Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung?: Eine Untersuchung von Schadensersatz- und anderen materiellrechtlichen Erstattungsansprüchen wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung 9783161549137, 9783161548864

Parteien internationaler Handelsverträge vereinbaren häufig die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines bestimm

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
A. Bedeutung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen und Untersuchungsgegenstand
B. Einbettung der Problematik
I. Unproblematische Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Auslandsbezug
II. Das Bedürfnis nach geeigneten Schutzmöglichkeiten internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
1. Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO
2. Das Verhältnis gegenüber Drittstaaten, insbesondere am Beispiel der USA
3. Unzureichender Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
III. Mögliche Bedenken gegenüber einer Schadensersatzhaftung
1. Überblick
2. Rechtsdogmatische Bedenken
3. Rechtspolitische Bedenken
C. Begriffsbestimmung sowie Grenzen und Gang der Untersuchung
I. Begriffsbestimmung
1. Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung
2. Schadensersatzansprüche
3. Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO und gegenüber Drittstaaten
4. EuGVVO alter und neuer Fassung
II. Grenzen der Untersuchung
1. Beschränkung auf Schadensersatz- und andere Erstattungsansprüche
2. Beschränkung auf Fälle der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen
3. Keine Untersuchung der parallelen Problematik bei Schiedsvereinbarungen
III. Gang der Untersuchung
Teil I: Abschluss und Durchsetzbarkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung: der status quo
§ 2 Einführung zum ersten Teil der Untersuchung
§ 3 Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen im Spannungsfeld von staatlicher Regelung und Parteiinteressen
A. Überblick
B. Gerichtsstandsvereinbarungen im System der internationalen Entscheidungszuständigkeit
I. Die Anarchie der internationalen Zuständigkeit
II. Folge des anarchischen Systems: Positive Kompetenzkonflikte und fehlende Rechtssicherheit
III. Regulierung des anarchischen Systems
1. Selbstregulierung des Systems
2. Gerichtliches Ermessen
3. Parteiautonome Regulierung im Einzelfall
C. Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Kontext des forum shopping
I. Definition des forum shopping
II. Gründe für forum shopping vor staatlichen und Schiedsgerichten
1. Überblick
2. Verfahrensrechtliche Gründe für forum shopping
3. Materiellrechtliche Gründe für forum shopping
4. Der Heimvorteil und sonstige Gründe für forum shopping
5. Besondere Gründe für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit
III. Forum shopping – in a broad sense and as a matter of fact
D. Die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung
I. Motive für die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung
1. Überblick
2. Ex post-opportunistisches Heimwärtsstreben
3. Vorteile des vom angerufenen Gericht anzuwendenden Rechts
4. Verzögerungstaktiken in Form von Torpedo-Klagen
II. Die Reaktion des abredewidrig angerufenen Gerichts
1. Überblick
2. Die erste Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht verneint seine Zuständigkeit
3. Die zweite Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht bejaht seine Zuständigkeit
a) Nichtbeachtung der Vereinbarung
b) Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarung nach der prozessualen lex fori
c) Unwirksamkeit der Vereinbarung aus materiellrechtlichen Gründen
d) Ordre public-Widrigkeit der Vereinbarung
e) Keine Bindung an die Vereinbarung aufgrund einer Ermessensentscheidung
§ 4 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten
A. Überblick
B. Keine direkten Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung
I. Folgen aus der Definition der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung
II. Unzulässigkeit oder Formunwirksamkeit von EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarungen
III. Unwirksamkeit von EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarungen aus materiellrechtlichen Gründen
1. Anwendbarkeit des materiellen Rechts
2. Problematische Ermittlung des Prorogationsstatuts
a) Die bisherige Rechtlage
b) Die Einführung von Art. 25 Abs. 1 S. 1 und Art. 31 Abs. 2 EuGVVO n. F.
3. Sonderproblem: Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen
4. Zusammenfassung
IV. Kein gerichtliches Ermessen zur Beurteilung von Prorogation und Derogation
V. Keine Anwendung des ordre public-Vorbehalts auf Gerichtsstandsvereinbarungen
VI. Kaum Anreize für ein law shopping through forum shopping
VII. Das Verhältnis zur rügelosen Einlassung
VIII. Zusammenfassung und Zwischenstand
C. Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung: Verzögerung durch Torpedo-Klagen
I. Die Rechtslage vor der Gasser-Entscheidung des EuGH
1. Prioritätsprinzip und die The Tatry-Entscheidung machen Torpedo-Klagen möglich
2. Besonders problematische Fälle
3. Umstrittene Einschränkung des Prioritätsprinzips
II. Die Gasser-Entscheidung des EuGH: Keine Einschränkung des Prioritätsprinzips
III. Kritik an der Gasser-Entscheidung und ihren Folgen
IV. Die Revision der EuGVVO
1. Durchbrechung des Prioritätsprinzips durch Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO n. F.
2. Weitere Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die neue EuGVVO
3. Folgen für die redliche Partei
4. Sonderproblem: Die revidierte EuGVVO und sog. umgekehrte Torpedo-Klagen
a) Besteht die Gefahr sog. umgekehrter Torpedo-Klagen?
b) Welche Prüfungskompetenz hat das zuerst angerufene Gericht?
5. Sonderproblem: Das Verhältnis zwischen Art. 31 Abs.und 3 und Art. 30 EuGVVO n. F.
a) Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO n. F. gelten nur für Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien
b) Besteht eine Torpedo-Gefahr bei lediglich im Zusammenhang stehenden Verfahren?
D. Gesamtbetrachtung der aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung folgenden Nachteile für die nicht vertragsbrüchige Partei
I. Zukünftig gilt: Kaum direkte wie indirekte Anreize für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung
II. Dennoch mögliche Schäden der nicht vertragsbrüchigen Partei
1. Kosten und sonstige Nachteile aus dem Verfahren im forum derogatum
2. Grundsätzliche Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei
3. Schäden trotz Geltung des Unterliegensprinzips
III. Ausnahmsweise Gefahr des Wettlaufs zur früheren Sachentscheidung
E. Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen
I. Überblick
II. Die bisherige Rechtslage
III. Mögliche Änderungen durch die Reform der EuGVVO
1. Reformvorschlag und tatsächliche Änderungen der EuGVVO
2. Der neue Erwägungsgrund (12) zur EuGVVO
a) Der erste Abschnitt
b) Der zweite Abschnitt
c) Der dritte Abschnitt
d) Der vierte Abschnitt
IV. Fazit und Vergleich zu internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen
§ 5 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in einem Drittstaat am Beispiel der USA
A. Überblick
B. Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum
I. Geringe Anreize für Torpedo-Klagen außerhalb der Geltung international vereinheitlichter Regelungssysteme
II. Andere Gründe für eine Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum
1. Überblick: Forum shopping in den USA
2. Verfahrensrechtliche Gründe für forum shopping in den USA
a) Überblick
b) Beweiserhebung und Beweiswürdigung im adversary system
c) Besonderheiten des US-amerikanischen Kostenrechts
3. Materiellrechtliche Gründe für forum shopping in den USA
4. Gesamtbewertung: Kläger- und Inländerbevorzugung im US-amerikanischen Recht?
C. Das zivilgerichtliche Zuständigkeitssystem der USA
I. Zweigliedriges System aus Bundes- und Staatengerichten
II. Die Zuständigkeitsanforderungen im Einzelnen
1. Überblick
2. Subject matter jurisdiction
a) Ausschließliche und konkurrierende Bundeszuständigkeiten
b) Removal
3. Personal jurisdiction
a) General personal jurisdiction und specific personal jurisdiction
b) Personal jurisdiction durch Unterwerfung
4. Venue
D. Die Derogation US-amerikanischer Gerichte durch internationale Gerichtsstandsvereinbarungen
I. Die non ouster-Doktrin
II. Liberalisierung in der Rechtsprechung der Federal Courts
1. Die Bremen-Entscheidung
2. Die Carnival Cruise-Entscheidung
3. Der Inhalt der ermessensbasierten reasonableness-Doktrin
4. Das Verhältnis zwischen reasonableness- und forum non conveniens-Doktrin und die Atlantic Marine-Entscheidung
5. Umstrittene Anwendung der reasonableness-Doktrin in Fällen der diversity jurisdiction
III. Die Behandlung der Derogation durch die State Courts
IV. Gesamtbetrachtung der US-amerikanischen Rechtsprechung zur Derogationswirkung
V. Vergleich zur Rechtslage im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten
VI. Vergleich zur Behandlung von Schiedsvereinbarungen durch die US-amerikanischen Gerichte
E. Mögliche Nachteile für den Beklagten aus der Klage im US-amerikanischen forum derogatum
I. Überblick
II. Das Gericht erkennt die Vereinbarung nicht an
1. Als „prozessual“ bezeichnete Nachteile
2. Als „materiell“ bezeichneter Nachteil
III. Das Gericht erkennt die Vereinbarung an
1. Kein materieller, aber prozessuale Nachteile möglich
2. In aller Regel bestehen auch keine Ausnahmen von der American rule of costs
IV. Rügelose Einlassung des Beklagten
§ 6 Schutz- und Abwehrmöglichkeiten gegen Klagen im derogierten Forum
A. Überblick
B. (Parallele) Klageerhebung vor dem gewählten Gericht
I. Zeitlich frühere Klageerhebung vor dem gewählten Gericht
II. Zeitlich spätere Klageerhebung vor dem gewählten Gericht
C. Verhinderung der Zustellung der abredewidrig erhobenen Klage
D. Zuständigkeitsrüge und Verlust des Prozesses im abgewählten Forum
E. Einstweiliger Rechtsschutz
I. Überblick
II. Einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten
1. Die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes nach der alten EuGVVO
a) Kein lis pendens-Prinzip im Verhältnis zwischen Hauptsache und vorläufigem Rechtsschutz
b) In aller Regel geringe Erfolgsaussichten mangels besonderer Dringlichkeit
c) Vor- und Nachteile einstweiliger Maßnahmen zum Schutz gegen Torpedo-Klagen
2. Die Rechtslage unter der revidierten EuGVVO
III. Einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zu Drittstaaten
F. Prozessführungsverbote
I. Überblick
II. Prozessführungsverbote in England und in den USA
1. Prozessführungsverbote in England
2. Prozessführungsverbote in den USA
3. Gegenläufige anti-suit injunctions und der Fall Laker
III. Unzulässigkeit von Prozessführungsverboten im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten
1. Turner und das Verbot von anti-suit injunctions
2. West Tankers und die Erstreckung der Turner-Grundsätze auf Schiedsvereinbarungen
IV. Prozessführungsverbote zum Schutz gegen Klagen in drittstaatlichen Gerichten
1. Überblick
2. Das sog. right not to be sued abroad als Verfügungsanspruch
3. Keine Unvereinbarkeit mit der EuGVVO
4. Unzulässigkeit aus anderen Gründen
a) Ausschluss der Klagbarkeit oder fehlendes Rechtsschutzbedürfnis?
b) Völkerrechtliche Unzulässigkeit wegen Verletzung der comitas – außer von contractual injunctions
V. Zusammenfassung und Ausblick
G. Feststellungsklagen
I. Überblick
II. Feststellungsklagen im Verhältnis zu Drittstaaten
1. Vielfältige Möglichkeiten von Feststellungsklagen
2. Internationale Zuständigkeit
3. Feststellungsinteresse
a) Feststellungsinteresse im engeren Sinne
b) Vorrang anderer Rechtsschutzmöglichkeiten
c) Kein Feststellungsinteresse hinsichtlich der fehlenden Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung
4. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der comitas
5. Wirkungen von Feststellungsklagen im Ausland
a) Überblick
b) Anerkennung in den USA nach der bisherigen Rechtslage
c) Anerkennung nach Inkrafttreten des HGÜ in den USA
III. Feststellungsklagen im Verhältnis zu anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten
IV. Zusammenfassung
H. Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung
I. Überblick
II. Zwingende Anerkennung von Entscheidungen der anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten
III. Keine Anerkennung von Entscheidungen drittstaatlicher derogierter Gerichte
IV. Ergebnis
I. Zusammenfassung
Teil II: Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten
§ 7 Einführung zum zweiten Teil der Untersuchung
§ 8 Rechtsprechung und Schrifttum in England und in den USA
A. Überblick
B. Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung
I. Vertragliche Qualifikation der Schadensersatzansprüche
II. Gerichtsstandsvereinbarungen als „ganz normale“ Verträge
1. Non ouster-Doktrin und Ermessensprüfung von Gerichtsstandsvereinbarungen
2. Folge: Verpflichtungswirkungen von Gerichtsstands-vereinbarungen und das right not to be sued abroad
III. Schadensersatz als primäre Folge einer Vertragsverletzung
IV. Die Verschuldensunabhängigkeit des Schadensersatzes
C. Die Rechtslage in England
I. Stay of proceedings und anti-suit injunctions als traditionelle Mittel gegen unzulässiges forum shopping
II. Die Rechtsprechung der englischen Gerichte
1. Die Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen
a) Der eigenen Zeit voraus: Ellerman Lines Ltd v. Read
b) Der Durchbruch im neuen Jahrtausend: Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others
c) Das obiter dictum in Donohue v. Armco Inc. & others
d) Die Bestätigung der Union Discount-Entscheidung in A/S D/S Svendborg v. Akar
e) Weitere Entscheidungen
f) Zusammenfassung der bisherigen englischen Rechtsprechung
g) In the matter of the „Alexandros T“: Schadensersatz im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten?
2. Die Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen
a) Die Mantovani-Entscheidung und einige weitere Entscheidungen
b) Die Entscheidung in CMA v. Hyundai
c) Die West Tankers-Entscheidung
d) Bedeutung für die Rechtsprechung in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen
III. Das englische Schrifttum
1. Gegner vertraglicher Schadensersatzansprüche
2. Befürworter vertraglicher Schadensersatzansprüche
a) Briggs – Verfechter der Schadensersatzmöglichkeit
b) Weitere Befürworter vertraglicher Schadensersatzansprüche
D. Die Rechtslage in den USA
I. Überblick über die Rechtslage in den USA
II. US-amerikanische Gerichtsentscheidungen
1. Die Nute-Entscheidung aus dem Jahr 1856
2. Vereinbarter Schadensersatz für abredewidrig erhobene Klagen
3. Schadensersatz ohne explizite Vereinbarung – die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten
4. Entscheidungen zu Schiedsvereinbarungen
5. Fazit aus der US-amerikanischen Rechtsprechung
III. Das US-amerikanische Schrifttum
E. Zusammenfassung und Ausblick
§ 9 Die Rechtsprechung und die Diskussion in anderen Staaten
A. Überblick
B. Australien
C. Spanien
I. Die Schadensersatzidee erreicht den civil law-Kreis
II. Das Entscheidungsduo des Tribunal Supremo
1. Die Entscheidung aus dem Jahr 2007
2. Die Entscheidung aus dem Jahr 2009
III. Das spanische Schrifttum
IV. Rückschlüsse für andere Staaten des civil law-Kreises?
D. Belgien
E. Frankreich
F. Die Schweiz
G. Japan
H. Zusammenfassung und Ausblick
Teil III: Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor deutschen Gerichten
§ 10 Einführung zum dritten Teil der Untersuchung
§ 11 Vertragliche Schadensersatzansprüche: Zulässigkeit einer Klage und anwendbares Recht
A. Überblick
B. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
I. Grundsatz: Die Zuständigkeit folgt aus der Gerichtsstandsvereinbarung
II. Zuständigkeit des derogierten, abredewidrig angerufenen Gerichts?
C. Der res iudicata-Einwand
I. Problemaufriss
II. Einteilung in mögliche Fallgruppen
1. Das abredewidrig angerufene Gericht trifft weder eine Sach-noch Kostenentscheidung
2. Das abredewidrig angerufene Gericht trifft keine Sach-, aber eine Kostenentscheidung
3. Das abredewidrig angerufene Gericht trifft eine Entscheidung in der Sache
a) Grundsätzlich keine res iudicata-Wirkung wegen Verletzung des Spiegelbildprinzips
b) Res iudicata-Wirkung bei rügeloser Einlassung der im Ausland beklagten Partei?
4. Die Parteien schließen vor dem abredewidrig angerufenen Gericht einen Vergleich
5. Das abredewidrig angerufene Gericht gewährt materiellrechtlichen Schadensersatz
D. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage
I. Überblick
II. Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei rügeloser Einlassung
1. Grundsatz
2. Einschränkungen
III. Sonstige erforderliche Anstrengungen der nicht vertragsbrüchigen Partei?
IV. Rechtsschutzbedürfnis im Falle eines Vergleichs
V. Zusammenfassung
E. Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht
I. Vertragliche Schadensersatzansprüche unterliegen dem Prorogationsstatut
II. Bestimmung des Prorogationsstatuts von Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß Art. 25 EuGVVO n. F.
1. Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVVO n. F. als Gesamtverweisung
2. Auf welche Kollisionsvorschriften verweist Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVVO n. F.?
3. Mit welcher Rechtsordnung ist die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunden?
4. Die Folgen einer Rechtswahl durch die Parteien
5. Geltung des Günstigkeitsprinzips?
6. Ergebnis
§ 12 Das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB
A. Überblick
B. Schuldverhältnis und Pflichtverletzung
I. Vereinbarungen über Verpflichtungswirkungen, Schadensersatz oder Vertragsstrafen
II. Die Unergiebigkeit der deutschen Rechtsprechung
III. Deutsches Prorogationsstatut und internationale Problematik
IV. Frühe Ansichten: Die Trennung zwischen Zivil- und Prozessrecht
V. Schiedermair: Gerichtsstandsvereinbarungen als echte prozessrechtliche Verträge ohne Verpflichtungswirkung
1. Gerichtsstandsvereinbarungen als rein prozessrechtliche Verträge
2. Prozessrechtliche Verträge als Verfügungsverträge
3. Zusammenfassung und Bewertung
VI. Weitere Gegner der verpflichtenden Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen
VII. Hellwig: Prozessverträge mit Verpflichtungswirkung
1. Die gewollten Wirkungen bestimmen die Natur des Vertrags
2. Mit der negativen Verfügungswirkung gehen Verpflichtungswirkungen einher
3. Keine Übertragung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips
VIII. Konzen und die weitere Aufweichung des Trennungsdenkens
IX. Wagner: Verpflichtungswirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen widersprechen häufig dem Parteiwillen
1. Prozessverträge modifizieren die Verfahrensregeln pro futuro
2. Die Wirkungen von Prozessverträgen im Primärprozess
3. Die Wirkungen von Prozessverträgen im Sekundärprozess
X. Die aktuelle Diskussion im modernen deutschen Schrifttum
1. Überblick: Gesteigertes Interesse an der Problematik
2. Die eine Ansicht: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen entfalten nur bei ausdrücklicher Vereinbarung Verpflichtungswirkung
3. Die andere Ansicht: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen entfalten grundsätzlich Verpflichtungswirkung
XI. Auseinandersetzung mit dem Meinungsspektrum und Erarbeitung einer eigenen Ansicht
1. Das Bedürfnis nach verpflichtenden Wirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
2. Dogmatische Argumente gegen die Übertragung des Abstraktionsprinzips und für das Bestehen prozessualer Verpflichtungswirkungen
a) Ausgangspunkt: Das Zirkelschlussargument Schiedermairs
b) Das Abstraktionsprinzip als deutsche Eigenheit
c) Die fehlende Übertragbarkeit des Verfügungsbegriffs auf die prozessuale Ebene
d) Ein vertragliches Verbot entfaltet zwingend auch echte Unterlassungspflichten
e) Prozessverträge entfalten eigene prozessuale Verpflichtungswirkungen
3. Der Vergleich zum Ausland
4. Der Vergleich zur ausschließlichen Zuständigkeit und zu anderen Vereinbarungen
a) Der Vergleich zur ausschließlichen Zuständigkeit
b) Der Vergleich zu Rechtswahlvereinbarungen
c) Der Vergleich zu anderen Prozessverträgen und Schiedsvereinbarungen
5. Der Wille der Parteien
a) Der Rechtsbindungswille beinhaltet auch den Haftungswillen
b) Andere Erwägungen
c) Sonderproblem: Keine Vermutung für die Ausschließlichkeit gemäß Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVVO n. F.?
6. Ergebnis
7. Sonderfrage: Pflichtverletzung trotz unwirksamer Gerichtsstandsvereinbarung?
C. Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung
I. Überblick
II. Die Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens im autonomen deutschen Recht
III. Übertragung der Grundsätze auf die Prozesseinleitung und Prozesshandlungen im Ausland
IV. Besonderheiten bei abredewidrig im Ausland erhobenen Klagen
V. Eigene Ansicht: Die Vertragswidrigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit
D. Das Vertretenmüssen des Auslandsklägers
I. Überblick
II. Einschränkung der Haftung auf arglistiges Verhalten?
III. Einschränkung der Vermutung für das Vertretenmüssen in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB?
IV. Die im Schrifttum vertretenen Ansichten zu den Anforderungen an Vorsatz und Fahrlässigkeit
V. Eigene Ansicht
1. Grundsätzlich genügt das Kennenmüssen der Vertragswidrigkeit für den Fahrlässigkeitsvorwurf
2. Einschränkungen für bestimmte Fallgruppen?
a) Irrtum über Wirksamkeit, Umfang oder Ausschließlichkeit der Vereinbarung
b) Keine Kenntnis von der Existenz der Vereinbarung
c) Klageerhebung, „um die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem heimischen Recht überprüfen zu lassen“
3. Vertretenmüssen der Fortführung des Verfahrens im forum derogatum
E. Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche aus rechtspolitischen Erwägungen?
F. Zusammenfassung
§ 13 Vertragliche Schadensersatzansprüche: Anspruchsumfang und Durchsetzung der Entscheidung im Ausland
A. Überblick
B. Der Umfang des vertraglichen Schadensanspruchs
I. Einführung und Aufteilung in Fallgruppen
II. Die Differenzhypothese – worin besteht der hypothetische Rechtsgüterstand?
III. Die erste Fallgruppe: ersetzbare Schäden, wenn das abredewidrig angerufene Gericht keine Sachentscheidung trifft
1. Überblick
2. Grundsätzlich ersetzbare Schadensposten
3. Vorteilsausgleichung wegen hypothetischer Reserveursachen
4. Kürzung des Umfangs des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB
a) Grundsätzlich keine Kürzung wegen Mitverursachung des Schadens gemäß § 254 Abs. 1 BGB
b) Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 Var. 3 BGB
5. Zusammenfassung
IV. Die zweite Fallgruppe: ersetzbare Schäden, wenn das abredewidrig angerufene Gericht eine Sachentscheidung trifft
1. Problemaufriss
2. Sachentscheidung zugunsten der nicht vertragsbrüchigen Partei
3. Sachentscheidung zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei
a) Entstehung eines prozessualen und eines materiellen Schadens
b) Ersatzfähigkeit des materiellen Schadens vor dem Hintergrund der comitas
(1) Die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansichten
(2) Eigene Ansicht und Vergleich mit Prozessführungsverboten
c) Zusammenfassung
V. Sonderfall: Prozessvergleich
VI. Gesamtergebnis
C. Durchsetzung einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung im Ausland
I. Einführung
II. Vollstreckung in dem Staat des Erstverfahrens
1. Überblick
2. Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit
3. Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer inländischer Entscheidung
4. Anerkennungsversagung wegen Verletzung des ordre public
5. Zusammenfassung
III. Vollstreckung in einem unbeteiligten Drittstaat
IV. Ergebnis
§ 14 Deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche
A. Überblick
B. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
C. Das auf deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht
I. Das anwendbare Kollisionsrecht
II. Das nach der Rom II-VO auf deliktische Ansprüche anwendbare Recht
III. Das nach der Rom II-VO auf bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht
IV. Rechtswahl durch die Parteien
V. Ergebnis
D. Deliktische Ansprüche nach deutschem Recht
I. Einführung
II. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB
1. Keine Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter
2. Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
3. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
III. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes
IV. Ansprüche aus § 826 BGB
V. Zusammenfassung
E. Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht
I. Einführung
II. Bereicherung des Schuldners: das sog. „erlangte Etwas“
1. Die Urteilssumme
2. Verfahrens- und andere Kosten?
3. Ergebnis
III. Leistungs- oder Eingriffskondiktion
1. Eingriffskondiktion, wenn die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist
2. Umstrittene Rechtsfolge, wenn freiwillig bezahlt wurde
3. Ergebnis
IV. Fehlen eines Rechtsgrundes
1. Überblick
2. Die einen Rechtsgrund bejahende Ansicht
3. Die einen Rechtsgrund verneinende Ansicht
4. Stellungnahme
V. Umfang der Herausgabepflicht und Ausschluss nach § 814 BGB
VI. Sonderfall: Die ausländische Sachentscheidung wäre inhaltsgleich in Deutschland ergangen
VII. Zusammenfassung
F. Durchsetzung der Entscheidung im Ausland
I. Anerkennungsfähigkeit einer deliktischen Schadensersatz gewährenden Entscheidung
II. Anerkennungsfähigkeit einer eine bereicherungsrechtliche Rückforderung gewährenden Entscheidung
G. Zusammenfassung
§ 15 Besonderheiten im Bereich international vereinheitlichten Rechts
A. Überblick
B. Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten
I. Geringes Bedürfnis nach Schadensersatzpflichten seit der Revision der EuGVVO
II. Die prozessuale Ausgangslage
1. Einführung
2. Die Rechtshängigkeitsregeln der EuGVVO
a) Durchbrechung der vormals strikten Prioritätsregel durch Art. 31 Abs. 2 EuGVVO n. F.
b) Folgerungen für die hier untersuchten Schadensersatzklagen
3. Die Anerkennungsregeln der EuGVVO
a) Die EuGVVO als System großzügiger wechselseitiger Anerkennung und Vollstreckung
b) Zur Anerkennung der Sachentscheidung und dem Verbot der révision au fond
c) Zur Anerkennung der Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage
d) Zur Anerkennung der Kostenentscheidung
e) Folgerungen aus den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO
4. Der Vertrauensgrundsatz und das Verbot von anti-suit injunctions
5. Das Ziel der EuGVVO, parallele Verfahren zu verhindern
III. Folgerungen für die einzelnen Fallgruppen
1. Überblick
2. Folgerungen für die erste Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht verneint seine Zuständigkeit
a) Die Auseinandersetzung im Schrifttum
b) Eigene Stellungnahme
(1) Keine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes und der Wertungen der EuGVVO
(2) Keine Differenzierung zwischen vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen
(3) Wirkungen einer ausländischen Kostenentscheidung
c) Ergebnis für die erste Fallgruppe
3. Folgerungen für die zweite Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht bejaht seine Zuständigkeit und trifft eine Sachentscheidung
a) Einführung
b) Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden
c) Keine Ersatzfähigkeit des sog. materiellen Schadens
d) Keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche
e) Ergebnis für die zweite Fallgruppe
4. Zur Schadensminderungsobliegenheit der abredewidrig verklagten Partei
IV. Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung in den anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten
C. Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten
I. Entstehungsgeschichte des HGÜ
II. Anwendungsbereich des HGÜ
1. Sachlicher, räumlich-persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich
2. Das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten
III. Die wesentliche Bestimmungen des HGÜ
1. Wirksames Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung
2. Sichere Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung
3. Anerkennung und Vollstreckung
4. Vergleich mit dem Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die EuGVVO
IV. Schadensersatzansprüche im System des HGÜ
V. Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung in den anderen HGÜ-Vertragsstaaten
§ 16 Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
Literaturverzeichnis
Register
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Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung?: Eine Untersuchung von Schadensersatz- und anderen materiellrechtlichen Erstattungsansprüchen wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung
 9783161549137, 9783161548864

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 373 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Jennifer Antomo

Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung? Eine Untersuchung von Schadensersatz- und anderen materiellrechtlichen Erstattungsansprüchen wegen der Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung

Mohr Siebeck

Jennifer Antomo, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaften in Mainz und Athen; 2011 Erstes Staatsexamen; Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mainz mit Forschungsaufenthalt an der NYU School of Law; Referendariat am Landgericht Wiesbaden mit Stationen in Wirtschaftskanzleien in Frankfurt a.M. und London; 2016 Promotion und Zweites Staatsexamen; seit dem WS 2016 Habilitandin an der Universität Mainz; seit Dezember 2016 Akademische Rätin a. Z.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). e-ISBN PDF 978-3-16-154913-7 ISBN 978-3-16-154886-4 ISSN  0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­ graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­r ufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­t ung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­t ronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Mainz als Dissertation angenommen. Die mündliche Doktorprüfung fand am 2. Mai 2016 statt. Das Manuskript wurde im Dezember 2015 abgeschlossen; nach diesem Zeitpunkt erfolgte rechtliche Entwicklungen sowie veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur habe ich bis November 2016 mehrheitlich nachgetragen. In meiner Dissertation habe ich an mancher Stelle das Verhältnis zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten der EuGVVO auf der einen Seite und dasjenige gegenüber sog. Drittstaaten auf der anderen Seite miteinander verglichen und dabei das Vereinigte Königreich als Mitgliedstaat der EU und der EuGVVO behandelt. Am 23. Juni 2016 stimmte jedoch die Mehrheit der britischen Wähler im Rahmen des dort abgehaltenen Referendums für einen Austritt aus der EU. Welche Auswirkungen der geplante Austritt auf die Geltung der EuGVVO im Vereinigten Königreich und einige der in dieser Arbeit untersuchten Fragen ­haben wird, ist noch nicht absehbar und wird sich im Wesentlichen nach dem Inhalt des Austrittsvertrags richten. Mein tief empfundener Dank gebührt allen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Allen voran möchte ich mich herzlich bei meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Peter Huber bedanken, an dessen Lehrstuhl ich bereits seit dem dritten Semester tätig sein darf. Er hat früh meine Leidenschaft für das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht geweckt, war mir in meinem Studium ein hervorragender Lehrer und hat mir während der Promotionszeit stets mit hilfreichen Anregungen und Ideen zur Seite gestanden und die Ent­ stehung der vorliegenden Arbeit begleitet und gefördert – nicht zuletzt durch seine Unterstützung bei meiner Bewerbung um ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Dieses Stipendium hat mir insbesondere einen zweimonatigen Forschungsaufenthalt an der New York University School of Law, Center for Transnational Litigation, Arbitration, and Commercial Law, im Jahr 2013 ermöglicht. Der Studienstiftung des Deutschen Volkes danke ich für die großzügige Förderung, Herrn Professor Dr. Franco Ferrari für die Aufnahme an der New York University.

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Vorwort

Zum Dank verpflichtet bin ich außerdem Herrn Professor Dr. Urs Gruber für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Professor Dr. Josef Ruthig für die Übernahme des Vorsitzes in der mündlichen Doktorprüfung. Meinen Kollegen am Lehrstuhl danke ich für unzählige anregende Gespräche und wissenschaftliche Erörterungen. Ganz besonderer Dank gilt dabei meinem ehemaligen Kollegen Professor Dr. Ivo Bach, der mir in den vergangenen Jahren mit Geduld und stets weiterführenden Überlegungen und Antworten zur Seite stand. Schließlich darf ich mich sehr dankbar schätzen, als Mitglied der Gutenberg-­ Akademie der Universität Mainz gefördert worden zu sein. Der interdisziplinäre Austausch mit anderen jungen Wissenschaftlern hat meine Promotionszeit sehr bereichert. Über die Gutenberg-Akademie konnte ich außerdem Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow als wissenschaftlichen Mentor gewinnen, dem ich für die anregenden und schönen Treffen am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg danken möchte. Ihm und den anderen Direktoren des Max-Planck-Instituts danke ich für die Aufnahme meiner Dissertation in diese Schriftenreihe. Für ihre großzügige Beteiligung an den Druckkosten bedanke ich mich bei der Gutenberg-Akademie, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie Herrn Professor Dr. Haimo Schack und der Studienstiftung ius vivum. Einige weitere Personen haben die Entstehung meiner Dissertation begleitet und mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt. Für das Korrekturlesen dieser umfangreichen Arbeit, ihre Geduld und stetige Motivation danke ich meinen Eltern Evelyne und Rachmat Antomo, meiner Schwester Dr. Mailin Antomo, meinem wundervollen Freund Dr. Christian Picker und meinen Freunden und Freundinnen. Meiner lieben Familie – Christian, Mailin, Daniel, Nora, Oma Mausel und meinen Eltern – ist diese Arbeit gewidmet. Mainz, November 2016

Jennifer Lee Antomo

Inhaltsübersicht

§  1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung: der status quo . . . . . . . . . . . . . . 23 §  2 Einführung zum ersten Teil der Untersuchung . . . . . . . . . . . 25 §  3 Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen im Spannungsfeld von staatlicher Regelung und Parteiinteressen . . . . . . . . . . . 27 §  4 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . . . 65 §  5 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in einem Drittstaat am Beispiel der USA . . 129 §  6 Schutz- und Abwehrmöglichkeiten gegen Klagen im derogierten Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Teil II:  Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 §  7 Einführung zum zweiten Teil der Untersuchung . . . . . . . . . . 273 §  8 Rechtsprechung und Schrifttum in England und in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 §  9 Die Rechtsprechung und die Diskussion in anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

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Inhaltsübersicht

Teil III:  Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor deutschen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 §  10 Einführung zum dritten Teil der Untersuchung . . . . . . . . . . . 361 §  11 Vertragliche Schadensersatzansprüche: Zulässigkeit einer Klage und anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 §  12 Das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs auf Schadensersatz aus §  280 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 §  13 Vertragliche Schadensersatzansprüche: Anspruchsumfang und Durchsetzung der Entscheidung im Ausland . . . . . . . . . . . . 503 §  14 Deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . 543 §  15 Besonderheiten im Bereich international vereinheitlichten Rechts 595 §  16 Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . 667

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX §  1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Bedeutung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Einbettung der Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Unproblematische Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Auslandsbezug . . . . . . 3 II. Das Bedürfnis nach geeigneten Schutzmöglichkeiten internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . 5 1. Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO . 5 2. Das Verhältnis gegenüber Drittstaaten, insbesondere am Beispiel der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Unzureichender Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . 7 III. Mögliche Bedenken gegenüber einer Schadensersatzhaftung . . 9 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Rechtsdogmatische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3. Rechtspolitische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Begriffsbestimmung sowie Grenzen und Gang der Untersuchung . . . 13 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO und gegenüber Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4. EuGVVO alter und neuer Fassung . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Grenzen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Beschränkung auf Schadensersatz- und andere Erstattungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Beschränkung auf Fälle der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 18

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3. Keine Untersuchung der parallelen Problematik bei Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung: der status quo . . . . . . . . . . . . . . 23 §  2 Einführung zum ersten Teil der Untersuchung . . . . . . . . . . . 25 §  3 Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen im Spannungsfeld von staatlicher Regelung und Parteiinteressen . . . . . . . . . . . . 27 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Gerichtsstandsvereinbarungen im System der internationalen Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Die Anarchie der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . . 28 II. Folge des anarchischen Systems: Positive Kompetenzkonflikte und fehlende Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Regulierung des anarchischen Systems . . . . . . . . . . . . . 34 1. Selbstregulierung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Gerichtliches Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Parteiautonome Regulierung im Einzelfall . . . . . . . . . 41 C. Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Kontext des forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Definition des forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Gründe für forum shopping vor staatlichen und Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Verfahrensrechtliche Gründe für forum shopping . . . . . . 44 3. Materiellrechtliche Gründe für forum shopping . . . . . . . 45 4. Der Heimvorteil und sonstige Gründe für forum shopping . . 47 5. Besondere Gründe für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit . 48 III. Forum shopping – in a broad sense and as a matter of fact . . . 50 D. Die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung . . 53 I. Motive für die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Ex post-opportunistisches Heimwärtsstreben . . . . . . . . 54 3. Vorteile des vom angerufenen Gericht anzuwendenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Verzögerungstaktiken in Form von Torpedo-Klagen . . . . . 55 II. Die Reaktion des abredewidrig angerufenen Gerichts . . . . . . 56 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

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2. Die erste Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht verneint seine Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Die zweite Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht bejaht seine Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Nichtbeachtung der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . 57 b) Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarung nach der prozessualen lex fori . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Unwirksamkeit der Vereinbarung aus materiellrechtlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 d) Ordre public-Widrigkeit der Vereinbarung . . . . . . . . 59 e) Keine Bindung an die Vereinbarung aufgrund einer Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

§  4 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . . . . 65 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 B. Keine direkten Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Folgen aus der Definition der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Unzulässigkeit oder Formunwirksamkeit von EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . 67 III. Unwirksamkeit von EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarungen aus materiellrechtlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Anwendbarkeit des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . 69 2. Problematische Ermittlung des Prorogationsstatuts . . . . . 72 a) Die bisherige Rechtlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Die Einführung von Art.  25 Abs.  1 S.  1 und Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Sonderproblem: Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 76 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Kein gerichtliches Ermessen zur Beurteilung von Prorogation und Derogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V. Keine Anwendung des ordre public-Vorbehalts auf Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 VI. Kaum Anreize für ein law shopping through forum shopping . . 80 VII. Das Verhältnis zur rügelosen Einlassung . . . . . . . . . . . . 80 VIII. Zusammenfassung und Zwischenstand . . . . . . . . . . . . . 81 C. Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung: Verzögerung durch Torpedo-Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Die Rechtslage vor der Gasser-Entscheidung des EuGH . . . . 83 1. Prioritätsprinzip und die The Tatry-Entscheidung machen Torpedo-Klagen möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

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2. Besonders problematische Fälle . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Umstrittene Einschränkung des Prioritätsprinzips . . . . . . 88 II. Die Gasser-Entscheidung des EuGH: Keine Einschränkung des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Kritik an der Gasser-Entscheidung und ihren Folgen . . . . . . 92 IV. Die Revision der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Durchbrechung des Prioritätsprinzips durch Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Weitere Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die neue EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Folgen für die redliche Partei . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Sonderproblem: Die revidierte EuGVVO und sog. umgekehrte Torpedo-Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Besteht die Gefahr sog. umgekehrter Torpedo-Klagen? . . 98 b) Welche Prüfungskompetenz hat das zuerst angerufene Gericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5. Sonderproblem: Das Verhältnis zwischen Art.  31 Abs.  2 und 3 und Art.  30 EuGVVO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. gelten nur für Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien 102 b) Besteht eine Torpedo-Gefahr bei lediglich im Zusammenhang stehenden Verfahren? . . . . . . . . . . 104 D. Gesamtbetrachtung der aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung folgenden Nachteile für die nicht vertragsbrüchige Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Zukünftig gilt: Kaum direkte wie indirekte Anreize für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung . 107 II. Dennoch mögliche Schäden der nicht vertragsbrüchigen Partei . 108 1. Kosten und sonstige Nachteile aus dem Verfahren im forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Grundsätzliche Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Schäden trotz Geltung des Unterliegensprinzips . . . . . . . 110 III. Ausnahmsweise Gefahr des Wettlaufs zur früheren Sachentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 E. Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Die bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Mögliche Änderungen durch die Reform der EuGVVO . . . . . 119 1. Reformvorschlag und tatsächliche Änderungen der EuGVVO 119 2. Der neue Erwägungsgrund (12) zur EuGVVO . . . . . . . . 121 a) Der erste Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Der zweite Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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IV.

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c) Der dritte Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Der vierte Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Fazit und Vergleich zu internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

§  5 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in einem Drittstaat am Beispiel der USA . . 129 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 B. Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Geringe Anreize für Torpedo-Klagen außerhalb der Geltung international vereinheitlichter Regelungssysteme . . . . . . . . 130 II. Andere Gründe für eine Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Überblick: Forum shopping in den USA . . . . . . . . . . . 135 2. Verfahrensrechtliche Gründe für forum shopping in den USA 135 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Beweiserhebung und Beweiswürdigung im adversary system . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Besonderheiten des US-amerikanischen Kostenrechts . . 140 3. Materiellrechtliche Gründe für forum shopping in den USA . 144 4. Gesamtbewertung: Kläger- und Inländerbevorzugung im US-amerikanischen Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Das zivilgerichtliche Zuständigkeitssystem der USA . . . . . . . . . 150 I. Zweigliedriges System aus Bundes- und Staatengerichten . . . 150 II. Die Zuständigkeitsanforderungen im Einzelnen . . . . . . . . 151 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Subject matter jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Ausschließliche und konkurrierende Bundeszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Removal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Personal jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) General personal jurisdiction und specific personal jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Personal jurisdiction durch Unterwerfung . . . . . . . . 157 4. Venue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 D. Die Derogation US-amerikanischer Gerichte durch internationale Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Die non ouster-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Liberalisierung in der Rechtsprechung der Federal Courts . . . 163 1. Die Bremen-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Die Carnival Cruise-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 164 3. Der Inhalt der ermessensbasierten reasonableness-Doktrin . 166

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4. Das Verhältnis zwischen reasonableness- und forum non conveniens-Doktrin und die Atlantic Marine-Entscheidung . 170 5. Umstrittene Anwendung der reasonableness-Doktrin in Fällen der diversity jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Die Behandlung der Derogation durch die State Courts . . . . . 177 IV. Gesamtbetrachtung der US-amerikanischen Rechtsprechung zur Derogationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 V. Vergleich zur Rechtslage im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 VI. Vergleich zur Behandlung von Schiedsvereinbarungen durch die US-amerikanischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 E. Mögliche Nachteile für den Beklagten aus der Klage im US-amerikanischen forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Das Gericht erkennt die Vereinbarung nicht an . . . . . . . . . 190 1. Als „prozessual“ bezeichnete Nachteile . . . . . . . . . . . 190 2. Als „materiell“ bezeichneter Nachteil . . . . . . . . . . . . 190 III. Das Gericht erkennt die Vereinbarung an . . . . . . . . . . . 191 1. Kein materieller, aber prozessuale Nachteile möglich . . . . 191 2. In aller Regel bestehen auch keine Ausnahmen von der American rule of costs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Rügelose Einlassung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . 195

§  6 Schutz- und Abwehrmöglichkeiten gegen Klagen im derogierten Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. (Parallele) Klageerhebung vor dem gewählten Gericht . . . . . . . . 198 I. Zeitlich frühere Klageerhebung vor dem gewählten Gericht . . 198 II. Zeitlich spätere Klageerhebung vor dem gewählten Gericht . . . 201 C. Verhinderung der Zustellung der abredewidrig erhobenen Klage . . . . 203 D. Zuständigkeitsrüge und Verlust des Prozesses im abgewählten Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 E. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes nach der alten EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Kein lis pendens-Prinzip im Verhältnis zwischen Hauptsache und vorläufigem Rechtsschutz . . . . . . . . 206 b) In aller Regel geringe Erfolgsaussichten mangels besonderer Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Vor- und Nachteile einstweiliger Maßnahmen zum Schutz gegen Torpedo-Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

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2. Die Rechtslage unter der revidierten EuGVVO . . . . . . . 212 III. Einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zu Drittstaaten . . . . 212 F. Prozessführungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 II. Prozessführungsverbote in England und in den USA . . . . . . 214 1. Prozessführungsverbote in England . . . . . . . . . . . . . 214 2. Prozessführungsverbote in den USA . . . . . . . . . . . . . 219 3. Gegenläufige anti-suit injunctions und der Fall Laker . . . . 222 III. Unzulässigkeit von Prozessführungsverboten im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Turner und das Verbot von anti-suit injunctions . . . . . . . 223 2. West Tankers und die Erstreckung der Turner-Grundsätze auf Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 IV. Prozessführungsverbote zum Schutz gegen Klagen in drittstaatlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Das sog. right not to be sued abroad als Verfügungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Keine Unvereinbarkeit mit der EuGVVO . . . . . . . . . . 233 4. Unzulässigkeit aus anderen Gründen . . . . . . . . . . . . 235 a) Ausschluss der Klagbarkeit oder fehlendes Rechtsschutzbedürfnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Völkerrechtliche Unzulässigkeit wegen Verletzung der comitas – außer von contractual injunctions . . . . . . . 238 V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 241 G. Feststellungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Feststellungsklagen im Verhältnis zu Drittstaaten . . . . . . . 244 1. Vielfältige Möglichkeiten von Feststellungsklagen . . . . . 244 2. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Feststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Feststellungsinteresse im engeren Sinne . . . . . . . . . 248 b) Vorrang anderer Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . 250 c) Kein Feststellungsinteresse hinsichtlich der fehlenden Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung . 250 4. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der comitas . . . . . . . . 251 5. Wirkungen von Feststellungsklagen im Ausland . . . . . . . 252 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Anerkennung in den USA nach der bisherigen Rechtslage 253 c) Anerkennung nach Inkrafttreten des HGÜ in den USA . . 256 III. Feststellungsklagen im Verhältnis zu anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 H. Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung . . . 262

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I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. Zwingende Anerkennung von Entscheidungen der anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 III. Keine Anerkennung von Entscheidungen drittstaatlicher derogierter Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

Teil II:  Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 §  7 Einführung zum zweiten Teil der Untersuchung . . . . . . . . . . 273 §  8 Rechtsprechung und Schrifttum in England und in den USA . . . 275 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 B. Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung . 276 I. Vertragliche Qualifikation der Schadensersatzansprüche . . . . 276 II. Gerichtsstandsvereinbarungen als „ganz normale“ Verträge . . 277 1. Non ouster-Doktrin und Ermessensprüfung von Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Folge: Verpflichtungswirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen und das right not to be sued abroad . . . . . 281 III. Schadensersatz als primäre Folge einer Vertragsverletzung . . . 283 IV. Die Verschuldensunabhängigkeit des Schadensersatzes . . . . . 284 C. Die Rechtslage in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 I. Stay of proceedings und anti-suit injunctions als traditionelle Mittel gegen unzulässiges forum shopping . . . . . . . . . . . 285 II. Die Rechtsprechung der englischen Gerichte . . . . . . . . . . 287 1. Die Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen . . . 287 a) Der eigenen Zeit voraus: Ellerman Lines Ltd v. Read . . . 287 b) Der Durchbruch im neuen Jahrtausend: Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others . . . . . . . . . . . . 289 c) Das obiter dictum in Donohue v. Armco Inc. & others . . 292 d) Die Bestätigung der Union Discount-Entscheidung in A/S D/S Svendborg v. Akar . . . . . . . . . . . . . . . . 296 e) Weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 f) Zusammenfassung der bisherigen englischen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 g) In the matter of the „Alexandros T“: Schadensersatz im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten? . . . . . 300 2. Die Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen . . . . . . . 303

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a) Die Mantovani-Entscheidung und einige weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) Die Entscheidung in CMA v. Hyundai . . . . . . . . . . 306 c) Die West Tankers-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 308 d) Bedeutung für die Rechtsprechung in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Das englische Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Gegner vertraglicher Schadensersatzansprüche . . . . . . . 311 2. Befürworter vertraglicher Schadensersatzansprüche . . . . 315 a) Briggs – Verfechter der Schadensersatzmöglichkeit . . . 315 b) Weitere Befürworter vertraglicher Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 D. Die Rechtslage in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 I. Überblick über die Rechtslage in den USA . . . . . . . . . . . 323 II. US-amerikanische Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . 325 1. Die Nute-Entscheidung aus dem Jahr 1856 . . . . . . . . . . 325 2. Vereinbarter Schadensersatz für abredewidrig erhobene Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3. Schadensersatz ohne explizite Vereinbarung – die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten . . . . . . . . . 326 4. Entscheidungen zu Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . 331 5. Fazit aus der US-amerikanischen Rechtsprechung . . . . . . 331 III. Das US-amerikanische Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . 333 E. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

§  9 Die Rechtsprechung und die Diskussion in anderen Staaten . . . . 339 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 B. Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 C. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 I. Die Schadensersatzidee erreicht den civil law-Kreis . . . . . . 342 II. Das Entscheidungsduo des Tribunal Supremo . . . . . . . . . . 342 1. Die Entscheidung aus dem Jahr 2007 . . . . . . . . . . . . 342 2. Die Entscheidung aus dem Jahr 2009 . . . . . . . . . . . . 343 III. Das spanische Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 IV. Rückschlüsse für andere Staaten des civil law-Kreises? . . . . . 347 D. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 E. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 F. Die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 G. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 H. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

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Teil III:  Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor deutschen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 §  10 Einführung zum dritten Teil der Untersuchung . . . . . . . . . . . 361 §  11 Vertragliche Schadensersatzansprüche: Zulässigkeit einer Klage und anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 B. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte . . . . . . . . . 365 I. Grundsatz: Die Zuständigkeit folgt aus der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 II. Zuständigkeit des derogierten, abredewidrig angerufenen Gerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 C. Der res iudicata-Einwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II. Einteilung in mögliche Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Das abredewidrig angerufene Gericht trifft weder eine Sachnoch Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Das abredewidrig angerufene Gericht trifft keine Sach-, aber eine Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 3. Das abredewidrig angerufene Gericht trifft eine Entscheidung in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a) Grundsätzlich keine res iudicata-Wirkung wegen Verletzung des Spiegelbildprinzips . . . . . . . . . . . . 372 b) Res iudicata-Wirkung bei rügeloser Einlassung der im Ausland beklagten Partei? . . . . . . . . . . . . . . . . 374 4. Die Parteien schließen vor dem abredewidrig angerufenen Gericht einen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 5. Das abredewidrig angerufene Gericht gewährt materiellrechtlichen Schadensersatz . . . . . . . . . . . . 376 D. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage . . . . . . . . . . . . . . . 377 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei rügeloser Einlassung . . . 377 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 III. Sonstige erforderliche Anstrengungen der nicht vertragsbrüchigen Partei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 IV. Rechtsschutzbedürfnis im Falle eines Vergleichs . . . . . . . . 381 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 E. Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht 382 I. Vertragliche Schadensersatzansprüche unterliegen dem Prorogationsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

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II.

