wohl. Er ist viel unterwegs zwischen hier und Berlin, auch Manteuffel.315 Der Sonntag war ein gräulicher Tag. Das schnelle Aufbrechen vom geliebten Sanssouci an einem herrlichen, sonnigen Tag war zu traurig. Man hatte uns zur Sicherheit dazu bewogen, und das erste, was hier geschah, war ein Krawall in der Nähe des Schloßes. Das Schloß war eiskalt, die Schwägerinnen wüthend hier zu seyn, es wurde gestritten auf allen Seiten, ich war ganz krank und so durch und durch erstarrt. Nun hat sich alles vor und in dem Schloß beruhigt, und jeder sucht sich einzurichten, wie es geht. Karls essen täglich in Glienicke. Der Dicke umarmt Dich zärtlich, war sehr gerührt über Deine Freude und was Du über ihn sagst. Er athmet freyer, und Du kannst seiner sicher seyn! Dein Wilhelm war heute Nacht mit einem Commando Gardes du corps bey den Eisenbahnen, um sie zu schüzen. Die Schienen wurden Sonntag aufgerissen und der Telgraph zerschnitten. Ich hoffe, Du bist nun wieder wohl, meine Adine? Von Luise habe ich in diesen Tagen einen langen Brief. Sie denkt nur an Berlin und grämt und ärgert sich. Brandenburg ist prächtig, so ruhig und besonders consequent. Er und Wrangel gehen Hand in Hand.316 Fritz ist ganz mit ihnen einverstanden. Nun lebe wohl, meine geliebte Adine, ich umarme Dich und Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Adalbert schreibt mir aus Münster, wohin er Elisabeth begleitet hat, daß der Arzt doch noch Hoffnung für Waldemar hat.317 Er aber fand ihn erbärmlich aussehend und zum Erschrecken mager. Dasselbe schreibt mir Gröben,318 der sehr schwarz für ihn siht. Es ist zu traurig! Georg319 hustet auch wieder stark. Im Schloßhofe bivouakirte das Militair jeden Abend um große Feuer und sang herrlich. Sie sind alle so froh und glücklich.
313 Robert Blum (1807–1848). 314 Alfons von Boddien (1802–1857), preuß. Rittmeister und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Karikaturist und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. 315 Edwin von Manteuffel (1809–1885), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 316 Der neue preuß. Ministerpräsident Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) und General Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877) als Oberkommandierender in den Marken waren dabei, mit der Besetzung Berlins auch die preuß. Nationalversammlung zu entmachten. 317 Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873) mit Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), zu Besuch bei ihrem schwer erkrankten Bruder Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849) in Münster. 318 Verm. Karl von der Gröben (1788–1876), preuß. Generaladjutant. 319 Prinz Georg von Preußen (1826–1902), Premierleutnant aggr. beim Regiment Garde du Corps.
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 22ten November 1848 Meine liebe Elis, in meiner Herzens Freude muß ich Dir heute noch schreiben! Ein Herr kam heute aus Berlin und brachte so prächtige Nachricht […]320 von der guten Stimmung, von der neu erwachten Liebe und Achtung zu ihrem König, von der Ruhe, die in der Stadt herrscht, von der Anerkennung, die Brandenburg und General Wrangel wird, von dem himmlischen Sinn der Truppen, kurtz er war ganz begeistert.321 Und das giebt uns auch Muth. Da sieht man, Gott verläßt die Seinen nicht, nur Glaube an seine Liebe und Erbarmen. Und Kraft und Ernst gezeigt, das erweckt Vertrauen und giebt Vertrauen. Fritz wird nun nicht wanken und immer kräftig fortschreiten. Ach, sage ihm nun recht, wie sein jetziges Auftreten alle Guten begeistert, alle Seelen für ihn entflammen und alle Herzen ihm entgegen schlagen. Möchte doch Eure Silberne Hochzeit ein rechter Freuden Tag werden. Ich möchte gar zu gern auch mit dabei sein, wenn es sich machen ließe, aber das ist so ungewiß und unwahrscheinlich, und doch möchte ich fragen, was an dem Tag wohl vor sein wird und was man für toiletten dann braucht. Erst gratulieren wohl elegant ausgeschnittene Kleider, und am Abend wird da etwas vor sein mit Menschen, daß man Samt und Seide brauchen müßte? Geniere Dich nicht, Dich darüber auszusprechen, doch schöpfe nur nicht Gewißheit von meinem Kommen aus diesen Fragen. Vor Sonntag werde ich mich nicht entscheiden können. Und wäre es Dir lieber, wenn ich schon Montag käme, Dienstag und Mittwoch bliebe oder Dienstag, Mittwoch und Donnerstag? Beantworte mir diese Frage bis Sonnabend späthestens. Mit treuer Liebe Deine alte treue Adine Wie freute ich mich für Dich, daß William zum 19ten gekommen. Ihr ward in Paretz, wo es etwas kühl gewesen sein mag. Potsdamm, den 22ten November 1848 Tausend herzlichen Dank, meine Adine, für die allerliebste Mantilie, die mir sehr nüzlich ist, und für Deinen lieben Brief. Beyde haben mich sehr gefreut. Die Mantilie entdeckte ich erst bey meiner Rückkehr aus Parez. Zuerst glaubte ich, eine […]322 Sammt Mantilie kam von Dir. Nacher fand sich’s, daß sie von Fritz war. Die Deine lag da, und ich glaubte immer, Marie habe die ihrige dahin gelegt, und träumte nicht, daß sie meine wäre, konnte aber gar nicht begreiffen, wo sie geblieben war, bis ich sie Mondtag endlich fand und sehr bewunderte. Wir haben gräßlich in Parez gefroren, ich war ganz erstarrt beym Thee auf der linken Seite und bin erst heute wieder von der expédition erholt. William 320 Wort nicht zu entziffern. 321 Am 1. Nov. ernannte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen unter Ministerpräsident Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) ein neues Kabinett. Am 9. Nov. wurde die Preußische Nationalversammlung in die Stadt Brandenburg verlegt und vertagt. 322 Wort nicht zu entziffern.
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kam den Sonntag zu spät hieher und nicht mehr nach Parez, wohl aber Mondtag früh, und kam mit uns zurück. Ich begreiffe, daß Du etwas […],323 aber Gottlob, es geht besser, und die Ordnung in Berlin wird von Tag zu Tage fester, die guten Stimmen erwachen aus dem Schlaff, und Brandenburg ist prächtig. Gott wird uns nicht verlassen, jetzt wo Er uns Seine Gnade wieder gezeigt hat. Viele Leute gehen nach Berlin zurück. Benkendorfs,324 Meyendorfs325 sind auch wieder dort établirt. In Schlesien und in Sachsen sieht es noch bunt aus, aber auch dort wird kräftig eingeschritten. In Frankfurt ist man wieder auf schlechtren Wegen. Die Commissare drohen uns mit Reichstruppen! Wie gefällt Dir das? Doch hat man die Steuerverweigerung gemißbilligt. Bassermann326 war vortrefflich und hat sehr schön in Frankfurt gesprochen. Den 23. Ich entsetze mich über mein gestriges Geschmier. Du wirst es kaum lesen können. Ich ging gestern noch vor dem Thee in den großen Saal, wo jetzt eine starke Wache die ganze Nacht bleibt. Karls waren schon da, und nach und nach kam die ganze Familie. Es sieht aus wie Wallensteins Lager.327 Sie spielen aber um nichts, singen sehr schön. In den beyden Kaminen brennen große Feuer. Die lieben, prächtigen Leute, wie haben sie sich wieder bewährt. Es ist wohl natürlich, daß die schlechten Leute sie immer los seyn wollen. Sie sind ja die festeste Stüze des Thrones, die Treuesten der Treuen. Uebrigens muß ich noch die Bauern der Mark loben. Ich glaube, ich sagte dir schon davon? Die Berliner Landwehr verlangte selbst einberufen zu werden. Onkel Wilhelm will auch zum 29ten zurück kommen. Er ist sehr glücklich bey Mariechen,328 die blühender und hübscher seyn soll wie je. Das sagte mir auch Gräfin Lerchenfeld,329 die zurück ist. Die Kinder sollen auch ganz allerliebst seyn. Von Waldemar waren die lezten Nachrichten des Arztes etwas beruhigender. Elisabeth war bey ihm und schrieb mir aus Münster, sie habe ihn sehr mager und matt und melancholisch gefunden, aber ihre Gegenwart schien ihm wohl zu thuen.330 Sie ist leider den 20ten wieder abgereist, will aber später wieder kommen, wenn ihr Vater auch hinkömmt. Du kömmst doch, nicht wahr? Hat Dir Dein Wilhelm wegen der Wohnung geschrieben? Ist es Dir auch nicht zu unangenehm? Das Schloß ist ja voll, das ist die Entschuldigung. So 323 Wort nicht zu entziffern. 324 Konstantin von Benckendorff (1817 –1858), russ. Oberst und Militärbevollmächtigter in Berlin, und seine Ehefrau Luise, geb. Prinzessin von Croy (1825–1890). 325 Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Berlin, und seine Ehefrau Sophie, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868). 326 Friedrich Daniel Bassermann (1811–1855), liberaler Unternehmer aus Baden, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, Vorsitzender des Verfassungsausschusses sowie Unterstaatssekretär im Innenministerium der Provisorischen Zentralgewalt. 327 1. Teil der Wallenstein-Trilogie von Friedrich Schiller. 328 Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 329 Isabella Philippine Gräfin von Lerchenfeld, geb. Gräfin Waldbott von Bassenheim (1817–1889), verh. 1835 Maximilian Joseph Graf von Lerchenfeld auf Köfering (1799–1859), bayr. Gesandter in Preußen. 330 Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), zu Besuch bei ihrem schwer erkrankten Bruder Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849).
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Gott will, kommen meine Schwestern, und Amelie will mir ihre Tochter Elise331 mitbringen. Aber gestern schrieb mir Amelie, sie sey nicht wohl, und das erschreckte mich sehr. Wie traurig, wenn Amelie nicht kommen könnte! Was Du mir von Olga schreibst, hat mir wahrhaft wohl gethan. Das ist doch ein glückliches Wesen, und wie selten sind sie jetzt! Ich hoffe, sie wird sich dort ganz erholen und wieder stärker werden, denn im Stillen mag sie doch Heimweh gehabt haben. Nun lebe wohl, meine Adine, ich schreibe en attendant dem Dicken zum Frühstück. Es ist ein prächtiger Tag heute, sonnig und glänzend. Tausend Liebes Deinen Kindern, der Dicke umarmt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis William dampft eben weg, kömmt aber in einigen Tagen wieder. Der Brief war noch nicht geschloßen, als Dein lieber Brief von gestern kam und mich tief rührte durch Deine Freude. Auch Fritz war so erfreut darüber. Ja, Gott seegne ihn und stehe ihm bey. Wanken wird er nicht, aber Schweres steht noch bevor, und Frankfurt ist nicht gut und könnte wohl die Confusion wieder aufregen. Du mußt kommen, das kann nicht anders seyn, aber den Tag überlassen wir ganz Deiner Bequemlichkeit. Wir werden den Vormittag gratulation annehmen, und da will ich ein ausgeschnittenes Kleid anthun, oder weißer Stoff oder point Kleid, dann aber eßen wir en famille in Sans Souci, und den Abend wird auch nicht besonderes seyn. Die Zeiten paßen nicht für Feste.
Schwerin, den 27ten November 1848 Geliebte Elis, ich melde mich denn wirklich zu morgen Dienstag gegen 5 Uhr in Potsdam an und bin überglücklich, zu Eurem Ehrentag da sein zu können. Gott gebe, daß der heutige Tag auch glücklich vorübergeht. Ich zittere eigentlich bei dem Gedanken, denn was kann er nicht bringen. Gott wacht! Und er wird ja auf dem begonnenen Pfad weiterhelfen und Fritz in seinen besonderen Schutz nehmen, um ihn und durch ihn ganz Deutschland zu erretten und zu seegnen. Ich vertraue und bete. Leb wohl, in treuer Liebe Deine Adine Die Schreeb und Bülow begleiten mich, letzterer, weil er vor 25 Jahren mit mir zur Vermählung war.332 331 Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912), Tochter der Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern. 332 Bertha von Schreeb (1814–1883), meckl.-schw. Hofdame, und mglw. Jasper von Bülow (1794– 1871), seit 1843 meckl.-schw. Hofmarschall, begleiteten Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin zur Silberhochzeit von König Friedrich Wilhelm IV. und Königin Elisabeth von Preußen am 29. Nov.
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439 Schwerin, den 9ten December 1848
Ich habe recht lange gewartet mit meinem Brief, geliebte Elis, weil ich überzeugt war, daß Du in dieser Woche recht viel zu schreiben gehabt hast. Aber nun hallte ich es nicht länger aus, denn ich sehne mich nach Nachrichten von Dir, um zu wißen, ob Dir ganz wohl geblieben nach dem schönen, aber fatiganten 29ten. Zwar habe ich Dich in Berlin gesehen, wo Du mit Deinem Bruder warst, daß hat mich recht gefreut. Nicht wahr, Berlin sieht aus wie sonst in der Guten Zeit, aber was ist wieder Wichtiges in den 8 Tagen geschehn? Der Pabst aus Rom fort, beinah in Frankreich angekommen.333 Der Kaiser Ferdinand dankt ab, nicht zu Gunsten seines Bruders, sondern seines Neffen. Die war wirklich sehr überraschend, und der arme junge Mensch, welcher erst 18 Jahre alt ist, aber [ein] ganz scharmanter und ausgezeichneter junger Mann ist.334 Ich freue mich nun doppelt, daß ich ihn vergangenes Jahr in Marienbad gesehen und daß ich Wien noch in seiner alten Art mit der lieben kaiserlichen Famillie gesehen. Nun wird es recht anders werden! Ist es wohl wahr, daß Deine Schwester Sophie nach München ist? Und nun das Wichtigste, die Auflösung der Versammlung in Brandenburg und die Verfaßung dem Volk gegeben.335 Gott wird Fritz seegnen und schützen, um dieses großen Entschlußes willen. Es wird auch Seegen bringen, aber wie werden sich die Demokraten nun wieder und im Geheimen wühlen. Das Gute bleibt doch oben und Brandenburg und Umgebung ist recht zu verehren und hochzustellen. Ach, sage ihm doch wie leid es mir gewesen, daß ich ihn garnicht gesehen, und auch an Mathilde336 viel Liebes. Wie muß die glücklich sein, einen solchen Mann zu haben. Gagern ist ja wieder President geworden, und da mag nun auch viel Wichtiges vorgenommen werden.337 Hier bei uns ist es nicht schlechter. Die Menschen zeigen sich nur in ihrer ganzen Gemeinheit, und das ist gut, dann lernt das Land sie recht kennen. Ich komme mir vor wie Friederike, die dotziert auch so viel. Sage mal, sind wirklich so traurige Nachrichten aus Münster von Waldemar gekommen, wie in der Zeitung steht? Oder ist es nur hervorgerufen durch die Reise vom Onkel Wilhelm. Es hat mich sehr erschreckt. Bitte gieb mir bald Antwort darauf. Die Abdankung von Joseph zu Gunsten von George hat mich auch sehr überrascht.338 Ich glaube, letzterer wird es ganz gern thun. Die 8 Tage, welche ich von Euch fort bin, 333 Nach dem Ausbruch der Revolution auch im Kirchenstaat war Papst Pius IX. (1792–1878) am 23. Nov. aus Rom geflohen. 334 Nach der Abdankung seines Onkels Kaiser Ferdinand I. von Österreich wurde Franz Joseph I. (1830–1916) am 2. Nov. 1848 Kaiser von Österreich. 335 Die preuß. konstiutionelle Verfassung wurde am 5. Dez. von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gewährt, enthielt zwar liberale Elemente, war aber eben nicht im Sinne der Volkssouveränität mit einer gewählten Volksvertretung vereinbart worden. 336 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). 337 Heinrich von Gagern (1799–1880), am 17. Dez. vom Reichsverweser zum Reichsministerpräsident und Minister des Inneren sowie Auswärtigen ernannt. 338 Am 30. Nov. hatte Herzog Joseph von Sachsen-Altenburg (1789–1868) dem Thron zugunsten seines Bruders Georg (1796–1853) entsagt. Damit war auch Alexandrines Schwägerin Marie, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, regierende Herzogin geworden.
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waren reich an großen und wichtigen Ereignißen. Leb wohl, Gott mit Dir und an Fritz tausend Liebes. An Wilhelmchen habe ich Montag die Antwort aus Petersburg geschrieben.339 War ihm etwas anzumerken? Denn schreiben thut er nicht, also muß ich mich wo anders erkundigen. Deine alte Adine Bruder Karl ist ja nach Wien. Potsdamm, den 11ten December 1848 Tausend Dank für Deinen lieben Brief, meine Adine, den ich gestern bey Tisch in Sans Souci empfing. Seit 3 Tagen essen wir dort, weil das Wetter zu köstlich ist, eine Frühlings Luft, der Abendhimmel so schön. Gestern war es etwas kalt im Haus, aber heute sehr behaglich. Vorher war ich auf dem Brauhausberg, wo die Aussicht köstlich war. Man vergißt ganz den Dezember und träumt sich im Frühjahr. Dein Wilhelm aß gestern bey uns, und da ich in den Tagen, wo er Deinen Brief bekam, durchaus nichts Besonderes an ihm bemerkt hatte, so frug ich ihn gerade zu nach seiner Stimmung. Er verstand mich anfangs nicht, so wenig schien es ihm gegenwärtig (aber das sage ihm nicht), und dann machte er ein gravitätisches Gesicht und sagte, er habe sich erst calmiren340 wollen, ehe er schreibe. Ängstige Dich nicht, er macht Elisabeth Brühl341 recht fleißig die Cour, und ich glaube nicht, daß er sehr verwundet ist, er muß es denn sehr geheim halten. In acht Tagen, denke ich, ist genug geschehen! Das war eine Woche! Die Nachricht aus Olmüz kam Mondtag Abend, aber nicht offiziell. Ich konnte und wollte es nicht glauben, gerade in diesem Augenblick schien es mir so ganz unwahrscheinlich. Nur Andeutungen, wie eine große Sorge in Sophies leztem Brief, ließen mir ein großes Ereigniß ahnden.342 Den andern Tag brachte die Wiener Zeitung alle details, und den Abend kam der Erzherzog Ferdinand von Este.343 Ich war wie betäubt. Sophies Brief kostete mir bittere Thränen, wegen ihren Sorgen um ihren Sohn und dem Mitleid um seine große Jugend, die nun für ihn vorbey ist. Sie ist überzeugt, daß seine Thronbesteigung das einzige Rettungsmittel ist. Sie denkt nicht an sich, nur an ihn, an ihren Mann, dessen Opfer großartig ist und mit der größten, der einfachsten Hingebung gebracht. Ein langer Brief 339 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) plante in russ. Militärdienste zu treten und warb um Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), die jedoch Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) heiraten sollte. 340 Frz. = beruhigen. 341 Verm. Auguste Caroline Luise Elisabeth Gräfin von Brühl (1827–1901), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen, heiratete 1851 Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Adjutant unter General Friedrich Freiherr von Wrangel beim Oberkommando in den Marken und beim Generalkommando des III. Armee-Korps. 342 Die Abdankung Kaiser Ferdinands I. von Österreich (1793–1875) sowie der Thronverzicht von dessen Bruder und Thronfolger Erzherzog Franz Karl Joseph von Österreich (1802–1878) zugunsten seines Sohnes Franz Joseph I. (1830–1916), der am 2. Dez. 1848 mit 18 Jahren Kaiser wurde. 343 Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich-Este (1821–1850).
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von ihr, den ich gestern bekam, beruhigte und tröstete mich sehr, obgleich ich es noch nicht verschmerzen kann, daß sie nicht Kayserin geworden ist. Sie ist so ganz darzu gemacht in jedem Betracht, und wie schwer, wie falsch oft wird ihre und meines Schwagers Lage seyn! Wenn man sie nur mit dem Sohn läßt, wenn man nur nie ihren Einfluß fürchtet. Es quält mich sehr. Die Kayserin344 soll wie ein Engel gewesen seyn und glücklich in ihrer Ruhe, nach der sie sich lange sehnte. Den 12ten. Ich konnte gestern nicht zu Ende kommen, weil es Theezeit war. Wilhelms waren da, Auguste zum Abschied, denn sie ist heute nach Berlin und will morgen nach Weymar mit ihren Kindern reisen, aber nur auf 8 Tage. Wilhelm holt sie ab. Dein Wilhelm war gestern Abend auch hier und amusierte sich recht gut mit Charlotte345 und einer Menge junger Damen. Er saß da wie der Hahn im Korbe. Mathilde346 kömmt alle Mittag und alle Abende. Sie legt sich Dir zu Füßen, dankbar für Dein freundliches Andenken. Heute kömmt auch Brandenburg, den ich von Dir grüßen werde. Wir sehen ihn äußerst selten. Die Constitution ist eigentlich entsetzlich schlecht, aber bey den vielen Versprechungen war es wohl kaum anders möglich.347 Gott gebe, daß die Wahlen gut ausfallen und dadurch noch manches modifizirt werden kann. Von allen Seiten kömmt der Dank für die Constitution, das ist eigentlich dem armen Dicken schrecklich, da er sie so schlecht findet. Brandenburg wird nun allgemein anerkannt, nachdem er so geschmäht wurde. Welcher Triumph für ihn! Nur die Stadtverordneten Berlins bleiben schlecht. Onkel Wilhelm ist schnell nach Münster, weil die Nachrichten von Waldemar sehr ängstlich wurden. Elisabeth und ihr Mann kamen auch hin.348 Aber seitdem sind die Nachrichten besser, das Fieber ist mäßiger und andere Umstände, die nicht zu détailliren, sind auch besser. Aber die Kräfte sind dermaßen gesunken, daß die Heilung wohl nicht unmöglich, aber nicht wahrscheinlich ist, leider Gottes. Sophie ist nicht nach München und hat daran nie gedacht. Gott gebe, daß man sie nie von ihren Sohn trenne.349 Amelie von Schweden ist auch noch in Olmüz und schrieb vor kurzem, auch Gustav,350 von dem ich gestern einen langen Brief hatte. Eure Zustände scheinen mir doch sehr trübe, aber nur Kraft gezeigt. Bey uns hat man deutlich gesehen, daß es nur dem bedurfte, um die Lage der Regierung zu verbessern. Nun muß ich enden, die Clauce351 ist hier in 344 345 346 347
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Kaiserin Maria Anna von Österreich, geb. Prinzessin von Savoyen (1803–1884). Prinzessin Charlotte von Preußen (1830–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). Die Verfassung war zwar von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ohne parlamentatische Beteiligung gegeben, dafür aber mit weitreichenden Zugeständnissen an liberale Positionen ausgestattet, wie Grundrechte, Wahlen und einer ministeriellen Kontrolle des Königtums. Prinz Wilhelm von Preußen (1783–1851) und seine Tochter Prinzessin Elisabeth von HessenDarmstadt, geb. Prinzessin von Preußen (1815–1885), mit ihrem Ehemann Prinz Karl von Hessen-Darmstadt (1809–1877) zu Besuch beim schwer erkrankten Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849). Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872), und ihr Sohn Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853), im österr. Exil, und ihr Bruder Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). Fräulein Clauce, Kammerfrau der Königin Elisabeth von Preußen.
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Weihnachtsangelegenheiten. Ich umarme Dich und Deine Kinder. Fritz küßt Dich zärtlich. Mit treuer Liebe, Deine Elis Schwerin, den 18ten December 1848 In dieser Zeit vor Weihnachten kömmt man wenig zum schreiben, aber doch möchte ich Dir herzlich danken für Deinen lieben Brief vom 11ten December. Denn sonst möchte beinah das alte Jahr vergehen, ehe ich wieder mit Dir plaudern könnte. Der Gedanke, daß dies Jahr bald zu Ende, und welches Jahr, dann möchte man vergehen. Und das Neue, was wird uns das bringen? Thränen und viel Unglück! Bei Euch im lieben Preußen, da sieht es gut aus, Ruhe überall und alte Liebe zur neuen erwachten verstrickt. Hier bei uns ist es trüb, die Versammlung ängstigt mich wenig, denn die wird es so treiben wie die Berliner, wo Gottes Rache sie ereilt. Darauf baue ich fest. Es ist aber allerlei Anderes, schwierige Momente, wenn die gut benutzt, viel Vortheil bieten und umgekehrt alle Rettung nehmen, und wo bei der ersteren Enscheidung mein Fritz ganz allein steht.352 Nun, Gott wird ihn erleuchten und beistehen. Wie ich gesehen, ist Karl aus Olmütz zurück. Der wird Dir recht ordentlich erzählen können. Und vielleicht noch Mündliches von Deiner Schwester mitgebracht haben. Ja, sie wäre eine Kaiserin gewesen, wie man sie sich nur gewünscht hätte, allein, ich erinnere mich noch aus Wien an eine Äußerung, die mir den jetzigen Schritt leicht erklähren läßt. Sie ist in aller Art eine sehr ausgezeichnete Frau, die man nicht hoch genug stellen kann. Die Kaiserin, kann ich mich denken, wird unendlich glücklich sein, in Ruhe zu kommen und nicht immer über ihren kleinen Kaiser zu wachen, daß er nichts Dummes macht.353 Was wird nun Paris bringen? Napoleon scheint den Sieg davon zu tragen.354 Es ist doch unerhört viel, daß ein Nahme, denn hier ist es doch nur der Nahme, der ihm alle Stimmen zuführt und der wahrscheinlich zum Monarchischen den Übergang bilden wird. Erst wird es wohl Krieg geben und dann, was wird dann werden? Es ist gut, daß man es nicht weiß. Man muß doch Gott vertrauen, daß er es nach seiner Weisheit einrichtet.Von meinem Wilhelm habe ich gestern einen Brief. Es scheint doch, daß ihn die Nachricht erschüttert. Freilich war das Ganze nur sehr flüchtig, also leicht zu überwinden. George von Strelitz hatte uns sagen laßen, er würde von Hamburg aus uns besuchen, allein, wie ich höre, ist er schon lange wieder fort. Für Fritz würde es mir lieb geworden sein, wenn er einen verständigen Prinzen vom Hause bei sich hätte.355 Er kann denn 352 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin folgte weiter dem Kurs seines Regierungschefs Ludwig von Lützow, mit der Abgeordnetenversammlung eine konstitutionelle Verfassung für Mecklenburg zu vereinbaren. 353 Kaiserin Maria Anna von Österreich, geb. Prinzessin von Savoyen (1803–1884), und ihr Ehemann Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793–1875), der regierungsunfähig war. 354 Napoleon (III.) Bonaparte (1808–1873) hatte in Frankreich die Präsidentschaftswahl am 10. Dez. klar gewonnen. 355 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz wie auch seine beiden Söhne Erbgroßherzog Fried-
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doch mit ihm sich aussprechen und überlegen. Das ist so viel werth. Die eigne Anschauung wird viel klarer und richtiger. Nun leb wohl. Durch Wilhelm habe ich zwar schon fragen laßen, ob es bestimmt, wo denn Weihnachten gegeben, um meine paar Kleinigkeiten Dir zu senden. Es wäre für Dich, Abat und die Fürstin. Gott mir Dir und Fritz. Deine treue Adine Von Waldemar sind die Nachrichten traurig.
Potsdamm, den 28ten Dezember 1848 Nur zwey Worte, meine Adine, um Dir von Herzen für die hübsche Nadel zu danken, die ankam, als wir noch bey der Bescherung versammelt waren. Sie ist zu hübsch und bequem. Die coiffure schickte ich gleich den andern Tag nach Dresden. Das Aufbauen war unten in dem Bronze Zimmer,356 und es war ein froher Abend, denn die Kinder, besonders die kleine Adine,357 waren gar vergnügt. Die Kleine war zu lieb in ihrer unbefangenen Freude. Deine Brüder sind vorgestern nach Berlin gezogen, die Schwägerinnen glückselig, und ich weine nicht darüber. Wir gedenken in den ersten Tagen des Jahres nach Charlottenburg zu gehen. Sogern ich dort meine Wohnung habe, so wird es mir doch schwer, von hier fort zu gehen, wo wir einen Hafen des Friedens gefunden haben und eine sichere Stätte. Auch werde ich den schönen Garten, die freundliche Gegend vermißen, die in den sonnigen Tagen noch wunderhübsch ist. Der arme Rauch ist misérable, der Fuß ist besser, aber nun hat er ein Zahngeschwür und Reißen im Kopf. Ich war heute bey ihm. Dabey ängstigt und grämt er sich so um Amelie, der es nicht gut geht seit ein paar Tagen.358 Er fehlt uns schrecklich. Massow359 ist auch krank in Berlin und unser Zirkel sehr klein. Albrechts Kinder, Fritz Karl und Georg sind allein noch im Schloße.360 Wie geht es bey Euch? Ich fürchte schlecht. Wilhelm wird mir wohl davon erzählen. Nun muß ich enden zum lezten Mal in diesem Jahr des Jammers und der Thränen. Gott wolle uns das kommende seegnen und Dir Glück und Zufriedenheit geben, meine Adine. Nun
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rich Wilhelm und Herzog Georg agierten von Anfang an gegen die Revolution und lehnten Verfassung und Parlament für Mecklenburg grundsätzlich ab. Die zunehmende Isolierung des am Verfassungsversprechen festhaltenden Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin begann sich abzuzeichnen. Bronze-Saal im Potsdamer Stadtschloss. Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. Amélie von Rauch (1825–1850), Tochter von Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generaladjutant. Ludwig von Massow (1794–1859), Hofmarschall von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, 1837 Intendant der Königlichen Gärten und 1843 Mitglied des preuß. Staatsrates. Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906) sowie die Prinzessinnen Charlotte (1831–1855) und Alexandrine von Preußen (1842–1906), Kinder des Prinzen Albrecht von Preußen, außerdem die Prinzen Friedrich Karl (1828–1885) und Georg von Preußen (1826–1902).
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laß Dir auch noch danken für alle Liebe, die Du mir wieder in dieser schrecklichen Zeit bewiesen und die mir so wohl thut. Behalte sie mir. Lebe wohl, Gott seegne Dich und Deine Kinder, die ich herzlich umarme. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Von Waldemar sind die Nachrichten besser.
Schwerin, den 30ten December 1848 Meine liebe Elis, Du bist mir zuvorgekommen mit Deinem Brief und Dank für die Nadel. Ich schäme mich ordentlich. Allein, ich zögerte, da ich gerne am letzten Tag des Jahres mich bei Dir einfinden möchte und mit Dir einen langen Blick in dem Verfloßnen werfen, was soviel Unglück und so viel Thränen gebracht. Aber auch viele Liebe haben wir gewonnen, denn im Unglück bewahren sich die Freunde, und meine Liebe zu Dir und den Meinen, die kann nie wanken. Ich weine mit ihnen im Unglück und freue mich in ihrem Glück. Es ist ja alles ein Teil meines Selbst und außerdem zieht mich noch mein Herz zu Dir besonders, meine Elis. Das Neue Jahr soll uns treu und fest an einander haltend finden wie immer. Ach, auf Gott muß man bauen und an seiner Liebe nicht verzagen, sonst könnte man mit rechtem Bangen und Zagen den Schritt im Neuen Jahr thun. Es wird uns noch viel Jammer bringen und Dinge, wovon sich noch keiner Begriffe macht. Nun will ich doch danken für Deine wunderschönen Geschenke, der Sopha und das Kleid. Ersteres ist gleich eingeweiht am ersten Weihnachtstag. Er ist so bequem und macht sich wunderhübsch. Das Zimmer ist nun so viel hübscher dadurch. Das Kleid ruht wohl eingepackt und wartet bessere Zeiten ab. Zu Neu Jahr werden wir nicht wie sonst cour haben, nur ein Diner. Am liebsten blieben wir ganz still. Wir sind nicht zu dergleichen aufgelegt, indessen die Menschen müßen nicht glauben, daß man allen Muth verliehrt. Am 3ten Januar rückt unsere schäusliche Kammer wieder ein.361 Vielleicht kömmt sie so verrückt und toll zurück, daß man sie dann ausanderjagen kann. Das wäre eine rechte Freude. Der Herzog von Braunschweig hat es wieder recht klug gemacht. Er hat sie gleich vertagt.362 So müßten es Alle machen. Also nach Charlottenburg zieht ihr zuerst. Dort ist es warm und freundlich. Von Berlin ist wohl noch nicht die Rede. Die Brüder und Schwägerinnen sind in Berlin schon établiert. Sie werden recht froh sein. Ist es wahr, daß Auguste durchgesetzt hat, daß am 24ten sie erst ihren Kindern im Palais beschert hat und nach Potsdam gefahren [ist]? Ich hoffe, es zu ihrer Ehre nicht. Der arme Rauch, welcher so leidend ist und nun noch so besorgt um Amalie.363 Sie stirbt gewiß. Der December [ist] so ein übler Monat. Nun wird er auch garnicht mit 361 Um mit den Regierungen in Schwerin und Neustrelitz die Verfassungsberatungen fortzusetzen. 362 Die am 18. Dez. eröffnete Braunschweiger Landesversammlung wurde Ende Dez. bis zum 19. März 1849 vertagt, arbeitete dann jedoch weiter. 363 Amélie von Rauch (1825–1850), Tochter von Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generaladjutant.
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nach Charlottenburg kommen. Er ist ein treuer, uneigennütziger Mensch und wird sehr glücklich gewesen sein, daß Du ihn besucht. Nun leb wohl im alten Jahr. Gott stärke Dich an Leib und Seele im neuen Jahr. Wir alle werden es gebrauchen. Deine treu bis in den Tod Adine Meine Kinder legen ihren Glückwunsch durch mich zu Füßen.
1849 Schwerin, den 2ten Januar 1849 Dir, meine Elis, nur zwei Worte der Liebe im neuen Jahr. Gott laß es Euch gesegnet sein und reichlichen Ersatz für die vielen Thränen und die grenzenlosen Leiden geben. Gott wird seinen Seegen über Euch und unser armes Deutschland spenden und Fritz in allen seinen Unternehmungen segnen. Wilhelm, der eben abfährt, soll diese Zeilen mitnehmen. In treu unwandelbarer Liebe, Deine alte Adine Charlottenburg, den 10ten Januar 1849 Ich habe lange mit meiner Antwort warten lassen, meine Alex. Die Briefe häufen sich immer mehr, und trotz unserem stillen, einförmigen Leben komme ich nicht dazu, meine Schulden zu tilgen. Doch hätte ich Dir so gern durch den Schwarzen (oder Grauen)1 geschrieben, aber wie mir es immer geht, ich erfuhr nun zufälliger weise Sonntag durch Wilhelm, daß er nach Schwerin geschickt sey. Ich war ganz ärgerlich darüber. George von Streliz war hier, anfangs etwas verlegen, aber dann schien er wieder […]2 tous vise. Er wird wohl bald zu Euch kommen. Ich finde, der Frack steht ihm besser wie die Uniform, aber an seiner Stelle würde ich mich nicht trösten können, aus einer so braven, herrlichen Armee geschieden zu seyn.3 Tausend Dank für Deine beyden lieben Briefe und noch nachträglich für den bequemen Sopha, an dem Du mitgeschenkt hast, und an einem hübschen Tisch. Ich hatte Dir nur für die Perl Nadel gedankt, und hier mahnten mich die hübschen Nadeln an meine Vergeßenheit. Ein Umzug in so bitterer Kälte in ein aus gekältetes Haus ist scheußlich. Wir fanden das recht Donnerstag, wie wir hier ankamen und die beyden ersten Tage arg froren. Es war ganz unheimlich hier, aber nun ist es gut in den Stuben, draußen desto ärger, und ich konnte mich heute nicht entschließen aus zu gehen. Bis jetzt bin ich immer aus gewesen. Albrechts Töchter sind mit uns hier bis zum 15ten, wo er sie wieder aufnehmen will. Sie wohnen in Deiner Mama Zimmer. Sie heizen sich gut und sind bequem. Ich war eben bey der kleinen Alexandrine,4 die die ersten Tage nicht ganz wohl war, aber nun ganz hergestellt ist und promenent eine Lesestunde nahm. Es ist ein gar liebes, amusantes Kind. Charlotte5 hier zu haben, ist mir sehr lieb und ihr auch. Wenn ich ihr nur mehr Ver1 Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 2 Wort nicht zu entziffern. 3 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) war nach den traumatischen Berliner Märzereignissen 1848 aus der preuß. Armee ausgeschieden. 4 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. 5 Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen.
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gnügungen schaffen könnte, aber das ist schwer in der jetzigen Zeit und besonders hier, wo man sich ängstigt jemand ein zu laden in der Kälte. Vorgestern war sie im Theater, um die Grisé6 tanzen zu sehen, und freute sich sehr mit Deinen Wilhelm in derselben Loge zu seyn. Elisabeth7 hatte ich ihr auch mit gegeben, aber die saß in der großen Loge, und Wilhelm begnügte sich damit sie zu lorgnieren.8 Der arme Rauch ist noch immer in Potsdamm, obwohl weniger leidend, aber bey der Kälte kann er nicht daran denken herüber zu fahren. Mit seiner Tochter geht es leider schlecht.9 Auch von Waldemar sind die Nachrichten wieder sehr betrübt, die Kräfte nehmen immer mehr ab. Der arme Onkel scheint sich gar keine illusionen zu machen. Es ist zu traurig. Noch dankte ich nicht für Deine herzlichen Wünsche zum neuen Jahr. Gott wolle es seegnen für uns alle. Ich baue so fest wie auf Felsen auf Deine Liebe, meine Adine, aber die meine bleibt Dir auch, das weißt Du. Wir hatten das neue Jahr allein zusammen empfangen, Fritz und ich, entließen die Gesellschafft zwischen 11 und 12 und lasen zusammen bis Mitternacht, Gott dankend, daß wir noch hier sind, nicht flüchtig oder verbannt in fremdem Land, wie ich es so oft gefürchtet in dem schrecklichen Jahre. Gottlob hat es besser geendet, wie wir hoffen durften, und Gott wird ja weiter helfen. Die Geschwister kamen alle am Neujahrstag und gingen nach Tisch wieder weg, halb erfroren. Wrangel und Brandenburgs waren auch da, Wrangel nicht ahnend, daß er den Tag seinen Sohn verloren hatte, der Unglückliche.10 Nun bleibt ihm nur noch einer, hoffnungslos erkrankt an einem Rückenmark Uebel. Das ist schrecklich. Mathilde11 war schon ein paar Mal hier und hat ihre alte Heiterkeit wieder bekommen, reißt mich unwillkührlich damit fort. Denke Dir, Auguste trinkt den Carlsbader Brunnen in der Kälte! Ich sah sie erst einmal Sonntag zu Tisch. Sie war guter Laune, unberufen. In Berlin war ich erst gestern, um meine alte […]12 da zu besuchen, der es merkwürdig gut geht diesen Winter. In Frankfurt scheint die Verwirrung den höchsten Stand erreicht zu haben. Wie lange wird der Unsinn dauern? […]13 war ein Paar Tage hier mit seiner Frau. Costi hat sehr in Olmüz gefallen. Doch nun lebe wohl, meine Adine. Ich umarme Dich und Deine Kinder. Fritz thut es auch. Mit treuer Liebe, Deine Elis
6 Carlotta Grisi (1819–1899), ital. Tänzerin. 7 Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912), Tochter der Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern. 8 Frz. = mit einer Lorgnette, einem Fernglas, betrachten. 9 Amélie von Rauch (1825–1850), Tochter von Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generaladjutant. 10 Gustav Carl Friedrich Freiherr von Wrangel (1812–1849). 11 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). 12 Wort nicht zu entziffern. 13 Wort nicht zu entziffern.
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Charlottenburg, den 15ten Januar 1849 Ich eile, Dir für Deinen lieben Brief zu danken, meine Adine, damit der dicke Gerlach14 heute Mittag den Brief mitnehmen kann. Er war gestern Abend hier, kann Dir also die neuesten Nachrichten von uns mitbringen. George15 ist heute Morgen zu Euch geeilt, wie ich nachträglich hörte. Da er mir aber nichts davon sagte, konnte ich ihm keine Aufträge an Dich mitgeben. Er sagte mir, seine Eltern wünschten hieher zu kommen, solange die Grisie noch in Berlin tanzt.16 Ich weiß nicht, wie lange sie dort bleibt. Aufrichtig gesagt, begreiffe ich nicht recht, wie man jetzt um so etwas reisen kann, aber das ist ihre Sache. Ich weiß nicht, wie das werden soll mit dem Wohnen. Hier ist natürlich keine Rede davon, und im Schloß in Berlin wäre es doch auch sonderbar in der jetzigen Zeit, mir kömmt es wenigstens so vor. Marie wohnt ganz gern in ihrer alten Stadt Rom, aber ob das dem Onkel recht wäre, weiß ich nicht. Ich sprach eben mit Fritz darüber. Der meinte, eigentlich sie könnten im Berliner Schloß wohnen, obgleich wegen der Truppen nicht in der gewöhnlichen Wohnung. Aber mir scheint es so sonderbar, da wir noch gar nicht hineinziehen und dieß Jahr nicht daran denken. Nun, man muß das noch überlegen. Ich möchte, das Ordensfest wäre vorbey, doch weiß ich kaum, ob ich dabey seyn werde, denn ich habe, seitdem ich hier bin, einen argen Schnupfen, den ich nicht los werden kann. Gottlob, daß die Kälte für den Augenblick vorbey ist. Es thaut kräftig, eine wahre Wohlthat, troz dem gränzenlosen Schmuz. Gestern endlich ist unser guter Rauch angekommen und war heute Morgen während dem Frühstück hier nach gewohnter Art, noch etwas schwach und blaß, aber doch nicht mehr leidend. Mit der Tochter geht es abwechselnd.17 Er las uns einen Brief von Rochow,18 der den Sylvester Abend bey Charlotte zugebracht hatte und sie außerordentlich wohl aussehend fand, Schultern und Nacken ganz rund und deliziöse Arme, sagte er. Das amusirte uns sehr und freute uns. Gott gebe, daß es bey Euch besser werde. Mir scheint, der Sinn im Land und beym Adel ist so gut, daß sich Fritz mit Zuversicht darauf stüzen kann. Hier sind die Wahlen in vollem Gange, und man hofft auf bessere, wenigstens sind die Gutgesinnten auch thätig. Ich denke, das Beste wäre, oder ganz gute oder ganz schlechte, mit denen man kurzen Prozeß machen könnte, aber das bleibt unter uns. Brühl19 kam gestern aus Olmüz und brachte mir einen Brief von Sophie. Die Siege in Ungarn befestigen die gute Sache immer mehr. Gott gebe nur, daß die deutsche Sache endlich in Ordnung wäre. In Frankfurt 14 Leopold von Gerlach (1790–1861), preuß. Generaladjutant, besaß das besondere Vertrauen König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen und sollte die Regierung von Mecklenburg-Schwerin davon abbringen, die alte landständische Verfassung aufzugeben und mit der Abgeordnetenversammlung eine moderne Konstitution zu vereinbaren. 15 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876). 16 Carlotta Grisi (1819–1899), ital. Tänzerin. 17 Amélie von Rauch (1825–1850), Tochter von Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generaladjutant. 18 Theodor von Rochow, gen. von Briest (1794–1854), preuß. Gesandter in Russland. 19 Mglw. Friedrich Graf von Brühl (1791–1859), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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scheint die Verwirrung immer mehr zu zu nehmen. Der Schwarze oder Grauschimmel,20 wie ihn William nennt, erzählte mir viel. Ich wurde hier unterbrochen durch Lolo und ihre Schwester,21 die zum Abschied kamen und eben unter Thränen weggingen, die guten Kinder. Sie werden mir recht fehlen. Charlotte ist ein gar liebes Kind und war so froh hier, so glücklich in unsrer Häuslichkeit. Wenn nur der gute Albrecht ein wenig vernünftiger mit den Kindern umging, er ist so ungleich, und die armen Kinder sind wirklich zu beklagen. Nun ist es so spät geworden, daß ich den Brief nach Spandau schicken muß. Auguste trinkt den Karlsbad, und ich sehe sie nur den Sonntag. Sie überschüttet jetzt Mathilde22 mit Güte, nachdem sie sie so schlecht behandelte. Bey ihr ist auch kein Halt in keiner Art. Nun schnell addio. Dein Bote von Bonin machte mich doch leichter. Brauchitsch23 ist jetzt hier zu meiner Freude. Seiner Frau geht es besser. Ich umarme Dich und Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine Elis Fritz küßt Dich zärtlich. Charlottenburg, den 25ten Januar 1849 Tausend Dank, meine Adine, für das Briefchen, das mir Gerlach mitbrachte. Seine Erzählungen ergänzten, was Du nur ahnen ließest. Wie begriff ich, was Du gelitten hast und wie schwer Dir die Tage wurden, wo George und Gerlach bey Euch waren.24 Wenn sie nur auch zu etwas Gutem führen, das wünsche ich sehnlich. Wegen den Orden, die Du wünschest, habe ich keine regrets, daß Du mir zu spät davon geschrieben hast, denn es wurden dießmal keine Johanniter Orden aus getheilt, auf den dringenden Wunsch der Minister. Meines Dafürhaltens war es nicht recht, und Fritz denkt auch so. Ich werde ihn aber Deine Wünsche sagen, denn es werden doch immer welche aus getheilt. Gottlob, daß das Fest überstanden ist. Nun, [da] ich es hinter mir habe, bin ich auch überzeugt, daß es sehr politisch war, daß man es feyerte wie sonst, aber es war schwer. Ich ging den Tag vorher in’s Schloß, um den ersten quälenden Eindruck zu überwinden. Ich kann Dir nicht sagen, was ich empfand, als ich die Treppe wieder herauf ging, die Halle, die schreckliche Halle wiedersah, meine Zimmer, die Fenster, von wo ich so viel Gräßliches sah! Zum Glück war das Wetter schön und die Sonne schien warm und freundlich in die 20 21 22 23
Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Die Prinzessinnen Charlotte (1831–1855) und Alexandrine von Preußen (1842–1906). Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). Eduard von Brauchitsch (1798 –1869), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 24 Der preuß. Generaladjutant Leopold von Gerlach (1790–1861) und Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz versuchten die Schweriner Regierung und Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin davon abzuhalten, die alte landständische Verfassung aufzugeben und mit der Abgeordnetenversammlung eine moderne Konstiution zu vereinbaren.
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armen Zimmer, wo ich doch sonst so glücklich war und die ich so gern hatte. Ich blieb nicht lange. Der 28te war auch ein sonniger, warmer Tag und die Hize oben in den Stuben wirklich zum verschmachten, das Gedränge entsezlich. Auch war ich halb todt vor Müdigkeit, aber wohl. Wir entschieden uns erst nachher in’s Theater zu gehen. Wie der Abend kam und die Lampen angezündet wurden, da wurde es mir grausig und unheimlich in meinen Zimmern, ich dachte der schrecklichen Abende und Nächte im März und war froh, als ich heraus war. Wir wurden freudig empfangen im Theater, und Fritz war sehr bewegt, aber auf dergleichen démonstrationen kann man doch eigentlich nicht mehr viel geben, nach so schrecklicher Erfahrung. Der gute Bader25 sang zum lezten Mal, und dem machten wir bey dieser Gelegenheit eine Freude. Er war so überwältigt über unsere unerwartete Gegenwart, daß er zuerst gar keine Stimme hatte, dann ging es aber doch noch ganz gut. Es machte mir einen unbeschreiblichen Eindruck, wieder im Theater zu seyn nach 10 Monaten. Seitdem waren wir noch einmal dort, um die Grisi26 zu sehen, und heute gehen wir in ein Closter für die Armen. Der Herzog von Coburg27 ist seit 2 Tagen hier und will morgen wieder abreisen. Marie von Streliz schreibt mir, sie würde vielleicht noch nach Berlin kommen, aber der Onkel könne sich nicht entfernen, doch hätten ihn die herrlichen Töne der Rossi28 wieder ganz ermuntert. Lebe nun wohl, meine Adine, und verzeihe den confusen Brief, ich wurde oft unterbrochen. Fritz umarmt Dich zärtlich. Tausend Liebes Deinen Kindern. Wilhelm werde ich wohl in der Oper sehen. Seine Zahnlücke désolirt mich! Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ich habe Fritz Deine Johanniter Wünsche gesagt. Gestern an Brandenburgs Geburtstag gab er ihn am Zwillingen.29 Die ganze Familie Brandenburg, selbst die Kleine, aßen gestern bey uns. Schwerin, den 1ten Februar 1849 Heute ist Luise ihr Geburtstag, eben habe ich ihr geschrieben. Gott wolle geben, daß wir sie dies Jahr wiedersehen. Seit 2 Jahren sah ich sie nicht. Für Deinen Brief vom 25ten habe ich noch meinen herzlichsten Dank zu sagen. Die Wahlen zur 1ten Kammer sind ja sehr schön schon ausgefallen. Heute sind ja wohl die eigentlichen.30 Nun, Gott wird sie 25 26 27 28
Mglw. Carl Adam Bader (1789–1870), Sänger in Berlin. Carlotta Grisi (1819–1899), ital. Tänzerin. Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha (1818–1893). Die Opernsängerin Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag (1806–1854), gab ein Gastspiel in Neustrelitz. 29 Lesung unsicher. 30 Die erste Kammer in Preußen wurde indirekt durch Zensuswahlrecht gewählt und war als konservative, politische Flanke der Besitzenden und Vermögenden gedacht. Die für Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin „eigentliche“ Wahl zur zweiten Kammer erweiterte den Wählerkreis um alle, die keine Armenunterstützung erhielten, war also demokratischer.
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gut ausfallen laßen, denn der Herr scheint ja das arme Preußen wieder beizustehen und wird ihm seine alte Macht und Glanz wiedergeben, hat es doch trotz dem Sturtz nun das Vertrauen fast aller Länder wieder erhallten, und alle Augen ruhen auf ihm. Mehr Glanz und mehr Höhe wünsche ich nicht. Ach, es bringt kein Glück und keinen Seegen für Preußen, ob es für Deutschland eins wäre, möchte ich glauben, wenn es Einer fest in der Hand nähme, allein, das einige Deutschland leidet es nicht. Ich habe mich so für Dich gefreut, daß das Ordensfest glücklich überstanden ist, und der Empfang im Theater war doch, auf dem man etwas geben kann und es ja garnicht vorbereitet war. Ich danke Dir, daß Du Fritz etwas gesagt wegen dem Hochmeister wegen Witzleben.31 Erinnere nur von Zeit zu Zeit, er gewinnt sich alle Herzen hier und man ist sehr zufrieden. Den 2ten. Die Strelitzschen Herrschaften werden wohl nicht so bald nach Berlin kommen, da die Rossi alles wieder in der freudigsten Bewegung gebracht hat und gestern die Nachtwandlerin gegeben. Einen Wunsch, den sie schon lange gehabt, da sie gemeint, es wäre gewiß eine ihrer glänzendsten Rollen gewesen, wenn sie damals schon geschrieben gewesen.32 Der arme Onkel soll ganz wieder aufleben, aber viel tauber sein wie sonst, was ihn selbst sehr unglücklich macht. Dies alles habe ich von meinem Onkel Gustav, welcher zum Geburtstag von der Tante da gewesen ist. Heute ist ein wunderschöner Wintertag, so rein und klar die Luft. Das thut einem gut. Du wirst ihn gewiß auch benutzen zur promenade. Wohin wendest Du denn Deine Schritte, denn im Garten sind die Wege gewiß ganz durchgeweicht. Ist es wahr, daß Rauch wieder die Gicht hat und Elise33 zu ihm nach Charlottenburg zur Pflege? Und Amelie34 ist wohl immer sterbend, welch ein Leiden. Hast Du auch gehört, daß die arme Cecile Frederich ihren Sohn verlohren hat, der immer mit Costy war?35 Ein so lieber, hübscher Junge, an der Schwindsucht und Gehirnentzündung zu gleich. Es ist schrecklich traurig. Außerdem liegt eine Tochter, welche kurtz vor der Entbindung, auch ohne Hoffnung. Und der andere Sohn, welcher sich den Fuß in Italien zerbrach, ist wahnsinnig gewesen, jetzt dieser hergestellt. Das ist doch zuviel für einen Menschen, um es zu ertragen. Morgen ist Mary Carls Geburtstag. Ich sah in der Zeitung, daß sie alle nach Weimar sind. Daher werde ich erst morgen schreiben. Onkel Gustav sagt mir, die
31 Eine der vielen Bitten um eine Ordensverleihung verm. für den preuß. Brigadekommandeur Oberst Klamor August Ferdinand von Witzleben (1800–1859), der das meckl.-schw. Brigadekommando in Schwerin übernahm. 32 Die Nachtwandlerin, Oper von Vincenzo Bellini (1801–1835). 33 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, Tochter von Friedrich Wilhelm von Rauch (1790– 1850), preuß. Generaladjutant. 34 Amélie von Rauch (1825–1850), Tochter von Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850), preuß. Generaladjutant. 35 Ein Sohn von Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), einer Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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Schönschwester senior36 soll sehr sonderbar sein, ceremonieus, wenigstens mit ihm. Nun Adios, ich bin dumm und der Brief trägt mein Gepräge. Deine alte Adine Charlottenburg, den 9ten Februar 1849 Tausend Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief vom 1ten. Ich hätte ihn gerne früher beantwortet, hatte aber in diesen lezten Tagen weniger Zeit, weil die größeren dinés für die fremden Herrschafften doch mehr Zeit nehmen. Gestern zwar hatte ich einen stillen Tag, da Fritz in Potsdamm auf der Jagd war. Ich ging auch nicht aus, denn ich benuzte die Zeit, um zu baden, aß auch allein, aber dennoch verging der ganze Morgen, ohne allein zu seyn. Mein Sekritair, dann Marie von Streliz, Zustand und Frisör, die Kinder, die jeden Donnerstag kommen, zulezt Rauch, der mir viel zu sagen hatte und schon ganz misérable war, auch ist er heute wieder in sein Elend zurück gefallen, der Fuß ist geschwollen und er konnte nicht herüber kommen. Es ist wirklich gräulich, und gestern hat er sich das in Berlin geholt, wohin er zum erstenmal fuhr, denn bis jetzt war er nur etwas im Garten gegangen. Sein Eifer für Fritz trieb ihn hin. Denke Dir, übermorgen kömmt Anton Stolberg37 nach Potsdamm und dann hieher und wird hier wohnen. Ich freue mich und fürchte mich, ihn wieder zu sehen. Ich glaube, ich werde ganz überwältigt werden von seinem Anblick. Alle, die mich an die alte Zeit erinnern, bringen mich ausser Fassung, über Eichhorns38 Anblick konnte ich mich lezthin kaum fassen, und nun er! Das ist noch etwas ganz andres, und die Erinnerung an den gräßlichen Abschied von ihm und in welchem fürchterlichen Augenblick! Er wird gewiß in einem schrecklichen Zustand seyn. Fritz kam sehr vergnügt gestern von der Jagd zurück, wo er im Wildpark in meinem Häuschen aß, aber so verschlafen, daß er sich nicht auf den Beinen halten konnte. Ich bin so froh, wenn ich ihn heiter sehe. Er ist jetzt oft sehr aufgeregt, freylich ganz natürlich bey so vielen complicirten und unangenehmen Geschäfften, aber ich predige immer Mäßigung. Nun ist auch noch der Kurfürst von Hessen39 hier, ich weiß nicht warum. Es geht ihm schlecht zu Hause, aber die schlimmen Zeiten haben gut auf ihn gewirkt. Er ist viel angenehmer, höflicher und man kann ordentlich mit ihm sprechen. In dem allgemeinen Jammer und den überall gleichen Klagen findet man sich übereinstimmend und versteht sich vortrefflich. Der Erbprinz von Meiningen40 ist auch schon länger hier. Er ist stummer wie je, wie ein steinernes Bild, und siht übel aus. Ich halte ihn für sehr schwächlich. Die jungen Strelizer sind schon wieder fort. Fritz wollte den Papa nicht
36 Verm. Prinzessin Marie von Preußen, als ältere Schwester von Prinzessin Augusta von Preußen. 37 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), von seinen Ämtern zurückgetretener preuß. Staatsminister. 38 Friedrich Eichhorn (1779–1856), 1840–1848 preuß. Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. 39 Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875). 40 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914).
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allein lassen, und Auguste sehnte sich nach ihrem Kinde.41 Ich finde sie sehr embellirt. Es ist, als hätte man sie aus einem Futteral heraus gezogen. Sie siht größer aus, seitdem sie magerer geworden ist, und das Glück, ein Kind zu haben, giebt ihrem Ausdruck etwas Seelenvolles, was sie sonst nicht hatte. Fritz sieht besser aus, finde ich. Aber die arme Marie42 fing gleich an zu husten, als sie kaum in Berlin war. Es ist ein eigens […]. Es störte sie sehr in allem, und die Gesellschafften, wo es warm war, vermehrten den Husten immer wieder. Lilli ist recht blühend und hübsch.43 Ueber die Wahlen in Berlin, die scheußlichen, hast Du Dich gewiß erbost? Mir kamen sie nicht unerwartet, denn der Geist ist dort noch schlecht. Auch die andren lieben Leute der Versammlung sind alle wieder gewählt, übrigens aber sind die meisten Wahlen in den Provinzen sehr gut und gerade oft da, wo man es am wenigsten glaubte. Einige ausgezeichnete Persönlichkeiten werden den Gutgesinnten einen Halt geben, der früher so ganz fehlte. Bodelschwingh, Winter, Bismark-Schönhausen, das sind prächtige Erwerbungen für die gute Sache.44 Das einige Deutschland scheint mir mehr wie je eine chimäre, aber ich kann wohl sagen, daß ich nicht einen Augenblick illusionen darüber gehabt habe. Gott bewahre Fritz vor der Ehre, an der Spize einer solchen confusion zu seyn, mit einer solchen Dornenkrone!45 Amelie Rauch ist etwas besser. Was Du mir von der arme Cecile sagst, ist ja schrecklich!46 Die unglückliche Frau! […]47
Schwerin, den 20ten Februar 1849 Meine Elis, wie tief bin ich betrübt über den Tod des armen Waldemar.48 Sein Ende war zwar lange voraus zu sehen, doch ergreift tief die Gewißheit eines solchen Verlustes. Und es ist ein recht großer Verlust, da er ein so prächtiger Mensch war, guter Sohn und Bruder und braver Soldat. Er soll nahmenloß gelitten haben, wie uns mein Wilhelm schreibt, daher wohl ihm, daß er ausgelitten. Wie viel Kummer und Schmertz mag nun hinter ihm liegen. Ihm ist wohl, er ist bei Gott und seiner theuren Mutter, die ihn so unendlich geliebt. Allen Menschen wohl, die im Schoß des Herrn ruhen. Die Zukunft liegt zu dunkel 41 Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz mit seiner Ehefrau Augusta, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, und dem 1848 geb. Sohn Herzog Adolf Friedrich (V.). 42 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1888), und ihre Tochter, die geschiedene Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876), zu Besuch in Berlin. 43 Wort nicht zu entziffern. 44 Carl von Bodelschwingh (1800–1873), Otto von Bismarck-Schönhausen (1815–1898) und verm. Leopold von Winter (1823–1893). 45 Gemeint ist die parlamentarische Kaiserkrone eines aus der Revolution von 1848 geborenen Deutschen Reiches. 46 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 47 Der Rest des Briefes fehlt. 48 Prinz Waldemar von Preußen (1817–1849) war am 17. Febr. in Münster gestorben.
