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German Pages 15 [16] Year 1834
Dr.
Schleiermacher's
Letzte Predigt gehalten in
der Dreifaltigkeits-Kirche in der Frühstunde
am Sonntag Sexagesimü den 2ten Februar 1834.
Berlin, 1834. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.
«feb Nr. 111.
Text: Marc. XIV, 1—26.
a. Fr. Diejenigen unter euch, die meinen Vor trägen regelmäßiger gefolgt sind, werden bemerkt ha ben, daß ich seit einiger Zeit größere Stükke zusam menfasse als früher, und sich vielleicht auch schon den Grund davon gesagt haben. Wir nähern uns nämlich jezt der Zeit mit starken Schritten, die dem Andenken an das Leiden des Erlösers gewidmet ist, müssen also auch suchen mit ihr zugleich denjenigen Abschnitt unseres Evangelii zu erreichen, der uns die Leidensgeschichte des Herrn darstellt. So nehmen wir auch heute drei solcher Erzählungen zusammen, deren jede Stoff genug zur Betrachtung darbietet: aber wir wollen sie auch nur in ihrem Verhältniß zu einander und in dem, was sich gleichmäßig durch alle hindurch zieht, ins Auge fassen. Doch muß ich zuvor noch auf einen besondern Punkt aufmerksam machen, der hier nur mit wenigen Worten berührt ist. Das ist näm lich das Verhältniß des Erlösers zu dem Jünger,
4 der ihn verrieth.
In unserm Evangelio äußert der
Erlöser sich erst später darüber, in der lezten Erzäh lung als er das Osterlamm aß unmittelbar vor der Einsezung des Abendmahls;
aber gewiß hat er es
damals nicht erst erfahren,
sondern hat es schon
gewußt, und Johannes erzählt, daß es Judas ge wesen, der auch schon bei der ersten Geschichte, näm lich der Salbung des Herrn, seinen Unwillen geäu ßert, daß Maria solche Verschwendung beginge. Weim wir denken,
daß der Erlöser dies wußte,
aber das Verhältniß, in welchem er mit dem Ju das war, unverändert ließ und sich selbst fortwäh rend ganz unverändert zeigte: so ist das etwas gro ßes.
Allerdings unter Christen sollte ein ähnliches
Verhältniß gar nicht zu denken sein,
Verrätherei
und Feindschaft sollten gar nicht statt finden unter denen,
welche
bauen;
aber wir wissen,
auf
denselben Grund wie es geht
des
Lebens
im Leben.
Wie oft hören wir nicht, daß einer von dem an dern sagt, er sei sein Feind, und er thue ihm nicht was nüzlich sei, sondern er suche sein Leben zu ver bittern
und
sein Werk zu stören.
Das mag. oft
nichts anderes sein als ein bloßes Vorurtheil, aber wir können es nicht leugnen, es giebt solche Wi drigkeiten unter sonst guten Menschen, die leicht das Änsehn gewinnen, als liege dabei etwas wirkliches zu Grunde, und da geschieht es nicht selten, daß Erbitterung eintritt.
Wenn wir bedenken, daß es sich hier han
delt um Christi Tod, wie nahe das Verhältniß war, in welches Judas sich zu ihm gestellt hatte, und uns
5 dabei
zugleich denken,
wie der Erlöser
dies wohl
wissend gar nicht dadurch in seinem Lebensgange ge stört und verändert wurde, wie er nicht bitter wurde, nichts dagegen thut, sondern ihn nur bedauert als den, der bestimmt war dazu durch seine Art und Weise: so müssen wir sagen, das ist ein Bild, wel ches wir niemals sollen aus den Augen lassen. für Gelegenheit der Erlöser hier
auch
Was
gehabt hätte
dem Judas Vorwürfe zu machen, als er sich unwillig zeigte über die Salbung, besonders toenn wir noch hinzudenken, es sei ihm gar nicht so ernst gewesen mit dem Einwand, vielmehr habe er nur einen Vor theil gesucht: so denkt der Erlöser doch hieran gar nicht, sondern er nimmt die Worte des Judas wie sie lauten, und in seiner ganzen Art zu sein finden wir gar nichts ge stört, seine Freude am Leben, seine Theilnahme an anderen, der ganze Blikk auf sein Werk und das was ihm bevorstand, ist nicht getrübt.