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Bestimmung des Prorogationsstatuts von Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. . . 383 1. Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. als Gesamtverweisung . . 383 2. Auf welche Kollisionsvorschriften verweist Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F.? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Mit welcher Rechtsordnung ist die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunden? . . . . 386 4. Die Folgen einer Rechtswahl durch die Parteien . . . . . . . 393 5. Geltung des Günstigkeitsprinzips? . . . . . . . . . . . . . . 395 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

§  12 Das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs auf Schadensersatz aus §  280 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 B. Schuldverhältnis und Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 400 I. Vereinbarungen über Verpflichtungswirkungen, Schadensersatz oder Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 II. Die Unergiebigkeit der deutschen Rechtsprechung . . . . . . . 402 III. Deutsches Prorogationsstatut und internationale Problematik . . 404 IV. Frühe Ansichten: Die Trennung zwischen Zivil- und Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 V. Schiedermair: Gerichtsstandsvereinbarungen als echte prozessrechtliche Verträge ohne Verpflichtungswirkung . . . . 409 1. Gerichtsstandsvereinbarungen als rein prozessrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 2. Prozessrechtliche Verträge als Verfügungsverträge . . . . . 410 3. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . 413 VI. Weitere Gegner der verpflichtenden Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 VII. Hellwig: Prozessverträge mit Verpflichtungswirkung . . . . . . 415 1. Die gewollten Wirkungen bestimmen die Natur des Vertrags 415 2. Mit der negativen Verfügungswirkung gehen Verpflichtungswirkungen einher . . . . . . . . . . . . . . . 416 3. Keine Übertragung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips 419 VIII. Konzen und die weitere Aufweichung des Trennungsdenkens . . 421 IX. Wagner: Verpflichtungswirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen widersprechen häufig dem Parteiwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. Prozessverträge modifizieren die Verfahrensregeln pro futuro 423 2. Die Wirkungen von Prozessverträgen im Primärprozess . . . 425 3. Die Wirkungen von Prozessverträgen im Sekundärprozess . 427 X. Die aktuelle Diskussion im modernen deutschen Schrifttum . . 428 1. Überblick: Gesteigertes Interesse an der Problematik . . . . 428 2. Die eine Ansicht: Internationale

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Gerichtsstandsvereinbarungen entfalten nur bei ausdrücklicher Vereinbarung Verpflichtungswirkung . . . . 429 3. Die andere Ansicht: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen entfalten grundsätzlich Verpflichtungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 XI. Auseinandersetzung mit dem Meinungsspektrum und Erarbeitung einer eigenen Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . 440 1. Das Bedürfnis nach verpflichtenden Wirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . 440 2. Dogmatische Argumente gegen die Übertragung des Abstraktionsprinzips und für das Bestehen prozessualer Verpflichtungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 a) Ausgangspunkt: Das Zirkelschlussargument Schiedermairs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 b) Das Abstraktionsprinzip als deutsche Eigenheit . . . . . 441 c) Die fehlende Übertragbarkeit des Verfügungsbegriffs auf die prozessuale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 d) Ein vertragliches Verbot entfaltet zwingend auch echte Unterlassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 e) Prozessverträge entfalten eigene prozessuale Verpflichtungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 3. Der Vergleich zum Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 4. Der Vergleich zur ausschließlichen Zuständigkeit und zu anderen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 a) Der Vergleich zur ausschließlichen Zuständigkeit . . . . 456 b) Der Vergleich zu Rechtswahlvereinbarungen . . . . . . . 457 c) Der Vergleich zu anderen Prozessverträgen und Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 5. Der Wille der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 a) Der Rechtsbindungswille beinhaltet auch den Haftungswillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 b) Andere Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 c) Sonderproblem: Keine Vermutung für die Ausschließlichkeit gemäß Art.  25 Abs.  1 S.  2 EuGVVO n. F.? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 7. Sonderfrage: Pflichtverletzung trotz unwirksamer Gerichtsstandsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . 468 C. Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . 471 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 II. Die Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens im autonomen deutschen Recht . . . . . . . . . . . 472 III. Übertragung der Grundsätze auf die Prozesseinleitung und Prozesshandlungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

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Besonderheiten bei abredewidrig im Ausland erhobenen Klagen 476 Eigene Ansicht: Die Vertragswidrigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 D. Das Vertretenmüssen des Auslandsklägers . . . . . . . . . . . . . . 485 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 II. Einschränkung der Haftung auf arglistiges Verhalten? . . . . . 485 III. Einschränkung der Vermutung für das Vertretenmüssen in §  280 Abs.  1 S.  2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 IV. Die im Schrifttum vertretenen Ansichten zu den Anforderungen an Vorsatz und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 V. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 1. Grundsätzlich genügt das Kennenmüssen der Vertragswidrigkeit für den Fahrlässigkeitsvorwurf . . . . . 489 2. Einschränkungen für bestimmte Fallgruppen? . . . . . . . . 492 a) Irrtum über Wirksamkeit, Umfang oder Ausschließlichkeit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . 492 b) Keine Kenntnis von der Existenz der Vereinbarung . . . 493 c) Klageerhebung, „um die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem heimischen Recht überprüfen zu lassen“ . . . . . . 493 3. Vertretenmüssen der Fortführung des Verfahrens im forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 E. Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche aus rechtspolitischen Erwägungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 IV. V.

§  13 Vertragliche Schadensersatzansprüche: Anspruchsumfang und Durchsetzung der Entscheidung im Ausland . . . . . . . . . . . . . 503 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 B. Der Umfang des vertraglichen Schadensanspruchs . . . . . . . . . . 503 I. Einführung und Aufteilung in Fallgruppen . . . . . . . . . . . 503 II. Die Differenzhypothese – worin besteht der hypothetische Rechtsgüterstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 III. Die erste Fallgruppe: ersetzbare Schäden, wenn das abredewidrig angerufene Gericht keine Sachentscheidung trifft 511 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 2. Grundsätzlich ersetzbare Schadensposten . . . . . . . . . . 511 3. Vorteilsausgleichung wegen hypothetischer Reserveursachen 515 4. Kürzung des Umfangs des Schadensersatzanspruchs gemäß §  254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 a) Grundsätzlich keine Kürzung wegen Mitverursachung des Schadens gemäß §  254 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . 517 b) Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit aus §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

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IV.

Die zweite Fallgruppe: ersetzbare Schäden, wenn das abredewidrig angerufene Gericht eine Sachentscheidung trifft . 521 1. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 2. Sachentscheidung zugunsten der nicht vertragsbrüchigen Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 3. Sachentscheidung zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei 522 a) Entstehung eines prozessualen und eines materiellen Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 b) Ersatzfähigkeit des materiellen Schadens vor dem Hintergrund der comitas . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 (1) Die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 (2) Eigene Ansicht und Vergleich mit Prozessführungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . 526 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 V. Sonderfall: Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 VI. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 C. Durchsetzung einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 II. Vollstreckung in dem Staat des Erstverfahrens . . . . . . . . . 530 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 2. Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 3. Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer inländischer Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 4. Anerkennungsversagung wegen Verletzung des ordre public 536 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 III. Vollstreckung in einem unbeteiligten Drittstaat . . . . . . . . . 539 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540

§  14 Deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . 543 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 B. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte . . . . . . . 544 C. Das auf deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 I. Das anwendbare Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 546 II. Das nach der Rom II-VO auf deliktische Ansprüche anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 III. Das nach der Rom II-VO auf bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 IV. Rechtswahl durch die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 D. Deliktische Ansprüche nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . 555

Inhaltsverzeichnis

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 II. Ansprüche aus §  823 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 557 1. Keine Verletzung eines der in §  823 Abs.  1 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 2. Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 3. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . 560 III. Ansprüche aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 IV. Ansprüche aus §  826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 E. Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht . . . . . . 571 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 II. Bereicherung des Schuldners: das sog. „erlangte Etwas“ . . . . 573 1. Die Urteilssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 2. Verfahrens- und andere Kosten? . . . . . . . . . . . . . . . 574 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 III. Leistungs- oder Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . 575 1. Eingriffskondiktion, wenn die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 2. Umstrittene Rechtsfolge, wenn freiwillig bezahlt wurde . . . 576 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 IV. Fehlen eines Rechtsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 2. Die einen Rechtsgrund bejahende Ansicht . . . . . . . . . . 578 3. Die einen Rechtsgrund verneinende Ansicht . . . . . . . . . 580 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 V. Umfang der Herausgabepflicht und Ausschluss nach §  814 BGB 584 VI. Sonderfall: Die ausländische Sachentscheidung wäre inhaltsgleich in Deutschland ergangen . . . . . . . . . . . . . 585 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 F. Durchsetzung der Entscheidung im Ausland . . . . . . . . . . . . . 588 I. Anerkennungsfähigkeit einer deliktischen Schadensersatz gewährenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 II. Anerkennungsfähigkeit einer eine bereicherungsrechtliche Rückforderung gewährenden Entscheidung . . . . . . . . . . . 589 G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591

§  15 Besonderheiten im Bereich international vereinheitlichten Rechts . 595 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 B. Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 596 I. Geringes Bedürfnis nach Schadensersatzpflichten seit der Revision der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 II. Die prozessuale Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 599

XXVI

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 2. Die Rechtshängigkeitsregeln der EuGVVO . . . . . . . . . 601 a) Durchbrechung der vormals strikten Prioritätsregel durch Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . 601 b) Folgerungen für die hier untersuchten Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 3. Die Anerkennungsregeln der EuGVVO . . . . . . . . . . . 605 a) Die EuGVVO als System großzügiger wechselseitiger Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . 605 b) Zur Anerkennung der Sachentscheidung und dem Verbot der révision au fond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 c) Zur Anerkennung der Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 d) Zur Anerkennung der Kostenentscheidung . . . . . . . . 611 e) Folgerungen aus den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 4. Der Vertrauensgrundsatz und das Verbot von anti-suit injunctions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 5. Das Ziel der EuGVVO, parallele Verfahren zu verhindern . . 618 III. Folgerungen für die einzelnen Fallgruppen . . . . . . . . . . . 620 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 2. Folgerungen für die erste Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht verneint seine Zuständigkeit . . . . . . . 620 a) Die Auseinandersetzung im Schrifttum . . . . . . . . . 620 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 (1) Keine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes und der Wertungen der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . 623 (2) Keine Differenzierung zwischen vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . 624 (3) Wirkungen einer ausländischen Kostenentscheidung . 626 c) Ergebnis für die erste Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . 627 3. Folgerungen für die zweite Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht bejaht seine Zuständigkeit und trifft eine Sachentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 b) Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 c) Keine Ersatzfähigkeit des sog. materiellen Schadens . . . 633 d) Keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche . . . . . . . 638 e) Ergebnis für die zweite Fallgruppe . . . . . . . . . . . . 639 4. Zur Schadensminderungsobliegenheit der abredewidrig verklagten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 IV. Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung in den anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten . . . . 641

Inhaltsverzeichnis

XXVII

C. Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten . . 643 I. Entstehungsgeschichte des HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . 643 II. Anwendungsbereich des HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 1. Sachlicher, räumlich-persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 2. Das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten . . . . . . . 647 III. Die wesentliche Bestimmungen des HGÜ . . . . . . . . . . . . 649 1. Wirksames Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 2. Sichere Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung . . . 650 3. Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 655 4. Vergleich mit dem Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 IV. Schadensersatzansprüche im System des HGÜ . . . . . . . . . 659 V. Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung in den anderen HGÜ-Vertragsstaaten . . . . . . . 663

§  16 Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . 667 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715

Abkürzungsverzeichnis 1st Cir.; 2d Cir.; und so weiter bis 11th Cir.

First Circuit (US Court of Appeals); Second Circuit (US Court of Appeals); und so weiter bis Eleventh Circuit (US Court of Appeals) a. A. andere Ansicht A.C. Law Reports Appeal Cases a. E. am Ende a. F. alte Fassung A/S Aktieselkab (Aktiengesellschaft, Dänemark) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) ABGB ABl. Amtsblatt AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB ALI American Law Institute All E.R. All England Law Reports All E.R. (Comm) All England Law Reports (Commercial Cases) Anh. Anhang Anm. Anmerkung AnwBl Anwaltsblatt App. Div. Appelate Division ArbG Arbeitsgericht arg. e contr. argumentum e contrario (Umkehrschluss) Ariz. Arizona Art. Artikel ASA Bull. Swiss Arbitration Association Bulletin Aufl. Auflage AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters B.C.L.C. Butterworths Company Law Cases BAG Bundesarbeitsgericht BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BB Betriebs-Berater Bd. Band Bearb. Bearbeitung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

XXX

Abkürzungsverzeichnis

BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung Brüssel I-VO Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Brüssel Ia-VO Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Besloten Vennootschap (Kapitalgesellschaft, Niederlande) BV BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BvR Verfassungsbeschwerde (Aktenzeichen) bzw. beziehungsweise C.A. Court of Appeal (England & Wales) C.D. Central District C.D. Cal. Central District of California Cal. California Cal. App. California Appellate Reports California Appellate Reports, Third Series Cal. App.  3d Ch.D. Chancery Division (England & Wales) CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods CLC Commercial Law Cases (England & Wales) CMR Convention relative au contrat de transport international des mar­chandises par route Co. Corporation Carriage of Goods by Sea Act (USA) COGSA CPR Rules of Civil Procedure (England & Wales) D.C. Circuit D.C. Cir. D.D.C. District of D.C. d. h. das heißt District of Puerto Rico D.P.R. DAJV Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung Del. Delaware ders. derselbe dies. dieselbe; dieselben DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DM Deutsche Mark DÖV Die Öffentliche Verwaltung – Zeitschrift für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften DStR Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt DVBl E.D. Eastern District e.g. exempli gratia (zum Beispiel) E.R. English Reports ECJ European Court of Justice EG Europäische Gemeinschaft

Abkürzungsverzeichnis

EGBGB EGMR EGV

XXXI

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig et cetera (und so weiter) etc. EU Europäische Union EuEheVO Verordnung (EG) Nr.  2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 EuErbVO Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Europäischer Gerichtshof EuGH EuGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenen Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die EuGVÜ Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVVO a. F. siehe Brüssel I-VO siehe Brüssel Ia-VO EuGVVO n. F. EuInsVO Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren Europäisches Internationales Privatrecht EuIPR EuPartVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenen Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften EuUnthVO Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Europäisches Zivilprozessrecht EuZPR EuZVR Europäisches Zivilverfahrensrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht EWCA Civ England & Wales Court of Appeal (Civil Division)

XXXII EWG EWHC EWHC (Ch) EWHC (Comm) EWiR EWS f., ff. F.2d F.3d F. Cas. F. Supp. F. Supp.  2d FAA FamFG

Abkürzungsverzeichnis

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft England & Wales High Court England & Wales High Court (Chancery Division) England & Wales High Court (Commercial Division) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgend, folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Cases Federal Supplement Federal Supplement, Second Series Federal Arbitration Act (USA) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FamRZ Fed. Appx. Federal Appendix Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit FGG Fla. Florida Florida District Courts of Appeal Fla. Dist. Ct. App. Fn. Fußnote FRCP Federal Rules of Civil Procedure (USA) GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH & Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler GRUR Int. Teil GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht GWR H. L. House of Lords Halbbd. Halbband HGB Handelsgesetzbuch HGÜ Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 Hrsg. Herausgeber HZÜ Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 im Ergebnis i. E. i.H.v. in Höhe von I.L.Pr. International Litigation Procedure i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IDR Journal of International Dispute Resolution

Abkürzungsverzeichnis

IESC IHR

XXXIII

Irish Supreme Court Internationales Handelsrecht, Zeitschrift für das Recht des internationalen Warenkaufs und -vertriebs Ill. Illinois Inc. Incorporated insb. insbesondere Entscheidungen der Instanzgerichte zum Recht des geistigen EiInstGE gentums IPR Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRax IPRspr. Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JN Jurisdiktionsnorm (Österreich) JR Juristische Rundschau JURA Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ JuristenZeitung Kap. Kapitel Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen StreiKapMuG tigkeiten KG Kammergericht; Kommanditgesellschaft KOM Dokument der Europäischen Kommission LAG Landesarbeitsgericht L. Ed. Lawyers’ Edition L. Ed. 2d Lawyers’ Second Edition La. Louisiana LG Landgericht lit. littera (Buchstabe) Lord Justice (England & Wales) LJ Lloyd’s Rep. Lloyd’s Law Reports LMLN Lloyd’s Maritime Law Newsletter Limited Company (Kapitalgesellschaft mit beschränkter HafLtd tung, England & Wales) LugÜ Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen m. Anm. mit Anmerkung m. w. N. mit weiteren Nachweisen Mass. Massachusetts MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mich. Michigan Mo. Missouri Mo. App. Missouri Appeal Reports Mont. Montgomery MünchKomm Münchener Kommentar N.D. Northern District n. F. neue Fassung

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis

N.J. New Jersey N.W.2d North Western Reporter, Second Series N.Y. New York New York Supreme Court, Appelate Division N.Y. App. Div. N.Y.S. West’s New York Supplement N.Y.S.  2d West’s New York Supplemt, Second Series Neb. Nebraska NJOZ Neue Juristische Online Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report ZiNJW-RR vilrecht No, No. Nummer NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungs­ praxis Nr. Nummer NY CPLR New York Civil Practice Law and Rules OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) Ohio State Reports, Third Series Ohio St. 3d Okla. App. Oklahoma Court of Civil Appeals Decisions OLG Oberlandesgericht OLGE Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts OLGR Oberlandesgerichts-Report OR Schweizerisches Obligationenrecht Or. Oregon P.2d Pacific Reporter, Second Series Pa. Pennsylvania Public Limited Company (Aktiengesellschaft, England & Wales) Plc. Prel. Doc. Preliminary Document Law Reports, Queen’s Bench Q.B. QC Queen’s Counsel (England & Wales) RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Rechtsprechungssammlung des Reichsgerichts RICO Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (USA) RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rom I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments Rom II-VO und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht Rs. Rechtssache RVG Rechtsanwaltsvergütungsgesetz S. Satz; Seite; siehe

Abkürzungsverzeichnis

S. Ct. S.A. S.D. S.D.N.Y. S.L.T. S.W.2d SARL

XXXV

Supreme Court Reporter (Supreme Court of the United States) Société anonyme (Aktiengesellschaft, Frankreich) Southern District Southern District of New York Scots Law Times South Western Reporter, Second Series Société à responsabilité limitée (Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung, Frankreich/Luxemburg/Schweiz) SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren sec. section Slg. Sammlung SLR Singapore Law Reports sog. sogenannt SpA Società per azioni (Aktiengesellschaft, Italien) Srl Società a responsibilità (Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Italien) StAZ Zeitschrift für Standesamtwesen Tex. Texas Tex. Civ. App. Court of Civil Appeals of Texas und andere; unter anderem u. a. U.S. United States Supreme Court Reports U.S. App. LEXIS LEXIS Datenbank der Entscheidungen der United States Courts of Appeals U.S. Dist. LEXIS LEXIS Datenbank der Entscheidungen der United States District Courts United Kingdom Supreme Court UKSC USC United States Code unter Umständen u. U. UCC Uniform Commercial Code (USA) United Kingdom House of Lords UKHL UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UNÜ New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Vereinigte Staaten von Amerika USA US$ US-Dollar UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. versus (gegen) Va. Virginia VersR Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vgl. vergleiche Vol. Volume (Band) Western District W.D. WL Westlaw WLR Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht z. B. zum Beispiel

XXXVI ZAkDR ZEuP ZfRV

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht ZHR Zeitschrift für das Gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZVglRWiss ZZP Zeitschrift für Zivilprozess ZZP Int. Zeitschrift für Zivilprozess International. Jahrbuch des Interna­ tionalen Zivilprozessrechts

§  1  Einleitung A.  Bedeutung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen und Untersuchungsgegenstand Die Parteien eines internationalen Handelsvertrags versuchen häufig, die Un­ sicherheit, der sie sich wegen der Berührung ihrer Rechtsbeziehung mit unter­ schiedlichen Staaten bzw. Rechtsordnungen ausgesetzt sehen, durch den Ab­ schluss einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu minimieren und so Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit zu erlangen. Denn grenzüberschreiten­ der Handel bringt die Angst mit sich, in einem anderen Staat nach fremdem Recht verklagt zu werden. Geschichten um anrüchige, planvoll bis manipulative forum shopping-Taktiken schüren diese Furcht noch.1 Tatsächlich kann die Fra­ ge, vor welchen Gerichten im Streitfall ein Verfahren eingeleitet werden darf, von entscheidender Bedeutung für den Fortgang der gesamten Beziehung zwi­ schen den Parteien sein. Das angerufene Gericht wird nach dem lex fori-Grund­ satz sein eigenes Prozessrecht anwenden. Darüber hinaus entscheidet es – vorbe­ haltlich primär anwendbaren vereinheitlichten Sachrechts – nach seinem K ­ ollisionsrecht über die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung bzw. das in Abwesenheit einer solchen anwendbare materielle Recht. Nach Erwägungs­ grund (12) zur Rom I-VO2 soll eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung einer der zu berücksichtigenden Faktoren hinsichtlich der Frage, ob eine Rechts­ wahl getroffen wurde, sein.3 Ebenso kann aus einer ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines Staates, der kein CISG4-Ver­ Vgl. zum Bedürfnis international agierender Parteien nach Rechtssicherheit z. B. Bormann, Sicherheit bei Verträgen in Europa (1999); Born, International Commercial Arbitrati­ on, 2.  Aufl. 2014, S.  69 f.; Dreifuss, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2003, 147 ff.; Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 286 ff. 2  Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. EU L 177, S.  6). 3  Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.6. Zur Bedeutung von Rechtswahlvereinbarungen für die Zuständigkeitsfrage in Eng­ land vgl. Hook, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 963. 4  Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Waren­ kauf vom 11. April 1980 (BGBl. 1989 II, S.  588). 1 

2

Einleitung

tragsstaat ist, im Regelfall eine Rechtswahl zugunsten des Rechts dieses Staates und damit ein stillschweigender Ausschluss des CISG abgeleitet werden.5 Die Zuständigkeitsvereinbarung ist daher nicht etwa eine Klausel unter vielen, son­ dern hat Einfluss auf das Prozess- wie Sachrecht und somit mittelbar auf die anderen Bestimmungen der vertraglichen Beziehung. Coester-Waltjen spricht treffend vom Metarechtsordnungscharakter von Gerichtsstandsklauseln.6 Die praktische Bedeutung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen haben auch politische Akteure erkannt und versucht, ihr mit dem Abschluss oder Erlass in­ ternational vereinheitlichter Rechtsinstrumente Rechnung zu tragen. Zu nennen sind vor allem die einschlägigen Vorschriften der EuGVVO7 und deren hervor­ gehobene Stellung bei der Diskussion im Rahmen des Reformprozesses der Ver­ ordnung8 sowie das im Oktober 2015 in Kraft getretene Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 (im Folgenden: HGÜ).9 Für diese politischen Akteure gleichermaßen wie für Rechtsprechung und Schrifttum ist von besonderer Relevanz, wie der Missachtung einer internatio­ nalen Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in einem anderen als dem gewählten Forum entgegengewirkt werden kann. Während dabei in der Vergangenheit unterschiedliche Schutzmechanismen, allen voran die dem eng­ lischen Recht entstammenden Prozessführungsverbote (anti-suit injunctions)10, 5  Saenger, in: Ferrari u. a. (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2.  Aufl. 2011, Art.  6 CISG Rn.  4 m. w. N. 6  Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich (2005), S.  549; sich anschließend Reuß, „Fo­ rum Shopping“ in der Insolvenz (2011), S.  17 Fn.  54. Aus US-amerikanischer Perspektive ähnlich Ryan, 103 West Virginia Law Review (2000), 167, 200. 7  Bzw. „Brüssel Ia-VO“. Die VO (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU L 351, S.  1) hat die VO (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständig­ keit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handels­ sachen (ABl. EU L 12/01, S.  1, sog. „Brüssel I-VO“) abgelöst. Vgl. zum Überblick über die wesentlichen Änderungen durch die Revision der Verordnung Alio, NJW 2014, 2395; Fischer, NotBZ 2015, 130; Grohmann, ZIP 2015, 16; Pohl, IPRax 2013, 109; Reinmüller, IHR 2015, 1. 8  Vgl. aus dem Schrifttum zur Reform der EuGVVO und ihrer Vorschriften, die Gerichts­ standsvereinbarungen und deren Durchsetzbarkeit betreffen, z. B. Briggs, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311; Bříza, Journal of Private International Law (2009), 537; Hess, IPRax 2011, 125, 129; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), insb. S.  514 ff.; Pfeiffer, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  324–344; Radicati di Brozolo, IPRax 2010, 121; Weller, in: Hess/Pfeiffer/ Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  388–403. 9  Deutsche Übersetzung abrufbar unter . Zum Überblick vgl. Antomo, NJW 2015, 2919. 10  Vgl. zur Darstellung der bisher anerkannten oder diskutieren Möglichkeiten zum Schutz internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen unten Teil I §  6.

§ 1 – B.  Einbettung der Problematik

3

diskutiert wurden, ist in den letzten Jahren ein anderer Weg ins Blickfeld von Schrifttum und Rechtsprechung gerückt, nämlich die Möglichkeit, der Klage im forum deogatum mit einem Schadensersatzanspruch zu begegnen. Noch vor etwa einem halben Jahrhundert bezeichnete es Matscher (allerdings aus öster­ reichischer Perspektive) als „unbestritten, daß die Prorogation keine einzige der typischen Rechtswirkungen der bürgerlich-rechtlichen Verträge (Klage auf Er­ füllung, Schadensersatz wegen Nichterfüllung)“ auszulösen imstande sei.11 Tat­ sächlich ist die Frage, ob die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ma­ teriellrechtliche Schadensersatzansprüche begründen kann, heute jedoch alles andere als unumstritten. Denn zur Überraschung vieler haben in den vergange­ nen Jahren einige ausländische Gerichte, namentlich Gerichte in England, den USA sowie in Spanien, Klagen stattgegeben, die auf Ersatz des Schadens gerich­ tet waren, welcher der nicht vertragsbrüchigen Partei aus einer abredewidrig erhobenen Klage erwachsen war.12 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob auch vor deutschen Gerichten Schadensersatz- oder andere materiellrechtliche Erstattungsansprü­ che mit der Begründung geltend gemacht werden können, die andere Partei habe eine ausschließliche internationale Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts oder der deutschen Gerichte durch Erhebung einer Klage im Ausland verletzt.

B.  Einbettung der Problematik I.  Unproblematische Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Auslandsbezug Die traditionelle deutsche zivilprozessuale Forschung hat sich von jeher nur sehr begrenzt mit dem Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Auslandsbe­ zug befasst. Bei rein innerdeutschen Gerichtsstandsvereinbarungen ist die Inte­ ressenlage nämlich eine andere als bei internationalen. Im Falle der Verletzung einer innerdeutschen Gerichtsstandsvereinbarung nach §  38 ZPO – wenn sich die Parteien also beispielsweise auf die ausschließliche Zuständigkeit des LG Mainz geeinigt haben, eine Partei dann aber doch vor das LG Frankfurt a. M. zieht – besteht grundsätzlich kein Bedürfnis nach Schadensersatz oder anderen Schutzmöglichkeiten der redlichen Partei. Denn erstens kann sie die Zuständig­ keit des LG Frankfurt a. M. rügen, welches sich im Falle einer nach §  38 ZPO Vgl. Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und im internationa­ len Zivilprozeßrecht (1967), S.  23. 12  Vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Teil II §  8 und §  9. 11 

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Einleitung

wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklären und die Klage durch Prozessurteil abweisen oder das Verfahren auf Antrag des Klägers nach §  281 Abs.  1 S.  1 ZPO an das gewählte Gericht verweisen wird. Die beklagte Partei hat also nicht zu befürchten, dass das Verfahren im derogierten Forum ausgetragen wird, es sei denn, sie lässt sich gemäß §§  39, 40 ZPO rügelos auf das Verfahren ein. Zweitens entstehen ihr aufgrund der im derogierten Forum anhängig gemachten Klage generell auch keine Kosten, weil sie über den pro­ zessualen Kostenerstattungsanspruch nach §  91 ZPO ausreichend geschützt ist.13 Die prozessuale Kostenerstattungspflicht ist eine verschuldensunabhängi­ ge Veranlassungshaftung bei Unterliegen im Rechtsstreit.14 Weist das unzustän­ dige Gericht die Klage durch Prozessurteil ab, hat der Kläger nach §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Und für den Fall, dass das un­ zuständige Gericht den Rechtsstreit nach §  281 Abs.  1 S.  1 ZPO verweist, stellt Abs.  3 der Vorschrift sicher, dass auch die im Verfahren vor dem verweisenden Gericht erwachsenen Kosten als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an welches das Verfahren verwiesen wird. Außerdem sind nach der Vorschrift dem Kläger die im Verfahren vor dem unzuständigen Ge­ richt entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Haupt­ sache obsiegt. Drittens besteht im innerdeutschen Verhältnis nicht die Gefahr, dass das gewählte und das angerufene Gericht unterschiedliches Prozess-, Kol­ lisions- oder Sachrecht anwenden. Folglich gibt es im rein nationalen Bereich generell kein Bedürfnis nach einem zusätzlichen Schutzmechanismus von Ge­ richtsstandsvereinbarungen.15 Dies mag erklären, weshalb die Diskussion um Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung im deutschen Schrifttum erst in den vergangenen Jahren im Zuge der im­ mer stärkeren Internationalisierung des Zivilrechtsverkehrs erwacht ist und sich auf Fälle der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im Ausland beschränkt. Zur Folge hat dies freilich, dass die traditionelle deutsche zivilprozessuale Dogmatik nicht ohne Weiteres auf internationale Fälle übertragen werden darf.

13  Generell zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch vgl. Götz, Zivilrechtliche Er­ satzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  109 ff. 14  Vgl. BGHZ 60, 337, 343. 15  Vgl. auch Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 272; Schlosser, in: Liber ami­ corum Lindacher (2007), S.  111, 111 und 114 f.

§ 1 – B.  Einbettung der Problematik

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II.  Das Bedürfnis nach geeigneten Schutzmöglichkeiten internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen 1.  Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO Im Gegensatz zu der Situation bei innerdeutschen Gerichtsstandsvereinbarun­ gen ist die sichere Durchsetzbarkeit einer internationalen Gerichtsstandsverein­ barung nicht immer gewährleistet. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO wurde die Frage, wie Gerichtsstandsvereinbarungen zu einer ver­ lässlichen Durchsetzbarkeit verholfen werden kann, in den vergangenen Jahren stark diskutiert. Dabei bereitete insbesondere die Problematik sog. Torpe­ do-Klagen, durch welche mittels einer Klageerhebung vor einem Gericht mit bekanntermaßen überlanger Verfahrensdauer der Streit in der Sache gelähmt werden kann, den beteiligten Akteuren Kopfzerbrechen. Wegen der strikten Auslegung des in Art.  21 EuGVÜ (als Vorgängernorm zu Art.  27 EuGVVO a. F. bzw. Art.  29 EuGVVO n. F.) statuierten lis pendens-Grundsatzes durch den EuGH in der Rechtssache Gasser16 war es bislang nämlich möglich, einer be­ fürchteten Leistungsklage der anderen Partei zuvorzukommen und durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage vor einem Gericht mit bekanntlich überlanger Verfahrensdauer die erwartete Leistungsklage zu verhindern, selbst wenn die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts ver­ einbart hatten. Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung bot also keinen sicheren Schutz gegen Verzögerungstaktiken durch solche Torpedo-Klagen.17 Und mit seinen Entscheidungen in den Rechtssachen Turner18 und West Tankers19 erklärte der EuGH anti-suit injunctions für unvereinbar mit dem der EuGVVO zugrunde liegenden Grundsatz vom gegenseitigen Vertrauen zwi­ schen den Mitgliedstaaten, sodass seither auch keine Möglichkeit mehr besteht, gegen die abredewidrig klagende Partei mittels eines Prozessführungsverbots vorzugehen. Bislang war es also – auch wenn die Parteien eine wirksame Ge­ richtsstandsvereinbarung nach Art.  23 EuGVVO a. F. abgeschlossen hatten – um den Schutz gegen eine Klage vor dem derogierten Gericht in einem anderen Mitgliedstaat eher schlecht bestellt. 16  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693 m. Anm. Fentiman, 42 Common Market Law Review (2005), 241; McGuire, GPR 3/2003– 2004, 159. 17  Vgl. umfassend zur Torpedo-Problematik Teil I §  3 D. I. 4. und §  4 C. 18  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565 m. Anm. Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428; Hau, ZZP Int. 9 (2004), 191; Krause, RIW 2004, 533; Rauscher, IPRax 2004, 405. 19  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663 m. Anm. Grierson, 26 Journal of International Arbitration (2009), 891.

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Einleitung

Allerdings sind Gerichtsstandsvereinbarungen durch die Revision der EuGV­ VO erheblich gestärkt worden. Die neue Verordnung sieht in ihrem Art.  31 Abs.  2 eine Durchbrechung des lis pendens-Grundsatzes für den Fall vor, dass ein in einer Gerichtsstandsvereinbarung benanntes Gericht angerufen wird und bereits in derselben Sache eine Klage bei einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht anhängig ist. Damit könnte der Torpedo-Taktik im Bereich von Ge­ richtsstandsvereinbarungen in Europa der Boden entzogen sein. Es muss daher untersucht werden, ob im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGV­ VO internationale Gerichtsstandsvereinbarungen zukünftig mit größerer Si­ cherheit durchgesetzt werden können oder ob auch in Zukunft Torpedo-Fälle oder die anders motivierte Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung mög­ lich und zu befürchten sind und welche Nachteile sich daraus für die redliche Partei ergeben können. 2.  Das Verhältnis gegenüber Drittstaaten, insbesondere am Beispiel der USA Auch im Verhältnis zu Drittstaaten, also solchen Staaten, die nicht Mitglied­ staaten der EuGVVO sind, können internationale Gerichtsstandsvereinbarun­ gen nicht immer mit Sicherheit durchgesetzt werden. Ob eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte vor einem dritt­ staatlichen Gericht Bestand haben und nach welchen Kriterien das ausländische Gericht die Bindung an die Vereinbarung prüfen wird, richtet sich nicht nach der EuGVVO, sondern nach dem jeweiligen in diesem Staat anwendbaren Pro­ zessrecht. Der Bestand der Vereinbarung variiert somit, je nachdem, in wel­ chem Staat die abredewidrig klagende Partei ihr Glück versucht. Eine Darstel­ lung aller Rechtsordnungen ist im Rahmen dieser Untersuchung nicht möglich. Für das Verhältnis zu Drittstaaten oder – konkreter – für die Fälle, in denen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung vor einem drittstaatlichen Gericht verletzt wird, sollen in dieser Arbeit Klagen vor derogierten US-amerikanischen Foren untersucht wer­ den, die aus vier Gründen beispielhaft und besonders praxisrelevant sind: Erstens ist ganz allgemein der Rechtsverkehr zwischen den USA und Deutschland wegen deren reger Handelsbeziehungen zueinander besonders be­ deutsam.20 Zweitens gibt es viele Anreize, die eine Partei dazu bewegen kön­ 20  Nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamts handelt es sich bei den USA – inzwischen sogar vor Frankreich – um Deutschlands stärksten Exportabnehmer. Auf der Lis­ te Deutschlands stärkster Importmächte befinden sich die USA auf dem vierten Platz. Vgl. „Außenhandel, Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutsch­ land“ vom 03.11.2016, online abrufbar unter .

§ 1 – B.  Einbettung der Problematik

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nen, ihre Klage gerade vor ein US-amerikanisches Gericht bringen zu wollen. Nennenswert sind vor allem bestimmte Eigenheiten des US-amerikanischen Beweisrechts (das nämlich über die sog. pre-trial discovery eine weitreichende Ausforschung der anderen Partei ermöglicht), Besonderheiten im Kostenrecht (nämlich die Geltung der American rule of costs, wonach jede Partei ihre außer­ gerichtlichen Kosten unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen hat, sowie Vereinbarungen zwischen Parteien und Anwälten über Erfolgshonorare, sog. contingency fees) und außerdem im Bereich von Schadensersatzklagen die Gewährung vergleichsweise hoher Schadenssummen.21 Drittens ist die Aner­ kennung der Derogation der eigenen Zuständigkeit durch Gerichtsstandsverein­ barungen zugunsten ausländischer Gerichte in den USA nicht immer gewähr­ leistet. Denn die ermessensbasierte reasonableness-Doktrin ermöglicht es US-amerikanischen Gerichten, ihre Zuständigkeit entgegen einer anders lauten­ den Gerichtsstandsvereinbarung in manchen Fällen zu bejahen.22 Viertens kön­ nen für die nicht vertragsbrüchige Partei auch dann, wenn das Gericht die Ver­ einbarung für wirksam erachtet und das Verfahren schließlich aussetzt oder abweist, bereits Nachteile entstanden sein. Durch die Berufung auf die Ge­ richtsstandsvereinbarung musste sie nämlich häufig bereits hohe Kosten auf­ wenden, welche sie aufgrund der American rule of costs selbst zu tragen hat.23 Diese vier Gründe machen das Verhältnis zu den USA für die in dieser Arbeit behandelten Fälle der Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarun­ gen besonders interessant, weshalb es stellvertretend für alle Fälle untersucht wird, in denen abredewidrig eine Klage im derogierten Forum eines Drittstaats erhoben wird. 3.  Unzureichender Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen Setzt sich ein Vertragspartner über eine internationale Gerichtsstandsverein­ barung hinweg und erhebt doch Klage vor einem in der Vereinbarung nicht de­ signierten Gericht, so können die Folgen für die andere Partei schädlich bis verheerend sein. In den erwähnten Torpedo-Fällen aufgrund der Verzögerung des Streits, aber auch in anderen Fällen, beispielsweise wegen besonders hoher außergerichtlicher Kosten, kann die Verletzung der Vereinbarung sogar zum wirtschaftlichen Ruin des redlichen Vertragspartners führen. Dies trifft vor al­ lem dann zu, wenn es sich dabei um ein kleineres Unternehmen handelt. Ausführlich zu den Gründen für forum shopping in den USA vgl. Teil I §  5 B. II. Vgl. zur reasonableness-Doktrin Teil I §  5 D. II. 23  Vgl. zur American rule of costs Teil I §  5 B. II. 2. c), E. III. 21 

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Die Schutz- und Abwehrmöglichkeiten der redlichen Partei durch die ihr vom abredewidrig angerufenen Gericht zur Verfügung gestellten Mittel sind dabei in der Wirklichkeit häufig nicht ausreichend, um die ihr wegen des Verfahrens im forum derogatum drohenden Nachteile abzuwenden. Zwar kann sie die Zustän­ digkeit des Gerichts rügen und versuchen, unter Berufung auf die Wirksamkeit der Vereinbarung eine Klageabweisung oder Verweisung an das zuständige Ge­ richt zu beantragen, was ihr in der Mehrheit der Fälle auch gelingen wird. Dar­ über hinaus gilt in den meisten Staaten der Welt nicht die American rule of costs, sondern der Grundsatz, dass der Verlierer – also im Falle einer Klageab­ weisung durch das derogierte Gericht diejenige Partei, welche die unzulässige Klage erhoben hat – die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.24 Dennoch bleiben solche Fälle möglich, in denen das derogierte Forum seine Zuständigkeit trotz der Zuständigkeitsrüge bejaht. Außerdem können der redlichen Partei, wie gezeigt, auch im Falle der letztend­ lichen Achtung der Vereinbarung durch das abredewidrig angerufene Gericht aus der Klageerhebung im forum derogatum Schäden erwachsen, etwa durch die Verschleppung des Streits, wegen Geltung der American rule of costs oder trotz Geltung der Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei dann, wenn die tatsächlich entstandenen außergerichtlichen Kosten die nach dem jeweiligen Kostenrecht zu erstattenden Kosten übersteigen.25 Für diese in einem ausländi­ schen Verfahren entstandenen Kosten kann auch nicht in einem Sekundärpro­ zess vor einem deutschen Gericht der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach §  91 ZPO fruchtbar gemacht werden. Denn Kosten, die in einem ausländi­ schen Verfahren entstanden sind, fallen nicht unter den Kostenerstattungsan­ spruch nach §  91 Abs.  1 S.  1 i. V. m. §  281 Abs.  3 ZPO. Die deutsche ZPO er­ kennt nur solche Kosten als ersatzfähig an, die in einem Verfahren vor einem deutschen Gericht entstanden sind.26 Neben den vom angerufenen Gericht selbst zur Verfügung gestellten Mitteln gibt es weitere Möglichkeiten, um sich vor der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu schützen oder darauf zu reagieren. U.a. kom­ men die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes, die Erhebung einer Fest­ stellungsklage, die Beantragung eines Prozessführungsverbots oder die Versa­ gung der Anerkennung der im Ausland ergehenden Entscheidung in Betracht.27 24 

Für Deutschland vgl. §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO. Mehr dazu in Teil I §  4 D. II. 2. So sind beispielsweise in Deutschland nur die gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig, vgl. §  91 Abs.  2 S.  1 ZPO und dazu Hess/Hübner, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  352 und 367. Vgl. auch Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 58. Mehr dazu in Teil I §  4 D. II. 3. 26  O. Sandrock, RIW 2004, 809, 812 m. w. N. in Fn.  25. 27  Diese Möglichkeiten werden in Teil I §  6 dargestellt. 25 

§ 1 – B.  Einbettung der Problematik

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Allerdings bewirken diese Möglichkeiten nicht in allen Fällen einen umfassen­ den Schutz der redlichen Partei. Vor allem ist der Erlass von Prozessführungs­ verboten, wie schon erwähnt, im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig; und – davon einmal abgesehen – ist diese Möglichkeit im deutschen Recht auch gegenüber Parteien, die vor drittstaatlichen Gerichten prozessieren, ohnehin nicht anerkannt.28 Zu­ dem vermag auch ein Prozessführungsverbot nichts mehr an den für seine Be­ antragung sowie für die Verteidigung im ausländischen Verfahren bereits ent­ standenen Kosten zu ändern. Nach dem status quo ist die sichere Durchsetzbar­ keit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen daher häufig eine Frage des Hoffens und Vertrauens – eines Vertrauens, dessen Verletzung in vielen Fällen nur unbefriedigend kompensiert wird. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die Möglichkeit materiellrechtlicher Schadensersatzansprüche für die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen seit einigen Jahren diskutiert wird und in dieser Arbeit untersucht werden soll. III.  Mögliche Bedenken gegenüber einer Schadensersatzhaftung 1. Überblick Wenn ein Bedürfnis nach der Möglichkeit, den vertragsbrüchigen Kläger mit Schadensersatzpflichten zu belegen, bestehen kann, stellt sich die Frage, weshalb – soweit ersichtlich – vor deutschen Gerichten bislang kein einziges Mal eine derartige Klage auch nur erhoben worden ist. In der rechtswis­ senschaftlichen Literatur findet sowohl international29 als auch in Deutsch­ 28 

Mehr dazu in Teil I §  6 F. III., IV. Aus dem Ausland vgl. Álvarez Gonzáles, IPRax 2009, 529; Ambrose, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 401, 415 f.; Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), insb. Kap.  8 (S.  299 ff.); ders., in: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5.  Aufl. 2009, insb. Rn.  5.57 ff.; ders., 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 323 ff.; Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 548 ff.; Cuniberti/Requejo, ERA Forum 2010, 7; Fentiman, 7 Journal of International Banking and Finan­ cial Law (2006), 304; ders., in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the Eu­ ropean Judicial Area (2007), S.  27, 43 ff.; Harris, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2009, 537, 544 ff.; Ho, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 697, 707 ff.; Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements and their Enforcement, 2.  Aufl. 2010, Kap.  14; Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 508 ff.; Males, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 543, 550; Muir Watt, in: de VareillesSom­mières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  115, 152; Nuyts, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  55, 57; Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 207 ff. und 224 ff.; ders., in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judi­ 29 

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land 30 eine Auseinandersetzung mit der Thematik statt. Dabei bleibt die Dis­ kussion in Deutschland selbstverständlich abstrakt, fehlt es schließlich voll­ ständig an deutscher Rechtsprechung. Grundsätzlich stehen der Annahme derartiger Schadensersatzansprüche zwei Hindernisse gegenüber, nämlich zum einen in der Systematik des deutschen Rechts wurzelnde dogmatische Beden­ ken und zum anderen völkerrechtliche bzw. rechtspolitische, dem internationa­ len Charakter der Problematik geschuldete Bedenken. 2.  Rechtsdogmatische Bedenken Nur selten tritt die Verquickung von materiellem und Prozessrecht so deutlich auf wie im Bereich von Gerichtsstandsvereinbarungen.31 Die Parteien schließen einen Vertrag, der nach den Regeln des materiellen Rechts zustande kommt, cial Area (2007), S.  1, 15 ff.; Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Kap.  14 (S.  321 ff.); ders., The Anti-suit Injunction, Updating Supplement (2010), Kap.  14 (S.  65 ff.); Requejo, On the Value of Choice of Forum and Choice of Law Clauses in Spain, vom 24.04.2009, abrufbar unter ; dies., Revista Electrónica de Estudios Internacionales 2009, 17; Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377; Shantar, 82 Boston Uni­ versity Law Review (2002), 1063; Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57; ders., 11 Yearbook of Private Internati­ onal Law (2009), 73; Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 631 ff.; Tan/Yeo, ­Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435; dies., in: Worthington (Hrsg.), Commer­cial Law and Commercial Practice (2003), S.  403; Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46. 30  Vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  221 ff.; Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267; Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  208; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Inter­ nationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.158; Hess, JZ 2014, 538, 542; ders., Europäi­ sches Zivilprozessrecht (2010), §  6 Rn.  146; Illmer, IPRax 2009, 312, 316; ders., IPRax 2010, 456, 456; ders., IPRax 2011, 514, 515; ders., SchiedsVZ 2011, 248, 251; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  72 ff.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO, Rn.  97; Mankowski, IPRax 2009, 23; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  74f bis 74h und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  243 ff.; Nagel/P. Gottwald, IZPR, 7.  Aufl. 2013, §  3 Rn.  230; Paulus, in: Festschrift Geor­ giades (2005), S.  511; ders., RIW 2006, 258; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum deroga­ tum (2013), S.  400 ff.; Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77; Praschma, Die Einwirkung auf ausländische Prozesse durch Unterlassungs- und Schadensersatzklagen (1971), S.  98 ff.; O. Sandrock, in: Festschrift Schlosser (2005), S.  821; ders., RIW 2004, 809; ders., IDR 2004, 106 ff.; ders., in: Festschrift Stiefel (1987), S.  625; Schlosser, in: Liber ami­ corum Lindacher (2007), S.  111; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  189; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327; Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  407. 31  Bei Schiedsvereinbarungen ist die Annahme materiellrechtlicher Verpflichtungs­ wirkungen weniger stark umstritten als bei Gerichtsstandsvereinbarungen, denn hier wer­-

§ 1 – B.  Einbettung der Problematik

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aber inhaltlich darauf gerichtet ist, die prozessuale Lage zu gestalten. Die dog­ matische Behandlung von Gerichtsstandsvereinbarungen liegt daher an der komplizierten Schnittstelle von Prozess- und materiellem Recht.32 Aus dieser Kombination von materiell- und prozessrechtlichen Wertungen erklären sich auch die Schwierigkeiten, die das deutsche Recht mit der Begründung von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsverein­ barung hat. Denn der Idee von Schadensersatzansprüchen liegt ein bestimmtes Verständnis von Gerichtsstandsvereinbarungen zugrunde: Danach handelt es sich nicht bloß um prozessuale Institute, sondern auch um Verträge mit einer gewöhnlichen schuldrechtlichen Bindungswirkung. Die Parteien gehen diesem Verständnis nach mit dem Abschluss der Vereinbarung eine bindende Ver­ pflichtung ein, nicht vor einem anderen als dem ausschließlich gewählten Ge­ richt zu klagen. Wird diese bindende Pflicht verletzt, können daraus nach dem Prinzip pacta sunt servanda materiellrechtliche Ersatzansprüche resultieren. Diese Meinung wird jedoch in der deutschen Lehre nur teilweise vertreten. Noch immer werden selbstständige Verpflichtungswirkungen von Gerichts­ standsvereinbarungen von vielen abgelehnt. In der zivilprozessualen Forschung des letzten Jahrhunderts hat sich nämlich ein Verständnis vom Prozessvertrag als Verfügungsvertrag entwickelt.33 Darauf aufbauend überträgt eine noch im­ mer stark vertretene Ansicht das Abstraktionsprinzip auf die Unterscheidung zwischen materiellen und prozessualen Verträgen. Während danach erstere Verpflichtungswirkung entfalten, sollen letztere das Verfahren unmittelbar ge­ stalten. Die Wirkung eines Prozessvertrags sei ergo verfügend, nicht verpflich­ tend, sodass im Bruch einer Gerichtsstandsvereinbarung als Prozessvertrag auch keine Pflichtverletzung, z. B. i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB, liegen könne.34 Ob dieses Verständnis von der Gerichtsstandsvereinbarung als Verfügung richtig ist, soll in dieser Arbeit kritisch hinterfragt werden.

den von jeher Mitwirkungspflichten der Parteien angenommen. Vgl. dazu Teil III §  12 B. XI. 4. c). 32  Eine ähnliche Formulierung verwenden z. B. Blomeyer, Schadensersatzansprüche des im Prozeß Unterlegenen wegen Fehlverhaltens Dritter (1972), S.  3; P. Gottwald, in: Fest­ schrift Henckel (1995), S.  294, 295; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  29. 33  Dieses Verständnis geht zurück auf Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), insb. S.  95 f. 34  Der Streitstand um die Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen Verpflichtungswirkun­ gen entfalten, wird ausführlich in Teil III §  12 B. dargestellt und einer eigenen Lösung zuge­ führt.