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und schwer vor uns. Die nächste Zukunft kann uns viel Trübes bringen. Ich sehe zu schwarz vielleicht, aber ich fürchte, ich habe nicht unrecht. Auch bei uns hier. Strelitz hat sich völlig getrennt, was soll daraus werden?49 Alle alten Banden und Verträge werden zerrißen, alle Verhältniße gelockert. Wo soll da das Volk Vertrauen behallten? Noch dankte ich nicht für Deinen lieben Brief, der so viel Interessantes enthielt. Bruder Fritz war ja recht unwohl, wie ich erst gestern durch Finkenstein hörte, aber nun doch wieder hergestellt. Und Anton Stolberg,50 der bei Euch in Charlottenburg ist, welche Freude muß das sein. Grüße ihn recht herzlich von mir. Wie wehmütig muß das Wiedersehen gewesen sein. Er ist gewiß überglücklich, um Euch sein zu können. Ihr geht wohl bald nach Potsdam. Du wirst Deine Zimmer in Charlottenburg vermißen! Gehen die Schwägerinnen auch mit? Die werden wieder eines schönen humors sein. Wenn man ihnen andere Zimmer geben könnte oder besser einrichten, damit ihr Eigensinn nicht Spielraum hätte. Die Zimmer von Lollo zum Beispiel oder die Napoleons Zimmer.51 Die Kinder müßten oben herauf und so vertheilt werden. Denke Dir, hier, wo es so still und ruhig war, ist mit einem mal die Tanzwuth hereingefahren. Da 2 Verlobungen statt fanden, ist alles aufgelebt, Minister Lützow seine zweite Tochter mit einem Herrn von Oertzen von Brunn, der im Preußischen wohnt,52 Geheimer Kammerrath von Plessen seine einzige Tochter mit dem einzigen Sohn von Graf Bassewitz Perlin.53 Wir geben nur Diners zu solchen Feiern und meine Kinder tanzen fast garnicht. Sie mögen nicht in dieser Zeit. Am 23ten, wo ich weiß, daß Du meiner gedenken wirst, wird die Statue von Paul hier vor meinem Fenster aufgestellt werden. Das ganze Land kömmt fast dazu her. Es soll sehr feierlich gemacht werden. Welch eine trübe Feier. Ich fürchte mich davor. Wir hoffen, daß Wilhelm dazu kommen kann. Nun lebwohl, Gott mit Euch und uns. Deine treue Adine Schwerin, den 24ten Februar 1849 Meine Elis, ich eile noch schnelle einige Worte des Dankes Dir zu schreiben für Deinen lieben Brief, den ich heute erhielt und für die wunderschönen Geschenke. Der schwartze Kantenschawl ist süperbe und die Armstühle mir unendlich willkommen zu dem Sopha. 49 Die Strelitzer Linie des Hauses Mecklenburg lehnte eine gemeinsame Verfassungspolitik mit der Schweriner Linie ab, da Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz und seine Söhne Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm und Herzog Georg keine Existenzmöglichkeit ihrer Dynastie in einer konstitutionellen Monarchie mecklenburgischen Zuschnitts sahen. 50 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), von seinen Ämtern zurückgetretener preuß. Staatsminister. 51 Kaiser Napoleon I. war bei der Besetzung Berlins 1806 auch im Schloss Charlottenburg. 52 Karoline (Lilla) von Lützow (1822–1866) und der in Brunn geborene Rudolf von Oertzen auf Pamitz (1819–1893) heirateten am 13. April. 53 Christine Amalie (Lilla) von Plessen (1826–1850) und Rudolf Graf von Bassewitz-Schlitz (1823– 1877) heirateten am 17. Aug.
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Ich habe so schöne Sachen bekommen und der ganze Tag verging so festlich. Es war garnichts, was mich stöhrt, da das Volk so ernst und still die wehmüthige Feier beging. Es war ein schwerer Tag, das ist nicht zu leuchnen, der allen Schmertz von neuem heraufbeschwor. Ich glaubte anfangs, ich würde es nicht ertragen. Allein, unter vielen Thränen konnte ich es theilweise von meinem Fenster mit ansehen, und es war ein ergreiffender Moment, wo die Hülle fiel und die Statue mit Kanonensalven begrüßt wurde.54 Und nun ist es mir lieb, die lieben Züge so täglich und stündlich zu sehen. Ich habe es noch nicht in der Nähe gesehen, allein, es scheint mir recht ähnlich. Hier bei uns geht alles so ruhig fort. Die Verfaßung wird Montag angefangen zu berathen. Sie ist von der Art, daß man nichts annehmen kann und nun wird Ernst gezeigt werden.55 Leb wohl, Graf Finkenstein wird Dir noch mehr erzählen können, als ich es weiß. Deine treue Adine Schwerin, den 7ten März 1849 Mein Wilhelm will durchaus ein paar Zeilen für Dich mitnehmen, meine Elis, und wenn ich am heutigen Tag schreiben mag, so ist es Dir gewiß am liebsten. Allein, ich hätte lieber einen andern Tag gewählt, um Dir zu danken für Deinen lieben Brief vom 5ten, wo Du so herzliche Worte über meinen Wilhelm sagst und so traurig über den letzten Ehrentag von Waldemar sprichst. Ach, wie kann ich mir denken, daß es recht eine ergreifende Scene war, so den lieben, theuren, jungen Menschen in der Gruft seiner Väter zu bringen. Der arme Onkel, er allein ist zu beklagen, da er so allein übrig bleibt, alle seine Kinder fern und keine Häuslichkeit, an der er so hing! Er hat mir einen so tief ergreiffenden, lieben Brief geschrieben, der mich so gerührt. Du kannst es ihm einmal sagen, wie ich ihm dankbar, daß er mir geantwortet. Es ist gewiß recht gut, daß er zu Elschen gehen will, und daß diese erst mit ihm hier war. Du kannst Dir denken, daß der heutige Tag wieder ein recht schwerer für mich ist, und doch danke ich Gott, daß Er ihn diese Zeit nicht hat erleben laßen. Für sein liebend Herz wäre es zu viel gewesen, dieser Undank und diese Verkehrtheit. Bei uns wird es immer ärger. Das Ende reift heran! Was wird dieser Monat noch bringen? Ich denke mir, doch gewiß blutige Kämpfe, wo Gott einen glänzenden Ausgang geben wird, damit die Erde von den Schäusalen befreit wird. Die Östreicher haben wieder zwei glänzende Siege erfochten.56 Diese beiden Schlachtentage waren blutig und glorreich, wie beneidenswerth sind diese Truppen, wer so seinen Muth ausleben laßen könnte!
54 Eine von Schwerin ausgehende Sammlung ermöglichte die Aufstellung eines Denkmals für Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin (1800–1842) auf dem Alten Garten in Schwerin, in Sichtweite des Alten Palais’. 55 Obgleich die Schweriner Regierung an einem Zustandekommen einer konstitutioniellen Verfassung festhielt, lagen die Vorstellungen über deren Inhalt weit auseinander. 56 Militärische Niederschlagung der ungar. Unabhängigkeitsbestrebungen durch das Kaisertum Österreich.
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Ob die Dänen ernst machen werden? Uns ist noch kein Befehl gekommen. Wir haben nun die Landwehr zusammen, die ausgebildet wird. In 6 Wochen sollen sie fertig sein. Die ist für hier etwas Neues und Oberst Witzleben erwirbt sich Liebe und Achtung dabei.57 Nun leb wohl, meine Augen thuen mir weh und mein Kopf vom vielen Weinen.58 Von Charlotte hatte ich vorgestern einen Brief. Mit den Masernkranken ging es besser, der Kronprinz von Würtemberg hat sie auch bekommen, doch nur leicht. Deine treue alte Adine Charlottenburg, den 14ten März 1849 Meine Adine, hier ein Blättchen aus dem Monument, daß Du siehst, wie ich an dem heiligen Orte Deiner gedacht habe. Es ist mir noch nie geschehen, hier wohnend einen solchen Erinnerungstag zu zubringen. Ich war alleine dort mit Deinen Brüdern und Fritz Wilhelm,59 was mir auch ganz recht war. Marie kam erst zum diné und Auguste, die unwohl war, gar nicht.60 Ich sah sie nicht seit der großen Parade, wo sie sich erkältet hat, was auch wahrlich nicht zu verwundern ist, denn der Wind war schneidend kalt und wir hatten ihn die ganze Zeit im Gesicht. Ich war sehr warm angezogen und fror nur im Gesicht, aber die Schwägerinnen bildeten sich, ich weiß nicht warum, ein, es wäre warm und froren gräßlich. Kaum in Bellevue schneite und hagelte es, und wir dankten Gott, daß dieß Unwetter nicht früher gekommen war. Die Parade war wunderschön und die Truppen sahen so vergnügt aus. Die […]61 waren oben nicht sehr angenehm und höflich, es ging aber doch im Ganzen ordentlich her. In Bellevue war ein großes déjeunée. Dank Dir von Herzen für Deinen lieben Brief, den mir Wilhelm brachte. Er schien mir dießmal weit zufriedener zu seyn wie die lezte Zeit, wenn er von Hause kam. Gott gebe, daß das gute Beyspiel von Kremsier Euch auch gleiche Gedanken und Thaten bringe.62 Es wird ohne dem nicht gehen. Den armen Onkel Wilhelm sah ich noch nicht seit Elschens Abreise. Er ist zu unwohl, um heraus zu kommen, und ich fürchte, ihn durch meinen Besuch zu géniren. Du weißt, wie er ist. Er will auch nicht in den gräßlichen Tagen diese Woche Berlin verlassen, obgleich ihm die Einsamkeit in dem vergitterten Schloße sehr unbehaglich ist. Deine Geschwister werden alle hier wohnen mit den Kin57 Oberst Klamor August Ferdinand von Witzleben (1800–1859), preuß. Offizier, seit Dez. als Brigadekommandeur in meckl.-schw. Diensten. 58 Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin (1800–1842) war am 7. März gestorben. 59 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). 60 Die Prinzessinnen Marie und Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach. 61 Wort nicht zu entziffern. 62 Kremsier, Stadt in Ostmähren. Nach dem Wiener Oktoberaufstand war der österr. Reichstag im Nov. 1848 in den Erzbischöflichen Palast in Kremsier verlegt worden. Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) und der österr. Ministerpräsident Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800– 1852) hatten den Reichstag mit militärischer Hilfe am 7. März 1849 aufgelöst.
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dern, tous bien pa mal,63 das wird wieder Klagen geben und Elend. Wilhelm und Auguste wollen durchaus die Zimmer unter uns bewohnen. Du kennst sie, den gräßlichen Zug, der Auguste krank machen wird. Aber die Zimmer Deiner Mutter, die so viel beßer und angenehmer sind, wollten sie nicht. Dann sind wir ausser Schuld. Lolo, Adini und die kleine Wiwi64 werden die Zimmer Deiner Mutter bewohnen, Fritz Wilhelm65 die Zimmer daneben, wo sonst Wiebel66 wohnte, Karl und seine Frau seine alten Stuben, Abat die Zimmer der Gräfin Voß67 und Georg68 auch da neben. Anna69 war noch unbestimmt. Wie voll wird das Schloß seyn, möge doch wenigstens auch Friede darin seyn und die schrecklichen Tage nicht noch schrecklicher werden. Wrangel,70 den ich eben sprach, meint, es wird zu keiner Unruhe kommen in den Tagen. Gott gebe es. In den Kammern wird viel dummes Zeug gesprochen, aber noch nichts Gefährliches. Eben sah ich unsern künftigen oestereichischen Gesandten, Herrn von Prokesch.71 Er trug auch schon den Waffenrock. Er spricht zu schön und zu gewählt, mir wäre ein ehrlicher, oesterreichischer Dialekt lieber. Nun lebe wohl, meine Adine, viel Liebes Deinen Kindern. Fritz umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine Elis Hatte ich Dir schon gesagt, daß Marianne künftigen Herbst nach Jerusalem gehen will? Wie gefällt Dir das?
Schwerin, den 16ten März 1849 Da man nicht weiß, was einen in den nächsten Tagen bevorsteht, so eile ich gleich heute Dir zu danken für Deinen lieben Brief und für das Blättchen aus dem Monument,72 meine Elis. Wie gern wäre ich dies Jahr mit Euch am 10ten in Charlottenburg gewesen und gekniet an den Särgen der theuren Eltern, deren Seegen ferner auf uns und auf das 63 Frz. = alle gut, nicht schlecht. 64 Die Prinzessinnen Charlotte (1831–1855) und Alexandrine von Preußen (1842–1906), Töchter des Prinzen Albrecht von Preußen, sowie Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 65 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888), Sohn des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen. 66 Dr. Johann Wilhelm von Wiebel (1767–1847), Generalstabsarzt und Leibarzt von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 67 Sophie Gräfin von Voß, geb. von Pannewitz (1729–1814), Oberhofmeisterin der Königin Luise von Preußen. 68 Prinz Georg von Preußen (1826–1902). 69 Prinzessin Anna von Preußen (1836–1918), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 70 Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877), preuß. General und Oberkommandierender der Marken. 71 Anton Prokesch von Osten (1795–1876), seit 17. März österr. Gesandter in Preußen. 72 Mausoleum für König Friedrich Wilhelm III. und die am 10. März geb. Königin Luise von Preußen.
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Vaterland ruhen möge. Wir wollen uns nach ihrem Beispiel fest an Gott hallten. Was wird uns der 18te bringen! Eigentlich glaubt niemand, daß in den Tagen etwas unternommen wird, weil alles zu sehr vorbereitet ist. Allein, man kann doch nicht wißen. Hier bei uns weiß man nicht, ob etwas beabsichtigt wird. Allein, in Strelitz ist man darauf gefaßt, daher Truppen von uns in der Nähe zur disposition gestellt sind.73 Die Kammer hier wird immer schäuslicher und gemeiner und naht sich daher immer mehr ihrem Ende.74 Allein, in Ruhe geht es nicht ab. Morgen denke ich mir, wird die Völkerwanderung der Schwägerinnen nach Charlottenburg vor sich gehen. Es wird lieblich sein, sie wieder unter einem Dach versammelt zu haben. Man hört ja jetzt so viel Betrübendes über Intrigen an denen Höfen, wirklich empörend. Es wir aber immer ärger werden, denn die Constitutionen sind ganz allein dazu geschaffen, um sie in Blüthen zu bringen. Unser armes Haus war sonst so fern davon. Die Reise von Marianne nach Jerusalem ist wirklich würdig dieser Zeit. Sie will wohl am heiligen Grab für unsere Sünden beten oder für unsere Seelen, wenn wir bis im Herbst nicht mehr leben. Albert schrieb mir neulich und wollte über sie etwas hören, da man ihm die allerschäuslichsten Dinge von ihr gesagt und daß darum die Esdorf75 sie verlaßen. Weißt Du etwas davon? Ihm schrieb ich schon, daß ich seit einem Jahr ihren Nahmen nicht nennen gehört, also nichts wüßte. Hänlein wird dieser Tage kommen, um Abschied zu nehmen.76 Wenn Du kannst, nimm Dich seiner an, Rauch wird gewiß am besten rathen, wie man ihm helfen kann. Denn treu ergeben war er von je her dem Preußischen Haus, wenn er auch kein Licht war, und Papa wollte ihm immer wohl und hat ihn vorgezogen. Vielleicht könnte man ihm damit trösten, wenn man ihn auf Warte Geld setzte. Man braucht ihn ja doch nicht anzustellen. Nun leb wohl, Gott sei mit Euch am 18ten und folgenden Tagen, eine schrekliche Jahreserinnerung. Der Herr sei auch mit uns, denn wer weiß, was uns bevorsteht. Deine auf ewig Adine Meine Kinder küßen Deine Hände. Ich küße Fritz. Er soll nur nicht nachgeben, dann bleibt ihm alles treu und fest zur Seite stehen.
Charlottenburg, den 22ten März 1849 Gottlob, meine Adine, die gefürchteten Tage sind glücklich vorüber, nur den 18ten war etwas Unruhe, die aber nicht aufkommen konnte. Aber diese Tage sollten uns immer 73 Der Jahrestag der Berliner Märzkämpfe von 1848 stand am 18. März bevor. 74 Die meckl. Abgeordnetenversammlung arbeitete weiter mit den Regierungen am Verfassungsentwurf. 75 Baronesse von Estorff, Hofdame bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. 76 Johann Christoph Ferdinand Ludwig (Louis) von Hänlein (1790–1853), preuß. Gesandter in Hamburg und auch zuständig für Mecklenburg.
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neuen Schmerz bringen. Der liebe, gute Wilhelm von Oranien ist gerade auf den Tag einen Monat nach Waldemar geschieden, der älteste Eurer Vettern dem jüngsten.77 Es hat uns unaussprechlich erschüttert und betrübt. Wir wußten seit Sonntag, daß er krank war, hofften aber, es würde nicht so bedeutend seyn, und Mondtag brachte der Telegraph die traurige Nachricht. Die liebe Luise hat mir schon geschrieben, und ich wollte Dir gestern den Brief schicken, er ist aber bey Abat stecken geblieben. Ich habe ihm gestern Abend durch seine Tochter sagen lassen, ich müsse ihn heute haben, ich hoffe dennoch ihn noch heute zu bekommen. Heute vor einem Jahr, welch gräßlicher Tag! Wilhelm unterwegs, in Berlin das entsezliche Begräbniß!78 Den heutigen Tag wird Wilhelm größtentheils hier zubringen. Ich gestehe Dir, daß ich mich auf den Tag fürchte, nach der Erfahrung des kurzen séjour der Familie hier. Der Sonntag war auch in der Art erschreckend. Auguste war ganz ordentlich, so lange sie glaubte den Abend wieder zurück zu fahren. Wie aber Wilhelm entschied hier zu bleiben, war es gräulich. Sie sah aus wie eine Verzweiffelte, sprach kein Wort mehr. Ich versichere Dich, daß ich selbst am Ende ganz nervous würde, ganz kalt. Der Mondtag war besser, da wußte sie nun, daß es der lezte Tag war. Da kam die betrübte Nachricht, die ihren Gedanken auch eine andre Richtung gab, den Tag war die andre wieder aufgeregt. Genug, ich dankte Gott, als es Mondtag Abend überstanden war, und ich fürchte nur heute eine Wiederholung, denn Auguste kömmt auch heute sehr ungern. Das Verhältniß in dieser Ehe scheint mir überhaupt jetzt besonders trübe. Sie ist über die deutsche Sache ganz verdreht und machte neulich dem armen Rauch darüber eine Scene in seinem Zimmer, daß ich dachte, er würde vor Aerger einen neuen Anfall von Podagra79 bekommen. Diese deutsche Sache ist eigentlich jetzt unsre größte Gefahr, meine einzige Hoffnung, daß sie in Frankfurt selbst Fritz nicht mehr wollen. Denn wenn der Antrag wirklich käme, den Fritz keinesfalls annimmt, so kann man hier für nichts stehen, in den Kammern zumal, wo so entsezlich viel Deutschthümler sizen und gerade auf der Rechten. Es ist doch schrecklich, daß man die Wahl von Fritz einer Majorität unterwirft wie jedem Deputirten. Wie kann man glauben, daß er eine solche Krone aus diesen Händen annimmt. Ich wurde durch Fritz unterbrochen, dann kamen Wilhelm und Auguste, und Gottlob die Laune ist vortrefflich. Wenn sie nur so bleibt. Wilhelm brachte mir Luisens Brief wieder, der Dich tief rühren wird. Man sieht, wie sie in Schmerz versunken sind und in Besorgniß für die Zukunft. In Frankfurt ist das Ministerium abgetreten.80 Ich bin neugierig, was es für Folgen haben wird. Noch dankte ich nicht für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreute. Bey Euch [ist] ja alles glücklich abgelaufen, Gott sey Dank, und in Streliz haben unsere Cuirassire imponirt. George von Streliz ist in Berlin und kömmt heute zum Familiendiné hieher. Wohl 77 König Wilhelm II. der Niederlande (1792–1849), gest. am 17. März. 78 Nach den Berliner Barrikadenkämpfen am 18. März 1848 wurden 183 Särge der gefallenen Zivilisten auf den Treppen des Deutschen Doms am Gendarmenmarkt öffentlich aufgebahrt. Anschließend wurden die Särge zum Stadtschloss getragen und zuletzt auf einer Gedenkstätte in Friedrichshain beigesetzt. 79 = Gicht. 80 Das Reichsministerium unter Heinrich von Gagern (1799–1880) trat erst im Mai zurück.
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hast Du recht, daß Constitutionen zu Intriguen führen. Das ganze System ist ja darauf hingewiesen, ein wahres Lügen System, daß sich Gott erbarme! Gott hat mich zur Strafe meiner Sünden in der jetzigen Zeit leben lassen, wo ich so gar nicht hinein passe und mich dagegen sträube mit Händen und Füßen. Die Estorf81 wollte wirklich weg von Marianne. Luise schrieb, weil ihr die Augen aufgingen, Marianne sagt, sie sey zu kränklich und alt. Nun hat sie sich dennoch entschlossen noch zu bleiben. Mit der Gemahlin des Heiligen82 waren arge Scénen, und obgleich noch im Hause, ist sie ihres persönlichen Dienstes bey Marianne enthoben. Der Tod des armen Wilhelm ist für Marianne ein unberechenbares Unglück. Er konnte auch nichts mit ihr ausrichten, aber er war doch eine Stüze für sie. Ich bin abermals unterbrochen worden, ging dann mit Fritz spazieren, Wilhelm und Auguste gesellten sich dazu und später Marie und Sohn.83 Jetzt haben wir gegessen, und heute Abend kommen wir wieder zusammen. Dein Wilhelm war auch hier. Er pflegt sehr liebevoll den Lieutenant Graf Mengersen84 von der garde du corps, der sich den Fuß an drey Stellen gebrochen hat. Ich habe mit Rauch wegen Hänlein85 gesprochen. Er wird sich genau nach seinen Verhältnissen erkundigen. Ich glaube, die Schuldenmasse ist sehr groß. Nun endlich addio, sonst wird der Brief gar zu confus. Ich umarme Dich und Deine Kinder, der Dicke thut es auch. Schicke mir den Brief bald zurück. Mit treuer [Liebe], Deine Elis Schwerin, den 6ten April 1849 Ich fürchte, ich werde Dich mit meinem ewigen Schreiben langweilen, da ich nichts Interessantes berichten kann. Allein, diesmal kann ich meinen Fritz nicht so abreisen laßen, ohne Dir zu sagen, wie schwer es mir wird, ihn nicht begleiten zu können. Indeßen, er wünschte es nicht und grade jetzt, wo die schäusliche Kammer nicht zusammen, ist man etwas besser und freier aufgelegt zu kleinen Ausflüchten, und ich hätte gerne Euch alle wiedergesehen in diesem entscheidenden Moment. Die Antwort, welche Bruder Fritz an den Frankfurter gegeben,86 ist wundervoll, so recht eines Preußischen Königs würdig. Alle Preußische Herzen schlugen hoch und stolz. Was nun das Zweite betrifft, wird ja die 81 Baronesse von Estorff, Hofdame bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande. 82 Catharina Wilhelmina Keijzer (gest. 1861), verh. Johannes van Rossum (1809–1873), Lebensgefährte der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 83 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn von Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 84 Karl Hubert Bruno Graf von Mengersen (geb. 1820), preuß. Sekondeleutnant beim Regiment Garde du Corps. 85 Johann Christoph Ferdinand Ludwig (Louis) von Hänlein (1790–1853), preuß. Gesandter in Hamburg und auch zuständig für Mecklenburg. 86 Antwort auf die König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 3. April von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserkrone.
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Zeit lehren, ob es gut ist. Auguste hat sich ja wieder recht ihrer würdig betragen mit der soirée an den Frankfurter, wo sie selbst den Thee gemacht.87 Der Krieg in Dänemark hat auch wieder begonnen.88 Wie wird es uns armen Küstenbewohnern ergehen?! Ihr seid auch wohl am Donnerstag zum heiligen Abendmahl gegangen. Gott möge es uns allen segnen und uns inneren Frieden geben. Es hat uns gestärkt und mit Muth begabt für die neuen Stürme, die uns die Zeit noch bringen wird. Wir bedurften es recht, denn ich finde der Karakter ist nicht besser geworden. Man hat doch viel Egoiertes bekommen, wo von ich wenigstens früher frei war. Nun, der Herr ist mild und sanftmütig und geht nicht mit uns ins Gericht, wenn er sieht, daß wir es offen bekennen und bereuen. Wann werde ich dich wohl wiedersehen, meine Elis? Und was wird bis dahin alles geschehn? Gerne hätte ich Brandenburgs89 auch wiedergesehen, einstweilen grüße sie von mir und nun lebe wohl, Gott mit Dir und Fritz und mit Preußen. Deine alte treue Adine Charlottenburg, den 9ten April 1849 Dießmal habe ich leider lange geschwiegen, meine Adine, und Du hast mich durch den Brief, den mir Fritz90 brachte, recht beschämt und erfreut. Er soll Dir meinen Dank mit bringen. Es war uns sehr lieb ihn zu sehen, er war heiter und froh hier zu seyn. Wie schade, daß Du nicht mit kamst, aber ich hoffe, Du entschädigst uns bald. Heute Abend sind Deine Söhne im Theater, und Fritz ist eben auch hingefahren. Ich wollte Dir in Potsdamm schreiben, aber da war ich die ganze Zeit misérable und die langen Kirchen griffen mich sehr an. Seit der Nachricht aus Frankfurt von der Kayserwahl91 kann ich mich nicht mehr zurecht finden. Ich erschrack so, ich hatte gehofft, wir wären über den Berg. Seitdem taugt mein Kopf nichts, ich habe alle Augenblicke Schwindel und einen so schweren Kopf. Heute wieder, aber heute Abend kann ich doch wieder schreiben. Gottlob, die Sache nahm eine bessere Wendung. Fritzens Antwort hat die Deputisten schrecklich geärgert (aber in Berlin ist die Aufregung wieder darüber). Das diné nachher war gräßlich, ich werde das nie vergessen. Eine Soirée bey Wilhelm soll merkwürdig gewesen seyn. Wir92 waren äußerst liebenswürdig, brachten selbst den Thee herum, Marie hingegen recht taktvoll, sagte mir Mathilde, die zu ihrer größten Verlegenheit den Abend mit87 Prinzessin Augusta von Preußen hatte die Abgesandten der Frankfurter Nationalversammlung in Berlin empfangen und damit ausgezeichnet. 88 Nach der Kündigung des Waffenstillstandes von Malmö am 22. Febr. flammte der Deutsch-Dänische Krieg im April 1849 wieder auf. 89 Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) und Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). 90 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin zu Besuch in Charlottenburg. 91 Gemeint ist die König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 3. April von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserkrone. 92 Gemeint ist Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach.
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machte und dick und dünn über ihren Mann hören mußte.93 Wie fühle ich mit, was Du über die Feyer des Abendmahls sagst. Ja wohl wird man nicht besser. Was ich mit mir zu kämpfen habe, Du glaubst es gar nicht. Ich war so bitter, so aufgeregt, mir selbst unerträglich, und troz meiner guten Vorsäze in diesen heiligen Tagen falle ich in meine alten Fehler zurück. Von Stolberg nahm ich vorher Abschied. Er geht nach Schlesien zurück, aber seine Frau bleibt noch in Potsdamm.94 Wir werden wohl am 17ten hingehen. Es war schön dort, aber doch kam ich sehr gern hieher zurück, denn die Ruhe hier ist zu wohlthätig. Der Admiral Ariens95 wurde aus dem Haag geschickt und hat mir einen langen Brief von Luise gebracht, sehr betrübt, recht interessant. Gottlob, bis jetzt geht es gut mit dem neuen Herrn.96 […]97 heute vor acht Tagen waren wir in Freyenwalde und fanden Luise98 sehr wohl und munter. Ihr établissement im hübschen Schloß ist freundlich und allerliebst. Wie dachte ich der Radziwills, der lieben Elisa, die ich dort todt gesehen!99 Soviel ich weiß, geht es den Toskanischen Prinzessinnen ganz gut in Gaéta. Der Großherzog und seine Frau und Kinder wohnen in Mola di Gaéta , die Großherzogin Witwe und Erzherzogin Luise in einen kleinen Ort ganz nahe, und zum Essen kommen sie täglich zusammen in Mola di Gaéta.100 Sie werden sich gewiß Eures Andenkens freuen. Das Auffliegen der dänischen Schiffe ist mir unbegreifflich. Es scheint mir sehr ungeschickt. Es ist ein Sieg, über den man sich nur mit Schauder freuen kann. Lieber denke ich nach Italien, wo so Gott will der Friede rasch den Siegen folgen wird. Welch glückliches Alter hat der alte Radetzky!101 Karl Albert102 jammert mich doch, obgleich er es nicht besser verdiente. Nun will ich enden, um vor dem Thee noch Amelie Dönhof103 zu besuchen, die schon lange unwohl ist. Elise Rauch geht morgen nach Ivenack. Der arme Vater wird sie 93 94 95 96 97 98 99 100
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Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, verh. mit Luise Freiin von der Recke (1787–1874), besaß das Schloss Kreppelhof in Niederschlesien. Peter Arriens (1791–1860), niederl. Konteradmiral. König Wilhelm II. der Niederlande war am 17. März gestorben und sein Sohn König Wilhelm III. (1817–1890) hatte den Thron bestiegen. Wort nicht zu entziffern. Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. Prinzessin Elisa Radziwill war 1834 im Schloss Freienwalde an Tuberkulose gestorben, wo sie sich zur Kur aufgehalten hatte. Die Familie von Großherzog Leopold II. von Toskana, Erzherzog von Österreich (1797–1870), lebte im Exil, darunter die Großherzoginwitwe Maria von Toskana, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen (1796–1865), und die Schwester des Großherzogs Prinzessin Maria Luisa von Toskana, Erzherzogin von Österreich (1798–1857). Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766–1858), österr. Feldmarschall. Karl Albert (1798–1849), 1831–1849 König von Sardinien-Piemont und Herzog von SavoyenCarignan. Nach der Niederlage gegen die österr. Truppen unter Feldmarschall Graf Radetzky am 23. März bei Novara dankte er zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. (1820–1878) ab und ging nach Portugal ins Exil. Amalie Gräfin von Dönhoff (1808–1871), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen.
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schmerzlich vermissen.104 Es geht ihm besser, aber er reibt sich auf. Ich umarme Dich, mit Luise. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 13ten April 1849 Dein lieber Brief durch Fritz hat mir rechte Freude gemacht, meine Elis, und er war sehr glücklich über die freundliche, herzliche Aufnahme, die er bei Euch gefunden. Es hat ihm wohl gethan, euch wiederzusehen, sich aussprechen zu können und zu hören und zu sehen! Ach, in welchen kritischen Augenblick leben wir wieder. Wie wird sich dies lösen? Gott wird helfen, aber ich fürchte, wir kommen in schwere, schwere Lagen. In Ungarn sieht es schlimm aus. Wie viel Menschen sind schon hingerafft und wie mag es jetzt dort aussehen? Hier in Deutschland gährt es mehr wie je. Die Demokraten sind zu einig und kräftig dadurch und unermüdlich. Heute soll es in unserer scharmanten Kammer stürmisch werden wegen der Kaiserfrage.105 Die Osterferien haben sie benutzt, um Orders von Außen herzuholen. Es ist eine gräuliche Zeit! Außerdem hat jeder Mensch noch mit anderen Trübsalen zu kämpfen. So erinnerst Du Dich vielleicht, daß ich Dir sagte, Herr von Maltzahn Sarow, Erblandmarschall in Pommern, der eine Tochter von Graf Plessen aus Ivenack hat und eine Freundin von Luise ist, und den Winter hier war.106 Der steht jetzt so, daß er alles verliehrt oder verlohren hat. Eine Menge Kündigungen sind ihm gemacht. Bis zum 1ten Mai soll er wenigstens 40.000 Reichstaler bezahlen und hat garnichts, theils durch eigene Schuld, theils Unglück. Da ist mir die Idee gekommen, ob Bruder Fritz nicht vielleicht helfen könnte. Ich weiß, er hat noch kürtzlich Graf Renar107 und in Preußen ein paar Famillien gerettet. Vielleicht thut er es hier. Rauch, wenn Du ihn danach fragen wolltest, wird Dir Näheres sagen können, obgleich es ihm vielleicht peinlich, da es sein Neffe ist. Er soll das Guth verkaufen. Aber wer kauft jetzt, und wie schlecht denn? In Ivenack stehet es auch schlecht, der kann dem Schwiegersohn nicht helfen.108 Es ist ehlend über ehlend. Wenn Du etwas thun könntest, Du würdest Dir den Lohn des Himmels verdienen. Oder könntest Du mir einen anderen Weg angeben, irgent ein Mann, an dem ich schreiben könnte, um es an Bruder Fritz vorzutragen, an Iller109 habe ich schon gedacht oder einen Minister? Ich komme mir wie Friederike aus Dessau 104 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 105 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte die ihm am 3. April von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserkrone abgelehnt. 106 Gustav von Maltzahn auf Sarow (1817–1871), verh. mit Cecilie von Maltzahn, Gräfin von Plessen (1823–1863), Tochter von Gustav Helmuth Theodor Dietrich von Maltzahn, Graf von Plessen, Majoratsherr auf Ivenack (1788–1862). 107 Andreas Maria Graf von Renard (1795–1874), schles. Magnat. 108 Gustav Helmuth Theodor Dietrich von Maltzahn, Graf von Plessen, Majoratsherr auf Ivenack (1788–1862). 109 Ernst Emil Illaire (1797–1866), Geh. Hofrat und Hofstaatssekretär bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, ab 1849 Chef des Zivilkabinetts.
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vor, die auch immer solche Anliegen hat. Dies Mal betrifft es aber einen Preußen, eine alte pommersche Famillie. Nun Adios, Fritz legt sich zu Füßen. Er hat mir viel erzählen müßen. Er meint, eine gewiße Person sei Deutsch verrückt und spreche mit niemand.110 Deine Adine Schwerin, den 5ten Mai 1849 Du wirst gewiß nicht begreifen können, geliebte Elis, warum ich Dir in dieser von neuem bewegten Zeit nicht geschrieben, aber wir waren nach Ludwigslust, um Wilhelm zu besuchen, und da bekam ich wieder so einen heftigen Anfall von Fieber, der mich ganz umwarf, und ich erst seit gestern anfange, mich zu erholen. Meiner Handschrift wirst Du es auch anmerken, daß ich noch matt bin. Aber nun kann ich nicht länger warten. Nach den Ereignißen, die in Dresden vorgegangen, muß ich Dir schreiben. Heute Morgen erfuhren wir es erst, wie ich eben zur Parade herausfahren wollte. Ich bin ganz ergriffen, aber Gott wird Deinem Schwager beistehen, und er wird nicht so ohnmächtig sein wie der König von Würtemberg.111 Dafür wird Bruder Fritz schon sorgen. Er wird ihm beistehen. Aber was erlebt man nun wieder alles? Vielleicht geht es uns selbst nicht besser. Den 7ten. Leider wurde ich unterbrochen neulich, und nun ist mein Brief nicht fertig geworden. Aber nun soll er fort. Deine Geschwister und der König sind wenigstens in Sicherheit auf dem Königstein, und der König benimmt sich, wie es einem König und getreuen Vater seines Volks thun muß. Der Seegen wird nicht ausbleiben. Das Beispiel von Würtemberg thut auch das seine dazu. Hätte man das je von dem eigensinnigen König gedacht? Wie wird es nun im Braunschweig werden? Ich vertraue der klahren Einsicht und der Festigkeit des Herzogs. Welches Glück, daß er in Blankenburg, also aus den Händen seiner Minister und Geschmeiß, ist.112 Das schöne Wetter hat uns auch wieder verlaßen. Es ist kalt wie im Winter. Ihr seid wohl noch in Charlottenburg. Da ist es warm und Du bist dort gut aufgehoben, besser wie in Potsdam. Es ist alles schon so grün. Die himmlischen Buchen waren so prächtig belaubt, alle Obstbäume in Blüthe. Nun wird alles zusammenkriechen. Wir wollten Donnerstag nach Ludwigslust auf einige Wochen. Nun werden wir erst Sonnabend hin, weil Oberst Witzleben113 mit der Garnison manövrieren will. Und dabei 110 Verm. Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 111 Der revolutionäre Maiaufstand in Dresden hatte die Flucht des sächs. Königs Friedrich August II. (1797–1854) und seiner Familie auf die Festung Königstein zur Folge. König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864) musste die Reichsverfassung anerkennen. 112 Herzog Wilhelm von Braunschweig (1806–1884) hatte sich in die Grafschaft Blankenburg im Harz zurückgezogen, die zum Herzogtum Braunschweig gehörte. Gemeint ist vor allem der reformorientierte Minister Wilhelm von Schleinitz (1794–1856), der, wie auch in MecklenburgSchwerin der Erste Minister Ludwig von Lützow, vor und nach dem März 1848 im Amt war. 113 Klamor August Ferdinand von Witzleben. (1800–1859), preuß. Offizier und Oberst in meckl.schw. Diensten.
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muß ich sein. Das interessiert mich zu sehr. Er ist von seinen Untergebenen sehr geliebt und geachtet und bringt Ordnung und Leben hinein. Vielleicht bekömmt er auch ernstere Dinge zu thun, denn es wäre ein Wunder, wenn es hier ruhig bleiben sollte. Morgen wird der schönen Kammer eröffnet, daß wir uns Preußen anschließen und die Verfaßung nicht ehe anerkennen, bis Preußen es gethan. Das wird wohl einige Sätze geben. Eigentlich freut sich alles, wenn es einen ernsten Zusammenstoß giebt.114 Wenn nur aus Ungarn erst bessere Nachrichten kämen. Das wäre auch von so großer Wichtigkeit und Einfluß. Gott schütze Alle und die Gute Sache. Er sei mit Euch und uns. Deine treue Adine Daß Du Deine Schwester Sophie nicht hast sehen können in Teplitz, finde ich sehr hart und doch vielleicht ein Glück. Es hätte Dich vielleicht grade nach Dresden geführt in diesen Tagen der Unruhe. Charlottenburg, den 11ten May 1849 Es war mir ganz unheimlich, daß ich so ewig lange nichts von Dir gehört hatte, meine Adine, daß ich auch gar nicht erfahren konnte, was aus Deinem Wilhelmchen geworden war. Aber das wußte ich wohl, daß Du Antheil an meiner neuen Angst und Sorge nehmen würdest. Es waren wieder schreckliche Tage, aber so Gott will wird der Sieg der guten Sache in Dresden und vor allen die Festigkeit meines guten Schwagers einen wohlthätigen Einfluß auf ganz Deutschland haben und eine Warnung für die Schlechten seyn.115 Vorgestern Abend kam die glückliche Nachricht, daß Dresden von den Truppen ganz eingenommen sey, durch den Lieutenant Hülsen vom Kayser Alexander,116 den ich gestern sprach und der uns viel und interessant erzählte. Unsere Truppen waren wie immer prächtig und die sächsischen nicht minder. Wiewohl in so geringer Zahl gegen eine empörte Stadt, die unglaublich gut und geschickt vertheidigt wurde, hielten sie sich tapfer und wankten nicht, aber ihre Freude war auch groß, als unsere Truppen kamen. Sie fochten zusammen und sind die besten Camaraden geworden, und gewiß ist auf diese Art die deutsche Einigkeit eine bessere als die heillose Frankfurter. Was ich ausgestanden habe, bis ich wußte, daß meine Geschwister und die Kinder sicher auf dem Königstein waren, kann ich Dir nicht ausdrücken. Das Herz wollte mir springen. Erst gestern bekam ich Briefe von dort. Einer von Amelie ging verloren, da die Post in den Händen der Rebellen war, und den gestrigen bekam ich mit genauer Noth, denn der Post Beamte, der von Görliz nach dem Königstein geschickt worden war, wurde bey der Rückkehr dort durch die Comunal Garde in Schandau verhaftet und den ganzen Tag dort behalten, bis man den Sieg der Truppen in Dresden erfuhr. Den Mittag hatte ich einen Brief von 114 Wegen der Anerkennung der Reichsverfassung. 115 Gemeint ist die militärische Niederschlagung des Maiaufstandes in Dresden. 116 Botho von Hülsen (1815–1886), preuß. Premierleutnant im Kaiser Alexander Garde-GrenadierRegiment Nr. 1, beteiligt an der Niederschlagung des Dresdener Maiaufstandes.
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Marie117 durch einen hiesigen Postbeamten, den […]118 geschickt hatte mit meinen Briefen und der das Glück hatte, auf demselben Dampfboot nach dem Königstein zu kommen, das die gute Nachricht des Sieges überbrachte. Sie hatten sie übrigens schon erfahren, als sie auf der Kreuzkirche die weiße Fahne entdeckten. Sie sahen dort oben alles, den Brand des alten Opernhauses und Zwingers, hörten den Canonen Donner und konnten nur selten sichere Nachrichten bekommen. Uebrigens geht es ihnen gut auf ihrem schönen Felsen. Sie leben dort ganz patriarchalisch mit den Kindern, fast ohne Umgebungen, die Aussicht ist herrlich. Aus den Zeitungen wirst Du viele détails über den […] stündigen119 Kampf erfahren haben. Glücklicherweise war der Verlust des Militairs nicht groß, aber Dresden hat sehr gelitten. Alexander Solms120 ist mit seinen Husaren angekommen, als schon alles vorbey war, doch bleibt noch manches zu thun, um die flüchtigen Rebellen einzuholen. Die Polen waren natürlich wieder dabey. Eine entsezlich traurige Sache ist der Tod des Prinzen von Rudolstadt, der im hôtel de Rom durch die Soldaten umkam, die ihn für einen Rebellen ansahen.121 Er hatte sich geweigert in den Keller zu gehen, wie die übrigen unschuldigen Bewohner des Hauses, und er und seine Kammerdiener kamen den Soldaten mit Pistolen entgegen. Die arme alte Mutter122 jammert mich unbeschreiblich. Erlaucht reiste den ersten Tag des Kampfes hieher zurück und erzählte mir viel. Sie ist wohl und wird wohl bald nach Potsdamm ziehen. Wären wir nur auch schon da. Es ist jetzt prächtig dort. Wir waren von Sonnabend bis Mondtag dort, und ich lief den ganzen Tag herum von einen Garten in den andern, konnte mich nicht satt sehen und ging ungern fort. Es ist jetzt kalt und unfreundlich, und ich werde oft ganz melancholisch. Rauch, der Gottlob wieder wohl ist, wird nach Warschau gehen, um den Kayser zu becomplimentiren, der wohl den 18ten dort ankommen wird. Wäre nur der Krieg mit Dänemark zu Ende, das Einrücken in Jütland ist gräulich.123 Es scheint, Dein Wilhelm ist noch nicht fort? Der junge Kayser124 ist wohl schon in Ungarn, das ist eine neue Angst. Gott gebe, daß es dort endlich besser werde, es wäre Zeit. Ich denke, die Russen werden helfen. Ich bin neugierig zu hören, was Eure schönen Kammern auf die Eröffnung geantwortet haben.125 Gottlob, daß man kräftiger spricht. In Frankfurt scheint die Sache zu Ende zu gehen. 117 118 119 120 121
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Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). Wort nicht zu entziffern. Erster Teil des Wortes nicht zu entziffern. Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Major und Kommandeur des HusarenRegiments „von Zieten“ Nr. 3. Prinz Wilhelm von Schwarzburg-Rudolstadt (1806–1849), österr. Oberst, hatte sich für eine medizinische Behandlung in Dresden aufgehalten und wurde am 6. Mai in seinem Hotel irrtümlich durch königlich-sächs. Soldaten erschossen. Prinzessin Luise Ulrike von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg (1772–1854). Im April waren die deutsch-preußischen Truppen nach Dänemark vorgestoßen und belagerten Fredericia, was die Großmächte England und Russland auf den Plan rief. Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). Zur Anerkennung der Reichsverfassung.
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Ich sprach so viel und sage gar nichts von Deiner Gesundheit. Woher kam das Fieber? Hast Du Dich erkältet? Du schonst Dich gewiß nicht genug. In Braunschweig hat William, wie ich höre, nachgegeben.126 Er schrieb mir aus Blankenburg, als es bey ihm anging. In Würtemberg soll der Zustand gräßlich seyn. Der König hat gar keine Macht mehr. Wie gefällt Dir, was er vom Haus Hohenzollern sagte, ohne alle Nothwendigkeit, nur so die eine sottise.127 Er hat sich unglaublich benommen. Heute Mittag wird wieder ein neues Brautpaar bey uns essen, Graf York und die älteste Olfers.128 Es ist unerhört, wie man jetzt bey uns heyrathet. Auguste Caniz schmachtet nach der Rückkehr ihres Massows.129 Sie ist wirklich in ihn verliebt. Fritz Wilhelm130 ist in Potsdamm und exercirt und ist glückselig, die Mama trinkt den Carlsbad, ich habe sie beynahe 14 Tage nicht gesehen, auch Mary nicht. Ihre Tochter131 ist wieder hier und recht wohl und munter. Ich sah sie erst einmal. Albrechts Kinder sind heute vor acht Tagen abgereist. Da habe ich Dir nun eine Menge Neuigkeiten erzählt. Schreibe bitte bald wieder, wie es Dir geht. Unser armer Keller ist in Potsdamm misérable, so matt wie eine Fliege und hustet immer noch.132 Mir wird oft ganz bang für ihn. Der Dicke umarmt Dich. Und nun lebe wohl, meine Adine, grüße herzlich Deine Kinder. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 25ten Mai 1849 Du bist immer so gnädig und freundlich für meinen Wilhelm, daß ich Dir doch schreiben muß, daß er am 22ten mit den Dragonern ausmarschiert ist, glücklich und voller Muth für die Gute Sache zu kämpfen.133 Wie mir aber zu Muth war beim Abschied und als er vorbeimarschiert, kann ich Dir nicht beschreiben, und noch jetzt ist mir wehe im Herzen. Und doch gönne ich ihm dieses Glück, und er wird ja an der Seite der braaven 126 Zur Anerkennung der Reichsverfassung. 127 Verm. eine Äußerung im Zusammenhang mit der militärischen Besetzung der Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen durch preuß. Truppen seit 1848 und deren geplanter Eingliederung in das Königreich Preußen. Die beiden Fürstentümer lagen mitten im Königreich Württemberg und waren 1803–1806 durch eine Bündnis mit Napoleon der Mediatisierung entgangen. König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864) war ohnmächtig gegenüber der Revolution und den militärischen Aktionen Preußens in Südwestdeutschland. Am 25. April hatte er auf Druck seiner Kammer und Regierung die Reichsverfassung anerkennen müssen. 128 Hans David Ludwig Yorck von Wartenburg (1805–1865), Majoratsherr auf Klein Oels, heiratete Nina von Olfers (1824–1901). 129 Auguste Freiin von Canitz und Dallwitz (1822–1904), verlobt mit Ludwig von Massow (1794– 1859). 130 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). 131 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 132 Alexander Graf von Keller (1801 –1879), preuß. Hofmarschall und Intendant der Königl. Gärten. 133 Auch meckl. Truppen waren an der Niederschlagung der Revolution in Baden und in der Pfalz beteiligt.
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Preußen kämpfen. Das ist doch auch etwas schönes. Mein Gott, wie sieht es aber in Baden und in der Pfalz aus! Wie kann ein Volk so untergraben sein. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn man die Grenze besetzte und sie unter einander sich austoben ließe, bis sie selbst einsehen, was für Unglück sie über sich selbst gebracht. Die Menschen jetzt wollen immer erst glauben, wenn sie selbst fühlen. Vernunft hören sie nicht. Die Zeitung spricht als wenn Baiern und Östreich wieder sich nicht mit Preußen vereinigen wollten. Das wäre doch ein Unglück, aber sie treiben es so lange bis sie Preußen zwingen, allein aufzutreten und allein zu handeln, und das wäre vielleicht doch ein Glück. Ich habe mich heute entschloßen, doch nach Marienbad zu gehen, und zwar am 5ten Juny abreise, bei Euch in Charlottenburg oder Potsdam am 6–7ten zu bleiben und den 8ten nach Altenburg zu gehen. Sehr lieb würde es mir sein, wenn ich vorher erfahren könnte, wo ich Euch antreffe. Den 7ten bringen wir wohl wie immer still zu. Ich freue mich so, Dich wiederzusehen. Die Schön Schwestern hoffe ich sind dann auf ihren Lustschlößern, damit wir den einen Tag ungestöhrt beisammen sein können. Was hast Du für Nachrichten von Deinen Schwestern vom Königstein? Man sagt, der König134 sei sehr krank. Ist das wahr? Und Dein Bruder Karl,135 der auch so gefährlich krank war, nun ist er in Besserung, wie es scheint. Und aus Wien, was für Nachrichten von den Schwestern. Mir ist sehr bang für den neuen Krieg in Ungarn, doch zwei solche Mächte wie Östreich und Rußland müßen doch siegen.136 Nun leb wohl, Gott mit Dir, an Bruder Fritz viel Liebes. Deine Adine Sans Souci, den 28ten May 1849 Vor allem, meine Adine, lass Dir sagen, wie wir uns freuen Dich wieder zu sehen. Wenn es auch nur leider auf so wenig Tage ist, so thut es doch wohl sich aus zu sprechen. Du sihst, daß wir nun endlich im lieben Sans Souci sind. Vorgestern entschlossen wir uns ganz schnell heraus zu ziehen, und die Pfingsttage sind so herrlich, daß ich doppelt froh bin hier zu seyn. Du wirst uns also hier finden, aber den 7ten werden wir wohl in Charlottenburg zubringen. Die Schönen Schwestern137 denken noch gar nicht daran, auf ’s Land zu gehen. Auguste hat das kalte Fieber gehabt und ist noch nicht ganz davon befreit. Mary trinkt einen Brunnen in Berlin, und da ihre Tochter jetzt in Bellevue seit vorgestern établirt ist, so ist das ein Vorwand mehr, um in Berlin zu bleiben, und mir ist es ganz recht. Wie begreiffe ich, was Du empfandst, als Dein Wilhelm abzog. Gott schüze den lieben Jungen und bringe ihn wohlbehalten zurück. Eine so entsetzliche Verwirrung, wie jetzt in Deutschland herrscht, ist glaube ich noch nicht da gewesen. Fritz ist in einer 134 König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854). 135 Prinz Karl von Bayern (1795–1875), Bruder der Königin Elisabeth von Preußen. 136 Österreich war auf russ. Hilfe angewiesen bei der Niederschlagung der ungar. Unabhängigkeitsbestrebungen. 137 Die Schwestern Prinzessinen Marie und Augusta von Preußen, geb. Prinzessinnen von SachsenWeimar-Eisenach.
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Lage, deren Lösung nur durch ein Wunder Gottes kommen kann. Aber ich bitte Dich, daß dieß unter uns bleibt. Er ist sehr bekümmert und gedrückt. Rauch kam heute Morgen aus Warschau zurück und fand den Kayser gealtert und so ernst, daß kein freundliches Gesicht mehr zu sehen ist, kein leiser Scherz, er denket nur an das Unglück der Zeit. Mein Neffe Franz138 hat Rauch sehr gefallen. Noch konnte ich nicht ordentlich mit ihm sprechen und ihn ausfragen. Er selbst hat sich sehr erholt, siht wirklich besser aus. Vom Königstein habe ich oft und gute Nachrichten, die Luft bekömmt ihnen allen wohl, auch besonders dem König,139 den man, Gottlob ohne alle Ursache, beständig krank sagt. Sie haben oft Besuch oben, auch von unsren Offizieren. Alexander Solms140 war auch zum diné oben. Ich fürchte nur, Amelies Kräfte werden es in die Länge nicht ertragen, die Kinder den ganzen Tag um sich zu haben, ohne je allein und in Ruhe zu seyn. Die traurigen Begebenheiten in Baden haben mich bestürzt und sehr geängstigt. Der arme Fritz von Baden141 ist von den rebellischen Soldaten schrecklich behandelt worden. Der Großherzog ist in Coblenz, wo er an Fritz geschrieben hat, Sophie und ihre Kinder Gott weiß warum in Brüssel und Fritz in Frankfurt, wohin auch der Großherzog gehen will, mir auch unbegreiflich, denn alle, die in Frankfurt sind, suchen heraus zu kommen.142 In der Pfalz geht es auch bunt zu. Noch hoffe ich, daß Alt-Bayern fest und treu bleiben wird!143 Gott, in welcher Zeit leben wir! Frau von Oseroff (Röschen Schlippenbach)144 ist aus Carlsruhe geflohen und hat mir viel détails erzählt. Der Mann ist noch dort geblieben. Durch sie habe ich allerley von der Großfürstin Helene145 erfahren, das mich bey ihrem intriganten Geist nicht wundern kann. Für Max Leuchtenberg146 war ich recht besorgt und bin es noch, doch beruhigt es mich, daß er Seebäder in Estland nehmen soll. Da kann wenigstens keine Lungenschwindsucht zu fürchten seyn. Seine Frau ist wieder in 138 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 139 König Friedrich August II. von Sachsen (1797–1854). 140 Prinz Alexander zu Solms-Braunfels (1807–1867), preuß. Major und seit Mai 1848 Kommandeur des Husaren-Regiments „von Zieten“ Nr. 3. 141 Prinz Friedrich (I.) von Baden (1826–1907). 142 Großherzog Leopold I. von Baden (1790–1852), seine Ehefrau Großherzogin Sophie, geb. von Holstein-Gottorp (1801–1865), und ihre Kinder, darunter der zweite Sohn Prinz Friedrich (I.) von Baden (1826–1907). 143 Die Kerngebiete der vorm. kurfürstlichen Pfalzgrafschaft bei Rhein (Kurpfalz) und weitere ehem. weltliche und geistliche Territorien waren nach dem Wiener Kongress als Rheinkreis dem Königreich Bayern zugeschlagen worden, 1837 umbenannt in Pfalz oder Rheinpfalz, mit der Hauptstadt Speyer. Im Mai 1849 kam es im Zuge der Revolution zum sogenannten Pfälzischen Aufstand mit dem Ziel, eine von Bayern unabhängige Pfälzische Republik zu gründen und die Reichsverfassung anzuerkennen. Zum sogenannten Altbayern und damit zum bayerischen Kultur- und Sprachraum zählen Ober- und Niederbayern und die Oberpfalz. 144 Rosalie von Schlippenbach (1808–1871), ehem. Hofdame der Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, verh. 1832 mit Iwan Petrowitsch von Ozerow (1806–1880), russ. Kammerherr und Staatsrat, seit 1831 russ. Legationssekretär in Preußen, 1846–1854 russ. Gesandter in Baden. 145 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 146 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852).
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anderen Umständen, auch die Cesarewna, was ich besonders ängstlich finde bey ihrer schwächlichen Gesundheit.147 Wir haben Donnerstag ein énormes Diné in Charlottenburg gegeben, in der großen Gallerie. Seit dem Jahr [18]38 war nichts mehr in den schönen Räumen gewesen. Wie sie mich an die gute, alte Zeit erinnerten, an meine Jugend, an den theuren Papa! Wir hatten alle Engländer wegen dem Geburtstag der Königin und eine Menge Militair, denn es waren Uebungen Mitwoch und Donnerstag, die sehr schön waren. Frau von Rochow aus Petersburg war auch da und ihre Tochter Ugarte.148 Die arme Rochow ist recht gealtert und hatte gerade den Tag arge migraine. Nun muß ich enden, meine Adine, wie freue ich mich, Dich und Luise wieder zu sehen. Der Dicke umarmt Dich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Rauch war eben bey mir und hat mir viel erzählt, leider recht betrübte Nachrichten von Max.149 Der Kayser ist sehr besorgt für ihn.
Schwerin, den 3ten Juny 1849 Meine liebe Elis, ich will mich nur heute bestimmt zu Dienstag am 5ten anmelden. In Nauen werden wir dann wohl erfahren, wo ich euch finde, denn nach der Zeitung seid ihr wieder in Charlottenburg. Ich freue mich unbeschreiblich also am 6ten wenigstens Dich genießen zu können, da die Schönschwestern Berlin in der Hitze vorziehen vor dem himmlischen Aufenthalt bei Potsdam. Oder ob sie sich vielleicht fürchten, aus dem Belagerungskreis zu gehen? Nun, ich werde es wohl am 7ten selbst hören, wie sie es finden. Du wirst wohl verzeihen, wenn ich in schwartz komme, weil ich auf Reisen nichts anderes mithabe. Was macht der Reichsverweser mit seinen Ministern allein noch in Frankfurth?150 Der überlebt sich komplett. Jeder Tag bringt etwas anderes. Was wird bis Dienstag noch alles kommen! Leb wohl, auf Wiedersehen. Deine alte Adine 147 Marija de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), und ihre Schwägerin Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), verh. mit dem Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881), waren beide schwanger. 148 Mathilde Elisabeth von Wartensleben (1797–1884), verh. 1817 mit Theodor von Rochow, genannt von Briest (1794–1854), preuß. General und Gesandter in Russland, und ihre Tochter Elisabeth Karoline Luise von Rochow (1822–1896), verh. 1845 mit Joseph von Ugarte (1804–1862), österr. Diplomat. 149 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 150 Nachdem die um ihre Legitimität kämpfende Frankfurter Nationalversammlung als Rumpfparlament nach Stuttgart ausgewichen war.
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Preußen steht schön da, so erhaben über alle Kleinigkeiten, die die Menschen jetzt leiten. Ich bewundere und liebe Fritz mehr wie je. Mache nur, daß ich Brandenburgs151 sehe. Ich freue mich so zu ihnen. Sans Souci, den 11ten Juny 1849, Mondtag Meine Adine, es wird Dir lieb seyn zu erfahren, daß Wilhelm gestern Abend über Hannover und Cölln nach Maynz ist, um den Befehl über unsre Truppen zu nehmen. So wehmüthig der Abschied war und so quälend der Gedanke an eine Gefahr für ihn, der so oft Unglück hat, so danke ich doch Gott, daß es so gekommen ist, und bete aus aus vollem Herzen für ihn. Fritz Karl152 ist mit ihm, strahlend vor Glück. Er siht allerliebst aus in der Husaren Uniform. Mit Wilhelm gehen seine beyden Adjudanten, Major Kirchfeldt, der bis jetzt bey Wrangel war, und unser Hiller, der auch gestern wie verklärt aussah.153 Aus Frankfurt schreibt man, daß man unsre Truppen nicht dulden, sie sogar mit Gewalt der Waffen verhindern will, nach Baden zu rücken. Hingegen will der große Louis seine Truppen nicht unter das Commando seines Onkels stellen und wird höchlich erfreut seyn, Wilhelm ankommen zu sehen.154 Aus Warschau sind auch Nachrichten gekommen. Rochow155 schreibt, nach den lezten Nachrichten lebe die kleine Großfürstin noch,156 und ein Arzt habe noch etwas Hoffnung, die anderen aber nicht, und Charlotte habe geschrieben, der Kayser möge sich auf die Trauerbotschafft gefaßt machen, denn sie habe keine Hoffnung mehr. Der arme Max157 war in Fall (in Estland)158 angekommen und fühlte sich merkwürdig wohl den andern Tag, dann aber wieder so schlecht, daß man ihn gleich eingeschifft hat nach Modina und Mary mit ihm. So ist er nun wohl auf immer weggezogen, der arme Max, und an eine Rückkehr wohl nicht mehr zu denken. Es ist doch zu, zu traurig! Ich fürchte, Du leidest von der Kälte in Marienbad. Hier ist sie sehr empfindlich nach der gräßlichen Hize, die Abende zumal sind ganz herbstlich. Fritz ist heute nach Bellevue, um die Minister zu sehen, kömmt zu Tisch zurück. Wie wehmütig ward mir, als 151 Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) und seine Ehefrau Mathilde, geb. von Massenbach (1795–1885). 152 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. 153 August Kirchfeldt (1802–1858), preuß. Major im Stab von General Friedrich Freiherr von Wrangel, und Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Beide waren abkommandiert als Adjutanten für Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888), der als Oberkommandierender die Bundestruppen zur Niederschlagung der Revolution in der Pfalz und in Baden befehligte. 154 Gemeint sind verm. Erbgroßherzog Ludwig (II.) von Baden (1824–1858) und sein Onkel Markgraf Maximilian von Baden (1796–1882), bad. Generalleutnant und Kommandant der bad. Truppen. 155 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Gesandter in Russland. 156 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849). 157 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 158 Schloss Fall (estn. Keila-Joa mõis) hatte Alexander Graf von Benckendorff (1781–1844) gehört, russ. General und Chef der Geheimpolizei.
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ich Dich fortgehen hörte Freytag. Gott seegne Dich und führe Dich glücklich und gesund zurück, und laße es hier und bey Dir nicht zu traurig werden bis dahin. Ich umarme Dich und Luise und bin mit treuer Liebe, Deine alte Elis Bodin159 schreibt, in welchen Respekt sich die Mecklenburger in Frankfurt sezen.
