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German Pages 221 Year 2008
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 378
Schadensersatz wegen entgangener Erbschaft Zugleich ein Beitrag zum Vorrang der Zuweisung subjektiver Rechte vor der schadensersatzrechtlichen Sanktion
Von Ilka Hüftle
Duncker & Humblot · Berlin
ILKA HÜFTLE
Schadensersatz wegen entgangener Erbschaft
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 378
Schadensersatz wegen entgangener Erbschaft Zugleich ein Beitrag zum Vorrang der Zuweisung subjektiver Rechte vor der schadensersatzrechtlichen Sanktion
Von Ilka Hüftle
asdfghjk Duncker & Humblot _. Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2006 / 2007 als Dissertation angenommen.
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D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12481-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
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In Erinnerung an meinen Bruder Ralph
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen im Wintersemester 2006 / 2007 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Ende 2007 berücksichtigt. Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Gottfried Schiemann, hat die Arbeit angeregt und ihr Gelingen in zahlreichen Gesprächen gefördert. Sie ermöglichten mir nicht nur, die Arbeit rasch fertig zu stellen; auch für meine weitere berufliche Zukunft habe ich aus ihnen sehr viel gelernt. Vor allem meinem Doktorvater möchte ich daher an dieser Stelle ganz herzlich danken. Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Eduard Picker, an dessen Lehrstuhl ich im Jahr 2004 tätig war. Er hat das Zweitgutachten sehr zügig erstellt. Seine wissenschaftliche Arbeit hat meine Überlegungen vielfach geprägt. Mehr als Dank gilt schließlich meinen Eltern, die mir meine akademische Ausbildung ermöglicht und mich bis heute in jeglicher Hinsicht unterstützt und gefördert haben. Stuttgart, im Oktober 2008
Ilka Hüftle
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik in Judikatur und Schrifttum
22
A. Die Beschränkung des Schadensersatzes wegen der Herbeiführung reiner Vermögensschäden im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
I. Die dogmatischen Grundlagen des Vermögensschutzes in der Vertragsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Die kategoriale Zweiteilung des Schadenshaftungsrechts in der Vertragsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
a) Überblick über den Schutz positiver Leistungsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . .
24
b) Überblick über den Schutz negativer Erhaltungsinteressen . . . . . . . . . . . . . . .
25
2. Die Realisierung erweiterten Vermögensschutzes außerhalb vertraglicher Beziehungen über die besondere Integritätshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3. Die dogmatische Strukturierung der Integritätshaftung innerhalb von Vertragsbeziehungen nach den derzeit gängigen Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
a) Die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
aa) Schutzpflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die vertragliche Haftung wegen Mangelfolgeschäden . . . . . . . . . . . . . . .
27 28
b) Die Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis aus Vertrauen oder sozialem Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
aa) Dogmatischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
bb) Hauptunterschiede zur Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten .
29
II. Tendenzen zur Erweiterung des Vermögensschutzes über die Vertragsbeziehung hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
1. Erweiterungen des besonderen Integritätsschutzes der Vertragsbeziehung auf Haftungsbeziehungen außerhalb dieses Bereichs durch die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten sowie die prinzipiell ebenfalls auf die Vertragsbeziehung beschränkte Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
10
Inhaltsverzeichnis b) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
c) Dritthaftung aus culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2. Gesetzlich begründete Drittschutzwirkungen nach einem Teil der Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
B. Die Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall . .
35
I. Die dogmatischen Grundlagen der Testamentsentscheidung des BGH . . . . . . . . . .
36
1. Die Entwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
a) Die Übernahme des vorgefundenen Rechtszustands in der frühen Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
b) Die Haftungsbegründung durch den BGH im Testamentsfall . . . . . . . . . . . . .
39
c) Die weitere Entwicklung des Rechtsinstituts des drittschützenden Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3. Die Kernaussage des BGH in der Testamentsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
II. Die dogmatischen Ansätze des Schrifttums zum Testamentsfall . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Schadensersatz aufgrund einer Verletzung nicht leistungsbezogener Rechtspflichten des Beraters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
a) Schadensersatz nach den Grundsätzen der „Vertretung im Vertrauen“, §§ 164 ff. BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
b) Sonderhaftung bei Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
c) Haftung wegen Verletzung vermögensschützender Verkehrspflichten . . . .
46
2. Haftung des Rechtsanwalts gegenüber der enttäuschten Erbin in Höhe der entgangenen Erbschaft aufgrund einer Verletzung der den Berater treffenden rechtsgeschäftlichen Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
a) Die enttäuschte Erbin als Mitgläubigerin des Anwaltsvertrages . . . . . . . . . .
47
b) Echter Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
c) Besonderer Fall der Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
3. Die Kernaussage der dargestellten Literaturstimmen zur Testamentsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
C. Prinzipiell abweichende Ansätze zur Testamentsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Kein Ersatzanspruch mangels zerstörter Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Inhaltsverzeichnis
11
2. Teil Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs: Das Erfordernis einer Verletzung eines dem Geschädigten zugewiesenen Rechts als Ausfluss von Ausgleichsprinzip und Bereicherungsverbot
57
A. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung über die Zuweisung subjektiver Rechte zur Bestimmung der für die Differenzhypothese relevanten Vermögenslagen . . . . .
57
I. Die traditionelle Feststellung eines primären Vermögensschadens in (scheinbar) rein „rechnerischer“ Weise nach der Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
1. Die Lösung des BGH im Testamentsfall und der dieser Entscheidung zustimmenden Literatur durch eine Gesamtvermögensrechnung . . . . . . . . . . . . . . .
58
2. Die traditionelle Bestimmung eines Vermögensschadens in rein rechnerischer Weise nach der Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
II. Die hinter den scheinbaren Rechenaufgaben stehenden Wertungen der Differenzhypothese als Leitprinzipien des Schadensersatzrechts – Die daraus folgende Abkehr von dem Verständnis des Schadens als abstrakte Rechengröße . . . . . .
61
1. Aussagen und Verdienste von Mommsens Interessenlehre: Ausgleichsprinzip und Totalreparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
2. Die daraus folgende Verfehltheit der Kritik an der Differenzhypothese . . . . . .
64
III. Die aus Ausgleichsprinzip und Bereicherungsverbot für einen Schadensersatzanspruch folgende Prämisse der Verletzung eines dem Geschädigten zugewiesenen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
1. Schadensersatz als Ausgleich für die Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
2. Die Abhängigkeit der Differenzrechnung von der Rechtszuweisung . . . . . . . . . .
68
a) Die überlieferte Privatrechtsordnung als eine Ordnung der Zuweisung von subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
b) Die „moderne“ Kritik am tradierten bürgerlichrechtlichen Systemaufbau
72
c) Das subjektive Recht als der zentrale Begriff des Privatrechts . . . . . . . . . . . .
75
d) Der aus der Zuweisungsfunktion der Rechtsordnung folgende Vorrang der Zuordnungsentscheidung vor dem Schutz des zugewiesenen Rechts . . . . . . .
78
Ergebnis Teil A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden subjektiven Rechte und die gesetzlichen Mechanismen ihrer Zuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
I. Damnum emergens: Verletzung eines zugewiesenen Rechts an einem vermögenswerten Rechtsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
12
Inhaltsverzeichnis 1. Rechte an Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
a) Die Zuweisung von Rechten an Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
aa) Die Zuordnung der in § 823 I BGB genannten absoluten Rechte durch das BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
bb) Der schrittweise Prozess der Gestaltwerdung weiterer absoluter Rechte als sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . .
84
cc) Die Zuordnung der im BGB nicht geregelten Immaterialgüterrechte
86
b) Die in den absoluten und relativen Rechten als Bündel zusammengefassten Einzelrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
2. Rechte am Vermögen als Summe aller vermögenswerten Gegenstände eines Rechtssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
II. Lucrum cessans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
1. Verletzung eines zugewiesenen Rechts auf Gewinn als Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
2. Die Inkonsistenz der entgegengesetzten Auffassung von H. A. Fischer und Münzberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Die Mechanismen der Zuweisung eines Rechts auf Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
a) Recht auf Gewinn als Inhalt eines absoluten oder relativen Rechts . . . . . . .
98
b) Zuweisung eines Rechts auf Gewinn durch Verbots- oder Schutzgesetz . .
99
4. Aus der Rechtsordnung zu folgernde zwingende Versagung eines Rechts auf Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
a) Die Ersatzfähigkeit von nur unter Verletzung von Verbotsgesetzen oder Rechten Dritter erzielbaren Gewinnen in Literatur und Rechtsprechung . . 100 b) Die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (§§ 134, 138 BGB) als ungeeignetes Kriterium zur Versagung eines Rechts auf Gewinn . . . . . 103 c) Widerspruch zur Rechts(zuweisungs)ordnung als alleiniges Kriterium für die Versagung eines Rechts auf Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Verstoß gegen Verbotsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (2) Verbote mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Die Erforderlichkeit der Gleichbehandlung von rechts- und sittenwidrig erzielten Gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Die Behandlung entgangener sittenwidriger Gewinne in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Das geltend gemachte Recht auf Gewinn ist einem Dritten zugewiesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Inhaltsverzeichnis
13
(1) Gewinnerzielung unter Verletzung eines Rechts auf Gewinn, welches im Verhältnis zum Schädiger einem Dritten zugewiesen ist . . 114 (2) Irrelevanz des relativen Rechts eines Dritten für die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn an den Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Die Einordnung der Schutzzwecklehre in das dargestellte Lösungskonzept vom Recht auf Gewinn am Beispiel von BGH JZ 1969, 702 ff. . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Teil Die Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
119
A. Kein sonstiges Recht eines intendierten Erben vor dem Erbfall an der Erbschaft oder auf Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Gesetzliche Zuweisung des Nachlasses an den Erblasser bis zum Erbfall . . . . . . . 120 1. Kein Recht an der Erbschaft vor dem Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Das Prinzip der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Keine Rechtswirkungen des Erbrechts vor dem Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Die Freiheit des erbvertraglich gebundenen Erblassers, unter Lebenden zu verfügen (§ 2286 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Kein Recht auf Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Kein Recht auf Gewinn aus einem absoluten Recht des künftigen Erben oder einem Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Die fehlende Einsatzentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft gegenüber dem Rechtsanwalt im Testamentsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft aus einem eventuellen eigenen Anspruch auf Beratung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Der Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen Erblasser und Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Mögliche Gläubigerstellung der enttäuschten Erbin im Sinne von § 328 oder § 432 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Keine Leistungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber der enttäuschten Erbin auf Verschaffung der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Inhalt des Leistungsversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Unwirksamkeit eines eventuellen Garantieversprechens auf Zufluss der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Beratung des Erblassers als möglicher Inhalt eines relativen Rechts der enttäuschten Erbin aus dem Beratungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
14
Inhaltsverzeichnis 2. Inhalt eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Beratungspflicht gegenüber der enttäuschten Erbin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Mangels relativer Zuweisung der Erbschaft resultiert aus der Verletzung der Beratungspflicht nicht der Ersatz der entgangenen Erbschaft . . . . . . . . . 133 b) Die Unanwendbarkeit der Lehre von den „Leistungspflichten mit Schutzzweck“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Schutz des Erwerbsinteresses der Tochter als Inhalt eines echten Vertrages zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Die Folge der Zuerkennung vertraglichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Der Inhalt des vertraglichen Rechts auf Schutz des Erwerbsinteresses . . . . . . . 138 3. Unwirksamkeit eines solchen Versprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Kein relatives Recht auf Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 IV. Ergebnis: Kein Ersatzanspruch der enttäuschten Erbin in Höhe der entgangenen Erbschaft als positives Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
C. Konsequenz: Die Inkonsistenz der BGH-Lösung im Testamentsfall . . . . . . . . . . . . . 140 I. Pönalisierung des Schädigerverhaltens bei Ersatz der entgangenen Erbschaft ohne vorangegangene Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Pönalisierungseffekt in der Testamentsfallentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Die Unvereinbarkeit einer Pönalisierung mit den Prinzipien des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Ausdrückliche Verwerfung des Pönalisierungsgedankens durch die Gesetzgeber des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Ausschluss des Pönalisierungsgedankens als primäres Ziel des Schadensersatzes durch das Ausgleichsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Exkurs: Haftung und Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Kollektivierung des Schadensersatzes durch Versicherungsleistungen . . . . 145 b) Unvereinbarkeit einer Rückwirkung der Haftpflichtversicherung mit dem aus dem Ausgleichsprinzip folgenden Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Rückwirkung der Zahlungspflicht von Haftpflichtversicherungen auf die Haftung von Rechtsanwälten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Die „lachenden Doppelerben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Doppelte Zuweisung der Erbschaft durch Anerkennung eines kondiktionsfesten Erwerbs der profitierenden Miterbin mit gleichzeitiger schadensrechtlicher Korrektur zugunsten der Klägerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Inhaltsverzeichnis
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2. Die aus der zweifachen Zuweisung folgende Widersprüchlichkeit der BGHLösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Inkonsistenz einer bereicherungsrechtlichen Lösung zugunsten der enttäuschten Erbin zur Vermeidung von Pönalisierung und doppelter Zuweisung . . . . . . . . . . . . 151 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D. Exkurs: Die Unvereinbarkeit eines Erbrechts kraft „besseren Erblasserwillens“ mit den erbrechtlichen Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ in den gesetzlich geregelten Fällen verhilft gerade nur formwirksamen Erklärungen oder der gesetzlichen Erbfolge zur Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen (§§ 2078, 2279, 2281 BGB) . . . 153 2. Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 – 2336 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Rücktritt von vertragsmäßigen Verfügungen oder Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Klare Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen formlos geäußerten Erblasserwillen als Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Zweck der erbrechtlichen Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Kein Rechtsmissbrauch bei Beharren auf den Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . 155 3. Vergleich mit den Ausnahmen von § 125 Satz 1 BGB bei der Hoferbenbestimmung durch formlosen Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Fehlende Vergleichbarkeit der Hoferbenfälle mit dem Testamentsfall . . . . 158 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Teil Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
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A. Abgrenzung des Testamentsfalles und ähnlicher Fallgestaltungen zu Fällen sonstiger Berufshaftung mit selbstschädigender Vermögensdisposition . . . . . . . . . . 161 I. Die Gutachterhaftung von Sachverständigen, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Beratungshaftung gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
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Inhaltsverzeichnis 1. Die Beratung durch Notare und Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Die spezialgesetzlich normierte Haftung von Notaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Die Dritthaftung von Rechtsanwälten nach h. M. aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Das Fehlen einer selbstschädigenden Vermögensdisposition des Dritten als entscheidendes Differenzierungskriterium zwischen dem Testamentsfall und solchen sonstiger Berufshaftung gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Beratungsfälle mit selbstschädigender Vermögensdisposition . . . . . . . . . . . . 165 b) Beratungsfälle ohne selbstschädigende Vermögensdisposition . . . . . . . . . . . 166
B. Notwendige Gleichbehandlung von Nicht- und Schlechterfüllung der Leistungspflicht durch den Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Darstellung der Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Entgangene Erbschaft wegen Unwirksamkeit eines späteren Testaments (BGH NJW 1995, 51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Geringere Erbschaft aufgrund eines ungünstigen Testaments (BGH NJW 1995, 2551) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Geringere Erbschaft eines künftigen Erben wegen nicht erfolgreicher Ehelichkeitsanfechtung (OLG Hamm MDR 1986, 1026) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Die Irrelevanz der Differenzierung zwischen Schlecht- und Nichtleistung im Testamentsfall und den dargestellten Fällen der Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Die grundsätzliche Ungleichbehandlung von Schlecht- und Nichterfüllung auf der Primärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Die Prämisse der Verletzung eines subjektiven Rechts ist in den Fällen der Schlechtleistung ebenso wenig erfüllt wie im Testamentsfall . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C. Notwendige Gleichbehandlung von Amts- und Anwaltshaftung wegen entgangener Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Darstellung der Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Entgangene Erbschaft wegen Formnichtigkeit letztwilliger Verfügungen durch Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) RG Boschers Zeitschrift 1888, 130: Amtshaftung nach gemeinem Recht in Höhe der entgangenen Erbschaft als lucrum cessans unter Hinweis auf das römische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Sachverhalt und Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Inkonsistenz der Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Inhaltsverzeichnis
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b) Formnichtigkeit eines Nottestaments aufgrund einer Amtspflichtverletzung des Bürgermeisters (BGH NJW 1956, 260) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Entgangene Erbschaft wegen Unwirksamkeit eines späteren Testaments durch Amtspflichtverletzung eines Notars (BGHZ 31, 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Amtshaftung von Notaren wegen schuldhafter Verursachung der Formnichtigkeit eines Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Unwirksamkeit eines Erbverzichts wegen unzureichender Beurkundung (RG JW 1909, 139) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Feststellungsklage eines Abkömmlings des Erblassers vor dem Erbfall hinsichtlich einer Amtshaftung des beurkundenden Notars (BGH NJW 1996, 1062) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Geringere Erbschaft aufgrund ungünstigen Testaments durch unvollständige Beratung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Verlust von Gesellschaftsanteilen durch fehlerhafte Beratung (BGH NJW 2002, 2787) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Versäumte Beratung über das weiter bestehende gesetzliche Erbrecht der leiblichen Verwandten eines adoptierten Kindes (BGHZ 58, 343) . . . . . . . . 185 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 D. Identische Problematik bei der Geltendmachung originärer Ersatzansprüche von Erben aus § 826 BGB auf Übereignung eines vom Erblasser verschenkten Gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Ansprüchen der gesetzlichen Erbin aus § 826 BGB gegen die beschenkte Geliebte des Erblassers (RGZ 111, 151) . . 188 1. Die Position des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Die Widersprüchlichkeit der vom Reichsgericht eingenommenen Position . . 189 a) Widerspruch zur rechtlichen Stellung eines Erben vor dem Erbfall . . . . . . . 189 b) Widerspruch zu den Wertungen des nach Ansicht des Reichsgerichts anwendbaren § 817 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Geltendmachung eines derivativen Anspruchs durch die Klägerin . . . 190 bb) Mitverschulden des Erblassers, § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Vergleich mit der übrigen in RGZ 111, 151 zitierten, reichsgerichtlichen Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit tatsächlicher Erwerbsaussichten . . . . . . . . 191 II. Die (anfängliche) Fortsetzung dieser Rechtsprechung durch den BGH . . . . . . . . . . 193 III. Rechtsprechung und Literatur zur Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
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Inhaltsverzeichnis 1. Die heutige Rechtsprechung zur Nichtanwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Die Leitentscheidung des BGH in BGHZ 108, 73 zur Nichtanwendbarkeit von § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Widersprüche in der Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Divergierende Literaturmeinungen zur Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Ältere Literaturansichten für die Anwendbarkeit von § 826 BGB . . . . . . . . 197 b) Für die Anwendung von § 826 BGB in eklatanten Fällen bzw. differenzierende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Gegen die Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB . . . 199 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Einleitung Die ständige Rechtsprechung gewährt einen Schadensersatzanspruch, wenn ein erbrechtlicher Vorteil in Gestalt einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils nicht oder nur teilweise zufließt, weil der Rechtsanwalt, Notar oder sonstige Berater des Erblassers seine Beratungspflichten nicht oder schlecht erfüllte. Sie richtet diesen Schadensersatzanspruch gegen den Berater auf Zahlung eines Geldausgleichs in Höhe des entgangenen Vorteils1. Die Urteilsbegründungen konzentrieren sich für die Haftung von Rechtsanwälten auf die im deutschen Recht problematische und viel erörterte2 dogmatische Herleitung der Dritthaftung für primäre Vermögensschäden3, die die Gerichte vor allem über die Einbeziehung des Anspruchstellers in den Schutz des Beratungsvertrags zu begründen suchen4. Da die Haftung von Amtsträgern, etwa von Notaren, in § 839 I 1 BGB bzw. § 19 I 1 BNotO speziell geregelt ist und auch auf Vermögensschäden Dritter für anwendbar gehalten wird5, scheint dagegen bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung, die kausal für den Entgang eines erbrechtlichen Vermögensvorteils war, ein Ersatzanspruch unproblematisch gegeben zu sein: Die Erörterungen der Gerichte beschränken sich in solchen Konstellationen auf die Frage, ob die verletzten Amtspflichten auch gegenüber den Anspruchstellern galten und diese Dritte i. S. d. § 839 I 1 BGB oder „andere“ gemäß § 19 I 1 BNotO sind6. Soweit dies bejaht wurde, hatte die Amtspflichtverletzung ohne weiteres die Haftung des Amtsträgers zur Folge. Neben dieser, immer wieder diskutierten dogmatischen Begründung einer Haftungsbeziehung, aus der sich ein Schutz vor primären Vermögensschäden ergeben kann, stellt sich jedoch vor allem und zuallererst die – in erstaunlichem Gegensatz zu der bisher genannten kaum erörterte – Frage, ob dem enttäuschten Erben durch 1 Zur Haftung von Rechtsanwälten vgl. BGH JZ 1966, 141; BGH NJW 1995, 51, 2551; OLG Hamm MDR 1986, 1026; zur Amtshaftung von Notaren vgl. RG JW 1909, 139; BGHZ 31, 5; BGHZ 58, 343; BGH NJW 1996, 1062; BGH NJW 2002, 2787; zur Amtshaftung eines Bürgermeisters siehe BGH NJW 1956, 260. 2 Dazu sogleich unten Teil 1. 3 So vor allem im sog. „Testamentsfall“ BGH JZ 1966, 141 für die Anwaltshaftung. 4 Vgl. BGH NJW 1995, 2551, 2552; OLG Hamm MDR 1986, 1026, 1027, die hinsichtlich der dogmatischen Begründung der Dritthaftung für primäre Vermögensschäden auf den Testamentsfall verweisen. 5 Dazu unten Teil 4 A. II. 1. und C. 6 BGHZ 31, 5, 10 f.; BGHZ 58, 343, 352 f.; BGH NJW 1996, 1062, 1064; RG JW 1909, 139, 140.
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Einleitung
eine schädigende Handlung vor dem Erbfall überhaupt ein ersatzfähiger Schaden in Höhe des entgangenen erbrechtlichen Vorteils entstehen kann, weil eine Erbschaft gemäß § 1922 I BGB erst mit dem Erbfall auf den Erben übergeht und erst in diesem Moment die schuldrechtlichen Ansprüche von Vermächtnisnehmern und Pflichtteilsberechtigten gegenüber einem Erben begründet werden können. Im Moment der „Schädigung“ dagegen befindet sich der Nachlass noch im Vermögen des Erblassers. Die „schädigende“ Handlung des Beraters kann – so scheint daraus gefolgert werden zu müssen – nicht zu einer Einbuße im bereits vorhandenen Vermögen desjenigen führen, dem der intendierte erbrechtliche Vorteil später nicht oder nur teilweise zufloss. Überlegungen, ob überhaupt der Entgang eines erbrechtlichen Vorteils einen ersatzfähigen Schaden darstellen kann, sucht man in all den Urteilen jedoch vergeblich7. Das erstaunt, wäre doch unabhängig davon, ob die viel erörterte Haftungsbeziehung zum Schutz primärer Vermögensschäden angenommen werden kann, eine Haftung des Beraters auf Schadensersatz zu verneinen, wenn es am ersatzfähigen Schaden fehlt. Die praktische Bedeutung des Themas und die geringe Beachtung der zuletzt angesprochenen Schadensproblematik wird exemplarisch deutlich an dem bekannten und viel diskutierten „Testamentsfall“ des Bundesgerichtshofs8: Dort beabsichtigte der Erblasser die Errichtung eines Testaments, wonach die Tochter des Erblassers Alleinerbin werden und eine Enkelin ein Vermächtnis erhalten sollte. Zu diesem Zweck zog die Tochter des Erblassers und spätere Klägerin auf Wunsch ihres kranken Vaters einen schon früher mehrfach von dem Erblasser konsultierten Rechtsanwalt hinzu. Nachdem der Erblasser die Errichtung eines eigenhändigen Testamentes abgelehnt hatte, notierte sich der Anwalt den gewünschten Testamentsinhalt und versprach, alsbald mit einem Notar wiederzukommen, um das Testament zu beurkunden. In der Folgezeit erinnerten Klägerin und Erblasser mehrmals den Beklagten und wiesen auf die Dringlichkeit der Beurkundung hin. Zweimal wurden hierzu vereinbarte Termine seitens des Anwalts abgesagt. Kurz darauf verstarb der Erblasser plötzlich. Die Tochter verklagte daraufhin den Rechtsanwalt auf Schadensersatz, weil sie nicht allein, sondern nur zur Hälfte erbte, während die andere Hälfte ihrer Nichte zufiel. Die Klägerin obsiegte in voller Höhe und erhielt Schadensersatz in Höhe der entgangenen Erbschaft. Das Gericht ließ offen, ob eine Einordnung „in die Gruppe der Verträge mit Schutzwirkung so, wie sie verstanden wird“9, möglich sei. Zwar war nach Ansicht des Gerichts scha7 Eine umfassende Erörterung dieser Problematik findet sich lediglich in einem Urteil des OLG Stuttgart aus dem Jahre 1888 und damit vor Inkrafttreten des BGB (vgl. Boschers Zeitschrift 1888, 97). Auch das OLG Stuttgart gewährte aber gleichwohl einem enttäuschten Erben einen Schadensersatzanspruch gegen einen Richter, der bei der Errichtung eines Testaments eine Amtspflicht verletzte, welche kausal für die Formnichtigkeit eines Testaments war, das den späteren Kläger begünstigte. Das RG bestätigte das Urteil des OLG Stuttgart (vgl. Boschers Zeitschrift 1888, 130). 8 BGH JZ 1966, 141. 9 BGH JZ 1966, 141, 142.
Einleitung
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densursächlich nicht die Verletzung einer Verhaltens-, sondern die Verletzung einer Leistungspflicht. Doch hindere dies nicht schon grundsätzlich, einem am Vertrag nicht beteiligten Dritten den Schaden zu ersetzen, der ihm wegen nicht zeitgerechter Leistung entstanden ist10. Da der Klägerin nach Ansicht des BGH ein Anspruch aus drittschützendem Vertrag zuzuerkennen war, bejahte das Gericht ohne weiteres den geltend gemachten Anspruch. Auch die literarischen Stimmen zum Testamentsfall setzen aufgrund eines auch allgemein verbreiteten Denkens in Anspruchsgrundlagen nahezu durchgängig bei der Suche nach einer Anspruchsgrundlage an und gehen – meist aufgrund einer rein mechanischen Differenzrechnung – ganz selbstverständlich davon aus, dass im Falle der dogmatischen Begründbarkeit einer Haftungsbeziehung auch automatisch ein Schaden vorliege, der ohne weiteres einen Schadensersatzanspruch zur Folge habe11. Diesem Vorgehen tritt die vorgelegte Arbeit grundsätzlich entgegen. Ausgehend von einem Denken des geltenden Rechts in zugewiesenen Rechtspositionen und daraus folgenden Schutzansprüchen verfolgt sie den umgekehrten Ansatz. Dessen Ausgangspunkt ist die Verletzung eines subjektiven Rechts des Anspruchstellers als Prämisse jedes Schadensersatzanspruchs12. Grundlage dieser Prämisse ist die Rechtszuweisungsfunktion des bürgerlichen Rechts13, die als Grundlage für die These herangezogen wird, dass Prämisse eines jeden Schadensersatzanspruchs, also auch für den Ersatz des entgangenen Gewinns, die Verletzung eines subjektiven Rechts ist14. Die Technik der Zuweisung von subjektiven Rechten wird näher dargelegt15. Die hieraus folgenden Erkenntnisse werden auf den Testamentsfall übertragen, indem untersucht wird, ob aufgrund der dargestellten Zuweisungsmechanismen ein subjektives Recht hinsichtlich eines erbrechtlichen Vorteils vorliegen kann16. Die Arbeit versucht so, eine am System des bürgerlichen Rechts orientierte Lösung für den Testamentsfall und Parallelfälle zu entwickeln. Im letzten Teil der Arbeit werden die anhand des Testamentsfalls gewonnenen Ergebnisse auf weitere praktische Fälle des Schadensersatzes wegen entgangener erbrechtlicher Vorteile übertragen17. Zugleich werden ähnliche, rechtlich jedoch anders gelagerte Konstellationen von den hier erörterten abgegrenzt18.
BGH JZ 1966, 141, 142. Teil 1 C. 12 Teil 2 A. 13 Teil 2 A. 14 Teil 2 B. 15 Teil 2 B. 16 Teil 3. 17 Anwaltshaftung (Teil 4 B.), Amtshaftung (Teil 4 C.) und Ansprüche aus § 826 BGB (Teil 4 D.). 18 Vgl. die Abgrenzung etwa zur Gutachterhaftung unten Teil 4 A. 10 11
1. Teil
Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik in Judikatur und Schrifttum In den einleitenden Bemerkungen klang bereits an, dass die Rechtsprechung wie die sie verarbeitende Literatur die zentrale Problematik der hier interessierenden Konstellationen, für die der Testamentsfall paradigmatisch ist, in der Begründung einer Haftungsbeziehung erblickte, genauer: in dem Auffinden einer Anspruchsgrundlage, die einen Schadensersatzanspruch tragen konnte. Aus einer solchen Grundlage, war sie nur erst gefunden, meinte man, die Haftung auf Ersatz des entgangenen Vorteils sodann ohne weiteres deduzieren zu können. Von dieser Vorstellung unterscheidet sich, wie schon erwähnt, die hier verfochtene Vorgehensweise kategorial. Dies wird deutlich aus einer Gegenüberstellung der hier gewählten Perspektive mit der von den herrschenden Auffassungen praktizierten Methode der Problemerörterung. Um sie später mit unserem Ansatz konfrontieren zu können, sind deshalb zunächst die gängigen Thesen und Begründungsmuster vorzustellen, mit denen verbreitet eine Haftungsbeziehung zwischen dem Berater und dem vermeintlich Geschädigten begründet wird, der um seinen erhofften erbrechtlichen Vorteil gebracht wurde1. Dabei werden zugleich aber auch – allerdings vereinzelte – Gegenstimmen zur Sprache kommen2, die Einwände gegen die herrschenden Auffassungen formulieren, die sich – wie später ebenfalls noch deutlich werden wird – mit den hier erhobenen teilweise decken.
A. Die Beschränkung des Schadensersatzes wegen der Herbeiführung reiner Vermögensschäden im deutschen Recht Die danach zunächst zu skizzierende und von den herrschenden Auffassungen in das Zentrum ihrer Überlegungen zum Testamentsfall und vergleichbaren Konstel1 Der hier vertretene Ansatz wird im Übrigen zugleich deutlich machen, inwieweit die von den herrschenden Auffassungen für entscheidend gehaltenen Rechtsfragen zur Bewältigung von Konstellationen wie dem Testamentsfall in Wirklichkeit gar nicht erheblich sind. 2 Insbesondere Zimmermann, FamRZ 1980, 99; ders., ZEuP 4 (1996), 672.
A. Die Beschränkung des Schadensersatzes
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lationen gerückte Problematik der Begründung einer Haftungsbeziehung zwischen dem Berater und dem vermeintlich Geschädigten, der um seinen erhofften erbrechtlichen Vorteil gebracht wurde, stellt die herrschenden Auffassungen vor erhebliche Probleme. Diese resultieren im Wesentlichen aus der hier zunächst überblicksartig zu skizzierenden prinzipiellen Beschränkung des Schadensersatzes wegen der Herbeiführung reiner Vermögensschäden im deutschen Recht. Dieses erkennt im Recht der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB) eine solche Haftung grundsätzlich nicht an, sondern nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 823 II, 826 BGB. Uneingeschränkt zu ersetzen sind Vermögensschäden, die auf ein als rechtswidrig zu qualifizierendes und von dem Schädiger im Sinne des § 276 BGB zu vertretendes Verhalten zurückgehen, nur innerhalb von Vertragsbeziehungen; dies war schon vor der Schuldrechtsmodernisierung anerkannt und entsprach geradezu einer zeitlosen Rechtsüberzeugung3 und hat in dem durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz4 neu gefassten § 280 I BGB mittlerweile gesetzliche Anerkennung gefunden. Nicht diese Anerkennung ist mithin für die Haftungsbeziehung zwischen den Partnern eines Schuldvertrags heute umstritten und problematisch, sondern allein die Frage, ob und inwieweit ein derartiger Vermögensschutz auch außerhalb echter Vertragsbeziehungen anzuerkennen sei. Gerade dies war auch im Testamentsfall und den verwandten Konstellationen fraglich. Bevor allerdings auf den Diskussionsstand in diesen Konstellationen näher einzugehen ist5, ist zunächst die dogmatische Grundlage einer solchen Haftung für Vermögensverletzungen innerhalb von Vertragsbeziehungen näher zu strukturieren6, weil die heikle Frage des nichtdeliktischen Vermögensschutzes außerhalb der Vertragsbeziehung die Einsicht in die dogmatischen Strukturen voraussetzt, mit denen eine solche Haftung zwischen den Partnern eines Vertrags heute gemeinhin begründet wird. Erst anschließend kann deshalb überblicksartig verdeutlicht werden, inwieweit in der gegenwärtigen Rechtspraxis eine culpa-Haftung für Vermögensschäden außerhalb von Vertragsbeziehungen diskutiert wird7, womit eine tragfähige Grundlage für die Untersuchung des Testamentsfalls und der vergleichbaren Konstellationen gelegt ist.
I. Die dogmatischen Grundlagen des Vermögensschutzes in der Vertragsbeziehung Zunächst also sei die dogmatische Grundlage der Haftung für Vermögensverletzungen innerhalb von Vertragsbeziehungen näher beleuchtet. 3 4 5 6 7
Zu den historischen Grundlagen etwa Picker, AcP 183 (1983), 369, 452 ff. Vom 26. November 2001; BGBl. I, S. 3138. Unten unter B. Nachfolgend unter A. I. Unten unter A. II.
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
1. Die kategoriale Zweiteilung des Schadenshaftungsrechts in der Vertragsbeziehung Die Haftung für Vermögensschäden in der Vertragsbeziehung bildet einen Ausschnitt des „Schadenshaftungsrechts in der Sonderverbindung“8. Dieses ist – entsprechend den im Einzelnen zu unterscheidenden Kategorien von Rechtspositionen der Partner – näher zu unterteilen einerseits in die Haftung wegen Verletzung der rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten, im Kern also der vertraglichen Leistungspflichten (Schutz positiver Leistungsinteressen), sowie andererseits in die Haftung wegen der Verletzung eines der sonstigen, den Partnern schon vor Entstehung der vertraglichen Bindung und deshalb unabhängig von ihr zugeordneten Rechten und Rechtsgütern (Schutz negativer Erhaltungsinteressen, genannt auch Bestands- oder Integritätsinteressen)9. Dieser Unterscheidung „wesensverschiedener Schutzgegenstände“ des Leistungsstörungsrechts10 bzw. des entsprechenden Pflichtenprogramms kommt zentrale Bedeutung zu für die Systematik des in §§ 280 ff. BGB verankerten Haftungskonzepts ebenso wie im Übrigen auch (darauf sei hier nur schon vorab hingewiesen) für die verschiedenen Ansätze zur Lösung des Testamentsfalls11 und das später12 dargestellte eigene Lösungskonzept. a) Überblick über den Schutz positiver Leistungsinteressen Das Versprechen eines Vertragspartners, eine vereinbarte Leistung zu erbringen, begründet durch relative Zuordnung neue subjektive Rechte des Leistungsgläubigers13. Diese inter partes in Geltung gesetzte Veränderung der Zuweisung subjektiver Rechte findet ihre materiale Grundlage im Willen der Vertragsparteien (sog. Willensdogma)14. Aus den vertraglich begründeten relativen Rechten resultieren spiegelbildliche Leistungspflichten i.S. des § 241 I BGB, die nicht dem Schutz des bereits bestehenden sonstigen Gläubigervermögens, sondern dessen Aufstockung Überblick hierzu zuletzt bei Katzenstein, Jura 2004, 584 ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden eingehend nur etwa Katzenstein, Jura 2004, 584 ff. Zur grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Leistungs- und Erhaltungsinteressen des Gläubigers und den spiegelbildlichen Leistungs- und Erhaltungspflichten des Schuldners etwa schon Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 27 ff.; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 162 f.; früher schon v. Tuhr, Der Allgemeine Teil Bd. 1, S. 246 f.; Savigny, System des heutigen Römischen Rechts Bd. 5, S. 107 ff. Ferner etwa Picker, AcP 183 (1983), 369 ff., besonders S. 393 ff., S. 460 ff.; Wilhelm, FG Flume, S. 301, 340; zum Kaufrecht Flume, AcP 193 (1993), 89, 108 ff. 10 So anschaulich etwa Richardi, NZA 2002, 1004, 1009 f. 11 Unten B. II. und C. 12 Unten Teil 2 und 3. 13 Zur Funktion der schuldrechtlichen Obligation, insbesondere des Vertrages als Mittel der Zuweisung subjektiver Rechtspositionen unten Teil 2 III. 2. a) bb). 14 Vgl. Teil 2 III. 2. a) bb). Zum Willensdogma eingehend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 94 und passim. 8 9
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dienen. Erfüllt der Leistungsschuldner die vertragliche Leistungspflicht zurechenbarrechtswidrig nicht und verletzt so also das relative Recht des Leistungsgläubigers, hat dies die sekundäre Verpflichtung zur Leistung des auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatzes zur Folge. Hierfür gelten schon nach der ursprünglichen Konzeption des BGB die Regeln des vertraglichen Schadensersatzes15. b) Überblick über den Schutz negativer Erhaltungsinteressen Neben diesem Schadensersatz gerichtet auf das positive Interesse wegen Verletzung relativer Rechte gewährt die herrschende Ansicht innerhalb des Vertragsverhältnisses unabhängig von den durch das vertragliche Schuldverhältnis entstandenen relativen Rechten Schadensersatz nach Vertragsgrundsätzen gerichtet auf das Erhaltungsinteresse. Dabei handelt es sich um den Ersatz von Schäden wegen Verletzung von solchen (Vermögens-)Rechten, die dem Gläubiger bereits vor und unabhängig von dem Vertrag zugewiesen waren. Die Schäden entstehen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen oder der Abwicklung der vertraglichen Bindung, sei es, dass eine mangelhafte und für die übrigen Rechtspositionen des Gläubigers daher gefährliche Leistung zum Schaden führt (sog. Mangelfolgeschäden), sei es, dass die Schädigung nur anlässlich des geschäftlichen Kontakts eintritt, auf den sich die Partner eingelassen haben (sog. Begleitschäden). Entsprechend dem für Verletzungen primärer Leistungspflichten geltenden Sanktionssystem genießt der Vertragspartner unter anderem schadensrechtlichen Schutz auch wegen bloßer Vermögensverletzungen, und der Schädiger hat nach § 278 BGB für seine Hilfspersonen einzustehen.
2. Die Realisierung erweiterten Vermögensschutzes außerhalb vertraglicher Beziehungen über die besondere Integritätshaftung Unterschiedlich ist in den beiden Kategorien – so das erste Ergebnis – die jeweils geschützte Rechtsposition: Während der Schutz positiver Leistungsinteressen der Unversehrtheit der durch den Vertrag geschaffenen relativen Rechte dient, schützt die Integritätshaftung die unabhängig von der rechtsgeschäftlichen Bindung bestehenden vermögensmäßigen Interessen der Partner. Sie bewirkt damit insbesondere den hier interessierenden umfassenden Vermögensschutz, der über das Maß des Deliktsrechts hinausreicht. Für die an dieser Stelle interessierende Frage der Erweiterung des innerhalb der Vertragsbeziehung geltenden nichtdeliktischen Vermögensschutzes auf Haftungsbeziehungen außerhalb der eigentlichen vertraglichen Beziehung ist allein die 15 Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Staudinger-Schmidt, 13. Auflage 1995, § 242 Rn. 839 f. m. w. N.
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
zweite der angesprochenen Kategorien der Haftung in Vertragsbeziehungen von Interesse: Der Schutz positiver Leistungsinteressen setzt schon per definitionem voraus, dass rechtsgeschäftliche Leistungspflichten zwischen den Partnern der Haftungsbeziehung bestehen, weshalb die Anerkennung derartigen Haftungsschutzes außerhalb der Vertragsbeziehung ausscheidet und zu Recht auch nirgends erwogen wird. Demgegenüber richtet sich die Integritätshaftung auf den Schutz der unabhängig von der rechtsgeschäftlichen Beziehung bestehenden Rechte und Rechtsgüter. Eine Erweiterung des Schutzes über die eigentliche Vertragsbeziehung hinaus ist daher durchaus zu erwägen. Sie ist sogar zwangsläufig, soweit nicht nachgewiesen werden kann, dass die Vertragsbeziehung ungeachtet der Tatsache, dass sie die durch das einschlägige Instrumentarium geschützten Positionen nicht hervorbringt, Besonderheiten aufweist, die es rechtfertigen, den skizzierten Integritätsschutz zwar innerhalb der rechtsgeschäftlichen Beziehung, nicht aber bei anderen schadensträchtigen Kontakten zwischen potenziellen Haftungsparteien anzuerkennen16. Für die Integritätshaftung in der Sonderverbindung stellt sich – so das Fazit dieser Überlegungen – die hier interessierende Frage, ob sie nicht auch außerhalb echter Vertragsbeziehungen anzuerkennen sei. Soweit dies bejaht wird, wäre der hier interessierende umfassende Vermögensschutz auch außerhalb rechtsgeschäftlicher Beziehungen anerkannt; dass eben dies dem derzeitigen Rechtszustand entspricht, wird noch zu zeigen sein. Diese Diskussionen um mögliche Erweiterungen allerdings sind erst verständlich, wenn über die dogmatische Grundlage der Integritätshaftung in der Vertragsbeziehung Klarheit besteht; auf diese ist folglich zunächst einzugehen. Erschwert wird das allerdings dadurch, dass über diese dogmatische Grundlage der Integritätshaftung innerhalb von Vertragsbeziehungen keineswegs Einigkeit besteht, sodass lediglich die verschiedenen Ansatzpunkte unter Zurückstellung der Unterschiede im Detail dargelegt werden können.
3. Die dogmatische Strukturierung der Integritätshaftung innerhalb von Vertragsbeziehungen nach den derzeit gängigen Lehren Zu unterscheiden ist insbesondere die wohl noch immer herrschende Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten von den Lehren vom einheitlichen gesetzlichen Begleitschuldverhältnis17.
16 Vgl. zu diesem Gedanken der Rechtfertigungsbedürftigkeit einer Beschränkung der besonderen Integritätshaftung auf die Vertragsbeziehung und die Zweifel an einer solchen Beschränkung bei Katzenstein, Haftungsbeschränkungen zugunsten und zulasten Dritter, S. 82 ff. 17 Die folgende Darstellung ist weithin übernommen aus Katzenstein, Die culpa-Haftung des Vertragsschuldners, Jura 2004, 584 ff.
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a) Die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten Innerhalb der Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten ergibt sich allerdings ein durchaus kompliziertes Bild, da diese Auffassung den angesprochenen Integritätsschutz in der Sonderverbindung nur zum Teil über ein besonders auf diesen ausgerichtetes Instrumentarium, die sog. Schutzpflichten realisiert. Teilweise greift sie darüber hinaus auf das Instrumentarium zurück, das an sich dem Ausgleich von Schäden an Leistungsinteressen dient und ersetzt hierüber – konkurrierend mit den Schutzpflichten – zugleich auch Schäden an Erhaltungsinteressen. Beide systematischen Ansatzpunkte sind deshalb nachfolgend darzustellen. aa) Schutzpflichtverletzung Den Ausgleich der nach Vertragsschluss zwischen den Vertragspartnern verursachten Schäden an Erhaltungsinteressen, welcher früher über die positiven Vertragsverletzungen erreicht wurde18 und nun über § 280 I BGB realisiert wird19, führt man heute allgemein zurück auf die Verletzung von Schutzpflichten, für die nunmehr § 241 II BGB einschlägig sein soll20. Die dogmatische Grundlage der Schutzpflichten21, welche die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten jedenfalls mittelbar auf die vertragliche Bindung zurückführt, blieb von der Schuldrechtsmodernisierung unberührt: Es sei allgemein über die vertraglichen Leistungspflichten hinaus ein „vertragsgerechtes Verhalten“ geschuldet, das die Vertragsparteien verpflichte, einander nicht in vermeidbarer Weise zu schädigen22. Wer sich der Sorgfalt des Vertragspartners anvertraue, dürfe auf sorgsame Ausführung der ihm geschuldeten Leistung rechnen23 und sich darauf verlassen, es mit einem loyalen Geschäftspartner zu tun zu haben24. Die Sonderbeziehung eröffne außerdem auch „besondere Einwirkungsmöglichkeiten in den fremden Rechtskreis“ und bringe eine erhöhte Gefahr von Schädigungen mit sich, die erhöhte Haftung zur Folge habe25. Es entstünden folglich aus dem Vertrag, der die Bindung an das Leistungsversprechen erzeuge, auch besondere Schutzpflichten26; ein Verstoß gegen sie sei eine „Vertragsverletzung“27. Statt aller Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 275 – 283 Rn. 42 ff. Vgl. etwa Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2004, § 280 C 21 ff.; Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 28 f. 20 Diese Bestimmung ist allerdings so inhaltsleer, dass man ihr sachlich nichts entnehmen kann, zutreffend Richardi, NZA 2002, 1004, 1009. 21 So explizit BT-Drucks. 14 / 6040, S. 126. 22 Vgl. nur etwa Larenz, Schuldrecht I, § 24 I a) (S. 365). 23 Larenz, NJW 1956, 1193, 1194. 24 Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rn. 362. 25 Stoll, AcP 136 (1932), 257, 298; ebenso etwa Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 46. 26 So zuletzt etwa Ehmann / Sutschet, JZ 2004, 62, 69. 27 Larenz, Schuldrecht I, § 24 I a) (S. 365). 18 19
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
bb) Die vertragliche Haftung wegen Mangelfolgeschäden Die h. M. greift auf die Schutzpflichtverletzung allerdings nur zurück, um solche Schäden auszugleichen, die der Schuldner bei Erbringung der – an sich mangelfreien – Vertragsleistung oder in engem Zusammenhang damit an den sonstigen Gütern des Vertragspartners verursacht. Verletzt der Schuldner – durch Nicht- oder Schlechtleistung – dagegen bereits seine Leistungspflicht und hat dies eine Beschädigung sonstiger Rechtsgüter zur Folge (sog. Mangelfolgeschäden28), ist nach der Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten auf diese Konstruktion nicht zurückzugreifen, weil sich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Erbringung der Hauptleistung schon aus dem eigentlichen, rechtsgeschäftlich begründeten Teil der Verbindlichkeit ergebe29. Nach h. M. bildeten demnach die Tatbestände des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung nach früherem Recht30 nicht nur die Grundlage für den Ersatz von Schäden am positiven Vertragsinteresse des Schuldners, sondern auch für die Restitution von Mangelfolgeschäden31. „Schadensersatz statt der Leistung“ nach §§ 280 III, 281 bis 283 BGB soll nun ebenso die Mangelfolgeschäden umfassen32. Daneben ist allerdings auch eine Liquidation über § 280 I BGB grundsätzlich möglich33; dieser Anspruch sei dann ebenfalls durch die Verletzung der Vertragspflicht zur mangelfreien Leistung begründet34.
Dazu Katzenstein, Jura 2004, 584 ff. So vor allem Huber, AcP 177 (1977), 281, 296 f. A. A. zu Recht etwa Flume, AcP 193 (1993), 89, 109. 30 Vgl. etwa §§ 325, 326 BGB a. F. sowie die besonderen Tatbestände der Mängelhaftung, etwa §§ 463, 538, 635 BGB a. F. 31 Vgl. die Gegenüberstellung von Schlechterfüllung und Schutzpflichtverletzung etwa bei Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 275 – 283 Rn. 29. Für das frühere Kaufrecht etwa bestand im Wesentlichen Einigkeit (seit BGHZ 50, 200, 204; früher schon Diederichsen, AcP 165 (1965), 150, 155 ff.; zur h. M. vgl. Soergel-Huber, § 463 Rn. 60 ff.), dass als Schadensersatz wegen Nichterfüllung unter den Voraussetzungen des § 463 BGB a. F. weitgehend auch für die Schäden Ersatz zu leisten war, welche der Mangel der Sache an sonstigen Rechtsgütern des Gläubigers angerichtet hat. Gegen die Deutung der Ersatzfähigkeit von Mangelfolgeschäden als positives Interesse aber etwa Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 165 Fn. 158; Picker, AcP 183 (1983), 369, 405 f. 32 So etwa Teichmann, BB 2001, 1485, 1488; Däubler, NJW 2001, 3729, 3731; Recker, NJW 2002, 1247; MK-Ernst, § 280 Rn. 66 ff. Dagegen aber etwa Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 18; Grigoleit, ZGS 2002, 78, 80; Münch, Jura 2002, 361, 368. 33 Das Verhältnis der Anspruchsgrundlagen zueinander ist streitig, meist lässt man dem Gläubiger die Wahl, ob er den vor Eintritt der Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung eingetretenen Folgeschaden nach § 280 I BGB oder nach §§ 280 III, 281 ff. BGB liquidieren möchte, nach diesem Zeitpunkt eintretende Schäden sollen allein über den Schadensersatz statt der Leistung ersatzfähig sein, so jedenfalls MK-Ernst, § 280 Rn. 66 ff. Vgl. näher Katzenstein, Jura 2004, 584. 34 So jedenfalls die wohl h. M., vgl. etwa MK-Ernst, § 280 Rn. 53. A. A. aber etwa Ehmann / Sutschet, JZ 2004, 62, 70; Reichenbach, Jura 2003, 512, 519; Reischl, JuS 2003, 40, 47; Schulze / Ebers, JuS 2004, 265, 268 f. 28 29
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b) Die Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis aus Vertrauen oder sozialem Kontakt aa) Dogmatischer Ansatz Die Lehren vom gesetzlichen Begleitschuldverhältnis, zu denen insbesondere die Vertrauenshaftung35 sowie die Lehre vom sozialen Kontakt36 zu zählen sind, lassen dagegen zwischen den Vertragspartnern ein zu Sorgfalt und Rücksicht verpflichtendes gesetzliches Schuldverhältnis entstehen und erhalten so eine umfassende gesetzliche Grundlage des hier untersuchten Integritätsschutzes in der Vertragsbeziehung. Die Verletzung dieses einheitlichen gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses führe zu Schadensersatzansprüchen nach Vertragsgrundsätzen, die als „dritte Spur“ neben die Haftung für die Verletzung von Leistungspflichten und neben das „Schutzsystem“ der unerlaubten Handlung treten37. Die Lehre von der Vertrauenshaftung sieht den Grund für diese Sonderhaftung in dem in Anspruch genommenen und gewährten Vertrauen, welches allerdings nur im Rahmen rechtsgeschäftlicher Kontakte bzw. der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr vorliegen soll38. Für die Lehre vom sozialen Kontakt ist dagegen die Konzentration des betroffenen Personenkreises sowie die Forcierung des Integritätsrisikos der Grund für die Haftung nach Vertragsgrundsätzen: Die Steigerung der Unrechtsverantwortlichkeit sei die Folge der faktischen Aufnahme gesteigerten sozialen Kontakts39. bb) Hauptunterschiede zur Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten Anders als die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten fundieren die Lehren vom einheitlichen Begleitschuldverhältnis die hier interessierende Haftung nicht als wie auch immer verobjektivierte vertragliche, sondern eindeutig und offen als gesetzliche Einstandspflicht. Sie unterscheiden sich von der oben dargelegten wohl h. M. ferner vor allem darin, dass sie die soeben für Schädigungen innerhalb der Vertragsbeziehung skizzierte Haftung ganz ebenso anerkennen für die Zeit vor dem Zustandekommen der vertraglichen Bindung sowie nach deren endgültiger Abwicklung, indem sie das gesetzliche Begleitschuldverhältnis bereits entstehen lassen mit Aufnahme der Vertragsverhandlungen und dessen Reichweite nicht nur in die Zeit nach Vertragsschluss, sondern sogar in das nachvertragliche Stadium hinein ausdehnen40. 35 Zu den Lehren von der Vertrauenshaftung vgl. etwa die eingehende Darstellung und Kritik bei Picker, AcP 183 (1983), 369, 418 ff. 36 Grundlegend Dölle, ZStW 103 (1943), 67, 72 ff.; ebenso etwa Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 29 I (S. 136 ff.); Thiele, JZ 1967, 649, 652. 37 Näher hierzu etwa Canaris, 2. FS Larenz, 1983, S. 27, 84 ff. 38 Vgl. etwa Larenz, Schuldrecht I, § 9 I a) mit Fn. 11 (S. 109 f.); Canaris, 2. FS Larenz, 1983, S. 27, 107 f. 39 Eingehend Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 29 I (S. 136 ff.).
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Demgegenüber wird von der Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten die vorvertragliche Haftung für die Verletzung von Erhaltungsinteressen strikt getrennt von derjenigen nach Vertragsschluss fundiert und gestützt auf die Verletzung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses der Vertragsanbahnung, die früher zu Ansprüchen aus culpa in contrahendo führte41. Seit der Schuldrechtsmodernisierung zieht man §§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB als gesetzliche Anspruchsgrundlage heran42. Das vorvertragliche Verhältnis ordnet man vor wie nach der Schuldrechtsmodernisierung aber auch innerhalb der Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten als gesetzliches Schuldverhältnis ein. Diese beruhe auf dem durch einen geschäftlichen Kontakt hervorgerufenen gegenseitigen Vertrauen, welches die Verhandlungsparteien einander zu Sorgfalt und Rücksichtnahme verpflichte43. Mit dem Abschluss eines Vertrages schlagen die inhaltlich mit den vertraglichen Schutzpflichten identischen gesetzlichen Erhaltungspflichten nach dieser h. M. mit dem Abschluss des Vertrags in vertragliche um44. Sowohl nach Rechtsgrund wie nach Anspruchsgrundlage strikt zu trennen ist nach diesem Ansatz auch für den Bereich der Erhaltungsinteressen danach, ob die Verletzung vor oder nach dem Vertragsschluss erfolgte. Dagegen entfällt für die Lehren vom gesetzlichen Begleitschuldverhältnis eine solche systematische Trennung der vorvertraglichen von der vertraglichen Haftung für den Bereich der Erhaltungsinteressen. Ansprüche aus culpa in contrahendo wie aus positiver Forderungsverletzung (nunmehr solche aus §§ 241 II, 280 I BGB einerseits sowie aus §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB andererseits) beruhten stets auf der Verletzung derselben besonderen nichtdeliktischen gesetzlichen Schutzpflicht, die dem Schutz von bereits vorhandenen Rechtspositionen von Personen dient, die sich in einer Sonderverbindung zusammengefunden haben45.
II. Tendenzen zur Erweiterung des Vermögensschutzes über die Vertragsbeziehung hinaus Ausgehend von der soeben herausgearbeiteten dogmatischen Fundierung der Integritätshaftung innerhalb von Vertragsbeziehungen sei nun die Frage näher unter40 Vgl. etwa Canaris, JZ 1965, 475, 476: Was im vorvertraglichen Stadium allgemein anerkannt sei, müsse nach Vertragsschluss ebenso gelten. 41 Hierzu etwa Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 275 – 283 Rn. 64 ff. 42 Vgl. etwa Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 11 ff.; Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2004, § 280 Rn. B 6. 43 Hierzu statt aller Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 275 – 283 Rn. 59. 44 Zu dieser „Umschlagtheorie“ etwa BGH JZ 1964, 654, 655; BGH NJW 1975, 642, 644; Larenz, Schuldrecht I, § 9 I b) (S. 117 ff.); Medicus, JuS 1986, 665, 669. Vgl. aber auch die Kritik etwa bei Canaris, VersR 1965, 114, 117. 45 So Frost, „Vorvertragliche“ und „vertragliche“ Schutzpflichten, 1981, S. 221; vgl. auch MK-Kramer, Einl. § 241 Rn. 83.
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sucht, ob und inwieweit die gängigen Lehren eine solche auch außerhalb von Vertragsbeziehungen anerkennen. Elementar ist dafür die Erkenntnis, dass schon aus der dogmatischen Struktur der von der Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten anerkannten Integritätshaftung ohne weiteres deren prinzipielle Beschränkung auf die Vertragsbeziehung folgt: „Vertragliche“ Schutzpflichten, die auf der Fürsorge der Vertragspartner beruhen, hängen schon definitionsgemäß von der Existenz einer solchen ab. Eine Haftung für Einbußen an Erhaltungsinteressen, die über das gesetzliche Instrumentarium der Haftung für Nichterfüllung, insbesondere für Schlechtleistung begründet wird, kann ebenso notwendiger Weise nur eingreifen, wenn ein solcher Haftungstatbestand begründet ist, was aber seinerseits die Existenz einer rechtsgeschäftlichen Leistungspflicht zwischen den Haftungsparteien voraussetzt. Diese prinzipielle Beschränkung der Integritätshaftung macht, soll diese auch über die Vertragsbeziehung hinaus Anerkennung finden, eine besondere Begründung dafür notwendig. Wie die von den herrschenden Lehren dafür tatsächlich gegebene im Einzelnen hergeleitet wird, sei im Folgenden dargestellt46. Demgegenüber müsste nach den Lehren vom gesetzlichen Begleitschuldverhältnis eine Erweiterung der von ihnen anerkannten Integritätshaftung über die vertragliche Beziehung hinaus eigentlich zwangsläufig sein, fundieren sie die Einstandspflicht doch gesetzlich und halten für haftungsbegründend gar nicht die vertraglichen Leistungspflichten als solche, sondern vielmehr das Vertrauen, das sich die Haftungsparteien jeweils entgegenbringen bzw. den sozialen Kontakt, der zwischen ihnen besteht; beides aber ist ersichtlich nicht davon abhängig, ob zugleich eine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen ihnen besteht oder nicht. Weithin allerdings trügt dieser Anschein: Insbesondere Canaris, der wohl profilierteste Verfechter der gesetzlichen Vertrauenshaftung, beschränkt diese ungeachtet der angeblichen prinzipiellen Irrelevanz des Vertrags für die gesetzliche Haftung ganz ebenso auf die Vertragsbeziehung wie die herrschenden Lehren von den vertraglichen Schutzpflichten: Grund für die besondere Haftung sei zwar das in Anspruch genommene und gewährte Vertrauen; dieses soll allerdings nur im Rahmen rechtsgeschäftlicher Kontakte bzw. der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr vorliegen47. Die nachfolgend für die vertragliche Schutzpflichtenlehre darzustellenden Erweiterungen der Integritätshaftung über die Vertragsbeziehung hinaus werden daher von Canaris und der ihm weitgehend folgenden übrigen Lehre von der Vertrauenshaftung ganz ebenso herangezogen wie von den Vertretern der herrschenden Auffassungen, so dass im Folgenden diese beiden, auf den ersten Blick so verschiedenen dogmatischen Ansatzpunkte gemeinsam erörtert werden können48. Unter 1. Vgl. etwa Canaris, 2. FS Larenz, S. 27, 107 f.; Larenz, Schuldrecht I, § 9 I a) mit Fn. 11 (S. 109 f.). Dagegen treffend etwa Thiele, JZ 1967, 649, 652: Man werde dieser Auffassung „die Frage entgegenhalten dürfen, was denn die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Erhaltungs- und Schutzinteressen des Kontaktpartners damit zu tun hat, ob der Abschluss eines Rechtsgeschäfts das Ziel der Kontaktaufnahme oder doch deren möglicher Erfolg ist“. 46 47
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Prinzipiell abweichend davon, doch in sich allein konsequent, halten demgegenüber vor allem einige Vertreter der Lehre vom sozialen Kontakt auch für die Frage, wie weit die anerkannte Sonderhaftung im Bereich der Erhaltungsinteressen reicht, an ihrem prinzipiell vertragsunabhängigen Ansatz fest, beschränken die Reichweite dieser Haftung folglich schon im Prinzip nicht auf die rechtsgeschäftliche Beziehung und entscheiden sie strikt danach, in welchen Beziehungen der von ihnen verlangte soziale Kontakt besteht. Hierauf ist anschließend einzugehen49. 1. Erweiterungen des besonderen Integritätsschutzes der Vertragsbeziehung auf Haftungsbeziehungen außerhalb dieses Bereichs durch die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten sowie die prinzipiell ebenfalls auf die Vertragsbeziehung beschränkte Vertrauenshaftung Die Lehre von den vertraglichen Schutzpflichten sowie die Lehre von der Vertrauenshaftung, die die anerkannte Sonderhaftung – wie gesagt – grundsätzlich ebenfalls auf die Vertragsbeziehung beschränkt, erkennt mittlerweile recht zahlreiche und in sich uneinheitliche Erweiterungen des an sich auf die Vertragsbeziehung beschränkten Integritätsschutzes an. Sie sind im Folgenden darzustellen50. Besonderer Integritätsschutz außerhalb der rechtsgeschäftlichen Beziehung wird dabei im Wesentlichen realisiert mit Hilfe der dogmatischen Institute der Drittschadensliquidation, des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie der sog. Dritthaftung aus culpa in contrahendo. Sowohl die Anwendungsbereiche dieser Figuren als auch diese Figuren selbst sind allerdings nicht weniger umstritten als die dogmatischen Grundlagen dieser „vertraglichen“ Haftung gegenüber Dritten für primäre Vermögensschäden. a) Drittschadensliquidation Die herkömmliche Lehre erkennt über das Institut der sogenannten Drittschadensliquidation unter anderem in zwei wesentlichen Bereichen tatsächlichen Leistungskontakts vertraglichen Drittschutz an: Der mittelbare Stellvertreter51 als Vertragsgläubiger sei berechtigt, den Schaden desjenigen, an den die Leistung tatsächlich adressiert ist, geltend zu machen. Regelmäßig führt dies zur Liquidation von Schäden an Erhaltungsinteressen des Leistungsadressaten mittels Schadensersatzansprüchen des Vertragsgläubigers gegen den Vertragsschuldner wegen Schlech48 Auch zu den entsprechend dem prinzipiellen Ansatz von Canaris abgegrenzten Lehren vom gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis folglich sogleich unter 1. 49 Unten unter 2. 50 Vgl. hierzu aber auch schon den Überblick etwa bei Katzenstein, Haftungsbeschränkungen zugunsten und zulasten Dritter, 2004, S. 166 ff. 51 Näher zur Fallgruppe der mittelbaren Stellvertretung MK-Oetker, § 249 Rn. 284 ff.
A. Die Beschränkung des Schadensersatzes
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terfüllung der Leistungspflicht. Dies gilt weiterhin auch nach der Schuldrechtsmodernisierung52. Eine weitere Fallgruppe, in denen die Drittschadensliquidation nach der herkömmlichen Lehre anerkannt ist, betrifft die Obhutsverhältnisse: So soll etwa der Vermieter berechtigt sein, den Schaden des Eigentümers am Bestand der vermieteten Sache mit Hilfe seines Anspruchs aus positiver Vertragsverletzung des Mietvertrags (nach §§ 280 ff. BGB) gegen den Mieter, der den Schaden an der Mietsache schuldhaft herbeiführte, geltend machen zu können53. b) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Über die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter realisiert die herkömmliche Praxis54 einen wesentlichen Teil der „vertraglichen“ Schadensersatzhaftung in nur tatsächlichen, außervertraglichen Leistungsbeziehungen. Unter gewissen Voraussetzungen55 sei der Vertragsschuldner nicht nur seinem Partner, sondern auch Dritten schutzpflichtig, die mit dem Schuldverhältnis beispielsweise mit der Leistung in näheren Kontakt kommen. Rechtsdogmatisch ist die Rechtsfigur des drittschützenden Vertrags eine personale Erweiterung der Schutzpflichten56. Diese sollen danach nicht nur gegenüber dem Partner des Schuldvertrages bestehen, sondern unter gewissen Voraussetzungen auch gegenüber Dritten, mit denen der Schuldner vertragslos in Berührung kommt. Diese Grundsätze werden von der Schuldrechtsmodernisierung nicht berührt, sondern vorausgesetzt57. c) Dritthaftung aus culpa in contrahendo Schließlich realisiert die h. L. eine vertragliche Dritthaftung auch über die Rechtsfigur der culpa in contrahendo58. Einschlägig ist vor allem die als „Eigenhaftung Dritter“59 bezeichnete Fallgruppe. Die herrschende Meinung begründet in diesen Fällen unmittelbare gesetzliche Schutzpflichten zum Schutz des Erhaltungsinteresses zwischen Haftungsparteien, die einander nicht vertraglich verbunden Palandt-Heinrichs, Vor § 249 Rn. 112 ff. Vgl. RGZ 93, 39; näher MK-Oetker, § 249 Rn. 284 ff. In diesen Fällen können freilich Schadensersatzansprüche des Eigentümers aus Delikt mit den Ansprüchen des Obhutsverpflichteten konkurrieren, s. hierzu v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 265 ff.; Rabe, Drittschadensliquidation, S. 1 ff., 3 ff., 6. 54 Umfassende Darstellung des derzeitigen Rechtszustands bei MK-Gottwald, § 328 Rn. 106 ff. 55 Dazu MK-Gottwald, § 328 Rn. 119 ff. 56 Zur dogmatischen Einordnung des drittschützenden Vertrags MK-Kramer, Einl. § 241 Rn. 84 und MK-Gottwald, § 328 Rn. 110 ff. 57 So BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163, § 311 III BGB. 58 Umfassende Darstellung bei MK-Emmerich, § 311 Rn. 50 ff. 59 Vgl. MK-Emmerich, § 311 Rn. 231 ff.; Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 60 ff. 52 53
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
sind und auch nicht mit dem Ziel aufeinandertreffen, miteinander zu kontrahieren. Meistens handelt es sich dabei um Fälle, in denen die Haftungsparteien miteinander in Verhandlungen treten, die auf einen Kontakt zwischen einem von ihnen und einem Dritten gerichtet sind60. Die Eigenhaftung solcher „Sachwalter“61 setze voraus, dass sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Geschäfts hatten und deshalb die Verhandlungen „gleichsam in eigener Sache“ geführt62 oder in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben63. Unklar ist allerdings die Unterscheidung dieser Fallgruppe vertraglichen Drittschutzes vom Vertrag mit Schutzwirkung64: Die Dritthaftung durch drittschützenden Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner sei zwar von der unmittelbaren Vertrauenshaftung des Schuldners gegenüber dem Dritten abzugrenzen, konstruktiv sei aber vielfach beides möglich65. Die Eigenhaftung Dritter aus culpa in contrahendo ist nun in § 311 III BGB angesprochen, ohne allerdings nähere Vorgaben für das Entstehen einer solchen Haftungsbeziehung aufzustellen66. Lediglich beispielhaft greift § 311 III 2 BGB die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch den Dritten als Anwendungsfall auf. 2. Gesetzlich begründete Drittschutzwirkungen nach einem Teil der Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis Prinzipiell abweichend von dem dargestellten Ansatz der herrschenden Lehre halten einige Vertreter der Lehre vom sozialen Kontakt auch für die Frage, wie weit die anerkannte Sonderhaftung im Bereich der Erhaltungsinteressen reicht, an ihrem vertragsunabhängigen Ansatz fest. Damit entfällt die Notwendigkeit, Drittschutzwirkungen von Verträgen rechtsgeschäftlich (vertraglich) zu konstruieren67. Stattdessen besteht nach dieser Ansicht ein unmittelbares gesetzliches Schuldverhältnis auch zwischen dem „Dritten“ (der – genau besehen – im Hinblick auf das 60 Etwa wenn mit einem Vertreter des Gegners Vertragsmodalitäten verhandelt werden oder ein Gebrauchtwagenhändler als Vermittler des Verkäufers auftritt. Überblick bei MKEmmerich, § 311 Rn. 249 ff. 61 Vgl. zu diesem Begriff BGH NJW 1989, 294; BGH JZ 649. 62 Vgl. BGH NJW-RR 1989, 110; BGH NJW-RR 1992, 605 ff.; außerdem MK-Emmerich, § 311 Rn. 244 ff.; Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 60. 63 Vgl. BGH ZIP 1990, 1402, 1403; BGH WM 1991, 1173; BGH NJW 1990, 1666; BGH NJW 1995, 1213 ff.; außerdem MK-Emmerich, § 311 Rn. 244 ff.; Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 60. 64 Vgl. die Abgrenzungsversuche bei MK-Gottwald, § 328 Rn. 113 ff. 65 MK-Gottwald, § 328 Rn. 114. 66 Vgl. Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 60 ff.; Teichmann, BB 2001, 1485, 1492; JauernigStadler, § 311 Rn. 49. 67 Zur Kritik an der vertraglichen Konstruktion über § 157 BGB etwa Gernhuber, JZ 1962, 553, 555 f.; ders., FS Nikisch, S. 249, 264 ff.
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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gesetzliche Schuldverhältnis nicht Dritter, sondern Partei ist, der originäre Ansprüche zustehen) und dem betreffenden Kontrahenten68. Mit Hilfe dieser Konstruktion begründen die Vertreter dieser Ansicht ohne weiteres auch eine Schutzwirkung zugunsten „Dritter“ im vorvertraglichen Stadium69 oder etwa bei nicht (vor)vertraglichen Auskünften, Gutachten und Expertisen70. Auch nach der Schuldrechtsmodernisierung fehlt eine anwendbare gesetzliche Regelung des vertraglichen Drittschutzes. § 311 III 1 BGB stellt lediglich klar, dass ein Schuldverhältnis mit den Pflichten aus § 241 II BGB auch zu Dritten bestehen kann, die nicht Vertragspartei werden sollen. Damit umschreibt der Gesetzgeber allgemein und eher vorsichtig das Phänomen der vertraglichen Dritthaftung71. Sodann spricht er in § 311 III 2 BGB die Fallgruppe der „Eigenhaftung Dritter“ aus culpa in contrahendo exemplarisch an72. § 311 III BGB bezieht sich daher auf den Drittschutz aus culpa in contrahendo, nicht auf den Vertrag mit Schutzwirkung73. Jedenfalls aber hat der Gesetzgeber in § 311 III BGB höchstens das Prinzip der vertraglichen Dritthaftung anerkannt, aber keinerlei konkrete Voraussetzungen festgelegt, sodass die bisherigen Wertungen und Fallgruppen weiterhin maßgebend bleiben74. Eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes soll mit § 311 III BGB nicht verbunden sein75.
B. Die Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall Die Testamentsentscheidung bildet ein treffliches Beispiel für die Problematik des Vermögensschutzes außerhalb vertraglicher Beziehungen. Die skizzierten dogmatischen Ansätze kehren hier wieder. Der BGH zog in seiner Grundsatzentschei68 Vgl. in diesem Sinn etwa schon Canaris, JZ 1965, 475, 480; Thiele, JZ 1967, 649, 654; Kreuzer, JZ 1976, 778, 780; Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 144; Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 34 IV 2 c (S. 271); Junker, Die Vertretung im Vertrauen, S. 38 f. 69 Vgl. dazu die „Gemüseblattentscheidung“ BGHZ 66, 51 ff. Kritik an dieser Entscheidung üben etwa Hohloch, JuS 1977, 305; Kreuzer, JZ 1976, 778 ff.; Dahm, JZ 1992, 1167 ff. 70 Vgl. etwa Grunewald, AcP 187 (1987), 285 ff.; Damm, JZ 1991, 377 ff.; zur Haftung des Wirtschaftsprüfers Ebke / Scheel, WM 1991, 389 ff.; zur Bank-zu-Bankauskunft im Kundeninteresse Breinersdörfer, WM 1992, 1557 ff. 71 So die Qualifizierung von Teichmann, BB 2001, 1485, 1492. 72 So BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163. 73 Ebenso Schumacher / Lada, ZGS 2002, 450, 453; Jauernig-Stadler, § 311 Rn. 49; anders wohl Canaris, JZ 2001, 499, 520; Teichmann, BB 2001, 1485, 1492. 74 So zutreffend MK-Gottwald, § 328 Rn. 111. 75 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163: Die Möglichkeit einer Haftung von Dritten solle angesprochen, aber in einer Weise geregelt werden, die eine Weiterentwicklung des Instituts durch Praxis und Wissenschaft erlaube; Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 60; MK-Emmerich, § 311 Rn. 231.
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
dung zum Testamentsfall das Institut des drittschützenden Vertrags heran. Dieser Lösungsansatz sei zunächst näher deutlich gemacht und auf seine Grundlagen zurückgeführt, wofür auch die historische Entwicklung des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte seit der Rechtsprechung des Reichsgerichts einzubeziehen ist76. Sodann ist auf die abweichenden dogmatischen Lösungsansätze der h. L. zum Testamentsfall einzugehen77.
I. Die dogmatischen Grundlagen der Testamentsentscheidung des BGH 1. Die Entwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts Das Reichsgericht hatte zunächst lediglich über Personenschäden Dritter zu entscheiden, die durch Schlechterfüllung der Leistungspflicht gegenüber dem Vertragspartner oder Verletzung einer Erhaltungspflicht herbeigeführt wurden78. Die entscheidenden Senate wandten in ihren Entscheidungen aus dem Miet-, Dienstund Werkvertragsbereich § 328 BGB unmittelbar an und gingen davon aus, dass ein „echter Vertrag zugunsten Dritter“ vorläge, das heißt ein Vertrag, der dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht zumindest wegen des Schadensersatzes gab79. Das eigene Forderungsrecht des Dritten wurde gemäß § 328 II BGB „aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrages“ geschlossen80. Die erforderliche vertragliche Vereinbarung der Parteien über die Drittberechtigung folgte nach AnSogleich unter I. Nachfolgend unter II. 78 Häufig wird verkannt, dass die Rechtsprechung auch schon vor dem Testamentsfall über Fälle zu entscheiden hatte, in denen der Schuldner eine gegenüber dem Gläubiger bestehende Leistungspflicht verletzte, die zur Verletzung der Güter eines Dritten führte. So behaupten z. B. Stahl (Zur Dritthaftung von Rechtsanwälten, S. 2) und Gernhuber (Bürgerliches Recht, § 16 II 3) die Rechtsprechung habe bis zu den Entscheidungen zur sog. Expertenhaftung den Vertrag mit Schutzwirkung nur bei Verletzung weiterer Verhaltenspflichten angewandt. Eine Schlechterfüllung der Leistungspflicht liegt jedoch beispielsweise in dem vielzitierten Gasometerfall des Reichsgerichts (RGZ 127, 218) vor: Nach der fehlerhaften Verlegung einer Gasuhr durch eine Installationsfirma wurde die Aufwartefrau der Vertragspartnerin durch sich entzündendes Gas verletzt. Zwar wurden hier die sonstigen Güter der Aufwartefrau und damit eine dieser gegenüber obliegenden Schutzpflicht verletzt; gegenüber der Vertragsgläubigerin liegt jedoch eine Verletzung ihres positiven Interesses und damit eine Leistungspflichtverletzung vor. Eine solche Differenzierung zwischen Leistungs- und Integritätsinteresse erfolgt erstmals im Testamentsfall durch die Literatur (vgl. die Darstellung unter C.), weil die vereinbarte Leistung nicht schlecht, sondern gar nicht erbracht wurde. 79 Zu den einzelnen Fällen und der Entwicklung der Rechtsprechung des RG vgl. z. B. die Darstellungen bei Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, S. 24 ff.; Keitel, Rechtsgrundlage und systematische Stellung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, S. 7 ff. und bei Ziegltrum, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, S. 11 ff. 80 RGZ 91, 21; RGZ 98, 210; RGZ 127, 222. 76 77
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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sicht des RG über eine nach § 133 BGB zu ermittelnde stillschweigende Willenserklärung der Parteien81 oder über eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB82. Als geschützte Dritte kamen danach Angehörige und Bedienstete des Vertragsgläubigers in Betracht. Im Übrigen wurde die Haftung auch gegenüber Personen aus größeren Personenkreisen wie Vereinsmitgliedern oder Veranstaltungsbesuchern bejaht, für die die vertraglich vereinbarte Leistung wie die Beförderung oder die Saalmiete bestimmt war83. Dabei müsse die Person des Dritten nicht bezeichnet werden, es genüge ihre Bestimmbarkeit84. Im „Tuberkelbazillenfall“85 führte das Reichsgericht aus, der Mieter wolle seine Angehörigen in bezug auf Ersatzansprüche nicht schlechter stellen als sich selbst. Der Dienstherr hat nach Meinung des Reichsgerichts ein Interesse daran, dass seine Arbeitnehmer unversehrt bleiben, da er diesen selbst nach § 618 BGB fürsorgepflichtig sei86. Im „Saalmietefall“ wurde die Einbeziehung aller Veranstaltungsteilnehmer in den geschützten Personenkreis mit dem „Wesen“ eines solchen Gastvertrages begründet87. 2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der BGH nahm die vorgefundene Dogmatik aus der reichsgerichtlichen Rechtsprechung auf und führte sie fort. Eine bedeutende Zäsur stellt gerade der Testamentsfall dar. In neuerer Zeit ist der Vermögensschutz, den das Institut gewährt, erheblich erweitert worden. a) Die Übernahme des vorgefundenen Rechtszustands in der frühen Rechtsprechung des BGH Der BGH griff die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Vertrag zugunsten Dritter auf und führte diese, zunächst noch unter ausdrücklicher Berufung auf das Reichsgericht, mit denselben Beschränkungen fort88. Im „Capuzolfall“89 überSo im „Säuglingsheimfall“ RG JW 1919, 38. Vgl. den „Gasometerfall“ RGZ 127, 218. 83 OLG Hamburg, Das Recht 1907 Nr. 3469; RGZ 160, 153, 155 („Saalmietefall“). 84 RGZ 127, 218, 222. 85 RGZ 91, 21. Auch hier liegt eine Verletzung der Leistungspflicht vor, weil dem Mieter eine mit Tuberkelbazillen und damit mit Mängeln behaftete Mietsache überlassen wurde. Wird dagegen die Gesundheit des Mieters oder eines anderen hierdurch verletzt, ist ausschließlich auf das Integritätsinteresse abzustellen. 86 RGZ 127, 218 („Gasometerfall“). 87 RGZ 160, 153, 155. 88 BGHZ 9, 316; BGH VersR 1955, 120; BGH VersR 1956, 500. 89 BGH NJW 1959, 1676: Der Schuldner verletzte gegenüber dem Vertragsgläubiger die Nebenleistungspflicht, auf die Brennbarkeit des gelieferten Rostschutzmittels hinzuweisen. 81 82
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
nahm der BGH unter ausdrücklicher Bezugnahme auf eine Anmerkung von Larenz90 den Begriff vom „Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ und gab § 328 BGB als Rechtsgrundlage für die Dritthaftung auf. Der BGH übernahm die Begründung aus den §§ 157, 242 BGB. Nachdem schon im „Drehmaschinenfall“91 nur eine entsprechende Anwendung des § 328 BGB erfolgte, stellte der BGH nun klar, dass es sich in solchen Fällen nicht um einen Vertrag zugunsten Dritter handle, da der Dritte nicht Gläubiger der Leistungspflicht sei92. Der BGH verwies hier erstmals auf vertragliche Sorgfalts- und Schutzpflichten gegenüber Dritten: „Es handelt sich hier um einen der Fälle, in denen dritte Personen in den Schutz des Vertrages einzubeziehen sind, weil die vertragliche Sorgfalts- und Schutzpflicht nach Treu und Glauben und dem Zweck des Vertrages nicht nur dem Vertragsgegner, sondern auch bestimmten weiteren Personen gegenüber zu beachten ist“.93 Auch in der Folgezeit hielt die Rechtsprechung stets daran fest, den Schutz des Dritten aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 242 BGB) herzuleiten und zu bestimmen94. Hinsichtlich des geschützten Personenkreises und des zu ersetzenden Schadens erfuhr die Rechtsprechung jedoch im Laufe der Zeit einige Änderungen: Zunächst war für die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages neben einer „Leistungsnähe“95 des Dritten eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Vertragsgläubigers gegenüber dem Dritten erforderlich, also das dem Gläubiger anvertraute „Wohl und Wehe“96. Insbesondere mit seiner Entscheidung zur Haftung der Banken im Lastschriftverfahren97 stellte der BGH jedoch klar, dass zukünftig in bestimmten Fällen dieser „personenrechtliche Einschlag“ zwischen Gläubiger und Drittem nicht mehr vorausgesetzt werde. Bis zum Jahr 1965 hatte die Rechtsprechung zunächst nur über Personenschäden zu entscheiden. Dies änderte sich mit dem Testamentsfall98, in dem der BGH erstmals einen Vermögensschaden aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte als ersatzfähig ansah. Drei Jahre später im „Rauchrohröffnungsfall“99 entschied der BGH, dass der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte auch Sachschäden umfasse. Im Gegensatz zu den bisherigen Lieferungen war erstmals ein brennbares Rostschutzmittel geliefert worden. Als dieses in einem Raum verschüttet wurde, in dem ein offenes Feuer brannte, entzündete sich das Mittel plötzlich, und eine Angestellte erlitt erhebliche Brandwunden. 90 Larenz, NJW 1956, 1193 zum „Drehmaschinenfall“; ebenfalls BGH NJW 1956, 1193, der erstmals den Begriff vom „Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten bestimmter Dritter“ prägte. 91 BGH NJW 1956, 1193. 92 BGH NJW 1959, 1676. 93 BGH NJW 1959, 1676. 94 Vgl. Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 ff. Rn. 102 m. w. N. 95 Vgl. Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 ff. Rn. 104 f. m. w. N. 96 Vgl. Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2004, § 328 Rn. 86 m. w. N. 97 BGHZ 69, 82. 98 BGH NJW 1965, 1955.