Wenn-wir be
denken, wie alles Elend, das uns vorkommen kayn, ein viel geringeres ist, wie wenig Ursach wir haben solche Voraussezung zu machen,
wie sie hier mit
Recht gemacht werden konnte: so sollten wir in al len Fällen von Widrigkeit, von theilnahmloser Liebe, dies nie aus den Augen lassen, damit
nicht durch
das, was im Gemüth anderer dunkles ist, auch un ser eigenes
Leben
getrübt und
unsere Kraft
ge
schwächt wird. Aber laßt uns nun zu den drei einzelnen Er zählungen gehen.
Wir finden den Erlöser da ganz
kurz vor seinem Leiden.
In der ersten Geschichte
6 erscheint er in dem ganzen Glanz und in der Herr lichkeit seines Lebens. Hier m unsrer Erzählung wird nur gesagt, er habe zu Tisch gesessen im Hause des Simon zu Bethanien, aber aus dem Evangelio des Johannes wissen wir, es sei ein Mahl ge wesen, welches vorzüglich angerichtet war zu seiner Ehre, und Lazarus, den er vom Tode erwekkt, war zugegen, die eine Schwester diente, und es war die andere, welche das Gefäß über ihn ausgoß. So sehen wir ihn in dem größeren Kreise der seinigen als den gefeierten Erwekker der Todten dem Erwekkten gegenüber und das edle Haupt triefend von dem köstlichen Wasser. Dabei hatte er schon das bestimmte Gefühl von demjenigen, was ihm bevor stand, und so faßte er auch die Handlung auf. Ob auch Maria so gedacht als sie ihn salbte, daß wis sen wir nicht; aber das ist gewiß, daß die Jünger des Herrn, besonders die ihm näher standen, damals mußten in einer gespannten Erwartung sein: zu oft hatte er selbst schon solche Reden geführt, die auf die nahe Emwikkelung seines Geschikkes deuteten, und die Jünger mußten es wissen, wie die Häupter der Nation gegen ihn gesinnt waren, die den Be fehl erlassen hatten, der gewiß auch nach Bethanien gelangt war, daß der, welcher wüßte, wo Jesus von Nazareth Herberge, es anzeigen solle, und dessenun geachtet wurde er ganz in der Nähe der Haupt stadt auf solche Weise aufgenommen. Wie ist es aber mit dem Streit, der hier sich über die Salbung entspann? Wie hat der Erlöser durch seine Ent-
7 scheidung nicht alles geheiligt, waS aus einem schö nen Gefühl der Dankbarkeit gegen solche besonders, welche anderen wohlgethan, hervorgeht!
Es ist wol
ein frommer Maaßstab, den die andern anlegten, indem sie sagten, Wie vielen armen hätte von dem Verkauf des köstlichen Wassers können wohlgethan werden!
aber gewiß mögen wir voraussezen, wenn
dieser Aufwand nicht in einem richtigen Verhältniß gewesen wäre mit dem Vermögen derjenigen, welche ihn machte, würde ihn der Erlöser nicht so gerecht fertigt haben.
Aber dasselbe, was hier einer oder
mehrere von den seinigen in Geld sagten, die Zeit.
sagen
Beziehung
andere
in
auf das
Beziehung
auf
Wie vieles ist nicht in dem öffentlichen
Gottesdienste der Christen, bei uns den einen we niger, bei andern mehr, was insofern dieser Hand lung gleicht, daß es ein Ausdrukk der Verehrung deß Gemüths ist, und nur darin seinen Werth hat. Wird es so empfunden, so sind das köstliche Ehren bezeugungen, Zeit
und
könne man
wenn andere sagen, etwas
in dieser
nützlicheres thun für die
Welt, so ist das derselbe Maaßstab, den jene an legten, die alles für die armen wollten angewendet wissen.
Der Erlöser aber was sagt er dazu?
sagt, daß denen, die
beständig
Er
gegenwärtig feien,
immer müsse Genüge gethan werden, nichts desto weniger aber daß auch die großen Verhältnisse des Lebens müßten auf genügende Weise behandelt wer den, die nur in einzelnen theuren nicht wieder zu er langenden Augenblikken hervortreten können.