Marienbad, den 12ten Juny 1849 Wie glücklich war ich die 2 Tage, die ich wieder mit Dir in Sanssouci zugebracht, geliebte Elis. Freilich war es entsetzlich kurtz, und die Hitze machte einen noch schwächer wie sonst. Aber ich zehre an diese 2 Tage, denn von der Stille und Einsamkeit hier macht man sich keinen Begriff. Es ist auch keine Art von Umgang hier, einige Preußische Offiziere, indeßen nichts interessantes, und nun kömmt dazu das schlechte Wetter. Seit gestern Mittag regnet es bestendig, und den Sonnabend hatten wir solche Kälte, daß wir so gefrohren, da wir garnicht darauf eingerichtet waren. Eigentlich bin ich melankolisch. Es wird sich wohl geben, wenn erst die cour ihre gute Wirkung hat. Dann haben wir alle garkeine Nachrichten, weder von Schwerin noch vom Rhein, und man ließt in den Zeitungen von Gefechten, die bei Weinheim vorgefallen sein sollen.160 Da schlägt mein Herz doch ein bischen unruhig. Den 13ten. Heute erscheint mir alles schon in einem ganz anderen Licht. Erstlich scheint die Sonne, die Luft ist wärmer. Dann haben wir gestern Abend noch Zeitungen bekommen und heute einen Brief aus Füret161 bei Heppenheim von Wilhelm, dem es gut geht. Sie sollten nach Frankfurth, haben aber conter Order bekommen und erwarten der Dinge, die da kommen werden. Im Feuer sind sie nicht gewesen. Heute Nachmittag kam ein Brief von Fritz mit ziemlich guten Nachrichten von dort. Wir scheinen ihm zu fehlen. Das freut mich eigentlich und thut mir auch leid. Nun möchte ich gerne wißen, ob es sich bestetigt, was in der Voßischen Zeitung gestanden, daß Bruder Wilhelm nach dem Rhein wäre, um das Comando über die Truppen zu übernehmen? In der Kreutzzeitung habe ich es nicht finden können. Ach, wenn es der Fall wäre, wie würde ich mich freuen und wie glücklich würden die Truppen sein. Hier in Marienbad hört man von Politik und Außenwelt garnichts, was eigentlich sehr glücklich ist, denn man könnte so ruhig und ungestöhrt leben. Mich aber erdrückt diese Ruhe, weil ich immer denken muß, was geht nun in der Welt vor, was geschiet nun. Und ich sitze hier und weiß von nichts. So ist der Mensch, nie zufrieden. In Böhmen scheint es ruhig zu sein, wenigstens auf meiner ganzen Reise habe ich alles so gefunden. In Altenburg, wo die Stadt wohl 159 Alfons von Boddien (1802–1857), preuß. Rittmeister und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Karikaturist und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, hatte sich den Truppen zur Niederschlagung der Revolution in Baden und der Pfalz angeschlossen. 160 Die meckl. Truppen waren Teil des Neckarkorps, das Mitte Juni 1849 in Nordbaden operierte. 161 Fürth im Odenwald.
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schlecht gesinnt noch ist, wißen aber die Preußen zu imponieren. Das 19te Regiment wird sehr geliebt und die Offiziere sehr vom Hof vorgezogen. George ist ganz unverändert, macht sehr hübsch die honneures und mit vielen Takt benimmt er sich gegen Joseph, der aber auch recht freundlich und herzlich ist.162 Er kann selbst heiter sein, die beiden Töchter haben sich sehr embelliert.163 Ich war ganz frappiert davon, ordentlich hübsch und frisch geworden. Meine dicke Schwägerin Marie ist auch unverändert, allein, scheint aufzuathmen nach dem Tod von Amélie, die denn garnicht beliebt war.164 Arme Frau! Den 14ten. Meine Elis, Du bist ein Engel. Gestern Abend bekam ich Deinen lieben Brief vom 11ten, wo Du mir grade mittheilst, daß Bruder Wilhelm fort nach dem Rhein ist. Gott wird ihn schützen und behüten auf seiner Bahn. Aber freilich bei seinem vielen Unglück muß man für ihn doppelt besorgt sein und für ihn zittern. Dies ist wieder so ein Moment, wo man recht auf den Herrn droben hingeführt wird und Ihm allein vertrauen muß. Da können Menschen wieder nichts thun als fühlen, wie machtloß und klein sie sind. Aber die Gebete zu Gott werden dann inbrünstiger und inniger. Heute oder gestern sollten die wirklichen Feindseligkeiten am Rhein neu beginnen. Gott wird die Gute Sache schützen und mit unseren Lieben sein. Fritz Karl seine Glückseligkeit kann ich mir vorstellen, daß er mit seinem Onkel gegangen,165 und Hiller166 ist mit fort, hat sich aus seinen Liebesbanden loßgerißen. Ich denke mir, der Schwartze wäre gewiß gerne mit, der noch garkeinen Krieg mitgemacht!167 Doch freilich, treue, wahrhaft attechierte Leute muß Fritz auch um sich behalten. Die Nachrichten über die arme kleine Lina168 und Max Leuchtenberg169 thun uns schrecklich leid. Vielleicht hat die arme Kleine schon ausgelitten und die armen Eltern sitzen nun trostlos weinend da. Der Kaiser, der wie ein tröstender Engel sonst an der Seite der Trauernden steht, ist nun so fern. Wie wird dieser Schlag die arme Charlotte auch wieder beugen und die arme Mutter, welche schon schwach und guter Hoffnung dabei ist. Und Sache, welcher zur Armee soll! Viel Leid bricht auf einmal wieder über die Famillie ein, für Max fürchte ich auch sehr. Es freut mich, daß Mary mit ihm gegangen ist, freilich in ihrem Zustand gefährlich, da sie zur See sehr leidend ist. Indeßen, es ist doch so, so viel viel natürlicher. Du giebst mir wohl bald 162 Herzog Georg von Sachsen-Altenburg (1796–1853) und sein Bruder Joseph, abgedankter Herzog von Sachsen-Altenburg (1789–1868). 163 Zwei der drei noch unverheirateten Töchter Herzog Josephs von Sachsen-Altenburg (1789–1868). 164 Herzogin Amalie von Sachsen-Altenburg, geb. Prinzessin von Württemberg (1799–1848), war am 28. Nov. 1848 gestorben. 165 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885) durfte seinen Onkel Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888) begleiten, der den Oberbefehl über die Bundestruppen zur Niederschlagung der Revolution in der Pfalz und in Baden erhalten hatte. 166 Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 167 Adolf von Bonin (1803–1872), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 168 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849), Tochter von Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) und Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880). 169 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852).
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Nachricht wieder. Deine Briefe sind mir immer so lieb, daß weißt Du, meine Elis, aber in der Ferne doppelt so lieb. Was sagen die verschiedenen Famillien zu dem plötzlichen Abreisen der verschiedenen Famillien Glieder, und besonders die Deutsche!!! Heute habe ich eine Bekanntschaft gemacht von einen Graf und Gräfin Auersbach, die hier eine Stunde weit ihr Gut haben und recht liebenswürdig sind.170 Von denen verspreche ich mir viel Genuß, denn wir sind ganz verhungert an Umgang. Nun leb wohl, ich habe auch lange genug an diesem Brief geschrieben. Deine alte treue Adine An Bruder Fritz viel Liebes. Sans Souci, den 19ten Juny 1849 Dein lieber Brief hat mir solche Freude gemacht, meine Adine, mir verlangte schon lange nach Nachrichten von Dir. Der Anfang des Briefes ist so traurig, zum Weinen. Das war voraus zusehen in dem kalten, unfreundlichen Wetter, das man in Marienbad doppelt empfinden muß, und nun keine Nachrichten. Aber das Ende war heiterer und freute mich daher doppelt. Von Bruder Wilhelm sind schon zwey Briefe an Fritz gekommen, recht interessant, mit vielen détails über das Gefecht von Kirchheim Bolanden, das zwar nur gering, aber von großem, ordentlichen Eindruck auf die Truppen war, die wieder prächtig waren. Die Füsilire des 22ten und die Gardelandwehr waren im Gefecht.171 Wilhelm hat Gottlob doch nicht einen so trüben Eindruck von dem Schuß gehabt, wie ich fürchtete.172 Ich dachte, es würde ihm wie ein böses Omen vorkommen. Gottlob, daß der Mensch nicht den rechten Wagen erkannt. Der arme Postilion ist ziemlich gefährlich verwundet. Der Garde[…]173 fuhr statt seiner weiter. Der muthmaßliche Thäter ist schon ergriffen. Du fragst nach dem Eindruck, den die verschiedenen Abreisen machten. Mary war wirklich sehr betrübt wegen ihrem Sohn.174 Die Deutsche175 dachte nur, daß Wilhelm sich compromittiren könnte durch dieses Commando, eine andre Angst schien sie nicht zu empfinden. Es ist gewiß recht glücklich und auch Folge eines festen Vertrauens auf Gottes Hülfe, aber etwas mehr Gefühl könnte doch dabey seyn, scheint mir. Nun, ein jeder 170 Joseph Joachim Graf von Auersperg (1795–1857), österr. Kammerherr, verh. 1836 Franziska Freiin von Henneberg-Spiegel (1814–1901). Er besaß Herrschaft und Schloss Hartenberg, ca. 45 km von Marienbad entfernt. 171 Das Gefecht bei Kirchheimbolanden am 14. Juni endete mit der Niederlage der pfälz. Freikorps gegen die preuß. Truppen. 172 Erstes Attentat auf Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 173 Wort nicht zu entziffern. 174 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn von Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 175 Gemeint sind Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, und ihre Sympathien für die deutsche Einheitsbewegung.
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hat seine Art zu fühlen. Sie ist seit Sonnabend in Weymar und schrieb mir gestern, Helene176 habe einen Fall gethan, der sie bis jetzt verhindert hatte nach Weymar zu kommen. Fritz Karl schreibt glückselig, macht Verse im Genie der Reiselust in den fliegenden Blättern, die seine fixe Idee sind. Gottlob, daß Dein Wilhelm so fleißig schreibt, das ist ein großer Trost für Dich. Gott sey mit ihm. Rochow177 ist aus Warschau gekommen und eben jetzt hier. Er hat mir viel und interessant erzählt. Mit der kleinen Lina178 geht es Gott sey Dank besser, und man hat wieder Hoffnung. Die Nachricht von der Abreise des Max Leuchtenberg179 nach Modina war voreilig. Leider ist nicht daran zu denken. Er ist in Fall in Esthland,180 die lezten Nachrichten waren ein klein wenig besser, aber doch immer keine Hoffnung der Herstellung. Er ist ganz allein, will weder Frau noch Kinder bey sich haben. Meine Schwester181 ist ganz ausser sich vor Schmerz und Sorge. Es ist auch zu, zu traurig, und sie kann kaum denken zu ihm zu gehen, denn mit ihrer Taubheit würde sie ihn schrecklich fatiguiren. Vorige Woche erfuhr ich den Tod eines mir sehr lieben Wesens, der Fürstin Reuß, geborene Reichenbach.182 Ich hatte sie sehr lieb! Sie erlag einer Brustkrankheit, die in Auszehrung überging. Pauline Reizenstein ist auch endlich erlöst von ihren langen Leiden.183 Ihr ist wohl. Ihr sehnlichster Wunsch, zu sterben während der Anwesenheit ihres Bruders aus der Schweiz, ist erfüllt worden. Auguste war früh am Morgen noch im Trauerhause bey dem kurzen Gottesdienste vor der Beerdigung. Eben unterbrach mich Fritz, und ich las ihm vor, unter andern einen Bericht aus Petersburg, worin gesagt wird, daß Charlotte nun nach Peterhof ging. Die Kleine184 schreitet langsam aber doch allmählich in der Besserung fort. Max glaubt noch immer, bald zu seiner division Posten zu können. Die Reise nach Modina scheint noch nicht ganz aufgegeben zu seyn. In Paris haben die Truppen gesiegt, ein großes Glück auch für uns. Der arme Rossi185 ist von hier abberufen und pensionirt, ein großes Unglück für ihn, der gar kein Vermögen hat. Heute ist einmal wieder ein schöner und warmer Tag. Wir wollen in Siam essen. Ich muß noch sagen, daß die Aerzte noch uneinig sind über die Krankheit 176 Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858), im Exil in Eisenach. 177 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Gesandter in Russland. 178 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849). 179 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 180 Schloss Fall (estn. Keila-Joa mõis). 181 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), Schwiegersohn von Kaiser Nikolaus I. von Russland, war der jüngste Sohn von Prinzessin Auguste von Bayern (1788–1851), älteste Schwester der Königin Elisabeth von Preußen und seit 1806 verh. mit Eugène de Beauharnais (1781–1824), Herzog von Leuchtenberg. 182 Clementine von Reichenbach-Goschütz (1805–1849), verh. 1825 mit Prinz Heinrich LXXIV. von Reuß-Köstritz (1798–1886), war am 10. Juni gestorben. 183 Pauline von Roeder (1802–1849), verh. mit Friedrich Ernst Georg Freiherr von Reitzenstein (1791–1845), war am 12. Juni gestorben. 184 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849). 185 Carlo Graf Rossi (1797–1864), kors. Diplomat, 1848 außerord. Gesandter des Königreichs Sardinien in Preußen.
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von Max. Und nun schnell addio, ich muß fort. Fritz umarmt Dich und ich auch, und Wiwi.186 Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Die détails über Altenburg haben mich sehr interessirt.
Sans Souci, den 25ten Juny 1849 Meine Adine, Du weißt wohl schon viel durch die Zeitungen und durch die Briefe Deines Wilhelms, aber ich denke, es ist Dir lieb noch einige détails zu haben von unsern Lieben. Vorgestern kam die gute Nachricht von [dem] Sieg bey Waghäusel durch Wilhelm und von der Besezung von Manheim und Heidelberg.187 Wir waren doppelt glücklich, da wir den Tag zuvor in großer Spannung und Angst Nachrichten erwartet hatten. Die lezten waren den 21ten gekommen, von dem Husaren Gefecht, wo Fritz Karl188 so tapfer mit focht und durch einen Streifschuß zwey mal am rechten Arm verwundet wurde, aber leicht Gottlob. Sein armer Busch189 wurde vermißt gesagt, seitdem kamen wieder Nachrichten, gute von Fritz, aber Busch war beynahe hoffnungslos verwundet und der Arm sollte ihm abgenommen werden! Wie schrecklich. Hiller190 schreibt das, aber der junge Leopold Croy,191 der auch im Hauptquartier ist, erzählte grausig, wie der Ärmste verwundet fiel und von Sensen Männern zerhackt wurde. Ich hoffe, das ist eine Uebertreibung, aber der Verlust des vortrefflichen, jungen Mannes bleibt derselbe, und der ist besonders für Fritz Karl sehr groß. Der dicke Schlegel192 ist nach Germersheim gegangen, um Fritz zu pflegen. Er wird ihn aber wohl schon ganz gut finden, so Gott will. Was Wilhelm den 21ten that, wissen wir noch nicht. Die telegraphischen Dépéchen sind zwar außerordentlich angenehm durch die Schnelligkeit, es entstehen aber doch dadurch Lücken, die sehr quälend sind. Von Gröbens Corps193 waren die lezten Nachrichten. In der Pfalz ist alles beendigt. Croy beschreibt sehr hübsch ihre Ankunft in Landau, wo die treuen Offiziere mit nur wenig treugebliebenen Mannschafften so lange eingesperrt waren, ohne etwas von der Aussenwelt zu wißen. Und nun kannst Du Dir ihre 186 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 187 Gefecht bei Waghäusel in Nordbaden am 21. Juni zwischen der bad. Revolutionsarmee und den preuß. Truppen, das nach ersten Erfolgen der Revolutionäre mit einem preuß. Sieg endete. 188 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. 189 Karl Friedrich von dem Busche-Münch (1817–1849), preuß. Premierleutnant und Adjutant des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, gefallen im Gefecht bei Wiesenthal. 190 Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 191 Prinz Leopold von Croy (1827–1894). 192 Mglw. Wolf Benno Ludwig von Schlegel (1801–1860), preuß. Major und 1848 militärischer Begleiter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen. 193 Karl von der Gröben (1788–1876), preuß. Generaladjutant und Korpskommandant.
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gerührte Freude denken, als die Preussen als Befreyer kamen. Wilhelm sagte ihnen sehr herzlich seine Anerkennung. Sie sind dankbarer, auch in Germersheim waren sie es sehr, als ihr König,194 der Wuth schnaubt gegen die preußische Hülfe. In Baden wird es nicht so leicht seyn. Miroslafsky195 ist ein guter Führer, so schlecht er übrigens ist. Eure Mecklenburger haben viel verloren bey Ladenburg, ich hörte die beyden Offiziere es sehr bedauern.196 War der Capitain ein Verwandter Deiner Schreb?197 Eben, als ich von der promenade kam, fand ich einen Brief von Elschen, die glückselig über die vielen Preussen ist, die sie durchmarchiren sah. Das 31te Regiment sahen sie vom Schloße aus vorbey ziehen, Louis198 ließ den Commandent heraufkommen, und denke Dir Elschens Freude, als sie Brauchitsch199 erkennt. Er hatte Deinen Wilhelm den 15ten wohlbehalten in Frankfurt gesehen. Elschen fragt immer nach ihm, ist auch mit Fritz Karl so beschäfftigt. Die Verschiedenheit zweyer Cusinen amusirte mich. Du weißt, wie Elschen das bedauerte, daß Wilhelm sich so schwer entschloß, den Stern abzulegen?200 Als er ihn noch hatte, fuhr er auf dem Rhein vor Rheinstein vorbey, und Fritz Louis und Friederike und ihre Kinder201 erkannten ihn und winkten vom Schloße herunter, was er auch erwiderte. Sie hatten ihn am Stern erkannt, und Friederike sezte hinzu: „Wie unvorsichtig!“ Sie schrieb mir auch einen langen Brief. Ihre Reise hat sie sehr beglückt. Von Charlotte hatte ich auch einen Brief nach langer Zeit wieder. Sie spricht gar nicht von ihrer Enkelin, so gut geht es ihr,202 und von Max auch nicht so besorgt.203 Ich hörte auch, daß es wirklich etwas besser geht und noch immer die Rede von Modina ist. Mandt war neulich hier, entsezlich gealtert und mager. Er geht mit Mühe wegen einen schlimmen Knie. Den 7ten schifft er sich wieder ein nach Petersburg. Auguste soll heute wieder von Weymar kommen. Sie hat von neuem zwey Fieberanfälle gehabt. Wiwi204 bekam es auch in Bellevue, es scheint aber bey 2 Anfällen geblieben zu seyn. Es herrscht sehr hier, aber die Cholera nimmt Gottlob ab in Berlin, ein Wunder bey dem veränderlichen Wetter, bald kalt, bald drückend heiß, aber immer kein ordent194 König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864). 195 Ludwik Mierosławski (1814–1878), Oberbefehlshaber der bad. Revolutionsarmee. 196 Das Gefecht um die Neckarbrücke in Ladenburg endete mit der Rückeroberung der von preuß. und Bundestruppen besetzten Stadt durch bad. Revolutionstruppen, die so der flüchtenden bad. Hauptarmee den Rückzug nach Rastatt decken konnten. 197 Heinrich von Schreeb (1802–1849), meckl.-schw. Major im Garde-Grenadier-Bataillon, Bruder von Bertha von Schreeb (1814–1883), meckl.-schw. Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 198 Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt (1806–1877). 199 Eduard von Brauchitsch (1798 –1869), preuß. Oberst und Flügeladjutant. 200 Gemeint ist verm. der Gardestern, da Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin Premierleutnant beim Regiment Garde du Corps war. 201 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863) und seine Schwester Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 202 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849). 203 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 204 Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923), Tochter des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797– 1888).
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licher Regen. Stolberg ist hier auf ein paar Tage mit seiner Frau und wohnt bey Keller.205 Onkel Wilhelm ist auch hier. Er hat Georg Gröben zum Vater gehen lassen,206 ein großes Opfer für den armen Onkel, der so verlassen ist. Fritz ißt heute in Bellevue mit seinen Ministern, da habe ich mir einen längeren Morgen geschafft. Rossi’s sind heute abgereist, wollten es wenigstens. Sie sieht sehr traurig aus.207 Nun aber will ich enden und denke, ich habe viel erzählt. Lebe wohl, du Geliebte, ich umarme Dich und Wiwi208 herzlich. Gott seegne Euch und Deinen Wilhelm, Deine alte Elis Helene sollte vorgestern nach England abreisen, auf kurze Zeit.209
Marienbad, den 5ten July 1849 Auf zwei so liebe Briefe, meine Elis, bin ich Dir Antwort schuldig, aber da ich nicht viel schreiben kann, so finden sich Briefe genug, die doch beantwortet sein wollen. Von Wilhelm habe ich vom 30ten Juny gute Nachrichten aus Karlsruhe, jetzt mag er schon weiter sein, denn die Preußen rücken schnell siegreich vorwärts.210 Er wie Oberst Witzleben211 wünschen nichts dringendes, als daß sie zu den Preußen getheilt würden, weil bei der Reichsarmee eine schreckliche Wirtschaft wäre. Eine Truppe ließe immer die andere im Stich, wenn sie nicht aus demselben Lande wäre, die Verpflegung schlecht, kurtz, sie seufzten sehr. Peuker212 soll kein Feldherr sein und seine Umgebung nicht besonders. Bruder Wilhelm wie alle getreue Preußen handeln gemeinschaftlich und wie ein Wille. Einheit und Kraft herrscht dort. Fritz Karl213 ist auch schon bei Einzug in Karlsruhe mit dabei gewesen, mit dem Arm in der Binde. Er mag recht interessant aussehen. Hier in Marienbad ist jetzt recht viel vornehme Gesellschaft. Die Fürstin Windisch Grätz mit der
205 Alexander Graf von Keller (1801 –1879), preuß. Hofmarschall und Intendant der Kgl. Gärten. 206 Georg von der Gröben (1817–1894), Adjutant des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851), wurde zu seinem Vater Karl von der Gröben (1788–1876), preuß. Generaladjutant, Generalleutnant und Korpskommandant in Baden, geschickt. 207 Carlo Graf Rossi (1797–1864), kors. Diplomat, als außerordentlicher Gesandter des Königreichs Sardinien in Preußen abberufen und zwangspensioniert, musste mit seiner Ehefrau, der Opernsängerin Henriette, geb. Sontag, Berlin verlassen. 208 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), Tochter von Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 209 Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858). 210 Gemeint sind Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin und die preuß. Offensive gegen die revolutionären Truppen in Baden. 211 Oberst Klamor August Ferdinand von Witzleben (1800–1859), meckl.-schw. Brigadekommandeur. 212 Eduard von Peucker (1791–1876), preuß. General und seit 1848 Reichskriegsminister. 213 Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen.
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hübschen Tochter Gabriele,214 dann die Fürstin Auersberg, ihre Schwester.215 Es ist dieselbe, welche der Kaiser Alexander216 1814 so schön fand und huldigte. Man sieht davon nur sehr wenig, sie ist aber sehr angenehm. Dann Fürst Adolph Schwartzenberg,217 welcher sehr bequem im Umgang. Er scheint auch viel ernster als wie sonst. Mit diesem sind wir viel zusammen, meist des Abends bei der Fürstin Windisch Grätz. Diese hat ihre 4 Söhne in der Armee, jetzt alle in Italien. Der eine ist vor Venedig und der andere vor Ancona, von beiden hat sie keine Nachricht, und der Hugo mit dem jüngsten 17-jährigen auf dem Marsch nach Rom, wie sie glaubt.218 Der alte Vater ist gestern auch hier gewesen, ein unangenehmer Patron.219 Ich glaube, sie haben noch wieder große Pläne auf mein Kind, und dieses ist nicht abgeneigt.220 Meine Ansicht habe ich sehr offen ausgesprochen, allein, es ist alt genug, um das Schicksal sich zu wählen, doch sieht es, daß es mir garnicht lieb ist. Wie es auch ausschlägt, wird es viel Herzensqualen geben, nicht wahr? Du fändest es auch nicht anpassend? Nun leb wohl, denke in Liebe Deiner Adine Sans Souci, den 10ten July 1849 Tausend Dank, meine Adine, für Deinen lieben Brief, den ich vorgestern erhielt, der mich sehr erfreute. Ich begreiffe recht gut, daß Du nicht oft schreiben kannst, es wäre Dir sehr schädlich bey der Kur. Du sprichst gar nicht von Rußland und von der armen, kleinen Lina. Du weißt aber wohl schon, daß sie am 28ten ihren langen Leiden unterlegen ist?221 Der Schmerz der Eltern soll sehr groß seyn. Marie Dusi hatte aber doch die Kraft, der Beysetzung in der Festung bey zu wohnen. Charlotte aber war nicht dabey. Denselben Morgen ging Marie und Sache nach Czarkoy Sello222 und Charlotte nach Peterhof zurück. Marie und ihre Kinder sollten nach dem 13ten nach Rewal gehen, wo die Jungen Seebäder nehmen werden. Mit Max geht es etwas besser, und er hat sich zur Reise nach Modina entschlossen, will aber durchaus nicht, daß Mary mit kömmt.223 Der Kayser ist 214 Fürstin Marie Eleonore von Windisch-Graetz, geb. von Lobkowitz (1795–1876), mit ihrer Tochter Prinzessin Gabriele von Windisch-Graetz (1824–1917). 215 Fürstin Gabriele von Auersperg, geb. von Lobkowitz (1793–1893). 216 Kaiser Alexander I. von Russland (1777–1825). 217 Fürst Johann Adolf II. zu Schwarzenberg (1799–1888). 218 Die vier Söhne dienten in der österr. Armee: Erbprinz Karl Vincenz Weriand Joseph Gabriel (1821–1859), Prinz Hugo (1823–1904), Prinz Ernst Ferdinand (1827–1918) und Prinz Robert Johann Joseph von Windisch-Graetz (1831–1913). 219 Fürst Weriand von Windisch-Graetz (1790–1867). 220 Anbahnung einer Ehe mit Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859). 221 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849), Tochter von Thronfolger Alexander (II.) von Russland (1818–1881) und Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), war am 28. Juni im Alter von sechs Jahren gestorben. 222 = Zarskoje Selo. 223 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852), wollte seine Ehefrau Marija
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doch noch sehr besorgt um ihn, sagt mir Benkendorf,224 der aus Warschau zurück ist. Von der Reise des Kaysers nach Peterhof zum 13ten war in Warschau nicht die Rede, was mir für Charlotte und die ganze Familie, auch für ihn selbst, sehr leid thut. Benkendorf war auch bey der Einnahme von Raab225 zugegen und ist entzückt von meinem Neffen. Er selbst ist ganz braun geworden und siht wohl aus. Seine Frau scheint ihrer Entbindung nicht so nahe, wie er dachte. Gottlob, daß Du gute Nachrichten von Deinem Wilhelm hattest. Ich kann mir die Wirtschafft bey seinem Corps denken. Eine traurige Folge davon ist der Verlust Eurer Armeen, woran das abscheuliche, feige Benehmen der Naßauer und Hohenzollern schuld ist. Hiller226 schreibt, daß er Deinen Sohn in Baden vor Wuth weinen sah. Uebrigens muß Dir das allgemeine Lob Deiner Mecklenburger in allen Zeitungen wohl thun. Hiller schreibt, daß besonders Eure Artillerie ganz vorzüglich ist. Die lezten Nachrichten von Wilhelm waren aus Freyburg, eine gut gesinnte Stadt, wo er mit großer Freude empfangen wurde. Er glaubt, daß es nicht mehr zum Gefecht kommen wird. Rastadt wurde noch beschossen. Fritz Karl227 hat schon selbst geschrieben. Ich hoffe, daß nun endlich der unselige Krieg mit Dänemark bald aus seyn wird. Leider aber waren gerade jetzt in diesen Tagen die Dänen siegreich, und die Holsteiner sollen ungeheuer viel verloren haben. Es freut mich, daß Du jetzt eine so angenehme Gesellschafft hast. Die Söhne der Fürstin Windisch Gräz sind nicht in Marienbad und dennoch werden Pläne gemacht? Also nur die Eltern oder entspann sich das in Sicilien? Passend kann ich es nicht finden, ihre ganze Stellung würde doch in jedem Betracht eine sehr unangenehme werden, une fausse position228 mit allen Unannehmlichkeiten, die ihr vielleicht später regrets geben würde. Aber ich begreiffe auch, daß Du ihr die Entscheidung überlassen willst. Es ist in diesem Augenblick wenig Aussicht vorhanden, und ich glaube, daß sie als alte Jungfer sehr unglücklich würde. Das denkst Du auch, nicht wahr? Es ist doch schrecklich, daß Du alle Augenblicke solche Qualen hast. Bey einer Kur ist das auch nicht gut. Auguste ist aus Weymar zurück seit dem 26ten und hat angefangen Carlsbad zu trinken. Sie sieht übel aus. Was sagst Du zu Gräfin Rossi, die Sonnabend in der Oper Linda
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de Beauharnais, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876), nicht auf die Kurreise mitnehmen. Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. Oberst und Militärbevollmächtigter in Berlin. Schlacht bei Győr (dt. Raab) in Ungarn am 28. Juni zwischen der ungar. Revolutionsarmee und der österr. Armee unter General Julius Jacob Freiherr von Haynau (1786–1853), unterstützt durch eine russ. Division. Wilhelm Hiller von Gaertringen (1809–1866), preuß. Major und Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. Frz. = eine falsche Stellung, da Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) als nachgeborener Fürstensohn und österr. Offizier einer Herzogin aus einem regierenden Fürstenhaus, wie Luise zu Mecklenburg-Schwerin, nur das Leben einer Soldatenfrau, aber kein eigentlich standesgemäßes bieten konnte.
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die Charmonie in London aufgetreten ist?229 Doch ich glaube, ich sprach Dir schon davon. Sie hat ein sehr vortheilhaftes Engagement, aber der Entschluß ist doch entsezlich, finde ich. Abats Kinder sind zurück und wohnen schon im Marmor Palais. Marianne hat sich auch schon eingeschifft, mit dem gewißen Mann, einer Dame, ein Geistlicher und ich glaube ein Arzt.230 Sie soll unbeschreiblich alt geworden seyn, ganz klein gebückt, grau und entsezlich vernachlässigt im Anzug. Luise war so gut für die Kinder, überhaupt die ganze Familie, und sie haben glückliche Tage in Holland zugebracht. Der Empfang im väterlichen Hause contrastirte für Lolo damit. Endlich ist es wieder warm und schön. Wir haben entsezlich gefroren und so lange! Der Dicke ist auf der Fasanjagd in der Fasanerie. Er ging von Charlottenhof hin, wo wir frühstückten, und ich habe ihn seitdem nicht gesehen. Lebe wohl, geliebte Adine, mit treuer Liebe, Deine alte Elis Meyendorf ist nach Gastein, Witgenstein231 geht nach Tharand bey Dresden. Der Tod von Laura Massow nach langen Leiden thut mir sehr leid.232 Luise küße ich in Gedanken.
Marienbad, den 16ten July 1849 Leider kömmt mein Brief anstatt meiner zum 19ten bei Dir an. Mein Artzt meinte, es sei besser, wenn ich 6 Wochen bliebe, und so werde ich nun erst am 21ten von hier abreisen und bis Eger nur gehen, um Caroline Hessen233 zu sehen und einige Bekannte, die dort sind. Am 22ten Abends denke ich in Altenburg zu bleiben, wenn meine Schwägerin noch dort ist und nicht schon nach Eisenberg, ihrem Sommeraufenhalt, ist. Sonst gehe ich bis Leibzig. Zu Euch, ihr Lieben, denke ich also am 23ten zu Mittag oder Abends 8 Uhr 229 Nach der Zwangspensionierung ihres Ehemannes Carlo Graf Rossi als Gesandter für Sardinien in Preußen verlor die Familie ihr gesamtes Vermögen. Henriette Gräfin Rossi, geb. Sontag, startete ein öffentliches Comeback als Opernsängerin und trat zunächst am 7. Juli 1850 am King’s Theatre in London in der Oper „Linda di Chamounix“ von Gaetano Donizetti (1797–1848) auf. 230 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), und ihr Lebensgefährte Johannes van Rossum (1809–1873) mit der Reisegesellschaft auf ihrer Reise durch den Orient und das Heilige Land. Der Geistliche war Gerhard Heinrich van Senden (1793–1851), Pastor in Zwolle und Doktor der Theologie, der Arzt mglw. Clemens August Alertz (1800–1866), Geh. Sanitätsrat in Rom und Leibarzt der Päpste Gregor XVI. und Pius IX. Vgl. Brief vom 4. Sept. 1850 und Senden, Gerhard Heinrich van: Das heilige Land oder Mitteilungen aus einer Reise nach dem Morgenlande in den Jahren 1849 und 1850, in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Marianne der Niederlande, 1. Teil 1. Lfg., Stuttgart [1851]. 231 Wilhelm Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des kgl. Hauses. 232 Laura Caroline von Massow, geb. Gräfin von Wartensleben (1815–1849), verh. 1836 mit Wilhelm von Massow (1802–1867), war am 2. Juli gestorben. 233 Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel (1799–1854).
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über Berlin anzukommen und den 24ten zu bleiben, am 25ten dann nach Schwerin, weil mein Fritz da noch fest sitzet. Ich habe eine rechte Sehnsucht nach Dir, meine Elis, um bei Dir mein schweres Herz auszuschütten und mich auszuweinen. Ach, es stürmt so vieles auf einmal auf mich ein, und ich darf es doch nicht so zeigen, wie alles mein Herz zusammendrückt. Du wirst mit mir fühlen und mit mir klagen. Ich freue mich eigentlich von hier fort zu kommen, obgleich nun erst recht liebe Menschen kamen, die wir schon kennen und kennengelernt. Am meisten sind wir mit der Fürstin Windisch Grätz, was mich eigentlich geniert. Dadurch kann ich nicht so frei mit den Andern sein. Von ihren Söhnen hat sie gute Nachricht. Der Hugo wird vielleicht noch hier her kommen, ehe wir abreisen. Sie sind aber jetzt sehr betrübt über den Tod eines Neffen, Fürst Lobkowitz, der an der Cholera gestorben ist und erst 21 Jahre alt war.234 Der 4te Sohn von Feldmarschall Fürst Windisch Grätz ist am Fuß blesiert bei Comorn,235 was sein Vater sehr ängstigt. Er war schon zweimal hier und kömmt vielleicht noch einmal herein, denn er wohnt nur 3 Stunden von hier. Er ist ein stolzer, liebenswürdiger Mann und groß in seinem Unglück. Aus Baden habe ich gute Nachrichten. Wilhelm ist wohl und jetzt in Donaueschingen, wo sie vor’s erste bleibe und unsere erschöpften Truppen sich erholen sollen. Peuker236 ist gräulich, weiß von nichts und kömmt überall um einen Tag späther an und hat daher keinen Ruhm irgent einer Art eingeerntet, sonder nur Tadel verdient. Oberst Witzleben hofft nur ganz aus seine Hände zu kommen.237 Das ist aber auch zu späth, da die Campanie doch wohl aus ist. Wenn nur Rastadt sich übergeben wollte.238 Ich zittere für unsere blessierteen Gefangenen, die dort sind. Welch ein gräusliches Blutbad muß das in Schleswig bei Fridericio gewesen sein.239 Nein, die Beschreibung ist fürchterlich. Die vielen Todten und Blessierten und Gefangenen. Dieser gräuliche Krieg! Nun leb wohl. Aus Petersburg habe ich nur durch Olly Nachricht. Die arme kleine Line.240 Es hat uns unendlich leid gethan. Es war ein so liebes Kind und hat so unendlich gelitten, ist aber freundlich und geduldig bis zuletzt geblieben. Mit Max241 ging es etwas besser, doch Du wirst bessere und frischere Nachricht haben. Leb wohl, so Gott will auf Wiedersehen am 23ten. Deine treue Adine
234 Prinz Maximilian von Lobkowitz (1827–1849) war am 6. Juli gestorben. 235 Stadt in Ungarn. Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862), österr. Feldmarschall, sorgte sich offenbar um seinen Sohn Prinz Ludwig Josef Nikolaus von Windisch-Graetz (1830–1904), österr. Offizier. 236 Eduard von Peucker (1791–1876), preuß. General und 1848 Reichskriegsminister. 237 Klamor August Ferdinand von Witzleben. (1800–1859), preuß. Offizier und Oberst in meckl.schw. Diensten. 238 Am 23. Juli kapitulierten die bad. Revolutionäre in der Bundesfestung Rastatt. 239 Am 6. Juli fand vor Fredericia eine entscheidende Schlacht der Schleswig-Holsteinischen Erhebung statt. Sie endete mit einem dän. Sieg. 240 Großfürstin Alexandra Alexandrowna von Russland (1842–1849) war am 28. Juni gestorben. 241 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852).
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Meine liebe Elis, Fritz traf ich nicht auf der Eisenbahn in Nauen. Das kam mir schon verdächtig vor. Und eben diesen Augenblick bekam Minister Lützow einen Brief von ihm vom 25ten, wo er sich als glückseliger Verlobter meldet, aber so seelig schreibt, daß es mich tief erschüttert.242 Aber ich kann mich noch nicht freuen. Es soll zwar noch ein Geheimnis sein, doch hat er es erlaubt, daß man es sagt, und so habe ich es an meinem Hof angezeigt. Sonntag Mittag kömmt er wieder und dann wird es bekannt gemacht. Montag werde ich nun erst nach Dobbran reisen. Hugo243 kann noch nicht kommen, doch hoffen die Eltern immer, daß er bald abkommen wird. Ach, Kind, das Herz ist mir recht schwer und ich weine noch nicht aus Freude. Deine Adine Schwerin, den 31ten July 1849 Meine liebe Elis, zuerst sei Dir gesagt, daß mein Fritz am 29ten hierher zurückkehrte, seelig und strahlend vor Glück, und dann daß, als nur die Nachricht von seiner Verlobung durch mich bekannt wurde, eine solche Freude durch die Stadt lief, alles umarmte sich und schüttelte sich die Hände. Alt und jung, reich und arm, alles jubelte und als Fritz in Ludwigslust ankam, wohin ich auch entgegen gefahren war, war unsere ganze Gesellschaft versammelt wie auch Publikum, und er wurde mit Lebehoch begrüßt. Hier in Schwerin war es noch viel mehr. Der ganze Bahnhof, der Platz davor, Kopf an Kopf, und ein Lebehoch ohne Ende ließ sich hören. Blumen flogen von allen Seiten und wurden gestreut. Es war rührend, wie alles ein Blick, ein Gruß haben wollte. Und am Abend war die Stadt glänzend und hübsch erleuchtet, wo wir herumfuhren, und auch da begrüßte ihn alles mit Jubel. Ich kann nicht anders sagen, als daß mich dies unbeschreiblich glücklich machte. Das ganze Land, wo die Nachricht hingekommen ist, freut man sich, und so freue ich mich auch. Und Gott weiß doch auch, was das Beste ist. Allein, im tiefen Hertzen bin ich doch betrübt. Überhaubt, dies Ereigniß und dann die ganze Lage, die durch die constitution bei uns hervorgebracht wird, macht so eine Umwältzung, daß es mir vorkömmt, als wenn man mich lebendig begräbt oder sich bei meinen Lebzeiten um meinen Nachlaß stritte, weil alles, alles verändert werden muß. Seit 100 Jahren ist die Meklenburgische Famillie nie getrennt gewesen. Es ist alles vom Großherzog gegeben. Nun wird jeder fest auf seine Stelle hingestellt. Das macht mir einen traurigen Eindruck.244 Die Brillanten, die von Paul seiner Mutter Hausschmuck werden sollten, darü242 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hatte sich im schles. Stonsdorf mit Prinzessin Auguste von Reuß-Köstritz (1822–1862) verlobt. 243 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), Bräutigam der Herzogin Luise zu MecklenburgSchwerin. 244 Der meckl. Verfassungskonflikt hatte sich weiter zugespitzt, da die Strelitzer Linie die Verhandlungen mit der Schweriner Regierung und der Abgeordnetenversammlung boykottierte, um die alte Ständeverfassung zu erhalten.
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ber ist nichts Schriftliches da, fallen also an die Kinder, was mich unendlich freut.245 Fritz nimmt den größten Theil, Luise bekommt einen Theil wie Wilhelm, wenn dieser das Geld nicht vorzieht. Nun leb wohl, um 2 Uhr reise ich nach Dobbran. Vielleicht kömmt heute jemand von der Italienischen Armee, wenn alles so gegangen ist, wie man es da hoffte.246 Also schreibe ich bald wieder. Für Deinen Brief sage ich tausend Dank. Er kam, wie ich früh nach Ludwigslust entgegen fuhr. Fritz sein Glück ist wirklich einzig. Deine Adine Sans Souci, den 1ten August 1849 Meine Adine, gestern Abend, als wir mit dem Herzog von Coburg247 aus dem Wildpark kamen, fand ich Deinen lieben Brief und eile Dir zu sagen, wie ich froh bin, daß Fritz mit solcher Freude empfangen wurde und daß seine Verlobung einen guten Eindruck gemacht hat. Gott gebe, daß alle Gutgesinnten und der Adel auch so denken und die Zukunft ruhiger werde, wie wir gefürchtet haben. Hier ist Sonntag die Bombe geplatzt, weil die Brüder der Braut248 die Nachricht auf Parade erzählten. Du kennst Karl, ich brauche Dir also nicht zu sagen, wie er das genommen, ausser sich über die Sache selbst und daß er sie so erfahren, bloß zufällig. Bey Tisch erzählte ich ihm, wie alles gekommen, und bat ihn, Dir nicht noch zu erschweren, was Dir schon so schwer ist. Er versprach es, aber ruhig ist er nicht. Wenn nun noch der Erwartete ankömmt, und auch diese Nachricht sich verbreitet! Mir wird Angst und bange.249 Stolberg250 schrieb mir in diesen Tagen und spricht natürlich auch von der Begebenheit. Er sagt: „Das, was in Stonsdorf sich seit einigen Tagen ereignet hat, wird in vielfacher Weise besprochen werden. Gott gebe, daß es die Großherzogin nicht zu schwer geworden ist! Der Charakter von Auguste Reuß ist vortrefflich. Sie wird den Gemahl gewiß aus dem Grunde des Herzens zu beglücken suchen, und als Gemahlin wird ihr dieß hoffentlich bey der Persönlichkeit des Großherzogs unter Gottes Segen gelingen. Ob aber die Hoffnungen, Anforderungen und Wünsche der 245 Gemeint ist die Verteilung der aus dem Nachlass von Erbprinzessin Helena von MecklenburgSchwerin, geb. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland (1784–1803), stammenden Edelsteine an ihre Kinder, im Zusammenhang mit der geplanten Trennung von Staatsvermögen, Hausgut und Privatvermögen der großherzoglichen Familie im neuen Staatsgrundgesetz für MecklenburgSchwerin, das am 10. Okt. 1849 verkündet wurde. 246 Verm. Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), Bräutigam der Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin. 247 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha (1818–1893). 248 Die reußischen Prinzen Heinrich IV., Heinrich VII. und Heinrich XII. dienten in der preuß. Armee. 249 Verm. Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), dessen geplante Heirat mit Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin als unstandesgemäß angesehen wurde. 250 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), von seinen Ämtern zurückgetretener preuß. Staatsminister, kommentierte die Verlobung von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Auguste von Reuß-Köstritz (1822–1862) im schles. Stonsdorf, über die ebenfalls eine negative Reaktion der meckl. und preuß. Familie befürchtet wurde.
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höchsten Angehörigen, besonders der Frau Großherzogin, durch die Persönlichkeit der Verlobten zu erfüllen sind, das ist eine andre Frage, die der demüthigen Auguste Reuß viel heiße Thränen gekostet haben sollen, bevor die Mutter dem Herrn Großherzog geantwortet hat. Möge im Uebrigen der göttliche Segen auf einer Verbindung ruhen, die Seitens des hohen Verlobten mit so seltener Anhänglichkeit herbey geführt worden ist! Die Liebenswürdigkeit und unbefangene Herzlichkeit des Großherzogs hat alle Anwesenden erquickt und erfreut.“ Ich denke, es ist Dir lieb Stolbergs Urtheil zu kennen. Ich kann mir denken, welch traurigen Eindruck Dir die jetzigen Verhältnisse machen und die Theilung.251 Wir gehen morgen Abend nach Charlottenburg. Uebermorgen um 8 Uhr Morgens ist die Grundsteinlegung im Thiergarten,252 und um halb 10 Uhr dampft Fritz nach Stettin und ich nach Dresden. Da Helene253 Freytag Abend nach Swinemünde kömmt und den andern Tag nach Putbus geht, will Fritz Sonnabend nach Swinemünde, um sie zu sehen, kömmt Sonntag nach Stettin und Mondtag hieher zurück. So lange bleibe ich auch weg. George von Streliz ist oder war in Berlin, zeigte sich aber nicht. Ich denke, er geht nach Putbus, wo Helenens Geschwister auch sich um sie vereinigen werden. Der Herzog von Coburg war gestern hier, sieht vortrefflich aus. Schreibe mir bald, ich bitte Dich, nach Dresden. Ich bin so neugierig, von der Ankunft etwas zu wissen. Wie wird Wiwi das Herz schlagen? Lebe wohl, Du Liebe, tausend Dank, daß Du meiner denkst in alle Deine agitationen. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Luise umarme ich herzlich. Dobbran, den 3ten August 1849 Meine Elis, am heutigen Tag, wo wir uns alle am Sarge von Papa versammeln und außerdem noch heute der Grundstein zur Statue gelegt wird,254 bin ich mit meinem matten Herzen mit Euch. Wie gern würde ich meinen Schmertz dort ausgeweint haben, denn daß immer über sich nehmen, greift mich sehr an. Obgleich ich das Glück von Fritz sehe und die Briefe von ihr wundervoll sind, so bleibt es mir immer gleich schwer. Denn obgleich kein Wort, kein Blick irgent einen Gedanken kundwerden läßt, so fühlt man es eine Menge Menschen an, daß sie sich nicht freuen. Nur daß er heirathet, das freut sie. 251 Der meckl. Verfassungskonflikt hatte sich weiter zugespitzt, da die Strelitzer Linie die Verhandlungen mit der Schweriner Regierung und der Abgeordnetenversammlung boykottierte, um die alte Ständeverfassung zu erhalten. 252 Verm. das von Friedrich Drake (1805–1882) geschaffene Denkmal für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 253 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 254 Verm. das von Friedrich Drake (1805–1882) geschaffene Denkmal für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen.
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Die Wuth von Karl kann ich mir denken.255 Es ist so natürlich. Ehe ich Deinen Brief gestern hatte, habe ich beiden Brüdern geschrieben, und Fritz, denk ich, wird es auch noch thun. Was Stolberg sagt, ist so wahr und richtig. Das arme Kind wird von niemand gern aufgenommen, und sie verdient es doch eigentlich. Hier ist heute auch große Trauer, denn er hat keinen Urlaub bekommen können, sondern an der Grenze von Piemont zurück.256 Wenn also der Frieden nicht abgeschloßen, so könne er vor dem Oktober nicht kommen. Mir ist doch ein Stein vom Herzen, daß dies noch aufgeschoben, obgleich man es hier schon weiß und sogar glaubte, es wäre kein Geheimniß. Indeßen, da wir es leuchnen und es noch nicht bekannt machen, so ist man still. Resonniert wird natürlich auch. In der Person hat man sich hier geirrt, man glaubte der Sohn des Feldmarschalls.257 Dobbran ist noch recht still. Es sind viele Menschen hier, aber meist reiche Kaufleute aus Hamburg und Berlin, einige Ausländer auch, wie Corea de Sa258 und Monseigneur Davou, der Türke aus Berlin.259 Ich bin zweimal zum Theater hereingefahren, aber heute hin ich still hier draußen und das thut gut. Am liebsten zöge ich mich wie eine Schnecke in mein Haus zurück. Ich bin wirklich diesen Augenblick lebenssatt, und die Verstellung ist mir fremd und kommt mir schlecht vor. Und doch ist es das Einzige, um Beides in der Welt zu hallten. Soweit ist es mit mir gekommen. Nun lebwohl, morgen Nachmittag kömmt Fritz nach Dobbran, wird glänzend empfangen werden und ein Fackelzug wird die Freude beendigen. Deine treue Adine Dir allein kann ich mein kummervolles Herz ausschütten, sonst schweige ich mit lächelndem Mund. Dobbran, den 4ten August 1849 Denke Dir, meine Elis, die Überraschung, der Windisch Grätz ist heute Abend 7 Uhr ganz als Überraschung angekommen, und Luise küßt Deine Hände als Braut.260 Sie und er sind beide unerhört glücklich. Ich bete zu Gott, daß sie es bleiben! Mir ist so wehe um’s Herz. Zwei solche Verbindungen sind wirklich zu viel und doch, wenn man das Glück sieht. Die Überzeugung habe ich aber, daß sie mit George Strelitz auch eben so
255 Auch Prinz Carl von Preußen lehnte die Verbindung der Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg mit dem Fürstenhaus Reuß-Köstritz als unstandesgemäß ab. 256 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) befand sich als österr. Offizier im Krieg in Italien. 257 Der Onkel des Bräutigams, der österr. Feldmarschall Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787– 1862), hatte fünf unverheiratete Söhne. 258 Laut Badeliste für Doberan Monsieur Chevalier Corrêa de Sá und seine Ehefrau, wohnhaft in Berlin. Personen nicht weiter zu identifizieren. 259 Garabet Artin Davoud-Oghlou (1815–1873), osman. Gesandter in Berlin. 260 Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin hatte sich mit Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823– 1904) verlobt.
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glücklich gewesen wäre, denn die Liebe muß sich erst finden.261 Bei Fritz ist dies etwas ganz anderes. 6 Tage kann Hugo nur bleiben. Mein Fritz reiset am 14ten nach Baden ab, um seine Truppen zu sehen, und will am 28ten schon in Stohnsdorf sein, wo er 8 Tage denkt zu bleiben. Nun leb wohl, Deine Adine Sans Souci, den 9ten August 1849 Auf zwey liebe Briefe bin ich Dir Antwort und Dank schuldig, meine Adine, und konnte noch nicht dazu kommen wegen meiner kleinen Abwesenheit in Pilniz und der Gegenwart meiner Nichte Elise, die ich mir mitgebracht habe. Heute kommen ihre Eltern und ihr jüngster Bruder, um sie abzuholen.262 In einer Stunde erwarten wir sie, du kannst Dir denken, mit welcher ungeduldigen Freude. Da benuze ich schnell noch einen freyen Augenblick, während Elise und Abats Kinder ihr Wesen in meinem Wohnzimmer treiben. Ach, meine Adine, wie begreiffe ich, was in Deinem Herzen vorgeht, und wie möchte ich Dir Trost zusprechen. Hier muß ich vieles hören, besonders über Luisens Heyrath, die noch weit mehr Eindruck gemacht hat wie die Deines Sohnes.263 Gestern bekam ich Luisens lieben Brief mit einem Ausdruck von Seligkeit, der mich tief rührte. Gott gebe, daß es ein wahres Glück werde, das sie über Vieles hinweg hebe. Die Fürstin Reuß, die Mutter,264 schrieb mir auch einen allerliebsten Brief, die Antwort wird mir schwer. Dein Wilhelm war noch ganz betäubt von den Nachrichten aus der Heimath, die ihm so unerwartet gekommen waren. Es war eine große Freude, den lieben Jungen zu sehen. Ich war erst vor zwey Stunden aus Pilniz zurück, und Elise sagte unterwegs: „Wie schade, daß Wilhelm nicht hier ist.“ Und da kam er und so gewachsen und kräftig. Er muß durchaus eine gute Heirath machen. Jetzt erst repettire ich recht, daß er Cathi nicht erlangte.265 Fritz hat sie und die Mutter in Swinemünde gesehen, und gestern kam auch Prinz Friedrich von Würtemberg durch, um mit dem Bruder zu ihr zu gehen.266 Helene 261 Auch Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) war als Ehepartner der Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin im Gespräch gewesen. Bezeichnenderweise kam es bis zum Untergang der Monarchie 1918 zu keiner Heiratsallianz der beiden Linien des Hauses Mecklenburg mehr. 262 Prinzessin Elisabeth von Sachsen (1830–1912), ihre Eltern Prinz Johann und Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern, sowie Prinz Georg von Sachsen (1832–1904). 263 Die Verlobung von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit Prinzessin Auguste von Reuß-Köstritz und die Verlobung seiner Schwester Herzogin Luise zu MecklenburgSchwerin mit Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904). Beide Ehepartner wurden von einigen der preuß. Verwandten als nicht standesgemäß angesehen. 264 Caroline Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1806–1896), verh. 1828 Prinz Heinrich LXIII. von Reuß-Köstritz (1786–1841). 265 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) hatte erfolglos um Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) geworben, die Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) heiraten sollte. 266 Die Prinzen Friedrich (1808–1870) und August von Württemberg (1813–1885), Brüder der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg.
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soll sehr wohl aussehen, Cathi mager und traurig, aber wohl. Von George war noch nicht die Rede. Auguste Reuß wird allgemein gelobt, aber freylich zweiffeln viele daran, ob sie in ihrer Bescheidenheit zu solcher Stellung gemacht ist. Ich hoffe, daß sie im häuslichen Leben Dir keinen Kummer machen wird, da ihr Karakter so gut ist. Mit Hugo bist Du zufrieden, schreibt Luise. Sprich mir von ihm, ich bitte Dich, schütte mir Dein gepreßtes Herz aus, das beständige Herunterschlucken muß gerade Dir so schwer fallen. Die paar Tage in Pilniz waren Lichtpunkte für mich, und den lezten Tag war auch Wetter und Luft besser, zuerst froren wir schrecklich. Das Zusammenseyn, wenn auch kurz, mit den Meinigen war solche Wohlthat. Ich sah dort die Söhne von Don Carlos,267 und den jungen Herzog von Parma,268 der ein unglaublich komischer Mensch ist. Die Spanier sind interessant und angenehm. Heute ist ein göttlicher Tag, wie wir ihn lange nicht hatten. Nun muß ich enden. Lebe wohl, Du Liebe, Luise schreibe ich bald. Grüße sie und ihre Brüder herzlich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Dobbran, den 14ten August 1849 Meine Elis, mein letzter Brief, glaubte ich, war recht in gedrückter Stimmung geschrieben, und ich bin eigentlich in noch keiner besseren. Indeßen, es ist ja garnichts mehr zu ändern, und so ist es eigentlich thöricht, daß ich mich nicht faßen kann. Hugo hat mir unendlich gefallen.269 Er ist eine reine Seele ohne Falsch und treu und wahr in seinen Gefühlen. Er liebt Luise unbeschreiblich. Die ersten Tage war er wie in einem Traum. Er konnte sich seines Glücks garnicht freuen, zuletzt aber desto mehr. Sein bescheidnes Benehmen, sein ganzes Auftreten hat ihm alle Herzen gewonnen, und hier im Lande ist man entzückt über diese Heirath. Schon der Nahme gefällt sehr, und eigentlich wirft sich alles hier auf, weil sie über die andere Wahl nicht fortkommen können. Das spricht sich immer mehr aus, aber Fritz hat keine Ahnung davon. Prinz Hugo ist sehr hübsch, aber so wenig gebildet, hat immer in kleine Garnisonen gelegen, weiß von garnichts und sprach daher immer nur von seiner Liebe, seinen Gefühlen oder von dem Krieg in Ungarn. Das war nun für Luise alles, aber mir nicht genug für’s Leben, besonders wenn sie in Italien ganz allein nur auf ihn angewiesen ist, wo sie gar keinen Umgang haben. Sie wird es nie merken laßen, aber sie wird es fühlen. Aber jetzt ist sie seelig über ihren schönen Hugo, der sie so liebt und den sie liebt. Der Abschied wurde recht schwer, aber sie waren beide recht vernünftig. Im Oktober hofft er wieder hier zu sein, und dann wird Endes des Monats die Vermählung sein, vielleicht mit Fritz seiner zusammen. Diese ist aber noch nicht bestimmt. Ich muß Dir doch erzählen, daß ich einen Brief von Carl bekommen habe, so
267 Prinz Carlos Maria Isidro Benito de Borbón y Borbón-Parma (1788–1855), span. Thronprätendent. 268 Herzog Karl III. (1823–1854), nach der Abdankung seines Vaters 1849 Herzog von Parma. 269 Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904), Bräutigam der Herzogin Luise zu MecklenburgSchwerin.
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abscheulich glaubte ich nicht, daß ein Bruder schreiben könnte.270 Ich habe ihn aber zurückgesendet mit einigen Worten begleitet. Ich werde die Abschrift senden, von seinem möchte ich keine machen. Dagegen habe ich einen unendlich herzlichen und freundlichen von Auguste271 bekommen. Ich kann nicht glauben, daß es Wahrheit ist, was sie sagt, und denke Dir, ich hatte ihr noch garnicht selbst geschrieben. Sie schrieb zuerst. Auch aus Strelitz bekam ich herzliche Briefe, über Luise freuen sie sich, unter anderem müßte ich Prinz Hugo sagen, der Nahme Windisch Grätz kann für unser Haus nur eine Ehre sein. Mir scheint das zu viel. Leb wohl, ich muß zu einem Thee, der hier an der See ist, wo auch getanzt werden soll. Am Sonnabend war ein enormer Ball in der Stadt, wo bis 2 Uhr getanzt worden ist. Wir waren nur eine Stunde da, weil dann Prinz Hugo abreisete in der Nacht. Deine Adine Wilhelm hier zu haben, ist eine wirkliche Freude. Er ist auch nicht allzu froh über diese Ereigniße, und seine Liebe spukt noch sehr im Herzen, was daraus werden wird, weiß Gott. Dobbran, den 22ten August 1849 Meine liebe Elis, ich glaube, daß ich Dir lange nicht geschrieben, aber ich habe so entsetzlich viel zu thun. Fritz wollte an seine Braut ein Geschenk machen. Da mußte nun hin und her geschrieben werden. Er hat eine recht schöne Schnur Perlen für sie genom270 Im Nachlass der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin ist die Erwiderung von Prinz Carl von Preußen auf den Brief seiner Schwester überliefert: „[…] wir lieben beide einen Reuss mehr als hiesigen Hofmarschall, als zum Großvater, wie z.B. ein Croy, ein Hohenlohe, ein Fürst zu Isenburg als Adjutanten an den hiesigen Höfen ganz an ihrem Fleck sind. Als Schwiegersöhne oder -väter, bei aller Ebenbürtigkeit, mag ich sie nicht und Du auch nicht. – Oder war es die Idee, daß Windisch Grätz in Eure Dienste träte und die ‚Hoheit‘ gleich einem Leuchtenberg erhielte? Wurde doch ein Radziwill preuß. Beamter als Statthalter, und unsere Tante blieb bis zu ihrem seeligen Ende Prinzeß Louise von Preußen, durfte das Radzwillische Wappen nicht annehmen und mußte Oberhofmeisterin und Hofdamen halten. So hätten wir’s gern bei Deiner Louise auch gehabt, was aber leider nicht stattfinden soll!! […] Oder war es die kurze Übersicht des befreundeten, nachbarlichen Hauses Strelitz mit seinen Königinnen von England, von Preußen, von Hannover, die Deinen Zorn reitzten, oder die in Aussicht stehende Verbindung eines nachgebohrenen Sohnes mit einer Großfürstin von Russland? Denn die Verlobung der Tochter des Barons von Geymüller gab ich nur als Gerücht, und der Ausruf‚ daß die Umsturz-Parthei darüber, d. h. über die bevorstehenden Verbindungen, die als fait accompli dastehen, jubeln, ist auch ein fait accompli. Doch der Ausdruck, der mir leid thut, wäre mir nicht in die Feder gekommen, wenn nicht Mary gerade einen Brief von ihrer Mutter erhalten hätte, die brieflich ausrief: ‚c’est fraternisa avec la Révolution‘, was doch noch kräftiger ist, und sich von Anfang bis zu Ende in diesem Sinne über jene Verlobung ausläßt. Doch genug!“ Siehe LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des MecklenburgSchwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 46: Brief Prinz Carls von Preußen an Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, Glienicke, 21. Aug. 1849. 271 Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach.