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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b) Die Haftungsbegründung durch den BGH im Testamentsfall Mit dem erstmaligen Ersatz primärer Vermögensschäden über die Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der Testamentsfallentscheidung und den darauf folgenden tief greifenden Modifikationen hinsichtlich des geschützten Personenkreises begann die Entwicklung der sog. Berufs- und Beratungshaftung100. Seit dem Testamentsfall ist neben die „klassischen“ Verletzungen der Rechtsgüter Eigentum und Gesundheit101 eine neue Fallgruppe getreten, in welcher der Schuldner seine Leistungspflicht aus dem geschlossenen Vertrag nicht oder nur schlecht erfüllte und so einen Vermögensschaden102 eines Dritten verursachte, der sich auf die Fehlerfreiheit der Leistung ebenso verließ wie der Gläubiger103. Die neuere Literatur trennt seitdem die klassischen Fälle der Schutzpflichtverletzung, in denen die Schlechtleistung des Schuldners nicht den Vertragspartner, sondern einen Dritten an einer absoluten Rechtsposition schädigte, von der neuen Fallgruppe der Vermögensschäden104. Dass sich seine Entscheidung nicht in dem Rahmen hielt, der bisher für das Rechtsinstitut des drittschützenden Vertrags gezogen wurde, war dem BGH wohl bewusst: Das Gericht sprach der Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Wertes des entgangenen hälftigen Erbteils zu, obwohl seiner Ansicht nach der Vertrag nicht als Vertrag zugunsten Dritter „im eigentlichen Sinne des § 328 BGB“ anzusehen ist105. Es wurde offen gelassen, ob eine Einordnung in die Gruppe der Verträge mit Schutzwirkung „so wie sie verstanden wird“ möglich ist: „Jedenfalls ist dem Berufungsgericht darin beizutreten, dass sich bei dem vorliegenden BGHZ 49, 350. Zur Figur des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte und ihre Entwicklung in der Rechtsprechung hin zur sog. Expertenhaftung vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 24 ff.; zur Beratungshaftung nach der Schuldrechtsmodernisierung vgl. auch Schaub, AcP 202 (2002), 757 ff. 101 Erste einschlägige Entscheidung zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte RGZ 91, 21; weitere Nachweise zur frühen Rechtsprechung bei Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 ff. Rn. 95; Bayer, JuS 1996, 473 f. 102 Dazu W. Lorenz, JZ 1966, 143, der die Neuartigkeit der Fallgruppe darzulegen versucht. Die Verursachung eines Vermögensschadens ist hier der entscheidende Unterschied zu allen vorher entschiedenen Fällen. Dass die Leistung des Rechtsanwalts überhaupt nicht erbracht wurde, erzeugt hingegen kein besonderes Problem, wenn sie letztlich gegenüber der Schlechtleistung, über die schon höchstrichterlich entschieden wurde, nicht anders zu behandeln ist (vgl. dazu unten Teil 4 B.). 103 Im vorliegenden Zusammenhang vor allem Hirth, Entwicklung, S. 119 ff., der den Vertrag mit Schutzinteresse vom Vertrag mit Leistungsinteresse unterscheidet; Übersicht zu dieser Fallgruppe etwa bei Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 Rn. 98. 104 Deutliche Trennung etwa bei Gernhuber, Schuldverhältnis II (S. 530 ff.) und III (S. 534). Ebenso Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2004, § 328 BGB Rn. 88; Bayer, JuS 1996, 473 f.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 847; v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 311, 320 f. 105 BGH JZ 1966, 141, 142. 99
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
Sachverhalt nach Sinn und Zweck des Vertrages zwischen dem Erblasser und dem Beklagten und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Annahme rechtfertigt, eine vertragliche Sorgfaltspflicht habe auch gegenüber der Klägerin oblegen“106. „Der Umstand allein, dass dem Dritten keine eigene Forderung auf Erfüllung ( . . . ) zukommt, steht der Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte ebenso wenig entgegen, wie bei Verletzung sonstiger Sorgfaltspflicht107 ( . . . ) die Zubilligung des durch eine mangelhafte Leistung hervorgerufenen Schadens daran zu scheitern braucht, dass der Dritte keinen Anspruch auf mangelhafte Leistung ( . . . ) hat ( . . . )“108. c) Die weitere Entwicklung des Rechtsinstituts des drittschützenden Vertrags Die Testamentsfallentscheidung109 zur Ersatzfähigkeit von Vermögensschäden aus Vertrag mit Schutzwirkung machte zusammen mit der Aufgabe der „Wohlund-Wehe-Rechtsprechung“ in der Lastschriftentscheidung110 den Weg frei zu einer Dritthaftung von Angehörigen beratender Berufe wie Rechtsanwälte, Sachverständige, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, aber auch für eine solche Haftung von Banken. Die soeben erwähnte „neue“ Kategorie des Vertrags mit Schutzwirkung betrifft hauptsächlich gerade die Haftung von Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen111. Hierzu gehört neben der Dritthaftung von Sachverständigen, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern auch die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren gegenüber Geschädigten, die selbst nicht Mandanten sind, jedoch in gleicher Weise wie der Mandant auf die sorgfältige Rechtsberatung angewiesen sind112. Zunächst wurde der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bei gegenläufigen Interessen zwar noch verneint113. Den vorläufigen End- und Höhepunkt der deutschen Rechtsprechung bildet jedoch das Dachstuhl-Urteil114, das dem Käufer eines Hauses einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den vom Verkäufer beauftragten Sachverständigen wegen schuldhaft unrichtiger Begutachtung gibt, wenn der Verkäufer die Unrichtigkeit des Gutachtens arglistig herbeigeführt hat. Der Gutachter hatte den schwer begehbaren Spitzboden nicht besichtigt und ungeprüft die BeBGH JZ 1966, 141, 142. Gemeint war hier die positive Vertragsverletzung. 108 BGH JZ 1966, 141, 142. 109 BGH JZ 1966, 141. 110 BGH JZ 1966, 141. 111 Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 Rn. 98. 112 Zu dieser Fallgruppe gehören ebenso etwa BGH NJW 1985, 1053; BGH NJW 1986, 581; BGH NJW 1988, 200; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 730. 113 BGH NJW 1973, 321, 323; BGH NJW 1991, 32, 33. 114 BGHZ 127, 378. 106 107
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hauptung des Verkäufers übernommen, der Dachstuhl sei in Ordnung. Im Wertgutachtenfall115 hat der BGH diese Linie fortgesetzt. Dort hatte der Gutachter die unrichtigen Angaben des Auftraggebers über die Mieterträge ungeprüft übernommen. In beiden Fällen argumentiert der BGH mit dem besonderen Vertrauen, das derjenige, dem das Gutachten vorgelegt wird, gegenüber einem anerkannten Sachverständigen entgegenbringt. Die Einbeziehung des Dritten erfolgte auch in diesen beiden Fällen nach §§ 157, 242 BGB.
3. Die Kernaussage des BGH in der Testamentsentscheidung Die nähere Erörterung der Begründung der Testamentsentscheidung hat noch einmal deutlich gemacht, dass der Senat offenbar davon ausging, für die Lösung sei lediglich eine passende Anspruchsgrundlage zu finden, aus der sich der Schadensersatzanspruch dann aber mehr oder weniger ergebe. Folgerichtig konzentrierte sich das Gericht in der Entscheidungsbegründung ganz auf die Frage der Anwendbarkeit der Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte auf Leistungspflichtverletzungen und daraus resultierende Vermögensnachteile. Eine nähere Analyse der Gründe bestätigt damit den schon einleitend dargelegten Befund. Der BGH erblickte die Aufgabe in der Begründung einer Haftungsbeziehung, genauer: in dem Auffinden einer Anspruchsgrundlage, die einen Schadensersatzanspruch tragen konnte. Aus einer solchen Grundlage, war sie nur erst gefunden, meinte er, die Haftung auf Ersatz des entgangenen Vorteils sodann ohne weiteres herleiten zu können. Das erforderliche haftungsbegründende Verhalten des Rechtsanwalts sah der entscheidende Senat in der Leistungspflichtverletzung, welche auch kausal für den Entgang der Erbschaft war, sofern der Erblasser den mündlich geäußerten Willen zugunsten seiner Tochter auch vor einem Notar bekräftigt und unterschrieben hätte. Nicht erörtert wird aber, inwiefern und warum die zweifellos vom Rechtsanwalt verletzte Leistungspflicht auch gegenüber der Tochter des Erblassers bestand und somit auch ihr gegenüber verletzt wurde. Dies resultiert offenbar aus der Auffassung, dass die Nichterfüllung der Leistungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem Erblasser auch zwingend zu einer schadensrechtlichen Sanktion führen müsse. Der BGH untersucht nicht, ob der Entgang der Erbschaft einen ersatzfähigen Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB darstellt, ob der enttäuschten Erbin hinsichtlich der entgangenen Erbschaft vor dem Erbfall irgendein Recht zugewiesen war, welches der Rechtsanwalt mit der Nichterfüllung seiner Leistungspflicht verletzte. Unklar bleibt auch, ob sich der gewährte Ersatzanspruch wegen entgangener Erbschaft nach Ansicht des BGH auf den Ersatz einer Vermögenseinbuße oder eines entgangenen Gewinns richtet.
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BGH WM 1998, 440.
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
II. Die dogmatischen Ansätze des Schrifttums zum Testamentsfall Hauptkritik an einer Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung im Testamentsfall war, dass der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein Instrument zur Kompensierung der Verletzung von Nebenpflichten oder der Schlechterfüllung von Hauptpflichten sei. Schadensersatz für die Nichterfüllung von Hauptpflichten dürfe im Gegensatz dazu nur geltend machen, wer auch einen Anspruch auf die Erfüllung der Hauptleistungspflicht habe116. v. Caemmerer117 ist dieser Kritik entgegengetreten, indem er den Unterlassungsfall dahingehend abwandelte, dass der Anwalt einen rechtlichen Fehler bei der Testamentserrichtung begeht, der diese Verfügung nichtig macht118. Dann läge ein Fall der Schlechtleistung vor, der von der ursprünglichen Konstruktion des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte erfasst sei119. Auch K. v. Gierke vertrat die Ansicht, dass es für die Haftung gegenüber dem enttäuschten Erben keinen Unterschied machen darf, ob der Anwalt die Erstellung des Testaments fahrlässig versäumte oder ob er ein mit Rechtsfehlern behaftetes Testament erstellte. Soweit der Anwalt daher für Schlechterfüllung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte haftbar ist, müsse eine solche Haftung auch bei Nichterfüllung seiner Pflichten eingreifen120. v. Gierke sieht daher ebenso wie v. Caemmerer und ein Großteil der Literatur121 einen Ersatzanspruch der Klägerin aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als die richtige Lösung an. Doch fand der Ansatz des BGH über den vertraglichen Drittschutz nicht den ungeteilten Beifall der Literatur. Vielfach werden andere dogmatische Ansätze gewählt, um den Schadensersatzanspruch zu begründen. Gemeinsam ist diesen 116 Böhmer, MDR 1966, 468; Medicus, Bürgerliches Recht, 9. Auflage, Rn. 847, vertrat lange Zeit die Auffassung, was die Klägerin hier verlangt, sei Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Solchen könne sie jedoch nur verlangen, wenn ihr auch ein Erfüllungsanspruch zugestanden habe. Im Ergebnis lehnte Medicus einen Erfüllungsanspruch und damit auch einen Schadensersatzanspruch der Klägerin ab; anders aber in den späteren Auflagen, vgl. 21. Auflage, Rn. 847, 847 a, 847 b. 117 v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 320 ff.; zustimmend Schwerdtner, Jura 1980, 493, 499. 118 Über einen solchen Fehler eines Rechtsanwalts bei der Testamentserrichtung hatte der BGH ca. 30 Jahre nach dem Testamentsfall zu entscheiden (BGH NJW 1995, 51; dazu näher unten Teil 4 B.). 119 v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 311, 322. 120 K. v. Gierke, Die Dritthaftung des Rechtsanwalts, 1984, S. 143. 121 Siehe etwa MK-Gottwald, § 328 Rn. 148; Blomeyer, Schuldrecht, § 42 IV; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 847, 847 a, 847 b; Musielak, Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 38 ff.; Bell, Anwaltshaftung gegenüber Dritten, S. 79 ff.; Vollkommer / Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 103; Traugott, ZIP 1997, 872, 875; Schwerdtner, Jura 1980, 493, 499. Honsell, FS Medicus, S. 211, 224 f. befürwortet dagegen nicht klar den Lösungsansatz des BGH. Die Einbeziehung der Wunscherben in den Vertrag liege zwar näher als die der Dritten in den anderen Fällen. Problematisch bleibe aber die Nachlassverdoppelung zulasten des Beklagten aufgrund eines Testamentsformalismus, vgl. Honsell, a. a. O.
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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Ansätzen und der Entscheidung des BGH jedoch ungeachtet der abweichenden dogmatischen Konstruktionen der im hier verfolgten Kontext entscheidende automatische Rückschluss von der Heranziehung einer Anspruchsgrundlage auf die Haftung des Beraters122. Innerhalb der verschiedenen Ansätze zu unterscheiden sind solche, die die Haftung auf eine Verletzung von nicht leistungsbezogenen Rechtspflichten, insbesondere auf gesetzliche Schutz- oder sonstige Erhaltungspflichten stützen123, von solchen, die die Haftung unmittelbar aus der Verletzung der rechtsgeschäftlichen Leistungspflichten des Beraters herleiten möchten124. 1. Schadensersatz aufgrund einer Verletzung nicht leistungsbezogener Rechtspflichten des Beraters a) Schadensersatz nach den Grundsätzen der „Vertretung im Vertrauen“, §§ 164 ff. BGB analog Junker stützt einen Ersatzanspruch der Klägerin in Höhe der entgangenen Erbschaft darauf, dass der Erblasser bei Abschluss des Anwaltsvertrages als „Vertreter im Vertrauen“ für seine Tochter handelte125. Junkers dogmatisches Konzept basiert auf der Grundlage, dass der Grund für die Haftung des Partners einer Sonderverbindung gegenüber einem Dritten, an dieser Sonderverbindung Unbeteiligten, „vom Schädiger in Anspruch genommenes und vom Geschädigten entgegengebrachtes Vertrauen“ sei126. Diesem Modell liegt die Vorstellung zugrunde, dass neben das vertraglich begründete Leistungsverhältnis ein Schutzverhältnis trete, welches nicht durch den Austausch von Willenserklärungen, sondern infolge von Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen unabhängig vom Willen der Parteien kraft Gesetzes zustande komme127. In dieses Schuldverhältnis könne im Wege der Vertretung im Vertrauen auch ein Dritter eingebunden werden. Die Heranziehung der §§ 164 ff. BGB rechtfertige sich nach Ansicht Junkers bereits daraus, dass durch das Vertrauensverhältnis die Grundlage für eine Haftung geschaffen werde, die nicht den Vorschriften des Deliktsrechts, sondern denen des Vertragsrechts entspreche und dass daher „folgerichtig auch die vertragliche Zuständigkeitsordnung zum Zuge kommen“ müsse128. Im Testamentsfall habe der Erblasser sowohl insofern, als er Vertrauen gewährte, als auch insofern, als ihm gegenüber Vertrauen in Anspruch genommen wurde, als Vertreter der Klägerin gehandelt und wollte dies auch. Der Erblasser habe 122 123 124 125 126 127 128
Näher zu diesem Rückschluss noch nachfolgend 3. Zu ihnen sogleich unter 1. Nachfolgend unter 2. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 81 ff. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 23. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 25. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 25.
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
gewollt, dass die Klägerin an dem Schutz des zwischen Erblasser und Beklagtem bestehenden Vertrauensverhältnisses partizipierte129. Es habe zwischen dem Erblasser und der Klägerin kein Zweifel darüber bestanden, dass die Tätigkeit des Beklagten im Interesse der Klägerin erfolgte und der Erblasser mit der Beauftragung des Beklagten ihre Interessen wahrnehmen sollte130. Die Klägerin habe damit konkludent die Vollmacht erteilt, sie in ihrem Vertrauen gegenüber dem Beklagten zu vertreten131. Sowohl der Vertreterwillen des Erblassers als auch die Vollmachterteilung durch die Klägerin seien für den Beklagten offenkundig gewesen132. b) Sonderhaftung bei Sonderverbindung Reihlen133 und Plötner134 vertreten auf der Grundlage eines systematischen Ansatzes von Picker135 zum Ersatz reiner Vermögensschäden die Ersatzpflicht des Beklagten im Testamentsfall. Picker sieht alle Begründungsversuche zur Dritthaftung als gescheitert an. Den Grund für dieses Scheitern sieht er darin, dass alle Ansätze einen verfehlten Ausgangspunkt wählen: Sie versuchen, den Unterschied zwischen der schärferen vertraglichen Haftung gegenüber der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung auf einen Unterschied der Haftungsgründe zurückzuführen136. Der tiefere Geltungsgrund von Restitutionspflichten sei aber stets derselbe und beruhe nicht bloß auf einer irgendwie ausgestalteten konkreten Normierung des positiven Rechts. Auszugehen sei allein von dem Sinn des Prinzips, das die Einstandpflicht für primäre Vermögensschäden grundsätzlich ausschließt137. Das Prinzip der Irrelevanz primärer Vermögensschäden aus einem sozial unerwünschten Verhalten könne dann dort nicht mehr gelten, wo der legislatorische Zweck, zur Beschränkung der Haftung den Kreis der möglichen Anspruchsberechtigten von vornherein abstrakt-generell zu fixieren, bereits auf andere Weise erreicht sei. Das Vermögen als solches sei daher in den Integritätsschutz durch die geltende Ordnung einzubeziehen, wenn eine Potenzierung der Gläubigerzahl nicht mehr drohe, weil die denkbaren Anspruchsteller (durch eine Sonderbeziehung) zumindest abstrakt schon festgelegt und damit schon ex ante begrenzt seien138. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 81 f. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 82. 131 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 82. 132 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 82. 133 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 72 ff., S. 113 ff. 134 Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 172 ff. 135 Picker, AcP 183 (1983), 369; ders., JZ 1987, 1041; vgl. die zusammenfassenden Darstellungen der Ansicht Pickers bei Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 113 ff. und Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 156 ff. 136 Picker, JZ 1987, 1041, 1043. 137 Picker, FS Medicus, S. 397, 433, 445. 129 130
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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Nach Ansicht von Reihlen besteht im Testamentsfall ein Anspruch der enttäuschten Erbin auf Schadensersatz, weil zwischen ihr und dem Anwalt ihres Vaters eine solche Sonderbeziehung bestand, die die Zahl der Anspruchsteller schon von vornherein begrenze139. Die entgangene Erbschaft sei als entgangener Gewinn im Sinne des § 252 BGB zu qualifizieren140. Da der gesetzliche oder gewillkürte Erbe vor dem Erbfall keine Rechte am oder auf den Nachlass habe, sei die Erbaussicht nur eine tatsächliche Erwerbsaussicht, die der Erblasser durch entgegenstehende Verfügung unter Lebenden und auf den Todesfall und durch tatsächliche Maßnahmen restlos vernichten könne141. Der entgangene Gewinn umfasse aber nach der ganz h. M. auch den Verlust solcher tatsächlicher Erwerbsaussichten wie die Aussicht, einmal Erbe zu werden142. Die Sonderverbindung zur Klägerin werde durch die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Erblasser über die Testamentserrichtung begründet. Denn von diesem Zeitpunkt an sei eindeutig, dass die Klägerin als die einzusetzende Erbin als potentielle Ersatzgläubigerin in Betracht komme143. Plötner vergleicht den Testamentsfall mit den Fällen der Notarhaftung für eine entgangene Erbschaft144. Der Anwalt habe im Testamentsfall wie ein Notar zugleich auch die Vermögensinteressen der Klägerin zu wahren, weil der Erblasser sich diese zu Eigen mache145. Dem Beklagten komme bei der Testamentserrichtung abweichend von seiner gewöhnlichen Rolle als einseitiger Interessenwahrer seines Mandanten die eines neutralen Vermittlers des Erblasservermögens zwischen beiden zu146. Folglich könne er auch beiden gegenüber haften147. Nach der Ansicht von Plötner hat die Klägerin zwar im Verhältnis zum Erblasser keine geschützte Rechtsposition, weil die testamentarische Einsetzung zum Erben der Willkür des Erblassers unterliege148. Jedoch sei die Rechtsposition im Verhältnis zum Beklagten geschützt149. Picker, JZ 1987, 1041, 1052. Allerdings setzt nach Ansicht Pickers die Anerkennung zivilrechtlichen Schutzes in Form der Verpflichtung des Gegners zum Schadensersatz auch in der Sonderverbindung sachlich und dogmatisch die Anerkennung der zu schützenden subjektiv-rechtlichen Rechtsposition selbst voraus (Picker, FS Lange, S. 662, 680 ff.). Das Vorliegen einer subjektiv-rechtlichen Rechtsposition im Testamentsfall zugunsten der Klägerin verneint Reihlen, a. a. O., S. 73. jedoch ohne eingehende Begründung. 140 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 73. 141 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 73. 142 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 74 mit Hinweis auf RGZ 156, 65, 67; BGHZ 67, 119, 122; BGH VersR 1973, 423, 424; Staudinger-Medicus, 12. Auflage 1983, § 252 Rn. 6; MK-Grunsky, 3. Auflage, § 252 Rn. 4. 143 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 120. 144 Zum einheitlichen Haftungsgedanken von Anwalts- und Notarhaftung Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 204 ff. 145 Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 262. 146 Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 262. 147 Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 262. 138 139
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
c) Haftung wegen Verletzung vermögensschützender Verkehrspflichten Ein Teil der Literatur will die Dritthaftungsfälle über die Anerkennung von Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens lösen150. Danach gehe es in den von den Gerichten entschiedenen Dritthaftungsfällen eigentlich um Verkehrspflichtverletzungen, die in den falschen systematischen Zusammenhang gestellt worden seien151. Die Rechtsprechung dränge die Fälle entweder in § 826 BGB ab152 oder löse sie vertragsrechtlich, was erst recht falsch sei, weil es sich in der Mehrzahl der Entscheidungen nicht um Vertrags-, sondern um genuines Deliktsrecht handele153. Die von der Rechtsprechung zu entwickelnden oder entwickelten Verkehrspflichten sollen als Schutzgesetze (oder den Schutzgesetzen gleichgestellt) Eingang in § 823 II 1 BGB finden und so in den bisher als unzulänglich gelöst empfundenen Fällen die Möglichkeit eines Vermögensschadensersatzes eröffnen.154 v. Bar vertritt die Auffassung, beim Testamentsfall handele es sich ebenfalls um genuines Deliktsrecht155. Er hätte sich durch die Anerkennung deliktischer Berufspflichten besser lösen lassen als mit Hilfe des Vertragsrechts. Wenn tragender Gesichtspunkt der Urteilsgründe die Verwandtschaft von culpa in contrahendo und dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sei, so sei doch zu beachten, dass der Vertrag mit Schutzwirkung ebenso wie die culpa in contrahendo als Ausweg ins Vertragsrecht zur Überwindung des § 831 BGB geschaffen worden sei156. Als Begründung für seinen Ansatz verweist v. Bar außerdem auf die Bezugnahme des BGH auf die Argumentation des Berufungsgerichts, wonach ein Notar in der Situation des Beklagten aus § 839 BGB wegen der Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Verhaltenspflicht nach Deliktsrecht gehaftet hätte157. Diese Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 283. Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 283. 150 So vor allem K. Huber, FS für v. Caemmerer, S. 359, 377 ff. und v. Bar, Verkehrspflichten, insbesondere S. 206 – 238. Nach überwiegender Ansicht kann primärer Vermögensschutz gegen fahrlässiges Verhalten allein durch Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB erreicht werden, vgl. statt aller Erman-Schiemann, § 823 Rn. 153; Canaris, 2. FS Larenz, S. 27, 45 – 77, 81 ff.; Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 49 ff. 151 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 206 – 238. 152 v. Bar, Vekehrspflichten, S. 211, 217. 153 v. Bar, Deliktsrecht-Gutachten, S. 1681, 1721. 154 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 157 ff., 165; ders., Deliktsrecht-Gutachten, S. 1683, 1720; U. Huber, Leistungsstörungen-Gutachten, S. 647, 737, 738; ders., FS v. Caemmerer, S. 837, 862; Mertens, AcP 178 (1978), 227 ff., 252; Brüggemeier, Deliktsrecht, Rn. 77, 779; ablehnend Picker, JZ 1987, 1041, 1046. Canaris, 2. FS Larenz, S. 27, 45 spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer Perversion des Deliktsrechts. 155 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 223. 156 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 222 m. w. N. 157 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 223 unter Hinweis auf BGH JZ 1966, 141, 142; BGHZ 31, 5. 148 149
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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Parallele mache deutlich, dass in erster Linie das Zurückbleiben des § 823 II BGB hinter § 839 BGB als ungenügend empfunden und allein deswegen der Ausweg ins Vertragsrecht genommen worden sei158. In der Sache sei es um eine Verkehrspflicht zum Schutz fremden Vermögens gegangen159.
2. Haftung des Rechtsanwalts gegenüber der enttäuschten Erbin in Höhe der entgangenen Erbschaft aufgrund einer Verletzung der den Berater treffenden rechtsgeschäftlichen Leistungspflichten Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, die entgangene Erbschaft sei der enttäuschten Erbin als ihr positives Interesse an der Vertragserfüllung zu ersetzen. Teilweise wird dies damit begründet, der beklagte Rechtsanwalt habe ein eigenes Forderungsrecht der enttäuschten Erbin nicht erfüllt. Woraus das angebliche Forderungsrecht resultiert, wird unterschiedlich beurteilt: partiell wird vertreten, die enttäuschte Erbin sei Mitgläubigerin des Beratungsvertrages mit dem Rechtsanwalt. Nach anderer Ansicht folgt ein eigenes Forderungsrecht der enttäuschten Erbin aus einem echten Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 BGB. Geht man von einem eigenen Forderungsrecht der Tochter und damit von einem relativen Recht aus, das der Rechtsanwalt durch die Nichterfüllung verletzte, ergibt sich ein Ersatzanspruch im Sinne eines Schadensersatzes wegen Nichterfüllung gemäß § 325 BGB a. F. bzw. ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 I, III i. V. m. § 283 BGB n. F. 160. Nach einer weiteren Ansicht wiederum soll die enttäuschte Erbin zwar ein Leistungsinteresse an der Erbringung der Leistungspflicht des Rechtsanwalts aber kein eigenes Forderungsrecht haben. Dieses Leistungsinteresse sei im Wege der Drittschadensliquidation zu ersetzen. a) Die enttäuschte Erbin als Mitgläubigerin des Anwaltsvertrages W. Lorenz161 stimmt in seiner Urteilsanmerkung aus dem Jahr 1966 im Ergebnis der Entscheidung zu, stellt jedoch fest, dass der enttäuschten Erbin letztlich dasv. Bar, Verkehrspflichten, S. 223. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 223. 160 Ob aus einem echten Vertrag zugunsten Dritter bei Unmöglichkeit dem Dritten ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 325 a. F. BGB bzw. ein Ersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 281 – 283 BGB zusteht, ist streitig. Der BGH gewährte nach alter Rechtslage dem Dritten einen Ersatzanspruch gemäß §§ 325, 326 BGB (vgl. BGHZ 93, 217, 277 = JZ 1985, 574; zustimmend MK-Gottwald, § 335 Rn. 7, 8, 14 m. w. N.; so jetzt auch Jauernig-Stadler, § 328 Rn. 16; zur Problematik der Leistungsstörungen im Vertrag zugunsten Dritter vgl. auch Lange, NJW 1965, 657, 663; Fikentscher / Heinemann, Schuldrecht, Rn. 300; Larenz, Schuldrecht I, § 17 I b), (S. 223); Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 36 III 1 (S. 297); Gottwald, JZ 1985, 575, 576). 158 159
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
selbe gewährt werde, was ihr als (Mit-)Gläubigerin des Anwaltsvertrags wegen schuldhafter Säumnis des Schuldners als nicht befriedigtes primäres Leistungsinteresse zuzusprechen gewesen wäre, da die Klägerin hier „das eigentliche geldwerte Interesse an der Leistungserbringung durch den Schuldner“ gehabt habe. Da die Klägerin sogar Verhandlungen mit dem Beklagten führte, läge sogar eine Gesamtgläubigerschaft mit dem Erblasser näher als eine Drittberechtigung162. Zuletzt bemerkt W. Lorenz allerdings, dass es sich bei Fällen wie diesem um solche handele, die eigentlich ins Deliktsrecht gehören und nur aufgrund der Ablehnung einer deliktischen Generalklausel in die Vertragshaftung einbezogen werden. In einem späteren Aufsatz163 stellt W. Lorenz jedoch einen Schadensersatzanspruch in Frage, indem er anzweifelt, dass die Klägerin überhaupt einen „erstattungsfähigen Schaden erlitten“ hat, weil der Erblasser es sich bis zum noch festzusetzenden Termin der Testamentserrichtung wieder hätte anders überlegen können164. Des Weiteren hält er es nun für denkbar im Rahmen der Drittschadensliquidation die Fallgruppe der mittelbaren Stellvertretung fortzuentwickeln, so dass der Erblasser zum Vertreter der Interessen seiner Tochter werde165. b) Echter Vertrag zugunsten Dritter Berg vertritt die Meinung, dass sich hier ein Anspruch aus echtem Vertrag zugunsten Dritter rechtfertigen ließe, weil der Klägerin ein Anspruch wegen Nichterbringung der Hauptleistung zugestanden wurde166. Auch Schlechtriem167 ist der Auffassung, es handele sich hier um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, da grundsätzlich jeder Gläubiger einen der Verpflichtung des Schuldners entsprechenden Erfüllungsanspruch haben müsse. Bei Drittbegünstigung könne die „Erfüllung“ in der Mitwirkung an einer vom Versprechensempfänger gewünschten Vermögensmehrung des Dritten, aber auch in der bloßen Schutzgewährung für Interessen des Dritten bestehen, die bis zum Versprechen ungeschützte Hoffnungen gewesen sein mögen168. Der Testamentsfall sei innerhalb der Haftung für fehlerhafte Auskünfte, Gutachten, Bewertungen usw. eine Sondergruppe169 und als solche nicht über den Vertrag mit Schutzwirkung zu lösen. Die ParteiautonoW. Lorenz, JZ 1966, 143. Für eine Mitgläubigerschaft Erman-Westermann, § 328 Rn. 20. 163 W. Lorenz, JZ 1995, 317; ders., Karlsruher Forum 1983, S. 48, 49 Fn. 11. 164 W. Lorenz, JZ 1995, 317, 321. 165 W. Lorenz, JZ 1995, 317, 322. 166 Berg, MDR 1969, 613; ders., JuS 1977, 363; unklar dagegen Gansweid, JA 1978, 123, nach dessen Ansicht eine Haftungserweiterung des Anwalts nur bei Vorliegen eines echten Vertrages zugunsten Dritter eintritt – ob die Voraussetzungen eines echten Vertrags zugunsten Dritter vorliegen, lässt Gansweid jedoch offen. 167 Schlechtriem, FS Medicus, S. 529 ff. 168 Schlechtriem, FS Medicus, S. 529, 537. 169 Schlechtriem, FS Medicus, S. 529, 536. 161 162
B. Problematik des Ersatzes primärer Vermögensschäden im Testamentsfall
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mie entscheide, ob und wer neben den Vertragsparteien durch die Schaffung eines geschützten Interesses einen über ungeschützte Hoffnungen hinausgehenden Vermögenszuwachs erhalten soll170. Durch parteiautonome Zuordnung sei ein Erfüllungsinteresse des zukünftigen Erben geschaffen worden, ohne dass hierbei auch ein der Verpflichtung des Schuldners entsprechender Erfüllungsanspruch des Dritten entstanden sein müsse171. Bei Drittbegünstigung könne die geschuldete Erfüllung auch in der Mitwirkung an einer vom Versprechensempfänger gewünschten Vermögensmehrung des Dritten, aber auch in der bloßen Schutzgewährung für Interessen des Dritten bestehen, die bis zum Versprechen nur ungeschützte Hoffnungen waren172. In beiden Fällen könne ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegen173. Hans Stoll174 ist ebenfalls der Ansicht, dass die Klägerin ein positives Interesse an der Leistungserbringung durch den Beklagten hatte, führt jedoch den Inhalt dieses Interesses nicht näher aus. Der Erblasser habe das Interesse der Tochter durch Vertrag dem Rechtsanwalt in die Hand gegeben, daher müsse man nach vernünftiger Vertragsauslegung zu dem Ergebnis kommen, der Tochter als Interesseträgerin einen eigenen vertraglichen Anspruch zu geben175. Der Schuldner dürfe nicht von der Verlagerung des Interesses profitieren176. c) Besonderer Fall der Drittschadensliquidation Auch nach der Meinung Hohlochs machte die Klägerin im Testamentsfall kein Schutzinteresse geltend, sondern ein Leistungsinteresse177. Es gehe im Testaments170 Vgl. dazu auch Böhmer, JR 1966, 173, 174, der aber gerade darauf abstellt, dass die Parteien (der Erblasser und der Rechtsanwalt) nirgends den Willen zu erkennen gaben, der enttäuschten Erbin Rechte gegen den Rechtsanwalt einräumen zu wollen. 171 Schlechtriem, FS Medicus, S. 529, 537. 172 Schlechtriem, FS Medicus, S. 529, 537. 173 Positiv gegenüber einem echten Vertrag zugunsten Dritter außerdem Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 173 f. („Schutzanspruch“ gemäß §§ 328 ff. BGB); ebenso Karampatzos, S. 126 ff. (echter „Vertrag zugunsten Dritter gemäß §§ 328 ff. BGB besonderer Art“); zurückhaltend Bayer, JuS 1996, 473, 476; unsicher Middleton / Rogge, VersR 1994, 1027, 1033 („unmittelbare Nähe zu § 328 BGB“); unklar Vollkommer / Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 103 („Der Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung für Dritte ( . . . ) steht mit seinem Tatbestand der Nicht-(Schlecht-)erfüllung der Hauptleistungspflicht und dem Ersatz von allgemeinen Vermögensschäden den echten Verträgen wesentlich näher als die durch eine ,Schutzpflichtverletzung‘ ( . . . ) gekennzeichneten ,klassischen‘ Verträge mit Schutzwirkung für Dritte ( . . . ).“); Philippsen, Zur Dritthaftung des privat beauftragten Gutachters, S. 48 („( . . . ) hätte es eigentlich nahe gelegen, den ( . . . ) Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 328 I BGB als berechtigenden Vertrag zugunsten der Tochter zu qualifizieren.“). 174 Hans Stoll, RabelsZ 46 (1982), 591, 596. 175 Hans Stoll, RabelsZ 46 (1982), 591, 596. 176 Hans Stoll, RabelsZ 46 (1982), 591, 596. 177 Hohloch, FamRZ 1977, 530, 532.
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
fall darum, ob ein Ersatz eines solchen Vermögensschadens auch ohne primäres Leistungsinteresse möglich sei. Es sei daher schief, von einer Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages zu sprechen178. Die Lehre von der Schutzwirkung des Vertrages solle außerdem auf die Verletzung von Verhaltenspflichten beschränkt bleiben, weil Motiv dieser Lehre lediglich die Korrektur des Deliktsrechts sei179. Da aber der Ersatz reiner Vermögensschäden kein Postulat des Schadensrechts sei, bestehe hier ein solches Motiv zur Korrektur des Deliktsrechts nicht180. Ferner fehle im Testamentsfall die nach der Schutzwirkungslehre erforderliche Kumulierung der Haftung. Stattdessen spreche der Schadenseintritt bei einem Dritten bei gleichbleibendem Haftungsrisiko für den Vertragsschuldner dafür, die Schadensregulierung nach den Grundsätzen der „Drittschadensliquidation“ vorzunehmen181. Hohloch will hierzu ebenfalls wie W. Lorenz182 die Fallgruppe der „mittelbaren Stellvertretung“ fortentwickeln183. Gernhuber184 lehnt die Begründungsansätze der Rechtsprechung zur Rechtfertigung des Drittschutzes als „Scheinbegründungen“ ab und will die neue Rechtsfigur als Resultat richterlicher Rechtsfortbildung ausweisen, unter die auch der Drittschutz wegen Verletzung einer Leistungspflicht zu subsumieren sei. Er ist der Ansicht, der Drittschutz nach Verletzung einer Leistungspflicht sei nichts weiter als die Umkehrung der Drittschadensliquidation aber nicht in deren Fallgruppen einzuordnen185: „Wird bei dieser der Schaden eines Dritten in einen ihm fremden Schadensersatzanspruch ,eingeleitet‘, so wird bei jenem dem Dritten für seinen Schaden ein (an sich fremder) Anspruch „zugeleitet‘ “186. Es handele sich hierbei nicht mehr darum, Dritten aufgrund der vielfältigen Sozialwirkungen eines Schuldverhältnisses Schutz zu gewähren, sondern die Wirkungen der Verletzung von Hohloch, FamRZ 1977, 530, 533. Hohloch, FamRZ 1977, 530, 532 f. 180 Hohloch, FamRZ 1977, 530, 533. 181 Hohloch, FamRZ 1977, 530, 533; für die Lösung über die Drittschadensliquidation auch Ostrowicz, Vertragshaftung und Drittschutz, S. 108; Schütz, Schadensersatzansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, S. 220; Brüggemeier, Deliktsrecht, Rn. 449; Neuner, JZ 1999, 126, 133 f. („Vertrag mit Schadensliquidation zugunsten Dritter“), bei dem allerdings unklar bleibt, ob nach seiner Ansicht die entgangene Erbschaft das positive Interesse der enttäuschten Erbin darstellt. Voraussetzung für die Figur des Vertrags mit Schutzwirkung sei, dass wie im Testamentsfall nach dem Sinn und Zweck des Vertrags die vereinbarten Leistungen einem Dritten zukommen sollen, den spiegelbildlich auch die Pflichtverletzungen des Schuldners treffen. Allerdings könne der Dritte seine Ersatzansprüche nicht beim Schädiger, sondern müsse sie „übers Eck“ analog den Grundsätzen der Drittschadensliquidation geltend machen, vgl. Neuner, JZ 1999, 126, 136. 182 Lorenz, JZ 1995, 317. 183 Hohloch, FamRZ 1977, 530, 533. 184 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 540. 185 Anders Hohloch, FamRZ 1977, 530. 186 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 540 mit Hinweis auf Medicus, Bürgerliches Recht, 13. Auflage, Rn. 839. 178 179
C. Prinzipiell abweichende Ansätze zur Testamentsentscheidung
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Leistungspflichten dorthin zu verlagern, wo der Schaden eintrat187. Drittschutz komme aber nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte nicht selbst Gläubiger der Leistungspflicht ist188.
3. Die Kernaussage der dargestellten Literaturstimmen zur Testamentsentscheidung Die Darstellung der verschiedenen Literaturansichten zum Testamentsfall zeigt, dass zwar abweichend von der Lösung des BGH vielfach andere dogmatische Ansätze gewählt werden, um den Schadensersatzanspruch der enttäuschten Erbin zu begründen. Gemeinsam ist diesen Ansätzen und der Entscheidung des BGH jedoch ungeachtet der abweichenden dogmatischen Konstruktionen der automatische Rückschluss von der Heranziehung einer Anspruchsgrundlage auf die Haftung des Beraters. Haftungsbegründend ist nach allen vorgestellten Ansichten die Leistungspflichtverletzung des Rechtsanwalts, ohne zu erörtern, ob einer solchen Leistungspflicht des Beraters auch ein vermögenswertes Recht der enttäuschten Erbin gegenübergestellt werden kann, welches vom Rechtsanwalt verletzt wurde. Zwar sprechen diejenigen Ansichten, die von einem eigenen Forderungsrecht der enttäuschten Erbin gegenüber dem Rechtsanwalt ausgehen, ihr konkludent ein relatives Recht zu. Offen bleibt aber der Inhalt eines solchen relativen Rechts und unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung dieses Rechts einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Erbschaft nach sich zieht189.
C. Prinzipiell abweichende Ansätze zur Testamentsentscheidung Es bleiben hier die vereinzelten prinzipiell abweichenden Ansätze zur Testamentsentscheidung darzustellen. Sie unterscheiden sich schon in ihrem prinzipiellen Ansatz kategorial von der Entscheidung selbst sowie von den bisher erörterten Literaturstimmen insofern, als sie nicht nach einer schadensrechtlichen Anspruchsgrundlage suchen und nach deren erfolgreichem Auffinden gleichsam automatisch die Haftung des Beraters annehmen. Vielmehr setzt Kegel bereits bei der Frage an, wie denn überhaupt die erbrechtliche Lage aussehe190. Über diesen Ansatz gelangt Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 540. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 541: Wenn der Erblasser im Namen des zu Begünstigenden gehandelt hat und handeln durfte, sei dieser selbst Gläubiger der Leistungspflicht. Dann könne ein Vertrag zugunsten Dritter oder eine Gesamtgläubigerschaft vorliegen. 189 Dazu eingehend unten Teil 3 B. 190 Kegel, FS Flume, S. 545 ff. siehe sogleich unter I. 191 Zimmermann, FamRZ 1980, 99 siehe sogleich unter II. 187 188
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
er für den Testamentsfall zu dem Ergebnis, es falle der Nachlass trotz des Fehlers des Beraters der Person an, die der Erblasser habe bedenken wollen, sodass es für diese schon deshalb am ersatzfähigen Schaden fehle. Ob dies zutrifft, ist zwar noch zu erörtern. Sollte mit Kegel indes anzunehmen sein, dass die vermeintlich Geschädigte die ihr zugedachte Erbschaft gar nicht verliere, so erledigt sich damit tatsächlich auch die bisher ins Zentrum gestellte schadensersatzrechtliche Fragestellung. Der Ansatz Kegels ist deshalb auch vom hier vertretenen Standpunkt aus zweifellos von Relevanz, weshalb er im Folgenden darzustellen ist. Im Anschluss daran ist auf den prinzipiell abweichenden Ansatz von Zimmermann191 u. a. einzugehen, der zwar die Erbfolge nicht im Sinne Kegels bestimmt, sondern die Erbschaft mit der h. M. der formal Begünstigten, nicht der vom Erblasser intendierten Erbin zufallen lässt. Doch scheitert nach Auffassung Zimmermanns der Ersatzanspruch der enttäuschten Erbin daran, dass es auf ihrer Seite an einer zerstörten Rechtsposition fehlt. Dies entspricht dem hier verfolgten, einleitend bereits skizzierten Ansatz. Die Darstellung der Position Zimmermanns leitet daher unmittelbar über zu der hier verfolgten Konzeption, auf die sogleich im Anschluss einzugehen ist.
I. Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ Kegel verneint eine Haftung des Anwalts mit dem Hinweis, dass ansonsten eine Nachlassverdoppelung herbeigeführt werde, und begründet stattdessen eine Haftung des „Vormannes“, also desjenigen, der bei Einhaltung der Formvorschriften Erbe oder Vermächtnisnehmer ist192. Der „verhinderte“ Erbe oder Vermächtnisnehmer erwerbe direkt kraft „besseren Erblasserwillens“193. Zwar sieht Kegel zunächst Bedenken darin, dass der Erblasser solchen Willen nicht erklärt oder jedenfalls nicht formgerecht erklärt hat. In den Fällen, in welchen die Rechtsprechung eine Haftung des Anwalts oder Notars für begründet erachtete, sei jedoch der Wille des Erblassers entweder unstreitig oder bewiesen, so dass man leicht darüber hinweg komme, dass der Erblasser seinen Willen nicht im Sinne einer Willenserklärung geäußert hat194. Wenn dieser Beweis für die Haftung des Anwalts möglich ist, dann müsse es auch möglich sein, gegenüber dem Vormann den „besseren Erblasserwillen“ zu beweisen195. Da letztendlich bei einem Ersatzanspruch gegen den Anwalt ebenso einem formlos verlautbarten Erblasserwillen Rechtswirkung beigemessen wird, erwerbe besser der Verhinderte unmittelbar als auf dem gefährlichen Umweg über einen Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt196. 192 193 194 195 196 197
Kegel, FS Flume, S. 545, 554 ff. Kegel, FS Flume, S. 545, 555 ff. Kegel, FS Flume, S. 545, 554. Kegel, FS Flume, S. 545, 555. Kegel, FS Flume, S. 545, 554. Kegel, FS Flume, S. 545, 551 ff.
C. Prinzipiell abweichende Ansätze zur Testamentsentscheidung
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Kegel begründet seine These mit der angeblichen Parallele des Testamentfalles zu anderen Situationen, in denen der Wille des Erblassers ebenfalls einem „besseren Erblasserwillen“ weichen müsse: Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen (§§ 2078, 2279, 2281 BGB), Pflichtteilsentziehung nach §§ 2333 – 2336 BGB und Bindung beim Erbvertrag oder gemeinschaftlichen Testament197. Kegel stützt seine Lösung auch auf die Annahme, der verhinderte Erbe habe gar keinen Schaden erlitten, weil dem Verhinderten lediglich ein Gewinn entgangen sei, auf den er keinen Anspruch hatte, sondern auf den er nur hoffen durfte198. Es sei rechtsmissbräuchlich, hinsichtlich des wahren Erblasserwillens auf dem Formzwang zu beharren und so ein Versagen des Anwalts oder Notars am Erblasser und am verhinderten Erben auszulassen199. Auch sei anerkannt, dass man sich in harten Fällen vom Formzwang befreien müsse; im Übrigen gehe die allgemeine Entwicklung auf Milderung der Testamentsform200. Nach Kegel bleibt eine Haftung des Anwalts oder Notars lediglich für schuldhaft verursachte Zusatzschäden wie Verzögerungsschäden, Kosten der Rechtsverfolgung gegen den Scheinerben, uneinbringliche Verluste, die der Vormann herbeigeführt hat201.
II. Kein Ersatzanspruch mangels zerstörter Rechtsposition Außer Kegel verneint einen Schaden auch Zimmermann202, der ebenfalls lediglich von einer zerstörten Hoffnung und nicht von einer verletzten Rechtsposition des verhinderten Erben ausgeht203. Für einen Schadensersatzanspruch der entKegel, FS Flume, S. 545, 548 und 554. Kegel, FS Flume, S. 545, 555. 200 Kegel, FS Flume, S. 545, 555. 201 Kegel, FS Flume, S. 545, 557. 202 Zimmermann, FamRZ 1980, 99 ff.; ders., ZEuP 4 (1996), 672. Vgl. ferner auch noch Böhmer, MDR 1966, 468; ders., JR 1966, 173, 174, der eine Haftung im Testamentsfall ebenfalls verneint. Dennoch gehört seine Auffassung nicht in den hier erörterten Kontext, in dem eine Haftung mangels zerstörter Rechtsposition und damit mangels ersatzfähigem Schaden verneint wird. Nach Auffassung Böhmers liegt dagegen sehr wohl ein Vermögensschaden vor, dieser könne jedoch nur im Falle einer Mitgläubigerstellung der Tochter im Rahmen eines vertraglichen Anspruchs erstattet werden. Nach Böhmer ist „schon die ganze Konstruktion von sog. ,Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte‘ sehr unglücklich“. Es handele sich hier um eine Umwandlung von Deliktsansprüchen in Vertragsansprüche und damit um eine Umgehung des § 823 I BGB: „Es geht nun nicht an, in der Weise über die Regelung des § 823 I BGB hinauszugehen, dass man vertragliche Ansprüche konstruiert“. Folglich verneint Böhmer schon mangels Anspruchsgrundlage den Ersatzanspruch, befindet sich damit aber durchaus im Ansatz in Einklang mit den herrschenden Auffassungen, die ebenfalls die technische Frage, ob eine Anspruchsgrundlage einschlägig sei, für entscheidend halten. Nur beantwortet Böhmer diese Frage eben anders als die h. M. 203 Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 100 f.; eine Haftung ablehnend auch Ziegltrum, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, S. 200 ff. („Reflexwirkung“) und Siegrist, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, S. 106 („Reflexschaden“). 204 Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101. 198 199
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
täuschten Erbin fehlt es nach der Ansicht von Zimmermann sowohl an der Anspruchsgrundlage als auch an einer zerstörten Rechtsposition204. Ein Ersatz aus Vertrag mit Schutzwirkung komme mangels Verletzung einer Neben- oder Schutzpflicht nicht in Betracht. Es sei lediglich eine Hauptleistungspflicht verletzt worden; deren Erfüllung und entsprechende Sekundäransprüche könne die Tochter jedoch nur bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter verlangen. Eine Drittschadensliquidation komme mangels zufälliger Schadensverlagerung nicht in Betracht. Schließlich sei auch das Vorliegen eines Schadens fraglich. Zwar sei daran unter Zugrundelegung der Differenzhypothese kaum ein Zweifel möglich, jedoch habe der Anwalt die Vermögenseinbuße nicht unmittelbar herbeigeführt, weshalb er im Ergebnis lediglich eine Hoffnung, nicht jedoch eine Rechtsposition zerstörte. Im Übrigen sei auch das Problem der Doppelerbschaft zu beachten. Zimmermann arbeitete in diesem Zusammenhang den Unterschied zu der Wertverdoppelung in einer sehr zweifelhaften Entscheidung des BGH205 heraus: In diesem Fall schloss der Kläger nach Anraten des beklagten Rechtsanwalts und Notars mit seiner Schwester einen Abfindungsvertrag, in dem die Schwester die Absicht erklärte die Erbschaft nach ihrem Vater für sich und ihre Kinder auszuschlagen. Diese bestand im Wesentlichen aus einem Grundstück, auf dem der Erblasser einen Hotel- und Gaststättenbetrieb unterhalten hatte. Für den Fall, dass diese Erklärung abgegeben würde, verpflichtete sich der Kläger, an seine Schwester 50.000 DM zu zahlen. Der Erblasser hatte jedoch die Schwester des Klägers als Alleinerbin eingesetzt und dem Kläger den Pflichtteil entzogen. Der Kläger erlangte dadurch folglich nicht die Stellung eines Erben nach seinem Vater, wie es sich die Vertragsbeteiligten vorgestellt hatten. Erben wurden vielmehr seine beiden minderjährigen Kinder. Das Vormundschaftsgericht genehmigte eine Übertragung des Grundstücks an den Kläger lediglich gegen Zahlung von weiteren 102.000 DM an seine Kinder. Nach Ansicht des BGH hatte der Beklagte dem Kläger wegen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz zu haften. Diese Ersatzpflicht sei auch nicht wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit des Klägers ausgeschlossen. Aus Billigkeitsgründen bestehe der Anspruch jedoch nicht in voller Höhe des an die Kinder zu zahlenden Betrages: „Wenn sich daher auch grundsätzlich die Schadensersatzpflicht an dem Betrag orientieren muß, den das Vormundschaftsgericht als Kaufpreis für die Veräußerung an den Vater genehmigte, so darf doch nach Treu und Glauben bei der Schadensbeurteilung das von Kegel ( . . . ) aufgezeigte Problem der „lachenden Doppelerben“ nicht völlig außer Betracht bleiben. ( . . . ) Dagegen bleibt hier bei natürlicher Betrachtung das Unbehagen an der Tatsache, dass der Stamm des Kapitals, für den der Vater Ersatz fordert, dessen minderjährigen Kindern ( . . . ) zugeflossen ist und verbleibt, so dass dieser Betrag durch die begehrte Ersatzzahlung der Familie doppelt zufließt“206. 205 206
FamRZ 1980, 133 = NJW 1979, 2033. BGH NJW 1979, 2033, 2034.
D. Fazit
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Zimmermann stellt klar, dass es sich auch hier um das „Problem einer seltsamen Wertverdoppelung“ handele. Um diese zu verhindern schlägt er dort jedoch eine ganz andere Lösung vor: „dem Kläger zu geben, was man seinen Kindern wieder nimmt“207. Der Kläger soll bei seinen Kindern analog § 816 I 2 BGB kondizieren können, während sich dann der Schadensersatzanspruch gegen den Notar auf die Rechtsverfolgungskosten beschränke und im Übrigen auf die Beträge, die er wegen § 818 III BGB von den Kindern nicht mehr verlangen kann. Dieser Fall ist jedoch nach der Auffassung Zimmermanns nicht mit dem Testamentsfall vergleichbar. Obwohl der formale Erbe im Testamentsfall nicht schutzwürdig sei, könne eine „Doppelerbschaft“ nur vermieden werden, wenn „Erbe bleibt, wer Erbe ist“. Wer nicht formgerecht eingesetzt wurde, könne sich weder direkt noch indirekt durch Schadensersatz auf die Erbschaft berufen. Wer dagegen infolge falscher Beratung Verfügungen trifft, die ihn benachteiligen, indem Dritte unbeabsichtigt bereichert werden, könne diesen Vermögenszuwachs kondizieren. Wie Zimmermann und Kegel verneinen auch Keitel208 und Schlitt / Seiler209 einen Schadensersatzanspruch aufgrund fehlender Vermögensposition des enttäuschten Erben.
D. Fazit Die Darstellung der verschiedenen Lösungsansätze zum Testamentsfall fördert eine ernüchternde Erkenntnis zu Tage: Es zeigt sich, dass die Ergebnisse und Begründungen im Testamentsfall teilweise kategorial verschieden sind. Den verschiedenen Lösungen liegen partiell unterschiedliche Prämissen einer Schadensersatzhaftung zugrunde: So setzen die zuletzt unter C. dargestellten Ansichten die Verletzung eines vor dem Erbfall zugewiesenen Vermögensrechts voraus, verneinen im Testamentsfall die Zuweisung eines solchen Vermögensrechts und mithin eine Haftung des Rechtsanwalts in Höhe der entgangenen Erbschaft210. Reihlen hingegen bejaht eine Haftung trotz ihrer Feststellung, dass ein (Anwartschafts)Recht am oder auf den Nachlass nicht bestehe211 mit dem kurzen Hinweis, der entgangene Gewinn umfasse nach ganz h. M. auch den Verlust rein tatsächZimmermann, FamRZ 1980, 99,103. Keitel, Rechtsgrundlage und systematische Stellung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, S. 157. 209 Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1925. 210 Kegel, FS Flume, S. 545, 548, 554; Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101; Keitel, Rechtsgrundlage und systematische Stellung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, S. 157; Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1925. 211 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 73 f. 212 Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 74. 207 208
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1. Teil: Der Testamentsfall im Kontext der Dritthaftungsproblematik
licher Erwerbsaussichten, also auch die Aussicht, einmal Erbe zu werden212. Die meisten Lösungsansätze verzichten aber gänzlich auf die Erwähnung der Prämisse einer Rechtsverletzung und gewähren einen Ersatzanspruch ohne die Erörterung der Frage, ob der enttäuschten Erbin hinsichtlich des Nachlasses ein Vermögensrecht zugewiesen war, welches vom Rechtsanwalt verletzt wurde. Das Vorliegen eines Schadens wurde weder vom BGH noch von den im Ergebnis zustimmenden Literaturansichten ausreichend dargelegt. Eine solche Darlegung ist aber aufgrund der so grundlegend verschiedenen Lösungsansätze und Ergebnisse notwendig, so dass sich die Lösung des Testamentsfalls mangels evidenten Vorliegens eines Schadens entgegen der überwiegenden Ansicht gerade nicht im Auffinden einer passenden Anspruchsgrundlage erschöpft, sondern einer näheren Erörterung bedarf. Auch diejenigen Literaturstimmen, die eine Haftung mangels Schaden ablehnen, bleiben eine umfassende Begründung ihres Ergebnisses schuldig. Es ist daher im Folgenden zu untersuchen, inwiefern die Verletzung eines zugewiesenen Rechts Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs insbesondere wegen entgangenen Gewinns ist213 und mit welchen Instrumentarien Vermögensrechte zugewiesen werden214. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse dieser Erörterungen auf den Testamentsfall und sodann auf ähnlich gelagerte Fälle entgangener Erbschaft übertragen215.
Teil 2 A. und B. Teil 2 B. 215 Teil 4. 1 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 3. 213 214
2. Teil
Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs: Das Erfordernis einer Verletzung eines dem Geschädigten zugewiesenen Rechts als Ausfluss von Ausgleichsprinzip und Bereicherungsverbot A. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung über die Zuweisung subjektiver Rechte zur Bestimmung der für die Differenzhypothese relevanten Vermögenslagen In der „Lehre vom Interesse“ definierte Mommsen den Schaden / das Interesse als Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögen und dem Betrag, „welchen dieses Vermögen ohne Dazwischenkunft dieses Ereignisses in dem zur Frage stehenden Zeitpunkt haben würde“1. Er prägte damit entscheidend die weitere Entwicklung des Schadensersatzrechts. Mommsens sog. Differenzhypothese beherrschte die Rechtsprechung des Reichsgerichts2. Auch heute noch liegt die Differenzhypothese der herrschenden Praxis zugrunde3, die nur in Ausnahmefällen von einer Berechnung nach der Differenzhypothese abweicht4. In diesen Ausnahmefällen wird ein Schaden mit Hilfe des sog. „normativen“ Schadensbegriffs auch dann bejaht, wenn sich keine Differenz im Sinne der Differenzhypothese feststellen lässt5. Seit H. A. Fischer6 bezeichnet man das Ergebnis der Differenzhypothese als „natürlichen Schaden“. Die Differenzhypothese und damit zusammenhängend der „natürliche“ Schadensbegriff ist in der heutigen Rechtslehre mit unterschiedlichen Modifikationen anerkannt7 und wird als im Grundsatz richtige Methode zur SchaSiehe nur etwa RGZ 77, 99, 101; 91, 30, 33. BGHZ 27, 181, 183 f.; BGH NJW 1987, 831, 834; BGH NJW 1988, 1837, 1838 f.; BGH NJW 1994, 2357. 4 Vgl. den Überblick bei Lange / Schiemann, § 1 I (S. 29) in Fn. 12, danach erfolgen normative Ergänzungen vor allem bei der abstrakten Nutzungsentschädigung für Kraftfahrzeuge, beim merkantilen Minderwert von Kraftfahrzeugen und bei Schadensersatzansprüchen wegen Wegfalls der Arbeitskraft einer als Hausfrau tätigen Ehefrau. 5 BGHZ (GS) 98, 212. 6 H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB. 7 Vgl. dazu die Übersicht bei Lange / Schiemann, § 1 I (S. 28) in Fn. 13. 8 Vgl. Lange / Schiemann, § 1 I (S. 29). 2 3
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
densermittlung angesehen insbesondere mit der Begründung, der hierfür erforderliche Vergleich zweier Vermögenslagen sei durch § 249 I BGB vorgegeben8. Allerdings ist das Schrifttum dieser Entwicklung in der Rechtsprechung mitunter auch mit eigenen Lösungsvorschlägen entgegengetreten9. Nur genannt seien hier der Kommerzialisierungsgedanke10 und die Lehre vom normativen Schaden11.
I. Die traditionelle Feststellung eines primären Vermögensschadens in (scheinbar) rein „rechnerischer“ Weise nach der Differenzhypothese 1. Die Lösung des BGH im Testamentsfall und der dieser Entscheidung zustimmenden Literatur durch eine Gesamtvermögensrechnung Im Testamentsfall erhält man eine Vermögensdifferenz im Sinne der Differenzhypothese mittels einer Differenzrechnung, bei der man das Vermögen der enttäuschten Erbin nach dem Erbfall mit der Vermögenslage vergleicht, die bestehen würde, wenn sie die ganze Erbschaft erlangt hätte. Das Ergebnis einer solchen Rechnung ist eine Differenz in Höhe der entgangenen Nachlasshälfte. Von zentraler Bedeutung für die Differenzrechnung im Testamentsfall ist also die Einbeziehung der entgangenen Erbschaft in die hypothetische Vermögenslage. Warum die entgangene Erbschaft in diese hypothetische Vermögenslage einzubeziehen ist, wird allerdings weder in dem Urteil des BGH noch von den meisten ihm im Ergebnis zustimmenden Literaturansichten näher begründet oder überhaupt auch nur angesprochen12. Ebenso wenig wird angesprochen, ob die entgangene Erbschaft als Vermögenseinbuße oder als entgangener Gewinn zu qualifizieren ist. Eine Einbeziehung der entgangenen Erbschaft in den Vermögensvergleich hält das Gericht offenbar für so selbstverständlich, dass es sie als nicht weiter erklärungsbedürftig empfand. Anscheinend war der BGH der Ansicht, dass evident ein Schaden entstanden ist13. Ein Schadensersatzanspruch ist dann schnell begründet: Der BGH sieht – grundsätzlich zutreffend – in der Leistungspflichtverletzung ein haftungsbegründendes Vgl. die umfassende Darstellung bei Lange / Schiemann, § 1 (S. 26 ff.). Hierzu etwa die Darstellung bei Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 822 ff. 11 Grundlegend R. Neuner, AcP 133 (1931), 292 ff. 12 Nur teilweise wird von den im Ergebnis zustimmenden Autoren dazu Stellung genommen, ob eine Rechtsposition zerstört wurde, weil es sich anerkanntermaßen (s. dazu Teil 3) bei der entgangenen Nachlasshälfte um eine bloße Erwerbsaussicht handelte: die ungeschützten Erwerbsaussichten seien durch Parteivereinbarung zu vertraglich, also auch schadensersatzrechtlich geschützten Vermögensinteressen hinaufgehoben worden (s. dazu Teil 3). 13 Zum „evidenten“, nicht weiter zu begründenden Schaden Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 164 f. 14 BGH JZ 1966, 141, 142. 9
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A. Die Erforderlichkeit einer Zuweisungsentscheidung
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Verhalten des Rechtsanwalts. Dieses war, was ebenfalls kaum bezweifelt werden kann, kausal für den Nichterwerb der Erbschaft, wenn man unterstellt, dass der Erblasser den nur mündlich geäußerten Willen auch vor dem Notar bekräftigt und unterschrieben hätte. Eine Leistungspflichtverletzung soll danach offenkundig als Rechtsverletzung für einen Schadensersatzanspruch genügen; dabei geht jedoch auch der BGH davon aus, dass eine Leistungspflicht des Beklagten gerade nicht gegenüber der Klägerin, sondern nur gegenüber dem Erblasser bestand. Wem das mit der vertraglichen Leistungspflicht begründete relative Recht zugeordnet war, bleibt auf dieser Basis ganz irrelevant. Es bleibt unerörtert, welche haftungsrelevante Beziehung zwischen der haftungsbegründenden Leistungspflichtverletzung und dem rein rechnerisch ermittelten Schaden besteht. Unter dem „Deckmantel“ der Differenzhypothese erfolgt also zunächst eine Schadensermittlung angeblich durch eine einfache Rechenoperation ohne bewusste wertende Gesichtspunkte. Anschließend wird der Schadensersatzanspruch aus einem haftungsbegründenden Verhalten abgeleitet, das zu dem entstandenen Schaden außer durch die Kausalität überhaupt nicht in Beziehung gesetzt wird. Der BGH verweist darauf, dass der Vertrag zwischen Schädiger und dessen Vertragspartner Schutzwirkung für den Geschädigten entfaltet, ohne einen Bezug zwischen der Verletzung der vertraglichen Leistungspflicht und dem Schaden der am Vertrag nicht beteiligten Klägerin herzustellen. Anstelle der Feststellung einer Verletzung eines Rechts der Klägerin wird neben der rechnerischen Feststellung einer Differenz die Frage der Einbeziehung des „Dritten“ in den drittschützenden Vertrag als für die Haftung entscheidend erachtet. Eine solche Einbeziehung begründet der BGH im Testamentsfall damit, dass nach Sinn und Zweck des Vertrages und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dem Beklagten gegenüber der Klägerin eine vertragliche Sorgfaltspflicht oblegen habe14. Aus welchem Recht der Klägerin eine solche vertragliche Sorgfaltspflicht resultiert, bleibt offen. Der BGH führt dazu lediglich aus, dass der Abschluss des Vertrages des Erblassers mit dem Beklagten und die rechtzeitige Erfüllung der vom Beklagten übernommenen Verpflichtungen für die Klägerin von besonderem Interesse gewesen seien15. Trotzdem lehnte das Gericht ein eigenes Forderungsrecht der Klägerin gegenüber dem Beklagten ab. Begründet wird das Abstellen auf die Leistungspflichtverletzung ohne Anerkennung eines eigenen Forderungsrechts mit dem Argument, dass bei Verletzung sonstiger Sorgfaltspflichten die Haftung wegen eines durch mangelhafte Leistung hervorgerufenen Schadens nicht daran scheitere, dass der Dritte keinen Anspruch auf mangelfreie Leistung oder auf Mängelbeseitigung hat16. Es wird im Testamentsfall nicht untersucht, inwieweit mit dem Entgang der Erbschaft tatsächlich ein vor dem Erbfall bestehendes, konkretes Vermögensgut der Klägerin verletzt ist. Es wird lediglich die Gesamtvermögenslage der Klägerin be15 16 17
BGH JZ 1966, 141, 142. BGH JZ 1966, 141, 142 mit Hinweis auf BGHZ 33, 247. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 15.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
trachtet, die sich aufgrund der Leistungspflichtverletzung nicht zu ihren Gunsten verändert hat, daraus der Schaden und folglich der Schadensersatzanspruch abgeleitet. Dadurch wird der Schaden zu einer „anonymen Rechengröße, die einen Bezug zu dem einzelnen entzogenen oder beeinträchtigten Vermögensgegenstand nicht mehr aufweist“17.
2. Die traditionelle Bestimmung eines Vermögensschadens in rein rechnerischer Weise nach der Differenzhypothese Durch einen solchen Gesamtvermögensvergleich versuchen Rechtsprechung und Literatur nicht erst seit dem Testamentsfall, einen primären Vermögensschaden in rein rechnerischer Weise festzustellen und ihn als rein abstrakte Rechengröße zu erfassen18. Zu beobachten ist eine Schadensberechnung durch eine Gesamtvermögensdifferenz losgelöst von einem konkret betroffenen Vermögensgut vor allem in den Fällen, in denen nicht das sicher bestehende Vermögen verringert wurde, sondern ein erwarteter Vermögenszufluss nicht eintrat, also bei Schäden, die man als entgangenen Gewinn im Sinne des § 252 BGB ersetzt. Gerade dann kommen die Rechtsprechung und die überwiegende Ansicht in der Literatur (scheinbar) nur mit einer hypothetischen Betrachtung, in die man den erwarteten Vermögenszufluss einbezieht, zu einer ersatzfähigen Vermögensdifferenz. Unter einem entgangenen Gewinn ist nach h. M. in Literatur19 und Rechtsprechung20 jeder Vermögensvorteil zu verstehen, der dem Geschädigten im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zugeflossen ist, der bei ihm ohne dieses Ereignis aber ohne weiteres eingetreten wäre. Das Abstellen auf die Verletzung eines subjektiven Rechts, das vor der schädigenden Handlung dem Geschädigten zugewiesen war, scheint dann nicht notwendig zu sein21. Es wird daher darauf verwiesen, dass für einen entgangenen Gewinn i. S. d. § 252 BGB eine „bloße Erwerbsaussicht“ genüge22. Es wird nicht explizit darauf abgestellt, ob ein Recht auf den Gewinn bestand, welches verletzt wurde. Teilweise wird auch ausdrücklich die Ansicht vertreten, dass beim Ersatz des entgangenen Gewinns eine Rechtsverletzung gerade nicht erforderlich sei23. Ausgangspunkt der Rechnung ist also nicht
18 Diesbezüglich beruft man sich auf Mommsen; diese rein rechnerische Schadensermittlung wird ihm von der Kritik an der Differenzhypothese gerade zum Vorwurf gemacht. Dazu noch näher unten II. 19 Vgl. etwa Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 1; MK-Oetker, § 252 Rn. 4; Palandt-Heinrichs, § 252 Rn. 1. 20 BGH NJW-RR 1989, 980, 981; BGH NJW 2000, 2670. 21 Vgl. ausdrücklich zum fehlenden Erfordernis einer Rechtsverletzung beim Ersatz des entgangenen Gewinns Münzberg, JuS 1961, 389 und H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 49 ff., 62 ff., dazu näher unten B. II. 2. 22 BGHZ 67, 119, 122; BGH NJW 1973, 700; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 6.
A. Die Erforderlichkeit einer Zuweisungsentscheidung
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ein verletztes subjektives Recht des Geschädigten, dessen Verletzung zu einem Vermögensschaden führte, sondern anknüpfend an den Wortlaut des § 249 I BGB allein die hypothetische Vermögenslage, die bestehen würde, wenn dem Geschädigten der Vermögensvorteil zugeflossen wäre24. Eine Gesamtvermögensrechnung ohne ein bewusstes Abstellen auf die Verletzung eines subjektiven Rechts ist auch beim Ersatz primärer Vermögensschäden i. S. v. Vermögenseinbußen zu verzeichnen. Dies gilt u. a. für Ersatzansprüche wegen einer Vermögenseinbuße eines Dritten, die dadurch verursacht wurde, dass dieser im Vertrauen auf die Fehlerfreiheit einer Leistung eines Nichtvertragspartners nachteilig über sein Vermögen verfügte25. Hier gewährt die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur in bestimmten Fällen einen Ersatzanspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung wegen Verletzung bestimmter Leistungspflichten und daraus entstandener Vermögensschäden26, die ebenfalls nur durch eine Gesamtvermögensdifferenz ermittelt werden.
II. Die hinter den scheinbaren Rechenaufgaben stehenden Wertungen der Differenzhypothese als Leitprinzipien des Schadensersatzrechts – Die daraus folgende Abkehr von dem Verständnis des Schadens als abstrakte Rechengröße Mit der Differenzhypothese allein im Sinne einer Interessenformel lässt sich im Testamentsfall nicht die Frage beantworten, ob ein zu ersetzender Schaden herbeigeführt wurde. Eine rein rechnerische Lösung, wie sie der BGH mit einer Differenzrechnung liefert, ist abzulehnen. Sie liefert keine Begründung dafür, warum die entgangene Erbschaft in der Differenzrechnung zu berücksichtigen ist, oder warum sie nicht Berücksichtigung findet. An der Differenzhypothese wird immer wieder kritisiert, dass sie als alleiniges Kriterium für die Feststellung eines Schadens nicht geeignet ist27. Das Vorliegen eines Schadens könne nicht ausschließlich durch die Subtraktion zweier Vermögenslagen festgestellt werden28. Darüberhinaus leide die Differenzhypothese an der Schwäche, dass sie keine Kriterien für die Positionen an die Hand gibt, die in den Vermögensvergleich einzubeziehen sind29. Mommsen wird zum Vorwurf 23 Vgl. H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 49 ff., 62 ff. und Münzberg, JuS 1961, 389. 24 A. A. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 15, die kritisiert, dass auf den Vermögensstand vor dem schädigenden Ereignis nicht abgestellt wird. 25 So z. B. bei den Gutachterfällen, dazu näher unter B. I. 2. 26 Dazu Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 ff. Rn. 98 und § 328 Rn. 88 m. w. N. 27 H. Honsell, JuS 1973, 69; dazu MK-Oetker, § 249 Rn. 21 m. w. N. 28 MK-Oetker, § 249 Rn. 21.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
gemacht, er habe die Differenzhypothese als Rechenformel verstanden, die durch Bildung einer anonymen Gesamtvermögensdifferenz den einzelnen Schaden nicht mehr hervortreten lässt30. Er habe mit der Interessenlehre eine „Einheitslösung“31 schaffen wollen, mit der eine Vielzahl von schadensrechtlichen Problemen nicht lösbar ist. Als Beispiel werden die Ersatzpflicht für Luxusverbrauchsgüter32, die abstrakte Gebrauchsentschädigung33 und die Differenzierungen bei der Vorteilsausgleichung und der hypothetischen Kausalität genannt34. H. Honsell bezeichnet den Differenzbegriff außerdem als wertungsfeindlich und als „Musterbeispiel der Begriffsjurisprudenz mit ihrem Streben nach abstrakten, allumfassenden, mechanisch-deduktiven und wertungsfreien Begriffen“35. Bei näherer Betrachtung der Interessenlehre Mommsens und der Bedingungen, unter welchen sie entstand, ergibt sich aber: Die Kritik an der Differenzhypothese basiert auf einem falschen Verständnis von Mommsens Interessenlehre und auf zu hohen Erwartungen an einen daraus abgeleiteten „natürlichen“ Schadensbegriff, wie sogleich näher deutlich zu machen ist.