Was in
8 dieser Beziehung also wahr ist, was sich als AuSdrukk frommer Verehrung bewährt, das hat der Erlöser durch seinen Ausspruch gebilligt und geheiligt. Wenn wir aber bedenken, daß dies ein frohes und festliches Mahl war, bei dem sie hier versammelt waren, so erscheint uns das was der Erlöser sagt auf eine besondere Weise als ein Abschied, den er nahm von der größeren Zahl seiner Jünger, die nicht dem engsten Kreise ange hörten. So redet er auch hier von seinem bevor stehenden Ende mitten unter der wol andächtigen aber auch heitern Geselligkeit des Mahls, aber ohne daß es das Ansehn gewinnt, daß diese wäre gestört worden, wenn gleich allen denen, die ihn innig ver ehrten, doch dies eine bittere Empfindung bereiten mußte. Hat der Erlöser beides wollen von einan der trennen? das können wir hier ganz deutlich mer ken, daß das nicht seine Art ist. Der Gedanke an den Tod, auf welche Weise auch herbeigeführt, er ist uns allen etwas so gewisses, daß er keinen Augenblikk unsers Lebens stören soll; er kann uns in jedem Augenblikk gegenwärtig sein ohne uns weder in der frohen Thätigkeit des Lebens zu stören, noch in der Heiterkeit der Stimmung. Aber wie ist es mit der zweiten Erzählung, wo er mit seinen Jüngern das Osterlamm feiert? Was dabei äußerlich geschah, die Art und Weise wie er ihnen sagte daß sie würden zu der Kenntniß des Or tes kommen, wo er beschloß es mit ihnen zu feiern, ob dies eine Verabredung war oder eine Vorhersagung, ist eine viel zu große Kleinigkeit, als daß wir uns
9 daran halten und eine Untersuchung darüber anstellen sollten: ob es so oder so gewesen, macht für die Sache keinen Unterschied. lung an sich?
Aber was war die Hand
Das Osterfest war das große sich
jährlich wiederholende
Andenken an die Befreiung
des Volks und an die Art und
Weise wie Gott
bestimmt hatte e6 zu lösen von seiner Unterdrükkung. Aus alter Zeit also stammte dieses Fest her, älter als die Gesezgebung sprünglichen
Moses
Anordnungen,
war es eine der ur welche
Gott
für das
Volk stiftete; noch ehe sie etwas von den verheiße nen Wohlthaten genossen hatten, wurde verordnet es zu feiern zum Andenken an den Auszug aus Aegypten. Kurz vorher wie wir wissen hatte der Erlöser über das gesprochen, was seinem Volke bevorstehe, und wir sehen also wie deutlich es ihm war, daß diese ganze Ordnung des alten Bundes, dieses ganze eigenthümliche Zu sammenleben des Volks, wie es durch seinen Aus zug aus Aegypten geworden war, bald ein Ende nehmen sollte.
Aber dessen ungeachtet sagt er, als
er sich niederließ,
Mich hat herzlich verlangt dies
Osterlamm mit euch zu essen. radezu sagt,
Und indem er ge
Dies Osterlamm, sind wir nicht ge
nöthigt oder veranlaßt an die heilige Begründung zu denken, welche er am Ende des Mahles damit verband, sondern er dachte an dieses Fest selbst und seine eigentliche Bestimmung.
Wenn er sagt, es
habe ihn herzlich danach verlangt das Osterlamm mit ihnen zu genießen, so wollte er sich mit ihnen in die alten großen Führungen Gottes mit seinem
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Volke versezen, ungeachtet wir nicht wissen, daß er viel mit ihnen darüber gesprochen. Das war aber auch nicht nöthig, denn es war die herrschende Stimmung, in welcher sich das ganze Volk verei nigte rroz der Spaltungen, in welchen sie sich be fanden. Von weitem her kamen viele um dies Fest zu feiern; die in einer gewissen Nähe von Jerusa lem wohnten, waren verpflichtet es dort zu genießen, die entfernteren kamen, weil das Mahl nur dort in des Heiligthums Nähe in seiner ursprünglichen Einsezung konnte genossen werden. Da war also der Rathschluß Gottes mit seinem Volke und die Art, wie er es zusammenhielt, das allgemeine Ge fühl, welches alle beseelte. War es nun nicht ein Widerspruch im Erlöser, der wußte, es werde bald sein Ende nahen, und doch das Verlangen zeigte das Osterfest zu feiern? Das eben ist eine große Lehre für uns alle, wenn wir an den Streit den ken, der sich in vielen Menschen und dann auch zwischen dem einen und dem andern erhebt; indem es viele Christen giebt, einzeln und in größerer Masse, welche meinen, auf alle andere menschliche Verbindungen, außer derjenigen, welche zum gemein samen Gottesdienste gehöre, sollte man keinen Werth legen; denn alles, was mit den Bedürfnissen der Menschen zusammenhängt, deren erstes Gebot ist, daß sie sollen die Erde beherrschen, scheint ihnen viel zu kleinlich, als daß sie daran sollten ihre Mühe sezen, sie sehen es an als ein Werk der Noth. Wie anders der Erlöser! Er weiß, daß er bald