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men. Dann muß das trousseau272 für Luise besorgt werden, da die Hochzeit schon am 20ten Oktober sein soll. Da giebt es nun erst zu ordnen und dann zu wählen, viel zu schreiben, was andere Prinzeßinnen bekommen, dann ein Auszuch davon zu machen. Viele Einrichtungen müßen für Fritz seine Zukünftige getroffen werden, Hofdamen, Kammerfrau, Garderoben Jungfer gewählt. Dann kommt meine eigene Angelegenheit, da ich nun meine Hofeinrichtung allein bekomme.273 Da muß so viel überlegt werden, um auszukommen, vieles abgeschafft, manches abgegeben, was ich gehabt. Kurtz, es ist viel zu thun und zu überlegen und wenig Erfreuliches. Ach, Kind, das ist eine harte Zeit und das härteste ist die taktlose Famillie Windisch Grätz. Von ihr, Lory,274 bekam ich heute einen Brief, wo sie mir schreibt, sie käme zur Hochzeit mit Mann, Tochter und 3 Söhne und wann sie eintreffen könnten. Was sagst Du dazu? Wartet garnicht unsere Einladung ab, will wißen, wie sie sich anziehen soll. Ob sie sich sehr putzen müßte oder halb pariert und Morgen toilette, und dann wäre bei ihnen, daß der Bräutigam Krenzeln Jungfer und die Braut Brautführer hätte, das wären die Geschwister und nächsten Verwandten. Nein, ich bin beinah ohnmächtig geworden, weil sie so garnichts versteht. Ich habe mich auf das Hohe Pferd gesetzt und gesagt, am Hof wäre zur Vermählung manteaux de cour und von dem übrigen wäre keine Rede. Luise, der ich den Brief gab, war außer sich. In solcher Famillie heirathet sie nun hinein! Hugo ist Gott sei Dank ganz anders, voller Tackt und Bescheidenheit und leidet an der Mutter und dem Vater. Ich habe aber gleich einen termin gesetzt, wo sie kommen sollen vom 19–25ten, denn ich sehe, den Punkt auf ’s i muß man setzen. Auch den Feldmarschall275 haben sie eingeladen, aber sie wüßten nicht, ob er käme. Zum Glück hatte Luise vor ein paar Tagen an Gabriele276 schon geschrieben, die Einladung der Eltern und des Feldmarschalls würde kommen. Nun habe ich eine Frage, die wirklich nebenbei naiv ist, nehmlich, ich werde wahrscheinlich am 5–6ten September über Wittenberge nach Leibzig gehen, um die Prinzessin Reuß kennen zu lernen,277 von da aus nach Altenburg, Eisenach gehen, wenn Marie und Mama nicht hinkommen können. Nun finde ich, sieht es sehr ungezogen aus, wenn wir nicht über Berlin und Potsdam zurückgehen, um das Luise Abschied nimmt. Sie hat aber eine heillose Angst für Euch Alle, besonders für die Onkels.278 Was meinst Du und räthst? Meine Idee war, so in Sanssouci anzukommen zum Thee und souper, und den andern Morgen ganz früh fort, da ich wirklich viel zu thun und auf Händen habe, um bleiben zu können. Dieser Besuch wird wohl am 6–7ten September sein. Denke Dir, zu allem diesen Leiden 272 Frz. = Aussteuer. 273 Nach der Verheiratung ihres Sohnes Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin gab Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin ihre Position als erste Dame mit eigenem Hofstaat auf und diese Position an ihre Schwiegertochter ab. 274 Fürstin Marie Eleonore von Windisch-Graetz, geb. von Lobkowitz (1795–1876). 275 Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862), österr. Feldmarschall. 276 An ihre zukünftige Schwägerin Prinzessin Gabriele von Windisch-Graetz (1824–1917). 277 Erstes Treffen mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter Prinzessin Auguste von Reuß-Köstritz (1822–1862). 278 Die Prinzen Wilhelm, Carl und Albrecht von Preußen, welche die Heirat ihrer Nichte Herzogin Luise zu Mecklenburg-Schwerin als nicht standesgemäß ansahen.
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ist mein Schnaps auch noch zugekommen mit seiner Liebe zu Cathy, die eigentlich George heirathen soll und auch wird.279 Er war aber so in Verzweiflung, daß ich habe schreiben müßen, um das Cathy noch einmal erfahren sollte, wie treu er an ihr hinge. Die Antwort war, wie ich es vorausgesagt, die große Jugend hindert. Nun ist er fort, morgen kommt er nach Sanssouci, um sich zu melden zum Rittmeister, was ihn sehr glücklich gemacht. Deine treue Adine Fritz wird sich auch Sonnabend oder Sonntag zu Füßen legen in Sanssouci, wo er nach Schlesien und Baden geht. Sans Souci, den 22ten August 1849 Dießmal ließ ich Dich leider lange ohne Antwort, meine Adine, verzeihe es mir. Während meine Schwester hier war, that ich gar nichts, und da häuften sich so viel Briefe. Seitdem haben wir so vortreffliche Nachrichten aus Ungarn bekommen, daß wohl zu hoffen ist, nun ist der Krieg zu Ende. Nicolas hatte die Freundlichkeit, Benkendorf280 mit der Nachricht von der Unterwerfung Görgeys hieher zu schicken.281 Den Abend vorher, Sonnabend, hatte Fritz die Nachricht per télégraphe erhalten, gerade am Geburtstag des jungen Kayser.282 Ich denke, er selbst wird sie wohl auch an dem Tag zum Geschenk erhalten haben. Er brachte ihn mit seinen Eltern in Ischl zu. Sache ist auch hier, wie ich höre. Die Reise wird ihm wohl thun und ihn zerstreuen. Benkendorf sagt mir, er siht so schmerzlich traurig aus. Von Max283 sind die Nachrichten gut. Seine Schwester in Norwegen284 war ganz freudig überrascht, ihn so wohl aussehend zu finden. Fritz geht nach Putbus künftige Woche, und da échappire285 ich wieder nach Pilnitz. Die Nähe ist zu verführerisch. Ich hätte so gerne Charlotte mitgenommen, aber wegen dem einfälltigen Zeitungsartiekel wage ich es nicht.286 Er ist so ganz aus der Luft gegriffen, aber wenn ich sie nun hinbrächte, könnte man ihn doch für wahr halten. Die Tage, die meine Schwester und ihre Kinder hier zubrachten, waren sehr glückliche für mich und haben mir nachher eine schmerzliche Leere zurück gelassen. Sie blieben länger, als sie anfangs wollten, weil 279 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) hatte erfolglos um Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) geworben, die Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) heiraten sollte. 280 Konstantin Graf von Benckendorff (1817 –1858), russ. General, Militärbevollmächtigter in Berlin und Flügeladjutant von Kaiser Nikolaus I. von Russland. 281 General Artúr Görgey (1818–1916) kapitulierte am 13. Aug. als Oberbefehlshaber der ungar. Armee vor den russ. Truppen. 282 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 283 Maximilian de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1817–1852). 284 Königin Josephine von Schweden und Norwegen, geb. Herzogin von Leuchtenberg (1807–1876). 285 Frz. = entwischen. 286 Verm. Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen.
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Elise ein wenig cholérine287 hatte. Von Wilhelms Rückkehr ist noch nicht die Rede, wohl aber ist Fritz Karl288 zurück, sehr ernst, eifrig im Dienst. Was Du mir von Deinem künftigen Schwiegersohn sagst, interessirte mich ausserordentlich. Ich bin froh, daß Du zufrieden mit ihm bist. Was die Bildung oder vielmehr den Mangel derselben betrifft, so muß ihn Luise zu sich heraufziehen, denn in die Länge würde sie doch sehr empfinden, wenn er ihr auch in dieser Hinsicht nicht gleich stünde. Ueber Auguste Reuß hörte ich viel in Dresden und auch hier von ihrer Cusine Marie Stolberg.289 Sie soll ganz verklärt vor Glück aussehen, aber der Entschluß ward ihr sehr schwer, weil sie sich kennt und ihre Lage ihr ganz klar ist. Nun höre ich, daß man sie in Dresden, als Dein Fritz dort war, schon mit ihm neckte, und daß Frau von Sell290 sich immer zwischen beyde sezte. Sie scheint aber das ganz vergessen zu haben, hingegen bewahrte Dein Fritz die Erinnerung in seinem Herzen. Denke Dir nur, daß Frau von Rauch mir diese Tage erzählte, Elise291 habe ihr aus Carlsbad geschrieben, man sage dort auch Deinen Wilhelm versprochen und mit wem! Mit der Tochter des Grafen Hahn!292 Ich bin fest überzeugt, es ist kein wahres Wort daran, nahm mir aber doch gleich vor, es Dir zu schreiben. Das wäre zu viel. Wilhelm muß eine gute Heyrath machen. Wie schade, daß seine Wünsche nicht erfüllt werden. Nun bedaure ich es doppelt. Ueber George habe ich weiter nichts gehört. Ich wagte nicht, den Herzog von Nassau293 zu fragen, der ein paar Tage hier war und von Putbus kam. Pauline ging hier durch auch zu ihrer Schwester. Sie ist nun nach Hamburg geeilt, wo ihr Sohn Nicolas recht krank ist.294 Pauline ist immer wunderhübsch und blühend wie eine Rose, aber tauber wie je. Ihre Tochter ist gar nicht hübsch. Sie hat ein gemeines, chiffrirtes Gesicht, scheint aber ein gutes, freundliches Kind zu seyn und hat Freude an allem. Fritz von Würtemberg295 kam auch hier durch. Einen interessanten Besuch hatten wir lezthin, die Söhne des Don Carlos, der älteste und der jüngste.296 Ersterer ist wirklich sehr angenehm und gar nicht häßlich, er interessirte mich sehr.
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Frz. = Cholerine, Magen-Darm-Erkrankung. Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl von Preußen. Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1822–1903). Verm. Charlotte Freifrau von Sell, geb. von Hochstetter (1819–1908), ehem. Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, verh. 1844 Adolf Freiherr von Sell (1797– 1891), ab 1849 Oberhofmeister der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz. Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. Anna Gräfin von Hahn (1830–1894), Tochter des Friedrich Graf von Hahn (1804–1859). Herzog Adolph I. von Nassau (1817–1905). Herzogin Pauline von Nassau, geb. Prinzessin von Württemberg (1810–1856), und ihr Sohn Prinz Nikolaus Wilhelm von Nassau (1832–1905). Prinz Friedrich von Württemberg (1808–1870). Prinz Carlos Luis María Fernando de Borbón y Bragança, Graf von Montemolín (1818–1861) und Prinz Ferdinand de Borbón y Bragança (1824–1861), ältester und jüngster Sohn von Prinz Carlos María Isidro Benito de Borbón y Borbón-Parma (1788–1855).
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Karls Briefe sind gräßlich, wenn er sich ärgert. Charlotte hat gleiches erfahren, als Mary heyrathete. Es ist recht gut, daß Du den Brief zurück geschickt hast. Ich habe Auguste gesagt, daß ihr Brief Dich erfreute. Sie ist nun wieder sehr beschäfftigt, siht Minister und Deputirte. Fanny Biron297 wohnt bey ihr. Ich höre, Marie von Streliz, die nach Hannover ist, wird sich auf der Rückreise hier aufhalten. Ich bin froh, daß sie dort die Heyrathen freundlich genommen haben. Der Onkel298 schreibt kein Wort darüber. Lebe wohl, meine Adine, Gott seegne Dich und stehe Dir bey. Ich umarme Dich und Luise. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Ich denke, Wilhelm ist schon wieder fort. Ich kann mir denken, wie lieb Dir seine Nähe war. Dresden, den 6ten September 1849 Meine liebe Elis, Deinem wie des lieben Bruders Fritz seinen Befehl gemäß habe ich mich hier in Dresden eingefunden und harre nun Deiner Befehle, wo ich Dich sehen kann. Bei den Majestäten habe ich mich auch eben melden laßen. Wenn Sie mich zum Eßen haben wollen, muß ich nur beantworten, daß ich und Luise und meine Damen nur ganz gewöhnliche Kleider mithaben, die zum Thee in Sanssouci bestimmt, das Tageslicht aber scheuen. Um 1 Uhr werde ich im Hotel de Rom sein, um eine Antwort zu erwarten. Die Bekanntschaft mit Prinzeßin Reuß299 ging sehr gut. Sie gefällt mir recht gut, ihr Äußeres ist doch hübscher, wie ich glaubte. Mama, Helene und Marie von Altenburg waren auch alle gekommen. Deine Adine Schwerin, den 13ten September 1849 Meine liebe Elis, ich bin denn so ungeheuer neugierig, wie die entrevue300 mit den Monarchen abgelaufen ist, daß ich schon jetzt mit diesem Brief erscheine. Aus der Zeitung ersah ich, daß der junge Kaiser301 noch nach Pilnitz gekommen ist, und Du ihn daher auch einen Tag länger gesehen. Das wird Dir eine große Freude gemacht haben. Nun seid ihr in Charlottenburg und habt Manöver. Von Luise aus dem Haag ist wohl noch nichts
297 Prinzessin Fanny Biron von Kurland (1815–1888) heiratete am 25. Juni 1850 Leopold Hermann von Boyen (1811–1886), seit 1848 Adjutant des Prinzen Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 298 Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz. 299 Prinzessin Auguste von Reuß-Köstritz (1822–1862), die Verlobte von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. 300 Frz. = Treffen. 301 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916).
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Briefe 1824–1850
eingegangen. Ich finde, es dauert lange, am Ende gefällt sie ihm nicht.302 Es würde mich grade nicht sehr wundern, doch nehmen thut er sie doch wohl. Was mögen für Nachrichten von Warschau sein? Man findet garnichts in der Zeitung über den Großfürst Mischel. Da es sich in der Länge zieht, so wird er doch vielleicht besser. Hier bin ich dann so in Anspruch genommen von dem trousseau, und nun ist Styler303 aus München gekommen, um Luise zu malen und mich für diese. Heute haben wir beide Probe Vorstellung geben müßen wegen der Stellung. Morgen fangen nun die Sitzungen an und nehmen einem viel Zeit weg. Von Charlotte habe ich einen Brief aus Petersburg. Es geht ihr gut. Sie will einige Sachen wie Schnupftücher an Luise senden und Kleider. Das amüsiert sie, von den Kindern erwähnt sie nichts. Olga hat auch aus Stuttgard geschrieben, so wie sie vom Volk herzlich empfangen ist. Die Famillie – darüber schweige ich. Mein Fritz ist glänzend vom Großherzog von Baden empfangen worden, Wilhelm hat er nur flüchtig in Frankfurth gesehen. Auf der Rückreise wird er sich einen Tag aufhallten. Am 12ten sind unsere Truppen von Donaueschingen abmarschiert und werden den 19 oder 20ten hier ankommen. Das wird eine große Freude machen. Die Cavallerie kommt erst Mitte Oktober, da sie marschiert. Nun Adios, verzeih den sehr dummen Brief. Deine treue Adine Die wenigen Minuten mit Dir in Dresden waren mir doch so lieb. Deine Schwester wie übrige Famillie waren aber auch sehr gnädig und freundlich. Eben kam ein Brief von Luise,304 die hat auch wenig Freude an dem Geheimniß, was sie mir anvertraut. So geht es uns beiden Schwestern nicht besser. Ja, es ist Gottes Wille, daß diese 3 Ehen zustande kommen, so gegen allen Wunsch der Eltern. Wie wird es nun, wird Luise kommen, allein oder mit Puttchen?305 Wenn Du entschieden, laß es mich wißen. Ludwigslust, den 6ten December 1849 Meine liebe Elis, noch habe ich Dir nicht geschrieben und gedankt für Deine liebe Aufnahme, die Du an Fritz und meine liebe Schwiegertochter gemacht, und alles, was Du mir über sie gesagt. Es hat mich so gefreut, daß Du ihren Werth erkannt. Und wenn Du sie so kennen könntest, wie ich, so würdest Du sie so innig lieben. Leider waren die Anstrengungen, die sie gemacht [so groß], und besonders die soirée von Meyendorfs hatte alle ihre Kräfte erschöpft, denn sie mußte 2 Tage das Zimmer hüten und liegen, weil sie sich garnicht rühren konnte. Nun geht es aber wieder fast gut, sie hat wieder mit uns gegessen. Und gestern war großes Diner einen Dänen zu Ehren, der an mehrere Höfe 302 Heiratsprojekt zwischen Prinzessin Luise der Niederlande (1828–1871) und Kronprinz Karl (XV.) von Schweden und Norwegen (1826–1872). 303 Joseph Karl Stieler (1781–1858), Porträtist und Hofmaler der bayr. Könige. 304 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 305 Prinzessin Luise der Niederlande (1828–1871) heiratete 1850 den späteren König Karl XV. von Schweden und Norwegen (1826–1872).
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reiset wegen Friedensunterhandlungen. Und dann war Ball von einem Herr und Frau von Langen gegeben,306 wo sie sogar getanzt. Heute war mein Fritz nicht recht wohl. Er hat sich erkältet und den Magen verdorben, da er die Nacht nicht geschlafen. So war er sehr matt und erschien nicht zum Eßen, wo ich nun ganz allein herausmußte. Ich glaube, es war mir hier noch nie geschehn. Indeßen, ich war so liebenswürdig, wie ich nur konnte. Eben kam Auguste und will mich zum Thee haben.307 Auf ein Viertelstündchen will ich heruntergehen. Schwester Luise grüße von mir, und ich dankte für ihren lieben Brief. Sie scheint noch recht angegriffen nach ihrer Beschreibung. Heute ist wohl ein Trauertag für die Famillie, der Geburtstag vom seligen Wilhelm.308 Ist schon die Abreise bestimmt? Doch wohl nicht wegen ihrer Mattigkeit? Luise muß doch erst ganz wieder hergestellt sein. Von meiner Luise habe ich heute einen Brief vom 27ten aus Triest. Bis dort waren sie ganz wohl und glücklich angekommen, aber auch Kälte und Schnee und Eis. Über Triest wäre zwar ein schöner italienischer Himmel, sonst käme es einem nicht italienisch vor, denn sie frören sehr, und wenn es in Venedig eben so kalt wäre, so wollten sie nur ein paar Tage bleiben. Von Charlotte aus Petersburg hatte ich auch einen Brief, die noch immer wegen ihren Augen nicht schreiben soll, also nur ein paar Worte, aber sehr froh über Wilhelmchens Ankunft ist. Sie findet ihn gereifter und ist mit ihm zufrieden. Nun leb wohl, meine liebe Elis, noch tausend Dank, auch für alle Liebe, die Du mir bewiesen. Es waren schöne 14 Tage, die ich bei Euch war. Mit treuer Liebe, Deine alte Adine Schwerin, den 19ten December 1849 Meine liebe Elis, eigentlich muß ich Dir zuerst danken für Deinen lieben Brief, aber heute will ich wieder Deine Liebe für mich in Anspruch nehmen, nehmlich mir durch den Telegraphen täglich Nachricht zu senden von der armen Friederike.309 Gott, wie habe ich mich erschrocken und wie tief hat es mich erschüttert, wie ich durch Schwester Luise erfuhr, daß die Ärmste der Schlag gerührt hat. Welch ein Unglück und mir will kein Hoffnungs Stern sich zeigen, daß sie wieder besser wird. Es mag sich auf einige Tage hinziehen, aber sie überlebt es gewiß nicht, wie damals der arme Großfürst Mischel.310 Gott, 306 Aus der briefadligen Familie der Freiherren von Langen, mit Gütern in Mecklenburg-Schwerin und Pommern. Mglw. Ludwig Philipp Otto Freiherr von Langen auf Neuhoff, meckl.-schw. Kammerherr. 307 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862), war seit dem 3. Nov. mit Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin verheiratet und wohnte mit ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter im Schloss in Ludwigslust, bis das Palais in der Neustadt von Schwerin fertiggestellt war. 308 König Wilhelm II. der Niederlande (1792–1849), geb. am 6. Dez. 1792, verst. 17. März. 309 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), die ihre Cousine Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin als eine weitere „Schwester im Geiste“ betrachtete. 310 Großfürst Michael Pawlowitsch von Russland (1798–1849).
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welch ein Unglück für ganz Dessau, für Leopold und die armen Kinder. Es ist fürchterlich, wenn man denkt, was aus allen diesen werden soll. Arme, arme Friederike, die wir so oft auslachten mit ihrer Pedanterie. Nun so ein Unglück eintritt, behält doch das Herz die Oberhand und die alte Schwester Liebe steht allein da. Wie wird es Charlotte erschüttern und betrüben. Von Wilhelm habe ich heute einen Brief vom 10ten December, Rauch scheint ihn mitzubringen. Über seine Wünsche ist noch nichts Klahres. Er hofft noch immer, da die Mama dafür. Mir scheint sie aber hierbei sehr die Haubtsache. Wir sind seit gestern Mittag hier in Schwerin eingezogen. Mit schwerem Herzen verließen wir Ludwigslust, wo es uns so wohl gegangen. Meine Kinder brachten mich nach meinem Haus, um daß ich nicht so allein in meine Zimmer kam. Und den Mittag habe ich noch bei ihnen gegessen. Ja, öde ist mein Haus, doch habe ich so viel zu krahmen und Besucher heute gehabt, daß ich nicht zu mir selbst kam. Auguste besuchte mich auch, und dann fuhren wir zusammen in die Läden und heute Abend gehen wir im Theater. Hernach kommen meine Kinder zu mir zum Thee. Morgen, wenn nicht ganz schlechte Nachrichten von Friederike kommen, wollen wir zum Polterabend nach Ludwigslust fahren, vom Oberst Both, der eine Tochter verheirathet.311 Nun leb wohl, Schwester Luise ist nun auch von Euch fort. Ach, die Arme, wie schwer ist der das Scheiden geworden, die geht auch eine schäusliche Zukunft entgegen. Von Tochter Luise habe ich einen Brief aus Mailand vom 11ten December, wo sie am 12ten nach Lody312 gehet, wo Hugo seine Schwadron hinverlegt ist. Deine treue Adine Schwerin, den 22ten December 1849 Meine liebe Elis, gestern kam mir Dein lieber Brief zu, der mir so viel Freude machte. Aber Du warst recht melankolisch gestimmt. Wundern kann es einen nicht, denn wie viel Trauriges geschieht wieder. Die arme Friederike, was wird nun daraus? Wird sie leben oder wird sie zum Ewigen eingehen? Wenn dies letztere beschloßen, wenn sie denn nur nicht lange leiden muß. Eigentlich sind die Nachrichten besser, doch mir will keine Hoffnung erscheinen. Denn der Tod des jungen Erzherzog Ferdinand, wie ist das traurig, und die arme junge Frau, die allerliebste Elisabeth, welche nun so verwaiset ist und die im Mütterlichen Haus bis dahin wenig Liebe und Freude genoßen, muß dahin zurück.313 Meine arme Schwester Luise wird nun heute im Haag angekommen sein. Gott, wie schwer wurde ihr das Scheiden aus Eurem Kreise. Wenig Freude scheint ihre Zukunft zu bringen. Ich freue mich, daß sie Rauch noch gesprochen. Das wird ihr Trost gegeben haben. Ja, mein Wilhelmchen, glaube ich auch, wiegt sich mit falschen Hoffnungen. 311 Sophie von Both (1824–1897), Tochter von Carl Moritz Christian von Both (1792–1857), meckl.-schw. Oberst und Kommandant in Ludwigslust, heiratete am 21. Dez. Ludolf Heinrich von Pritzbuer (1820–1883), meckl.-schw. Premierleutnant beim Leichten Infanterie-Bataillon. 312 Lodi, Stadt in der Lombardei. 313 Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich-Este (1821–1849), verh. mit Erzherzogin Elisabeth von Österreich (1831–1903), war am 15. Dez. in Brünn gestorben.
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Nun er muß für sich selbst stehen, denn er wollte ja nicht auf die Winke hören. Vielleicht glückt es ihm auch. Vor Ende Januar kömmt er nicht wieder. Er fühlt sich sehr glücklich dort. Die Verlobung von Lollo314 wird wohl nur still gefeiert werden, bis man erst mehr Gewißheit von Friederike bekommt. Ich muß immer und immer an sie denken. Ihr seid jetzt in Eurem warmen lieben Charlottenburg, aber nur bis Neu Jahr. Die strenge Kälte, welche wieder anfängt, ist dort besser zu ertragen als in Potsdam. Hier in Schwerin, wo ich nun so viel mit Weihnachten zu thuen habe und auch in meine Zimmer manches zu kramen, macht, daß ich meine Einsamkeit noch nicht recht fühle. Auch manche Besuche von meinen Bekannten kürtzen die Stunden. Die Abende bin ich im Theater und nachher bin ich bei meinen Kindern oder sie bei mir. Heute, wo kein Theater, gehe ich zum Thee zu ihnen. Täglich sehen wir uns, denn sonst könnte ich es nicht aushallten. Zweimal habe ich bei ihnen gegeßen. Sonst ist eigentlich unser Leben noch nicht recht geregelt, weil wir erst am Donnerstag nach Ludwigslust zum Polter Abend waren von einer Tochter des Oberst Both.315 Nun sind wir erst 2 Tage hier. Nach dem Fest wird wohl erst eine Ordnung eintreten. Mein Weihnachten nimmst Du wohl freundlich nach alter Art auf. Gott mit Dir und dem Dicken. Was sagt er dazu, daß der Engere Ausschuß mit Gewalt aufgehoben worden ist?316 Ach, es ist, um sich todt zu weinen. Deine treue Adine Meine liebe Auguste und Fritz waren sehr beglückt über Deinen Gruß. Sie legen sich zu Füßen. Sie ist mir eine zu liebe Tochter.
Schwerin, den 27ten December 1849 Meine liebe Elis, wie schön habet ihr mich wieder beschenkt. Das Armband mit dem Garde du Corps Helm ist zu reitzend und macht mir doppelt Freude, da es mich an meinen Wilhelm erinnert. Die süperben poins sind auch nicht zu verachten. Überhaubt bin ich von meine Kinder hier sehr reich beschenkt worden, und eigentlich verging der Abend ganz hübsch, obgleich ich entsetzlich traurig war. Aber das Glück von Fritz und Auguste so vor sich zu haben, beglückte mich mit. Außerdem hatte meine liebe Auguste mich mit einer deliziösen attention überrascht. An meinem Tisch von der einen Seite war ein Tannenbaum mit dem Nahmen von meinem Wilhelm und von der anderen Seite ein 314 Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, verlobte sich mit Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 315 Sophie von Both (1824–1897), Tochter von Carl Moritz Christian von Both (1792–1857), meckl.-schw. Oberst und Kommandant in Ludwigslust, heiratete am 21. Dez. Ludolf Heinrich von Pritzbuer (1820–1883), meckl.-schw. Premierleutnant beim Leichten Infanterie-Bataillon. 316 Die Regierung in Schwerin hielt konsequent an der neuen Verfassung fest und löste die ständische Nebenregierung, den Engeren Ausschuss in Rostock, auf. Die Beseitigung dieses Herzstücks der von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen für vorbildhaft gehaltenen meckl. Ständeverfassung konnte bei diesem nur Entsetzen auslösen.
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Orangenbaum mit Luise und Hugos Nahmen. War das nicht ganz wunderhübsch von ihr? Du kannst denken, daß Thränen mein Auge füllten, denn Luise fehlte mir zu sehr, dafür 2 Reußen,317 die aber doch Leben im Ganzen brachten. Von Luise hatte ich gestern einen Brief vom 18ten, wo sie eben in ihr kleines Häuschen im Lodi eingezogen war und meinte, es sei recht wohnlich. Sie hätte nun ihre Bilder, Noten und Bücher ausgepackt, was sie doppelt erfreut, weil sie sie seit Schwerin nicht gesehen. Der Onkel318 wohnt mit ihnen in einem Haus und nimmt ihnen den Platz weg, auch sei er wieder unwohl und recht schwach. Ungern hat sie das bischöfliche Palais verlaßen, wo sie erst aufgenommen wurden, weil es sehr bequem gewesen. Auch, liebe Elis, es ist mir ein schrecklicher Gedanke, sie dort so ärmlich wohnen zu wißen und so aus ihrer Svere319 herausgerißen. Manchmal fühlt sie es auch, will es mir scheinen, denn sie sagt mit manchen Unannehmlichkeiten hätte ich zu kämpfen. Wenn man aber so glücklich ist und so liebt, läßt sich alles tragen. Wenn ich so still in meinem Zimmer sitze, weine ich oft. Nun kommt erst mehr Ordnung und Ruhe im Ganzen hinein, und da bin ich viel allein, was mir übrigens sehr lieb ist. Dann kann ich so ganz meinen Gedanken nachhängen und alles besser überlegen und ordnen in meinem Kopf. Das Alte Jahr zieht nun von hinnen. Es war ein thränenreiches Jahr für mich, und was für ein Unglück hat es über unser Land gebracht. Ich kann nicht bedauern, daß es nun vorüber ist. Schlechter kann 1850 für uns kaum werden. Das Einzige Glück, was mir geworden, ist meinen Schwiegertochter, die der Herr mir zum Trost und zu Stütze gegeben. Du, meine Elis, laß mir Deine Liebe und Deine Freundschaft. Die gehören zu meinem Leben. Laß der Herr reich an Seegen über Dir wallten und dem lieben Fritz wie ganz Preußen. Eben bekomme ich einen Brief von Albert, der mir sagt, daß die Verlobung von Charlotte in Charlottenburg gewesen und Sonnabend cour im Berliner Schloß ist.320 Heute ersah ich aus dem Bulletin, daß es mit Friederike wirklich so gut geht. Dies kommt mir wie ein Wunder vor. Wenn es nur von Bestand ist. Dies wäre ein unerhörtes Glück für das Land und für die Famillie. Nun leb wohl, zum letzten mal in diesem Jahr. Deine treue Adine Eben, als ich diesen Brief gesiegelt, kam Deiner an, meine liebe Elis. Habe tausend Dank dafür. Ich freue mich unbeschreiblich, daß es mit Friederike so gut gehet. Ich danke innig dem lieben Gott dafür. Bitte sage auch an Fritz einen Dank, daß er mir täglich durch den Telegraphen hat Nachricht geben laßen. Gott mit Dir.
317 Verm. zwei der Brüder von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1862), die zur Hochzeit am 3. Nov. gekommen waren. 318 Fürst Alfred I. von Windisch-Graetz (1787–1862), österr. Feldmarschall. 319 = Sphäre. 320 Verlobung der Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen, mit Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914).
1850 Schwerin, den 2ten Januar 1850 Ich hatte Dir schon heute morgen ein Briefchen geschrieben, um zu bitten, mir doch Nachricht von Friederike durch den Thelegrafen zu senden, da ich gestern und bis heute Mittag keine Nachricht erhallten, was mich so ängstigte. Da kam mein Fritz, der durch Hessenstein1 die Todes Nachricht erhallten, und dann kam Dein Brief auch.2 Ich bin so tief von diesem Verlust erschüttert und habe so viel geweint, daß ich kaum sehe, was ich schreibe. Arme, arme Friederike, welch ein Verlust für Land und Famillie, und wir Geschwister verliehren die Erste aus unserem Kreise, denn sie war uns doch immer eine Schwester, wenn wir auch manchmal recht unnütz gegen sie waren. Und ich war eigentlich als Kind am meisten mit ihr gewesen. Wie wird Charlotte von diesem Verlust erschüttert werden. Wilhelm schreibt mir durch die Würtemberg, daß sie schon recht ergriffen von der Nachricht des Schlaganfalls gewesen. Wenn es ihr nur nicht schadet. Wilhelmchen lebt noch in Hoffnung, obgleich Charlotte schrieb, es wäre keine.3 Nun, die Zeit wird es lehren. Gott segne Dich im neuen Jahr, meine Elis, Deine treue Adine Wie danke ich es Dir, daß Du mir diese traurige Nachricht selbst geschrieben. Über das Ende von Friederike weiß man wohl noch nichts, ob es sanft gewesen und ob sie ruhig hinüber geschlummert. Ach Gott, es ist zu traurig. Ist die Nachricht noch vor dem Diner angekommen? Schwerin, den 12ten Januar 1850 Noch dankte ich Dir nicht für Deinen lieben Brief vom 7ten aus Potsdam. Nun seid ihr in Charlottenburg, wo ich hoffe, daß ihr recht warm wohnt, denn wir haben jetzt eine Kälte von 12-23°, wirklich um Nase und Ohren erfrieren, und einen schneidenden Nord Ost Wind. Zum Glück wärmt die Sonne, die heute es ordentlich heiß in meinem Zimmer macht. Eben bekam ich Briefe von Schwester und Tochter Luise. Erste sendet mir eigenhändige Abschrift von dem Journal, was Mama in Petersburg geschrieben. Und letztere schreibt aus Lodi, daß es kalt und schneite und selbst Eis in kleinen Wagen fortgefahren würde, was nicht sehr erbaut. Auch hat sie eine kleine Ausfahrt nach Mailand gemacht, um im Theater in der Scala Attila von Verdi zu sehen. Und wie sie ankommen, ist 1 Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Berlin. 2 Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850), war am 1. Jan. gestorben. Ihre Cousine Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin betrachtete sie als eine weitere „Schwester im Geiste“. 3 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) warb erfolglos um Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), die Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) heiraten sollte.
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es ganz abgesagt und sie mußten so wieder fort. Der Onkel Gustav kam auch und war sehr schlechter Laune über diese Begebenheit. Überhaubt scheint ihn der Aufenthalt dort doch nicht zuzusagen. Ich dachte es mir gleich, denn Zerstreuung muß er haben, und das findet er nicht in diesem kleinen Ort und bei verliebte Eheleute. Was übrigens dies betrifft, können wir hier auch damit aufwarten, denn Fritz und Auguste sind die glücklichsten Menschen, die man sich denken kann. Es ist eine Freude sie anzusehen. Ach, wie jubelten Auguste und ich über die königliche Botschaft vom 7ten December. Das ist wieder ein rechter großer Schritt zur Sicherheit und Ordnung. Wenn man uns doch im Schleptau mitnehmen wollte! Heute Abend giebt Fritz einen Ball im Schauspielsaal, an den 300 Kinder, welche beim Einzug in meklenburgischer und Stohnsdorfer Trachten waren. Es kann ganz hübsch werden, und mit den Eltern kann es an 600 Menschen kommen. Da sind dann auch aus vielen Klassen Menschen dabei, und das wollte man gerne, um denen etwas für ihre Mühe zu geben. Am Dienstag ist Galla Ball auf dem Palais.4 Damit beginnt unser Carnewal, der auch wohl nichts weiter hervorbringen wird. Denn niemand ist aufgelegt, etwas zu geben. Es müßten denn unsrere scharmanten Staatsräthe glauben, das Land amüsieren zu müßen, weil sie ihm so viel kosten.5 Von Fritz Louis6 hatte ich einen gar lieben Brief. Bitte sag es ihm, wie es mich gefreut. Du frägst, woher ich soviel mit Friederike zusammen gewesen. Frau von Kameke erzog Friederike, Fräulein Kameke, ihre Tochter, mich, und dann wohnten wir in einem Hause.7 So kamen wir täglich und stündlich zusammen. Von 1810–17 dauerte es. Mein Wilhelm wird am 19ten des Monats nun endlich abreisen. Mit oder ohne Hoffnung, ich weiß es nicht.8 Morgen ist russisch Neujahr und am 18ten ist auch ein großes Fest dort. Das will er noch mitmachen. Den 29ten, denke ich, kann er in Schwerin sein. Nun lebwohl, an Fritz viel Liebes. Deine alte Adine
4 Während des Umbaus des Schweriner Schlosses residierte Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin im Neustädtischen Palais in der Schweriner Schelfstadt. 5 Es war ein alter Vorwurf gegen den Parlamentarismus, dass verbeamtete Staatsdiener teurer seien als in ständischen Ämtern aktive Großgrundbesitzer, die quasi ehrenamtlich das Gemeinwesen mitleiteten. 6 Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863), Bruder der verstorbenen Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850). 7 Sophie von Kamecke, geb. von Massow (1759–1820), preuß. Oberhofmeisterin. Deren unverheiratete Tochter Leopoldine von Kamecke (1782–1856) war die Gouvernante der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin gewesen. Der Vater Daniel von Kamecke (1738–1788), preuß. Major, war bereits 1788 gestorben. 8 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) versuchte ein letztes Mal direkt in St. Petersburg um die Hand von Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) anzuhalten.
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501 Schwerin, den 19ten Januar 1850
Ich eile, Dir heute herzlich zu danken für Deinen Brief. Diesen wirst Du wohl erhallten, wenn Du Dich schon anschickst, um zum Ordensfest toilette zu machen. Ich will hoffen, daß es dann nicht so kalt ist wie heute hier, wo es 11° Kälte sind, und der Schnee liegt so hoch, daß man zu Schlitten kaum durchkommt. Ich fahre sonst alle Tage. In Italien ist es auch so kalt und es liegt Schnee und Eis. Luise9 ist darüber nicht sehr erfreut, allein, die Liebe läßt alles ertragen, denn Onkel Gustav, dem es aber an letzterem fehlt, macht Anstalten nach Neapel zu gehen. In Lodi ist seit Neu Jahr Theater, was nicht übel ist und ihm einige Unterhaltung gewehrt. Heute wird Wilhelmchen wohl Petersburg verlaßen, wie weiß ich nicht. Nach Deinem Brief scheint keine Aussicht.10 Mir ist aber eine Idee gekommen, ob man nicht auf Ernst von Altenburg rechnet, denn der hat seine Cousine Therese bis Warschau gebracht und hat dort eine Einladung nach Petersburg gefunden.11 Was meinst Du zu meiner Idee? Vielleicht weißt Du mehr darüber! Aufrichtig gesagt, begreife ich nicht, wie man ihn wählen kann, freilich die Mama sucht wohl einen Thronerben. Nun kömmt es auf die Tochter an. Ohne mütterliche Eitelkeit, Wilhelm ist 10mal besser wie Ernst. Diesen Augenblick bekomme ich einen Brief von Wilhelm, der noch immer hoffet und bis zum 15ten bleibt, um eine Entscheidung abzuwarten. Er schreibt aber nicht, ob es rußischer Stil ist.12 Ich glaube es aber. Zugleich sagt er, daß an demselben Tag, wo er schreibt, Therese mit Ernst schon erwartet wird. Nun denke ich mir wieder, sie sollen beide verglichen werden und dann eine Entscheidung erfolgen. Wer wird den Sieg davon tragen? Wilhelm schreibt auch, daß Charlotte entsetzlich traurig wäre über den Tod von Friederike. Sie ist den halben Tag zu Bett geblieben und hat den Tag niemand gesehen. Den andern Tag wäre die Taufe bei Mary13 gewesen, wo sie aber hin gemußt, sie darauf aber schlecht geschlafen und Herzstöße gehabt. Überhaubt hätte sie beinah alle 8 Tage wieder Herzklopfen. Von Luise aus dem Haag hatte ich gestern einen Brief, die auch recht traurig ist über den Tod von Friederike. Sie bekam die Nachricht, als sie sich anzog zum Ball bei Königs. Sie blieb natürlich zu Haus und dann erwartet sie nun die Ansprache aus Schweden. Ich las schon in der Zeitung, daß ein Adjudant aus Stokholm mit Briefen abgesendet sei. 9 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859). 10 Die Werbung von Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) um Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) blieb erfolglos. Sie heiratete ein Jahr später Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876). 11 Erbprinz Ernst (I.) von Sachsen-Altenburg (1826–1908) und mglw. Prinzessin Therese von SachsenAltenburg (1823–1915). 12 Der „alte“ Kalenderstil in Russland orientierte sich noch bis 1918 am julianischen Kalender und lag damit im 19. Jh. ca. 12 Tage später als der Kalender in Deutschland, der sich nach dem „neuen“ gregorianischen Kalender mit einem zusätzlichen Schalttag pro Jahr seit 1582 richtete. 13 Taufe von Sergei Maximilianowitsch de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg (1849–1877), geb. am 20. Dez. 1849.
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Briefe 1824–1850
Diese Bombe plaßte nun auch. Leb wohl, meine Elis, Gott gebe, daß Du das Ordensfest gut überstehest. Unser Herr Stever ist in Berlin gewesen und hat leider gewußt, die Minister umzustimmen.14 Aus Frankfurth a/M waren so energische Noten gekommen, daß wir alle glaubten, uns bald aus der Noth befreit zu sehen. Nun ist wieder alles anders. Unsre Minister wie die Staatsräthe zukten schon, da sie sich weggejagt sahen, jetzt sind sie wieder dreister und verwegen. Und wenn ich einer Nachricht trauen darf, so soll eine sehr ernste Note aus Frankfurth, die gestern Mittag angekommen ist, heute mit einer Proklamation bekannt gemacht werden.15 Wobei gesagt wird, daß man sich nicht an Frankfurth kehren wird, sondern nur was aus Erfurt und Berlin käme. Die würden uns schützen. Dies scheint mir, kann für Preußen und Östrreich ein unangenehmer Zankapfel werden. Bitte sage an Brandenburg, wir von der Rechten konnten ihm nicht danken, auch Schleinitz,16 denn beide haben Herrn Stever angehört, ohne das Ganze zu prüfen.17 Die Rede von Herrn Beseler, ein Freund von Stever hat auf dessen Veranlaßung diese gehalten.18 Verzeih, daß ich Dir mit unseren Verhältnissen sprach. Wovon das Herz foll ist, gehet der Mund über und wir sind ganz außer uns. Wie wird sich die Krisis in Berlin lösen? Gott wird helfen. Deine treue Adine Schwerin, den 28ten Januar 1850 Meine liebe Elis, ich bin ganz mit meinen Gedanken bei euch, denn welch ein entscheidender Moment ist nun eingetreten. Also die Verfassung wird nun beschwohren werden, wenn die Kammer die beiden Hauptpunkte bewilligt. Da es doch nun einmal so weit gekommen ist, so hätte ich gewünscht, es wäre ohne den Ausweg von Graf Arnim Boitzenburg geschehn,19 daß diese Punkte erst in 2 Jahren in’s Leben getreten. Es wäre Preußen wie seinem König würdiger gewesen, ganz frei und fest wie er es gewollt und bestimmt auch so frei, es gleich auszuführen. Es hätte kräftiger und bestimmter vor der 14 Theodor Ernst Stever auf Wustrow (1815–1857), seit 1849 meckl.-schw. Finanzminister und liberaler Gutsbesitzer, versuchte die preuß. Proteste gegen das meckl. Staatsgrundgesetz zu entkräften. 15 In der unklaren deutschen Verfassungslage zwischen Österreich und dem Deutschen Bund sowie Preußen und der Erfurter Union schwelte auch die meckl. Verfassungsfrage. 16 Alexander von Schleinitz (1807–1885), preuß. Außenminister. 17 Nämlich die angeblich unrechtmäßige Ablösung der meckl. Ständeverfassung durch das Staatsgrundgesetz für Mecklenburg-Schwerin vom 10. Okt. 1849. 18 Georg Beseler (1809–1888) war 1837–1842 Juraprofessor in Rostock, wo sich eine Kommission mit seinem publizistischen Engagement für die Göttinger Sieben auseinandersetzte. Mitglied dieser Beseler „unangefochten“ lassenden Untersuchungskommission war auch der Erste Minister Ludwig von Lützow. In der Kreuzzeitung wurde der für den 2. Mecklenburgischen Wahlbezirk im Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments sitzende Beseler mit seinen meckl.-liberalen Verbindungen attackiert. Siehe dazu Beseler, Georg: Erlebtes und Erstrebtes 1809–1859, Berlin 1884, S. 97. 19 Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803–1868), im März 1848 preuß. Ministerpräsident.
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ganzen Welt ausgesehen. Das hat gewiß Radowitz bewirkt.20 Mir wurde schwach, als ich sah, daß er in Berlin angekommen. Ich stelle ihn in seiner Art mit unserem Minister gleich, seinen Einfluß auf den Regenten. Diesen Moment sitzen wir ganz still und warten ab, was in Berlin wird. Danach wird sich auch wohl unser Schicksal gestallten. Das Einzige, was ich an Radowitz lobe, ist, daß er sich der Meklenburgischen Angelegenheit fest und eifrig annimmt.21 Ich hoffe, er bleibt dabei. Über Politik vergesse ich mein eigen Fleisch und Blut, denn ich glaube, ich habe Dir noch nicht anonziert, daß Luise in anderen Umständen ist seit 2 Monaten, überglücklich natürlich und frägt nach allem Möglichen. Im September hoffe ich dann Großmama zu sein. Hier bei meinem Schwiegertöchterchen ist leider noch gar keine Aussicht. Und ich muß selbst sagen, daß es vielleicht so besser ist, da sie unendlich schwach und nervenschwach ist. Erst nach 9 Uhr abends fängt sie an kräftiger zu werden. Dabei ist sie so mager und blaß. Erst muß sie sich stärken, um die Kraft zu haben. Diesen Augenblick ist denn ein solches Schneetreiben, daß man garnicht sehen kann und dabei 4° Kälte. Gestern waren es 7° und vorgestern taute es so furchtbar, daß die Straßen schwammen. Was das nur für eine ungesunde Witterung ist. Ich freue mich für Dich, daß der Herzog von Braunschweig in Berlin ist. Er ist der Erste, der das Schloß wieder bewohnt. Du kannst mit ihm Dich aussprechen. Das ist eine Wohlthat und die Fahrten nach Charlottenburg werden ihm nicht schaden. Nun leb wohl, der Tod der guten Henriette von Reder22 thut mir leid. Es war auch eine so alte Bekannte. Daß Mari Douci einen Sohn hat, erfuhr ich durch Dich zuerst.23 Gestern wird wohl mein Wilhelm von Petersburg abgereiset sein. Was wird er für Nachrichten mitbringen? Mir schlägt das Herz. Diesen Sonnabend ist die Hochzeit von der Schreeb,24 worüber sich alle Menschen wundern, weil man es nicht geglaubt. Die Trauung ist bei mir um 8 Uhr und dann souper, damit aus. Leb wohl, morgen ist der entscheidende Tag bei Euch. Gott schütze die Gerechte Sache. Deine treue Adine Nein, der Schwartze Mann,25 der einen Orden bekommen, wohl für seine Treue für die Preußische Prinzessin. Es ist zu amüsant.
20 Joseph von Radowitz (1797–1853), Berater von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in deutschlandpolitischen Fragen. 21 Nämlich im Sinne der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, die Regierung unter dem Ersten Minister Ludwig von Lützow und mit ihr die Abgeordnetenversammlung und das Staatsgrundgesetz zu stürzen. 22 Henriette von Röder, geb. Gräfin von Bernstorff (1803–1850). 23 Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (1824–1880), hatte am 14. Jan. ihren Sohn Großfürst Alexei Alexandrowitsch (1850–1908) geboren. 24 Bertha von Schreeb (1814–1883), Hofdame von Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin, heiratete am 2. Febr. Viktor von Jasmund (1814–1875), meckl.-schw. Offizier. 25 Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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Schwerin, den 1ten Februar 1850 Liebe Elis, ich hatte einen Brief von Fritz, der mich tief erschüttert, da ich nun schwartz auf weiß sah, wie schlecht die Sachen von uns Meklenburgern stehen, und wie ich es schon längst klar eingesehen. Aber hier ist und bleibt man blind. Ich habe nun eben an Bruder Fritz geantwortet, aber doch nicht so, wie ich es gewünscht, sondern wie es mein Sohn mir aufgetragen. Daher ich Dir doch einiges mittheile, die ich bitte vertraulich an Fritz mitzutheilen, aber nie zu sagen, daß er es von mir weiß. Aber ich hallte es für meine Pflicht. Also erstlich die einzelnen Punkte, wie sie Dein Fritz mir schreibt. 1) die nicht Beantwortung vom Neujahrsbrief hat hier niemand bemerkt und glaubt, es sei nur verzögert. Ich mache hiermit aufmerksam, daß wenn man an unsere Minister etwas merken laßen will, es sehr stark aufzutragen und sehr deutlich und bestimmt geschehen muß. 2) Wegen dem Engern Ausschuß findet die Regierung sich ganz im Recht, aber niemand anderes sieht es so an. Allein, sie sind eigensinnig und halsstarrig und wollen ihre Übereilung nicht einsehen, besonders darum nicht, weil sie kein Geld hatten und die Kasse da foll war, was nun aushelfen muß. Fritz weiß letzteres nicht und würde es nie glauben, daß aus so niedrigen Beweggründen solche That geschehen könne, denn er ist zu edel dazu. Ebensowenig ahnt er, daß der Minister mit den Demokraten ohne es zu wollen Hand in Hand gehet, obgleich seitdem Beseler26 sich der Sache bemächtigt, die Augen hier etwas aufgehen. Die Central Gewalt will die Regierung hier nicht eigentlich jede Macht und jeden Einfluß absprechen und nur alles Erfurt zuerkennen. Warum weiß ich nicht, vielleicht hoffen sie dort mehr Einfluß ausüben zu können, denn in Frankfurth haben sie gar keinen. Darin, daß Frankfurth kein Recht hätte, [hat] Stever27 das Ministerium bestärkt durch falsche Mittheilung, was Schleinitz28 ihm gesagt, was er jetzt ziemlich eingestehet, wenn er dem Ding auch ein Mäntelchen umhängt. Zum Äußersten, zum Militär einrücken, glaube ich zwar nicht, daß es Lützow29 kommen läßt, allein, ich würde rathen, sehr fest dabei bleiben zu wollen. Sie wollen immer nichts glauben und meinen, es sei ein Schreckschuß. So wollen sie eigentlich den Brief von Fritz auch nur ansehen und mit Erlaubniß zu sagen, solche Briefe wären schon ein paar gekommen, und dann wäre es doch dabei, beim Drohen, geblieben. Also nur ernst und fest geblieben, sonst glauben sie nicht und richten sich nicht danach. Dann wäre es sehr gut, wenn man die Regierung belehrte, wie viel Macht Frankfurt zustehet, und ob mit dem Inhibitorium gemeint ist, daß die Kammer nicht zusammen berufen werden kann. Hier meint man, die Kammer kann zusammen kommen. Das muß klar ausgesprochen werden. Mein
26 Georg Beseler (1809–1888) war 1837–1842 Juraprofessor in Rostock und arbeitete als liberales Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung im Verfassungsausschuss mit. 27 Theodor Ernst Stever auf Wustrow (1815–1857), meckl.-schw. Finanzminister. 28 Alexander von Schleinitz (1807–1885), preuß. Außenminister. 29 Ludwig von Lützow (1793–1872), meckl.-schw. Erster Minister, hielt in seiner Funktion als Vorsitzender des Gesamtministeriums in Mecklenburg-Schwerin am konstitutionellen Staatsgrundgesetz fest und nahm auch den Konflikt mit Preußen in Kauf.
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Sohn wünscht sich mit König Fritz auszusprechen, wenn er mit Manteufel30 und Schleinitz gesprochen, weil uns und mir auch scheint, daß König und Ministerium nicht einer Meinung sind, denn Manteufel hat an Stever gesagt, es würde Preußen nie übernehmen, Truppen nach Meklenburg zu senden, um Ordnung zu schaffen. Das ist doch grade das Gegentheil, was der König schreibt.31 Die ist nur eins von den abweichenden Äußerungen. Wenn also der König sich besprochen hat mit die Minister, dann bittet Fritz, daß man ihn hinkommen laßen möchte. Dann muß der König sich aber auch von diesem nicht irre machen laßen, weil er selbst schon viel angenommen von dem, was der Minister ihm täglich vorspricht. Mein Sohn jammert mich schrecklich, weil man ihn schon ganz konfus gemacht. Nun Adios, Gott, daß ich je Dir so einen Brief schreiben muß, meine Elis, so weit bringt einen die Zeit, wenn man sein Land vor dem Verderben retten will. Deine alte Adine Morgen ist die Schreeb ihre Hochzeit.32 Diesen Brief verbrenne, wenn Fritz ihn gelesen und daraus gesehn, wie man mit hier umgehen muß.
Schwerin, den 12ten Februar 1850 Meine liebe Elis, tausend Dank für Deinen Brief, der natürlich nicht sehr erfreulich war, allein, mich nicht befremdet. An meinen Sohn konnte ich erst nach mehreren Tagen die Bestellung machen, da er eine furchtbar dicke Backe hatte und ich fürchtete, er würde aus Gemüthsbewegung die Rose bekommen. Graf Bülow33 ist denn seit 2 Tagen hier und verzweifelt beinah, da unser Ministerium unerschütterlich ist und man es von keiner Seite anfaßen [kann]. Mein Sohn soll zwar gestern unzufrieden gewesen sein, allein, daran kehren sie sich nicht, da sie von seiner Seite nicht energie gewohnt sind und immer 30 Otto Theodor von Manteuffel (1805–1882), 1850–1858 preuß. Ministerpräsident. 31 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen regierte mit gutem Willen, aber in einer von Historikern Anarchie genannten Art und Weise, die sich auch in den ständigen Differenzen mit den wechselnden Ministern offenbarte. In einem Brief an seine Schwester Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin drohte der König, in Mecklenburg verlorene ständestaatliche Positionen mit Waffengewalt zurückzuerobern, auch und gerade in jenem Moment, als in Preußen das absolute Königtum mit dem Eid auf die Verfassung unterging. Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin wusste die Stimmungen ihres Bruders zu nutzen, um ihren Sohn Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin mit den preußischen Drohungen zu verunsichern und von seiner Regierung und dem Staatsgrundgesetz zu trennen. Siehe LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des MecklenburgSchwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 44: Brief König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen an Alexandrine, Charlottenburg 29. Jan. 1850. 32 Bertha von Schreeb (1814–1883), meckl.-schw. Hofdame, heiratete am 2. Febr. Viktor von Jasmund (1814–1875), meckl.-schw. Generalmajor. 33 Als neuer Regierungschef in Mecklenburg-Schwerin war zur Durchsetzung der restaurativen Politik der preuß. Beamte im Außenministerium Hans Graf von Bülow (1807–1869) ausgewählt worden.
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Recht behallten.34 Ich sehe schon unser Land dem Äußersten ausgesetzt. Bloß daran ist der Minister schuld, dem die 3 Staatsräthe nun schon über den Kopf gewachsen sind.35 Vielleicht fängt er nun an einzusehen, was er verhängt hat, wo es nicht mehr in seiner Macht stehet, es aufzuhallten. Mein Sohn Wilhelm wird genau alles erzählen können, wie es hier stehet und was noch zu wünschen ist, daß geschieht. Von Petersburg kam er so glückselig zurück, von munterer Laune. Die 3 Monate, welche er da zugebracht, waren recht erquickend nach all dem Ehlend, was er 2 Jahre mit durchgemacht. Seine schönen Hoffnungen sind zwar nicht erfüllt. Im Stillen hofft er immer noch, und eigentlich wünscht er in rußische Dienste zu treten und das recht bald. Allein, ich bin ganz dagegen in diesem Augenblick, wo es für Meklenburg so nöthig thut, daß er in der Nähe bleibt, und wo er wirken kann. Fritz höre ich, ist derselben Ansicht und will es auf keinen Fall, bis Meklenburg in irgent einer bestimmten Lage gekommen ist und vor dem Herbst nicht. An Wilhelm habe ich meine Meinung gesagt. Seit der Zeit hat er nicht wieder davon gesprochen und vermeidet mich. Ich hoffe, zu meinem Geburtstag wird er wieder kommen und dann 8 Tage bleiben. Ach Gott, wie mag es dann hier aussehen. Mit der Gesundheit von Auguste gehet es etwas besser. Sie ist noch immer sehr schwach. Allein, da sie sich nun sehr ruhig hällt, so kann man hoffen, daß sie sich erholt. Man muß noch einige Zeit warten, ob es nicht vielleicht erfreuliche Ursachen sind, doch jetzt kann man darüber nichts wißen. Nun Adios, Wilhelm wird so viel von allem möglichen erzählen, daß mein Brief garnicht zur Geltung kommt. Die Rede von Fritz war Balsam für unsere armen Preußischen Herzen, wenn er es nur so ausführt.36 Deine treue Adine Schwerin, den 24ten Februar 1850 Meine Elis, mein Wilhelm brachte mir am 23ten selbst Deinen lieben Brief, über den ich mich sehr freute, denn er enthielt so viel Liebes für mich. Und späther, wie ich zu Fritz und Auguste kam, fand ich einen großen Tisch mit den schönsten Geschenken. Vor allem prangte die deliziöse Coiffure und die schönen Stühle dort, für die ich innig danke. Die Coiffure stehet mir sehr gut und ich werde sie morgen auf einem kleinen Diner einweihen, was ich bei mir habe. Vielleicht kömmt Auguste dazu, wenn sie Kräfte genug hat. Ich weiß nicht, ob ich Dir schon schrieb, daß keine schönen Aussichten sind, sondern eine gänzliche Nervenverstimmung. Dafür erklährt es ihr Artzt, den sie darum befragt, und das ist auch meine Ansicht. Aber mich macht es doch besorgt. Ich habe die
34 Die Abhängigkeit ergab sich aus dem Charakter des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin und der Tatsache, dass er bereits mit 19 Jahren an die Regierung gekommen war und in den 1840er Jahren dankbar dem Berater seines Vaters, Ludwig von Lützow, folgte. 35 Finanzminister Theodor Ernst Stever (1815–1857), Justizminister Maximilian von Liebeherr (1814–1896) und Innenminister Friedrich Johann Meyer (1814–1882). 36 Seinen Verfassungseid hatte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen wie gewohnt rhetorisch zu relativieren versucht.
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Angst für Nerven auszehrend. Du wirst gewiß die Gräfin Marie Stolberg37 vor ihrer Abreise sehen. Die wird Dir auch sagen, wie verändert Auguste ist. Dieser, mein lieber Engel, hat mich auch so hübsch beschenkt mit einem dunkelblauen Armband mit ihrem Nahmen, Morgen Kragen, ein schönes Buch, selbst gearbeitete Reisetasche. Von meinem Fritz schrecklich viel, zwei Seiden Kleider, Plüsch zu Möbel und Portieren Zeug, ein Samthuth, Kragen. Von Luise aus Mailand von dem süperben violetten Atlas. Von Wilhelm ein Armband, dunkelblau mit den Anfangsbuchstaben meiner nun 5 Kinder. Er hat es aber in Petersburg stehen laßen. Von Charlotte 5 chatons38 und Mantelzeug. Von meinen Damen und Bekannten die hübschesten Sachen gearbeitet, die man sich denken kann. Aus Strelitz von der dortigen Famillie so viele Beweise von Liebe bekommen, daß es mich recht rühret. Auch aus dem Lande sind mehrere Herren von weit her gekommen, nur um ihren Nahmen aufzuschreiben, denn gesehen habe ich niemand. Verzeih, wenn ich hier schon aufhöre, obgleich ich noch Mehreres gerne schriebe, aber ich werde immer fort gestöhrt. Nur eins will ich noch bemerken, daß am 27ten des Monats die Kammer eröffnet wird, und ob dann Bruder Fritz nicht vielleicht jemand herschicken will, wie Graf Bülow39 es vorgeschlagen, aber in einem triftigen Auftrag. Und ich glaube, Graf Bülow wäre dazu selbst am besten, denn er hat Sohn Fritz gefallen und ihm Vertrauen eingeflößt, weil er fest und offen sich gezeigt und ein Geschäftsmann dabei ist. Gott, was wird uns die Kammer für Kummer bereiten. Deine dankbare Adine An Bruder Fritz tausend Liebes und Dank für die schönen Geschenke. Wie mir immer Luise fehlte, kann ich nicht beschreiben. Es hat mir manche Thräne gekostet.40
Schwerin, den 15ten März 1850 Meine Elis, wie danke ich Dir für Deinen lieben Brief vom 8ten, wo Du so liebevoll des traurigen 7ten gedenkst. Ach, dies Jahr war es ein zu schrecklich trauriger Tag, da Luise nun auch fehlte. Eben erhielt ich von ihr einen Brief vom 7ten, wo sie auch recht, recht traurig schreibt und nun selbst eine Ahnung hat von dem, was ich verlohren, denn den ganzen Umpfang des Unglücks kann man doch so nicht faßen. Der 10te ist nun auch vorüber. Wie meine Gedanken bei Euch waren, brauche ich nicht erst zu sagen. Charlottchen hat mir im Auftrag von Albert geschrieben und ein Blättchen mitgesendet. Daher weiß ich, daß Du und die beiden Brüder ohne Fritz, der noch nicht gehen darf, im Mo-
37 Marie Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (1822–1903). 38 Frz. = kronenartig gefasste Edelsteine. 39 Hans Graf von Bülow (1807–1869), preuß. Beamter im Außenministerium und zukünftiger neuer Regierungschef in Mecklenburg-Schwerin. 40 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), lebte seit ihrer Heirat am 20. Okt. 1849 weit entfernt von Mecklenburg in Italien.