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3.  Rechtspolitische Bedenken Neben den dogmatischen Bedenken bereitet auch die Internationalität der Prob­ lematik – oder genauer: das Zusammenspiel zwischen den Souveränitätsansprü­ chen verschiedener Staaten – Schwierigkeiten. Denn mit der Klageerhebung vor einem derogierten Forum auf der einen und einem auf Schadensersatz gerichte­ ten Sekundärprozess auf der anderen Seite sind die Gerichte unterschiedlicher Staaten und damit verschiedene Hoheitsträger betroffen. Dies wirft zunächst ebenfalls Probleme bei der Begründung eines Schadensersatzanspruchs auf. Insbesondere ist fraglich, ob das Verhalten des Auslandsklägers überhaupt rechtswidrig ist. Schließlich nimmt er mit der Klageerhebung im Ausland nur eine Möglichkeit in Anspruch, die ihm das ausländische Rechtssystem zur Ver­ fügung stellt. Vertretbar scheint also die Ansicht, eine Rechtshandlung vor ei­ nem Gericht sei immer vom jeweiligen Rechtssystem, das diese Handlungs­ möglichkeit eröffnet, gerechtfertigt.35 Doch selbst wenn ein Schadensersatzan­ spruch begründet werden kann, ist dessen Zulässigkeit unter rechtspolitischen und ­völkerrechtlichen Gesichtspunkten fraglich. Denn mit der Entscheidung, ob eine Partei wegen der Klageerhebung vor einem ausländischen Gericht Scha­ densersatz zu leisten hat, wird ein Unrechtsurteil über ein Verhalten in einem ausländischen Prozess vorgenommen. Vor allem im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten besteht daher die naheliegende Möglichkeit, dass dieselben Bedenken, welche der EuGH in seinen bereits genannten Entschei­ dungen in den Rechtssachen Turner und West Tankers gegen die Zulässigkeit von anti-suit injunctions angestellt hat, auch die Schadensersatzmöglichkeit ausschließen könnten. Schließlich entscheidet auch in diesen Fällen das mit der Schadensersatzklage befasste Zweitgericht jedenfalls mittelbar über die Frage der internationalen Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts. Aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten könnte das völkerrechtliche Prinzip der comitas, wonach alle Staaten die Souveränität und die daraus resultierenden Hoheitsrechte jedes anderen Staates zu achten haben, der Zulässigkeit von Scha­ densersatzpflichten entgegenstehen. Auch mit den völker- und europarechtli­ chen sowie rechtspolitischen Bedenken, die Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung entgegenstehen könnten, wird sich diese Arbeit auseinandersetzen.

35  Für die Rechtmäßigkeit prozessualer Handlungen BGH, 07.03.1956, NJW 1956, 787; BGH, 03.10.1961, NJW 1961, 2254, 2255; BGH, 13.03.1979, NJW 1979, 1351, 1353; BGH, 23.05.1985, NJW 1985, 1959; BGH, 12.05.1992, NJW 1992, 2014, 2015 f.; BGH, 25.03.2003, NJW 2003, 1934, 1935; BGH, 12.11.2004, NJW-RR 2005, 315; BGH, 23.01.2008, NJW 2008, 1147; BGH, 16.01.2009, NJW 2009, 1262. Mehr dazu in Teil III §  12 C. II.

§ 1 – C.  Begriffsbestimmung sowie Grenzen und Gang der Untersuchung

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C.  Begriffsbestimmung sowie Grenzen und Gang der Untersuchung I. Begriffsbestimmung 1.  Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Für die Zwecke dieser Untersuchung ist die Frage, ob überhaupt die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, aus Sicht des Ge­ richts, vor dem Schadensersatz verlangt wird, zu beurteilen. Es liegt also immer dann eine Verletzung vor, wenn nach dem von diesem Gericht anzuwendenden Recht eine wirksame internationale Gerichtsstandsvereinbarung bestand, die Vereinbarung ausschließlich war und eine der Parteien dennoch vor einem nicht designierten Gericht Klage erhoben hat. Ausschließlich ist eine Vereinbarung dann, wenn sie nicht nur einen Prorogationseffekt besitzt, sondern auch die nach den gesetzlichen Regeln eigentlich zuständigen Gerichte derogiert. Gilt die aus­ schließliche Bindung lediglich für eine der Parteien, während die andere Partei nicht vom Derogationseffekt betroffen ist, spricht man von asymmetrischen oder halbseitig ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen.36 Solche Ver­ einbarungen können von der Partei, die von der Bindungswirkung betroffen ist, ebenso missachtet werden, insofern ist also keine Differenzierung erforder­ lich.37 Eine nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet dagegen von vornherein keine verpflichtende Wirkung und kann daher auch nicht von den Parteien verletzt werden; die Frage nach möglichen Schadensersatzansprü­ chen stellt sich hier daher nicht.38 Die Begriffe Verletzung, Missachtung und Bruch der Vereinbarung werden synonym verwendet. Auf die stetige Nennung der Attribute der Ausschließlichkeit und Internationalität der Gerichtsstands­ vereinbarung wird im Folgenden verzichtet. 36  Vgl. zu solchen halbseitig ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen unter der EuGVVO Freitag, in: Festschrift Magnus (2014), S.  419; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.116 ff. 37  Im Übrigen soll auch Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. für einseitig zwingende Gerichts­ standsvereinbarungen gelten, vgl. Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  32 EuGVVO Rn.  3, sodass sich auch hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten keine Unterschiede ergeben. 38  Ebenso Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 317. Teilweise wird aber auch bei nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen über Sanktionsmöglichkeiten nachgedacht, vgl. dazu Mankowski, IPRax 2009, 23, 24 und Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  10 m. w. N. Vgl. zu nicht ausschließli­ chen internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen im Allgemeinen Fawcett, Lloyd’s Mari­ time and Commercial Law Quarterly 2001, 234.

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Einleitung

Freilich drängen sich sofort weitere Fragen auf: Ist es relevant, ob die Ge­ richtsstandsvereinbarung in den Augen des Auslandsklägers unwirksam war, er also bei der Klageerhebung gutgläubig war? Muss danach differenziert werden, ob das ausländische Gericht die Vereinbarung anerkannt oder für unwirksam befunden hat? Und entfaltet die Entscheidung des Erstgerichts im Inland Bin­ dungswirkung? All diese Aspekte können eine Rolle bei der Frage spielen, ob für die Verletzung der Vereinbarung Schadensersatz zu leisten ist, etwa im Rah­ men der Rechtswidrigkeits- oder Verschuldensprüfung oder auch als die dog­ matische Herleitung des Schadensersatzanspruchs überlagernde bzw. den An­ spruch im Ergebnis begrenzende oder gar ausschließende Erwägungen. Sie spielen aber keine Rolle bei der Definition der Verletzung.39 2.  Schadensersatzansprüche Die zu untersuchenden Ansprüche, die aus der Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung resultieren können, müssen genau genommen als „Schadenser­ satz- und andere materiellrechtliche Erstattungsansprüche“ bezeichnet werden. Im Rahmen der Untersuchung wird aber einfachheitshalber häufig nur von Schadensersatzansprüchen die Rede sein. Unter den Begriff des Schadensersat­ zes fasst die Untersuchung alle materiellrechtlichen Ansprüche, welche inhalt­ lich die Nachteile aus der Prozessführung vor einem nicht gewählten Gericht auszugleichen geeignet sein können. In Betracht kommen daher neben vertrag­ lichen und deliktischen Ersatzansprüchen auch bereicherungsrechtliche An­ sprüche, bei denen es sich formal betrachtet nicht um Schadensersatz handelt. 3.  Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO und gegenüber Drittstaaten In dieser Untersuchung ist häufig vom Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO und demjenigen gegenüber Drittstaaten die Rede. Diese Formu­ lierung ist nicht ganz präzise, wird aber – ebenfalls der Einfachheit halber – ge­ braucht. Konkret gemeint ist mit der Unterscheidung die Frage, wo der Bruch der Vereinbarung, also die abredewidrige Klageerhebung, erfolgt: Vom Verhält­ nis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO ist die Rede, wenn abredewid­ 39  Vgl. ebenso Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 59: „For the purpose of the present article, there is a ‚breach of a choice-of-court agreement‘ if in the eyes of the court before which a claim for damages is made, there is a valid and exclusive choice-of-court agreement and it has been broken by the institution of an action in a non-cho­ sen forum. It is irrelevant whether the court seised of the action takes the same view. Nor is it relevant if the plaintiff, when bringing the action, believed that the agreement was invalid or non-exclusive.“

§ 1 – C.  Begriffsbestimmung sowie Grenzen und Gang der Untersuchung

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rig vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen, dessen Ge­ richte in der Vereinbarung benannt sind, geklagt wird. Dann nämlich sind bei der Erörterung möglicher Rechtsbehelfe gegen dieses Verhalten die genannten Entscheidungen des EuGH und die der EuGVVO zugrunde liegenden Prinzipi­ en zu beachten, insbesondere der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten. Hingegen meint das Verhältnis gegenüber Drittstaaten alle Fälle, in denen entgegen der Vereinbarung eine Klage vor einem derogierten drittstaatlichen Gericht erhoben wird. In diesem Verhältnis gelten die genann­ ten vom EuGH statuierten Grundsätze nicht. Wie bereits erläutert, sollen für dieses Verhältnis beispielhaft Klagen vor derogierten US-amerikanischen Ge­ richten untersucht werden. Demgegenüber ist mit dieser Unterscheidung nicht die Frage gemeint, ob die Gerichtsstandsvereinbarung der EuGVVO unterliegt oder nicht. Lange war um­ stritten, ob Art.  23 EuGVVO a. F. alle Gerichtsstandsvereinbarungen erfasst, die von einer Partei mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz innerhalb der Ge­ meinschaft und einer Partei mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz außerhalb der EU-Mitgliedstaaten geschlossen werden. Sollte der Fall nur Berührungs­ punkte zu Drittstaaten haben, wurde teilweise eine teleologische Reduktion der Norm vertreten.40 Der EuGH hat jedoch im Jahr 2005 in der Rechtssache Owusu41 endgültig geklärt, dass auch in solchen sog. reinen Drittstaatensachverhal­ ten keine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der EuGVVO vor­ zunehmen sei, was auch durch Erwägungsgrund (8) der alten Verordnung klar­ gestellt wurde.42 Art.  23 EuGVVO a. F. war folglich bislang immer anwendbar, wenn eine in einem Mitgliedstaat ansässige Partei und eine Partei aus einem Drittstaat die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitglied­ staats vereinbart hatten.43 Zu einer Anwendung des nationalen Prozessrechts, also der §§  38, 40 ZPO, kam es daher bislang nur, wenn beide Parteien außer­ halb der Gemeinschaft ansässig waren (z. B. in den USA) und ein deutsches

40  Z. B. Benecke, Die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungs­ bereichs von Art.  2 ff. und Art.  17 EuGVÜ (1993), S.  116 ff.; C. Kohler, IPRax 1983, 265, 266. 41  EuGH, 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Andrew Owusu/N. B. Jackson, Inhaber der Firma „Villa Holidays Bal-Inn Villas“, u. a.), Slg. 2005, I-1383, Rn.  26 ff. 42  Dazu Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224, 225. 43  Zum Anwendungsbereich des Art.  23 EuGVVO a. F. und zum früheren Streitstand, zu welchem Zeitpunkt das Wohnsitzerfordernis nach Art.  23 Abs.  1 EuGVVO a. F. vorzuliegen hatte, vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  76 ff. Vgl. außerdem zur analogen Anwendung des Art.  23 EuGVVO a. F. auf die Derogation der Gerichte eines Mitgliedstaats bzw. eines nationalen Gerichtsstands zugunsten der Gerichte eines Drittstaats Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  46 ff.

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Einleitung

Gericht wählten.44 Dieser ohnehin schon weite Anwendungsbereich der Verord­ nung wurde im Zuge der Reform der EuGVVO noch erweitert. Die räum­ lich-persönliche Einschränkung des Anwendungsbereichs wurde aufgehoben. Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. erfasst nun alle Vereinbarungen, die ein Ge­ richt oder die Gerichte eines Mitgliedstaats als zuständig benennen, unabhängig vom Wohnsitz der Parteien.45 Eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte wird damit zukünftig ausnahmslos der EuGVVO (oder seit dessen Inkrafttreten in einigen Fällen den Vorschriften des HGÜ) und überhaupt nicht mehr §  38 ZPO unterliegen. Mangels praktischer Relevanz wer­ den internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach §  38 ZPO in dieser Ar­ beit daher auch nicht behandelt. 4.  EuGVVO alter und neuer Fassung Nach einem langwierigen Reformprozess ist die am 20.12.2012 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte neue Fassung der EuGVVO gemäß ih­ rem Art.  81 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung, also am 09.01.2013, in Kraft getreten. Art.  81 der revidierten Verordnung bestimmt, dass ihre Vorschrif­ten (mit Ausnahme der in den Art.  75 und 76 normierten Mitteilungs- und Notifikationspflichten der Mitgliedstaaten an die Kommission) ab dem 10.01.2015 gelten. Den zeitlichen Anwendungsbereich regelt Art.  66 Abs.  1 EuGVVO n. F. Danach ist die Verordnung auf Verfahren anzuwenden, die am 10.01.2015 oder danach eingeleitet worden sind. Alle ab diesem Zeitpunkt oder in der Zukunft eingeleiteten Gerichtsverfahren werden also der EuGVVO n. F. unterfallen. In dieser Arbeit soll daher die Rechtslage unter Zugrundelegung der refor­ mierten EuGVVO-Vorschriften untersucht werden. Dabei sollen auch die Un­ terschiede und Neuerungen ermittelt werden, welche sich mit Inkrafttreten bzw. Geltung der neuen EuGVVO im Vergleich zur bisherigen Rechtslage bezogen auf die konkrete Fragestellung, ob die Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung Schadensersatzansprüche auszulösen vermag, erge­ ben haben. Die Vorschriften der bisher geltenden und der reformierten Verord­ nung werden jeweils als Vorschriften alter bzw. neuer Fassung gekennzeichnet (z. B. „Art.  23 EuGVVO a. F.“ bzw. „Art.  25 EuGVVO n. F.“). 44  Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der EuGVVO fand sich außerdem in Art.  23 Abs.  3 EuGVVO a. F., wonach auch dann, wenn keine der Parteien ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hatte, die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten nicht entscheiden durf­ ten, ­außer wenn sich das vereinbarte Gericht oder die vereinbarten Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt hatten. Die Vorschrift ist mit der Reform weggefallen. 45  Die Streichung des Wohnsitzerfordernisses wurde u. a. bereits vorgeschlagen von ­Kropholler, in: Festschrift Ferid (1988), S.  239, 247 f.

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Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die reformbedingten Änderungen nur bestimmte Bereiche der EuGVVO betreffen, während große Bereiche der alten Verordnung unverändert geblieben sind, etwa die meisten Zuständigkeits­ vorschriften. Soweit sich keine Änderungen durch die Reform ergeben haben, können die Rechtsprechung des EuGH sowie die im Schrifttum zur alten Ver­ ordnung vertretenen Ansichten fortgelten. In Bezug auf das Verhältnis zwi­ schen der EuGVVO und ihrem Vorgängerübereinkommen, dem EuGVÜ (bzw. Brüsseler EWG-Übereinkommen)46, hat der EuGH mehrfach festgestellt, dass seine Auslegung der Vorschriften des EuGVÜ für die inhaltsgleichen Vor­ schriften der EuGVVO weitergelte.47 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Gleiche nicht auch für das Verhältnis zwischen den inhaltsgleichen Vorschriften der alten und neuen EuGVVO gelten sollte. II.  Grenzen der Untersuchung 1.  Beschränkung auf Schadensersatz- und andere Erstattungsansprüche Es soll keine Auseinandersetzung mit der Frage stattfinden, wie internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen generell zu einer größeren Durchsetzbarkeit ver­ holfen werden kann. Andere Rechtsbehelfe als Schadensersatzansprüche (nach der obigen Definition), wie etwa Feststellungsklagen oder Prozessführungsver­ bote, werden nur überblicksweise dargestellt. Die Darstellung dieser anderen Schutzmöglichkeiten dient allein den folgenden Zwecken: Erstens muss unter­ sucht werden, ob überhaupt ein Bedürfnis für die Etablierung der Schadenser­ satzmöglichkeit besteht, wofür notwendigerweise die anderen Schutzmöglich­ keiten einer knappen Erläuterung bedürfen. Zweitens ist es zum besseren Ver­ ständnis der Problematik der Schadensersatzansprüche erforderlich, diese in den Kontext anderer Schutzmechanismen gegen abredewidrig erhobene Klagen einordnen zu können. Drittens ist es möglich, dass bestimmte Argumente und Bedenken, die in der Diskussion der anderen Schutzmittel angebracht worden sind, auf die vorliegende Problematik übertragen werden können oder müssen, weshalb Schadensersatzansprüche nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Letz­ 46 

Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstre­ ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II, S.  774), in der Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29. November 1996 (BGBl. 1998 II, S.  1412). 47  EuGH, 23.04.2009, Rs. C-167/08 (Draka NK Cables Ltd u. a./Omnipol Ltd), Slg. 2009, I-3477, Rn.  20; EuGH, 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie BV/Philippo’s Mineralen­ fabriek NV/SA), Slg. 2009, I-6917, Rn.  18; EuGH, 10.09.2009, Rs. C-292/08 (German Graphics Graphische Maschinen GmbH/Alice van der Schee), Slg. 2009, I-8421, Rn.  27.

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teres mag besonders auf die Argumente gegen die Zulässigkeit von Prozessfüh­ rungsverboten zutreffen. Außerdem beschränkt sich die Untersuchung auf Ansprüche, die sich aus §  280 BGB i. V. m. der Gerichtsstandsvereinbarung oder aus dem Delikts- bzw. Bereicherungsrecht ergeben. Wie es sich auswirkt, wenn die Parteien vertrag­ liche Schadensersatzpflichten, materielle Kostenerstattungsansprüche oder Vertragsstrafen für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung vereinbart haben, wird nicht untersucht.48 2.  Beschränkung auf Fälle der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen Bei der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung handelt es sich um einen speziellen Unterfall missbräuchlichen Prozessverhaltens. Missbräuchliches Prozessverhalten kann nämlich nicht nur in der Erhebung einer Klage, sondern auch in einem missbilligenswerten Verhalten während des Prozesses bestehen.49 Weiterhin kann auch die Einleitung eines Verfahrens missbräuchlich sein, ob­ wohl überhaupt keine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den beteiligten Parteien existiert; Schutz vor ausländischen Verfahren bzw. forum shopping im Ausland wird daher auch jenseits der Fälle, in denen eine Gerichtsstandsverein­ barung verletzt wird, gesucht.50 Ebenfalls gibt es Situationen, in denen eine Partei Schutz vor einem inländischen Verfahren begehrt.51 Solche Fälle sind vor allem aus dem Immaterialgüterrecht bekannt, konkret geht es um Fälle sog. unberechtigter Schutzrechtsverwarnung.52 All diese Fälle missbräuchlichen Dazu vgl. Mankowski, IPRax 2009, 23, 32 ff.; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  258 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum dero­ gatum (2013), S.  496 ff. 49  Vgl. dazu z. B. Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei (1967). Aus schweizerischer Perspek­ tive vgl. Casanova, Die Haftung der Parteien für prozessuales Verhalten: Insbesondere nach Art.  41 ff. OR (1982). 50  Zum Schutz vor Klagen im Ausland, vor allem in den USA, vgl. Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  183 ff.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001); Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor auslän­ dischen Gerichten (1989); Paulus, in: Festschrift Georgiades (2005), S.  511; ders., RIW 2006, 258. Für eine schweizerische Perspektive vgl. Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländi­ sche Prozesse im Internationalen Zivilverfahrensrecht der Schweiz (2003). 51  Allgemein dazu Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfol­ gung (1987); Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung (1968). Zur Ab­ wehr von Nachteilen aus der außerprozessualen Geltendmachung eines unberechtigten An­ spruchs durch den Gegner vgl. Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung (2004). 52  Vgl. zu der Problematik der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung insb. Horn, Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung aus gewerblichen Schutzrechten (1971); Reuthal, Die unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnung unter besonderer Berücksichtigung der 48 

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Prozessverhaltens sind aber nicht Gegenstand dieser Arbeit und werden nur dann in die Untersuchung miteinbezogen, wenn sich daraus Schlussfolgerungen für die Frage ableiten lassen, wie die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung zu behandeln ist. 3.  Keine Untersuchung der parallelen Problematik bei Schiedsvereinbarungen Den Gegenstand dieser Arbeit bilden allein internationale Gerichtsstandsver­ einbarungen. Schiedsvereinbarungen und die Möglichkeit, für deren Verletzung Schadensersatz zu verlangen, sollen nicht untersucht werden. Auch wenn das wesentliche Ziel von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, nämlich die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zu modifizieren, identisch ist53, unterschei­ den sich beide Vereinbarungen nicht nur hinsichtlich der auf sie anwendbaren Rechtsregeln54, sodass eine gemeinsame Behandlung zu pauschal wäre. Dafür sprechen einige Besonderheiten aus dem Bereich der Schiedsvereinbarung: Es existieren zwar in einigen Staaten Entscheidungen staatlicher Gerichte55, die wegen der Verletzung einer internationalen Schiedsvereinbarung Schadens­ ersatz gewährt haben, und diese Möglichkeit wird im Schrifttum56 ebenfalls unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (1985); Sack, WRP 1976, 733; ders., Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen (2006); Ullmann, GRUR 2001, 1027; Waschmann, Die unberech­ tigte Verwarnung aus Kennzeichenrecht (2010); Zimmermann, Die unberechtigte Schutz­ rechtsverwarnung (2008). 53  Vgl. Hausmann, in: Festschrift Lorenz (1991), S.  359, 363 f.; Mankowski, RIW 2011, 30, 31; Praschma, Die Einwirkung auf ausländische Prozesse durch Unterlassungs- und Scha­ densersatzklagen (1971), S.  65 ff.; Rahmann, Ausschluß der staatlichen Gerichtszuständig­ keit (1984), S.  152 f., 158 f.; Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 59; Tan, Virginia Journal of International Law (2006–2007), 545, 601. 54  Zu den fundamentalen Unterschieden zwischen Gerichtsstands- und Schiedsverein­ barungen vgl. Born, International Commercial Arbitration, 2.  Aufl. 2014, S.  71 f., 255 ff. Vgl. außerdem die vergleichende Untersuchung von Pryles, 25 International and Comparative Law Quarterly (1976), 544. 55  Vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Teil II §  8 und §  9. 56  Vgl. die Diskussion bei Bollée, Revue de l’arbitrage 2012, 819; Born, International Commercial Arbitration, 2.  Aufl. 2014, S.  1304 f.; Byford/Sawar, 12 International Arbitration Law Review (2009), 29; Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89; Dutson/Howarth, 75 The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2009), 334, 340, 345; Friedland/Brown, in: van den Berg (Hrsg.), International Arbitration 2006: Back to Basics? (2007), S.  267; Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 862 ff.; Hess, JZ 2014, 538, 542; Landau, in: van den Berg (Hrsg.), International Arbitration 2006: Back to Basics? (2007), S.  282; Kern, SchiedsVZ 2009, 183, 184; Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197; Michaelson/Blanke, 74 The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2008), 12, 23 ff.; Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Rn.  14.05 ff.; Sachs/Peiffer, in: Festschrift Coester-Waltjen (2015), S.  713; O. Sandrock, IDR 2004, 106; Santomauro, 6 Journal of Private International Law (2010), 281,

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Einleitung

diskutiert. Allerdings sind – im Vergleich zur parallelen Problematik bei Ge­ richtsstandsvereinbarungen – insgesamt weniger Entscheidungen bekannt, in denen sich die Gerichte mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob Schadens­ ersatz für die Verletzung einer Schiedsvereinbarung zu leisten ist. Dies wurzelt in der Besonderheit, dass für die Schadensersatzklage der nicht vertragsbrüchi­ gen Partei grundsätzlich zwei mögliche Rechtswege in Betracht kommen: Sie kann versuchen, vor einem staatlichen Gericht Schadensersatz zu verlangen. Ob die staatlichen Gerichte aber überhaupt für die Entscheidung über den Scha­ densersatzanspruch zuständig sind, ist allerdings problematisch.57 In den meis­ ten Fällen wird die nicht vertragsbrüchige Partei ihr Begehren also vor das ge­ wählte Schiedsgericht bringen. Sowohl in England58 als auch in der Schweiz59 ist in den vergangenen Jahren ausdrücklich entschieden worden, dass den Schiedsgerichten die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Schadenser­ satzanspruch zustehe. Häufig entscheidet demnach das gewählte Schiedsgericht und kein staatliches Gericht über die Frage der Kostenverteilung bzw. einen Schadensersatzanspruch. Gegen Schiedssprüche werden aber nur vergleichs­ weise selten Rechtsmittel vor staatlichen Gerichten eingelegt und Schiedssprü­ che selbst werden häufig nicht publiziert – was erklärt, weshalb aus diesem Be­ reich nur wenige bekannte Entscheidungen vorliegen.60 Hinzutritt ein weiterer Faktor: Vor einem Schiedsgericht besteht nicht immer das Erfordernis, den Er­ satz der Kosten für ein abredewidrig eingeleitetes Verfahren gesondert als Schadensersatz einzuklagen. Denn dem Schiedsgericht wird allgemein ein wei­ ter Ermessensspielraum bei seiner Kostenentscheidung zuerkannt. In Deutsch­ land hat das Schiedsgericht gemäß §  1057 Abs.  1 S.  1 ZPO (wie auch nach der identischen Regelung in §  35.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung 98) über die Vertei­ lung der Kosten für das Schiedsverfahren auf die jeweiligen Parteien zu befin­ 310 ff.; Scherer, 14 International Arbitration Law Review (2011), 43; Schwenzer, in: Mélanges Tercier (2008), 417; Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56; Tan, Virginia Journal of International Law (2006–2007), 545, 597 ff.; Wessel/North Cohen, 4 International Arbitra­ tion Law Review (2001), 65. 57  Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte für die Entscheidung über die Frage, ob wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung Schadensersatz zu gewähren ist, verneinen etwa Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1202. 58  Vgl. West Tankers Inc. v. Allianz SpA and others [2012] EWHC 854 (Comm), Rn.  68. Vgl. die Untersuchung der Entscheidung in Teil II §  8 C. II. 2. c). 59  Vgl. die Entscheidung 4A_444/2009 vom 11.02.2010 des Schweizerischen Bundesge­ richts und dazu Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1202; Scherer, 14 International Arbitration Law Review (2011), 43. Vgl. die Untersuchung der Entscheidung in Teil II §  9 F. 60  Vgl. auch Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 60; Wessel/North Cohen, 4 International Arbitration Law Review (2001), 65, 65.

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den. Dabei kommt ihm eine umfassende Zuständigkeit für die Kostenentschei­ dung zu.61 Das Schiedsgericht entscheidet nach §  1057 Abs.  1 S.  2 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieser schiedsrichterliche Ermessensspielraum wird nach allgemeiner Meinung weit ausgelegt.62 Es wird vertreten, dass der Ermessensspielraum auch die Kompetenz enthalte, über die durch den Zustän­ digkeitsstreit vor einem staatlichen in- oder ausländischen Gericht entstandenen Kosten als „Kosten des Schiedsverfahrens“, d. h. als Teil des prozessualen ­Kostenerstattungsanspruchs, zu entscheiden.63 Aus diesem Grund besteht im Schiedsverfahrensrecht seltener das Bedürfnis, eine gesonderte Schadenser­ satzklage zu erheben.64 Auch wenn also Schiedsvereinbarungen und deren Verletzung nicht den Ge­ genstand dieser Arbeit bilden, wird jedoch zum besseren Verständnis an einigen Stellen auf die parallele Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen hingewiesen, insbesondere wenn die Gemeinsamkeiten oder aber Unterschiede zwischen beiden Vereinbarungen hervorgehoben werden sollen oder wenn dies zum besseren Verständnis des systematischen Zusammenhangs, in welchen die Problematik eingebettet ist, erforderlich erscheint. Viele der im Zusammenhang mit Gerichtsstandsvereinbarungen angestellten Erwägungen und gefundenen Ergebnisse werden dann freilich auf Schiedsvereinbarungen übertragbar sein. Allerdings bereitet es Schwierigkeiten, einen gemeinsamen Oberbegriff für in­ ternationale Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen zu finden. Während der Begriff der Zuständigkeitsvereinbarung zu eng ist und lediglich Gerichts­ standsvereinbarungen meint65, ist der Begriff der Streitbeilegungsvereinbarung wiederum zu weit und erfasst auch Vereinbarungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung, beispielsweise Mediationsvereinbarungen.66 Wenn in dieser Arbeit beide Vereinbarungen gemeint sind, werden sie daher auch ausdrücklich als „Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen“ bezeichnet. Gerstenmaier, SchiedsVZ 2012, 1, 2. Vgl. Thiel/Pörnbacher, SchiedsVZ 2007, 295, 297. Vgl. zur Weite des Ermessens, das dem Schiedsgericht bei der Kostenentscheidung zukommt, und den sich daraus ergebenden Problemen Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5. 63  von Bodungen/Pörnbacher, in: Taktik im Schiedsverfahren (2008), S.  121, 148 ff.; O. Sandrock, IDR 2004, 106, 109, 111; Thiel/Pörnbacher, SchiedsVZ 2007, 295, 298. 64  Nach Münch, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  1057 Rn.  10 hat der weite Ermes­ sensspielraum des Schiedsgerichts gemäß §  1057 ZPO zur Folge, dass einer klageweisen Durchsetzung eines gesonderten materiellrechtlichen Erstattungsanspruchs, etwa aus §§  280, 823 oder 826 BGB, in den meisten Fällen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. 65  So spricht etwa Spellenberg, in: MünchKomm BGB, 5.  Aufl. 2010, Art.  17 Rom I-VO Rn.  45 nicht von „Gerichtsstandsvereinbarungen und Schiedsvereinbarungen“, sondern von „Zuständigkeitsvereinbarungen und Schiedsvereinbarungen“. 66  Vgl. etwa Blobel/Späth, ZEuP 2005, 784, 784. 61 

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III.  Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird der status quo der Durchsetzbarkeit internationaler Ge­ richtsstandsvereinbarungen dargestellt: Es soll aufgezeigt werden, welche Mo­ tive Parteien einerseits zum Abschluss und andererseits zur Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bewegen, welches die relevanten Fallgruppen der Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten auf der einen und im Verhältnis gegen­ über Drittstaaten auf der anderen Seite sowie die sich daraus ergebenden Folgen und Nachteile für die redliche Partei sind und welche Schutz- und Abwehrmaß­ nahmen gegen Klagen im forum derogatum in Betracht kommen. Im zweiten Teil werden ausländische Rechtsprechung und das ausländische Schrifttum zu der Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Verletzung einer in­ ternationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu gewähren, untersucht. Der dritte Teil widmet sich dann der Problematik, ob auch vor deutschen Ge­ richten Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichts­ standsvereinbarung eingeklagt werden kann. In diesem Zusammenhang werden primär vertragliche, am Rande auch deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche untersucht. Es sollen u. a. die Fragen geklärt werden, wann die deut­ schen Gerichte für die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch zustän­ dig sind, welche besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen bzw. -hindernisse für eine Schadensersatzklage bestehen und welches Recht den Schadensersatzan­ spruch beherrscht. In materiellrechtlicher Hinsicht findet insbesondere eine Aus­ einandersetzung mit der Frage statt, ob die Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung eine Pflichtverletzung gemäß §  280 Abs.  1 BGB dar­ stellt, die rechtswidrig ist und die der Auslandskläger zu vertreten hat. Zudem wird untersucht, welche Schadensposten ersetzbar sind und ob eine deutsche Schadensersatz gewährende Entscheidung im Ausland Aussicht auf Anerken­ nung und Vollstreckbarkeit hätte. Weiterhin sollen auch die Unterschiede ermit­ telt werden, die sich je nachdem, ob sich der Fall im Verhältnis zwischen ver­ schiedenen EuGVVO-Mitgliedstaaten oder im Verhältnis zu einem Drittstaat bewegt, ergeben können. Erörtert werden außerdem die Auswirkungen der EuG­ VVO-Reform auf die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung zu gewähren, sowie die Frage, wie sich die Rechtslage unter den nunmehr geltenden Vorschriften des HGÜ gestaltet. Der Teil schließt mit einer Zusammenfassung der in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse.

Teil I

Abschluss und Durchsetzbarkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung: der status quo

§  2  Einführung zum ersten Teil der Untersuchung In Teil I dieser Arbeit wird versucht, einen Überblick zur Durchsetzbarkeit in­ ternationaler Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten deutscher (bzw. anderer mitgliedstaatlicher) Gerichte nach dem status quo zu geben. Konkret beschäf­ tigt sich Teil I mit den grundlegenden Fragen, deren Beantwortung für die Un­ tersuchung des eigentlichen Gegenstands der Arbeit, ob wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor einem deutschen Gericht Schadensersatz eingeklagt werden kann, erforderlich ist: Warum schließen Par­ teien überhaupt internationale Gerichtsstandsvereinbarungen? Weshalb werden diese Vereinbarungen verletzt? Welche Folgen und Nachteile können sich aus der Missachtung der Vereinbarung für die nicht vertragsbrüchige Partei erge­ ben? Und wie kann man sich vor einer Klage im forum derogatum schützen oder sich dagegen wehren? Zunächst soll untersucht werden, welche Gründe und Erwartungen Parteien einerseits zum Abschluss und andererseits zur Missachtung einer internationa­ len Gerichtsstandsvereinbarung motivieren. Dabei wird das Spannungsfeld von staatlicher Regelung und Parteiinteressen, in welchem sich Gerichtsstandsver­ einbarungen befinden, dargestellt (§  3). Sodann widmet sich ein Kapitel der Fra­ ge, wie es um die Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Ver­ hältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten bestellt ist und welche Ände­ rungen sich hier durch die Reform der EuGVVO ergeben haben, wobei der Vollständigkeit halber am Rande auch auf die Rechtslage in Bezug auf Schieds­ vereinbarungen eingegangen werden soll (§  4). Im darauffolgenden Kapitel wird demgegenüber das Verhältnis zu Drittstaaten untersucht, konkret also die Fragen, aus welchen Gründen und mit welchen Folgen Gerichtsstandsvereinba­ rungen zugunsten deutscher Gerichte durch Klageerhebung in einem Drittstaat – und zwar beispielhaft den USA – verletzt werden. Auch in diesem Zusammen­ hang soll in gebotener Kürze vergleichend die Behandlung von Schiedsverein­ barungen durch die US-amerikanischen Gerichte skizziert werden (§  5). Teil I schließt mit einer Darstellung der bisher in Rechtsprechung und Schrifttum in Deutschland und im Ausland diskutierten Schutz- und Abwehrmaßnahmen vor und gegen Klagen im forum derogatum mit Ausnahme der Schadensersatzmög­ lichkeit (§  6).

§  3  Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen im Spannungsfeld von staatlicher Regelung und Parteiinteressen A.  Überblick Unterschiedliche Gründe können eine Partei im internationalen Rechtsverkehr zum Abschluss einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung motivieren: Sie kann aus allgemeiner Übung und Gewohnheit handeln, ohne sich allzu weit­ reichende Gedanken über den tatsächlichen Fall eines in der Zukunft liegenden Gerichtsverfahrens zu machen. In aller Regel erhofft sie sich durch den Ab­ schluss einer Gerichtsstandsvereinbarung ganz generell die bessere Kalkulier­ barkeit des Verfahrens und damit Kosten- und Zeitersparnisse, vor allem aber Rechtssicherheit.1 In manchen Fällen wird die Vereinbarung auch das Resultat einer nicht nur auf generelle Planbarkeit gerichteten, sondern auf die Erlangung ganz konkreter Vorteile, welche aus der Anwendbarkeit einer bestimmten Pro­ zessrechtsordnung oder eines bestimmten Kollisions- bzw. Sachrechts erwach­ sen können, abzielenden Taktik sein. Ist eine Partei eine Gerichtsstandsverein­ barung eingegangen, wird sie jedoch dann trotzdem vor ein anderes, nicht ge­ wähltes Gericht ziehen, wenn sie sich aus der Klageerhebung Vorteile erhofft, welche die aus der Verletzung der Vereinbarung u. U. erwachsenden Nachteile ihrer Ansicht nach überwiegen. Die Gründe, welche Parteien im internationalen Rechtsverkehr dazu bewegen, eine Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageer­ hebung im derogierten Forum zu verletzen, können dabei genauso vielfältig sein wie die Motive zum Abschluss der Vereinbarung. Umso schwieriger fällt eine Einordnung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den Kontext des forum shopping. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen befinden sich im Span­ Vgl. z. B. Dreifuss, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2003, 147; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.2; Juenger, RabelsZ 35 (1971), 284, 285; ders., 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 383 f.; Karayanni, 34 Duquesne Law Review (1996), 1009, 1009; Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 286; Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit (2002), S.  37; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  12. 1 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

nungsfeld zwischen verschiedenen staatlichen und Parteiinteressen. Diese Inte­ ressen sollen im Folgenden herausgearbeitet werden: Zunächst sollen Gerichtsstandsvereinbarungen in das weltweite System der internationalen Entscheidungszuständigkeit eingeordnet und dabei aufgezeigt werden, dass Parteien durch den Abschluss einer internationalen Gerichts­ standsvereinbarung vor allem Rechtssicherheit durch Vorhersehbarkeit anstre­ ben (B.). Sodann werden die allgemeinen Gründe für forum shopping darge­ stellt und der Abschluss sowie die Verletzung internationaler Gerichtsstands­ vereinbarungen im Kontext des forum shopping erläutert (C.). Zuletzt wird geordnet, welche möglichen Fallgruppen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung es gibt (D.).

B.  Gerichtsstandsvereinbarungen im System der internationalen Entscheidungszuständigkeit I.  Die Anarchie der internationalen Zuständigkeit Mit dem Abschluss einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung erstreben die Parteien Rechtssicherheit, weil bei internationalen Streitigkeiten häufig die Gerichte verschiedener Staaten für die Entscheidung in der Sache zuständig sein können. Während nämlich der Zivilrechtsverkehr in den vergangenen Jahr­ zehnten eine immer stärkere Internationalisierung erfahren hat, ist die Verein­ heitlichung des Rechts nur in einigen Bereichen vorangeschritten. Dabei nahm das Recht der internationalen Entscheidungszuständigkeit bislang alles andere als eine Vorreiterstellung ein. Das New Yorker Übereinkommen über die Aner­ kennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (im Folgenden: UNÜ)2 , welches mit seiner hohen Mitgliederzahl3 eine große Erfolgsgeschichte zu verzeichnen hat, regelt lediglich Schiedsverfahren.4 Dem­ gegenüber gibt es bis heute kein globales Übereinkommen, welches die Frage der internationalen Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Zivilrechts­ streitigkeit umfassend regelt. Auch das HGÜ enthält, anders als ursprünglich geplant5, lediglich Normen für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen 2 

BGBl. 1961 II, S.  121, 122; 1987 II, S.  389. Vgl. die Liste der Vertragsstaaten auf . 4  Allerdings regelt auch das New Yorker Übereinkommen grundsätzlich keine Zuständig­ keitsfragen, sondern sichert die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen. 5  Ursprünglich war eine umfassende Regelung internationaler Zuständigkeitsfragen und der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen geplant. Ein solcher Ver­ tragsentwurf wurde auch 1999 fertiggestellt, vgl. dazu Nygh/Pocar, Report on the Prelimi­ 3 

§ 3 – B.  System der internationalen Entscheidungszuständigkeit

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im unternehmerischen Geschäftsverkehr und zur Anerkennung und Vollstre­ ckung von Entscheidungen von in solchen Vereinbarungen benannten Gerich­ ten.6 Abseits der EuGVVO und ihrer Parallelverordnungen, namentlich der EuEheVO (bzw. Brüssel IIa-VO)7, der EuUnthVO8, der EuErbVO9 sowie der kürzlich in Kraft getretenen (aber noch nicht geltenden) EuGüVO10 und EuPart­ VO11, sind die Vorgängerübereinkommen der EuGVVO zu nennen, nämlich das von der EuGVVO abgelöste EuGVÜ (bzw. Brüsseler EWG-Übereinkommen)12 und das LugÜ13, welches seit dem 01.01.2010 für die Europäische Union, Däne­ mark und Norwegen, seit dem 01.01.2011 für die Schweiz und seit dem 01.05.2011 nary Draft Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial M ­ atters, Preliminary Document No. 11 (August 2000), online abrufbar unter . Europäisch-amerikanische Divergenzen und mangeln­ de Kompromissbereitschaft beiderseits machten jedoch eine Einigung auf ein so weitreichen­ des Vertragswerk unmöglich, vgl. dazu Adler/Zarychta, 27 Northwestern Journal of Interna­ tional Law and Business (2006), 1, 9; Eichel, RIW 2009, 289, 290; Hess, IPRax 2000, 342, 343; von Mehren, IPRax 2000, 465, 466 ff.; Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas (2006), 1, 3; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 106. 6  Mehr zum HGÜ in Teil III §  15 C. 7  Verordnung (EG) Nr.  2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständig­ keit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Ver­ fahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 (ABl. EU 2003, Nr. L 338, S.  1). 8  Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. EU 2009 Nr. L 7, S.  1). 9  Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erb­ sachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (Abl. EU 2012 Nr. L 201, S.  107). Die Verordnung gilt gemäß ihrem Art.  84 für Erbfälle ab dem 17.08.2015. 10  Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Ver­ stärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenen Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (Abl. EU 2016 L 183, S.  1). 11  Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Ver­ stärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenen Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (Abl. EU 2016 L 183, S.  30). 12  Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstre­ ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II, S.  774), in der Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29. November 1996 (BGBl. 1998 II, S.  1412). 13  Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Abl. EU 2009 Nr. L 147, S.  5).