1. Aussagen und Verdienste von Mommsens Interessenlehre: Ausgleichsprinzip und Totalreparation Die entscheidende Aussage und das wesentliche Verdienst der Interessenlehre Mommsens ist die Verallgemeinerung des Schadensersatzrechts durch die Umsetzung des allgemeinen Schädigungsverbots „neminem laedere“36 in ein schadensrechtliches Prinzip: die Totalreparation unabhängig von Verschulden und Haftungsgrund als Ausdruck des Prinzips ausgleichender Gerechtigkeit. Entscheidend ist allein eine Kausalbetrachtung, die den wirklichen mit dem hypothetisch schadensfreien Verlauf vergleicht. Im gemeinen Recht des Mittelalters und der frühen Neuzeit gab es kein allgemeines Schadensrecht; vielmehr waren zahllose, teilweise überaus künstliche Differenzierungen und Distinktionen vorherrschend. Der Umfang des ersatzfähigen Schadens richtete sich teilweise nach dem VerschuldensMK-Oetker, § 249 Rn. 21. H. Honsell, JuS 1973, 69 m. w. N. 31 H. Honsell, JuS 1973, 69, 72. 32 MK-Oetker, § 249 Rn. 21. 33 Die abstrakte Gebrauchsentschädigung für bestimmte Güter wird als „normative Ergänzung“ der Differenzhypothese betrachtet (so BGHZ (GS) 98, 212, 221 mit Anm. Schiemann, JuS 1988, 20). 34 MK-Grunsky, 3. Auflage, Vor §§ 249 ff. Rn. 7; MK-Oetker, § 249 Rn. 21; H. Honsell, JuS 1973, 69. 35 H. Honsell, JuS 1973, 69, 72. 36 Vgl. Schiemann, Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, S. 259, 267; ders., FS Hagen S. 27, 41 f.; zum allgemeinen Schädigungsverbot ders., JuS 1989, 345 und Picker, AcP 183 (1983), 369, 460 ff. 29 30
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grad. Mit Mommsen wurden die Ansichten verdrängt, nach denen Schadensersatz der Ausdruck des in der konkreten Schädigung liegenden Unwerts war. Der Schadensausgleich wurde Primärzweck des Schadensersatzes. Freilich enthalten Mommsens Ausführungen die Tendenz, den Richter im Schadensprozess von Wertungen zu entlasten. Angesichts wiederholter Hinweise auf das Schätzungsermessen der Richters37 kann man Mommsen aber nicht zum Vorwurf machen, er habe die Differenzhypothese als Rechenformel verstanden38. Beim damnum emergens stellt er Erörterungen zum Wert einer Sache als Erstattungsgrundlage an39. Auch dies schließt eine rein mathematische Betrachtungsweise aus. Zwar hat er das Interesse formelhaft zusammengefasst, aber keinen so dogmatischen Standpunkt eingenommen, wie häufig behauptet wird40. Erst in der Kritik am ersten Entwurf zum BGB wird der Vorwurf laut, der Schaden solle „ganz mathematisch“ einfach ausgerechnet werden41. Zu einigen Problembereichen nimmt Mommsen zwar nicht Stellung. Teilweise meinte er auch, mit der Interessenformel einen Universalschlüssel gefunden zu haben. Dies lag aber größtenteils daran, dass entsprechende praktische Probleme bis dahin nicht aufgetreten waren42. So war eine Einschränkung der conditio sine qua non-Formel nach der alten Lehre nicht erforderlich gewesen, weil der Ersatzumfang bereits auf andere Weise erheblich begrenzt gewesen war. Dementsprechend haben sich Adäquanz- und Schutzzwecklehre erst nach Mommsens Interessenlehre entwickelt. Auch war nach gemeinem Recht eine rein vermögensmäßige Betrachtung zur Gewährung von Ersatzansprüchen nicht immer notwendig, weil es neben dem Schmerzensgeld die Iniurienklage oder die Berücksichtigung von Affektionswerten bei schwerem Verschulden gab. Das Verdienst von Mommsens Interessenlehre ist nicht, einen „natürlichen“ Schadensbegriff geschaffen zu haben. Die Differenzhypothese an sich löst gerade nicht alle schadensersatzrechtlichen Probleme. Aber eben dies wurde von der Differenzhypothese erwartet: ein Universalschlüssel zur Lösung aller schadensersatzrechtlicher Fragen. Man war auf der Suche nach einem abschließenden, „richtigen“ Schadensbegriff, den Mommsen so wohl nicht liefern wollte und jedenfalls auch nicht geliefert hat. Das Verdienst Mommsens ist die Schöpfung der schadensersatzrechtlichen Leitprinzipien Ausgleichsprinzip43 und Bereicherungsverbot, die mit der TotalreparaVgl. Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 12, 213 ff., 231 ff. So aber H. Honsell, JuS 1973, 69 passim. 39 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 16. 40 Etwa von Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 17 f.; H. Honsell, JuS 1973, 69 f. 41 So Hartmann, AcP 73 (1888), 309, 360. 42 Zu den „Erfahrungslücken“ Mommsens vgl. Schiemann, Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, S. 259, 263 ff. 43 Zur Geltung des Ausgleichsprinzips vgl. nur Lange / Schiemann, Einl. III (S. 9 ff.); Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 95 ff. m. w. N.; Larenz, Schuldrecht I, § 27 I 37 38
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tion Eingang in die Kodifikation des BGB gefunden haben und damit auch heute noch gelten. Unabhängig von einzelnen verfehlten und teilweise zu doktrinären Ausführungen in Mommsens Interessenlehre stehen diese Leitprinzipien hinter der Differenzhypothese als die entscheidende Wertung. Nicht beabsichtigt hatte Mommsen dagegen die Statuierung einer alle Probleme in sich aufnehmenden und dadurch lösenden Rechenformel, wie ihm heute verbreitet unterstellt wird.
2. Die daraus folgende Verfehltheit der Kritik an der Differenzhypothese Die dargestellte Kritik an der Differenzhypothese, keinen Universalschlüssel darzustellen, ist daher verfehlt und führt bei der Lösung schadensersatzrechtlicher Probleme nicht weiter. Grund für die in der Literatur geübte Kritik ist, dass im Schadensersatzrecht häufig der Schadensbegriff als Schlüssel der Schadensprobleme angesehen wird, obwohl die Verfasser des BGB davon abgesehen haben, den Begriff des Schadens zu definieren. Dem Begriff des Schadens wird die Schlüsselposition beigemessen, weil nach dem Gesetz die Bestimmung des Inhalts der Ersatzpflicht an dem Ausmaß des Schadens zu orientieren ist. So überrascht es nicht, dass die Erörterung eines schadensersatzrechtlichen Problems oftmals eine solche des Schadensbegriffes ist. Die Schadensrechtsdogmatik ist daher geprägt von der Suche nach dem „richtigen“ Schadensbegriff44. Demgegenüber ist entscheidend die nachfolgend näher deutlich zu machende Erkenntnis, dass die Differenzhypothese keinen Universalschlüssel darstellt, der als alleiniges Kriterium zur Feststellung eines Schadens geeignet ist. Ein Schaden kann nicht allein durch die Subtraktion zweier Vermögenslagen und damit durch eine bloße, wertneutrale Rechenoperation ermittelt werden. Es können daher mit einer Differenzrechnung allein auch Probleme von Adäquanz, hypothetischer Kausalität, Vorteilsausgleichung, Gebrauchsvorteilsentschädigung etc. nicht geklärt werden. Auch gibt die Differenzhypothese selbst keine Antwort darauf, welche Vermögenswerte in die Differenzrechnung überhaupt einzubeziehen sind. Bei dem Vorwurf, sie sei normativen und subjektiven Gesichtspunkten nicht zugänglich45, wird übersehen, dass auch die Frage, welche Vermögenswerte in den Vermögensvergleich einzustellen sind, eine Wertentscheidung ist46. Folglich ist eine Schadensermittlung nach der Differenzhypothese gerade nicht frei von Wertungen. (S. 424); Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 30 I (S. 167 f.), II 3 (S. 172 ff.); C. Huber, Fragen der Schadensberechnung, S. 48 ff.; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S. 9 ff.; StaudingerSchiemann, Vor §§ 249 Rn. 3; Palandt-Heinrichs, Vor §§ 249 Rn. 4; Jauernig-Teichmann, Vor §§ 249 Rn. 2; Stoll, Begriff und Grenzen des Vermögensschadens, S. 5 ff.; AK-Rüssmann, Vor §§ 249 – 253 Rn. 33; Zeuner, AcP 163 (1964), 380, 400. 44 Vgl. den Überblick bei Lange / Schiemann, § 1 (S. 26 ff.). 45 H. Honsell, JuS 1973, 69. 46 Unten III.
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Tatsächlich kann die Bestimmung eines Schadens nie lediglich auf „rechnerische Weise“ erfolgen. Dies hat Mommsen, wie bereits dargestellt, so auch nicht behauptet. Der Differenzrechnung, wie sie heute angewandt wird, geht immer eine Wertentscheidung voraus, nämlich die, welche Vermögenswerte in den Vermögensvergleich einzubeziehen sind47. Unzutreffend ist daher die von H. Honsell behauptete Wertungsfeindlichkeit der Differenzhypothese48. Ebenso unrichtig ist die angebliche Ausblendung der einzelnen Schadensposten im Rahmen der Differenzhypothese durch Bildung einer „anonymen Gesamtvermögensdifferenz“49. Zwar spricht Mommsens Beschreibung des Interesses für die Auffassung des Schadens als „Gesamtvermögensschaden“, weil die Differenzhypothese als zusammenfassendes Sprachkürzel seiner Interessenlehre nicht die Wertung erkennen lässt, welche Güter einbezogen worden sind. Aber hiermit meinte er keine Gesamtvermögensrechnung für jeden einzelnen Schadensfall50, sondern es ist auf die von der schädigenden Handlung betroffenen einzelnen Güter abzustellen. Dies wird auch in Mommsens Ausführungen zur Schätzung einzelner Gegenstände deutlich51, die bei einer Gesamtvermögensbetrachtung unter Nichtbeachtung der einzelnen Schadensposten nicht erforderlich wäre52. Die einzelnen Schadensposten sind zu addieren, ohne dass hierbei das Gesamtvermögen zu berücksichtigen ist. Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass auch die Differenzhypothese nach der Definition Mommsens das Ergebnis einer Addition von damnum emergens und lucrum cessans darstellt53. Die Gegenposition zur Gesamtvermögensbetrachtung stellt bei Anwendung der Differenzhypothese daher auf den konkret betroffenen Vermögensgegenstand ab und sieht den Gesamtvermögensschaden als Ergebnis einer Addition von Einzelschäden54. Das mag wohl das Fundament derjenigen Ansichten in der Literatur sein, die zum Testamentsfall die Ansicht vertreten, dass ein Schadensersatz abzulehnen ist, weil schon keine konkrete Rechtsposition zerstört, sondern lediglich eine Hoffnung der Klägerin enttäuscht worden ist55. 47 Vgl. Schiemann, FS Hagen S. 27, 40; Schiemann, JuS 1988, 20, 21; grundlegend hierzu Zeuner, AcP 163 (1964), 380, 384 f.; ders., GS Dietz, 1973, S. 99, 102 ff.; zu den verschiedenen Auffassungen über die hinter den scheinbaren Rechenaufgaben stehenden Wertungen Stoll, Haftungsfolgen, S. 239. 48 H. Honsell, JuS 1973, 69. 49 H. Honsell, JuS 1973, 69. 50 Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 167. 51 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 213 ff. 52 So auch Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 167 f. 53 Vgl. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 17; dazu näher unten III. 2. 54 Vgl. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 20 ff.; zum Gesamtvermögensschaden als einer Addition von Einzelschäden allgemein Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 166 ff. 55 Vgl. die in Teil 1 dargestellen Ansichten von Zimmermann, FamRZ 1980, 99 ff.; ders. ZEuP 4 (1996), 672; Kegel, FS Flume, S. 545; Keitel, Rechtsgrundlage und systema-
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III. Die aus Ausgleichsprinzip und Bereicherungsverbot für einen Schadensersatzanspruch folgende Prämisse der Verletzung eines dem Geschädigten zugewiesenen Rechts 1. Schadensersatz als Ausgleich für die Rechtsverletzung Schadensersatz ist Inhalt eines Sekundäranspruchs und stellt nach dem herrschenden Ausgleichsprinzip56 primär einen Ausgleich für den durch eine Rechtsverletzung erlittenen Schaden dar. Dem Geschädigten ist aus Gründen der ausgleichenden Gerechtigkeit57 ein Surrogat für den Verlust zu gewähren, ohne ihn gleichzeitig vermögensmäßig zu bereichern und ihn mit dem Surrogat besser zu stellen, als er vor dem schädigenden Ereignis stand. Er ist wertmäßig so zu stellen, wie er nach der Rechtsordnung vor dem schädigenden Ereignis stand. Damit ist aber die entscheidende Frage noch nicht geklärt, nämlich was nun im Einzelfall ausgeglichen werden muss58 bzw. welche Voraussetzungen für die Ersatzfähigkeit eines Schadens nach §§ 249 ff. BGB gelten. Das Ausgleichsprinzip selbst bestimmt nicht, wann ein Schaden vorliegt und was dem Geschädigten zu ersetzen ist59. Mit dem Ausgleichsprinzip und dem Bereicherungsverbot als Leittische Stellung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, S. 157; Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1925. 56 Zum Ausgleichsprinzip etwa Lange / Schiemann, Einl. III 2. (S. 9 ff.); Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 95 ff. m. w. N.; Larenz, Schuldrecht I, § 27 I (S. 424); Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 30 I (S. 167 f.), II 3 (S. 172 ff.); C. Huber, Fragen der Schadensberechnung, S. 48 ff.; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S. 9 ff.; Staudinger-Schiemann, Vor §§ 249 Rn. 3; Palandt-Heinrichs, Vor §§ 249 Rn. 4; Jauernig-Teichmann, Vor §§ 249 Rn. 2; Stoll, Begriff und Grenzen des Vermögensschadens, S. 5 ff.; AK-Rüssmann, Vor §§ 249 – 253 Rn. 33; Zeuner, AcP 163 (1964), 380, 400. 57 Zur rechtsphilosophischen Tradition des Ausgleichsprinzips und dessen Einsatz seit Aristoteles im 5. Kapitel des 5. Buches der Nikomachischen Ethik Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 188 und H. Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287 ff. 58 Schiemann (Argumente und Prinzipien, S. 186) stellt insofern zu Recht fest, dass dieses Prinzip für die Haftungsausfüllung und damit für die Schadensberechnung inhaltsleer ist, da es nicht die notwendige Wertausfüllung beinhaltet. Völlig zutreffend zieht er das Ausgleichsprinzip als Grundlage der konkreten Haftungsausfüllung in Zweifel und weist auf die Gefahr eines Zirkelschlusses hin, wenn man versucht, den Schaden und die ersatzfähigen Güter mit dem Ausgleichsgedanken zu definieren. 59 Vgl. Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 185 ff. Die Schutzbedürftigkeit einzelner Güter ist jedoch nicht erst bei der Haftungsausfüllung zu untersuchen, sondern schon viel früher bei der Haftungsbegründung zu beachten (dazu eingehend unten 2.). Die Feststellung der grundsätzlichen Haftung kann erst erfolgen, wenn klar ist, dass ein dem Geschädigten zugewiesenes Recht betroffen ist. So ist bei einem Kraftfahrzeugschaden im Rahmen der Haftungsbegründung zunächst die schuldhafte und rechtswidrige Eigentumsverletzung durch den Anspruchsgegner festzustellen. Aus dem Ausgleichsgedanken ergibt sich, dass der Schädiger dem Geschädigten den daraus entstandenen Schaden ersetzen muss, nicht aber, wie sich bei einer Kompensation in Geld der Schaden berechnet. Das Ausgleichsprinzip lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass der durch die Schädigung verursachte entgangene private Gebrauchsvorteil des Kraftfahrzeuges wie der Entgang einer Vermögensmehrung nach § 252
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prinzipien des Schadensersatzrechts werden aber die Voraussetzungen der Entscheidung, welche Vermögenswerte ersetzt werden können bzw. in die Differenzrechnung eingestellt werden müssen, festgelegt: Wenn der Schadensersatz nach dem Ausgleichsprinzip dem Geschädigten ersetzen soll, was ihm vorher nach der Rechtsordnung zustand und durch das schädigende Ereignis genommen wurde, dürfen in die Differenzrechnung nur die Vermögenswerte einbezogen werden, die dem Anspruchsteller bereits vor dem schädigenden Ereignis rechtlich zugewiesen waren. Damit ist die zentrale Frage für jeden Schadensersatzanspruch, ob dem Geschädigten vor der Schädigung das Recht zugewiesen war, für dessen Verletzung er Ersatz verlangt. Nur dann steht ihm auch ein Surrogat für die Rechtsverletzung zu. Präjudiziell für die Frage nach dem Bestehen eines Ersatzanspruchs ist somit immer, ob dem Anspruchsteller das Recht zugewiesen ist, für dessen Verletzung er Ersatz begehrt. Auf der Grundlage des herrschenden Ausgleichsprinzips kann nur restituiert werden, was dem Geschädigten von Rechts wegen zugewiesen war. Dem Ersatzanspruch vorgelagert ist somit stets die Zuordnungsentscheidung, die das Objekt des Schutzes einem bestimmten Träger mit Anspruch auf Ausschließlichkeit zuweist60. Umgekehrt impliziert die Gewährung eines Ersatzanspruches, dass das verletzte Recht dem Anspruchsteller zugewiesen war. Die Entscheidung, welche Güter Vermögenswert haben und wem sie zugewiesen sind, hat wertenden Charakter61. Schadensrechtliche Lösungen ergeben sich damit aus der wertenden Betrachtung der jeweiligen Probleme, ohne dass deshalb auf grundlegende Prinzipien verzichtet werden darf62. Zwar wird auch in der Literatur immer wieder der wertende Charakter der Entscheidungen für oder gegen die Ersatzfähigkeit eines Verlustes betont63; aber dies geschieht meist nur, um die Unzulänglichkeit des „rechnerischen“, auf Friedrich Mommsen zurückgeführten Umgangs mit dem Schadensproblem herauszustellen64. Die verschiedenen Schadensbegriffe versuchen, die erforderlichen Wertungen in einen Begriff zu zwängen und damit alle schadensrechtlichen Probleme zu erfassen. Sie haben allesamt gezeigt, dass die §§ 249 ff. BGB nicht mit Hilfe eines Schadens-
BGB zu qualifizieren ist. Schiemann (a. a. O.) stellt daher zu Recht fest, dass das Ausgleichsprinzip nur rechtfertigt, dass gerade der Schädiger und nicht ein anderer haften muss. Ein anderer in diesem Sinne kann auch der Geschädigte selbst sein. 60 Vgl. etwa Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 142; Picker, FS Lange, S. 625, 680 ff.; ders. FS Bydlinski, S. 269, 313 ff. 61 Zum wertenden Charakter der Entscheidung, welche Güter in die Differenzhypothese einzubeziehen sind Schiemann, FS Hagen, S. 26, 40. 62 Schiemann, FS Hagen, S. 27, 40. 63 Schiemann, FS Hagen, S. 36 mit Hinweis auf MK-Grunsky, 3. Auflage, Vor §§ 249 Rn. 8; Palandt-Heinrichs, Vor §§ 249 Rn. 9 ff. 64 So v. a. H. Honsell, JuS 1973, 69 ff.; MK-Grunsky, 3. Auflage, Vor §§ 249 Rn. 7; MKOetker, § 249 Rn. 21.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
begriffes zu durchdringen sind. Die herrschende Lehre tendiert daher zutreffend zu der Ansicht, dass es den „richtigen“ Schadensbegriff nicht gibt65. Gerade die Entscheidung, welche Vermögenswerte in den Vermögensvergleich einzubeziehen sind, ist die juristische Leistung bei der Lösung schadensrechtlicher Probleme. Welche Wertungen aber nun hierfür überzeugend oder verbindlich sind, wird nicht oder nicht erschöpfend erörtert. 2. Die Abhängigkeit der Differenzrechnung von der Rechtszuweisung Die Zivilrechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung trifft ausdrücklich oder mittelbar die für die Differenzhypothese relevante Zuweisungsentscheidung. a) Die überlieferte Privatrechtsordnung als eine Ordnung der Zuweisung von subjektiven Rechten aa) Das überlieferte Privatrechtssystem ist eine Rechtszuweisungsordnung. Es enthält die allgemeinen Regelungen über die Rechtsverhältnisse zwischen den einzelnen Privatrechtssubjekten66 und bestimmt sie durch die „Anerkennung einer unsichtbaren Grenze, innerhalb welcher das Dasein und die Wirksamkeit jedes einzelnen einen sicheren und freien Raum gewinne“67. Sie ordnet den Privatrechtssubjekten Lebensgüter und Interessen als subjektive Rechtspositionen zu, womit diese „ihrem Subjekte durch dritte Personen äußerlich verletzbar und durch das Gemeinwesen äußerlich schützbar“ werden68. Im Zentrum dieses Systems steht das subjektive Recht. Die Privatrechtsordnung trifft die Entscheidung, wann welchem Rechtssubjekt bestimmte schützenswerte Interessen als subjektive Rechte zugewiesen sind69. Sie gewährleistet damit eine Kooperation der freien Individuen, indem sie Interessenkollisionen zwischen gleichgeordneten Privatrechtssubjekten durch die Zuweisung subjektiver Rechte löst. Mit der Zuweisung eines Rechts zugunsten eines Rechtssubjekts und der damit verbundenen Ausschlussbefugnis wird gleichzeitig negativ 65 Schiemann, FS Hagen, S. 27, 39 f.; Staudinger-Schiemann, Vor §§ 249 Rn. 42; zurückhaltend insoweit noch MK-Grunsky, 3. Auflage, Vor §§ 249 Rn. 8; MK-Oetker, § 249 Rn. 22; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 12; Erman-Kuckuk, Vor §§ 249 Rn. 15; Flessner / Kadner, JuS 1989, 879, 881; Selb, AcP 173 (1973), 367. 66 Dazu statt aller Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 89 ff. m. w. N. 67 von Savigny, System des heutigen römischen Rechts Bd. 1, S. 332 f. 68 C. Neuner, Wesen und Arten der Privatrechtsverhältnisse, S. 1. 69 Zum bürgerlichen Vermögensrecht als Rechtszuweisungsordnung vgl. etwa Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 89 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 64 ff., 75 ff.; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 54 (Entscheidung über Verteilung der Lebensgüter durch Vorschriften des Staates); Haas, Kausalität und Verletzung, S. 55 ff.
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der Rechtskreis anderer Rechtssubjekte determiniert. Was Bestandteil des Rechtskreises eines Rechtssubjektes ist, kann abgesehen von Fällen gemeinschaftlicher Zuordnung nicht gleichzeitig subjektives Recht eines anderen sein und zu dessen Rechtskreis gehören. Die Zuweisungsentscheidung kann durch zwei verschiedene Arten dargestellt werden, die sich nur in der gesetzgeberischen Technik zur Beschreibung von subjektiven Rechten unterscheiden: Positiv durch Benennung eines substanziellen, einem einzelnen zugewiesenen Bereichs oder negativ durch die Statuierung von besonderen Verhaltensvorschriften in Form von Ge- oder Verboten. Entsprechend diesen beiden Möglichkeiten, schützt § 823 I BGB solche subjektiven Rechte, die aufgrund ihrer sozialtypischen Offenkundigkeit bereits durch bloße Benennung des zu schützenden Bereichs anschaulich werden und ihren Inhalt erkennen lassen. In § 823 II BGB hat dagegen der Gesetzgeber die zweite Möglichkeit gewählt und die Sanktion an die Verletzung von Schutzgesetzen geknüpft, die zur Erhaltung des geschützten Rechts bestimmte Handlungen ge- oder verbieten70, weil die Benennung des zu schützenden Rechts aus verschiedenen Gründen wenig anschaulich wäre. Die Wahl der einen oder anderen Methode ist allein eine Frage der besseren Anschaulichkeit und bedeutet keinen Unterschied in der Sache71. Das BGB selbst schafft eine Zuordnung vor allem für die in § 823 I BGB genannten absoluten Rechte. Allerdings wird vertreten, dass der Zuweisungsgehalt eines Rechtes gerade durch dessen Deliktsschutz bestimmt werde72. Dies ist jedoch nur insofern zutreffend, als die Anerkennung der geschützten Positionen dem § 823 I BGB im Umkehrschluss entnommen werden kann73. Die rechtszuweisende Funktion des geltenden Zivilrechts wird deutlich vor allem an den §§ 903 ff. BGB, die für das Eigentum als die „Mutterfigur“74 und das durchformteste Recht detaillierte Zuordnungsnormen statuieren, den Inhalt des Eigentumsrechts festlegen und es gleichzeitig von Rechten anderer Rechtssubjekte abgrenzen. Die Rechtszuweisung durch privatrechtliche, eigentumsschützende Normen wird ergänzt durch individualschützende öffentlichrechtliche Normen75. Alle besonderen Ge- und Verbote im Sinne des § 823 II BGB, die dazu bestimmt sind, subjektive Rechte oder Rechtsgüter zu schützen, können ohne weiteres auch als Inhaltsbestimmung oder -konkretisierung des jeweils geschützten Rechts(-guts) begriffen werden76. Zu den Schutzgesetzen als Rechtszuweisungsnormen Picker, FS Lange, S. 625, 680 ff. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, S. 42 f.; Picker, AcP 178 (1978), 499, 502; ders., FS Lange, S. 625, 681. 72 Larenz / Canaris, Schuldrecht II 2, § 69 I 1c (S. 170). 73 Vgl. Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 143. 74 Picker, FS Bydlinski, S. 269, 313. 75 Zur Rechtszuweisungsfunktion von individualschützenden öffentlichrechtlichen Normen vor allem Picker, FS Lange, S. 625, 680 ff. sowie schon in AcP 176 (1976), 28 ff., bes. 39 f. 76 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, S. 42. 70 71
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Die gesetzliche Regelung der Zuordnung ist allerdings selbst für das Eigentum nicht von abschließender Vollständigkeit77. Immer wieder stellt sich die Frage der Reichweite des Eigentumsrechts im Einzelfall78. Außerhalb von positivrechtlichen Konkretisierungen ist aus den allgemeinen Bestimmungen über den Schutzbereich des Eigentumsrechts dessen Inhalt, Umfang und Reichweite näher zu bestimmen79. Diese prinzipiellen Aussagen gelten ebenso für alle anderen subjektiven Rechte, die das geltende Zivilrecht mit Schutz ausstattet80. Rechtszuweisende Funktion kommt diesbezüglich auch den sonstigen vermögensschützenden Normen zu, die nicht auf substanziell umschriebene absolute Rechte zurückzuführen sind, wie z. B. § 263 StGB. Auch bei diesen Vermögensrechten ist außerhalb der positivrechtlichen Konkretisierungen aus den allgemeinen Bestimmungen der genaue Inhalt zu bestimmen. Die Entscheidung über den genauen Zuweisungsgehalt über den gesetzlich geregelten Bereich hinaus hat wertenden Charakter. bb) Die Obligation, insbesondere der Vertrag als Verbindung gegenseitiger Obligationen, legt über die allgemeine Güterverteilung hinaus weitere allein vom Schuldner zu respektierende Rechtspositionen fest. Sie fungiert als Mittel der Zuweisung subjektiver Rechtspositionen. Durch den Vertrag (wie auch durch die gesetzliche Obligation) werden über die allgemein, d. h. auch von allen an der Sonderverbindung der Partner nicht beteiligten Personen zu beachtenden Rechtspositionen im Verhältnis der Parteien neue Positionen begründet81. Der Vertrag legt also über die allgemeine Güterverteilung hinaus weitere allein vom Schuldner zu respektierende Rechtspositionen fest und schafft zwischen den Vertragsparteien eine Sonderordnung, die die allgemeine Zuordnung modifiziert und ergänzt82. Beim Kaufvertrag etwa ist dem Käufer als Gläubiger der Sachleistungspflicht bereits mit dem Vertragsschluss die verkaufte Sache selbst relativ zugeordnet83. Die durch die Obligation begründeten relativen Rechte unterscheiden sich von absoluten lediglich dadurch, dass ihnen Geltung zukommt nicht im Verhältnis zu jedem Dritten, sondern allein „relativ“, nämlich gegenüber dem jeweils VerpflichWilhelm, Sachenrecht, Rn. 232. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 232. 79 Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 142. 80 Zum Inhalt der „vertraglichen“ Schutzpflichten und der deliktischen Verhaltenspflichten Picker, AcP 183 (1983), 369, 417, 464, 479 ff.; Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 187 ff. 81 Picker, AcP 183 (1983), 369, 399 und in JZ 1987, 1041, 1044; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 75 ff.; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 741. 82 Näher dazu Picker, AcP 183 (1983), 369, 399 f. 83 Dazu schon Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Band 2, § 321 (S. 330 f.) und § 390 (S. 660). Vgl. ferner Picker, AcP 183 (1983), 369, 401; v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 261; Greiner, Die Haftung auf Verwendungsersatz, S. 63; ähnlich etwa Schaper / Kandelhard, NJW 1997, 837, 839 (mit dem Vertragsschluss dokumentiere der Verkäufer, dass er an der Sache kein weitergehendes Interesse habe, woran er festzuhalten sei). Prinzipiell anders jetzt Stoll, FS Schlechtriem, S. 677, 686 f. 77 78
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teten. Die relative Zuweisung ist folglich nicht im Hinblick auf ihre inhaltliche Qualität, sondern allein im Hinblick auf ihre personale Relevanz, d. h. im Hinblick darauf, dass sie nur von dem schuldrechtlich Verpflichteten zu respektieren ist, von absoluten Positionen verschieden. cc) Die Rechtszuweisung zugunsten eines Rechtssubjekts führt bei anderen Rechtssubjekten zu spiegelbildlichen Pflichten zum Schutze der zugewiesenen Rechte. Nach richtiger Ansicht von Windscheid kennt daher das Recht keine Pflicht ohne gegenüberstehendes Recht84. Es ist zu unterscheiden zwischen Leistungspflichten zur Aufstockung des Gläubigervermögens und Verhaltenspflichten zum Schutze des Gläubigervermögens. Wie weit diese Pflichten im Einzelnen reichen, bestimmt sich nach dem Zuweisungsgehalt des jeweiligen Rechts, dessen Schutz diese Pflichten dienen. Aus relativen Rechten resultierende Leistungspflichten zur Aufstockung des Gläubigervermögens werden durch Rechtsgeschäft begründet. Insofern gilt ausschließlich das früher so genannte Willensdogma85. Durch Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB wird der Zuweisungsgehalt des begründeten relativen Rechts ermittelt, dessen Schutz die Leistungspflichten dienen. Im Übrigen sind im allgemeinen Teil des BGB Regelungen enthalten, welche für die Zuweisung durch Rechtsgeschäft Verfeinerungen und Lösungen von Interessenkollisionen enthalten (z. B. §§ 119 ff. BGB) oder bestimmte Rechtsgeschäfte für nichtig erklären (z. B. §§ 134, 138 BGB) und damit eine relative Zuweisung bereits von vornherein verhindern. Der Inhalt von Verhaltenspflichten zur Erhaltung des (nicht nur relativ zugewiesenen) Gläubigervermögens dagegen ergibt sich, soweit vorhanden, aus den positivrechtlichen Konkretisierungen subjektiver Rechte. Die herrschende Meinung unterscheidet zwischen „vertraglichen“ Schutzpflichten und deliktischen Verhaltenspflichten. Nach Ansicht der herrschenden Lehre haben sich die Vertragsparteien aufgrund der Schutzpflichten bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Person, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt würden86, wobei der Inhalt der Schutzpflichten nicht vom jeweiligen Vertragstyp abhänge, innerhalb dessen die Verletzung des Partners stattfinde87. 84 Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Band 2, § 287 Fn. 6 (S. 180.); a.A. v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 96 Fn. 12, der als Gegenbeispiel den unechten Vertrag zugunsten Dritter nennt. Die Tatsache, dass der Versprechende verpflichtet ist, an den Dritten zu leisten, ohne dass dieser von ihm die Leistung verlangen darf, sieht v. Tuhr (a. a. O.) als Hinweis dafür an, dass die Aussage Windscheids eine petitio principii zu sein scheint. v. Tuhr (a. a. O) übersieht jedoch, dass der Versprechende gerade nicht gegenüber dem Dritten, sondern nur gegenüber dem Versprechensempfänger zur Leistung an den Dritten verpflichtet ist. Allein dem Versprechensempfänger ist auch das relative Recht zugewiesen. 85 Dazu eingehend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 94 und passim. 86 Etwa Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 35; Jauernig-Mansel, § 241 Rn. 10; Canaris, JZ 1965, 475, 476; Thiele, JZ 1967, 649, 650; ebenso die ständige Rechtsprechung des BGH etwa NJW 1983, 2813, 2814.
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Richtigerweise bestimmt also auch die herrschende Meinung den Inhalt der Schutzpflicht aus dem zu schützenden Recht. Anders als bei vertraglichen Leistungspflichten steht daher der Inhalt „vertraglicher“ Schutzpflichten nicht bereits beim Vertragsabschluss fest, sondern ergibt sich auch nach herrschender Meinung wie bei den deliktischen Verhaltenspflichten erst aus dem konkreten Geschehensablauf88. Vertragliche Schutzpflichten sind also wie die deliktischen Verhaltenspflichten eine Beschreibungsform der abstrakteren subjektiven Rechte89. Die Methode zur Herausbildung der einzelnen Pflichten ist daher jeweils dieselbe. Dienen sie dem gleichen Schutzgut, sind „vertragliche“ Schutzpflichten und deliktische Verhaltenspflichten inhaltlich identisch90. dd) Eine Privatrechtsordnung schafft durch die Rechtszuweisung eine vollständige Ordnung des sozialen Lebens91. Die Rechtszuweisung hat mit der positiven und negativen Determinierung der Rechtskreise immer eine Beschränkung von Handlungsfreiheit anderer Rechtssubjekte zur Folge. Jede Rechtsordnung steht vor der Aufgabe, die insoweit antagonistischen Werte von Bestandsschutz und Betätigungsfreiheit auszutarieren. Diese Austarierung ist das zentrale und zeitlose Ordnungsproblem jeder Privatrechtsordnung. b) Die „moderne“ Kritik am tradierten bürgerlichrechtlichen Systembau Die Zivilrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat das subjektive Recht aufgrund des bürgerlichrechtlichen Systembaus in den Mittelpunkt des Privatrechts gestellt92. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten sich jedoch Lehren, wonach das Privatrecht nicht nur als ein Jauernig-Mansel, § 241 Rn. 10. Siehe etwa Stürner, JZ 1976, 384. 89 Zur Irrelevanz der vertraglichen Bindung für die Entstehung von sog. Schutzpflichten grundlegend Picker, AcP 183 (1983), 369 ff.; ähnlich die Lehren vom gesetzlichen Begleitschuldverhältnis: zur Lehre von der Vertrauenshaftung grundlegend Canaris, JZ 1965, 475; ders., 2. FS Larenz, S. 27; zur Lehre vom sozialen Kontakt etwa Dölle, ZStW 103 (1943), 67, 72 ff.; Stoll, FS v. Hippel, S. 517, 526; Thiele, JZ 1967, 649, 652; Jakobs, Unmöglichkeit, S. 46; Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 29 I (S. 135 ff.); E. Schmidt, Nachwort, S. 145 ff.; vgl. im übrigen die Darstellung oben Teil 1 A. I. 90 Zur inhaltlichen Identität von „vertraglichen“ Schutzpflichten und deliktischen Verhaltenspflichten grundlegend Picker, AcP 183 (1983), 369, 417, 464, 479 ff.; Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 187 ff. m. w. N. Danach erweist sich die besondere Haftung für Vermögensschädigungen, immer soweit man sie überhaupt anerkennt, als eine der deliktischen Einstandspflicht im Prinzip homogene Haftung (vgl. Picker, a. a. O., S. 479 ff.). In dogmatischer Hinsicht ist die Homogenität von vermögensschützenden Schutzpflichten und positivem deliktsrechtlichen Vermögensschutz klar erkannt bei Mertens, AcP 178 (178), 227 ff. Auch Canaris, 2. FS Larenz, S. 27, 90 deutet sie an, wenn er meint, es liege kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied gegenüber dem Deliktsrecht vor. 91 Vgl. Haas, Kausalität und Verletzung, S. 55. 92 So z. B. v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 53; dazu Raiser, JZ 1961, 465 ff. und Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 29 ff. 87 88
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System subjektiver Rechte des einzelnen zur Sicherung seiner Freiheitssphäre angesehen wurde. Man sah den tradierten Systemaufbau aus zweierlei Gründen als eine Zeiterscheinung, dessen Gehalt wie seine politische Durchsetzung an eine spezifische historische Situation geknüpft sei und dessen Geltungsanspruch deshalb auch insoweit bedingt sein soll. Zum einen basiere er auf einem gruppen- und zeitspezifischen „Ethos“: dem Freiheitsethos der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts93 und sei somit eine Erfindung dieser vergangenen Zeit. Alternativen werden in dem „Ethos unserer Zeit“ wie beispielsweise im „Sozialmodell“ 94 oder in einem „institutionellen Rechtsdenken“95 gesucht. Der zweite Grund für das Infragestellen des tradierten Systemaufbaus, auf den im Folgenden näher einzugehen sein wird, ist das angebliche Scheitern der überlieferten Rechtszuweisungsordnung an etablierten praktisch-juristischen Lösungen. Das klassische System des Zivilrechts als ein „Aggregat von subjektiven Rechten“ sei angesichts derjenigen Erscheinungen, die sich nicht ohne weiteres in das klassische System einordnen lassen, in seiner Ausschließlichkeit falsch96. Dies gelte insbesondere für die Erkenntnisse, wie sie heute auf der Basis einer Haftung für culpa in contrahendo oder aufgrund „faktischer Vertragsverhältnisse“ gewonnen werden97. Als haftungsbegründend wird bei diesen Erscheinungen, wie bereits dargestellt98, die Verletzung bestimmter „vertraglicher“ Pflichten angesehen. So stellt man im Rahmen der sog. „vertraglichen“ Haftung für primäre Vermögensschäden aus Vertrag mit Schutzwirkung auf die Verletzung einer Sorgfaltspflicht und neuerdings auch auf die Verletzung einer Leistungspflicht ab99. Dasselbe gilt für die 93 Zur Kritik an der „Jurisprudenz des Sozialmodells“ und der Spielart des „institutionellen Rechtsdenkens“ Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 97 ff. 94 Wieacker, Sozialmodell, passim: Danach ist „das Ethos unserer Zeit“ „das der Verantwortung“ in dem die Gesellschaft „keine Vielheit von Subjekten“ mehr darstelle, sondern nach Gierke „eine ,Genossenschaft‘ von Rechtsgenossen, die einander schon durch vorgegebene Aufgaben verbunden sind“. 95 Raiser (JZ 1961, 465, 472; ders., Rechtsschutz und Institutionenschutz, S. 145; ders., Die Zukunft des Privatrechts) sieht neben dem subjektiven Recht als individueller Berechtigung auch die Institutionen als wichtigen Bestandteil des Privatrechts an, die als Einrichtungen des objektiven Rechts hinter den subjektiven Rechten stehen und bei denen an Stelle der individuellen Berechtigung des einzelnen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtwirkungen rechtlicher Einrichtungen und ihr Zusammenspiel mit anderen Rechtsfiguren betrachtet wird. Vgl. die Kritik hierzu bei Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 97 ff. 96 s. nur etwa Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 55; ders., FS Dölle, Bd. 1, S. 30 f. 97 s. nur etwa Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 55; ders., FS Dölle, Bd. 1, S. 30 f. 98 Teil 1, Teil 2 A. I. 1. und 2. 99 Oben I. 1. und 2.; vgl. dazu auch den Überblick bei Staudinger-Jagmann, Neubearbeitung 2004, § 328 Rn. 83 ff., zur Verletzung von Leistungspflichten Rn. 88 ff.; Staudinger-
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Haftung wegen culpa in contrahendo; auch hier kommt es für die Haftung entscheidend auf eine vorvertragliche Pflichtverletzung an. Umstritten war bislang der Grund für das Entstehen von „vertraglichen“ Schutzpflichten100. Die Schutzpflichtdoktrin wurde nun im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung in § 241 II BGB kodifiziert. Ob damit allerdings der Streit um die dogmatische Herleitung von Schutzpflichten gelöst ist, bleibt fraglich101. Ebenso wie die Schutzpflichtdoktrin für die faktischen Vertragsverhältnisse verlegt die Verkehrspflichtdoktrin im Deliktsrecht den Schwerpunkt auf die Pflichtverletzung. Bei mittelbaren Verletzungen durch Verkehrspflichtverletzungen bezeichnet nach wohl herrschender Meinung der Tatbestand nicht die Verbotsmaterie, sondern umgrenze nur den Kreis der Personen, welche als Adressaten eines deliktischen Anspruchs in Betracht kommen können102. Daneben sei ein positives Rechtswidrigkeitsurteil erforderlich103, welches davon abhänge, ob das Interesse desjenigen, der eine Handlung vornehme oder unterlasse, an eben diesem Verhalten das Interesse des durch dieses Verhalten abstrakt oder konkret gefährdeten Dritten überwiege. Dabei wird die rechtszuweisende Funktion von Verkehrspflichten verkannt. Das Ergebnis der Abwägung ist eine Zuweisungsentscheidung, die als solche bereits im Tatbestand geprüft werden muss. Ist man sich aber der rechtszuweisenden Funktion von statuierten Verkehrspflichten bewusst, ergibt sich aus der Rechtsverletzung durch Nichtbeachtung der Verkehrspflicht gleichzeitig die Rechtswidrigkeit wie bei unmittelbaren Eingriffen oder bei § 823 II BGB104. Denn ein Verhalten im Widerspruch zur getroffenen Zuweisung ist rechtswidrig. Auf eine Rückführung dieser Pflichten auf die korrespondierenden subjektiven Rechte wird aber wie dargestellt verzichtet. Dies führt zum Erfordernis einer Schutzzwecklehre. Die Schutzzwecklehre führt dann ins Leere, wenn das durch die Pflicht zu schützende subjektive Recht feststeht. Der Inhalt der Pflicht ergibt sich dann logischerweise aus ihrem Ableitungszusammenhang 105. Schutzzweck ist das subjektive Recht. Jagmann, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 328 ff. Rn. 93 ff., zur Verletzung von Leistungspflichten Rn. 98 ff. Vgl. auch Teil 1. 100 Dazu bereits oben Teil 1. 101 Zum Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Rechtsdogmatik Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 215 ff., der zu dem Ergebnis kommt, dass die gesetzgeberische Einflussnahme auf eine Gesamtdogmatik nicht bindend ist. 102 Vgl. etwa MK-Mertens, 3. Auflage, § 823 Rn. 2; v. Bar, Verkehrspflichten, S. 174; Esser / Schmidt, Schuldrecht I / 2, § 25 IV 1 c) (S. 69); Esser / Weyers, Schuldrecht II / 2, § 55 II 2 (S. 170); prinzipiell anders die sog. Tatbestandslösung, vgl. Erman-Schiemann, § 823 Rn. 76; Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, § 75 II 3 c) (S. 368); Fikentscher / Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1413 ff., 1591 ff.; MK-Wagner, § 823 Rn. 62. 103 Vgl. etwa MK-Mertens, 3. Auflage, § 823 Rn. 2, 23; v. Bar, Verkehrspflichten, S. 174; Esser / Schmidt, Schuldrecht I / 2, § 25 IV 1 c) (S. 69); Esser / Weyers, Schuldrecht II / 2, § 55 II 2 (S. 170). 104 Vorzuziehen ist daher die Tatbestandslösung, vgl. Erman-Schiemann, § 823 Rn. 76; Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, § 75 II 3 c) (S. 368); MK-Wagner, § 823 Rn. 62.
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c) Das subjektive Recht als der zentrale Begriff des Privatrechts Das privatrechtliche Regelungsmuster der Rechtszuweisung stellt in gewisser Weise eine zeitlose Ordnungsstruktur dar106. Sie ist gerade keine Erfindung des 19. Jahrhunderts107 und daher keine Zeiterscheinung der Aufklärung, die es zu überwinden gilt. An dieser Stelle sei auf die ausführliche Literatur zum Begriff des subjektiven Rechts und seiner Geschichte verwiesen. Kritiker des „alten Systems“ finden keine überzeugende Begründung dafür, warum an der rechtszuweisenden Funktion des geltenden Zivilrechts nicht festzuhalten ist, und zeigen vor allem keine juristischen Alternativen auf, die den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit genügen108. Dies zeigen die zahlreichen Lehren zu den faktischen Vertragsverhältnissen109, die allesamt den Schwerpunkt auf vom subjektiven Recht losgelöste Schutzpflichten legen. Zwar kann eine Privatrechtsordnung das Zusammenleben von Menschen auch durch eine zur Regelung menschlichen Verhaltens aufgestellte Normordnung und damit durch eine Summe von Pflichten der Rechtsunterworfenen organisieren. Die Schadensersatzhaftung folgt dann aus der Verletzung einer Verhaltens- oder Verbotsnorm. Ge- und Verbotsnormen beschreiben subjektive Rechte und stellen lediglich ihr Spiegelbild dar110. Ausschlaggebend dafür, ob man subjektive Rechte benennt oder Verhaltenspflichten statuiert, ist allein die größere Anschaulichkeit und damit bessere Beschreibbarkeit des damit erstrebten Schutzes111. Pflichten sind häufig einfacher zu formulieren als die abstrakteren zugehörigen subjektiven Rechte. Dies gilt vor allem für die Benennung eines substanziellen Bereichs im Rahmen des primären Vermögensschutzes112. Bereits die abstrakte Formulierung nur einzelner Vermögensrechte ist äußerst schwierig und manchmal nicht praktikabel113. Wegen der fehlenden Offenkundigkeit oder wegen deren nicht lückenlosen So bereits Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, S. 44. Schapp, Subjektives Recht, S. 136 ff., der die Zeitlosigkeit eines auf dem „subjektiven Recht“ aufbauenden Privatrechtssystems mit der Funktion dieser Figur erklärt, die „Abgrenzung als die zentrale Aufgabe des Rechts“ zu erfüllen. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 103 m. w. N. 107 Zur weit hinter das 19. Jahrhundert zurückreichenden Entwicklung des Begriffs des subjektiven Rechts Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 29 ff.; ders., Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, S. 241 ff. 108 So im Ergebnis auch Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 97 ff. 109 Siehe dazu die Darstellung in Teil 1. 110 Siehe oben a) cc). 111 Siehe oben a) aa); außerdem Picker, AcP 183 (1983), 369, 400 Fn. 101; ders., FS Lange, S. 625, 681; ebenso schon Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, S. 42 f. 112 Theoretisch besteht auch im Bereich des primären Vermögensschutzes die Möglichkeit, das Schutzobjekt durch Benennung eines substanziellen Bereichs darzustellen, der in einer Linie mit den in § 823 I BGB genannten Rechtsgütern stehen würde. Dies ist allein aus Gründen fehlender Anschaulichkeit nicht zu empfehlen, Picker, AcP 178 (1978), 499, 502. 105 106
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Schutzes gegen jede Art denkbarer Verletzung benennt das Gesetz daher einzelne Verhaltensweisen, die zur Erhaltung des Rechts ge- oder zur Verhinderung von Beeinträchtigungen verboten sind. Aber auch bei all den Haftungsnormen oder -instituten, die die Haftung an die Verletzung eines Ge- oder Verbots knüpfen, ist die Rückführung der Verhaltensnorm auf das korrespondierende subjektive Recht erforderlich. Denn aus einer Verhaltenspflicht selbst ist nicht deren „Schutzzweck“ erkennbar. Aus einer Pflichtverletzung ergibt sich noch nicht, dass die verletzte Pflicht gerade die Rechte des Anspruchstellers schützen sollte, selbst wenn die Verletzung kausal für einen Vermögensnachteil beim Anspruchsteller war. Für den Anspruchsteller eines Schadensersatzanspruchs ergibt sich allein aus einer Pflichtverletzung des Gegners noch keine für ihn relevante Rechtsverletzung, welche aber nach den bisherigen Ausführungen gerade zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs erforderlich ist. Ob die verletzte Pflicht gerade ein dem Anspruchsteller zugewiesenes Recht schützen sollte, kann nur durch Rückführung dieser Pflicht auf das korrespondierende subjektive Recht ermittelt werden. Knüpft man die Haftung lediglich an die Pflichtverletzung, läuft man Gefahr, den Ersatzanspruch aus einer Pflichtverletzung abzuleiten, die dem Schutz eines anderen diente. Wenn also im Einzelfall kein mit der Pflicht korrespondierendes subjektives Recht des Anspruchstellers vorlag, der Anspruchsgegner aber trotzdem eine Pflicht verletzte, so kann diese Pflichtverletzung nicht als haftungsbegründend für einen Ersatzanspruch des Anspruchstellers angesehen werden. Sie ist nicht relevant, weil sie einem anderen Zweck, nämlich dem Schutz eines anderen subjektiven Rechts eines anderen Rechtssubjekts diente. Ist dem Anspruchsteller aber ein mit der Pflicht korrespondierendes Recht zugewiesen, war die Pflichtverletzung haftungsbegründend. Damit ist die Formierung des subjektiven Rechts logisch wie praktisch der vorrangige Schritt. Erst wenn klar ist, was dem Anspruchsteller zugewiesen war und demnach schadensersatzrechtlich restituiert werden kann, kann die korrespondierende Verhaltenspflicht zum Schutze dieses Rechts überhaupt erst ermittelt werden. Wurde gerade diese Verhaltenspflicht verletzt, ist die Pflichtverletzung auch haftungsbegründend. Die Erfüllung einer Verhaltenspflicht stellt die Verwirklichung des subjektiven Rechts dar114. Der Aufstellung einer Pflicht geht letztlich immer die Anerkennung eines subjektiven Rechts voraus, dessen Schutz sie dienen soll. Der Schutz eines subjektiven Rechts ist der einzige Zweck einer Verhaltenspflicht. Pflichten sind daher auch nur im Zusammenhang mit dem durch sie zu schützenden Recht bestimmbar, andernfalls ist deren Bestimmung willkürlich, weil gerade nicht zweckgerichtet. Dies gilt zum einen für gesetzliche Ge- und Verbote, 113 Dies mag vielleicht der Grund dafür sein, warum Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 133 dem Pflichtbegriff Priorität im rechtlichen Geschehen einräumt und das subjektive Recht für ihn zu einem bloßen „Reflex“ der korrespondierenden Pflicht herabsinkt. 114 So auch Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 63 f.
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die deshalb im Lichte des zugrundeliegenden subjektiven Rechts ausgelegt werden müssen. Der Schutzzweck einer Ge- oder Verbotsnorm ergibt sich also bereits aus ihrem Ableitungszusammenhang115. Dasselbe gilt zum anderen für den Schutzzweck von sog. Schutzpflichten und vertraglicher Leistungspflichten. Im Ergebnis ist es also nicht relevant, ob man nun eine Ersatzpflicht an die Verletzung einer Pflicht oder eines korrespondierenden Rechts knüpft. Ein Pflichtenmodell ohne das Bewusstsein des Zusammenhangs zwischen Recht und Pflicht birgt jedoch die Gefahr, dass wie im Testamentsfall die haftungsrelevante Beziehung zwischen Pflichtverletzung und Schaden unerörtert bleibt116 und im Einzelfall nicht mehr prognostizierbare Pflichten zugunsten eines Rechtssubjekts statuiert werden, die außerdem mit einer gesetzlichen Zuweisung eines subjektiven Rechts zugunsten eines anderen und daher mit der Rechtsordnung in Widerspruch stehen117. Eine teilweise pflichtenorientierte Normordnung ist daher aufgrund praktischer Erwägungen angezeigt, solange die Rückführbarkeit der statuierten Pflichten auf die korrespondierenden subjektiven Rechte widerspruchsfrei möglich bleibt (und die Rückführung durchgeführt wird). Denn allein das subjektive Recht kann als Kriterium für die Herausbildung von Leistungs- und Erhaltungspflichten dienen. Eine Rechtsordnung ohne eine solche Methode als Entscheidungsgrundlage verkennt die zentrale Funktion des subjektiven Rechts in einer freiheitlichen Rechtsordnung. Dementsprechend stellte v. Tuhr den Begriff des subjektiven Rechts „als den zentralen Begriff des Privatrechts und zugleich die letzte Abstraktion aus der Vielgestaltigkeit des Rechtslebens“118 in den Mittelpunkt seines Systems119. Die Schwerpunktverlagerung im Privatrecht vom subjektiven Recht auf Schutz-, Verkehrs- und sonstige Pflichten ändert nichts an dem Geltungsanspruch des tradierten bürgerlichrechtlichen Systems, da Pflichten nur das subjektive Recht umschreiben und konkretisieren.
So bereits Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, S. 44. Siehe dazu oben Teil 2 A. 117 Siehe dazu unten Teil 3 A. 118 v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 53. 119 s. für die Verf. des BGB gleichermaßen deutlich auch schon Gebhard, Vorentwurf AT Bd. 1, S. 311 ff.; aus der Gegenwartsliteratur vgl. nur Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S. 63; Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 29 ff.; ders., FS Dölle, Bd. 1, S. 26 f.; Burckhardt, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, S. 114 ff.; Raiser, JZ 1961, 465, 471; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 81 f.; Biedenkopf, FS Böhm, S. 113, 115; Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 238; Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 51 ff.; Reuter, Freiheitsethik und Privatrecht, S. 113; Barnert, Die formelle Vertragsethik des BGB, S. 5. 115 116
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
d) Der aus der Zuweisungsfunktion der Rechtsordnung folgende Vorrang der Zuordnungsentscheidung vor dem Schutz des zugewiesenen Rechts Aus der Zuweisungsfunktion der Rechtsordnung folgt: Materialer Rechtsgrund jeder Schadensersatzhaftung ist die zurechenbar-rechtswidrige Verletzung eines dem Gegner ausschließlich zugewiesenen Rechts120. Mit der ausschließlichen Zuweisung eines subjektiven Rechts wird gleichzeitig das Rechtswidrigkeitsurteil determiniert, welches ein Verhalten als in Widerspruch zu dieser Zuweisungsentscheidung stehend kennzeichnet. Wird ein Recht als schutzwürdig anerkannt, wird das Gebot der Nichtverletzung darauf erstreckt; denn von einem Gut, auf das jedermann unbehelligt zugreifen könnte, ließe sich nicht sagen, es sei einem Rechtssubjekt rechtlich zugewiesen121. Es ist jedes Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren, das wegen seiner unmittelbaren konkreten Bedrohung oder seiner abstrakten Gefährlichkeit für das Schutzgut als nicht mehr „erlaubbar“ erscheint122. Hierbei gilt es, im Rahmen der Zuweisungsentscheidung die bereits angesprochenen123 antagonistischen Werte Bestandsschutz und Betätigungsfreiheit auszutarieren. Mittelpunkt und Gegenstand jeder Haftung ist somit das subjektive Recht. Die Pflichten haben diesbezüglich Durchsetzungs- und Schutzfunktion124. Schutzansprüche und Pflichten sind daher Ausfluss der subjektiven Rechte. Der schadensersatzrechtliche Schutz setzt somit denklogisch voraus, dass die Rechtsordnung die zu schützenden Befugnisse auch als subjektive Rechte anerkennt125. Dem schadensersatzrechtlichen Schutz vorgelagert ist somit stets die Zuweisungsentscheidung, die das Objekt des Schutzes einem bestimmten Rechtssubjekt mit Anspruch auf Ausschließlichkeit zuweist126. Das BGB selbst schafft eine Zuordnung vor allem für die Rechtspositionen, die es in § 823 I BGB nennt127. Gerade dieser Zuerkennung schadensrechtlichen Schutzes ist die Aner120 Zur Identität des materialen Grundes der Einstandspflicht für das Deliktsrecht und die Haftung für primäre Vermögensschäden in der Sonderverbindung grundlegend Picker, AcP 183 (1983), 369 ff.; Katzenstein, Haftungsbeschänkungen, S. 201 ff. 121 Durch den rechtlichen Schutz werden die Positionen überhaupt erst als Rechtspositionen erkennbar. Ohne rechtlichen Schutz müsste deshalb die Sprechweise vom „subjektiven Recht“ von vornherein als sinnlos erscheinen, vgl. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 92 f. 122 Picker, AcP 183 (1983), 369, 464. 123 Oben a) cc). 124 Greiner, Die Haftung auf Verwendungsersatz, S. 62 mit Hinweis auf Esser, Einführung in die Grundbegriffe des Rechtes und Staates, S. 156 ff. 125 Zum Verhältnis von Substanz- und Schutzrechten Picker, FS Lange, S. 625, 680 ff.; ders., FS Canaris, S. 1001, 1027 ff. 126 Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 142. 127 Zur rechtszuweisenden Funktion der §§ 903 ff. BGB für das Eigentum bereits oben a) aa).
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kennung der jeweils geschützten Position vorgelagert, die deshalb § 823 I BGB im Umkehrschluss entnommen werden kann. Anerkannt ist dieses Verhältnis von Substanz- und Schutzrecht auch im Rahmen des § 823 I BGB nur teilweise, wie sich deutlich an der Verkehrspflichtdoktrin128 erkennen lässt. Das Prinzip des Vorrangs der Zuweisungsentscheidung vor der Zuerkennung von Rechtsschutz gilt umfassend. Insbesondere ist auch dem durch §§ 823 II, 826 BGB129 gewährten schadensersatzrechtlichen Schutz in jedem Fall, in dem dieser Schutz eingreift, die Zuordnung einer sujektiven Rechtsposition als Objekt des Schutzes vorgelagert130. Komplementär zum Schutz absolut zugewiesener Rechte im Deliktsrecht verhält es sich mit dem Schutz relativ zugewiesener Rechte. Auch die sog. „vertragliche“ Schadensersatzhaftung setzt sachlich wie dogmatisch die Anerkennung des zu schützenden relativen Rechts selbst voraus131. Hauptsächliches Zuordnungsinstrument ist insoweit die vertragliche Bindung, welche die allgemeine gesetzliche Güterzuordnung inter partes modifiziert und weitere vom Schuldner zu respektierende Rechtspositionen festlegt132. Ergebnis Teil A. Überblickt man die Diskussion um den Schadensbegriff und die Differenzhypothese, zeigt sich, dass die Suche nach dem „richtigen“ Schadensbegriff weder zur Lösung des Testamentsfalles, noch zur Lösung der Probleme des allgemeinen Schadensrechts beiträgt133. Schadensrechtliche Lösungen ergeben sich vielmehr aus der Überlegung, ob das Objekt des Schutzes dem Anspruchsteller rechtlich zugewiesen ist und ob das zugewiesene Recht vom Anspruchsgegner verletzt wurde. Auch Mommsen ging nicht davon aus, dass sich der Schaden ganz mathematisch mit Hilfe einer Rechenformel berechnen lässt134. Er erkannte, dass die Entscheidung, welche Rechnungsposten überhaupt in die Differenzbetrachtung einzubeziehen sind, eine Wertungsentscheidung ist, die er dem Schätzungsermessen des Richters überließ135. Damit war auch nach Ansicht Mommsens der AnwenOben b). Zur Erforderlichkeit einer Zuweisungsentscheidung im Rahmen des § 826 BGB unten B. I. 2. und II. 2. b) sowie Teil 4 D. 130 Dazu, dass sich die Unterscheidung in substanziell zugewiesene Bereiche wie in § 823 I BGB und Statuierung von Verhaltensvorschriften wie etwa in § 823 II BGB allein aus technischen Gründen, nämlich der besseren Anschaulichkeit erklärt, vgl. Picker, AcP 178 (1978), 499, 502 sowie in FS Lange, S. 625, 681 und in AcP 183 (1983), 369, 400 Fn. 101; ebenso schon Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, S. 42 f. 131 Zu dieser Parallele Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 92 ff. 132 Siehe oben a) bb). 133 Vgl. Schiemann, FS Hagen, S. 27, 39. 134 Vgl. dazu Schiemann, Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, S. 259, 264; a.A. H. Honsell, JuS 1973, 69. 128 129
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
dung der Differenzhypothese eine Zuordnungsentscheidung vorgeschaltet. Auch die Anwendung der Differenzhypothese selbst ist damit die Folge einer Zuweisungsentscheidung, nämlich der Entscheidung, einen Posten als Vermögenswert in die Differenzrechnung aufzunehmen136. Eine Differenzrechnung kann erst erfolgen, wenn die notwendigen Zuweisungsentscheidungen getroffen sind, die darüber entscheiden, welche Posten in die Differenzrechnung aufzunehmen sind. Es reicht daher nicht aus, im Testamentsfall die Verletzung einer Leistungspflicht festzustellen, ohne zu erörtern, in welcher Beziehung die Pflichtverletzung des Rechtsanwalts zu dem entstandenen Nachteil bei der enttäuschten Erbin steht. Eine reine Kausalbeziehung genügt auch nach Ansicht der Rechtsprechung gerade nicht137. Denkt man das geltende Recht in von der Rechtsordnung zugewiesenen Rechten, folgt also aus dem Ausgleichsprinzip, dass dem Geschädigten durch den Schadensersatz nur das ersetzt werden kann, was ihm vor der Schädigung von der Rechtsordnung zuerkannt, also rechtlich durch Rechtsgeschäft oder Gesetz zugewiesen war. Entscheidend ist daher die konkrete Rechtslage des Anspruchstellers vor der Schädigung. Zu berücksichtigen sind die ihm im Moment der Schädigung zugewiesenen subjektiven Rechte. Das haftungsrelevante Verhalten im Schadensersatzrecht ist die Verletzung subjektiver Rechte. Dem Ersatzanspruch vorgelagert ist die normative Frage der Rechtszuweisung. Es gilt wie besonders plastisch beim Eigentum als der zentralen Rechtsposition: Die Bestimmung seines Inhalts erfolgt vor und unabhängig von den Schutzansprüchen138. Dem Schutzrecht vorgelagert ist stets die Zuordnungsentscheidung, die das Objekt des Schutzes einem bestimmten Träger ausschließlich zuweist. Es wäre daher im Testamentsfall zunächst zu erörtern gewesen, ob der enttäuschten Erbin ein Recht zugewiesen war, das durch die vom Rechtsanwalt verletzte Pflicht geschützt werden sollte.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden subjektiven Rechte und die gesetzlichen Mechanismen ihrer Zuweisung Im Folgenden soll die Zuweisung der für den Schadensersatzanspruch im Rahmen der Differenzhypothese zu berücksichtigenden subjektiven Rechte konkretisiert werden. Ziel der Darstellung ist, das Prinzip der Zuweisung der subjektiven 135 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 12, 213 ff. und 231 ff.; vgl. dazu auch Schiemann, Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, S. 259, 264. 136 Vgl. Staudinger-Schiemann, Vor §§ 249 ff. Rn. 41; ders., FS Hagen, S. 27, 41. 137 Vgl. dazu Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 27 ff.; Lange / Schiemann, § 3 VIII und IX jeweils mit Rechtsprechungshinweisen. 138 Vgl. Picker, FS Lange, S. 625, 680 ff.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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Rechte und des Vorrangs dieser Zuweisung vor dem Rechtsschutz zu illustrieren und näher deutlich zu machen. Dazu sind die wichtigsten denkbaren Schutzpositionen, notwendigerweise exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, in ihrer Bedeutung für das Schadensersatzrecht dazustellen. Die Darstellung ist zweigeteilt und folgt der Strukturierung der §§ 249 ff. BGB nach dem Umfang der Schadensersatzhaftung: „erlittene Vermögenseinbuße“ (damnum emergens) und „entgangener Gewinn“ (lucrum cessans)139. Zunächst geht es um den Ersatz von Einbußen am Bestand der dem Gläubiger zugewiesenen Rechtspositionen (damnum emergens)140. Im Anschluss daran ist zu erörtern, welche Bedeutung den Schutzpositionen und der zugrundeliegenden Rechtszuweisung für den Ersatz wegen entgangenen Gewinns, der – wie noch zu zeigen sein wird141 – für den Ersatz wegen entgangener Erbschaft von zentraler Bedeutung ist, zukommt142. Voraussetzung für den Ersatz einer erlittenen Vermögenseinbuße ist, wie sogleich näher darzulegen, die Verletzung eines Rechts an einem vermögenswerten Rechtsobjekt. Die Ergänzung des Rechts an einem vermögenswerten Rechtsobjekt bildet das Recht auf einen Gewinn, welches Teil des Ersteren sein kann. Während sich bei einem Recht an einem vermögenswerten Rechtsobjekt dieses selbst sich schon in irgendeiner Weise im Vermögen des Rechtsinhabers befindet, hat bei einem Recht auf einen Gewinn der Rechtsinhaber nur ein Recht darauf, dass der Gewinn in der Zukunft in sein Vermögen gelangt143.
139 Diese Einteilung scheint deshalb angezeigt, weil es in dieser Arbeit um die Rechtszuweisung als Voraussetzung der Schadensersatzhaftung geht. Die Zivilrechtslehrbücher hingegen pflegen die subjektiven Rechte unter verschiedenartigsten Gesichtspunkten zu gruppieren, etwa nach ihrem Gegenstand in Rechte an Personen, an Sachen und an Immaterialgütern, oder nach dem Hauptinhalt in Beherrschungsrechte, Ansprüche und Gestaltungsrechte, oder nach ihrer Wirkung auf Dritte in absolute und relative Rechte. Die Einteilungsgesichtspunkte überschneiden sich. Bezüglich der Einzelheiten zu diesen Einteilungen sei auf die ausführliche Literatur zu den subjektiven Rechten verwiesen (vgl. dazu die Übersichten bei Jhering, Geist des römischen Rechts, Teil 3, S. 327 ff.; Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Band 1, §§ 37 ff. (S. 155 ff.); Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, passim; Kelsen, Reine Rechtslehre, passim; Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 1 ff.; Esser, Einführung in die Grundbegriffe des Rechtes, VIII, S. 145 ff.; Raiser, JZ 1961, 465 ff.; Bruns, FS Nipperdey, S. 3 ff.; Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil, § 15 Rn. 1 ff. Diese Darstellung soll auf die Zuweisung subjektiver Rechte und die Folgen für die §§ 249 ff. BGB beschränkt sein. 140 Unten I. 141 Teil 3. 142 Unten II. 143 Zum Recht auf Gewinn eingehend unten II.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
I. Damnum emergens: Verletzung eines zugewiesenen Rechts an einem vermögenswerten Rechtsobjekt Ist die Zuweisungsentscheidung bezüglich eines Rechts an einem vermögenswerten Gegenstand zugunsten des Anspruchstellers getroffen und hat die zurechenbar-rechtswidrige Verletzung144 eines solchen zugewiesenen Rechts ein Minus im Vermögen zur Folge, liegt ein zu ersetzender Schaden i. S. d. § 249 BGB in Form von damnum emergens vor. Der Schaden ergibt sich aus der Differenz zwischen den Vermögenslagen vor und nach der Rechtsverletzung. Vermögenswerte Rechtsobjekte sind zum einen Gegenstände und zum anderen das rechtlich nicht besonders strukturierte Vermögen als Summe aller vermögenswerten Rechtsobjekte eines Rechtssubjekts. Rechte an vermögenswerten Rechtsobjekten können relative oder absolute Rechte sein. 1. Rechte an Gegenständen145 a) Die Zuweisung von Rechten an Gegenständen Ein Recht an einem Gegenstand kann immer ein relatives oder ein absolutes sein146. Die Zuweisung von Rechten an Gegenständen erfolgt durch Gesetz oder Rechtsgeschäft147. Zur Rechtswidrigkeit bereits oben A. III. 2. d). Gegenstände sind Tiere, Sachen (bewegliche und unbewegliche) und Rechte (absolute und relative). Rechte an Sachen sind z. B. absolute Rechte an Sachen wie das Eigentumsrecht an einer Sache, die Grunddienstbarkeit an einer Sache oder das (Grund-) Pfandrecht an einer Sache. Relative Rechte an Sachen sind z. B. der Übereignungsanspruch beim Kauf oder die durch Mietvertrag eingeräumten Nutzungsrechte. Zu den Rechten an Rechten gehören beispielsweise Rechte (Inhaberrechte, Pfandrechte) an Forderungen oder Rechte (Inhaberrecht, Lizenzrecht) an spezialgesetzlich geregelten Immaterialgüterrechten wie Patentrechte, Urheberrechte oder Markenrechte. Zum Umfang des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB bei Verletzung gewerblicher oder geistiger Schutzrechte Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 269; zum Umfang des Schadensersatzes bei Wettbewerbsverstößen Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, Kap. 5 § 23 2. (S. 487 f.). 146 Dazu, dass die relative Zuweisung nicht im Hinblick auf ihre inhaltliche Qualität, sondern allein im Hinblick auf ihre personale Relevanz sich von absoluten Zuweisungen unterscheidet, bereits oben A. III. 2. a) bb). Ein nur relativ zugewiesenes vermögenswertes Recht gehört ebenso zum Vermögen wie ein absolutes Recht (vgl. dazu die ausführliche Begründung von Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 91 ff. m. w. N.). Die Verletzung eines relativen Rechts kann daher ebenso zu einem Minus im Vermögen des Geschädigten führen wie die Verletzung eines absoluten Rechts. Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 ff. BGB ersetzt wie ein deliktischer Ersatzanspruch ein Minus im Vermögen des Geschädigten. A. A. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 111 f.: Der Anspruch auf das Erfüllungsinteresse diene nicht dem Schutz vor einer Schädigung des Vermögens. Nicht eine schuldhafte Schädigung des Vermögens des Gläubigers sei der Verpflichtungsgrund, sondern der Anspruch auf die vertragliche Leistung. Der Gläubiger fordere ersatzweise das Erfüllungsinte144 145
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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aa) Die Zuordnung der in § 823 I BGB genannten absoluten Rechte durch das BGB Das BGB selbst schafft eine Zuordnung vor allem für die in § 823 I BGB genannten absoluten Rechte148. Wie bereits ausgeführt149, ist die gesetzliche Güterzuordnung keineswegs vollständig – nicht einmal die sachenrechtliche. Es ist immer wieder fraglich, wie weit der Zuweisungsgehalt eines Rechts im Einzelfall reicht150. Anschauliche Beispiele hierfür sind nachbarrechtliche Streitigkeiten über die Ausübung des Eigentums151. Aufgrund der besonderen Verhältnisse bei Grundstücken sind es vor allem nachbarliche Interessenkonflikte, die die Unbestimmtheit des Eigentumsinhalts offenbaren. Der generalklauselartigen Vorschrift des § 903 BGB ist eine eindeutige Bestimmung der Eigentumsgrenzen nicht zu entnehmen. Hinzu kommt, dass sich die rechtlichen und sozialen Anschauungen über das Gewicht der beteiligten Interessen, über das gebotene Maß an Freiheit bei der Ausübung des Rechts und das der Schutzwürdigkeit seiner Integrität, ständig wandeln; dies führt letztlich dazu, dass der Inhalt des Eigentums immer neu zu ermitteln ist152. Auch die Frage nach dem Ob der individuellen Zuweisung eines Gutes kann sich stellen. So stellt sich im Grenzbereich des Sachenrechts die Problematik, ob der menschliche Körper nach dem Tode des Menschen oder Körperteile nach ihrer Trennung sachenrechtlicher Zuordnung unterliegen153. resse anstelle der Naturalleistung, weil der Schuldner von der Verpflichtung nicht freigeworden ist. Der Schaden bestehe darin, dass der Gläubiger den geschuldeten Gegenstand nicht erhalten hat. Dies sei ein Schaden in der Erscheinungsform des entgangenen Gewinns. Diese Ansicht beruht auf der Lehre von der perpetuatio obligationis. Für diese Lehre von der haftungsintegrierenden Leistungspflicht vor allem Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 163 ff., 193 ff., 227 ff.; ders., Gesetzgebung, S. 28 Fn. 62; Koller, Risikozurechnung, S. 8 Fn. 5; U. Huber, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 31, 82 f.; ders., FG 50 Jahre BGH, Bd. 1 S. 275 f.; Stoll, JZ 2001, 590; Chr. Knütel, JZ 2001, 354; R. Knütel, NJW 2001, 2519, 2520; MK-Ernst, § 275 Rn. 5 und öfter; dagegen jetzt Lobinger, Die Grenzen der Leistungspflicht, S. 225 ff., der die Ansicht vertritt, dass eine solche haftungsintegrierende Leistungspflicht dogmatisch auf eine reine Fiktion hinauslaufe. Zum Fiktionsvorwurf etwa Picker, AcP 183 (1983), 369, 393 ff.; Wilhelm, FG Flume, S. 301, 340; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 14; Meincke, AcP 171 (1971), 19, 27 f.; Harke, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, 50; Gebauer, Naturalrestitution, S. 78. 147 Dazu bereits oben Teil 2 A. III. 148 Oben Teil 2 A. III. 2. 149 Dazu bereits oben Teil 2 A. III. 2. a) aa). 150 Dazu ausführlicher oben Teil 2 A. III. 2. a) aa). 151 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 232. 152 Vgl. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S. 95. 153 Für die analoge Anwendung von § 953 BGB MK-Holch, § 90 Rn. 29 m. w. N. Zum Leichnam, der als persönlichkeitsrechtlich beschränkt verkehrsfähige Sache einzuordnen sei, dort Rn. 32 f.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
bb) Der schrittweise Prozess der Gestaltwerdung weiterer absoluter Rechte als sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB Darüber hinaus zeigt sich ein schrittweiser Prozess der Gestaltwerdung weiterer absoluter Rechte als sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB. Dabei werden einzelne Handlungsrechte und korrespondierende Verhaltenspflichten in Form eines substanziellen Bereiches unter einem Begriff zusammengefasst. Zu den bislang von der Rechtsprechung anerkannten sonstigen Rechten zählen u. a. die beschränkt dinglichen Rechte154, das Anwartschaftsrecht155, die Besitzausübung aufgrund eines obligatorischen Rechts156, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht157, die Firma158, Mitgliedschaftsrechte 159, das Recht am räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe160 sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb161. Das Vermögen an sich ist dagegen kein sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB162. Absoluter Schutz des Vermögens an sich ohne das Erfordernis der Verletzung eines absoluten Rechts i. S. d. § 823 I BGB erfolgt nur im Rahmen von §§ 823 II, 824, 826 BGB. Nur insoweit ist das Vermögen als Gesamtheit aller Rechtsobjekte auch absolut zugewiesen163. Auch bei den sonstigen Rechten hängen Inhalt und Reichweite des Schutzes jeweils allein von der im Vorfeld der Schutzgewährung zu treffenden Zuweisungs154 Nutzungsrechte wie Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff.), Nießbrauch (§§ 1030 ff.), beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff.), Erbbaurecht (ErbbauRVO bzw. §§ 1012 ff. für Altrechte), Nutzungspfandrecht (§ 1213); Verwertungsrechte wie Reallast (§§ 1105 ff.), Hypothek (§§ 1113 ff.), Grundschuld (§§ 1191 ff.), Rentenschuld (§§ 1199 ff.), Pfandrecht (§§ 1204 ff.); Erwerbsrechte wie das Vorkaufsrecht (§ 1094). 155 RG 170, 1, 6; BGHZ 55, 20, 25; BGH WM 59, 1104; BGHZ 49, 197; BGH NJW 1982, 1639; BGHZ 114, 161. 156 BGHZ 62, 243; BGH NJW 1981, 750; BGH NJW 1998, 377, 380 f.; vgl. dazu auch Erman-Schiemann, § 823 Rn. 43. 157 Grundlegend BGHZ 13, 334 („Schachtbrief“), seitdem erkennt der BGH das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB an; zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vgl. Erman-Schiemann, § 823 Rn. 48 und MK-Wagner, § 823 Rn. 171 ff. 158 Zum Doppelcharakter der Firma als Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht BGH NJW 1983, 755 f.; Baumbach / Hopt, § 17 HGB Rn. 5. 159 RGZ 100, 274, 278; RGZ 158, 248, 255; BGHZ 110, 323, 327 f., 334. Vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil I 2, § 8 V 3 (S. 307); Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 117 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 130 f.; grds. abl. Hadding, FS Kellermann, S. 91, 102 ff. 160 Dazu BGH NJW, 1952, 975; BGH NJW 1961, 504, 506; BGH NJW 1990, 706, 708; BGH NJW 1990, 2877; zu dem Urteil K. Schmidt, JZ 1991, 157. 161 So bereits vor Inkrafttreten des BGB RGZ 28, 238; grundlegend ferner RGZ 58, 23; zusammenfassend BVerfGE 66, 116. 162 RGZ 51, 92, 93; RGZ 52, 365, 366; RGZ 58, 24, 28; RGZ 62, 315, 317; RGZ 95, 173, 174; RGZ 102, 223, 225; BGH NJW 1958, 1041, 1042; BGH NJW 1964, 720, 722; BGH NJW 1983, 2313, 2314; Erman-Schiemann, § 823 Rn. 36; Canaris, 2. FS Larenz, S. 27, 36; Staudinger-Hager, § 823 Rn. B 192; MK-Wagner, § 823 Rn. 176. Zum Vermögensschutz näher unten 2. 163 Zum absoluten Vermögensschutz näher unten 2.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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entscheidung ab und werfen hinsichtlich der Frage der Rechtswidrigkeit164 des den Schutzanspruch auslösenden Verhaltens keine eigenen Abwägungsprobleme auf, wenn die Zuweisungsentscheidung einmal getroffen ist165. Überwiegend wird aber die im Rahmen der Zuweisungsentscheidung erforderliche Abwägung zwischen den Gütern und Interessen des Anspruchstellers einerseits und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Gegners und dessen Gütern und Interessen andererseits als eine Problematik der Rechtswidrigkeit angesehen, die nach überwiegender Auffassung bei diesen Rechten explizit festgestellt werden muss166. Nach dem oben dargestellten tradierten Systemaufbau handelt es sich bei der Abwägungsentscheidung im Rahmen der Rechtswidrigkeit ebenso um eine Zuweisungsentscheidung wie beispielsweise bei der Entscheidung über die Statuierung einzelner Verkehrspflichten167. Entscheidend für die Qualifizierung als absolutes Recht ist die Entscheidung für eine Zuweisung einer Position an ein Rechtssubjekt gegenüber jedermann mit der Folge, dass sie auch gegenüber jedermann geschützt ist168. Im Gegensatz dazu stehen solche Rechte, die nur in der Sonderverbindung, also nur gegenüber bestimmten Personen bestehen und daher auch nur innerhalb dieser Beziehung geschützt sind169. Die Entscheidung über die Zuweisung eines Rechts gegenüber jedermann ist unproblematisch und sogar zwingend, wenn das Gesetz diese Entscheidung bereits getroffen hat, so bei beschränkt dinglichen Rechten oder den gewerblichen Schutzrechten und dem Urheberrecht170. In den übrigen Fällen ist die erwähnte Abwägungsentscheidung zwischen den Gütern und Interessen des Zur Rechtswidrigkeit bereits oben A. III. 2. d). Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 237. 166 Dazu etwa Erman-Schiemann, § 823 Rn. 5, 75 ff., 146; anders aber z. B. bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb BGHZ 38, 200; BGH NJW 1996, 397 (Güter- und Interessenabwägung im Rahmen der Zuweisungsentscheidung). 167 Oben A. III. 2. d). 168 Vgl. MK-Wagner, § 823 Rn. 136, der die Ausschlussfunktion, also das gegenüber jedermann bestehende Eingriffsverbot als entscheidendes Kriterium ansieht; genau umgekehrt Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives oder sonstiges Recht, S. 131, der in dem Abstellen auf die Ausschlussfunktion eine petitio principii sieht; der umfassende Schutz gegenüber jedermann könne sich gerade erst durch Subsumtion unter die §§ 1004, 823 BGB ergeben. Habersack verkennt, dass sich der umfassende Schutz eines Rechts im Grundsatz bereits daraus ergibt, dass ein Recht absolut, also gegenüber jedermann zugewiesen ist. Daraus folgt zwingend der umfassende Schutz gegenüber jedermann. Freilich kann sich im Einzelfall bei der Subsumtion ergeben, dass die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen (z. B. Verschulden bei § 823 I BGB) fehlen oder ein Schutzanspruch aus sonstigen Gründen ausgeschlossen ist (z. B. gemäß § 1004 II BGB). 169 Relative Rechte sind nur gegenüber dem Vertragspartner zugewiesen. Somit kann auch nur dieser das relative Recht verletzen. Gegen Beeinträchtigungen von Dritten kann sich der Inhaber des relativen Rechts nicht gegenüber den Dritten wehren. Dazu auch unten II. 4. c) cc). 170 Zu den spezialgesetzlich geregelten Immaterialgüterrechten sogleich unten cc). 164 165
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
Anspruchstellers einerseits und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Gegners und dessen Gütern und Interessen andererseits zu treffen. Bei dieser Zuweisungsentscheidung wird teilweise darauf abgestellt, ob der zuzuweisenden Position eine gewisse sozialtypische Offenkundigkeit zukommt171. Neben der Bestimmung des Zuweisungsgehalts der anerkannten Rechte stellt sich auch immer wieder die Frage nach dem Ob der individuellen Zuweisung eines Gutes. Auch tauchen immer neue Gegenstände möglicher Zuordnung auf. Zu verweisen ist auf die neuere Entwicklung der Problematik, durch die Registrierbarkeit von Internet-domains diese im Sinne eines Namensrechts zuzuordnen172 oder die Entwicklung der Rechtsprechung im Recht des unlauteren Wettbewerbs173, die den Werbewert von Kennzeichen über den gesetzlichen Schutz bei Verwechslungsgefahr (nach § 16 UWG a. F. und dem früheren WZG) hinaus aufgrund der Generalklausel des UWG dem Inhaber zugeordnet hat174 und die inzwischen vom Gesetzgeber im MarkenG positiviert worden ist175. Dabei stellt sich die Frage, ob überhaupt ein diese Gegenstände einem einzelnen zuordnendes Recht anerkannt werden soll, immer wieder neu176. cc) Die Zuordnung der im BGB nicht geregelten Immaterialgüterrechte Zu den sonstigen Rechten i. S. d. § 823 I BGB zählen auch Immaterialgüterrechte, also Patentrechte, Markenrechte, sonstige gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht. Die absolute Zuordnung dieser im BGB nicht geregelten Immaterialgüter gehört zur Spezialmaterie der jeweiligen Gegenstände. So begründen das Urheberrechtsgesetz und die Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes177 absolute Rechte an Innovationen und weisen sie den Berechtigten zu178. Der Rechtsinhaber hat ein positives Benutzungsrecht und Verbotsrechte gegenüber Dritten. Die einzelnen Verwertungshandlungen, die dem Schutzrechtsinhaber zugewiesen sind und 171 Grundlegend Fabricius, AcP 160 (1960), 273, 289 ff.; vgl. auch Larenz / Canaris, Schuldrecht II 2, § 76 I 1 b) (S. 374); Canaris, FS Steffen, S. 85, 93 f.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 367; ablehnend MK-Wagner, § 823 Rn. 137, nach dessen Ansicht die sozialtypische Offenkundigkeit kein statischer Zustand ist, sondern maßgeblich davon geprägt wird, was die Rechtsordnung als von jedermann zu achtendes Schutzgut anerkennt. Zur fehlenden sozialtypischen Offenkundigkeit beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Erman-Schiemann, § 823 Rn. 49. 172 Dazu etwa Bücking, NJW 1997, 1886 ff. 173 Zu den Änderungen des UWG durch Beschluss des Bundestages vom 3. Juli 2004 siehe BT-Drucks. 15 / 2795, BT-Drucks. 15 / 1487 sowie BGBl. 2004 I, S. 1414. 174 BGHZ 86, 90; BGHZ 93, 96. 175 Vgl. zum Ganzen Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 233 m. w. N. 176 Vgl. Wilhelm, a. a. O., Rn. 233. 177 PatG, GebrMG, HlschG, GeschmMG, MarkenG und SortenSchG. 178 Z. B. in den §§ 14 V, 15 IV MarkenG, 24 I GebrMG, 14a GeschmMG, 139 I PatG, 97 I UrhG.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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die er Dritten untersagen kann, sind in den Schutzgesetzen aufgeführt, welche auch Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche regeln. Die ältere Rechtsprechung schützte berühmte Warenzeichen und Unternehmenskennzeichen im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegen Verwässerung, weil die früheren Bestimmungen des WZG bzw. des § 16 UWG insoweit keinen Schutz boten179. Im Bereich des Patentrechts kommt ein ergänzender Schutz nach § 823 I BGB und damit eine entsprechende Zuweisungsentscheidung in Betracht, soweit die Erfindung noch nicht beim Patentamt angemeldet ist. Der Zuweisungsgehalt soll jedoch nur die unbefugte Anmeldung der Erfindung durch einen Dritten erfassen und nicht auch die tatsächliche Nutzung der Erfindung durch Dritte180. b) Die in den absoluten und relativen Rechten als Bündel zusammengefassten Einzelrechte Absolute und relative Rechte stellen sich als ein Bündel vieler verschiedener subjektiver Rechte dar. Rechte an Gegenständen beinhalten also eine Vielzahl von Einzelrechten: Die absoluten Rechte Körper und Freiheit berechtigen beispielsweise den Rechtsträger, im Rahmen der gesetzlichen Schranken seine Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen. Das Recht an einem Gegenstand berechtigt den Inhaber des Rechts, innerhalb des Zuweisungsgehalts bestimmte Handlungen vorzunehmen oder diese zu unterlassen. Auch diese Einzelrechte kann man als subjektive Rechte bezeichnen. Die relativen Rechte unterscheiden sich auch hier von den absoluten Rechten wieder nur im Hinblick auf ihre personale Relevanz181. Das heißt der Inhaber eines relativen Rechts hat dieselben subjektiven Rechte wie der Inhaber des entsprechenden absoluten Rechts, aber nur gegenüber bestimmten Personen und nicht gegenüber jedermann. Das subjektive Recht als Recht an einem Gegenstand umfasst das Recht, innerhalb des Zuweisungsgehalts über den Gegenstand zu disponieren, also mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren oder über ihn zu verfügen. Das Recht über einen Gegenstand zu disponieren kann beispielsweise auch das Recht zu Handlungen beinhalten, die einer Gewinnerzielung dienen182. Sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, gewährt z. B. ein Eigentumsrecht an einem Auto dem Eigen179 BGH NJW 1959, 675, 676; BGH GRUR 1966, 623, 624 f. (Kupferberg); dazu, dass das Schutzgut Gewerbebetrieb aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung der Marke heute für solche Fälle nicht mehr heranzuziehen ist, BGH NJW 1998, 3781 f. (MAC Dog); zustimmend Erman-Schiemann, § 823 Rn. 56 m. w. N. und Staudinger-Hager, § 823 Rn. D 66. 180 So im Ergebnis RGZ 77, 81, 82 f.; RGZ 140, 53, 55 f.; MK-Wagner, § 823 Rn. 158; Staudinger-Hager, § 823 Rn. B 138. 181 Oben A. III. 2. a) bb). 182 So z. B. Lizenzrechte an Immaterialgüterrechten. Zum Recht auf Gewinn sogleich unter II.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
tümer das Recht, das Auto selbst zu nutzen, zu vermieten183, zu veräußern oder auch zu zerstören. Mit dem Recht, das Auto zu vermieten oder zu veräußern, hat der Eigentümer einer Sache ein Recht darauf, eine gewinnbringende Handlung vorzunehmen und damit auch ein Recht auf Gewinn184. Eingeschränkt werden Handlungs- und Unterlassungsrechte eines Eigentümers durch gesetzliche Regelungen185. Mit dem Zuweisungsgehalt korrespondieren die negatorischen Abwehrrechte, Unberechtigte von der Nutzung des Gegenstandes auszuschließen, sie also zu verpflichten, gewisse Handlungen zum Schutze des subjektiven Rechtes vorzunehmen oder zu unterlassen. Dies gilt für absolute wie für relative Rechte an Gegenständen gleichermaßen. Der Inhaber eines relativen Rechts kann nur innerhalb der Sonderbeziehung Unterlassung gewisser Handlungen zum Schutz seines Rechts verlangen, nicht aber von jedermann, weil ihm das Recht nicht gegenüber jedermann zugewiesen ist186.