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nument warst.41 Die Schwägerinnen lieben diesen Gang nicht. Darin ist meine Auguste auch so prächtig, ihr Herz fühlt so tief mit. So eine Schwägerin hätte ich Dir gewünscht. Die ist für Herz und Gemüth. Sie ist mir nicht bloß eine liebe Tochter, sondern eine Freundin mir. Leider war sie wieder recht leidend und besonders in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag, wo sie einen furchtbaren Magenkrampf hatte, der 6 Stunden gedauert, so daß sie geglaubt, sie würde es nicht überleben, denn sie hat im Leib bis in den Hals die schrecklichsten Schmertzen gehabt. Gestern lag sie den ganzen Tag zu Bett und heute nur bis Mittag, und es geht ihr auch ganz gut, natürlich matt und zerschlagen in den Gliedern. Schon längst habe ich Dich erinnern wollen, daß am 22ten Mai die Silberne Hochzeit von Luise im Haag ist und ob wir alle Geschwister etwas zusammen schenken wollen und was?42 Ich dachte vielleicht einen silbernen Mirtenkranz, einer von deinen war so schön gearbeitet. Doch hast Du oder einer von euch einen klugen Gedanken? Wenn ich kann, möchte ich wohl zu der Zeit nach dem Haag reisen. Zu Dir, meine Elis, ziehet es mich recht hin, allein, ehe es hier nicht besser wird, komme ich nicht. Doch ich hoffe, ein schwacher Schimmer zeigt sich am Himmel. Gott wolle uns helfen und schützen. Nun leb wohl, Deine treue Adine Schwerin, den 4ten April 1850 Meine liebe, theure Elis, Du wirst natürlich wißen, daß wir uns hier endlich aus dem Graus herausreißen wollen und daß Graf Bülow den großen Entschluß gefaßt hat, uns beistehen zu wollen und das Ganze zu leiten.43 Es ist keine Kleinigkeit, besonders für einen Fremden, für den es überdies schon schwer genug gemacht wird, ehe [er] erst freundlich aufgenommen! Wir Alle aber sind von Dank durchdrungen, daß er es thuen will, und ich glaube, die beiden Herren, die mit ihm das Werk anfaßen wollen, werden ihm kräftig zur Seite stehen. Heute ist ein wichtiger Tag hier, wo die Kammer zusammen ist, das Ministerium ihr Ausscheiden anzeigt und die Kammer auf 3 Monate vertagt wird. Wir sind sehr gespannt, ob es ganz ruhig abgehen wird. Noch habe ich Dir garnicht gedankt für Deine beiden Briefe wegen dem silbernen Mirtenkranz für Schwester Luise. Ich freue mich, daß Deine Worte an Karls guten Erfolg gehabt. Es wäre wirklich unerhört gewesen, wenn sie unversöhnlich bei dieser Gelegenheit sich gezeigt. Von unserem Besuch von Helene wünscht Du zu wißen.44 Der ist denn ganz zur Zufriedenheit von allen Theilen ausgefallen. Anfangs wollte sie sich als französische Prinzessin zeigen. Allein, unser einfaches Sein und offenes Wesen machte, daß sie vorzüglich die letzten Tage ihr Herz mehr sprechen ließ und herzlicher und einfa41 Mausoleum in Charlottenburg. 42 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870), war seit dem 21. Mai 1825 mit Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881) verheiratet. 43 Als neuer Regierungschef in Mecklenburg-Schwerin war der preuß. Beamte im Außenministerium Hans Graf von Bülow (1807–1869) ausgewählt worden. 44 Herzogin Helene von Orléans, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1814–1858).
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cher war. Leider hatte sie alle Tage Fieber. Dabei ging sie aber aus und sah vom Morgen bis im Abend immer Menschen und war freundlich, hat allen Bekannten und uns im Schloß schöne Geschenke gemacht. Nach meiner Ansicht in ihrem Verhältniß nicht recht passend, aber die Herzen hat es noch mehr gewonnen. Meine Schwiegertochter45 hatte auch sehr starkes Fieber 24 Stunden hinter einander, was sie ganz von Kräften brachte. Nun aber erholt sie sich und die neuen Begebenheiten machen sie so glücklich, daß sie meint, davon ganz gesund zu werden, siehet aber jämmerlich aus. Meine Absicht ist, Mitte des Monats auf ein paar Tage zu Euch zu kommen und Euch, nachdem wir wieder ehrlich geworden, wiederzusehen. Dann will ich aber mit dieser Freude noch 2 Zwecke erreichen, Kinderzeug für Luise in Berlin besorgen,46 und wenn es in der Zeit fällt, den Prophet zu sehen.47 Am 18–20ten muß ich aber zurück sein, weil dann meine Mama uns in Ludwigslust besuchen will. Ich würde den 15–16ten April erst kommen. Das ist sehr kurtz. Ich denke aber, im Monat Juny dann einen längeren Aufenthalt bei euch zu machen, ihr seid doch jetzt in Charlottenburg. Adine Ludwigslust, den 3ten Mai 1850 Meine liebe Elis, Du wirst kaum Zeit haben, meinen Brief zu lesen. Allen muß ich noch schreiben, um Dir und meinem Herrn Bruder meinen Sohn Fritz zu Füßen zu legen und ihn zum Sonntag Nachmittag anzumelden. Ihr werdet zwar den Tag in Potsdam sein, dann würde er also im Propheten gehen und sich Montag früh beim Exerzieren melden, die drei Tage Exerzieren mitmachen und den Fürsten Congres in Berlin48 auch, was ihn sehr glücklich macht. Ich freue mich auch, daß er längere Zeit einmal unter Euch sein wird und vernünftige Menschen wieder sehen und sprechen. Das wird ihm außerordentlich heilsam sein. Auguste ist etwas unglücklich, sich so lange von ihrem Mann zu trennen. Allein, ich kann doch nicht dazu rathen, daß sie ihn begleitet, da sie recht schwach ist. Wenn es auch anfängt besser zu gehen. Außerdem soll sie anfangen, Brunnen zu trinken. In der Zeitung fand ich heute, daß die Vermählung vielleicht verschoben würde wegen dem Fürsten Congres. Darüber wird das Brautpaar sehr unglücklich sein. Deine Nichte ist nun bei Dir. Der Abschied von den Eltern wird ihr doch unendlich schwer geworden sein. Leb wohl, genug für heute. Mit Rauch gehet es wohl recht schlecht. Ach, ich fürchte auch alles. Das Fieber, was anhällt, die Kräfte müßen doch am Ende nicht ausreichen. Deine alte Adine 45 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862). 46 Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), war nach ihrer Heirat am 20. Okt. 1849 zum ersten Mal schwanger. 47 Der Prophet, Oper von Giacomo Meyerbeer. 48 In Berlin sollte die Annahme der Verfassung der im Scheitern begriffenen Erfurter Union durch die am Unionsprojekt beteiligten deutschen Fürsten besprochen werden.
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Wird der silberne Mirtenkranz auch gewiß fertig und soll er mit nach dem Haag zugesendet werden, damit ich ihn in Eurem und unserem Nahmen geben soll?49
Ludwigslust, den 30ten Mai 1850 Meine geliebte Elis, wie schwer wurde es mir, mich von Dir zu trennen und Dich so allein Deinem Kummer zu überlaßen, den Du wie immer mit Ergebung und Seelenstärke trägst.50 Der Herr legt schwere Prüfungen Dir auf, doch zeigt er, daß er die Macht, den zu schützen, der ihm lieb ist. Wir alle stehen in Gottes Hand, aber es will mir scheinen, als wenn er den theuren Fritz besonders erkohren und ihn besonders in seiner Vater Hand hällt. Vertraue dem Höchsten und gieb Dich nicht zu sehr den Besorgnißen hin. Doch wie schwer ist es, so ganz sich dem Willen des Höchsten zu ergeben, und das ist auch gewiß nicht seine Ansicht, sondern man soll ja kämpfen und an sich ändern. Dazu schickt er die verschiedenen Prüfungen. Wenn es Euch recht ist, wollte ich den 6ten mit der Eisenbahn Nachmittags da eintreffen, wo ihr Euch zu der Zeit aufhallten werdet. Ich denke mir, vielleicht schon in Sanssouci, wo ihr Euch beide gewiß recht hinsehnet. Nach allen Nachrichten gehet es dem armen Fritz so gut, wie man es wünschen kann. Doch am 26ten war er grade recht leidend an der Wunde. Welch ein Unterschied mit hier, wo an dem Tag der Geburtstag von Auguste mit Jubel und großer Freude gefeiert wurde. Es waren 36 alte Landstände hier und die so ergriffen waren, sich nach der böslichen Trennung wieder mit ihrem Landesherrn vereint zu finden, daß es wahrhaft rührend war. Als ich in das Zimmer trat, hatten sie alle Thränen in die Augen und die innigste Liebe sprach sich in ihren Gesichtern aus. Das thut wohl nach so vielen Thränen und herbem Schmertz. Gott wird ja hier auch in Frieden alles lösen. Wenn nur die politische Welt sich wollte freundlich gestallten. Von Luise habe ich aus dem Haag einen trostlosen Brief gehabt über diese schreckliche That in Berlin. Ist aus Warschau schon ein Lebenszeichen gekommen? Wie wird es Wilhelm51 dort ergehen? Nun leb wohl, Gott schütze Dich und laße Deine Gesundheit nicht zu sehr erschüttert sein. Wie fühlst Du Dich nun, ist der Husten besser? Deine alte treue Adine Schwerin, den 4ten July 1850 Nur wenige Worte, geliebte Elis, um Dir noch auszusprechen, wie ich glücklich war, beinah 3 Wochen bei Dir und Fritz zu sein und mich einmal in Ruhe Euer lieben Nähe 49 Zur Silberhochzeit von Prinz Friedrich (1797–1881) und Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870), am 21. Mai. 50 Am 22. Mai hatte der preuß. Artillerieunteroffizier a.D. Max Sefeloge (1821–1859) am Potsdamer Bahnhof ein Pistolenattentat auf König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen verübt, der schwer am Arm verwundet wurde. 51 Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888).
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zu freuen. Es waren herrliche Tage, und sie werden lange mein Herz beglücken, wenn ich schon lange im schönen Italien sein werde. Von Tochter Louise habe ich sehr gute Nachrichten. Sie soll enorm stark sein, aber doch ganz mobiel dabei. Die Abreise rückt so nahe, daß es mir recht schwer auf dem Herzen liegt, denn man jetzt weniger weiß wie je, was die nächste Zeit bringt. Und nun, was kann in 3 Monaten nicht alles geschehn. Heute ist in Stockholm wieder ein Fest, der Geburtstag von Oscar.52 Viel Ehre, wenig Vergnügen und übermorgen Abreise von dort. Das wird ein schwerer Tag für die arme Luise und Fritz Oranien sein, das Kind so in der Fremde zu laßen.53 Ich denke mir aber, es wird sich dort alles besser machen, wie man es sich denkt. Allein, Abschied bleibt schwer. Petersburg wird recht wohlthätig darauf sein. Meinen Besuch in Dobbran habe ich auf Sonnabend verschoben, wo mein Sohn doch hinwollte. Und Sonntag, der Geburtstag vom lieben Kaiser, werde ich denn da bleiben, und Montag um 9 Uhr früh in Schwerin wieder anlangen, um Freitag den 12ten es ganz zu verlaßen und bei euch die beiden Tage noch zu bleiben. Es sieht hier bei uns ziemlich gut aus, man ist nur sehr gespannt auf den Ausspruch des Schiedsgerichts.54 Wegen Hessenstein55 habe ich gesprochen und suche zu wirken. Es wird aber nichts helfen, denn man kann ihm nicht helfen, solange er in Berlin bleibt. Auch lügt er und [er]fand so viel, daß man die Wahrheit schwer herausfindet. So viel ist klar, daß er die 6000 Reichsthaler von Neu Jahr bis Ostern jemand verschrieben hat, auf die er keine Ansprüche mehr hatte. Sie sind ihm aber gezahlt und nun will er noch 6000 Reichstaler haben. Da wir aber selbst arm sind wie die Kirchen Mäuse, so kann man die nicht so hingeben. Wenn er nun seine Abschieds audience gehabt, dann erhällt er 3000 Reichstaler, aber nicht ehe, weil er sonst nicht fort kann. Davon sprach er aber nicht, sondern nur immer von der schändlichen Art, wie Graf Bülow56 ihn behandelte und von der Ungerechtigkeit. Ich will aber suchen, noch etwas Genaueres über die Sache mir zu verschaffen und es dann senden. Nun leb wohl, an Fritz viel Liebes. Ich hoffe, seine Kräfte nehmen nun immer mehr zu, mit treue Liebe Deine alte Adine Agnes und Mariannchen57 sind in Pyrmont mehrere Tage gewesen. Auguste schrieb, daß ihr die Gouvernante garnicht gefallen hätte. Sie wäre anmaßend, so erzählte mir Fritz. 52 König Oskar I. von Schweden (1799–1859) hatte am 4. Juli Geburtstag. 53 Am 19. Juni hatte Kronprinz Karl (XV.) von Schweden und Norwegen (1826–1872) in Stockholm Prinzessin Luise der Niederlande (1828–1871) geheiratet. 54 Ein nach einer Vereinbarung zwischen den Großherzögen von Mecklenburg und den meckl. Landständen seit 1817 vorgesehenes Schiedsgericht, unter Garantie des Deutschen Bundes (Schlussakte des Wiener Kongresses, Art. 56) sollte die Rechtmäßigkeit der meckl. Verfassungsverhältnisse prüfen. Jeweils ein Mitglied kam aus Hannover und aus Preußen sowie ein Obmann aus Freienwalde. 55 Wilhelm Graf von Hessenstein (1790–1867), meckl. Gesandter in Berlin. 56 Hans Graf von Bülow (1807–1869), meckl.-schw. Ministerpräsident. 57 Die Prinzessinnen Agnes (1824–1897) und Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906), Töchter der am 1. Jan. verstorbenen Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau, geb. Prinzessin von Preußen (1796–1850).
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Breslau, den 16ten July 1850 Nur einige Worte, geliebte Elis, aus Deinem reitzenden Kabinet. Hier ist aber das Wort wirklich an seiner Stelle. Gestern Abend ¾ 7 Uhr kamen wir gekocht hier an. Ich ertrag es aber ziemlich gelaßen, da ich dachte, ich hätte das schöne Wetter herauf beschworen, und alle Menschen und vorzüglich Ihr lieben Bewohner von Sanssouci wäret nun recht glücklich über die Wärme. Ich finde Breslau so verändert, daß ich mich garnicht zurecht finden kann. Ich lief gleich das ganze Schloß durch und nach den Zimmern vom lieben Papa, worin die Schöning und Herr von Stenglin58 wohnen. Letzterer schlief in dem Schlafzimmer, was mir recht wehmüthig war. Stolberg kam bald zu mir. Es war ein wehmüthiges Wiedersehen, doch verändert fand ich ihn wenig. Du kannst denken, daß ich viel erzählen mußte. Dann kam Uhden,59 der sich Dir zu Füßen legt und ganz gerührt war über Deinen gnädigen Gruß. Mit ihm sprach ich viel. Dann kam Herr von Reitzenstein,60 den ich sehr verändert fand. Alle waren sehr erfreut, einmal ordentlich von Dir und Fritz zu hören. Stolberg und Reitzenstein blieben zum souper. Wir gingen hernach noch auf der Rampe, weil es so warm war und der Mond schön schien. Dann um ½ 11 Uhr fiel ich todmüde in mein Bett, aus dem ich nach meiner Idee viel zu früh erwacht bin. Aber wenn man innerlich echaufiert ist, dann kann man nicht lange schlafen. Und nun benutze ich die halbe Stunde, um Dir zu schreiben, ehe ich mich im Wagen werfe und etwas die Stadt besehen will. Erst gehe ich zu Brandenburgs, dann in die Klöster, wenn ich Kräfte habe, da es schon sehr warm ist, und es ist noch nicht 9 Uhr. Stolberg61 reiset um 1 Uhr schon wieder ab. Es ist unbegreiflich, wie er sich doch noch erhällt. Wenn ich ihn sehe, muß ich immer an der lieben Tante Wilhelm denken. Überhaubt, Stolberg und Reitzenstein sind Menschen, die so in der guten und glücklichen Zeit gehören. Da möchte man weinen, wenn ich denke, wohin sind die Jahre. Nie, nie kehren sie wieder. Leb wohl, um ½ 2 Uhr setze ich meine Reise fort und morgen um 8 Uhr bin ich in Wien. Viel Liebes an Fritz und Onkel George. Deine alte Adine Der Abschied von Dir wurde mir recht schwer. Gott allein kann wißen, ob ich Dich wiedersehe. Ich denke immer, ich kehre nicht wieder, denn ich kann die Hitze nicht vertragen.
58 Elisabeth von Schöning (1817–1882), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin, und Otto Henning von Stenglin (1802–1885), meckl.-schw. Kammerherr. 59 Alexander (von) Uhden (1798–1878), Mitarbeiter im Geheimen Zivilkabinett des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, bis März 1848 preuß. Justizminister und seit 1849 Präsident des Appellationsgerichts in Breslau. 60 Heinrich Freiherr von Reitzenstein (1796–1865), preuß. General und Brigadekommandeur in Breslau. 61 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854), von seinen Ämtern zurückgetretener preuß. Staatsminister.
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Como della Battaglia, den 2ten August 1850 Meine geliebte Elis, ich hatte schon einen Brief von Dir hier im schönen Como. Ach, das war eine rechte Freude, denn ich sehne mich so nach Nachrichten und habe schon so schreckliches Heimweh, obgleich ich erst 8 Tage hier bin und ich Luise, die Dir tausendmal die Hände küßt, unendlich glücklich gefunden. Sehr froh und heiter, unglaublich schlank und mobiel, so daß wir uns garnicht um sie genieren brauchen. Ich hatte ja die unaussprechliche Freude, Luise und ihren Mann in Venedig zu finden. Nein, diese Wonne, das Glück des Wiedersehens läßt sich nicht beschreiben. Wir brachten da 3 seelige Tage zu. Das Wetter war himmlisch, aber furchtbar warm. Wie lebten theilweiß wie die Italiener, wir standen vor 5 Uhr auf, fuhren im Kühlen in den Gondeln umher, meist nach dem Lido, wo wir ausstiegen und nach dem Meer gingen oder auf dem Canal grande, besahen einige Paläste, unter anderem das von Erzherzog Friedrich, was die Bordeaux gekauft.62 Sie sind erst im Einrichten. Es wird gewiß recht schön werden. Aus dem Zimmer, wo er gestorben, haben sie ihre Capelle gemacht. Sein Grab besichtigte ich auch in der Malteser Kirche. Einige Bildergallerien sahen wir. Viel konnte man wegen der schreklichen Hitze nicht thun. Um 11–12 Uhr wurde zweites Frühstück genommen und dann legte man sich hin. Um 5 oder 6 Uhr wurde gegessen, dann wieder nach dem Lido gefahren, das Armenische Kloster besehen und dann an der Piazetta ausgestiegen. Der Mond schien so himmlisch und stellte sich so, daß wir Dein Bild mit der Säule öfter verwirklicht sahen. Das mußt Du mir einmal zu Weihnachten copieren laßen als Andenken an diese Tage. Auf dem Markusplatz war 2 mal Musik, wo alles hinging, Eis aß oder so herumstreifte. Ungern verließen wir Venedig. Therese Esterhazie63 kam im selben Wirtshaus zu wohnen wie wir, was sie, glaube ich, sehr genierte, obgleich wir oft Säbelgeklappe hörten und sie mit denselben Gondeln fuhr zu allerlei Stunden. In Padua, wo wir die Nacht blieben, gingen wir im Theater, weil grade die besten Sänger und Sängerinnen versammelt waren, der Franchini und die Crimelli,64 wirklich himmlische Stimmen, besonders der Tenor. Den 26ten blieben wir in Brescia und am 27ten kam ich dann über Mailand, wo ich mich einige Stunden aufhielt, um Luise einen Vorsprung zu laßen, die noch Manches einzurichten hatte, in Como am Abend an. Es war Sturm, und Gewitter zog herauf. Allein, die Beleuchtung war noch recht schön, so daß die Villa und der Blick auf den See noch sehr vortheilhaft war. Der Blick aus meinem Zimmer ist reitzend. Es ist sehr wohnlich eingerichtet, was Hugo viel Mühe gemacht, da man in Como nichts hat. Es ist ihm aber herrlich gelungen. Er ist ein garzu lieber, guter Mensch und macht Luise sehr, sehr glücklich. Doch kann ich oft den Seufzer nicht unterdrücken, daß sie so, wie sie ist, nicht eine andere Stelle im Leben gefunden hat. Die Verlobung von George von Strelitz, die wir aus Marienbad erfahren haben, hat sie doch mächtig bewegt.65 Sie sprach 62 Gemeint sind Erzherzog Friedrich von Österreich (1821–1847) und Henri d’Artois, Herzog von Bordeaux, und Graf von Chambord (1820–1883), als Besitzer des Palazzos Cavalli. 63 Fürstin Maria Theresia Esterházy de Galántha, geb. Prinzessin von Thurn und Taxis (1794–1874). 64 Verm. Crivelli, ital. Sängerfamilie. 65 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) hatte sich mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) verlobt. Ein früheres Heiratsprojekt zwischen ihm und
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mir heute darüber! – Der Krieg in Holstein ist ja auch ausgebrochen und vielleicht schon vorbei, da die Dänen in Schleswig eingerückt sind.66 Wie diese Angelegenheit wohl bei uns alles wieder in Bewegung setzet? Hier lebt man so still und ruhig, daß es mir ganz sonderbar vorkömmt. Ich bin seit 2 Jahren so die Anspannung und Aufregung gewohnt, daß ich mich noch nicht recht hineinfinden kann. Ich habe noch so eine innere Unruhe. Den 3ten. Heute sind meine Gedanken ganz vorzüglich bei Euch, ihr Lieben. Ihr werdet wohl in Charlottenburg sein, wo es gewiß entsetzlich heiß sein wird, wenn ich nachhier urtheile. Meine ganze Umgebung, hoch wie niedrig, habe ich nach Mailand geschickt, wohin man in einer Stunde mit Eisenbahn kömmt, um es gründlich zu besehen. Denn neulich sind wir nur im himmlisch schönen Dom gewesen, wo ich mich ganz still hinsetzte und ihn so recht genoß. Nun ist heute noch stiller wie sonst hier, was mir sehr recht ist, denn an einem solchen Tag lebt man gern mit den geliebten Todten und beschäftigt sich mit ihnen. Ach, wohl ihnen! Du wirst meiner heute gedacht haben. Mein Wilhelmchen wird auch vielleicht mit Euch sein, Bruder Wilhelm am Ende auch. Wie ist er nur, und wie hat mein Kind die Verlobung von George aufgenommen?67 Vielleicht schreibt er mir. Aber eigentlich glaube ich es nicht. Dabei fällt mir der junge Stolberg ein.68 Die Königin von Spanien hat ja ein todtes Kind, wie wir gestern in der Zeitung lasen.69 Von Wien schrieb ich Dir noch nichts, da Bernstorf70 alles berichtet, aber von der lieben, herzlichen Aufnahme bei Deiner Schwester Sophie71 muß ich doch sprechen. Sie war zu lieb und gut für mich. Ich habe sie sehr lieb gewonnen. Es ist rührend zu sehen, wie sie ihren Kaiser72 liebt, der auch ganz scharmant ist, aber recht ernst für sein Alter. Es war mir doch sehr sonderbar, den Hof so ganz anders wiederzusehen, eigentlich wehmüthig, obgleich er so gewiß viel, viel besser ist. Die Livreen sind verändert, besonders der Stall. Den einen Tag, den ich mit Amelie von Schweden73 ganz ruhig zubrachte, war mir sehr lieb. Sie sah ehlend aus, aber ich fand sie sonst unverändert, und wir waren uns auch garnicht fremd. Auf dem Rückweg gedenke ich mich wieder einen Tag in Wien aufzuhallten. Aber wann werde ich daran denken können? Nach der neuesten Nachrechnung wird der ernste Augenblick hier erst Ende August sein. Das verspätet alles und vielleicht werde ich mich dann sehr eilen, nach Haus zu kommen. Noch weiß Hugo Alexandrines Tochter Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859), war nicht zustande gekommen. 66 Nach der Schlacht bei Idstedt am 24./25. Juli brachten die siegreichen Dänen Schleswig wieder unter ihre Kontrolle. Preußen und die anderen deutschen Staaten waren inzwischen aus dem Krieg ausgeschieden und die schleswig-holsteinische Unabhängigkeitsbewegung auf sich allein gestellt. 67 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) hatte sich mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) verlobt, um die auch Alexandrines Sohn Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) bis zuletzt geworben hatte. 68 Mglw. ein Sohn von Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785–1854). 69 Königin Isabella II. von Spanien, geb. Infantin von Spanien (1830–1904) hatte ihren Sohn Ferdinand verloren. 70 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), preuß. Gesandter in Wien. 71 Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). 72 Ihren Sohn Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 73 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853).
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garnicht den Ort, wohin er kommen wird. Groß Wardein soll es nicht sein,74 obgleich es im Allgemeinen recht gut sein wird, wenn sie mehr unter Menschen kommen, denn aufrichtig gesagt, langweilig finde ich ihn doch nur, wenn er auch hübsch. Er hat sich aber auch verändert und gut und lieb ist. Ich kann wenigstens keine conversation mit ihm machen. Es ist so etwas Läppisches in ihm und doch auch männliches, vielleicht mache ich auch zu viele Ansprüche. Bitte mache keinen Gebrauch von diesem Urtheil, höchstens meinem Wilhelm kannst Du es sagen, dem werde ich auch nächstens schreiben. Grüße ihn von mir. Nun leb wohl, es ist so heiß, daß ich ganz dumm bin. Charlotte75 soll seit dem 31ten in der Villa Carlotta sein. Wenn das Wetter gut ist, werden wir Montag sie besuchen, worauf wir uns sehr freuen. Am 1ten August war ein Wetter hier, zu schäuslich, ein Regenstrom, Gewitter, Sturm. Ich konnte es garnicht aushallten. Man konnte keinen Fuß vor der Tür setzen. Dafür ist es heute ganz himmlisch. Villa Pliniana haben wir auch schon aufgesucht, und ich fand sie noch schöner und romantischer wie das Erstemal. Überhaubt fahren wir alle Tage auf dem See und sahen die Villas an. Die Tailloni und Trubetskoy sind auch in ihren Villen.76 Gestern war er hier, um anzufragen, ob er seine Aufwartung machen kann. Ich sah ihn nur von weitem und wußte nicht, wer es war. Gott mit Dir. An Fritz viel Liebes, an Mathilde und Deine Damen und Herren und an Gerlach meine Empfehlung. Bitte, bitte schreibe mir bald wieder. Deine alte treue Adine Como Villa Bataglia, den 12ten August 1850 Welche Freude, meine geliebte Elis, hatte ich gestern über Deinen Brief vom 5ten. Es ist zu himmlisch gut von Dir, mir schon wieder geschrieben zu haben, ehe Du einen Brief von mir hattest. Aber Du wußtest gewiß, wie ich mich nach Briefe von Dir und nach Nachrichten überhaubt sehnte. Ich höre hier so wenig, und es gehet so vieles vor, von dem ich gerne hörte, und Du hast darin ein eigenes Talent von allem zu sprechen, was man gerne hören will. So auch von der Verlobung von George,77 die mir zwar Marie selbst aus Dobbran angezeigt, allein, nur so oberflächlich, daß wir garnicht wußten, ob die Braut ihm gefallen, und ob sie überhaubt sich freute. Der Ton des Briefes hatte so etwas kaltes. Jetzt denke ich mir, war sie doch vielleicht verlegen, da sie weiß, wie Wilhelm doch das selbe gehofft, Und vielleicht dachte sie der Vergangenheit, wo er Luise nicht 74 Heute Oradea in Rumänien. Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) diente als österr. Major im Ulanen-Regiment Erzherzog Karl Ludwig. 75 Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), hatte die Villa als Hochzeitgeschenk erhalten. 76 Marie Taglioni (1804–1884), ital. Tänzerin. Ihre Tochter Marie (1835–1901) war verh. mit Fürst Alexander Troubetzkoy (1813–1889). 77 Verlobung von Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894), um die auch Alexandrines Sohn Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) geworben hatte.
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gleichgültig war. Ich glaube, ich schrieb schon, daß es sie doch etwas sehr bewegt hat. Schleswig Holstein macht ja mit einem Mal ganz Deutschland lebendig, was für Geldsammlungen und Leinen wird gespendet. Das ist ein Zeichen, daß es ein schlechter Krieg ist, denn die Demokraten werden so laut. Hier in Como haben wir uns am Freitag den Spaß gemacht und sind 3 Meilen gefahren zu einem Manöver, wo der alte Radetzki78 zugegen war. Der Erzherzog Karl Ferdinand79 commandierte, doch haben wir ihn nur von weitem gesehen. Der alte Radetzky hingegen kam 2mal an unsern Wagen und sprach mit uns. Das war denn ein sehr großes Glück. Der alte Herr ist zu Pferde recht alt und fällt zusammen. Am Sonnabend kam er aber zu uns nach Como zur visite. Du kannst denken, wie stolz wir sind. Da war er sehr kräftig, ungeheuer gallant und liebenswürdig. Er fuhr noch auf den See und fuhr bald wieder fort. Das manoever an sich war nicht besonders, aber die Regimenter haben prächtige Mannschaften, stark und kräftig, dem Kriege gewachsen. Ich möchte doch nicht, daß sie sich mit Preußen messen müßten. Gott verhüte Krieg, das ist mein Gebet. Von Petersburg weiß ich garnichts. Also waren mir die Nachrichten von Dir unendlich lieb, besonders da Du Mandt selbst gesprochen. Wann soll denn Charlotte nach Warschau und wann wird da die Entscheidung sein? Ich muß das alles wißen, denn villeicht könnte ich sie dann sehen. Wenn Du etwas erfährst, was Jüngken80 über ihre Augen gesagt, ach, so schreibe es mir. Es wäre doch greslich, wenn es ihr so ginge wie die arme Helene.81 Ich begreife nicht, wie ich in Dobbran war, wußte man garnichts davon. In Mailand bin ich Donnerstag den 8ten gewesen, um Albert zu sehen, der sehr wohl und heiter war. Lollo mit ihrem Mann war auch da.82 Am 10ten wollten sie Alle zusammen nach Genua. Denke Dir, die Schuckmann83 nehmen sie auch mit, die sie nach der Villa eingeladen hatten. Ich glaube, Lollo hat wenig Spaß von der Reise, da sie viel Zahnweh hatte und übel ist und sich greslich speihet. Am 15ten kommen sie wieder zurück und bleiben 14 Tage in der Villa, wo ich sie noch vor der Reise besuchte. Immer mit Luise, die nehme ich über all mit, denn es amüsiert sie und fatigiert sie nicht. Die Villa war den Tag ganz himmlisch, wie ein Feen Palast mit diesem jungen glücklichen Paar, was sich sehr liebt. Nachmittag. Eben habe ich 2 Briefe von Charlotte und Luise bekommen vom 3ten August durch Fritz Oranien, der sie bis Berlin gebracht. Durch ihn wirst Du nun alles genau wißen, daß es mit Charlotte wirklich etwas besser geht. Das Herzklopfen hatte eine ganze Woche ausgesetzt und dann nur schwach wiedergekommen, so daß Charlotte selbst meint, man würde sie im Winter nicht nach Italien schicken. Ob sie den Winter 78 Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766–1858), österr. Feldmarschall. 79 Erzherzog Karl Ferdinand von Österreich (1818–1874), österr. Offizier. 80 Johann Christian Jüngken (1793–1875), Prof. für Chirurgie und Augenheilkunde an der Charité in Berlin. 81 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873), litt an Gicht. 82 Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), verh. mit Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914). 83 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen.
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aber überleben wird, wäre eine Frage. Ich finde auch, daß es viel gewagt ist. Ende September kommt sie nach Warschau und hofft mich dort zu sehen. Hier denke ich, wird es woht nicht mehr recht lange dauern. Heute ist sie den ganzen Tag angegriffen gewesen. Beim Essen mußte sie aufstehen. Wir hatten den Feldmarschall Lieutenant Graf Collowrat84 grade, der seit einigen Tagen erst hier her gekommen ist. Gestern hatten wir 4 andere Militair Personen. Das war das erste Mal, daß wir jemand zum Essen gesehen haben. Nun leb wohl, schreib mir bald wieder. Ich hoffe, mit Deiner Schwester Marie85 wird es sich bald bessern. Die Erzherzogin Sophie86 war zu herzig und lieb für mich. Ich kann es nicht genug danken. Denke Dir, wir nennen uns Du. Das macht mich sehr glücklich. Grüße Deine Damen. Ich kann mir die Marwitz87 denken, denn Hugo ist ihr nicht gleichgültig. Ich freue mich, daß Rauch sein Wunsch erfüllt ist. Deine alte Adine Sans Souci, den 20ten August 185088 Wie hast Du mich wieder erfreut, meine Adine, mit Deinem lieben Brief vom 12ten, den ich vorgestern Abend erhielt. Danke Dir von Herzen, Du Liebe. Wie haben mich alle détails interessirt, die Du mir gabst. Vielleicht ist die ernste Stunde für die liebe Wiwi schon vorüber, und Du hältst einen gesunden Enkel in Deinen Armen. Gott wolle, daß es so sey und Du nicht zu lange die Qual der Erwartung habest. Lolo’s Hoffnungen erfreuen mich ausserordentlich. Ihre Schwiegermutter89 hatte mir davon gesprochen, aber noch etwas unsicher. Nach dem, was Du aber dort gesehen, scheint ja kein Zweiffel mehr. Sie ist gewiß sehr glücklich darüber, wenn auch leidend. Die schöne Villa von einem so liebenden, glücklichen Paar bewohnt, muß auch wirklich feenhaft seyn. Rusthof90 wird nicht so zauberhaft seyn. Nach dem, was man aus dem Haag schreibt, weiß man wirklich nicht, ob die Kinder mit Ehren hinkönnen. Wir haben Fritz Oranien gebeten, ihr zu sagen, daß wenn ihr Haushalt nicht anständig ist, der Heilige unsichtbar und eine Dame im Hause, die Kinder nicht kommen können.91 Ich rechne aber wenig auf ihn, denn er hat keinen Einfluß auf sie, und wie mir scheint, auch nicht die gehörige Energie mit solchem Trozkopf. Die kleine Adini92 ist in mehreren Betracht ihre würdige Tochter, und sie braucht auch eine eiserne Hand sie zu leiten. Fritz Oranien kam Don84 85 86 87 88 89 90
Leopold Graf von Kolowrat-Krakowsky (1804–1863), österr. Feldmarschallleutnant. Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). Bertha von der Marwitz (1817–1879), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. Oben links Nummerierung des Briefes mit „Nro. 4“. Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). Haus Rusthof bei Voorburg, im Besitz von Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883). 91 Die Bedingungen, unter denen die geschiedene Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), ihre Kinder außerhalb von Preußen sehen konnte, waren umstritten. Der „Heilige“ ist ihr verheirateter Lebenspartner Johannes van Rossum (1809–1873). 92 Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen.
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nerstag aus Muskau zurück und blieb bis Sonnabend Abend, wo er von hier aus nach dem Haag reiste, sehr bewegt und herzlich. Ich fand ihn noch, als ich den Abend aus dem Theater kam mit Agnes und Marianne,93 denen zu Liebe ich in der Jeanne d’ Arc war, worin Madame Rachel wieder vortrefflich war.94 Die beyden armen Töchter der guten Friederike kamen Mitwoch Abend an. Wir erwarteten sie im Neuen Palais, wo sie oben wohnen. Es war ein schwüler Abend, und wir erlagen beynahe der Hize, als wir ziemlich spät mit Wilhelm95 zu Fuß heimgingen. Wir tranken Thee im Grotten Saal, wo es erträglich war. Kleist96 brachte zum erstenmal den Tag wieder hier zu nach 2 Jahren, wo wir ihn gar nicht sahen. Er weinte sehr, als er uns wieder sah, war aber bald wieder ganz der alte. Wir setzten [uns] vor den Saal, der Mond schien herrlich. Nach 9 Uhr kamen die armen Kinder an. Agnes winkte sehr bey der Ankunft. Sie hat sich doch etwas verändert, ist nicht mehr so frisch, aber sie erinnert oft unglaublich ihrer Mutter. Marianne ist ein kleiner Schaz, ein zu liebliches, anziehendes Kind, Mariechens Ebenbild97 ist ihr tiefer Blick, ihre Augen, die langen, dunklen Wimpern, ihr Mund, ihr Lächeln, die Aehnlichkeit machte mich oft ganz confus. Ich finde nur ihren Kopf größer und dadurch nicht ganz das Ebenmaß, daß Mariechen so allerliebst gemacht. Da sie aber wohl größer werden wird, so wird sich das noch ausgleichen. Es ist in ihr eine so hübsche Mischung von sinnigen Ernst und kindlicher Heiterkeit. Sie ist sehr amusant. Ich kann nicht sagen, daß mir die Gouvernante98 mißfällt, und jedenfalls hat sie einen sehr guten Einfluß auf die Kleine. Die Stimme und die Sprache der guten Agnes sind désolant, aber doch sind sie mir lieber wie die affectation von Luise Karl.99 Marianne hat den Dessauer Accent weniger, aber immer noch zu viel. Wir führen sie viel herum, um ihnen alles zu zeigen, denn bis jetzt war das Wetter wunderschön, seit gestern aber neigt es sich zum Herbst. Heute ist der Wind bitterkalt, und es zieht recht lustig durch Thurm und Fenster. Die Choléra nimmt leider in Potsdamm und in Berlin zu, und hier sterben viel Militairs leider! Gestern ist auch Temsky100 von Erlaucht gestorben, wahrscheinlich in Folge der Operationen, die man ihm am Halse machte und die eigentlich gar nicht gelingen konnte. Ihm ist wohl, er hätte noch viele Quaalen ausstehen müssen. Aber die arme Frau jammert mich sehr. Von Erlaucht haben wir nicht ein einziges Mal direkte Nachrichten gehabt. Nur durch die andre und durch Bunsen101 wißen wir, daß sie viel in Gesellschafft war und auf zwey Landsizen der
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Die Prinzessinen Agnes (1824–1897) und Maria Anna von Anhalt-Dessau (1837–1906). Mademoiselle Rachel, eigentlich Elizabeth Rachel Félix (1821–1858), frz. Schauspielerin, galt als eine der größten Tragödinnen ihrer Zeit. Sie war von Juli bis Okt. 1850 auf Europatournee. 95 Verm. Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 96 Mglw. Hans Hugo von Kleist-Retzow (1814–1892), preuß. konservativer Politiker und ab 1851 Oberpräsident der Rheinprovinz. 97 Vergleich mit Königin Marie von Bayern, geb. Prinzessin von Preußen (1825–1889). 98 Louise von Minckwitz, geb. von Minckwitz, Erzieherin der Prinzessin Maria Anna von AnhaltDessau. 99 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 100 Ferdinand Adalbert Alexander von Tempsky (1807–1850), Kammerherr der Fürstin Auguste von Liegnitz, geb. Gräfin von Harrach (1800–1873). 101 Verm. Christian Karl Josias von Bunsen (1791–1860), preuß. Gesandter in Großbritannien.
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haute Aristocratie eingeladen war. Rochow102 schreibt an Elisen Rauch,103 daß George von Streliz sehr gefallen hat in Rußland. Man fand seine Haltung sehr männlich, und den Damen gefiel er besonders, aber auch dem Kayser. Ich weiß nicht, ob er schon zurück ist, aber seine Mutter104 ist hier durch gereist nach Rumpenheim, hielt sich aber nicht auf. Costi ist in Dobberan. Die arme Kronprinzessin von Hannover hat nicht die Erlaubniß, ihre Schwester dort zu besuchen.105 Agnes erzählte viel von der unfreundlichen Art des alten Königs gegen Schwiegertochter und Sohn.106 Während sie dort war, aßen sie nicht einmal beym König, waren den Abend nie dort. Marie kam nur zuweilen zum Café wie ein kleines Mädchen. Er ist doch ein schrecklicher Tyrann. Auguste von Rudolstadt107 war noch dort. Wir waren gestern wieder in Berlin, um Phèdre von der Rachel zusehen.108 Sie giebt die Rolle in der größten Vollkommenheit, aber es ist doch ein scheußliches Stück. Wir kamen spät und todtmüde zu Hause. Ich bin vorhin in meinem Ideengang gestört worden. Ich wollte noch sagen, daß ich noch nichts von Jüngken Ausspruch weiß, daß er aber bald zurückkommen wird.109 Elise Rauch und Hugo Münster sollen den 31ten August abreisen.110 Es wird viel Thränen geben! Amelie Rauch ist leidender wie je. Ihre Mutter war vorgestern bey mir und machte eine trostlose Beschreibung ihres Elendes.111 In Schleswig war in den lezten Tagen kein neues Gefecht, aber der Andrang dorthin ist unglaublich, meist verdorbene Offiziere oder Leute sans feu ni lieu.112 Anfangs war man sehr vorsichtig dort in der Annahme der Leute, jetzt nicht mehr. Ich beneide Dir den alten Radezky,113 den hätte ich so gern einmal gesehen. Ach Gott, bewahre uns vor 102 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Gesandter in Russland. 103 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909). 104 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz (1796–1880), geb. Prinzessin von Hessen-KasselRumpenheim. 105 Kronprinzessin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907), und ihre Schwester Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911), die mit ihrem Mann Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892) in Doberan zu Besuch war. 106 König Ernst August I. von Hannover (1771–1851) gegen seinen Sohn Kronprinz Georg (V.) von Hannover (1819–1878) und dessen Frau Kronprinzessin Marie von Hannover, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg (1818–1907). 107 Prinzessin Auguste von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels (1804–1865). 108 Die frz. Schauspielerin Mademoiselle Rachel, eigentlich Elizabeth Rachel Félix (1821–1858), gab die Phädra in der gleichnamigen Tragödie von Jean Racine (1639–1699). 109 Johann Christian Jüngken (1793–1875), Prof. für Chirurgie und Augenheilkunde an der Charité in Berlin, untersuchte Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, in Warschau. 110 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909) wurde Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, und Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Major, war zum neuen preuß. Militärbevollmächtigten in Russland ernannt worden. 111 Amelie von Rauch (1825–1850) und ihre Mutter Laurette von Rauch, geb. von Moltke (1790– 1864). 112 Frz. = ohne Herdfeuer und ohne Heimatort, im Sinne von heimatlos. 113 Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766–1858), österr. Feldmarschall.
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einem Krieg mit der Armee! Ich hoffe, es solle nie dazu kommen. Es sind in der lezten Zeit einige versöhnende Schritte déspoire et doutere114 geschehen, die Gott segnen wolle. Radowiz ist viel hier!!115 Also, erst Ende September kömmt Charlotte nach Warschau? Ist es nicht vielleicht alten Styls?116 Dein Wilhelm ist jetzt hier, da das ganze Regiment hier zusammen exercirt. Er ist wohl und munter und hat sich nichts zu Herzen genommen. Von meiner Schwester Marie117 habe ich bessere Nachrichten. Sie wird wohl nach Bayern gehen zu meiner jüngsten Schwester.118 Das freut mich so, daß Du und Sophie Euch du nennten. Sie hat Dich sehr lieb. Nun muß ich enden nach unzähligen Unterbrechungen, um mich zum diné anzuziehen. Der Erbprinz von Sondershausen119 wird hier essen und Brandenburgs und Frau von Radowiz.120 Lebe wohl, Du Liebe, grüße Wiwi herzlich von mir. Fritz umarmt Dich. Es geht ihm Gottlob gut, nur in den lezten Tagen litt er wieder an der Hand. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Darf ich Dich bitten, den Brief der Schuckmann121 zukommen zu lassen?
Como Villa Bataglia, den 21ten August 1850 Da liegt vor mir wieder ein lieber Brief von Dir, geliebte Elis. Wie Du mich immer glücklich machst durch Deine Briefe. Wir bleiben dadurch uns immer nah, wenn auch eine große Ferne uns trennt. Jedes Wort Deines Briefes macht mich danken, daß unsere Herzen sich besonders nahe stehen, weil wir uns so gut verstehen. Erhallten wir uns die Frische dieser Liebe und Freundschaft bei allen Stürmen des Lebens. Hier ist noch alles beim Alten, doch glaube ich wird bis zum 25ten wohl die Stunde geschlagen haben, denn Luise fühlt sich mitunter matter und angegriffen und mir scheint auch die Figur zeigt jetzt deutlich das Ende nahen. Nun, Gott wird mir und ihr Kraft geben, diese schweren Stunden gut auszuhallten. Am Geburtstag des jungen Kaisers122 bin ich nach Mailand gefahren, um die Parade mitanzusehen und bin sehr befriedigt zurückgekommen. Die Regimenter waren sehr schön, gute Haltung, große schlanke Leute mit braunen Gesich114 Lesung unsicher. 115 Joseph von Radowitz (1797–1853) wurde vom 26. Sept. bis 3. Nov. preuß. Außenminister. 116 Der „alte“ Kalenderstil in Russland orientierte sich noch bis 1918 am julianischen Kalender und lag damit im 19. Jh. ca. 12 Tage später als der Kalender in Deutschland, der sich nach dem „neuen“ gregorianischen Kalender mit einem zusätzlichen Schalttag pro Jahr seit 1582 richtete. 117 Königin Maria Anna von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1877). 118 Herzogin Ludovika in Bayern, geb. Prinzessin von Bayern (1808–1892). 119 Erbprinz Karl Günther von Schwarzburg-Sondershausen (1830–1909). 120 Maria Auguste Karoline Luise von Radowitz, geb. Gräfin von Voß (1807–1889). 121 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 122 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916).
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tern. Man sieht ihnen den Muth und die Entschloßenheit an. Sie haben sich aber auch etwas versucht in der Italienischen Campanie. Wir haben sie eben mit Luise gelesen, Hugo ließt ganz gut. Da merkt man aber erst, wie der Krieg geführt worden ist, wie die Leute angestrengt und welcher Muth sie beseelt. Sonst wäre es nie gegangen. Radetzky123 ist aber auch ein ganzer Mann, mit Ruhe und Umsicht hat er das Ganze geleitet. Seine Untergebenen waren aber auch sehr ausgezeichnet und persönlich tapfer. Es ist interessant, solche Truppen zu sehen, die solches geleistet.124 Doch wünsche ich nicht, daß sie sich mit den unseren je messen. Gott verhüte Krieg. Nach allem, was ich aber höre, sieht es traurig aus. Und Radowitz, der nicht mal den Muth hat, als Minister aufzutreten,125 er fühlt, daß er das Feuer heimlich anblasen kann. Aber es selbst durchkämpfen, das kann er nicht, und es wäre doch so wünschenswerth, da er sich selbst unmöglich machen würde, und alle, die ihn schon erkannt, rechtfertigen und die paar Augen öffnen, die noch mit Blindheit geschlagen sind. Meinen Bruder Albert habe ich am Montag, dem 19ten noch in der Villa Carlotta gesehen, wo wir alle zusammen um 8 Uhr mit dem Dampfschiff hinfuhren. Sie kamen uns unten am See entgegen und sahen sehr wohl nach ihrer Reise nach Genua aus, wo sie [es] zwar sehr heiß gehabt, aber schönes Wetter, nur ein starkes Gewitter, was Überschwemmungen veranlaßt. Lollo ist jetzt auch ohne Zahnweh, und die Üblichkeit126 quält sie noch so sehr. Ich war längere Zeit mit der Schuckmann127 zusammen, und da haben wir über alles Mögliche gesprochen. Lollo soll oft verwundert sein über den entschiedenen Ton ihres Mannes, aber sehr glücklich. Albert war wohl und sehr gut gestimmt und wollte am andern Tage seine Reise fortsetzen über den Wormser Joch und noch manche lange Fußreisen machen, aber doch zum Ende seines Urlaubs zurück sein. Übrigens war die halbe Reisegesellschaft von Genua an Kalorien krank zurückgekommen.128 Der junge Ehemann sah ganz jämmerlich davon aus und war matt. Die Schuckmann sagte mir auch und las mir einen kleinen Brief von Marianne vor, wo sie sagt, es würde im Haag grade alles so gehallten werden, wie es das Vorigemal gewesen, wie die Kinder dagewesen sind. Und sie meinte, es wäre wohl das Beste, wenn alle Kinder zur selben Zeit dort sein könnten. Aus Meklenburg habe ich auch gute Nachrichten, die Gallenfeld129 ist seit dem 12ten in Schwerin zurück, Kreutznach ist ihr sehr gut bekommen. In Nendorf130 hat sie meine Schwiegertochter noch getroffen und ist mit ihr zurückgereiset. Sie soll recht wohl sein, sich aber enorm schonen. In Schwerin hat sie Fritz gesehen, der viel aus Dobbran erzählt, 123 Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766–1858), österr. Feldmarschall. 124 Bei der militärischen Niederschlagung der ital. Unabhängigkeitsbewegung durch Österreich. 125 Joseph von Radowitz (1797–1853) sollte vom 26. Sept. bis 3. Nov. 1850 preuß. Außenminister werden. 126 Verm. ist Übelkeit gemeint. Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), war schwanger mit ihrem Sohn Bernhard, geb. am 1. April 1851. 127 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 128 Gemeint ist Cholerine im Sinne einer Magen-Darm-Erkrankung. 129 Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von Gallenfeld (1802–1869), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin. 130 Verm. Bad Nenndorf.
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wo es sehr hübsch sein soll, viele hübsche junge Damen und Herrn, und manche cour machen. Man tanzt und macht Landpartien und amüsiert sich prächtig. Costy und Frau sollten den 16ten kommen. Adios, Gott mir Dir und an die Geschwister alles Liebe. Adine Sans Souci, den 28ten August 1850131 Gestern Abend, meine Adine, wurde mir die große Freude Deinen lieben Brief zu bekommen. Dank, tausend Dank dafür und für alles Liebe und Herzliche, das er enthielt und das mir so wohl that. Ich glaubte schon die Niederkunft Deiner Luise darin zu finden, aber ich denke, sie wird wohl im nächsten seyn. Gott gebe, daß alles gut gehe. Ich saß zwischen Agnes und Mathild,132 als ich Deinen Brief las, und war noch etwas erstarrt von einer kalten Fahrt in den Bivouacs bey Gütergoz,133 wo ich auch Deinen Wilhelm sah, sehr guter Dinge und wohl. Von den Manoeuvres sah ich dießmal nichts, denn sie waren troz der sehr kühlen Witterung immer schon um 6 Uhr, und Fritz, der eine Nacht in Gütergoz, die vorige in Teltow zubrachte, kam immer schon nach 9 Uhr nach Hause. Ich bin froh, daß es aus ist und die Bivouacs besonders, denn mir war sehr bange wegen der Choléra, aber Gottlob, es waren weit weniger Erkrankungen, wie man fürchtete. Ich bekomme Deine Briefe immer so pünktlich den 6ten Tag, daher kann ich nicht begreiffen, daß Abat meinen Brief vom 6ten den 18ten noch nicht hatte. Ich schickte ihn nach seiner Anweisung in sein Haus an seinen Haushofmeister. Es ist mir desto unangenehmer, weil ein Brief an Lolo mit eingelegt war, und sie am Ende glauben wird, ich habe sie ganz vergessen. Abat schrieb mir den 18ten. Jetzt ist er auf der Rückreise und war im strengsten incognito in Kreuth, schreibt mir mein Bruder. Abat schreibt entzückt von Genua und von der Villa besonders, er spricht mit vile Liebe von Lolo und George.134 Der arme junge Ehemann, der die Cholerine davon getragen hat!135 Ich hoffe, die Schuckmann136 war noch in der Nähe, und Du konntest Ihr meinen Brief geben? Vorhin las ich einen Brief aus dem Haag. Darnach ist es doch kaum möglich, die Kinder hinzuschicken. Sie geht ganz öffentlich mit dem Mann Arm in Arm herum, beyde in Samttuch gekleidet, und kein Mensch will noch mit ihr umgehen, nicht einmal die Estorf,137 der die Augen endlich aufgegangen sind. Die Heiligkeit hat sie auch 131 Der Brief ist als „Nro. 5“ gekennzeichnet. 132 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855), und Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). 133 Biwaks der preuß. Armee während der Manöver bei Gütergotz (Güterfelde). 134 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914) und Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855). 135 = Magen-Darm-Erkrankung. 136 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 137 Baronesse von Estorff, Hofdame bei Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande.
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über Bord geworden [sic!], und das ist mir noch lieber wie die Heucheley. George von Streliz war 2 Stunden hier vorgestern. Wir aßen den Tag um 1 Uhr, weil Fritz nach Gütergoz wollte und Agnes und Marianne nach Berlin, sich dort umzusehen. Er siht sehr wohl aus und die russische Generals Uniform kleidet ihm gut. Er scheint zufrieden und vergnügt und flog noch denselben Abend auf Flügeln der Liebe nach Baden, wo er heute Cathis Geburtstag feyern wollte.138 Er hat eine furchtbare Ueberfahrt gehabt, ein entsezlicher Sturm, daß der Mast brach und sie in Bornholm anhalten mußten und zwey Tage später wie gewöhnlich nach Stettin kamen. Er hat Charlotte recht mager gefunden und nervös agitirt. Das Kleid139 soll beweglicher wie je seyn, und er war noch ganz abgehezt davon. Juengken ist zurück, ich sprach ihn aber noch nicht.140 Den 29ten vor dem Frühstück. Ich war ganz betrübt, daß ich gestern meinen Brief nicht zu Ende bekam, weil der Nachmittag kurz war. Wir hatten den Zwerg Tom Some141 kommen lassen, der vor einer Menge Kinder eine kleine Pantomime aufführte und in der Entfernung für meine schlechten Augen recht hübsch war, aber in der Nähe zum Speien eckelhaft. Er wurde zulezt neben den Flügelmann des ersten Garde Regiments gestellt, ein merkwürdig großer Mensch, der geradeso alt ist wie er. Er kömmt ihm nicht ganz bis an’s Knie, es sah unglaublich aus. Wie wir das anstaunten, kam Dein Sohn der Großherzog an, und da war ich froh, daß ich den Brief noch nicht weggeschickt habe. Er ist noch um 10 Uhr nach Berlin und heute leider wieder nach Hause, da die Manoeuvres in Berlin wegen der Choléra abbestellt sind. Er sah sehr wohl und vergnügt aus und erzählte mir mit verklärtem Gesicht, daß Auguste schöne Hoffnungen habe. Zweymal ist etwas ausgeblieben. Gott seegne es ferner. Das ist ein großes Glück, ein Beweiß, daß sie wieder wohl ist. Lolo, von der ich gestern Abend einen Brief hatte, spricht mir auch von ihren Hoffnungen sehr glücklich.142 Abat schreibt mir, daß er meinen Brief in Insbruck bekam. Er schreibt mir aus Tegernse, wo er bey Karl143 aß, der sich sehr freute ihn zu sehen. Die Schuckmann hat George von Meiningen144 nie sehr geliebt, ich behaupte aus Eifersucht. Ich glaube, der entschiedene Ton des jungen Ehemannes, über den Lolo verwundert ist, ist doch gar nicht übel. Elise Rauch145 wird nun erst nach Warschau gehen und nicht 138 Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) hatte sich mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) verlobt und war in diesem Zusammenhang auch zum russ. General ernannt worden. Seine Verlobte feierte am 28. Aug. ihren 23. Geburtstag. 139 Lesung unsicher. 140 Johann Christian Jüngken (1793–1875), Prof. für Chirurgie und Augenheilkunde an der Charité in Berlin, hatte Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, in Warschau untersucht. 141 Charles Sherwood Stratton (1838–1883), kleinwüchsiger US-amerik. Zirkuskünstler und Schauspieler, der bereits als Kind unter dem Künstlernamen „General Tom Thumb“ auch in Europa auftrat. 142 Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855), war schwanger mit ihrem Sohn Bernhard, geb. am 1. April 1851. 143 Prinz Karl von Bayern (1795–1875), Bruder der Königin Elisabeth von Preußen. 144 Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen (1826–1914), verh. mit Prinzessin Charlotte von Preußen (1831–1855). 145 Elisabeth von Rauch (1820–1909), neue Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen.
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nach Rußland vorher, was gewiß viel vernünftiger und natürlicher ist. Auch Hugo Münster geht erst über acht Tage statt übermorgen.146 Es ist eine Galgenfrist für die arme Mutter,147 die recht unwohl war und noch matt ist. Der Schwarze ist zurück und eben jetzt im Dienst. Er ist entzückt von seiner Rheinreise mit der Braut.148 Agnes und Marianne verlassen uns Sonntag. Der Papa149 will sie zurück haben. Uns thut es leid. Mariannchen ist mir sehr an’s Herz gewachsen. Nun lebe wohl, meine Adine, Gott gebe uns bald gute Nachrichten von Deiner Luise. Fritz umarmt Dich zärtlich, viel Liebes an Luise. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Como, den 29ten August 1850 Meine liebe Elis, ich mache Dir die Anzeige, daß ich nun seit heute um ½ 12 Uhr Großmama bin. Luise hat ein Töchterchen mit braune Augen und Haar.150 Sie hat aber diese Freude, Mutter zu sein, theuer erkauft, da sie 36 Stunden gelitten. Es fing Dienstag Nacht um 11 Uhr an, und wir dachten, in 12 Stunden würde es zur Welt sein. Allein, es verzögerte sich trotz den schon starken Wehen, die gestern Nachmittag um 5 Uhr anfingen und nun so im Zunehmen waren bis heute Mittag. Das Kind lag gut, allein, die Wehen halfen nicht, und die letzten Stunden von 8 bis ½ 12 Uhr waren sehr schlimm. Es entdeckte sich, dass ein Arm am Kopf lag, und als es beseitigt war, war der Kopf 2mal umschlungen, so daß das Kind nicht vorwärts konnte. Durch Pulver, die Luise einnahm, wurden die Wehen so verstärkt, daß es endlich doch durchbrach mit tausend Schmertzen. Und endlich, als es da war, schrie es nicht, da es fest verwickelt, nun die Angst, dass das Kind todt sei. Nachdem die Schnur gelöset, kam es zu sich und schreit nun schon recht hübsch. Luise und Hugo sind überglücklich, und sie hat über die Freude allen Schmertz vergessen. Natürlich muß sie sich sehr ruhig nun verhallten. Du kannst aber denken, was wir alle ausgestanden und wie angegriffen ich bin. Ich kann kaum gehen, da ich die ganze Nacht und heute immer gestanden und Luise die Knie gehalten. Darum kann ich nicht mehr schreiben. Gott mit Dir, an Fritz und den Brüdern bist Du wohl so gut, diese Nachricht in meinen Nahmen anzuzeigen. Deine alte Adine Montag wird wohl die Taufe sein. Sie wird nach mir heißen.
146 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), neuer preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 147 Laurette von Rauch, geb. von Moltke (1790–1864). 148 Der preuß. Flügeladjutant Adolf von Bonin (1803–1872) heiratete am 26. Sept. 1850 in zweiter Ehe Elisabeth von Oppen (1827–1890). 149 Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau (1794–1871). 150 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933) wurde am 29. Aug. geboren.