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für Island in Kraft ist. Abgesehen davon beinhaltet auch die EuInsVO14 Zustän­ digkeitsvorschriften. Darüber hinaus existieren noch einige weniger bekannte europäische Richtlinien15 und Verordnungen16 sowie einige internationale, nicht auf Europa beschränkte Sonderabkommen, etwa im Transportrecht17 oder für die Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie18. Während auf europäischer Ebe­ ne das Recht der internationalen Entscheidungszuständigkeit also weitgehend vereinheitlicht wurde, bestehen auf globaler Ebene nur wenige vereinheitlichte Regelungen mit lediglich begrenztem Anwendungsbereich. Außerhalb des Gel­ tungsbereichs dieser Instrumente bestimmt grundsätzlich jeder Staat selbst und nach seinen eigenen Vorschriften, wann und in welchen Fällen seinen Gerichten internationale Entscheidungszuständigkeit zusteht – wir befinden uns, wie ­Huber19 es formuliert, in einem „anarchischen System“. II.  Folge des anarchischen Systems: Positive Kompetenzkonflikte und fehlende Rechtssicherheit Bestimmte Erwägungen können zu dem Bestreben eines Staates führen, die Reichweite seiner – wie dargestellt grundsätzlich von ihm autonom geregelten – Zuständigkeitsvorschriften möglichst auszudehnen. Hintergrund können ein starker Geltungsanspruch des jeweiligen Staates, das Ziel, inländischen Bür­ gern annähernd ausnahmslos ein Prozessieren im Inland zu ermöglichen, Miss­ trauen gegenüber anderen Staaten und ihren Justizsystemen und nicht zuletzt auch finanzielle Aspekte sein: Gerade in Staaten mit hohen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten sowie strengem Anwaltszwang können Prozesse 14  Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Abl. EU 2000 Nr. L 160, S.  1). 15  Zu nennen ist etwa Art.  6 der „Entsenderichtlinie“, Richtlinie 96/71/EG des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitneh­ mern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. EG 1997 Nr. L 18, S.  1), in Deutschland umgesetzt durch §  6 des „Arbeitnehmer-Entsendegesetzes“ vom 20.04.2009 (BGBl. 2009 I, S.  799). 16  Etwa die „MarkenVO“, Verordnung (EG) Nr.  207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EU Nr. L 78, S.  1). 17  Etwa das Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19.05.1956 (BGBl. 1961 II, S.  1119) in der Fassung des Pro­ tokolls vom 05.07.1978 zur CMR (BGBl. 1980 II, S.  721, 733) und das Montrealer Überein­ kommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im interna­ tionalen Luftverkehr vom 28.05.1999 (BGBl. 2004 II, S.  459). 18  Vgl. Art.  13 des Pariser Übereinkommens vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegen­ über Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie (BGBl. 1975 II, S.  957). 19  Siehe dazu Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privat­ recht (2002), S.  51, 63; ders., 25 Nihon University Comparative Law (2008), 57, 62.

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große wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen.20 Durch die Möglichkeit zur Austragung internationaler Streitigkeiten kann vor allem auch die Attraktivität als internationaler Handelsplatz steigen.21 Diese Erwägungen können Staaten dazu motivieren, sehr weite Zuständigkeitsregeln zu schaffen.22 In vielen Staaten gibt es exorbitante Gerichtsstände23, d. h. Gerichtsstände, bei denen kein oder nur ein sehr loser Zusammenhang zwischen Verfahrensge­ genstand und Verfahrensort besteht.24 Beispielhaft sind die Vermögensgerichts­ stände nach dem deutschen §  23 ZPO25 und der österreichischen Parallelnorm in §  99 JN26 sowie die Gerichtsstände nach Art.  14, 15 des französischen Code ci­ vil, die allein an die französische Staatsbürgerschaft des Klägers anknüpfen.27 In den USA kann sich personal jurisdiction über ausländische Beklagte aus den 20 

Eine Auflistung der Staaten, in denen die durchschnittlichen Kosten der Prozessfüh­ rung vergleichsweise hoch sind, findet sich bei Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/ Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  103. Nach dieser Studie sind die Kosten (abgesehen von den USA, die nicht Teil der Studie waren) in Singapur sowie England/Wales am höchsten. In den USA machen die Gerichts- und Anwalts­ kosten schätzungsweise immerhin etwa 2,25 % des Bruttosozialprodukts aus, vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  18. 21  Ehricke, ZZP 105 (1992), 238, 241. 22  Guter Überblick bei Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  9 ff. 23  Die exorbitanten Gerichtsstände, welche die nationalen Verfahrensordnungen der EU-­ Mitgliedstaaten eröffnen, waren in Anhang I zur EuGVVO a. F. aufgelistet, vgl. dazu Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  3 EuGVO Rn.  3 ff.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  3 Brüssel I-VO Rn.  3 ff. Jetzt bestimmt Art.  76 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F., dass die Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission die exorbitanten Gerichtsstände i. S. v. Art.  5 Abs.  2 und Art.  6 Abs.  2 EuGVVO n. F. zu notifizieren haben. 24  Siehe auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  21 ff. mit Beispielen; ebenso Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  225 f. 25  Vgl. zum exorbitanten Gerichtsstand nach §  23 ZPO Bittighofer, Der internationale Ge­ richtsstand des Vermögens: eine rechtsvergleichende Studie zur Zuständigkeit deutscher Ge­ richte aufgrund inländischer Vermögensbelegenheit (1994); Heldrich, Internationale Zustän­ digkeit und anwendbares Recht (1969), S.  117; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  98 ff.; Schack, ZZP 97 (1984), 46; Schumann, ZZP 93 (1980), 408. Für die Vereinbarkeit von §  23 ZPO mit dem Völkerrecht vgl. BGH, 12.03.1984, NJW 1984, 2037. Seit BGH, 02.07.1991, NJW 1991, 3092 ist jedoch ein hinreichender Inlandsbezug Voraus­ setzung für die Begründung des Vermögensgerichtsstands, vgl. dazu Fricke, NJW 1992, 3066; Geimer, NJW 1991, 3072; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062. 26  Gesetz vom 1. August 1895, über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständig­ keit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm), RGBl. Nr.  111/1895, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr.  87/2015. 27  Die französische Cour de cassation hat mit Urteil vom 29.02.2012 (11-40.101) entschie­ den, dass Art.  14 Code civil keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne und seine Ver­ fassungsmäßigkeit daher nicht vom Conseil constitutionnel, dem Verfassungsgericht, zu prüfen sei. Leitsätze online abrufbar unter . 28  Vgl. Hess, AG 2005, 897, 899 f.; H. Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing bu­ siness“ (1992); Schack, Jurisdictional Minimum Contacts Scrutinized (1983), S.  37 ff.; Schütze, RIW 2005, 579, 583. Vgl. auch den Übersichtaufsatz von Grothe, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  209 ff. Der U.S. Supreme Court hat allerdings in seiner Entscheidung vom 27.06.2011 in Goodyear Dunlop Tires Operations, S.A. v. Brown, 131 S. Ct. 2846 (2011) die Zuständigkeit der Gerichte von North Carolina aufgrund von doing business verneint. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Eltern zweier Jungen aus North Carolina, die bei einem Busunglück in der Umge­ bung von Paris verstorben waren, in North Carolina Schadensersatzklagen gegen den Her­ steller der Autoreifen erhoben und für die internationale Zuständigkeit des dortigen Gerichts plädiert, weil Tochtergesellschaften der Beklagten einen Teil der ausschließlich nicht in North Carolina produzierten Reifen auch in North Carolina vertreiben würden. Der U.S. Supreme Court verneinte den für personal jurisdiction erforderlichen ausreichenden Zusam­ menhang. Vgl. dazu Feder, 63 South Carolina Law Review (2012), 671. Vgl. außerdem jüngst die Entscheidung des U.S. Supreme Court in Daimler AG v. Bauman, 134 S. Ct. 746 (2014), in der das Gericht die Anforderungen an die Ausübung von general jurisdiction über auslän­ dische Unternehmen stark angehoben hat. Dazu vgl. Zekoll/Schulz, RIW 2014, 321, 326. Mehr dazu in Teil I §  5 C. II. 3. b). 29  Vgl. Shaffer v. Heitner, 433 U.S.  186, 212 (1977). 30  Vgl. die Entscheidungen des U.S. Supreme Court vom 24.02.1987 in Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S.  102, 107 S. Ct. 1026, 94 L. Ed. 2d 92 und vom 24.04.1987 in Helicopteros Nacionales de Colombia, S.A. v. Hall, 466 U.S.  408, 104 S. Ct. 1868, 80 L. Ed. 2d 404. Vgl. auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikani­ schen Handelsverkehr (2007), S.  129 ff.; Juenger, 7 Journal of International Law (1992), 383, 390 f.; Schack, Jurisdictional Minimum Contacts Structinized (1983), S.  1–74. 31  Shaffer v. Heitner, 433 U.S.  186, 207, 212 (1977) und dazu Bernstine, 25 Villanova Law Review (1980), 38. 32  Dazu Hess, AG 2005, 897, 900.

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den Aufenthalt in den USA zugestellt wird.33 Aus kontinentaleuropäischer Sicht sind aber vor allem die Fälle des doing business von erheblicher praktischer Relevanz. Umgekehrt gibt es ebenfalls einige Gründe, die gegen eine Ausweitung der eigenen internationalen Zuständigkeit sprechen. Zu viele Klagen vor inländi­ schen Gerichten können auch zu einer finanziellen und personellen Überlastung der Justizressourcen führen. Außerdem kann es im Interesse eines Staates sein, Inländer vor Klagen durch ausländische Parteien zu schützen, indem er bei der Eröffnung von Gerichtsständen für Klagen von ausländischen Parteien restrik­ tiv verfährt.34 Eröffnet kein Staat für eine bestimmte Streitigkeit seine Gerichtsbarkeit, so spricht man von einem negativen Kompetenzkonflikt, zu dessen Lösung sich ein Staat erbarmen und für eine Notzuständigkeit sorgen muss. Allzu praxis­ relevant ist dieser Fall jedoch nicht. Von großer Bedeutung und das anarchische System kennzeichnend ist vielmehr erstere Tendenz, also die großzügige Er­ öffnung der eigenen internationalen Zuständigkeit, vor allem für inländische Kläger. Das anarchische System führt somit dazu, dass in den meisten grenz­ überschreitenden Streitigkeiten in mehreren Staaten gleichzeitig miteinander konkurrierende Gerichtsstände eröffnet sind mit der Folge sog. positiver Kom­ petenz­konflikte bzw. multi-fora disputes.35 Dies führt dazu, dass sich interna­ tional agierende Parteien einer großen Unsicherheit ausgesetzt fühlen können, weil sie aufgrund der Zuständigkeit mehrerer Gerichte unterschiedlicher Staa­ ten nicht vorhersehen können, in welchem Staat es zu einer Klage kommen wird.36 33  Die transient-presence jurisdiction reicht ins neunzehnte Jahrhundert zurück, vgl. die Entscheidung des US Supreme Court in Pennoyer v. Neff, 95 U.S.  714 (1877). Für das moder­ ne Recht vgl. die Leitentscheidung Burnham v. Superior Court of California, 495 US 604, 808 ff. (1990) m. Anm. Born/Jestaedt, RIW 1990, 675 f.; Otte, IPRax 1991, 262; Peterson, IPRax 1991, 267. Vgl. aus der Literatur auch (überwiegend kritisch) Bernstein, in: Festschrift Ferid (1978), S.  75 ff.; Cox, 58 Tennessee Law Review (1991), 497; Ehrenzweig, 65 Yale Law Journal (1956), 289; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikani­ schen Handelsverkehr (2007), S.  127 f.; Hay, University of Illinois Law Review 1990, 593. Zur Zuständigkeit der englischen Gerichte wegen auch nur vorübergehender Anwesenheit des Beklagten in England vgl. James, Litigation with a Foreign Aspect (2009), Rn.  4.27 ff. Aus der englischen Rechtsprechung vgl. die Entscheidungen des High Court vom 20.12.1965 in Colt Industries, Inc. v. Sarlie [1966] 1 All E.R. 673 und des Court of Appeal vom 09.03.1972 in Maharanee of Baroda v. Wildenstein [1972] 2 Q.B. 283. 34  Dazu kann er sich der Doktrin vom forum non conveniens bedienen. Dies wird US-ame­ rikanischen Gerichten teilweise vorgeworfen, vgl. dazu Teil I §  5 B. II. 4. 35  Vgl. zu den Begrifflichkeiten Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zi­ vilprozeßrecht (1996), S.  1 ff., 15 ff., 19. 36  Zu der Problematik, dass die Eröffnung exorbitanter Gerichtsstände den Parteien auch

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

III.  Regulierung des anarchischen Systems 1.  Selbstregulierung des Systems Völkerrechtlich sind dem anarchischen System, in dem jeder Staat grundsätz­ lich selbst über die Reichweite seiner internationalen Zuständigkeit bestimmt, nach der herrschenden Meinung keine Grenzen gesetzt.37 Ebenso wenig gibt es eine übergeordnete Instanz, welche die Verteilung der Zuständigkeiten zu über­ wachen befugt wäre.38 Dennoch gibt es bestimmte Mechanismen, welche das anarchische System regulieren.39 Zunächst existiert ein der weltweiten Anarchie immanenter Regelungsme­ chanismus: Denn zwar kann jeder Staat bei der Normierung seines Zuständig­ keitssystems seine eigenen Wertungen und Kriterien heranziehen und innerhalb seines Machtbereichs durchsetzen. Er kann aber darüber hinaus nicht erwarten, dass andere Staaten diese Wertungen bei der Ausgestaltung ihrer eigenen Zu­ ständigkeitsregeln ebenfalls beachten.40 Ohnehin nutzt dem Kläger eine Ent­ scheidung häufig dann nichts, wenn sie im Ausland nicht anerkannt und voll­ streckt werden kann. Gerade im (Wohn-)Sitzstaat des Beklagten wird meist dessen Vermögen belegen sein, sodass es dem Kläger auf eine Vollstreckung in diesem Staat ankommen wird. Die Anerkennung als Voraussetzung zur Erlan­ Unsicherheiten bezogen auf das voraussichtlich anwendbare Sachrecht beschert, vgl. Cordero-Moss, International Commercial Contracts (2014), S.  158 ff. 37  Vgl. BVerfGE 64, 1, 71 vom 12.04.1983 (National Iranian Oil Company): „Jenseits der Möglichkeiten der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung der die deutsche internatio­ nale Zuständigkeit betreffenden deutschen Vorschriften durch die Gerichte ist es – im Rah­ men des Art.  25 GG – Sache des Gesetzgebers, rechts- oder wirtschaftspolitisch als uner­ wünscht erachtete Ausgestaltungen der deutschen internationalen Zuständigkeit zu ändern.“ In diese Richtung auch BGH, 12.03.1984, NJW 1984, 2037. Vgl. die weiteren Nachweise bei Huber, 25 Nihon University Comparative Law (2008), 57, 62 Fn.  17. Vgl. andererseits aber auch P. Gottwald, in: Festschrift Habscheid (1989), S.  119, 130; Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten (1992), S.  380 f., 423; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3064 f. 38  Huber, 25 Nihon University Comparative Law (2008), 57, 62 m. w. N. 39  Die verschiedenen Mechanismen, die Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  5 ff. als „Feinsteuerung“ des groben Rasters der Zuständigkeiten bezeichnet, können dabei selbstverständlich nebeneinander stehen. Auch von Mehren spricht (vor allem im Zusammenhang mit der forum non conveniens-Doktrin) von „fine-tuning“, vgl. Theory and Practice of Adjudicatory Authority in Private International Law (2003), Kap.  4. 40  Vgl. insofern Huber, 25 Nihon University Comparative Law (2008), 57, 62 f.: „Wir kön­ nen zwar frei über die Wertungen und Kriterien entscheiden, anhand derer wir über Ange­ messenheit oder Unangemessenheit einer Zuständigkeitsordnung urteilen, und wir können diese Wertungen bei der Ausgestaltung unserer eigenen Entscheidungszuständigkeiten auch umsetzen. Wir können aber nicht erwarten, dass die anderen Staaten ihre Zuständigkeits­ regeln an ähnlichen Maßstäben ausrichten oder auf die deutschen Regelungen Rücksicht neh­ men.“

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gung eines vollstreckbaren Titels setzt aber in vielen Staaten voraus, dass die internationale Entscheidungszuständigkeit des Staates, dessen Gericht entschie­ den hat, nach den eigenen Regeln bestanden hat (sog. Spiegelbildprinzip bzw. mirror principle).41 Das Spiegelbildprinzip beruht im Grunde auf einem einfa­ chen Gleichbehandlungsgedanken.42 In Deutschland wurde es in §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO und §  109 Abs.  1 Nr.  1 FamFG normiert.43 In anderen Staaten, z. B. in England44 und in der Schweiz45, wird noch strenger vorgegangen und nicht in jedem Fall, in dem nach den eigenen Regeln Zuständigkeit bestanden hätte, die ausländische Entscheidung anerkannt. In England bestimmt Sec. 32 (1) des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 sogar ausdrücklich, dass ein unter Verlet­ zung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ergangenes ausländi­ sches Urteil – unbeschadet der Regeln der EuGVVO – nicht anerkannt und voll­ 41  Das Spiegelbildprinzip gilt jedoch nicht in jedem Staat. So werden z. B. in Frankreich auch ausländische Entscheidungen anerkannt, obwohl nach dem französischen Recht keine Zuständigkeit bestanden hätte, wenn ein hinreichend enger Bezug des Falls zum Primärge­ richt bejaht werden kann, vgl. Silbermann, 19 King’s Law Journal (2008), 253, 256. Zum französischen Anerkennungsrecht vgl. generell Kessedijan, in: Walter/Baumgartner (Hrsg.), Civil Procedure in Europe: Recognition and Enforcement (2000), S.  185. Auch im vereinheit­ lichten europäischen Recht gilt das Spiegelbildprinzip grundsätzlich nicht, vgl. Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F.) und arg. e contr. Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F.) sowie auch Art.  24 EuEheVO. 42  P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  82; S. Gottwald, ZZP 95 (1982), 3, 10 f.; Schärtl, Das Spiegelbildprinzip im Rechtsverkehr mit ausländischen Staaten­ verbindungen (2005), S.  30. 43  Vgl. dazu Coester-Waltjen, in: Liber amicorum R. M. Buxbaum (2000), S.  101; Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel (1990); G ­ eimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der An­ erkennung ausländischer Urteile (1966); S. Gottwald, ZZP 103 (1990), 257; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  92 f.; Schärtl, Das Spie­ gelbildprinzip im Rechtsverkehr mit ausländischen Staatenverbindungen (2005); Schönau, Die Anerkennung von Urteilen aus Mehrrechtsstaaten nach §  328 Abs.  1 ZPO am Beispiel der USA und Kanadas (2009); Schreiner, Die internationale Zuständigkeit als Anerken­ nungsvoraussetzung nach §  328 I Nr.  1 ZPO unter besonderer Berücksichtigung des Spiegel­ bildprinzips (2001). Ebenso findet sich das Spiegelbildprinzip z. B. im italienischen Recht, vgl. dazu Silbermann, 19 King’s Law Journal (2008), 253, 255 und Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  922, und im japanischen Recht, vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private Internatio­ nal Law (2008), 57, 76. 44  Zur Prüfung der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts im englischen Anerken­ nungsrecht vgl. Collier, in: Walter/Baumgartner (Hrsg.), Civil Procedure in Europe: Recog­ nition and Enforcement (2000), S.  131; Fawcett/Carruthers, in: Cheshire, North & Fawcett, Private International Law, 14.  Aufl. 2008, S.  513 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  378 ff.; Silbermann, 19 King’s Law Journal (2008), 253, 256 m.w.N 45  Für die Schweiz vgl. Walther, in: Walter/Baumgartner (Hrsg.), Civil Procedure in Euro­ pe: Recognition and Enforcement (2000), S.  541.

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streckt werden kann. Ein Staat, der sich zu weitläufige Zuständigkeiten anmaßt, hat also damit zu rechnen, dass die Entscheidungen seiner Gerichte im Ausland mangels Anerkennungszuständigkeit oft nicht anerkannt und damit auch nicht vollstreckt werden können. Der Kläger, dem die Wahl zwischen mehreren kon­ kurrierenden Gerichtsständen eröffnet ist, wird also kaum vor einem solchen Gericht klagen. Das anarchische System reguliert sich somit auf gewisse Weise selbst.46 Allerdings bestehen positive Kompetenzkonflikte nicht nur aufgrund von exorbitanten Gerichtsständen, sondern sind die zwingende Folge der Koexis­ tenz verschiedener Rechtsordnungen. Selbst wenn die Zivilprozessordnungen der einzelnen Staaten keine allzu weiten Zuständigkeiten vorsehen, kann es so­ gar bei einer ausschließlichen Geltung des Grundsatzes actor sequitur forum rei zu einem positiven Kompetenzkonflikt kommen, wenn nämlich beide Parteien am (Wohn-)Sitz der jeweils anderen Partei Klage erheben.47 Die Selbstregulie­ rung als Folge der von den Parteien durchgeführten Anerkennungsprognose besteht mithin nur grundsätzlich, hat aber nicht zur Folge, dass die Parteien in­ ternationaler Streitigkeiten sicher mit einem bestimmten Forumsstaat rechnen können. 2.  Gerichtliches Ermessen Eine weitere Möglichkeit, um die notwendige Feinsteuerung des anarchischen Systems zu erreichen, besteht darin, dem Richter bei der Bestimmung der inter­ nationalen Zuständigkeit einen größeren Ermessensspielraum zu eröffnen. Da­ runter fällt insbesondere die ursprünglich aus Schottland48 stammende Doktrin vom forum non conveniens.49 Die Doktrin ermöglicht es dem angerufenen Ge­ 46  Vgl. Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht (2002), S.  51, 63. 47  Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  15 ff., 19. 48  Vgl. grundlegend die schottischen Entscheidungen in Longworth v. Hope [1864–1865] 3 S.C. (Macpherson) 1049; Macadam v. Macadam [1872–1873] 11 S.C. (Macpherson) 860 sowie [1891–1892] 19 S.C. (Rettie) 665 und dazu Huber, Die englische forum-non-conveni­ ens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Voll­ streckungsübereinkommens (1994), S.  46 ff. 49  Vertiefend zur forum non conveniens-Doktrin vgl. Barret, 35 California Law Review (1947), 380; Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  149 ff.; Birnbaum/Dunham, 16 Brooklyn Journal of International Law (1990), 241; R. Brand, 37 Texas International Law Journal (2002), 467; R. Brand/Jablonski, Forum Non Conveniens: History, Global Practice, and Future under the Hague Convention on Choice of Court Agree­ ments (2007); Briggs, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2005, 378; Dorsel, Forum non conveniens: Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstandes im deut­

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richt, seine an sich eröffnete internationale Zuständigkeit nicht in Anspruch zu nehmen, wenn es der Ansicht ist, ein anderes Gericht sei für das Verfahren besser geeignet.50 Es obliegt dabei dem Ermessen des angerufenen Gerichts, zu entscheiden, ob es ein anderes appropriate and convenient forum gibt.51 Ermessenskriterien bei der Entscheidung des Richters können einerseits pri­ vate Interessen, wie die unterschiedlichen Interessen und Lasten von Kläger und Beklagtem oder auch Zeugen, der Zugang zu Beweismitteln, die Kosten des Verfahrens und für Zeugenladungen, die Anerkennungsfähigkeit des ergehen­ den Urteils im Ausland sowie die Folgen des anwendbaren Sachrechts sein.52 Andererseits fließen aber auch öffentliche Aspekte in die Ermessensabwägung ein, etwa die Arbeitsbelastung des Gerichts oder das Interesse, heimischen Be­ klagten inländischen Rechtsschutz zu gewähren bzw. lokale Konflikte selbst auszutragen oder aber heimische Parteien vor der Beklagtenrolle zu schützen.53 Dabei bieten ermessensbasierte Konzepte wie die Doktrin vom forum non conveniens vor allem eine Korrekturmöglichkeit der Gerichtszuständigkeit auf­ grund eines exorbitanten Gerichtsstands.54 Das Gericht kann mittels der forum non conveniens-Doktrin einen gerechten Ausgleich für die Fälle suchen, in de­ nen ein Kläger die weiten Zuständigkeiten missbräuchlich ausnutzt, obwohl der Rechtsstreit keine Beziehung zu dem Gericht hat.55 schen und amerikanischen Recht (1996); Huber, Die englische forum-non-conveniens-Dok­ trin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungs­ übereinkommens (1994); James, Litigation with a Foreign Aspect (2009), Rn.  10.7 ff.; Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2005, 363; Robertson, 103 Law Quarterly Review (1987), 398; Spiro, 13 The Comparative and International Law Journal of Southern Africa (1980), 333; Stein, 133 University of Pennsylvania Law Review (1985), 781; M. G. Stewart, 74 California Law Review (1986), 1259; Weiner, 64 Fordham Law Review (1995– 1996), 845; Weintraub, 9 Texas International Law Journal (1994), 321. 50  Definition entnommen von Huber, Die englische forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsüberein­ kommens (1994), S.  25. 51  Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  104. Überblick bei Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  560 ff. 52  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  134; Haß/Zerr, RIW 2005, 721, 723; Huber, Die englische forum-non-con­ veniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (1994), insb. S.  120 ff. 53  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  134; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, S.  35 mit Rechtsprechungsnachweisen. 54  Ähnlich auch Hess, AG 2005, 897, 900. Vgl. zum Verhältnis zur long-arm jurisdiction z. B. Morley, 68 Northwestern University Law Review (1973–1974), 24. 55  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  134; R. Wagner, IPRax 2001, 533, 535.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Die Lehre vom forum non conveniens hat sich außer in den USA56 etwa auch – allerdings erst in den 1980er Jahren – in England57 und in Irland58 durchge­ setzt. Die Lehre existiert ebenfalls, wenn auch weniger stark ausgeprägt, in an­ deren Rechtsordnungen, z. B. im singapurischen und israelischen Recht sowie ansatzweise in der Schweiz59 und in Österreich nach der Rechtsprechung des OGH zu §  99 JN.60 In den USA wird sie sowohl vom Supreme Court als auch von den Gerichten der Einzelstaaten angewendet. Lediglich in New York wird eine große Zurückhaltung an den Tag gelegt, wohl um die New Yorker Gerichte als neutrale Gerichtsstände in Handelssachen attraktiver zu machen.61 Dort ist die Abweisung einer Klage aus Gründen des forum non conveniens verboten, wenn die Parteien New Yorker Recht gewählt haben und über Streitigkeiten aus Verträgen im Wert von mindestens einer Million US$ prozessieren wollen.62 Dagegen findet die forum non conveniens-Doktrin im deutschen Recht keine Anwendung.63 Auch auf europäischer Ebene ist es seit der Entscheidung des EuGH auf eine Vorlage des englischen Court of Appeal64 in der Rechtssache Owusu65 unzulässig, dass sich ein mitgliedstaatliches Gericht mit der Begrün­ Grundlegend Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S.  501 (1947); Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235 (1981). Vgl. außerdem Berger, RabelsZ 41 (1977), 39; Blum, Forum non con­veniens (1979), S.  40 f.; Dorsel, Forum non conveniens: Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstandes im deutschen und amerikanischen Recht (1996); Reus, RIW 1991, 542. Mehr zur Rechtslage in den USA in Teil I §  5 C. II. 3. b), D. II. 4. 57  Vgl. grundlegend The Abidin Daver [1984] A.C. 398, 411. Zu den Ermessenskriterien, die in England eine Rolle spielen, vgl. Spiliada Maritime Corp. v. Cansulex Ltd [1986] 3 All E.R. 843 (H. L.) und Lubbe v. Cape plc [2000] 4 All E.R. 268 (H. L.) und dazu Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  119 f.; Huber, Die engli­ sche forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (1994), insb. S.  53 ff.; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  58 ff.; Kronke, RIW 1977, 613. 58  Vgl. etwa die Entscheidung des irischen Supreme Court in Intermetal Group Ltd & Trans-World (Steel) Ltd v. Worslade Trading Ltd [1998] I L Pr 765. 59  Das folgt im Umkehrschluss aus Art.  5 IV (3) IPRG. 60  Vgl. insgesamt Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  108 f. m. w. N. Zur Rezeption der Lehre vom forum non conveniens in Deutschland vgl. auch Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  119 ff. 61  Zum New Yorker Recht vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-­ amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  136, 200 ff.; Schack, Einführung in das US-ame­ rikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, S.  36 m. w. N. in Fn.  301. 62  NY CPLR §  327 i. V. m. §  5 –1402 General Obligations Law. 63  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1075 ff.; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, Zivilprozes­ srecht, 17.  Aufl. 2010, S.  186; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 41 ff. 64  Court of Appeal vom 19.06.2002 (Leitsätze abgedruckt in RIW 2002, 721 m. Anm. Thiele, RIW 2002, 696). 65  EuGH, 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Andrew Owusu/N. B. Jackson, Inhaber der Firma „Villa Holidays Bal-Inn Villas“, u. a.), Slg. 2005, I-1383 und dazu Dickinson, in: de Vareil­ 56 

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dung, die Gerichte eines anderen Staates seien für die Entscheidung in der Sa­ che besser geeignet, seiner Gerichtszuständigkeit nach der EuGVVO entzieht. Der EuGH entschied hier, die Zuständigkeit nach Art.  2 Abs.  1 EuGVVO a. F. sei zwingender Natur66 und verbiete eine Anwendung des ermessensbasierten forum non conveniens-Grundsatzes, und zwar auch dann, wenn, wie in dem zugrunde liegenden Fall, nur ein einziger Mitgliedstaat betroffen sei.67 Auf eu­ ropäischer Ebene bleibt Raum für Ermessen grundsätzlich nur im Rahmen des les-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  115, 127 ff.; Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224; Huber/Stieber, ZZP Int. 10 (2005), 277; Mayer, in: de Vareil­ les-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  137; Rauscher/Fehre, ZEuP 2006, 463; de Vareilles-Sommières, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  101. In diesem Fall war der in England wohnhafte Andrew Owusu bei einem Aufenthalt in Jamaica verletzt worden und verklagte daraufhin den ebenfalls in England beheimateten N. B. Jackson (sowie fünf jamaikanische Beklagte) vor einem englischen Gericht auf Scha­ densersatz. Nachdem die Beklagten eine Klageabweisung nach dem Grundsatz des forum non conveniens beantragt hatten, legte der Court of Appeal die Frage nach der Vereinbarkeit der Doktrin mit der EuGVVO dem EuGH vor. Wenig überraschend entschied der Gerichts­ hof, der die Zuständigkeit der englischen Gerichte begründende Art.  2 Abs.  1 EuGVVO a. F. sei zwingender Natur und verbiete eine Anwendung des ermessensbasierten forum non conveniens-Grundsatzes, und zwar obwohl in dem zugrunde liegenden Fall neben dem Vereinig­ ten Königreich kein weiterer Mitgliedstaat betroffen war. Die Entscheidung betrifft damit zwar keine Gerichtsvereinbarungen nach Art.  23 EuGVVO a. F., ihr wurde aber ein – richti­ gerweise nicht bestehender – Effekt für Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten nicht mit­ gliedstaatlicher Gerichte oder Schiedsgerichte nachgesagt. Denn wenn Art.  2 Abs.  1 der EuGVVO a. F. zwingender Natur ist und nur durch die von der EuGVVO selbst eröffneten ausschließlichen Zuständigkeiten durchbrochen werden kann, könnte daraus gefolgert wer­ den, dass bei einer ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten drittstaatlicher Gerichte bzw. bei einer Schiedsvereinbarung ein nach Art.  2 Abs.  1 EuGVVO a. F. angerufe­ nes mitgliedstaatliches Gericht die Klage ohne Rücksicht auf die anderslautende Gerichts­ stands- oder Schiedsvereinbarung anzunehmen hätte. Denn diese Vereinbarungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO und würden daher bei strenger Auslegung der in Owusu statuierten Grundsätze auch nicht den zwingenden Charakter des Art.  2 Abs.  1 EuGVVO a. F. beschneiden können. Vgl. zu der Problematik Briggs, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2005, 378, 382; ders., Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  290 ff.; Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 543 ff.; ­Fentiman, 43 Common Market Law Review (2006), 705; Knight, 66 Cambridge Law Journal (2007), 288. 66  Auch vor der Entscheidung des EuGH wurde schon eine die forum non conveniens-­ Doktrin ausschließende Justizgewährungspflicht anerkannt, wenn eine Zuständigkeit nach den Art.  2 ff. EuGVVO a. F. bestand, vgl. Geimer, WM 1976, 830, 835 f.; Huber, RIW 1993, 977; ders., Die englische forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (1994), S.  169 ff.; Schlosser, EuZPR, 2.  Aufl. 2002, Vor Art.  2 EuGVVO Rn.  6. 67  Vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  180.

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Art.  28 EuGVVO a. F. bzw. Art.  30 EuGVVO n. F., wonach bei im Zusammen­ hang miteinander stehenden Verfahren vor verschiedenen Mitgliedstaatenge­ richten jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen kann.68 Außer­ dem ist der Ausschluss richterlichen Ermessens bei der Zuständigkeitsfrage mit der Einführung von Art.  33 und 34 EuGVVO n. F. abgeschwächt worden. Nach Art.  33 Abs.  1 EuGVVO n. F. kann ein Gericht, das nach Art.  4, 7, 8 oder 9 der Verordnung zuständig ist (diese Vorschriften eröffnen den allgemeinen oder be­ stimmte besondere Gerichtsstände), das Verfahren aussetzen, wenn wegen des­ selben Anspruchs zwischen denselben Parteien ein Verfahren vor dem Gericht eines Drittstaats anhängig ist und a) zu erwarten ist, dass das Gericht des Dritt­ staats eine Entscheidung erlassen wird, die in dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannt und ggf. vollstreckt werden kann, und b) das Gericht des Mitglied­ staats davon überzeugt ist, dass eine Aussetzung des Verfahrens im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist. Die Parallelvorschrift für im Zu­ sammenhang stehende Verfahren vor drittstaatlichen und mitgliedstaatlichen Gerichten findet sich in Art.  34 EuGVVO n. F.69 Im Umkehrschluss lässt sich aus den neuen Vorschriften folgern, dass in allen anderen Fällen, insbesondere im Falle einer ausschließlichen Zuständigkeit bzw. der Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, ein angerufenes mitgliedstaatliches Gericht eine nach der EuGVVO eröffnete Zuständigkeit ausüben muss und nicht aus Gründen des Ermessens ein anderes Gericht als das besser geeignete einstufen und das Verfahren aussetzen darf.70 Generell kann daher festgestellt werden, dass Ermessensentscheidungen des angerufenen Gerichts schon deshalb nicht geeignet sind, das anarchische Sys­ tem umfassend zu regulieren, weil ihr Konzept nicht überall anerkannt ist. Da­ von abgesehen ist allen Ermessensentscheidungen eigen, dass sie zwar auf Ge­ rechtigkeit im Einzelfall ausgerichtet sind – in diesem Sinne wird die forum non conveniens-Doktrin auch als „ein unentbehrliches Instrument, um in gren­ züberschreitenden Fällen gerechte Einzelfalllösungen zu erzielen“71, bezeich­ net. Dafür sind ermessensbasierte Entscheidungen aber – ganz abgesehen da­ von, dass stets Fälle des Ermessensfehlgebrauchs möglich sind72 – schwerlich oder auch gar nicht vorhersehbar. Damit mögen sie zwar in manchen Fällen dazu geeignet sein, positive Kompetenzkonflikte einer sinnvollen Einzelfall­ lösung zuzuführen, bescheren aber insgesamt eher mehr Rechtsunsicherheit als Vgl. dazu Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  358 ff., 408 ff. 69  Vgl. zu Art.  33 und 34 EuGVVO n. F. auch die neuen Erwägungsgründe (23) und (24). 70  Vgl. zu Art.  33 Abs.  1 EuGVVO n. F. auch Teil I §  4 B. IV. und §  6 B. II. 71  So P. Gottwald, in: Festschrift Jayme, Bd. I (2004), S.  277, 278. 72  Vgl. Juenger, in: Festschrift Schütze (1999), S.  317, 331. 68 

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Rechtssicherheit im internationalen Rechtsverkehr.73 Eine eingeschränkte An­ wendung der Doktrin scheint aus kontinentaleuropäischer Sicht daher allenfalls zur Korrektur exorbitanter Gerichtsstände nach der transient-presence jurisdiction akzeptabel.74 Die weltweite Anarchie der Zuständigkeiten kann durch die Gewährung gerichtlichen Ermessens bei der Zuständigkeitsfrage jedoch nicht umfänglich reguliert werden. 3.  Parteiautonome Regulierung im Einzelfall Schließlich kann positiven Kompetenzkonflikten auch dadurch vorgebeugt wer­ den, dass den Parteien die Möglichkeit eröffnet wird, selbst zu wählen, welches Gericht oder welche Gerichte für die Entscheidung über einen aus ihrer rechtli­ chen Beziehung erwachsenden Streit zuständig sein sollen. Zur Stärkung von Schiedsvereinbarungen schreibt Art. II (2) UNÜ allen Mitgliedstaaten des Übereinkommens vor, schriftliche Schiedsvereinbarungen anzuerkennen. Auch der europäische Weg zur Regulierung positiver Kompetenzkonflikte besteht in der Anerkennung des Vertragsprinzips (Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F.), und zwar in Verbindung mit der Geltung des lis pendens-Prin­ zips, wonach grundsätzlich75 das Fehlen einer anderweitigen Rechtshängigkeit Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage ist (vgl. Art.  27 EuGVVO a. F. bzw. Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F.).76 Eine Regulierung des anarchischen Systems im konkreten Fall kann von den Parteien also auch selbst durch eine parteiautono­ me Behandlung der Zuständigkeitsfrage vorgenommen werden. Die Parteien können so voraussehen, in welchem Staat es im gegebenen Fall zu einer Klage 73  So die kontinentaleuropäische Sichtweise, vgl. EuGH, 19.02.2002, Rs. C-256/00 (Besix AG/Wasserreinigungsbau Alfred Kretzschmar GmbH & Co. KG u. a.), Slg. 2002, I-1699, Rn.  24, 35; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  6 m. w. N. in Fn.  1; Huber, Die englische forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (1994), S.  145 f.; Schack, RabelsZ 58 (1994), 41, 45; Schröder, Internationale Zuständigkeit – Entwurf eines Systems von Zuständigkeitsinteressen im zwischenstaatlichen Privatverfahrensrecht aufgrund rechtshistorischer, rechtsvergleichender und rechtspolitischer Betrachtungen (1971), S.  486 ff. 74  Huber, Die englische forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (1994), S.  153. 75  Das Verhältnis zwischen lis pendens-Regelungen und der Anerkennung von Zuständig­ keitsvereinbarungen kann unterschiedlich sein. Nach der reformierten EuGVVO hat das Au­ tonomieprinzip Vorrang vor dem Rechtshängigkeitsprinzip, vgl. Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. Mehr dazu in Teil I §  4 C. IV. 76  Vgl. zu diesem „europäischen“ Weg Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  7; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivil­ prozeßrecht (1996), S.  178; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  119; Simotta, ZZP Int. 12 (2007), 43, 67.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

kommen wird. Damit können sie bereits im Voraus nicht nur die Kosten des Verfahrens abschätzen, sondern – jedenfalls soweit das anwendbare Kollisions­ recht klar ist und seinerseits keinen Ermessensspielraum lässt – auch das vom Gericht anzuwendende materielle Recht, also den voraussicht­lichen Verfah­ rensausgang sowie die Chancen einer Anerkennung und Voll­streckung der zu erwartenden Entscheidung in einem anderen Staat. Indem Gerichtsstands- wie auch Schiedsvereinbarungen also zu einer besseren Kalkulierbarkeit des Pro­ zessrisikos beitragen77, dienen sie auch dem Rechtsfrieden.78 Davon abgesehen, dass unnötiger Streit über das zuständige Forum und positive Kompetenzkon­ flikte bis hin zu einander widersprechenden Entscheidungen vermieden werden können, kann die aus einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung resultie­ rende Vorhersehbarkeit des Verfahrensausgangs im Idealfall nämlich sogar dazu führen, dass gar nicht erst geklagt wird und die Parteien sich um eine au­ ßergerichtliche Einigung bemühen.79 Damit dient die sichere Durchsetzbarkeit von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen nicht nur den Parteien, son­ dern auch gesamtwirtschaftlichen Interessen, weil die Belastung der Gerichte abgebaut wird, indem die Zuständigkeitsfrage leichter zu prüfen ist, die mehrfa­ che Austragung ein- und desselben Streits vor unterschiedlichen Gerichten ver­ hindert wird oder es tatsächlich gar nicht erst zum Prozess kommt.80 Eine Regu­ lierung der Anarchie der Zuständigkeiten erfolgt also auch, wenn die Staaten internationale Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen anerkennen und die­ sen zur Durchsetzung verhelfen. Dadurch tragen sie zu einem besseren Funk­ tionieren des internationalen Zivilrechtsverkehrs bei und helfen transnational agierenden Parteien, Rechtssicherheit im Einzelfall zu erlangen.

77  Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  33; Ochsenfeld, RIW 1995, 633. 78  Vgl. auch Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  9; ders., in: Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/1 (1983), S.  477; in diese Richtung auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  178; Taylor, 66 Temple Law Review (1993), 785; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  346. 79  Vgl. Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1599; Taylor, 66 Temple Law Review (1993), 785. 80  Zum gesamtwirtschaftlichen Aspekt internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen vgl. auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  12 f.

§ 3 – C.  Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Kontext des forum shopping

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C.  Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Kontext des forum shopping I.  Definition des forum shopping Steht es dem Kläger grundsätzlich frei, zwischen verschiedenen miteinander konkurrierenden Gerichtsständen unterschiedlicher Staaten zu wählen, so ist ihm die Möglichkeit zum forum shopping eröffnet.81 Darunter versteht man das Bestreben (eines Rechtsanwalts), dasjenige Forum auszuwählen, welches (für seinen Mandanten) am günstigsten ist.82 Positive Kompetenzkonflikte können von einer Partei also systematisch ausgenutzt werden, indem diese von mehre­ ren in unterschiedlichen Staaten nebeneinander existierenden konkurrierenden Zuständigkeiten diejenige auswählt, in welcher sie in den Genuss bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Vorteile kommt.83 Dabei kann vor allem die Wahl zwischen einem Gerichtsstand in einem Staat des common law- oder aber des civil law-Rechtskreises zu großen Unterschieden führen.84 Zum ersten Mal auf­ getaucht ist der Begriff des forum shopping vermutlich in England in der Ent­ scheidung Boys v. Chaplin85 des House of Lords im Jahr 1969. II.  Gründe für forum shopping vor staatlichen und Schiedsgerichten 1. Überblick Geht eine Partei eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung ein, so handelt sie aus bestimmten Gründen. Umgekehrt geschieht auch die Verletzung einer 81  Dabei setzt forum shopping allerdings nicht das Bestehen mehrerer konkurrierender Gerichtsstände voraus. Forum shopping liegt nämlich gerade auch dann vor, wenn aufgrund einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung nur ein Gericht zuständig ist, eine Partei aber trotzdem vor einem anderen, derogierten Gericht Klage erhebt. 82  Vgl. Ferrari, 51 International and Comparative Law Quarterly (2002), 689, 689: „[T]he lawyer’s act of seeking the forum that is most beneficial to his client’s interest.“ Ähnlich J­ uenger, RabelsZ 40 (1982), 708, 708. 83  Vgl. aus deutscher Sicht Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1095 ff.; Hartwig, JZ 1996, 109 ff.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  26 ff.; Huber, in: P. Gottwald (Hrsg.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechts­ schutz (2008), S.  1 (zum forum shopping im Insolvenzrecht); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 708; Kropholler, in: Festschrift Firsching (1985), S.  165 ff.; G. Roth, IPRax 1984, 183; Samtleben, RabelsZ 46 (1982), 716; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  251 f.; Schütze, Rechtsverfol­ gung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  81; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124 ff. 84  Eine Einordnung vieler Staaten in eine der Rechtsordnungen und ein Überblick zu den grundlegenden Unterschieden zwischen common law und civil law findet sich bei James, Litigation with a Foreign Aspect (2009), Rn.  2.20 ff. 85  Boys v. Chaplin [1969] 2 All E.R. 1085, 1112 (H. L.).

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Gerichtsstandsvereinbarung nicht zufällig, sondern ist ebenfalls von bestimm­ ten Motiven und Erwartungen getragen. Für das bessere Verständnis, weshalb einerseits Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen und andererseits durch Kla­ ge vor einem abgewählten Forum missachtet werden, sind die generellen Gründe für forum shopping86 zu beleuchten. Sie können grob unterteilt werden nach sol­ chen Vorteilen, die der Kläger durch die Anwendung eines bestimmten Verfah­ rensrechts auf der einen Seite und durch Anwendung eines bestimmten Kollisi­ ons- bzw. Sachrechts auf der anderen Seite erlangen möchte. Hinzutreten allge­ meine Heim- und sonstige Vorteile, welche sich die Parteien von Verfahren vor bestimmten Gerichten erhoffen. Für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung gibt es außerdem besondere Gründe, die ebenfalls dargestellt werden sollen. 2.  Verfahrensrechtliche Gründe für forum shopping In der Regel sind vordergründig die prozessrechtlichen Gründe ausschlagge­ bend für die Wahl des Forums.87 Das liegt u. a. daran, dass das anwendbare Prozessrecht – anders als das anwendbare Sachrecht – problemlos vorhersehbar ist, schließlich wendet jedes Gericht die eigene lex fori an.88 Welches Sachrecht das Gericht mittels des jeweils geltenden Kollisionsrechts als zur Anwendung berufen ermitteln wird, ist demgegenüber nicht mit derselben Sicherheit vorher­ zusagen. Zu bedenken ist außerdem, dass in vielen grenzüberschreitenden Han­ delsverträgen ohnehin eine Rechtswahl getroffen wird. Und während eine Ge­ richtsstandsvereinbarung durch Erhebung einer Klage vor einem abgewählten Gericht von den Parteien leichter missachtet werden kann, liegt die Einhaltung einer Rechtswahlvereinbarung in der Hand des entscheidenden Gerichts und ist nach ihrem Abschluss der Disposition durch eine Partei allein entzogen.89 Da­ 86  Vgl. etwa den Überblick bei Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zi­ vilprozeßrecht (1996), S.  29 ff.; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  93 ff.; Juenger, RabelsZ 46 (1982), 708; ders., 63 Tulane Law Review (1989), 553; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), insb. S.  23 ff.; Ribstein/O’Hara, The Law Market (2009), Kap.  1–4; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  84 ff.; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 128 ff. Hervorzuheben ist ein Urteil des Tribunale di Rimini, 26.11.2002, online abrufbar unter , welches einen guten Überblick über die Gründe, die eine Partei zum forum shopping bewe­ gen, liefert. Dazu Ferrari, 23 Journal of Law and Commerce (2004), 169; Graffi, 17 Diritto del commercio internazionale: pratica internazionale e diritto interno (2003), 807; Mecarelli, Revue de droit des affaires internationales 2003, 935. 87  Ebenso Juenger, 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 394; Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 298. 88  Zur weltweiten Geltung des lex fori-Prinzips im Prozessrecht vgl. G. Wagner, Prozeß­ verträge (1998), S.  348 m. w. N. in Fn.  8 ff. 89  Vgl. allerdings Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  459 ff.