2. Rechte am Vermögen als Summe aller vermögenswerten Gegenstände eines Rechtssubjekts a) Ein vermögenswertes Rechtsobjekt ist auch das Vermögen als Summe aller vermögenswerten Gegenstände eines Rechtssubjekts. Theoretisch besteht auch beim Vermögen die Möglichkeit, das Schutzobjekt durch Benennung eines substanziellen Bereichs darzustellen, der in einer Linie mit den in § 823 I BGB genannten Rechtsgütern stehen würde187. Dies ist allein aus Gründen fehlender Anschaulichkeit nicht zu empfehlen. Das aus einer Vielzahl von vermögenswerten Gegenständen und Einzelrechten bestehende Vermögen ist substanziell kaum zu beschreiben188. Ein Schutz des Vermögens gegenüber jedermann erfolgt nur unter engen Voraussetzungen im Rahmen von §§ 823 II, 824, 826 BGB. Der schadensersatzrechtliche Schutz setzt hierbei ebenso voraus, dass die Rechtsordnung die zu schützen183 Zur Vermietung eines Gegenstandes muss man zwar wie auch für den Verkauf eines Gegenstandes keinerlei Rechte, also auch kein Eigentumsrecht an dem Gegenstand haben. Jedoch besteht dann auch keine causa für das Behaltendürfen des so erzielten Gewinns. Näher dazu unten II. Die Vermietung oder der Verkauf einer fremden Sache ohne jegliche Berechtigung ist nicht verboten, die Möglichkeit und deren Ausführung vermitteln jedoch keinerlei schützenswerte Rechte auf den Gewinn. Näher dazu unten II. 184 Zum daraus folgenden Recht auf einen Gewinn siehe unten II. 185 In diesem Zusammenhang zur Ersatzfähigkeit verbotswidrig erzielter Gewinne unten 4. 186 Zum vertraglichen Unterlassungsanspruch Picker, FS Bydlinski, S. 269, 314; ders., AcP 183 (1983), 369, 513 f.; ders., FS Flume, S. 649, 670 ff.; Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 1994 (1995), S. 205, 215 f. mit Fn. 32; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 91. 187 Picker, AcP 178 (1978), 499, 502. 188 Oben A III. 2. c).
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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den Befugnisse auch als subjektive Rechte anerkennt189. Wie beim Schutz absoluter und relativer Rechte ist auch dem schadensersatzrechtlichen Schutz des Vermögens die Zuweisungsentscheidung vorgelagert. § 826 BGB bildet diesbezüglich keine Ausnahme, auch wenn darin nicht einzelne Rechte oder konkrete, verbotene Verhaltensweisen genannt werden und auch nicht auf rechtszuweisende Schutzgesetze Bezug genommen wird. Darauf hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 826 BGB verzichtet, weil er in Form einer Generalklausel alle vorsätzlich-sittenwidrigen (Vermögens-)Schäden erfassen will. Gemäß § 826 BGB werden aber wie bei allen anderen schadensrechtlichen Schutzrechten lediglich Schäden im Sinne der §§ 249 ff. BGB ersetzt, also solche Nachteile, die aus einer Rechtsverletzung resultieren190, allerdings unter der Prämisse, dass die Nachteile vorsätzlich und sittenwidrig herbeigeführt wurden. Auch die Zuerkennung schadensrechtlichen Schutzes gemäß § 826 BGB setzt also eine Entscheidung für die Anerkennung eines entsprechenden subjektiven Rechts voraus191. Erblickte man in § 826 BGB eine schadensrechtliche Sonderregelung, die ausnahmsweise das Vermögen in dem Sinne schon „als solches“ schützte192, dass der Ersatzanspruch nicht Folge der Verletzung einer dem Verletzten zugewiesenen und deshalb vor Eingriffen geschützten Rechtsposition wäre, sondern Folge irgendeiner negativen vermögensmäßigen Entwicklung, so würde man bei Gewährung eines Ersatzanspruchs gemäß § 826 BGB ohne Verletzung eines subjektiven Rechts in Abkehr vom geltenden Ausgleichsprinzip das Verhalten des „Schädigers“ pönalisieren193. Man würde nach der Feststellung Rudolf von Jherings verfahren: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld“194. Da die Schuld aufgrund der Vorsätzlichkeit des Handelns jedenfalls vorliegt, scheint diese den ersatzfähigen Schaden zu indizieren. b) Innerhalb von Sonderverbindungen wie beispielsweise in den Gutachterfällen wird nach h. M. ein grundsätzlicher Schutz vor fahrlässig herbeigeführten 189 Zur Erforderlichkeit einer Zuweisungsentscheidung im Rahmen des § 826 BGB außerdem unten Teil 4 D. 190 Zu den Voraussetzungen eines Schadens gemäß §§ 249 ff. BGB nach dem Ausgleichsprinzip oben A. III. 191 Dazu bereits oben A. III. 2. d). 192 Gegen die Erfassung aller vorsätzlich-sittenwidrig herbeigeführten Vermögensnachteile auch Hans Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht, S. 13: „Diese Vorschrift schützt nämlich nicht ,das Vermögen‘ als solches, sondern enthält eine Generalklausel zum Schutz aller legitimen Interessen materieller oder immaterieller Natur gegen vorsätzlich-sittenwidrige Beeinträchtigung.“; Staudinger-Boehmer, 11. Auflage 1954, Einl. Erbrecht § 20 Rn. 2; ders., FamRZ 1961, 253, 255 („nachteilige Einwirkung auf die rechtlich geschützte Vermögenslage“). A. A. die wohl h. M., nach der gemäß § 826 BGB jede nachteilige Beeinflussung der Vermögenslage zu ersetzen ist; vgl. RGZ 79, 58; RGZ 111, 151, 156; Münzberg, JuS 1961, 389, 393; MK-Mertens, 3. Auflage, § 826 Rn. 71; MK-Wagner, § 826 Rn. 6; Jauernig-Teichmann, § 826 Rn. 5; Erman-Schiemann, § 826 Rn. 1, 18. 193 Zum Pönalisierungseffekt bei der Gewährung von Schadensersatz ohne Verletzung eines subjektiven Rechts siehe unten Teil 3 C. 194 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, S. 40.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
Vermögensschäden gewährt195. Unabhängig von der überaus streitigen rechtsdogmatischen Begründung dieses Vermögensschutzes196 gilt aber im Falle der Zuweisung eines Rechts am Vermögen als Summe aller vermögenswerten Gegenstände dasselbe wie für die Rechte an einzelnen Gegenständen: Die zurechenbar-rechtswidrige Verletzung eines Rechts am Vermögen hat einen Ersatzanspruch zur Folge, sofern aus der Rechtsverletzung ein Minus im Vermögen des Geschädigten resultiert. Problematisch ist aber regelmäßig der Zuweisungsgehalt eines Rechts an einer solchen Gesamtheit. Die Problematik des Zuweisungsgehalts solcher Vermögensrechte soll am Beispiel der sog. Gutachterfälle197 veranschaulicht werden. In den Gutachterfällen 198 verringert sich die dem geschädigten Käufer vor dem Kauf als sein Vermögen zugewiesene Gesamtheit an Vermögensgegenständen. Diese Vermögenseinbuße erfolgt aufgrund einer selbstschädigenden Vermögensdisposition des Käufers durch den Kauf einer Sache, deren Wert nicht dem im Gutachten angegebenen Wert entsprach, weil der Gutachter, mit dem der Käufer nicht in Vertragsbeziehungen stand, fahrlässig ein falsches Gutachten errichtete199. Vertragspartner des Gutachters war regelmäßig der Verkäufer der Sache; lediglich der Verkäufer hatte ein relatives Recht hinsichtlich der Errichtung eines mangelfreien Gutachtens. Das fahrlässig falsch errichtete Gutachten war kausal für den Abschluss des Kaufvertrages und damit für die Vermögenseinbuße des Käufers. Gewährt man wie die Rechtsprechung und ein Großteil der Literatur200 dem Käufer unter gewissen Voraussetzungen einen Ersatzanspruch, impliziert dies die Anerkennung eines entsprechenden subjektiven Rechts. Höchst problematisch ist aber auch hier wie bei allen subjektiven Rechten die Konkretisierung des Inhalts. Welche konkreten Rechte ergeben sich für den Käufer aus einem Recht an seinem bestehenden Vermögen und welche Pflichten folgen daraus zum Schutz des Vermögensbestandes für den Gutachter? Hat der Käufer ein Recht, aus dem eine entsprechende Pflicht des Gutachters folgt, den Vermögensbestand des Käufers nicht durch ein fahrlässig falsches Gutachten zu verringern? Besteht also ein Recht Oben Teil 1. Oben Teil 1. Zur dogmatischen Begründung des Vermögensschutzes bei der Berufshaftung vgl. die Darstellung der unterschiedlichen Ansätze bei Hirte, Berufshaftung, S. 386 ff. 197 Zur Gutacherhaftung siehe etwa Picker, FS Medicus, S. 397 ff.; Schaub, AcP 202 (2002), 757 ff.; dies., Jura 2001, 8; Canaris, JZ 1995, 441, 444; dens., JZ 1998, 603; Medicus, JZ 1995, 308 ff.; Honsell, FS Medicus, S. 211 ff. 198 Neuere Rechtsprechung zur sog. Gutachterhaftung: BGH NJW 1984, 355; BGH NJW 1987, 1758; BGH NJW 1995, 392; BGH NJW 1996, 2927; BGH NJW 1997, 1235; BGH NJW 1998, 1059, 1948; BGH NJW 2000, 725; BGH NJW 2001, 360 („Wirtschaftsprüferhaftung“); BGH NJW 2001, 512, 514; BGH NJW 2002, 1196 (für einen Architekten); BGH NJW-RR 1986, 484; OLG München WM 1997, 613, 615 ff.; OLG Dresden NJW-RR 1997, 1001; LG Frankfurt AG 1998, 144. 199 Zur selbstschädigenden Vermögensdisposition in Gutachterfällen unten Teil 4 A. 200 Siehe etwa Picker, FS Medicus, S. 397 ff.; Schaub, AcP 202 (2002), 757 ff.; dies., Jura 2001, 8; Canaris, JZ 1995, 441, 444; dens., JZ 1998, 603; Medicus, JZ 1995, 308 ff.; Honsell, FS Medicus, S. 211 ff. 195 196
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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des Käufers als Nichtvertragspartner des Gutachters gegenüber diesem, in seiner Dispositionsfreiheit über sein Vermögen nicht durch ein fahrlässig unrichtiges Gutachten verletzt zu werden? Das Gesetz weist dem Käufer solche Rechte nicht explizit zu. Im Umkehrschluss aus den §§ 823 ff. BGB ergibt sich sogar die Versagung eines solchen Rechts als ein absolutes. Wie bereits erläutert201, erfolgt ein absoluter Schutz des Vermögens an sich ohne das Erfordernis der Verletzung eines absoluten Rechts i. S. d. § 823 I BGB nur im Rahmen von §§ 823 II, 824, 826 BGB. Nur insoweit ist das Vermögen als Gesamtheit aller Rechtsobjekte auch absolut zugewiesen. Eine Rechtszuweisung kann daher in den Gutachterfällen, wenn überhaupt, nur innerhalb der Sonderverbindung erfolgen, was jedoch höchst streitig ist202. Die Zuweisung von Vermögensrechten außerhalb der positivrechtlichen Konkretisierungen erfordert die bereits erläuterte Abwägungsentscheidung203 zwischen den Gütern und Interessen des Anspruchstellers einerseits und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Anspruchgegners andererseits. Für die Gutachterfälle gilt insoweit nichts anderes als bei der Inhaltsbestimmung absoluter oder sonstiger Rechte, bei denen der Inhalt nicht oder nicht ausreichend positivrechtlich konkretisiert ist. Eine Rechtszuweisung findet daher auch in den Gutachterfällen statt, wenn ein Gut für die Gesellschaft rechtlich schützenswert ist, Eingriffe sozial unerwünscht und daher zu sanktionieren sind. Bejaht man dies, ist abzuwägen, ob die unerwünschten Eingriffe trotzdem wegen der sonst vereitelten Handlungsfreiheit hinzunehmen sind204 oder ob die Handlungsfreiheit des Gutachters aus besonderen Gründen ausnahmsweise nicht bedroht und eine Haftung jedenfalls diesbezüglich unbedenklich ist205. Im Hinblick auf den geschädigten Dritten ist die Erstellung eines falschen Gutachtens oder Testats mangels höherrangiger Interessen ohne Zweifel sozial unerwünscht. Die Rechtsprechung206 gewährt dementsprechend dem Käufer einen Ersatzanspruch gegen den Gutachter auf der Grundlage der Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung. Die Gewährung eines Ersatzanspruches impliziert nach der hier vertretenen Auffassung die vorangegangene Anerkennung eines entsprechenden subjektiven Rechts. Allerdings sieht die Rechtsprechung als haftungsbegründend nicht die Verletzung einer außervertraglichen Pflicht zum Schutz des bestehenden Vermögens durch den Gutachter an. Die Haftung soll wie im TestaOben Teil 2 B. I. 1. a) bb). Vgl. die Darstellung der unterschiedlichen Ansätze bei Hirte, Berufshaftung, S. 386 ff. 203 Oben Teil 2 A. III. 2. a) und B. I. 1. a) bb). 204 Zu dieser Abwägungsentscheidung bereits oben Teil 2 B. I. 1. 205 Vgl. Picker, FS Medicus, S. 397, 427 Fn. 73. 206 BGH NJW 1984, 355; BGH NJW 1987, 1758; BGH NJW 1995, 392; BGH NJW 1996, 2927; BGH NJW 1997, 1235; BGH NJW 1998, 1059, 1948; BGH NJW 2000, 725; BGH NJW 2001, 360 („Wirtschaftsprüferhaftung“); BGH NJW 2001, 512, 514; BGH NJW 2002, 1196 (für einen Architekten); BGH NJW-RR 1986, 484; OLG München WM 1997, 613, 615 ff.; OLG Dresden NJW-RR 1997, 1001; LG Frankfurt AG 1998, 144. 201 202
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
mentsfall auf der Verletzung einer Leistungspflicht des Gutachters beruhen, obwohl eine Leistungspflicht aus dem Gutachtervertrag auch nach Ansicht der Rechtsprechung nicht gegenüber dem Käufer, sondern nur gegenüber dem Verkäufer bestand. Einziger Unterschied zum Testamentsfall ist, dass dort keine Vermögenseinbuße eintrat, sondern ein erwarteter Vermögenszuwachs nicht eintrat, während im Gutachterfall das Vermögen des Käufers um die Differenz zwischen dem gutachterlich festgestellten und dem tatsächlichen Wert des Hausgrundstücks vermindert ist. Dem Käufer war aber kein mit der Leistungspflicht des Gutachters korrespondierendes subjektives Recht zugewiesen. Die Leistungspflichtverletzung kann daher eine Haftung gegenüber dem Käufer nicht begründen. Eine Haftung des Gutachters gegenüber dem Käufer kann nur damit begründet werden, dass der Gutachter ein sonstiges, dem Käufer zugewiesenes nichtvertragliches Recht bzw. eine mit diesem Recht korrespondierende Verhaltenspflicht verletzte. Weist man dem Käufer ein solches Recht an seinem Vermögen zu, ist er gegen zurechenbar-rechtswidrige Verletzungen dieses Rechts geschützt207. Im Ergebnis ist aber gegen die Rechtsprechung nichts einzuwenden, da sie eine in der Sonderverbindung zulässige Abwägungsentscheidung zugunsten derjenigen trifft, die aufgrund eines fahrlässig falsch errichteten Gutachtens nachteilig über ihr Vermögen disponieren. Unzulässig wäre die Zuweisungsentscheidung nur, wenn sie den gesetzlichen Zuweisungen widerspricht. Das Gesetz trifft aber diesbezüglich keine positive Zuweisungsentscheidung. Eine Zuweisung ist daher allenfalls innerhalb einer Sonderverbindung zulässig.
II. Lucrum cessans Ein Gewinn ergibt sich aus einem zivilrechtlichen Rechtsgeschäft und wird allgemein als positive Differenz zwischen Erträgen und Aufwand definiert208. Der Begriff des Aufwands wird dabei als bewerteter Einsatz bzw. Input von Produktionsfaktoren konkretisiert209. Gewinn kann daher nur erzielt werden, wenn zuvor ein Recht oder Rechtsgut eingesetzt wurde wie z. B. das Eigentumsrecht oder der Körper210. Einer Gewinnerzielung geht daher immer eine entsprechende Einsatzentscheidung voraus. Entstehung und Höhe des entgangenen Gewinns hängen dann maßgeblich davon ab, wozu der Geschädigte das Recht an einem vermögenswerten Rechtsobjekt im Rahmen seines Gesamtvermögens verwendet hätte211.
Zur Rechtswidrigkeit oben A. III. 2. d). Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 73 m. w. N. 209 Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 73 m. w. N. 210 Lex specialis zu § 252 BGB ist bei Personenschäden § 842 BGB, für den die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO gelten. Hinsichtlich des materiellen Rechts auf Gewinn gilt jedoch für § 842 BGB dasselbe wie für § 252 BGB. Zum Verhältnis zwischen § 252 und § 842 BGB Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 181 ff. m. w. N. 207 208
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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Mit der Anerkennung einer Schadensersatzhaftung wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) ist zugleich entschieden, dass die Gewährung von Schadensersatz nicht stets notwendig voraussetzt, dass der konkret zu ersetzende Vermögenswert zur Zeit der Schädigung bereits im Vermögen des Geschädigten vorhanden ist. Im Fall entgangenen Gewinns muss der Geschädigte vielmehr vor der Schädigung gerade noch kein ihm zugewiesenes Recht an dem Gewinn gehabt haben, da dies doch voraussetzte, dass der Gewinn bereits erzielt ist. Dann aber wäre gar nicht mehr von einem entgangenen Gewinn als Folge der Schädigung zu reden, sondern höchstens von einem bereits gezogenen, nachträglich durch den Schädiger aber wieder entzogenen Gewinn zu sprechen. Erkennt man, was § 252 BGB tut, auch schon den Entgang von Gewinn als Tatbestand des Schadensersatzes an, kann es folglich nicht auf ein Recht an dem Gewinn, sondern auf ein Recht auf den Erwerb des Gewinns ankommen. Das ist im Folgenden nachzuweisen.
1. Verletzung eines zugewiesenen Rechts auf Gewinn als Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit Dass ein Recht an einem Gegenstand ein Recht auf eine gewinnbringende Handlung beinhalten kann, wurde bereits dargestellt212. Ein Recht auf einen Gewinn ist dann zugewiesen, wenn ein Recht an einem Rechtsobjekt zugleich auch das Recht auf die entsprechende gewinnbringende Handlung vermittelt. Wird das Recht auf den Gewinn verletzt und sind die weiteren Voraussetzungen des § 252 BGB erfüllt, kann der Verletzte Ersatz für den ihm entgangenen Gewinn verlangen. Auszugleichen ist dann folglich auch beim entgangenen Gewinn ein Minus in einem Recht, welches zu einem Vermögensschaden führte, der in der Nichterlangung eines Vermögensvorteils besteht, auf den der Geschädigte ein Recht hatte213. Die Verletzung eines solchen Rechts ist die Legitimation für die Einbeziehung des entgangenen Gewinns in die hypothetische Vermögenslage bei der Differenzrechnung. Allein die Feststellung, dass der Geschädigte in seinem Vermögen mehr hätte, wenn er nicht geschädigt worden wäre, ist demnach nicht ausreichend. Die Höhe des Schadens ergibt sich aus der Differenz zwischen tatsächlicher und hypothetischer Vermögenslage. Die Höhe der hypothetischen Vermögenslage hängt 211 BGH NJW 1998, 302, 304; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 141; Lange / Schiemann, § 1 III. 4. (S. 43 f.); Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 168; Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 31 II (S. 182 ff.); Larenz, Schuldrecht I, § 29 I. a) (S. 480 ff.). 212 Siehe oben I. 213 Nach Ansicht von Cohnfeldt (Lehre vom Interesse, S. 93 ff.) und Oertmann (Vorteilsausgleichung, S. 203) kann zum Schaden ein „Vorteil, zu dem man kein Recht hat“, nicht gezählt werden. Sie berufen sich hierbei für das römische Recht auf D. 39, 2, 26. Oertmann fügt als ferneres Beispiel aus dem BGB hinzu, dass nach § 844 II BGB „nur, wem durch die Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen ist, nicht schon, wer vom Getöteten nur faktisch Unterhalt genoss, ersatzberechtigt ist“.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
davon ab, wozu der Geschädigte das Recht auf eine gewinnbringende Handlung genutzt hätte. Das Erfordernis einer Rechtsverletzung für die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns folgt bereits daraus, dass die Unterscheidung zwischen damnum emergens und lucrum cessans nur die bereits genannten historischen Gründe hat, die das BGB in Anlehnung an Mommsen gerade überwinden wollte214. Den Materialien zum BGB ist nicht zu entnehmen, dass, abgesehen von den besonderen Bestimmungen zur Kausalität in § 252 S. 2 BGB215, hinsichtlich des entgangenen Gewinns andere Voraussetzungen gelten sollen. Vielmehr sprechen die von den Gesetzverfassern in den Motiven angeführten Beispiele für die hier vertretene Ansicht216. Voraussetzung für den Ersatz eines entgangenen Gewinns ist daher ebenfalls die Verletzung eines dem Anspruchsteller zugewiesenen Rechts. Entscheidend ist auch hier die konkrete Rechtslage des Anspruchstellers vor der Schädigung. Wann ein Recht auf einen Gewinn vorliegt, ist später näher zu untersuchen217. 2. Die Inkonsistenz der entgegengesetzten Auffassung von H. A. Fischer und Münzberg a) Nach Ansicht von H. A. Fischer218 und Münzberg219 ist ein Schadensersatzanspruch nicht nur wegen Entgangs solcher Vermögensvorteile zu gewähren, auf welche man ein Recht hat220. Nach Auffassung von H. A. Fischer ist es für den Ersatz eines entgangenen Gewinns nicht erforderlich, dass der Verletzte ein subjektives Recht auf den Erwerb besaß, bzw. dass durch die Schadenshandlung der unmittelbare Erwerb eines Rechtes vereitelt wird221. „Andernfalls würde der Beschädigte in einer Reihe von Fällen, in denen ihm jetzt jeder Richter Ersatz entgangenen Gewinnes zusprechen wird, leer ausgehen: so bei absichtlicher Entziehung der Kundschaft und in den zahlreichen Fällen des Kaufs, der Miete, des Dienst- und Werkvertrages, wo der Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 6; ders., Vor §§ 249 ff. Rn. 25. Zur Einordnung von § 252 S. 2 BGB als Beweiserleichterung oder als materiellrechtliche Begrenzung des Ersatzes vgl. Lange / Schiemann, § 6 X (S. 340 ff.). 216 Vgl. Motive II, S. 19: Ersatz von Nutzungen, welche der Beschädigte aus einem entzogenen Gegenstande hätte ziehen können. 217 Siehe unten 3. und 4. 218 H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 62 ff. und S. 67 Fn. 21. 219 Münzberg, JuS 1961, 389, 393. 220 So auch MK-Oetker, § 252 Rn. 7: „Der entgangene Gewinn ist auch dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte keinen Rechtsanspruch darauf gehabt hat“; BGH NJW 1973, 700; BGHZ 67, 119; BGHZ 75, 366; Soergel-Mertens, § 252 Rn. 6; Erman-Kuckuk, § 252 Rn. 1; Geigel-Pardey, Kap. 4 Rn. 113. 221 H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 63. 214 215
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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Geschädigte zwar noch nicht mit einem Gegenkontrahenten abgeschlossen und dadurch einen Rechtsanspruch gewonnen hat, wo ihm aber nach den oben ( . . . ) aufgestellten Grundsätzen dennoch Entschädigung zu leisten ist“222. Münzberg setzt am Schadensbegriff an und vertritt die Ansicht, dass dieser „weder die Verletzung eines ,Rechts‘ oder einer ,Anwartschaft‘ noch überhaupt die Verminderung eines bereits vor dem Schadensfall dem Geschädigten gehörenden Vermögens“ voraussetzt223. Unter den Schadensbegriff falle „auch ein gedachter Vermögenswert, den der Geschädigte niemals besessen hat, den er aber ohne das maßgebende Ereignis gewonnen hätte“224. Münzberg sieht in § 249 BGB den Beleg für seine These, die durch § 252 BGB noch bestätigt werde225. Auf den entgangenen Gewinn habe man in der Regel keinen rechtlichen Anspruch, sondern nur eine tatsächliche Aussicht226. Trotzdem werde aber sein Wert als Schaden ersetzt, wie sich am Beispiel einer zu spät gelieferten verkauften Sache zeige, wenn durch die Verspätung die Gelegenheit zu einem günstigen Weiterverkauf verloren geht227. H. A. Fischer und Münzberg sind beide der Ansicht, dass zwar bei einer entgangenen Erbschaft kein Recht des enttäuschten Erben verletzt wurde, dass dies aber kein Grund sei, die Ersatzfähigkeit der entgangenen Erbschaft zu verneinen, weil schließlich in allen von der Rechtsprechung anerkannten und unumstrittenen Fällen des entgangenen Gewinns eine solche Rechtsverletzung ebenfalls fehle228. b) Die Argumentation zum fehlenden Erfordernis einer Rechtsverletzung vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil die von Münzberg und H. A. Fischer genannten Beispiele mit Ausnahme desjenigen der entgangenen Erbschaft, welches noch näher zu untersuchen sein wird229, gerade solche sind, in denen der Ersatzpflicht eine Rechtsverletzung vorausging. Es bestand ein Recht auf den Erwerb, vermittelt durch das absolute oder relative Recht an einem Gegenstand und dem daraus folgenden Recht, eine gewinnbringende Tätigkeit auszuüben. H. A. Fischer, a. a. O., S. 68. Münzberg, JuS 1961, 389, 393. 224 Münzberg, JuS 1961, 389, 393 m. w. N.; zum Schadensbegriff als verfehltem Ansatz zur Lösung schadensrechtlicher Probleme vgl. Schiemann, FS Hagen, S. 27, 39 ff. 225 Münzberg, JuS 1961, 389, 393. 226 Münzberg, JuS 1961, 389, 393; auch nach Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 6 genügt eine bloße Erwerbsaussicht für die Ersatzfähigkeit i. S. d. § 252 BGB, es wird aber mit BGHZ 67, 119 und BGH NJW 1973, 700 auf Entscheidungen hingewiesen, in denen gerade nicht nur eine Erwerbsaussicht, sondern auch ein Rechtsgut (Körper) verletzt wurde. 227 Münzberg, JuS 1961, 389, 393. 228 H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 67 zur Ersatzpflicht eines Richters in Höhe des Wertes einer entgangenen Erbschaft wegen Nichtwahrung der Formvorschriften nach gemeinem Recht, die er in gleicher Weise wegen §§ 839, 252 BGB nach dem BGB gegeben sieht (vgl. RG Boschers Zeitschrift 1888, S. 97 ff., siehe zu dieser Entscheidung sogleich unten Teil 3); Münzberg, JuS 1961, 389, 393 hinsichtlich eines Ersatzanspruches nach § 826 BGB. 229 Dazu eingehend in Teil 3. 222 223
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
Im Falle der zu spät gelieferten verkauften Ware verletzte der Verkäufer durch die verspätete Bewirkung des Erfolgs das relative Recht des Käufers an der Ware. Beim Kaufvertrag ist dem Käufer als Gläubiger der Sachleistungspflicht bereits mit dem Vertragsschluss die verkaufte Sache selbst relativ zugeordnet230. Die durch die Obligation begründeten relativen Rechtspositionen unterscheiden sich von absoluten lediglich dadurch, dass ihnen Geltung zukommt nicht im Verhältnis zu jedem Dritten, sondern allein „relativ“, nämlich gegenüber dem jeweils Verpflichteten. Die relative Zuweisung ist folglich nicht im Hinblick auf ihre inhaltliche Qualität, sondern allein im Hinblick auf ihre personale Relevanz, d. h. im Hinblick darauf, dass sie nur von dem schuldrechtlich Verpflichteten zu respektieren ist, von absoluten Positionen verschieden. Daraus ergibt sich, dass die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Positionen innerhalb des Verhältnisses der Partner keine Bedeutung besitzt231. Durch die zu späte Lieferung wurde der Käufer daran gehindert, das ebenfalls inter partes zugewiesene Recht, die Ware gewinnbringend zu veräußern, auszuüben. Der Verkäufer verletzte also das Recht des Käufers auf den Gewinn. Dasselbe gilt für die von H. A. Fischer angedeuteten Mietfälle. Selbst wenn ein Mietvertrag mit einem Vertragspartner noch nicht abgeschlossen war, liegt eine Rechtsverletzung vor, wenn die Vermietung eines Autos und damit die Gewinnerzielung durch Wegnahme oder Zerstörung vereitelt wird. Der Eigentümer wird daran gehindert, im Sinne des § 903 BGB mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Die für die Ersatzpflicht nach § 252 BGB entscheidende Rechtsverletzung ist die aus der Substanzverletzung des Eigentums resultierende Verhinderung der Ausübung einer gewinnbringenden Tätigkeit: der Vermietung. Auch bei dem von H. A. Fischer angeführten Beispiel der absichtlichen Entziehung der Kundschaft verhält es sich nicht anders als in anderen Fällen des entgangenen Gewinns: Ersetzt man gemäß § 826 BGB den Gewinn, der infolge der absichtlichen Entziehung der Kundschaft entgangen ist232, so geht auch dem Ersatzanspruch nach § 826 BGB eine Zuweisungsentscheidung bezüglich des Rechts, eine gewinnbringende Handlung auszuüben, und damit eines Rechts auf Gewinn voraus233. Nur weil dieses Recht verletzt ist und deshalb ein Gewinn entging, ist 230 Dazu schon Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Band 2, § 321 (S. 330 f.) und § 390 (S. 660). Vgl. ferner Picker, AcP 183 (1983), 369, 401; v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 261; Greiner, Die Haftung auf Verwendungsersatz, S. 63; ähnlich etwa Schaper / Kandelhard, NJW 1997, 837, 839: Mit dem Vertragsschluss dokumentiere der Verkäufer, dass er an der Sache kein weitergehendes Interesse habe, woran er festzuhalten sei. Prinzipiell anders jetzt Stoll, FS Schlechtriem, S. 686 f. 231 Picker, AcP 183 (1983), 369, 511; ders., FS Bydlinski, S. 269, 317; Greiner, Die Haftung auf Verwendungsersatz, S. 63. 232 So z. B. RGZ 79, 55. 233 Zum grundsätzlichen Erfordernis einer Zuweisungsentscheidung für die Ersatzfähigkeit eines Schadens nach § 826 BGB bereits oben I. 2. Ein Recht auf Gewinn kann sich aus einem relativen oder absoluten Recht sowie aus Verbots- oder Schutzgesetzen ergeben. Dies-
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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der Schädiger zum Ersatz dieses entgangenen Gewinns verpflichtet. Verzichtet man im Rahmen des § 826 BGB ausnahmsweise auf die Verletzung eines Rechts auf Gewinn, käme man zu einer Pönalisierung des Schädigerverhaltens, die mit den Prinzipien des Schadensersatzrechts nicht zu vereinbaren ist234. Der Gesetzgeber des BGB verwarf daher den Pönalisierungsgedanken ausdrücklich235. Gerade die von H. A. Fischer und Münzberg genannten Beispiele belegen also, dass man einen Ersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns immer dann gewährt, wenn ein Recht auf den Gewinn verletzt wurde. Der von H. A. Fischer und Münzberg aus diesen Beispielen gezogene Rückschluss, dass die Ersatzfähigkeit einer entgangenen Erbschaft nicht von einer Rechtsverletzung abhängig sei, ist daher verfehlt. Auch die Ersatzpflicht für einen entgangenen Gewinn setzt eine Rechtsverletzung beim Anspruchsteller voraus. Der Anspruchsteller musste ein Recht auf Gewinn gehabt haben, vermittelt durch die Berechtigung derjenigen Tätigkeit, die kausal für das Erwirtschaften eines Gewinns gewesen wäre: Vermietung einer Sache, Einsatz der Arbeitskraft etc. Vor der tatsächlichen Ausübung dieser gewinnbringenden Tätigkeit bzw. vor Vertragsabschluss besteht freilich noch kein Anspruch auf die Gegenleistung (den Gewinn) und damit kein subjektives Recht am Gewinn. Dennoch besteht das Recht, die Tätigkeit auszuüben. Wird der Anspruchsteller daran gehindert, dieses Recht auszuüben, liegt eine Rechtsverletzung vor. Diese kann zur Ersatzpflicht führen. Sog. tatsächliche Erwerbsaussichten sind daher auch nach der hier vertretenen Ansicht ersetzbar, aber nur als Folge einer Verletzung eines Rechts auf Gewinn. Dem widersprechen die von H. A. Fischer und Münzberg genannten Beispiele gerade nicht. Im Testamentsfall hängt also die Ersatzpflicht des Rechtsanwalts gegenüber der enttäuschten Erbin – verneint man wie der BGH eine Leistungspflicht gegenüber der enttäuschten Erbin und damit die Zuweisung eines relativen Rechts an der Erbschaft236 – davon ab, ob die enttäuschte Erbin ein Recht auf Gewinn (die Erbschaft) hatte, welches von dem Rechtsanwalt verletzt wurde. Wie im Einzelnen von der Rechtsordnung ein Recht auf Gewinn zugewiesen wird, ergibt sich aus der folgenden Darstellung.
bezüglich gilt für § 826 BGB dasselbe wie für andere schadensersatzrechtliche Anspruchsgrundlagen. Zu den allgemeinen Mechanismen hinsichtlich der Zuweisung eines Rechts auf Gewinn sogleich unten 3. 234 Vgl. dazu ausführlich Teil 3 C. I.; zum geltenden Ausgleichsprinzip bereits oben A. 235 Die Gesetzgeber des BGB lehnten den Pönalisierungsgedanken im Schadensersatzrecht ab und verwarfen ausdrücklich die im preußischen ALR kodifizierte Abstufung des Umfanges der Schadensersatzpflicht je nach Art oder dem Grade des Verschuldens, vgl. dazu Teil 3 C. I. 2. a). 236 Dazu eingehend unten Teil 3 B.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
3. Die Mechanismen der Zuweisung eines Rechts auf Gewinn Die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn kann auf verschiedene Arten erfolgen. Am klarsten erfolgt eine Zuweisung, wenn sich das Recht auf Gewinn aus einem absoluten Recht ableiten lässt. Daneben kann sich eine Zuweisung auch aus einem relativen Recht sowie aus Verbots- oder Schutzgesetzen ergeben. a) Recht auf Gewinn als Inhalt eines absoluten oder relativen Rechts Dass absolute und relative Rechte eine Vielzahl von Einzelrechten beinhalten, wurde oben bereits dargestellt. Zu diesen Rechten gehört auch das Recht, einen Gegenstand, an dem man ein absolutes oder relatives Recht hat, oder seine Arbeitskraft gewinnbringend zu nutzen. Daraus ergibt sich ein Recht auf Gewinn. Ein relatives Recht an einem Gegenstand kann ein Recht auf Gewinn innerhalb des Zuweisungsgehalts des relativen Rechts beinhalten. Bei einem relativen Recht an einem Gegenstand kann der entgangene Gewinn allerdings nur gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden, da nur diesem gegenüber ein Recht auf Gewinn besteht. Es kann dann auch nur der Vertragspartner dieses Recht überhaupt verletzen. Rechte auf Gewinn sind besonders auch im Bereich des Patent-, Marken- und Urheberrechts relevant. Die Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes237 und des Urheberrechts238 (sog. Schutzgesetze) weisen Ergebnisse geistigen Schaffens (Immaterialgüter) einzelnen Rechtssubjekten zu. Wenn das Immaterialgut die im jeweiligen Schutzgesetz angegebenen Voraussetzungen erfüllt, entsteht ein absolutes Recht (sog. Schutzrecht) entsprechend den sonstigen Rechten nach § 823 I BGB. Inhaber des Schutzrechts ist i. d. R. der Schöpfer des Immaterialguts oder dessen Rechtsnachfolger. Der Rechtsinhaber kann durch Vertrag einem Vertragspartner ein Nutzungsrecht einräumen, so dass dieser berechtigt ist, das Schutzrecht im vertragsgemäßen Umfang zu nutzen. Die Schutzgesetze gewähren absolute Verwertungsrechte, die es deren Inhabern für eine festgelegte Schutzdauer239 ermöglichen, das Immaterialgut in der Regel alleine zu verwerten (positives Benutzungsrecht) und unberechtigten Dritten dessen Verwertung zu verbieten. Aus der Inhaberschaft eines Patent-, Marken- oder Urheberrechts folgt das Recht, das Schutzrecht zu verwerten, welches teilweise auch in den jeweiligen Gesetzen näher konkretisiert ist. Der Inhaber kann das Schutzrecht selbst zur Gewinnerzielung nutzen oder einem anderen vertraglich ein relatives oder ausschließliches Lizenzrecht einräumen. Der entgangene Gewinn ist der Hauptschadensposten bei der Verletzung gewerblicher und geistiger Schutzrechte. 237 Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Halbleiterschutzgesetz, Geschmacksmustergesetz, Markengesetz, Sortenschutzgesetz. 238 Urheberrechtsgesetz. 239 Mit Ausnahme von Kennzeichenrechten.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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b) Zuweisung eines Rechts auf Gewinn durch Verbots- oder Schutzgesetz Dass Schutzgesetze im Sinne von § 823 II BGB, soweit sie den Schutz von vermögensmäßigen Interessen bezwecken, rechtszuweisende Funktion haben, wurde bereits dargestellt240. Sie können auch Rechte auf einen Gewinn zuweisen. Dieselbe rechtszuweisende Funktion haben auch diejenigen Verbotsnormen, deren Rechtsfolgen spezialgesetzlich geregelt sind. Dazu gehören beispielsweise wettbewerbsrechtliche Verbotsgesetze im UWG, welches selbst die Anspruchsgrundlagen für die Schadensersatz- und Abwehransprüche bei Verstößen enthält. Das UWG schafft durch die darin normierten Verbote selbst eine Zuordnung für Gewinne, die nicht erzielt werden können, weil sich Konkurrenten verbotswidrige Vorteile verschaffen. Die Rechtszuweisung erfolgt dabei nicht durch diejenigen Vorschriften, die eine Schadensersatzpflicht vorsehen. Diese setzen die Anerkennung der geschützten Positionen gerade voraus. Ihnen muss vielmehr im Umkehrschluss die Anerkennung der geschützten Positionen entnommen werden, sofern eine Zuweisung nicht bereits auf andere Weise wie z. B. durch Verbotsnormen geschehen ist. Aus den wettbewerbsrechtlichen Verbotsnormen folgt damit für die Konkurrenten des Verletzers ein Recht auf den Gewinn, sofern die Konkurrenten ohne den Wettbewerbsverstoß Gewinne mit Wahrscheinlichkeit (§ 252 S. 2 BGB) gezogen hätten. Die Berechnung des entgangenen Gewinns ist jedoch trotz der Erleichterungen, die § 287 ZPO und § 252 S. 2 BGB bringen, häufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil es vielfach keine Anzeichen für die hypothetische Entwicklung der Dinge ohne den Wettbewerbsverstoß des Konkurrenten gibt241. Im Prinzip zählen zu dieser Kategorie auch Verbotsgesetze aus dem Bereich der Immaterialgüter des gewerblichen Rechtsschutzes (z. B. § 14 II, III, IV MarkenG oder § 10 PatG242). Diese Verbotsgesetze stellen gleichzeitig eine Konkretisierung des jeweiligen absoluten Rechts dar, dessen Schutz sie dienen. Das daraus folgende Recht auf Gewinn kann also ebenso als ein Recht angesehen werden, welches das absolute Recht beinhaltet.
4. Aus der Rechtsordnung zu folgernde zwingende Versagung eines Rechts auf Gewinn Aus der dargelegten „positiven“ Seite des Zuweisungsprinzips folgt sozusagen umgekehrt: Hat die Rechtsordnung die Entscheidung getroffen, eine gewisse tatsächliche Möglichkeit, Erwerb zu erzielen, einer Person nicht zuzuweisen, so ist 240 241 242
193.
Dazu oben Teil 2 A. III. 2. a). Vgl. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, Kap. 5 § 23 2. (S. 487 f.). Zu § 10 PatG als Rechtszuweisungsnorm völlig zutreffend Holzapfel, GRUR 2002,
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
Ersatz entgangenen Gewinns, wenn die Erwerbsmöglichkeit beeinträchtigt wird, und der Erwerb „entgeht“, konsequenterweise zu versagen. Dies entspricht, wie im Folgenden dazulegen ist, auch verbreiteter Praxis. a) Die Ersatzfähigkeit von nur unter Verletzung von Verbotsgesetzen oder Rechten Dritter erzielbaren Gewinnen in Literatur und Rechtsprechung Nach den Motiven zum BGB ist es für die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns „selbstverständlich“, „dass nur ein solcher Gewinn in Betracht kommt, welcher ohne Unehrenhaftigkeit hätte gezogen werden können“243. Damit ist freilich mehr ein Problem und die grobe Richtung seiner Lösung bewusst gemacht als eine systematisch anwendbare rechtliche Argumentation hergeleitet244. Es sind verbindliche Kriterien zu finden, die im Einklang mit dem überlieferten bürgerlichrechtlichen Systemaufbau regelmäßig zur zwingenden Versagung eines Rechts auf Gewinn führen. In Literatur und Rechtsprechung ist es sehr streitig, wann der Ersatz eines entgangenen Gewinns zu versagen ist. Als Grundregel ist die Ersatzunfähigkeit unerlaubter Vorteile zwar anerkannt; umstritten ist aber, wann ein unerlaubter Vorteil vorliegt. Einigkeit besteht lediglich darüber, einen Gewinn zu versagen, der sich aus einem verbotswidrigen nichtigen Rechtsgeschäft i. S. d. § 134 BGB ergeben hätte245. Als mögliches Kriterium hat sich daher vor allem in der neueren Rechtsprechung des BGH die zivilrechtliche Unwirksamkeit des gewinnbringenden Rechtsgeschäfts herausgebildet246. aa) Nach der älteren Rechtsprechung war die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns zu versagen, wenn das gewinnträchtige Verhalten verboten gewesen wäre. Teilweise verstieß bereits die Handlung, die dem gewinnbringenden Rechtsgeschäft vorausgegangen wäre, gegen ein Verbotsgesetz247, in anderen Fällen erst das gewinnbringende Rechtsgeschäft selbst248. Auf die Nichtigkeit des gewinnMotive II, S. 18. Vgl. Bydlinski, FS Deutsch, S. 63, 71. 245 RGZ 90, 52; RGZ 90, 305; RGZ 91, 46; RGZ 96, 284; BGH VersR 1954, 498; BGH NJW 1964, 1181; OLG Köln VersR 1969, 382; KG OLGZ 1972, 408; OLG Stuttgart VersR 1973, 773, 774; BGHZ 75, 366 = NJW 1980, 775; OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 1496; BGH NJW 1986, 1486; BGH NJW 1994, 851; BGH NJW 1974, 1374; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 11; Lange / Schiemann, S. 350; MK-Grunsky, 3. Auflage, § 252 Rn. 4; MK-Oetker, § 252 Rn. 7 f.; Stürner, VersR 1976, 1012 und Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 241 ff. 246 Grundlegend BGHZ 75, 366 = NJW 1980, 775. 247 BGH NJW 1964, 1181: Unzulässige Werbung; RGZ 91, 46: Einfuhr von Ware, für die kein Einfuhrschein erteilt werden durfte; KG OLGZ 1972, 408: Beförderung von Personen unter Umgehung des PersonenbeförderungsG. 248 RGZ 96, 284 und RGZ 90, 305: Verstoß gegen die Verordnung gegen übermäßige Preissteigerung; OLG Stuttgart VersR 1973, 773: Verkauf eines PKW unter Verstoß gegen das RabattG – dabei wird lediglich darauf abgestellt, dass der Vertrag gegen §§ 1, 11 RabattG 243 244
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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bringenden Rechtsgeschäfts gemäß § 134 BGB wurde dabei auch in den Fällen, in denen erst das Rechtsgeschäft gegen die Verbotsnorm verstoßen hätte, nicht explizit abgestellt249. Dieser Rechtsprechung lag der Gedanke zugrunde, dass der Verletzte als entgangenen Gewinn nicht fordern kann, was er nur mit rechtswidrigen Mitteln erlangt hätte250. Der entgangene Gewinn sei nur der in erlaubter Weise zu erzielende Vorteil251. Ein Vorteil, dessen Erlangung das Gesetz verbietet, könne nicht auf dem Umwege des Schadensersatzanspruchs zu einem von der Rechtsordnung gebilligten und schutzwürdigen werden252. Durch die Vereitelung eines unrechtmäßigen Gewinns werde kein rechtswidriger Schaden zugefügt253. Auf verbotene und damit rechtswidrige Weise wäre danach auch ein Gewinn erzielt worden, der nur unter Verletzung von Rechten Dritter zu realisieren gewesen wäre254. Der entgangene Gewinn, der nur unter Verletzung eines relativen Rechts Dritter zu erzielen gewesen wäre, wurde vom Reichsgericht als sittenwidrig qualifiziert und die Ersatzfähigkeit abgelehnt255. Von Rechts wegen könne niemand die Einbuße eines Gewinns geltend machen, den er nur durch ein sittenwidriges Verhalten hätte erzielen können256. bb) Seit BGHZ 75, 366 ist nach Ansicht des BGH und der ihm folgenden herrschenden Literatur und Rechtsprechung für die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns, der nur unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu erzielen gewesen wäre, zu unterscheiden, ob das Verbotsgesetz nicht nur die Art der Vorverstoßen hätte; einen Ersatzanspruch trotz Verletzung gegen das RabattG gewährte hingegen das OLG Schleswig VersR 1975, 455 mit der Begründung, der gewinnbringende Vertrag sei trotz Verstoß gegen das RabattG nicht nichtig. 249 Vgl. RGZ 90, 52; RGZ 90, 305; RGZ 91, 46; RGZ 96, 284; BGH VersR 1954, 498; BGH NJW 1964, 1181; OLG Köln VersR 1969, 382; KG OLGZ 1972, 408; OLG Stuttgart VersR 1973, 773, 774. 250 RGZ 90, 52, 64; BGH NJW 1964, 1181; OLG Stuttgart VersR 1973, 773, 774. 251 RGZ 90, 52, 64; OLG Köln VersR 1969, 382; BGH NJW 1955, 1313. 252 RGZ 90, 305, 306; BGH VersR 1954, 498; KG OLGZ 1972, 408, 410. 253 RGZ 91, 46, 50. 254 RGZ 90, 52, 64 (Verletzung des Eigentumsrechts des Beklagten). Parallel zum entgangenen Gewinn wurde die Problematik der Nutzungsentschädigung wegen Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht vom BGH (BGHZ 73, 355, 362) beurteilt, wenn dem Anspruchsteller kein Recht auf Nutzungen zustand, weil er zum Besitz und damit zur Nutzung der Sache nicht berechtigt war. Ersatz eines solchen Schadens könne derjenige, dem ein Recht auf Nutzung nicht zustand, von dem zur Nutzung Berechtigten nicht verlangen, auch wenn dieser ihm den Besitz im Wege verbotener Eigenmacht entzogen hat. Denn in einem solchen Fall sei der Besitzer verpflichtet gewesen, die Nutzungen zu unterlassen und dem Berechtigten die Nutzungsmöglichkeit einzuräumen (vgl. BGHZ 73, 355, 362). 255 RGZ 100, 112; dazu näher unten c) cc). 256 RGZ 100, 112; BGH WM 1969, 1083; BGHZ 67, 119; a.A. OLG Düsseldorf NJW 1970, 1852 und OLG Offenburg VersR 1973, 69 zum Verdienstausfallschaden einer Prostituierten.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
nahme, sondern auch die zivilrechtliche Wirkung des Geschäfts missbilligt257. Zwar ist auch nach dieser Ansicht ein entgangener Gewinn nicht ersatzfähig, wenn er nur durch Verletzung eines gesetzlichen Verbots hätte erzielt werden können258. Entgegen einem gesetzlichen Verbot seien solche Vorteile jedoch nur dann erlangt, wenn das einschlägige Verbotsgesetz nicht nur die Vornahme des Rechtsgeschäfts missbilligt, sondern auch dessen zivilrechtliche Wirksamkeit verhindert259. Dem Ersatzberechtigten könne nicht mehr abgesprochen werden, als das Gesetz in den §§ 134, 138 BGB im allgemeinen vorsieht260. Nur dann träte ein Systemwiderspruch ein, wenn dem Rechtsgeschäft über § 134 BGB zwar die zivilrechtliche Wirksamkeit entzogen wird, die Ersatzfähigkeit der hieraus erwarteten Vorteile im Schadensersatzrecht aber in Form des entgangenen Gewinns anerkannt würde261. Ist ein Vertrag rechtlich unerwünscht, aber nicht nach § 134 BGB nichtig, so ist der Schaden also nach dieser Ansicht gleichwohl ersatzfähig262. Deshalb sei die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichten 263 oder der „weniger schwerwiegende Verstoß“ gegen beamtenrechtliche Nebentätigkeitsvorschriften264 für den Ersatz des entgangenen Gewinns unschädlich. Daher soll auch ein Gewinn 257 Grundlegend der 5. Zivilsenat in BGHZ 75, 366 = NJW 1980, 775; zustimmend BGH NJW 1994, 851 (6. Senat); auf die Nichtigkeit des gewinnbringenden Rechtsgeschäfts abstellend wohl auch OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 1496. Nach Ansicht des 6. Zivilsenats in BGH NJW 1986, 1486 und des OLG Karlsruhe in NJW-RR 1993, 918, 919 ist der entscheidende Gesichtspunkt, der zur Versagung der Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns führt, „allerdings weniger die wegen des Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB eintretende Nichtigkeit des gewinnbringenden Rechtsgeschäfts als solche, sondern vielmehr der Umstand, daß die Gewinnerzielung vom Gesetz mißbilligt wird“. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts als Kriterium für die Versagung des entgangenen Gewinns bahnte sich beim 6. Zivilsenat bereits 1974 (vgl. BGH NJW 1974, 1374) und kurze Zeit zuvor beim OLG Schleswig (Urteil vom 30. 01. 1974, VersR 1975, 455) an. Dem Nichtigkeitskriterium zustimmend Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 11; Lange / Schiemann, S. 350; MK-Grunsky, 3. Auflage, § 252 Rn. 4; MK-Oetker, § 252 Rn. 8: „Ist ein Vertrag rechtlich unerwünscht, aber nicht nach § 134 nichtig, so ist der Schaden ersatzfähig“; Geigel-Pardey, Kap. 4 Rn. 59; Soergel-Mertens, § 252 Rn. 7; Erman-Kuckuk, § 252 Rn. 7; Bydlinski, FS Deutsch, S. 63, 79; a.A. Stürner, VersR 1976, 1012 und Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 241 ff., die beide nicht auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts abstellen, sondern lediglich darauf, ob die Tätigkeit verboten ist. 258 BGHZ 67, 119, 121; BGH NJW 1974, 1374, 1376 ff. 259 BGH NJW 1980, 775. 260 Lange / Schiemann S. 350; BGH NJW 1980, 775 mit Hinweis auf Lange (1. Auflage), S. 350. 261 MK-Oetker, § 252 Rn. 7. 262 BGHZ 75, 366 = NJW 1980, 775; MK-Oetker, § 252 Rn. 8. 263 BGH NJW 1994, 851, 852; a.A. die Vorinstanz OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 918, 919, welche die von der Verletzten eingegangenen Arbeitsverhältnisse wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht nach §§ 104 ff. SGB IV als nichtig einordnete. 264 BGH NJW 1974, 1374, 1377; OLG Stuttgart VersR 1979, 143; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 11; MK-Oetker, § 252 Rn. 8.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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ersatzfähig sein, bei dessen Erzielung nur gewerberechtliche Vorschriften verletzt worden wären265. Stoll266 hingegen differenziert danach, ob sich die schadensursächliche Handlung (unmittelbar) gegen eine verbotene oder sittenwidrige Tätigkeit als solche richtet267, oder ob mit dem Schadensereignis nur mittelbar Dispositionen des Geschädigten vereitelt werden, bei denen ein Gesetz übertreten oder den guten Sitten zuwider gehandelt worden wäre268. Er stellt demzufolge nur dann auf den rechtlichen Bestand des gewinnbringenden Rechtsgeschäfts ab, wenn der Geschädigte seine Ersatzforderung auf entgangenen Gewinn „aus konkreten, durch das Schadensereignis mittelbar vereitelten Dispositionen, bei welchen ein Gesetz übertreten oder den guten Sitten zuwider gehandelt wird“, stützt. Wer die Erstattung des von solchen Geschäften zu erwartenden Gewinnes fordert, nehme mittelbar Rechtsschutz für die diesen Geschäften zugrundeliegenden Dispositionen in Anspruch. Das setze aber voraus, dass die Dispositionen rechtsgültig sind oder rechtsgültig wären. Soweit es sich um den Schutz solcher Dispositionen handelt, komme es somit, wie der BGH zu Recht entschieden habe, für die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns allein darauf an, ob die Disposition trotz Übertretung eines Verbotsgesetzes rechtlichen Bestand hat oder an §§ 134, 138 BGB scheitert269. Richtet sich die schadensursächliche Handlung gegen eine verbotene oder sittenwidrige Tätigkeit als solche270, spiele es keine Rolle, ob die behinderte Erwerbstätigkeit mit Strafe bedroht, verwaltungsrechtlich verboten oder etwa nur wettbewerbsrechtlich unerlaubt ist271. Ob die neuere Rechtsprechung seit 1980 ebenso differenziert, oder ob sie konsequenterweise auch in diesen Fällen mangels Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts einen Ersatzanspruch gewährt, ist unklar. b) Die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (§§ 134, 138 BGB) als ungeeignetes Kriterium zur Versagung eines Rechts auf Gewinn aa) Die Ansicht der herrschenden Meinung, wonach dem Geschädigten im Rahmen der §§ 252, 842 BGB nicht mehr „abgesprochen“ werden könne, als durch die 265 So Lange / Schiemann, S. 350; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 11, mit der Begründung, dass dieser Umstand die zivilrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes im Allgemeinen nicht hindere (Berufung auf BGH NJW 1968, 2286; BGH NJW 1980, 775). Eher nach dem Schutzzweck differenzierend BGH NJW 1983, 2873. 266 Stoll, Haftungsfolgen, S. 335 ff. 267 Stoll, Haftungsfolgen, S. 335 f. 268 Stoll, Haftungsfolgen, S. 336 f. 269 Stoll, Haftungsfolgen, S. 336 mit Hinweis auf BGHZ 75, 366. 270 Vgl. BGH NJW 1964, 1181: Unzulässige Werbung; RGZ 91, 46: Einfuhr von Ware, für die kein Einfuhrschein erteilt werden durfte; KG OLGZ 1972, 408: Beförderung von Personen unter Umgehung des PersonenbeförderungsG. 271 Stoll, Haftungsfolgen, S. 335; differenzierend auch Lange / Schiemann, S. 350, 352; Soergel-Mertens, § 252 Rn. 7; Palandt-Heinrichs, § 252 Rn. 2.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
§§ 134, 138 BGB vorgesehen sei272, ist widersprüchlich und als verallgemeinerungsfähiges Kriterium ungeeignet. Die Argumentation des BGH und der herrschenden Ansicht in der Literatur hinsichtlich des Nichtigkeitserfordernisses überzeugt vor allem deshalb nicht, weil die Fragen nach der Wirksamkeit von Verträgen im Hinblick auf den Zweck des Verbotsgesetzes und die vertragliche Austauschgerechtigkeit beantwortet werden273. Es besteht daher keinerlei zu beachtender Sach- und Wertungszusammenhang zwischen der schadensrechtlichen Frage nach der Ersatzfähigkeit eines entgangenen Vorteils und der Frage nach der Vertragswirksamkeit des gewinnbringenden Rechtsgeschäfts274, der zu einer „Gleichschaltung“ von Vertragswirksamkeit und Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns zwingt275. Das verbotene Rechtsgeschäft ist nur soweit nichtig wie nötig, um Wortlaut, Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes durchzusetzen276. Wenn der Zweck des Verbotes mit anderen Sanktionen wie Schadensersatzpflichten oder straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen erreicht wird, tritt die Nichtigkeitsfolge nicht ein277. Die Unwirksamkeit eines Vertrages nach § 134 BGB berücksichtigt daher lediglich die vertragliche Austauschgerechtigkeit278. Die Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB kann zum Schutze des Vertragspartners erforderlich sein279. Ebenso kann auch die Wirksamkeit des Vertrages trotz Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz im Sinne der Vertragsgerechtigkeit notwendig sein. So wäre z. B. die vertragliche Austauschgerechtigkeit unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn ein Apotheker, der ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ohne Rezept abgibt, 272 Lange / Schiemann, S. 350; BGH NJW 1980, 775 mit Hinweis auf Lange (1. Auflage), S. 350. 273 So vor allem Stürner, VersR 1976, 1012, 1013 f.; zustimmend Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 242 ff. 274 Zur entgegengesetzten Ansicht eingehend Bydlinski, FS Deutsch 1999, S. 63, 79. 275 A. A. Bydlinski, FS Deutsch, S. 63, 79: Wäre der hypothetische Vertrag wirksam, so würden sich erhebliche Wertungswidersprüche ergeben, wenn man wegen des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz den Ersatz des entgangenen Vorteils aus dem hypothetischen Vertrag verneint. Diese Wertungswidersprüche seien größer als diejenigen, die sich ergeben, wenn man den Ersatzanspruch trotz Verstoß gegen ein Verbotsgesetz bejaht, weil das dem Gewinn zugrundeliegende Rechtsgeschäft wirksam gewesen wäre. 276 Jauernig-Jauernig, § 134 Rn. 14. 277 Vgl. Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil, § 40 Rn. 12. 278 Stürner, VersR 1976, 1012, 1013 f.; Pawlowski, JZ 1970, 506 ff.; ders., Allgemeiner Teil, § 4 Rn. 489 ff.; Soergel-Hefermehl, § 134 Rn. 15; Studienkommentar-Hadding, § 134 Bem. II.; Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 242 ff. 279 So sind z. B. Vereinbarungen über die Abtretung von Honorarforderungen von Personen i. S. d. § 203 StGB, die der Schweigepflicht unterliegen, nichtig, wenn der Zessionar seinerseits nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet ist (BGHZ 115, 123, 127; BGHZ 116, 274 (Arzt); BGHZ 122, 115, 117 (Rechtsanwalt); BGH NJW 1993, 1912 und 2795 (Rechtsanwalt)). Die Unwirksamkeit ist hier zum Schutz des in seinem Geheimnis geschützten Patienten oder Mandanten als eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten erforderlich, vgl. Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil, § 40 Rn. 22.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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keine Gegenleistung erhielte und auf Bereicherungsansprüche verwiesen wäre280. Es wäre auch nicht sachgerecht, dem Käufer vertragliche Ansprüche abzusprechen, wenn die Leistung nicht oder nur mangelhaft z. B. mit unzureichender Beratung durch den Apotheker erbracht wird281. Diese Erwägungen wirken sich aber nicht auf den davon völlig unabhängigen Aspekt der Ersatzfähigkeit von verbotswidrigen Gewinnen aus. Das Recht auf Gewinn hat sich allein an der Frage zu orientieren, ob die hypothetische Ereignisse erfassende Schadensberechnung eine künftige, geplante verbotene Tätigkeit berücksichtigen soll282. Wie der Gesetzgeber aber die Abwicklung solcher verbotswidriger Rechtsgeschäfte regelt, ist völlig unerheblich, da sich die Kriterien hierfür lediglich an der Zweckmäßigkeit und Effizienz der Sanktionen orientieren. Es geht allein darum, ob der Gewinn aus dem verbotenen Rechtsgeschäft ersatzfähig ist, das der Anspruchsteller ohnehin nicht hätte tätigen dürfen; Fragen der Abwicklung verbotswidrig getätigter Geschäfte sind für diese Entscheidung ohne Belang283. Es ergibt sich daher kein Wertungswiderspruch, wenn man trotz Wirksamkeit des hypothetischen Vertrages einen Ersatzanspruch gemäß § 252 BGB wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot versagt. Aus dieser Erkenntnis resultieren vermutlich auch die widersprüchlichen Ausführungen des 6. Senats284 und des OLG Karlsruhe285, die einerseits auf die bekannte Argumentation abstellen, wonach entgegen einem gesetzlichen Verbot nur solche Vorteile erlangt seien, bei denen der Gesetzesverstoß zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts geführt hätte286. Andererseits soll es aber für die Versagung der Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns gerade nicht auf die Nichtigkeit des gewinnbringenden Rechtsgeschäfts ankommen, sondern darauf, dass die Gewinnerzielung vom Gesetz missbilligt wird287. Damit sieht also selbst der BGH den Verstoß gegen das Verbotsgesetz als entscheidend an. Das zusätzliche Abstellen auf die Nichtigkeit des Vertrages ist inkonsequent. bb) Ein weiteres Argument gegen die Rechtsprechung des BGH und die Ansicht der h. M. ist, dass danach verbotswidrig erzielte Gewinne aus einem wirksamen Rechtsgeschäft gemäß § 252 BGB grundsätzlich ersatzfähig wären, auch wenn bei tatsächlichem Erwerb der Gewinn einem Dritten zugewiesen wäre und dieser Ersatzansprüche288 geltend machen könnte289. Dies würde bedeuten, dass dasselbe 280 Dazu BGH NJW 1968, 2286; a.A. AK-Damm, § 134 Rn. 55; Palandt-Heinrichs, § 134 Rn. 16. 281 Zu einem ähnlichen Beispiel Stürner, VersR 1976, 1012, 1013; ausführlich Pawlowski, JZ 1970, 506 ff.; ders., Allgemeiner Teil, § 4 Rn. 489 ff. 282 Stürner, VersR 1976, 1012, 1013. 283 Stürner, VersR 1976, 1012, 1014. 284 BGH NJW 1986, 1486, 1487. 285 OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 918, 919. 286 Vgl. 5. Senat BGHZ 75, 366 und 6. Senat BGH NJW 1986, 1486. 287 BGH NJW 1986, 1486, 1487; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 918, 919.