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Ich gratuliere von ganzem Herzen, meine Adine, Dir und Deiner lieben Luise zu dem kleinen Töchterchen. Gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Brief, und da ich Sonntag einen bekommen hatte, war ich gleich überzeugt, daß dieß die frohe Nachricht enthalten würde. Gottlob, daß es glücklich überstanden und das Kind sich so bald erholt hat. Welcher Schreck für Dich, als es nicht schrie! Wie mußt Du froh, aber auch wie müde seyn nach der Angst und dem vielen Stehen. Fritz umarmt die nun Großmutter und wünscht Glück. Die Bergpromenade 2 Tage vorher entsezte mich. Wenn die Wehen unterwegs angefangen hätten, es ist nicht aus zu denken. Ich rechne eben aus, daß den 10ten Oktober die 6 Wochen vorüber sind, aber zum Geburtstag von Fritz kannst Du doch nicht zurück seyn. Ich denke auch, Du gehst vielleicht gleich nach Warschau. Welchen Tag Charlotte abreist, weiß ich nicht. Mandt sprachen wir bey seiner Durchreise von Warmbrunn nach Rußland, aber Jünken152 sahen wir nicht. Er war selbst sehr unwohl und eilte nach Ischl. Er hat das rechte Auge in keinem guten Zustand gefunden, aber sollte es so weit kommen, so wird es leicht zu operiren seyn. Das linke ist Gottlob vollkommen gesund. Charlotte weiß aber nichts von seinem Urtheil. Da sie nicht an der Gicht leidet wie die arme Helene,153 so ist das Uebel bey ihr viel weniger ängstlich. Charlotte wünschte Fritz in Warschau zu sehen, aber er kann bey den jetzigen Zeiten nichts entscheiden, eben so wenig unsere projektirte Reise nach Erdmannsdorf. Ich glaube immer nicht, daß es dazu kömmt. Ich habe jetzt eine rechte Plage ganz neuer Art. Denke Dir, Wiwi Karl154 will durchaus das elterliche Haus verlassen und zu uns für immer. Es ist eine wahre fixe Idee, die natürlich ganz unausführbar ist, zum Glück für mich, denn meine Existenz wäre gräßlich. Sie fing damit an, mit nach Schlesien zu wollen, und machte mir eine höchst theatralische Scéne, die mich entsezte. Nun aber sezt sie alles in Bewegung und mit eiserner Consequenz, ganz in der Art der Mutter, um ihren Zweck zu erreichen. Sie hat selbst Mandt, den ihr fremden Mann, dahin gezogen. Das kann mir alles nicht gefallen. Es ist doch intrigue dabey. Zum Glück will Fritz ebensowenig davon hören wie ich. Die Eltern wißen natürlich nichts davon und dürfen es auch nicht ahnden, sie würden es ihr nie verzeihen. Ich war gestern ganz aufgeregt darüber. Marianne ist nun auch wieder sehr beweglich. Mit einmal schrieb sie, sie wolle Lollo in Frankfurt am Mayn überraschen. Ich begreiffe nicht, was sie dabey hat, kann mir nur denken, daß sie dadurch Lollo und die beyden Kleinen, die sie auch hinbestellt, gleich zwingen will mit dem Heiligen zu reisen.155 Es embarassirte 151 Der Brief ist als „Nro. 6“ gekennzeichnet. 152 Johann Christian Jüngken (1793–1875), Prof. für Chirurgie und Augenheilkunde an der Charité in Berlin, untersuchte Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, in Warschau. 153 Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg (1807– 1873). 154 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 155 Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), wollte ihre Kinder, die Erbprinzessin Charlotte „Lollo“ von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen
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uns sehr. Zum Glück lehnte es Dankelmann156 gleich ab, und so habe ich denn entschieden, daß auch Adine157 nicht nach Frankfurt soll, und schrieb an Marie von Meiningen,158 um ihrem Sohn zu prononciren, was ihn erwartet. Vorher war sie in […] gewesen mit Alerz, das schrieb ich Dir glaube ich, und unter dem Namen der Madame Alerz.159 Wie bist Du glücklich, daß Du mit all den verrückten Leuten nichts zu thun hast. Sonntag waren wir in Charlottenburg, zur Einweihung der sehr hübschen Lützower Kirche.160 Zuerst gingen wir aber zu Begas161 und besahen das portrait Deines Sohnes, zum Schreien ähnlich, als sähe man ihn vor sich. Wir hatten ein sehr großes diné, und um 7 Uhr fuhr ich hieher zurück und hatte den Abend die Freude, Deinen Brief vom 27ten zu bekommen. Tausend herzlichen Dank dafür. Noch dankte ich Dir nicht genug dafür, daß Du mir so gleich Wiwis Niederkunft schriebst, das war zu lieb von Dir. Dein Wilhelm ist in Dobberan. Er ging Freitag oder Donnerstag hin, sehr glücklich über den Urlaub. Ich habe ihm Mondtag geschrieben, er möchte Dir schreiben. Er ist faul, wie es scheint. Marianne und Agnes162 nahmen Sonnabend Abschied unter vielen Thränen. Die armen Kinder! Ich kann nicht sagen, wie wehe es mir that, als ich sie heraus gehen sah in ihren schwarzen Kleidern und mir dachte, daß sie in das traurige Haus zurück kehrten, wo ihnen die Mutter immer fehlen wird. Du würdest gewiß die kleine Marianne auch allerliebst finden und gar nicht überklug. Welche Klatschereyen in dem kleinen Dessau sind, ist nicht zu sagen. Mathild163 und ich haben Agnes recht davor gewarnt. Adalbert ist heute hier, kam aus Hohenschwangau, wohin er durch die Schweiz von Donaueschingen ging.164 Er fand alles wohl und sah Otto165 dort ankommen. Er soll unglaublich gealtert seyn. Wir waren vorgestern in Berlin, um Madame Rachel in Virginie und einem Akt von Othelo zu sehen.166 Sie war wieder vortrefflich in beyden, sehr ver-
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(1831–1855), und die „beyden Kleinen“ Prinz Albrecht (1837–1906) und Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906) treffen. Mit „Heiliger“ ist ihr Lebenspartner Johannes van Rossum (1809–1873) gemeint. Ernst Freiherr von Danckelmann (1805–1855), preuß. Major im 1. Garde-Ulanen-Regiment und Gouverneur des 13-jährigen Prinzen Albrecht von Preußen (1837–1906). Prinzessin Alexandrine von Preußen (1842–1906), Tochter des Prinzen Albrecht von Preußen. Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). Clemens August Alertz (1800–1866), Geh. Sanitätsrat in Rom und Leibarzt der Päpste Gregor XVI. und Pius IX. Er hatte mglw. Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, auf ihrer Reise in den Orient begleitet. Vgl. Brief vom 10. Juli 1849. Die Evangelische Kirche Alt-Lietzow, auch Lützow-Kirche, im ehem. Ort Lietzow wurde 1848 bis 1850 nach einem Entwurf von Friedrich August Stüler neogotisch umgebaut. Carl Joseph Begas (1794–1854), seit 1846 preuß. Hofmaler. Dieses Bild ist nicht überliefert. Prinzessin Agnes von Anhalt-Dessau (1824–1897). Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). Prinz Adalbert von Preußen (1811–1873), Sohn des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851). König Otto I. von Griechenland, Prinz von Bayern (1815–1867). Die frz. Schauspielerin Mademoiselle Rachel, eigentlich Elizabeth Rachel Félix (1821–1858), gab die Virginie in „Paul und Virginie“ von Pietro Carlo Guglielmi (1772–1817) und Giuseppe Maria Diodati sowie verm. die Desdemona in „Othello“ von William Shakespeare (1564–1616).
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schiedenen Stücken. Vorher besuchten wir Witgenstein,167 der nun in Bellevue wohnt und so froh dort ist, so rührend dankbar. Wie begreiffe ich, daß Dich das Küssen und Tändeln und weiter nichts langweilt. Gott gebe nur, daß es ihr immer genüge. Das Erwachen aus dem Traum wäre nicht angenehm.168 Ich begreiffe nicht, daß Du Dir Fürst Karl Schwarzenberg169 nicht erinnerst. Er war so auffallend schön und vornehm. Er wurde mir auf einem großen Ball bey Wilhelm vorgestellt. Nun wird es noch stiller und einförmiger in der Villa seyn, aber Du wirst genug mit der Pflege zu thun haben. Ich glaube übrigens, daß man sich in Italien schneller erholt wie bey uns. Die Schuckmann170 hat mir geschrieben. Nun lebewohl, meine Adine, ich will ausgehen. Es ist schön heute, nachdem es gestern beynahe den ganzen Tag regnete. Aber die Luft ist schon recht herbstlich. Gott mit Dir, meine geliebte Adine, und mit Deinen Kindern. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Meine Damen und Herren legen sich dankbar zu Füßen. Ich hoffe zu Gott, die nächsten Nachrichten werden gut seyn. Vielleicht schreibt die Schöning171 einmal. Es scheint mir, ich habe Dir nicht genug gesagt, wie ich mich über Dein Enkelkind freue und froh bin, daß es glücklich da ist. Como Villa Battaglia, den 5ten September 1850 Meine geliebte Elis, welche Wonne, daß unsere correspondens so fließend gehet. Da habe ich nun öfter die Freude, Deine lieben Briefe zu bekommen und damit so viele interessante Nachrichten. Doch Dich verlangt vielleicht diesen Augenblich etwas von meiner Luise zu wissen. Heute geht der 8te Tag an und es gehet ihr so gut, wie ich niemals ähnliches erlebt. Sie ist nach der schrecklichen Entbindung gleich ganz wohl und munter gewesen, und so ist es geblieben. Sie hat kein Fieber gehabt, aber auch nur wenig Milch. Daher hat sie auch das Stillen gleich aufgeben müßen und besonders darum, weil die Kleine so schwach war, daß es die Brust nicht nehmen konnte. Die ersten Tage waren wir sogar besorgt, ob es am Leben bleiben würde. Es ist in Bullon172 gebadet worden und wird nun aufgefüttert, was ihr ganz prächtig bekömmt. Sie nimmt seit 2 Tage ordentlich zu und hat so ein kleines feines Gesichtchen. Ich glaube, sie wird recht hübsch werden. 167 Wilhelm Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770–1851), preuß. Minister des kgl. Hauses. 168 Gemeint ist die Ehe von Prinz Hugo (1823–1904) und Prinzessin Luise von Windisch-Graetz, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin (1824–1859). 169 Verm. Fürst Karl Philipp zu Schwarzenberg (1802–1858). 170 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 171 Elisabeth von Schöning (1817–1882), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 172 Verm. Bouillon.
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Luise legt sich Dir zu Füßen. Am Sonnabend wird sie zuerst aufstehen. Sie ist unbeschreiblich glücklich über ihr Kindchen und Hugo nicht minder. Am Sonntag war hier im Saal die Taufe. Der Bischof vollzog die Handlung selbst.173 Es war aber wenig feierlich. Ich habe meine Enkelin gehallten, und sie wird Adini genannt.174 Etwas Neues von hier zu schreiben, würde mir schon schwer werden, da wir niemand sehen. Ein ganz artiger junger Major ißt manchmal bei uns, um etwas Veränderung in unsern sehr kleinen Kreis zu bringen. Der älteste Bruder von Hugo, Prinz Carl,175 welcher für seine Eltern gestanden, ist noch hier. Er ist aber nicht sehr liebenswürdig, doch bringt es etwas Leben herein. Neulich las ich in der Zeitung die Beschreibung der Maneuver, was mich sehr amüsiert. Ich glaube, es ist auch recht gut, daß nicht mehr Truppen zusammengezogen sind, die Cholera scheint doch ziemlich stark, da wirst Du wohl auch nicht baden dürfen. Fritz Wilhelm war zwei Tage in der Villa Carlotta und wollte uns mit Lollo grade am 29ten besuchen, als die Nachricht von der Entbindung dort ankam.176 Er hat mir einen so lieben Brief geschrieben und seinen Besuch in 14 Tagen versprochen. Bruder Wilhelm reiset ja wieder in Baden umher. Am 12ten Oktober denke ich von hier abzureisen, denselben Weg zurück zu nehmen, ohne Aufenthalt und von Kosel nach Warschau abzugehen, denn Charlotte so nahe zu wißen und nicht zu sehen, finde ich unrecht. Dann kann man nicht wißen, was einen später wieder abhällt. Also, mein Sohn Fritz hat Dich in seine schönen Hoffnungen eingeweiht. Ich habe hier noch nichts gesagt und warte nun auf das dritte Mal, wo es sich dann mehr entscheiden muß.177 Es wäre eine unbeschreibliche Freude und Glück, wenn es von Bestand wäre. Wenn Auguste nur die Kraft hat, es auszutragen und es zur Welt zu bringen. Mir kann recht Angst werden, denn sie soll recht schwach sein, und es gehört Kraft zu so einem Akt. Die Schuckmann178 hat Deinen Brief bekommen, aber wiedergesehen habe ich sie nicht seitdem. Im Haag muß es aber arg sein. Will sie ihn in Nankin denn heirathen?179 Oder so eine Wilde bleiben, schäuslich, wirklich! Hier in Östreich würde das weniger auffallen, man erlebt das Unglaubliche wirklich. Nun leb wohl, wir haben heute einen recht warmen Tag, die Morgende und Abende sind kühl und feucht. An Bruder Fritz und meinen Sohn Wilhelm viel Schönes,
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Carlo Romanò (1789–1858), von 1831 bis 1855 Bischof von Como. Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933), geb. am 29. Aug. Erbprinz Karl Vincenz von Windisch-Graetz (1821–1859). Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888) plante einen Besuch mit seiner Schwester Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen (1831–1855). 177 Großherzoginwitwe Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin hoffte auf eine Schwangerschaft von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862), und damit auf einen Thronfolger für Mecklenburg-Schwerin. 178 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 179 Verm. Nanjing im Kaiserreich China. Gemeint ist die Beziehung der geschiedenen Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), mit Johannes van Rossum (1809–1873), der noch verheiratet war. Die beiden befanden sich zusammen auf einer Reise durch Europa und Asien.
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Abb. 15: Villa Battaglia in Como, 1850.
an der Marwitz180 sagst Du wohl meinen Dank für die hübschen Kleider, die sie besorgt. Luise ist entzückt, und sie werden nun gemacht. Deine alte Adine Como, den 12ten September 1850 Heute schreibe ich Dir, geliebte Elis, auf diesem Bogen, um Dir unsere Villa zu presentieren, die sehr gut gerathen ist. Auf der Seite, wo die Tanne ist, wohnt Luise. Ihre Wohnzimmer sind die beiden ersten Fenster hinter der Tanne, dann kömmt ihr Schlafzimmer und dann sind 2 kleine Cabinette, wo Hugo sich aufhällt. In der Mitte, der runde Ausbau, das ist ein schöner großer salon. Rechts davon sind die 2 ersten Fenster oder Thüren mein Wohnzimmer, dann das Schlafzimmer, dann ein kleines Zimmer, wo meine Kleider hängen, und zuletzt eine Art Durchgang, worin man sich auch aufhalten kann. In der Wirklichkeit ist es aber viel, viel hübscher, als es sich hier ausnimmt. Von Luise und der kleinen Adini181 kann ich sehr gute Nachrichten geben. Luise ist nun schon mehrere Stunden auf. Das heißt, sie liegt auf der chaiselonge und ist sehr munter und heiter. Die Kleine wird sehr niedlich, heute sind es schon 14 Tage. Dein lieber Brief mit der Antwort vom 4ten September auf meine anonce kam schon den 5ten Tag hier an. Der ist sehr schnell gegangen. Luise küßt Deine Hände für alles Liebe, was Du ihr hast sagen laßen. Was hast Du wieder für eine scene mit Luise Carl 180 Bertha von der Marwitz (1817–1879), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 181 Prinzessin Alexandrine von Windisch-Graetz (1850–1933), geb. am 29. Aug.
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gehabt.182 Sie ist wirklich halb toll. Kann man sich so etwas denken? Wie schrecklich, wenn man so ein Kind hat. Die armen Eltern sind doch sehr zu beklagen, wenn sie auch vielleicht manche Schuld haben. Was haben wir für eine Famillie. Marianne, die auch noch immer wie eine Rasende umherfegt und allerlei treibt. Auguste hat gewiß am Rhein auch ihr Wesen. Gestern hatte ich von Bruder Wilhelm einen Brief aus Baden Baden, wo ein Zusammenfluß von hohen Herrschaften ist wie eine Musterkarte. Olly ist auch dort gewesen, soll entsetzlich mager sein, aber wohl aussehen. Und die Prinzessin Friedrich von Würtemberg hat eine fausse coucher dort gemacht.183 Er klagt sehr über den kalten Herbst, welchen wir ein paar Tage auch sehr empfunden haben. Aber seit gestern ist es viel wärmer geworden. Fritz Wilhelm184 wird wohl in diesen Tagen hier wieder durchkommen und uns dann besuchen. Wohin er gereiset, wißen wir nicht. In Schwerin scheinen sich ja wirklich die schönen Hoffnungen zu bestettigen.185 Ich bin noch immer zaghaft. Indeßen, Gott wird ja Kraft geben, daß sie es durchführt und überlebt. Mehrere Bekannte von uns sind in den Wochen gestorben,186 was mich recht betrübt und erschreckt hat. Denn sie ist zu schwach und zahrt. In Dobbran soll es einen moment entsetzlich brillant gewesen sein, dann aber desto stiller. Sany hat allen Menschen den Kopf verdreht.187 Meine ganze Famillie und was nun daran hängt, sind bezaubert von ihr. Wilhelm war auch da, aber sehr still, wie mir Auguste schreibt.188 Nun leb wohl, Amelie von Schweden189 hat mir gestern auch geschrieben. Sie hat einen sehr einsamen Sommer zugebracht, da Schönbrunn ganz lehr war, alles nach Ischel. Der Kaiser190 soll sehr froh und munter von seiner Reise zurückgekehrt sein. Gott mit Dir und tausend Liebes an Fritz und die Geschwister. Deine alte Adine Como Villa Battaglia, den 18ten September 1850 Meine liebe Elis, Deinen lieben Brief vom 11ten bekam ich gestern und bin wirklich sehr in Verwunderung, daß ich so selten geschrieben. Ich glaubte im Gegentheil, ich thäte nichts anderes. Aber freilich, in den ersten 9 Tagen da hatte ich so viel Anzeige Briefe zu 182 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901), Tochter des Prinzen Carl von Preußen. 183 Prinzessin Katharina von Württemberg, geb. Prinzessin von Württemberg (1821–1898), verh. mit Prinz Friedrich von Württemberg (1808–1870), hatte eine Fehlgeburt erlitten. 184 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). 185 Großherzoginwitwe Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin freute sich über die Schwangerschaft von Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862), und damit auf einen Thronfolger für Mecklenburg-Schwerin. 186 = im Wochenbett, d.h. nach der Entbindung. 187 Großfürstin Alexandra Iossifowna von Russland, geb. Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911), verh. 1848 Großfürst Konstantin Nikolajewitsch von Russland (1827–1892). 188 Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862), über ihren Schwager Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879). 189 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 190 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916).
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schreiben, daß ich da die eine Woche habe vergehen laßen. Mich deucht aber, die Schöning191 hat gleich nach der Taufe an der Marwitz192 geschrieben, um zu danken und zugleich Nachrichten von hier gegeben. Morgen sind es nun 3 Wochen, und wir leben eigentlich, als wenn es schon länger her wäre, da Luise kaum Art von Pflege mehr bedarf. Und da Hugo beständig bei ihr sitzet, so bleibe ich draußen und gehe nur zu bestimmten Stunden zu ihr. Mit dem Eßen muß sie sich in Acht nehmen, nur wenig im Zimmer gehen, warm anziehen, das ist das Einzige, worauf acht gegeben wird. Die kleine Adini gedeit auch. Sie nimmt sich sehr zu und wird wirklich niedlich. Ihr Gesicht ist so fein, ich finde, es gleicht Hugo. Diese Zeilen schreibe ich Dir im Garten, wo es heute himmlisch warm ist. Im Zimmer ist es schon recht kalt. Es ist das erste Mal, daß ich es thue, so lange ich hier bin. Es macht mir daher eine besondere Freude. Für Deinen lieben Brief sagte ich Dir noch garnicht meinen Dank. Und doppelt habe ich zu danken, da es nicht mal eine Antwort war, sondern nur Dein liebes Herz hat Dich dazu getrieben. Du weißt aber auch, was für eine Freude Du mir damit machst. Du hast mir wieder so viel Interessantes geschrieben. Aus den Zeitungen sehe ich manchmal, was für Fürstlichkeiten zum Besuch kommen. Da fand ich Alex von Hessen oder Gustav Wasa,193 was Du mir auch schriebst. Amelie194 ist sehr betrübt, daß der Bruder so viel herumfährt und sie allein sitzen muß. Von Luise195 und Charlotte hatte ich auch Briefe, danach war die Reise nach Warschau nun ganz unbestimmt, da Mandt und Markus196 ganz verschiedener Ansicht waren. Ersterer wünscht die Reise, um eine Luftveränderung für Charlotte zu haben und eine cour ihr brauchen zu laßen. Markus erklährt die Reise für einen Unsinn, besonders die Rückreise im Winter. Dies ist auch wohl nicht so ganz unwahr. Am 7ten war die Reise bestimmt, am 8ten ganz ungewiß. Du wirst die Entscheidung ehe erfahren wie ich, und dann bitte theile sie mir gleich mit. Letzt lebe ich in einer großen Spannung, denn am 12ten ist die Entscheidung des Gerichts über Meklenburg gefällt worden.197 Gott, wie mag sie ausgefallen sein? Ihr Alle wißt es nun, und ich kann die Nachricht am 20ten erst haben. Wie wird man bei uns in Thätigkeit nun sein, und was wird man da beschließen? Jetzt ist der Wendepunkt für Meklenburg gekommen. Gebe Gott, daß er recht benutzt wird. In Cassel scheint es ja auch hübsch herzugehen.198 Der Kurfürst macht unter der Zeit eine kleine Reise!
191 Elisabeth von Schöning (1817–1882), Hofdame der Großherzogin Alexandrine von MecklenburgSchwerin. 192 Bertha von der Marwitz (1817–1879), Hofdame der Königin Elisabeth von Preußen. 193 Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888) und Prinz Gustav von Wasa (1799–1877). 194 Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853). 195 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 196 Carl Franz Michael Anton Markus (1790–1865), seit 1837 Leibarzt bei Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 197 Ein nach einer Vereinbarung zwischen den Großherzögen von Mecklenburg und den meckl. Landständen seit 1817 vorgesehenes Schiedsgericht, unter Garantie des Deutschen Bundes (Schlussakte des Wiener Kongresses, Art. 56), sollte die Rechtmäßigkeit der meckl. Verfassungsverhältnisse prüfen. Jeweils ein Mitglied kam aus Hannover und aus Preußen sowie ein Obmann aus Freienwalde. 198 Im Verfassungskonflikt hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875) das
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Allgemein ist man empört über die schändliche Art, wie man in England Heinau aufgenommen hat.199 Der junge Kaiser hat eine ganz eigene Art mit seinen verdienten Generälen umzugehen. Feldmarschallleutnant Graf Kollovrat,200 der das Theresienkreutz sich ausgezeichnet hat und beliebt ist bei seinen Truppen, bekömmt jetzt den Abschied wegen Schulden, indem er im Lager ist, wo er das Corps kommandiert. Ist das nicht stark und giebt sehr viel Unzufriedenheit? Gott mit Dir Adine Sans Souci, den 18ten September 1850201 Meine Adine, Mitwoch war mein Brief noch gar nicht lange fort, als der Deinige vom 5ten ankam und gestern der vom 12ten. Beyde machten mir große Freude, und ich danke Dir von ganzem Herzen dafür. Deine Pünktlichkeit entzückt mich. Nun laß dir von Herzen Glück wünschen zu Augustens Hoffnungen, die nun kein Geheimniß mehr sind,202 und zu der glücklichen Wendung Eurer Angelegenheiten.203 Die vortrefflichen Schiedsrichter haben Euch von der gräulichen Verfaßung befreit und die alten Stände wieder gegeben. Das ist ja ein beneidenswerthes Glück. Hätte doch ein jeder solche Schiedsrichter! Dein Wilhelmchen kam Sonntag ganz strahlend an, während wir eben beym diné in Bellevue waren. Er sah glückselig aus. Es wundert mich, daß man ihn in Dobberan still fand. Hier scheint er mir sehr munter. Wir aßen dort, weil Fritz von da nach Müncheberg fuhr. Ich blieb dort, um Gustav204 in den zoologischen Garten zu führen, den er zu sehen wünschte. Es reute mich nachher, der Garten war ungeheuer voll, und ein nicht höfliches Sonntagspublikum ärgerte mich sehr vor den Fremden. Nachher gingen wir in die Oper und kamen spät hieher zurück. Fritz kam gestern zurück, sehr
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Kriegsrecht über das Hessen-Kassel verhängt. Sogar das Militär hatte sich gegen den Kurfürsten gestellt. Julius Jacob Freiherr von Haynau (1786–1853), österr. General. Bei der militärischen Niederschlagung der ungar. Unabhängigkeitsbewegung hatte er das Oberkommando der österr. Armee geführt und sich durch die Hinrichtung von 13 ungar. Generälen sowie des ersten ungar. Ministerpräsidenten Lajos Batthyány am 6. Okt. 1849 einen zweifelhaften Ruf als „Blutrichter von Arad“ erworben. 1850 nahm er nach Streitigkeiten mit der österr. Regierung vorzeitig seinen Abschied. Auf einer Reise nach London wurde er offenbar aufgrund seines Rufs angegriffen und misshandelt. Leopold Graf von Kolowrat-Krakowsky (1804–1863), österr. Feldmarschallleutnant. Der Brief ist als „Nro. 8“ gekennzeichnet. Schwangerschaft der Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822–1862), mit dem erhofften Thronfolger Friedrich Franz (III.), der am 19. März 1851 geboren werden sollte. Mit dem sog. Freienwalder Schiedspruch hob ein Schiedsgericht unter Garantie des Deutschen Bundes, mit Mitgliedern aus Preußen, Hannover und einem Obmann aus Freienwalde, am 11. Sept. 1850 das moderne Staatsgrundgesetz in Mecklenburg-Schwerin auf und setzte die alte landständische Verfassung wieder ein. Damit hatten die meckl. Ritterschaft und die Strelitzer Linie des Hauses Mecklenburg als Kläger sowie König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ihr gemeinsames gegenrevolutionäres Ziel erreicht. Prinz Gustav von Wasa (1799–1877).
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zufrieden mit den Truppen und mit dem Empfang überall. Darbey war das Wetter über alle Beschreibung schön und warm und ist es noch, eine wahre Wonne nach den kalten Tagen. Heute Morgen kamen viel Briefe aus Rußland, die Otterloo,205 der nach dem Haag zurück geht, mitbrachte. Ich denke mir, daß Du durch diese Gelegenheit auch Briefe bekömmst. Münster ist mit der größten Güte und Freundlichkeit empfangen worden, und der Kayser und Charlotte danken für die glückliche Wahl.206 Die Reise ist nun entschieden. Den 22ten gehen Deine Schwestern nach Warschau, aber wie es scheint bleibt Charlotte nur 8 Wochen dort und bringt den Winter in Petersburg zu, was mir ein Unsinn zu seyn scheint. Die guten Nachrichten von Deiner Luise erfreuen mich ausserordentlich und das Gedeihen der Kleinen. Gott erhalte sie, das Auffüttern wird beschwerlich seyn. Warum hat sie keine Amme? Wo mag denn Fritz Wilhelm207 herum reisen, es ist wohl ein Geheimniß? Seine Mutter mißfällt sich in Baden, die Kur ist streng und angreiffend, und die vielen klugen Prinzessinnen, die dort versammelt sind, erfreuen sie eben auch nicht. Lolo und ihre Geschwister sind in Frankfurt und gehen nicht nach Holland. Ich schrieb es Dir, glaube ich? Marie von Meiningen208 hat umsonst gesucht, Marianne auf bessere Wege zu bringen. Sie ist auf den einen Punkt209 wie thöricht. Sie soll sehr gealtert seyn. In Hessen geht es auch sonderbar zu. Der Kurfürst ist mit der Regierung entflohen, was mir doch sehr unnöthig vorkam, denn es that ihm niemand etwas.210 In Glienicke ist wieder Ruhe. Die Eltern haben die unglaublichen Wünsche der Tochter erfahren, auf welche Art weiß ich nicht. Der Vater war mehr betrübt, als entrüstet. Nach dem Rath des vortrefflichen Arztes hat Wiwi den Eltern alles selbst bekannt, und sie waren freundlich, und so hoffe ich, daß diese Krisis eine wohlthätige seyn wird.211 Für die Eltern muß es ein großer Schmerz seyn. Die Schuckmann212 ist in Berlin und war schon zweymal hier. Sie erzählte mir viel. Freytag war Theater im Neuen Palais für die Offiziere, statt des gewöhnlichen, großen diné’s. Es war ganz hübsch. Gustav ist noch hier und nimmt mir auch noch ein bischen Zeit. Die Münster213 ist auch hier.
205 Mglw. Willem Frederik van Otterloo (1800–1882), niederl. Hofrat. 206 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), neuer preuß. Militärbevollmächtigter in Russland. 207 Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). 208 Herzogin Marie von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel (1804–1888). 209 Gemeint ist verm. die Beziehung der geschiedenen Prinzessin Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande (1810–1883), mit dem verheirateten Johannes van Rossum (1809–1873). 210 Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875) wurde wegen des Verfassungskonflikts von seinen Untertanen und vom Militär unter Druck gesetzt. 211 Prinzessin Luise von Preußen (1829–1901) wollte Schloss Glienicke und ihre Eltern, Prinz Carl und Prinzessin Marie von Preußen, verlassen und beim kinderlosen preuß. Königspaar einziehen. 212 Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. 213 Verm. Julie Gräfin zu Münster-Meinhövel, geb. von der Marwitz (1789–1872), ehem. Hofdame der Prinzessin Wilhelmine von Preußen, Mutter von Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
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Wie hübsch muß Eure Villa seyn, und wie danke ich Dir, daß Du mich ordentlich hinein geführt hast. Ich kann mir jetzt recht gut denken, wie Ihr wohnt. Ist ein hübscher Garten auf der andern Seite? Meinem Neffen Albert von Sachsen214 geht es sehr gut. Ich schrieb Dir, daß er den Fuß gebrochen hat bey dem Manoeuvre in Böhmen? Doch nein, ich erfuhr es ja erst Donnerstag. Erzherzog Albrecht215 ritt neben ihm, und sein Pferd schlug ihm das Bein entzwey. Es ist aber Gottlob ein einfacher Bruch, und Albert konnte nach Pilniz zu Waßer gebracht werden und ist sehr wohl. Der Kayser216 hat ihn besucht. Wir wollen heute in Siam217 essen, um den göttlichen Tag recht zu benuzen. Wie schön muß es bey Euch seyn. Nun lebe wohl, meine Adine, noch tausend Dank für Deinen lieben Brief. Es ist immer solche Freude, wenn sie kommen. Fritz umarmt Dich zärtlich. Tausend Liebes Deiner Luise. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Deine Schwiegertochter soll ganz wohl seyn.
Como Villa Battaglia, den 25ten September 1850 Vorgestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 18ten, wo Du zwei Briefe von mir hintereinander bekommen hattest. Du siehst, daß ich pünktlich antworte. Ich kann aber kein Verdienst daraus machen, da es mir ja selbst eine Freude und ein Bedürfnis ist, Dir zu schreiben. Ich habe aber von hier so garnichts Amüsantes noch Interessantes zu melden, daß ich immer fürchten muß, daß meine Briefe Dich langweilen. Ich kann nur von der Kinderstube schreiben und von einer Wöchnerin, die aber so wenig danach aussieht. Sie ist recht hübsch, mit feiner taille und Farbe, das Gepräge der Glückseligkeit auf dem Gesicht, das man mit großer Freude und Beruhigung ansehen kann. Die kleine Adini nimmt so zu, wirklich täglich merkt man es. Sie ist auch viel im Freien, da wir so himmlisches Wetter haben, ohne zu heiß zu sein, eine so milde, warme Luft, recht gemacht für die Wochenzeit. Und wir Alle genießen es mit. Du schreibst nun auch, daß die schönen Hoffnungen von Auguste kein Geheimniß mehr sind, und so nehme ich es auch an und habe es nun auch hier erzählt. Wir können Gott nicht genug danken, daß uns diese Freude auch werden soll, und Er wird sie beschützen auf ihren Wegen. Es kann mir aber Angst werden, wenn ich an ihre Schwäche und Zahrtheit denke. Der Richterspruch ist für Meklenburg dann auch ein so unerhörtes Glück. Auch hier wird der Herr seine segnende Hand ausstrecken und die handelnden Personen mit seinem Licht erleuchten. Die Gutgesinnten werden wie ein Meer von Wonne sein. Die Schlechten bellen auch schon, und das ist recht gut, besser als wenn sie still wären. Dann weiß man sie zu finden. Ja, es wäre garnicht übel, wenn man in andern Ländern auch so 214 215 216 217
Prinz Albert von Sachsen (1828–1902). Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895). Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). Gemeint ist Schloss Charlottenhof in Potsdam.
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ein Schiedsgericht sprechen dürfte. Radowitz war fort nach der Zeitung.218 Darüber freute ich mich, aber nach der letzten Zeitung war er schon wieder in der Luft. Das Unglück, was den armen Albert von Sachsen219 getroffen, hat mir leid gethan und welcher Schreck für Deine arme Schwester.220 Doch es soll ihm so gut wie möglich gehen. Auch für die Anwesenden wie den Kaiser, Erzherzog Albrecht221 und so weiter. Der Kaiser war auf ein paar Stunden in Pilnitz. Es war eine gute Gelegenheit, einen Blick auf die Cousine zu werfen!?222 Von Schwester Luise hatte ich auch einen Brief mit ein paar Zeilen von Charlotte. Sie sind denn wirklich am 22ten nach Warschau abgereiset und werden den 27/28ten dort ankommen. Ich werde also meine Rückreise über Warschau nehmen und freue mich sehr dazu. Diese Aussicht wird mir den Abschied von Luise erleichtern. Bis Venedig ist ihre Absicht mich zu begleiten. Am 14ten würde ich mich dort trennen, um der Mitternachtsstunde, wo das Dampfschiff abgehet nach Triest. Den 17ten komme ich nach Wien, wo ich bis zum andern Abend des 18ten bleibe, wo dann wieder leider die Eisenbahn die Nacht abgehet. Wird Deine Schwester Erzherzogin Sophie223 wieder zurück sein? Nun lebwohl, ja in Hessen sieht es sonderbar aus. Marie schreibt mir ganz empört aus Rumpenheim, wo der Kurfürst ganz verbaselt angekommen war.224 Luise küßt Deine Hände. An den Geschwistern tausend Liebes, auch an meinen Sohn Wilhelm, der weder Tinte noch Feder und Papier finden kann zum Schreiben. Deine alte treue Adine Fritz sollte doch suchen nach Warschau zu gehen. Es würde doch zu unfreundlich aussehen. Er braucht ja nur 5–6 Tage abwesend zu sein. Vielleicht ist Bruder Wilhelm grade dort. Könnte der nicht so lange für ihn wie bei früheren Gelegenheiten eintreten? Und den Kaiser225 zu sehen, wäre auch sehr gut, sie würden sich leichter verständigen und könnten nur Gutes hervorbringen. Das ist aber auch in der jetzigen Zeit die Angst, daß sich die hohen Personen sprechen und verständigen.226 Da werden immer andere darin 218 219 220 221 222
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Joseph von Radowitz (1797–1853), ab 26. Sept. preuß. Außenminister. Prinz Albert von Sachsen (1828–1902). Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895). Heiratspläne für Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) mit seiner Cousine Prinzessin Sidonie von Sachsen (1834–1862), Tochter von Prinzessin Amalie Auguste von Sachsen, geb. Prinzessin von Bayern (1801–1877). Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1880), zu Besuch in ihrer Heimat Rumpenheim, über den dorthin geflohenen Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875). Kaiser Nikolaus I. von Russland (1796–1855). In der sogenannten Herbstkrise von 1850 hatten sich die Spannungen zwischen Österreich und Preußen um die Reichsverfassung zu einem militärischen Konflikt verschärft. Die von Preußen durch Joseph von Radowitz (1797–1853) seit Mai 1849 verfolgte Idee zur Gründung eines Deut-
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gemengt. Wenn es so wäre wie sonst, wo sie als Verwandte mit Herz für einander und miteinander sprechen, ohne Rückhallt, dann würde alles besser stehen. Aber die Minister haben immer Angst, ihre Politik, die schlecht ist, hintertrieben zu sehen und ihre Person wankeln zu sehen. Da habe ich mal recht resonniert. Ich mache meinen Brief nocheinmal auf, der schon gesiegelt war, weil ich eben die Kreutzzeitung227 bekommen und beinah vor Schreck vom Stuhl fiel, als ich las, Radowitz sei Minister des Auswärtigen geworden. Nun fällt Preußen, oder er fällt von seiner Höhe und Preußen rettet sich dadurch. Eins kann nur geschehn. Gott schütze Preußen und seinen König. Como Villa Battaglia, den 10ten Oktober 1850 Meine liebe Elis, ehe ich vom himmlischen Comoer See scheide, muß ich Dir schnell noch ein paar Worte schreiben und Dir danken für Deinen letzten Brief. Ach, ich bitte Dich, schreibe mir noch nach Warschau, wo ich gedenke vom 20–30ten zu bleiben. Gestern erhielt ich Briefe von den Schwestern, und die freuen sich denn entsetzlich, daß ich komme. Ich soll im Bellvedere wohnen. Nun noch von Radowitz.228 Ich glaube auch wie Du, es ist besser, daß er jetzt öffentlich auftritt, damit das ganze Ministerium nicht in Verdacht kömmt, solche schlechten Rathschläge zu geben. Es wird aber so viel schaden, daß er sich selbst seinen Fall arangiert wie Pfuhl.229 Das ist meine einziger Trost dabei, denn Östreich läßt nun 30.000 nach Deutschland marschieren durch Baiern. Der Kaiser in Warschau wird auch außer sich sein, und was wird es alles nach sich führen. Es wird so schlecht werden, daß es umschlagen muß. Ach, wenn ich meinen stillen, ruhigen Aufenthalt hier verlaße, dann falle ich wieder in die politischen Wirren. Das wird ein contrast werden. Die viele Freude, die mir zutheil geworden und die mich noch erwartet in Warschau und Meklenburg, die müßen mich entschädigen. Aber ihr Armen, die garnicht Luft habt schnappen können, sondern in diesem Wust geblieben, ihr seid zu bedauern. Ich weiß nicht, ob meine Kinder ihren Plan ausgeführt haben und sind zum 18ten nach Berlin gekommen. Sie freuten sich sehr darauf. Es sollte aber von Auguste ihrem Befinden abhängen.230 Ich habe
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schen Bundesstaates mit konservativer Verfassung (Erfurter Union) war im Mai 1850 praktisch gescheitert. Österreich, das die Wiederherstellung des Deutschen Bundes vertrat, wusste einen Großteil der deutschen Staaten inzwischen hinter sich. Im Sommer und Herbst 1850 standen sich in Kurhessen Bundestruppen unter österr. Führung und preuß. Truppen im Streit um die dortigen Militärstraßen gegenüber. In Warschau trafen sich im Okt. und Nov. 1850 die preuß. und österr. Vertreter unter Vermittlung des russ. Kaisers. In der Olmützer Punktuation vom 29. Nov. 1850 gab Preußen schließlich nach und stimmte der Wiederherstellung des Deutschen Bundes zu. Der preuß. Außenminister Joseph von Radowitz musste zurücktreten. Neue Preußische Zeitung, umgangssprachlich Kreuzzeitung, konservative, in Berlin erscheinende Tageszeitung. Joseph von Radowitz (1797–1853), seit dem 26. Sept. preuß. Außenminister. Ernst von Pfuel (1779–1866), am 1. Nov. 1848 zurückgetretener preuß. Ministerpräsident, der eine konstitutionelle Reformpolitik verfolgt hatte. Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz (1822– 1862), war schwanger.
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meinen Brief an sie dahin adressiert, und von dort wollten sie nach Strelitz, was recht nothwendig ist. Aber ich weiß nicht, ob Marie und Lilli schon zurück sind.231 Luise küßt Deine Hände. Es ist uns beiden schon ganz wehe zu Muth, denn nun ist es doch nur der Anfang des Abschieds. Ich verlaße sie ruhig, denn sie ist wirklich glücklich, und das Kind macht, daß es nicht so einseitig bleibt. Auch der Aufenthalt in Venedig, wo doch Menschen sind, die sie kennt und gerne umgehen wird, wird sehr gut thuen. Mündlich werde ich viel erzählen. Nun leb wohl, ich kann nicht mehr. Deine alte Adine Sans Souci, den 10ten Oktober 1850232 Meine Adine, gestern auf der Station Biesenthal, als ich eben von der Schorfheide in der Grimnitz zurück kam, wurde mir Dein lieber Brief vom 3ten gebracht. Tausend herzlichen Dank dafür. Er erfreute mich wieder sehr. Ich werde nun diesen, wie ich Dir’s neulich schrieb, nach Triest poste restante233 adressiren und hoffe, er gelangt sicher in Deine Hände. Du wirst durch meinen lezten Brief erfahren haben, wie es mit der Reise nach Warschau steht. Charlotte und Luise234 sind sehr betrübt, daß Fritz nicht hinkömmt, verstehen aber vollkommen seine Gründe. Wahrscheinlich werden nun Brandenburgs hingehen. Der Kayser, sagt man, kömmt schon den 13ten an. Elise und Alfred Rauch schreiben sehr glücklich über die Art, wie sie dort aufgenommen wurden.235 Elise that gleich den andern Tag Dienst und findet Charlotte sehr wohl aussehend. Fritz Oranien kam den 4ten Abends hier an und ging den Sonnabend weiter nach Warschau. Sein Plan, mit Luise zum 15ten hier zu seyn, wird aber wohl scheitern, wie ich es ihnen vorhersagte. Es ist auch so natürlich, daß sie länger dort bleibt und Dich dort erwartet. Kein Mensch begreifft besser wie ich, daß man gern mit seinen Schwestern ist. Es geht kein Nachtzug direkt nach Warschau. Du wirst von Cosel nach Mislowiz fahren, dort bleibt man immer über Nacht und fährt erst den andern Tag weiter. Ich erwarte Fritz, der eben zurück kommen soll von der Schorfheide, das heißt zulezt von Bellevue, wo er seinen Vortrag hatte. Wir gingen vorgestern nach der Schorfheide, zum Theil mit Eisenbahn und dann mit Pferden, durch einen höchst primitiven Sand. Der Wald ist prächtig und ungeheuer groß. Wir fuhren drey und eine halbe Stunde darin herum und sahen das Wild schaarenweise herumlaufen. Da sie in ihrer Liebeszeit sind, brüllten sie fürchterlich und ganz nahe vom 231 Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1796–1888), und ihre Tochter, die geschiedene Kronprinzessin Caroline von Dänemark, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz (1821–1876). 232 Der Brief ist als „Nro. 11“ gekennzeichnet. 233 Frz. = postlagernd. 234 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870). 235 Elisabeth (Elise) von Rauch (1820–1909), Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, begleitet von ihrem Bruder Alfred Bonaventura von Rauch (1824–1900), preuß. Sekondeleutnant und Adjutant beim Generalkommando des III. Armeekorps in Berlin.
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Hause. Dieß Haus ist allerliebst im bayerschen Gebirgsstyl, sehr bequem und warm, und jeder Raum so geschickt benuzt, daß man sehr gut dort wohnen kann. Es steht in der Mitte des Waldes und entzückte mich. Karl kam denselben Tag wie wir und war von der besten Laune. Abat, Wrangel236 und Neumann237 kamen gestern, kurz ehe ich wegfuhr, um Plaz zu machen. Das Wetter war ziemlich gut. Gestern schien endlich die Sonne, die wir lange entbehrt hatten. Helene und Cathi sah ich Mondtag, wo sie auf 2 Stunden hier waren, Helene schöner, blühender wie je, lebhaft heiter, sehr liebens würdig und auch kräftig. Sie ging wieder mit uns im Garten herum, und aus dem kranken Auge scheint sie sich nicht viel zu machen. Cathi fand ich blaß und auch traurig, recht rührend, so gekränkt durch viel Unglück. Helene sagte mir, sie wäre überzeugt, sie würde den Schwestern bald folgen, und sie selbst, Helene, sey sehr besorgt für sie.238 Gott gebe, daß sie sich beyde irren. Mary kam allein hieher, um sie zu sehen, Karl und seine Kinder erschienen nicht.239 Eigentlich weiß ich nicht, was Karl gegen sie hat, denn sie hat ja immer ehrlich gesagt, wie es um ihre Tochter stünde und ihrem Verhältniß zu George, und daß Fritz Karl dennoch nach Rußland ging, davor kann sie ja nicht.240 Sie reiste vorgestern nach Stettin, wo sie noch ein paar Tage mit George und ich glaube auch mit seinem Bruder bleiben wollte. Die arme Meyendorf,241 die froh war mit ihrem Mann zugleich abzureisen, mußte nun bis Dienstag warten, was ihr gewiß schwer wurde. Er ging Sonnabend nach Dresden, um Nesselrode242 zu sprechen, und wollte von da nach Wien. Er kam Freytag hieher zum Abschied und hatte furchtbare Migraine, so daß er sich den Kopf in den Händen hielt. Er war sehr bewegt beym Abschied, und mir that er unaussprechlich weh. Solche treue Seelen zu vermissen, ist ein großer Schmerz. Den 4ten brachte Abat hier zu, und wir aßen en famille. Tags vorher war das Vogelschießen der Offiziere und vorher déjeuné im Belvédére.243 Es war sehr hübsch und heiter, Fritz Karl gewann wieder zwey Preise, er schießt vortrefflich, und Möllendorf (Sohn)244 that den besten Schuß. Fritz und die Offiziere kamen dann hieher und stellten sich en parade auf die Terrasse. Dein Sohn war den Mor236 Friedrich Freiherr von Wrangel (1784–1877), preuß. General und Oberkommandierender in den Marken sowie Gouverneur von Berlin. 237 August Wilhelm von Neumann-Cosel (1786 –1865), preuß. General, seit 1840 Generaladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, 1841–1848 Chef des Militärkabinetts. 238 Die Töchter von Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg, waren 1832, 1836, 1845 und 1846 jung gestorben. Einzig Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) lebte noch. 239 Prinzessin Marie von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877), kam zu Besuch nach Sanssouci, ihr Mann Prinz Carl von Preußen (1801–1883) und ihre Kinder nicht. 240 Neben Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879) hatte offenbar auch Prinz Friedrich Karl von Preußen (1828–1885) Interesse an einer Heirat mit Großfürstin Katharina Michailowna von Russland (1827–1894) gezeigt, die im Febr. 1851 aber Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz (1824–1876) heiratete. 241 Sophie Gräfin von Buol-Schauenstein (1800–1868), verh. mit Peter von Meyendorff (1796– 1863), langjähriger russ. Gesandter in Berlin, wurde 1850 nach Wien versetzt. 242 Mglw. Karl Robert von Nesselrode (1780–1862), russ. Reichskanzler. 243 Belvedere auf dem Klausberg in Potsdam. 244 Verm. Friedrich von Möllendorff (1831–1905), preuß. Sekondeleutnant im 1. Garde-Ulanen-Re-
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gen nach Parez abgereist. Ich habe ihn ermahnt zu schreiben und hoffe, er hat es gethan. Die Schuckmann245 war auch in voriger Woche hier bey der Durchreise von Frankfurt. Sie erzählt viel Betrübtes über die äussere Erscheinung von Marianne und diese ganze gräßliche Wirtschafft. Mündlich kann ich Dir mehr darüber sagen. Wie hat mich das Ende Deines Briefes erschüttert, meine Adine, obgleich ich mir wohl Deinen Schrecken über die Ernennung dachte.246 Aber Du weißt, was ich von Deinem prophetischen Geist halte und kannst Dir denken, mit welchem Gefühl ich Dein Urtheil las. Ach! Gott wolle uns beystehen. Ich habe in der lezten Zeit manches ausgestanden und hatte oft Mühe, im Gleichgewicht zu bleiben. Ich sehne mich darnach, Dir mein Herz aus zu schütten. Mathild247 erfuhr es auch erst durch die Zeitung und verlor alle Fassung. Brandenburg hat unrecht, ihr dergleichen Ueberraschungen zu machen, da er weiß, wie sie denkt. In ihrer Stellung ist ein Ausbruch ihres Gefühls nicht gut. Zum Glück war den Abend nur die Bergh248 bey ihr. Bitte sprich ihr nicht davon in Warschau. Es ist ihr vielleicht nicht lieb, daß ich es Dir gesagt habe. Wenn Du diesen Brief bekömmst, hast Du den schweren Abschied schon überstanden! Mit welchem Schmerz wirst Du Dich von Luise und ihrem Kinde trennen! Auch morgen wird Dir die Abreise von der hübschen Villa wehe thun. Wie ich höre, hat Hugo Hoffnung in Mayland zu bleiben?249 Das wäre ein wahres Glück. Es freut mich, daß Du Fritz Wilhelm sahst und daß er wohl ist.250 Auguste schrieb mir, sie würde erst im November auf Besuch hieher kommen, es scheint also, daß sie den Winter in Coblenz zu bringen will.251 Es ist auch vielleicht besser. Die Kur in Baden hat ihr sehr wohl gethan, und Helene sagt, sie sey sehr ruhig und […]252 dort gewesen. Nun muß ich enden, meine Adine, lebe wohl und reise glücklich. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Von einer Reise nach dem Süden ist keine Rede für Charlotte. Alle Briefe stimmen darin überein, und sie selbst wünscht zurück zu kehren.
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giment, Sohn von Johann Carl von Möllendorf (1791–1860), preuß. Generalmajor und Kommandeur der 1. Garde-Division. Marie von Schuckmann (1803–1884), ehem. Gouvernante der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, geb. Prinzessin von Preußen. Joseph von Radowitz (1797–1853), seit dem 26. Sept. preuß. Außenminister. Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1798–1855). Sophie Freifrau von Bergh, geb. Gräfin von Neale (1780 –1870), preuß. Hofdame und Oberhofmeisterin. Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) wurde 1851 als österr. Major zum Dragoner-Regiment Großherzog von Toscana nach Florenz versetzt. Prinz Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen (1831–1888). Prinzessin Augusta von Preußen, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, war im Frühjahr 1850 nach Koblenz übergesiedelt, nachdem ihr Ehemann Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797– 1888) im Jahr zuvor zum Generalgouverneur der Rheinprovinz ernannt worden war. Wort nicht zu entziffern.
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Warschau, den 27ten Oktober 1850 Meine geliebte Elis, eigentlich wollte ich Dir schon lange schreiben, da ich Dir zu danken habe auf 2 Briefe. Einen erhielt ich hier und der aus Triest kam mir nun erst in Händen, da er hinter mir herreiset aus einem Nachtquartier im Andern. Hier mit den Schwestern vereint, konnten wir sehr glücklich sein, wenn nicht auch hier die Politik uns viel Angst macht. Gott wird ja helfen, da wir in großer Noth sind, und so sehr der Kaiser aufgebracht ist gegen Radowitz253 und alles, was da geschiet, so bleibt er doch der Gerechte und Gemäßigte, was ihm schwer wird. Wenn Heil aus dieser Zusammenkunft entspringt, so hat man es nächst Gott, dem Kaiser, Nesselrode und Meyendorf zu verdanken.254 Sie sind wirklich Engel. Letztere sind nicht heftig und nicht leidenschaftlich, sondern besonnen und wollen das Gute. Bis zur blauen Tinte habe ich im Zimmer von Charlotte geschrieben, die noch beim Anziehen war, und als sie hörte, daß ich Dir schreibe, läßt sie Dir hunderttausend Liebes und Herzliches sagen. Sie ist zu betrübt, daß sie Dich und Fritz nicht sehen soll. Ihr Herz zieht sie so zu Euch. Der junge Kaiser255 ist Freitag angekommen, mit Ehrenwache empfangen, aber so als wenn es Fritz gewesen, war es nicht, denn das Herzliche fehlte. Der junge Herr tritt sehr bestimmt auf. Ich möchte, er wäre ein wenig mehr rücksichtsvoll gegen den Kaiser, der doch so viel älter ist. Vielleicht ist es Verlegenheit. Verzeih, wenn ich so aufrichtig bin im Urtheil über Deinen Neffen. Daß Bruder Karl gekommen ist, ist für alle eine Freude. Er ist vom Kaiser hier sehr freundlich empfangen und wird recht herzlich behandelt. Er nimmt sich mit vielen Tackt, sehr höflich für jeden und in unserem Kreise heiter. Er bringt Leben hinein. Wir haben gestern schon so viel gelacht, daß thut gut, denn wir waren die andern Tage so niedergeschlagen. Brandenburg seine Ruhe ist manchmal recht gut. Seine Lage ist nicht leicht, da er Radowitz ganz vertritt, aber er ist zu faul.256 Rochow257 ist manchmal in Verzweiflung, weil er das leiseste Wort für ganz vortrefflich hält, wo noch garnichts dabei ist. Er soll seine Unterredung mit Schwartz258 aufschreiben und sie ihm dann vorlesen, damit man weiß, was gesagt ist. Dazu will er sich noch nicht verstehen. Der Kaiser Niki ist auch sehr freundlich für die Umgebung von Karl. Wir sahen heute die Muselmanen exerzieren wie in Kalisch.259 Das war so amüsant. Da sprach er mit Hirschfeld260 auch gestern Abend, wo wir eine soirée hatten mit etwas Musik. Eine Sängerin von der Oper, eine Ungarin, hat 253 Joseph von Radowitz (1797–1853), seit dem 26. Sept. preuß. Außenminister. 254 Kaiser Nikolaus I. von Russland, der russ. Reichskanzler Karl Robert von Nesselrode (1780–1862) und Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Wien. 255 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916). 256 Der preuß. Ministerpräsident Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) vertrat den preuß. Außenminister Joseph von Radowitz (1797–1853) bei den Verhandlungen mit Österreich unter Vermittlung von Russland in Warschau. 257 Theodor von Rochow (1794–1854), preuß. Gesandter in Russland. 258 Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800–1852), österr. Ministerpräsident. 259 Verm. führten osman. Truppen eine Militärübung durch, die an die Revue von Kalisch erinnerte, eine große Militärparade preuß. und russ. Truppen im Sept. 1835. 260 Verm. einer von drei Brüdern, die zu diesem Zeitpunkt preuß. Generäle waren: Alexander (1787– 1858), Moritz (1790–1859) oder Ferdinand von Hirschfeld (1792–1863).
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eine schwache Stimme, aber singt scharmant. Pauline Bantegier261 sang auch ganz scharmant. Wir schwatzten mit den Herren verschiedener Länder. Es war aber etwas fatigant, und Charlotte hat wieder etwas Herzklopfen, war aber doch in der Messe und nun beim Exercieren. Um 4 Uhr ist Diner en famille und Abends soirée, wo Ballet sein wird, was schon vor ein paar Tagen war. Es sind sehr hübsche. Die Mädchen des corps de Ballet sind sehr hübsch und tanzen sehr gratiose und anständig. Wir hatten schon so eine Vorstellung am Vorabend von Mischel seinem Geburtstag. Sie tanzen im Saal und es macht sich ganz hübsch. Auch die Costume nehmen sich gut aus. Olly finde ich sehr erholt und zu glücklich mit den Eltern zu sein. Sie ist auch recht heiter. Er sieht als Cosak einzig aus. Er ist eitel und erscheint dumm, was er nicht sein soll. Aber kleinlich ist er.262 Fritz Hessen ist hier und Christian von Holstein.263 Morgen reisen sie ab, dafür kömmt der Erbschatz von Weimar.264 Morgen reiset auch der junge Kaiser ab und übermorgen unser Kaiser. Wenn ersterer nur früher gekommen wäre, wie er erst wollte, dann hätten wir nicht geruht, als bis wir Euch hier her gehabt hätten. Denn im Innern wollte es der Kaiser gern. Er fürchtete sich nur mit Fritz heftig zu werden. Was ich aber im Ernst sehr, sehr gewünscht hätte, das wäre, daß Radowitz dem Kaiser gegenübergestanden hätte. Ich glaube, der hätte ihm doch imponiert und vielleicht durch seine Ruhe und Klarheit etwas auf andere Wege gebracht. Es ist eigentlich rührend zu sehen, wie das Herz des Kaisers an Preußen hängt und wie die schreckliche Politik ihn so davon abziehen will und es nicht gelingt. Rochow ist aber ein Schatz, wie der an seinem Platz ist und wie er ehrlich und offen dem Kaiser manchmal gegenüberstehen muß. Auch Münster265 nimmt sich sehr gut, und der Kaiser mag ihn. In beiden ist Preußen gut vertreten. Nun habe ich Dir recht viel über alles geschrieben, was ich glaube, Dich interessieren kann. Radowitz ist aber das Unglück von Preußen, das steht ganz fest. Wo mein Brief Dich treffen wird, weiß Gott. Sollte er Dir nach Dresden folgen, so empfehle mich Deinen Schwestern. Ich hoffe, die Tage dort werden Dir gut thun, aber die Politik wird dort auch nicht ausbleiben. Wir werden am 5ten hier abreisen und denken den 7ten in Sanssouci zu sein. Ich werde wohl 2–3 Tage bleiben. Noch muß ich sagen, daß Charlotte im Ganzen unbegreiflich gut ist. Freilich finde ich sie gealtert im Gesicht, besonders um die Augen, die liegen so tief, die Figur etwas breiter geworden, aber immer noch so elegant und gratiös, macht scharmante toiletten. Der Hals, die Schultern sind garnicht so mager. Sie trägt bei ausgeschnittenen Kleidern immer so einen leichten Flohr chawl, der es macht, daß es ganz gut aussieht. Nun leb wohl, der Brief soll noch heute fort. Gott mit Dir, Deine treue Adine 261 Lesung unsicher. 262 Verm. Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). 263 Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim (1820–1884) und Prinz Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1818–1906). 264 Erbherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901). 265 Hugo Eberhard Graf zu Münster-Meinhövel (1812–1880), preuß. Militärbevollmächtigter in Russland.
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Verzeih die verschiedenen Pappiere. Aber eins war bei Charlotte geschrieben und der andere Theil bei mir, nun muß ich toilette zum Diner machen. Nachgrade habe ich es genug. Wenn die Kaiser fort sind, dann stecke ich mich wieder in Schwartz und dunkle Kleider. Warschau, den 1ten November 1850, 8 Uhr Morgens Karl reiset in ½ Stunde ab, und er soll noch diese schnell geschriebenen Worte mitnehmen an Dich, geliebte Elis, die [Du] in diesen Tagen so unbeschreiblich unglücklich und traurig bist über die Politik. Wir hoffen aber hier, daß die Nachrichten, die Brandenburg mitgenommen hat, alles mildern wird, wenn Preußen keinen übereilten Schritt in Hessen gethan, was wir zu Gott hoffen, dann kann noch alles besser werden. Östreich hat ja manches nachgegeben, und da wird man ja von der andern Seite auch Nachgiebigkeit eintreten. Radowitz266 ist ein Teufel, der sich an den Fersen von Fritz gekrallt hat. Nesselrode und Meyendorf267 haben wie die Pferde gearbeitet und den Kaiser immer beruhigt, der sehr aufgebracht war, und dann seinen klahren, offenen Sinn wieder geltend machte. Er ist doch ein Engel, denn was von Frankreich für Annäherung und Anerbieten ihm gemacht werden und von andern Seiten auch, das glaubt man nicht, und wie alles von ihm Heil erwartet, aber nur die Gute Sache hat an ihm einen Anhalt. Dein Neffe, der junge Kaiser taute die letzten Tage etwas mehr auf. Wenn Schwartzberg268 nicht wäre, so würde er auch unbefangener gewesen sein. Charlotte hat ihn lieb gewonnen wie einen Sohn. Sie hat ihn besucht, allein, und da war er so prächtig. Noch weiß ich nicht bestimmt, ob ich am 7ten in Berlin ankomme. Es wird sich heute entscheiden, 3 Tage wollte ich dann nur bleiben, da Luise269 lange in Potsdam und ich mich dann für weniger nöthig hallte. Es klingt anmaßend und soll doch bescheiden sein, denn ich bin in Deiner Nähe und wenn Du recht nach mir verlangst, so kann ich ja so leicht auf ein paar Tage herüber fahren. Auguste, mein Töchterchen, hat schon Bewegung und ist glückselig. Gott sei mit Dir, Deine alte treue Adine Charlotte dankt für Deinen Brief, der gestern Abend ankam und uns Alle so betrübt. Arme liebe Elis, Gott ist denen nahe, die Trost bedürfen. Vertrau ihm. Er wird alles zum Guten wenden. Charlotte gehet es im Ganzen gut, vorgestern hatte sie einige Herzpuffe, aber nur vorübergehend. Das Wetter ist seit 2 Tagen besser und dann kann sie wieder ausfahren und gehen, was ihr immer gut bekömmt. Die Rückreise wird aber schlimm
266 Joseph von Radowitz (1797–1853), seit dem 26. Sept. preuß. Außenminister, musste am 3. Nov. zurücktreten. 267 Der russ. Reichskanzler Karl Robert von Nesselrode (1780–1862) und Peter von Meyendorff (1796–1863), russ. Gesandter in Wien. 268 Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800–1852), österr. Ministerpräsident. 269 Prinzessin Luise der Niederlande, geb. Prinzessin von Preußen (1808–1870).