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von abgesehen ist die Rechtsvereinheitlichung im Bereich des materiellen Rechts bereits weiter vorangeschritten als die Vereinheitlichung des Prozess­ rechts; so findet etwa auf internationale Kaufverträge oft das CISG Anwen­ dung.90 Das Verfahrensrecht variiert in den unterschiedlichen Rechtssystemen stark und kann für den Kläger günstige oder unliebsame Eigenheiten aufweisen.91 Bei der Wahl des für sein Anliegen besonders günstigen Prozessrechts berück­ sichtigt der Kläger etwa Besonderheiten des Beweisrechts und der Beweislast92 , die voraussichtliche Verfahrensdauer93 sowie natürlich die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens. Besonders wichtig sind hierbei Besonderheiten der Ver­ gütung von Rechtsanwälten und die Verteilung der Last der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten auf die Parteien. Weiterhin prüft er, ob Berufsrichter oder eine Jury entscheiden und wie der Instanzenzug ausgestaltet ist. Auch sonstige, die Effektivität des Rechtsschutzes tangierende Erwägungen können bei der Forumswahl eine Rolle spielen, z. B. die Voraussetzungen eines Ver­ säumnisurteils oder die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung oder einen Arrest zu erlangen.94 3.  Materiellrechtliche Gründe für forum shopping Wählt der Kläger ein bestimmtes Forum ausnahmsweise doch vordergründig deshalb aus, weil er sich durch das vom Gericht voraussichtlich anzuwendende materielle Recht Vorteile erhofft, spricht man von law shopping through forum shopping.95 So ist beispielsweise das anwendbare Verjährungsrecht geeignet, den Kläger zur Wahl eines bestimmten Gerichts zu veranlassen.96 Weiterhin sehr bedeutsam sind Umfang und Höhe zu erwartender Ersatzleistungen, was häufig zur Wahl eines US-amerikanischen Gerichts führt.97 Auch Scheidungs­ paradiese, z. B. Nevada oder Mexiko, in Europa Dänemark, haben in der Ver­ sowie ders., 123 Law Quarterly Review (2007), 18, 21, demzufolge auch Rechtswahlverein­ barungen von einer Partei gebrochen werden können. Mehr dazu in Teil III §  12 B. XI. 3. b). 90  Vgl. Ferrari, RIW 2002, 169. 91  Vgl. Collins, 35 International and Comparative Law Quarterly (1976), 36. 92  Dazu Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  23 f.; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 128. 93  Dazu Juenger, 63 Tulane Law Review (1989), 553, 573. 94  R. Brand, Fundamentals of International Business Transactions (2000), S.  545; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  35. 95  Vischer, in: Festschrift von Overbeck (1990), S.  349, 350. 96  Vgl. aus England Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119. 97  Mehr dazu in Teil I §  5 B. II. 3.

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gangenheit oft zum law shopping through forum shopping angeregt.98 Durch eine taktische Wahl des Gerichtsstands kann außerdem versucht werden, die Anwendung national zwingender Normen des Heimatstaats, z. B. aus dem Kar­ tellrecht, zu umgehen.99 Will der Kläger möglichst schnell zu einer Entscheidung kommen, empfiehlt es sich weiterhin, Klage vor einem Gericht zu erheben, das voraussichtlich das eige­ ne, heimatstaatliche Sachrecht anwenden wird.100 Dies erspart unnötigen Zeitver­ lust, etwa durch die Einholung von Gutachten zum ausländischen Recht. Und selbst wenn man durch ein gezieltes forum shopping nicht unbedingt zur Anwen­ dung des bevorzugten Sachrechts gelangt, kann es sich für den Kläger doch loh­ nen, in einem Land zu klagen, dessen materielles Recht grundsätzlich dem präfe­ rierten ähnelt. Denn es besteht keine Gewähr dafür, dass ein Gericht ein ihm fremdes Recht richtig und sinngemäß anwenden wird.101 Vielmehr ist es jeden­ falls nachvollziehbar und daher in gewissem Umfang auch zu erwarten, dass der Richter auch bei Anwendung eines ihm fremden (oder vereinheitlichten) Sach­ rechts stets das eigene Sachrecht bei der Auslegung des anwendbaren Rechts und des Vertrags im Hinterkopf haben wird.102 Das kann so weit führen, dass der Text eines Vertrags oft weniger wichtig ist als das Umfeld, in dem er ausgelegt wird.103 98  Vgl. Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  84; Weber, Europäisches Zivilprozessrecht und Demokratieprinzip (2009), S.  83 f. 99  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  35; Park, International Forum Selection (1995), S.  13. 100  Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  32 f.; Juenger, 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 386; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  257; Siehr, ZfRV 1984, 124, 143. 101  Juenger, RabelsZ 35 (1971), 284, 285. 102  Vgl. dazu auch die Entscheidung des Tribunale di Rimini, 26.11.2002 [oben Fn.  86]. Zum homeward trend, also der Interpretation von Einheitsrecht im Lichte des eigenen Rechts, vgl. Andersen, 24 Journal of Law and Commerce (2005), 159, 162; R. Brand, Fundamentals of International Business Transactions (2000), S.  543; Cordero-Moss, International Commer­ cial Contracts (2014), insb. S.  78; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-­ amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  34 f.; Ferrari, 48 Revue internationale de droit comparé (1996), 813, 827; ders., 51 International and Comparative Law Quarterly (2002), 689, 704 f.; ders., 9 Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration (2005), 233; ders., 13 Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration (2009), 15; ders., IHR 2009, 8, 8; ders., IHR 2013, 137 und 181; Halverson Cross, 68 Ohio State Law Jornal (2007), 133; Karton/de Germiny, 13 Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration (2009), 71; Lindenmayr, Vereinbarungen über die interna­ tionale Zuständigkeit (2002), S.  34 ff.; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 427; Munday, 27 In­ ternational and Comparative Law Quarterly (1978), 450, 450; Sturley, 27 Virginia Journal of International Law (1989), 729, 731. 103  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  35 m. w. N.

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4.  Der Heimvorteil und sonstige Gründe für forum shopping Neben diesen spezifischen prozess- und materiellrechtlichen Gründen kann ganz generell das Bestreben bestehen, sich den Heimvorteil zu sichern, den das Prozessieren vor einem heimischen Gericht mit sich zu bringen verspricht. Par­ teien neigen daher, wenn nicht gerade verfahrens- oder sachrechtliche Beson­ derheiten eines fremden Rechts bestimmte Vorteile versprechen, zum Prozes­ sieren in der Heimat.104 Sie erhoffen sich Vorteile aus der Beherrschung der Gerichtssprache und der prozessualen lex fori sowie dem Einsatz von ihnen vertrauten Anwälten. Auch sollen mögliche Zeugen nicht weit reisen müssen. Das Bestreben, im eigenen Heimatstaat zu prozessieren, kann aber auch in einer erhofften Inländerbevorzugung durch die Richter oder die Jury wurzeln.105 Daneben können auch andere Aspekte eine Rolle bei der Wahl des Forums spielen, angefangen bei der voraussichtlichen Anerkennungsfähigkeit der er­ warteten Entscheidung im gewünschten Staat.106 Dem Kläger nützt, wie bereits angemerkt, das günstigste Urteil nichts, wenn er es im Zielstaat, also in der Regel dort, wo das Vermögen des Beklagten belegen ist, nicht durchsetzen kann.107 Deshalb wird er möglicherweise gleich in dem Staat klagen, in dem das hauptsächliche Vermögen des Beklagten belegen ist.108 In anderen Fällen wäh­ len die Parteien bewusst ein neutrales Forum109 in der Hoffnung, die Entschei­ dung habe dann größere Chancen auf Anerkennungs- und Vollstreckungsfähig­ keit im Zielstaat.110 Im Zusammenhang mit einer später geplanten Vollstreckung des erlangten Titels können ebenfalls Währungsschwankungen eine Rolle für die Wahl des Forums einnehmen.111 Weiterhin können auch faktische Aspekte 104  Zu den Mehrkosten und praktischen Nachteilen, die das Prozessieren vor einem aus­ ländischen Gericht mit sich bringen kann, vgl. Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56, 74. 105  Das Bestreben, die Vorteile der heimischen prozessualen lex fori auszunutzen, konsta­ tieren auch das Tribunale di Rimini, 26.11.2002 [oben Fn.  86] sowie Collins, 35 International and Comparative Law Quarterly (1976), 36. 106  Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 130. Ebenfalls hervorgehoben in der Entscheidung des Tribunale di Rimini, 26.11.2002 [oben Fn.  86]. 107  Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  33; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  98 ff. So etwa war der Fall gelagert in OLG Koblenz, IPRax 1984, 267, m. Anm. Schütze, IPRax 1984, 246. 108  Vgl. Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 298, der vom Zusammenhang zwischen forum shopping und asset hunting spricht. 109  Vgl. zum Begriff des neutralen Gerichtsstands F. Sandrock, Die Vereinbarung eines ‚neutralen‘ internationalen Gerichtsstandes. Ausländische Parteien vor ‚neutralen‘ inländi­ schen Gerichten (1997). 110  Schack, IZVR, 6. Auf. 2014, Rn.  257. 111  R. Brand, Fundamentals of International Business Transactions (2000), S.  665, 677; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  35.

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für die Forumswahl ausschlaggebend sein, z. B. die Gerichtssprache112 oder die geographische Erreichbarkeit des Forums. Der planerisch handelnde Kläger kann zudem aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes bewogen sein, vor be­ stimmten Gerichten zu klagen bzw. andere zu meiden.113 So sind beispielsweise die politische Dimension des Falls, Qualifikation, Unabhängigkeit und Unpar­ teilichkeit der Richter oder auch als korrupt bekannte Spruchkörper sowie die Ineffizienz bestimmter Rechtssysteme Faktoren, welche die Forumswahl beein­ flussen können.114 5.  Besondere Gründe für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit Die Schiedsgerichtsbarkeit erlangt im internationalen Handelsverkehr schon seit einiger Zeit eine immer größere Bedeutung. Grundsätzlich decken sich die dargestellten Gründe für forum shopping im Allgemeinen mit den Gründen für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit. All die Besonderheiten der Rechtsordnung in einem bestimmten Staat können Parteien dazu motivieren, vor ein in diesem Staat befindliches Schiedsgericht zu ziehen.115 Die Entscheidung, die Lösung eines Rechtsstreits gerade einem Schiedsgericht anstelle eines staatlichen Ge­ richts zu übertragen, ist jedoch häufig zusätzlich von speziellen Motiven der Parteien getragen: Einige Vorteile, die sich Parteien von der Übertragung der Streitigkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit erhoffen, betreffen die Schiedsrichter selbst. Schiedsge­ richten wird nämlich erstens nachgesagt, sie böten im Vergleich zu den staatli­ chen Gerichten einiger Staaten eine größere Gewähr für ein faires Verfahren. Zwar können auch Schiedsrichter korrupt sein, es ist aber eher unwahrschein­ lich, dass in einem typischerweise von drei Schiedsrichtern besetzten und von den Parteien bestellten Tribunal die Bestechlichkeit alle Schiedsrichter be­ 112  113 

Ferrari, 51 International and Comparative Law Quarterly (2002), 689, 690. Siehe auch Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO

Rn.  4. 114  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  35; Juenger, 63 Tulane Law Review (1989), 553, 573 f., der vom „legal clima­ te“ spricht; ders., 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 386; Schütze, Rechtsver­ folgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  96 f. 115  Vgl. Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the International Commercial Arbitration Context (2013), S.  1, 16 ff. zum forum shopping im Schiedsverfahrensrechts, insb. S.  17: „Actually, all of the reasons identified by the Rimini court as reasons to favor the courts of one country over those of another country are at the same time factors that may push par­ ties to arbitrate rather than litigate in state courts.“ Vgl. auch die Zusammenfassung der Vor- und Nachteile von Schiedsgerichtsverfahren gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit bei Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwend­ bare Recht (2002), S.  31 ff.

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trifft.116 Zweitens ist das Schiedsverfahren gegenüber dem staatlichen Verfah­ ren häufig effizienter, wenn eine spezielle Sachkunde des Richters erforderlich ist, z. B. bei technischen Fragen.117 Hinzutreten weitere mögliche Vorteile des Schiedsverfahrens: Die Fairness des Verfahrens kann nicht nur von den Schieds­ richtern ausgehen, sondern auch daran festgemacht werden, dass die Parteien in einem „neutralen“ Forum streiten und nicht vor dem Gericht eines Staates, mit dem eine der Parteien im Zweifel enger verbunden ist als die andere.118 Ganz grundsätzlich ist außerdem die Dauer eines Schiedsverfahrens im Vergleich zum staatlichen Verfahren häufig kürzer, die Parteien können also früher mit einer Sachentscheidung rechnen.119 Dies wird dadurch unterstrichen, dass im Schiedsverfahren grundsätzlich nur eine Instanz entscheidet.120 Das Schieds­ verfahren kann auch dann von Vorteil sein, wenn die Parteien eine aufmerksa­ me Öffentlichkeit fürchten, denn Schiedsverfahren sind nicht öffentlich und auch Schiedssprüche werden nur mit Zustimmung der Parteien veröffentlicht.121 Weiterhin bevorzugen manche Parteien gerade in internationalen Streitigkeiten die Schiedsgerichtsbarkeit, weil sie so freier in der Verfahrensgestaltung sind und „das Schiedsgericht von den Fesseln der ZPO oder einer anderen Prozess­ ordnung“ befreit ist.122 In einigen Fällen hoffen die Parteien auch, mit der Durchführung eines Schiedsverfahrens Kosten zu sparen.123 Ob das Schieds­ verfahren jedoch tatsächlich günstiger ist als ein staatliches Verfahren, hängt stark vom Einzelfall ab, vor allem weil angesichts der unterschiedlichen Vergü­ tungsregeln in Schiedsrichterverträgen und Schiedsordnungen kaum eine allge­ meine Aussage über die durchschnittlichen Kosten des Schiedsverfahrens ge­ troffen werden kann. In vielen Fällen wird das Schiedsverfahren eher kostspie­ Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl. 2008, S.  34 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  30. 117  Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  79 ff.; Lachmann, Hand­ buch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl. 2008, S.  37 ff.; Mankowski, IPRax 2009, 23, 27; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  31. 118  Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  72 ff.; Mankowski, IPRax 2009, 23, 27. 119  Dazu Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  85 ff. 120  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  32. 121  Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  88 f.; Lachmann, Hand­ buch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl. 2008, S.  41 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  35. 122  So Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  34. Vgl. zu diesem Aspekt auch Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  83 ff.; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl. 2008, S.  40 f. 123  Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  85 ff.; Henn, Schiedsver­ fahrensrecht, 3.  Aufl. 2000, Rn.  463 ff. 116 

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liger sein als das staatliche Verfahren.124 Bei internationalen Streitigkeiten tritt mit der Freizügigkeit von Schiedssprüchen im Ausland ein weiterer gewichtiger Gesichtspunkt hinzu. Ausländische Schiedssprüche sind nämlich in vielen Staa­ ten leichter durchzusetzen als ausländische Gerichtsentscheidungen.125 In Deutschland verweist §  1061 Abs.  1 ZPO hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche auf das UNÜ. III.  Forum shopping – in a broad sense and as a matter of fact Eine genaue Definition wie auch Bewertung von forum shopping bereitet Schwierigkeiten. Den meisten Versuchen gemein ist aber, dass sie zu eng ausfal­ len und nur solche Handlungen meinen, die, wenn auch nicht unbedingt illegal, so doch zumindest anrüchig sind. So wird forum shopping als evil oder dirty word126 bezeichnet127 und es finden sich immer wieder Aussagen, das Ziel der Rechtsvereinheitlichung bestehe darin, forum shopping zu verhindern128. Ein ausuferndes forum shopping wird als ungerechtfertigte Begünstigung des Klä­ gers verstanden, die auf ein erträgliches Maß reduziert werden müsse.129 Wei­ Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  33. Nach Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl. 2008, S.  48 ist das Schiedsverfahren bei hohen Streitwerten häufig kostengünstiger, bei niedrigen Streitwerten teurer als ein gericht­ liches Verfahren. 125  Born, International Commercial Litigation, 2.  Aufl. 2014, S.  76 ff.; Dutson, 16 Arbitra­ tion International (2000), 89, 89; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3.  Aufl. 2008, S.  51; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  36. 126  So Lord Simon in der englischen Entscheidung The Atlantic Star [1974] A.C. 436, 471. 127  Vgl. auch die Angaben bei Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 294. Vgl. außerdem die Kritik bei Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the International Commercial Arbitration Context (2013), S.  1, 1 f. mit Rechtsprechungsnachwei­ sen. 128  So heißt es etwa, wie Ferrari herausarbeitet, im Giuliano/Lagarde-Bericht zum Euro­ päischen Schuldvertragsübereinkommen (Report on the Convention on the law applicable to contractual obligations. Official Journal C 282, 31 October 1980): „To prevent this ‚forum shopping‘ […] it would be advisable for the rules of conflict to be unified in fields of particu­ lar economic importance so that the same law is applied irrespective of the State in which the decision is given.“ Vgl. dazu Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the International Commercial Arbitration Context (2013), S.  1, 3; ders., 51 International and Comparative Law Quarterly (2002), 689, 689. Ebenso ist in Erwägungsgrund (4) zur EuInsVO die Rede davon, dass eines der zentralen Anliegen der Verordnung darin bestehe, zu verhindern, „dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstel­ lung anzustreben (sog. forum shopping).“ Vgl. dazu Huber, in: P. Gottwald (Hrsg.), Europäi­ sches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz (2008), S.  1, 3. 129  Kropholler, JZ 1983, 905, 907. 124 

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terhin geht man gemeinhin davon aus, forum shopping könne nur der Kläger betreiben, schließlich wähle er durch seine Klageerhebung ein bestimmtes Fo­ rum aus.130 Allerdings verdient forum shopping eine weitere Definition. Eine solche fin­ det sich bei Ferrari, der – allerdings im Zusammenhang mit dem Schiedsver­ fahrensrecht – schreibt: „[F]orum shopping shall be broadly defined as ‚the choice in favour of a given forum, based on the conviction that the chosen forum is the most favourable one for the purpose of reaching a given result‘.“131 Forum shopping beinhaltet also alle Fälle, in denen eine bewusste Wahl zugunsten ei­ nes bestimmten Gerichts oder Gerichtsstaats getroffen wird. Diese Sichtweise zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur der Kläger, sondern beide Parteien forum shopping betreiben können.132 Und für Gerichtsstands- und Schiedsver­ einbarungen bedeutet diese weite Definition, dass auch sie Ausdruck von forum shopping sind133, es sich also letztlich um vorweggenommenes forum shopping handelt134. Es ist also nicht nur der Kläger, der durch seine Klageerhebung forum shopping betreibt, sondern bereits die Vereinbarung eines bestimmten Ge­ richtsstands oder die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit ist von taktischen Erwä­ gungen getragen und der Abschluss der Vereinbarung selbst kann dabei für beide Parteien eine forum shopping-Handlung sein. Aus der weiten Definition folgt dann als logische Konsequenz, dass sich eine generelle Bewertung von forum shopping als anrüchig oder unethisch verbietet. Der Kläger kann in weitestem Maße zwischen den gegebenen konkurrierenden Zuständigkeiten wählen. Es kann daher grundsätzlich einer Partei nicht vorzu­ werfen sein, die ihr vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren zuständigen Gerichten auch auszunutzen, sondern stellt bloße Prozes­ staktik dar. Somit handelt es sich bei forum shopping nicht nur grundsätzlich um ein erlaubtes Verhalten135, welches sogar von der anwaltlichen Pflicht zur

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So auch im Urteil des Tribunale di Rimini, 26.11.2002 [oben Fn.  86]. Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the International Commercial Arbitra­ tion Context (2013), S.  1, 16; ders., in: Festschrift Magnus (2014), S.  385. 132  Diese Sichtweise teilen auch die US-amerikanischen Gerichte, vgl. Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the International Commercial Arbitration Context (2013), S.  1, 13 m. w. N. 133  So auch Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the International Commercial Arbitration Context (2013), S.  1, 16. 134  Samtleben, RabelsZ 46 (1982), 716, 717. Andere sprechen in diesem Zusammenhang vom Bedürfnis der Parteien nach forum planning, vgl. Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56. 135  Siehe etwa Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 144, demzufolge forum shopping legal, legitim und opportun ist. Vgl. auch Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  252, der forum shopping als „legal und völlig legitim“ bezeichnet. 131 

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bestmöglichen Beratung des Mandanten erfasst ist136. Vielmehr handelt es sich schlicht um ein Faktum – „forum shopping is a reality“137 – und die natürliche Konsequenz des Bestehens mehrerer konkurrierender Gerichtsstände.138 Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht auch Fälle gibt, in denen das Verhalten des Anwalts unethisch ist – dadurch wird aber nicht forum shopping als solches und in seiner begrifflichen Weite unethisch.139 Die Grenze der Legalität ist erst bei einer sog. Zuständigkeitserschleichung erreicht.140 Unzulässig soll es also sein, wenn der Kläger sich die Zuständigkeit eines Forums durch eine arglistige Handlung eröffnet oder sie bloß simuliert.141 Hier kann bisweilen mittels einer Schadensersatzklage gegen den Kläger vorgegangen werden.142 Anspruchs­ grundlage im deutschen Recht ist §  826 BGB.143 In anderen Fällen, welche diese Legalitätsgrenze nicht überschreiten, sind häufig nicht die Parteien zu kritisie­ ren, sondern vielmehr die Staaten, die sich einer Rechtsangleichung entgegen­ stellen oder exorbitante Gerichtsstände eröffnen.144 Die vielfältigen Facetten des forum shopping zeigen sich gerade an den hier untersuchten Fällen. Denn bei Zugrundelegung einer weiten Definition liegt ei­ nerseits im Abschluss einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung eine forum shopping-Handlung, andererseits betreibt die Partei, welche vor einem nicht gewählten Gericht Klage erhebt, abermals forum shopping, etwa um der 136  Vgl. auch Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 295. Diese Pflicht kann u. U. auch die Empfehlung an den Mandanten bedeuten, möglichst in den USA zu klagen, vgl. Geimer, EWiR 1986, 139, 140; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  32. Zur anwaltlichen Pflicht, forum shopping zu betreiben, vgl. auch Bassett, 84 North Carolina Law Review (2006), 333, 395: „[L]awyers ethically are compelled to seek the most favorable forum to further clients’ interests.“; Huber, in: P. Gottwald (Hrsg.), Euro­ päisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz (2008), S.  1, 3. 137  Siehe Tsang, 32 Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review (2010), 239, 267. Vgl. außerdem Ferrari, in: Ferrari (Hrsg.), Forum Shopping in the Interna­ tional Commercial Arbitration Context (2013), S.  1, 8. 138  Vgl. aber auch die Bewertung von forum shopping bei Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 293, der die Vorteile für die beteiligten Staaten hervorhebt: „What it means, though, in the ordinary comprehension, is a pleasant job both for the shop and the shopper: The shopper enjoys having the choice between different conveniences. And the shop tempts with a variety of offers, and benefits from any deal.“ 139  Siehe Ferrari, 51 International and Comparative Law Quarterly (2002), 689, 707; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 128. 140  Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  555 ff. 141  Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  110. 142  Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  111. 143  Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  117. 144  Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  27; Juenger, RabelsZ 46 (1982), 708, 709; Kropholler, in: Festschrift Firsching (1985), S.  165, 171 f.; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 139.

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originären forum shopping-Handlung entgegenzuwirken. Sogar Reaktionen der nicht vertragsbrüchigen Partei auf die Klageerhebung im forum derogatum, wie z. B. die Beantragung einer anti-suit injunction, werden als – in diesem Fall reverse oder negative – forum shopping bezeichnet.145 Der Abschluss einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung dient daher der Verhinderung von forum shopping durch die andere Partei und ist gleichsam selbst antizipiertes forum shopping. Die Vereinbarung wird nicht zufällig, son­ dern zweckgerichtet abgeschlossen, sei es, um generelle Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit zu erlangen, sei es in der Hoffnung auf ganz konkrete Vorteile. Der Vereinbarung können Vertragsverhandlungen zugrunde liegen und sie kann auch gegen Zugeständnisse in anderer Hinsicht, z. B. im Rahmen des materiellen Vertragsverhältnisses, erkämpft worden sein. Wer eine Ge­ richtsstands- oder Schiedsvereinbarung eingeht, handelt also entweder so, weil ihm sein Vertragspartner im Gegenzug andere Zugeständnisse macht oder weil es ihm selbst gerade darauf ankommt, dass ausschließlich vor dem gewählten Gericht oder den gewählten Gerichten geklagt werden kann. Dies ist bei der weiteren Untersuchung und bei der konkreten Fragestellung, ob die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatzansprüche auslösen kann, zu berücksichtigen.

D.  Die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung I.  Motive für die Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung 1. Überblick Ebenso wie die verschiedensten Erwägungen beim Abschluss einer internatio­ nalen Gerichtsstandsvereinbarung eine Rolle spielen können, veranlassen un­ terschiedliche Motive eine Partei dazu, eine zuvor abgeschlossene Gerichts­ standsvereinbarung zu missachten und Klage in einem eigentlich abgewählten Forum zu erheben. In manchen Fällen zieht der Kläger vor ein derogiertes Ge­ richt, weil er die Gerichtsstandsvereinbarung irrtümlich für unwirksam oder So z. B. von Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), Kap.  4, insb. S.  135, der alle Verhaltensweisen des Beklagten, durch welche dieser versucht, dem forum shopping des Klägers entgegenzuwirken, wie z. B. die Beantragung eines stay of proceedings oder eines dismissal, als reverse forum shopping oder negative forum shopping bezeichnet. Vgl. außerdem Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  56 ff. 145 

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aus anderen Gründen nicht bindend hält. In anderen Fällen weiß er um die Wirksamkeit der Vereinbarung oder hält sie zumindest für möglich, nimmt aber eine Verletzung der Vereinbarung aus taktischen Gründen in Kauf, weil er sich daraus bestimmte Vorteile erhofft. 2.  Ex post-opportunistisches Heimwärtsstreben Der häufigste Fall besteht in einer Klage vor einem eigentlich derogierten Ge­ richt des eigenen Heimatstaats. Sprechen nicht im Einzelfall bestimmte Gründe für eine Ausrichtung des forum shopping auf ein ausländisches Gericht – wegen prozessualer Vorteile oder weil das vom ausländischen Kollisionsrecht zur An­ wendung berufene materielle Recht in diesem Fall vorteilhafter wäre –, empfin­ det es der Kläger, wie bereits dargestellt, in aller Regel als vorteilhaft, vor einem heimischen Gericht zu prozessieren. Hier ist er vertraut mit dem geltenden Pro­ zess- und Kollisionsrecht und den Eigenheiten des Verfahrensgangs. Außerdem entgeht er auf diese Weise praktischen Nachteilen, wie etwa der Suche nach ei­ nem ausländischen Rechtsanwalt, der Anreise zum ausländischen Forum oder gar dem Prozessieren in einer fremden Sprache. Der Kläger, der vor einem de­ rogierten Heimatgericht Klage erhebt, weil er sich die Vorteile eines sog. pro­ zessualen Heimspiels erhofft, verhält sich daher ex post-opportunistisch.146 3.  Vorteile des vom angerufenen Gericht anzuwendenden Rechts Möglich ist es weiterhin, dass eine Partei vor einem derogierten Gericht Klage erhebt, weil sie sich bestimmte Vorteile aus dem dort anwendbaren Prozess-, Kollisions- bzw. materiellen Recht erhofft. Die Bandbreite möglicher Motive ist hier groß. In Betracht kommen all diejenigen Gründe, welche als generell mög­ liche Motive für forum shopping dargestellt worden sind. Der Kläger kann sich also direkte Vorteile des anwendbaren Rechts erhoffen, etwa ein bestimmtes Beweisverfahren oder die Gewährung hoher Schadenssummen. Möglich ist es allerdings auch, dass er gar nicht auf ein Verfahren in der Sache hofft, sondern die Erlangung indirekter Vorteile anstrebt. So kann er beispielsweise bestimmte Eigenheiten des anwendbaren Prozessrechts dazu ausnutzen wollen, auf die an­ dere Partei so viel Druck auszuüben, dass diese sich in einen Vergleich zwingen lässt. Besonders Klägern im US-amerikanischen Zivilprozess wird eine solche Taktik gelegentlich nachgesagt.147

146  147 

So Mankowski, IPRax 2009, 23, 24. Mehr dazu in Teil I §  5 B. II. 2. c), 4.

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4.  Verzögerungstaktiken in Form von Torpedo-Klagen Während die vertragsbrüchige Partei die Klage in den zuvor genannten Fall­ gruppen mit dem Ziel eines bestimmten Verfahrensausgangs erhebt oder weil sie in den Genuss sonstiger Vorteile des im Gerichtsstaat anwendbaren Rechts kommen möchte, das Verfahren also – abgesehen von dem zuletzt erwähnten Szenario, in welchem sie Vergleichsdruck auf den Prozessgegner auszuüben versucht – prinzipiell auch durchführen möchte, ist die Verletzung von Ge­ richtsstandsvereinbarungen in anderen Fällen gerade von dem Motiv getragen, möglichst lange überhaupt kein Verfahren in der Sache durchzuführen. Solche sog. Torpedo-Klagen dienen also nicht der Anspruchsdurchsetzung, sondern allein prozesstaktischen (Verzögerungs-)Erwägungen, wobei es auch in diesen Fällen möglich ist, dass der Kläger die andere Partei zu einem Vergleich zwin­ gen möchte.148 Die Torpedo-Taktik funktioniert folgendermaßen: Befürchtet eine der Partei­ en, in einen unliebsamen Prozess verwickelt zu werden, kann sie versuchen, der drohenden Leistungsklage der anderen Partei zuvorzukommen, indem sie selbst eine Klage mit demselben Streitgegenstand erhebt. In aller Regel wird es sich um eine negative Feststellungsklage handeln, mit der die Partei z. B. feststellen lassen möchte, dass der anderen Partei keine Ansprüche gegen sie zustehen. Dabei wird sie nicht vor das in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnete Ge­ richt ziehen, sondern ein Forum wählen, bei welchem die Durchführung des Verfahrens bzw. bereits die Klärung der Zuständigkeitsfrage erfahrungsgemäß besonders viel Zeit in Anspruch nimmt. Solche Verzögerungsklagen sind für die vertragsbrüchige Partei unter folgenden Bedingungen erfolgversprechend: Erstens kommt die Verzögerungstaktik nur dann zum Tragen, wenn das später im Wege der Leistungsklage angerufene Gericht an einen strikten lis alibi pendens-Grundsatz gebunden ist, nach dem Prioritätsprinzip also die anderweitige Rechtshängigkeit als Prozesshindernis zu beachten ist. Zweitens hindert die zu­ vor erhobene negative Feststellungsklage die Zulässigkeit einer später erhobe­ nen Leistungsklage nur dann, wenn die konkreten Voraussetzungen anderwei­ tiger Rechtshängigkeit erfüllt sind, also Identität der Parteien und der Streitge­ genstände angenommen wird und das erforderliche Feststellungsinteresse durch die später erhobene Leistungsklage nicht entfällt.149 Wenn diese Voraussetzun­ 148  Vgl. auch Mankowski, IPRax 2009, 23, 24, demzufolge solche Klagen häufig in einem nur mäßig effizienten Vergleich münden. 149  So aber nach der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach mit Erhe­ bung einer Leistungsklage das Feststellungsinteresse der zuvor erhobenen negativen Fest­ stellungsklage entfällt. Grundlegend RGZ 71, 68, 73 f.; RGZ 109, 351, 353; RGZ 151, 65, 66; fortgeführt von BGHZ 18, 22, 41; BGHZ 33, 398, 399; BGH, 28.06.1973, NJW 1973, 1500; BGH, 20.01.1989, NJW 1989, 2064; BGH, 08.02.1995, NJW 1995, 1758; ebenso OLG Hamm,

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gen erfüllt sind, kann es der nicht vertragsbrüchigen Partei nicht weiterhelfen, ihrerseits Klage vor dem gewählten Gericht zu erheben, weil dieses die Klage wegen des Einwands anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig abzuweisen oder jedenfalls die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts abzuwarten hätte. Selbst wenn das Erstgericht seine Zuständigkeit schließlich unter Aner­ kennung der Gerichtsstandsvereinbarung verneinen würde, kann bereits eine Jahre andauernde Lähmung des Rechtsstreits eingetreten sein.150 Mit dem Ziel der Verzögerung erhobene Feststellungsklagen werden auch als preemptive forum shopping bezeichnet.151 II.  Die Reaktion des abredewidrig angerufenen Gerichts 1. Überblick Erhebt eine Partei eine Klage vor einem durch eine ausschließliche Gerichts­ standsvereinbarung derogierten Gericht, kann grob zwischen zwei Fallgruppen unterschieden werden: Das abredewidrig angerufene Gericht kann sich entwe­ der für zuständig erklären und das Verfahren in der Sache durchführen oder nicht. Innerhalb der beiden Fallgruppen kann weiter differenziert werden: 2.  Die erste Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht verneint seine Zuständigkeit Wenn das Gericht die Vereinbarung für prozessual und materiellrechtlich zuläs­ sig und wirksam hält und auch keine Ermessenserwägungen gegen die Bin­ dungswirkung der Vereinbarung sprechen, wird es das Verfahren entweder aus­ setzen (stay of proceedings) oder seine eigene Zuständigkeit verneinen und das Verfahren in der Sache durch Prozessurteil abweisen. Denkbar ist auch der Fall, dass das angerufene Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung zwar für unwirk­ 28.08.1990, MDR 1991, 546; LG Düsseldorf, GRUR Int. 2002, 157, 162. Guter Überblick bei Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 135 ff. Auch nach Ansicht des BGH gibt es aber Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die spätere Leistungsklage die zuvor erhobene negative Feststel­ lungsklage unzulässig macht, vgl. Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 136 m. w. N. in Fn.  10 ff. Mehr dazu in Teil I §  4 C. I. 1. und §  5 B. I. 150  Aus der Rechtsprechung vgl. z. B. OLG Hamm, 22.11.1992, EWS 1993, 122; OLG München, RIW 1994, 511; OLG Hamm, IPRax 1995, 104; aus England vgl. die Entscheidung des Court of Appeal Sohio Supply Co. v. Gatoil (USA) Inc. [1989] 1 Lloyd’s Rep.  588. 151  Vgl. die Entscheidung des englischen Court of Appeal Saipem SpA v. Dredging VO2 B.V. and Geosite Surveys Ltd („The Volvox Hollandia“) [1988] 2 Lloyd’s Rep.  361, 364 (C.A.) und dazu Huber, Die englische forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (1994), S.  107 f.

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sam oder nicht bindend hält, die eigene Zuständigkeit aber dennoch aus anderen Gründen verneint. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn es nach den gesetzlichen Regeln der lex fori auch in Abwesenheit der Vereinbarung nicht zuständig wäre. 3.  Die zweite Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht bejaht seine Zuständigkeit a)  Nichtbeachtung der Vereinbarung Das eigentlich derogierte Gericht kann seine eigene Zuständigkeit aus unter­ schiedlichen Gründen entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung bejahen und das Verfahren in der Sache durchführen. Möglich ist zunächst der Fall, dass das angerufene Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung überhaupt nicht beachtet und prüft, etwa weil sich keine der Parteien auf die Vereinbarung beruft, und infolgedessen seine Zuständigkeit nach den gesetzlichen Regeln bejaht und das Verfahren durchführt. In diesem Fall wird häufig eine rügelose Einlassung der beklagten Partei die Zuständigkeit des Gerichts begründen. b)  Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarung nach der prozessualen lex fori Nach der sog. separability-Doktrin ist die Gerichtsstandsvereinbarung ein ei­ genständiger Vertrag, der in seiner Wirksamkeit vom materiellen Rechtsver­ hältnis zwischen den Parteien, also insbesondere dem Hauptvertrag, unabhän­ gig ist.152 Die Unwirksamkeit des Hauptvertrags führt demzufolge für sich ge­ nommen nicht zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.153 Die Gerichtsstandsvereinbarung kann aber aus anderen Gründen unwirksam sein. Zunächst kann das abredewidrig angerufene Gericht seine eigene, nach den ge­ setzlichen Regeln bestehende Zuständigkeit auch deshalb bejahen, weil es die Vereinbarung nach seiner prozessualen lex fori bzw. nach vereinheitlichtem 152 

Zur Selbstständigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach der EuGVVO bzw. dem EuGVÜ vgl. EuGH, 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa/Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rn.  28 ff.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  17, 91; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  13 und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  77 ff.; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 EuGVVO Rn.  39, jeweils m. w. N. Für Gerichtsstandsvereinbarungen nach §  38 ZPO vgl. etwa Patzina, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  38 Rn.  12 m. w. N. Zur Gel­ tung der separability-Doktrin im deutschen, englischen und US-amerikanischen autonomen Recht vgl. auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  126 f. m. w. N. 153  Bendtsen, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  38 Rn.  28; P. Gottwald, in: Festschrift H ­ enckel (1995), S.  295, 303; Jayme, IPRax 1989, 361, 362.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Prozessrecht für unwirksam hält. Denn jeder Staat beurteilt, in Abwesenheit von vereinheitlichtem internationalem Zivilprozessrecht, die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Vereinbarung autonom nach seinem Prozessrecht.154 Konkret kann also beispielsweise einer Gerichtsstandsvereinbarung die Wirksamkeit ab­ gesprochen werden, wenn sie nicht den Formerfordernissen des Art.  23 Abs.  1 und 2 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  25 Abs.  1 und 2 EuGVVO n. F.) genügt. Gleiches gilt für der ZPO unterliegende Gerichtsstandsvereinbarungen nach deren §  38 Abs.  2 S.  2. Ebenso sind sowohl im Rahmen der EuGVVO (Art.  23 Abs.  5 EuG­ VVO a. F. bzw. Art.  25 Abs.  4 EuGVVO n. F.) als auch der ZPO (§  40 Abs.  2 Nr.  2) keine Vereinbarungen möglich, durch welche ausschließliche Zuständig­ keiten derogiert würden. Nach Art.  23 Abs.  5 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  25 Abs.  4 EuGVVO n. F.) sind Gerichtsstandsvereinbarungen außerdem zum Schutz der schwächeren Partei – konkret Versicherungsnehmern, Verbrauchern und Ar­ beitnehmern –Grenzen gesetzt.155 Die prozessualen Grenzen der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen können aber über solche Vorgaben hinaus­ gehen. So lassen beispielsweise die brasilianischen Gerichte eine Abbedingung ihrer internationalen Zuständigkeit überhaupt nicht zu.156 Ebenfalls sehr zu­ rückhaltend bei der Bejahung der Zulässigkeit der Derogation ihrer eigenen Ge­ richte sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und viele islami­ sche Staaten.157 Außerdem gibt es in Staaten, die grundsätzlich ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten ausländischer Gerichte anerkennen, bestimmte (häufig inländerschützende) Normen, aufgrund derer die Derogation 154 

Vgl. für Deutschland BGH, 20.01.1986, NJW 1986, 1438, 1439; BGH, 24.11.1988, NJW 1989, 1431; OLG Karlsruhe, 09.10.1992, NJW-RR 1993, 567, 568; Nagel/P. Gottwald, IZPR, 7.  Aufl. 2013, §  3 Rn.  463; Parenti, ZfRV 2003, 221, 222; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  358. Eine gute Darstellung des lex fori-Grundsatzes und seiner Begründung findet sich bei G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  348 m. w. N. in Fn.  8 ff. Zur Geltung des Grundsatzes forum regit processum in den USA vgl. Heidenberger, RIW/AWD 1981, 374, 374; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery. Grundfragen des internationalen Zivilprozeßrechts (1989), S.  25; Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 633; Solimine, 25 Cornell International Law Journal (1992), 51, 78. 155  Vgl. dazu Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel IaVO Rn.  173 f. 156  Vgl. Samtleben, Länderbericht Brasilien, in: Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (2011), Rn.  1023.18; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  163; Stringer, 44 Columbia Journal of Transnational Law (2006), 959, 977 ff.; vgl. außerdem die Entscheidung des brasilianischen Superior Tribunal de Justiça, 19.08.2008 – Recurso Especial 804.306/SP und dazu Fialho de Oliveira, IPRax 2012, 170 ff. 157  Lenenbach, 20 Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review (1998), 257, 285; Krüger, RIW 1979, 737, 737; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  169 m. w. N. in Fn.  160 ff.

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in manchen Fällen unwirksam ist, wie z. B. in Deutschland §  40 Abs.  2 S.  1 ZPO. Die Prorogations- und Derogationsverbote der nationalen Rechtsordnun­ gen der Mitgliedstaaten, wie §  40 Abs.  2 S.  1 ZPO, werden aber im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten von der EuGVVO verdrängt.158 c)  Unwirksamkeit der Vereinbarung aus materiellrechtlichen Gründen Wenn das Gericht die Vereinbarung für prozessual zulässig und wirksam erach­ tet, kann es sie immer noch aus materiellrechtlichen Gründen für unwirksam befinden. Sowohl im Rahmen der EuGVVO159 als auch bei Gerichtsstandsver­ einbarungen nach §  38 ZPO160 gilt, dass zwar die prozessuale Zulässigkeit und Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen vom Prozessrecht geregelt werden, Fragen des inhaltlichen Zustandekommens jedoch nach materiellem Recht, dem sog. Prorogationsstatut, beurteilt werden. Dieses Prorogationsstatut kann entweder akzessorisch an die lex causae angeknüpft oder der lex fori, also dem Recht im Gerichtsstaat, bzw. der lex fori prorogati, also dem Recht des Staates des in der Vereinbarung bezeichneten Gerichts, entnommen werden.161 Unabhängig von der Frage, welcher Rechtsordnung das auf Gerichtsstandsver­ einbarungen anwendbare Prorogationsstatut zu entnehmen ist162 , kann die An­ erkennung der Vereinbarung durch das angerufene, aber nicht in der Vereinba­ rung benannte Gericht also auch daran scheitern, dass es die Vereinbarung aus materiellrechtlichen Gründen für unwirksam befindet. d)  Ordre public-Widrigkeit der Vereinbarung Selbst wenn das abredewidrig angerufene Gericht die Vereinbarung weder aus prozessualen noch aus materiellrechtlichen Gründen für unwirksam hält, kann Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  62 ff. Vgl. z. B. Gothot/Holleaux, Journal du droit international (Clunet) 1971, 747, 764; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.43; von Hoffmann, AWD 1973, 57, 63; Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 147 f.; Kropholler/ von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  28; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  41 und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  25 ff.; G. Müller, RIW 1977, 163, 164; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 279. 160  Vgl. BGH, 29.02.1968, NJW 1968, 1233; BGH, 24.10.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH, 20.01.1986, NJW 1986, 1438, 1439; BGH, 18.03.1997, NJW 1997, 2885, 2886. Siehe auch Parenti, ZfRV 2003, 221, 223; Schack, IPRax 1990, 19. 161  Vgl. zur Übersicht und zum Meinungsstreit bei Gerichtsstandsvereinbarungen nach §  38 ZPO Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183. Zum Prorogationsstatut vgl. außerdem Magnus, IPRax 2016, 521; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  120 ff. 162  Zum Prorogationsstatut von Gerichtsstandsvereinbarungen, die der EuGVVO unter­ liegen, vgl. Teil I §  4 B. III. 2. und Teil III §  11 E. II. 158  159 

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es die Vereinbarung am inländischen ordre public scheitern lassen.163 In diesen Fällen wird aus der Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines aus­ ländischen Gerichts und der damit einhergehenden Derogation der inländischen Gerichtszuständigkeit eine Verletzung wesentlicher Grundsätze des inländi­ schen Rechts abgeleitet. Dabei wird die ordre public-Widrigkeit jedoch nicht mit prozessualen Erwägungen, also der Umgehung der inländischen Zuständig­ keit, begründet, sondern – vor allem wenn die Gerichtsstandsvereinbarung von einer Rechtswahl zugunsten ausländischen Rechts begleitet wird – mit der dar­ aus folgenden Umgehung inländischen Sachrechts. Aus Deutschland liegen sowohl ein Urteil des OLG München164 als auch ei­ nes des BGH165 vor, in denen ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten US-amerikanischer Gerichte, die mit einer Rechtswahl zugunsten US-amerikanischer Teilrechtsordnungen verbunden gewesen waren, nicht aner­ kannt wurden. Zur Begründung führten beide Gerichte aus, andernfalls werde die Vorschrift des §  89b HGB (Handelsvertreterausgleich) umgangen, welche als Umsetzung der Art.  17 und 18 der Handelsvertreterrichtlinie166 zwingendes Recht sei. Zuvor hatte der EuGH in seiner Ingmar-Entscheidung167 die entspre­ chenden Bestimmungen der Richtlinie für international zwingend erklärt. Der Entscheidung des OLG München und der des BGH liegen dieselben Erwägun­ gen zugrunde, nämlich dass der Schutzzweck einer materiellrechtlichen Ein­ griffsnorm nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung umgangen werden dürfe. Die Einzelheiten dieser Problematik sind jedoch unklar, insbesondere ist nicht eindeutig, ob die Gerichtsstandsvereinbarung am materiellrechtlichen 163  Grundlegend zum ordre public und Gerichtsstandsvereinbarungen Basedow, in: Fest­ schrift Magnus (2014), S.  337; Redmann, Ordre public-Kontrolle von Gerichtsstandsverein­ barungen (2005); Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarun­ gen im autonomen Zuständigkeitsrecht (2005). Zur selben Problematik bei Schiedsvereinba­ rungen vgl. Kleinheisterkamp, RabelsZ 73 (2009), 818; ders., 3 World Arbitration and Mediation Review (2009), 91 sowie Quinke, SchiedsVZ 2007, 246. 164  OLG München, 17.05.2006, IHR 2006, 166 m. Anm. Emde, EWiR 2006, 621; Rühl, IPRax 2007, 294; Quinke, SchiedsVZ 2007, 246; Thume, IHR 2006, 169. 165  BGH, 05.09.2012, IHR 2013, 35 m. Anm. Antomo, IHR 2013, 225; Ayad/Schnell, BB 2012, 3103; Eckhoff, GWR 2012, 486. 166  Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter. Im Folgenden: „Handelsvertreterrichtlinie“. 167  EuGH, 09.11.2000, Rs. C-381/98, Slg. 2000, I-9305 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Technologies Inc.), NJW 2001, 2007 m. Anm. Freitag/Leible, RIW 2001, 287; Jayme, IPRax 2001, 190; Michaels/Kamann, EWS 2001, 301; Reich, EuZW 2001, 51; W.-H. Roth, 39 Com­ mon Market Law Review (2002), 369; A. Staudinger, NJW 2001, 1974; Verhagen, 51 Interna­ tional and Comparative Law Quarterly (2002), 135. Siehe auch umfassend Magnus, in: Stau­ dinger, Internationales Vertragsrecht I (Bearb. 2011), Art.  9 Rom I-VO, Rn.  40 ff.