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Recht auf Gewinn zweimal zugewiesen werden könnte, je nachdem, ob der Vorteil entgangen ist oder tatsächlich erzielt wurde. Dies wäre widersprüchlich. Jedes subjektive Recht kann inter omnes unabhängig davon, ob der Gewinn tatsächlich erzielt wurde oder nicht, abgesehen von Fällen der gemeinschaftlichen Zuweisung, nur einmal zugewiesen sein, weil der Gegenstand des Rechts ebenfalls nur einmal existiert290. Die Ansicht der h. M. ist daher auch aus diesem Grunde widersprüchlich. c) Widerspruch zur Rechts(zuweisungs)ordnung als alleiniges Kriterium für die Versagung eines Rechts auf Gewinn Auf der Grundlage des überlieferten bürgerlichrechtlichen Systemaufbaus291 muss die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn und damit die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns immer dann versagt werden, wenn die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn der Rechtsordnung widersprechen würde. aa) Verstoß gegen Verbotsgesetze (1) Verbote ohne Erlaubnisvorbehalt Entgegen der h. M. liegt ein solcher Widerspruch gegen die Rechtsordnung schon immer dann vor, wenn die Handlung, die zu einem Gewinn geführt hätte, gegen irgendein gesetzliches Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt verstoßen hätte unabhängig von der Anwendbarkeit der §§ 134, 138 BGB. Der Gesetzesverstoß kann durch einen Vertrag oder bereits zuvor durch eine Handlung selbst292 erfolgen. Welche der geschilderten Handlungsformen zu beurteilen ist, ist unerheblich, weil beide Arten des Verstoßes hinsichtlich der Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinnes gleich zu behandeln sind293. Letztendlich ist nur die Tatsache entscheidend, dass zur Erzielung des Gewinnes eine Handlung erforderlich gewesen wäre, die gegen ein gesetzliches Verbot und damit gegen die Rechtsordnung verstoßen hätte. 288 Beispielsweise wegen Verstoßes gegen das UWG, vgl. zur älteren Rechtsprechung die oben bereits erwähnte richtige Entscheidung des BGH in NJW 1964, 1181. 289 Seit der Leitentscheidung des BGH (BGHZ 75, 366 = NJW 1980, 775) ist jedoch eine solche Fallgestaltung nicht entschieden worden. Einen Ersatzanspruch müsste der BGH, wenn er an seinem Grundsatz festhalten will, immer dann gewähren, wenn der gewinnbringende Vertrag nicht als nichtig zu qualifizieren ist. 290 Zur Unvereinbarkeit einer zweifachen Zuweisung mit dem geltenden Recht eingehend Teil 3 C. Ein relatives Recht an einem Gegenstand kann dagegen unendlich oft begründet werden. 291 Oben A. III. 2. 292 Z. B. unzulässige Werbung durch falsche Angaben über die Wirkung eines Heilmittels (BGH NJW 1964, 1181). 293 Differenzierend Lange / Schiemann, S. 350, 352; Stoll, Haftungsfolgen, S. 335 ff.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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Ein Gewinn, der aus einer verbotenen Handlung resultieren würde, ließe sich nicht innerhalb des von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Freiheitsraums erzielen294, unabhängig davon, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen das Verbot hat295. Daher versagen alle Verbote die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn, der nur durch Verstoß gegen eines dieser Verbote erzielbar wäre. Durch die Verbotsnorm ist bereits die Handlungsfreiheit der einzelnen Rechtssubjekte eingeschränkt unabhängig von einer eventuellen Nichtigkeitsfolge. Dann muss aber erst recht eine Zuweisung hinsichtlich eines Rechts auf Gewinn versagt werden. Auch Stürner296 stellt auf die Einschränkung der Handlungsfreiheit durch Verbotsgesetze ab, die zu einer Versagung eines entgangenen Gewinns zwingt: „Nur dort, wo eine Norm die entsprechende Handlungsfreiheit des Bürgers völlig ausschließen will, ist auch die Liquidation entgangenen Gewinns nicht möglich.“ Allerdings bezeichnet er den Ersatz des entgangenen Gewinns als ein Äquivalent für die rechtswidrig beschränkte wirtschaftliche Handlungsfreiheit, welche nur im Rahmen der Gesetze bestehe. Auch der entgangene Gewinn als Äquivalent der Handlungsfreiheit müsse diesen gesetzlichen Rahmen berücksichtigen. Wo eine entsprechende Handlungsfreiheit von vornherein gefehlt hat, müsse auch nicht ihr vermeintlicher Wegfall ausgeglichen werden297. Der Ansicht Stürners ist nur insoweit zu widersprechen, als danach die Verletzung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit für den Ersatz eines entgangenen Gewinns ausreichend ist. Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit, als das erlaubte Verhalten, ist an sich aber gerade nicht geschützt. Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit ist nur geschützt, wenn sich diese in einem zugewiesenen Recht manifestiert298. Maßgeblich für die Versagung eines Rechts auf Gewinn ist allein die fehlende Vereinbarkeit der gewinnträchtigen Handlung mit der Rechtsordnung. Existiert ein entsprechendes Verbot, scheitert daran zwingend die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn. Gegen den Willen der Rechtsordnung werden ebenso Gewinne erlangt, die durch verbotene aber wirksame Rechtsgeschäfte erzielt werden. Dagegen spricht nicht, dass der Verletzte in solchen Fällen ohne die Schädigung sogar einen einklagbaren Anspruch auf die Gegenleistung erlangt hätte und die Rechtsordnung ihm trotz Überschreitung des gesetzlichen Verbots Rechtsschutz zur Erlangung dieser Gegenleistung gewähren würde. Dies ist entgegen der Ansicht von Bydlinski aus zwei Gründen gerade nicht wertungswidersprüchlich: Zum einen ist die Gewährung eines einklagbaren Anspruches aus Gründen der vertraglichen Austauschgerechtigkeit erforderlich299. Zum anderen hätte sich der VerStürner, VersR 1976, 1012, 1014. Dasselbe gilt für die Verletzung des einem Dritten zugewiesenen Rechts auf Gewinn. Dazu eingehend unten cc). 296 Stürner, VersR 1976, 1012. 297 Stürner, VersR 1976, 1012. 298 Dazu bereits oben 1., 2., I. 2. und A. III. 299 Zu diesem Argument siehe bereits oben b). 294 295
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
letzte bei Realisierung seines Gewinnes unter Umständen Ersatzansprüchen oder Bußgeldansprüchen ausgesetzt gesehen, nämlich dann, wenn die Verbotsnorm gleichzeitig eine Rechtszuweisungsnorm ist oder der Verstoß mit einem Bußgeld geahndet werden kann300. Beim Verstoß gegen Verbotsnormen, die gleichzeitig Rechtszuweisungsnormen sind, ist der Ersatz des entgangenen Gewinns bereits deshalb zu versagen, weil das Recht auf Gewinn einem anderen zugewiesen ist. Bereits aus diesem Grunde kann dann eine Zuweisung an den Geschädigten nicht erfolgen. Dabei ist an Fälle unlauteren Wettbewerbs zu denken, in denen Geschäfte und damit Gewinne aus ihnen, die der Geschädigte durch wettbewerbswidriges Verhalten, etwa durch unzulässige vergleichende Werbung, irreführende Angaben (vgl. § 3 UWG) oder Benutzung verwechslungsfähiger Geschäftsbezeichnungen (vgl. § 16 UWG) gemacht hat, dem verletzten Konkurrenten entgangen sind. Der Ersatz eines entgangenen Gewinns des Geschädigten aus einer solchen Tätigkeit widerspräche dem Recht des Konkurrenten auf diesen Vermögensvorteil301. Der Verletzte wäre also bei Versagung eines Ersatzanspruches wegen entgangenen Gewinns nicht von vornherein wertmäßig schlechter gestellt als ohne Schädigung bei Realisierung seines Gewinns302. (2) Verbote mit Erlaubnisvorbehalt Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen die Erlaubtheit einer Tätigkeit von der Erteilung einer behördlichen Genehmigung abhängt. Nach einer Ansicht ist die „formale Rechtswidrigkeit“ eines Tuns für die Rechtmäßigkeit des gezogenen Gewinns nicht ausschlaggebend; wesentlich sei nur die „materielle Rechtswidrigkeit“, die im Falle nicht erteilbarer Genehmigung vorliege303. Es dürfe daher auch nicht darauf ankommen, ob die „formale Rechtswidrigkeit“ der gewinnbringenden Tätigkeit wissentlich hingenommen oder nur fahrlässig übersehen worden sei304. 300 So z. B. gemäß § 11 II RabattG bei Verstoß gegen Vorschriften des am 1. 8. 2001 außer Kraft getretenen RabattG. 301 So im Ergebnis auch BGH NJW 1964, 1181: Ein Ersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns wurde versagt, weil der Geschädigte Ersatz für einen Gewinn verlangte, den er überwiegend mit unzulässiger Werbung erzielt hätte; zum Recht auf Gewinn im Wettbewerbsrecht im Zusammenhang mit § 816 II BGB und zur rechtszuweisenden Funktion der UWG-Normen Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, S. 86. 302 Ein Recht auf Gewinn wäre daher im Testamentsfall jedenfalls dann nicht der enttäuschten Erbin zugewiesen, wenn die Erbschaft und ein Recht auf Gewinn daraus vor dem Erbfall durch die Rechtsordnung einem anderen zugewiesen war. In Betracht kommt die Zuweisung an den Erblasser selbst, da bis zum Erbfall sich die Erbschaft in seinem Vermögen befindet (vgl. §§ 1922, 2286 ff. BGB); dazu eingehend Teil 3 A. 303 Stürner, VersR 1976, 1012, 1014; Stoll, Haftungsfolgen, S. 338; Lange / Schiemann, § 6 X 7 (S. 350 f.): „Es geht aber nicht um eine moralische Bewertung des hypothetischen Verhaltens des Geschädigten, sondern allein darum, ob er von dem Ersatzpflichtigen etwas haben will, was ihm zu erlangen versagt war.“
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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Die überwiegende Ansicht dagegen stellt nicht allein auf die „materielle Rechtswidrigkeit“ ab, sondern schlägt einen Mittelweg ein. Ob der Geschädigte den Antrag tatsächlich gestellt hätte, sei unerheblich, es sei denn, er hat die Einholung der Genehmigung bewusst unterlassen305. Sie will also bei einer geplanten bewussten bzw. vorsätzlichen Missachtung der Genehmigungspflicht die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns überwiegend ausschließen, hingegen bei fahrlässiger Unkenntnis der Genehmigungspflicht einen Ersatzanspruch gewähren, falls die Genehmigung erteilbar war306. Es handele sich nicht um einen verbotenen Gewinn, wenn der Geschädigte die Genehmigungspflicht entweder entschuldbar oder doch nur auf Grund leichter Fahrlässigkeit nicht gekannt hatte307. Die Lösung der Streitfrage hängt davon ab, ob man die Zuweisung des Rechts auf Gewinn schon bei Erfüllung der materiellen Erlaubnisvoraussetzungen bejaht oder erst bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen. Je nachdem ist auch das Recht auf Gewinn zugewiesen oder nicht. Dies ist eine Wertungsfrage, deren Entscheidung nicht schon vom Gesetz bzw. durch gesetzliche Wertungen vorgegeben ist wie in den anderen bisher dargestellten Fällen. Die überwiegende Ansicht vertritt hier eine sachgerechte vermittelnde Lösung, indem sie lediglich dann auf die „formale Rechtswidrigkeit“ abstellt, wenn die Einholung der Genehmigung bewusst unterlassen wurde. bb) Die Erforderlichkeit der Gleichbehandlung von rechts- und sittenwidrig erzielten Gewinnen (1) Die Behandlung entgangener sittenwidriger Gewinne in Literatur und Rechtsprechung Der Ersatz sittenwidrig erzielter Gewinne wird von der herrschenden Meinung grundsätzlich abgelehnt308. Dies erfolgt zum einen mit dem Hinweis darauf, dass Stürner, VersR 1976, 1012, 1014. BGH NJW 1974, 1374, 1376; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 13; MK-Oetker, § 252 Rn. 8; Palandt-Heinrichs, § 252 Rn. 3; Geigel-Pardey, Kap. 4 Rn. 59. 306 BGH NJW 1955, 1313, 1314; BGH NJW 1974, 1374, 1376; KG OLGZ 72, 410; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 13. 307 BGH NJW 1974, 1374; BGH NJW 1955, 1313; OLG Köln MDR 1973, 1017. 308 BGHZ 69, 119, 122 ff.; OLG Hamburg VersR 1977, 87; OLG München VersR 1977, 628; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 15; Staudinger-Medicus, 12. Auflage 1983, § 252 Rn. 16 ff.; Soergel-Mertens, § 252 Rn. 10; Erman-Kuckuk, § 252 Rn. 8; Stoll, Haftungsfolgen, S. 341; Lindacher, JR 1977, 107; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 653; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II b mit Fn. 40 (S. 493); Born, VersR 1977, 118; gegen den Ersatz des Verdienstausfalls einer Prostituierten, wenn man ihn als sittenwidrig qualifiziert MK-Oetker, § 252 Rn. 11; Lange / Schiemann, S. 352, der im Rahmen des Verdienstausfalls für den Fall, dass man angesichts gewandelter Anschauungen die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig erachtet, die Zubilligung des gesamten Erwerbsausfalls als konsequent betrachtet; so auch MK-Oetker, § 252 Rn. 9; a.A. OLG Düsseldorf NJW 1970, 1852 und LG Offenburg VersR 1973, 69, beide zum Verdienstausfall einer Prostituierten. 304 305
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hinsichtlich der Grenzen der Ersatzfähigkeit die gleichen Gesichtspunkte gelten, „wenn das an sich rechtswidrig verhinderte erwerbsbegründende Verhalten zwar nicht gegen ein gesetzliches Verbot, wohl aber gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, also gegen die guten Sitten verstoßen hätte“309. Schulbeispiel für die Diskussion über den Ersatz entgangenen Gewinns, der sittenwidrig erzielt worden wäre, waren vor Inkrafttreten des ProstG vom 20. 12. 2001310 die Einkünfte einer Prostituierten311. Bislang entsprach es der nahezu einhelligen Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum, dass Rechtsgeschäfte, die zu einem geschlechtlichen Verhalten verpflichten, sittenwidrig und damit gemäß § 138 I BGB insgesamt als nichtig zu qualifizieren sind312. Lediglich einzelne Gerichte gewährten Ersatzansprüche für entgangene sittenwidrige Gewinne und lehnten bis zur Leitentscheidung des BGH im Jahr 1976313 eine Vergleichbarkeit einer sittenwidrigen Tätigkeit mit einer verbotenen ab314. Sie begründeten ihren Anspruch damit, dass das Gesetz die Erwerbsart gerade nicht verbiete, sondern dulde. Die Nichtigkeit infolge Sittenwidrigkeit erstrecke sich nicht auf die Gegenleistung, d. h. auf die Übereignung des Geldes nach § 929 I 1 BGB315. Die Prostituierte könne demnach, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, aus ihrer Tätigkeit ein rechtmäßiges Einkommen erzielen316. Der BGH vertrat vor Inkrafttreten des ProstG im Zusammenhang mit dem Verdienstausfall einer verletzten Prostituierten die Ansicht, der sittenwidrige Gewinn sei dem verbotswidrig erzielten Gewinn gleichzustellen und damit nicht ersatzfähig317. Gleichzeitig sprach er in seiner Leitentscheidung einer Prostituierten einen Teil ihrer Einkünfte, der einem existenzdeckenden Einkommen entspricht, als Schadensersatz zu318. BGHZ 67, 119, 121 mit Hinweis auf BGH VersR 1954, 498. BGBl. 2001 I, S. 3989. 311 Zur Rechtslage seit Inkrafttreten des ProstG sogleich. 312 Siehe etwa BGH NJW 1984, 797; BGH JZ 1987, 684; BGHZ 67, 119, 122; BGH NStZ 87, 407; MK-Armbrüster, § 138 Rn. 57; Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil, § 41 Rn. 47 (auch nach Inkrafttreten des ProstG). Wegen des eingetretenen Wandels der Anschauungen auf sexuellem Gebiet war jedoch bereits vor Inkrafttreten des ProstG eine gegenläufige Tendenz im Schrifttum zu erkennen; siehe etwa Erman-Kuckuk, 10. Auflage, § 252 Rn. 8; Rother, AcP 172 (1972), 502. 313 BGHZ 67, 119, 112 ff. 314 OLG Düsseldorf NJW 1970, 1852 und LG Offenburg VersR 1973, 69. 315 BGH NJW 54, 1292. 316 OLG Düsseldorf NJW 1970, 1852; LG Offenburg VersR 1973, 69. 317 BGHZ 67, 119, 122 ff. 318 BGHZ 67, 119, 128; der Ansicht des BGH folgend OLG Düsseldorf NJW 1984, 2474; OLG München VersR 1977, 628; Stoll, Haftungsfolgen, S. 341; ablehnend hinsichtlich des Ersatzes existenzdeckenden Einkommens Lange / Schiemann, S. 352; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 17; MK-Oetker, § 252 Rn. 9; Medicus, VersR 1981, 593, 598; Soergel-Mertens, § 252 Rn. 10; Erman-Kuckuk, § 252 Rn. 8; Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 259 f.; zweifelnd auch Geigel-Pardey, Kap. 4 Rn. 81. 309 310
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Dieser Rechtszustand hat sich durch Inkrafttreten des ProstG am 1. 1. 2002 jedenfalls im praktischen Ergebnis insofern geändert, als nunmehr die Prostituierte einen Anspruch auf Zahlung des für eine sexuelle Handlung vereinbarten Entgelts hat (§ 1 S. 1). Zugleich geht der Gesetzgeber des ProstG davon aus, dass der Kunde keinen Anspruch auf Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch die Prostituierte hat319. Keine ausdrückliche Aussage trifft das ProstG hinsichtlich der Frage, ob der Vertrag mit einer Prostituierten zumindest teilweise, nämlich hinsichtlich der Verpflichtung zur Vornahme sexueller Handlungen, weiterhin sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB ist. Im Schrifttum ist die Frage umstritten. Teils wird die Ansicht vertreten, das ProstG habe am Sittenwidrigkeitsvorwurf nichts geändert, sondern lediglich an einen sittenwidrigen Vertrag eine von § 138 BGB abweichende Rechtsfolge geknüpft320. Für diese Sichtweise lässt sich anführen, dass § 1 S. 1 ProstG das Fehlen einer einklagbaren Verpflichtung der Prostituierten nicht ausdrücklich anordnet. Andererseits geht aus den Gesetzesmaterialien 321 an verschiedenen Stellen hervor, dass es gerade ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers war, Rechtsgeschäfte über sexuelle Handlungen zugunsten der Prostituierten vom pauschalen Verdikt der Sittenwidrigkeit zu befreien. In einem Bundestagsbeschluss ist ganz allgemein von „der Abschaffung der Sittenwidrigkeit der Prostitution“322 durch das ProstG die Rede. Die Neuregelung wird daher von der überwiegenden Ansicht als abschließend angesehen; sie nimmt die Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom Anwendungsbereich des § 138 BGB mangels Sittenwidrigkeit aus323. Für ein Sittenwidrigkeitsurteil bleibt daher wohl nur bei Hinzutreten weiterer Umstände Raum324. Unabhängig von der Entscheidung dieser Streitfrage stellt sich aber außerhalb des Anwendungsbereichs des ProstG weiterhin das hier interessierende Problem der Ersatzfähigkeit sittenwidriger Gewinne. Entgegen der herrschenden Meinung ist nach Ansicht von Stürner325 der entgangene sittenwidrige Gewinn zu ersetzen, weil die Rechtsordnung die sittenwidrigen 319 Der Vertrag des Kunden mit der Prostituierten ist folglich als einseitig verpflichtender Vertrag zu qualifizieren. 320 So etwa Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 52. Insoweit nicht eindeutig HK-Dörner, § 138 Rn. 9, der die Verpflichtung der Prostituierten für unwirksam erklärt, ohne sie ausdrücklich als sittenwidrig einzustufen. 321 BT-Drucks. 14 / 5958, S. 4; BT-Drucks. 14 / 7174, S. 7 f. 322 Beschluss vom 19. 10. 2001, BR-Drucks. 817 / 01 (s. auch BT-Drucks. 14 / 7174, Nr. 2). In diesem Sinne auch die ordnungsrechtliche Entscheidung des VG Berlin NJW 2001, 983, 984 ff. mit eingehender Begründung; zust. Hösch, GewA 2001, 112, 114 ff.; Gusy, EWiR 2001, 375 f. 323 MK-Armbrüster, § 1 ProstG Rn. 7, 18 f.; Erman-Kuckuk, § 252 Rn. 8; Grziwotz, FamRZ 2002, 1154; Quambusch, ZFSH / SGB 2002, 131; Schack, BGB – Allgemeiner Teil, Rn. 265. Zur europarechtlichen Lage siehe EuGH EuZW 2002, 120; vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen BVerwG NVwZ 2002, 339 bezüglich des Freizügigkeitsrechts für Prostituierte. 324 Vgl. MK-Armbrüster, § 1 ProstG Rn. 20 mit Beispielen. 325 Stürner, VersR 1976, 1012, 1015 f.; zustimmend Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 258 ff.
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Geschäfte nicht verbiete und deshalb weder Behörden noch Verbände gegen die Abwicklung sittenwidriger Geschäfte einschreiten können. Vielmehr habe es damit sein Bewenden, dass ein Anspruch auf Abwicklung gemäß § 138 I BGB nicht besteht mit der Folge, dass schutzwürdigen Partnern Rückabwicklungsansprüche gewährt werden. Die von den Rückabwicklungsberechtigten tolerierte Gewinnerzielung liege im Rahmen der Handlungsfreiheit. Der Schadensersatzberechtigte müsse also bei sittenwidrigem Gewinn dartun und beweisen, dass das nichtige Geschäft abgewickelt worden und eine Rückabwicklung niemals in Frage gekommen wäre; letzteres entfalle in Fällen des § 817 S. 2 BGB und damit bei Dirnengeschäften. Den Einwand, dass mit der Gewährung des entgangenen sittenwidrigen Gewinns dem sittenwidrig Handelnden Rechtsschutz gewährt werde, den §§ 138 I, 817 S. 2 BGB gerade verhindern wollen, lässt Stürner326 nicht gelten. Es werde kein Rechtsschutz gewährt für den sittenwidrigen Leistungsaustausch selbst, sondern für das wirtschaftliche Ergebnis eines sittenwidrigen Leistungsaustausches, das ohne das schädigende Ereignis von der Rechtsordnung als Ausfluss der Handlungsfreiheit durchaus hingenommen worden wäre327. (2) Eigene Ansicht Zwar lässt sich über die Sittenwidrigkeit einzelner Handlungen trefflich streiten. Hält man jedoch einen Vertrag oder eine tatsächliche Handlung für sittenwidrig, so folgt hieraus zwingend die Verneinung der Ersatzfähigkeit des Gewinns. Allerdings resultiert dies für den sittenwidrigen Vertrag nicht aus der Nichtigkeit gemäß § 138 BGB328. Die Nichtigkeit des Vertrages ist nach der oben dargestellten Begründung hier konsequenterweise ebenso wenig ausschlaggebend wie bei den verbotswidrig erzielten Gewinnen329. Entscheidend ist allein, dass eine sittenwidrige Handlung der Rechtsordnung widerspricht. Die Sittenwidrigkeit ist insofern der Verbotswidrigkeit gleichzusetzen330. Die Funktion der auf Sittenwidrigkeit bezugnehmenden Normen ist es, die in der Gesellschaft vorherrschenden und sie prägenden grundlegenden Wertvorstellungen in die Rechtsordnung zu integrieren. Da diese Wertvorstellungen sich im Laufe der Zeit wandeln und zum Teil nicht offen, sondern unterschwellig unbewusst vorhanden sind, kann der Gesetzgeber sie nicht im einzelnen als Verbotsnormen aufzählen. Er berücksichtigt sie aber, indem er in Form von Generalklauseln auf die guten Sitten verweist und bei Verletzung der guten Sitten entsprechende Rechtsfolgen Stürner, VersR 1976, 1012, 1016. Stürner, VersR 1976, 1012, 1016. 328 So aber konsequenterweise die h. M., welche die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns versagt, wenn das Rechtsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig gewesen wäre, dazu oben a). 329 Oben b) und c) aa). 330 Vgl. Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 15: Gleichbehandlung von sittenwidrigem und rechtswidrigem Erwerb. 326 327
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anordnet: Nichtigkeit eines gegen die guten Sitten verstoßenden Vertrages (§ 138 BGB), Ersatz reiner Vermögensschäden bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auch außerhalb von Sonderverbindungen (§ 826 BGB) und Unterlassungssowie Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Wettbewerbshandlungen (§ 1 UWG). Erfüllen die guten Sitten dieselbe Funktion wie Verbotsnormen, so ergibt sich für die Ersatzfähigkeit sittenwidriger Gewinne der gleiche Grundsatz wie bei verbotswidrigen Gewinnen: Ein Gewinn, der nur unter Verstoß gegen die guten Sitten zu erzielen gewesen wäre, ist mangels eines entsprechenden Rechts auf Gewinn nicht ersatzfähig. Dem widerspricht auch die Regelung des § 817 S. 2 BGB nicht331, woraus sich in bestimmten Fällen ein Recht zum Behaltendürfen des erzielten Gewinnes ergibt. Sofern nach Erbringung der Gegenleistung § 817 S. 2 BGB einschlägig ist, ist darin keine Zuweisung des Gewinns selbst oder eines Rechts auf Gewinn zu sehen. Das Behaltendürfen des Gewinns durch die Versagung der Rückabwicklung hat für den Gegner Strafcharakter332 oder jedenfalls den Charakter einer allgemeinen Rechtsschutzversagung333 und muss deshalb für die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn unberücksichtigt bleiben. Entscheidend ist die Missbilligung der gewinnträchtigen Tätigkeit durch die Rechtsordnung, die bei Sittenwidrigkeit mit einem Verstoß gegen ein Verbot gleichzusetzen ist334. Die Kondiktionsabschneidung erfolgt gerade wegen der Unerlaubtheit des Leistungsvorganges und in dessen besonderer Missbilligung. Hier kann von billigender Anerkennung des Erwerbes durch die Rechtsordnung keine Rede sein335. cc) Das geltend gemachte Recht auf Gewinn ist einem Dritten zugewiesen Ein Widerspruch zur Rechtsordnung liegt (entsprechend der h. M.) auch dann vor, wenn die gewinnbringende Handlung das einem anderen zugewiesene Recht auf Gewinn verletzt hätte336. Der Anspruchsteller hat bereits deshalb kein Recht auf Gewinn, weil dieses einem anderen zugewiesen ist.
So im Ergebnis auch MK-Oetker, § 252 Rn. 11; Bydlinski, FS Deutsch, S. 63, 80 f. So z. B. BGHZ 39, 87, 91; BGHZ 63, 365, 369. 333 So etwa Esser / Weyers, Schuldrecht II 2, § 49 IV 1 (S. 69 f.); Larenz / Canaris, Schuldrecht II 2, § 68 III 3 (S. 162 f.); Koppensteiner / Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 7 IV 2 b (S. 62 ff.); Reuter / Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 6 V 1 b (S. 203 ff.); Dauner, JZ 1980, 495, 499; kritisch J. Prölss, ZHR 132 (1969), 35, 43. 334 Vgl. Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 15; a.A. Stürner, VersR 1976, 1012, 1015; Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 262 f. 335 So auch Bydlinski, FS Deutsch, S. 63, 80 f., der darauf abstellt, dass bei § 817 S. 2 BGB „doch eher die Wertung mitschwingt, die Leistung gebühre eher dem Empfänger als dem Leistenden“. 336 RGZ 90, 52, 64; BGHZ 73, 355, 362. 331 332
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(1) Gewinnerzielung unter Verletzung eines Rechts auf Gewinn, welches im Verhältnis zum Schädiger einem Dritten zugewiesen ist Hierzu gehören beispielsweise die Fälle, in denen ein nichtberechtigter Besitzer in seinem Besitz gestört wird und behauptet, dass ihm durch diese Besitzstörung Gewinn entgangen sei, da er die Sache ohne die Besitzstörung gewinnbringend genutzt hätte, beispielsweise durch Vermietung. Das Nutzungsrecht und damit auch Recht auf Gewinn durch die Nutzung der Sache war gerade nicht dem Anspruchsteller, sondern einem anderen, dem berechtigten Besitzer, zugewiesen. Hätte der nichtberechtigte Besitzer ohne die Schädigung den Gewinn erzielt, hätte der Berechtigte Ersatz seines entgangenen Gewinns verlangen können, wenn er selbst die Sache gewinnbringend nutzen wollte337. Der 8. Zivilsenat338 versagte in einem parallel gelagerten Fall zutreffend einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung eines nichtberechtigten Besitzers, dem der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wurde. Ersatz eines solchen Schadens könne derjenige, dem ein Recht auf Nutzung nicht zustand, von dem zur Nutzung Berechtigten nicht verlangen, auch wenn dieser ihm den Besitz im Wege der verbotenen Eigenmacht entzogen hat; denn in einem solchen Fall sei der Besitzer verpflichtet gewesen, die Nutzungen zu unterlassen und dem Berechtigten die Nutzungsmöglichkeit einzuräumen339. Dasselbe muss für die Versagung eines Rechts auf Gewinn gelten. Der Ersatz eines entgangenen Gewinns und die die Ersatzfähigkeit implizierende Zuweisung eines Rechts auf Gewinn würden ebenfalls der Rechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung widersprechen, wenn das Recht auf Gewinn bereits einem anderen zugewiesen ist. Nach Ansicht von Stürner340 kann ein entgangener Gewinn, der unter Verletzung privater Rechte Dritter hätte erzielt werden können, „liquidiert“ werden, falls die Rechtsinhaber die Rechtsverletzung hingenommen hätten. Dem ist insofern zuzustimmen, als bei einer entsprechenden Erlaubnis oder Genehmigung des Dritten bereits keine Rechtsverletzung (mehr) vorgelegen hätte, sondern der Anspruchsteller sein eigenes, vom Dritten auf ihn übertragenes Recht auf Gewinn realisiert hätte. Ein Recht auf Gewinn und folglich ein Ersatzanspruch müssen aber versagt werden, wenn der Dritte eine entsprechende Erlaubnis oder Genehmigung nicht erteilt hätte. Das Recht auf Gewinn ist dann weiterhin dem Dritten und nicht dem Verletzten zugewiesen. Gewährte man dem Verletzten einen Ersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns, würde man ihm vermögensmäßig einen Gewinn zuweisen, auf den er zuvor kein Recht hatte, weil das Recht einem anderen zugewiesen war. 337 Sehr streitig ist dagegen, ob der Berechtigte den Gewinn beim Nichtberechtigten abschöpfen kann. Zur Bereicherungshaftung des Mieters bei unbefugter Untervermietung aus § 812 I 1 Var. 2 BGB Gebauer, Jura 1998, 128 ff. m. w. N. 338 BGHZ 73, 355, 362. 339 BGHZ 73, 355, 362. Das ist allerdings insofern nicht ganz zutreffend, als der gutgläubige unberechtigte Besitzer die Nutzung behalten darf. 340 Stürner, VersR 1976, 1012, 1014 f.
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Die aufgrund der schädigenden Handlung nicht erfolgte Rechtsverletzung durch den Anspruchsteller würde dann durch die Gewährung eines Ersatzanspruchs mittelbar entgegen der bestehenden Rechtszuweisung gebilligt werden. (2) Irrelevanz des relativen Rechts eines Dritten für die Zuweisung eines Rechts auf Gewinn an den Geschädigten Anders verhält es sich dagegen, wenn der Verletzte einen Gewinn geltend macht, den er nur unter Verletzung eines ihm gegenüber relativ zugewiesenen Rechts auf Gewinn eines Dritten hätte erzielen können. Das Reichsgericht341 hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem der eingeklagte entgangene Gewinn nur durch Vertragsbruch zu erzielen gewesen wäre. Dem Geschädigten wurde eine Ware nicht geliefert, zu deren Verkauf an einen Dritten er sich bereits weit unter dem Marktpreis verpflichtet hatte. Vom Schädiger, dem Verkäufer der Ware, verlangt er entgangenen Gewinn bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des Marktpreises. Das Reichsgericht qualifizierte den hypothetischen zweiten Vertrag zum Marktpreis wegen Vertragsbruchs als sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB und lehnte die Ersatzfähigkeit des nur unter Verletzung eines relativen Rechts des Vertragspartners erzielbaren Gewinns ab342. Folgt man der Ansicht des Reichsgerichts und hält den Abschluss des zweiten Vertrages für sittenwidrig, ist der entgangene Gewinn des Geschädigten nach den oben dargestellten Grundsätzen mangels eines Rechts auf Gewinn nicht ersatzfähig, weil der sittenwidrige Gewinn mit dem verbotswidrigen gleichzustellen ist343. Hält man aber den zweiten Vertrag wie die heute herrschende Rechtsprechung für nicht sittenwidrig344, so erhält man ein anderes Ergebnis: Ein relatives Recht ist dem Rechtsinhaber nur inter partes zugewiesen. Es wirkt nur gegenüber dem Vertragspartner und kann daher nur von diesem verletzt werden. Das relative Recht wirkt gerade nicht inter omnes, also nicht gegenüber dem RGZ 100, 112. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang mit dieser Reichsgerichtsentscheidung abweichend vertreten, dass relative Rechte Dritter den Schadensersatzanspruch nur berühren können, wenn sie auch geltend gemacht worden wären und damit den Gewinn beseitigt hätten; vgl. Stürner, VersR 1976, 1012, 1015; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 12; Lange / Schiemann, S. 351). Das ist insofern zutreffend, als der Gewinn in der geltend gemachten Höhe tatsächlich nur hätte erzielt werden können, wenn der Dritte seinen Schaden nicht geltend gemacht hätte. Hätte er ihn geltend gemacht, so berührt dies den Ersatzanspruch des Verletzten nicht. Dazu näher sogleich. 343 Oben b) (2). 344 Die Verletzung relativer Rechte ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht sittenwidrig; vgl. BGH NJW 1981, 2185; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 61. Zur Wirksamkeit eines mit einem abgeworbenen Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrags BAG NJW 1963, 125. 341 342
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
Schädiger. Vielmehr war im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem der Geschädigte nach wie vor Inhaber des Rechts auf Gewinn und wäre es auch bei einem doppelten Weiterverkauf der Ware gewesen. Der Schädiger konnte dem Verletzten also hinsichtlich eines Rechts auf Gewinn nicht entgegen halten, dass der Gewinn nur unter Verletzung von Rechten Dritter zu erzielen gewesen wäre345. Macht der Geschädigte gegenüber dem Schädiger einen Gewinn geltend, den er nur durch einen Vertragsbruch wie beispielsweise einen Doppelverkauf hätte erzielen können, so macht er einen rechtmäßigen Gewinn geltend346, da ihm im Verhältnis zum Schädiger ein entsprechendes Recht auf Gewinn zustand. Allerdings kann der Schädiger dem Geschädigten grundsätzlich entgegenhalten, dass kein Schaden entstanden ist, weil im Ergebnis kein Gewinn erzielt worden wäre wie z. B. im Falle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverstoßes: Macht ein Geschädigter einen entgangenen Gewinn gegen den Schädiger geltend, den er nur bei gleichzeitiger Verletzung eines vertraglich vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hätte erzielen können, so beeinträchtigt das Wettbewerbsverbot aufgrund seiner Relativität ein Recht auf Gewinn des Geschädigten nicht. Der Anspruchsteller hat einen Ersatzanspruch, wenn dem Anspruchsteller durch den Schädiger ein Recht auf Gewinn verletzt wurde und dadurch ein Schaden entstanden ist. Ein Schaden wird aber dann nicht vorliegen, wenn der Anspruchsteller bei tatsächlichem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot gar keinen Gewinn erzielt hätte. Dies ist dann der Fall, wenn der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot den Anspruchsteller zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hätte und diese auch geltend gemacht worden wäre. Der Ersatzanspruch des Dritten, die Vertragsstrafe, ist dann bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. In dem hier erörterten Reichsgerichtsfall verhält es sich jedoch anders: Dort sah sich zwar der Geschädigte seinerseits Schadensersatzansprüchen des Dritten, seines Vertragspartners, ausgesetzt. Der entscheidende Unterschied zum Beispielsfall des Wettbewerbsverbots ist jedoch, dass der Schadensersatzanspruch des Dritten im Reichsgerichtsfall deshalb entstand, weil der Geschädigte aufgrund der Nichterfüllung des Schädigers seinerseits den Leistungsanspruch des Dritten nicht erfüllen konnte. Diesem Ersatzanspruch sah sich der Geschädigte unabhängig von einem eventuellen Doppelverkauf aufgrund der Nichtlieferung durch den Schädiger ausgesetzt. Diese Ersatzansprüche berühren jedoch das Recht auf Gewinn des Geschädigten gegenüber dem Schädiger in keiner Weise negativ. Im Gegenteil: Ist 345 Schiemann (Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 12) gewährt daher zutreffend in solchen Fällen mit Hinweis auf die Relativität des Schuldverhältnisses einen Ersatzanspruch gemäß § 252 BGB. Er schließt sich der Ansicht Stürners (ders., VersR 1976, 1012, 1014) an, weil mit der Qualifizierung des Vertragsbruchs als sittenwidrig die Relativität des Schuldverhältnisses beseitegeschoben und ihm entgegen § 137 BGB eine absolute Wirkung beigelegt werde. 346 So im Ergebnis auch Staudinger-Medicus, 12. Auflage 1983, § 252 Rn. 13; Stürner, VersR 1976, 1012, 1014; Staudinger-Schiemann, § 252 Rn. 12; a.A. Bydlinski, FS Deutsch, S. 63, 83; Stoll, Haftungsfolgen, S. 335 f.
B. Die für den Schadensersatzanspruch zu berücksichtigenden Rechte
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der geltend gemachte Ersatzanspruch des Dritten höher als der entgangene Gewinn des Geschädigten, kann sich dieser beim Schädiger in Höhe der Differenz schadlos halten bzw. von vornherein den an den Dritten zu leistenden Schadensersatz als seine Vermögenseinbuße geltend machen347. 5. Die Einordnung der Schutzzwecklehre in das dargestellte Lösungskonzept zum Recht auf Gewinn am Beispiel von BGH JZ 1969, 702 ff. Mangels eines Rechts auf Gewinn war auch im Fall BGH JZ 1969, 702 ff. ein Recht des Verletzten auf Gewinn und damit die Ersatzfähigkeit seines Verdienstausfalls gemäß § 842 BGB abzulehnen. Der Verletzte war vom Schädiger am Kopf verletzt worden. Während der Behandlung dieser Verletzung war beim Geschädigten eine bis dahin unbekannte Hirngefäßsklerose entdeckt worden, die zur zwingenden vorzeitigen Pensionierung wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß § 26 BRRG führte. Die Beförderung des Verletzten war zum Zeitpunkt des Unfalls fest vorgesehen und erfolgte aufgrund der dauernden Dienstunfähigkeit nicht. Er forderte von dem Schädiger unter anderem den Unterschiedsbetrag zwischen Ruhegehalt und dem Gehalt, das er nach der unterbliebenen Beförderung erhalten hätte. Er macht also den Ersatz eines entgangenen Gewinns i. S. d. § 842 BGB geltend. Wäre er nicht vom Schädiger am Kopf verletzt worden, wäre die Krankheit zunächst nicht entdeckt worden. Er hätte weiter gearbeitet, wäre befördert worden und hätte dafür die entsprechenden Bezüge erhalten, also durch Einsatz seiner Arbeitskraft einen Gewinn erzielt. Das Berufungsgericht nahm an, der Beklagte sei dafür verantwortlich, dass die mit dem Unfall nicht zusammenhängende Hirnarteriosklerose infolge des Unfalls früher entdeckt wurde, als es sonst der Fall gewesen wäre348. Es sprach dem Kläger daher einen entsprechenden Ersatzanspruch zu. Der BGH folgte dem nicht. Er begründete die Versagung des Ersatzanspruchs mit dem Argument, der Schaden, den der Verletzte durch die frühere Pensionierung erleidet, liege nicht im Schutzbereich des § 823 I BGB. Er stellte fest, dass zwar der adäquate Kausalzusammenhang durchaus bestehe, da es nicht außerhalb der Erfahrung liege, dass eine Hirnverletzung, wie sie der Kläger bei dem Unfall erlitten habe, zu ärztlichen Untersuchungen und dazu führe, dass die Voraussetzungen für eine Pensionierung des Verletzten früher entdeckt werden, als es sonst der Fall gewesen wäre. Der BGH lehnte die Ersatzpflicht des Beklagten jedoch ab, da der geltend gemachte Schaden nicht in den Schutzbereich der Norm falle349. Grundsätzlich seien zwar vom 347 In der zitierten Reichsgerichtsentscheidung war der rechtskräftige Ersatzanspruch des Dritten allerdings sehr viel niedriger als der vom Geschädigten geltend gemachte Ersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns (RGZ 100, 112, 113). 348 Vgl. BGH JZ 1969, 702, 703. 349 BGH JZ 1969, 702, 704.
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2. Teil: Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
„Schutzbereich“ des § 823 I BGB nicht nur die Heilungskosten, sondern auch der Verdienstausfall erfasst, den der Verletzte erleidet, weil er wegen der Unfallverletzung nicht in der Lage ist, seinem Beruf oder Erwerb nachzugehen350. Anders verhalte sich es aber im Falle des Schadens, dessen Ersatz der Kläger begehrt, weil das Verbot der Körperverletzung nicht davor schützen solle, dass bis dahin verborgen gebliebene Erkrankungen entdeckt werden und dann zur Pensionierung führen und insoweit keine Gefahren verwirklicht seien, die das Gesetz habe verhüten wollen351. Im Ergebnis ist der Entscheidung des BGH zu folgen. Offen bleibt aber in der Urteilsbegründung die alles entscheidende Frage, wie zu ermitteln ist, welche Schäden das Gesetz mit der Norm, welche an die Körperverletzung die Ersatzpflicht knüpft, hat verhüten wollen, woraus sich also der Schutzzweck der Norm ergibt. Damit erscheint die Versagung des Ersatzanspruches willkürlich. Der Schutzzweck einer Schadensersatznorm ergibt sich nach den oben dargestellten Grundsätzen aus dem Inhalt des zugewiesenen Rechts, für dessen Verletzung Ersatz gewährt werden soll352. Schutzzweck einer Schadensersatznorm ist das subjektive Recht. Ein entsprechendes subjektives Recht des Geschädigten, welches vom Schädiger verletzt werden konnte, bestand nicht, weil das Handeln des Schädigers nicht kausal für die bereits vor dem Unfall bestehende Dienstunfähigkeit und den daraus resultierenden Verdienstausfall war. Die Weiterbeschäftigung des Geschädigten war im Hinblick auf seine Krankheit bereits vor dem Unfall unzulässig. Es bestand somit kein dem Geschädigten zugewiesenes Recht auf Gewinn in Form seiner weiteren Bezüge sowohl mit als auch ohne Beförderung. Der entgangene Verdienst wäre nur auf rechtswidrige Weise, nämlich durch Beschäftung trotz Dienstunfähigkeit und damit entgegen der Vorschriften über die zwingende vorzeitige Pensionierung, zu erwerben gewesen353. Stellt man also darauf ab, ob dem Geschädigten ein ihm zugewiesenes Recht auf Gewinn durch Einsatz seiner Arbeitskraft zustand, ist der Fall angesichts der gesetzlichen Unzulässigkeit einer Weiterbeschäftigung eindeutig zu lösen. Mit dieser Argumentation verliert die Entscheidung des BGH ihren willkürlichen Charakter.
350 351 352 353
BGH JZ 1969, 702, 704. BGH JZ 1969, 702, 704. Oben A. III. 2. b). Vgl. auch Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 231.
3. Teil
Die Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien Voraussetzung für einen Ersatzanspruch wegen entgangener Erbschaft wie im Testamentsfall ist also nach den dargestellten Prinzipien die Verletzung eines Rechts an der Erbschaft oder auf die Erbschaft im Sinne eines Rechts auf Gewinn. Dieser Ansicht ist im Ergebnis auch Zimmermann1, nach dessen Ausführungen am Bestehen eines Schadens zwar „unter Zugrundelegung der Differenzhypothese kaum ein Zweifel möglich“ ist, aber ein Ersatzanspruch daran scheitert, dass „keine Rechtsposition zerstört, sondern lediglich eine Hoffnung enttäuscht worden“ ist2. Es ist deshalb im Folgenden zu untersuchen, ob der enttäuschten Erbin im Testamentsfall vor dem Erbfall ein entsprechendes Recht an der Erbschaft oder auf die Erbschaft zugewiesen war, das der Rechtsanwalt durch die Nichterrichtung des Testaments verletzen konnte oder ob sie lediglich eine (ungeschützte) Hoffnung auf Erwerb der Erbschaft hatte. Zunächst wird im Grundsatz erörtert, ob einem künftigen Erben überhaupt vor dem Erbfall ein sonstiges, nicht relativ zugewiesenes, Recht an der Erbschaft oder ein Recht auf Gewinn zustehen kann. Anschließend wird untersucht, ob aufgrund der Besonderheiten im Testamentsfall ein relatives Recht der Tochter des Erblassers bestand.
A. Kein sonstiges Recht eines intendierten Erben vor dem Erbfall an der Erbschaft oder auf Gewinn Wie sogleich näher deutlich zu machen ist, steht einem Erben in spe nach heute unbestrittener Auffassung vor dem Eintritt des Erbfalls nach römisch-rechtlichem Vorbild keine in irgendeiner Weise rechtlich verfasste und damit geschützte Stellung zu3. Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 100. Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101; ders., ZEuP 4 (1996), 672; so auch Kegel, FS Flume, S. 545, 548 und 554; Ziegltrum, S. 200 ff. („Reflexwirkung“) und Siegrist, S. 106 („Reflexschaden“); Keitel, Rechtsgrundlage und systematische Stellung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, S. 157; Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1925. 1 2
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
I. Gesetzliche Zuweisung des Nachlasses an den Erblasser bis zum Erbfall Ob einem künftigen Erben bereits vor dem Erbfall ein Recht auf die Erbschaft zusteht, stellt eine rechtspolitische Grundsatzfrage dar, die seit Jahrtausenden von den jeweiligen Rechtssystemen zu beantworten ist, dabei aber immer auch schon unterschiedlich beantwortet wurde. Die Antwort richtet sich nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Eigentums- und Vermögensordnung unter Lebenden und nach der des Erbrechts: Die Voraussetzungen eines subjektiven Rechts eines künftigen Erben vor dem Erbfall sind kumulativ eine sichere Erbenstellung und eine eingeschränkte Verfügungsbefugnis des Erblassers über die Nachlassgegenstände gegenüber dem Erben. Die Entwicklung des deutschen Rechts zeigt, dass diese beiden Voraussetzungen auf manchen Gebieten teilweise bis zum Inkrafttreten des BGB gegeben waren und dem Erben bei Lebzeiten des Erblassers aufgrund des die Verfügungsfreiheit einschränkenden Familienguts und des zwingenden Familienerbrechts ein sogenanntes Warterecht, ein dingliches Recht des Erben an den Nachlassgegenständen verschafften. Im römischen Recht hingegen wurde bereits sehr früh einzelnen Familienmitgliedern unbeschränkte Verfügungsfreiheit sowie Testierfreiheit eingeräumt und damit ein solches Warterecht vor dem Erbfall ausgeschlossen4. Seit dem Ende des Mittelalters ist das rezipierte römische Recht nach und nach für die Regelung des Verhältnisses von Familienerbfolge zur Testierfreiheit eingedrungen, ohne jedoch in allen Punkten das bisherige Recht völlig zu verdrängen. Im 19. Jahrhundert setzte sich langsam der Gedanke des freiverfügbaren Individualeigentums durch und beseitigte immer mehr die Reste des früheren Familieneigentums mit der beschränkten Verfügungsbefugnis5. Die wirtschaftlichen Güter gehörten bald nicht mehr einem größeren oder kleineren Familienverbande, sondern wurden in selbständige und frei verfügbare Einzelgüter der Familienmitglieder zerteilt, zwischen denen nur noch schuldrechtliche Ansprüche auf Teilnahme am Vermögensgenuss in der Form von Unterhalts-, Beitrags- und Aussteueransprüchen bestehen konnten, aber abgesehen von Sonderrechtsgebieten6 keine die 3 Dazu eingehend Eckebrecht, Die Rechtsstellung des erbrechtlichen Anwärters vor und nach dem Erbfall, passim. 4 Mit dem unbeschränkten Einzelverfügungsrecht des pater familias konnte im römischen Recht vor dem Erbfall trotz Familienerbrecht kein Recht des Erben an dem Nachlass des pater familias oder anderer Familienmitglieder bestehen. Zum römischen Erbrecht Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 399 ff.; Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 32 ff., 48 ff., 77 ff., 100 ff. 5 Staudinger-Boehmer, 11. Auflage 1954, Einl. Erbrecht § 19 Rn. 5. 6 Auf Sonderrechtsgebieten blieb der Gedanke des Familieneigentums bis zum Inkrafttreten des BGB erhalten und beschränkte die Verfügungsbefugnis sowohl unter Lebenden wie von Todes wegen wie besonders im Fideikommiss, Heimstätten- und Anerbenrecht. Der kleinste Personenkreis des Familienverbandes, die Ehe, beruhte noch bis 1900 in großen Teilen Deutschlands auf dem Grundsatz gemeinschaftlichen Eigentums, sei es an
A. Kein sonstges Recht eines Erben vor dem Erbfall an der Erbschaft
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Verfügungsbefugnis beschränkende dingliche Gemeinschaft mehr7. Durch die unbeschränkte Verfügungsbefugnis konnte bereits vor Inkrafttreten des BGB außerhalb der Sonderrechtsgebiete kein Warterecht des künftigen Erben vor dem Erbfall mehr bestehen.
1. Kein Recht an der Erbschaft vor dem Erbfall Mit Inkrafttreten des BGB konnte auch auf diesen Sonderrechtsgebieten kein Warterecht mehr existieren8: Nach dem BGB kann der Erblasser frei und in der Regel widerruflich von Todes wegen letztwillig verfügen. Der Erblasser kann außerdem selbst nach Abschluss eines Erbvertrages noch unter Lebenden über sein Vermögen verfügen. Nach heutiger Rechtslage gibt es daher aufgrund der uneingeschränkten Verfügungsfreiheit unter Lebenden und des Prinzips der Testierfreiheit (§ 1937 BGB) keinerlei Zweifel daran, dass dem Erben in spe kein wie auch immer geartetes gesetzliches Recht auf die Erbschaft in irgendeiner Beziehung zusteht. Es besteht keinerlei dingliches Recht des Erben mehr an den Nachlassgegenständen vor Eintritt des Erbfalls. Ein intendierter Erbe hat vor dem Erbfall weder ein (Anwartschafts-)Recht an der Erbschaft noch ein Recht auf Gewinn.
allen, sei es an den beweglichen oder jedenfalls den in der Ehe errungenen Gütern der Ehegatten. 7 Staudinger-Boehmer, 11. Auflage 1954, Einl. Erbrecht § 19 Rn. 5. 8 Seit Inkrafttreten des BGB sind für den gesetzlichen Güterstand auch die Familiengutsgemeinschaft aufgehoben sowie alle anderen Ausnahmen beseitigt, so dass seitdem auf keinem Rechtsgebiet mehr ein Warterecht oder ein sonst irgendwie geartetes gesetzliches Recht eines Erben vor dem (ersten) Erbfall entstehen kann. Lediglich das Nutzungsverwaltungsrecht des Ehemannes bedeutete zwar immer noch eine weitgehende dingliche Verfügungsbeschränkung der Ehefrau über ihr eingebrachtes Gut im Interesse der Erhaltung der Vermögenssubstanz und der Verwendung der Einkünfte für die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Ehe und den Unterhalt der Kinder. Mit der Abschaffung des Nutzungsverwaltungsrechts im Jahre 1953 verschwand auch der Rest der früheren „ehelichen Gesellschaft“ aus dem liberalen BGB. Zum Nutzungsverwaltungsrecht Boehmer, Die Vermögensverfassung des deutschen Hauses, S. 83 ff. Die Ehegatten haben aber nach wie vor die Möglichkeit, als vertraglichen Güterstand durch Ehevertrag eine Gütergemeinschaft i. S. d. §§ 1415 ff. BGB zu vereinbaren. Das Anerbenrecht gilt als Teil der Höfeordnung in manchen Bundesländern heute noch für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Das Anerbenrecht durchbricht die Universalsukzession im Interesse der Erhaltung der Einheit des Hofes und seines Zubehörs zugunsten einer Sondererbfolge eines der Miterben. Der Hof fällt demnach kraft Gesetzes nur dem sogenannten Hoferben zu, während die übrigen Miterben gegen diesen nur einen Ausgleichs(Abfindungs)anspruch in Geld haben. Ein Warterecht des Erben besteht jedoch nicht mehr. Zum heutigen Anerbenrecht siehe etwa Leipold, Erbrecht, § 1 Rn. 7, § 10 Rn. 281, § 15 Rn. 501; Staudinger-Marotzke, § 1922 Rn. 224; Staudinger-Werner, 12. Auflage 1989, Vor §§ 1924 Rn. 4. Eine dem höferechtlichen Anerbenrecht vergleichbare Sondererbfolge war bis zur Aufhebung des RHeimstG durch Gesetz vom 17. 06. 1993 auch in bezug auf Heimstätten vorgesehen; vgl. Staudinger-Werner, 13. Auflage 1996, Vor §§ 2032 Rn. 23.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
a) Das Prinzip der Testierfreiheit Das BGB folgt wie erwähnt im Grundsatz dem römischen Recht: Ausgangspunkt ist das Prinzip der Testierfreiheit (vgl. § 1937 BGB), das eine spezifische Erscheinungsform der Privatautonomie auf erbrechtlichem Gebiet darstellt. Der Erblasser kann also im Grundsatz frei über sein Vermögen verfügen. Er kann dies jedoch nur in den vom Gesetz vorgesehenen Formen tun, nämlich im Wege des Testaments oder des Erbvertrages. Ihre Schranken findet die Testierfreiheit vor allem im Pflichtteilsrecht: wenn der Erblasser andere Personen als seine unmittelbaren Angehörigen als Erben eingesetzt hat, können letztere den Pflichtteil verlangen (§§ 2303 ff. BGB), der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Hat der Erblasser nicht oder nicht wirksam testiert, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit, insbesondere das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte (§ 138 I BGB)9. b) Keine Rechtswirkungen des Erbrechts vor dem Erbfall Im Wege der Universalsukzession geht die Erbschaft als Ganzes erst mit dem Erbfall auf die Erben über (§ 1922 I BGB). Die Rechtswirkungen des Erbrechts nach dem BGB treten daher erst mit dem Tod des Erblassers ein. Zu Lebzeiten des Erblassers begründen nach ganz unbestrittener Auffassung in der Rechtspraxis weder die gesetzliche Erbfolge noch eine Verfügung von Todes wegen eine Verpflichtung oder Verfügungswirkung10. Verfügungen von Todes wegen unterscheiden sich dadurch von allen Willenserklärungen und Rechtsgeschäften unter Lebenden. Aufgrund dieser fehlenden Rechtswirkung vor dem Erbfall nach § 1922 BGB besteht nach heute geltendem Erbrecht auch keine rechtlich geschützte Anwartschaft eines künftigen Erben oder Vermächtnisnehmers vor dem (ersten) Erbfall. Selbst vertragsmäßig getroffene Verfügungen begründen zu Lebzeiten des Erblassers keine rechtlich gesicherte Anwartschaft des künftigen Erben oder Vermächtnisnehmers, sondern nur eine tatsächliche Aussicht11. Die Rechtsprechung lehnt 9 Ein Verstoß gegen dieses Verbot führt aber nicht zu einem Rückgewähranspruch des Erben vor dem Erbfall: Da das BGB ein schon bei Lebzeiten des Erblassers geschütztes Warterecht des Erben nicht mehr kennt, steht diesem aus eigenem Recht kein Anspruch zu. Dem Erblasser selbst aber schneidet regelmäßig § 817 S. 2 BGB eine Rückforderung ab, so dass auch mittelbar als dessen Gesamtrechtsnachfolger die Erben keinen Rückgewähranspruch erlangen. Ein Anspruch des Erben besteht selbst dann nicht, wenn wie im Falle von RGZ 111, 151 sich die unsittliche Verfügung (Schenkung des Ehemanns an seine Geliebte) gegen den Erben selbst, die Ehefrau des Erblassers, richtete. Auch wenn der Erbe selbst der Benachteiligte ist, so kann er trotzdem aus der beeinträchtigenden Verfügung mit Hilfe von § 817 S. 2 BGB nicht mehr Rechte herleiten als zuvor der Erblasser (vgl. Staudinger-Boehmer, 11. Auflage 1954, Einl. Erbrecht § 20 Rn. 1; zu RGZ 111, 151 eingehend unten Teil 4 D.). Zu Ansprüchen aus § 826 BGB vgl. Staudinger-Boehmer, a. a. O., § 20 Rn. 2 und eingehend unten Teil 4 D. 10 Vgl. etwa Lange / Kuchinke, § 17 I 1 (S. 340); MK-Leipold, § 1922 Rn. 111 ff.
A. Kein sonstges Recht eines Erben vor dem Erbfall an der Erbschaft
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ausdrücklich ein Anwartschaftsrecht des künftigen gesetzlichen Erben12 und des künftigen Vertragsvermächtnisnehmers13 ab. Beim Schlusserben tendiert der BGH zur Gewährung eines (allerdings nicht übertragbaren) Anwartschaftsrechts nach dem ersten Erbfall14. Vor dem Erbfall hat auch der Nacherbe kein Anwartschaftsrecht, sondern erst mit dem Tod des Erblassers. Erbe wird der Nacherbe jedoch noch nicht mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit Eintritt des Nacherbfalls. Er hat aber mit dem Tod des Erblassers bereits eine so sichere Aussicht auf die Erbschaft, dass die ganz h. M. ihm ein Anwartschaftsrecht zubilligt, über das schon vor dem Nacherbfall verfügt werden kann15. Eine künftige Erbschaft befindet sich also vor dem Erbfall noch in keiner Weise im Vermögen des intendierten Erben. Der zukünftige Erbe hat lediglich eine tatsächliche Erwerbsaussicht, eine „nuda spes“16, deren Verwirklichung ne11 Vgl. Motive V, S. 332 f. Danach sind die „Rechte des Vertragserben aus der Erbeinsetzung“, wenn er den Erblasser nicht überlebt, nicht vererblich. Damit ist die Erwerbsaussicht auch nicht gesichert. 12 Vgl. etwa BGH NJW 1996, 1063. 13 Zum Vertragsvermächtnisnehmer BGHZ 12, 115, 118; BGH JZ 1954, 436 mit Anm. Coing = BGH NotZ 1954, 264, mit Anm. Hieber. Gegen eine rechtlich gesicherte Anwartschaft des erbvertraglich bedachten Vermächtnisnehmers auch Palandt-Edenhofer, § 1922 Rn. 3, § 1937 Rn. 8; Staudinger-Marotzke, § 1922 Rn. 228. Zur Anwartschaft des Vertragserben ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Ein Anwartschaftsrecht des Vertragserben bejahen: Knieper, DNotZ 1968, 331, 334; Mattern, BWNotZ 1962, 229, 234, sofern der Bedachte selbst Vertragspartei ist; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 8, wenn eine Vertragspartei verstorben ist; v. Lübtow, Erbrecht Bd. 2, S. 627 lehnt zwar ein Anwartschaftsrecht ab, bejaht indessen eine rechtlich gesicherte Anwartschaft. Gegen ein Anwartschaftsrecht des Vertragserben: Staudinger-Kanzleiter, Vor § 2274 Rn. 5; MK-Musielak, § 2286 Rn. 3; Soergel-Wolf, § 2286 Rn. 2 (Anwartschaft, kein Anwartschaftsrecht); RGRKKregel, Vor § 2274 Rn. 5; AK-Finger, § 2286 Rn. 4; Erman-Schmidt, § 2286 Rn. 3; PalandtEdenhofer, Vor § 2274 Rn. 6; Dittmann / Reimann / Bengel, Testament und Erbvertrag, Vor § 2274 Rn. 4; Lange / Kuchinke, § 25 V 12 a) (S. 499 f.); Schlüter, Erbrecht, Rn. 262; Brox, Erbrecht, Rn. 145; Heinrich Lange, NJW 1963, 1571, 1573. 14 BGHZ 37, 319; OLG Düsseldorf NJW 1957, 266; KG OLGE 21, 362. Gegen ein Anwartschaftsrecht des Schlusserben Schlüter, Erbrecht, Rn. 372; v. Lübtow, Erbrecht Bd. 2, S. 622; RGRK-Johannsen, § 2269 Rn. 23; Erman-Schmidt, § 2269 Rn. 1; Staudinger-Kanzleiter, § 2269 Rn. 14. Einigkeit besteht darüber, dass die Rechtsstellung des Schlusserben vor dem zweiten Erbfall nicht übertragbar, nicht belastbar und nicht vererblich ist, vgl. BGHZ 37, 319, 321 = LM zu Nr. 13 § 2271 m. Anm. Mattern. 15 RGZ 101, 185; RGZ 170, 163, 168; BGHZ 87, 367, 369; BayObLG FamRZ 1992, 728, 729; Lange / Kuchinke, § 28 VII (S. 608 ff.); v. Lübtow, Erbrecht Bd. 2, S. 631 f.; Kipp / Coing, § 50 I 3; Schlüter, Erbrecht, Rn. 782; Brox, Erbrecht, Rn. 358; Leipold, Erbrecht, § 19 Rn. 683; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 601; Staudinger-Avenarius, § 2100 Rn. 53; RGRK-Johannsen, § 2100 Rn. 11; Soergel-Harder / Wegmann, § 2100 Rn. 13; Palandt-Edenhofer, § 2100 Rn. 10 f.; Erman-Schmidt, § 2100 Rn. 10. 16 Vgl. Palandt-Edenhofer, § 1922 Rn. 3, § 1937 Rn. 6; Staudinger-Marotzke, § 1922 Rn. 228; zum Testamentserben und gesetzlichen Erben BGH NJW 1996, 1063; zum Schlusserben BGHZ 1, 343 und BGHZ 37, 319; keine rechtlich gesicherte Anwartschaft des erbvertraglich bedachten Vermächtnisnehmers nach BGHZ 12, 115 ff.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
ben der Erbfähigkeit des Erben vom Willen des Erblassers abhängt. Die Erwerbsaussicht kann jederzeit vom Erblasser zerstört werden, indem er von der gesetzlichen Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen abweicht oder eine getroffene Erbeinsetzung widerruft17 sowie indem er über sein Vermögen unter Lebenden verfügt18. Auch die Motive stellen klar, dass „der Erblasser, welcher pflichtwidrig über seinen Gesammtnachlaß verfügt“, nicht in eine „fremde Rechtssphäre“ eingreift19. Das muss erst recht gelten, wenn wie im Testamentsfall das Testament, aus welchem sich die Alleinerbenstellung des enttäuschten Erben abgeleitet hätte, noch nicht einmal errichtet ist. Bis zum Erbfall gehört der spätere Nachlass ausschließlich dem Erblasser, der über sein Vermögen frei unter Lebenden verfügen kann. Der künftige Erbe hat gegenüber dem Erblasser keinerlei Rechte an dem Nachlass oder auf Erhalt des Nachlasses. c) Die Freiheit des erbvertraglich gebundenen Erblassers, unter Lebenden zu verfügen (§ 2286 BGB) Selbst bei bestehendem Erbvertrag kann der Erblasser frei über sein Vermögen verfügen (§ 2286 BGB). Daher hat auch der Vertragserbe kein Recht an den Nachlassgegenständen. Gegen Schenkungen des Erblassers, die den Vertragserben beeinträchtigen, kann sich dieser nur bei absichtlicher Beeinträchtigung durch den Erblasser gemäß § 2287 BGB wenden20 und das Geschenk nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung vom Beschenkten nach dem Erbfall herausverlangen. Entsprechendes bestimmt § 2288 II BGB zugunsten 17 Zu weiteren „Unsicherheitsfaktoren“ siehe im Überblick Staudinger-Marotzke, § 1922 Rn. 11 ff. 18 Aufgrund der uneingeschränkten Verfügungsfreiheit des Erblassers unter Lebenden existiert auch hinsichtlich eines künftigen Pflichtteils kein Recht am Nachlass. Zwar begründet das Pflichtteilsrecht ein Rechtsverhältnis, das schon zu Lebzeiten des Erblassers besteht (vgl. z. B. §§ 311 b V, 2346 BGB). Vor dem Erbfall existiert aber noch keine rechtlich verfestigte Position, weder hinsichtlich der Höhe des Pflichtteils noch hinsichtlich der Pflichtteilsquote. Die Höhe des Pflichtteils richtet sich nach dem Wert des Nachlasses und nach der Pflichtteilsquote, für welche wiederum die Anzahl der gesetzlichen Erben im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich ist. Sowohl die Pflichtteilsquote als auch der Wert des Nachlasses stehen erst im Zeitpunkt des Erbfalls fest. Bis dahin können jederzeit Pflichtteilsberechtigte hinzukommen. Der Wert des Nachlasses kann sich durch die unbeschränkte Verfügungsfreiheit des Erblassers ändern, so dass der Nachlass eventuell beim Erbfall wertlos ist, obwohl sich darin kurz zuvor noch entsprechende Wertgegenstände befanden. 19 Motive V, S. 386. 20 Seit der Aufgabe der Rechtsprechung zur Testamentsaushöhlung (BGHZ 59, 343; dazu Dilcher, Jura 1988, 72; kritisch zur Testamentsaushöhlung etwa Spellenberg, FamRZ 1972, 349; Heinrich Lange, NJW 1963, 1571) erweiterte der BGH den Anwendungsbereich des § 2287 BGB auf das Fehlen eines „lebzeitigen Eigeninteresses“ (ständige Rechtsprechung); zuletzt BGHZ 83, 46; BGHZ 97, 188; BGHZ 116, 176; BGH NJW 1992, 2630; ferner OLG Koblenz OLGZ 91, 235; OLG Köln NJW-RR 1992, 200; OLG Köln ZEV 2000, 106.
A. Kein sonstges Recht eines Erben vor dem Erbfall an der Erbschaft
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des Vermächtnisnehmers. Beide Regeln gelten auch nach einem bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament21. Hätte der bindend eingesetzte Erbe oder Vermächtnisnehmer aber irgendein Recht an den Nachlassgegenständen, so müsste er jeden vom Erblasser verschenkten Gegenstand vom Beschenkten auch außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 2287, 2288 II BGB herausverlangen können, sofern er das Recht durch die Schenkung nicht verloren hat. Die §§ 2287 f., 2325 ff. BGB geben abschließend den Rahmen vor, in dem das Gesetz aus erbrechtlichen Gründen Einschränkungen der Freiheit des Erblassers zulässt, zu Lebzeiten zu verfügen, und die Ansprüche gegen den Erblasser selbst ausschließt. Der Erblasser hat gegenüber einem künftigen Erben keinerlei Pflichten, diesem den Nachlass zu erhalten. Er kann wie erwähnt frei über sein Vermögen verfügen22. Er kann folglich nicht durch die Verminderung seines Nachlasses und erst recht nicht durch die Nichterrichtung einer versprochenen Verfügung von Todes wegen einen ersatzfähigen Schaden beim zukünftigen Erben verursachen, weil es sich um das eigene Vermögen des Erblassers handelt23. Einen ersatzfähigen Schaden beim künftigen Erben kann daher vor dem Erbfall auch kein anderer verursachen.
2. Kein Recht auf Gewinn a) Kein Recht auf Gewinn aus einem absoluten Recht des künftigen Erben oder einem Schutzgesetz Nach den im zweiten Teil dargestellten Grundsätzen kann ein Recht auf Gewinn entweder Inhalt eines absoluten Rechts sein24 oder aus einem Schutzgesetz folgen25. Ein Recht auf Gewinn ist Inhalt eines absoluten Rechts, wenn der Erwerb des Gewinns aus der rechtmäßigen, rechtsgeschäftlichen Nutzung des absoluten Rechts (wie Eigentum oder Körper) folgen würde. Der Erwerb der Erbschaft folgt nicht aus einer Nutzung eines absoluten Rechts. Er resultiert aus dem Willen des ErblasBGHZ 59, 343, 348; BGHZ 82, 274, 276; BGH NJW 1983, 1487, 1488. Hat der Erblasser bereits bindend von Todes wegen verfügt, können entgegenstehende Verfügungen von Todes wegen allerdings unwirksam sein. 23 Daher gibt es seit Inkrafttreten des BGB immer wieder Versuche, erbrechtliche Erwerbsaussichten v. a. vor Verfügungen des Erblassers durch obligatorische Verfügungsbeschränkungen oder Verfügungsunterlassungsverträge zu sichern. Dazu jüngst Krebber, AcP 204 (2004), 149 ff. Zur Sicherung des erbvertraglich oder letztwillig bindend Bedachten durch Feststellungsurteil, Vormerkung und Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Kuchinke, FS Henckel, S. 475 ff. 24 Oben Teil 2 B. III. 1. 25 Oben Teil 2 B. III. 2. 21 22
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
sers, jemanden zu seinem Rechtsnachfolger einzusetzen, oder aus der gesetzlichen Erbfolge. Ein Erbschaftserwerb ist aber nicht die einklagbare Gegenleistung irgendeines Vermögens- oder Arbeitseinsatzes des Erben26. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich ein Erblasser nicht verpflichten kann, eine bestimmte Person zu seinem Erben einzusetzen (§ 2302 BGB). Eine Rechtszuweisung zugunsten eines künftigen Erben folgt auch nicht aus einem Schutzgesetz. Als Schutzgesetze mit rechtszuweisender Funktion kommen im Falle einer Erbeinsetzung mit Beteiligung von Beratern keine standesrechtlichen Normen in Betracht. Deren Auslegung ergibt, dass ihr Zweck nicht Zuweisung und Schutz von Rechtspositionen an Dritte ist, sondern die Garantie von qualitativ hochwertiger Arbeit und der Wahrung eines möglichst positiven Bildes beispielsweise der Rechtsanwälte oder Notare. Mit dem Standesrecht werden also nur Rechte und Pflichten der Berufsangehörigen untereinander und im Verhältnis zur jeweiligen Berufsstandschaft als solcher begründet, nicht dagegen Dritten gegenüber27. Standesrechtliche Normen haben keinen Schutzgesetzcharakter gegenüber Mandanten28. b) Die fehlende Einsatzentscheidung Ein Gewinn i. S. d. § 252 BGB setzt sowohl sprachlich wie auch rechtlich den Einsatz von Arbeitskraft bzw. die Investition von Vermögen voraus29 und resultiert aus einem Rechtsgeschäft, in dem Vermögen oder Arbeitskraft investiert wurde. Für die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns ist erforderlich, dass der Anspruchsteller vor der Schädigung eine Entscheidung getroffen hat, sein Vermögen oder seine Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen. Ohne eine entsprechende Einsatzentscheidung fehlt es hinsichtlich eines Ersatzanspruches bereits an dem Kausalzusammenhang der Handlung des Anspruchsgegners und dem Entgang eines Gewinns. 26 Zwar kann im Einzelfall die Erbeinsetzung eine Gegenleistung beispielsweise für die häusliche Pflege des Erblassers darstellen. Häufig ist eine solche Vereinbarung Gegenstand eines Erbvertrags. Erfolgt die Pflege aufgrund einer solchen Vereinbarung mit dem Erblasser und schlägt die Erbeinsetzung aus welchem Grunde auch immer fehl (beispielsweise durch Widerruf), so hat ein enttäuschter Erbe oder Vermächtnisnehmer lediglich Bereicherungsansprüche gegen die Erben des Erblassers, vgl. Heinrich Lange, NJW 1963, 1571 ff. Hat der enttäuschte Erbe auf Grund böswilliger Zusagen des Erblassers hinsichtlich eines Erbschaftserwerbs selbstschädigend über sein Vermögen verfügt, so hat der enttäuschte Erbe einen Ersatzanspruch aus § 826 BGB, vgl. Heinrich Lange, a. a. O., S. 1577; dazu eingehend Teil 4 D. Dann wird aber nicht eine bloß tatsächliche Erwerbsaussicht ersetzt, sondern ein konkretes Minus im Vermögen des (enttäuschten) Erben oder Vermächtnisnehmers. 27 So auch BGH NJW 1981, 2007 für die Parallelproblematik bei Ärzten; zum Schutzgesetzcharakter standesrechtlicher Normen bei Rechtsanwälten Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 93 ff. 28 Vgl. Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 97; Taupitz, MDR 1989, 385, 386; K. Huber, FS v. Caemmerer, S. 359, 367. 29 Vgl. Halfpap, Der entgangene Gewinn, S. 72 ff. m. w. N. und oben Teil 2 B. II.
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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In Fällen entgangener Erbschaft mangelt es an dieser erforderlichen Entscheidung für eine Vermögensinvestition oder einen Arbeitseinsatz. Eine entsprechende Einsatzentscheidung ist aus den bereits genannten Gründen auch nicht denkbar, weil der Erbschaftserwerb nicht die Folge eines Rechtsgeschäfts des künftigen Erben ist, sondern von der widerruflichen Verfügung von Todes wegen des Erblassers und damit von dessen Willen bzw. von der gesetzlichen Erbfolge abhängt. Der Erwerb einer Erbschaft kann im Gegensatz zum Erwerb eines rechtsgeschäftlichen Gewinns gerade nicht vom Erben durch Abschluss eines verbindlichen und unwiderruflichen Rechtsgeschäfts beeinflusst werden. Der Erwerb einer Erbschaft stellt daher mangels Einsatzentscheidung des Erben keinen Gewinn im Sinne des § 252 BGB dar.
II. Ergebnis Der enttäuschten Erbin war vor dem Erbfall kein Recht hinsichtlich des Nachlasses zugewiesen: Die Testierfreiheit und die Möglichkeit des Erblassers über sein Vermögen unter Lebenden zu verfügen versagen diesbezüglich jegliche Zuweisung eines Rechts an den Nachlassgegenständen vor dem Erbfall an den Erben30. Auch ein Recht auf Gewinn kommt bezüglich einer künftigen Erbschaft nicht in Betracht, weil der Erwerb einer Erbschaft bereits keinen Gewinn i. S. d. § 252 BGB darstellt. Es fehlt an einer entsprechenden Einsatzentscheidung des künftigen Erben31.
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft gegenüber dem Rechtsanwalt im Testamentsfall Da vor dem Erbfall einem Erben kein Recht an der künftigen Erbschaft zugewiesen ist, versuchen manche Autoren im Testamentsfall über die Begründung eines relativen Rechts durch Rechtsgeschäft unter Lebenden einen Anspruch der enttäuschten Erbin herzuleiten32. Zwischen dem Erblasser und dem Rechtsanwalt ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 I BGB geschlossen worden. Gegenstand dieses Geschäftsbesorgungsvertrages war es, den Erblasser erbrechtlich zu beraten. Der Erblasser wollte seine Tochter als Alleinerbin einsetzen. Das Ziel der Beratung 30 31 32
Oben I. 1. Oben I. 2. Dazu oben Teil 1 B. II. 2. b).
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
war daher, dem Erblasser zur Gültigkeit seines auf die Begünstigung der Tochter gerichteten letzten Willens zu verhelfen. Da der Erblasser kein eigenhändiges, sondern ein notarielles Testament errichten wollte, war von dem Beratungsvertrag auch die Veranlassung der Beurkundung des vom Erblasser geäußerten letzten Willens zugunsten der Klägerin umfasst. Der Beklagte versprach dem Erblasser ausdrücklich, bald mit einem Notar zur Beurkundung des Testaments wiederzukommen. Da er dies nicht tat, verletzte er jedenfalls gegenüber dem Erblasser seine Leistungspflicht aus dem Beratungsvertrag. Diese Leistungspflichtverletzung war auch kausal für den Nichterwerb der gesamten Erbschaft durch die enttäuschte Erbin.
I. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft aus einem eventuellen eigenen Anspruch auf Beratung des Erblassers Nach den dargestellten Prinzipien kann es aber für einen Ersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt in Höhe der „entgangenen“ Erbschaft im Testamentsfall nicht alleine auf die schuldhafte Leistungspflichtverletzung gegenüber dem Erblasser und deren Kausalität für den „Entgang“ der Erbschaft ankommen33. Vielmehr ist danach entscheidend, ob das Recht, aus dem die Leistungspflicht des Anwalts resultierte, gerade (auch) der enttäuschten Erbin zugewiesen war und die Leistungspflicht damit ein ihr relativ zugewiesenes Recht an der Erbschaft schützen sollte. Ein Ersatzanspruch gegen den Anwalt in Höhe der „entgangenen“ Erbschaft als positives Interesse kommt also nur in Betracht, wenn die enttäuschte Erbin im Verhältnis zum Rechtsanwalt vor dem Erbfall ein relatives Recht an der Erbschaft hatte.
1. Der Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen Erblasser und Rechtsanwalt Ein relatives Recht der enttäuschten Erbin gegenüber dem Rechtsanwalt kann im Testamentsfall aus dem Beratungsvertrag des Erblassers mit dem Anwalt resultieren, wenn es sich dabei entweder um einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 675 i. V. m. § 328 BGB)34 handelt oder die enttäuschte Erbin eine Mitgläubigerstellung (§§ 675, 432 BGB) einnimmt. Oben Teil 2 A. Der BGH lehnte einen Vertrag zugunsten Dritter mit der „vielsagenden“ Begründung ab, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, seine Leistungen der Klägerin zu erbringen. Nach Ansicht von W. Lorenz, JZ 1995, 317, 320 soll dabei die Vorstellung eine Rolle gespielt haben, dass eine Gläubigerstellung der Klägerin im Rahmen eines Anwaltsvertrages hier etwas Anstößiges haben könnte, weil es um die Errichtung eines Testaments ging, in wel33 34
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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a) Mögliche Gläubigerstellung der enttäuschten Erbin im Sinne von § 328 oder § 432 BGB Da der Erblasser dem Anwalt einen speziellen Testierwunsch mitteilte und seine Tochter als gewünschte Alleinerbin benannte, ist ein zweckgerichtetes Kontrahieren i. S. d. § 328 BGB, um der Tochter einen eigenen Anspruch auf die Leistung des Anwalts zu geben, nicht von vornherein ausgeschlossen35. Da die Beauftragung des Anwalts jedenfalls auch auf die Initiative der enttäuschten Erbin zurückzuführen ist, erscheint das Vorliegen einer Mit- oder Gesamtgläubigerstellung ebenfalls nicht von vornherein fernliegend36. Sie bat den Rechtsanwalt wegen des vom Erblasser geäußerten Wunsches, ein Testament zu errichten, ihren Vater aufzusuchen. Sie war es auch, die den Rechtsanwalt mit ihrem Wagen zum Erblasser brachte und ihn zusammen mit dem Vater bat, zur Beurkundung bald wiederzukommen. Als dies nicht geschah, erinnerte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann den Anwalt an seine Pflichten37. Eine Gläubigerstellung der enttäuschten Erbin ist auch nicht schon deshalb zu verneinen, weil sie als Alleinerbin in dem zu errichtenden Testament vorgesehen war und deshalb Interessenkollisionen drohten, wenn und weil sie als Vertragsgläubigerin dem Anwalt „Weisungen“ für die Vertragsdurchführung erteilen konnte: Da die geplante Errichtung eines Testaments, bei welcher der Rechtsanwalt beratend mitwirken sollte, chem die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt werden sollte. Auch Schlechtriem, FS Medicus, S. 529, 537 vertritt wie der BGH die Ansicht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Leistung des Rechtsanwaltes hatte. Trotzdem kommt er zum Ergebnis, es liege ein Vertrag zugunsten Dritter vor; dazu unten II. 35 Vgl. W. Lorenz, JZ 1995, 317, 320; für einen Vertrag zugunsten Dritter auch Berg, MDR 1969, 613, 616; ders., JuS 1977, 363; W. Lorenz, Karlsruher Forum 1983, S. 48, 49 Fn. 11; Schlechtriem / Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 775 („Unterfall des echten Vertrages zugunsten Dritter: Die Vertragsparteien kontrahieren zweckgerichtet, um bestimmte Rechtsgüter oder Interessen eines bestimmten Dritten zu schützen“; Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 173 f. („Schutzanspruch“ gemäß § 328 ff. BGB); Karampatzos, S. 126 ff. (Vereinbarung einer Schutzpflicht des Anwalts gegenüber der Tochter); zurückhaltend Bayer, JuS 1996, 473, 476; Middleton / Rogge, VersR 1994, 1027, 1032 f. („Anwaltsvertrag mit dem Ziel der Drittbegünstigung als Vertrag mit Schutzwirkung ,sui generis‘“); Philippsen, Zur Dritthaftung des privat beauftragten Gutachters, S. 48. 36 So auch Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1325 f. bezüglich einer Gesamtgläubigerschaft; auch nach Ansicht von W. Lorenz, JZ 1966, 143 liegt eine Gesamtgläubigerschaft mit dem Erblasser näher als eine Drittberechtigung, weil die Klägerin sogar Verhandlungen mit dem Beklagten führte. 37 Die Tatsache, dass die Rechnung für die anwaltliche Tätigkeit der enttäuschten Erbin zugesandt wurde, ist kein Anhaltspunkt für ihre Mitgläubigerstellung. Als Miterbin haftet sie nach § 1967 I BGB grundsätzlich für die Nachlassverbindlichkeiten, wozu nach § 1967 II BGB auch Erblasserschulden aus einem entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag gehören. Zwar geht aus dem Urteil nicht hervor, ob die Zusendung der Rechnung vor oder nach dem Erbfall geschah. Da die Beratung bis zum Erbfall nicht abgeschlossen war, spricht alles dafür, dass die Rechnung erst danach zugesandt wurde. Unterstellt man dies, kann die Adressatenstellung der enttäuschten Erbin kein Hinweis mehr auf eine mögliche Gläubigerstellung sein.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
ein höchstpersönliches Geschäft des Erblassers darstellt38, hätte selbst eine Mitgläubigerstellung der Tochter und eine damit verbundene Weisungsunterworfenheit des beratenden Anwalts nicht zur Folge39, dass die Tochter auf den letztendlichen Inhalt des Testaments Einfluss nehmen konnte, da dieser stets allein vom Willen des Erblassers abhing. b) Keine Leistungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber der enttäuschten Erbin auf Verschaffung der Erbschaft Ein Leistungsversprechen des Inhalts, der Rechtsanwalt habe der Tochter des Erblassers im Testamentsfall die Verschaffung der Erbschaft als solcher zugesagt, lässt sich der zwischen dem Anwalt und dem Erblasser geschlossenen vertraglichen Bindung schon bei Anwendung der allgemein geltenden Auslegungskriterien (§§ 133, 157 BGB) nicht entnehmen. Jedenfalls aber wäre ein derartiges Leistungsversprechen, wäre es wirklich abgegeben worden, nicht wirksam gewesen. Im Ergebnis fehlt es daher jedenfalls an einer entsprechenden relativen Rechtsposition der enttäuschten Erbin gegenüber dem Anwalt. aa) Inhalt des Leistungsversprechens Die Annahme, der Rechtsanwalt habe in dem mit dem Erblasser geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag (allein) zugunsten dessen Tochter (das wäre ein Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB) oder gegenüber dem Erblasser und dessen Tochter als Mitgläubigern (dann wäre § 432 BGB einschlägig) zugesagt, der Tochter den Nachlass des Erblassers zu verschaffen, wäre verfehlt. Eine solche Auslegung des geschlossenen Vertrags unterstellte dem Rechtsanwalt, er habe mit dem Zufluss der Erbschaft einen zukünftigen Vermögenserwerb versprochen, obwohl dessen Zustandekommen selbst bei vollständiger vertragsgerechter Erbringung der geschuldeten Beratungsleistungen noch fraglich war. Eine dahingehende Vertragsauslegung, der Rechtsanwalt hätte einen zukünftigen Vermögenserwerb der Tochter versprochen, wäre bei näherer Betrachtung geradezu abwegig: Der Anfall der Erbschaft bei der Tochter mit dem Erbfall gemäß § 1922 I BGB, also der Erfolg der vom Erblasser beabsichtigten letztwilligen Verfügung, konnte vom Rechtsanwalt alleine nicht herbeigeführt werden40. Voraussetzung für einen Erbschaftserwerb der Tochter als Alleinerbin war zunächst eine entsprechende letztwillige Verfügung des Erblassers. Diese konnte nur vom Erblasser höchstpersönlich errichtet werden41. Der Rechtsanwalt hatte nur die Möglichkeit, 38 Eine Verfügung von Todes wegen kann vom Erblasser nur persönlich errichtet werden (vgl. §§ 2064, 2274 BGB). 39 So aber Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1325, 1326. 40 Noch abwegiger ist ein Anspruch nach § 331 BGB auf die Verschaffung der Erbschaft nach dem Tode des Erblassers, denn dafür ist es dann offenkundig zu spät.