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werden. In Petersburg sind 10° Kälte und Eisgang schon, was den Übergang über die Flüße erschweren wird. Schwerin, den 25ten November 1850 Meine erster freier Augenblick, den ich heute zum ersten Mal entbert habe, soll Dir diese Zeilen bringen. Liebe Elis, daß meine Gedanken viel bei Dir waren und im Geiste Dir die schweren Tage tragen helfen möchten, das wirst Du überzeugt sein. Hier ist man auch sehr gespannt, was die nächsten Tage bringen werden, und auch hier ist man tief betrübt über die Stellung von Preußen. Seitdem ich hier bin, habe ich nur durch Erzählen flüchtig erfahren, was die Zeitungen sagen. Die Thronrede, darüber schweige ich, da sie mir nicht so ganz gefällt.270 Wenn nur Bruder Fritz und Wilhelm ruhiger werden und wieder einen klahren Blick gewinnen. Meine Luise ist entzückt und voller Dankgefühl über die gnädige und freundliche Aufnahme Deiner Schwester Sophie. Sie ist mit Hugo zum Thee dagewesen. Auch der Kaiser ist sehr gnädig gewesen, und alles schien dort friedlich gestimmt, so daß Hugo vielleicht fürs erste nach Venedig wieder gehen kann. Meine Auguste fand ich denn am Bahnhof, wo alle Damen meiner näheren Bekanntschaft sich eingefunden, das ganze Offiziers corps. Ich war glücklich und beschämt, so viele Beweise von Liebe. Am Abend brachte die Garnison mir Musik mit Vivat rufen, wozu sich viele Menschen eingefunden. Die nächsten Tage empfing ich alle Damen aus der Stadt und viele einzelne Herrn, so daß ich zu nichts kam, sondern recht erschöpft war. Zweimal bin ich des Abends bei Graf Bülow271 schon gewesen, wo es sehr hübsch ist. Gestern hatten wir großes Diner bei Hof und heute bei mir. In einigenTagen noch ein zweites, wenn nicht der arme Onkel Gustav uns bis dahin stirbt. Er ist in Hamburg schwer erkrankt. Die Wassersucht schreitet schnell vorwärts. Nun leb wohl, Gott sei mit Dir und dem theuren Preußen. Deine Adine Schwerin, den 3ten December 1850 Meine geliebte Elis, nach allen Nachrichten und Zeitungen hat sich ja der Politische Himmel um vieles erheitert. Ich finde, es klingt so gut, daß man es kaum glauben kann. Wenn es nur so bleibt! Und Manteuffel272 scheint sich mit großer Offenheit und Bestimmtheit ausgesprochen zu haben, und das hat einen so guten Eindruck hervorgebracht. Man wird diesen Mann noch Abbitte thun müßen für alles, was er hat hören und ausstehen müßen. Gott segne ihn. Die Armin273 wird sich auch zur Ruhe geben, wenn sie 270 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte am 21. Nov. die neue Parlamentssitzung in Berlin mit einer kriegerischen Rede eröffnet, in der er das militärische Eingreifen in den kurhessischen Verfassungskonflikt und die Mobilmachung gegen Österreich rechtfertigte. 271 Hans Graf von Bülow (1807–1869), meckl.-schw. Ministerpräsident. 272 Otto Theodor von Manteuffel (1805–1882), 1850–1858 preuß. Ministerpräsident. 273 Mglw. Bettina von Arnim (1785–1859).
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sieht, nur durch ihr intusiastisches schnelles Stellen auf den Befehl des Königs hat sie schon imponiert, daß muß man ihr recht klahr machen. In Hessen wird der Kurfürst selbst wieder sich mit seinen Truppen zeigen, so alle Parteien befriedigen, nein, es ist nicht zu glauben.274 Ich hoffe, Radowitz275 wird ewig an der Tafel der Königin von England fest gehallten werden und es sich dort wohl sein laßen, dann wird ganz Deutschland wohl werden. Hier bei uns gehet es auch ganz gut, heute sind 2 Strelitzer Herren hergekommen, mit denen soll nun unterhandelt werden. Das ist nicht so leicht.276 Schwester Luise sitzet nun auch im Haag. Von uns drei Schwestern ist sie wohl die wenigst glückliche in ihrem Lande. Charlotte und ich, wir sind so fest verwachsen mit unseren Ländern, daß wir da am glücklichsten sind. Du glaubst nicht, wie mich die Leute verziehen durch That und Blick. Charlotte hat mir einige Worte geschrieben, Cecile277 vollendet den Brief. Der Aufenthalt in Warschau hat ihr gut gethan. Die viele Freude hatte doch das Übergewicht gehabt über Gemüthsbewegung und Trauer. Die Reise ist ihr gut bekommen. Sie ist ganz munter danach. Meine Luise ist in Troja278 bei Prag, wo Hugo sein Regiment abwartet. Sie schreibt mir mit erstickten Thränen, denn damals sah es so nach Krieg aus, und sie erblickte Hugo schon in Schlachten und Gefahren. Nun, Gott hat es diesmal noch abgewendet. Sie ist unendlich dankbar und beglückt über die gnädige Aufnahme des Kaisers und die Herzlichkeit Deiner Schwester Sophie und Kaiserin Mutter. Meine Schwiegertochter und Fritz legen sich zu Füßen, erstere ist zwar wohl, aber doch schwach. Indessen kömmt es mir nicht besorglich vor. Wie bin ich glücklich, solche Tochter zu haben, mit ihr zu sprechen und ihr Umgang ist mein ganzes Glück. Nun leb wohl. Sind die Gemüther nun etwas beruhigt? Mache nur, daß der lange Deutschgesinnte279 fort vom Hof kömmt. Der schadet sehr. Stecke ihn in ein Regiment. Gott mit Dir, Du mußt neues Leben haben seit Olmütz.280 Deine treue Adine
274 Neben dem Militär hatte sich auch die Beamtenschaft gegen Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875) gestellt. 275 Joseph von Radowitz (1797–1853), ehem. preuß. Außenminister. Nach seinem Rücktritt am 3. Nov. wurde er Sonderbotschafter in London. 276 Friedrich Carl Ludwig von Kardorff (1812–1870) und Landrat Georg Alexander von Rieben auf Galenbeck (1799–1870) verhandelten in Schwerin für Mecklenburg-Strelitz über die Wiederherstellung der alten landständischen Verfassung nach dem Scheitern des Staatsgrundgesetzes durch den Freienwalder Schiedsspruch im Sept. 1850. 277 Cäcilie (Cécile) Baronin von Frederiks, geb. Gräfin Gurowska (1794–1851), Jugendfreundin und Hofdame der Kaiserin Alexandra Fjodorowna von Russland, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen. 278 Stadtteil von Prag. 279 Person nicht zu identifizieren. 280 Olmützer Punktation vom 29. Nov. als Verständigung zwischen den am Rande eines Krieges stehenden Großmächten Preußen und Österreich unter Vermittlung des russ. Kaisers zugunsten der Wiederherstellung des Deutschen Bundes.
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Mit Onkel Gustav gehet es seit gestern etwas besser. Die Fieber laßen nach, bitte laße es an Wilhelm wißen, der wohl jetzt von Geschäften zerrißen ist. Heute hat er einen Dienstbrief an Fritz hier her geschrieben, einzig wirklich. Potsdamm, den 6ten Dezember 1850 Tausend Dank für Deinen lieben Brief, meine Adine. Ich dachte mir wohl, daß Du Dich freuen würdest. Man athmet leichter. Gott gebe Seinen Segen auch ferner dazu. Manteuffel281 hat sich tapfer gehalten, und unser guter Meyendorf war wieder prächtig und hat die Sache zum Schluß gebracht. Durch den Adjutanten Manteuffel282 ließ ich mir alles erzählen. Nun sind auch die Kammern vertagt, wodurch deutlich bewiesen wird, daß man Manteuffel nicht fallen lassen will. Wie hat Dir des lieben Winke’s Rede gefallen?283 Das ist ein abscheulicher, boshafter Mensch. Ich beklage den armen Schulenburg Wolfsburg,284 der sein Schwiegervater und ganz trostlos ist. Wilhelm285 sah ich seit Sonntag nicht, wo eben die Minister Conferenz gewesen war. Er war nicht zufrieden, und ich fürchte, er sagt es zu viel und regt dadurch auf, aber das bleibt unter uns. Ich bin jetzt wieder die bête noir286 der Berliner. Es sind keine verrückten, wirklich ganz tollen Gerüchte über mich, die nicht geglaubt werden, auch von den ordentlichen Leuten. Ich muß es tragen und hoffen, daß auch dieß vergehen wird, wie so vieles. Die Armee287 wird immer vortrefflich seyn, daran habe ich keinen Zweiffel. Man muß sie nur nicht irre lieben in ihren Meinungen. Was Du von Radowitz und von Deinen Wünschen für ihn sagst, hat mich sehr amusirt. Er ist ausserordentlich gut aufgenommen worden, und man ist entzückt von ihm. Wie lange er dort bleibt, weiß ich nicht.288 Wie es mich freut, daß es bey Euch gut geht, kann ich nicht sagen. So Gott will, werden die Unterhandlungen mit den Strelizer auch ein gutes Ende nehmen. Die bessern Nachrichten Deines Onkels Gustav habe ich Deinem Wilhelm geschrieben. Er ist sehr geschäfftig. Ich sagte ihm auch, er wäre nur Ordonanz Offizier, wenn Wilhelm nach Berlin zurück geht. Wenn er in Potsdamm bleibt, ist er es nicht mehr. Von Luise hörte ich noch nichts seit ihrer Rückkehr. Sie fürchtete sich auch auf die Leere, die ihr Putchen zu Hause lassen würde.289 Ich gestehe, daß mir dieß un281 Otto Theodor von Manteuffel (1805–1882) war dem zurückgetretenen Joseph von Radowitz als preuß. Außenminister gefolgt. 282 Edwin von Manteuffel (1809–1885), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 283 Georg von Vincke (1811–1875), westf. Großgrundbesitzer und liberaler Politiker. 284 Werner von der Schulenburg-Wolfsburg (1792–1861), braunschw.-hannov. Politiker. Seine Tochter Helene Sophie Bertha von der Schulenburg-Wolfsburg (1827–1905) hatte am 31. Aug. 1848 Georg von Vincke geheiratet. 285 Prinz Wilhelm (I.) von Preußen (1797–1888). 286 Frz. = schwarzes Schaf bzw. Tier. 287 Lesung unsicher. 288 Joseph von Radowitz (1797–1853), ehem. preuß. Außenminister. Nach seinem Rücktritt am 3. Nov. war er nun Sonderbotschafter in London. 289 Prinzessin Luise der Niederlande (1828–1871), verh. seit dem 19. Juni mit Kronprinz Karl (XV.)
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glaublich vorkömmt, denn sie war ihr doch von gar keiner […].290 Gottlob, daß es Charlotte so gut geht. Deine Luise wird nun auch glücklich seyn. Sophie291 schrieb von ihr, von ihrer guten Haltung ihr gegenüber, ihrer hübschen, gescheuten conversation, und daß sie sich nun mit ihrer Familie so gut gestellt habe. Meyendorf habe ihr dazu mit seinem Rath bey gestanden, und auch Amelie,292 von Sophie inspirirt. Das ist gewiß sehr glücklich, denn das Verhältniß mit dieser Familie ist in ihrer Lage gewiß schwer.293 Dein Glück mit Deiner Schwiegertochter thut mir immer wohl. Das ist eine große Gnade Gottes. Der lange Deutschgesinnte294 ist in Hessen. Bonin295 war auch dort, aber wieder zurück. Wir werden vielleicht künftige Woche nach Charlottenburg ziehen, aber noch hat Fritz nichts bestimmt. Mir ist es ziemlich einerley. Diese grauen, dunklen Tage sind überall traurig, nur die Besuche der unzähligen Arbeits Ausstellungen in Berlin sind leichter von Charlottenburg aus. Ich gedenke morgen nach Berlin zu gehen und nach Bellevue, um unsere arme Mathild zu sehen.296 Gustav ist aus Paris gekommen.297 Karl Röder, der jetzt hier ist, hat einen sehr hübschen Auszug aus des lieben Brandenburgs Briefen an ihn gemacht und von seinen Erinnerungen aus seiner Jugend dazu gesezt. Es ist sehr interessant und rührte mich unbeschreiblich. Trotz seines unruhigen Lebens schrieb er immer an Röder in alter Treue. Es thut mir wohl, mit den guten, alten, von dem Verstorbenen Freunde zu sprechen. Er will sich Schades298 Tagebücher verschaffen, um eine Biographie zu Stande zu bringen.299 Lebe nun wohl, meine Adine. Fritz umarmt Dich, er ist auch froh, und ich danke Gott aus vollem Herzen. Mit treuer Liebe, Deine alte Elis Schwerin, den 14ten December 1850 Meine liebe Elis, wie viel denke ich an Dich und möchte wohl gerne selbst sehen, wie es Dir gehet. Allein, in dieser Zeit kann ich garnicht daran denken, von hier fort zu gehen.
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von Schweden und Norwegen (1826–1872). Wort nicht zu entziffern. Erzherzogin Sophie Friederike von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern (1805–1872). Prinzessin Amalie von Schweden (1805–1853), im Exil am Wiener Hof. Prinz Hugo von Windisch-Graetz (1823–1904) konnte als nachgeborener Fürstensohn und österr. Offizier einer Herzogin aus einem regierenden Fürstenhaus, wie Luise zu Mecklenburg-Schwerin, nur das Leben einer Soldatenfrau, aber kein eigentlich standesgemäßes bieten. Person nicht zu identizieren. Adolf von Bonin (1803–1872), Flügeladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1885), verh. mit Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850), der am 6. Nov. überraschend gestorben war. Gustav Graf von Brandenburg (1820–1909), Attaché der preuß. Gesandtschaft in Paris und Sohn des verstorbenen preuß. Ministerpräsidenten Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg. Mglw. Freiherren von Schade, westf. Adelsfamilie. Karl von Roeder (1787–1856), preuß. General, bis 1842 preuß. Flügeladjutant und krankheitsbedingt pensioniert, wollte offenbar eine Biografie über Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850) verfassen.
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Erstlich, weil ich so schrecklich lang fort gewesen bin und dann, weil Onkel Gustav in solchem bedenklichen Zustand ist, daß wir seine nahe Auflösung in den nächsten Tagen entgegen sehen müßen. Ich war gestern bei ihm und fand ihn so entstellt. Er hatte am frühen Morgen eine Nervenlähmung auf der rechten Seite, die ihm das Sehen erschwerte. Er meinte, er sehe alles dreifach. Sein Geist war klar, solange ich da war, obgleich er versicherte, er wüßte garnicht, wo er sei. Aber dann wurde er unklar und sah allerhand um sich. Wilhelmchen, der in der Nacht ankam auf meine telegraphische Anzeige, hat sich auch erschrocken, wie er den Onkel sah. Zu Mittag kam er heute nach Schwerin, und morgen gehen wir zusamen nach Ludwigslust, ich auf unbestimmte Zeit, um in der Nähe vom Onkel zu bleiben. Wilhelm wird wohl am Abend wieder abreisen, wenn nicht das Letzte eingetreten ist. In Berlin soll es ja sehr eigenthümlich sein, so entsetzlich verschiedene Ansichten über die jetzige Politik. Ich freue mich, daß ich nicht dazwischen bin. Wie gehet es nur der armen Mathilde?300 Wie ich mich für sie freue, daß Gustav301 aus Paris gekommen ist. Das wird ihr ein großer Trost sein. Wenn Du sie einmal wieder besuchst, so grüße sie recht herzlich von mir. Die Weihnachten wird ein recht trauriges Fest für sie und die Kinder werden. Wer weiß, ob es uns nicht auch getrübt wird. Den 15ten Ludwigslust. Da bin ich nun hier allein im großen, öden Schloß. Beim Ankommen fuhr ich gleich zum Onkel und fand sein Aussehen eher besser, wenigstens das Starre hatte sich aus dem Gesicht verlohren. Allein, die Kräfte [sind] doch noch mehr gesunken. Er sprach fast garnicht und sehen thut er kaum. Es wird sich noch etwas hinziehen, aber lange nicht. Mir ist aber lieb, doch in seiner Nähe zu sein. Wilhelm302 wird noch einige Tage bleiben. Bruder Wilhelm hat ihm unbestimmten Urlaub gegeben. Von Luise aus dem Haag habe ich einen langen Brief gehabt, die mir auch von ihrer conversation mit dem Bruder schreibt. Sie hat eine Kurage, wie man sie nicht bei ihr sucht. Es macht daher mehr Eindruck. Im Haag muß es aber einzig sein, wo Sophie303 mit glänzendem Hof nach dem Loo ist zur Jagt zu dem König. Und dann erzählt sie allen Leuten, sie reisete auf immer fort, denn sie könnte es nicht mehr aushalten, zeigt einen Coffer, den sie selbst packt.304 Nun, so ganz fremd sind uns solche Karaktere nicht. Nun lebwohl, mit treuer Liebe Deine Adine
300 Mathilde Gräfin von Brandenburg, geb. von Massenbach (1795–1885), verh. mit Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg (1792–1850), der am 6. Nov. überraschend gestorben war. 301 Gustav Graf von Brandenburg (1820–1909), Attaché der preuß. Gesandtschaft in Paris. 302 Herzog Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin (1827–1879). 303 Königin Sophie der Niederlande, geb. Prinzessin von Württemberg (1818–1877), seit 1839 verh. mit Kronprinz Wilhelm, seit 1849 König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890). 304 Het Loo, Jagdschloss der niederl. Könige bei Apeldoorn, war die Sommerresidenz von König Wilhelm III. der Niederlande. Dieser führte ein recht bewegtes Leben, zeugte mehrere uneheliche Kinder, was 1851 zur Trennung von seiner Ehefrau führte.
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Briefe 1824–1850
Schwerin, den 27ten December 1850 Meine liebe Elis, heute fange ich meinen Brief wenigstens hier an, wo ich seit Heilig Abend bin, aber heute wieder nach Ludwigslust zurückkehre bis Dienstag. Die 2 Tage, daß ich fort war, ging es dem armen Onkel ziemlich gut, aber die Nachrichten vom gestrigen Tage und dieser Nacht sind wieder weniger [gut], da er viel Unruhe gehabt, unbesinnlich ist und die Füße sehr mit Waser angeschwollen sind. Ich fürchte, es zieht sich noch in der Länge, und das ist für den Kranken eine rechte Qual. Nun aber zum Weihnachten zurück, wo das Bild von Venedig denn mir eine solche ungeheure Freude machte, daß ich laut aufschrie. Tausend, tausend Dank Dir und Butt, daß ihr mir diese Freude gemacht. Es ist bezaubernd und um garnicht fort zu gehen. Ich kann mich so darin versenken, als wenn ich wirklich dort wäre. Ach, wie viel Erinnerung zaubert mir das Bild hervor. Der Schreibkasten ist aber auch ganz süperbe, mit der Ansicht vom Potsdamer Schloß. Ich habe überhaubt so viel Schönes wieder bekommen. Von Fritz und Auguste wieder viel zu viel, einen schwartzen Kanten Besatz, eine grau gestickte Mantille, Mütze, kleinen Tisch, ein Armband, Blumen und so weiter. Von meinen Wilhelm 4 Figuren Preußische Soldaten, zu hübsch. Eben war ein Bettler bei mir, nehmlich der Kammerherr Le Fort,305 der schon mehrere Mal den Wunsch ausgesprochen, einen Orden zu erhallten, und Fritz hat versprochen, wenn mal Ordensfest wäre, möchte ich erinnern. Er ist unser ältester Kammerherr jetzt und dem Haus sehr attachiert. Dies sind seine Empfehlungen. Es würde mich auch sehr freuen, wenn Bruder Fritz ihm diese Auszeichnung zukommen laßen wollte. Er wohnt in Berlin in der Lenne Straße, wenn ich mich nicht irre. Ich bitte aber wirklich sehr um Verzeihung, daß ich mit so etwas komme! Mein Brief besteht aus Flikwerk, denn ich werde immer unterbrochen. Dabei ist es so trübe, daß man Lampen den ganzen Tag brennen müßte. Wilhelm reiset morgen auch zurück und wird Dir mündlich von hier noch erzählen. Es geht sonst alles gut. Auguste ist wohl, wird aber stark, daß man fürchten muß, sie kömmt ehe nieder, wie wir es erwarten. Am 20ten Februar werden wir daher nach Ludwigslust schon umsiedeln. Nun, meine geliebte Elis, küße ich Dich in Gedanken zum letzten Mal in diesem Jahr 50. Gott möge Dich ferner gnädig bewahren und beschützen, ebenso Fritz, den der Herr erleuchte und klahren Blick verleihen möge in dieser schweren Zeit. Der Herr möge Frieden erhallten und das Preußische Vaterland seegnen und erhallten in seiner ganzen Macht und Kraft. Dies sind meine letzten Worte in diesem verfloßnen Jahr, was manche schwere Tage gehabt und Dich, meine arme Elis, schwer geprüft. Dein Glaube an Ihn hat Dich gehallten und Du hast bestanden vor dem Herrn. Möge unsere Liebe so fest und unerschütterlich bleibe, wie sie nun so manche Jahre bestanden. Das ist ja mein ganzes Glück, daß wir in Freud und Leid nie an uns irre geworden, sondern uns nur inniger an einander angeschloßen haben. So leb wohl, der Herr sei mit Dir. Deine treue Adine 305 August Peter David Baron von Le Fort (1797–1864), meckl.-schw. Kammerherr.
Glossar Accompagnement – Begleitung adoriert – bewundert affectiert – gekünstelt, geziert aggregiert – bei einem Regiment dienend, aber nicht auf dessen Etat stehend agitiert – erregt, unruhig aimable – freundlich, nett à la tête – auf dem Kopf attachiert – angeschlossen, beigegeben Attention – Aufmerksamkeit au jour le jour – in den Tag hinein Avancement – Beförderung, Aufstieg Bivouac – Biwak, Feldlager Calamität – Unglück, Übel Campagne – Unternehmung, Feldzug Coiffure – Frisur, Kopfbedeckung Confidence – Vertrauen Cottillon – Abschluss einer Tanzveranstaltung, Mischung aus Kontretanz und Quadrille Cour – höfische Aufwartung oder Kur Déjeuner – Mittagessen Dérangement – Störung, Verwirrung désoliert – geschädigt, verletzt Dévotion – Verehrung, Frömmigkeit Diner – festliche Hauptmahlzeit distinguiert – vornehm Écharpe – Schal échauffiert – aufgeregt, erhitzt embarrassant – verlegen, peinlich embelliert – verschönert en attendant – bis dahin, so lange enchantiert – bezaubert, entzückt en cortège – im Hofanzug en manteau de cour – im Hofmantel en négligée – nachlässig, ungepflegt en passant – nebenbei en robe de cour – im Hofkleid Entrevue – Zusammentreffen Estafette – Eilbote, Kurier Événement – Ereignis fait accompli – vollendete Tatsache Fatigue – Müdigkeit
550 Glossar Française – Kontretanz mit französischen Tanzfiguren Indignation – Abscheu, Entrüstung lendemain – am Tag darauf Mantille – um Kopf und Schulter getragenes Schleiertuch montieren – ausrüsten Quadrille – Formationsreiten mit einer durch vier teilbaren Anzahl von Teilnehmern Recontre – Treffen Redoute – Ballsaal regrettieren – bedauern, nachtrauern räsonieren – vernünftig reden retirieren – fliehen, sich zurückziehen Séjour – Aufenthalt Soirée – Abendgesellschaft Sort – Auskommen Souper – Abendessen Tableaux (vivants) – durch Personen nachgestellte „lebende“ Bilder Thé dansant – Tanztee Toilette – Sichankleiden, Sichzurechtmachen oder festliche Damenkleidung Tournure – Gewandtheit im Benehmen, Auftreten
Abbildungsnachweis Cover, Vorderseite
Cover, Rückseite links
Cover, Rückseite rechts Abb. 1
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Abb. 11
LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1830– 1841, Bl. 901: Briefkopf vom 8. Nov. 1837 Loeillot des Mars nach Stüler: Königin Elisabeth von Preußen, Lithografie, SPSG, GK II (10) 224/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Daniel Lindner LHAS, 13.1–3 Bildersammlung Dynastien, Gen. XXII, Alexandrine Nr. 3 Dähling, Heinrich Anton: König Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit Familie, 1805, SPSG, GK II (5) 475b/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Unbekannt Unbekannter Künstler: Potsdam, Park Sanssouci, Schloss Charlottenhof, Schreibkabinett der Königin Elisabeth von Preußen, 1846, SPSG, Neuer Zugangskatalog, Nr. 5640/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: SPSG LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 693: Briefkopf vom 31. März 1845 Wach, Wilhelm: König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, 1840– 1845, SPSG, GK I 30022/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: Wolfgang Pfauder LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 682: Briefkopf vom 24. Mai 1845 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 674: Briefkopf vom 20. Aug. 1845 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 614: Briefkopf vom 3. Juli 1846 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1842– 1843, Bl. 824: Briefkopf vom 5. Juli 1843 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 732: Briefkopf vom 2. Aug. 1844 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 729: Briefkopf vom 10. Aug. 1844 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 678: Briefkopf vom 8. Juli 1845
552 Abbildungsnachweis Abb. 12
Abb. 13
Abb. 14
Abb. 15
LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 627: Brief vom 15. April 1846 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 45: Brief vom 23. März 1848 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1844– 1847, Bl. 642: Briefkopf vom 16. Febr. 1846 LHAS, 5.2–4/1–2 Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses/Nachlass Großherzogin Alexandrine, Nr. 73, 1848– 1849, Bl. 372: Briefkopf vom 12. Sept. 1850
Personenregister Abdülkerim Nadir, Pascha 261 Alertz, Clemens August 351, 526 Alvensleben, Albrecht von, Graf 104, 146 Alvensleben, von 318 Aminoff, Adolf, Graf 121 Ancillon, Johann Peter Friedrich 39, 133 Anhalt-Bernburg, Carl Alexander von, Herzog 179 Anhalt-Dessau, Amalie von, Erbprinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg 325, 351 Anhalt-Dessau, Friederike von, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen 39, 43, 53, 103, 178, 180, 196, 211, 213, 221, 224 – 226, 230, 231, 246, 247, 255 – 257, 327, 362, 379, 383, 422, 424, 439, 463, 477, 495 – 501, 518 Anhalt-Dessau, Leopold IV. Friedrich von, Herzog 39, 43, 193, 383, 384, 496, 524 Anhalt, Friedrich I. von, Herzog 383 Anhalt-Köthen, Auguste von, Herzogin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 375 Anhalt-Köthen, Heinrich von, Herzog 375 Anhalt-Köthen, Sophie Julie von, Herzogin, geb. Gräfin von Brandenburg 379 Apraxin, Graf 315 Arnim, Bettina von 543 Arnim-Boitzenburg, Adolf Heinrich von, Graf 65, 502 Arnim-Boitzenburg, Anna Caroline, von, Gräfin, geb. Gräfin von der Schulenburg 65 Arnim-Boitzenburg, Friedrich Ludwig von, Graf 65 Arnim-Boitzenburg, Sophie Amalie von, Gräfin, geb. von Heister 65 Arnim, Elisabeth von, geb. von Prillwitz 305 Arnim, Georg von 302 Arnim, Heinrich Alexander von 400 Arnim, Konstanze Luitgarde Kunigunde von 302 Arnim, Maria Josepha Ernestine Adamine von, geb. Gräfin von Blumenthal 302 Arriens, Peter 462 Asseburg, Bernhardine Friederike von der,
Gräfin, geb. von Blücher, verw. von der Schulenburg 245 Asseburg, Ludwig von der 70 Auersperg, Franziska von, Gräfin, geb. Freiin von Henneberg-Spiegel 474 Auersperg, Gabriele von, Fürstin, geb. von Lobkowitz 479 Auersperg, Joseph Joachim von, Graf 474 Auersperg, von, Graf 144 Auerswald, Hans von 421, 422 Baden, Amalie von, Erbprinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt 62, 64 Baden, Friedrich I. von, Großherzog 469 Baden, Karl von, Prinz 225 Baden, Leopold I. von, Großherzog 64, 469, 494 Baden, Ludwig II. von, Großherzog 300, 471 Baden, Luise von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen 147, 457, 477 Baden, Maximilian von, Markgraf 471 Baden, Sophie Wilhelmine von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Holstein-Gottorp 64, 158, 469 Baden, Stéphanie von, Großherzogin, geb. de Beauharnais 97 Bader, Carl Adam 450 Bantegier, Pauline 541 Barby, Pauline Clementine Ulrike von, geb. von Wulffen 92 Barby, Wilhelm von 418, 419, 421 Barjatinski, Alexander Iwanowitsch, Fürst 292, 305, 307 Barkhausen 48 Bassermann, Friedrich Daniel 434, 437 Bassewitz, Adolf von, Graf 140, 285 Bassewitz, Carl von, Graf 276 Bassewitz, Caroline von, Gräfin, geb. von Bülow 276 Bassewitz, Helene von, Gräfin 302 Bassewitz, Luise von, Gräfin, geb. von Levetzow 140, 302 Bassewitz, Marianne von, Gräfin, geb. von Lützow 115, 116, 167, 172, 227, 299, 308
554 Personenregister Bassewitz, Marie von, Gräfin, geb. von Behr 371 Bassewitz-Schlitz, Adele von, Gräfin, geb. von Labes 93, 225, 227, 310, 344, 371 Bassewitz-Schlitz, Christine Amalie (Lilla) von, geb. von Plessen 454 Bassewitz-Schlitz, Heinrich von, Graf 93, 225, 246, 285, 344 Bassewitz-Schlitz, Rudolf von, Graf 454 Bayern, Auguste Ferdinande von, Prinzessin, geb. Erzherzogin von Österreich 287 Bayern, Karl von, Prinz 72, 308, 370, 468, 523 Bayern, Karoline von, Königin, geb. Prinzessin von Baden 41, 71, 72, 89, 94, 95, 115, 122, 124, 136, 151, 172, 184, 185, 215 Bayern, Ludovika Wilhelmine in, Herzogin, geb. Prinzessin von Bayern 210, 520 Bayern, Ludwig von, Herzog 413 Bayern, Maria Leopoldine von, Kurfürstin, geb. Erzherzogin von Österreich-Este 403 Bayern, Marie von, Königin, geb. Prinzessin von Preußen 209, 210, 212, 217, 219, 227, 234, 282, 287, 289, 295, 297, 301, 309, 325, 334, 335, 383, 390, 395, 437, 518 Bayern, Maximilian II. Joseph von, König 72 – 74, 76, 94, 217, 227, 340, 341, 390 Bayern, Maximilian I. Joseph von, König 40, 44 Bayern, Otto von, Prinz 395 Bayern, Sophie in, Herzogin, geb. Prinzessin von Sachsen 413 Bayern, Therese von, Königin, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen 47, 72, 73, 86, 94, 106, 124, 136, 147, 184 Beauharnais, Alexandra Maximilianowa de, Prinzessin von Leuchtenberg 173, 245 Beauharnais, Auguste de, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Prinzessin von Bayern 475 Beauharnais, Marija de, Herzogin von Leuchtenberg, geb. Großfürstin Marija Nikolajewna von Russland 84, 166, 173, 174, 176, 245, 263, 265, 270, 275, 277, 284, 293, 296, 469, 471, 473, 479, 493, 501 Beauharnais, Maximilian de, Herzog von Leuchtenberg 145, 146, 166, 173, 259,
264, 277 – 280, 284, 374, 469 – 471, 473, 475 – 477, 479, 482, 491 Beethoven, Ludwig van 414 Begas, Carl Joseph 219, 526 Behr, Georg von 365 Behr, Marie von 298 Below, Gustav von 410 Benckendorff, Konstantin von, Graf 132, 292, 383, 401, 403, 437, 480, 491 Benckendorff, Luise von, Gräfin, geb. Prinzessin von Croy 359, 403, 437 Bergh, Christian Carl Maximilian Maria August von, Freiherr 392 Bergh, Sophie von, Freifrau, geb. Gräfin von Neale 170, 539 Berg, Karoline Friederike von, geb. von Haeseler 48 Bernstorff, Albrecht von, Graf 112, 203, 301, 514 Bernstorff, Amerika von, Gräfin, geb. Freiin Riedesel zu Eisenbach 385 Bernstorff, Arthur Friedrich Karl von, Graf 385 Bernstorff, Auguste von, geb. von Dewitz 291, 294 Bernstorff, Frieda von, Gräfin, geb. von Rantzau 112, 113 Bernstorff, Hermann von, Graf 112 Bernstorff, Wilhelm von 231, 291 Berry, Maria Karolina von, Herzogin, geb. Prinzessin von Bourbon-Sizilien 99 Beseler, Georg 502, 504 Besser, Adolf Friedrich von 72, 73 Beyrich, Louise 111 Bielfeld, Georg Friedrich Odo von, Freiherr 194 Biron von Kurland, Fanny, Prinzessin 493 Bismarck-Schönhausen, Otto von, Fürst 453 Bittenfeld, Karl Eberhard Herwarth von 334 Blixen-Finecke, Auguste von, Baronin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim 278 Blochmann, Karl Justus 258 Block, Caroline von 350 Blücher-Finken, Adolf von, Graf 369 Blücher-Finken, Elisabeth von, geb. von Schöning 280, 299, 305, 357, 369, 395, 512, 527, 531 Blum, Robert 433, 435
Personenregister
Bock, Henriette Auguste 149, 280, 292, 293 Boddien, Alfons von 435, 472 Boddien, Johann Caspar von 127, 128, 299 Bodelschwingh, Carl von 453 Bohm 138, 380 Bonaparte, Napoleon III., Kaiser der Franzosen 442 Bonin, Adolf von 41, 61, 65, 70, 80, 97, 98, 143, 287, 349, 366, 414, 446, 449, 473, 503, 524, 546 Bonin, Eduard von 416 Bonin, Elisabeth von, geb. von Oppen 524 Bonin, Gustav von 431 Bonin, Marie Sophie von, geb. von Zieten 143 Bontemps, Anne-Marie (Nancy) de, geb. Salomon 206 Borbón y Borbón-Parma, Carlos María Isidro Benito de, Prinz 369, 488, 492 Borbón y Bragança, Carlos Luis María Fernando de, Prinz, Graf von Montemolín 492 Borbón y Bragança, Ferdinand de, Prinz 492 Borbón y Bragança, Juan (III.) Carlos María Isidro de, Prinz, Graf von Montizón 369 Borbón y Bragança, Maria Amelia de, Prinzessin, geb. Prinzessin von NeapelSizilien 327 Borbón y Bragança, Maria Beatrix de, Prinzessin, geb. Erzherzogin von ÖsterreichEste, Prinzessin von Modena und Reggio 369 Borbón y Bragança, Sebastián Gabriel de, Prinz, Infant von Portugal und Spanien 327, 328 Both, Carl Moritz Christian von 496, 497 Both, Johanna von, geb. von und zu der Tann 363 Bourbon, Franz von, Prinz, Graf von Trapani 313 Bourbon, Janúaria von, Prinzessin beider Sizilien und Gräfin von Aquila, geb. Prinzessin von Brasilien 313 Bourbon, Ludwig (Luigi) von, Prinz beider Sizilien und Graf von Aquila 313, 316 Braganza, Amélie von, Herzogin, geb. Prinzessin von Leuchtenberg 149 Brandenburg, Alexandra Friederike Wilhelmine Marianne von, Gräfin 99
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Brandenburg, Friedrich Wilhelm von, Graf 423, 430, 431, 435 – 437, 441, 447, 450, 461, 471, 502, 512, 520, 537, 539, 540, 542, 546 Brandenburg, Gustav von, Graf 546, 547 Brandenburg, Mathilde von, Gräfin, geb. von Massenbach 74, 82, 97, 99, 221, 233, 354, 439, 441, 447, 449, 461, 471, 512, 515, 520, 522, 526, 537, 539, 546, 547 Brandenstein, Joachim von 216 Brauchitsch, Eduard von 192, 366, 414, 449, 477 Braun, Emil August 254 Braunschweig, Heinrich d. Ä. von, Herzog, Pfalzgraf bei Rhein 56 Braunschweig, Karl II. von, Herzog 55, 63, 64, 66 – 69, 71, 241 Braunschweig, Wilhelm von, Herzog 46, 47, 52, 55, 60, 62 – 64, 66 – 69, 78, 87, 90, 91, 96, 98, 106, 112, 124, 138, 144, 149, 151, 183, 202, 225, 228, 230, 231, 247, 254, 257, 359, 365, 390, 392, 406, 407, 436, 438, 444, 449, 464, 467, 503 Bresson, Charles-Joseph 102, 111, 131 Bresson, Louise-Charlotte, geb. Comtesse de Pechpeyrou-Comminges de Guitaut 111 Brühl, Friedrich von, Graf 408, 448 Brühl, Sophia von, Gräfin, geb. Gomm 82 Buch, Adolph Friedrich von 124 Buch, Helmuth Ludwig Theodor von 60 Buch, Ludwig August von, Baron 254 Bulgakow, Maria 409 Bull, Ole 142 Bülow-Dennewitz, Luise von 77 Bülow, Hans von, Graf 505, 507, 508, 511 Bülow, Heinrich von 113 Bülow, Jasper von 93, 204, 205, 276, 438 Bülow, Vollrath Joachim von 113, 142 Bülow, von 80 Bülow-Wendhausen, Friedrich von, Freiherr 188 Bülow-Wendhausen, Hermann von, Freiherr 188 Bunsen, Christian Karl Josias von 518 Burchardt, Marie 237 Busche-Münch, Karl Friedrich von dem 476 Camphausen, Ludolf 403, 406 Canitz und Dallwitz, Adolf von, Freiherr 417
556 Personenregister Canitz und Dallwitz, Karl Friedrich Ernst von, Freiherr 331 – 333, 335 Canitz und Dallwitz, Karl von, Freiherr 335, 383 Canitz und Dallwitz, Luise von, Freifrau, geb. Gräfin von der Recke, verw. Gräfin von Schlippenbach 417 Casper, Johann Ludwig 352 Ceritto, Fanny 350 Clauce, Fräulein 358, 431, 441 Clausewitz, Friedrich von 416 Clausewitz, Marie Sophie von, geb. Gräfin von Brühl 82, 114, 115 Conring, Justus von 146 Constant Rebecque, Louise Isabelle de 78 Corrêa de Sá, Monsieur Chevalier 486 Costenobel, Ernst 378 Crivelli 513 Croy, Leopold von, Prinz 345, 476 Croy, Philipp von, Prinz 345, 373, 430 Crull, Friedrich 306 Curschmann, Rose 169 Cuzent, Antoinette 254 Cuzent, Armantine 254 Cuzent, Paul 254 Czartoryski, Wanda, Fürstin, geb. Prinzessin Radziwill 123, 124, 132, 297, 299, 301, 302, 307 Dachröden, Cäsar Carl Ludwig von 342 Danckelmann, Ernst von, Freiherr 526 Dänemark, Caroline von, Kronprinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 142 – 144, 163, 167, 170, 175, 176, 179, 181, 191, 208, 209, 236, 278, 279, 298, 311, 339 – 342, 367, 373, 415, 453, 537 Dänemark, Christian VIII. von, König 163, 286, 380 Dänemark, Friedrich Ferdinand von, Prinz 90 Dänemark, Friedrich VII. von, König 161 – 163, 170, 172, 175, 176, 179, 181, 204, 278, 279, 284, 286, 289, 298, 339 Dänemark, Friedrich VI. von, König 90 d‘Artois, Henri, Herzog von Bordeaux, Graf von Chambord 248, 313, 513 d‘Artois, Louis Antoine, Herzog von Angoulême 58 d‘Artois, Marie Thérèse Charlotte, Herzogin
von Angoulême, geb. Prinzessin von Frankreich 58 Davoud-Oghlou, Garabet Artin 486 Deetz, Albert August Wilhelm 421 Deroy, Maria Theresia von, geb. von Scherer 106 Dewitz, Auguste von 372 Dewitz, Hedwig von, geb. von Maltzahn, gesch. von Herzeele 291 Dewitz, Ulrich Otto von 291 Dieffenbach, Johann Friedrich 374 Ditfurth, Wilhelm von 382 Dönhoff, Amalie von, Gräfin 306, 396, 462 Dönhoff, August Heinrich Hermann von 289 Dönhoff, Emilie von, geb. von Brockhausen 77 Dönhoff, Eugen von 75, 93 Dönhoff, Pauline von, geb. von Lehndorff 289 Dörnberg, Wilhelm von 47 d’Oultremont de Wégimont, Henriëtte, Gräfin 57, 170, 407 Ehrenberg, Friedrich 423, 426 Eichhorn, Friedrich 452 Eichmann, Franz August 413, 431 Elderhorst, Hartwig von 195 Elßler, Fanny 76, 77 Elßler, Therese 76, 77, 223 Engelmann 55 Esterházy de Galántha, Maria Theresia, Fürstin, geb. Prinzessin von Thurn und Taxis 147, 239, 242, 513 Estorff, von, Baronesse 458, 460, 522 Evers, Kathinka 281 Félix, Elizabeth Rachel 518, 519, 526 Fersen, von 90 Fessel, Dr. 253, 260 Fethi Achmed, Pascha 261 Finck von Finckenstein, Karl, Graf 182, 189, 258, 294, 295, 454, 455 Finck von Finckenstein, Wilhelm 368, 372, 396, 397, 417 Firlemon 61 Forcella, Enrico Carlo, Marquis 319 Frankreich, Karl X. von, König 58 Frankreich, Ludwig XVI. von, König 58
Personenregister
Franzosen, Louis Philippe, König der 131, 206 Frederiks, Cäcilie (Cécile) von, Baronin, geb. Gräfin Gurowska 276, 287, 289, 298, 299, 304, 305, 307, 451, 453, 544 Fürstenberg, Karl Egon III. zu, Fürst 217 Gagarin, Alexander Iwanowitsch, Fürst 292 Gagern, Heinrich von 439 Gallenfeld, Anna Wilhelmine Hedwig (Galle) von, geb. von Moltke 286 Gallenfeld, Margarethe Caroline Susette Henriette (Galle) von 262, 286, 299, 309, 350, 357, 521 Gamet, Julius Theodor 166 Gans zu Putlitz 77 Garnier, Louise 167 Gentiluomo-Spazzer, Louise 289 Gerlach, Leopold von 55, 448, 449, 515 Goltz, August von der, Graf 82 Goltz, Juliane von der, geb. von Schack 77, 94 Goltz, Julie von der 43, 165 Goltz, Karl Friedrich von der, Graf 400 Goltz, Leopoldine von der 61 Goltz, von der, Graf 316 Görgey, Artúr 491 Grabow, Wilhelm 427 Gregor XVI., Papst 254, 331 Griechenland, Otto I. von, König, Prinz von Bayern 73, 120, 124, 526 Grimm, Antonie Helene Rosalie, geb. Gamet 173 Grimm, Heinrich Gottfried 177, 192, 319, 323, 325, 330, 349 – 354, 358, 424 Grisi, Carlotta 447, 448, 450 Gröben, Georg von der 478 Gröben, Karl von der 435, 476, 478 Großbritannien und Irland, Adelaide von, Königin, geb. Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen 100, 104, 268, 348 Großbritannien und Irland, Adolph Friedrich von, Prinz, Herzog von Cambridge 55, 106, 309, 310 Großbritannien und Irland, Auguste von, Prinzessin, Herzogin von Cambridge, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim 90, 91, 97, 311
557
Großbritannien und Irland, George von, Prinz, Herzog von Cambridge 300 Großbritannien und Irland, Viktoria von, Königin 194, 300, 305 Großbritannien und Irland, Wilhelm IV., König 68 Grünewald, Otto Magnus von 302 Guiseppe, Madame 261 Gyulay, Ferenc (Franz) József, Graf von MarosNémeth und Nádaska 198 Hacke, Adelaide von, Gräfin 427 Hacke, Antoinette von, Gräfin 63 Hacke, Editha von 387 Hagen, Eveline vom, geb. von Hardenberg 239 Hagn, Charlotte von 148 Hahn, Agnes von, Gräfin, geb. von Schlippenbach 73, 92, 241, 285, 372 Hahn, Anna von, Gräfin 372, 492 Hähnel, Amalie 176 Hahn, Friedrich von, Graf 93, 278, 492 Hamilton, Marie Amalie von, Herzogin, geb. Prinzessin von Baden 202, 217 Hamilton, William Douglas, 11. Herzog von 217 Hammerstein, Adolf von, Freiherr 343 Hammerstein, Johanna Nepomucena Josepha von, Freifrau, geb. Freiin von Banhidy 343 Hänlein, Johann Christoph Ferdinand Ludwig (Louis) von 172, 243, 251, 458, 460 Hänlein, Luise von, geb. Schuster 172, 251 Hanneken, Kunigunde von, geb. von Fritsch zu Horchheim 88 Hannover, Ernst August I. von, König, Herzog von Cumberland 63, 138, 151, 180, 188, 196, 221 – 223, 225, 232, 236, 255, 301, 355, 384, 519 Hannover, Friederike von, Königin, Herzogin von Cumberland, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 48, 63, 111, 119, 120, 177 – 179, 213 Hannover, Georg V. von, König 180, 221, 222, 255, 519 Hannover, Marie von, Königin, geb. Prinzessin von Sachsen-Altenburg 210, 222, 223, 519 Hardenberg, Carl Ludwig August von, Graf 198 Haynau, Julius Jacob von, Freiherr 532
558 Personenregister Hedemann, Adolph Otto Wilhelm von 339 Heintz, Friedrich Leopold von 195 Heister, Elisabeth Henriette Wilhelmine Sophie von 76 Hellwig, Dora von 348 Hessen-Darmstadt, Alexander von, Prinz 292, 305, 307, 531 Hessen-Darmstadt, Christian von, Herzog 64 Hessen-Darmstadt, Elisabeth von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Preußen 78, 81, 90, 111, 113, 117, 437, 441, 455, 456, 477 Hessen-Darmstadt, Emil von, Prinz 300 Hessen-Darmstadt, Karl von, Prinz 111, 113, 117, 441 Hessen-Darmstadt, Ludwig III. von, Großherzog 264, 477 Hessen-Darmstadt, Ludwig II. von, Großherzog 403 Hessen-Darmstadt, Ludwig I. von, Großherzog 64 Hessen-Darmstadt, Mathilde Karoline von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Bayern 94 Hessen-Darmstadt, Wilhelmine von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Baden 115 Hessen-Homburg, Elisabeth von, Landgräfin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland 51 Hessen-Homburg, Friedrich Ludwig Heinrich Gustav von, Erbprinz 378, 379 Hessen-Homburg, Ludwig von, Landgraf 46, 97, 148 Hessen-Homburg, Philipp von, Landgraf 351 Hessen-Kassel, Auguste von, Kurfürstin, geb. Prinzessin von Preußen 64, 81, 120, 147, 148, 164, 166, 168 Hessen-Kassel, Friedrich Wilhelm I. von, Kurfürst 168, 452, 531, 533, 535, 544 Hessen-Kassel, Karoline von, Prinzessin 168, 169, 185, 187, 215, 216, 218, 232, 375, 481 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Alexandra von, Prinzessin, geb. Großfürstin Alexandra Nikolajewna von Russland 42, 84, 103, 189, 259, 263 – 272, 276, 278, 281, 287, 307 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Anna von,
Landgräfin, geb. Prinzessin von Preußen 457 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Friedrich Wilhelm von, Landgraf 266, 268 – 272, 278, 281, 286, 305, 307, 541 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Louise Charlotte von, Landgräfin, geb. Prinzessin von Dänemark 90 Hessen-Kassel-Rumpenheim, Wilhelm von, Prinz 270 Hessen-Kassel, Wilhelm II. von, Kurfürst 66, 81, 374 Hessen-Philippsthal-Barchfeld, Luise von, Landgräfin, geb. Prinzessin von Preußen 344, 346, 348 – 353, 355, 361, 364, 370, 425, 428, 462, 467, 518, 525, 529, 533 Hessenstein, Angelika von, Gräfin, geb. Gräfin von der Osten-Sacken 125, 129, 218, 248, 285, 399, 401 Hessenstein, Auguste von, Gräfin 248 Hessenstein, Wilhelm von, Graf 118, 197, 218, 248, 499, 511 Heym, Albert 420, 424 Heynitz, Elisabeth von, geb. von Grünewald 302 Hiller von Gaertringen, Wilhelm 471, 473, 476, 480 Hirschfeld, Alexander von 398 Hirschfeld, Caroline von, geb. von Bülow 113, 142 Hirschfeld, Ludwig (Louis) von 142 Hirschfeld, Moritz von 395, 413 Hirschfeld, von 540 Hohenthal, Emilie von, geb. von Gneisenau 104 Hohenzollern-Hechingen, Pauline von, geb. Prinzessin Biron von Kurland 286 Hopffgarten, Carl Anton Ulrich Ernst von 163, 208, 287, 288, 315, 322, 405 Hossauer, Johann George 202 Hülsen, Botho von 465 Humbert, George 110 Humbert, Jean George 110 Illaire, Ernst Emil 463 Ingenheim, Eugenie von, Gräfin, geb. de Thierry 99, 244 Inn- und Knyphausen, Carl Wilhelm Georg zu, Graf 428
Personenregister
Jacoby, Johann 430 Jasmund, Bertha von, geb. von Schreeb 121, 167, 200, 262, 357, 371, 405, 438, 477, 503, 505 Jasmund, Karoline von 65 Jasmund, Viktor von 503, 505 Jasmund, von 398 Jordan, Johann Ludwig von 155 Jüngken, Johann Christian 516, 519, 523, 525 Kaiserfeld, Maximilian von 199 Kalb, Edda von 143, 305, 370 Kalckreuth, Richard von, Graf 93 Kamecke, Leopoldine von 42, 68, 76, 77, 83, 91, 101, 120, 125, 136, 169, 186, 191, 192, 207, 212, 215, 249, 250, 252, 258, 277, 280, 281, 300, 302, 309, 356 – 359, 382, 500 Kamecke, Sophie von, geb. von Massow 500 Kamptz, Karl Albert von 131 Kardorff, Friedrich Carl Ludwig von 544 Keller, Alexander von, Graf 317, 318, 389, 405, 467, 478 Keller, Jenny von, Gräfin, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode 225 Ketteler, August Joseph von 120, 428 Ketteler, Cäcilie Wilhelmine Karoline von, geb. von Luck 414, 428 Kienast 156, 157 Kinsky von Wchinitz und Tettau, Wilhelmine Elisabeth, geb. von Colloredo-Mannsfeld 125 Kirchfeldt, August 471 Kleist, Ferdinand von 387, 388 Kleist-Retzow, Hans Hugo von 518 Kleist vom Loss, Wilhelm Bogislaw von, Graf 387, 388 Kliefoth, Theodor 194, 402 Klockmann 49 Klose (Kloß), Friedrich Wilhelm 214, 215 Knebel-Doeberitz, von 414 Kolowrat-Krakowsky, Leopold von, Graf 517, 532 Königsmarck, Adolf Wilhelm Hans von, Graf 179, 181 Königsmarck, Hans von, Graf 415 Königsmarck, von 316 Köster-Schlegel, Luise 234
559
Krüger, Franz 159 Lancken, von der 93 Langen, Ludwig Philipp Otto von, Freiherr 495 Langermann, Daniel Gottfried Georg 92 Le Coq, Gustav von 261 Le Fort, August David Peter von, Baron 371, 548 Lejars, Jean 254 Lejars, Pauline, geb. Cuzent 254 Lenné, Peter Joseph 140, 151, 361 Lerchenfeld, Isabella Philippine von, Gräfin, geb. Gräfin Waldbott von Bassenheim 437 L’Estoque, Luise von 61 Levetzow, Carl Friedrich von 186 Levetzow, Dorothea von 172, 186, 187 Levetzow, Joachim Otto Ulrich von 186, 225 Levetzow, Theodor Diederich von 190, 191, 195 Lichnowsky, Felix von, Fürst 421, 422 Lichnowsky, von, Fürsten 57 Liebeherr, Maximilian von 506 Liebermann, August von 318, 332, 335 Liegnitz, Auguste von, Fürstin, geb. von Harrach 39, 76, 81, 102, 119, 134, 149, 155, 156, 165, 179, 181 – 183, 204, 218, 281, 325, 370, 394, 410, 415, 443, 466, 518 Lindheim, Karl Friedrich David von 61, 98, 155, 157, 176 Lindheim, Luise Alexandrine Dorothea von, geb. von Borstell 110 Lind, Jenny 285, 290, 291, 294, 296 – 298, 311 Lippe, Friedrich zur, Prinz 307 Lippe, Hermann zur, Prinz 307 Lippe, Karl Alexander zur, Prinz 307 Lippe, Leopold III. zur, Fürst 255, 307, 344, 362, 374, 425, 427 Lippe, Leopold II. zur, Fürst 89 Liszt, Franz 223, 294 Lobanov-Rostov, Aleksej Jakowlewitsch, Fürst 194, 269, 408 Löbell, Johann Wilhelm 236 Lobkowitz, Maximilian von, Prinz 482 Löwe, Sophie 294 Lowtzow, Ludwig Wilhelm von 58 Lowtzow, von 93
560 Personenregister Luck, Hans von 404, 414 Luckner, von, Gräfin 49 Lühe, Marie Charlotte Johanna Adolphine Ida von der, geb. von Oertzen 77 Lützow, Carl von 195 Lützow, Ludwig von 164, 191, 235, 237, 256, 262, 277, 386, 389, 454, 483, 506 Lützow, Rudolf Friedrich August von 111 Lützow, Sophie von, geb. von Brandenstein 262 Luxburg, Friedrich von, Graf 69 Magnus, Eduard 420 Mahrenholz, von, Freiherr 91 Maltzahn, Antoinette von, Gräfin 259 Maltzahn, Auguste von, geb. von Lützow 165 Maltzahn, Axel von 165 Maltzahn, Cecilie von, geb. von Maltzahn, Gräfin von Plessen 402, 463 Maltzahn, Cecilie von, Gräfin von Plessen, geb. von Rauch 199, 302, 345, 367 Maltzahn, Charlotte von, Gräfin 259 Maltzahn, Friedrich von 347, 367 Maltzahn, Gustav Helmuth Theodor Dietrich von, Graf von Plessen 93, 347, 367, 463 Maltzahn, Gustav von 402, 463 Maltzahn, Karl Hans Friedrich von 367, 368, 372 Maltzahn, von 48, 100 Mandt, Martin Wilhelm von 264 – 267, 272, 287, 288, 298, 307, 314, 317, 321, 323 – 325, 361, 477, 516, 525, 531 Manndorff, Adolf von, Freiherr 313, 322, 329 Manndorff, Anton von, Freiherr 313, 322, 329 Manteuffel, Edwin von 221, 389, 435, 545 Manteuffel, Hertha von, geb. von Witzleben 222 Manteuffel, Otto Theodor von 505, 543, 545 Mantius, Eduard 136 Markus, Carl Franz Michael Anton 267, 268, 531 Marschall, von, Freiherr 130, 132 Marwitz, Bertha von der 146, 517, 529, 531 Massow, Auguste von, geb. Freiin von Canitz und Dallwitz 467 Massow, Laura Caroline von, geb. Gräfin von Wartensleben 481