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o­ rdre public nach Art.  6 EGBGB168 zu messen ist oder ob sich die Prüfung nach dem prozessualen, anerkennungsrechtlichen ordre public gemäß §  328 Abs.  1 Nr.  4 ZPO bzw. §  109 Abs.  1 Nr.  4 FamFG169 richtet.170 Ebenfalls können sich die staatlichen Gerichte über Schiedsvereinbarungen hinwegsetzen, wenn die Durchführung des Schiedsverfahrens dazu führen würde, dass materiellrechtliche Eingriffsnormen nicht zum Zuge kommen.171 So hatte sich das OLG München in der erwähnten Entscheidung172 mit einem Vertrag auseinanderzusetzen, der neben der Gerichtsstandsvereinbarung auch eine Schiedsvereinbarung enthielt. Unabhängig von der Frage, wie das Aufein­ andertreffen einer Gerichtsstands- mit einer Schiedsvereinbarung im selben Vertrag zu behandeln ist173, hielt das Gericht die Schiedsvereinbarung für ordre public-widrig. Ebenso hat mit derselben Begründung, wie sie auch von den deutschen Gerichten herangezogen wurde, die englische Queen’s Bench in Accentuate Ltd v. Asigra Inc174 eine Vereinbarung zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in Toronto, verbunden mit einer Rechtswahl zugunsten kanadischen Rechts, für unwirksam befunden, weil sonst die Bestimmungen der Handels­ vertreterrichtlinie hätten umgangen werden können.175 Neben der Handelsvertreterrichtlinie und ihren nationalen Umsetzungsvor­ schriften gibt es weitere Vorschriften, deren Eingriffscharakter zu einer Über­ lagerung von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen führen kann. Nen­ nenswert ist insbesondere Art. III (8) der Haag-Visby-Regeln176, wonach die Haftung des Konnossementsverfrachters gegenüber dem Befrachter für be­ stimmte Schäden vertraglich nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden 168  So insb. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht (2005), insb. S.  176 ff., 318 ff. Grundsätzlich zustimmend auch Kleinheisterkamp, RabelsZ 73 (2009), 818, 835 ff. 169  In diese Richtung Antomo, IHR 2013, 225, 232 ff.; Dathe, NJOZ 2010, 2196, 2197 f.; Quinke, SchiedsVZ 2007, 246, 249 f. (für Schiedsvereinbarungen); Rühl, IPRax 2007, 294, 298. 170  Vgl. zum Ganzen Antomo, IHR 2013, 225, 230 ff. 171  Zum Verhältnis zwischen Schiedsvereinbarungen und Eingriffsnormen vgl. Kleinheisterkamp, RabelsZ 73 (2009), 818; ders., World Arbitration and Mediation Review 3 (2009), 91. 172  OLG München, 17.05.2006, IHR 2006, 166. 173  Dazu Stebler, ASA Bull. 1/2013, 27. 174  Accentuate Ltd v. Asigra Inc. [2009] EWHC 2655 (Q.B.). Vgl. dazu Dundas, 76 Arbit­ ration (2010), 159; Dutson/Berger, 14 International Arbitration Law Review (2011), 73. 175  Siehe dazu Kleinheisterkamp, RabelsZ 73 (2009), 818 sowie Quinke, SchiedsVZ 2007, 246. Weitere Fallbeispiele aus dem common law finden sich bei Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  295 ff. 176  Übereinkommen vom 28. August 1924 zur Vereinheitlichung von Regeln über Kon­ nossemente (RGBl. 1939 II, S.  1049).

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

darf.177 Um die Durchsetzung dieser Vorschrift zu sichern, hat das House of Lords in seiner Entscheidung The Hollandia178 eine an sich wirksame Gerichts­ standsvereinbarung für nicht bindend befunden. In Deutschland wurden früher außerdem die §§  53, 61 BörsG a. F. von 1984 als international zwingende Nor­ men angesehen und in mehreren Fällen von Verträgen über Termingeschäfte an ausländischen Börsen Gerichtsstandsvereinbarungen für nicht bindend erklärt, die andernfalls verbunden mit einer Rechtswahl zur Folge gehabt hätten, dass das ausländische Gericht den Termin- und Differenzeinwand nicht beachtet hät­ te.179 1998 entschied der BGH180 allerdings, dass der Termin- und der Differen­ zeinwand nach Änderung der §§  53, 58 und 61 BörsG durch die Börsengesetz­ novelle 1989 bei im Ausland geschlossenen Börsentermingeschäften durch nicht aufklärungsbedürftige, nicht termingeschäftsfähige Inländer nicht mehr zum deutschen ordre public international gehöre, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines ausländischen Urteils im Inland ausschließt. Für inter­ national zwingend befindet das deutsche Schrifttum hingegen bestimmte Vor­ schriften des deutschen Kartellrechts, z. B. §  130 Abs.  2 GWB.181 e)  Keine Bindung an die Vereinbarung aufgrund einer Ermessensentscheidung Abgesehen von der ordre public-Kontrolle werden Gerichtsstandsvereinbarun­ gen in einigen Staaten außerdem einer weiteren ermessensbasierten Kontrolle unterzogen, wohingegen eine solche ermessensbasierte Prüfung von Gerichts­ standsvereinbarungen dem Regime der EuGVVO fremd ist.182 Diese verschie­ denen Ansätze wurzeln, wie noch näher dargestellt werden soll, in einem unter­ schiedlichen Verständnis von Gerichtsstandsvereinbarungen. Während Ge­ richtsstandsvereinbarungen im deutschen und vereinheitlichten europäischen Recht zuständigkeitsbegründend wirken und alle nach den gesetzlichen Vor­ schriften eigentlich zuständigen Gerichte automatisch unzuständig werden, kommt ihnen in anderen Staaten keine solch starke Wirkung zu. Sowohl in Eng­ 177 

In Deutschland ist die Vorschrift über §  662 BGB umgesetzt worden. Vgl. dazu BGH, 21.12.1970, NJW 1971, 325; BGH, 08.02.1971, NJW 1971, 985; BGH 30.05.1983, NJW 1983, 2772. 178  The Hollandia [1982] 3 WLR 1111 (H. L.). 179  BGH, 12.03.1984, NJW 1984, 2037 (Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinba­ rung) m. Anm. G. Roth, IPRax 1985, 198; BGH, 15.06.1987, NJW 1987, 3193 f. (Unwirksam­ keit einer Schiedsvereinbarung) und dazu kritisch Samtleben, IPRax 1989, 148, 150. 180  BGH, 21.04.1998, NJW 1998, 2358, 2359. 181  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  73 m. w. N. 182  Mehr zum Ausschluss einer Ermessensprüfung im Rahmen der EuGVVO in Teil I §  4 B. IV.

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land als auch in den USA nimmt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung den eigentlich zuständigen Gerichten nicht automatisch ihre Zuständigkeit, son­ dern hat dogmatisch betrachtet lediglich den Effekt, dass den Gerichten das Ermessen eröffnet ist, von der gesetzlichen Zuständigkeit keinen Gebrauch zu machen.183 Das angerufene Gericht prüft in diesen Fällen nicht nur die Wirk­ samkeit der Vereinbarung im engeren Sinne, sondern darüber hinaus, ob es sich bei dem gewählten Gericht um ein appropriate forum für die Entscheidung des Rechtsstreits handelt. Die Kriterien, welche für diese Ermessensentscheidung herangezogen werden, können unterschiedlich sein, ebenso ist der Ermessens­ spielraum unterschiedlich groß. Solche ermessensbasierten Entscheidungen sind etwa in England bezogen auf Vereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte184, in Singapur185 und in den USA186 möglich. In der Praxis sind wohl die meisten Fälle, in denen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung vom forum derogatum nicht anerkannt wird, dieser Fallgruppe zuzurechnen.187

183  Briggs, in: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5.  Aufl. 2009, Rn.  4.10 und 8.10. In der Praxis wird das Ermessen aber in den meisten Fällen dahingehend ausgeübt, dass Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Staaten anerkannt werden. Mehr zur Rechtslage in England und in den USA in Teil I §  5 D. und in Teil II §  8 B. II. 184  Vgl. grundlegend die Entscheidung des High Court vom 31.01.1969 in Owners of cargo lately laden on board the Eleftheria v. the Eleftheria (owners) („The Eleftheria“) [1969] 1 Lloyd’s Rep.  237. Vgl. außerdem die Entscheidungen Carvalho v. Hull, Blyth (Angola) Ltd [1979] 1 WLR 1228, 1238; The Hollandia [1982] 3 WLR 1111 (H. L.) (Umgehung zwingenden englischen Rechts); The Sennar (No. 2) [1985] 2 All E.R. 104 (H. L.). Allerdings wird das Gericht nur selten die Derogation nicht anerkennen, vgl. The Pioneer Container [1994] 2 All E.R. 250. Ein guter Überblick zum englischen Recht findet sich bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  27 ff. Vgl. außerdem Briggs, Agreements on Jurisdic­ tion and Choice of Law (2008), S.  198 ff.; P. Gottwald, in: Festschrift Firsching (1985), S.  89, 90 ff.; Kahn-Freund, 26 International and Comparative Law Quarterly (1977), 825; Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 317. Mehr zur Rechtslage in England in Teil II §  8 B. II. 185  Vgl. dazu Briggs, 11 Singapore Year Book of International Law (2007), 123. 186  Vgl. die Darstellung in Teil I §  5 D. 187  Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  315: „The most likely manner in which a party may seek to subvert the operation of an exclusive jurisdiction clause is through an appeal to the discretion of the court, more precisely, through an appeal to the court not to exercise its discretion and to decline to stay proceedings.“

§  4 Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten A.  Überblick Das vierte Kapitel befasst sich mit der Durchsetzbarkeit von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO. Behandelt werden solche Fälle, in denen eine Gerichtsstandsverein­ barung zugunsten eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats (z. B. zugunsten der deutschen Gerichte) durch Klageerhebung vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verletzt wird. Im Folgenden wird zunächst aufgezeigt, dass im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO ein abredewidrig handelnder Kläger kaum einen Grund zu der Hoffnung haben kann, das derogierte Gericht werde eine an sich wirksame Gerichtsstandsvereinbarung missachten und das Verfahren in der Sa­ che durchführen. Denn die mitgliedstaatlichen Gerichte beurteilen Zulässigkeit und Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich nach den­ selben Kriterien. Es gibt also kaum direkte Anreize, bei Vorliegen einer wirksa­ men Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats vor ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zu ziehen (B.). Bislang ergaben sich dagegen aus der strikten Prioritätsregel des Art.  27 EuGVVO a. F. indirekte Anreize für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen, indem es die Vorschrift taktisch agierenden Klägern ermöglichte, die Beilegung eines Rechtsstreits durch eine Klage im derogierten Gericht zu verzögern bzw. zu lähmen. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten waren deshalb bisher die sog. Torpedo-Fälle am problematischsten. Allerdings dürfte sich die Problema­ tik durch die Reform der EuGVVO weitgehend entschärft haben (C.). Darauf folgt eine Gesamtbetrachtung der Nachteile, welche der abredewidrig verklag­ ten Partei auch unter Zugrundelegung der neuen Rechtslage wegen der Verlet­ zung der Gerichtsstandsvereinbarung entstehen können (D.). Vergleichend wird schließlich die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen umrissen (E.).

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B.  Keine direkten Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung I.  Folgen aus der Definition der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Nach der in der Einleitung zugrunde gelegten Definition liegt dann eine Verlet­ zung bzw. Missachtung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor, wenn aus Sicht des in der Vereinbarung benannten Gerichts eine wirksame in­ ternationale Gerichtsstandsvereinbarung besteht, die Vereinbarung ausschließ­ lich ist und eine der Parteien dennoch vor einem anderen, nicht in der Vereinba­ rung bezeichneten Gericht Klage erhoben hat.1 Wenn die Vereinbarung also auch aus Sicht des gewählten Gerichts aus irgendeinem Grund unwirksam ist, liegt in der Klageerhebung vor einem nicht bezeichneten Gericht folglich keine Missachtung. Daher muss zunächst untersucht werden, in welchen Fällen eine Gerichts­ standsvereinbarung nach Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. un­ wirksam ist, sodass eine Missachtung von vornherein ausscheidet. Dabei ist schwerpunktmäßig von Interesse, welche die Wirksamkeit einer Gerichtsstands­ vereinbarung betreffenden Aspekte von den Gerichten verschiedener Mitglied­ staaten unterschiedlich beurteilt werden können und welche Fragen von allen Gerichten einheitlich beurteilt werden müssen. Denn wenn eine Wirksamkeits­ voraussetzung der Gerichtsstandsvereinbarung je nachdem, in welchem Mit­ gliedstaat Klage erhoben wird, unterschiedlich beurteilt werden kann, eröffnet sich der taktisch handelnden Partei die Möglichkeit, die Vereinbarung durch Klageerhebung vor einem Gericht, welches sie voraussichtlich für unwirksam befinden wird, zu unterlaufen. Wie schon dargestellt, handelt es sich nach der sog. separability-Doktrin bei Gerichtsstandsvereinbarungen um eigenständige Verträge, die in ihrer Wirk­ samkeit vom Hauptvertrag unabhängig sind. Das gilt auch für Gerichtsstands­ vereinbarungen nach der EuGVVO2 , wie nunmehr Art.  25 Abs.  5 EuGVVO n. F. – nach dem Vorbild in Art.  3 lit.  d) HGÜ – ausdrücklich klarstellt. Die Unwirk­ samkeit einer EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarung kann sich also aus einer Verletzung der von der EuGVVO selbst aufgestellten Anforderungen an die Zu­ 1 

Vgl. §  1 C. I. 1. EuGH, 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa/Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rn.  28 ff.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  17, 91; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation (2015), Art.  25 Rn.  140; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  13 und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  77 ff.; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 EuGVVO Rn.  39. 2 

§ 4 – B.  Keine direkten Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung

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lässigkeit oder Form der Gerichtsstandsvereinbarung oder aus materiellrecht­ lichen Gründen ergeben, nicht aber allein aus der Ungültigkeit des Hauptver­ trags. II.  Unzulässigkeit oder Formunwirksamkeit von EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarungen Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht das Ziel des Art.  23 EuGVVO a. F. – und somit auch des neuen Art.  25 EuGVVO n. F. – darin, das zuständige Ge­ richt klar und eindeutig bestimmen zu können3, wobei das Gericht zum Zwecke der Rechtssicherheit in der Lage sein soll, allein anhand der EuGVVO, mithin „ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen“, seine Zuständigkeit zu be­ stimmen.4 Deshalb regelt Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. selbst abschließend die Voraussetzungen an die prozessuale Zulässigkeit sowie die Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen.5 Prorogationsverbote oder zusätzliche Zulässigkeitsanforderungen, die sich aus den nationalen Rechtsord­ nungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind daneben nicht anwendbar.6 Konkret bedeutet dies, dass zunächst bestimmte Zulässigkeitsanforderungen, die in Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. normiert sind, erfüllt sein müssen. Eine solche Wirksamkeitsvoraussetzung ist das Bestimmtheits­ gebot in Art.  23 Abs.  1 S.  1 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. Die Parteien müssen die Vereinbarung bezogen auf eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder hinsichtlich einer künftigen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringenden Rechtsstreitigkeit geschlossen haben. Durch das Bestimmtheitsgebot sollen vor allem schwächere Parteien davor geschützt werden, sich durch den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen bereits für Streitigkeiten aus zukünftigen, noch nicht absehbaren Rechtsgeschäften zu EuGH, 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa/Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rn.  4, 29. 4  EuGH, 22.03.1983, Rs. C-34/82 (Martin Peters Bauunternehmung GmbH/Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging), Slg. 1983, 987, Rn.  17; EuGH, 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd/Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2913, Rn.  20; EuGH, 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa/Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rn.  27; EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  48. 5  Vgl. zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art.  23 EuGVVO a. F. auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  86 ff. 6  EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/ Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  51; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  19 ff.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  11 ff. und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  62 ff. 3 

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binden.7 Außerdem müssen das gewählte Gericht bzw. die gewählten Gerichte unzweideutig ermittelt werden können, die Vereinbarung muss also zumindest objektive Anzeichen enthalten, anhand derer das gewählte Gericht oder die ge­ wählten Gerichte bestimmt werden können.8 Nicht erforderlich ist hingegen, dass zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem gewählten Gericht ein inhaltlicher Bezug oder eine sonstige Verbindung besteht.9 Weiterhin ist nach Art.  23 Abs.  5 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 Abs.  4 EuGVVO n. F. keine Deroga­ tion der in Art.  22 EuGVVO a. F. bzw. Art.  24 EuGVVO n. F. normierten aus­ schließlichen Zuständigkeiten und nur eine begrenzte Derogation der Zustän­ digkeiten zum Schutz schwächerer Parteien (Versicherungsnehmer, Verbrau­ cher und Arbeitnehmer) möglich.10 Die EuGVVO bestimmt aber nicht nur über die Zulässigkeit, sondern in Art.  23 Abs.  1 S.  3, Abs.  2 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 Abs.  1 S.  3, Abs.  2 EuG­ VVO n. F. auch abschließend über die Formerfordernisse von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen.11 Die Formerfordernisse sollen sicherstellen, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht.12 Deshalb stellen Form und Einigung eine Einheit dar.13 Danach muss die Vereinbarung schrift­ lich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen werden (Abs.  1 S.  3 lit.  a)), in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind (lit.  b)), oder im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder ken­ nen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten (lit.  c)). Ist eine s­ olche handelsgebräuchliche Form gewahrt, wird nach der Rechtsprechung des EuGH vermutet, dass eine Willenseinigung zwischen den Parteien vor­ 7  Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.102. 8  Dazu Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  87 m. w. N. 9  EuGH, 17.01.1980, Rs. C-56/79 (Siegfried Zelger/Sebastiano Salinitri), Slg. 1980, 89, Rn.  4; EuGH, 20.02.1997, Rs. C-106/95 (MSG, Mainschiffahrts-Genossenschaft eG/Les Gravières Rhénanes SARL), Slg. 1997, I-911, Rn.  34; EuGH, 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa/Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rn.  28. 10  Siehe bereits oben Teil I §  3 D. II. 3. b). 11  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  87. 12  EuGH, 24.06.1981, Rs. C-150/80 (Elefanten Schuh GmbH/Pierre Jacqmain), Slg. 1981, 1671, Rn.  24; EuGH, 20.02.1997, Rs. C-106/95 (MSG, Mainschiffahrts-Genossenschaft eG/ Les Gravières Rhénanes SARL), Slg. 1997, I-911, Rn.  15; EuGH, 09.11.2000, Rs. C-387/98 (Coreck Maritime GmbH/Handelsveem BV u. a.), Slg. 2000, I-9337, Rn.  13; EuGH, 07.07.2016, Rs. C-222/15 (Hőszig Kft./Alstom Power Thermal Services), Rn.  36 ff. 13  Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  76; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  27.

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liegt.14 Aber auch bei Einhaltung der übrigen Formerfordernisse wird es in der Praxis schwer bis unmöglich sein, den Nachweis einer fehlenden Willenseini­ gung zu führen.15 Abs.  2 stellt solche elektronischen Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, der Schriftform gleich. Ist eine dieser Voraussetzungen, die in Art.  25 EuGVVO n. F. unverän­ dert bleiben, nicht erfüllt, muss das angerufene Gericht der Vereinbarung die Wirksamkeit absprechen.16 Indem alle mitgliedstaatlichen Gerichte an die Zulässigkeits- und Formvor­ schriften aus Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. gleichermaßen gebunden sind, ist – abgesehen von den Fällen, in denen einem Gericht bei der Rechtsanwendung ein Fehler unterläuft – sichergestellt, dass die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarung aus Sicht aller mitgliedstaatlichen Gerichte gleich beurteilt wird. Nach dem Gesetz ist es also grundsätzlich nicht möglich, dass ein abredewidrig angerufenes mitgliedstaatliches Gericht Zulässigkeit und Formwirksamkeit der Vereinbarung anders beurteilt, als das in der Vereinba­ rung bezeichnete Gericht diese Aspekte beurteilen würde. Folglich ist forum shopping durch Klageerhebung im forum derogatum mit dem Ziel, das angeru­ fene Gericht werde eine eigentlich zulässige und formwirksame Gerichtsstands­ vereinbarung nach seinem Recht für unwirksam befinden, im Verhältnis zwi­ schen den EuGVVO-Mitgliedstaaten nicht erfolgversprechend. III.  Unwirksamkeit von EuGVVO-Gerichtsstandsvereinbarungen aus materiellrechtlichen Gründen 1.  Anwendbarkeit des materiellen Rechts In den vergangenen Jahren war allerdings teilweise unklar, ob neben den von der EuGVVO selbst vorgesehenen Wirksamkeitsvoraussetzungen auch das materi­ elle Recht über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung entschei­ det.17 Aus den Ausführungen des EuGH, es müsse ohne in eine Sachprüfung einzutreten über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung entschie­ den werden, konnte nämlich durchaus gefolgert werden, Gerichtsstandsverein­ EuGH, 20.02.1997, Rs. C-106/95 (MSG, Mainschiffahrts-Genossenschaft eG/Les Gravières Rhénanes SARL), Slg. 1997, I-911, Rn.  19. 15  Ähnlich Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Han­ delsverkehr (2007), S.  65; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäi­ schen Zivilprozessrecht (2010), S.  166. 16  Zu den einzelnen Zulässigkeits- und Wirksamkeitsvoraussetzungen nach Art.  23 EuGV­VO a. F. vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  86 ff., 145 ff. 17  Darstellung des Streitstands bei Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183, 184 ff. 14 

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barungen seien abschließend von Art.  23 EuGVVO a. F. geregelt.18 Richtiger­ weise ging die bislang herrschende Meinung in Europa aber davon aus, dass Art.  23 EuGVVO a. F. noch Raum für die Anwendung materiellen Rechts lässt: Zwar erkannte diese Ansicht, dass Art.  23 EuGVVO a. F. durch das Merkmal der „Vereinbarung“ Anspruch auf die Regelung einer zumindest grundsätzlich vor­ liegenden Willenseinigung erhebt19 und damit bereits ein materielles Element enthält20. Ebenso war klar, dass auch die von Art.  23 EuGVVO a. F. abschließend geregelten Formvorschriften ein materielles Element aufweisen.21 Über das kon­ krete Zustandekommen dieser materiellen Willenseinigung und alle weiteren in der Norm nicht erwähnten Voraussetzungen sollte jedoch das dem nationalen Recht zu entnehmende sog. Prorogationsstatut entscheiden.22 Dies wird nun durch den Wortlaut von Art.  25 EuGVVO n. F., der ausdrücklich die Möglichkeit der materiellen Nichtigkeit der Vereinbarung erwähnt, bestätigt.23 Das materielle Recht soll etwa über den Zugang von Willenserklärungen 24, über Willensmängel25, über Fragen der Widerruflichkeit von Willenserklärun­ 18  In diese Richtung etwa Merrett, 58 International and Comparative Law Quarterly (2009), 545, 549 ff. Vor allem in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen nach Handels­ brauch (Art.  23 Abs.  1 lit.  c) EuGVVO a. F.) wurde vertreten, eine Anwendung des materiel­ len Rechts vollständig auszuschließen, z. B. von Stöve, Gerichtsstandsvereinbarungen nach Handelsbrauch (1993), S.  23. 19  Vgl. Lindacher, in: Festschrift Schlosser (2005), S.  491, 496. Noch weiter Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 144. 20  Vgl. schon Generalanwalt Capotorti in seinen Schlussanträgen vom 17.11.1976 zu Rs. C-25/76 (Firma Galeries Segoura SPRL/Firma Rahim Bonakdarian), Slg. 1976, 1851. Vgl. außerdem Adolphsen, ZZP Int. 4 (1999), 243, 247; Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 145; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  39; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 279 ff. 21  Noch weiter Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 145, der vom „doppelten Charakter“ der Form­ vorschriften spricht. Aus der Formstrenge folgt also, dass alle materiellen Begriffe, die un­ lösbar eng mit den von der EuGVVO selbst geregelten Formvoraussetzungen verbunden sind, einheitlich vertragsautonom ausgelegt werden müssen, vgl. Adolphsen, ZZP Int. 4 (1999), 243, 247; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 279 ff. 22  Vgl. jüngst BGH, 25.03.2015, ZIP 2015, 1545. Vgl. aus dem Schrifttum Gothot/Holleaux, Journal du droit international (Clunet) 1971, 747, 764; Grunsky, RIW 1977, 1, 6; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.43 ff.; von Hoffmann, AWD 1973, 57, 63; Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 147 f.; Kropholler/ von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  28; Laumann, EWS 2005, 556; Mankowksi, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  41; G. Müller, RIW 1977, 163, 164; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 279; Saenger, in: Festschrift Sandrock (2000), S.  807, 810. Vgl. für weitere Nachweise auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  142. 23  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  146. 24  OLG Karlsruhe, RIW 2001, 621, 622. 25  Kubis, IPRax 1999, 10, 12.

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gen und Vertrag26 wie auch über die Beendigungen des Vertrags durch Kündi­ gung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage27 entscheiden. Darüber hinaus zog der EuGH das materielle Recht auch für die Frage der Verlängerung der Lauf­ zeit einer Gerichtsstandsvereinbarung28, hinsichtlich der Wirksamkeit einer Ab­ rede zwischen mehreren Parteien 29 sowie bezüglich Fragen der Rechtsnachfolge in Verträge30 heran. Kürzlich hat der EuGH allerdings in der Rechtssache Refcomp entschieden, dass eine zwischen Hersteller und Erwerber vereinbarte Ge­ richtsstandsvereinbarung dem späteren Erwerber grundsätzlich nicht entgegen­ gehalten werden könne, es sei denn, es stehe fest, dass dieser Dritte der Klausel unter den in Art.  23 EuGVVO a. F. genannten Bedingungen tatsächlich zuge­ stimmt habe.31 Diese Frage überließ der Gerichtshof also nicht dem autonomen nationalen Recht. Ebenfalls finden sich EuGH-Entscheidungen zum Bestehen eines internationalen Handelsbrauchs für einen bestimmten Geschäftszweig.32 Außerdem gibt es Teilaspekte, die nicht dem Prorogationsstatut unterliegen, sondern wiederum nach einem eigenen Statut beurteilt werden, etwa Fragen der Stellvertretung33 oder Geschäftsfähigkeit.34 Es spricht nichts dagegen, dass die­ se Grundsätze für Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. unverändert fortgelten.

26  Dazu Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  147. 27  Hau, IPRax 1999, 232, 235. 28  EuGH, 11.11.1986, Rs. C-313/85 (SpA Iveco Fiat/Van Hool NV), Slg. 1986, 3337, Rn.  10. 29  EuGH, 10.03.1992, Rs. C-214/89 (Powell Duffryn plc/Wolfgang Petereit), Slg. 1992, I-1745, Rn.  20 f.: Aufnahme einer Gerichtsstandsvereinbarung in die Satzung einer Gesell­ schaft. 30  EuGH, 19.06.1984, Rs. C-71/83 (Partenreederei Ms Tilly Russ u. a./NV Haven- & Vervoerbedrijf Nova u. NV Goeminne Hout), Slg. 1984, 2417; EuGH, 09.11.2000, Rs. C-387/98 (Coreck Maritime GmbH/Handelsveem BV u. a.), Slg. 2000, I-9337, Rn.  20 ff. 31  EuGH, 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA/Axa Corporate Solutions Assurance SA u.a), Rn.  41 m. Anm. Weller, IPRax 2013, 501. 32  EuGH, 20.02.1997, Rs. C-106/95 (MSG, Mainschiffahrts-Genossenschaft eG/Les Gravières Rhénanes SARL), Slg. 1997, I-911; EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597. 33  Vgl. jüngst BGH, 25.03.2015, ZIP 2015, 1545; Hausmann, in Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.46; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  155. 34  Vgl. Hausmann, in Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.46 m. w. N.; Mankowksi, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  43 f. und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  47 ff. und 156. Für das Schiedsstatut ebenso Geimer, IPRax 2006, 233, 235 f.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

2.  Problematische Ermittlung des Prorogationsstatuts a)  Die bisherige Rechtlage Welcher Rechtsordnung die auf die genannten Fragen anwendbaren materiell­ rechtlichen Vorschriften entnommen werden sollten, war jedoch bislang un­ klar.35 Problematisch war bereits, auf welche Weise das anwendbare Recht be­ stimmt werden sollte, da Gerichtsstandsvereinbarungen sowohl aus dem An­ wendungsbereich des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EVÜ)36 als auch aus der Rom I-VO (Art.  1 Abs.  2 lit.  e)) ausgenom­ men waren bzw. sind. In Betracht kamen grundsätzlich die lex causae, deren Anwendung wohl der herrschenden Meinung in Rechtsprechung37 und Litera­ tur38 entsprach, die lex fori des angerufenen Gerichts39 oder die lex fori des ge­ wählten Gerichts als sog. lex fori prorogati40. Der EuGH machte 1986 auf eine Vorfrage des belgischen Hof van Cassatie hin die Verlängerung der Geltungs­ dauer einer befristeten Gerichtsstandsvereinbarung von der stillschweigenden Verlängerbarkeit des Hauptvertrags abhängig41 und hielt erneut 1992 in der Rechtssache Petereit die lex causae für anwendbar mit der Begründung, an­ dernfalls bestünde die Gefahr, dass für Rechtsstreitigkeiten aus demselben rechtlichen und tatsächlichen Verhältnis mehrere Zuständigkeiten begründet würden, was gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen würde42. Weil der EuGH in beiden Fällen mit den Besonderheiten des Einzelfalls argumentier­ te, konnte daraus jedoch keine allgemeinverbindliche Regel abgeleitet werden, dass das Prorogationsstatut grundsätzlich der lex causae zu entnehmen sei. Vgl. zum Streitstand Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183, 187 f. Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980, in Deutschland umgesetzt durch die Art.  27 ff. EGBGB a. F., die seit dem 17.12.2009 aufgehoben sind durch Art.  1 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr.  593/2008 vom 25.06.2009 (BGBl. 2009 I, S.  1574). 37  Vgl. EuGH, 10.03.1992, Rs. C-214/89 (Powell Duffryn plc/Wolfgang Petereit), Slg. 1992, I-1745, Rn.  20. Jedenfalls in diese Richtung bereits EuGH, 24.06.1981, Rs. C-150/80 (Elefanten Schuh GmbH/Pierre Jacqmain), Slg. 1981, 1671, Rn.  29. 38  P. Gottwald, in: Festschrift Henckel (1995), S.  295, 302 m. w. N. in Fn.  49; Grunsky, RIW 1977, 1, 7; Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 148; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  41; ders., IPRax 1996, 427, 430; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 282; wohl auch Saenger, ZZP 110 (1997), 477, 483. 39  Z. B. Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen (1994), S.  66 ff., 82. 40  Vgl. die Argumente für eine Anknüpfung an die lex fori prorogati in Teil III §  11 E. II. 3. 41  EuGH, 11.11.1986, Rs. C-313/85 (SpA Iveco Fiat/Van Hool NV), Slg. 1986, 3337, Rn.  10. 42  EuGH, 10.03.1992, Rs. C-214/89 (Powell Duffryn plc/Wolfgang Petereit), Slg. 1992, I-1745, Rn.  20. 35 

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Weil die Frage des anwendbaren Rechts bislang ungeklärt war, war es mög­ lich, dass die Gerichte die materiellrechtliche Wirksamkeit einer Gerichts­ standsvereinbarung nach unterschiedlichen Rechtsordnungen beurteilten. So konnte das abredewidrig angerufene Gericht die Vereinbarung nach dem von ihm angewandten materiellen Recht für unwirksam befinden und seine Zustän­ digkeit bejahen, obwohl die Vereinbarung aus Sicht des designierten Gerichts wirksam war, weil dieses ein anderes materielles Recht herangezogen hätte. Für die Parteien war es schwer vorhersehbar, nach welcher Rechtsordnung das je­ weilige Gericht die materiellrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung beurtei­ len würde. Daher waren auch Anreize zum forum shopping durch Klageerhe­ bung im derogierten Gerichtsstaat vorhanden, denn es konnte jedenfalls darauf gehofft werden, das angerufene Gericht werde die materiellrechtliche Wirksam­ keit der Vereinbarung anders beurteilen als – bei hypothetischer Betrachtung – das in der Vereinbarung bezeichnete Gericht. b)  Die Einführung von Art.  25 Abs.  1 S.  1 und Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. Optimistisch könnte man meinen, diese Unsicherheit sei für die Zukunft beho­ ben. Denn zukünftig folgt aus dem Wortlaut des Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F., wonach das gewählte Gericht oder die gewählten Gerichte eines Mitglied­ staats zuständig sind, „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig“, dass nach dem Recht des in der Vereinbarung bezeichneten Gerichts zu entscheiden ist. Art.  25 EuGVVO n. F. enthält also selbst eine Kollisionsvorschrift zugunsten des Rechts im Mitgliedstaat des ge­ wählten Gerichts bzw. der gewählten Gerichte.43 Die Sichtweise, das Problem sei vollständig behoben, ist aber deshalb zu op­ timistisch, weil es sich bei der Kollisionsnorm um eine Gesamtverweisung auch auf das Kollisionsrecht des Staates des Gerichts bzw. der Gerichte, die in der Vereinbarung benannt sind, handelt, wie Erwägungsgrund (20) zur reformier­ ten Verordnung deutlich macht.44 Dabei wäre eine Verweisung auf das Sach­ recht insofern vorzugswürdig gewesen, als eine Sachnormverweisung mit weni­ ger Unsicherheiten behaftet ist und die anwendbare Rechtsordnung so leichter prognostizierbar wäre.45 Eine Sachnormverweisung hätte auch im systemati­ Vgl. zu der neuen Kollisionsnorm Magnus, IPRax 2016, 521, 522. Der neue Erwägungsgrund (20) lautet: „Stellt sich die Frage, ob eine Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats materiell nich­ tig ist, so sollte sie nach dem Recht einschließlich des Kollisionsrechts des Mitgliedstaats des Gerichts oder der Gerichte entschieden werden, die in der Vereinbarung bezeichnet sind.“ Zu den Vorteilen der Kollisionsvorschrift vgl. Heinze, RabelsZ 75 (2011), 581; Steinle/Vasiliades, 6 Journal of Private International Law (2010), 565, 587. 45  Ebenso Antomo/Burgschat, JURA 2015, 1143, 1151; Takahashi, 11 Yearbook of Private 43 

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schen Vergleich zu den Vorschriften der Rom-Verordnungen, bei deren Verwei­ sungen es sich um Sachnormverweisungen handelt (Art.  20 Rom I-VO, Art.  24 Rom II-VO), eingeleuchtet. Ein nicht in der Vereinbarung benanntes Gericht hätte die Wirksamkeit der Vereinbarung dann unproblematisch nach dem Sach­ recht des Mitgliedstaats des benannten Gerichts bzw. der benannten Gerichte zu beurteilen gehabt. Eine Gesamtverweisung birgt indes immer die Gefahr, dass das abredewidrig angerufene Gericht viel Zeit für die Ermittlung und Anwen­ dung des fremden Kollisionsrechts benötigt und ihm dabei möglicherweise Feh­ ler unterlaufen. Allerdings hätte bei einer Sachnormverweisung umgekehrt die Gefahr bestanden, dass sämtliche Aspekte der materiellen Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung dem Recht des Staates des gewählten Gerichts unter­ stellt würden, ohne dass für bestimmte Bereiche, wie etwa Fragen der Stell­ vertretung oder Geschäftsfähigkeit, Sonderanknüpfungen Berücksichtigung finden würden. Mit der Entscheidung für eine Gesamtverweisung hat der euro­ päische Gesetzgeber außerdem dem gewünschten Gleichlauf mit dem HGÜ ge­ dient46, welches ebenfalls in seinen Art.  5 Abs.  1 und Art.  6 lit.  a) Fragen der materiellen Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung dem Recht des Staates des gewählten Gerichts unterstellt und damit, wie der Explanatory Report zum Übereinkommen klarstellt, eine Gesamtverweisung meint 47. In beiden Werken hat man also eine Verweisung auf ein Rechtssystem statt bloß ein Recht bevorzugt.

International Law (2009), 73, 85; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  35 ff. 46  Für einen Gleichlauf mit dem HGÜ z. B. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2010), §  6 Rn.  137; Pfeiffer, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  327. 47  Vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agree­ ments Convention, online abrufbar unter , Rn.  125; siehe z. B. auch Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinba­ rungen (2010), S.  163 f.; Kruger, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 447, 451; Rühl, IPRax 2005, 410, 413 Fn.  54. Meines Erachtens wäre auch im HGÜ eine Ver­ weisung auf das Sachrecht vorzugswürdig gewesen, vgl. bereits Antomo, NJW 2015, 2919, 2921. Für eine Sachnormverweisung ebenfalls Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich (2005), S.  549, 557; Fricke, VersR 2006, 476, 479, der allerdings mit Art.  3 lit.  d) des Überein­ kommens argumentiert; Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), 283, 286; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law (2010), 123, 128. Kritisch hinsichtlich der Ausgestaltung als Gesamtverweisung in der EuGVVO auch Hausmann, in Reithmann/Martiny (Hrsg.), ­Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.45; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  35 ff. Insgesamt kritisch gegenüber der neu­ en Kollisionsvorschrift ist Camilleri, 7 Journal of Private International Law (2011), 297. Mehr zur Kollisionsvorschrift in Art.  25 EuGVVO n. F. in Teil III §  11 E. II. 1.

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Obgleich die Entscheidung für eine Gesamtverweisung zu bedauern ist, ist es dem europäischen Gesetzgeber allerdings auf einem anderen Weg gelungen, zu verhindern, dass die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung tatsächlich nach unterschiedlichen Rechtsordnungen geprüft wird. Wenn nämlich das in der Ge­ richtsstandsvereinbarung benannte Gericht angerufen wird, müssen alle Ge­ richte der anderen Mitgliedstaaten, die bereits vorher in derselben Sache ange­ rufen worden sind, das Verfahren nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. so lange aussetzen, bis das in der Vereinbarung benannte Gericht über die Wirksamkeit der Vereinbarung entschieden und seine Unzuständigkeit erklärt hat. Es besteht also nicht die Gefahr, dass die Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten die Wirk­ samkeit der Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich unterschiedlich beurteilen. Allein das gewählte Gericht darf über die materielle Wirksamkeit entscheiden. Ein nicht gewähltes Gericht darf nach Art.  25 Abs.  1 S.  1, Art.  32 Abs.  2 EuGV­ VO n. F. nur dann über die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung entschei­ den, wenn in derselben Sache keine Klage vor dem in der Vereinbarung be­ zeichneten Gericht erhoben wird. Daher kann festgehalten werden, dass – unabhängig davon, welcher Rechts­ ordnung das Prorogationsstatut zu entnehmen ist – unter dem Regime der refor­ mierten EuGVVO ein Verfahren in der Sache auch nicht dadurch vor ein nicht gewähltes Gericht gebracht werden kann, dass der Kläger darauf spekuliert, das Gericht werde die materiellrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung anders be­ urteilen als das eigentlich designierte Gericht. Denn die redliche Partei kann sich gegen die Klageerhebung stets wehren, indem sie vor das benannte Gericht zieht, sodass allein dieses Gericht nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. zur Prü­ fung der materiellen Wirksamkeit der Vereinbarung berechtigt ist. Die genaue Ermittlung des Prorogationsstatuts kann daher im Rahmen dieser Untersuchung an späterer Stelle stattfinden, nämlich bei der Bestimmung des auf den vertrag­ lichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Gerichtsstandsverein­ barung anwendbaren Rechts.48 Im Übrigen ist es bezogen auf die effiziente Durchsetzbarkeit von Gerichts­ standsvereinbarungen begrüßenswert, dass sich aus der in Art.  25 Abs.  1 EuGV­ VO n. F. gewählten Formulierung („es sei denn“) eine Vermutung für die mate­ riellrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung ergibt.49

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Teil III §  11 E. II. 3. Alio, NJW 2014, 2395, 2398; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  39. 49 

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3.  Sonderproblem: Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen Ein Sonderproblem stellen Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB dar. Die Ein­ beziehung von AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen richtet sich nicht nach nati­ onalem Recht, sondern nach einheitlich-europäischen Standards. Danach muss der Verwender auf die AGB, welche eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, deutlich hinweisen und sie der anderen Partei derart zugänglich machen, dass diese bei normaler Sorgfalt von den AGB Kenntnis erlangen kann.50 Problema­ tisch ist aber, ob Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB einer Inhaltskontrolle nach dem nationalen Recht unterliegen.51 Grundsätzlich soll nach der herr­ schenden Meinung eine Missbrauchskontrolle nach nationalem Recht ausge­ schlossen sein.52 Allerdings wird teilweise vertreten, dass bei AGB-Gerichts­ standsvereinbarungen in Verbraucherverträgen eine Missbrauchskontrolle nach den jeweiligen nationalen Umsetzungsvorschriften zur EG-Klauselrichtlinie durchzuführen sei.53 Nach einer anderen Meinung verdrängt die Verordnung eine Inhalts- und Missbrauchskontrolle nach nationalem Recht auch bei Ver­ braucherverträgen, weil sie mit den Art.  15 ff. EuGVVO a. F. bzw. Art.  17 ff. EuGVVO n. F. selbst abschließend den Schutz von Verbrauchern übernehme.54 Vertritt man die erste Ansicht, kann einer AGB-Gerichtsstandsvereinbarung, 50  Vgl. dazu EuGH, 24.12.1976, Rs. C-24/76 (Firma Estasis Salotti di Colzani Aimo und Gianmario Colzani S.n.c./Firma RÜWA Polstereimaschinen GmbH), Slg. 1976, 1831; jüngst EuGH, 07.07.2016, Rs. C-222/15 (Hőszig Kft./Alstom Power Thermal Services), Rn.  39 f. Zur Einbeziehung einer Gerichtsstandsklausel in einem Emissionsprospekt vgl. EuGH, 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA, in Liquidation/Stefano Ossi u. a.). 51  Im deutschen nationalen Recht unterliegen Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB, un­ abhängig davon, ob sie gegenüber einem Verbraucher oder Unternehmer verwendet werden, einer Inhaltskontrolle nach §  307 BGB, vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum deroga­ tum (2013), S.  132 m. w. N. Bei AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen einem Unter­ nehmer und einem Verbraucher richtet sich die Inhaltskontrolle nach §  310 Abs.  3 BGB als Umsetzungsvorschrift der EG-Klauselrichtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EU 1993, Nr. L 095, S.  29). 52  Freitag, in: Festschrift Magnus (2014), S.  419, 425; Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  23 EuGVVO Rn.  72; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Eu­ ropäischen Zivilprozessrecht (2010), S.  317; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO, Rn.  19; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  23 Brüssel I-VO Rn.  12e ff. und 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  68 ff.; Rauscher, Inter­ nationales Privatrecht, 4.  Aufl. 2012, §  15 Rn.  1862 f.; Saenger, in: Festschrift Sandrock (2000), S.  807, 812 m. w. N. in Fn.  29 f.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  539; Schlosser, in: Schlosser/Hess, EuZPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 EuGVVO Rn.  31. 53  So etwa Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilpro­ zessrecht (2010), S.  339; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  154 ff. 54  Ganssauge, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Verbraucherver­ trägen im Internet (2004), S.  67; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  20. Dagegen soll nach Art.  5 Abs.  1 Hs.  2 HGÜ der Weg zu einer materiellen Inhaltskon­

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die in einem Verbrauchervertrag enthalten ist, also auch deshalb die Wirksam­ keit versagt werden, weil sie der Inhaltskontrolle nicht standhält. Solche Fälle sind jedoch nur unter engen Voraussetzungen denkbar. Weil sich die Umset­ zungsvorschriften zur EG-Klauselrichtlinie in den Mitgliedstaaten stark glei­ chen, kann eine Partei auch unter Befolgung der ersten Ansicht kaum darauf spekulieren, das von ihr angerufene Gericht eines Mitgliedstaats werde die Ge­ richtsstandsvereinbarung an der AGB-Inhaltskontrolle scheitern lassen, wäh­ rend das in der Vereinbarung bezeichnete Gericht die Vereinbarung hypotheti­ scherweise für wirksam befunden hätte. 4. Zusammenfassung Auch für ein forum shopping durch Klageerhebung im forum derogatum mit dem Ziel, das angerufene Gericht werde eine aus Sicht des gewählten Gerichts wirksame Gerichtsstandsvereinbarung aus materiellrechtlichen Gründen für unwirksam befinden, bestehen im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitglied­ staaten wenig Anreize. Das Prorogationsstatut ist nunmehr von Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. selbst geregelt. Selbst wenn die Gerichte wegen des neuen Erwägungsgrunds (20), der die in Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. enthaltene Kollisionsvorschrift zur Gesamtverweisung erklärt, bezogen auf die materiell­ rechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung theoretisch unterschiedliche Anknüp­ fungen vornehmen können, dürfte es in der Praxis nicht zu einem solchen Fall kommen. Denn die nicht vertragsbrüchige Partei kann stets nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. vor das gewählte Gericht ziehen, welches dann selbst über Fra­ gen der materiellen Wirksamkeit entscheiden würde, während das andere Ge­ richt das Verfahren auszusetzen hätte. IV.  Kein gerichtliches Ermessen zur Beurteilung von Prorogation und Derogation Wie der EuGH in der Rechtssache Owusu55 entschieden hat, handelt es sich bei den Gerichtsständen der EuGVVO um zwingende Zuständigkeiten. Die Verord­ trolle eröffnet sein, vgl. Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinba­ rungen (2010), S.  168. Verneinend dagegen Fricke, VersR 2006, 576, 479. 55  EuGH, 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Andrew Owusu/N. B. Jackson, Inhaber der Firma „Villa Holidays Bal-Inn Villas“, u. a.), Slg. 2005, I-1383 m. Anm. Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224; Huber/Stieber, ZZP Int. 10 (2005), 277; Rauscher/Fehre, ZEuP 2006, 463. Raum für Ermessen geben nur Art.  30 Abs.  1 und 2 EuGVVO n. F. (entsprechend Art.  28 Abs.  2 und 3 EuGVVO a. F.) sowie die neu eingeführten Art.  33 Abs.  1 und Art.  34 Abs.  1 EuGVVO n. F. im Verhältnis zu Drittstaaten. Vgl. dazu bereits oben Teil I §  3 B. III. 2. sowie unten Teil I §  6 B. II.