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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den Erblasser hierbei zu beraten. Der Rechtsanwalt konnte vor dem Erbfall nicht wissen, ob der Erblasser vor dem Notar noch den gleichen Willen gehabt hätte. Die pflichtgemäße Veranlassung der Beurkundung hätte bereits deshalb nicht automatisch den Erbschaftserwerb durch die Tochter des Erblassers zur Folge gehabt. Da ein einfaches Testament vom Erblasser ohne weiteres gemäß §§ 2253 ff. BGB widerrufen werden kann, konnte der Rechtsanwalt bis zum Erbfall auch nicht sicher sein, dass der Erblasser seinen Willen nach der Beurkundung zugunsten der Tochter nicht mehr zu ihrem Nachteil geändert hätte. Erst mit dem Erbfall war auch sicher, dass die Tochter zum Zeitpunkt des Erbfalls überhaupt erbfähig gewesen wäre (§ 1923 I BGB). Der Erbschaftserwerb wäre also über die pflichtgemäße Erfüllung des Rechtsanwaltes hinaus von verschiedenen von ihm unbeeinflussbaren Bedingungen abhängig gewesen. Aus dem pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwaltes hätte nicht zwingend eine Aufstockung des Vermögens der Tochter im Wege des Erbrechts resultiert, weil ein entsprechendes Testament beim voraussichtlichen Erben noch nicht zu einer Vermögensmehrung führt42. Die Annahme, der Rechtsanwalt habe im Testamentsfall den Eintritt eines von ihm derart unbeeinflussbaren Erfolges versprochen, wäre aber geradezu abwegig. Der Geschäftsbesorgungsvertrag auf Beratung des Erblassers würde dadurch zum Garantieversprechen auf zukünftigen Eintritt eines von dem Garantiegeber nicht oder wenigstens nur teilweise beeinflussbaren Erfolgs. Der Rechtsanwalt hätte auf Grund dieser Garantie allein schon dann für den Wert der Erbschaft einzustehen, wenn der versprochene Leistungserfolg, der Anfall der Erbschaft, ausbleibt, ohne dass es auf ein Verschulden des Anwalts ankommen könnte. Dass der Anwalt im Testamentsfall eine solche Zusage gerade nicht gegeben hat, dürfte sich von selbst verstehen. Dagegen spricht im Übrigen bereits, dass sich der Schuldner das mit einem solchen Versprechen verbundene Haftungsrisiko regelmäßig durch eine entsprechend hohe Gegenleistung bezahlen lassen würde, wofür im Testamentsfall nichts ersichtlich ist: Geschlossen war allein ein Beratungsvertrag mit dem Inhalt, den Erblasser richtig zu beraten. Ebenso abwegig ist ein Versprechen des Zuflusses der Erbschaft unter der (aufschiebenden) Bedingung43, dass die vom Anwalt unbeeinflussbaren Voraussetzungen erfüllt sein werden. Hinsichtlich einer solchen Vereinbarung liegen ebenfalls keine Anhaltspunkte vor44. 41 Bezüglich einer letztwilligen Verfügung gilt der Grundsatz der formellen (§§ 2064, 2274 BGB) und materiellen (§ 2065 BGB) Höchstpersönlichkeit. Ein Testament kann daher gemäß § 2064 BGB nur vom Erblasser persönlich errichtet werden. Die Sicherung der freien Willensentschließung, die Notwendigkeit des persönlichen Bekenntnisses zu ihr und die Sorge vor unlauteren Machenschaften einer anderen Person verbieten jede Stellvertretung bei der Errichtung. Ferner kann gemäß § 2065 BGB lediglich der Erblasser den Inhalt des Testaments bestimmen. 42 Zur unsicheren Erwerbsaussicht eines künftigen Erben bereits oben A. 43 Es könnte sich nur um eine echte aufschiebende Bedingung bezüglich Erbfähigkeit und aufschiebende Wollensbedingung hinsichtlich der Beibehaltung des letzten Willens des Erblassers handeln.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
bb) Unwirksamkeit eines eventuellen Garantieversprechens auf Zufluss der Erbschaft Selbst wenn man aber dem Geschäftsbesorgungsvertrag entgegen allen dargelegten Bedenken doch entnehmen wollte, der Rechtsanwalt habe sich im Wege eines derartigen Garantieversprechens gegenüber der Tochter zur Verschaffung der Erbschaft verpflichtet, hätte die Tochter durch ein Versprechen dieses Inhalts keine relative Rechtsposition an der Erbschaft erwerben können, weil eine solche Verpflichtung gemäß § 311 b IV BGB45 unwirksam gewesen wäre. § 311 b IV BGB betrifft alle Verpflichtungsgeschäfte mit Bezug auf den Nachlass eines lebenden Dritten. § 311 b IV BGB soll nicht nur einen künftigen Erben vor der Vermögensverschleuderung schützen46, sondern auch sittlich verwerfliche Spekulationen auf das Ableben des Erblassers verhindern, bei denen gar auf dessen baldigen Tod gehofft wird47. Gerade eine solche Spekulation auf den Tod des Erblassers wäre jedoch die Verpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Tochter gewesen, ihr den Nachlass ihres Vaters zu verschaffen. c) Beratung des Erblassers als möglicher Inhalt eines relativen Rechts der enttäuschten Erbin aus dem Beratungsvertrag Als Inhalt des Beratungsvertrages zwischen Erblasser und Rechtsanwalt mit einem eigenen Forderungsrecht der Tochter als Drittbegünstigte oder Mitgläubigerin kommt daher lediglich die Beratung des Erblassers in Betracht. Die Tochter des Erblassers kann als intendierte Alleinerbin grundsätzlich Mitgläubigerin oder Drittbegünstigte eines solchen Vertrages zwischen Erblasser und Rechtsanwalt sein. Eine dahingehende Vertragsauslegung scheint zwar ebenfalls nicht naheliegend48. Ein Vertrag mit diesem Inhalt wäre aber jedenfalls wirksam. Zur richtigen Beratung gehört auch die Veranlassung der Beurkundung des geäußerten letzten Willens, falls dies erforderlich und gewünscht ist, und der Rechtsanwalt sich wie 44 Außerdem würde es sich bei der Bedingung der Beibehaltung des letzten Willens des Erblassers wohl um eine ungebundene Wollensbedingung und damit um eine unzulässige Bedingung handeln. Zur Unzulässigkeit ungebundener Wollensbedingungen vgl. nur SoergelWolf, Vor § 158 Rn. 28; Flume, Allgemeiner Teil II, § 38, 2 (S. 684 ff.); Erman-Armbrüster, Vor § 158 Rn. 13; Staudinger-Bork, Vor §§ 158 ff. Rn. 14 ff.; Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 17. 45 § 312 a. F. BGB. 46 Zum Schutz vor Vermögensverschleuderungen Motive II, S. 184; vgl. auch BGHZ 26, 320, 324 = NJW 1958, 705 f.; MK-Krüger, § 311b Rn. 108. 47 Motive II, S. 185; BGHZ 26, 320, 324 = NJW 1958, 705 f.; MK-Krüger, § 311b Rn. 108; Palandt-Grüneberg, § 311b Rn. 69. 48 Aufgrund der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung ist viel wahrscheinlicher, dass der Erblasser alleiniger Vertragspartner eines Beratungsvertrages mit dem Rechtsanwalt ist und gegenüber der Tochter hieraus auch kein Forderungsrecht i. S. d. § 328 BGB entstanden ist.
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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hier bereit erklärt, die Beurkundung zu veranlassen. Unterstellt man eine solche Leistungspflicht des Rechtsanwalts (auch) im Verhältnis zur Tochter des Erblassers, hat er diese Leistungspflicht (auch) gegenüber ihr verletzt.
2. Inhalt eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Beratungspflicht gegenüber der enttäuschten Erbin Hält man ein eigenes Forderungsrecht der enttäuschten Erbin auf Beratung des Erblassers und damit ein relatives Recht aus Vertrag zugunsten Dritter oder aufgrund einer Mitgläubigerstellung für gegeben, so gelangt man wegen Unmöglichkeit im Moment des Erbfalles zu einem eigenen Schadensersatzanspruch der Tochter wegen Nichterfüllung nach § 325 BGB a. F. bzw. zu einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III i. V. m. 283 BGB n. F. 49. Es stellt sich die Frage, welchen Inhalt ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Beratungspflicht, konkret der Versäumung der Beurkundung, hat. Oder umgekehrt: Folgt aus der Nichterfüllung des Anspruchs der enttäuschten Erbin auf richtige Beratung durch den Rechtsanwalt gegenüber diesem ein Ersatzanspruch auf Ersatz der entgangenen Erbschaft? a) Mangels relativer Zuweisung der Erbschaft resultiert aus der Verletzung der Beratungspflicht nicht der Ersatz der entgangenen Erbschaft Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs richtet sich aufgrund des Ausgleichsprinzips nach dem Inhalt des dem Geschädigten zugewiesenen und vom Schädiger verletzten Rechts50. Der Ersatzanspruch stellt danach einen Ausgleich für den durch Rechtsverletzung erlittenen Schaden dar. Dem Geschädigten wird durch Schadensersatz ein Surrogat für den Verlust gewährt, ohne ihn gleichzeitig vermögensmäßig zu bereichern. Er ist wertmäßig so zu stellen, wie er nach der Rechtsordnung vor dem schädigenden Ereignis stand. Voraussetzung für einen Ersatzanspruch der enttäuschten Erbin in Höhe der entgangenen Erbschaft nach § 325 BGB a. F. bzw. §§ 280 I, III i. V. m. 283 BGB n. F. ist damit die relative Zuweisung dieser Erbschaft durch den Rechtsanwalt an die Anspruchstellerin vor dem Erbfall. 49 Ob aus einem echten Vertrag zugunsten Dritter bei Unmöglichkeit dem Dritten ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 325 a. F. BGB bzw. ein Ersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 281 – 283 BGB zusteht, ist streitig. Der BGH gewährte nach alter Rechtslage dem Dritten einen Ersatzanspruch gemäß §§ 325, 326 BGB; vgl. BGHZ 93, 217, 277 = JZ 1985, 574; zustimmend MK-Gottwald, § 335 Rn. 7, 8, 14 m. w. N.; so jetzt auch Jauernig-Stadler, § 328 Rn. 16. Zur Problematik der Leistungsstörungen im Vertrag zugunsten Dritter vgl. auch Heinrich Lange, NJW 1965, 657, 663; Fikentscher / Heinemann, Schuldrecht, Rn. 300; Larenz, Schuldrecht I, § 17 I b) (S. 223); Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 36 III 1 (S. 297 f.); Gottwald, JZ 1985, 575, 576. 50 Oben Teil 2 A. III. 1.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
Aus dem unterstellten Versprechen des Rechtsanwaltes gegenüber der enttäuschten Erbin, den Erblasser richtig zu beraten, folgt jedoch nicht die relative Zuweisung der Erbschaft. Zugewiesen werden konnte mit dem Beratungsversprechen nur ein relatives Recht mit dem Inhalt, den Erblasser „richtig“ zu beraten. Der Rechtsanwalt hat damit gerade nicht versprochen, der Tochter des Erblassers die Erbschaft zu verschaffen und damit ihr Vermögen unmittelbar aufzustocken. Ein relatives Recht an der Erbschaft und folglich ein unmittelbarer Aufstockungsanspruch in Höhe der Erbschaft könnten sich allein aus einem Versprechen ergeben, der Tochter des Erblassers die Erbschaft zu verschaffen. Die Verletzung eines solchen Rechts hätte in der Tat einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Erbschaft zur Folge. Ein Vertrag mit diesem Inhalt ist aber aus den bereits genannten Gründen unwirksam51. Anders als bei Nichterfüllung einer unmittelbaren Aufstockungspflicht hat aber die Nichterfüllung der Beratungspflicht keinen Anspruch der Tochter zur Folge, der sie finanziell so stellt, wie wenn sie Erbin geworden wäre. Der Wert der Erbschaft stellt kein Surrogat für die richtige Beratung i. S. d. Ausgleichsprinzips dar. Inhalt des Ersatzanspruchs der enttäuschten Erbin wegen Verletzung der Leistungspflicht, den Erblasser richtig zu beraten, ist damit jedenfalls nicht der Ersatz der entgangenen Erbschaft. Die Erfüllung der Beratungspflicht war wertmäßig nicht mit dem Erwerb der Erbschaft gleichzusetzen. Selbst wenn man also eine entsprechende Auslegung des Vertrags und damit ein Forderungsrecht der Klägerin bezüglich der Beratung für möglich hält, würde man nicht zu einer Schadensersatzhaftung des Anwalts auf den Wert der Erbschaft gelangen, weil der Wert der Erbschaft nicht das positive Interesse an der Beratung darstellt. Es besteht lediglich im Nachhinein ein Kausalzusammenhang zwischen Nichterfüllung der Beratungspflicht und dem „Entgang“ der Erbschaft. Kausalität zwischen einer Handlung bzw. einem Unterlassen des Schädigers und einem Nachteil beim Geschädigten ist aber für einen Schadensersatzanspruch nicht ausreichend52. b) Die Unanwendbarkeit der Lehre von den „Leistungspflichten mit Schutzzweck“ Auf den Inhalt des relativen Rechts könnte es im Hinblick auf den Ersatz des positiven Interesses lediglich dann nicht ankommen, wenn die nicht oder schlecht erfüllte Leistungspflicht des Rechtsanwalts im Sinne der Lehre von den „Leistungspflichten mit Schutzzweck“53 nicht einer Vermögensaufstockung, sondern dem Schutz bereits bestehender Rechte dienen sollte. Nach der Lehre von den 51 52 53
Oben 1. a). Oben A. Stoll, FS v. Hippel, S. 517, 524 ff.
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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„Leistungspflichten mit Schutzzweck“ ist auch der Schaden an bestehenden Rechtspositionen, deren Unversehrtheit von der korrekten Leistungserbringung abhängt, als positives Interesse ersetzbar54. Bestehende Rechtspositionen sollen zum Beispiel von einem Dachdecker geschützt werden, der das durchlöcherte Dach reparieren soll, damit die unter dem Dach sich befindenden Gegenstände nicht durch die Witterung beschädigt werden. Erscheint der Dachdecker zum vereinbarten Zeitpunkt nicht und nehmen die Gegenstände des Leistungsgläubigers deshalb Schaden, hat der Dachdecker neben dem Eigentum seines Vertragspartners auch die zu erbringende Leistungspflicht verletzt. Durch die Nicht- oder Schlechterfüllung solcher „Leistungspflichten mit Schutzzweck“ verletzt der Leistungsschuldner gleichzeitig eine Leistungspflicht und eine „Schutzpflicht“55. Ein Ersatzanspruch in Höhe des positiven Interesses kann aber auch nach der Lehre von den „Leistungspflichten mit Schutzzweck“ gerade nur entstehen, wenn durch die Nicht- oder Schlechterfüllung bestehende Rechtspositionen verletzt wurden56. Da die enttäuschte Erbin Ersatz für eine entgangene Erbschaft verlangt, müsste sich diese, um den Schaden als positives Interesse wegen Verletzung einer „Leistungspflicht mit Schutzzweck“ ersetzen zu können, schon vorher im Vermögen der enttäuschten Erbin befunden haben bzw. sie müsste jedenfalls irgendein sonstiges (Anwartschafts-)Recht an der Erbschaft gehabt haben. Vor dem Erbfall kann jedoch ein künftiger Erbe keinerlei Rechte am Nachlass erwerben, vor allem dann nicht, wenn das Testament, welches ihn über die gesetzliche Erbfolge hinaus berechtigen soll, noch nicht errichtet ist57.
54 Vgl. Stolls Lehre von den „Leistungspflichten mit Schutzzweck“, FS v. Hippel, S. 517, 524 ff. 55 Der Leistungsschuldner eines Verwahrungsvertrags oder eines Kaufvertrags über eine Alarmanlage kann durch Nicht- oder Schlechtleistung ebenfalls sowohl eine Erhaltungs- wie auch eine Leistungspflicht verletzen. 56 Dies stellen auch die von Hans Stoll, FS v. Hippel, S. 517, 524 ff. gewählten Beispiele klar: Lieferung einer Flasche ätzender Lauge statt Selterswasser (RG JW 1908, 236), indischer Mais mit giftigen Körnern als Pferdefutter (RGZ 66, 289); eine Leistungspflicht des Verwahrers i. S. d. §§ 688 ff. BGB bezwecke gleichfalls in der Hauptsache den Schutz eines Rechtsguts des Hinterlegers; dem Beförderer obliege es auch, dafür zu sorgen, dass das Gut oder die Person nicht während der Beförderung zu Schaden kommt. 57 Dazu bereits oben A.; vgl. außerdem Kipp / Coing, Erbrecht, § 91 I, S. 499: „Es bestehen Hoffnungen und Erwartungen, aber keine Rechte“; MK-Leipold, § 1922 Rn. 111; Staudinger-Marotzke, § 1922 Rn. 11: „Mehr oder weniger unsichere Erwerbsaussicht“; PalandtEdenhofer, § 1922 Rn. 3: „keine gesicherte Position i. S. eines Anwartschaftsrechts“; SoergelStein, § 1922 Rn. 8: „Die Aussicht, aufgrund Gesetzes oder Verfügung von Todes wegen zu erben, begründet zu Lebzeiten des Erblassers noch keine Rechte.“; Soergel-Stein, Einl. Erbrecht Rn. 2.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
3. Ergebnis Die enttäuschte Erbin hatte allenfalls einen Anspruch auf „richtige“ Beratung des Erblassers. Damit war ihr jedoch kein relatives Recht an der Erbschaft zugewiesen, dessen Verletzung für den wertmäßigen Ersatz der entgangenen Erbschaft als positives Interesse Voraussetzung war.
II. Schutz des Erwerbsinteresses der Tochter als Inhalt eines echten Vertrages zugunsten Dritter Einige Stimmen in der Literatur erkennen ausdrücklich an, dass der enttäuschten Erbin kein eigenes Forderungsrecht gegenüber dem Rechtsanwalt aus dem Beratungsvertrag zusteht. Trotzdem qualifizieren sie ihn aber als Vertrag zugunsten Dritter und gewähren einen Ersatzanspruch der Tochter in Höhe der entgangenen Erbschaft wegen Verletzung einer vertraglich vereinbarten „Schutzpflicht“. Inhalt des Vertrages sei der Schutz der Erwerbsinteressen der Tochter durch den Anwalt58. Das Versprechen des Rechtsanwalts gegenüber dem Erblasser, ein die Tochter begünstigendes Testament zu beurkunden, habe eine Rechtsposition des zukünftigen Erben geschaffen59. Der Anwalt habe aufgrund dieses Versprechens eine „Schutzpflicht“ gegenüber der Tochter, weil die im Prinzip ungeschützten Erwerbsaussichten durch die Parteivereinbarung zu vertraglich, also auch schadensersatzrechtlich geschützten Vermögensinteressen hinaufgehoben wurden60. Nach einer Ansicht handelt es sich dabei um einen „sekundären Erfüllungsanspruch“, einen „Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Anwaltsvertrags ( . . . ) zugunsten der Tochter unter der aufschiebenden Bedingung der Nichterrichtung des Testaments bis zum Tode des Erblassers“61. Bis zum Erbfall bestehe lediglich ein Erfüllungsanspruch des Erblassers62. Dieser „sekundäre Erfüllungsanspruch“ entsteht also erst nach dem Erbfall unter der Voraussetzung, dass das Testament bis dahin nicht errichtet wurde. Nach Ansicht von Schlechtriem kann der Erbe dagegen überhaupt nicht Erfüllung, sondern nur den Schutz der durch das Versprechen begründeten Position verlangen63; ob damit allerdings tatsächlich et58 Von den Vertretern dieser Ansicht wird der Vertrag zwischen dem Erblasser und dem Anwalt teilweise ausdrücklich als echter Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert; vgl. Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 173, 174, 134: „Der besonders vereinbarte relative Schutzanspruch zugunsten Dritter“; Schlechtriem, FS Medicus, S. 529, 537. Karampatzos, S. 126 ff. bezeichnet den Vertrag als einen echten Vertrag zugunsten Dritter besonderer Art und stellt dabei eine gewisse Annäherung zwischen dem Vertrag mit Schutzwirkung und dem echten Vertrag zugunsten Dritter fest. 59 Schlechtriem, FS Medicus, 529, 537. 60 Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 173; Karampatzos, S. 126 ff. 61 Karampatzos, S. 126 ff. 62 Karampatzos, S. 126 ff.
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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was anderes gemeint ist als das Bestehen eines „sekundären“ Erfüllungsanspruchs, wird nicht recht deutlich.
1. Die Folge der Zuerkennung vertraglichen Schutzes Der Schutz eines (Erwerbs-)Interesses kann im Prinzip durchaus Gegenstand einer vertraglichen Verpflichtung sein64. Es ist deshalb denkbar, dass der Anwalt im Testamentsfall der später enttäuschten Erbin vertraglich den Schutz ihres Erwerbsinteresses zugesagt hat. Geht man davon allerdings aus, und dies tun ja alle soeben angeführten Stellungnahmen, ergibt sich daraus zwangsläufig: In der Leistungspflicht zum Schutz eines Erwerbsinteresses liegt nichts anderes als die Begründung eines relativen Rechts. Der Gläubiger hat eben Anspruch auf Erbringung des Schutzes, der ihm vertraglich versprochen wurde. Der „Schutz“ ist dann also gerade die Leistung, der Gegenstand des Erfüllungsversprechens, der Anspruch auf Schutz ist der Erfüllungsanspruch. Dieser ist nicht in einen Gegensatz zum Schutz zu bringen (so aber Schlechtriem). Einen Erfüllungsanspruch zu verneinen, dem Gläubiger aber vertraglichen Schutz zuzuerkennen, ist unverständlich. Ebenso wenig ist von diesem Ausgangspunkt aus verständlich, warum der enttäuschten Erbin vor dem Tode des Erblassers kein Forderungsrecht zustehen soll, warum ihr nach dessen Tod dann aber sehr wohl ein solches Forderungsrecht zuerkannt wird. Was überhaupt mit einem „sekundären Erfüllungsanspruch“ gemeint ist, wird nicht deutlich. Nicht nachzuvollziehen ist, warum der Anspruch der Tochter auf Schutz erst zu einem Zeitpunkt entstehen soll, in dem „das Kind bereits in den Brunnen gefallen“ ist. Unverständlich ist, wie sich der zunächst bestehende Erfüllungsanspruch des Erblassers auf Beratung mit dem Erbfall in einen Anspruch der Tochter umwandeln soll, der noch dazu auf Schutz, nicht auf Beratung gerichtet, inhaltlich also modifiziert ist. Wie soll sich der damit offenbar unterstellte Übergang des Schutzes von der Tochter auf den Erblasser vollziehen, nachdem die Tochter doch gerade nicht Erbin wurde? Und was schließlich unterscheidet einen „sekundären“ vom herkömmlichen Erfüllungsanspruch? Antworten auf diese Fragen zu geben, versuchen die zitierten Auffassungen nicht. Demgegenüber ist festzustellen: Entnimmt man dem zwischen Erblasser und Anwalt geschlossenen Vertrag eine Rechtsposition der später enttäuschten Erbin 63 Schlechtriem, FS Medicus 1999, 529, 537. Wahrscheinlich meint auch Schlechtriem mit einem Anspruch auf Schutz vor Nichterfüllung einen Ersatzanspruch, der erst mit dem Erbfall entsteht; denn vor dem Erbfall wäre nur ein eigener Anspruch der Tochter auf Beurkundung des letzten Willens denkbar, den er ja aber gerade ablehnt. 64 Vgl. dazu Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 85, 150 f. Hierauf beruft sich auch Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 63. Der Schutz von Erwerbsinteressen als Vertragsinhalt ist dabei aber strikt zu unterscheiden von den bereits dargestellten „Leistungspflichten mit Schutzzweck“, die den Schutz eines bereits bestehenden Rechts zum Gegenstand haben.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
auf Schutz ihres Erwerbsinteresses, bedeutet dies zwangsläufig die Anerkennung eines relativen Rechts der enttäuschten Erbin gegen den Schuldner des Vertrags. Hieraus resultiert ein vertraglicher Anspruch, der mit den zivilrechtlichen Instrumentarien, unter anderem mit dem Schadensersatzrecht, vor Verletzungen geschützt wird (hiergegen die Neuregelung in § 241 II BGB anzuführen, wie es Schlechtriem offenbar tut, führt nicht weiter: Dort geht es um den Schutz bestehender Positionen, also um sog. Schutzpflichtverletzungen und damit um den Bereich der Sonderverbindung, der von der rechtsgeschäftlichen Begründung von neuen Rechtspositionen gerade unberührt ist). Fraglich kann folglich nicht dessen Existenz sein; zu entscheiden ist nach seiner grundsätzlichen Anerkennung vielmehr allein noch über seinen Inhalt. Hieraus ergibt sich dann auch der Inhalt der Schadensersatzsanktion bei Verletzung65. 2. Der Inhalt des vertraglichen Rechts auf Schutz des Erwerbsinteresses a) Durch die Verpflichtung des Schuldners, ein bestimmtes Erwerbsinteresse zu schützen, wird dieses zu einem relativen Recht erhoben. Inhalt dieses relativen Rechts kann im Testamentsfall nur der wertmäßige Zufluss der Erbschaft sein für den Fall, dass der Tochter die Erbschaft nicht anfällt. Dann hat aber bei einer Ausgestaltung als echter Vertrag zugunsten Dritter der Drittbegünstigte, hier die Tochter des Erblassers, sehr wohl ein eigenes Forderungsrecht. Entgegen der Ansicht von Schlechtriem kann dann die Tochter auch Erfüllung dieser Leistungspflicht verlangen. Schlechtriem ist der Ansicht, dass einerseits durch das Versprechen des Rechtsanwalts ein relatives Recht der Tochter geschaffen wurde und dass andererseits sie nur Schutz dieses relativen Rechts verlangen kann. Wenn aber mit dem Versprechen des Anwalts gegenüber dem Erblasser ein relatives Recht der Tochter geschaffen wurde, dann muss nicht noch zusätzlich der Schutz dieser Position vereinbart werden. Dieser ergibt sich bereits als Schadensersatz wegen Nichterfüllung / statt der Leistung aus dem Gesetz. b) Eine dahingehende Vertragsauslegung, der Erblasser und der Rechtsanwalt hätten den Schutz des Erwerbsinteresses der Tochter vereinbart und damit ein entsprechendes relatives Recht begründet, ist jedoch aus den selben Gründen wie ein Versprechen auf Zufluss der Erbschaft abzulehnen. Der Anwalt würde damit der Tochter zwar nicht den Zufluss der Erbschaft versprechen, aber die Haftung in Höhe der Erbschaft, falls diese ihr nicht anfällt. Da der Anwalt auf den Anfall der Erbschaft aber nur bedingt Einfluss nehmen kann66, wäre darin wiederum ein Garantieversprechen, dieses Mal für den vermögensmäßi65 66
Zum Vorrang der Zuweisung vor dem Rechtsschutz oben Teil 2. A. Oben I. 1. b) aa).
B. Kein relatives Recht der enttäuschten Erbin an der Erbschaft
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gen Zufluss der Erbschaft, zu sehen. Ein solches Garantieversprechen würde sich ein Rechtsanwalt regelmäßig mit einer entsprechenden Gegenleistung bezahlen lassen. Hierfür ist im Testamentsfall nichts ersichtlich. Ebenso abwegig ist die Annahme eines Versprechens des wertmäßigen Zuflusses unter der (aufschiebenden) Bedingung67, dass die vom Anwalt unbeeinflussbaren Voraussetzungen erfüllt sein werden. Hinsichtlich einer solchen Vereinbarung liegen ebenfalls keine Anhaltspunkte vor.
3. Unwirksamkeit eines solchen Versprechens Ein (Garantie-)Versprechen dieses Inhalts ist aber nicht nur abwegig; es wäre außerdem aus denselben Gründen gemäß § 311 b IV BGB nichtig wie ein Versprechen hinsichtlich des Zuflusses der Erbschaft selbst. Es würde ebenfalls auf den Tod des Erblassers spekuliert werden.
III. Kein relatives Recht auf Gewinn Der Tochter des Erblassers war vor dem Erbfall auch kein relatives Recht auf Gewinn zugewiesen. Ein relatives Recht auf Gewinn scheitert bereits daran, dass mangels Einsatzentscheidung der Tochter weder die Erbschaft noch der Wert der Erbschaft einen Gewinn i. S. d. § 252 BGB darstellen68.
IV. Ergebnis: Kein Ersatzanspruch der enttäuschten Erbin in Höhe der entgangenen Erbschaft als positives Interesse Durch den Beratungsvertrag mit dem Rechtsanwalt wurde weder ein relatives Recht an der Erbschaft noch ein relatives Recht am Wert der Erbschaft begründet. Damit kann aus der Verletzung der Leistungspflicht aus dem Beratungsvertrag selbst bei der abwegigen Annahme einer Mitgläubigerstellung der Tochter oder bei einer ebenso abwegigen Unterstellung der Ausgestaltung des Vertrages als echter Vertrag zugunsten Dritter kein Ersatzanspruch in Höhe der entgangenen Erbschaft folgen.
67 Echte aufschiebende Bedingung bezüglich Erbfähigkeit und aufschiebende ungebundene Wollensbedingung hinsichtlich der Beibehaltung des letzten Willens des Erblassers. Zur Unzulässigkeit ungebundener Wollensbedingungen oben 1. b) bb). 68 Oben A. II. 1. b).
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
C. Konsequenz: Die Inkonsistenz der BGH-Lösung im Testamentsfall Daraus folgt, dass im Testamentsfall durch den Rechtsanwalt weder ein vom Gesetz zugewiesenes noch ein relativ zugewiesenes Recht hinsichtlich der Erbschaft verletzt wurde. Da aber eine Rechtsverletzung Voraussetzung für einen ersatzfähigen Schaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB ist69, liegt folglich mangels Rechtsverletzung bei der enttäuschten Erbin weder eine Vermögenseinbuße noch ein entgangener Gewinn in Höhe der entgangenen Erbschaft vor. Sie hat damit durch die versäumte Testamentsbeurkundung keinen ersatzfähigen Schaden in Höhe der entgangenen Erbschaft erlitten, der zu einem entsprechenden Ersatzanspruch hätte führen können. Ersetzt man jedoch die entgangene Erbschaft trotz fehlender Rechtsverletzung gegenüber einem enttäuschten Erben, steht dies in Widerspruch zum dargestellten Erfordernis der Rechtsverletzung70. In der Konsequenz folgt aus der Verurteilung zur Schadensersatzleistung ohne entsprechende Rechtsverletzung bei der enttäuschten Erbin durch den Rechtsanwalt einerseits eine Pönalisierung seines Verhaltens und andererseits eine doppelte Zuweisung der Erbschaft im Sinne von Kegels „lachenden Doppelerben“71.
I. Pönalisierung des Schädigerverhaltens bei Ersatz der entgangenen Erbschaft ohne vorangegangene Rechtsverletzung 1. Pönalisierungseffekt in der Testamentsfallentscheidung Durch eine Restituierung der Erbschaft in Geld ohne vorherige Anerkennung einer entsprechenden Rechtsstellung der enttäuschten Erbin pönalisiert man das schädigende Verhalten des Rechtsanwalts. Die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz hat eine reine Pönalisierungsfunktion, wenn diese Verpflichtung lediglich an die schuldhafte Handlung und nicht an den Umfang des Schadens anknüpft, weil ein solcher nicht existiert. Existiert kein Schaden mangels Verletzung eines zugewiesenen Rechts, und gewährt man dem „Geschädigten“ trotzdem einen „Ersatz“anspruch, weil der „Schädiger“ schuldhaft handelte, und dieses Verhalten vielleicht auch kausal für einen Nachteil beim „Geschädigten“ war, so sanktioniert man ausschließlich das nicht erwünschte Verhalten.
Oben Teil 2 A. III. Oben Teil 2 A. III. 71 Zu Kegels Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ oben Teil 1 C. I. und eingehend unten D. 69 70
C. Konsequenz: Die Inkonsistenz der BGH-Lösung im Testamentsfall
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Im Testamentsfall wird allein an die prinzipiell rechtswidrige schuldhafte Handlung des Rechtsanwalts angeknüpft, die den Schaden der enttäuschten Erbin zu indizieren scheint72. Zu diesem scheinbar indizierten Schaden kommt man nur durch einen rechnerischen Vergleich der gegenwärtigen Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage unter Einbeziehung der entgangenen Erbschaft. So ergibt sich eine Differenz in Höhe der entgangenen Erbschaft. Warum die entgangene Erbschaft in die hypothetische Vermögenslage einzubeziehen ist, ob die enttäuschte Erbin also vor dem Erbfall ein Recht hinsichtlich der entgangenen Erbschaft hatte, wird vom BGH nicht erörtert. Da ein solches Recht auch nicht bestehen konnte73, gelangt man zu der Differenz allein durch die Außerachtlassung der Rechtslage der enttäuschten Erbin vor dem Erbfall. Der Rechtsanwalt wird folglich im Ergebnis nicht zu einer Zahlung verpflichtet, die einen ersatzfähigen Schaden der Tochter des Erblassers ausgleicht. Mangels Schaden konnte der Schadensersatz diesen Zweck gerade nicht erfüllen. Aufgrund des fehlenden Schadens wird allein das für die enttäuschte Erbin nachteilige Verhalten des Rechtsanwalts pönalisiert74.
2. Die Unvereinbarkeit einer Pönalisierung mit den Prinzipien des Schadensersatzrechts a) Ausdrückliche Verwerfung des Pönalisierungsgedankens durch die Gesetzgeber des BGB Die Gesetzgeber des BGB lehnten den Pönalisierungsgedanken im Schadensersatzrecht ab und verwarfen ausdrücklich die im preußischen ALR kodifizierte Abstufung des Umfanges der Schadensersatzpflicht je nach Art oder dem Grade des Verschuldens75. Eine Abstufung beruht nach Ansicht der Gesetzesverfasser des BGB auf moralisierenden oder strafrechtlichen Gesichtspunkten, welche bei der Bestimmung zivilrechtlicher Folgen unerlaubten, widerrechtlichen Verhaltens fern 72 Zum Pönalisierungseffekt bei R. Neuner (AcP 133 (1931), 304) durch die Zubilligung einer Kompensation von Rechtsverletzungen, die keine vermögensmäßige Einbuße zur Folge hatten, Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 305 ff. Zum Pönalisierungseffekt bei der Gewährung von Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 311a BGB wegen eines Leistungshindernisses bei Vertragsschluss Katzenstein, JR 2003, 447, 451. 73 Oben A. und B. 74 Derselbe Pönalisierungseffekt tritt ein, wenn gemäß § 826 BGB alle Vermögensnachteile sanktioniert werden, ohne auf das Erfordernis der Verletzung eines zugewiesenen Rechts abzustellen. Dazu bereits ansatzweise oben Teil 2 B. II. 2. b) und ausführlich unten Teil 4 D. 75 Motive II, S. 16 mit Nachweisen zum preuß. ALR. Zur Verwerfung des Pönalisierungsgedankens im Zivilrecht als Zeichen des Fortschritts vgl. Jhering, Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, S. 66: „Das Strafprincip im Privatrecht ist der Gedanke einer niederen Culturstufe, welcher dem Fortschritt des Rechtsbewusstseins und der Rechtsentwicklung unabwendbar erliegt, um das Schadensersatzprincip an seine Stelle treten zu sehen“.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
gehalten werden müssen76. Im Schadensrecht des BGB existiert keine Proportionalität zwischen Schuld und Schadensersatz77. Stattdessen gilt der Grundsatz des gemeinen Rechts, wonach lediglich der Umfang des verursachten Schadens den Umfang des zu leistenden Schadensersatzes bestimmt78. Nach der historischen Konzeption des BGB gehört die Pönalisierung einer Handlung als primäres Ziel ausschließlich in das Strafrecht und in das Ordnungswidrigkeitenrecht. b) Ausschluss des Pönalisierungsgedankens als primäres Ziel des Schadensersatzes durch das Ausgleichsprinzip Primäres Ziel des Schadensersatzes ist nach h. M.79 die ausgleichende Gerechtigkeit80. Der Ausgleich soll unabhängig vom Verschuldensgrad gemäß §§ 249 ff. BGB durch Totalreparation erfolgen81. Das Ausgleichsprinzip82 schließt die Bestrafung des „Schädigers“ durch die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz gerade aus. Die Schadensersatzleistung soll aufgrund des Ausgleichsprinzips lediglich die entstandenen Nachteile ausgleichen und hat folglich keinen pönalen Charakter. Der Schadensersatz soll nach der herrschenden Meinung nicht primär der Pönalisierung oder Prävention der Verursachung von Vermögensnachteilen dienen83. Knüpft man aber allein an die pflichtwidrige schuldhafte Handlung die Haftungsfolge Schadensersatz84, Motive II, S. 16 f. Vgl. Motive II, S. 16 f.; dazu auch Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 195. 78 Motive II, S. 17. 79 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 95 ff. m. w. N.; Larenz, Schuldrecht I, § 27 I (S. 424); Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 30 II (S. 169 ff.); Lange / Schiemann, Einl. III. 2. (S. 9 ff.); C. Huber, Fragen der Schadensberechnung, S. 48 ff.; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S. 9 ff.; Staudinger-Schiemann, Vor §§ 249 Rn. 3; Palandt-Heinrichs, Vor §§ 249 Rn. 4; Jauernig-Teichmann, Vor §§ 249 Rn. 2. 80 Dazu eingehend oben Teil 2 A. III. 1. 81 Zur Totalreparation als Ausdruck des Prinzips ausgleichender Gerechtigkeit oben Teil 2 A. II. 1. 82 Zum Ausgleichsprinzip als Leitprinzip des Schadensersatzrechts oben A. III. 1.; außerdem Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 185 ff.; Staudinger-Schiemann, Vor §§ 249 Rn. 2 f.; Lange / Schiemann, Einl. III 2. (S. 9 ff.); Larenz, Schuldrecht I, § 27 I (S. 424); Esser / Schmidt, Schuldrecht I 2, § 30 II (S. 169 ff.); Palandt-Heinrichs, Vor §§ 249 Rn. 4; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 95 ff.; C. Huber, Fragen der Schadensberechnung, S. 48 ff.; Roussos, Schaden und Folgeschaden, S. 9 ff. 83 Vgl. etwa Larenz, Schuldrecht I, § 27 I (S. 424); MK-Mertens, 3. Auflage, Vor §§ 823 Rn. 44; MK-Oetker, § 249 Rn. 9; MK-Wagner, Vor §§ 823 Rn. 36 f.; für Pönalisierung und Prävention als Primärzweck etwa Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 6 ff.; Engel, JZ 1995, 213 ff.; P. Müller, Punitive Damages und deutsches Schadensersatzrecht, S. 3, 369; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, S. 206, m. w. N. 76 77
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pönalisiert man durch die Ersatzgewährung das Schädigerverhalten und verstößt bei fehlender Rechtsverletzung gegen das Ausgleichsprinzip. Das Prinzip der Totalreparation, d. h. die fehlende Ausrichtung der Folgen am Ausmaß der Schuld, ein objektiver Verschuldensbegriff sowie die passive Vererblichkeit der Ansprüche passen nicht zu einem Instrument „repressiver Buße“ und den damit verfolgten strafrechtsgleichen Zwecken85. Dies gilt ebenso für den Strafzweck der Prävention. Dabei kann nicht bestritten werden, dass Schadensersatzverpflichtungen auch präventiv wirken. Unrichtig ist aber die Annahme, bei der Prävention handle es sich um einen Zweck des Schadensersatzes86. Der Grundsatz der Totalreparation kollidiert mit einem Präventions- oder Pönalisierungszweck des Schadensersatzes87. Zwar sind in Gesetzgebung88 und Rechtsprechung89 gewisse Tendenzen zu einer Pönalisierung als Primärzweck zu erkennen, woraus Forderungen nach einem allgemein anerkannten Pönalisierungsgedanken entstanden90. Trotzdem ist aber 84 So aber R. Neuner, AcP 133 (1931), 304; dagegen Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 305 ff.; zur Kritik an § 311a II BGB aufgrund seines Strafcharakters Katzenstein, JR 2003, 447, 451 f. 85 Vgl. nur etwa Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 96 ff., S. 98 f.; Schwitanski, Deliktsrecht, S. 213 ff.; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 308. Auch Hirte, Berufshaftung, S. 325 spricht sich nach eingehender Untersuchung der ökonomischen Analyse des Rechts hinsichtlich des Haftungsrechts und insbesondere der Berufshaftung gegen ein Abrücken vom Schadensausgleich als primärem Ziel des Haftungsrechts aus. 86 So aber Dreier, Kompensation und Prävention, S. 607, 609, der die Meinung vertritt, dass die Aufgaben der Rechtsfolgen im Rahmen des Güterschutzes verkürzt werden, wenn die Zwecke, die über die Herbeiführung allein des Ausgleichs als Anspruchsziel hinausgehen, bei der Unterteilung in Primär- und Sekundärzwecke ausgeblendet werden. 87 Vgl. zum Ganzen Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 308 Fn. 37. 88 Z. B. § 54g III UrhG (doppelte Vergütung zur Durchsetzung des Auskunftsanspruches), dazu P. Müller, Punitive damages und deutsches Schadensersatzrecht, S. 131 Fn. 120; § 611a II BGB (dazu P. Müller, a. a. O., S. 148); § 311a II BGB (dazu Katzenstein, JR 2003, 447, 451). Zu pönalen Elementen im deutschen Zivilrecht auch Bentert, Das pönale Element, S. 58 ff.; P. Müller, a. a. O., S. 59 ff., S. 101 ff. 89 Vgl. dazu Körner, NJW 2000, 241; v. Gerlach, VersR 2002, 917; P. Müller, Punitive damages und deutsches Schadensersatzrecht, passim. 90 So Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, S. 6 ff.; Engel, JZ 1995, 213 ff.; P. Müller, Punitive Damages und deutsches Schadensersatzrecht, S. 3 spricht sich aus rechtspolitischer Sicht für „die Fruchtbarmachung des Schadensrechts für sanktionelle und schadenspräventive Zwecke“ aus. Nach seiner Ansicht ist das BGB-Schadensrecht de lege lata um ein Sanktionsprinzip zu ergänzen, weil es in der Rechtswirklichkeit neben dem Ausgleichsprinzip längst allgemeingültig sei (P. Müller, a. a. O., S. 369). Seiner Auffassung nach setzen die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung das Schadensersatzrecht zunehmend und verstärkt zu Sanktions- und Präventionszwecken ein. Untersuchungen vieler Urteile ergäben ein dem historischen Schadenskonzept widerstreitendes Vorherrschen dieser Zwecke gegenüber dem Schadensausgleichszweck. Müller bemängelt, dass diese Zweckverfolgung von den Gerichten in den wenigsten Fällen wertungsoffen ausgesprochen werde. Vielmehr seien häufig „Scheinbegründungen“ zu lesen: „Billigkeitsargumente, reductiones ad absurdum, normativer Schaden und dgl.“. Die Regelung des Art. 40 III Nr. 1 und 2 EGBGB
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entsprechend der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an der grundsätzlichen Verwerfung des Pönalisierungsgedankens für das Zivilrecht durch die Gesetzesverfasser festzuhalten91. Bewusste oder unbewusste pönale Elemente in neuerer Gesetzgebung und Rechtsprechung sind daher keine Legitimation für ein übergesetzliches, allgemein geltendes Sanktionsprinzip und können keine so grundsätzliche Systemveränderung herbeiführen. Hierfür spricht auch die ausdrückliche Ablehnung von punitive damages92 im deutschen Recht durch die Rechtsprechung. Zwar ist das Verschulden im Rahmen der Verschuldenshaftung Haftungsvoraussetzung; liegt diese vor, so bestimmt allein der Schaden den Ersatz. Sie würde sonst einer Privatstrafe gleichen, die man auch ohne Schaden gewährt. Die reine Verhaltenssanktion im Dienste strafrechtsgleicher Zwecke ist aber nicht Sache des zivilrechtlichen Schadensersatzes93 und entspricht nicht der gesetzlichen Regelung des BGB94. Das Ausgleichsprinzip schließt Pönalisierung und Prävention als primäre Ziele des Schadensersatzes gerade aus. Gegen das Ausgleichsprinzip wird verstoßen, wenn allein an die rechtswidrige schuldhafte Handlung die Haftungsfolge geknüpft wird95. Aus diesem Grunde ist auch ein Präventionszweck im Sinne einer berufsrechtlichen Steuerung durch Schadensersatz – wie teilweise gefordert96 – abzulehnen. spiegle den deutschen ordre public insoweit unzutreffend wider, als mit ihr die Geltendmachung von Strafschadensersatz eo ipso abgewehrt werden soll (P. Müller, a. a. O., S. 368 Fn. 482). 91 A. A. Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, S. 206, m. w. N. Er ist mit Hinweis auf extrakompensatorische Elemente im deutschen Schadensrecht (doppelter Vergütungsanspruch des § 54g III UrhG, GEMA-Zuschlag, erhöhtes Beförderungsentgelt bei Schwarzfahrten, erhöhtes Schmerzensgeld bei zögerlicher Schadensregulierung durch Versicherungsunternehmen, Schmerzensgeld zum Zwecke der Abschreckung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen sowie § 611a II BGB und §§ 9, 10 KSchG) der Ansicht, dass punitive und multiple damages nicht gegen den Kompensationsgrundsatz des deutschen Schadensrechts verstoßen. 92 Grundlegend BGHZ 118, 312, 334 ff.; BVerfG JZ 2003, 956 (einstweilige Aussetzung der Zustellung einer US-amerikanischen Sammelklage (class action) in Höhe von 17 Mrd. US-Dollar in Deutschland mit der Begründung, die Verurteilung der Beschwerdeführerin in dem US-amerikanischen Verfahren sei mit den Maßstäben des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren). 93 s. etwa Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 201 f., 224 f.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 96 ff.; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 49; Lange / Schiemann, Einl. III. 2. (S. 12 f.); BGHZ 118, 312, 338 ff.; MK-Grunsky, 3. Auflage, Vor §§ 249 Rn. 3 m. w. N.; MK-Oetker, § 249 Rn. 8; a. A. etwa Gottwald, Schadenszurechnung, S. 160 ff.; Gotthardt, Wandlungen, S. 13 ff., 32 f., der aber gleichzeitig nicht bestreitet, dass den gesetzlichen Regelungen der Ausgleichsgedanke zugrunde liegt. 94 Vgl. Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 190. 95 So aber R. Neuner, AcP 133 (1931), 304; dagegen Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 305 ff.; Katzenstein, JR 2003, 447, 451. 96 So etwa P. Müller, Punitive Damages und deutsches Schadensersatzrecht, S. 3.
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Eine besondere Berufshaftung als berufsrechtliche Steuerung, beispielsweise legitimiert durch die gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Vermögenshaftpflichtversicherung, wäre mit dem Ausgleichsprinzip nicht zu vereinbaren.
3. Exkurs: Haftung und Haftpflichtversicherung a) Kollektivierung des Schadensersatzes durch Versicherungsleistungen In Anwaltshaftungsfällen haben letztlich die Vermögenshaftpflichtversicherungen der Anwälte für die angeblich bestehenden Schadensersatzforderungen wegen entgangener Erbschaft aufzukommen97. Durch die Inanspruchnahme einer Versicherung erfolgt eine Kollektivierung des Schadensersatzes durch Versicherungsleistungen: Es werden die von Rechtsanwälten verursachten Vermögensschäden vom Kollektiv der Versicherten getragen98. Durch die Versicherungsleistung erfolgt damit – abgesehen vom Selbstbehalt – typischerweise keine Vermögensminderung beim Schädiger, sondern der Schadensersatz wird durch eine Verminderung an irgendeiner anderen Stelle der Volkswirtschaft finanziert99. Eine Vermögensminderung tritt folglich beim Kollektiv der Prämienzahler ein, die durch eine höhere Zahl von Haftungsfällen höhere Prämien aufwenden müssen100. Die Prämienzahler erwirtschaften somit niedrigere Gewinne, die wiederum zu niedrigeren Steuereinnahmen führen. Fraglich ist, ob die Tatsache, dass nicht eine Einzelperson, sondern letztlich ein Kollektiv von Versicherten den angeblichen Schaden zu tragen hat, in irgend einer Weise tendenzielle Rückschlüsse auf die Gründe der Entscheidungen des BGH zur Anwaltshaftung zulässt.
97 Gemäß § 51 BRAO besteht seit 1994 eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Vermögenshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 500.000 DM bzw. 250.000 EUR pro Versicherungsfall. Zuvor galt § 48 RichtlRA, wonach ein Rechtsanwalt standesrechtlich zum Unterhalten einer angemessenen Versicherung (im Regelfall eine Mindestversicherungssumme von 100.000 DM, die aber für die meisten Kanzleien nicht ausreichte) verpflichtet war. 98 Zum Einfluss kollektiver Schadensausgleichssysteme etwa MK-Oetker, § 249 Rn. 10. 99 Zur Gebrauchsvorteils-Entschädigung Schiemann, FS Hagen, S. 27, 31; zur Überlagerung der bürgerlich-rechtlichen Haftung durch kollektive Ausgleichssysteme Sieg, VersR 1980, 1085. 100 Zur Abwälzung eines Schadens auf die Gemeinschaft aller Versicherten auch Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 114 ff.; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten (2001), S. 192 im Zusammenhang mit der Frage, ob ein versicherter Geschädigter rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er nicht vorrangig seine Versicherung anstatt des nichtversicherten Schädigers in Anspruch nimmt. Zu Recht vertritt Sandmann die Ansicht, dass ein Versicherungsunternehmen trotz seiner erheblichen finanziellen Leistungskraft nicht schlechter gestellt werden darf als andere Beteiligte des Privatrechtsverkehrs.
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b) Unvereinbarkeit einer Rückwirkung der Haftpflichtversicherung mit dem aus dem Ausgleichsprinzip folgenden Trennungsgrundsatz Die Akzessorietät der Haftpflichtversicherung gegenüber dem materiellen Haftpflichtanspruch (sog. Trennungsgrundsatz101) spricht gegen eine Berücksichtigung des Bestehens einer Haftpflichtversicherung. Die Versicherung dient lediglich dazu, den Schädiger von seiner Haftung freizustellen. Nach dem traditionellen Trennungsprinzip wird die Haftung von dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung nicht berührt102. Die Verpflichtung des Schädigers wird danach unabhängig davon bemessen, wer sie tatsächlich zu erfüllen hat; dass die Last in Wirklichkeit von einer Versicherung zu übernehmen ist, muss deshalb außer Acht gelassen werden. Das Verhältnis von Haftung und Versicherung ist also bei Beachtung des Trennungsgrundsatzes einseitig und nicht wechselseitig: die Haftung wirkt auf die Versicherung; denn die Deckungspflicht des Versicherers bemisst sich nach dem Umfang der Haftung des Versicherten. Die Versicherung wirkt dagegen nicht zurück. Insbesondere kann der Versicherungsschutz fehlende Haftungsvoraussetzungen nicht ersetzen103. Mit dem im bürgerlichen Recht geltenden Ausgleichsprinzip lassen sich Argumente der distributiven Gerechtigkeit, die sich nicht auf die persönliche Erfolgsverantwortlichkeit des Schädigers oder die dem Anspruchsteller zugewiesenen Rechte beziehen lassen, nicht vereinbaren. Grundsätzlich unzulässig ist es deshalb, eine Haftungsentscheidung von den konkreten Vermögensverhältnissen der Parteien abhängig zu machen. Ebenso muss auch das Bestehen einer Versicherung ausscheiden, weil der Bestand einer Versicherung lediglich einen Aspekt des Vermögens einer Partei bildet. Zwar sind im Rahmen von § 829 BGB und beim Schmerzensgeld104 die Vermögensverhältnisse und aufgrund dessen nach Ansicht der Rechtsprechung105 auch das Bestehen einer Versicherung zu berücksichtigen106; eine Rückwirkung des Bestehens einer Haftpflichtversicherung auf die Dazu v. Bar, AcP 181 (1981), 289 ff. Zum Trennungsprinzip Hanau, VersR 1969, 291. 103 Vgl. Hanau, VersR 1969, 291. 104 Zum Trennungsprinzip bei Schmerzensgeld Hanau, VersR 1969, 291: Der Richter gewährt deshalb ein höheres Schmerzensgeld als er es wegen schlechter wirtschaftlicher Lage des Schädigers sonst vielleicht getan hätte, wenn er mit dem Eintritt eines Versicherers rechnen kann. Dort wirkt also die Versicherung auf die Höhe der Haftung zurück. 105 Vgl. dazu die Darstellung bei MK-Wagner, § 829 Rn. 19. 106 Vgl. Erman-Schiemann, § 829 Rn. 5 zur Berücksichtigung des Bestehens einer Haftpflichtversicherung im Rahmen einer Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB. Eine versicherungsrechtliche Erweiterung des Deckungsschutzes auf die potenziellen Opfer bei Pflichtversicherungen soll zur Berücksichtigung des Bestehens einer Pflichtversicherung führen (Erman-Schiemann, § 829 Rn. 5). Die Einbeziehung der freiwilligen Haftpflichtversicherung in die Vermögensverhältnisse des Schädigers soll nach Ansicht Schiemanns deshalb erfolgen, weil der Versicherer bei Abschluss des Versicherungsvertrages ja ohnehin davon ausgehe, dass der Versicherte haftpflichtig werden kann (Erman-Schiemann, § 829 101 102
C. Konsequenz: Die Inkonsistenz der BGH-Lösung im Testamentsfall
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Haftung, also eine Nichtbeachtung des traditionellen Trennungsgrundsatzes, wäre aber außerhalb dieser schadensersatzrechtlichen Sonderbestimmungen nicht kompatibel mit dem geltenden Ausgleichsprinzip107. c) Rückwirkung der Zahlungspflicht von Haftpflichtversicherungen auf die Haftung von Rechtsanwälten? Ob der BGH in der Testamentsentscheidung und den darauffolgenden Urteilen zur Anwaltshaftung wegen entgangener Erbschaft108 mit der Verurteilung der Rechtsanwälte gegen das Trennungsprinzip verstieß, kann anhand der Urteilsbegründungen abschließend nicht geklärt werden109. Den Entscheidungsgründen ist nicht zu entnehmen, ob die Zahlungspflicht der Versicherungen im Versicherungsfall Auswirkungen auf die Verurteilung der beklagten Rechtsanwälte hatte. Offen bleibt daher die Frage, wie der BGH in diesen Fällen entschieden hätte, wenn die Möglichkeit einer Abwälzung auf das Kollektiv der Versicherungsnehmer nicht bestanden und die Schadensersatzpflicht zu ruinösen Folgen beim Rechtsanwalt geführt hätte. Gegen einen Verstoß gegen das Trennungsprinzip spricht die explizite Anerkennung dieses Prinzips durch den BGH in zahlreichen Entscheidungen zu § 829 BGB110. Trotz dieser ausdrücklichen Anerkennung des Trennungsprinzips durch die höchstrichterliche Judikatur bleiben aber Zweifel, ob angesichts der erheblichen finanziellen Leistungskraft der Versicherungsunternehmen nicht manches Urteil zugunsten des Geschädigten von der Tendenz geprägt ist, dass individuelle Nachteile nicht hingenommen werden müssen, wenn die Ersatzpflicht auf einen finanzkräftigen Schuldner weitergewälzt werden kann111. Dafür spricht vor allem die extensive Rechtsprechung zum „Kraftfahrzeugrecht“ insbesondere bezüglich des Ersatzes abstrakter Gebrauchsvorteile112. Mit der Rn. 5). Für eine Berücksichtigung jedweder Haftpflichtversicherung auch MK-Wagner, § 829 Rn. 21 m. w. N. 107 Zum Ausgleichsprinzip eingehend oben Teil 2 A. II. und III. 108 Zu weiteren Urteilen siehe unten Teil 4 B. 109 Zur fehlenden Nachprüfbarkeit der Abhängigkeit des Haftpflichtanspruchs von der Haftpflichtversicherung, wenn sie in den Urteilsgründen nicht apostrophiert ist Sieg, VersR 1980, 1085, 1090. Er vertritt die Ansicht, dass bei einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO wohl jeder Richter großzügig verfährt, wenn er weiß, dass hinter dem Schädiger ein Haftpflichtversicherer steht. Sieg lehnt solche Reflexwirkungen grundsätzlich ab (S. 1090); ebenso Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 625; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 192; a.A. v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 326, der aber bemängelt, dass die von der Rechtsprechung gezogenen Rückschlüsse aus dem Bestehen einer Versicherung regelmäßig nicht offengelegt werden (a. a. O., S. 326). 110 BGH NJW 1958, 1631; BGH NJW 1962, 2201. 111 Zum Wertewandel im Schadensrecht als Folge eines modernen Wohlfahrtsstaats Schiemann, FS Hagen, S. 27, 30 ff. 112 BGHZ 40, 345; BGHZ 63, 393; BGHZ 74, 231; BGHZ 76, 179; BGHZ 86, 128. – Das Schrifttum lehnt wohl überwiegend die Qualifizierung des zeitweisen Verlustes der Eigennut-
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
höchstrichterlichen Judikatur erfolgt diesbezüglich eine Gleichstellung abstrakter Gebrauchsvorteile mit zu Erwerbszwecken eingesetztem Sachvermögen: der entgangene Gebrauchsvorteil wird ersetzt, allerdings ohne einen Hinweis darauf, an welche Norm für den Ersatz der Gebrauchsvorteile anzuknüpfen ist113. Damit wird eine Art Garantie für die Aufrechterhaltung des laufenden, alltäglichen Lebensstandards für „Güter von zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung“114 geschaffen. Diese Steigerung der Lebensqualität wird im Falle eines Kraftfahrzeugschadens über das Kollektiv der Prämienzahler ersetzt. Alle Versicherungsnehmer müssen durch teurere Versicherungen höhere Kosten aufwenden, um diesen Lebensstandard auch im Schadensfall wenigstens monetär aufrechtzuerhalten. Im Testamentsfall ist die Problematik allerdings insofern anders gelagert, als es hier nicht um schadensrechtliche Wertungsfragen bezüglich der Schadenshöhe bei feststehender Haftpflicht wegen einer Rechtsgutsverletzung geht, sondern um die Frage, ob der Rechtsanwalt gegenüber der Klägerin überhaupt einen ersatzfähigen Schaden verursacht hat. Es mag sich bei der Problematik des Fahrzeugschadens um eine solche handeln, die im Einklang mit dem geltenden Recht sowohl die eine wie die andere Lösung zulässt, und damit um eine politische Entscheidung über die Verteilung von Geld115. Hier dagegen geht es um eine rein haftungsrechtliche Frage ohne Wertungsspielraum, weil die Wertentscheidung bereits vom Gesetz zuungunsten der enttäuschten Erbin getroffen ist116. Die Frage aber, ob die Möglichkeit der Abwälzung der Zahlungspflicht auf eine Versicherung den BGH in Anwaltshaftungsfällen teilweise zu einer Verurteilung der beklagten Rechtsanwälte verleitet und damit gegen das Trennungsprinzip verstößt, kann nicht abschließend geklärt werden.
zung einer Sache als Vermögensschaden ab und bewertet diesen Ausfall als bloße Schadensquelle, aus der bei eigenwirtschaftlicher Verwendungsplanung nur nicht zu ersetzende immaterielle Einbußen erwachsen könnten. Stellvertretend für viele: Bötticher, VersR 1966, 301 f.; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 208 ff., 241 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c (S. 495 ff.); ders., FS Nipperdey, S. 489, 498 ff.; ders., VersR 1963, 312 f.; Löwe, VersR 1963, 307 ff.; Tolk, Der Frustrierungsgedanke und die Kommerzialisierung, S. 95 ff.; ders., JZ 1975, 531. Von einigen Autoren wird die Rechtsprechung trotz erheblicher dogmatischer Bedenken im Ergebnis gebilligt: Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 66, 298 ff.; ders., JuS 1998, 20, 21 f.; Staudinger-Medicus, 12. Auflage 1983, § 253 Rn. 33 ff., 36, 41; zum Nutzungsausfall für Kraftfahrzeuge außerdem Schiemann, FS Hagen, S. 27, 29 ff.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S. 157; Schulte, Schadensersatz in Geld für Entbehrungen, S. 25; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 88 ff. mit Besprechung Hagen, AcP 1982 (182), 573. 113 Vgl. dazu auch Schiemann, FS Steffen, S. 399, 410. 114 BGHZ 98, 212 (Nutzungsausfall eines Hauses). 115 Vgl. Schiemann, FS Hagen, S. 27, 31. 116 Oben A. und B.
C. Konsequenz: Die Inkonsistenz der BGH-Lösung im Testamentsfall
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II. Die „lachenden Doppelerben“ 1. Doppelte Zuweisung der Erbschaft durch Anerkennung eines kondiktionsfesten Erwerbs der profitierenden Miterbin mit gleichzeitiger schadensrechtlicher Korrektur zugunsten der Klägerin a) Bei der vom Bundesgerichtshof vertretenen Lösung im Testamentsfall wird die der enttäuschten Erbin entgangene Erbschaft bei der vom „Schadensfall“ profitierenden Miterbin und Enkelin des Erblassers belassen. Nach dieser Lösung erwirbt die Enkelin ihren Erbteil kondiktionsfest. Die Rechtsveränderung aufgrund der mit dem Erbfall eintretenden gesetzlichen Erbfolge hat also nach dieser Ansicht nicht nur formelle, sondern auch materielle Rechtswirkung. Damit ist der in Frage stehende Erbteil der Enkelin mit dem Erbfall ausschließlich und endgültig zugewiesen. Gleichzeitig wird diese Entscheidung „korrigiert“ durch die Anerkennung eines Schadensersatzanspruches zugunsten der Tochter gegen den Rechtsanwalt in Höhe der entgangenen Erbschaft. Im Ergebnis wird damit derselbe Vermögenswert zweimal an verschiedene Rechtssubjekte zugewiesen: die erste Zuweisung erfolgte substanziell durch die Anerkennung der Erbenstellung der Enkelin, die zweite erfolgte monetär durch die Zuerkennung eines Ersatzanspruchs in Höhe der entgangenen Erbschaft an die Tochter des Erblassers. Die zweite Konsequenz der Ersatzgewährung für die entgangene Nachlasshälfte trotz fehlender Verletzung eines entsprechenden Rechts der enttäuschten Erbin ist damit die wertmäßig doppelte Zuweisung der entgangenen Erbschaft. Einerseits wird die Enkelin des Erblassers Miterbin zur Hälfte. Andererseits wird die zweite Nachlasshälfte der Tochter des Erblassers zugewiesen und durch den Ersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt ergänzt, wodurch sie wertmäßig so gestellt wird als wäre sie nicht nur Erbin zur Hälfte, sondern Alleinerbin geworden. Da aber gleichzeitig der Miterbin der enttäuschten Erbin die erlangte Nachlasshälfte nicht wieder genommen wird, was sich auch nicht begründen ließe, entsteht das Phänomen der „lachenden Doppelerben“ zulasten des zur Zahlung verurteilten Rechtsanwalts. b) Die Problematik der „lachenden Doppelerben“ erkannte der Senat wohl erst nach dem Hinweis Kegels117. Dies ergibt sich daraus, dass in einer späteren Entscheidung desselben Senats auf Kegels Ausführungen Bezug genommen und ein Schadensersatz mit dem Hinweis auf das Problem der „lachenden Doppelerben“ aus Billigkeitsgründen reduziert wurde, weil die minderjährigen und unterhaltsberechtigten Kinder des Geschädigten von einer fehlerhaften Beratung des Rechtsanwalts und Notars profitierten118. Nach Ansicht des BGH hatte der beklagte Notar dem Kläger wegen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz zu haften. Da es der Senat mit Hinweis auf 117 118
Kegel, FS Flume, S. 545 ff. BGH NJW 1979, 2033 f.; dazu siehe oben Teil 1 C. II.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
die „lachenden Doppelerben“ als unbillig empfand, dem Kläger den Schaden in Höhe der entgangenen Erbschaft in voller Höhe zu ersetzen, während seine Kinder von dem schädigenden Ereignis profitierten, wurde der Beklagte zur Zahlung eines reduzierten Betrages verurteilt. Der BGH stellte hinsichtlich des zu ersetzenden Schadens nicht auf die Abfindungszahlung, sondern auf den Wert der entgangenen Erbschaft bzw. auf den vom Vormundschaftsgericht genehmigten Kaufpreis ab, so dass diesbezüglich trotz Reduzierung der Ersatzleistung ebenfalls eine zweifache Zuweisung der Erbschaft erfolgte. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ist jedoch insofern anders gelagert als der Testamentsfall, als der Geschädigte durch die Abfindungszahlung über sein Vermögen verfügte und dieses dadurch verminderte119. In dieser Höhe ist ihm auf jeden Fall ein Minus in seinem Vermögen entstanden, weil sich diese Summe zuvor in seinem Vermögen befand. Es war ihm auch vor dem schädigenden Ereignis gegenüber dem Beklagten zugewiesen, weil der Beklagte nach der Schutzzwecklehre diese Vermögensinteressen seines Mandanten durch die Beratung zu schützen hatte. Inhalt der Beratungspflicht war also auch der Schutz der Erhaltungsinteressen des Klägers. Der Beklagte hat mit seiner Falschberatung sowohl eine Leistungs- wie auch eine Erhaltungspflicht verletzt120. Dieser Schaden ist auch ersetzbar, weil der Beklagte den Schaden schuldhaft herbeiführte121. 2. Die aus der zweifachen Zuweisung folgende Widersprüchlichkeit der BGH-Lösung Die Lösung des Testamentsfalls durch die höchstrichterliche Judikatur ist widersprüchlich, weil sie denselben Vermögenswert zwei unterschiedlichen Rechtssubjekten zum Nachteil des Beklagten zuweist, indem sie das eine Rechtssubjekt als Rechtsnachfolger des Erblassers anerkennt und gleichzeitig entscheidet, dass dem anderen Rechtssubjekt dieser Teil des Nachlasses ebenfalls zugestanden hätte und hierfür ein Ersatz gewährt werden muss. Folge dieses Widerspruchs sind die „lachenden Doppelerben“. Die Ausgestaltung des Erbrechts versagt eine Rechtszuweisung der Erbschaft im Hinblick auf die enttäuschte Erbin nicht nur vor dem Erbfall122, sondern auf119 Zur fehlenden Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte vgl. auch Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 103. 120 Zur „Doppelung der Pflichtverletzungen“ Fliegner, JR 2002, 314 m. w. N. 121 Wird der Beklagte in Höhe der geleisteten Abfindungszahlung vom Kläger in Anspruch genommen, muss er sich bei den vom Schadensfall profitierenden Kindern des Geschädigten schadlos halten können, weil sonst in Höhe der Abfindungssumme ebenfalls eine zweifache Zuweisung zu seinen Lasten erfolgen würde. Alternativ kann der Kläger auch bei seinen Kindern kondizieren und den Beklagten in Höhe der Rechtsverfolgungskosten und der Beträge in Anspruch nehmen, die er eventuell wegen § 818 III BGB von den Kindern nicht mehr zurückerlangt; vgl. Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 103, der einen Kondiktionsanspruch des Klägers gegen seine Kinder analog § 816 I 2 BGB vorschlägt.
C. Konsequenz: Die Inkonsistenz der BGH-Lösung im Testamentsfall
151
grund der nichterfüllten Formvorschriften auch nach dem Erbfall, sowohl wertmäßig durch Schadensersatz, weil hierfür ein Recht vor dem Erbfall gerade Voraussetzung ist123, als auch substanziell124. Die Versagung der substanziellen Zuweisung an die enttäuschte Erbin wird aufgrund der nicht erfüllten erbrechtlichen Formvorschriften kaum bestritten, nicht dagegen eine monetäre Zuweisung durch die Gewährung von Schadensersatz. Für eine wertmäßige Zuweisung nach dem Erbfall gibt es aber mangels einer entsprechenden Rechtszuweisung keine Rechtfertigung.
III. Inkonsistenz einer bereicherungsrechtlichen Lösung zugunsten der enttäuschten Erbin zur Vermeidung von Pönalisierung und doppelter Zuweisung Doppelte Zuweisung und Pönalisierung ließen sich neben einer Versagung eines Schadensersatzanspruches in Höhe der entgangenen Erbschaft nur vermeiden, indem man der Tochter des Erblassers einen Bereicherungsanspruch gegen ihre Miterbin zusprechen würde, die von dem „schädigenden“ Ereignis profitierte. Eine bereicherungsrechtliche Lösung bietet jedoch ebenso wenig wie die Gewährung eines Schadensersatzanspruches eine dogmatisch konsistente Lösung des Testamentsfalles, denn Voraussetzung eines Bereicherungsanspruches ist eine Vermögensverschiebung, dass also der jeweilige Erwerb in eine zuvor bestehende dem Anspruchsteller zugewiesene Rechtsposition eingreift. Diese Vermögensverschiebung von der Tochter des Erblassers zu seiner Enkelin dürfte lediglich formelle Rechtswirkung haben und müsste folglich ohne rechtfertigenden Grund erfolgt sein. Materiell müsste also die gesamte Erbschaft bereits vor dem Erbfall der Klägerin zugeordnet gewesen sein. Eine solche Zuordnung besteht nach den obigen Ausführungen gerade nicht125. Der streitige Erbteil kann jedenfalls nur einem Rechtssubjekt zugewiesen werden: entweder der Tochter oder der Enkelin des Erblassers. Das Gesetz entscheidet diesen Interessenkonflikt grundsätzlich zugunsten des formwirksam eingesetzten Erben und damit im Testamentsfall zugunsten der Enkelin. Es sieht bei fehlender formwirksamer testamentarischer Regelung die gesetzliche Erbfolge vor. Diese hat dann nicht nur formelle, sondern auch materielle Rechtswirkung. Man müsste die gesetzlichen Formvorschriften umgehen, wollte man dem wie im Testamentsfall formunwirksam erklärten Willen des Erblassers Rechtswirkung beimessen126. Ob Oben A. und B. Oben Teil 2 A. 124 Zur substanziellen Zuweisung an die Tochter trotz nichterfüllter Formvorschriften und zu Kegels Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ unten D. 125 Oben A. und B. 126 So aber Kegel, FS Flume, S. 545 ff.; dazu eingehend D. 122 123
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
zugunsten der Tochter eine Ausnahme von den Formvorschriften gemacht werden kann oder muss, wie es Kegel propagiert, ist zu untersuchen.
IV. Ergebnis Die BGH-Lösung jedenfalls ist bereits aus den bisher genannten Gründen abzulehnen: Der Rechtsanwalt hat kein Recht der enttäuschten Erbin verletzt. Die enttäuschte Erbin hat demzufolge weder eine Vermögenseinbuße erlitten noch ist ihr ein Gewinn entgangen. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches sind damit nicht erfüllt. Gewährt man wie der BGH trotzdem einen Ersatzanspruch wegen entgangener Erbschaft, pönalisiert man das Verhalten des Rechtsanwalts und weist gleichzeitig die entgangene Erbschaft zweimal zu.
D. Exkurs: Die Unvereinbarkeit eines Erbrechts kraft „besseren Erblasserwillens“ mit den erbrechtlichen Formvorschriften Kegel umgeht die Problematik der fehlenden Rechtszuweisung vor dem Erbfall konstruktiv, indem er einen enttäuschten Erben nicht abstrakt, sondern kausal die Erbschaft erwerben lässt. Das heißt, er wird nach der Ansicht Kegels kraft „besseren Erblasserwillens“ mit dem Erbfall Erbe. In der Konsequenz führt nach Ansicht Kegels gleichzeitig der wahre Erblasserwille zum Nichterwerb der Erbschaft durch den formwirksam eingesetzten Erben. Der kausale Erwerb erscheint bedenklich. Die Begründung, ein kausaler Erwerb des Dritten sei pragmatischer als ein lediglich abstrakter Erwerb der Erbschaft, reicht hierfür nicht aus, wie sogleich näher zu zeigen ist.
I. Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ in den gesetzlich geregelten Fällen verhilft gerade nur formwirksamen Erklärungen oder der gesetzlichen Erbfolge zur Wirksamkeit Ein Wegfall der Nachlassberechtigung kraft „besseren Erblasserwillens“ könnte durch eine analoge Anwendung solcher Normen erfolgen, nach denen die formwirksame gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge nicht zur Geltung kommt, weil sie nicht dem wahren Willen des Erblassers entspricht. Kegel vergleicht den Testamentsfall mit gesetzlich geregelten Situationen, in denen der Wille des Erblassers einem besseren Willen des Erblassers weichen muss: Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen, Entziehung des Pflichtteils und Widerruf oder Rücktritt bei bindenden Verfügungen von Todes wegen. Kegel fragt sich, ob der Testamentsfall „auf die eine oder andere Seite“ gehöre127 und kommt zu dem Ergebnis der Testa-
D. Die Unvereinbarkeit eines Erbrechts kraft besseren Erblasserwillens
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mentsfall gehöre auf die Seite der gesetzlichen Regelungen, nach denen die Nachlassberechtigung kraft „besseren Erblasserwillens“ entfällt. Fraglich ist jedoch, ob die von Kegel angeführten gesetzlichen Regelungen überhaupt mit dem Testamentsfall vergleichbare Fallgestaltungen regeln. 1. Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen (§§ 2078, 2279, 2281 BGB) Durch die Anfechtung können Verfügungen von Todes wegen beseitigt werden, die nicht dem wahren Willen des Erblassers entsprechen. Die wirksame Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen führt zu deren Nichtigkeit. An die Stelle der nichtigen Verfügung tritt eine andere formwirksame Verfügung des Erblassers oder die gesetzliche Erbfolge. Die Legitimierung für die andere Erbfolge ist in den Anfechtungsfällen neben dem Anfechtungsgrund (Drohung, Erklärungs- oder Motivirrtum des Erblassers), gerade nicht eine formunwirksame Erklärung des wahren Willens wie im Testamentsfall nach Kegels Lösung, sondern entweder eine formwirksame frühere Erklärung des Erblassers oder die gesetzliche Erbfolge. 2. Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 – 2336 BGB) In §§ 2333 – 2336 BGB wird zugunsten der uneingeschränkten Testierfreiheit eine Ausnahme von der Entscheidung des Gesetzgebers gemacht, wonach die Pflichtteilsansprüche des Ehegatten und der engsten Verwandten der Disposition des Erblassers entzogen sind. Jedoch sind die gesetzlich geregelten Fälle, in denen der Erblasser ausnahmsweise einem Pflichtteilsberechtigten dessen Pflichtteil entziehen kann, mit den Ausgangsfällen aus zwei Gründen nicht vergleichbar: Erstens ist auch die Pflichtteilsentziehung wiederum nur durch eine formwirksame letztwillige Verfügung möglich (§ 2336 I BGB i. V. m. §§ 2231, 2247, 2276 BGB). Zweitens kann die Pflichtteilsentziehung aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung für die Pflichtteilsansprüche auch nur in Ausnahmefällen und unter bestimmten gesetzlich geregelten Voraussetzungen erfolgen. In den übrigen Fällen hat der Erblasser nicht die Möglichkeit der Pflichtteilsentziehung, auch wenn diese seinem wahren Willen entspricht. Es kommt also bei der Pflichtteilsentziehung regelmäßig gerade nicht auf den „besseren Erblasserwillen“ an. 3. Rücktritt von vertragsmäßigen Verfügungen oder Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen von Todes wegen Wie bei den Fällen der Pflichtteilsentziehung sind hier zwei Gründe zu nennen, aufgrund derer eine Vergleichbarkeit mit dem Testamentsfall und damit eine Rechtsanalogie scheitert: 127
Kegel, FS Flume, S. 545, 553.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
aa) Rücktritt und Widerruf sind nur unter Beachtung bestimmter Formvorschriften möglich. Der Rücktritt von einem Erbvertrag kann nur durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsschließenden erfolgen (§ 2296 BGB). Nach dem Tode des anderen Vertragsschließenden ist ein Rücktritt nur durch Testament wirksam. Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist ebenfalls nur unter Beachtung der Formvorschriften von § 2296 BGB möglich (§ 2271 I 1 BGB). bb) Ferner muss ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht vorliegen. Nach § 2293 BGB kann ein Rücktritt vom Erbvertrag im Falle eines Rücktrittsvorbehaltes (§ 2293 BGB) nur zu Lebzeiten des anderen Vertragsschließenden (§ 2298 II 2 BGB) oder bei Verfehlungen des Bedachten (§ 2294 BGB) erfolgen. Ein weiterer Rücktrittsgrund ist zudem in § 2295 BGB geregelt. Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tode des Ehegatten ist nur durch Ausschlagung des Zugewendeten (§ 2271 II 1 BGB) oder bei Verfehlungen des Ehegatten (§§ 2271 II 2, 2294, 2333 ff. BGB) möglich. In allen anderen gesetzlich nicht geregelten Fällen gelangt mangels Rücktrittsoder Widerrufsrecht der wahre Erblasserwille gerade nicht zur Geltung.
4. Zwischenergebnis Die untersuchten gesetzlichen Regelungen sind keinesfalls mit dem Testamentsfall vergleichbar, weil jeweils anstatt des vernichteten Willens die gesetzliche Erbfolge oder eine formwirksam erklärte letztwillige Verfügung des Erblassers aber nie der formunwirksam erklärte Wille zur Geltung kommt. Eine Analogie kann daher nicht erfolgen. Die Vergleichsfälle stellen lediglich klar, ob der Wegfall des erbrechtlichen Erwerbs in den gesetzlich geregelten Fällen abstrakt oder kausal erfolgt, liefern aber letztendlich keinen Grund dafür, warum im Testamentsfall ebenfalls die Nachlassberechtigung entfallen soll128. Sie sind gesetzlich geregelte Ausnahmefälle, die bezüglich des Testamentsfalles nicht analogiefähig sind129.