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scheiden wird aus der Welt, daß auch diese Feier werde bald aufhören, denn so wie das gemeinsame Heiligthum zerstört war, in desten Umkreis allein die Osterlämmer besichtigt und allein bereitet werden durften, so konnte auch das Fest selbst dort nicht mehr in rechter Art begangen werden; er wußte aber, das damalige Geschlecht werde nicht vergehen, ehe das ganze Gebäude würde zerstört werden, und dennoch sagte er, er wolle das Osterlamm essen und herzlich habe ihn danach verlangt! Er wollte aber sich mit diesen Gegenständen noch einmal be schäftigen und durch sein Beispiel auf seine Jünger wirken. Und das war gewiß auch von ihm be wirkt, daß sie hernach sagten, wir die wir an Christum glauben, wissen, daß kein Fleisch vor Gott durch die Werke des Gesezes gerecht wird. Er konnte also auch dieses Fest nicht mehr ansehen in Beziehung darauf, daß auf diesem Volk« allein das göttliche Wohlgefallen ruhte, daß es das Volk sei nes Eigenthums wäre; aber es war sein Volk und dies Fest war die Stiftung zu einem eigenen freien Dasein. Das recht innig zu fühlen, sich dem an gehörig zu wissen, wiewol er gerade von denen verfolgt wurde, die an der Spize der öffentlichen Ordnung standen, das waren wol seine Empfin dungen bei diesem Mahl. So sehen wir, daß bei des nicht zu trennen, sondern auf das innigste mit einander zu vereinigen ist. Wir sind mit ihm verbun den als Christen, im Glauben an ihn, das waren seine Jünger auch schon, als er das Fest feierte;
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aber zugleich war es das Fest der Vereinigung nicht zu dem bestimmten Gottesdienste, sondern das Fest der Art und Weise, wie diese Vereinigung des Volks zu Stande gekommen war, wie Gott ihm anwies das Land zu bewohnen bey seinem Auszug aus dem Lande der Dienstbarkeit, als Gott sich ihm gnädig erwies; und unmittelbar vor seinem Tode war es dem Erlöser nicht zu gering, sich mit diesen Angelegenheiten seines Volkes zu beschäftigen. Aber gehen wir nun zu der dritren Erzählung, zur Einsezung seines heiligen Mahles über, so würde ich, der ich bald endigen soll, noch nicht angefan gen haben, wenn ich dies in seinem ganzen Wesen betrachten wollte. Aber in welchem Verhältniß steht dies zu den beiden andern Erzählungen? Die erste gedenkt des Abschiedsmahles des Herrn, aber in dem größeren Kreise der {einigen; die zweite in der That seines Abschiedsmahles mit den Jüngern, denn im ganzen Volke waren es immer nur kleine Gesellschaften, in welchen das Osterlamm genossen wurde; aber er wollte nun auch zugleich seinen Ab schied feiern von seinen Jüngern, auf die er sich verlassen mußte, indem er ihnen sein großes Werk anvertraute. In jenem Mahle heiligte er durch Beifall solche Handlungen, welche Ausdrükke der Verehrung an ihn bezeichnen, und gewiß, wenn wir darauf zurükkgehen, wird jeder leicht sich sagen, daß sie für jedes einzelne Gemüth fruchtbare und segensreiche Augenblikke seien. Aber was thut er hier, indem er dies Abschiedsmahl hält in dem eng-
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(len Kreis seiner Jünger? Offenbar war dies ein Mahl, wodurch sie zur innigsten Gemeinschaft ver bunden wurden des Lebens und der Bruderliebe, wie unter seinen Jüngern zuerst, so unter allen Menschen gegen einander, und das Innewerden einer solchen Vereinigung unter Menschen ist un streitig besser als die köstlichsten Augenblikke, die ein jeder für sich hat; denn indem er sagt, Solches thut zu meinem Gedächtniß, wollte er sie verbin den zu einer beständigen Tischgenoffenschaft, die im mer seines Andenkens voll sein sollte. Auch war es nicht nur das, sondern er wußte es auch ganz gewiß, daß sie sich nicht würden enthalten können, dabei seines frühern Lebens zu gedenken. Was thun nun die Worte dabey, wir müssen es ja ge stehen, nt. Th., wir wissen nicht einmal mit Sicher heit, was für Worte der