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nung lässt also, wie bereits dargestellt, keinen Raum für die Anwendung der forum non conveniens-Doktrin.56 Folglich darf auch ein in einer wirksamen Ge­ richtsstandsvereinbarung benanntes Gericht seine Zuständigkeit nicht aus Gründen des Ermessens ablehnen. Und ebenso besteht sowohl nach autonomem deutschem Recht57 als auch nach der EuGVVO58 kein Ermessen des Gerichts, sich über die Derogation durch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten ei­ nes oder der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats hinwegzusetzen. Die Bin­ dung an wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. ist also zwingend.59 V.  Keine Anwendung des ordre public-Vorbehalts auf Gerichtsstandsvereinbarungen Ebenfalls ist es nicht denkbar, dass sich das angerufene Gericht aufgrund seines ordre public über die Vereinbarung zugunsten eines Gerichts oder der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats hinwegsetzt. Dass das abredewidrig angerufene Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung wegen Verletzung des ordre public für unwirksam befindet, ist zwar, wie dargestellt60, grundsätzlich dann möglich, wenn die Vereinbarung verbunden mit einer Rechtswahl zu einer Umgehung der Anwendung von international zwingenden Normen des Staates des angeru­ fenen Gerichts führen würde. Der EuGH hat in der Rechtssache Trasporti Castelletti61 aber klargestellt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Mitgliedstaats von den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nicht we­ gen der drohenden Umgehung von Eingriffsnormen dieses Staates unbeachtet bleiben darf. Dem EuGH wurden u. a. die Fragen vorgelegt, ob es einen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel in einem Konnossement hat, wenn das am gewählten Gerichtsstand geltende materielle Recht zu einer Haf­ tungsbeschränkung für den Verwender führt, und ob ein anderes als das als zuständig bezeichnete Gericht, das zur Beurteilung der Wirksamkeit der Klau­ 56 

Vgl. dazu bereits oben Teil I §  3 B. III. 2. Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17.  Aufl. 2010, S.  186; F. Sandrock, Die Vereinbarung eines ‚neutralen‘ internationalen Gerichtsstandes (1997), S.  82; Schack, RablesZ 58 (1994), 40, 48. 58  Hausmann, in Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.136; Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  404. 59  Vgl. Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  404. 60  Oben Teil I §  3 D. II. 3. d). 61  EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/ Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597. 57 

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sel angerufen wurde, diese auf ihre Angemessenheit hin, besonders auch unter Berücksichtigung des vom Verwender der Klausel verfolgten Ziels, prüfen dür­ fe. Der EuGH beantwortete die Fragen wie folgt: „[E]ine zusätzliche Prüfung der Angemessenheit der Klausel und des vom Verwender verfolgten Zieles ist ausgeschlossen, und das am gewählten Gerichtsstand geltende materielle Haf­ tungsrecht hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Klausel.“62 Dieses Er­ gebnis begründete der Gerichtshof damit, dass eine Gerichtsstandsvereinba­ rung nur anhand von Erwägungen geprüft werden dürfe, die im Zusammenhang mit den Erfordernissen von Art.  17 EuGVÜ stünden.63 Dabei verwies der Ge­ richtshof einmal mehr auf das Ziel der Regelung, wonach das angerufene Ge­ richt in der Lage sein müsse, anhand des Übereinkommens ohne Schwierigkei­ ten über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen. Nur so könne der Rechtssicherheit genügt werden.64 Erwä­ gungen zur „[A]ngemessenheit der Klausel und zu dem am gewählten Gerichts­ stand geltenden materiellen Haftungsrecht“ stünden aber nicht im Zusammen­ hang mit diesen Erfordernissen.65 Ein mitgliedstaatliches Gericht kann eine Gerichtsstandsvereinbarung, durch welche seine Zuständigkeit an sich derogiert würde, also nur dann wegen ordre public-Widrigkeit für unwirksam befinden, wenn es sich um eine Vereinbarung zugunsten drittstaatlicher Gerichte handelt. Hinzutritt außerdem der Umstand, dass in den meisten praktisch relevanten Fällen die jeweiligen Eingriffsnormen ohnehin europäisch-einheitsrechtlichen Ursprung haben. So existieren etwa in jedem Mitgliedstaat Umsetzungsvorschriften zur Handelsvertreterrichtlinie. Dieses europäische Eingriffsrecht werden also alle mitgliedstaatlichen Gerich­ te, unabhängig von einer Rechtswahl durch die Parteien, anwenden. In Bezug auf europäische Eingriffsnormen besteht im Verhältnis zwischen den Mitglied­ staaten schon deshalb keine Umgehungsgefahr.66 Insgesamt können taktisch operierende Parteien also auch nicht darauf spe­ kulieren, ein an sich im Wege einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. abgewähltes mitglied­ EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/ Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  51. 63  EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/ Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  49. 64  EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/ Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  48. 65  EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/ Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  52. 66  So hat auch das OLG Hamburg eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten des Handelsgerichts von Lons le Saunier (Frankreich) in einem ähnlich gelagerten Fall für wirksam befunden, vgl. OLG Hamburg, 14.04.2004, NJW 2004, 3126. 62 

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staatliches Gericht werde sich unter Berufung auf den ordre public-Vorbehalt über den Derogationseffekt der Vereinbarung hinwegsetzen, seine Zuständig­ keit bejahen und ein Verfahren in der Sache durchführen, obwohl die Vereinba­ rung eigentlich die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats für zuständig erklärt. VI.  Kaum Anreize für ein law shopping through forum shopping Davon abgesehen, dass kaum ein Grund für die Hoffnung besteht, ein derogier­ tes mitgliedstaatliches Gericht werde sich über den Derogationseffekt einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts oder der Ge­ richte eines anderen Mitgliedstaats hinwegsetzen und das Verfahren in der Sa­ che durchführen, würde ein solches Verfahren dem taktisch agierenden Kläger im Zweifel auch keine besonderen Vorteile verschaffen. Denn wie dargestellt, versucht der forum shopping betreibende Kläger ein Verfahren in aller Regel deshalb vor ein bestimmtes Gericht zu bringen, weil er sich Vorteile aus dem dort anwendbaren Prozess- und Sachrecht erhofft. Zumindest besondere Vortei­ le aus der Anwendung eines bestimmten Sachrechts wird er durch forum shopping im Mitgliedstaaten-Verhältnis jedoch häufig nicht erlangen. Denn durch die vorangeschrittene Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts wer­ den die Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten in vielen Fällen dasselbe Sach­ recht anzuwenden haben, wenn die Parteien nicht ohnehin eine Rechtswahl ge­ troffen haben. Einem law shopping through forum shopping sind im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten also enge Grenzen gesetzt, sodass auch vor die­ sem Hintergrund kaum direkte Anreize für die Klage vor einem derogierten mitgliedstaatlichen Gericht bestehen. VII.  Das Verhältnis zur rügelosen Einlassung Unter dem Regime der EuGVVO ist es möglich, dass trotz einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ein derogiertes Gericht zuständig wird, weil sich die beklagte Partei rügelos auf das Verfahren einlässt.67 Das folgt aus dem 67  Auch klargestellt in EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/ MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  49: „So können die Parteien bei Vorliegen einer Gerichtsstands­ vereinbarung im Sinne von Artikel 17 EuGVÜ, wie die Kommission ausführt, nicht nur je­ derzeit darauf verzichten, sich auf diese Vereinbarung zu berufen; namentlich kann der Be­ klagte sich gemäß Artikel 18 EuGVÜ vor dem zuerst angerufenen Gericht auf den Rechts­ streit einlassen, ohne dessen Unzuständigkeit aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung zu rügen.“ Vgl. auch schon EuGH, 24.06.1981, Rs. C-150/80 (Elefanten Schuh GmbH/Pierre ­Jacqmain), Slg. 1981, 1671, Rn.  8 ff. und EuGH, 07.03.1985, Rs. C-48/84 (Hannelore Spitzley/ Sommer Exploitation SA), Slg. 1985, 787, Rn.  12 ff. Kürzlich hat der EuGH zudem entschie­ den, dass sich das angerufene mitgliedstaatliche Gericht wegen Art.  24 EuGVVO a. F. nicht

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Wortlaut des Art.  24 S.  2 EuGVVO a. F. bzw. Art.  26 Abs.  1 S.  2 EuGVVO n. F., der lediglich bestimmt, dass eine rügelose Einlassung dann nicht möglich ist, wenn sich der Beklagte nur einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen, oder wenn ein anderes Gericht aufgrund von Art.  22 EuGVVO a. F. bzw. Art.  24 EuGVVO n. F. ausschließlich zuständig ist. Im Umkehrschluss folgt aus dem Umstand, dass Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. nicht genannt wird, dass die Parteien sich trotz einer entgegenstehenden Ge­ richtsstandsvereinbarung auf einen anderen Gerichtsstand einlassen können. Dies leuchtet auch ein, denn es besteht kein Grund, den Parteien die Freiheit zu verwehren, von einer einmal geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung abzu­ weichen. Außerdem sieht Art.  26 Abs.  2 EuGVVO n. F. für die Zukunft zusätz­ lich vor, dass zum Schutz der schwächeren Partei bei Streitigkeiten nach den Abschnitten 3 (Versicherungssachen), 4 (Verbrauchersachen) oder 5 (individu­ elle Arbeitsverträge) dann, wenn der Beklagte Versicherungsnehmer, Versi­ cherter, Begünstigter eines Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist, das angerufene Gericht den Beklagten über sein Recht der Unzuständigkeitsrüge und über die Folgen der Einlassung oder Nichteinlas­ sung auf das Verfahren zu belehren hat, bevor es sich für zuständig erklären darf.68 Lässt sich die beklagte Partei rügelos auf das Verfahren ein, kann dies später möglicherweise Auswirkungen auf ihre Rechte haben, z. B. einen mögli­ chen Schadensersatzanspruch gegen die klagende Partei ausschließen, was noch untersucht werden soll.69 VIII.  Zusammenfassung und Zwischenstand Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGV­ VO n. F. können unwirksam sein, wenn sie den von der EuGVVO selbst aufge­ stellten Zulässigkeits- oder Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht entsprechen, z. B. weil das Bestimmtheitserfordernis nicht gewahrt ist, die Vereinbarung nicht den Formerfordernissen genügt oder weil eine ausschließliche Gerichtszu­ ständigkeit abbedungen werden soll. Erhebt eine der Parteien in einem solchen Fall Klage vor einem in der Vereinbarung nicht designierten Gericht, liegt darin keine Missachtung oder Verletzung der Vereinbarung, weil diese aus Sicht jedes mitgliedstaatlichen Gerichts unwirksam ist. von Amts wegen für unzuständig erklären darf, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten eines drittstaatlichen Gericht zwar voliegt, der Beklagte den Mangel der Zuständig­ keit aber nicht geltend macht, vgl. EuGH, 17.03.2016, Rs. C-175/15 (Taser International/SC Gate 4 Business u. a.). 68  Vgl. dazu Mankowski, RIW 2016, 245. 69  Mehr dazu in Teil III §  11 D. II.

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Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann außerdem aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam sein. Während das Prorogationsstatut bisher umstritten war, ist es für die Zukunft in Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. geregelt, der auf die lex fori prorogati verweist. Auch wenn es sich dabei, wie aus dem neuen Erwägungsgrund (20) folgt, um eine Gesamtverweisung handelt und die Einzel­ heiten zum anwendbaren Recht weiterhin unklar sind, ist zumindest die Gefahr behoben, dass das zuerst angerufene, in der Vereinbarung nicht gewählte, und das später angerufene, in der Vereinbarung bezeichnete Gericht die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung unterschiedlich beurteilen. Denn nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. hat das in der Vereinbarung bezeichnete Gericht, sobald es angerufen ist, allein über die Wirksamkeit der Vereinbarung zu entscheiden, während die Gerichte anderer Mitgliedstaaten das Verfahren aussetzen müssen. Problematische Fälle der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten werden also kaum aus dem Grund entstehen, dass Fragen der Zulässigkeit, der Form oder sonstige Wirksamkeitsaspekte von Ge­ richtsstandsvereinbarungen von den Gerichten unterschiedlich beurteilt werden bzw. Parteien darauf spekulieren. Eine Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung liegt nur dann vor, wenn die Vereinbarung sowohl zulässig als auch in prozessualer, formaler wie mate­ riellrechtlicher Hinsicht wirksam ist, eine Partei aber dennoch vor einem nicht gewählten mitgliedstaatlichen Gericht Klage erhebt. Eine solche Klage ist aber selten von der Hoffnung getragen, dass sich das angerufene Gericht entgegen der wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklären und eine Entscheidung in der Sache treffen wird. Denn die mitgliedstaatlichen Gerichte dürfen an sich wirksamen Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten anderer mitgliedstaatlicher Gerichte den Derogationseffekt nicht im Wege einer Ermes­ sensentscheidung oder unter Berufung auf den ordre public-Vorbehalt abspre­ chen. Im Mitgliedstaatenverhältnis besteht also kein vernünftiger Grund für die Hoffnung, trotz einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung eine Sachent­ scheidung im derogierten Gerichtsstaat erzielen zu können. Eine Ausnahme stellen allein die Fälle dar, in denen der Kläger aus bestimmten Gründen darauf hofft, die andere Partei werde sich rügelos auf das Verfahren einlassen. Selbst in diesen Fällen wird eine Sachentscheidung des derogierten Gerichts dem Klä­ ger aber häufig keine besonderen Vorteile verschaffen, weil aufgrund des weit­ gehend vereinheitlichten europäischen Kollisionsrechts ohnehin die meisten zi­ vilrechtlichen Streitigkeiten in den verschiedenen Mitgliedstaaten nach demsel­ ben Sachrecht beurteilt werden. Aus alldem folgt, dass eine Klageerhebung vor einem mitgliedstaatlichen Ge­ richt unter Verletzung einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats in den meisten Fällen nicht darauf

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abzielt, dass dieses Gericht auch ein Verfahren in der Sache durchführen wird. Der taktisch operierende Kläger missachtet die Vereinbarung also in aller Regel nicht deshalb, weil er sich daraus direkte Vorteile, z. B. aufgrund des im Gerichts­ staat anwendbaren Sachrechts, erhofft. Im Verhältnis zwischen den Mitglied­ staaten sind es vielmehr die indirekten Anreize, welche Parteien zur Missach­ tung von Gerichtsstandsvereinbarungen motivieren können. Konkret gemeint ist damit die Hoffnung, durch eine Klageerhebung im forum derogatum eine Ver­ schleppung oder gar Lähmung des Streits zu verursachen. Dies soll im Folgenden mit der Darstellung der sog. Italian Torpedo-Fälle verdeutlicht werden.

C.  Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung: Verzögerung durch Torpedo-Klagen I.  Die Rechtslage vor der Gasser-Entscheidung des EuGH 1.  Prioritätsprinzip und die The Tatry-Entscheidung machen Torpedo-Klagen möglich Die Hauptproblematik bei der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten stellten bislang die viel diskutier­ ten sog. (Italian) Torpedo-Fälle dar.70 Denn die alte EuGVVO und deren Ausle­ gung durch den EuGH ermöglichten es einer Partei, die die Beklagtenrolle in einem unliebsamen Prozess zu befürchten hatte, der anderen Partei zuvorzu­ 70  Vgl. nur Briggs, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 314 ff.; Domej, IPRax 2008, 550; European Max-Planck Group for Conflict of Laws in Intellectual Property (CLIP), IPRax 2007, 284, 285 ff.; Franzosi, 191 European Intellectual Property Review (1997), 382; ders., International Review of Intellectual Property and Competition Law 2002, 154; Grabinski, GRUR Int. 2001, 199; ders., in: Festschrift Tilmann (2003), S.  46; Grothe, IPRax 2004, 205, 209 f.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Ver­ tragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.137 ff.; Holzer/Josi, GRUR Int. 2009, 587; Jandoli, Internatio­ nal Review of Intellectual Property and Competition Law 2000, 783; Jayme/Kohler, IPRax 2002, 461; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  10 ff.; Kur, GRUR Int. 2001, 908; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  27 Brüssel I-VO Rn.  18 ff.; Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010; Lundstedt, GRUR Int. 2001, 103; Mankowski, EWiR 1998, 977; Marongiu Buonaiuti, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 511; von Meibom/Pitz, GRUR Int. 1998, 765, 769; Pitz, GRUR Int. 2001, 32, 35 ff.; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157; Schmehl, Zur Verfahrenskoordination nach europäischem und deut­ schem Zivilprozessrecht am Beispiel taktischer „Torpedoklagen“ (2010); Sujecki, GRUR Int. 2012, 18; Taschner, EWS 2004, 494; Thiele, RIW 2004, 285; Thode, BauR 2005, 1533; Véron, Journal du Droit International (Clunet) 2002, 823; ders., International Review of Intellectual Property and Competition Law 2004, 638. Der Begriff Italian Torpedo geht zurück auf Franzosi, 19 European Intellectual Property Review (1997), 382.

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kommen und den Rechtsstreit zu lähmen. Sie konnte nämlich vor einem Gericht mit erfahrungsgemäß überlanger Verfahrensdauer eine Klage erheben, die sich auf die Feststellung richtete, die von der anderen Partei erwartungsgemäß be­ gehrten Ansprüche würden nicht bestehen. Selbst wenn damit zu rechnen war, dass ein derogiertes Gericht seine Unzuständigkeit in der Regel irgendwann feststellen und die Klage folgerichtig abweisen würde, konnte der Streit so doch für einige Dauer gelähmt werden. Denn der anderen Partei war es durch solche Verschleppungstaktiken unmöglich, den Rechtsstreit vor das eigentlich von den Parteien gewählte Gericht zur Entscheidung zu bringen, bis das zuerst angeru­ fene Gericht seine Unzuständigkeit festgestellt hatte. Sie musste sich auf eine möglicherweise Jahre andauernde Lähmung des Streits gefasst machen, welche sie im schlimmsten Fall ein Vermögen kosten oder gar in den wirtschaftlichen Ruin treiben konnte.71 Grundlegend für die Problematik der Torpedo-Klagen war dabei Art.  27 EuGVVO a. F. (vormals Art.  21 EuGVÜ, jetzt fortgeführt in Art.  29 EuGVVO n. F.). Die Norm sieht zur Vermeidung positiver Kompetenzkonflikte einen Pri­ oritätsgrundsatz vor, wonach in dem Fall, dass bei Gerichten verschiedener Mit­ gliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Ge­ richts feststeht. Die Vorschrift hat drei Voraussetzungen, nämlich die Anhän­ gigkeit von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten, das Vorliegen desselben Anspruchs sowie die Identität der Parteien.72 Die erste Vorausset­ zung, also die Frage, wann eine Klage anhängig ist, regelt Art.  30 EuGVVO a. F. (bzw. nunmehr Art.  32 EuGVVO n. F.), welcher die unterschiedlichen mitglied­ staatlichen Voraussetzungen an eine wirksame Klageerhebung berücksichtigt. Hinsichtlich der dritten Voraussetzung, der Identität der Parteien, gilt ein euro­ päisch-autonomer Ansatz.73 Bedeutsam ist die zweite Voraussetzung, also das Vorliegen desselben Anspruchs, die im Vergleich zum autonomen deutschen Recht leichter erfüllt ist. Der EuGH hat nämlich bereits in der Rechtssache The Tatry74 entschieden, dass der Streitgegenstand einer Leistungsklage unabhängig 71  Hartley nennt ein Beispiel, in welchem ein italienisches Gericht, obgleich eine Ge­ richtsstandsvereinbarung zugunsten anderer Gerichte vorlag, zehn Jahre brauchte, um über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden, vgl. Hartley, 54 International and Comparative Law Quarterly (2005), 813, 816 f. 72  Zum Überblick Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  3 ff.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  27 Brüssel I-VO Rn.  6 ff. 73  Vgl. dazu Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  245 f. m. w. N. 74  EuGH, 06.12.1994, Rs. C-406/92 (The Tatry/The Maciej Rataj), Slg. 1994, I-5439 = EuZW 1995, 309, m. Anm. Huber, JZ 1995, 603. Vgl. auch schon EuGH, 08.12.1987, Rs. C-144/86 (Gubisch Maschinenfabrik KG/Giulio Palumbo), Slg. 1987, 4861, wo der EuGH

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von deren Antragsziel und der Form des Antrags mit dem einer zuvor erhobenen negativen Feststellungklage identisch sei.75 Nach der in der Entscheidung for­ mulierten Kernpunkttheorie sollen zwei Verfahren bereits dann den gleichen Streitgegenstand haben, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise über die glei­ che Sache gestritten wird, die Verfahren also im Kern übereinstimmen. Dem­ nach muss beiden Klagen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegen, der den Kern des Streits bildet.76 Anders als im deutschen77 und grundsätzlich auch im englischen78 Recht, wo mit der später erhobenen Leistungsklage das Fest­ stellungsinteresse einer zuvor erhobenen negativen Feststellungsklage entfällt, hat die Leistungsklage nach Art.  21 EuGVÜ bzw. Art.  27 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  29 EuGVVO n. F.) also keinen Vorrang.79 Im europäischen Einheitsrecht

entschied, dass eine Leistungsklage eine nachfolgend in einem anderen Mitgliedstaat erho­ bene Feststellungs­klage nach Art.  21 EuGVÜ sperrt. 75  Dagegen wurde zuvor teilweise die Identität der Streitgegenstände von negativer Fest­ stellungs- und Leistungsklage verneint, so etwa M. Wolf, in: Festschrift Schwab (1990), S.  561, 573 f. 76  Vgl. insgesamt zur Kernpunkttheorie Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2012), insb. S.  147 ff.; Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängig­ keit nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1968 (1992), S.  143 ff.; Marongiu Buonaiuti, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 511, 530 ff.; McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht (2004), S.  85 ff. Aus Deutschland vgl. z. B. OLG Hamm, 30.10.2000, FamRZ 2001, 1015, wo unter Verweis auf den EuGH ebenfalls die Kernpunkthe­ orie angewendet worden ist. 77  Vgl. die Nachweise oben in Teil I §  3 D. I. 4. in Fn.  149. 78  In England stand man Feststellungsklagen grundsätzlich misstrauisch gegenüber mit der Begründung, sie stellten meist einen unfairen Versuch des forum shopping dar, mit dem einem potentiellen Leistungskläger die Auswahl des Forums genommen werden solle, vgl. First National Bank of Boston v. Union Bank of Switzerland [1990] 1 Lloyd’s Rep.  32, 38 (C.A.) und Saipem SpA v. Dredging VO2 B.V. and Geosite Surveys Ltd („The Volvox Hollandia“) [1988] 2 Lloyd’s Rep.  361 (C.A.). Allerdings wurde diese Sichtweise in Messier-Dowty Ltd v. Sabena SA [2000] 1 WLR 2040 (C.A.) gelockert. Seitdem hat das Gericht im Wege ei­ ner Ermessensabwägung zu entscheiden, ob die Erhebung der Feststellungsklage einem sinn­ vollen Zweck (useful purpose) dient und daher eine spätere Leistungsklage sperrt. Vgl. zum Ganzen Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  223 ff. 79  Eine solche Sichtweise ist durchaus überzeugend, denn es ist fraglich, ob die deutsche Herangehensweise mit dem zivilprozessualen Grundsatz der Waffengleichheit sowie dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot in Einklang steht. Nach der deutschen Her­ angehensweise verliert der Feststellungskläger nämlich die bereits erreichten Prozessergeb­ nisse und -chancen, außerdem ist eine „Flucht in die Leistungsklage“ nur für den Feststel­ lungsbeklagten, also nur für eine Partei, möglich. Daher für eine Angleichung an die europä­ ische Herangehensweise etwa Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 148 ff., 151 ff. Mehr dazu bereits oben in Teil I §  3 D. I. 4. und unten in Teil I §  5 B. I.

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kann somit eine negative Feststellungsklage eine Rechtshängigkeitssperre auch gegenüber einer später erhobenen Leistungsklage auslösen. 2.  Besonders problematische Fälle Voraussetzung für eine Torpedo-Klage ist neben der Geltung eines strikten Pri­ oritätsprinzips i. S. v. Art.  27 EuGVVO a. F., dass das Forum überhaupt das Ins­ titut der negativen Feststellungsklage kennt80 und dass mit einer überlangen Verfahrensdauer gerechnet werden kann. Für die vergleichsweise lange Dauer zivilgerichtlicher Verfahren sind unter den Mitgliedstaaten vor allem Italien und Belgien berüchtigt.81 Dem wurde durch die Schaffung spezialisierter Kammern für gewerblichen Rechtsschutz in Italien82 und durch die Einführung eines Vor­ abentscheidungsverfahrens über die Zuständigkeitsfrage in Belgien83 versucht entgegenzuwirken. Aber auch in anderen Staaten, z. B. in Griechenland84, Spa­ nien85 und auch in Deutschland86, waren bereits Torpedo-Klagen möglich. So­ gar bei rein nationalen Streitigkeiten ziehen Torpedo-Kläger vor die Gerichte anderer Mitgliedstaaten und hoffen auf die strikte Geltung des Prioritätsgrund­ satzes.87 Inhaltlich sind Torpedo-Klagen vor allem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, genauer bei Patentrechtsstreitigkeiten, zu einem großen Prob­ Das ist nicht in allen Mitgliedstaaten der Fall, vgl. etwa zum französischen Recht Cuniberti, Journal du Droit International (Clunet) 2004, 77. Auch die Rechtsordnungen vieler osteuropäischer Staaten kennen keine negative Feststellungsklage, vgl. von Falck/Leitzen, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2005, 534. 81  Dazu z. B. Grigolli, BRAK Mitteilungen 2003, 8 (zu Italien); McGuire, ZfRV 2005, 83, 87; von Meibom/Pitz, GRUR Int. 1998, 765, 769; Sujecki, GRUR Int. 2012, 18. 82  Dazu Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1012. 83  Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1012. In Belgien hat sich die Dauer, die das angerufene Gericht benötigt, um die eigene Zuständigkeit aufgrund einer anderslautenden Vereinbarung zu verneinen, tatsächlich mittlerweile verkürzt, vgl. Véron, International Review of Intellec­ tual Property and Competition Law 2004, 638, 639. 84  OLG Köln, IPRax 2004, 521 m. Anm. Geimer, 505. 85  Arbeitsgericht Mannheim, IPRax 2008, 37. 86  Als deutscher Torpedo-Fall gilt z. B. LG Mainz, 13.09.2005, WM 2005, 2319 (Folgever­ fahren in England: JP Morgan Europe Ltd v. Primacom AG [2005] 2 Lloyd’s Rep 665). Hier benötigte das LG Mainz fast ein Jahr, um seine Unzuständigkeit festzustellen. Dazu Briggs, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 322 f.; Fentiman, in: de Vareilles-Som­ mières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  27; ders., 7 Journal of International Banking and Financial Law (2006), 304; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 159 m. w. N. in Fn.  9 und Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  372 ff. 87  Vgl. Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  376 f. 80 

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lem geworden.88 Hier werden regelmäßig Klagen des (angeblichen) Verletzers eines europäischen Patents, die auf die Feststellung der Nichtverletzung des Pa­ tents gerichtet sind, erhoben. Der Patentrechtsverletzer kommt einer Klage, die auf Unterlassung der Verletzung oder auf Schadensersatz gerichtet wäre, also zuvor, indem er selbst eine Klage erhebt und die Feststellung begehrt, dass er kein Schutzrecht verletze.89 Außerdem gibt es auch den Sonderfall des sog. Nichtigkeits-Torpedos, bei dem der (angebliche) Schutzrechtsverletzer, der eine Klage befürchtet, die Nichtigkeit des Schutzrechts feststellen lassen möchte.90 Abgesehen vom gewerblichen Rechtsschutz werden im Zusammenhang mit Torpedo-Taktiken auch Fälle aus dem Bereich von corporate loans problemati­ siert.91 Wie gerade der Fall Gasser zeigt, sind Torpedo-Klagen aber durchaus auch außerhalb dieser typischen Bereiche möglich und üblich.92 88  Vgl. dazu European Max-Planck Group for Conflict of Laws in Intellectual Property (CLIP), IPRax 2007, 284, 285 ff.; Franzosi, 19 European Intellectual Property Review (1997), 382; ders., International Review of Intellectual Property and Competition Law 2002, 154; Grabinski, in: Festschrift Tilmann (2003), S.  461; Hye-Knudsen, Marken-, Patent- und Urhe­ berrechtsverletzungen im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht (2005), S.  170 ff.; Jandoli, International Review of Intellectual Property and Competition Law 2000, 783, insb. 783 Fn.  3 m. w. N.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  11 (m. w. N. in Fn.  37); Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010; Marongiu Buonaiuti, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 511, 560 ff.; Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  657 ff.; Véron, Journal du Droit Internatio­ nal (Clunet) 2002, 823; ders., International Review of Intellectual Property and Competition Law 2004, 638. Zur Problematik im Baurecht vgl. Thode, BauR 2005, 1533. 89  Besondere Berühmtheit hat der Fall Boston Scientific v. Johnson & Johnson erlangt, in dem gleich in Belgien, Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Italien, Schweden, Spanien und den Niederlanden Feststellungsklagen erhoben wurden. Dazu Zigann, Entscheidungen inländischer Gerichte über ausländische gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte (2002), S.  13 ff. 90  Dazu Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1011. In diesem Zusammenhang war die Ausle­ gung von Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. (vormals Art.  16 Nr.  4 EuGVÜ) streitig, der eine aus­ schließliche Zuständigkeit für Klagen vorsieht, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterle­ gung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben. Vgl. zum Streitstand Jandoli, International Review of Intellectual Property and Competition Law 2000, 783, 786 ff. m. w. N. Der EuGH hat mit Urteil vom 13.07.2006, Rs. C-4/03 (Gesellschaft für Antriebstechnik mbH & Co. KG/Lamellen und Kupplungsbau Beteiligungs KG), Slg. 2006, I-6509 entschieden, dass die ausschließliche Zuständigkeitsregel alle Arten von Rechtsstreitigkeiten über die Ein­ tragung oder die Gültigkeit eines Patents betrifft, unabhängig davon, ob die Frage klagewei­ se oder einredeweise aufgeworfen wird. Damit hat sich die Torpedo-Problematik im Patent­ recht noch verschlimmert, vgl. Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regula­ tion 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  665: „[A] ruling which gave rise to super torpedo actions.“ 91  Vgl. die Entscheidung des LG Mainz, 13.09.2005, WM 2005, 2319 und Weller, in: Hess/ Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  372 ff. m. w. N. 92  Sogar in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, vgl. Arbeitsgericht Mannheim, IPRax 2008,

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3.  Umstrittene Einschränkung des Prioritätsprinzips Lange war die Frage umstritten, ob eine Ausnahme von dem in Art.  21 EuGVÜ bzw. Art.  27 EuGVVO a. F. statuierten Prioritätsprinzip gemacht werden darf oder muss, wenn eine Partei entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsver­ einbarung eine (negative) Feststellungsklage vor einem nicht gewählten Gericht erhebt und die andere Partei dann mit einer Leistungsklage vor das prorogierte Gericht zieht. Grundsätzlich gab es drei Möglichkeiten, gegen die Geltung der Rechtshängigkeitssperre zu argumentieren: Erstens argumentierten manche allein mit der ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung.93 So vertrat Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträ­ gen zur Rechtssache Gasser die Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung kein Raum für etwaige Zweifel an der Zustän­ digkeit des später angerufenen Gerichts bestehe, eine Ausnahme vom Prioritäts­ prinzip des Art.  21 EuGVÜ zu machen sei.94 Zweitens wurde die Rechtsmiss­ bräuchlichkeit des Verhaltens des Feststellungsklägers zum Anlass genommen, das Prioritätsprinzip einschränken zu wollen. Insbesondere die französischen95, aber auch andere europäische Gerichte96 vertraten den Standpunkt, die Erhe­ 37; Stumpe, IPRax 2008, 22. Eine Übersicht zu den möglichen Konstellationen findet sich bei Carl, Einstweiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen (2007), S.  75 ff. 93  So etwa die englischen Gerichte, vgl. die Entscheidung des Court of Appeal in Continental Bank N.A. v. Aeakos Compania Naviera S.A. and others [1994] 1 WLR 588, 598 (C.A.) und die weiteren Nachweise bei Thiele, RIW 2004, 285, 286 Fn.  7. Anders dagegen die deut­ schen Gerichte, z. B. BGH, 08.02.1995, NJW 1995, 1758, 1759; LG Bonn, 26.06.2003, IPRax 2003, 543 f. 94  Schlussanträge des Generalanwalts Léger zu Rs. C-116/02 vom 09.09.2003 (Erich Gasser GmbH/ MISAT Srl), Slg. 2003, I-14696, 14717, Rn.  82; in diese Richtung auch Freitag, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004, 399, 416 und 430; Mankowski, EWiR 2004, 439, 440; Muir Watt, 93 Revue critique de droit international privé (2004), 459, 462; dagegen Thiele, RIW 2004, 285, 287. 95  Vgl. Tribunal de grande instance de Paris, 28.04.2000 (The General Hospital/Bracco), abgedruckt in International Review of Intellectual Property and Competition Law 2002, 68, gekürzte Übersetzung auch in GRUR Int. 2001, 173 m. Anm. Treichel. Ähnlich auch Tri­ bunal de grande instance de Paris, 09.03.2001 - Case No. 00/04083 (Schaerer Schweiter Mettler A.G./Fadis SpA), abgedruckt in International Review of Intellectual Property and Compe­ tition Law 2002, 225 m. Anm. Véron. 96  Aus Deutschland z. B. OLG Köln, 21.08.1997, VersR 1998, 1513; LG Düsseldorf, 19.12.2002, InstGE 3, 8, 14; gegen eine Missbrauchsprüfung oder eine Aussetzung wegen Verschleppung des ausländischen Verfahrens aber OLG Frankfurt, 15.06.1989, IPRspr. 1989 Nr.  210 b; OLG München, 02.06.1998, RIW 1998, 631 m. Anm. Mankowski, EWiR 1998, 977. Der BGH ließ die Frage offen, vgl. 06.02.2002, NJW 2002, 2795 („allenfalls in Ausnahme­ fällen“). Aus den Niederlanden vgl. z. B. Rechtbank Den Haag, 29.09.1999, Intellectuele Ei­ gendom & Reclamerecht 2000, 39 (DSM v. Novo-Nordisk). Aus Belgien ähnlich Rechtbank van eerste aanleg te Brüssel, 12.05.2000, GRUR Int. 2001, 170 (Röhm-Enzyme), wo die

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bung einer negativen Feststellungsklage begründe u. U. einen Verfahrensmiss­ brauch und sei daher nicht dazu geeignet, eine Rechtshängigkeitssperre i. S. v. Art.  27 EuGVVO a. F. auszulösen. Die Ansicht, die Erhebung einer Feststel­ lungsklage vor einem offensichtlich unzuständigen Gericht könne einen Verfah­ rensmissbrauch darstellen, war auch in der Literatur verbreitet.97 Drittens stell­ ten einige statt auf die subjektive Missbräuchlichkeit des Klägerverhaltens auf die objektiv überlange Verfahrensdauer ab, um eine Ausnahme von Art.  21 EuGVÜ bzw. Art.  27 EuGVVO a. F. zu begründen.98 Diesen Ansichten wurde entgegengehalten, eine Missbrauchskontrolle sei nicht angebracht99, das „Rennen um die Zuständigkeit“ systemkonform100 und eine Ausnahme vom Prioritätsprinzip auch bei überlanger Verfahrensdauer vor dem Erstgericht nicht gerechtfertigt.101 Bis zur Gasser-Entscheidung des EuGH hatte der Feststellungsbeklagte aber zumindest darauf hoffen können, unter Be­ rufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung, die Rechtsmissbräuchlichkeit des Verhaltens des Feststellungsklägers oder die überlange Verfahrensdauer am zu­ erst angerufenen Gericht die Beachtung der Rechtshängigkeit der Feststellungs­ klage durch­brechen oder gar die Aussetzung des Verfahrens bewirken zu kön­ nen.102

rechtsmissbräuchliche Klageerhebung als zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung qualifiziert wurde. Vgl. zum Ganzen Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1012 f. 97  Z. B. Franzosi, International Review of Intellectual Property and Competition Law 2002, 154, 160 f.; Grabinski, in: Festschrift Tilmann (2003), S.  461; von Meibom/Pitz, GRUR Int. 1998, 765, 770; Nieder, Die Patentverletzung (2004), Rn.  273; Ullmann, GRUR 2001, 1027, 1031; gegen eine Missbrauchskontrolle aber bereits vor der Gasser-Entscheidung des EuGH z. B. von Falck, Mitteilungen der Patentanwälte 2002, 429, 434; Hess/Vollkommer, IPRax 1999, 220, 224. 98  So z. B. OLG Stuttgart, 11.04.2001, IPRax 2002, 125; Geimer, in: Zöller, ZPO, 24.  Aufl. 2003, Art.  27 EG-VO Rn.  33; Geimer/Schütze, EuZVR, 2.  Aufl. 2004, Art.  21 EuGVÜ Rn.  47; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 2.  Aufl. 2001, Art.  21 EuGVÜ Rn.  16; Grothe, IPRax 2004, 205, 210 ff.; Mankowski, EWiR 1998, 977, 978. Vgl. für weitere Nachweise Taschner, EWS 2004, 494, 499 Fn.  38. 99  von Falck, Mitteilungen der Patentanwälte 2002, 429, 434. 100  Treichel, GRUR Int. 2001, 175, 177. 101  Kropholler, EuZPR, 7.  Aufl. 2002, Art.  27 EuGVO Rn.  21. 102  Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1013.

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II.  Die Gasser-Entscheidung des EuGH: Keine Einschränkung des Prioritätsprinzips Mit der Gasser-Entscheidung103 des EuGH aus dem Jahr 2003 wurde diese Hoffnung jedoch zerstört.104 In dem zugrunde liegenden Fall hatte die österrei­ chische Erich Gasser GmbH (im Folgenden: Gasser) im Rahmen einer langjäh­ rigen Geschäftsbeziehung Kinderbekleidung an das italienische Unternehmen MISAT Srl (im Folgenden: Misat) geliefert. Der Vertrag enthielt eine ausschließ­ liche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des LG Feldkirch in Österreich. Trotzdem erhob Misat gegen Gasser vor dem Tribunale civile e penale in Rom Klage auf Feststellung, dass der Vertrag aufgelöst sei und ihrerseits keine Nicht­ erfüllung vorliege, und beantragte, die Klägerin wegen Verletzung verschiede­ ner Pflichten zu verurteilen. Daraufhin zog Gasser mit einer gegenläufigen Leistungsklage auf Bezahlung offener Rechnungen vor das Landgericht Feld­ kirch, welches das Verfahren jedoch gemäß Art.  21 EuGVÜ unter Verweis auf das zeitlich früher anhängige Verfahren in Rom aussetzte. Das OLG Innsbruck legte dann die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gerichtsstandsvereinbarun­ gen und dem Prioritätsprinzip dem EuGH vor. Die Luxemburger Richter beantworteten die Vorlage folgendermaßen: Art.  21 EuGVÜ sei dahin auszulegen, dass das später angerufene Gericht, dessen Zu­ ständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung geltend gemacht wird, das Verfahren gleichwohl auszusetzen habe, bis sich das zuerst angerufene Ge­ richt für unzuständig erklärt habe.105 Denn erstens bestehe die Möglichkeit, dass das zuerst angerufene Gericht durch rügelose Einlassung zuständig wer­ de106, zweitens könne über die tatsächliche Willenseinigung der Parteien Streit bestehen107 und drittens folge aus Art.  19 EuGVÜ (als Vorgängernorm zu Art.  25 EuGVVO a. F.), dass sich ein Gericht nur im Falle einer ausschließlichen 103  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693 m. Anm. Baatz, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 25; Fentiman, 42 Common Market Law Review (2005), 241; Grothe, IPRax 2004, 205; McGuire, GPR 3/2003– 2004, 159; Muir Watt, 93 Revue critique de droit international privé (2004), 459; Schilling, IPRax 2004, 294; Taschner, EWS 2004, 494; Thiele, RIW 2004, 285; Véron, International Review of Intellectual Property and Competition Law 2004, 638. 104  Vgl. z. B. auch Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  355 f. und 369, der die strikte Auslegung des Prioritätsgrundsatzes durch den EuGH ebenfalls für ausnahmslos hält. 105  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  54. Zustimmend Thiele, RIW 2004, 285, 288. 106  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  49. 107  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  50 f.

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Zuständigkeit nach Art.  16 EuGVÜ (als Vorgängernorm zu Art.  22 EuGVVO a. F.) von Amts wegen für unzuständig zu erklären habe, nicht jedoch bei Vorlie­ gen einer Gerichtsstandsvereinbarung108. Das Gericht entschied weiterhin, die­ se strikte Auslegung des lis pendens-Grundsatzes gelte auch dann, wenn allge­ mein die Dauer der Verfahren vor den Gerichten des Vertragsstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, unvertretbar lang sei.109 Dies begründete es erstens mit dem Wortlaut des Übereinkommens, welches keine Bestimmung enthalte, aufgrund derer seine Vorschriften, insbesondere Art.  21 EuGVÜ, we­ gen der Länge der Verfahrensdauer vor den Gerichten eines Vertragsstaats nicht anzuwenden wären.110 Zweitens argumentierte das Gericht mit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtssysteme und Rechtspflegeorgane der an­ deren Vertragsstaaten111, welches dem Übereinkommen zugrunde liege. Drit­ tens bemühte es den Zweck des Übereinkommens, Sicherheit zu gewährleisten, indem es den Beteiligten ermögliche, das zuständige Gericht mit ausreichender Sicherheit zu bestimmen.112

EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  52. 109  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/ MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  73. 110  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/ MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  70. 111  Dazu vgl. Blobel/Späth, 30 European Law Review (2005), 528. 112  Vgl. EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/ MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  72. Die Problematik um Torpedo-Klagen wurde noch vertieft aufgrund einer Vorlagefrage des BGH, ob der Deliktsgerichtsstand nach Art.  5 Nr.  3 EuGVVO a. F. auch negative Feststellungsklagen erfasse, vgl. BGH, 01.02.2011, GRUR 2011, 554 (Trägermate­ rial für Kartenformulare) m. Anm. Sujecki, GRUR Int. 2012, 18. Vgl. auch Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  5 EuGVO Rn.  78 m. w. N. zum Streitstand in Fn.  470. Der EuGH beantwortete die Frage im Jahr 2012 nämlich dahingehend, die negative Feststellungs­ klage sei nicht vom Geltungsbereich des Art.  5 Nr.  3 EuGVVO a. F. ausgeschlossen, vgl. EuGH, 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG, Fofitec AG/Ritrama SpA), Rn.  54. Land­ gericht und Berufungsgericht hatten dies noch verneint, weil mit der Klage gerade geltend gemacht werde, dass keine unerlaubte Handlung begangen worden sei. Mit derselben Be­ gründung hatten auch schon das Tribunale di Bologna (16.09.1998, GRUR Int. 2000, 2032 ff. (Verpackungsmaschine) m. Anm. Stauder, 1022) und der oberste Gerichtshof in Schweden (Högsta Domstolen, 14.06.2000 (Flootek), GRUR Int. 2001, 178) die Eröffnung des Delikts­ gerichtsstands für eine negative Feststellungsklage verneint. Mit der Entscheidung des EuGH wurde dagegen klargestellt, dass auch eine zu befürchtende Leistungsklage aus unerlaubter Handlung mittels einer negativen Feststellungsklage vor einem Gericht mit überlanger Ver­ fahrensdauer, die auf die Feststellung des Nichtbestehens deliktischer Ansprüche gerichtet ist, torpediert werden kann. 108 

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III.  Kritik an der Gasser-Entscheidung und ihren Folgen Die Entscheidung wurde teilweise stark kritisiert, vor allem im Vereinigten Kö­ nigreich.113 Die Kritik galt erstens der Argumentation mit dem Prinzip des ge­ genseitigen Vertrauens. Dem EuGH wurde vorgeworfen, er habe das Vertrauen auf die durch den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung bezweckte Rechtssicherheit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mit­ gliedstaaten geopfert.114 Die Kritik betrifft dabei zum einen das Prinzip an sich. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens findet zwar seine Verankerung in den Erwägungsgründen (16) und (17) zur EuGVVO a. F. bzw. nunmehr in Erwä­ gungsgrund (26) zur EuGVVO n. F. Im Verordnungstext selbst findet sich aber überhaupt keine Erwähnung des Vertrauensgrundsatzes. Es handelt sich damit eher um ein theoretisches, jenseits des Textes der Verordnung liegendes und schwer kategorisierbares Prinzip.115 Umso näher liegt der Vorwurf, der EuGH verwende das Prinzip als Allzweckwaffe, ohne dabei den gegenwärtigen Inte­ grationsstand ausreichend zu berücksichtigen.116 Zum anderen mutet die Argu­ mentation mit dem gegenseitigen Vertrauen in das Funktionieren der Rechts­ pflege wie ein Zirkelschluss an, wenn gerade das Funktionieren der Rechtspfle­ ge – wie im Falle einer unzumutbar langen Verfahrensdauer – in Frage steht. So gesehen sind gerade Torpedo-Klagen geeignet, das vom EuGH bemühte gegen­ seitige Vertrauen zu untergraben.117 Das Prinzip erlangt dadurch, dass der Ver­ trauensvorschuss, auf dem die EuGVVO beruht, durch bewusste Verzögerungs­ taktiken enttäuscht wird, einen schalen Beigeschmack.118 In diesem Sinne wur­ de vertreten, eine teleologische Reduktion der Rechtshängigkeitsregel oder die Zulassung von Ausnahmen würden das gegenseitige Vertrauen in die Rechts­ systeme und Rechtspflegeorgane und den Funktionsmechanismus der EuGVVO nicht erschüttern, sondern gerade stärken.119 Zweitens wurde die Entscheidung vor dem Hintergrund des Art.  6 EMRK kritisiert. Im Schrifttum wurde erörtert, ob die strikte Geltung des Prioritäts­ 113  Vgl. etwa Hartley, in: Jobard-Bachellier/Mayer (Hrsg.), Mélanges en l’honneur de Paul Lagarde (2005), S.  383, 387; Mance, Law Quarterly Review 2004, 357; Merrett, 55 Internatio­ nal and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 327. 114  Vgl. z. B. Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 538. 115  Vgl. Blobel/Späth, 30 European Law Review (2005), 528, 529; Bříza, 5 Journal of Pri­ vate International Law (2009), 537, 541. 116  Otte, ZZP Int. 8 (2003), 521, 525 f.; zustimmend Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 32. 117  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 31. 118  Otte, ZZP Int. 8 (2003), 521, 525. 119  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23; Otte, ZZP Int. 8 (2003), 521, 525; Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  385.