Vgl. Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101. Zur fehlenden Vergleichbarkeit der von Kegel angeführten gesetzlichen Ausnahmefälle siehe auch Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 79 f.; tendenziell positiv gegenüber Kegels Ansatz H. Honsell, FS Medicus, S. 211, 225: Vielleicht werde der Testamentsformalismus eines Tages der Normzwecklehre unterworfen und der Satz „cessante ratione lex ipsa“ auch bei Formvorschriften anerkannt. 128 129
D. Die Unvereinbarkeit eines Erbrechts kraft besseren Erblasserwillens
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II. Klare Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen formlos geäußerten Erblasserwillen als Rechtsgrund 1. Zweck der erbrechtlichen Formvorschriften130 Zweck der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen ist zum einen der Schutz des Erblassers vor übereilten Entschlüssen; durch den Formalakt wird der Erblasser zu nochmaligen Überlegungen gezwungen. Zum anderen sollen die erbrechtlichen Formvorschriften den letzten Willen klar- und sicherstellen. Sie sollen außerdem den endgültigen Entschluss von bloßen Vorüberlegungen und Verfügungen von Todes wegen von Geschäften unter Lebenden abgrenzen. Charakteristisch für formfehlerhafte Verfügungen von Todes wegen ist, dass sich der Formmangel immer erst nach dem Erbfall zeigt und daher (vom Erblasser) nicht mehr beseitigt werden kann. Bei sonstigen formbedürftigen Geschäften unter Lebenden ist eine Wiederholung unter Wahrung der Formvorschriften oder auch eine Heilung möglich, z. B. §§ 311b I S. 2, 518, 766 BGB. Fraglich ist daher, welche Bedeutung einem formlos erklärten Erblasserwillen zukommen soll. Einerseits kann angesichts der Grundentscheidung des Gesetzes für die Formbedürftigkeit der letztwilligen Verfügungen der nicht formgerecht niedergelegten Erklärung nicht die gleiche Bedeutung zukommen wie dem formgerecht geäußerten Willen. Andererseits bestehen die Formvorschriften nicht um ihrer selbst willen, so dass grundsätzlich eine Lockerung der Formerfordernisse in Betracht kommt, soweit ihr Zweck hier nicht gefährdet ist. Entsprechend bezeichnet Kegel ein Beharren auf den Formvorschriften in den Testamentsfällen als Rechtsmissbrauch.
2. Kein Rechtsmissbrauch bei Beharren auf den Formvorschriften Zwar ist das Argument Kegels, bei der Gewährung von Schadensersatz sei wie durch die Formvorschriften im Erbrecht der Beweis zu erbringen, dass der Erblasser seine Tochter als Alleinerbin einsetzen wollte131, bestechend. Nach Ansicht Kegels muss der Nachweis des „besseren Erblasserwillens“ ebenso gelingen wie bei der schadensrechtlichen Lösung des BGH132. Zwar gelingt im Testamentsfall dieser Nachweis tatsächlich. Kegel übersieht jedoch, dass die vermögensmäßige Zuweisung der Erbschaft durch die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs ebenso gegen die erbrechtlichen Formvorschriften verstößt wie die substanzielle Zuweisung der Erbschaft trotz eines formunwirksam geäußerten „besseren Erblasserwillens“133. 130 Vgl. dazu Keuk, Der Erblasserwille post testamentum, S. 75 ff.; Lange / Kuchinke, § 16 IV (S. 332 ff.). 131 Kegel, FS Flume, S. 545 ff. 132 Kegel, FS Flume, S. 545 ff. 133 Vgl. Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101: „Fernwirkung der Formvorschriften“.
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
Eventuell ist auch der Schutz vor Übereilung nach der langen Wartezeit auf das Erscheinen eines Notars nicht mehr notwendig, so dass dieser Zweck von den erbrechtlichen Formvorschriften hier sowieso nicht erfüllt werden könnte. Unter Umständen ist das Rechtsgeschäft sogar auf den Todesfall gerichtet, so dass die Einhaltung der Formvorschriften auch nicht für die Abgrenzung von Verfügungen von Todes wegen zu Rechtsgeschäften unter Lebenden erforderlich ist. Dies alles unterstellt, kommt man hier trotz allem nicht zu einem Rechtsmissbrauch im Falle des Beharrens auf den Formvorschriften: Würde man in Einzelfällen von den Formerfordernissen abweichen, so würde dies alle zwingenden erbrechtlichen Formvorschriften ins Wanken bringen und in Frage stellen, die Nachlässigkeit des Beurkundenden fördern und schließlich zu Rechtsunklarheit und Rechtsunsicherheit führen134. Der Zweck der Formvorschriften wäre gefährdet. Im Hinblick auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist vor allem die Abgrenzbarkeit des Testamentsfalls zu anderen Fallgestaltungen, in denen der wahre Erblasserwille ebenfalls nicht formwirksam erklärt wurde, problematisch. Warum sollen ausgerechnet hier die Formvorschriften nicht gelten, aber in anderen Fällen doch? Hat der Erblasser selbst sich mit der Testamentserrichtung zu lange Zeit gelassen oder selbst Formfehler begangen – hat er z. B. seinen Willen nicht eigenhändig niedergeschrieben, sondern nur maschinenschriftlich oder nur auf dem offenen Briefumschlag eigenhändig unterschrieben, in dem sich ein nicht unterzeichnetes Testament befindet –, stellt sich die Frage, ob solche Fälle ebenso zu behandeln sind. Aus der Sicht des enttäuschten Erben sind diese Fälle ebenso bedauerlich wie der Testamentsfall. Bisher wurde der aus diesen Gründen verhinderte Erbe mit dem Hinweis auf den „besseren Erblasserwillen“ nicht gehört. Würde man im Testamentsfall wegen des Anwaltsverschuldens ausnahmsweise den formlosen Willen gelten lassen, so ließe es sich nicht begründen, warum in den vom Erblasser selbst begangenen Formfehlern und auch sonst nicht stets der „schlechtere“ dem „besseren Erblasserwillen“ weichen muss. Dann allerdings könnte man auch gänzlich auf die Formvorschriften verzichten. Zimmermann bemerkt aber zu Recht, dass dies ausschließlich Sache des Gesetzgebers ist135. Ferner gibt es vielfach Fälle, in denen die erbrechtliche Lösung auch schon deshalb nicht anwendbar ist, weil der „bessere Erblasserwille“ schlicht nicht existiert136. Im Fall BGH NJW 1995, 2550 existierte ein konkreter, „besserer Erblasserwille“ schon gar nicht, weil sich der Erblasser nicht bewusst war, dass es eine für die Erben günstigere Möglichkeit der Testamentsgestaltung gegeben hätte. Die Idee der Testamentsgestaltung stammte von ihm selbst. Wenn er von der günstigeren Möglichkeit gewusst hätte, hätte er diese in seine Erklärung einbezogen. Er ließ sich lediglich von seinem Rechtsanwalt hinsichtlich der Niederschrift seines Wil134 Heinrich Lange, NJW 1963, 1571, 1575; MK-Hagena, § 2232 Rn. 1; Lange / Kuchinke, § 16 IV (S. 332 ff.). 135 Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 103. 136 Vgl. Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101.
D. Die Unvereinbarkeit eines Erbrechts kraft besseren Erblasserwillens
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lens beraten. Hier käme also eine erbrechtliche Lösung mangels besseren Erblasserwillens nicht in Betracht, sodass man sowieso eine schadensrechtliche Lösung suchen müsste, es sei denn, man wolle dem Erblasser einen Willen bezüglich der günstigeren Variante unterstellen. Der Beweiszweck der erbrechtlichen Formvorschriften wäre durch eine Lockerung stark gefährdet. Formwirksame letztwillige Verfügungen hätten keinerlei Beweisfunktion mehr, weil es immer möglich sein kann, dass noch ein formunwirksamer, aber besserer Erblasserwille existiert. Daraus würden enorme Beweisschwierigkeiten in all den Fällen resultieren, in denen der Erblasser seinen Willen nur mündlich äußert und dieser nicht wie im Testamentsfall von einem anderen mitgeschrieben wurde. Aber selbst bei von anderen notierten Erklärungen des Erblassers kann nur unter großen Schwierigkeiten aufgeklärt werden, ob der Erblasser tatsächlich eine entsprechende mündliche Erklärung abgegeben hat, wenn nicht entsprechende Zeugen zugegen waren. Würde man ausnahmsweise einen formlosen „besseren Erblasserwillen“ als Rechtsgrund anerkennen, würde es daher in vielen Fällen aufgrund der Beweisschwierigkeiten zu langwierigen gerichtlichen Streitereien kommen mit der Folge, dass die Parteien häufig erst nach Jahren die Gewissheit über die Erbfolge hätten. Ein solcher Streit über den wahren Erblasserwillen soll mit den strengen Formerfordernissen gerade vermieden werden. Abgesehen davon, dass er nicht formgültig erklärt wurde, ist letztlich auch schon die Existenz eines „besseren Erblasserwillens“ nicht so zweifelsfrei, wie es diese Formulierung unterstellt. Denn es ist im Testamentsfall gerade nicht sicher, ob der Erblasser tatsächlich zugunsten der Tochter verfügt hätte, wäre es zur Beurkundung gekommen. Anstellen kann man immer nur mehr oder weniger überzeugende Mutmaßungen darüber, wie sich die Dinge entwickelt hätten. Sicher auszuschließen, dass der Erblasser beispielsweise nur auf Drängen der Klägerin den Beklagten zu sich rief und es ihm nicht einmal unrecht war, als der Notar nicht erschien, wird man aber kaum einmal können. Zudem kann schon die Tatsache, dass der Erblasser kein handschriftliches Testament errichtete und damit seinem wahren Willen nicht auch unabhängig vom Erscheinen des Notars Geltung verschaffte, dementsprechende Zweifel begründen. 3. Vergleich mit den Ausnahmen von § 125 Satz 1 BGB bei der Hoferbenbestimmung durch formlosen Erbvertrag Die Rechtsprechung hat im Erbrecht mit Einführung der formlosen Hoferbenbestimmung, die dann vom Gesetzgeber übernommen wurde, anerkannt, dass in Härtefällen vom Formzwang abzusehen ist. § 6 I 1 Nr. 1 und 2 HöfeO gestattet seit der Neufassung im Jahre 1976 die formlose Bestimmung des Hoferben aus dem Kreise der Abkömmlinge durch Übertragung der Hofbewirtschaftung oder Beschäftigung auf dem Hof. § 7 II HöfeO erklärt eine spätere entgegengerichtete Bestimmung des Hoferben für unwirksam.137
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
a) Entwicklung der Rechtsprechung Nach einem ersten Beschluss des BGH138 im Jahre 1954 bezüglich eines Übernahmevertrags unter Lebenden139, wonach das Gericht die Möglichkeit einer formlosen Hofübergabe bejahte, folgte eine Entscheidung über die Ausnahme von den erbvertraglichen Formvorschriften140. An eine Bindung durch den Erbvertrag bei Nichteinhaltung der Formvorschriften nach § 242 BGB stellte der BGH jedoch strenge Anforderungen: Eine Verneinung der Bindung musste das Rechtsempfinden vor allem in bäuerlichen Kreisen erheblich verletzen141. Des Weiteren wurde ein entsprechendes Verhalten des Hofeigentümers von längerer Dauer vorausgesetzt, das Rückschlüsse auf eine gewollte Bindung zulässt oder ein erhebliches Opfer des Abkömmlings aufgrund der Zusage des Hofeigentümers (Aufgabe einer sicheren Lebensstellung, Abstandnehmen von der Gründung einer anderweitigen Existenz) zulässt142. Schließlich war erforderlich, dass der Hofeigentümer bei der Vereinbarung über die Hoferbfolge sein freies Bestimmungsrecht ausgeübt hatte143. In BGHZ 23, 249 bestätigte der BGH im Jahr 1957 die vorangegangene Entscheidung144. b) Fehlende Vergleichbarkeit der Hoferbenfälle mit dem Testamentsfall Aber selbst wenn man in diesen Fällen eine Ausnahme von § 125 S. 1 BGB billigt, was schon problematisch ist, so kann man daraus nicht die Richtigkeit der Außerachtlassung der Formvorschriften für den Testamentsfall ableiten. Die Begründung ist nicht übertragbar, da einige Unterschiede zu verzeichnen sind. Wenn der BGH unter bestimmten Voraussetzungen bei einem formlosen und 137 Die HöfeO gilt als partielles Bundesrecht (BGHZ 33, 208, 213) in den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz gibt es besondere höfe- bzw. anerbenrechtliche Bestimmungen des Landesrechts, deren Zulässigkeit auf Art. 64 EGBGB beruht. In Bayern, Berlin, den neuen Bundesländern und im Saarland gilt für die Vererbung von Höfen das BGB, vgl. Leipold, Erbrecht, § 1 Rn. 7, § 10 Rn. 281, § 15 Rn. 501; Staudinger-Marotzke, § 1922 Rn. 224; Staudinger-Werner (12. Auflage), Vor §§ 1924 Rn. 4. 138 BGHZ 12, 286. 139 Gegen eine Ausnahme von § 125 S. 1 BGB in diesem Zusammenhang etwa Bosch, FamRZ 1955, 172; Wieacker, DNotZ 1956, 115. 140 BGH DNotZ 1956, 134. 141 BGH DNotZ 1956, 134. 142 BGH DNotZ 1956, 134. 143 BGH DNotZ 1956, 134. 144 Das Gericht berief sich außerdem auf das RG (RGZ 153, 59; RGZ 157, 207; RGZ 169, 73; RGZ 170, 203) und auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone (OGHZ 1, 217) zu Ausnahmen von § 125 S. 1 BGB außerhalb des Erbrechts.
D. Die Unvereinbarkeit eines Erbrechts kraft besseren Erblasserwillens
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deshalb nichtigen Versprechen der Hofübergabe die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht eintreten ließ, so war das nur im Hinblick auf die Besonderheiten bäuerlicher Verhältnisse und Anschauungen145 verständlich. In allen Hoferbenfällen ging es um (erb-)vertragliche Ansprüche, die am Formerfordernis gescheitert wären. Aufgrund der geleisteten Arbeit auf dem Hof hätten die Anspruchsteller aber jedenfalls Bereicherungsansprüche gegen die Hofeigentümer oder deren Erben gehabt: die Hofübergabe oder Hoferbfolge sollte regelmäßig die Gegenleistung für die Arbeit auf dem Hof sein und war ein Mittel des Hofeigentümers, den Abkömmling zur Mitarbeit auf dem Hof zu bringen, anstatt sich eine andere Existenz aufzubauen. Anstatt den enttäuschten Erben auf Bereicherungsansprüche zu verweisen, gestand man ihm trotz Formunwirksamkeit des Erbvertrages die Erbenstellung zu. Allerdings ist zu beachten, dass auch in den Hoferbenfällen ein Erbvertrag zu Lebzeiten des Erblassers nur zu dessen Bindung führte, keine anderweitigen mit dem Erbvertrag in Widerspruch stehenden letztwilligen Verfügungen zu treffen (§ 2289 BGB), während ihm das freie Verfügungsrecht unter Lebenden verblieb (§ 2286 BGB). Das gleiche gilt für einen formungültigen aber nach Treu und Glauben als gültig zu behandelnden Erbvertrag wie in den Hoferbenfällen. Im Testamentsfall hatte die Klägerin im Falle der Unwirksamkeit des Testaments keine Bereicherungsansprüche gegen den Erblasser oder ihre Nichte als Erbin zur Hälfte. Die Alleinerbschaft sollte keine Gegenleistung für geleistete Dienste sein. Schon deshalb kann aus der Rechtsprechung zu den Hoferbenfällen kein Rückschluss auf den Testamentsfall zugunsten der Klägerin gezogen werden.
III. Ergebnis Scheitert die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen an Formerfordernissen, so ist dies bedauerlich, weil die formnichtige Verfügung häufig mehr Rückschlüsse auf den Erblasserwillen zulässt als die gesetzliche Erbfolge oder ein früheres Testament. Kegels Lösung hat daher gerade im Testamentsfall ihren Reiz und erscheint als die „gerechte“ Lösung. Dem nicht formwirksam niedergelegten Willen kann aber aus den vorgetragenen Gründen nicht die gleiche Rechtswirkung zukommen wie einem formwirksamen146. Eine Rechtsanalogie zu gesetzlich geregelten Ausnahmefällen kommt aus den genannten Gründen nicht in Betracht. Die von Kegel angeführten Vergleichsfälle sind zwar zur Klärung der Frage geeignet, ob, wenn der Rechtsgrund erbrechtHeinrich Lange, NJW 1963, 1571, 1575. So auch Lange / Kuchinke, § 16 IV 5. (S. 336); Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 101 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 847 b; Winterfeld, Drittschadensliquidation und Vertrag mit Schutzwirkung, S. 220 f.; Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren, S. 77 ff.; Schwerdtner, Jura 1980, 493, 499; Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1325, 1326; Stahl, Zur Dritthaftung von Rechtsanwälten, S. 94; v. Gierke, S. 84. 145 146
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3. Teil: Lösung des Testamentsfalls nach den dargestellten Prinzipien
lichen Erwerbs wegfällt, dies „abstrakt“ oder „kausal“147 geschieht. Sie beantworten jedoch nicht die Frage, warum bei der vorliegend behandelten Konstellation die Nachlassberechtigung des formalen Erben nach Ansicht Kegels überhaupt entfallen soll. Sie beinhalten kein generelles Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“, sondern verhelfen lediglich in eng begrenzten Fällen dem wahren Erblasserwillen zur Geltung, der formwirksam (erklärt) sein muss. Zwar besteht grundsätzlich das Streben des Gesetzes, durch wohlwollende Auslegung gemäß § 2084 BGB dem Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen; dies kann jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers ebenfalls nur im Rahmen der gesetzlichen Formvorschriften erfolgen, die im Testamentsfall eindeutig nicht erfüllt sind. Würde man anders entscheiden und in Einzelfällen wie dem Testamentsfall auf die Einhaltung der Formvorschriften verzichten, wäre die Beweisfunktion der erbrechtlichen Formvorschriften nicht mehr gewährleistet. Hinzu kommt, dass es keinen sachlichen Grund dafür gibt, die Lösung Kegels auf Einzelfälle zu beschränken und den Testamentsfall anders zu behandeln als andere Fälle, in denen üblicherweise ein „besserer Erblasserwille“ nicht zum Tragen kommt. Räumt man allerdings ein generelles Erbrecht kraft „besseren Erblasserwillens“ ein, verzichtet man im Ergebnis fast gänzlich auf die gesetzlichen Formvorschriften. Um die Zwecke der erbrechtlichen Formvorschriften zu gewährleisten, müssen sie daher immer gelten. Ein gesetzlich nicht geregelter Verzicht in Ausnahmefällen ist auch unter Hinweis auf das Rechtsmissbrauchsargument nicht mit dem geltenden Recht zu vereinbaren.
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Kegel, FS Flume, S. 545, 556.
4. Teil
Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle Im Folgenden sollen die Ergebnisse zum Testamentsfall auf weitere Fallgestaltungen übertragen werden, in denen Ersatz für eine entgangene Erbschaft begehrt wird. Es wird zu zeigen sein, dass aufgrund der dargestellten erbrechtlichen Besonderheiten alle Fälle entgangener Erbschaften uneingeschränkt gleich zu behandeln sind. Insbesondere ist nicht danach zu unterscheiden, ob es um Fälle der Anwaltsoder Amtshaftung oder ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten geht. Auch ist nicht danach zu differenzieren, ob eine Leistungspflicht schlecht oder nicht erfüllt wurde.
A. Abgrenzung des Testamentsfalles und ähnlicher Fallgestaltungen zu Fällen sonstiger Berufshaftung mit selbstschädigender Vermögensdisposition Obwohl der Testamentsfall eine wegweisende Entscheidung für die Entwicklung der Berufshaftung darstellt, weist er einige Besonderheiten auf, die ihn kategorial von den übrigen Fällen der Berufshaftung unterscheiden1. Bei der sog. Berufshaftung ist die Gutachterhaftung von der Beratungshaftung, in welche der Testamentsfall einzuordnen ist, zu differenzieren.
I. Die Gutachterhaftung2 von Sachverständigen, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern gegenüber Dritten Beginnend mit einem Urteil zur Haftung eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken3 hat sich eine mittlerweile gefestigte Rechtsprechung zur 1 Zur Berufshaftung siehe etwa Schiemann, FS Gernhuber, S. 387 ff.; Hirte, Berufshaftung; Hopt, AcP 183 (1983), 578 ff.; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht; Damm, JZ 1991, 373 ff.; K. Huber, FS v. Caemmerer, S. 359 ff.; Hübner, NJW 1989, 5; Littbarski, NJW 1984, 1667 ff.; Musielak, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten; Odersky, NJW 1989, 1. 2 Unter den Begriff „Gutachten“ sollen im Folgenden neben Sachverständigengutachten auch Prüfungsberichte und Bestätigungsvermerke von Wirtschaftsprüfern und von Steuerbe-
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
Dritthaftung von Sachverständigen4, Steuerberatern5 und Wirtschaftsprüfern6 aus dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entwickelt7. Einen Vertrag mit Schutzwirkung hält die Rechtsprechung seit dem Dachstuhlurteil8 selbst dann für gegeben, wenn die Interessen von Auftraggeber und Nutzer des Gutachtens gegenläufig sind9. Die Literatur lehnt verbreitet diese Rechtsprechung in ihren Ergebnissen10, jedenfalls aber in ihrer Begründung11 ab. Alle Gutachterfälle haben die Gemeinsamkeit, dass Gutachten im Auftrag einer Person erstellt wurden, die das Gutachten nicht selbst zur Grundlage eigener Vermögensdispositionen machte, sondern es für den Gutachter erkennbar einer anderen, mit dem Gutachter nicht in direkter Verbindung stehenden Person zur Verfügung stellte, die sich dann auf die Richtigkeit des Gutachtens verließ und mit dem Vertragspartner des Gutachters einen auf dem Gutachten basierenden Vertrag abratern erstellte Bilanzen fallen. Steuerberater sind dann in die Berufsgruppe der Gutachter einzuordnen, wenn sie nicht beratend tätig, sondern wie Wirtschaftsprüfer mit der Aufstellung von Bilanzen und Jahresabschlüssen befasst sind (hierzu BGH GmbHR 1987, 463; LG Hamburg DStR 1989, 649 f.; BGH NJW-RR 1993, 944 f.; OLG Hamm BB 1994, 1467; OLG Hamm VersR 1995, 800). Durchführen und testieren darf der Steuerberater wegen § 319 HGB jedoch nur Jahresabschlussprüfungen nicht prüfungspflichtiger Gesellschaften und Zwischenabschlussprüfungen. Zur Haftung von Anwälten für fehlerhafte Rechtsgutachten („legal opinions“) vgl. Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 263 f. 3 BGH NJW 1984, 355. 4 BGH NJW 1984, 355; BGH DB 1985, 1464; BGHZ 127, 378 = NJW 1995, 392; BGH NJW 1998, 1059 = WM 1998, 440. Die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen ist aufgrund des zweiten Schadensersatzänderungsgesetzes vom 25. 07. 2002 seit 1. 8. 2002 in § 839a BGB spezialgesetzlich geregelt (vgl. dazu Wagner, NJW 2002, 2049, 2061 ff.; Däubler, JuS 2002, 625, 629 f. 5 BGH WM 1985, 1274; BGH NJW 1987, 1758 = WM 1987, 257; BGH NJW-RR 1989, 696 = WM 1989, 375; OLG München NJW-RR 1991, 1127; OLG NJW 1997, 1235 = WM 1997, 359, 360; OLG München WM 1997, 613; OLG Celle NJW-RR 1986, 1315. 6 BGH NJW 1983, 1053; BGH NJW-RR 1986, 1307 = WM 1986, 711; BGH WM 1993, 897; BGH WM 1998, 1032 = JZ 1998, 1013 = NJW 1998, 1948 = BGHZ 138, 257. 7 Zur Gutachterhaftung etwa Picker, FS Medicus, S. 397 ff.; Ebke, Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung; ders. / Scheel, WM 1991, 389; Gottwald, Haftung für Auskunft und Gutachten; Honsell, FS Medicus, S. 211 ff.; Lang, WM 1988, 1001 ff.; Littbarski, ZIP 1996, 812; Zeuner, Karlsruher Forum 1988, 3 ff. 8 BGHZ 127, 378. 9 Hierzu etwa die Besprechung von Medicus, JZ 1995, 308 zu BGHZ 127, 378. 10 Kritisch etwa Littbarski, NJW 1984, 1667, 1669 f.; Honsell, JZ 1985, 952; Strauch, JuS 1992, 897, 899: Die Rechtsprechung erweitere die Gutachter- oder Auskunftshaftung in nicht mehr tragbarer Weise. 11 Vgl. die Kritik an der Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung durch BGHZ 127, 378 bei Medicus, JZ 1995, 308; Canaris, JZ 1995, 441. Die Begründung wird zu Recht abgelehnt: Die Rechtsprechung unterstellt mit Hilfe des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte ein privatautonomes Haftungsversprechen zugunsten Dritter. Hiergegen spricht jedoch gerade die Gegenläufigkeit der Interessen. Der Besteller ist ja gerade an einem objektiven Gutachten unter Umständen nicht interessiert. Dem BGH folgend dagegen Bayer, JuS 1996, 473, 477.
A. Abgrenzung des Testamentsfalles zu Fällen sonstiger Berufshaftung
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schloss, insbesondere das begutachtete Grundstück oder den sonstigen vom Gutachter bewerteten Gegenstand erwarb. Der Vertragspartner des Gutachters trat mit dem Gutachter regelmäßig auf seine Kosten in Vertragsbeziehung, da er nur bei Vorlage des entsprechenden Gutachtens die Möglichkeit hatte, einen Vertragsabschluss mit dem später Geschädigten zu erreichen. Allen diesen Fällen gemeinsam ist also eine selbstschädigende Vermögensdisposition von Dritten, die sich auf die Richtigkeit des Gutachtens oder des Testates verließen12. Gutachten und Testate sollen im Gegensatz zu einer Beratung objektiv und unparteiisch sein. Sie sind daher häufig gerade für Dritte bestimmt, die sich aufgrund ihrer Objektivität auf Gutachten und Testate verlassen. Der geschädigte Dritte steht typischerweise im gegnerischen Lager des Auftraggebers. Die Interessen von Auftraggeber und Drittem sind daher gegenläufig, und trotzdem kommt die Rechtsprechung in diesen Fällen zu einer Einbeziehung des Geschädigten in die Schutzwirkung des Gutachtervertrags. Unabhängig von der Frage, ob die Problematik des Drittschutzes über die Konstruktion des drittschützenden Vertrags dogmatisch richtig gelöst ist, steht aber jedenfalls das Vorliegen einer Vermögenseinbuße bei dem verfügenden Dritten in den Gutachterfällen außer Frage, weil der Dritte nach der selbstschädigenden Vermögensdisposition wirtschaftlich gesehen in seinem Vermögen weniger hat als zuvor. Es können nur die bereits zuvor vorhandenen Güter des Dritten beschädigt sein, weil eine verletzbare relative Rechtsposition gegenüber dem Gutachter regelmäßig nicht vorlag. Der Gutachter, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater kann also lediglich eine der Erhaltung der bereits vorhandenen Güter dienende Pflicht gegenüber dem Dritten verletzt haben. Höchst problematisch ist, ob die Schädigung durch das falsche Gutachten haftungsmäßig auch sanktionierbar ist, ob also ein entsprechendes subjektives Recht, aus dem sich eine Schutzpflicht ableiten ließe, im Einzelfall dem Dritten gegenüber dem Gutachter zugewiesen war13.
II. Beratungshaftung gegenüber Dritten 1. Die Beratung durch Notare und Rechtsanwälte a) Die spezialgesetzlich normierte Haftung von Notaren14 Die Haftung des Notars ist spezialgesetzlich in § 19 I 1 BNotO normiert und schließt sich an den fast gleichlautenden § 839 I 1 BGB an, der die Haftung eines 12 Vgl. hierzu Stahl, Zur Dritthaftung von Rechtsanwälten, S. 169; Philippsen, Zur Dritthaftung des privat beauftragten Gutachters, S. 23. 13 Vgl. dazu näher oben Teil 2. B. I. 2. 14 Zur Notarhaftung etwa Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, S. 137 ff.; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 121 ff.; vgl. die Übersicht bei
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
Beamten gegenüber einem „Dritten“ regelt. Für die Haftung des Notars wegen Amtspflichtverletzungen ist § 19 I 1 BNotO die ausschließliche Anspruchsgrundlage. Lediglich in Baden-Württemberg gilt für „Notare im Landesdienst“ Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB. Aufgrund der weiten Fassung der Amtshaftungstatbestände wurde die Dritthaftung von Notaren für primäre Vermögensschäden stets als unproblematisch angesehen: Gemäß § 19 I 1 BNotO kann der Notar von einem „anderen“ in Anspruch genommen werden, gegenüber welchem der Notar eine Amtspflicht verletzt hat. Der Begriff des „anderen“ wird von der Rechtsprechung weit gefasst: Andere i. S. d. § 19 I 1 BNotO sind die Auftraggeber und alle Personen, deren Interesse nach Art und Zweck des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden15 und in deren Rechtskreis dadurch eingegriffen werden kann, auch nur mittelbar und unbeabsichtigt durch die Amtsausübung Betroffene, die auf die Zuverlässigkeit einer Beurkundung angewiesen sind und hierauf vertrauend am Rechtsverkehr teilnehmen16. Die Dritthaftung des Notars für primäre Vermögensschäden ist daher im Gegensatz zu der des Rechtsanwaltes insofern unproblematisch, als hierfür eine gesetzlich normierte Anspruchsgrundlage besteht. Es ist nach ganz h. M. anerkannt, dass den Notar, der ein Testament zugunsten des Dritten beurkunden soll, diesem gegenüber Amtspflichten treffen, bei deren Verletzung er dem Dritten auf Schadensersatz in Höhe des entgangenen erbrechtlichen Vorteils haften kann17. Unabhängig davon, dass sich bei der Notarhaftung die Problematik der dogmatischen Herleitung der Dritthaftung wegen § 19 I 1 BNotO nicht stellt, bleibt jedoch bei der Notarhaftung für eine entgangene Erbschaft wegen fehlerhafter oder nicht erfolgter erbrechtlicher Beratung eines Erblassers ebenso die bereits angesprochene Problematik des Schadens, so dass eine Haftung nicht so unproblematisch ist, wie von der h. M. behauptet18. b) Die Dritthaftung von Rechtsanwälten nach h. M. aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Eine spezialgesetzliche Regelung der Haftung existiert demgegenüber nicht für Rechtsanwälte19. Die überwiegende Ansicht löst die Problematik der Dritthaftung Weingärtner, Verwahrungsgeschäft, Rn. 23. Für Pflichtverletzungen der Notare im Landesdienst, die im OLG-Bezirk Stuttgart in der Form des Bezirksnotariats (§ 114 BNotO) und im OLG-Bezirk Karlsruhe in der Form des „Richternotariats“ das staatliche Notariat verkörpern, tritt nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB seit dem 1. 1. 1982 ausschließlich Staatshaftung ein, vgl. Seybold / Schippel-Haug, § 19 BNotO Rn. 114. 15 BGH DNotZ 2001, 483. 16 Vgl. RGZ 138, 309, 313; BGHZ 20, 53, 56; BGHZ 27, 274; BGHZ 31, 5, 10; BGHZ 58, 343, 353; BGH NJW 1997, 2327; BGH NJW-RR 1998, 1275. 17 Vgl. BGHZ 27, 274, 275; BGHZ 31, 5, 10; BGHZ 58, 343, 353; BGH WM 1982, 615; BGH NJW 1996, 1062; Seybold / Schippel-Haug, § 19 BNotO Rn. 34 ff. 18 Dazu eingehend unten Teil 4 C.
A. Abgrenzung des Testamentsfalles zu Fällen sonstiger Berufshaftung
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von Rechtsanwälten für primäre Vermögensschäden daher über das Konstrukt des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte20. Die erste höchstrichterliche Entscheidung, in der die Dritthaftung von Rechtsanwälten für primäre Vermögensschäden bejaht wurde, war die Testamentsfallentscheidung. Es folgte im Jahre 1977 der Scheidungsvereinbarungsfall21 und wenig später wurde die Rechtsprechung zur Anwaltshaftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch von den Untergerichten übernommen: So verurteilte das Landgericht München zwei Rechtsanwälte wegen nicht fristgerechter Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses zum Ersatz des Schadens, welcher der Tochter ihrer Mandantin dadurch entstand, dass sie erst später in das Haus ihrer Mutter einziehen und für die Zwischenzeit eine andere Wohnung anmieten musste22. 2. Das Fehlen einer selbstschädigenden Vermögensdisposition des Dritten als entscheidendes Differenzierungskriterium zwischen dem Testamentsfall und solchen sonstiger Berufshaftung gegenüber Dritten a) Beratungsfälle mit selbstschädigender Vermögensdisposition Vom Testamentsfall zu unterscheiden sind diejenigen Beratungsfälle, in denen der Schaden erst durch eine selbstschädigende Vermögensdisposition des Dritten wie in den Gutachterfällen verursacht wurde. Über das Vorliegen einer Vermögenseinbuße bestehen keine Zweifel, wenn aufgrund der nachteiligen Vermögensdisposition ein Minus im Vermögen des Dritten entsteht. Mangels eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs des Dritten können immer nur die Rechte an seinen sonstigen Gütern verletzt sein. Zu dieser Kategorie zählt z. B. der bereits angesprochene Fall der nicht rechtzeitigen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses23. Ein Vermögensschaden der Tochter der Vermieterin entstand erst durch die selbstschädigende Anmietung einer Ersatzwohnung. Anders als in der soeben angesprochenen Entscheidung wie auch im Testamentsfall widersprechen bei der anwaltlichen Beratung jedoch typischerweise die Interessen des Dritten denen des Mandanten wie in den Gutachterfällen 24. Eine 19 Zur Anwaltshaftung siehe etwa Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung; ders., NJW 2000, 1601 ff.; Bell, Anwaltshaftung; Borgmann / Haug, Anwaltshaftung; Vollkommer / Heinemann, Anwaltshaftungsrecht; Henssler, JZ 1994, 178; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, S. 1 ff.; Sieg, Internationale Anwaltshaftung; Stahl, Zur Dritthaftung von Rechtsanwälten; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 53 ff. 20 Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits oben Teil 1. 21 BGH FamRZ 1977, 383; dazu Zimmermann, FamRZ 1980, 99 ff. 22 LG München I, NJW 1983, 1621; näher dazu siehe unten a) aa). Drei Jahre später entschied das OLG Hamm im Ehelichkeitsanfechtungsfall, vgl. OLG Hamm MDR 1986, 1026, dazu eingehend unten B. 23 LG München I NJW 1983, 1621.
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
Beratung darf dann wegen § 43 IV BRAO, § 3 BO nur gegenüber dem eigenen Mandanten und nicht gegenüber dessen Gegenpartei erfolgen25. Eine entsprechende Vermögenszuweisung zugunsten des Dritten und ein daraus resultierender Vermögensschutz sind daher von der Rechtsordnung versagt, wenn der Dritte im gegnerischen Lager steht und die Interessen zwischen Mandant und Drittem daher gegenläufig sind. Konsequenterweise haftet der Berater in diesen Fällen nicht, wenn die Gegenpartei im Vertrauen auf eine Aussage des gegnerischen Anwalts eine selbstschädigende Vermögensdisposition trifft. Dieser Ansicht ist auch die Rechtsprechung, die eine Schutzwirkung des Beratungsvertrages zugunsten der Gegenpartei verneint, weil der Berater im Rahmen des Mandatsverhältnisses nur verpflichtet sei die Interessen seines Mandanten wahrzunehmen, die denen des Dritten jedoch widersprächen26. Regelmäßig ist dies der Fall, wenn der Rechtsanwalt unrichtige Bonitätsauskünfte bezüglich seines Mandanten gegenüber der Gegenpartei gibt27. Aus demselben Grund haftet der Anwalt auch nicht, wenn er die Schadensersatzleistung im Rahmen einer Unfallregulierung an seinen insolventen Mandanten auszahlt, obwohl dieser die Forderung schon an die klagende Bank abgetreten hat28. Keine Drittbeziehung, sondern ein unabhängiges Vertragsverhältnis liegt jedoch vor, wenn zwischen dem Rechtsanwalt und der Gegenpartei des Mandanten ein selbständiges Treuhand- oder Auskunftsverhältnis entsteht, das den Interessen des Mandanten nicht widerspricht29. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Anwalt in deutlicher Form ein Treuhandauftrag erteilt wird oder dass dieser als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt, das einen Rückschluss auf einen erkennbaren rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen zulässt. b) Beratungsfälle ohne selbstschädigende Vermögensdisposition Bei den Fällen, in denen es um Schadensersatzansprüche Dritter geht, die keine selbstschädigenden Vermögensdispositionen getroffen haben, handelt es sich um Konstellationen, in denen der Mandant mit Hilfe des Beraters das Vermögen des
24 Vgl. dazu auch Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 262, der bezüglich des Testamentsfalls ausführt, dass es sich um eine krass atypische Fallgestaltung der Anwaltshaftung handle, weil ein Anwalt als ein streng einseitiger Interessenwahrer seines Mandanten grundsätzlich nur dessen (Vermögens-)Interessen und zumeist gerade gegen die Interessen Dritter durchzusetzen habe. 25 Ein Rechtsanwalt, der in derselben Rechtssache beide Parteien berät, kann sich gemäß § 356 StGB wegen Parteiverrats strafbar machen. 26 BGH NJW 1991, 32, 33; OLG Düsseldorf AnwBl. 1986, 204. 27 BGH NJW 1972, 678; BGH WM 1978, 576. 28 LG Hagen AnwBl. 1976, 129. 29 BGH WM 1988, 986.
A. Abgrenzung des Testamentsfalles zu Fällen sonstiger Berufshaftung
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Dritten vermehren wollte und die Vermögensmehrung an einer Leistungspflichtverletzung des Anwalts oder Notars gegenüber seinem Mandanten scheiterte. Zu dieser Konstellation zählen all diejenigen Fälle, in denen Dritten aufgrund einer schuldhaften Handlung oder eines schuldhaften Unterlassens eines erbrechtlichen Beraters ein erbrechtlicher Vorteil entging30. Sie haben die Gemeinsamkeit, dass das einem Dritten durch Erbeinsetzung oder Vermächtnis zugedachte Vermögen diesem nicht oder nicht in dem vom Erblasser gewünschten Umfang zuwächst. In allen Fällen ist dies die Folge einer fehlerhaften oder gar nicht erfolgten Rechtsberatung bzw. eines Untätigbleibens gegenüber dem Erblasser durch den beklagten Rechtsanwalt oder Notar. Die Gerichte gingen regelmäßig davon aus, dass den Dritten bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten die entgangene Erbschaft angefallen wäre. Wie eingangs erwähnt, geht es nicht um den Ersatz einer Vermögenseinbuße wie in den anderen Fällen der Berufshaftung gegenüber Dritten, sondern um den Ersatz einer nicht realisierten Vermögensmehrung. Eine selbstschädigende Vermögensdisposition des Dritten wie in den Gutachterfällen ist in den erwähnten Fällen nicht erfolgt. Für alle erbrechtlichen Fallgestaltungen ohne selbstschädigende Vermögensdisposition gilt daher hinsichtlich eines ersatzfähigen Schadens dasselbe wie für den Testamentsfall: Vor dem Erbfall ist der spätere Nachlass alleine dem Erblasser zugewiesen. Durch einen erbrechtlichen Berater kann weder ein vom Gesetz zugewiesenes noch ein relativ zugewiesenes Recht eines künftigen Erben hinsichtlich der Erbschaft verletzt werden. Da aber eine Rechtsverletzung Voraussetzung für einen ersatzfähigen Schaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB ist31, kann folglich mangels Rechtsverletzung beim enttäuschten Erben weder eine Vermögenseinbuße noch ein entgangener Gewinn in Höhe der entgangenen Erbschaft vorliegen und zwar unabhängig davon, ob der erbrechtliche Berater seine Leistung schlecht oder gar nicht erfüllte oder ob er eine Amtspflicht verletzte, wie sogleich zu verdeutlichen ist32. Um eine nichtrealisierte Vermögensmehrung ging es auch im bereits erwähnten Scheidungsvereinbarungsfall33: Der Mandant des beklagten Anwalts und die Ehefrau des Mandanten schlossen im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung einen formunwirksamen Vertrag zugunsten ihrer Kinder. Der beklagte Anwalt wies seinen Mandanten nicht darauf hin, dass die in dem Vertrag enthaltene Verpflichtung der Vertragsparteien, ihren jeweiligen Hälfteanteil am Haus auf die drei Kinder zu übertragen, erst mit notarieller Beurkundung wirksam ist. Nach der Scheidung weigerte sich die Ehefrau, das Verpflichtungsgeschäft notariell beurkunden zu lassen und ihren Miteigentumsanteil ihren Kindern zu übereignen. Der Kläger, eines der 30 Zur Anwaltshaftung BGH NJW 1995, 2551, 2552; OLG Hamm MDR 1986, 1026, 1027, die hinsichtlich der dogmatischen Begründung der Dritthaftung für primäre Vermögensschäden auf den Testamentsfall verweisen. Zur Notarhaftung BGHZ 31, 5, 10 f.; BGHZ 58, 343, 352 f.; BGH NJW 1996, 1062, 1064; RG JW 1909, 139, 140. 31 Oben Teil 2 A. III. 32 Unten B. und C. 33 BGH NJW 1977, 2073.
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
Kinder der geschiedenen Eheleute, verlangte von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung von Anwaltspflichten. Der BGH sah in der ungenügenden Beratung des Mandanten eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und gab der Klage statt. Bei der Beratung über formbedürftige Rechtsgeschäfte müsse der Rechtsanwalt den sichersten Weg wählen. Die Scheidungsvereinbarung wäre nur dann rechtlich abgesichert gewesen, wenn das Verpflichtungsgeschäft bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Ehescheidungsverfahrens notariell beurkundet oder eine entsprechende Vereinbarung in einen gerichtlichen Vergleich (§ 127a BGB) aufgenommen worden wäre. Der BGH ließ die rechtsdogmatische Einordnung des Sachverhaltes offen und entschied, die Haftung könne sich sowohl aus dem Institut des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, als auch aus der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation ergeben. Für einen Vertrag mit Schutzwirkung spreche, dass der Mandant des Beklagten der Vater des Klägers war und von vornherein klar war, dass die Kinder des Mandanten die Gläubiger des Vertrags zugunsten Dritter sein sollen. Für den Beklagten sei also erkennbar gewesen, dass den Kindern ein Schaden entstehen würde, falls die Scheidungsvereinbarung keinen rechtlichen Bestand hätte. Zwar würden Interessen Dritter auch bei Kenntnis des Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht zu einer Haftungserweiterung des Rechtsanwalts führen. „Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen muß aber jedenfalls dann gemacht werden, wenn der Rechtsanwalt Verträge ausarbeitet, nach denen gewisse Rechte gerade nicht ein Mandant, sondern von vornherein nur ein im Vertrag bezeichneter Dritter erlangen soll. Dies gilt vor allem dann, wenn dieser Dritte – wie im Streitfalle – von dem Mandanten vertreten wird.“ Auch könne einem geschädigten Dritten durchaus ein Anspruch auf Ersatz reiner Vermögensschäden zustehen, wenn diese durch Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht verursacht worden und keine reinen Reflexwirkungen seien. Für einen Anspruch des Klägers aus Drittschadensliquidation spreche, dass der Vater des Klägers als Vertragspartei berechtigt gewesen wäre, den Schaden des Sohnes zu liquidieren. Eine Abtretung des dem Vater zustehenden Schadensersatzanspruchs könne möglicherweise in der Klageerhebung durch den Vater als gesetzlichen Vertreter gesehen werden. Im Ergebnis müsse jedenfalls der Kläger den beklagten Rechtsanwalt unmittelbar auf Ersatz des ihm durch die ungenügende Belehrung seines Vaters entstandenen Schadens in Anspruch nehmen können: „Eine andere Entscheidung wäre mit dem Sinn und Zweck des hier zu beurteilenden Anwaltsvertrages und des dem Beklagten bekannten Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen seinem Mandanten und dem Kläger nicht zu vereinbaren.“34 34 Vgl. zum Scheidungsvereinbarungsfall v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 311, 323 ff.; Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 174 (Ersatz des Erwerbsinteresses); Lorenz, JZ 1995, 317, 322; MK-Gottwald, § 328 Rn. 147; Erman-Westermann, § 328 Rn. 20; Odersky, NJW 1989, 1, 4 (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter); Winterfeld, Drittschadensliquidation und Vertrag mit Schutzwirkung, S. 228; Bell, Anwaltshaftung gegenüber Dritten, S. 110 ff.; Karampatzos, S. 126 ff.; Gansweid, JA 1978, 123, 124 (Haftung nur bei
B. Gleichbehandlung von Nicht- und Schlechterfüllung
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Überträgt man die Erörterungen zum Testamentsfall auf den Scheidungsvereinbarungsfall, so kommt man auch hier zu dem Ergebnis, dass dem Kläger mangels Verletzung eines zugewiesenen Rechts an der Haushälfte der Mutter kein Ersatzanspruch in Höhe des entgangenen Vorteils gegen den Rechtsanwalt zusteht: In Betracht kommt lediglich ein relatives Recht aufgrund der Verpflichtung der Mutter aus der Scheidungsvereinbarung, ihr Eigentum an der Haushälfte an den Kläger zu übereignen. Die Zuweisung eines relativen Rechts an der Haushälfte scheitert an der fehlenden notariellen Beurkundung des Verpflichtungsgeschäfts der Vertragsparteien. Ein Recht auf Gewinn kommt mangels einer Einsatzentscheidung des Klägers ebenso wenig in Betracht wie im Testamentsfall35.
B. Notwendige Gleichbehandlung von Nicht- und Schlechterfüllung der Leistungspflicht durch den Rechtsanwalt Nach dem Testamentsfall hatte die Rechtsprechung drei weitere Fälle entgangener Erbschaften zu entscheiden, in denen einem Erben eine geringere Erbschaft anfiel, weil ein Rechtsanwalt seine Leistungspflicht aus dem Beratungsvertrag mit dem Erblasser schlecht erfüllte, indem er den Erblasser falsch oder unvollständig beriet36. In zwei der drei Fälle wurden die beklagten Rechtsanwälte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der entgangenen Erbschaft verurteilt wegen Verletzung des Anwaltsvertrages, in dessen Schutzbereich die klagenden Erben nach Ansicht der zuständigen Gerichte einbezogen waren37. Im dritten Fall stellte der 9. Zivilsenat fest, dass die Klage auf Schadensersatz wegen entgangener Erbschaft schlüssig sei38.
Vorliegen eines echten Vertrags zugunsten Dritter); kritische Anmerkung Hohloch, FamRZ 1977, 530 (Drittschadensliquidation); v. Gierke, Die Dritthaftung des Rechtsanwalts, S. 145 f. (Vertrag zugunsten Dritter); Damm, JZ 1991, 373, 374; eine Haftung ablehnend Keitel, Rechtsgrundlage und systematische Stellung des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, S. 159 f. 35 Vgl. oben Teil 3 A. I. 2. und B. III. Zur notwendigen Gleichbehandlung von Nicht- und Schlechterfüllung der Leistungspflicht durch den Rechtsanwalt sogleich unter B. 36 BGH NJW 1995, 51; BGH NJW 1995, 2551; OLG MDR 1986, 1026. 37 BGH NJW 1995, 51, 52; OLG MDR 1986, 1026. 38 BGH NJW 1995, 2551, 2552. Der Senat hob das abweisende Berufungsurteil auf und verwies die Klage zurück.
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
I. Darstellung der Fälle 1. Entgangene Erbschaft wegen Unwirksamkeit eines späteren Testaments (BGH NJW 1995, 51) Der beklagte Rechtsanwalt übersah, dass eine erbvertragliche Alleinerbeneinsetzung des Ehepartners mit Rücktrittsvorbehalt erst mit Zustellung des Scheidungsantrags beseitigt werden kann (§§ 2279 II, 2077 I BGB). Im Vertrauen auf die Auskunft des Anwalts, nach der schon die Antragstellung ausreichte, unterzog sich der Erblasser einen Tag nach Einwurf des Antrags bei der Post einer gefährlichen Krebsoperation und verstarb drei Tage darauf. Der Scheidungsantrag wurde der Ehefrau des Erblassers einen Tag nach dessen Tod zugestellt. Mangels Antragszustellung kam ein kurz zuvor errichtetes Testament nicht zum Zuge, in welchem die Ehefrau von der Erbfolge ausgeschlossen und stattdessen die drei Töchter als Erbinnen eingesetzt wurden. Die Töchter des Erblassers verlangten daher von dem Rechtsanwalt Schadensersatz in Höhe ihres nicht erlangten Erbteils. Das Zustellungsrisiko hätte sich vermeiden lassen können durch Abgabe einer Rücktrittserklärung vor einem Notar (§§ 2293, 2296, 2298 II BGB). Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass der Beklagte wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages den Töchtern des Erblassers zum Schadensersatz verpflichtet sei39. Die Klägerinnen seien in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen gewesen, weil der Beklagte von der beabsichtigten Erbeinsetzung zugunsten der Töchter anstelle der Ehefrau Kenntnis hatte: „Ist den ausdrücklichen Erklärungen oder dem schlüssigen Verhalten der Vertragsparteien ein entsprechender Wille zu entnehmen, können grundsätzlich innerhalb jedes Vertrages Schutzrechte Dritter entstehen, sofern die zu schützende Personengruppe objektiv abgrenzbar ist.“40
2. Geringere Erbschaft aufgrund eines ungünstigen Testaments (BGH NJW 1995, 255141) Der Erblasser hielt Kommanditanteile an zwei Kommanditgesellschaften. Nach den Gesellschaftsverträgen sollte der Geschäftsanteil eines verstorbenen Gesellschafters auf seine Erben übergehen. Jedoch konnten die Gesellschafter bei Erben, die weder Abkömmlinge noch Mitgesellschafter sind, das Ausscheiden des Erben als Gesellschafter per Beschluss gegen Zahlung einer Abfindung erwirken. Der Erblasser ließ die von einem Notar42 erstellten Testamentsentwürfe von dem BGH NJW 1995, 51, 52. BGH NJW 1995, 51, 52; siehe die zustimmende Anmerkung von Bengel, ZEV 1994, 358 ff. Kritisch zu dieser Entscheidung Bartsch, FamRZ 1995, 1339; Borgmann, Anwbl. 1995, 309; Schlitt / Seiler, NJW 1996, 1325. 41 Vgl. dazu die Anmerkung von Weidlich, MittBayNot 1995, 397. 42 Zur Haftung des Notars in dieser Sache BGH NJW 2002, 2787 und unten B. 39 40
B. Gleichbehandlung von Nicht- und Schlechterfüllung
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beklagten Rechtsanwalt überprüfen und setzte daraufhin testamentarisch seine Ehefrau und sein einziges Kind je zur Hälfte als Erben ein. Nach dem Erbfall beschlossen die übrigen Gesellschafter, die Witwe auszuschließen, und zahlten ihr daraufhin eine Abfindung. Damit minderte sich die Erbmasse der Erbengemeinschaft, weil die Höhe der Abfindung nicht dem wahren Wert der Anteile entsprach und außerdem der auf den Anteil der Witwe entfallende Gewinnanteil ausfiel. Dies hätte vermieden werden können, wenn der Erblasser aufgrund entsprechender Beratung seinen Sohn als Alleinerben eingesetzt und die Ehefrau mit einem Vermächtnis im Werte des hälftigen Nachlasses bedacht hätte. Der Testamentsvollstrecker klagte auf Schadensersatz in Höhe der entgangenen Erbschaft bestehend aus den entgangenen Gewinnanteilen der Witwe sowie dem Unterschiedsbetrag zwischen dem wahren Wert der Anteile und der an die Witwe gezahlten Abfindungen. Der BGH stellte die Schlüssigkeit der Schadensersatzklage fest, hob das klageabweisende Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück. Der zwischen dem Erblasser und dem Beklagten geschlossene Beratungsvertrag habe auch Schutzwirkung für die Erben gehabt: „Davon ist auszugehen, soweit nach den ausdrücklichen Erklärungen oder dem schlüssigen Verhalten der Vertragsparteien bestimmten oder wenigstens objektiv abgrenzbaren Dritten Schutzrechte aus dem Vertrag zustehen sollen.“43 Hier sei gerade die Vermögensübertragung auf die Erben Gegenstand der vom Beklagten geschuldeten Beratung gewesen44. Außerdem habe der Beklagte gewusst, dass der Erblasser sein Vermögen möglichst als Ganzes habe erhalten wollen, um es nach dem Tode des behinderten Sohnes in eine Familienstiftung zu überführen45.
3. Geringere Erbschaft eines künftigen Erben wegen nicht erfolgreicher Ehelichkeitsanfechtung (OLG Hamm MDR 1986, 1026) Der beklagte Rechtsanwalt betrieb im Auftrag des verstorbenen Vaters der Klägerin das Verfahren auf Anfechtung der Ehelichkeit ihrer Schwester. Gegen das klageabweisende Urteil des AG in der Ehelichkeitsanfechtungssache legte der Rechtsanwalt Berufung beim LG und nicht fristgerecht beim OLG ein. Infolge des anwaltlichen Verschuldens wurde das klageabweisende Urteil rechtskräftig. Dadurch trat eine Begünstigung der Klägerin als leibliche Tochter des Auftraggebers in erbrechtlicher Hinsicht nicht ein. Das OLG Hamm nimmt eine drittschützende Wirkung des Anwaltsvertrages an, da „die Tätigkeit auch und gerade dem Dritten zu dienen bestimmt“46 gewesen sei. 43 44 45
BGH NJW 1995, 2551, 2552. BGH NJW 1995, 2551, 2552. BGH NJW 1995, 2551, 2552.
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
Das Gericht verurteilte den Beklagten zu Schadensersatz nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte mit der Begründung, bei Feststellung der Nichtehelichkeit hätte sich die erbrechtliche Position der Klägerin verbessert47. Gerade auch dieses Ziel habe der Vater der Klägerin mit der Klage verfolgt; keinesfalls habe die Klage nur auf die Beseitigung der eigenen Unterhaltsverpflichtung abgezielt48. Der beklagte Rechtsanwalt habe dadurch, dass er gegen das klageabweisende Urteil des AG in der Ehelichkeitsanfechtungssache nicht fristgerecht Berufung eingelegt hat, schuldhaft eine positive Vertragsverletzung begangen49. Wegen dieser Vertragsverletzung hafte er der Klägerin, die gemäß § 328 BGB in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen gewesen sei, auf Schadensersatz50.
II. Die Irrelevanz der Differenzierung zwischen Schlecht- und Nichtleistung im Testamentsfall und den dargestellten Fällen der Schlechtleistung 1. Die grundsätzliche Ungleichbehandlung von Schlecht- und Nichterfüllung auf der Primärebene Die dargestellten Entscheidungen zur Beraterhaftung wegen Schlechtleistung stützten die Haftung des Rechtsanwalts jeweils auf eine positive Vertragsverletzung des Anwaltsvertrages51, in dessen Schutzbereich auch die Kläger einbezogen gewesen seien (Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung). Anders als bei schlichter Nichterfüllung, wie etwa im Testamentsfall, hielt die Judikatur die Haftung des Beraters über die angestellten eher rechtstechnischen Überlegungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des „vertraglichen Drittschutzes“ hinaus für nicht weiter begründungsbedürftig; dass der Berater hingegen für den Entgang der Erbschaft nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzungen im Prinzip zu haften hatte, schien für die Rechtsprechung außer Zweifel zu stehen, soweit der Berater es nur nicht völlig unterließ, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, sondern er diese lediglich nicht so erfüllte, wie es das Leistungsprogramm des Vertrags erforderte. Diese auf den ersten Blick erstaunliche Ungleichbehandlung findet ihre einfache Erklärung in der Reichweite des Instituts der positiven Vertragsverletzungen, die OLG Hamm MDR 1986, 1026. OLG Hamm MDR 1986, 1026, 1027. 48 OLG Hamm MDR 1986, 1026, 1027. 49 OLG Hamm MDR 1986, 1026, 1027. 50 OLG Hamm MDR 1986, 1026, 1027. 51 Die positive Vertragsverletzung wurde mit der Schuldrechtsmodernisierung in § 280 I BGB gesetzlich geregelt, vgl. dazu Mayerhöfer, MDR 2002, 549. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 280 I BGB erfasst die Verletzung von Leistungs-, Nebenleistungs- und sonstigen Schutzpflichten (§ 241 II BGB). 46 47
B. Gleichbehandlung von Nicht- und Schlechterfüllung
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diesem nach gewachsener Rechtsauffassung zukam: Schon Staub52, dem das Rechtsinstitut zugeschrieben wird, entwickelte es in erster Linie an den Fällen der Schlechterfüllung, die er in den gesetzlichen Instituten der Unmöglichkeit und des Verzugs nicht geregelt sah, dennoch als Verletzung des Vertrags einordnete, wenn auch deswegen als „positive“, weil der Schuldner anders als bei Nichterfüllung immerhin irgendetwas tat, um seine Verbindlichkeit zu erfüllen. Ganz entsprechend erfassen nach heute h. M. die positiven Vertragsverletzungen neben Verletzungen leistungsbezogener Nebenpflichten und Schutzpflichtverletzungen insbesondere die Schlechterfüllung von Hauptleistungspflichten, die zu Schäden am Vermögen oder an sonstigen Gütern des Gläubigers führen53. Ausdrücklich nicht auf dieses ungeschriebene Rechtsinstitut zurückzuführen ist dagegen die Haftung wegen schlichter Nichterfüllung von Leistungspflichten, die bereits in der gesetzlichen Verzugsregelung ihre Verankerung findet, weshalb die h. M. den Rückgriff auf ein ungeschriebenes Rechtsinstitut – von Randkorrekturen wie etwa den Haftungserweiterungen bei Erfüllungsverweigerung und der Vertragsaufsage54 abgesehen – schon deshalb für ausgeschlossen hält55. Hält man sich die so bestimmten Grenzen der positiven Vertragsverletzungen vor Augen, erschließt sich die von der Judikatur verfochtene Differenzierung zwischen Nicht- und Schlechterfüllung ohne weiteres: Die Haftung wegen Schlechterfüllung der Berater konnte scheinbar problemlos über die hier ja anwendbare Rechtsfigur der positiven Vertragsverletzung in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung gelöst werden, nicht dagegen der Testamentsfall, in dem der beklagte Rechtsanwalt gänzlich untätig blieb. Damit konnte nach h. M. die Rechtsfigur der positiven Vertragsverletzung keine Anwendung finden. Während bei Schlechterfüllung die Haftung, waren nur die anerkannten Tatbestandsvoraussetzungen der positiven Vertragsverletzung und des Vertrags mit Schutzwirkung erfüllt, ohne weiteres bejaht wurde, fanden die Gerichte für die Haftung wegen schlichter Nichterfüllung nicht ohne weiteres eine passende Anspruchsgrundlage. Die Haftungsbegründung bedurfte folglich weiterer Überlegungen sowie einer über die bloße Anwendung anerkannter Grundsätze hinausgehenden inhaltlichen Legitimation. Immerhin aber, so ist abschließend zu konstatieren, war der Rechtsprechung die von ihr im Ansatz vorgenommene Differenzierung zwischen Nicht- und SchlechtDie positiven Vertragsverletzungen, S. 5 ff. Vgl. Jauernig-Vollkommer, 9. Aufl., § 276 Rn. 52 ff.; Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 275 ff. Rn. 28 ff.; MK-Emmerich, 3. Auflage, Vor § 275 Rn. 264; dazu auch bereits oben Teil 1 A. I. 54 Für die Einordnung der von Erfüllungsverweigerung und Vertragsaufsage als Fälle der positiven Vertragsverletzung BGHZ 49, 59; BGHZ 89, 302; Staudinger-Löwisch, Neubearbeitung 2001, Vor §§ 275 ff. Rn. 29; Jauernig-Vollkommer, 9. Auflage, § 276 Rn. 57 ff. 55 Auf die Fälle der Nichterfüllung findet das gesetzlich geregelte Leistungsstörungsrecht Anwendung. Die Nichterfüllung der Leistungspflicht führt in der Regel nicht zu Schäden an den bereits vorhandenen Gütern des Gläubigers (mit Ausnahme von den „Leistungspflichten mit Schutzzweck“, dazu oben Teil 3 B. I. 2. b)), sondern zur Verletzung eines relativen Rechts und damit zu einem Schaden hinsichtlich des positiven Interesses. 52 53
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
erfüllung dann doch nicht geheuer, jedenfalls führte sie sie nicht bis zum Ende, d. h. mit der Folge auch einer unterschiedlichen Entscheidung der Fälle, durch: Es ist gerade die Besonderheit des Testamentsfalls, dass sich der BGH hier trotz der von ihm im Prinzip akzeptierten unterschiedlichen Ausgangslage bei Nicht- und Schlechterfüllung für eine Gleichbehandlung der Konstellationen entschied, weil das Gericht wohl wenigstens spürte, dass die Haftung in den beiden Konstellationen schlechterdings nicht unterschiedlich zu beurteilen sein konnte56. Tatsächlich ist diese letzte Erkenntnis zutreffend: Wird eine Leistung bewirkt, die nicht von der vereinbarten Beschaffenheit ist, liegt also Schlechtleistung vor, so ist die Leistungspflicht teilweise nicht erfüllt, das positive Interesse des Gläubigers ist teilweise nicht verwirklicht. Gegenüber der Nichterfüllung ist die Schlechtleistung nicht „etwas Eigenes“, sondern lediglich ein Unterfall57. Der Vertragspartner verletzt ein relatives Recht des Gläubigers unabhängig davon, ob er seine Leistungspflicht schlecht oder nicht erfüllt hat; unterschiedlich ist nur der Umfang, in dem er hinter dem Leistungsprogramm des Vertrags zurückbleibt.
2. Die Prämisse der Verletzung eines subjektiven Rechts ist in den Fällen der Schlechtleistung ebenso wenig erfüllt wie im Testamentsfall Die beklagten Rechtsanwälte haben im Testamentsfall wie in den dargestellten Fällen der Schlechtleistung lediglich ihre Leistungspflicht gegenüber ihrem Vertragspartner, dem Erblasser, verletzt58. Der Unterschied besteht allein darin, dass sie diese einmal gänzlich, das andere Mal teilweise nicht erfüllten. Das aber bleibt für ihre Haftung wegen Verletzung der rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeit irrelevant, da in beiden Fällen eine Haftung wegen Verletzung dieser rechtsgeschäftlichen Primärverbindlichkeit der Berater unweigerlich zu verneinen war: Gegenüber den enttäuschten Erben konnte die Verletzung der Leistungspflicht nicht die Haftung begründen, weil die Leistungspflicht nicht gegenüber den enttäuschten Erben bestand59. Selbstverständlich konnten die Berater damit für eine teilweise Nichterfüllung ebenso wenig haften wie für eine gänzliche. 56 So etwa v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 321; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 847 a. Zur Parallele zwischen Anwalts- und Notarhaftung auch v. Gierke, S. 48 ff.; Vollkommer / Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 103; Lammel, AcP 179 (1979), 337, 362; dagegen Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 372 mit Fn. 120. 57 So auch Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 42. Nach Ansicht von Zitelmann, FG Krüger, S. 265, 276, dagegen ist die Schlechterfüllung gegenüber der Nichterfüllung „etwas Eigenes“. 58 Zum Testamentsfall oben Teil 3 B. Aus denselben Gründen konnte in den Fällen der Schlechtleistung ebenfalls nur eine Leistungspflicht gegenüber dem Erblasser nicht aber gegenüber dem enttäuschten Erben verletzt werden: eine Leistungspflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der Erbschaft konnte aus denselben Gründen wie im Testamentsfall nicht gegenüber dem enttäuschten Erben bestehen (oben Teil 3 B.).
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Daneben blieb lediglich zu erwägen, ob eine Haftung der Berater nicht wegen Verletzung der dem enttäuschten Erben bereits unabhängig von der durch den Erblasser begründeten Vertragsbeziehung zugeordneten Rechte in Betracht kam. Doch ist auch insoweit für die Schlechterfüllung nicht anders zu entscheiden als für die Nichterfüllung: Im Prinzip kann eine solche Haftung zwar sowohl als Folge einer mangelhaft erbrachten Leistung wie auch einer schlichten Nichterfüllung in Betracht kommen, wobei der erste Fall der weitaus häufigere sein dürfte60. Bei Schlecht- wie auch bei Nichterfüllung ist aber für diese Art von Schadensersatzansprüchen haftungsbegründend nicht die Verletzung der Leistungspflicht, sondern die Verletzung der Erhaltungspflichten61. Auch innerhalb des Erhaltungsinteresses erfordert eine Haftung jedoch stets, dass ein subjektives Recht bzw. die dieses schützende Erhaltungspflicht bestand und verletzt wurde62. Dies aber ist im Hinblick auf die Stellung des enttäuschten Erben vor dem Erbfall zu verneinen, wie bereits eingehend dargelegt worden ist63. Mit der Feststellung, dass eine Erhaltungspflicht gegenüber dem enttäuschten Erben nicht bestand, weil diesem kein subjektives Recht hinsichtlich der künftigen Erbschaft zuzuerkennen ist64, war eine Haftung des Beraters wegen Verletzung von Erhaltungsinteressen insgesamt zu verneinen. Sie konnte somit als Folge der Schlechterfüllung ebenso wenig eintreten wie als Folge der Nichterfüllung.
III. Ergebnis Aus dem Erfordernis der Rechtsverletzung einerseits und der Tatsache, dass eine Rechtsverletzung mangels Rechtszuweisung hinsichtlich einer Erbschaft vor einem Erbfall nicht erfolgen kann, andererseits folgt zwangsläufig auch für Fälle der Schlechtleistung eines Rechtsanwalts, in denen Dritte Schadensersatz wegen entgangener Erbschaft geltend machen: Mangels Rechtsverletzung ist ein Ersatzanspruch in Höhe der entgangenen Erbschaft zu versagen.
Oben Teil 3 B. Vgl. nur etwa die Haftung wegen Mangelfolgeschäden bei Kauf- und Werkvertrag. Für eine Haftung auf das Erhaltungsinteresse wegen schlichter Nichterfüllung aber etwa den bei Westhelle, Nichterfüllung und positive Vertragsverletzung, S. 81 ff. besprochenen Dachdeckerfall. 61 Oben Teil 2 A. III. Damit kann mit einer Handlung gleichzeitig eine Erhaltungs- und eine Leistungspflicht verletzt werden („Doppelung der Pflichtverletzung“), so auch Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 42 und Fliegner, JR 2002, S. 314, 320 ff. 62 Oben Teil 2 A. III. 63 Oben Teil 3 A. und B. 64 Oben Teil 3 A. 59 60
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C. Notwendige Gleichbehandlung von Amts- und Anwaltshaftung wegen entgangener Erbschaft Anders als die anwaltliche Haftung ist die Haftung von Amtsträgern durch eine spezielle Anspruchsgrundlage, nämlich in § 839 I 1 BGB, gesetzlich geregelt. Für Notare ergibt sich eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung aus § 19 I 1 BNotO65, dessen Wortlaut fast wörtlich dem des § 839 I 1 BGB entspricht66. Als Anspruchsgrundlage gilt § 19 I 1 BNotO wie § 839 I 1 BGB auch für die Haftung gegenüber Dritten67.
I. Darstellung der Fälle 1. Entgangene Erbschaft wegen Formnichtigkeit letztwilliger Verfügungen durch Amtsträger a) RG Boschers Zeitschrift 1888, 130: Amtshaftung nach gemeinem Recht in Höhe der entgangenen Erbschaft als lucrum cessans unter Hinweis auf das römische Recht Da sich dieses Urteil als einziges intensiv mit dem subjektiven Recht als Voraussetzung eines Ersatzanspruchs befasst, soll im Folgenden die Urteilsbegründung näher untersucht und deren Inkonsistenz ausführlich erörtert werden. aa) Sachverhalt und Urteilsbegründung Das OLG Stuttgart68 verweist in der vom Reichsgericht69 bestätigten Entscheidung hinsichtlich der Ersatzfähigkeit einer entgangenen Erbschaft70 auf den Ersatz des entgangenen Gewinns nach römischem Recht71. OLG und Reichsgericht verZur Notarhaftung bereits oben A. II. 1. a). Anders als bei Beamten haftet jedoch nicht der Staat gegenüber dem Geschädigten, vgl. § 19 I S. 4 BNotO. 67 Oben A. II. 1. a). 68 Boschers Zeitschrift 1888, 97. 69 Boschers Zeitschrift 1888, 130. 70 Das Urteil steht im Einklang mit früheren Entscheidungen zur Amtshaftung wegen entgangener Erbschaft, auf die sich das OLG Stuttgart in der Urteilsbegründung auch berief: Amtshaftung eines Justizbeamten wegen dessen Weigerung, den letzten Willen des Erblassers aufzunehmen, aber Entscheidung ohne nähere Begründung zur Ersatzfähigkeit des Schadens in Form der entgangenen Erbschaft (Ober-Appelations-Gericht zu Cassel, Strippelmann 1845, 395); Amtshaftung eines Notars, OAG zu Berlin Seufferts Archiv Band 27 (1872), Nr. 136. 71 Zustimmend sowohl für das römische Recht als auch für das BGB H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 66 ff., der einen Ersatzanspruch gem. §§ 839, 252 BGB für gerechtfertigt hält. 65 66
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urteilten den beklagten Richter wegen Verletzung seiner Pflicht zur Wahrung der Geschäftsformen bei gerichtlicher Errichtung von Testamenten zu Schadensersatz. Aufgrund dieser Pflichtverletzung war ein Testament nicht formwirksam errichtet worden und der Kläger nicht Erbe des Erblassers geworden. Der Beklagte haftet laut Urteilsbegründung dem Kläger in Höhe der entgangenen Erbschaft; der Schaden stelle einen entgangenen Gewinn dar72. Richtigerweise verlangt das OLG für einen Ersatzanspruch die Verletzung eines subjektiven Rechts des Anspruchstellers; ein bloßer Verstoß gegen die Rechtsordnung sei nicht ausreichend73. Das Gericht stellt zutreffend fest, dass dem Kläger durch die schädigende Handlung ein tatsächlicher Vermögensvorteil entgangen ist, auf den er kein Recht hatte. Ein Recht auf die Erbschaft sei das Recht, die Erbschaft durch Antritt74 zu erwerben. Ein solches Recht könne nur durch den Anfall der Erbschaft erlangt werden, wenn der Erblasser also ohne seine letztwillige Verfügung geändert zu haben verstorben ist. Zur Zeit der in Frage stehenden Pflichtverletzung durch den Beklagten könne daher ein Recht des Klägers auf die Erbschaft noch nicht bestanden haben, weil der Erblasser noch lebte und die letztwillige Verfügung noch nicht einmal errichtet war. Durch das Unterlassen des Beklagten konnte folglich dem Kläger nicht ein bereits vorhandenes Recht auf Erbschaftsantretung entzogen werden. Vielmehr wurde gerade der Erwerb dieses Rechts verhindert. Folglich handle es sich bei dem entstandenen Nachteil nicht um einen positiven Schaden (damnum emergens). Ein zum Schadensersatz Verpflichteter hafte aber auch für die Nichterlangung eines möglichen Rechtserwerbes (lucrum cessans), „wenn dieser Erwerb in sicherer Aussicht stand und seine Erlangung vereitelt ist durch die rechtswidrige Handlung oder Unterlassung des Beklagten“75. Dies sei im gemeinen wie im römischen Recht gerade für die Fälle anerkannt, in denen der Erwerb einer in Aussicht stehenden Erbschaft schuldhaft vereitelt wird, selbst dann wenn die Erbschaft noch nicht angefallen ist76. Die Ersatzpflicht soll auch schon für Verletzungshandlungen vor dem Erbfall gelten, wenn sich annehmen ließ, dass die Vorraussetzungen für den Erbschaftsanfall ohne Dazwischenkunft des schädigenden Ereignisses eingetreten sein würden77. Das OLG Stuttgart78 verweist diesbezüglich auf die Haftung bei Tötung eines Erbschaftssklaven nach der Lex Aquilia und auf die Eviktionshaftung des Verkäu72 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 109; OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 130, 132. 73 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 108. 74 Zu der Unterscheidung zwischen Delation und Akquisition im römischen Recht siehe etwa Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 428. 75 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 109. 76 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 109. 77 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110; Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 179, 180 unter Hinweis auf die nach seiner Ansicht nur scheinbar widersprechenden L. 23 § 2 Dig. 9, 2.