Erlöser bei der Einsezung des heiligen Mahles gesprochen hat, da die verschiede nen Erzählungen in den Evangelien und bei Paulus auch verschieden lauten; aber wie sie auch gewesen seien, so war sein Fleisch essen uud sein Blue trinken das wesentlichste dabei, ohne welches es gar nicht statt finden konnte. So legte er ihm die Kraft bei sein Leben mitzutheilen, die unter der Form der innigen Vereinigung aller sich zeigen soll. Wenn wir das bedenken, so müssen wir sagen, es konnte nicht für diejenigen sein, welche seine Wunder ge sehen, welche nur seine Lehre gehört und die Weisheit derselben bewundert hatten, sondern nur für dieje nigen, welche die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes
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vom Vater in ihm erkannten; für diejenigen, die nirgend anders hingehen konnten als zu ihm, weil er die Worte des Lebens besaß, für diese war dieses Mahl bestimmt. Aber finden wir darin nicht auch in der That die ganze volle Stiftung der christlichen Kirche? Was ist sie auf der einen Seite anders als die gemeinsame brüderliche Verei nigung, sich in Beziehung auf das geistige Leben einander mitzutheilen, jeden als sich selbst zu behan deln und zu lieben; aber auf der andern Seite, was ist sie anders als der dadurch vermittelte Umlauf und die Mittheilung seiner geistigen Kraft der Fülle von Gnade und Wahrheit, die wir an ihm haben und die uns immer aufs neue von ihm zuströmt? Vergleichen wir dies mit der zweiten Erzählung von dem Mahl zum Genuß des Osterlamms, so fühlen wir dann schon den Unterschied zwischen dem alten und neuen Bunde, den Unterschied zwischen dem, was freilich ein göttlicher Rathschluß war, aber doch den Unterschied zwischen dem, was seinem Ende entge genging, und dem unvergänglichen, nach dem kein anderes kommen sollte, das aber eben darum nicht an solche bestimmte Form des Lebens gebunden sein konnte, nicht sinnlich sondern ein rein geistiges sein mußte, waS das Leben der Menschen ganz durch dringt und sich in dasselbe hineingestalten soll. Wenn'wir ihn so sehen mit seinem Volke, welchem er sein ganzes irdisches Dasein ausschließlich aber mit geringem Erfolg geweihet hatte, und mit den wenigen, die ihn erkannt hatten und auf ihn ihr
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Leben gegründet, wenn wir ihn so sehen kurz vor seinem Leiden und Tode in allen diesen Erzählun gen, wie könnten wir anders als die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater in ihm erken nen, die immer sich gleich bleibt in Einfachheit und Liebe, auch gegen den, der ihn verrathen wollte und seinen Aufenthalt schon angezeigt hatte. Von wel cher Einfalt des Gemüths war er, von welcher Ungetrübtheit der Seele! wie wenig wurde er durch alles, was fich ereignet hatte, und durch das, was et vorhersah, in der Liebe zu feinem Volke gestört, und wie war er in dem engen Kreis der {einigen ganz auf das geistige Leben mit Gott gerichtet! Darum giebt es wol keine schönere und größere Vorbereitung auf das Leiden des Erlösers als diese lezten Erzählungen, in welchen wir alle seine irdi schen Verhältnisse sehen, aber in ihnen zugleich den, in welchem alles beschlossen ist, und welcher, indem er diesen geistigen Verein der Menschen stiftete, wel cher sich auf ihn gründet, eben darin die Kraft be währt, die ihm einwohnt. Das ist also die Quelle, aus welcher wir zu schöpfen haben, das ist es was wir uns in allen Lebensverhältniffen aneignen sollen: dann werden auch wir solche Ausbrüche der Ver ehrung gegen ihn haben wie Maria, aber auch wür dig sein in dem engen Kreis derer zu leben, die ihn ganz erkennen und in ihm und durch ihn und für ihn leben. Amen.
vorstehende Predigt des unvergeßlichen Schleiermacher erscheint im Druck nach dem Verlangen vieler Mitglieder seiner Gemeine, die bei derselben gegenwärtig waren; aber auch denjenigen, die sie nicht gehört haben, wird sie hoffent lich willkommen sein wegen deö geheimnißvollen prophetischen WehenS, das durch sie hindurchzieht, und wegen der eigen thümlichen bedeutungsvollen Zusammenstellung dieser letzten Worte an seine Gemeine mit seinen Abschiedsworten bei der Austheilung des heiligen Abendsmahls an seine Familie.
Dr. Hoßbach.