Massow, Ludwig von 46, 370, 389, 415, 443, 467 Mecklenburg-Schwerin, Albrecht zu, Herzog 42, 76, 80, 88, 101 Mecklenburg-Schwerin, Alexandrine zu, Herzogin, geb. Prinzessin von Preußen 190, 443, 446, 449, 457, 467, 481, 487, 517, 525, 526 Mecklenburg-Schwerin, Auguste von, Erbgroßherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg 40, 42, 43, 46, 51, 88, 106, 113, 114, 119, 120, 124, 127 – 131, 133, 135, 137, 147, 148, 153, 160, 165, 194, 216, 242, 251, 262, 263, 282, 299, 303, 351, 379, 386, 394, 490, 493, 509 Mecklenburg-Schwerin, Auguste von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Reuß-Köstritz 484, 485, 488, 490, 492 – 497, 500, 503, 506 – 511, 521, 523, 528, 530, 532, 534, 536, 542 – 544, 546, 548 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz II. von, Großherzog 49, 70, 98, 135 – 138, 140, 143, 144, 147, 149 – 151, 153, 161, 170, 183, 186, 191, 193, 194, 201, 203 – 208, 212, 215, 218, 219, 221, 223, 225, 226, 228, 231 – 233, 235, 238, 243 – 255, 257 – 261, 263, 265, 267, 269, 274 – 279, 281, 282, 290, 291, 296, 299, 308 – 310, 312, 325, 333, 338, 344 – 347, 352, 354, 357, 363, 370 – 374, 379, 381, 382, 384, 386, 394, 396, 405, 406, 409, 411, 416, 419, 422, 430, 431, 442, 448, 460, 461, 463, 464, 482 – 492, 494, 495, 497, 499, 500, 504 – 507, 509, 511, 521, 523, 528, 544, 545, 548 Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I. von, Großherzog 40, 42, 43, 47, 60, 76, 77, 83, 84, 86 – 88, 96, 99, 100, 102, 107, 117 – 128, 138, 248 Mecklenburg-Schwerin, Gustav zu, Herzog 64, 67, 95, 101, 114, 128, 144, 171, 179, 181, 194 – 198, 202, 204 – 206, 214, 236, 282, 291, 303, 354, 357, 365, 376, 386, 390, 411, 412, 451, 500, 501, 543, 545, 547, 548 Mecklenburg-Schwerin, Helena von, Erbprinzessin, geb. Großfürstin Helena Pawlowna von Russland 483
Personenregister
Mecklenburg-Schwerin, Paul Friedrich von, Großherzog 39, 52, 54 – 56, 61, 62, 64, 68, 69, 83, 89, 96, 107, 112, 117, 121, 122, 124, 126 – 128, 130 – 132, 135 – 140, 143 – 145, 149, 151, 152, 159, 161, 166 – 168, 172, 180, 183 – 185, 187, 190 – 199, 201, 207, 212, 214, 215, 219, 221, 223 – 227, 229, 233, 235, 241, 242, 274, 287, 310, 360, 454, 483 Mecklenburg-Schwerin, Wilhelm zu, Herzog 60, 71, 141, 168, 182, 184, 194, 196 – 198, 202 – 204, 206, 210, 216, 218, 219, 221, 222, 229, 230, 239, 248 – 250, 252, 258, 262, 263, 274, 281, 282, 285, 291, 292, 295, 296, 299, 301, 310, 328, 329, 333, 335, 338, 347, 348, 357 – 359, 364, 368, 371 – 373, 376, 378, 379, 386, 390, 391, 393 – 397, 399, 400, 404, 405, 407 – 409, 414 – 417, 419 – 421, 424 – 427, 430, 431, 433, 435, 437, 440 – 443, 446, 447, 450, 453 – 456, 460, 464 – 468, 472, 475 – 478, 480, 484, 487, 489, 491 – 497, 499 – 501, 503, 506, 507, 514, 515, 520, 522, 526, 528, 530, 532, 535, 545, 547, 548 Mecklenburg-Strelitz, Adolf Friedrich V. von, Großherzog 407, 411, 453 Mecklenburg-Strelitz, Augusta von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Großbritannien und Irland, Herzogin von Cambridge 248, 250, 256, 279, 280, 298, 411, 453 Mecklenburg-Strelitz, Friedrich Wilhelm II. von, Großherzog 182, 205, 248, 250, 279, 280, 340, 347, 359, 373, 380, 401, 407, 412, 415, 452, 453, 538 Mecklenburg-Strelitz, Georg von, Großherzog 106, 110, 130, 131, 134, 135, 141, 142, 145, 163, 164, 166, 167, 175, 181, 189, 205, 208, 223, 233, 235, 243, 256, 291, 294, 297, 298, 342, 343, 366, 367, 380, 383, 411, 421, 427, 448, 450, 493, 512 Mecklenburg-Strelitz, Georg zu, Herzog 278, 279, 343, 372, 373, 411, 415, 442, 446, 448, 449, 459, 485, 486, 488, 491, 492, 513 – 515, 519, 523, 538 Mecklenburg-Strelitz, Karl zu, Herzog 73, 76, 116, 129, 134, 135, 141, 143 Mecklenburg-Strelitz, Katharina zu, Herzogin, geb. Großfürstin Katharina Michailowna
561
von Russland 239, 249, 300, 338, 347, 363, 487, 488, 491, 523, 538 Mecklenburg-Strelitz, Luise zu, Herzogin 110, 167, 176, 181, 189, 208, 223, 236 Mecklenburg-Strelitz, Marie von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-KasselRumpenheim 110, 122, 140 – 143, 145, 148, 163, 164, 166 – 168, 175, 176, 189, 191, 209, 223, 229 – 233, 236, 243, 278, 280, 291, 298, 339, 341, 342, 348, 349, 364, 367, 373, 448, 450, 452, 453, 493, 515, 535, 537 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 374 Mengersen, Charlotte von, Gräfin, geb. Gräfin zu Münster-Ledenburg, Freiin von Grothaus 302 Mengersen, Joseph Bruno von, Graf 302 Mengersen, Karl Hubert Bruno von, Graf 460 Menu von Minutoli, Julius, Freiherr 98 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von, Fürst 130, 383 Mexiko, Maximilian I. von, Kaiser, Erzherzog von Österreich 426 Meyendorff, Peter von 205, 311, 315, 316, 326, 337, 374, 375, 401, 417, 428, 437, 481, 494, 540, 542, 545, 546 Meyendorff, Sophie von, geb. Gräfin von Buol-Schauenstein 205, 319, 326, 374, 377, 401, 417, 428, 437, 494, 538 Meyer, Friedrich Johann 506 Meyerinck, Ludwig von 431 Meyerinck, Richard von 167, 285 Mierosławski, Ludwik 477 Milder-Hauptmann, Anna 60 Minckwitz, Louise von, geb. von Minckwitz 518 Molière, August Ludwig Bernhard von 254 Möllendorff, Friedrich von 538 Möllendorff, Johann Carl von 334, 385 Möser, Carl 142 Müller, Carl Christian 155 Müller, von 93 Münster-Meinhövel, Hugo Eberhard zu, Graf 417, 419, 420, 519, 524, 533, 541 Münster-Meinhövel, Julie zu, Gräfin, geb. von der Marwitz 533 Nagykároly, Ferdinandine Karolina Luise de, geb. von Kaunitz-Rietberg 138
562 Personenregister Nagykároly, Ludwig Károly de 138 Nassau, Adolph I. von, Herzog 206, 225, 230, 243, 302, 492 Nassau, Elisabeth von, Herzogin, geb. Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland 249, 256, 293, 300 Nassau, Henriette von, Gräfin, geb. Gräfin d‘Oultremont de Wégimont 168, 254, 259 Nassau, Moritz von, Prinz 241, 243 Nassau, Nikolaus Wilhelm von, Prinz 492 Nassau, Pauline von, Herzogin, geb. Prinzessin von Württemberg 492 Nassau, Wilhelm I. von, Herzog 75, 241 Neale, Pauline von, Gräfin 170 Neapel-Sizilien, Ferdinand II. von, König 313, 316, 319, 327 – 330, 336 Neapel-Sizilien, Gaetano Maria von, Prinz, Graf von Girgenti 320 Neapel-Sizilien, Leopold von, Prinz, Graf von Syrakus 328 Neapel-Sizilien, Maria Carolina von, Prinzessin 327 Neapel-Sizilien, Maria Isabella von, Königin, geb. Prinzessin von Spanien 327, 330 Neapel-Sizilien, Maria Theresia von, Königin, geb. Erzherzogin von Österreich 320, 327, 330 Nemours, Louis von, Herzog 117, 143 Nesselrode, Karl Robert von 538, 540, 542 Neumann, August Wilhelm von 176, 179, 538 Niederlande, Alexander, Prinz der 380, 386 Niederlande, Anna, Königin der, geb. Großfürstin Anna Pawlowna von Russland 57, 144, 188 Niederlande, Friedrich, Prinz der 41, 43, 66, 89, 90, 94, 100, 101, 135, 149, 157, 184, 186, 197 – 200, 247, 250, 262, 321 – 323, 326, 340, 341, 352, 355, 415, 511, 516, 517, 537 Niederlande, Luise, Prinzessin der, geb. Prinzessin von Preußen 42 – 44, 47, 48, 50, 54 – 58, 61, 62, 65 – 67, 69, 74, 78, 80, 83 – 86, 89 – 92, 94, 96, 98, 100 – 102, 104 – 108, 112, 113, 115, 120, 131 – 133, 135, 137, 143, 145, 147, 148, 152, 156 – 158, 165, 167, 170, 178 – 180, 183, 184, 186, 188, 193, 197 – 200, 202, 203, 208, 210, 212, 217, 220, 221, 234, 236,
238, 240, 244, 246 – 251, 260, 262, 264 – 266, 268, 282, 284, 296, 298 – 302, 305, 307 – 309, 312, 321 – 323, 326, 339 – 343, 347, 348, 352, 355, 360, 361, 363 – 365, 372, 375, 379, 386, 393, 396, 397, 435, 450, 459, 460, 462, 481, 493 – 496, 499, 501, 508, 510, 511, 516, 531, 535, 537, 542, 544, 545, 547 Niederlande, Sophie, Prinzessin der, geb. Prinzessin von Württemberg 178, 547 Niederlande, Wilhelm III., König der 95, 462 Niederlande, Wilhelm II., König der 68, 95, 102, 104, 112, 113, 174, 360, 459, 460, 495 Niederlande, Wilhelm I., König der 102, 108, 135, 147, 153, 161, 164, 167, 170, 186, 196, 197, 199, 215, 217, 220, 228, 247, 251 Niederlande, Wilhelmine, Königin der, geb. Prinzessin von Preußen 56, 78, 135, 136 Niederlande, Wilhelm, Prinz der 90, 100, 108 Nostitz, Luise von, geb. Gräfin von Hatzfeldt 65 Nostitz-Rieneck, Caroline von, Gräfin, geb. Gräfin Clam-Gallas 239 Notz, von, Major 257 Oertzen, August von 132 Oertzen, Friedrich Albert von 290 Oertzen, Karoline (Lilla) von, geb. von Lützow 454 Oertzen, Luise von, geb. von Plessen 290 Oertzen, Rudolf von 454 Oertzen, von 134 Oldenburg, August I. von, Großherzog 89, 121 Oldenburg, Cäcilie von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Schweden 89, 91, 120 Oldenburg, Peter von, Herzog 117, 119, 120, 244, 328 Oldenburg, Therese von, Herzogin, geb. Prinzessin von Nassau 120, 244, 328 Oppeln-Bronikowski, Carl Ludwig von 218 Oriola, Eduard von, Graf 389 Oriola, Joaquim von, Graf 188 Orléans, Ferdinand Philippe von, Herzog 117, 131, 207, 208 Orléans, Helene von, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 42, 73, 76, 82,
Personenregister
88, 106, 113, 114, 117, 120, 124, 127 – 131, 133, 138, 140, 143, 147, 148, 203, 204, 206, 207, 210, 216, 217, 357, 381, 382, 386, 394 – 396, 411, 414, 475, 478, 493, 508 Orléans, Louis Philippe von, Graf von Paris 382 Orlow, Alexei Fjodorowitsch, Fürst 108, 109, 255 Orlowa, Olga Alexandrowna, Fürstin, geb. Scherebzowa 62, 108, 112 Osmanisches Reich, Abdülmecid I. des, Sultan 261 Österreich, Elisabeth von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Savoyen-Carignan 337 Österreich-Este, Elisabeth von, Erzherzogin, geb. Erzherzogin von Österreich 496 Österreich-Este, Ferdinand Karl von, Erzherzog 440, 496 Österreich, Ferdinand I. von, Kaiser 109, 343, 391, 398, 412, 415, 429, 439, 442 Österreich, Franz II. von, Kaiser 105 Österreich, Franz Joseph I. von, Kaiser 401, 426, 439 – 441, 466, 469, 491, 493, 514, 520, 530, 532, 534, 535, 540 – 544 Österreich, Franz Karl Joseph von, Erzherzog 109, 391 Österreich, Friedrich von, Erzherzog 336 – 338, 513 Österreich, Hildegard Luise von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Bayern 287 Österreich, Johann von, Erzherzog 109, 336, 404, 407, 413 Österreich, Joseph von, Erzherzog 356 Österreich, Karl Ferdinand von, Erzherzog 516 Österreich, Karl Ludwig von, Erzherzog 413, 426 Österreich, Karoline Auguste von, Kaiserin, geb. Prinzessin von Bayern 105, 143 Österreich, Leopold von, Erzherzog 337 Österreich, Ludwig Viktor von, Erzherzog 426 Österreich, Margarete von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Sachsen 413 Österreich, Maria Anna von, Kaiserin, geb. Prinzessin von Savoyen 109, 441 Österreich, Maria Elisabeth, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Savoyen-Carignan 336
563
Österreich, Marie-Louise von, Erzherzogin 343 Österreich, Rainer von, Erzherzog, Vizekönig von Lombardo-Venezien 310, 336, 337 Österreich, Sophie Friederike von, Erzherzogin, geb. Prinzessin von Bayern 39, 62, 89, 92, 97, 99, 105, 108, 109, 143, 161, 238, 241, 343, 371, 372, 386, 401, 403, 426, 439 – 442, 448, 465, 514, 517, 520, 535, 543, 544, 546 Österreich, Stephan von, Erzherzog 243, 255, 256, 304, 356, 363, 375 Österreich-Teschen, Albrecht von, Erzherzog 150, 241, 534, 535 Österreich-Teschen, Karl von, Erzherzog 109, 206, 363 Otterloo, Willem Frederik van 533 Ozerowa, Rosalie von, geb. von Schlippenbach 469 Ozerow, Iwan Petrowitsch 469 Paganini, Niccolò 142 Parma, Karl III. von, Herzog 488 Partanna, Agata von, Fürstin, geb. Gravina e Gravina, Prinzessin von Palagonia 320, 379 Perponcher-Sedlnitzky, Adelaide von, Gräfin, geb. Gräfin van Reede 133, 150, 427 Perponcher-Sedlnitzky, Hendrik George von, Graf 304 Petery, Anton Ludwig von 39 Peucker, Clara von, geb. von der SchulenburgOttleben 134 Peucker, Eduard von 406, 407, 478, 482 Pfuel, Artur Heinrich Julian von 286 Pfuel, Ernst von 408, 420, 422, 429, 431, 536 Pius IX., Papst 360, 439 Plehn 419 Plessen, Amelie von, Gräfin, geb. Gräfin von Schwerin 55 Plessen, August von 398 Plessen, Friedrich von 255, 256 Plessen, Leopold von 131, 290 Plessen, Sophie von, geb. Freiin von Campenhausen 69 Pless, Hans Heinrich X. von, Fürst, Graf von Hochberg 323 Pocci, Franz von 74 Portugal, Michael I. von, König 332
564 Personenregister Praschma, Wilhelmine von, Gräfin, geb. von Wurmbrand 121 Pressentin, Dietrich Karl Friedrich von 362 Pressentin, Karoline von, geb. von Dorne 362 Preußen, Adalbert von, Prinz 97, 98, 218, 234, 388, 392, 401, 418, 420, 427, 433, 435, 526 Preußen, Albrecht von, Prinz 42, 54, 60, 66, 78, 85, 88, 101, 111, 153, 157, 159, 161, 164, 167, 193, 199, 211 – 213, 215 – 218, 220 – 222, 228, 233, 242, 244, 249, 250, 254, 255, 258 – 262, 276 – 278, 281, 282, 284, 308, 310, 313 – 317, 322, 326, 357, 364, 368, 388, 392, 396, 408 – 410, 424, 443, 446, 449, 457 – 459, 467, 481, 487, 490, 498, 507, 516, 521 – 523, 525, 538 Preußen, Alexander von, Prinz 316 Preußen, Anna Maria von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 518, 523, 524, 526 Preußen, Augusta von, Königin und Kaiserin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 52, 54, 55, 59 – 63, 66, 73, 74, 76, 77, 82, 84, 86, 87, 90, 92, 94, 96, 99 – 102, 107, 108, 110, 111, 114 – 116, 127, 137, 138, 141, 144, 146 – 148, 151, 173, 183, 186, 212, 223, 228, 237, 245, 254, 259, 265, 281, 284, 285, 294, 308, 321, 345, 346, 352, 356, 357, 359, 365, 383, 388, 390 – 392, 396, 400, 410, 411, 418, 423, 430, 431, 441, 444, 447, 449, 456, 457, 459 – 461, 464, 467, 468, 470, 474, 475, 477, 480, 489, 493, 530, 533, 539 Preußen, August von, Prinz 41, 139, 140, 305 Preußen, Carl von, Prinz 42, 47 – 51, 54, 58, 62, 63, 113 – 115, 136, 153, 165, 171, 192, 228, 243, 244, 265, 292, 298, 300, 327, 340, 344, 348 – 352, 354, 355, 360, 364, 388, 392, 396, 400, 411, 424, 435, 437, 440, 442, 457, 484, 486, 488, 490, 493, 508, 538, 540, 542 Preußen, Elisabeth von, Prinzessin 159 Preußen, Friedrich III. von, König und Kaiser 75, 102, 389, 423, 424, 428, 456, 457, 467, 528, 530, 533, 539 Preußen, Friedrich Karl von, Prinz 294, 347, 376, 392, 394, 396, 401, 443, 460, 471, 473 – 478, 480, 492, 538 Preußen, Friedrich Wilhelm III. von, König
44, 49, 51, 52, 57, 61, 62, 64, 66, 72, 73, 76, 80 – 84, 86, 92, 96, 98, 100 – 102, 105, 107, 110, 111, 115 – 122, 126, 128 – 134, 137, 144, 145, 147, 151 – 159, 163, 164, 168 – 175, 179, 181, 184, 186 – 188, 213, 214, 231, 251, 306, 334, 398, 400, 409, 458, 470, 485, 512 Preußen, Friedrich Wilhelm IV. von, König 39, 41, 43, 45 – 47, 50 – 52, 55 – 57, 61, 62, 65, 72, 73, 79, 83 – 86, 94, 97 – 100, 105, 106, 110, 112, 115, 116, 118, 122, 123, 125, 126, 128, 131, 133, 134, 136, 139, 143, 144, 146, 147, 152 – 162, 164 – 175, 177, 179, 181 – 192, 194 – 198, 200, 201, 203, 206, 209, 211 – 220, 222, 224, 225, 227, 228, 230, 235, 237, 240, 245 – 250, 252, 253, 255 – 260, 262, 265 – 268, 273, 274, 276 – 279, 281, 282, 284, 288 – 291, 294 – 301, 303 – 306, 308, 312, 313, 316 – 318, 320, 322 – 324, 329, 330, 333, 338, 341 – 345, 348, 350, 351, 353 – 355, 357, 358, 360 – 362, 364 – 366, 368 – 372, 375, 377, 378, 380, 381, 383 – 387, 389, 391 – 394, 396 – 398, 400 – 403, 405, 407, 408, 410 – 420, 423 – 436, 438 – 443, 446 – 454, 457 – 461, 463, 464, 467 – 476, 478, 485, 487, 491, 493, 497, 498, 500, 504 – 507, 509 – 512, 515, 520, 522 – 525, 528, 530, 532, 534, 535, 537, 538, 540 – 543, 546, 548 Preußen, Friedrich Wilhelm Ludwig von, Prinz 46, 47, 49, 56, 70, 136, 146, 149, 222, 348, 392, 403, 477, 500 Preußen, Georg von, Prinz 317, 321, 435, 443, 457 Preußen, Heinrich von, Prinz 234, 339, 347 Preußen, Luise von, Königin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 80, 168, 175, 178, 231, 330, 446, 457, 499 Preußen, Maria Anna von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 257, 511, 518 Preußen, Marianne von, Prinzessin, geb. Prinzessin der Niederlande 54, 56, 58, 66, 81, 85, 88, 100 – 102, 104, 107, 110 – 112, 116, 120, 134, 135, 138, 147, 153, 157, 159, 164, 167, 174, 186, 188, 197, 209, 215 – 218, 220, 221, 228, 229, 233, 236, 242, 244, 245, 247, 249 – 251, 253, 254,
Personenregister
258 – 260, 262, 276 – 278, 290, 299, 308, 309, 311, 313, 314, 316, 326, 339, 364, 368 – 370, 372, 373, 375, 396 – 398, 408, 410, 457, 458, 460, 481, 521, 525, 530, 533, 539 Preußen, Marianne von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg 41, 46, 47, 51, 63, 70, 71, 74, 78, 80, 81, 83, 88, 90, 98, 100, 104, 107, 113, 116, 123, 131, 132, 143, 144, 146, 148, 186, 187, 209, 217, 219, 238, 252, 259, 263, 266, 267, 282, 291, 302, 303, 305, 309, 311, 316 – 319, 322, 325 – 327, 329, 330, 332 – 338, 351, 361, 379, 392, 425, 512 Preußen, Marie von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 48, 52, 60, 62, 63, 82 – 84, 88, 92, 94, 96, 99 – 102, 107, 108, 111, 113, 115, 117, 120, 137, 138, 141, 188, 190, 192, 212, 224, 228, 237, 265, 292, 344, 350, 355, 360, 364, 388, 392, 394, 396, 401, 410, 414, 424, 435 – 437, 451, 452, 456, 457, 460, 461, 467, 468, 470, 474, 508, 538 Preußen, Waldemar von, Prinz 266, 290, 326, 329, 333, 334, 373, 388, 392, 395, 415, 418, 425, 427, 433, 435, 437, 439, 441, 443, 444, 447, 453, 455, 459 Preußen, Wilhelm I. von, König und Kaiser 41, 46, 47, 49 – 52, 54, 55, 59, 63, 65, 69, 99, 102, 104, 105, 110, 118, 119, 131, 136, 149, 156, 170, 171, 173 – 175, 177, 179 – 181, 183, 212, 217, 230, 243, 257, 277, 281, 285, 294, 344, 345, 350, 352, 355 – 357, 361, 365, 369, 373, 383, 386 – 388, 390 – 392, 394, 395, 397 – 402, 405, 410 – 412, 415, 420, 430, 441, 457, 459 – 461, 471 – 474, 476 – 478, 480, 482, 490, 492, 510, 514, 518, 527, 528, 530, 535, 543, 545, 547 Preußen, Wilhelm von, Prinz 55, 146, 188, 266, 267, 334, 335, 338, 361, 363, 368, 388, 392, 403, 415, 418, 424, 425, 427, 433, 437, 439, 441, 447, 451, 455, 456, 478 Prillwitz, Auguste von, geb. Arend 305 Prittwitz, Antoinette von, geb. Gräfin von Hacke 75 Prittwitz, Karl von 63 Pritzbuer, Sophie von, geb. von Both 496
565
Prokesch von Osten, Anton 457 Prudent, Émile 294 Pückler, Friederike Wilhelmine Elisabeth Mathilde von, geb. Gräfin von Brandenburg 354 Pückler, Sylvius von 61, 78 Radetzky von Radetz, Josef Wenzel, Graf 462, 516, 519, 521 Radowitz, Joseph von 503, 520, 521, 535, 536, 540 – 542, 544, 545 Radowitz, Maria Auguste Karoline Luise von, geb. Gräfin von Voß 520 Radziwill, Anton, Fürst 66, 88 Radziwill, Elisa, Prinzessin 74, 75, 81, 100, 104, 214, 462 Radziwill, Ferdinand, Prinz 81 Radziwill, Luise, Fürstin, geb. Prinzessin von Preußen 63, 66, 88, 100, 104, 109, 114, 120, 123, 124, 300 Radziwill, Mathilde, Prinzessin, geb. von Clary und Aldringen 121, 132 Radziwill, Prinz 67, 124 Radziwill, Wilhelm, Prinz 132, 388, 394, 416 Radziwill, Wladislaw, Prinz 73, 81 Rantzau, Carl von 135, 165, 217, 290, 386, 411 Rantzau, Eleonore von, geb. von der Goltz 386 Rauch, Alfred Bonaventura von 314, 537 Rauch, Amélie von 443, 444, 447, 448, 451, 453, 519 Rauch, Auguste Caroline Luise Elisabeth von, geb. Gräfin von Brühl 440 Rauch, Elisabeth (Elise) von 46, 199, 302, 345, 451, 462, 492, 519, 523, 537 Rauch, Friedrich Wilhelm von 155, 176, 179, 237, 241, 245, 257, 267, 276, 283, 284, 287 – 289, 311, 313 – 315, 320, 333, 335, 336, 361, 372, 373, 389, 392, 401 – 403, 417, 443, 444, 447, 448, 451, 452, 458 – 460, 462, 463, 466, 469, 470, 496, 509, 517 Rauch, Laurette von, geb. von Moltke 519, 524 Rauch, Rosalie von 222, 228, 254, 410 Reclam 223 Reden, Friederike von, Gräfin, geb. von Riedesel-Eisenbach 348, 349
566 Personenregister Redern, Dorothea Sophia Bertha von, Gräfin, geb. Jenisch 102 Redern, Friedrich Wilhelm von, Graf 134, 142, 242, 243 Redern, Wilhelmine Gräfin von, geb. von Otterstedt 134 Reede, Wilhelmine van, Gräfin, geb. von Krusemark 49, 67, 150, 305, 389 Reichel, Joseph 146 Reichenbach-Goschütz, Heinrich Gustav Gottlob von 73 Reitzenstein, Carl Leopold Christoph von, Freiherr 137 Reitzenstein, Friedrich Ernst Georg von, Freiherr 306 Reitzenstein, Heinrich von, Freiherr 512 Reitzenstein, Karl von, Freiherr 208, 238, 240 Reitzenstein, Pauline von, Freifrau, geb. von Roeder 306, 475 Renard, Andreas Maria von, Graf 463 Renier, Daniel, Graf 380 Reuß-Köstritz, Caroline von, Prinzessin, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode 487 Reuß-Köstritz, Clementine von, Fürstin, geb. von Reichenbach-Goschütz 475 Reuß-Köstritz, Heinrich IV. von, Prinz 414, 484 Reuß-Köstritz, Heinrich VII. von, Prinz 484 Reuß-Köstritz, Heinrich XII. von, Prinz 484 Reventlow-Criminil, Heinrich von, Graf 343 Reventlow, Elisabeth von, geb. Gräfin von Voß 104 Reventlow, von, Graf 145 Ribeaupierre, Alexandre de 102, 113, 133 Ribeaupierre, Iwan Alexandrowitsch de 280 Ribeaupierre, Sophia Wassiliewna de, geb. Trubetzkaja 280 Rieben, Georg Alexander von 544 Riefstahl, Carl 234 Rimpler, Otto 427 Riza, Pascha 261 Rochow, Gustav von 46 Rochow, Mathilde Elisabeth von, geb. von Wartensleben 470 Rochow, Theodor von 55, 301, 448, 471, 475, 540 Röder, Eberhard Christian Reinhard von 106 Röder, Eugen Maximilian von 145, 151, 222
Röder, Henriette von, geb. Gräfin von Bernstorff 503 Rödern, Caroline von, geb. von Katzeler 93 Röder, von 222 Roeder, Karl von 546 Rossi, Carlo, Graf 57, 67, 428, 475, 478 Rossi, Henriette, Gräfin, geb. Sontag 57, 64, 67, 297, 298, 342, 366, 367, 404, 414, 428, 450, 451, 478, 480 Rossum, Catharina Wilhelmina van, geb. Keijzer 460 Rossum, Johannes van 396, 460, 481, 517, 525 Ruffo, Angelo 281 Russland, Alexander II. von, Kaiser 71, 142, 155, 173, 175, 189, 256, 264, 287, 293, 363, 366, 378, 473, 479, 491 Russland, Alexander I. von, Kaiser 44, 479 Russland, Alexandra Alexandrowna von, Großfürstin 264, 471, 473, 475, 477, 479, 482 Russland, Alexandra Fjodorowna von, Kaiserin, geb. Prinzessin Charlotte von Preußen 42, 44, 60 – 63, 65, 71, 74, 87, 97, 100, 101, 103, 109 – 113, 115, 116, 137, 141, 143 – 146, 153 – 157, 170 – 174, 176, 179, 186, 189, 200, 202, 203, 206, 208, 217, 235, 240, 242, 249, 254, 256 – 260, 262, 263, 265 – 273, 275 – 281, 283, 284, 287 – 293, 296 – 300, 302, 304, 306 – 310, 312 – 338, 340, 343, 344, 346, 347, 357, 360, 361, 363 – 366, 369, 371, 374, 378, 379, 386, 390, 393, 397, 405, 408 – 410, 419, 448, 456, 471, 473, 475, 477, 479, 480, 493 – 496, 499, 501, 507, 516, 520, 523, 525, 528, 531, 533, 535, 537, 539 – 542, 544, 546 Russland, Alexandra Iossifowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Alexandra von Sachsen-Altenburg 369, 519, 522, 530 Russland, Alexei Alexandrowitsch von, Großfürst 503 Russland, Anna Fjodorowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Juliane von Sachsen-CoburgSaalfeld 301, 322 Russland, Helena Pawlowna von, Großfürstin, geb. Prinzessin Charlotte von Württemberg 75, 77, 78, 80, 107, 233, 237, 239, 241 – 243, 247, 249, 256, 265, 284, 289,
Personenregister
291, 293, 298, 300, 302, 339, 347, 360, 363, 369, 469, 485, 487, 516, 525, 538, 539 Russland, Konstantin Nikolajewitsch von, Großfürst 103, 269, 270, 315, 318, 320 – 323, 329, 345, 417, 447, 451, 519, 522 Russland, Konstantin Pawlowitsch von, Großfürst 69 Russland, Maria Fjodorowna von, Kaiserin, geb. Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg 40, 269 Russland, Maria Michailowna von, Großfürstin 249, 300, 344, 346, 347 Russland, Marija Alexandrowna von, Kaiserin, geb. Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt 170, 171, 173, 174, 189, 206, 264, 270, 293, 363, 366, 369, 470, 479, 503 Russland, Michael Pawlowitsch von, Großfürst 233, 235, 242, 265, 293, 300, 323, 346, 363, 369, 494, 495, 541 Russland, Nikolai Alexandrowitsch von, Großfürst 264 Russland, Nikolaus I. von, Kaiser 64, 69, 97, 99, 101, 103, 109, 123, 130, 142, 143, 155, 171, 173, 189, 203, 205, 235, 263, 266 – 269, 271 – 275, 277 – 279, 286 – 290, 295, 296, 298, 300 – 302, 304, 307 – 311, 313, 315, 317, 323, 326, 332, 333, 335 – 338, 346, 361, 365, 377, 378, 405, 416, 420, 426, 428, 466, 469 – 471, 473, 479, 480, 491, 511, 519, 533, 535 – 537, 540 – 542 Russland, Wladimir Alexandrowitsch von, Großfürst 363 Sachse, Hans 200, 246 Sachsen, Albert von, König 202, 376, 534, 535 Sachsen-Altenburg, Agnes von, Herzogin, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau 196, 221, 224 – 226, 228, 323, 362, 427, 511, 518, 519, 522 – 524, 526 Sachsen-Altenburg, Albrecht von, Prinz 107 Sachsen-Altenburg, Amalie von, Herzogin, geb. Prinzessin von Württemberg 473 Sachsen-Altenburg, Ernst I. von, Herzog 47, 122, 377, 501
567
Sachsen-Altenburg, Friedrich I. von, Herzog 45 Sachsen-Altenburg, Georg von, Herzog 40 – 43, 45, 47, 99, 101, 103, 104, 106, 122, 124, 128, 130, 179, 181, 201, 205, 209, 211, 218, 219, 312, 407, 439, 473 Sachsen-Altenburg, Joseph von, Herzog 312, 439, 473 Sachsen-Altenburg, Marie von, Herzogin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 40 – 43, 45, 47, 99, 101, 103, 106, 107, 122, 124, 128, 130, 131, 179, 181, 203, 205, 208 – 211, 218, 219, 222, 225, 237, 242, 312, 357, 376, 473, 481, 490, 493 Sachsen-Altenburg, Moritz von, Prinz 122, 407 Sachsen-Altenburg, Therese von, Prinzessin 501 Sachsen, Amalie Auguste von, Königin, geb. Prinzessin von Bayern 62, 71, 84, 97, 108, 115, 144, 155, 156, 193 – 195, 203, 211, 275, 293, 295 – 297, 364, 371, 372, 374, 386, 410 – 412, 438, 465, 468, 469, 487 Sachsen, Amalie von, Prinzessin 332 Sachsen, Anton von, König 202 Sachsen, Carola von, Königin, geb. Prinzessin von Wasa 97 Sachsen-Coburg-Gotha, Albert von, Prinz 106, 194 Sachsen-Coburg-Gotha, Ernst II. von, Herzog 106, 147, 161, 450, 484, 485 Sachsen-Coburg-Gotha, Ernst I. von, Herzog 132 Sachsen-Coburg-Gotha-Koháry, Ferdinand von, Prinz, als Ferdinand II. Titularkönig von Portugal 332 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Leopold von, Herzog, König der Belgier 52 Sachsen, Elisabeth von, Prinzessin 62 Sachsen, Ernst von, Prinz 364 Sachsen, Friedrich August II. von, König 147, 149, 154, 197, 413, 464, 468, 469 Sachsen, Georg von, Prinz 413, 487 Sachsen, Johann von, König 84, 203, 413, 487 Sachsen, Margarete von, Prinzessin 155, 156 Sachsen, Maria Anna von, Königin, geb. Prinzessin von Bayern 97, 108, 115, 135,
568 Personenregister 140, 197, 211, 296, 371, 372, 374, 386, 410 – 413, 466, 468, 517, 520 Sachsen, Maria Augusta von, Prinzessin 149 Sachsen-Meiningen, Bernhard II. von, Herzog 62, 103 Sachsen-Meiningen, Charlotte von, Erbprinzessin, geb. Prinzessin von Preußen 243 – 245, 308, 339, 391 – 394, 396, 408, 420, 441, 443, 446, 449, 454, 457, 467, 481, 487, 491, 497, 498, 507, 515 – 517, 521 – 523, 525, 528, 533 Sachsen-Meiningen, Georg II. von, Herzog 383, 452, 516, 522, 523 Sachsen-Meiningen, Marie von, Herzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel 62, 104, 148, 166, 169, 232, 339, 374, 517, 526, 533 Sachsen-Weimar-Eisenach, Auguste von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Württemberg 227 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Alexander von, Großherzog 212, 237 Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Friedrich von, Großherzog 394 Sachsen-Weimar-Eisenach, Hermann von, Herzog 348, 352 Sachsen-Weimar-Eisenach, Ida von, Herzogin, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen 100 Sachsen-Weimar-Eisenach, Karl August von, Großherzog 48 Sachsen-Weimar-Eisenach, Karl Bernhard von, Herzog 100, 207 Sachsen-Weimar-Eisenach, Luise von, Großherzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt 48 Sachsen-Weimar-Eisenach, Maria von, Großherzogin, geb. Großfürstin Maria Pawlowna von Russland 48, 117, 166, 292 Sachsen-Weimar-Eisenach, Sophie von, Großherzogin, geb. Prinzessin der Niederlande 212, 237 Sagan, Dorothea von, Herzogin, Herzogin von Dino, geb. Prinzessin Biron von Kurland 173, 403, 421, 422 Saint-Aubin 148 Saint-Simon-Vallade, Joseph Maria Anton Brassier de 306 Sardinien-Piemont, Karl Albert von, König, Herzog von Savoyen-Carignan 413, 462
Sardinien-Piemont, Victor Emanuel II. von, König, Herzog von Savoyen-Carignan 310 Savoyen-Carignan, Elisabeth von, Prinzessin, Herzogin von Genua, geb. Prinzessin von Sachsen 375, 406, 407, 412, 413, 438, 447, 487 Savoyen-Carignan, Ferdinand Maria von, Prinz, Herzog von Genua 310, 375, 406, 407 Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Wilhelm zu, Fürst 131, 225, 380, 388, 527 Schack, Adam Reimar Christoph von 199 Schade, von, Freiherr 546 Scharnhorst, Christa von 89 Schätzel, Pauline von 52 Schaumburg-Lippe, Georg Wilhelm zu, Fürst 91, 259, 367 Schaumburg-Lippe, Ida Karoline Luise zu, Fürstin, geb. Prinzessin zu Waldeck-Pyrmont 259 Scheffer 288 Schilden, Friedrich Anton von 115, 389, 400 Schlegel, Friedrich Hermann Wolf von 404 Schlegel, Marie von, geb. von Rehdiger 248 Schlegel, Wolf Benno Ludwig von 476 Schleinitz, Alexander von 502, 504, 505 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Christian August von, Herzog 179, 180 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Luise Sophie von, Herzogin, geb. von Danneskjold-Samsöe 180, 182, 183 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Christian von, Prinz 541 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Luise von, Herzogin, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel-Rumpenheim 278 Schlieben, von 116 Schlippenbach, Adelheid von, Gräfin 73 Schlippenbach, Karl von, Graf 417 Schöler, August von 334 Schöning, Helene von 242 Schöning, Kurd von 242 Schöning, Rosalie von 242 Schönlein, Johann Lukas 305, 401, 427 Schreckenstein, Ludwig Roth von 403, 411, 415 Schreeb, Heinrich von 477 Schuckmann, Kaspar Friedrich von 81
Personenregister
Schuckmann, Marie von 244, 245, 410, 516, 520 – 523, 527, 528, 533, 539 Schulenburg, Carl Rudolf von der, Graf 403 Schulenburg-Wolfsburg, Werner von der 545 Schumacher 288 Schuman 237 Schuwalow, Graf 315, 316, 321, 338 Schwarzburg-Rudolstadt, Albert von, Prinz 41, 51, 71, 73, 104, 107 Schwarzburg-Rudolstadt, Auguste von, Prinzessin, geb. Prinzessin zu Solms-Braunfels 41, 43, 46, 51, 71, 73, 104, 180, 519 Schwarzburg-Rudolstadt, Günther von, Erbprinz 259 Schwarzburg-Rudolstadt, Luise Ulrike von, Prinzessin, geb. Prinzessin von HessenHomburg 303, 466 Schwarzburg-Rudolstadt, Wilhelm von, Prinz 466 Schwarzburg-Sondershausen, Karl Günther von, Fürst 520 Schwarzenberg, Felix zu, Fürst 540, 542 Schwarzenberg, Friedrich Karl zu, Fürst 75 Schwarzenberg, Johann Adolf II. zu, Fürst 479 Schwarzenberg, Karl Philipp zu, Fürst 527 Schweden, Amalie von, Prinzessin 89, 91, 96, 97, 99, 113, 125, 144, 161, 253, 256, 267, 268, 286, 362, 370, 426, 441, 514, 530, 531, 546 Schweden und Norwegen, Gustav von, Prinz 344 Schweden und Norwegen, Josephine von, Königin, geb. de Beauharnais, Prinzessin von Leuchtenberg 491 Schweden und Norwegen, Karl XV. von, König 344, 346 Schweden und Norwegen, Luise von, Königin, geb. Prinzessin der Niederlande 84, 157, 244, 301, 305, 340, 342, 348, 366, 375, 494, 545 Schweden und Norwegen, Oskar I. von, König 132, 511 Schwemmler, Karl von 419 Schwerin-Putzar, Maximilian von, Graf 346, 421 Sell, Adolf von, Freiherr 82, 137, 189, 405 Sell, Charlotte von, Freifrau, geb. von Hochstetter 167, 200, 262, 492
569
Sell, Sophie Fredericke Henriette Charlotte von, geb. von Massenbach 82, 171, 189 Serracapriola, Nicola Maresca Donnorso von, Herzog 379 Snethlage, Karl Wilhelm Moritz 392, 404 Solms-Braunfels, Alexander zu, Prinz 86, 104, 107, 134, 138, 180, 222, 230, 233, 301, 419, 422, 423, 466, 469 Solms-Braunfels, Bernhard zu, Prinz 111, 138 Solms-Braunfels, Carl zu, Prinz 86, 111 Solms-Braunfels, Ferdinand zu, Prinz 46, 51 Solms-Braunfels, Maria Anna zu, Prinzessin, geb. Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau 73 Solms-Braunfels, Wilhelm zu, Prinz 73 Soltikoff, Fürstin 314, 326 Spanien, Isabella II. von, Königin, geb. Infantin von Spanien 514 Spontini, Gaspare 142, 146 Staufen, Agnes von, Pfalzgräfin bei Rhein 56 Stenglin, Adolph von 138 Stenglin, Otto Henning von 299, 512 Stetten, von 78 Stever, Theodor Ernst 502, 504 – 506 Stieler, Joseph Karl 494 Stockhausen, Friedrich Ludwig Albert von 255, 258, 290, 392, 409 Stockhausen, Johann Karl Friedrich Ludwig von 242 Stolberg-Wernigerode, Anna zu, Gräfin 404 Stolberg-Wernigerode, Anton zu, Graf 70, 72, 74, 81, 97, 116, 171, 188, 202, 225, 249, 253, 266, 282, 285, 290, 366, 388, 397, 402, 404, 415, 452, 454, 462, 478, 484 – 486, 512 Stolberg-Wernigerode, Heinrich zu, Graf 397 Stolberg-Wernigerode, Luise zu, Gräfin, geb. Freiin von der Recke 290, 462 Stolberg-Wernigerode, Marianne zu, Gräfin 282 Stolberg-Wernigerode, Marie zu, Gräfin 492, 507 Stolberg-Wernigerode, Udo zu, Graf 202 Stolberg-Wernigerode, zu, Graf 514 Stratton, Charles Sherwood 523 Strauß, Friedrich 334 Strauß, Gerhard Friedrich Abraham 173 Struve, Gustav 426, 428
570 Personenregister Stubenberg, Anna von, Gräfin, verw. Remekházy von Gurahoncz 343 Stüdemann von Ehrenstein, Helene Juliane Elisabeth 88 Stuhr, Peter Feddersen 287 Stüler, Friedrich August 225 Suworow, Alexander Arkadjewitsch 293 Sydow, Adolf 400
Voß, Anna von, Gräfin 372 Voß, Felix von, Graf 104, 372 Voß, Luise von, Gräfin, geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck 176, 368, 372 Voß, Luise von, Gräfin, geb. von Berg 104, 372 Voß, Sophie von, Gräfin, geb. von Pannewitz 457
Taglioni, Marie 515 Tallenay, Auguste de 198 Tempsky, Ferdinand Adalbert Alexander von 518 Thalberg, Sigismund 148 Theremin, Franz 148 Thilau, Luise Juliana Friederike Sophie von, geb. von Jagow 215 Thile, Ludwig Gustav von 388, 400 Thümen, Wilhelm von 154, 155 Thun, Mathilde von, geb. von Senden 78 Thun, Philipp Wilhelm Ulrich von 78 Thurn und Taxis, Helene von, Erbprinzessin, geb. Herzogin in Bayern 97 Thurn und Taxis, Therese von, Fürstin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz 147, 148 Tieck, Ludwig 201, 237 Toskana, Leopold II. von, Großherzog, Erzherzog von Österreich 336, 462 Toskana, Maria Antonia von, Großherzogin, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Neapel-Sizilien 336, 380 Toskana, Maria Luisa von, Prinzessin, Erzherzogin von Österreich 336, 462 Toskana, Maria von, Großherzogin, Erzherzogin von Österreich, geb. Prinzessin von Sachsen 336, 462 Troubetzkoy, Alexander, Fürst 515 Troubetzkoy, Marie, Fürstin, geb. Taglioni 515 Tümpling, Adam von 46 Tümpling, Friedrich Gustav von 195
Waldenburg, Karoline von, geb. Wichmann 305 Waldersee, Amalie von 370 Walker, Maria Antoinette 237 Wartensleben, Gustav Ludwig von 83 Wasa, Gustav von, Prinz 89, 97, 119 – 121, 137, 140, 222, 256, 374, 441, 531 – 533 Wasa, Luise von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Baden 97, 119, 121, 125, 140, 222 Weiß, Dr. 350, 352 Weltzien, Helmut Ludwig Heinrich von 362 Weltzin, von, Baron 66 Wenckstern, Friedrich Bernhard Harnasch von 145 Werdeck, Mathilde von 116 Wettberg, Otto von, Baron 121 Wichmann, Karl 104 Wichmann, Wilhelm 104 Wiebel, Johann Wilhelm von 157, 174, 457 Wied, Marie zu, Fürstin, geb. Prinzessin der Niederlande 179 Wildermeth, Maria Margaretha von 54 Wild, Franz 176 Wilkens-Hohenau, Carl Friedrich von, Freiherr 170 Wilkens-Hohenau, Georgine von, geb. von Bergh 170 Willebrand, Adolf 306 Willisen, Karl von 395 Windisch-Graetz, Alexandrine von, Prinzessin 528, 529, 531, 534 Windisch-Graetz, Alexandrine von, Prinzessin 524 Windisch-Graetz, Alfred I. von, Fürst 403, 429, 431, 482, 486, 490, 498 Windisch-Graetz, Gabriele von, Prinzessin 479, 490 Windisch-Graetz, Hugo von, Fürst 479, 482 – 484, 486 – 490, 496, 498, 513, 514,
Ugarte, Elisabeth Karoline Luise von, geb. von Rochow 470 Uhden, Alexander (von) 400, 512 Usedom, Guido von 407 Vehsemeyer, Albert 309 Vincke, Georg von 545
Personenregister
517, 521, 524, 528, 529, 531, 539, 543, 544 Windisch-Graetz, Karl Vincenz von, Fürst 528 Windisch-Graetz, Luise von, Prinzessin, geb. Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 200, 207 Windisch-Graetz, Marie Eleonore von, Fürstin, geb. Prinzessin zu Schwarzenberg 403 Windisch-Graetz, Marie Eleonore von, Fürstin, geb. von Lobkowitz 478 – 480, 482, 490 Windisch-Graetz, von, Fürst 318, 321 Windisch-Graetz, Weriand von, Fürst 479 Winter, Leopold von 453 Witzleben, Hartmut Erasmus von 414 Witzleben, Hertha von 250 Witzleben, Klamor August Ferdinand von 451, 456, 464, 478, 482 Wrangel, Friedrich von, Freiherr 405, 421, 424, 434 – 436, 447, 457, 471, 538 Wrangel, Gustav Carl Friedrich von, Freiherr 447 Wrangel von Sausis, Anton Reinhold, Graf 353 Wrbna, Ladislaus von, Graf 337 Wrede, Carl Philipp von, Fürst 46 Württemberg, Alexander von, Herzog 135 Württemberg, August von, Prinz 74, 111, 302, 487
571
Württemberg, Charlotte von Prinzessin, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen 237 Württemberg, Friedrich von, Prinz 487, 492 Württemberg, Karl von, König 258, 297, 300, 317, 320, 326, 338, 340, 428, 456 Württemberg, Katharina von, Prinzessin, geb. Prinzessin von Württemberg 227, 530 Württemberg, Olga von, Königin, geb. Großfürstin Olga Nikolajewna von Russland 84, 189, 255, 256, 263, 270, 278, 280, 284, 287, 301, 304, 313, 315, 316, 318, 319, 323, 326, 328, 338, 340, 343, 345, 355, 366, 380, 426, 428, 429, 434, 438, 482, 494, 530, 541 Württemberg, Paul von, Prinz 298 Württemberg-Teck, Alexander Paul Ludwig Konstantin von, Prinz 233 Württemberg, Wilhelm I. von, König 345, 464, 467, 477 Yorck von Wartenburg, Hans David Ludwig 467 Yorck von Wartenburg, Nina, geb. von Olfers 467 Zastrow, Adolf August von 385 Zastrow, von, Fräulein 350 Zepelin, Konstantin von 128 Zieten, Amalie von, Gräfin, geb. von der Schulenburg 245
Ortsregister Altenburg 47, 130, 194, 211, 221 – 223, 230, 239, 312, 345, 357, 369, 376, 468, 472, 476, 481, 490 Althof 183 Amalfi 330 Ancona 479 Antonin 63 Antwerpen 57 Babelsberg 277, 396, 411, 430 Bacharach 56 Baden-Baden 183, 233, 530 Baia 329 Bamberg 312 Basedow 93, 277, 278 Berlin 39, 42 – 44, 47, 49, 51, 52, 54, 55, 57, 58, 60 – 63, 66, 67, 69, 70, 72 – 74, 76 – 78, 80 – 84, 86 – 89, 92, 94, 95, 97, 99, 101, 102, 104, 106, 108 – 113, 115 – 118, 120, 122 – 124, 128, 132 – 134, 136, 137, 140 – 144, 147 – 149, 152 – 154, 156 – 158, 160, 161, 163, 164, 166 – 170, 173, 174, 176, 183, 186, 187, 196 – 198, 207, 210, 211, 213, 215, 217 – 222, 224, 225, 229 – 239, 242 – 247, 249 – 254, 256, 257, 268, 273, 274, 277 – 282, 284, 285, 287, 288, 290, 291, 294, 295, 297 – 300, 302 – 304, 309, 311, 313, 314, 316, 317, 320, 323, 326, 327, 332, 333, 335, 336, 338, 339, 344, 346, 348, 350, 352, 354 – 356, 358 – 366, 368, 371 – 373, 375 – 379, 382, 384 – 386, 389, 391 – 399, 401 – 403, 405, 411, 415 – 419, 421, 422, 425 – 427, 429, 430, 432 – 437, 439, 441, 443, 444, 447, 448, 450 – 453, 456, 459, 461, 468, 470, 477, 482, 485, 486, 490, 502, 503, 509 – 511, 516, 518, 519, 523, 526, 533, 536, 542, 545 – 548 Biebrich 75 Biesenthal 537 Blankenburg 464, 467 Boitzenburg 297 Bonn 161, 170, 183, 347, 373, 376, 378 Boppard 56 Braunschweig 55, 66, 68, 106, 138, 183, 188, 254, 309, 365, 403, 464, 467
Brescia 513 Breslau 316, 323, 366, 512 Brixen 309 Brühl 210, 305 Brunn 454 Brüssel 42, 43, 47, 48, 54, 56, 58, 431, 469 Bückeburg 259 Chamonix 184 Charlottenburg 49, 51, 52, 154, 160, 168, 173, 185, 187, 216, 247, 278, 282, 294, 299, 311, 346, 373, 377, 378, 398, 400, 406, 407, 409, 410, 421, 423, 443 – 445, 451, 454, 457, 458, 464, 468, 470, 485, 493, 497 – 499, 503, 509, 514, 526, 546 Coburg 300 Como 278, 310, 333, 364, 513, 516 Cosel 528, 537 Dargun 345 Darmstadt 155, 275, 363 Dessau 62, 103, 119, 211, 221, 235, 236, 263, 275, 278, 375, 403, 422, 463, 496, 526 Doberan 40, 42, 43, 55, 86, 94, 107, 119, 120, 138, 144, 150, 151, 158, 179, 180, 204, 205, 207, 208, 243 – 245, 248, 250, 263, 269, 273, 274, 341, 343, 366, 368 – 370, 404, 406, 410, 412, 415 – 417, 483, 484, 486, 511, 515, 516, 519, 521, 526, 530, 532 Donaueschingen 482, 494, 526 Donauwörth 312 Dresden 62, 66, 71, 84, 89, 97, 108, 115, 124, 135, 138, 147, 148, 155, 188, 196, 197, 203, 210, 211, 219, 240, 242, 248, 250, 258, 282, 285, 295 – 297, 304, 326, 332, 348, 371, 372, 374, 379, 386, 395, 411, 426, 443, 464 – 466, 481, 485, 492 – 494, 538, 541 Düppel 399 Düsseldorf 413 Eger 239, 304, 370, 481 Eisenach 394, 414, 490 Eisenberg 239, 242, 481 Ems 42, 43, 46, 171, 173, 179, 180, 303, 364, 382, 386
Ortsregister
Erdmannsdorf 172, 208, 259, 260, 266, 267, 329, 343, 525 Erfurt 364, 414, 502, 504 Erlangen 312 Ferdinandsbrunnen 242 Ferrara 336 Fischbach 63 – 65, 111, 113, 143, 146, 186, 260, 329 Flensburg 391, 395 Florenz 253, 317, 323, 327, 332, 333, 335, 336, 360, 380 Frankfurt 55, 61, 260, 406, 407, 409 – 411, 417, 419, 421, 422, 427, 433, 437, 438, 447, 448, 459, 461, 466, 469 – 472, 477, 494, 502, 504, 525, 526, 533, 539 Franzensbad 144 Franzensbrunnen 121, 242 Fredericia 482 Freiburg 480 Freienwalde 428, 462 Friedrichsmoor 422 Friedrichsthal 340, 366, 390, 392 Fürstenstein 143 Fürth 472 Gaéta 462 Gastein 481 Gattschina 280 Genf 167, 184, 203, 205, 206, 225, 299, 301, 339 Genua 183, 310, 312, 344, 345, 349, 350, 352, 354, 355, 361, 364, 516, 521, 522 Germersheim 476, 477 Glienicke 120, 396, 435, 533 Göhrde 373 Görde 226 Görlitz 323, 326, 465 Grabow 416 Gratz 343 Groß Wardein 515 Gütergotz 522, 523 Haag 44, 65, 108, 112, 153, 165, 170, 179, 180, 183, 188, 212, 228, 251, 258, 260, 282, 326, 408, 462, 493, 496, 501, 508, 510, 517, 518, 521, 522, 528, 533, 544, 547 Hagenow 386 Hamburg 66, 67, 84, 90, 119, 144, 151, 172, 177, 180, 237, 281, 294, 296, 297, 303,
573
353, 354, 386, 428, 429, 442, 486, 492, 543 Hannover 78, 90, 135, 144, 151, 177, 198, 226, 227, 295, 301, 309, 371, 376, 382, 471, 493 Havelberg 77 Heidelberg 476 Heppenheim 472 Heringsdorf 301, 425 Herkulaneum 329 Het Loo 199, 547 Hildburghausen 40, 45, 47 Hirschberg 123 Hohenschwangau 301, 309, 526 Hohenzieritz 175 Homburg 46, 51, 74, 90, 302, 305, 309, 351 Innsbruck 52, 403, 523 Ischl 144, 161, 267, 270, 272, 275, 298 – 300, 302, 305, 306, 342, 343, 364, 367, 370, 491, 525, 530 Istanbul 261 Ivenack 55, 92, 93, 222, 277, 278, 302, 310, 311, 345, 367, 462, 463 Jelagin 302, 307 Jerusalem 457, 458 Kairo 233 Kalisch 108, 116, 540 Karlsbad 69, 144, 241, 257, 304, 447, 449, 467, 480, 492 Karlsruhe 286, 469, 478 Kassel 66, 81, 186, 187, 232, 531 Kiel 181 Kirchheimbolanden 474 Kissingen 289, 361, 366 Koblenz 56, 469, 539 Köln 70, 382, 410, 411, 413, 471 Komorn 482 Königsberg 115, 166 Königstein 464 – 466, 468, 469 Königswarter 242 Konstantinopel 228, 242, 255, 258 – 261, 263 Kopenhagen 179, 181, 191, 223, 232, 233, 272, 284, 286, 299, 341 Köthen 275 Krakau 333, 337 Kremsier 456 Kreppelhof 397, 404 Kreuznach 521
574 Ortsregister Kronstadt 274 Ladenburg 477 Landau 476 Lecce 310 Leipzig 196, 211, 312, 481, 490 Linz 370, 425 Lissabon 332 Livorno 244, 333 Lodi 496, 498, 499, 501 London 90, 91, 113, 119, 300, 347, 397, 481 Lübeck 46, 209, 296, 426, 428 Ludwigsburg 227 Ludwigslust 42, 47, 67, 70, 71, 75, 76, 80, 82, 85, 88, 96, 106, 113, 130 – 132, 134, 136, 152, 171, 177, 184, 194, 201, 215, 216, 225, 226, 234, 236, 238, 245, 251, 261, 263, 290, 294, 299, 308, 354 – 357, 359, 363, 390, 391, 394, 396, 397, 416, 419, 425, 464, 483, 484, 496, 497, 509, 547, 548 Lüneburg 244, 245 Lyon 203, 205 Magdeburg 119, 211, 400, 431 Mailand 266, 346, 413, 496, 499, 507, 513, 514, 516, 520, 539 Mainz 237, 471 Malchin 373 Mannheim 227, 476 Marienbad 120, 225, 226, 230, 233, 235, 237, 239, 243, 257, 299, 302, 318, 361, 370, 439, 468, 471, 472, 474, 478, 480, 513 Marseille 322 Mecheln 431 Merseburg 275 Modina 471, 475, 477, 479 Molo di Gaéta 462 Moskau 137, 173, 174, 243 Müncheberg 532 München 72, 124, 172, 212, 227, 275, 286, 301, 333, 336, 339, 381, 439, 441, 494 Münster 395, 415, 425, 427, 437, 439, 441 Muskau 518 Myslowitz 537 Nauen 103, 251, 299, 369, 371, 378, 405, 429, 470, 483 Neapel 52, 218, 249, 254, 255, 258, 260, 265, 315, 320, 323, 325, 327 – 331, 333, 501
Nenndorf 521 Niebüll 399 Nizza 380 Norderney 180 Olmütz 426, 429, 440 – 442, 447, 448, 544 Padua 513 Palermo 260, 307, 309 – 313, 320, 321, 324 – 329, 341, 343, 345, 346, 351, 352, 357, 374, 377, 379 – 381 Paretz 119, 171, 179, 180, 406, 407, 427, 436, 437 Paris 57, 58, 131, 133, 138, 141, 148, 151, 160, 165, 195, 196, 199, 202, 204 – 207, 216, 239, 243, 300, 340, 341, 382, 386, 395, 402, 408, 414, 442, 475, 546, 547 Pera 261 Perleberg 131, 386 Peterhof 302, 305, 307, 417, 475, 479, 480 Pillnitz 143, 144, 150, 203, 239, 304, 410, 412 – 414, 487, 488, 491, 493, 534, 535 Plüschow 46 Plymouth 318 Pompeji 328, 329 Potsdam 39, 44, 64, 66, 93, 96, 98, 103, 110, 118, 133, 144, 145, 147, 149, 153, 155, 156, 163, 170, 172, 173, 196, 197, 210, 211, 237 – 240, 242, 250, 258, 260, 278, 296 – 298, 300, 354, 359, 361, 363 – 365, 370, 383, 386 – 388, 390, 391, 401, 403, 420, 421, 424, 431, 438, 444, 447, 452, 454, 461, 462, 464, 466 – 468, 470, 490, 497, 499, 509, 518, 542, 545 Prag 144, 304, 333, 371, 403, 544 Prebberede 285 Putbus 86, 485, 491, 492 Pyrmont 89 – 91, 96 – 98, 298, 511 Quittel 134 Raab (Györ) 480 Rastatt 480, 482 Redefin 218 Regensburg 370 Remplin 367, 372 Reval 479 Rheinstein 56 Rom 222, 247, 249, 253 – 255, 257 – 259, 320, 322, 323, 330 – 333, 335, 338, 360, 361, 368, 439, 448 Rostock 121, 203, 384 Rüdesheim 56
Ortsregister
Rudolstadt 73, 135, 239, 242, 299, 303, 371 Ruhberg 63 Rumpenheim 298, 519, 535 Saarmund 430 Sagan 350 Salzbrunn 181 Salzburg 338 Schandau 410, 415, 465 Schleswig 396 Schorssow 372 Schwedt 97 Schwerin 47, 60, 61, 65, 69, 70, 83, 86, 96, 102, 114, 118, 122 – 125, 127, 132, 134, 136, 147, 153, 160, 180, 184, 195, 197, 198, 201, 207, 209, 210, 214, 223 – 225, 235, 236, 244, 245, 250, 254, 269, 307, 311, 345, 362, 365, 369, 378, 384, 386, 391, 393, 394, 402, 409, 412, 416, 418, 419, 433, 446, 472, 482, 483, 496 – 498, 500, 511, 521, 530, 547 Sommersdorf 367 Spandau 407, 449 Stein an der Donau 426 Stettin 72, 128, 146, 210, 260, 301, 364, 405, 410, 417, 485, 523, 538 Stockholm 511 Stolzenfels 293, 304, 307 Stonsdorf 484, 487 St. Petersburg 49, 60, 95, 97, 105, 142, 145, 150, 161, 170, 171, 173, 174, 176, 202, 203, 208, 212, 231, 232, 235, 238, 243, 244, 249, 251, 253, 255, 265, 269, 272, 273, 275, 281, 287, 289, 299 – 302, 305 – 307, 320, 332, 342, 343, 345, 347, 355, 361 – 366, 369, 371, 374, 390, 409, 415 – 417, 419, 421, 428, 440, 470, 475, 477, 482, 494, 495, 499, 501, 503, 506, 507, 511, 516, 533, 543 Strelitz 90, 128, 132, 133, 135, 140 – 142, 145, 148, 161, 163, 172, 174 – 176, 182, 189, 191, 204, 223, 230, 231, 235, 248, 278 – 280, 284, 286, 291, 294, 298, 310, 311, 340 – 342, 366 – 368, 373, 380, 404, 407, 411, 419, 421, 454, 458, 459, 489, 507, 537
575
Stuttgart 116, 179, 227, 266, 345, 355, 374, 494 Swinemünde 301, 485, 487 Tegernsee 523 Teltow 522 Teplitz 74, 180, 465 Tharandt 481 Töplitz 73, 112, 120, 143, 144, 181, 183, 363 Torgau 388 Travemünde 243 Trier 134 Triest 495, 535, 537, 540 Venedig 183, 317, 323, 327, 330, 333, 336 – 338, 343, 352, 479, 495, 513, 535, 537, 543, 548 Verona 333 Vevey 373 Waghäusel 476 Wangerooge 410 Warmbrunn 525 Warnemünde 121 Warschau 64, 65, 69, 154, 155, 243, 300, 326, 338, 466, 469, 471, 475, 480, 494, 501, 510, 516, 517, 520, 523, 525, 528, 531, 533, 535 – 537, 539, 544 Weimar 47, 52, 61, 92, 118, 195, 212, 225, 242, 356, 371, 394, 396, 405, 411, 414, 441, 451, 475, 477, 480, 541 Weinheim 472 Wernigerode 397 Wien 64, 65, 95 – 98, 105, 113, 130, 198, 234, 286, 317, 320, 337, 344, 346, 362, 370 – 372, 379, 380, 383, 384, 386, 395, 403, 412, 415, 425 – 427, 430, 431, 439, 440, 442, 468, 512, 514, 535, 538 Wiesbaden 75, 205, 206, 289 Wilhelmsthal 410, 414 Wismar 68, 119, 172, 203, 274, 298 Wittenberge 371, 490 Wolfenbüttel 67 Zarskoje Selo 397, 479 Zwickau 312