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fers beim Verkauf eines Erbschaftssklaven. Im römischen Recht79 konnte eine Erbschaft auch über einen Erbschaftssklaven erworben werden. War ein Sklave zum Erben eines Dritten eingesetzt, erfolgte die Delation ipso iure in der Person des Erbschaftssklaven; der Erbschaftsantritt aber konnte nur über die Ermächtigung (iussus) des dominus erfolgen80. Die Ermächtigung des Sklaven, die Erbschaft anzunehmen, bewirkte nach dem Grundsatz der notwendigen Repräsentation, dass die Erbschaft mit der Annahme dem Eigentümer des Sklaven sofort anfiel. Wenn sich bei einem als Erbe eingesetzten, veräußerten Sklaven nach Erbschaftsantritt herausstellte, dass der Sklave ursprünglich nicht dem venditor, sondern einem Dritten gehörte, so musste der emptor sowohl den Sklaven als auch die später erlangte Erbschaft an den wahren Eigentümer herausgeben. Der emptor wiederum sollte den Wert der Erbschaft, die der Sklave auf dessen Befehl angetreten hätte, im Wege der Emptio vendito von dem venditor ersetzt bekommen81. Die Eviktionshaftung erstreckte sich auch auf den Erben des Verkäufers82. Zur Begründung verweist das OLG außerdem auf eine Institutionenstelle zur Lex Aquilia83, wonach dem Eigentümer eines erschlagenen Erbschaftssklaven auch der Wert der Erbschaft zu ersetzen ist, die dem Eigentümer dadurch entging, dass der Erbschaftssklave schuldhaft von einem Dritten getötet wurde, bevor er auf den Befehl des Eigentümers die Erbschaft angetreten hat84. Die Bezeichnung der Erbschaft als eine verlorene (hereditas amissa) sieht das Gericht als Hinweis dafür, dass auch eine nur in Aussicht gestellte Erbschaft dem Bedachten entzogen werden kann, „obwohl sie dem Besitzer des Sklaven niemals angefallen“85 ist. Die Voraussetzungen des Erbschaftsanfalles mussten nach Auffassung des Gerichts nicht bei der Tötung bereits eingetreten sein86. Die Möglichkeit, dass der dominus den Sklaven selbst töten, veräußern oder freilassen konnte, sei unbeachtlich87. Es genüge die Wahrscheinlichkeit, dass ohne Dazwischenkunft des schädiOLG Stuttgart, a. a. O., S. 109 f. Zum römischen Erbrecht Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 399 ff.; Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 32 ff., 48 ff., 77 ff., 100 ff. 80 Dazu Steinlechner, Das schwebende Erbrecht, S. 427 m. w. N. 81 D. 21, 2, 8. 82 D 21, 2, 51 § 3. 83 Inst. 4, 3 § 10. 84 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110. 85 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110. An dieser Stelle ist allerdings etwas unklar, ob das OLG von einer Tötung des Sklaven vor oder nach dem Erbfall ausgeht. Einerseits spricht es von der Vereitelung des Erbschaftserwerbes durch die Tötung; dies deutet darauf hin, dass es von einem Sachverhalt ausgeht, nach dem die Erbschaft dem Sklaven bei dessen Tötung schon angefallen war und folglich durch die Tötung nur noch der Erwerb verhindert werden konnte. Andererseits ist das Gericht der Ansicht, dass die Erbschaft dem Besitzer des Sklaven niemals angefallen ist. 86 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110. 87 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110. 78 79
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genden Ereignisses die Voraussetzungen des Erbschaftsanfalles eingetreten sein würden88. Hinsichtlich der widersprechenden Stelle in D. 9, 2, 23 § 2, wonach der Ersatz bei Tötung sich nur dann auf den Wert der Erbschaft erstreckt, wenn diese nur noch angetreten werden musste, verweist das Gericht ohne weitere Begründung auf F. Mommsen89. Die Wahrscheinlichkeit des Erbschaftsanfalles sei dagegen nicht gegeben, wenn der eingesetzte und als fremder entwehrter Sklave noch vor dem Erblasser gestorben war; eine Ersatzverbindlichkeit sei dann ausgeschlossen90. bb) Inkonsistenz der Urteilsbegründung (1) Das OLG stellt einerseits zutreffend fest, dass Voraussetzung für einen Ersatzanspruch in Höhe des Wertes der entgangenen Erbschaft die Verletzung eines subjektiven Rechts ist. Für eine Schadensersatzpflicht könne es nicht genügen, dass durch die schädigende Handlung ein tatsächlicher Vermögensvorteil entgangen ist91. Weiter wird richtig erkannt, dass im Zeitpunkt der fraglichen Pflichtverletzung ein solches Recht des Klägers nicht bestand, weil die Erbschaft dem Kläger noch nicht angefallen war. Andererseits wird dem Kläger aber trotzdem gegen den Beklagten ein Ersatzanspruch in Höhe der entgangenen Erbschaft gewährt. Dies ist widersprüchlich. Begründet wird die Gewährung des Ersatzanspruchs damit, dass ein zum Schadensersatz Verpflichteter nicht nur für die Entziehung eines schon erworbenen Rechts, sondern auch für die Nichterlangung eines möglichen Rechts aufzukommen habe, wenn der Erwerb dieses Rechts „in sicherer Aussicht stand“. Ferner versucht das Gericht aus den Digesten abzuleiten, dass schon die Hoffnung auf die Erlangung einer Erbschaft insofern rechtlich geschützt ist, als durch die schuldhafte Handlung desjenigen, der den Anfall der Erbschaft vereitelt, eine Ersatzpflicht gegen diesen entsteht92. Durch die angebliche Ersatzpflicht sei die Erwerbshoffnung als ein subjektives Recht anerkannt93. Letzteres ist zwar insofern zutreffend, als eine Ersatzpflicht immer die Anerkennung eines subjektiven Rechts voraussetzt, für dessen Verletzung Ersatz geleistet wird94. Die vom Gericht angenommene Ersatzpflicht selbst liefert jedoch nicht den Beweis dafür, dass auch tatsächlich ein subjektives Recht verletzt wurde. Die Ersatzpflicht ist gerade problematisch, so dass man einen Zirkelschluss zieht, will man in der fraglichen ErsatzOLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110. OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110 mit Hinweis auf Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 179 f. 90 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110 mit Hinweis auf D. 36, 1, 25 § 3. 91 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 108. 92 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110 f. 93 OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 111. 94 Oben Teil 2 A. III. 88 89
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pflicht den Grund für das ebenso fragliche Bestehen eines subjektiven Rechts sehen. (2) Ein subjektives Recht wurde im Ausgangsfall des OLG vom Beklagten nicht verletzt. Ein subjektives Recht hinsichtlich der Erbschaft bestand im Moment der vermeintlichen Schädigung auch nach dem damals geltenden gemeinen Recht nicht, da es vor allem seit der Rezeption95 des römischen Rechts für einen Erblasser die Möglichkeit gab, Testamente und damit von der Intestaterbfolge abweichende Verfügungen von Todes wegen zu errichten96. Ein Warterecht des künftigen Erben wie nach dem früheren deutschen Recht war ausgeschlossen, weil dieser nicht mehr durch das ausschließliche Erbrecht der Blutsverwandtschaft von vornherein feststand97. Ein künftiger Erbe hatte also vor dem Erbfall keinerlei Rechte mehr am Nachlass des Erblassers98. Nach römischem Recht konnte wie nach dem jetzigen Erbrecht des BGB ein Recht an der Erbschaft erst mit dem Erbfall erworben werden. Durch die Trennung von Delation und Akquisition bei Außenerben entstand mit dem Erbfall bis zum Antritt der Erbschaft ein Schwebezustand. Während dieses Schwebezustandes war der eingesetzte Erbe noch nicht Rechtsnachfolger des Erblassers. Die mit dem Erbfall gegründete Aussicht auf den bevorstehenden Erwerb des Nachlasses ist eine Anwartschaft mit einem schon bestehenden rechtlichen Zuordnungscharakter. Die Erbschaft ist noch nicht erworben, aber der Erwerbstatbestand ist schon so weit erfüllt, dass neben die Zuordnungsposition des dinglichen Rechts eine wesensgleiche Rechtserwartungsposition gestellt werden muss, die grundsätzlich den Schutz wie Sachenrechte genießt. Das mit dem Erbfall erworbene Recht zum Antritt der Erbschaft ist daher vergleichbar mit einem Anwartschaftsrecht99, weil der Erbschaftserwerb nur noch von der Entscheidung des Erben abhing. Wurde ein Erbschaftssklave nach dem Erbfall getötet, bevor er auf Befehl seines Eigentümers die Erbschaft antreten konnte, wurde ein bereits bestehendes Recht des dominus an der Erbschaft verletzt. Durch die Tötung hat der Täter dem Eigentümer des Sklaven den Erbschaftserwerb vereitelt, der nur noch vom Willen des dominus abhing. Eine Rechtsverletzung hinsichtlich der Erbschaft lag dagegen nicht vor, wenn die Tötung bereits vor dem Erbfall erfolgte100. Dies ergibt sich auch eindeutig aus D. 9, 2, 23 § 2: Wurde ein Erbschaftssklave nach dem Tode des Erblassers getötet, wurde der Wert der Erbschaft bei der Berechnung der ErsatzZur Rezeption des römischen Rechts etwa Schildt, Jura 2003, 450. Zum gemeinen Erbrecht s. Beckhaus, Grundzüge des gemeinen Erbrechts. 97 Zum Warterecht und dessen Voraussetzungen oben Teil 3 A. 98 Oben Teil 3 A. 99 So auch Steinlechner, Das schwebende Erbrecht, S. 393 f.; zum Anwartschaftsrecht im geltenden deutschen Recht siehe etwa Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 2328 ff. 100 Der Erblasser hatte dann immer noch die Möglichkeit, sein Testament entsprechend zu ändern und es der veränderten Lage anzupassen. 95 96
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pflicht berücksichtigt101. Wurde der Sklave jedoch bereits vor dem Tode des Erblassers getötet, wurde der Wert der Erbschaft nicht ersetzt102. Aus der vom OLG zitierten Textstelle (Inst. 4, 3 § 10) kann folglich bei Tötung des Erbschaftssklaven vor dem Erbfall keine Ersatzpflicht für die entgangene Erbschaft geschlossen werden. Dasselbe muss dann auch für sonstige schädigende Handlungen wie der fehlenden Wahrung von Formvorschriften bei der Testamentserrichtung vor dem Erbfall gelten. Vergleichbar wäre nur der Fall, dass der Sklave vor dem Erbfall getötet wird. Dann konnte nach römischem Recht der Wert der entgangenen Erbschaft ausdrücklich nicht ersetzt werden. Inst. 4, 3 § 10 ist daher kein Argument für, sondern gerade gegen die Ersatzpflicht. Der zitierte Fall der Eviktionshaftung für entgangene Erbschaft ist ebenfalls nicht mit dem vom OLG Stuttgart zu entscheidenden Fall vergleichbar, weil die Eviktionshaftung eine Haftung wegen Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspflicht betrifft. Hierbei haftet der venditor für die Verletzung eines relativen Rechts, das der emptor bei Vertragsschluss erwarb. Die Ersatzpflicht wegen Nichterfüllung richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt der Leistungspflicht. Je nach Vertragsinhalt umfasste die Leistungspflicht neben dem Eigentum an dem zu leistenden Erbschaftssklaven ein bereits existierendes oder ein künftiges Anwartschaftsrecht an der Erbschaft. War die Erbschaft bei Abschluss des Kaufvertrags schon angefallen und musste auf Befehl des Käufers vom Sklaven nur noch angenommen werden („quam servus iussu emptoris adierit“103), erstreckte sich die Eviktionshaftung immer auch auf den Wert der Erbschaft, wenn das Eigentum am Sklaven und das existierende Anwartschaftsrecht an der Erbschaft nicht geleistet wurden („Venditor hominis emptori praestare debet, quanti eius interest hominem venditoris fuisse“104). War die Erbschaft bei der Veräußerung noch nicht angefallen und ein Anwartschaftsrecht an der Erbschaft somit noch nicht entstanden, haftete der venditor auf den Wert der Erbschaft, wenn er das künftige Entstehen des Anwartschaftsrechts an der Erbschaft als sicher versprochen und damit eine Garantie übernommen hatte. Ungewiss ist allerdings, wie sich der Wert einer Erbschaft bereits vor dem Erbfall ermitteln lässt. 101 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 180 bemerkt hierzu, dass der Erbschaftserwerb auch noch durch andere Umstände hätte verhindert werden können, wenn der Sklave nicht getötet worden wäre. 102 Für Mommsens Ausweitung der Ersatzpflicht auf die Fälle, in denen das schädigende Ereignis vor dem Erbfall stattfand, gibt es keine Belege in den Digesten. Auch Mommsen selbst nennt hierfür keine. Einziger Hinweis könnte D. 21, 2, 51 § 3 sein (Hinsichtlich der Ansprüche des Erben des Käufers wurde die Echtheit stark bezweifelt; dazu Below, Die Haftung für lucrum cessans im römischen Recht, S. 88 ff., der die Stelle für „logisch bedenklich“ hält und den Inhalt als nachklassisch bezeichnet; vgl. auch Beseler, Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen Bd. 4, S. 195, der sogar den ganzen § 3 als Glosse zu § 1 verwirft). 103 D. 21, 2, 8. 104 D. 21, 2, 8.
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(3) Ein weiterer Widerspruch liegt darin, dass einerseits die Ersatzpflicht für die entgangene Erbschaft auch eintreten soll, wenn der Sklave vor Anfall der Erbschaft getötet wurde. Das OLG Stuttgart meinte, es sei nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen des Erbschaftsanfalles schon zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung vorliegen105. Andererseits könne bei der Eviktionshaftung von jener Ersatzverbindlichkeit dann keine Rede sein, wenn der Sklave noch vor dem Erblasser gestorben war106; denn Voraussetzung sei, dass „es ohne jenes Hinderniß (des Eigentumsmangels oder der Tödtung) zum Anfall der Erbschaft für den Kläger und zum Erwerb derselben von seiner Seite gekommen sein würde“107. Davon kann sicherlich bei der Tötung eines Erbschaftssklaven vor dem Erbfall ebenso wenig die Rede sein wie beim evinzierten Erbschaftssklaven. Es ist daher widersprüchlich, lediglich für die Eviktionshaftung wegen entgangener Erbschaft als Voraussetzung das Vorversterben des Erblassers aufzustellen. Wenn das Gericht selbst auf diese Voraussetzung hinsichtlich der Eviktionshaftung verweist, kann es die Ersatzpflicht bei Tötung des Erbschaftssklaven ebenfalls nur in Erwägung ziehen, wenn der Sklave nach dem Tod des Erblassers und damit nach dem Anfall der Erbschaft getötet wurde. Denn in diesem Fall ist ebenfalls nicht klar, ob ohne die Tötung die Erbschaft dem Kläger angefallen wäre. Dies ist immer unsicher, wenn der Tod des Erbschaftssklaven vor dem des Erblassers eintritt. Für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle gibt es keinen Grund. Einziger Unterschied neben der Todesursache ist, dass im Fall der Tötung sich zunächst nur diese beim dominus schädigend auswirkte, indem sie den Anfall der Erbschaft verhinderte. Wenn stattdessen der Erblasser gestorben wäre, wäre es zum Anfall der Erbschaft beim Sklaven und damit beim dominus gekommen. Im anderen Fall hätte bereits die fehlende Eigentümerstellung den Erbschaftsanfall beim Kläger verhindert. b) Formnichtigkeit eines Nottestaments aufgrund einer Amtspflichtverletzung des Bürgermeisters (BGH NJW 1956, 260) Die letztwillige Verfügung einer Erblasserin, in der sie ihre Tochter als Alleinerbin einsetzte und ihre beiden Söhne damit von der gesetzlichen Erbfolge ausschloss, war unwirksam, weil sie von der Erblasserin nicht eigenhändig, sondern mit der Schreibmaschine geschrieben wurde und, sofern sie als Nottestament anzusehen wäre, bei der Errichtung vor dem Bürgermeister ein zweiter Zeuge nicht mitgewirkt hat. Die klagende Tochter verlangt von dem Bürgermeister Schadensersatz in Höhe der entgangenen Erbschaft, weil er es amtspflichtwidrig versäumt habe, einen zweiten Zeugen hinzuzuziehen. Der 3. Zivilsenat des BGH verurteilte den
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OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110. OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110 Hinweis auf D. 36, 1, 25 § 3. OLG Stuttgart Boschers Zeitschrift 1888, 97, 110.
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beklagten Bürgermeister gemäß § 839 BGB entsprechend dem Klagantrag108. Zwar habe die Erblasserin die Nichtigkeit des Testaments dadurch mitverschuldet109, dass sie es nicht eigenhändig schrieb. Ein Verschulden seitens der Erblasserin brauche sich die Klägerin aber nicht entgegenhalten zu lassen110.
2. Entgangene Erbschaft wegen Unwirksamkeit eines späteren Testaments durch Amtspflichtverletzung eines Notars (BGHZ 31, 5) Die Erblasserin wollte ein gemeinschaftliches Testament widerrufen und bat den beklagten Notar, bei dem sie die Widerrufserklärung abgab, ihrem Ehemann eine Ausfertigung zuzustellen. Statt der Ausfertigung wurde dem Ehemann wegen einer vom Beklagten schuldhaft unterlassenen Belehrung eine beglaubigte Abschrift der Widerrufsverhandlung zugestellt. Die in Abwesenheit des anderen Ehegatten abgegebene Widerrufserklärung i. S. d. §§ 2271 I, 2296 II BGB muss diesem bzw. dessen gesetzlichen Vertreter jedoch in Urschrift oder Ausfertigung der notariellen Urkunde zu Lebzeiten zugehen. Der Zugang einer beglaubigten Abschrift genügt nicht111. Der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments war damit durch die Zustellung der beglaubigten Abschrift nicht gemäß §§ 2271 I, 2296 II BGB gegenüber dem anderen Ehegatten erklärt. Folglich war das gemeinschaftliche Testament weiterhin wirksam. Unwirksam war dagegen das von der Erblasserin im Anschluss an den Widerruf errichtete privatschriftliche Testament, in dem sie ihrem Ehemann wegen ehelicher Verfehlungen den Pflichtteil entzog und die Kläger, die drei Enkel der Erblasserin, als alleinige Erben einsetzte. Nach dem Erbfall nahmen die Kläger den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihnen dadurch erwachsen ist, dass sie nicht Erben der Erblasserin geworden sind. Der BGH verurteilte den beklagten Notar zum Ersatz der entgangenen Erbschaft gegenüber den Klägern aus § 839 BGB i. V. m. § 21 RNotO112, weil die Weiterleitung der Widerrufserklärung Inhalt seiner übernommenen Amtspflicht gewesen sei, die ihm auch gegenüber den Klägern oblag113. Dritte im Sinne des § 839 BGB BGH NJW 1956, 260. BGH NJW 1956, 260. 110 BGH NJW 1956, 260. Anders entschied der BGH aber in BGH NJW 1997, 2327: Eine Haftung des Notars, der die erforderliche Beurkundung einer letztwilligen Verfügung vergaß, scheiterte daran, dass die enttäuschte Erbin den Notar nicht daran erinnerte, die Beurkundung vorzunehmen. Dazu Plötner, Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung, S. 108. 111 BGHZ 31, 5; BGHZ 36, 201; OLG Köln DNotZ 1955, 395; OLG Hamm FamRZ 1991, 1486; Palandt-Edenhofer, § 2271 Rn. 5; MK-Musielak, § 2296 Rn. 5; a.A. Soergel-Wolf, § 2271 Rn. 8. 112 Der damals geltende § 21 der RNotO vom 13. Februar 1937 entspricht dem heute geltenden § 19 BNotO. 113 BGHZ 31, 5, 6. 108 109
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seien alle Personen, „deren Interesse nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt wird und in deren Rechtskreis dadurch eingegriffen werden kann, auch wenn sie durch die Amtsausübung nur mittelbar und unbeabsichtigt betroffen werden“114. „Bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen besteht eine Amtspflicht des Notars nicht nur gegenüber dem Erblasser, sondern auch gegenüber dem eingesetzten Erben oder sonst Bedachten.“115 Dabei sei unbeachtlich, dass die späteren Begünstigten bei der Widerrufsverhandlung nicht genannt wurden, weil der Widerruf für den Notar ersichtlich im Interesse eines Dritten vorgenommen wurde. 3. Amtshaftung von Notaren wegen schuldhafter Verursachung der Formnichtigkeit eines Erbverzichts a) Unwirksamkeit eines Erbverzichts wegen unzureichender Beurkundung (RG JW 1909, 139) Ein Erbverzichtsvertrag zwischen dem Erblasser und dessen Ehefrau war aufgrund eines Notarverschuldens unwirksam. Das Reichsgericht war der Ansicht, dass den Vermächtnisnehmern des Erblassers ein Schaden entstanden war, weil sie aufgrund der Unwirksamkeit des Erbverzichts den Nachlass nicht für sich allein erhielten, sondern mit der pflichtteilsberechtigten Ehefrau teilen mussten116. Die Vermächtnisnehmer seien als die im Testament Bedachten „Dritte“ im Sinne des § 839 BGB, denen gegenüber dem Notar die Amtspflicht oblag, den Erbverzichtsvertrag in rechtswirksamer Weise zu beurkunden117. Zur Ermittlung der Schadenshöhe verwies das RG die Klage zurück. b) Feststellungsklage eines Abkömmlings des Erblassers vor dem Erbfall hinsichtlich einer Amtshaftung des beurkundenden Notars (BGH NJW 1996, 1062) Ein Erbverzichtsvertrag gemäß § 2346 BGB zwischen dem Vater und seiner Tochter war aufgrund eines Notarverschuldens unwirksam. Die Klage des Sohns noch vor dem Tode des Vaters auf Feststellung der Haftung des Notars gemäß § 19 I 1 BNotO wegen künftiger erbrechtlicher Nachteile wurde als zulässig und begründet erachtet. Die Klage sei zulässig, weil der Kläger dargetan habe, dass ihm aus einer Amtspflichtverletzung des beklagten Notars mit hinreichender Wahrscheinlichkeit BGHZ 31, 5, 10 mit Hinweis auf RGZ 138, 309, 313 und BGHZ 20, 53, 56. BGHZ 31, 5, 10 mit Hinweis auf BGHZ 27, 274, 275 und Seybold / Hornig / Lemmens, § 21 RNotO, S. 259. 116 RG JW 1909, 139, 140. 117 RG JW 1909, 139, 140. 114 115
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künftig ein Schaden entstehen wird118. Aufgrund der Unwirksamkeit des Erbverzichts werde der Kläger in seinem Pflichtteilsrecht beeinträchtigt, weil er als Pflichtteil weniger erhalten wird, als ihm zukäme, wenn der Erbverzicht wirksam wäre119. Die Stellung als Pflichtteilsberechtigter begründe bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein Rechtsverhältnis120. Die Klage sei auch begründet, weil die dem Notar obliegende Amtspflicht, die Rechtslage zu prüfen und die Urkunde rechtlich einwandfrei zu gestalten, auch dem Kläger gegenüber oblegen habe121.
4. Geringere Erbschaft aufgrund ungünstigen Testaments durch unvollständige Beratung des Erblassers a) Verlust von Gesellschaftsanteilen durch fehlerhafte Beratung (BGH NJW 2002, 2787) In dem bereits unter A. I. 2. geschilderten Fall BGH NJW 1995, 2550 klagte der Testamentsvollstrecker nach Verurteilung des Rechtsanwalts auch auf Schadensersatz wegen entgangener Erbschaft gegenüber dem Notar, der das vom Rechtsanwalt überprüfte Testament entworfen hatte. Der BGH verurteilte den Notar dem Grunde nach auf Schadensersatz aus § 19 I 1 BNotO122. b) Versäumte Beratung über das weiter bestehende gesetzliche Erbrecht der leiblichen Verwandten eines adoptierten Kindes (BGHZ 58, 343) Die beklagten Notare haben den Erblasser weder bei der Beurkundung des Kindesannahmevertrages (durch den Erstbeklagten) noch bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments (Beurkundung durch den Zweitbeklagten) darauf hingewiesen, dass durch eine Kindesannahme das gesetzliche Erbrecht der Verwandten des Kindes nach dem damals geltenden § 1764 BGB nicht berührt wurde123. Die Adoptivtochter des Erblassers war die damals 5-jährige leibliche Tochter seiner Ehefrau. Beim Tode des Erblassers wurde dessen Adoptivtochter BGH NJW 1996, 1062, 1063. BGH NJW 1996, 1062, 1063. 120 BGH NJW 1996, 1062, 1063. 121 BGH NJW 1996, 1062, 1063. 122 BGH NJW 2002, 2787, 2790 f. 123 Gemäß § 1764 BGB damaliger Fassung ließ die Annahme an Kindes Statt die erbrechtlichen Beziehungen des angenommenen Kindes zu seinen leiblichen Verwandten unberührt und konnte auch von diesen beerbt werden. Gemäß der am 1. 1. 1977 in Kraft getretenen Neuregelung in § 1755 BGB n. F. erlöschen mit der Annahme als Kind „das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. 118 119
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aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments Erbin zu einem Drittel. Als die Adoptivtochter tödlich verunglückte, wurden gemäß § 1925 BGB gesetzliche Erben ihre leibliche Mutter und deren geschiedener Ehemann als ihr leiblicher Vater. Zum Nachlass der Tochter gehörten die vom Adoptivvater geerbten Anteile an dessen Familienunternehmen. Mutter und Halbbruder der Erblasserin verlangten daraufhin von den beklagten Notaren Ersatz des Schadens, der ihnen dadurch entstanden ist, dass das von der Erblasserin nach dem Tode ihres Adoptivvaters ererbte Vermögen zur Hälfte an ihren leiblichen Vater fiel. Die Kläger behaupteten, bei Kenntnis der Erbberechtigung des leiblichen Vaters hätte der Adoptivvater eine Regelung getroffen, bei der das Erbrecht des leiblichen Vaters nicht hätte entstehen können. Der BGH gab der Klage statt und gewährte den Klägern einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung aus § 21 I 1 der damals noch maßgebenden RNotO124. Die Beklagten hätten eine ihnen den Klägern gegenüber obliegende Amtspflicht i. S. d. § 19 RNotO verletzt125. „Dritte“ im Sinne von § 21 RNotO seien alle die Personen, deren Interessen nach der besonderen Natur des Amtsgeschäftes durch dieses berührt werden126. Der Dritte brauche nicht beim Notar erschienen zu sein, es reiche aus, dass er der vom Erblasser durch letztwillige Verfügung Bedachte sein sollte127. Das Gericht war der Überzeugung, dass der Erblasser bei Kenntnis der Rechtslage die beiden Kläger als Nacherben seiner Adoptivtochter eingesetzt hätte, um den „Heimfall“ des Vermögens an seine Familie zu gewährleisten128.
II. Ergebnis Die entscheidenden Gerichte gingen in den dargestellten Amtshaftungsfällen davon aus, dass bereits mit der Existenz einer speziellen gesetzlichen Anspruchsgrundlage bei Amtspflichtverletzungen von Notaren (§ 19 I 1 BNotO bzw. § 21 I 1 RNotO) und Bürgermeistern (§ 839 I 1 BGB), die auch die Haftung gegenüber Dritten erfasst129, und einer für den Entgang der Erbschaft kausalen Amtspflichtverletzung gegenüber dem Erblasser eine Ersatzpflicht in Höhe der entgangenen Erbschaft unproblematisch gegeben ist. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist aber eine Rechtsverletzung Voraussetzung jeder Schadensersatzhaftung, also auch einer Amtshaftung. Die Zuweisung eines subjektiven Rechts an einen künftigen Erben ist hinsichtlich des künftigen 124 125 126 127 128 129
§ 21 I 1RNotO entspricht im Wortlaut dem heute geltenden § 19 I 1 BNotO. BGHZ 58, 343, 353. BGHZ 58, 343, 353. BGHZ 58, 343, 353. BGHZ 58, 343, 349. Dazu bereits oben Teil 4 A. II. 1. a).
D. Problematik bei der Geltendmachung originärer Ersatzansprüche
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Nachlasses in Fällen von Amtspflichtverletzungen gegenüber den Erblassern ebenso abzulehnen wie in den erwähnten Anwaltshaftungsfällen130. Dies gilt ebenso für Pflichtteilsberechtigte 131 und Vermächtnisnehmer132. Unabhängig davon, ob für den Entgang der Erbschaft ein Fehlverhalten eines Rechtsanwalts oder das eines Amtsträgers kausal war, ist daher dem enttäuschten Erben ein Ersatzanspruch in Höhe der entgangenen Erbschaft zu versagen133, weil auch in Fällen der Amtshaftung aufgrund der erbrechtlichen Besonderheiten die Voraussetzung der Verletzung eines subjektiven Rechts nicht erfüllt sein kann.
D. Identische Problematik bei der Geltendmachung originärer Ersatzansprüche von Erben aus § 826 BGB auf Übereignung eines vom Erblasser verschenkten Gegenstandes Die Problematik des fehlenden subjektiven Rechts bei der Haftung wegen entgangener Erbschaft bleibt nicht auf Dritthaftungsfälle beschränkt, sondern setzt sich in den Entscheidungen fort, in denen für entgangene Erbschaften nach § 826 BGB Ersatzansprüche gewährt wurden. Nach den oben dargestellten Prinzipien gilt die Prämisse der Rechtsverletzung auch für Ersatzansprüche aus § 826 BGB134. Das Recht versagt bezüglich § 826 BGB aus denselben Gründen wie bei allen anderen schadensersatzrechtlichen Anspruchsgrundlagen die Zuweisung eines Rechts hinsichtlich der Erbschaft vor dem Erbfall.
130 Zu den erbrechtlichen Besonderheiten, welche die Zuweisung eines subjektiven Rechts hinsichtlich der Erbschaft und damit auch eine Haftung für entgangene Erbschaft versagen siehe oben Teil 3 A. und B. 131 Zum fehlenden Recht des Pflichtteilsberechtigten hinsichtlich des Nachlasses vor dem Erbfall oben Teil 3 A. 132 Zum fehlenden Recht eines künftigen Vermächtnisnehmers vor dem Erbfall oben Teil 3 A. 133 Zum erstrebten Einklang der Haftung von Rechtsanwälten mit der Haftung von Notaren gegenüber Dritten, wenn diese infolge einer Amtspflichtverletzung nicht die ihnen vom Erblasser zugedachte Erbschaft erlangen Lorenz, JZ 1995, 317, 318; Vollkommer / Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 103; v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 321; v. Gierke, Die Dritthaftung des Rechtsanwalts, S. 48 ff., die sich jedoch alle für eine Haftung von Anwälten und Notaren wegen entgangener Erbschaft aussprechen. 134 Oben Teil 2 B. I. 2.
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I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Ansprüchen der gesetzlichen Erbin aus § 826 BGB gegen die beschenkte Geliebte des Erblassers (RGZ 111, 151) 1. Die Position des Reichsgerichts Im Widerspruch zur rechtlichen Stellung des künftigen Erben vor dem Erbfall stand bereits die Entscheidung des Reichsgerichts135, die der Klägerin als Witwe und gesetzliche Erbin des Erblassers gegen dessen beschenkte Geliebte einen originären Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zuerkannte, weil die Geliebte durch den Erwerb des geschenkten Grundstücks bei der unsittlichen Schädigung der Ehefrau durch den Erblasser mitgewirkt habe und auf Schadensersatz gemäß § 249 BGB hafte136. Die Geliebte wurde zur Herausgabe und Rückauflassung des Grundstücks an die Witwe des Erblassers verurteilt. Dabei stellte das Reichsgericht in der Urteilsbegründung entscheidend darauf ab, dass in der Begünstigung der Geliebten ein unsittliches Verhalten gelegen habe und die Zuwendung an diese deshalb keinen Bestand haben konnte137. Ausdrücklich hob das Gericht hervor, der Erblasser sei nicht gehindert gewesen, auf anderem Wege, d. h. durch Übertragung auf eine andere Person, durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen das Grundstück seiner Frau als seiner künftigen Erbin zu entziehen138. Eine Verfügung zugunsten irgend eines anderen könne aber nicht mit der Verfügung verglichen werden, „durch die die ehebrecherische Geliebte an die Stelle der Ehefrau gesetzt wurde“139. Einen vom Erblasser abgeleiteten Bereicherungsanspruch der Erbin aus §§ 812 I 1, 817 S. 1 BGB dagegen lehnte das Reichsgericht anders als die Vorinstanz mit der Berufung auf § 817 S. 2 BGB ab. Das durch die Sittenwidrigkeit der Leistung in der Person des Erblassers begründete Hindernis der Rechtsverfolgung sei auch der Klägerin als seiner Rechtsnachfolgerin entgegenzuhalten, obwohl sich das unsittliche Geschäft gerade gegen sie richtete140. Die Richtung des unsittlichen Geschäfts gegen die Klägerin könne nur dazu verwendet werden, einen ihr aus eigenem Rechte zustehenden Anspruch aus § 826 BGB zu begründen141. RGZ 111, 151. Der Entscheidung des RG hinsichtlich der Ersatzfähigkeit eines entgangenen erbrechtlichen Vorteils stimmen zu etwa Erman-Schiemann, § 826 Rn. 18; MK-Mertens, 3. Auflage, § 826 Rn. 71; MK-Wagner, § 826 Rn. 6; Soergel-Hönn, § 826 Rn. 80; Jauernig-Teichmann, § 826 Rn. 5; RGRK-Steffen, § 823 Rn. 441 (lucrum cessans); im Ergebnis zustimmend auch Loewenwarter, JW 1926, 248 (Berichtigungsklage); a.A. MK-Wagner, § 826 Rn. 125 (im Widerspruch zu Rn. 6); Staudinger-Boehmer, Einl. Erbrecht § 20 Rn. 2; Boehmer, FamRZ 1961, 253, 254 f.; Wiener, JW 1926, 248, der sich gegen das Sittenwidrigkeitsverdikt wendet. 137 RGZ 111, 151, 154. 138 RGZ 111, 151, 154. 139 RGZ 111, 151, 154. 140 RGZ 111, 151, 154 f. 141 RGZ 111, 151, 155. 135 136
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2. Die Widersprüchlichkeit der vom Reichsgericht eingenommenen Position a) Widerspruch zur rechtlichen Stellung eines Erben vor dem Erbfall Die Entscheidung widerspricht der auch vom Reichsgericht vertretenen Auffassung, der zukünftige Erbe habe zu Lebzeiten des Erblassers keinerlei Ansprüche gegen diesen und könne folglich ungeachtet einer schon getroffenen Verfügung von Todes wegen, ja trotz des gesetzlichen Ehegattenerbrechts unter Lebenden frei nach seinem Willen verfügen142. Legt man diese Position zugrunde, ist gleichzeitig die Einordnung der durch eine Verfügung des Erblassers unter Lebenden bewirkten Vermögensänderung als das Vermögen der Ehefrau minderndes Ereignis und damit als schadensersatzrechtlich zu kompensierende Verursachung eines Schadens im Rechtssinne auf Seiten der Klägerin ausgeschlossen, gleich an wen und weshalb Nachlassgegenstände vor dem Erbfall der Erbmasse entzogen, insbesondere verschenkt wurden. Gewährt man ungeachtet dessen einen Ersatzanspruch aus § 826 BGB mit der Erwägung, es genüge zu einer Schadenszufügung „im Sinne des § 826 BGB ( . . . ) jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage im Allgemeinen, auch die Beeinträchtigung einer bloß tatsächlichen Erwerbsaussicht“143, so erfolgt die Zuweisung der Erbschaft quasi erst durch das Schutzrecht § 826 BGB. b) Widerspruch zu den Wertungen des nach Ansicht des Reichsgerichts anwendbaren § 817 S. 2 BGB Die Ersatzgewährung gemäß § 826 BGB widerspricht den Wertungen des § 817 S. 2 BGB144. Einen Bereicherungsanspruch aus §§ 812 I 1, 817 S. 1 BGB lehnt das Reichsgericht zu Recht mit Hinweis auf § 817 S. 2 BGB ab. Hinsichtlich eines Bereicherungsanspruches wird also das sittenwidrige Handeln des Erblassers seiner Rechtsnachfolgerin zugerechnet. Trotzdem hatte die Klägerin nach der Urteilsbegründung des Reichsgerichts in RGZ 111, 151 gerade wegen dieses Verhaltens einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Was man der Klägerin also wegen des sittenwidrigen Verhaltens des Erblassers nach § 817 S. 2 BGB absprach, gestand man ihr über § 826 BGB aus demselben Grunde zu. Dies wurde damit begründet, dass es sich bei dem Anspruch aus § 826 BGB um einen „aus eigenem Rechte zustehenden Anspruch“145 142 Zu diesem Grundsatz der Senat im selben Urteil S. 154: „Allerdings hätte P. auch ohne die Schenkung an die Beklagte auf anderem Wege, durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen, das Grundstück seiner Frau als seiner künftigen Erbin entziehen können, ohne daß eine solche Verfügung schon deshalb als sittenwidrig angesehen werden müßte“. 143 So RGZ 111, 151, 156. 144 So auch Boehmer, FamRZ 1961, 253, 254; Gernhuber, FamRZ 1960, 326 Fn. 59. 145 So RGZ 111, 151, 155.
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
handle und § 817 S. 2 BGB folglich nicht zur Anwendung komme. Dies ist in zweifacher Weise unrichtig: Zum einen handelt es sich gerade nicht um einen eigenen Anspruch der Klägerin; zum anderen widerspricht die Lösung des Reichsgerichts den Wertungen des § 817 S. 2 BGB, die auch für Ansprüche aus § 826 BGB gelten müssen. aa) Geltendmachung eines derivativen Anspruchs durch die Klägerin Der vermeintliche Schadensersatzanspruch folgt gerade aus dem gesetzlichen Erbrecht der Klägerin und ist damit kein originärer, sondern ein derivativer Anspruch der Klägerin146. Wäre die Klägerin nicht später Rechtsnachfolgerin des Erblassers geworden, hätte ihr auch das Grundstück durch die Schenkung nicht „entzogen“ werden und damit der angebliche, vom Erblasser mitverursachte Schaden nicht entstehen können. Der Ersatzanspruch wird nicht schon deshalb zu einem eigenen, weil die Schenkung automatisch den künftigen Nachlass schmälerte und sich das Verhalten des Erblassers damit mittelbar auch zum späteren Nachteil des Erben auswirkte. Ansonsten würde das damals wie heute geltende Erbfolgerecht, wonach zu Lebzeiten des Erblassers noch kein Recht des künftigen Erben an den Nachlassgegenständen besteht, konterkariert. Der Erblasser ist in seiner Freiheit, unter Lebenden über sein Vermögen zu verfügen, nicht durch die künftige Erbfolge beschränkt. Dies ergibt sich für bindende Verfügungen von Todes wegen bereits aus § 2286 BGB und muss für die nicht bindende gesetzliche Erbfolge erst recht gelten147. Da der Erblasser einen Teil seines eigenen Vermögens wegschenkte, schädigte er sich in erster Linie quasi selbst. Die Klägerin betrifft diese Schenkung nur in ihrer Funktion als Rechtsnachfolgerin des Erblassers. Zieht man also überhaupt einen Ersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB in Betracht, so prüft man letztlich einen Anspruch des Erblassers wegen eines sich selbst schädigenden Verhaltens, an dem auch die Beklagte mitgewirkt hat. bb) Mitverschulden des Erblassers, § 254 BGB Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des unsittlich handelnden Erblassers muss sich folglich bei einem Schadensersatzanspruch des Erblassers nach § 826 BGB dessen Verhalten über § 254 BGB ebenso anspruchsmindernd entgegenhalten lassen wie bei einem Bereicherungsanspruch über § 817 S. 2 BGB. Andernfalls würde man nach der „Rosinentheorie“ verfahren, wenn man der Klägerin im Rahmen des § 826 BGB nur hinsichtlich des vermeintlichen Schadens die Stellung einer 146 Ein eigener Anspruch des Erben würde nur nach dem früheren deutschen Recht entstehen aufgrund des einem künftigen Erben vor dem Erbfall zustehenden dinglichen Rechts an unbeweglichen Sachen, oben Teil 3 A. 147 Oben Teil 3 A.
D. Problematik bei der Geltendmachung originärer Ersatzansprüche
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Rechtsnachfolgerin zuweist, nicht aber bezüglich der sittenwidrigen Handlung des Erblassers. Dasselbe Verhalten des Erblassers kann nicht gegenüber der Klägerin einerseits zur Rechtsschutzverweigerung148 hinsichtlich eines Bereicherungsanspruches nach § 817 S. 2 BGB führen und andererseits einen Schadensersatzanspruch begründen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB nicht dieselben Wertungen gelten sollen. Stattdessen führt eine unterschiedliche Behandlung zu einer entgegengesetzten Bewertung desselben Verhaltens und damit zu untragbaren Wertungswidersprüchen. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ist daher auch wegen eines Widerspruchs zu den Wertungen des § 817 S. 2 BGB abzulehnen149. 3. Vergleich mit der übrigen in RGZ 111, 151 zitierten reichsgerichtlichen Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit tatsächlicher Erwerbsaussichten Der Ersatzfähigkeit sog. tatsächlicher Erwerbsaussichten ist zwar grundsätzlich für das gesamte Haftungsrecht aufgrund des geltenden Grundsatzes der Totalreparation zuzustimmen150. Untersucht man aber die vom Reichsgericht zur Ersatzfähigkeit tatsächlicher Erwerbsaussichten zitierten früheren Urteile151, so ist festzustellen, dass keiner der zugrundeliegenden Sachverhalte mit dem von RGZ 111, 151 oder dem des Testamentsfalles vergleichbar ist. In den von RGZ 111, 151 zitierten Urteilen ging es jeweils um den Ersatz eines entgangenen Gewinns, den die Kläger in ihren Gewerbebetrieben aufgrund der Einwirkungen durch die Beklagten nicht erzielen konnten. Die Gewinne wären durch erlaubten Vermögensund Arbeitseinsatz der Geschädigten und daher aufgrund eines bestehenden Rechts auf Gewinn erzielt worden152. Eine Güter- und Interessenabwägung ergibt in den beiden Fällen zulasten der Schädiger ein Überwiegen des Interesses der Kläger an einem ungestörten Vermögens- und Arbeitseinsatz und weist die Ausübung dieses Interesses den Klägern als Recht auf Gewinn zu mit der Folge, dass die durch Verletzung dieses Rechts entstandenen Vermögensschäden grundsätzlich als entgangene Gewinne ersatzfähig sind. Im Gegensatz zur Zuweisung absoluter Rechte erfolgt die Zuweisung von Vermögensrechten ebenso wie ihre Ersatzfähigkeit nur eingeschränkt. So kann eine 148 Zum Gedanken der Rechtsschutzverweigerung in § 817 S. 2 BGB vgl. Larenz / Canaris, Schuldrecht II 2, § 68 III 3 (S. 162) und oben Teil 2 B. II. 4. c) bb) (2). 149 A. A. Palandt-Sprau, § 817 Rn. 21, der zur Begründung der Ersatzpflicht nach § 826 BGB § 242 BGB heranzieht. 150 Oben Teil 2 A. III. 151 RGZ 48, 114; RGZ 79, 55. 152 Zum Recht auf Gewinn aus einem erlaubten Vermögens- und Arbeitseinsatz oben Teil 2 B. II.
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solche Zuweisung von Vermögensrechten im Rahmen einer Sonderverbindung geschehen oder auch dann erfolgen, wenn sich der andere, mit dessen Interessen eine Abwägung erfolgen muss, sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB verhält und das Gesetz eine Zuweisung nicht zwingend versagt153. Wäre die Schädigung in den von RGZ 111, 151 zitierten Urteilen nicht vorsätzlich und sittenwidrig erfolgt, wären die Kläger vorbehaltlich sondergesetzlicher Regelungen mangels Zuweisung eines Rechts auf Gewinn leer ausgegangen. Durch die Statuierung des sog. Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welches auch ein Recht auf Gewinn beinhaltet, und dem damit verbundenen Vermögensschutz würde das Vermögen vor diesen Eingriffen heute schadensrechtlich auch von § 823 I BGB geschützt werden154. In RGZ 111, 151 dagegen lag wie im Testamentsfall und den übrigen dargestellten Fällen entgangener Erbschaft aus den genannten Gründen gerade keinerlei der Klägerin zugewiesenes Recht an dem Grundstück oder auf das Grundstück vor. Die bloße Erbaussicht ist dem künftigen Erben nicht zugewiesen und ist daher weder in der Sonderverbindung noch gemäß § 826 BGB geschützt. Ein Ersatzanspruch nach § 826 BGB kann folglich entgegen der Argumentation des Reichsgerichts auch nicht davon abhängen, an wen der Erblasser Gegenstände seines Vermögens verschenkt hat. Die Person des Beschenkten hätte lediglich für eine Nichtigkeit der Verfügung von Todes wegen i. S. d. § 138 I BGB von Relevanz sein können. § 826 BGB erfasst wie alle anderen schadensrechtlichen Schutzrechte lediglich nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähige Schäden, also solche, denen eine Rechtsverletzung vorausging, unter der Voraussetzung, dass sie vorsätzlich und sittenwidrig herbeigeführt wurden. Erblickte man in § 826 BGB eine schadensrechtliche Sonderregelung, würde man nach der oben erwähnten Feststellung Rudolf von Jherings verfahren: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld.“155
Zur zwingenden Versagung eines Rechts auf Gewinn oben Teil 2 B. II. 4. Zum Recht auf Gewinn als Inhalt eines absoluten Rechts oben Teil 2 B. II. 3. a). Die erwähnte Abwägungsentscheidung hinsichtlich des Rechts auf Gewinn entspricht derjenigen, die man seit Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bereits bei Zuweisung des Rechts am Gewerbebetrieb bzw. der Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in dieses Recht durchführt, vgl. zur Güter- und Interessenabwägung im Rahmen des Rechts am Gewerbebetrieb Erman-Schiemann, § 823 Rn. 49 ff. 155 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, S. 40; vgl. dazu auch oben Teil 2 B. I. 2. 153 154
D. Problematik bei der Geltendmachung originärer Ersatzansprüche
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II. Die (anfängliche) Fortsetzung dieser Rechtsprechung durch den BGH Im Jahre 1952 fällte der BGH unter Bezugnahme auf RGZ 111, 151 ein diesem ähnliches Urteil156 und setzte damit die oben kritisierte Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Ersatzansprüchen gesetzlicher Erben aus § 826 BGB fort. Der Erblasser war Eigentümer eines Grundstückes, das er während der Abwesenheit des Klägers an seine Tochter, die Schwester des Klägers und Erstbeklagte, veräußerte. Der Kläger als gesetzlicher Erbe verlangte nach dem Erbfall die Übereignung des nun unbelasteten Grundstücks an die Erbengemeinschaft. Hierzu wurden die Beklagten aus §§ 826, 249 BGB verurteilt157. Durch Veräußerung des Grundstücks sei dieses mit dem Erbfall nicht in den Nachlass gefallen; es seien keine Hinweise vorhanden, wonach der Erblasser das Grundstück an einen anderen veräußert haben würde158. Der BGH verwies in seiner Urteilsbegründung darauf, dass bereits das Reichsgericht in der Beeinträchtigung der tatsächlichen Erwerbsaussicht eines künftigen Erben einen ersatzfähigen Schaden erblickte159. An dieser Rechtsprechung sei festzuhalten, so dass die Erstbeklagte mit dem Grundstückserwerb einen ersatzfähigen Schaden des Klägers herbeigeführt habe160. Auch sei die Schadenszufügung widerrechtlich und sittenwidrig, denn die Erstbeklagte habe die „Hilflosigkeit, Abhängigkeit, Willensschwäche und Ängstlichkeit des Vaters hinter dem Rücken des im Wehrdienst stehenden Kl. dazu ausgenutzt, um ihn zum Abschluß des Grundstücksübereignungsvertrages zu bestimmen“161.
III. Rechtsprechung und Literatur zur Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB Zwar folgt die neuere Rechtsprechung nicht mehr der Auffassung des Reichsgerichts hinsichtlich der Ersatzfähigkeit einer entgangenen Erbschaft gemäß § 826 BGB. Jedoch scheitert ein Ersatzanspruch nach neuerer Rechtsprechung entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht am Fehlen einer entsprechenden Rechtsverletzung – diese Problematik wird auch im Rahmen von § 826 BGB weiterhin nicht erörtert –, sondern daran, dass §§ 2287, 2288 BGB erbrechtliche Spezialregelungen sind, die der Anwendung von § 826 BGB in Fällen entgangener Erbschaft vorgehen162. Die §§ 2287, 2288 BGB greifen in die in § 2286 BGB anerkannte FreiBGH LM 1953 § 249 (Fa) Nr. 3. BGH LM 1953 § 249 (Fa) Nr. 3. 158 BGH LM 1953 § 249 (Fa) Nr. 3. 159 BGH LM 1953 § 249 (Fa) Nr. 3 mit Hinweis auf RGZ 48, 114 ff.; RGZ 79, 55 ff.; RGZ 111, 151 ff. 160 BGH LM 1953 § 249 (Fa) Nr. 3. 161 BGH LM 1953 § 249 (Fa) Nr. 3. 156 157
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4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Parallelfälle
heit des Erblassers ein, über sein Vermögen unter Lebenden zu verfügen, sofern er Vermögen ohne anerkennenswertes Eigeninteresse verschenkt163.
1. Die heutige Rechtsprechung zur Nichtanwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB a) Die Leitentscheidung des BGH in BGHZ 108, 73164 zur Nichtanwendbarkeit von § 826 BGB Nach der Leitentscheidung des BGH aus dem Jahre 1989 sind die Spezialregelungen §§ 2286, 2287 BGB abschließend und haben Auswirkungen auf entgeltliche Verfügungen, indem sie auch insoweit die Anwendbarkeit von § 826 BGB ausschließen: „Wo nämlich der Erblasser wegschenken könnte, ohne dass ein Anspruch aus § 2287 BGB entstünde, kann ein entsprechendes entgeltliches Geschäft schwerlich schon deshalb als sittenwidrig behandelt werden, weil der Vertragserbe den weggegebenen Gegenstand nicht erlangt“165. Eine Ausgestaltung des gesetzlichen Schutzes als eines deliktischen nach § 826 BGB sei auch im Hinblick auf das Hinzutreten einen kollusiv mitwirkenden Dritten nicht geboten166. Deshalb komme ein Anspruch des Erben aus § 826 BGB nur dann in Betracht, wenn der Erblasser seine Verfügungsbefugnis nicht selbst missbraucht hat, sondern ein Dritter – etwa durch Täuschung – dem Erblasser Schaden zufügte und der Erbe 162 So erstmals BGHZ 108, 73, 78; dieser Entscheidung folgend OLG Köln ZEV 1996, 23, 24; BGH NJW 1991, 1952; anders dagegen noch OGHZ 1, 161, 165: „Nicht etwa liegt eine bloße Teilungsanordnung vor, gegen deren Verletzung vor dem Erbfall die Klägerin nicht auf Grund der §§ 2287, 2288 BGB, sondern nur allenfalls auf Grund des § 826 BGB vorgehen könnte.“; OGHZ 2, 161, 163, 170; BGH BWNotZ 1959, 206, wonach auch eine Haftung nach § 826 BGB als „denkbar“ angesehen wird, sofern der Vertragspartner des Erblassers dessen Willensschwäche sittenwidrig zum eigenen Vorteil missbraucht, allerdings wird nicht deutlich, ob es sich bei dem Anspruch aus § 826 BGB um einen originären Anspruch des Erben handelt. 163 So der Anwendungsbereich der §§ 2287, 2288 BGB seit der Grundsatzentscheidung BGHZ 59, 343, mit welcher der BGH die Rechtsprechung zur sogenannten „Aushöhlungsnichtigkeit“ nach § 134 BGB aufgab und den Anwendungsbereich des § 2287 BGB mit Hilfe einer restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Benachteiligungsabsicht des Erblassers erweiterte. Soweit der Schutzzweck des § 2287 BGB reicht und damit Ansprüche aus § 826 BGB ausgeschlossen sind, ist danach auch für die Anwendbarkeit von § 138 BGB kein Raum. Vielmehr kommt eine Nichtigkeit, auf die sich nach dem Tode des Erblassers auch der Vertragserbe berufen könnte, nach § 138 I BGB nur in Betracht, wenn weitere Umstände hinzukommen, wie z. B. ein „anstößiges Zusammenwirken beider Parteien“ um die in einem endgültigen Erbvertrag übernommene Bindung im Ergebnis wirkungslos zu machen und einen Dritten zu bereichern (BGHZ 59, 343, 348). 164 BGHZ 108, 73 = NJW 1989, 2389 = DNotZ 1990, 801 = FamRZ 1989, 961. 165 BGHZ 108, 73, 77 f. 166 BGHZ 108, 73, 77 f.
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somit einen Ersatzanspruch gemäß § 1922 BGB vom Erblasser ableiten kann167. Ein eigener Anspruch des Vertragserben könne aber aus einem derartigen Vorgang nicht unmittelbar entstehen, weil hierfür die Enttäuschung der Erberwartungen des Vertragserben nicht ausreiche168. Gegen sittenwidriges Vorgehen eines Dritten, der aus dem Vermögen des Erblassers zu dessen Lebzeiten einen Gegenstand erwirbt, sei der Vertragserbe im allgemeinen nur dann geschützt, wenn der Erwerb mindestens schuldrechtlich seiner Wirkungen entkleidet ist oder wird169. Ein Ersatzanspruch des Erben sei aber abzulehnen, wenn das schuldrechtliche Rechtsgeschäft zwischen Erblasser und Drittem voll wirksam ist170. Dann rücke der Erbe in die Rechtsstellung des Erblassers, bleibe wie dieser gebunden und müsse dem Dritten den Gegenstand belassen171. Wenn das schuldrechtliche Geschäft z. B. wegen § 138 BGB unwirksam ist, sei aber ein Ersatzanspruch trotz sittenwidrigen Verhaltens des Erblassers deshalb nicht ausgeschlossen: „Der Vertragserbe braucht den vom Erblasser abgeschlossenen Vertrag daher trotz möglicherweise sittenwidrigen Vorgehens des Erblassers (oder seines Vertragspartners) nur dann nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn das Geschäft ihn nicht bindet“172. b) Widersprüche in der Urteilsbegründung Der Senat stellt zutreffend fest, dass in der Person des Vertragserben nicht unmittelbar ein Ersatzanspruch aus § 826 BGB entstehen kann, wenn der Erblasser von einem Dritten getäuscht wurde. Aus § 826 BGB können vom Erblasser abgeleitete Ansprüche bestehen, soweit diesem ein Schaden zugefügt wurde173. Für eigene Ansprüche des Erben könne es nicht ausreichen, dass lediglich die Erberwartungen enttäuscht wurden. Dies ist zwar nach den bisherigen Ausführungen zutreffend, weil enttäuschte Erberwartungen nicht ersatzfähig sind, egal wie sehr moralisch verwerflich das Verhalten des Erblassers gewesen sein mag174. Die Begründung steht aber eindeutig im Gegensatz zu RGZ 111, 151, wo gerade ein eigener Anspruch des Erben aus § 826 BGB wegen entgangener Erbschaft gewährt BGHZ 108, 73, 77 f. BGHZ 108, 73, 78. 169 BGHZ 108, 73. 170 BGHZ 108, 73, 79. 171 BGHZ 108, 73, 79. 172 BGHZ 108, 73, 79. 173 BGHZ 108, 73, 78. 174 A. A. etwa Jauernig-Teichmann, § 826 Rn. 5, der unter Berufung auf RGZ 111, 151, 156 die Ansicht vertritt, dass auch tatsächliche, hinreichend konkrete Erwerbsaussichten wie die Aussicht auf eine Erbschaft zum Vermögen gehören und von § 826 BGB geschützt sind; so auch MK-Mertens, 3. Auflage, § 826 Rn. 71, wonach gemäß § 826 BGB jede nachteilige Beeinflussung der Vermögenslage, also auch die Beeinträchtigung einer tatsächlichen Erwerbsaussicht wie insbesondere der des Erben zu ersetzen ist. 167 168
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und mit Hinweis auf den originären Charakter des vom Erben geltend gemachten Anspruchs die Anrechnung des sittenwidrigen Verhaltens des Erblassers verneint wurde. Trotzdem billigt der Senat verbal die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 111, 151175. Nach der Urteilsbegründung in BGHZ 108, 73 soll ein vom Erblasser abgeleiteter Anspruch des Erben aus § 826 BGB nur dann bestehen, wenn das schuldrechtliche Rechtsgeschäft des Erblassers unwirksam ist: „der Vertragserbe braucht den vom Erblasser geschlossenen Vertrag ( . . . ) nur dann nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn das Geschäft ihn nicht bindet“176. Zwar trifft zu, dass ein Erbe einen vom Erblasser geschlossenen nichtigen Vertrag nicht gegen sich gelten lassen muss. Für den Erben des Vertragsschließenden als dessen Rechtsnachfolger ergibt sich dies aus dem Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 BGB). Ein Vertragserbe ist bei schuldrechtlicher Unwirksamkeit eines sittenwidrigen Geschäfts ebenso wenig an das Geschäft gebunden wie der Erblasser selbst. Die schuldrechtliche Unwirksamkeit führt aber nicht immer zu einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB: Handelte auch der Erblasser sittenwidrig, ist dieses sittenwidrige Verhalten dem Erben als Rechtsnachfolger als Mitverschulden gemäß § 254 BGB zuzurechnen177. Unzutreffend ist daher die Aussage des Senats: „Der Vertragserbe braucht den vom Erblasser abgeschlossenen Vertrag daher trotz möglicherweise sittenwidrigen Vorgehens des Erblassers (oder des Vertragspartners) nur dann nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn das Geschäft ihn nicht bindet.“178 Auch dann muss der Erbe das sittenwidrige Vorgehen des Erblassers gegen sich gelten lassen. Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche des Erblassers wegen aus Sittenwidrigkeit folgender Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages kommen nur dann in Betracht, wenn der Erblasser selbst nicht sittenwidrig gehandelt hat179. Dann hat der Erbe bei Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages einen vom Erblasser abgeleiteten Herausgabe- oder Ersatzanspruch aus § 812 BGB und § 826 BGB. Eine Rückforderung des Gegenstandes ist aber (entgegen RGZ 111, 151) wegen § 817 S. 2 BGB bzw. § 254 BGB ausgeschlossen, wenn der Erblasser selbst sittenwidrig handelte180. Dies gilt auch dann, wenn der schuldrechtliche Vertrag unwirksam ist. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es sich bei dem Anspruch aus § 826 BGB um einen eigenen Anspruch des Erben handeln würde, wie es in RGZ 111, 151 anklingt. Aber genau das verneint der entscheidende Senat in BGHZ 108, 73. 175 176 177 178 179 180
BGHZ 108, 73, 79. BGHZ 108, 73, 79. Oben I. 2. b). BGHZ 108, 73, 79. Oben I. 2. b). Oben I. 2. b).
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2. Divergierende Literaturmeinungen zur Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB a) Ältere Literaturansichten für die Anwendbarkeit von § 826 BGB Nach Ansicht von Mattern181 kann der benachteiligte Erbe einen Ersatzanspruch nach § 826 BGB geltend machen, allerdings erst mit dem Tod des (längstlebenden) Erblassers, weil der Erbe erst dann eine geschützte endgültige Rechtsposition erlange. Nach Auffassung von R. Kohler182 schließen §§ 2287, 2288 BGB konkurrierende Ansprüche aus § 826 BGB nicht aus. Als Beleg für seine Ansicht zieht er RGZ 111, 151183 heran184. Der Anspruch entsteht nach Auffassung Kohlers bereits mit der Vornahme des „Aushöhlungsgeschäfts“, werde aber erst beim Schlusserbfall fällig185. b) Für die Anwendung von § 826 BGB in eklatanten Fällen bzw. differenzierende Ansichten Nach Ansicht von Münzberg186 sind gemäß § 826 BGB auch tatsächliche Erwerbsaussichten wie die eines künftigen Erben ersatzfähig. Aber wegen des grundsätzlich freien Verfügungsrechts des Erblassers seien von § 826 BGB nur die besonders eklatanten Fälle einer verwerflichen Einflussnahme besonderer Art und Intensität erfasst. Zur Begründung seiner These zur Ersatzfähigkeit tatsächlicher Erwerbsaussichten eines künftigen Erben nennt er wie H. A. Fischer187 ein Beispiel, bei dem es sich gerade um solche Erwerbsaussichten handelt, die durch die Verletzung eines dem Verletzten zustehenden Rechtes beeinträchtigt wurden: Verzug mit der Erfüllung einer Leistungspflicht, wodurch die Gelegenheit zu einem gewinnbringenden Weiterverkauf verloren ging188. Kanzleiter189 schließt sich Münzberg im Ergebnis mit dem Hinweis auf die Motive190 und die Protokolle191 an: In besonders schweren Missbrauchsfällen Mattern, BWNotZ 1966, 1, 10. R. Kohler, NJW 1964, 1393, 1395, 1398. 183 Zu RGZ 111, 151 eingehend oben I. 184 R. Kohler, NJW 1964, 1393, 1395. 185 R. Kohler, NJW 1964, 1393, 1395. 186 Münzberg, JuS 1961, 389, 393. 187 H. A. Fischer, Der Schaden nach dem BGB, S. 68. 188 Münzberg, JuS 1961, 389, 393; vgl. dazu auch oben Teil 2 B. II. 2. Hinsichtlich der fehlenden Vergleichbarkeit dieses Falles mit dem Ersatz für eine enttäuschte Erbaussicht gelten die Ausführungen zu RGZ 111, 151 (vgl. oben I. 3.). 189 Staudinger-Kanzleiter, § 2286 Rn. 4. 190 Motive V, S. 330. 181 182
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könne der vertragsmäßig Bedachte durch die §§ 138, 826 BGB geschützt sein. § 826 BGB sei nicht von §§ 2287, 2288 BGB als Spezialvorschriften ausgeschlossen192. Nach Auffassung von M. Wolf muss ein Ersatzanspruch nach § 826 BGB als der generellen Norm zur Verhinderung vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dem Vertragserben auch neben §§ 2287, 2288 BGB gewährt werden193. Bei Feststellung der Sittenwidrigkeit sei die Verfügungsfreiheit des Erblassers nach § 2286 BGB zu beachten, so dass Sittenwidrigkeit nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen angenommen werden könne194. Nach Ansicht von Schubert195 ist zwischen Ansprüchen gegen den Erblasser und gegen Dritte zu differenzieren. Danach schließt § 2287 BGB die Anwendbarkeit des § 826 BGB lediglich im Hinblick auf Ansprüche gegen den Erblasser aus, nicht aber bezüglich solcher gegen Dritte196. Allerdings müssten bei einer Anwendung von § 826 BGB die Wertungen des § 2287 BGB beachtet werden, sodass bei Beeinträchtigung des Schutzzwecks von § 2287 BGB die Anwendung von § 826 BGB auch gegenüber Dritten ausgeschlossen sei197. § 826 BGB sei folglich nur dann einschlägig, wenn der Schwerpunkt der unerlaubten Handlung in dessen Verhalten zu sehen sei198. Die Absicht den Vertragserben zu benachteiligen, d. h. die Verwirklichung des Tatbestandes des § 826 BGB müsse als unerlaubte Handlung des Dritten anzusehen sein199. Nach Auffassung von J. Kohler können der Schutz der Verfügungsfreiheit nach § 2286 BGB und § 826 BGB dann nebeneinander bestehen, wenn der Schadensersatzanspruch nicht dazu verwendet werde, den Nachlass gegenständlich zu erhalten und wiederherzustellen, sondern dazu, ihn als bloßes geldwertes Vermögen zu verteidigen200. In § 2287 BGB sei das legislative Ziel zu erkennen, dass Verfügungen grundsätzlich gegen Erbringung einer äquivalenten Gegenleistung erfolgen sollen201. Hieraus ergebe sich eine Vermögensanwartschaft kraft Erbvertrages, deren Verletzung mit dem Eintritt des Erbfalles zu einem Schaden führe202. Da 191 Protokolle V, S. 392: „. . . werde in eklatanten Fällen der § 749“ des Entw. II „eine Handhabe bieten, um einem illoyalen Verhalten zu begegnen“. 192 Staudinger-Kanzleiter, § 2286 Rn. 4. 193 Soergel-Wolf, § 2286 Rn. 2, § 2287 Rn. 27 mit Hinweis auf die Protokolle V, S. 390 ff. 194 Soergel-Wolf, § 2286 Rn. 2, § 2287 Rn. 27; vgl. auch BGHZ 59, 343, 351; ErmanSchmidt, § 2286 Rn. 2 und Olzen, Erbrecht, Rn. 555. 195 Schubert, JR 1990, 159, 160. 196 Schubert, JR 1990, 159, 160. 197 Schubert, JR 1990, 159, 160. 198 Schubert, JR 1990, 159, 160. 199 Schubert, JR 1990, 159, 160. 200 J. Kohler, FamRZ 1990, 464, 466. 201 J. Kohler, FamRZ 1990, 464, 466. 202 J. Kohler, FamRZ 1990, 464, 466.
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aber Schenkungen und gemischte Schenkungen bereits von § 2287 BGB erfasst werden, bleibe für die Anwendung von § 826 BGB praktisch kaum Raum203. Anwendbar sei § 826 BGB allein auf entgeltliche Erwerbsvorgänge, bei denen der Erblasser zu Unrecht von einer Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung ausging, falls der Erblasser nicht arglistig getäuscht wurde oder Wucher bzw. sonst eine sittenwidrige Handlung des Erwerbers vorliegen, weil sonst der Erblasser einen Anspruch aus § 826 BGB geltend machen kann oder das Rechtsgeschäft bereits gemäß § 138 BGB nichtig ist204. Im Ergebnis ist also nach dieser Auffassung die Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2286 ff. BGB nicht grundsätzlich zu verwerfen, auch wenn der Anwendungsbereich nur sehr gering ist205. Nach Ansicht von Johannsen kann „unter besonderen Umständen“ „der Vertragserbe auch Schadensersatzansprüche gegen den Beschenkten haben“206. Das treffe zu, „wenn der Beschenkte bei der Benachteiligung des Vertragserben mitgewirkt hat und wenn auch er diesen Erfolg wollte, insbesondere wenn er in einer sittenwidrigen Weise auf den Erblasser eingewirkt hat, um ihn zu veranlassen, den Vertragserben in solcher Weise zu benachteiligen, z. B. dadurch, daß er den Vertragserben bei dem Erblasser schlecht gemacht hat“207. Die Ersatzpflicht gemäß § 826 BGB sei dann nach Eintritt des Erbfalls begründet208. c) Gegen die Anwendbarkeit von § 826 BGB neben §§ 2287, 2288 BGB Boehmer209 lehnt die Anwendung von § 826 BGB unabhängig von den Sonderregelungen der §§ 2286 ff. BGB zutreffend ab, weil dies die Einwirkung auf die rechtlich geschützte Vermögenslage, nicht schon auf bloße tatsächliche Erwerbsaussichten voraussetze. Von einer Vermögensschädigung des Erben i. S. d. § 826 BGB könne daher nur die Rede sein, wenn der Erbe eine rechtlich geschützte Anwartschaft auf das Vermögen des Erblassers habe, wie es in früheren deutschen Rechten mit den Instituten des „Beispruchsrechts“ oder des „Erbenlaubes“ der Fall gewesen sei210. Ein gesichertes Recht erwachse dem Erben erst mit dem Erbfall211. Die Beeinträchtigung eines künftigen, selbst erbvertraglich zugesagten Erwerbes sei daher keine Schädigung i. S. d. § 826 BGB212. J. Kohler, FamRZ 1990, 464, 466. J. Kohler, FamRZ 1990, 464, 466. 205 J. Kohler, FamRZ 1990, 464, 466. 206 Johannsen, WM 1969, 1222, 1226. 207 Johannsen, WM 1969, 1222, 1226. 208 Johannsen, DNotZ Sonderheft 1977, S. 69, 78. 209 Staudinger-Boehmer, 11. Auflage 1954, Einl. Erbrecht § 20 Rn. 2; ders., FamRZ 1961, 253, 255. 210 Boehmer, FamRZ 1961, 253, 255. 211 Staudinger-Boehmer, 11. Auflage 1954, Einl. Erbrecht § 20 Rn. 2. Allerdings spricht Boehmer in seiner Anmerkung zu OGH MDR 1949, 287 von einem Anwartschaftsrecht des Erben aus gemeinschaftlichem Testament zwischen erstem und zweitem Erbfall. 203 204
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Diese Argumentation macht sich wohl auch Eckebrecht213 zu eigen: Die Anwendbarkeit von § 826 BGB zugunsten des künftigen Vertragserben setze voraus, dass er schon vor Eintritt des Erbfalls eine vermögenswerte Position hat, in die mittels des Zweitgeschäfts eingegriffen wird. Da aber durch die Erblasserbindung keine solche vermögenswerte Position begründet werde, die durch ein Zweitgeschäft des Erblassers dem künftigen Erben entzogen werden kann, entstehe dadurch auch kein Vermögensschaden, denn seine Stellung als Erbe bleibe unberührt214. Gerade die §§ 2286 ff. BGB zeigten, dass der Erblasser durch den Erbvertrag nicht daran gehindert werde, lebzeitige Verfügungen vorzunehmen215. Nach M. Schmidt216 ist die tatsächliche Erwerbsaussicht des durch Erbvertrag Bedachten angesichts der Verfügungsfreiheit nicht schützenswert i. S. v. § 823 BGB oder § 826 BGB. Damit folgt er wohl der erwähnten Ansicht Boehmers. Mit Hinweis auf die Urteilsbegründungen des BGH217 ist Schlüter der Auffassung, ein nicht vom Erblasser abgeleiteter, eigener Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bestehe nicht, weil die Sonderregelungen der §§ 2287, 2288 BGB vorgingen und insoweit abschließend seien218. Allerdings wird nicht klar, ob die Begründung des BGH in BGHZ 108, 73 auch insoweit nachvollzogen wird, als darin eigene Ansprüche aus § 826 BGB nicht generell ausgeschlossen werden. Ebenfalls auf den BGH berufen sich Hohloch219, Kuchinke220, Brox221 und Hohmann222. Mit Berufung auf die Spezialität der §§ 2287, 2288 BGB lehnte auch Heinrich Lange223 bereits im Jahre 1963 die Anwendbarkeit des § 826 BGB ab. Mit etwas anderer Begründung lehnt Musielak224 die Anwendbarkeit von § 826 BGB ab: Es komme ein Ersatzanspruch nach § 826 BGB nur in Betracht, wenn davon ausgegangen werden könne, dass der Bedachte ohne das beanstandete Verhalten einen bestimmten Vermögenswert erhalten hätte, durch dessen Entziehung ihm ein Schaden zugefügt worden ist225. Aufgrund der Befugnis des Erblassers,
Boehmer, FamRZ 1961, 253, 255. Eckebrecht, Rechtsstellung des erbrechtlichen Anwärters, S. 101 ff. 214 Eckebrecht, Rechtsstellung des erbrechtlichen Anwärters, S. 101 ff. 215 Eckebrecht, Rechtsstellung des erbrechtlichen Anwärters, S. 101 ff. 216 Erman-Schmidt, § 2286 Rn. 3. 217 BGHZ 108, 73, 78; BGH NJW 1991, 1952. 218 Schlüter, Erbrecht, Rn. 267. 219 Hohloch, JuS 1989, 1017 zu BGHZ 108, 73. 220 Lange / Kuchinke, § 25 V 4 (S. 480 f.). 221 Brox, Erbrecht, Rn. 159. 222 Hohmann, ZEV 1996, 24: §§ 2287, 2288 BGB seien Spezialvorschriften, die jedes Vorgehen gegen den Erblasser ausschließen und einen Schaden leugnen. 223 Heinrich Lange, NJW 1963, 1571, 1577. 224 MK-Musielak, § 2286 Rn. 5. 212 213
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frei über sein Vermögen zu verfügen, lasse sich aber ein solcher Ersatzanspruch nicht begründen226.
IV. Stellungnahme Aus § 826 BGB lassen sich ebenso wenig wie aus positiver Vertragsverletzung bzw. der Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte oder aus § 839 I 1 BGB und § 19 I 1 BNotO eigene Ansprüche des Erben wegen Enttäuschung seiner Erberwartungen begründen, weil der enttäuschte Erbe vor dem Erbfall weder ein Recht am Nachlass noch ein Recht auf den Nachlass hat227 und bloße tatsächliche Erwerbsaussichten, auf die der Verletzte kein Recht hatte, nicht ersatzfähig sind228. Auch ein Ersatzanspruch aus § 826 BGB, mit dem Ersatz für einen nicht erfolgten Vermögenszufluss gewährt werden soll, setzt immer die Verletzung eines dem Anspruchsteller zugewiesenen subjektiven Rechts voraus229. Originäre Ersatzansprüche des enttäuschten Erben wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gegen den Erblasser bzw. dessen Erben können sich allenfalls ergeben, wenn der enttäuschte Erbe auf Grund böswilliger Zusagen des Erblassers selbstschädigend über sein Vermögen verfügte230. Jedem enttäuschten Erben muss bei selbstschädigenden Verfügungen, die vom Erblasser böswillig und damit in sittenwidriger Weise veranlasst wurden, ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zuerkannt werden. Dann wird aber nicht eine bloß tatsächliche Erwerbsaussicht ersetzt, sondern ein Minus im Vermögen des (enttäuschten) Erben. Schadensersatzansprüche wegen Schmälerung des Nachlasses können nur beim Erblasser selbst entstehen231. Nach dem Erbfall können die Ersatzansprüche vom Erben geltend gemacht werden232. Aber jedenfalls kann es mangels eines entspreMK-Musielak, § 2286 Rn. 5. MK-Musielak, § 2286 Rn. 5. 227 Oben Teil 3 A. und B. 228 Oben Teil 2 A. III. und B. II. 229 Oben Teil 2 B. I. 2. 230 Dazu Heinrich Lange, NJW 1963, 1571, 1577. 231 Oben I. 2. und III. 1. b). 232 So erfolgte durch die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung auch in BGH WM 1982, 615 nicht der Ersatz für eine entgangene Erbschaft, sondern es wurde eine Schädigung des Nachlasses ersetzt, die zu Lebzeiten des Erblassers verursacht wurde: Aufgrund der Beurkundung der Aufhebung eines Erbvertrages durch den beklagten Notar ohne gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsparteien verzögerte sich die Erteilung eines Erbscheins an die klagende Alleinerbin. Das Amtsgericht übersah die Möglichkeit der Umdeutung nach § 140 BGB und lehnte die Erteilung eines Erbscheines ab. Erst nach dreijährigem Verfahren erfolgte die beantragte Erbscheinserteilung an die Klägerin. Durch die unklare Erbfolge und die daraus resultierenden Unsicherheiten über die Zuständigkeiten für die Nachlassverwaltung verwahrlosten verschiedene Nachlassgegenstände und es entstanden Nutzungsausfallschäden, so dass sich einerseits aufgrund eines niedrigeren Verkaufspreises 225 226
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chenden subjektiven Rechts im Zeitpunkt der Schädigung keinen originären Schadensersatzanspruch des Erben aus § 826 BGB geben, wenn zu Lebzeiten des Erblassers der Nachlass reduziert wird. Wird der Nachlass eines Erblassers nach dessen Tod geschädigt, so entstehen Schadensersatzansprüche in der Person des Erben, weil mit dem Tod ausschließlich der Erbe berechtigt ist und damit nur dieser und nicht mehr der Erblasser geschädigt wird. Die Nichtanwendbarkeit von § 826 BGB wegen Minderung der künftigen Erbschaft folgt bei bestehendem Erbvertrag oder gemeinschaftlichem Testament daher nicht erst aus den Spezialregelungen der §§ 2287, 2288 BGB, sondern daraus, dass es sich beim Erbvertrag um eine Verfügung von Todes wegen und nicht unter Lebenden handelt. Der Erblasser verpflichtet sich gegenüber dem Vertragserben lediglich, nicht anderweitig von Todes wegen über sein Vermögen zu verfügen. Insoweit hat § 2286 BGB klarstellende Funktion. Existierten die §§ 2287, 2288 BGB nicht, würde der Vertragserbe oder der erbvertraglich bedachte Vermächtnisnehmer bei beeinträchtigenden Verfügungen des Erblassers unter Lebenden leer ausgehen233. Das Gesetz korrigiert enttäuschte Erberwartungen darüber hinaus lediglich, indem es Pflichtteilsberechtigten Ergänzungsansprüche gewährt. Darüber hinausgehende Ersatzansprüche enttäuschter Erben gibt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht.
für die Nachlassgegenstände der Nachlass verringerte und andererseits durch Mietausfälle nicht vermehrte. Der BGH erkannte eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin an, der die Aufhebung des Erbvertrages zugute kommen sollte und gewährte der Klägerin gegenüber dem beklagten Notar dem Grunde nach einen originären Anspruch als „Dritte“ i. S. d. § 839 BGB. Die Entscheidung des BGH ist insofern unzutreffend, als sie auf eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin und damit auf einen eigenen Anspruch der Klägerin gestützt wird. Es liegt eine Pflichtverletzung des Notars gegenüber der Erblasserin vor, die einen späteren Schaden an ihrem Nachlass zur Folge hatte. Es wurde eine Vermögenseinbuße (Wertminderung) und ein entgangener Gewinn (Mietausfälle) kompensiert und nicht eine nicht realisierte Erwerbsaussicht wie im Testamentsfall ersetzt, obwohl der Schaden erst nach dem Erbfall und damit beim Rechtsnachfolger des Erblassers eintrat. 233 So wohl auch Boehmer, FamRZ 1961, 253, 255.
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Sachwortverzeichnis Absolutes Recht 39, 81, 83 f., 87 Amtshaftung 19 ff., 163, 176 ff. Anerbenrecht 121 Anwaltshaftung 19 ff., 40, 147, 163 ff., 176 ff. Anwartschaft 122 ff., 180, 198 f. Anwartschaftsrecht 55, 84, 135 Ausgleichende Gerechtigkeit (siehe Ausgleichsprinzip) Ausgleichsprinzip 62 ff., 66 ff., 142, 146 Beratungshaftung 39, 163 ff. Beratungspflicht 133 ff. Bereicherungsverbot 66 ff. Berufshaftung 39, 161 ff. Besserer Erblasserwille 52 f. Capuzolfall 37 Culpa in contrahendo 33 f., 35 Damnum emergens 65, 81, 82 ff., 177 Differenzhypothese 58 ff., 61 ff. Differenzrechnung (siehe auch Differenzhypothese) Drehmaschinenfall 38 Dritthaftung 22 ff., 32 ff., 42 ff. Drittschadensliquidation 48, 49 f., 54 Einsatzentscheidung 126 f. Entgangener Gewinn (siehe auch lucrum cessans) 45, 55, 58 ff., 92 ff., 98 ff. Erbrechtliche Formvorschriften 152 ff., 155 ff. Erhaltungsinteresse 25 ff., 30 ff. Erlaubnisvorbehalt 106 ff., 108 ff. Erwerbsaussicht 135, 191 ff., 197, 200 Erwerbsinteresse 136 ff. Faktisches Vertragsverhältnis 73 f. Formvorschriften (siehe erbrechtliche Formvorschriften)
Garantieversprechen 132, 138 f. Gasometerfall 37 Geschäftsbesorgungsvertrag 127 ff. Gesetzliches Begleitschuldverhältnis 31 Gesetzliches Schutzpflichtverhältnis 34 f. Gewerblicher Rechtsschutz 98 f. Gutachterhaftung 90 ff., 161 f. Haftpflichtversicherung 145 ff. Hoferbenbestimmung 157 ff. Höferecht 121 Immaterialgüterrecht 82, 86, 98 f. Integritätshaftung 25, 26 ff. Integritätsinteresse (siehe Erhaltungsinteresse) Interessenlehre (siehe Differenzhypothese) Interessenformel (siehe Differenzhypothese) Lachende Doppelerben 54, 140, 149 ff. Leistungsinteresse (siehe auch positives Interesse) 24, 49 ff. Leistungspflicht 25, 28, 47 ff., 59, 75 ff., 128, 130 ff. Leistungspflicht mit Schutzzweck 134 ff. Lizenzrecht 82, 98 Lucrum cessans 65, 81, 92 ff., 176 ff. Mangelfolgeschaden 28 Markenrecht 82, 98 Neminem laedere 62 Nikomachische Ethik 66 Notarhaftung 19 ff., 40, 45, 163, 183 ff. Nuda spes 123 Persönlichkeitsrecht 84 Pönalisierung 140 ff., 151 Positives Interesse (siehe auch Leistungsinteresse) 25, 136, 139 Punitive damages 143 ff.
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Sachwortverzeichnis
Rauchrohröffnungsfall 38 Rechtswidriger Gewinn 109 ff. Rechtszuweisung 68 ff. 82 ff., 92 ff. Relatives Recht 24 f., 70 ff., 81, 87, 128 ff., 132, 138 f. Saalmietefall 37 Säuglingsheimfall 37 Schutzpflichten 26 ff., 29, 34 Schutzzwecklehre 63, 76, 117, 134 Selbstschädigende Vermögensdisposition 161 ff., 165 ff. Sittenwidriger Gewinn 101 ff., 109 ff. Sonderhaftung bei Sonderverbindung 44 ff. Sozialmodell 73 Subjektives Recht 24, 68 ff., 80 ff., 174 ff., 202 Testierfreiheit 120 f., 122 Totalreparation 62, 143 Trennungsgrundsatz 146 ff. Tuberkelbazillenfall 37
Unterlassungsanspruch 88 Urheberrecht 98 Verdienstausfall 117 f. Verhaltenspflichten 75 ff. Verkehrspflichtdoktrin 74, 79 Vermögensschützende Verkehrspflichten 46 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 33, 38 ff., 42 ff., 91, 165 ff., 201 Vertrag zugunsten Dritter 36 f., 39, 48, 129, 136 ff. Vertrauenshaftung 29 ff., 32 ff. Vertretung im Vertrauen 43 Warterecht 120 f. Wettbewerbsverbot 113, 116 Willensdogma 24, 71 Wohl und Wehe 38, 40 Zuordnungsentscheidung (siehe auch Zuweisungsentscheidung) 68 ff., 82 ff., 92 ff. Zuweisungsentscheidung (siehe auch Zuordnungsentscheidung) 68 ff., 82 ff., 92 ff.