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prinzips im Falle einer überlangen Verfahrensdauer des Erstgerichts eine Ver­ letzung des Justizgewährungsanspruchs aus Art.  6 Abs.  1 EMRK bedeutet.120 Auch der EGMR hat die Verfahrensdauer vor italienischen Zivilgerichten als Verstoß gegen das Gebot der Entscheidung binnen angemessener Frist nach Art.  6 Abs.  1 EMRK eingestuft121; ebenso halten diejenigen, die der Gasser-Entscheidung grundsätzlich zustimmen, jedenfalls eine Klage vor dem EGMR gegen den Staat, dessen Gerichte die überlange Verfahrensdauer zu ver­ antworten haben, für möglich.122 Der EuGH hat sich dagegen explizit nur zu der Frage geäußert, ob bei einer allgemein langen Verfahrensdauer in einem Mit­ gliedstaat eine Ausnahme vom Prioritätsprinzip gemacht werden kann. Ob im konkreten Einzelfall wegen einer unvertretbar langen Dauer des Verfahrens eine Ausnahme gemacht werden könne, hatte er nicht zu beantworten, weil das OLG Innsbruck keine Feststellungen zur Verfahrensdauer des italienischen Verfahrens getroffen hatte.123 Damit wurde die Frage, ob nicht eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs aus Art.  6 Abs.  1 EMRK vorliegt, in Gasser überhaupt nicht angesprochen.124 Würde tatsächlich ein Verstoß gegen Art.  6 Abs.  1 EMRK vorliegen, so wäre ein pauschaler Verweis auf den Vertrauens­ grundsatz aber nicht zu dessen Rechtfertigung geeignet.125 Aus diesem Grund wurde teilweise auch die Meinung vertreten, der Prioritätsgrundsatz sei trotz der Gasser-Entscheidung nicht ausnahmslos, vielmehr habe der EuGH Raum für eine Durchbrechung der Rechtshängigkeitssperre für die Fälle gelassen, in denen im Einzelfall der konkrete Nachweis erbracht werden kann, dass das Erstverfahren die durch Art.  6 Abs.  1 EMRK vorgegebene zeitliche Grenze überschritten hat oder voraussichtlich überschreiten wird.126 120  Fawcett, 56 International and Comparative Law Quarterly (2007), 1, 13 ff.; Fentiman, 64 Cambridge Law Journal (2005), 312; Grothe, IPRax 2004, 205, 208 ff.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  18; Schilling, IPRax 2004, 294. 121  Grundlegend EGMR, 25.06.1987 (Capuano/Italien), Nr.  9381/81 und EGMR, 28.07.1999 (Bottazzi/Italien), Nr.  34884/97, wonach die überlange Verfahrensdauer die Wirk­ samkeit und Glaubwürdigkeit der Rechtspflege beeinträchtigen kann. 122  Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  21; Taschner, EWS 2004, 494, 499. 123  Vgl. EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  57 und Thiele, RIW 2004, 285, 287. 124  Vgl. Dietze/Schnichels, EuZW 2004, 717, 720. Vgl. aber die Auseinandersetzung in BGH, 06.02.2002, NJW 2002, 2795, 2796. 125  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 33; Dietze/Schnichels, EuZW 2004, 717, 720; Taschner, EWS 2004, 494, 499. 126  In diese Richtung Freitag, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004, 399, 418; Grothe, IPRax 2004, 205, 211 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  18; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  27 Brüssel I-VO Rn.  18 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  260; Sander/Breßler, ZZP 122

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Bei aller Kritik bleibt zu berücksichtigen, dass die vom EuGH vorgenomme­ ne Auslegung des Art.  27 EuGVVO a. F. tatsächlich so vom Wortlaut der Ver­ ordnung vorgegeben war. Für die Möglichkeit einer Durchbrechung der lis pendens-Regel fand sich bislang in der EuGVVO keinerlei Anhaltspunkt.127 So ge­ sehen hat der EuGH mit der Gasser-Entscheidung die Torpedo-Problematik keineswegs begründet, sondern eine längst bestehende Problematik, deren Weg vom Wortlaut der EuGVVO geebnet worden war, lediglich festgetreten. Die Entscheidung ordnet sich damit in das kontinentaleuropäische Rechtsverständ­ nis ein, wonach prozessuale Vorschriften, insbesondere Zuständigkeitsvor­ schriften, vor allem Rechtssicherheit gewährleisten sollen.128 Das ändert nichts an ihrem bedauernswerten Resultat, dass einer abredetreuen Partei bislang bei Aufkeimen eines Streits geraten werden musste, möglichst rasch vor das ge­ wählte Gericht zu ziehen.129 IV.  Die Revision der EuGVVO 1.  Durchbrechung des Prioritätsprinzips durch Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. Wie die Revision der EuGVVO verdeutlicht, kann man jedoch aus Fehlern ler­ nen. Der Reformgesetzgeber hat sich für einen logischen Mechanismus ent­ schieden, um Torpedo-Klägern die Anreize zu nehmen und Gerichtsstandsver­ einbarungen in Zukunft zur Durchsetzbarkeit zu verhelfen: Grundsätzlich bleibt das Prioritätsprinzip in Art.  29 EuGVVO n. F. bestehen. Die Vorschrift führt also die Tradition des Art.  21 EuGVÜ und des Art.  27 EuG­ VVO a. F. fort. Danach sieht auch die neue Verordnung vor, dass in dem Fall, dass bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben An­ spruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später an­ gerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen auszusetzen hat, bis die Zu­ ständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Diese auf Priorität abstel­ lende lis pendens-Regel gilt aber nicht mehr ausnahmslos. Denn Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F. beansprucht nur „unbeschadet des Artikels 31 Absatz 2“ Gel­ tung. Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. hat also Vorrang vor der allgemeinen lis pendens-Regel. Diese bereits erwähnte Vorschrift sieht eine Durchbrechung des (2009), 157, 169; Schilling, IPRax 2004, 294, 297; Schlosser, EuZPR, 3.  Aufl. 2009, Art.  27 EuGVVO Rn.  12. In vielen Fällen, in denen zwar eine Missbrauchssituation gegeben ist, wird immer noch nicht die Grenze von Art.  6 Abs.  1 EMRK erreicht sein, vgl. Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 169. 127  So auch Taschner, EWS 2004, 494, 494. 128  Thiele, RIW 2004, 285. 129  So etwa Baatz, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 25, 29.

§ 4 – C.  Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung

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Prioritätsprinzips für den Fall vor, dass ein in einer Gerichtsstandsvereinbarung benanntes Gericht angerufen wird und bereits in derselben Sache eine Klage bei einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht anhängig ist. Künftig hat das andere, derogierte Gericht, unabhängig davon, ob es zeitlich früher angerufen worden ist, das Verfahren auszusetzen (es sei denn, es liegt eine rügelose Einlassung nach Art.  26 EuGVVO n. F. vor), bis das auf der Grundlage der Vereinbarung angerufene Gericht erklärt hat, dass es gemäß der Vereinbarung nicht zuständig sei. Stellt das gewählte Gericht dagegen seine Zuständigkeit gemäß der Verein­ barung fest, haben sich die Gerichte aller anderen Mitgliedstaaten nach Art.  31 Abs.  3 EuGVVO n. F. zugunsten dieses Gerichts für unzuständig zu erklären.130 Sinn und Zweck der Vorschrift hat der Reformgesetzgeber im neuen Erwä­ gungsgrund (22) ausgedrückt. Dort heißt es, es müsse eine Ausnahme von der allgemeinen Rechtshängigkeitsregel gemacht werden, um die Wirksamkeit von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern und missbräuch­ liche Prozesstaktiken zu vermeiden. Nur für den Fall, dass eine Streitigkeit nach den Abschnitten 3 (Versicherungssachen), 4 (Verbrauchersachen) oder 5 (Indi­ vidualarbeitsverträge) gegeben ist, der Kläger Versicherungsnehmer, Versicher­ ter, Begünstigter des Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist und die Vereinbarung nach einer in den genannten Abschnit­ ten enthaltenen Bestimmung nicht gültig ist, sollen die Abs.  2 und 3 nach Abs.  4 des Art.  31 EuGVVO n. F. nicht gelten. Der in Abschnitt 3, 4 und 5 gewährleis­ tete Schutz der schwächeren Partei soll also nicht durch die Regelung des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. ausgehöhlt werden.131 Ebenso gehen die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art.  24 EuGVVO n. F. einer Vereinbarung durch die Partei­ en vor, mit der Folge, dass auch ein früher angerufenes Gericht, das nach Art.  24 EuGVVO n. F. ausschließlich zuständig ist, das Verfahren nicht gemäß Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auszusetzen hat.132 Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. und Erwägungsgrund (22) zur neuen Verord­ nung erlauben es also in gesetzlicher Abkehr zur Gasser-Entscheidung133 der von der Torpedo-Taktik ihres Vertragspartners überrumpelten Partei, den Rechtsstreit dennoch vor das gewählte Gericht zu bringen, und dem prima facie vereinbarten Gericht, selbst über die Wirksamkeit der Vereinbarung und damit seine Zuständigkeit oder Unzuständigkeit zu entscheiden.134 Dazu Antomo/Burgschat, JURA 2015, 1143, 1151; Cadet, EuZW 2013, 218, 220. Mankowski, RIW 2015, 17, 20. 132  Mankowski, RIW 2015, 17, 20. 133  So Mankowski, RIW 2015, 17, 18. 134  Mankwoski, RIW 2015, 17, 18 m. w. N.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  31 Brüssel Ia-VO Rn.  4. 130  131 

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2.  Weitere Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die neue EuGVVO Dieses Mittel gegen Torpedo-Klagen, also die Durchbrechung des Prioritäts­ prinzips zugunsten der Parteiautonomie, wird darüber hinaus von der bereits erwähnten harmonisierten Kollisionsnorm in Art.  25 Abs.  1 S.  1 letzter Hs. EuGVVO n. F. begleitet. Hinzukommt, dass sich Vereinbarungen, in denen ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats benannt werden, zukünftig im­ mer nach der Verordnung richten, unabhängig vom Wohnsitz der Parteien (Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F.).135 Dadurch wird der Anwendungsbereich der EuGVVO erweitert und Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten mitglied­ staatlicher Gerichte werden einheitlich nach denselben Regeln beurteilt.136 Au­ ßerdem hilft die Neuregelung dem Problem ab, dass in der Vergangenheit für die Gerichte nicht immer klar erkennbar war, welches Gericht zuerst angerufen wurde. Zukünftig soll das angerufene Gericht nach Art.  29 Abs.  2 EuGVVO n. F. auf Antrag eines anderen angerufenen Gerichts diesem unverzüglich mit­ teilen, wann es gemäß Art.  32 EuGVVO n. F. angerufen wurde. Der nicht ver­ tragsbrüchigen Partei kommt zukünftig zudem Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. zugute. Die Norm bestimmt für den Fall, dass sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und der vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verklagt wird, auf das Verfahren nicht einlässt, dass sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären hat, wenn seine Zuständigkeit nicht nach der EuGVVO begründet ist. Damit geht die Vor­ schrift weit über den bisher geltenden Art.  25 EuGVVO a. F. hinaus, nach dem sich die mitgliedstaatlichen Gerichte nur dann von Amts wegen für unzuständig erklären mussten, wenn ein anderes mitgliedstaatliches Gericht nach Art.  22 EuGVVO a. F. ausschließlich zuständig war. Mit der Vorschrift hatte noch der EuGH in seiner Gasser-Entscheidung argumentiert.137 Wird eine Gerichts­ standsvereinbarung verletzt, kann also darauf gehofft werden, dass sich das Ge­ richt in Zukunft von Amts wegen für unzuständig erklären wird. 3.  Folgen für die redliche Partei Mit der Reform der EuGVVO ist die Gefahr von Torpedo-Klagen unter Verlet­ zung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich der EuGVVO 135 

Vgl. dazu bereits oben §  1 C. I. 3. Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation (2015), Art.  25 Rn.  50; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  5. 137  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  52. 136 

§ 4 – C.  Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung

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deutlich verringert.138 Vollständig ausgeschlossen ist die Möglichkeit, dass ei­ ner Partei Nachteile aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch die andere Partei drohen, jedoch nicht. Möglicherweise wird es auch weiterhin Fälle geben, in denen sich eine Partei über eine Gerichtsstandsvereinbarung hinwegsetzt und das derogierte Gericht entgegen Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. das Verfahren nicht sofort aussetzt, obwohl das in der Vereinbarung benannte Gericht angerufen wird. Gerade die Gerichte, die bislang dafür bekannt waren, oftmals Jahre für die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage zu benötigen, wer­ den nicht unbedingt unverzüglich das Verfahren nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. aussetzen, wenn das in einer Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht angerufen wurde. Weil jedoch das Verfahren trotz Anhängigkeit einer Klage in derselben Sache zukünftig vom gewählten Gericht durchgeführt werden kann, droht keine Lähmung des Rechtsstreits mehr. Die vertragsbrüchige Partei kann also Rechtsschutz vor dem gewählten Gericht suchen. Allerdings ist es auch zukünftig möglich, dass der nicht vertragsbrüchigen Partei dadurch Nachteile und Kosten entstehen, dass sie sich vor dem derogierten Gericht auf die Wirk­ samkeit der Gerichtsstandsvereinbarung berufen muss, weil dieses das Verfah­ ren entgegen Art.  28 Abs.  1 und Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. nicht aus­ setzt bzw. sich nicht für unzuständig erklärt. Haben die Parteien dagegen keine Zuständigkeitsvereinbarung getroffen, wird die Flucht in eine negative Feststellungklage weiterhin möglich sein. Die reformierte Verordnung sieht keine Missbrauchskontrolle oder Ausnahme vom Prioritätsprinzip bei überlanger Verfahrensdauer vor. Für solche Fälle, also etwa im Zusammenhang mit patentrechtlichen Streitigkeiten, wird sich die Dis­ kussion um die richtige Herangehensweise fortsetzen.139 Zu hoffen bleibt nur, dass die Staaten mit besonders langer Verfahrensdauer weiter an einer Verbes­ serung der Effizienz ihrer Justizsysteme arbeiten. Den Parteien internationaler Streitigkeiten ist stärker als zuvor zu empfehlen, eine Gerichtsstandsverein­ barung abzuschließen, um im Falle einer Torpedo-Handlung durch die andere Partei in den Genuss des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. zu kommen.

138  Dazu Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 25 f.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  31 Brüssel Ia-VO Rn.  4; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation (2015), Art.  25 Rn.  1. 139  Vgl. etwa Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  29 Brüssel ­Ia-VO Rn.  18, 35 ff.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

4.  Sonderproblem: Die revidierte EuGVVO und sog. umgekehrte TorpedoKlagen a)  Besteht die Gefahr sog. umgekehrter Torpedo-Klagen? Auch wenn die Einführung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. für die Zu­ kunft verhindert, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung torpediert werden kann, befürchten einige eine nachteilige Reflexwirkung der Vorschrift, weil diese sog. „umgekehrte Torpedo-Klagen“ ermögliche.140 Gemeint ist damit der Fall, dass nun die Beilegung eines Streits verzögert werden könnte, indem um­ gekehrt eine Partei das in einer offensichtlich unwirksamen oder gefälschten Gerichtsstandsvereinbarung (sog. sham jurisdiction agreement) benannte Ge­ richt anruft, sodass die andere Partei abzuwarten hätte, bis dieses Gericht – selbst wenn es dafür noch so lange braucht – die Unwirksamkeit der Vereinba­ rung festgestellt hat. Daher wurde beispielsweise vorgeschlagen, in die EuGV­ VO eine Regelung aufzunehmen, wonach das zuerst angerufene Gericht das Verfahren zugunsten des später angerufenen, in der Vereinbarung benannten Gerichts zwar auszusetzen habe, das designierte Gericht im Falle eines erhobe­ nen Fälschungseinwands jedoch innerhalb von sechs Monaten über die Wirk­ samkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden habe.141 Es stellt sich die Frage, ob die Furcht vor der Möglichkeit solcher umgekehr­ ten Verzögerungstaktiken begründet ist. Zunächst kann festgestellt werden, dass sich die Rechtslage für den Fall, dass noch bei keinem mitgliedstaatlichen Gericht eine Klage anhängig ist, durch die Einführung des Art.  31 EuGVVO n. F. nicht geändert hat. Das zuerst angerufene Gericht darf nach alter wie nach neuer Rechtslage über seine eigene Zuständigkeit entscheiden, gerade weil es zuerst angerufen worden ist. Das folgt aus Art.  27 Abs.  1 EuGVVO a. F. bzw. Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F. Die noch im Kommissionsvorschlag geplante Ein­ führung einer negativen Kompetenz-Kompetenz, wonach im Falle einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines Mit­ gliedstaats die Gerichte anderer Mitgliedstaaten solange für die Streitigkeit unzuständig sein sollten, bis sich ein in der Vereinbarung bezeichnetes Gericht 140  Die Befürchtung äußern etwa Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 557; Dickinson, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 247, 293; Domej, Ra­ belsZ 78 (2014), 508, 535; Fentiman, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation (2015), Art.  31 Rn.  12; Heinze, RabelsZ 75 (2011), 581, 588; Mankowski, RIW 2015, 17, 21; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  27; Ratković/Zgrabljićrotar, 9 Journal of Private International Law (2013), 245, 263 f.; wie schon Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen vom 09.09.2003 zu Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/ MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693. 141  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  281.

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für unzuständig erklärt hätte – also auch dann, wenn ein gewähltes Gericht noch gar nicht angerufen worden wäre – wurde nicht umgesetzt.142 Im neuen Erwägungsgrund (22), zweiter Abschnitt, heißt es weiterhin, die allgemeine Rechtshängigkeitsregel gelte für die Fälle, in denen die Parteien widersprüchli­ che ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen haben. Es ist also auch nicht möglich, dass eine Partei das prorogierte Gericht anruft, die andere das Verfahren dann aber dadurch lähmt, dass sie vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats eine Klage erhebt und behauptet, in Wahrheit hätten sich die Parteien auf die Zuständigkeit dieses Gerichts geeinigt. Das zuerst angeru­ fene Gericht darf in solchen Fällen nach Art.  29 EuGVVO n. F. über seine Zu­ ständigkeit bestimmen. Probleme können also überhaupt nur in dem Fall auftre­ ten, in dem bereits eine der Parteien bei einem mitgliedstaatlichen Gericht eine Klage erhoben hat, die andere Partei dann aber in derselben Sache eine zweite Klage vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erhebt und behauptet, dieses Gericht sei in einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  25 EuGVVO n. F. benannt. Der Unterschied zu den bisherigen Torpedo-Fällen besteht darin, dass der Torpedo-Kläger in dieser Situation der anderen Partei nicht zuvor­ kommt, sondern auf eine bereits erhobene Klage reagiert. b)  Welche Prüfungskompetenz hat das zuerst angerufene Gericht? Ob das zuerst angerufene Gericht in solchen Fällen das Verfahren tatsächlich auszusetzen hat, wird aus dem Wortlaut des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. nicht ganz deutlich. Die Vorschrift ist insofern etwas ungeschickt formuliert, da sie einerseits davon spricht, dass das zuerst angerufene Gericht das Verfahren aus­ zusetzen habe, wenn ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats angerufen ist, das „gemäß einer Vereinbarung nach Artikel 25 ausschließlich zuständig ist“, ande­ rerseits aber anordnet, dass das auf Grundlage der Vereinbarung angerufene Gericht daraufhin zu prüfen und zu erklären habe, ob es „gemäß der Vereinba­ rung“ zuständig oder unzuständig ist. Aus dem ersten Teil der Formulierung 142 

Nach dem geplanten Art.  32 Abs.  2 EuGVVO hätte ein nicht in der Vereinbarung be­ nanntes Gericht nicht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden können, selbst wenn kein paralleles Verfahren vor dem prorogierten Gericht anhängig wäre. Die Vorschrift sollte folgendermaßen lauten: „Ist in einer Vereinbarung gemäß Artikel 23 die ausschließliche Zuständigkeit eines oder aller Gerichte eines Mitgliedstaats vorgesehen, sind, soweit es sich nicht um Vereinbarungen im Sinne der Abschnitte 3, 4 und 5 dieses Ka­ pitels handelt, die Gerichte anderer Mitgliedstaaten so lange für die Streitigkeit unzuständig, bis sich das beziehungsweise die in der Vereinbarung bezeichneten Gerichte für unzuständig erklärt haben.“ Die Vorschrift hätte tatsächlich eine umgekehrte Torpedo-Problematik be­ gründen können. Kritisch daher Heinze, RabelsZ 75 (2011), 581, 588; Pohl, IPRax 2013, 109, 112.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

könnte gefolgert werden, das zuerst angerufene Gericht müsse das Verfahren eben nur dann aussetzen, wenn es nach seiner eigenen Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass das später angerufene Gericht auch tatsächlich in einer gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. wirksamen Vereinbarung gewählt worden ist.143 Dass der Reformgesetzgeber dem zuerst angerufenen Gericht eine solche Prüfungskom­ petenz nicht zugestehen wollte, folgt jedoch bereits aus dem systematischen Zu­ sammenhang mit dem zweiten Teil der Formulierung. Denn es würde keinen Sinn ergeben, das auf Grundlage der Vereinbarung angerufene Gericht dann ebenfalls prüfen zu lassen, ob es aufgrund einer Vereinbarung gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. zuständig ist. Untermauert wird dies außerdem von Erwägungs­ grund (22), der klarstellt, dass das zuerst angerufene Gericht das Verfahren aus­ zusetzen hat, sobald das vereinbarte Gericht angerufen wurde. Hierdurch soll sichergestellt werden, „dass das vereinbarte Gericht vorrangig über die Gültig­ keit der Vereinbarung und darüber entscheidet, inwieweit die Vereinbarung auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit Anwendung findet.“ Es wäre mit dem Sinn der neuen Ausnahme von der Rechtshängigkeitsregel nicht vereinbar, dem zu­ erst angerufenen Gericht doch eine volle Prüfungskompetenz zuzuerkennen. Aus der Neuregelung folgt, dass der europäische Gesetzgeber dem in der Ver­ einbarung bezeichneten Gericht, wenn es angerufen worden ist, die Kompe­ tenz-Kompetenz zuerkennen möchte.144 Eine daneben bestehende volle Prü­ fungskompetenz anderer Mitgliedstaatengerichte muss daher ausscheiden. Dennoch stellt sich die Frage, ob wenigstens in offensichtlichen Missbrauchs­ fällen eine Ausnahme von Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. gemacht werden darf.145 Grundsätzlich ist vor dem Hintergrund von Erwägungsgrund (22) davon auszu­ gehen, dass auch in dem Fall, dass die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsverein­ barung offensichtlich ist, das in der Vereinbarung benannte Gericht über die Unwirksamkeit entscheiden darf. Es steht zu vermuten, dass sich auch der EuGH unter Berufung auf das Ziel der EuGVVO, für die Parteien Rechtssicher­ heit und Vorhersehbarkeit zu schaffen, gegen eine Ausnahme für Missbrauchs­ fälle aussprechen würde. Im Übrigen kann auch im Umkehrschluss aus der Existenz des Art.  31 Abs.  4 EuGVVO n. F. gefolgert werden, dass dem zuerst angerufenen, nicht in der Vereinbarung benannten Gericht auch in Missbrauchs­ situationen grundsätzlich keine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Wirksam­ keit der Gerichtsstandsvereinbarung zustehen soll. Denn in Abs.  4 hat der Re­ formgesetzgeber für bestimmte besonders schutzwürdige Personengruppen (Versicherungsnehmer, Verbraucher und Arbeitnehmer) ausnahmsweise vorge­ In diese Richtung Simotta, 3 International Journal of Procedural Law (2013), 58, 77. Mankowski, RIW 2015, 17, 21. 145  Vgl. zum Streitstand und verschiedenen Lösungsmodellen Mankowski, RIW 2015, 17, 21 f.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  31 Brüssel Ia-VO Rn.  14 f. 143 

144 

§ 4 – C.  Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung 101

sehen, dass das von einer solchen Person zuerst angerufene Gericht das Verfah­ ren nicht gemäß Art.  32 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. aussetzen muss, wenn die andere – „stärkere“ – Partei ein anderes Gericht auf Grundlage einer Gerichts­ standsvereinbarung anruft, welche aufgrund der Vorschriften der Abschnitte 3 bis 5 ungültig ist. Nur in diesen Fällen besonders schutzwürdiger Personengrup­ pen soll das Erstgericht also eine Prüfungskompetenz besitzen, während in an­ deren Fällen gerade keine Ausnahme vom Grundsatz der Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. vorgesehen ist. Eine Grenze sollte allerdings dann gezogen werden, wenn die Partei, die sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung beruft, keinerlei Beweis dafür antritt, dass zwischen den Parteien überhaupt eine Gerichtsstandsvereinbarung in der Form des Art.  25 Abs.  1 bis 4 EuGVVO n. F. geschlossen worden ist. Es sollte also danach entschieden werden, ob sie Dokumente vorlegt, aus denen sich eine Ge­ richtsstandsvereinbarung ergibt – dann darf allein das darin benannte Gericht die Wirksamkeit der Vereinbarung prüfen – oder ob die Partei überhaupt nichts vorlegen kann, woraus sich die Existenz einer Gerichtsstandsvereinbarung er­ geben könnte, sondern diese nur „ins Blaue hinein“ behauptet – dann hat das zuerst angerufene Gericht das Verfahren nicht auszusetzen, sondern es bleibt bei der Grundregel des Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F., also der Geltung des Pri­ oritätsprinzips. Andernfalls könnten listige Beklagte einen Streit stets in die Länge ziehen, indem sie vor ein beliebiges anderes Gericht ziehen und gänzlich unsubstantiiert den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung behaupten würden. Für dieses Ergebnis spricht auch der Wortlaut von Art.  31 Abs.  2 EuG­ VVO n. F., der verlangt, dass das Gericht „auf der Grundlage der Vereinbarung“ angerufen wird. In den Fällen, in denen die Gerichtsstandsvereinbarung völlig unsubstantiiert behauptet wird, fehlt es gerade an einer Vereinbarung. Eine über eine solche prima facie-Kontrolle hinausgehende Prüfungskompetenz sollte dem zuerst angerufenen Gericht jedoch nicht zustehen.146 Insgesamt darf die Gefahr sog. umgekehrter Torpedo-Fälle wohl nicht über­ schätzt werden. Derlei Fälle werden kaum besonders praxisrelevant sein. Ob jedoch im Einzelfall eine Missbrauchskontrolle durch das Erstgericht durchzu­ führen sein wird, ist im Zweifel durch den EuGH zu klären.

146  Anders Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  31 Brüssel Ia-VO Rn.  15, demzufolge es auf die Reaktion der anderen Partei ankommt. Eine bloße Behauptung könne daher genügen, wenn die andere Partei nicht widerspricht, andernfalls komme es auf die Standards der lex fori an.

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5.  Sonderproblem: Das Verhältnis zwischen Art.  31 Abs.  2 und 3 und Art.  30 EuGVVO n. F. a)  Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. gelten nur für Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien Probleme bereitet auch das Verhältnis zwischen in unterschiedlichen Mitglied­ staaten eingeleiteten Verfahren, die nicht denselben Anspruch betreffen, son­ dern lediglich miteinander im Zusammenhang stehen. Bereits die alte Verord­ nung sah dafür einen ins Ermessen des später angerufenen Gerichts gestellten Prioritätsgrundsatz in Art.  28 EuGVVO a. F. vor, der nun inhaltsgleich von Art.  30 EuGVVO n. F. fortgeführt wird. Nach Abs.  1 kann, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten im Zusammenhang stehende Verfahren anhän­ gig sind, jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen. Abs.  2 be­ stimmt, dass sich jedes später angerufene Gericht auf Antrag einer Partei auch für unzuständig erklären kann, wenn das beim zuerst angerufenen Gericht an­ hängige Verfahren in erster Instanz anhängig ist, dieses Gericht für die betref­ fenden Verfahren zuständig ist und die Verbindung der Verfahren nach seinem Recht zulässig ist. Abs.  3 konkretisiert dann, wann verschiedene Verfahren mit­ einander im Zusammenhang stehen. Das soll der Fall sein, „wenn zwischen ih­ nen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Ver­ fahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.“ Für lediglich im Zusammenhang miteinander stehende Verfahren sieht die Verordnung also, an­ ders als für Klagen über denselben Anspruch, kein zwingendes Prioritätsprin­ zip vor, sondern überlässt es grundsätzlich dem Ermessen des später angerufe­ nen Gerichts, ob es das Verfahren aussetzt bzw. sich für unzuständig erklärt oder nicht. Unter dem Regime der reformierten Verordnung stellt sich die Frage, wie das Verhältnis zwischen der Ermessensregel in Art.  30 und der Durchbrechung des Prioritätsprinzips durch Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. ausgestaltet ist. Der Überlegung kann folgender Beispielsfall zugrunde gelegt werden: Die Parteien haben sich auf die ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte geei­ nigt. Eine Partei erhebt dennoch eine Klage in Italien und verlangt Schadenser­ satz wegen der Verletzung eines zwischen den Parteien bestehenden Vertrags. Die andere Partei zieht vor ein deutsches Gericht und macht ihrerseits Ansprü­ che aus einem anderen, aber inhaltsgleichen Vertrag geltend. Geht man richti­ gerweise davon aus, dass die beiden Verfahren i. S. v. Art.  30 Abs.  3 EuGVVO n. F. miteinander im Zusammenhang stehen147, bedarf es der Klärung, ob auch 147 

Werden in verschiedenen Verfahren Ansprüche aus inhaltsgleichen Verträgen geltend

§ 4 – C.  Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung 103

in diesem Fall Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. gilt. Das hätte nämlich zur Folge, dass das italienische Gericht das Verfahren aussetzen müsste. Würde man um­ gekehrt den Anwendungsbereich der Vorschrift auf solche Fälle beschränken, in denen die Verfahren denselben Anspruch i. S. v. Art.  29 EuGVVO n. F. betref­ fen, bliebe es bei der allgemeinen Ermessensregel in Art.  30 EuGVVO n. F.: Dem deutschen Gericht würde dann das Ermessen zustehen, das Verfahren aus­ zusetzen, das italienische Gericht wäre hingegen nicht gemäß Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. zur Aussetzung gezwungen. Allerdings hätte es sich grundsätz­ lich nach Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. für unzuständig zu erklären. Der Wortlaut des Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. allein sagt nichts darü­ ber aus, ob die Vorschrift lediglich Verfahren in derselben Sache oder auch miteinander im Zusammenhang stehende Verfahren meint. Aus der weiten For­ mulierung der Vorschrift und ihrem systematischen Zusammenhang mit Art.  29 und 30 EuGVVO n. F. könnte man schließen, die Norm regle auch miteinander im Zusammenhang stehende Verfahren. Dagegen spricht aber, dass nur Art.  29, nicht aber Art.  30 EuGVVO n. F. ausdrücklich auf die Vorschrift verweist („un­ beschadet des Artikels 31 Absatz 2“). Außerdem ist auch im neuen Erwägungs­ grund (22) lediglich die Rede davon, dass es einer Lösung für die Fälle bedürfe, in denen bereits ein Verfahren anhängig ist und später das vereinbarte Gericht „wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien angerufen wird“.148 Diese Auslegung ist auch sinnvoll, denn bereits unter der alten Verordnung wur­ de der Zusammenhang i. S. v. Art.  28 Abs.  1 EuGVVO a. F. mit Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift, einander widersprechende Entscheidungen zu ver­ meiden, weit verstanden.149 So setzt die Vorschrift beispielsweise nicht einmal die Identität der Parteien voraus. Verfahren können auch miteinander im Zu­ sammenhang stehen, wenn unterschiedliche Parteien beteiligt sind.150 In sol­ chen Fällen könnte es zu Schwierigkeiten kommen, wenn das zuerst angerufene Gericht das Verfahren auszusetzen hätte, obwohl beispielsweise nur eine der Parteien an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist, auf deren Grundlage vor dem später angerufenen Gericht geklagt wurde. Würde man Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auch für Verfahren anwenden, die lediglich im Zusammenhang gemacht, stehen die Verfahren im Zusammenhang miteinander. Vgl. die Entscheidung des englischen Court of Appeal in IP Metal Ltd v. Ruote SpA [1993] 2 Lloyd’s Rep 337. 148  Daraus schließt auch Pohl, IPRax 2013, 109, 112 darauf, dass Art.  31 EuGVVO n. F. nur für Verfahren in derselben Sache gelte. Diese Sichtweise wird – soweit ersichtlich – all­ seits geteilt, vgl. auch Mankowski, RIW 2015, 17, 20; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  31 Brüssel Ia-VO Rn.  6 m. w. N. 149  Vgl. EuGH, 06.12.1994, Rs. C-406/92 (The Tatry/The Maciej Rataj), Slg. I-5439, Rn.  53; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  28 Brüssel I-VO Rn.  3; K ­ ropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  28 EuGVO Rn.  3. 150  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  28 Brüssel I-VO Rn.  4.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

miteinander stehen, könnte er außerdem als Waffe für einen „umgekehrten“ Torpedo eingesetzt werden. Denn dann stünde es dem in einem Mitgliedstaat Beklagten frei, in einem anderen Mitgliedstaat eine bloß mit dem ersten Verfah­ ren im Zusammenhang stehende Klage zu erheben und durch die Behauptung einer Gerichtsstandsvereinbarung das erste Verfahren zu blockieren. Aus die­ sen Gründen gelten Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. also nur für Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien i. S. v. Art.  29 EuGV­ VO n. F. b)  Besteht eine Torpedo-Gefahr bei lediglich im Zusammenhang stehenden Verfahren? Was bedeutet diese Auslegung für die Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsver­ einbarungen? Zunächst besteht für die redliche Partei stets die Möglichkeit, das Verfahren im derogierten Forum lahmzulegen, indem sie eben nicht bloß eine im Zusammenhang mit diesem Verfahren stehende Klage erhebt, sondern vor dem prorogierten Gericht in derselben Sache klagt und so den Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. in Gang setzt. Probleme können also nur dann bestehen, wenn das prorogierte Gericht, vor dem die spätere Klage erhoben wurde, die beiden Verfahren für lediglich im Zusammenhang stehend, nicht aber für denselben Anspruch betreffend befindet. Dann könnte das Gericht das Verfahren gemäß Art.  30 Abs.  1 EuGVVO n. F. aussetzen. In der Praxis sollte aber kaum damit zu rechnen sein, dass das in der Vereinbarung bezeichnete Gericht das Verfahren zugunsten eines zuvor angerufenen, aber durch die Ver­ einbarung abgewählten Gerichts aussetzen wird. Es liegt näher, dass das proro­ gierte Gericht das Verfahren in der Sache in aller Regel durchführen wird. Um­ gekehrt wäre das derogierte Gericht nicht gezwungen, das Verfahren nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auszusetzen bzw. sich nach Abs.  3 für unzuständig zu erklären. Auch dies wird aber in den meisten Fällen unproblematisch sein, denn als unzuständiges Gericht muss es sich wegen Art.  28 Abs.  2 EuGVVO n. F. ohnehin von Amts wegen für unzuständig erklären. Sollte es sich für diese Entscheidung viel Zeit lassen, droht dennoch keine Verzögerung des Rechts­ streits, denn das prorogierte Gericht kann unbeirrt das Verfahren fortsetzen. Wirklich problematisch dürfte daher nur der Fall sein, dass sich das derogierte Gericht entgegen Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. nicht für unzuständig erklärt, sondern das Verfahren durchführt. In diesem Fall kann es zu einander wider­ sprechenden Entscheidungen kommen, wobei die zuerst ergangene Entschei­ dung dann in den anderen Mitgliedstaaten nach Art.  45 Abs.  1 lit.  d) EuGVVO n. F. den anerkennungsrechtlichen Vorrang genießen würde.

§ 4 – C.  Indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung 105

Allerdings überrascht eine Entscheidung des Irish Supreme Court aus dem Jahr 2014.151 Die Parteien hatten eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinba­ rung zugunsten der irischen Gerichte geschlossen. Dennoch zog eine von ihnen vor ein italienisches Gericht. Im Anschluss daran erhob die andere Partei Klage vor einem Gericht in Irland. Die Besonderheit bestand darin, dass das Gericht die beiden Klagen richtigerweise lediglich als im Zusammenhang stehend i. S. v. Art.  28 EuGVVO a. F. ansah. Denn die Klage in Italien war gegen das Unterneh­ men Websense Italia gerichtet, während in Irland das mit diesem Unternehmen verwandte Unternehmen Websense International geklagt hatte. Die in Irland beklagte Partei rügte die Zuständigkeit des irischen Gerichts unter Hinweis auf das zuvor in Italien anhängige Verfahren. Als sich der Irish Supreme Court schließlich mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, welchem der beiden Ver­ fahren die Priorität einzuräumen sei, entschied er zugunsten des italienischen Verfahrens: Denn aus der Gasser-Entscheidung des EuGH folge, dass das später angerufene Gericht sein Ermessen nicht allein deshalb, weil es in einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannt sei, dahingehend ausüben dürfe, dass es für die Durchführung des Verfahrens in der Sache zuständig sei. Vielmehr komme in der Gasser-Entscheidung die Wertentscheidung zum Aus­ druck, dass dem zuerst angerufenen Gericht auch bei Vorliegen einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung und auch bei lediglich im Zusam­ menhang stehenden Verfahren der Vorzug einzuräumen sei, über seine Zustän­ digkeit zu entscheiden. Dieses Ergebnis bezeichnete Richter MacMenamin als einen „most unsatisfactory state of affairs“ und wies zudem – scheinbar in Un­ kenntnis der zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen, wenn auch damals noch nicht geltenden revidierten EuGVVO – auf das deutlich werdende Erfor­ dernis einer Reform der EuGVVO hin.152 Auch nach der neuen EuGVVO wäre der Fall nach den inhaltsgleichen Vor­ schriften zu lösen gewesen. Das irische Gericht würde nach Art.  30 EuGVVO n. F. als Fortführung von Art.  28 EuGVVO a. F. eine Ermessensentscheidung darüber treffen müssen, welchem der beiden im Zusammenhang stehenden Ver­ fahren der Vorzug einzuräumen sei, ob es das Verfahren also aussetzen und auf die Entscheidung des italienischen Gerichts über dessen Zuständigkeit warten oder aber das Verfahren in der Sache ungehindert würde durchführen sollen. Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. findet auf derartige Konstellationen keine Anwen­ dung. Deshalb wird die Ansicht vertreten, auch unter der neuen EuGVVO beste­ he die Torpedo-Problematik bei Fällen mit ausschließlichen Gerichtsstandsver­ Websense International Technologie Ltd v. ITWAY SpA [2014] IESC 5 m. Anm. Kenny/ Hennigan, 64 International and Comparative Law Quarterly (2015), 197. 152  Websense International Technologie Ltd v. ITWAY SpA [2014] IESC 5, 44–45. 151 

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einbarungen ungelöst fort und habe sich lediglich vom Bereich identischer Ver­ fahren auf den Bereich im Zusammenhang stehender Verfahren verschoben.153 Indes sollte die Gefahr, dass auch in der Zukunft andere Gerichte, ähnlich wie der Irish Supreme Court, ihr von Art.  30 EuGVVO n. F. gewährtes Ermes­ sen dahingehend ausüben werden, dass dem zuerst angerufenen derogierten Gericht der Vorzug einzuräumen sei, nicht überschätzt werden. Denn die iri­ sche Entscheidung ist bereits unter Zugrundelegung der alten Rechtslage frag­ würdig. Der Gasser-Entscheidung eine Wertentscheidung auch für Fälle bloß miteinander im Zusammenhang stehender Verfahren zu entnehmen und das Ermessen als derart intendiert zu betrachten, dass nur in Ausnahmefällen auf eine Aussetzung des Verfahrens zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts verzichtet werden dürfe, kann man bereits unter der alten Rechtslage getrost als überschießenden Gehorsam bezeichnen. Jedenfalls aber unter der neuen Ver­ ordnung sollte das Ermessen in Fällen des Art.  30 EuGVVO n. F. wohl eher in die andere Richtung hin intendiert sein, nämlich dergestalt, dass das Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen der Ermes­ sensabwägung nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO n. F. zumindest einen gewichtigen Faktor zugunsten eines Vorrangs des in der Vereinbarung benannten Gerichts bedeuten dürfte. Diese Wertentscheidung folgt aus Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGV­ VO n. F. und Erwägungsgrund (22) zur neuen EuGVVO, die zwar nicht auf mit­ einander im Zusammenhang stehende Verfahren Anwendung finden, aber ver­ deutlichen, dass die neue Verordnung ausschließliche Gerichtsstandsvereinba­ rungen besonders schützen will. Es bleibt daher zu hoffen, dass es sich bei der Entscheidung aus Irland um einen Einzelfall handeln wird. Sie zeigt aber, dass sich die Gefahr und das Potential von Torpedo-Klagen auch für die Zukunft nicht vollkommen ausräumen lassen. Das gilt vor allem dann, wenn es der abre­ dewidrig im derogierten Forum verklagten Partei aus irgendeinem rechtlichen Grund nicht möglich oder wenn es nicht zweckmäßig ist, im Gegenzug vor dem gewählten Gericht eine Klage mit demselben Streitgegenstand zu erheben und so den Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auszulösen, sondern sie zwangsweise nur eine Klage erheben kann, die mit der zuerst erhobenen ledig­ lich im Zusammenhang steht, etwa weil es sich um ein Mehrparteienverhältnis handelt. In solchen Fällen könnte ggf. auf die Möglichkeiten einer Abtretung bzw. gewillkürten Prozessstandschaft zurückgegriffen werden. 153  Vgl. Kenny/Hennigan, 64 International and Comparative Law Quarterly (2015), 197, 209: „[W]e cannot say, therefore, that the problems around the frustration of choice-of-court agreements have been fully resolved by the Recast. Moreover, if it opens the way for Torpedo actions to circumvent Article 31, it will be a failure so significant and consequential that it could undermine one of the core purposes of the Recast.“

§ 4 – D.  Gesamtbetrachtung der aus der Verletzung folgenden Nachteile

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Zusammenfassend ist der redlichen Partei also zu raten, auf die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht durch die Erhebung einer Klage, die mit der abredewidrig erhobenen lediglich im Zusammenhang steht, zu reagieren, sondern nach Möglichkeit vor dem prorogierten Gericht ein gegenläufiges Ver­ fahren denselben Anspruch und dieselben Parteien betreffend einzuleiten. Nur so kann sie sicher den Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. auslösen. Bei Klagen, die miteinander im Zusammenhang stehen, besteht eine – allerdings nicht zu überschätzende – Restgefahr, dass das später angerufene, in der Vereinbarung benannte Gericht sein Ermessen trotz der Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts ausüben und das Ver­ fahren deshalb aussetzen wird. Außerdem besteht die – ebenfalls eher geringe – Restgefahr, dass beide Gerichte das Verfahren durchführen und es zu zwei (möglicherweise einander widersprechenden) Sachentscheidungen kommt.

D.  Gesamtbetrachtung der aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung folgenden Nachteile für die nicht vertragsbrüchige Partei I.  Zukünftig gilt: Kaum direkte wie indirekte Anreize für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Zukünftig bestehen für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts durch Klageerhebung vor dem Ge­ richt eines anderen Mitgliedstaats geringere Anreize als nach der Rechtslage unter Zugrundelegung der alten EuGVVO. Wie dargelegt worden ist, besteht für den taktisch operierenden Kläger im Mitgliedstaatenverhältnis kaum ein Grund zu der Annahme, das in einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht bezeichnete Gericht werde die Wirksamkeit der Vereinbarung anders beurteilen als das gewählte Gericht. Schließlich ist zu den europäisch-einheitlichen An­ forderungen an Zulässigkeit und Form der Gerichtsstandsvereinbarung die ver­ einheitlichte Kollisionsnorm des Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. getreten. Die Anreize für die Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen sind aber vor allem dadurch minimiert worden, dass der strikte lis pendens-Grundsatz des Art.  27 Abs.  1 EuGVVO a. F. durchbrochen worden ist, indem Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F. nur noch unbeschadet des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. gilt. Der taktisch operierende Kläger kann durch Klageerhebung vor dem derogierten Gericht nicht mehr auf eine Lähmung des Streits hoffen, weil die andere Partei dennoch vor das gewählte Gericht ziehen kann und dieses nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. allein zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Gerichts­

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standsvereinbarung befugt ist, während alle anderen Gerichte das Verfahren auszusetzen haben. Außerdem muss sich das unzuständige Gericht nach Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. von Amts wegen für unzuständig erklären, wenn der Be­ klagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und sich nicht auf das Verfahren einlässt. Wenn eine Partei sich dennoch dazu entschließt, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung vor ein derogiertes Gericht zu ziehen, wird die Klage im forum derogatum für die redliche Partei mit geringeren Nachteilen behaftet sein als bisher. Denn Verzögerungsschäden, die vormals bis zum wirtschaftlichen Ruin der nicht vertragsbrüchigen Partei führen konnten, ist durch Einführung von Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. weitgehend der Boden entzogen worden. Die redliche Partei kann ungeachtet des bereits in einem an­ deren Mitgliedstaat anhängigen Prozesses vor das gewählte Gericht ziehen und das Verfahren dort vorantreiben. Verzögerungstaktiken können höchstens in Ausnahmekonstellationen oder im Bereich lediglich im Zusammenhang stehen­ der Verfahren i. S. v. Art.  30 EuGVVO n. F., bei denen der Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. nicht greift, zum Tragen kommen. II.  Dennoch mögliche Schäden der nicht vertragsbrüchigen Partei 1.  Kosten und sonstige Nachteile aus dem Verfahren im forum derogatum Der redlichen Partei können dennoch auch in Zukunft Kosten entstehen, wenn sich das zuerst angerufene Gericht nicht an Art.  28 Abs.  1 und 31 Abs.  2, 3 EuGV­ VO n. F. hält und das Verfahren nicht von Amts wegen aussetzt oder abweist. Ihr können dann beispielsweise Reise- und Anwaltskosten zur Last fallen, weil sie sich vor dem derogierten Gericht auf dessen Unzuständigkeit beruft, um sich nicht dem Risiko einer rügelosen Einlassung und sogar eines – nach den Vor­ schriften der EuGVVO mühelos in allen Mitgliedstaaten vollstreckbaren – Ver­ säumnisurteils auszusetzen. Daran ändert auch eine Regelung, wonach die Zu­ ständigkeit von Amts wegen zu prüfen ist, nichts.154 Denn Art.  31 Abs.  2 EuGV­ VO n. F. gilt „unbeschadet des Artikels 26“, die abredewidrig im derogierten Forum verklagte Partei kann sich also auf das Verfahren einlassen. Rügt sie die Zuständigkeit des Gerichts nicht, so wird es nach Art.  26 EuGVVO n. F. zustän­ dig.155 Hinzukommt, dass nicht in allen Mitgliedstaaten zwingend eine Vor­ abentscheidung über die internationale Zuständigkeit erfolgt156, sodass die be­ klagte Partei u. U. bereits Aufwendungen für die Vorbereitung der Hauptsache 154  Die Auffassung teilt auch Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 382. 155  Mankowski, RIW 2015, 17, 20 m. w. N. 156  Ein Vorabentscheidungsverfahren gibt es z. B. nicht in Polen und Ungarn. In Deutsch­

§ 4 – D.  Gesamtbetrachtung der aus der Verletzung folgenden Nachteile

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getroffen hat, bis das derogierte Gericht seine Zuständigkeit letztlich ablehnt.157 Kosten wegen einer frühzeitig gebotenen Vorbereitung der Hauptsache können des Weiteren dann entstehen, wenn im forum derogatum strenge Präklusionsre­ geln gelten, die eine hilfsweise Verteidigung in der Sache schon im ersten Vor­ bringen erforderlich machen.158 Davon abgesehen kann es auch in solchen Rechtsordnungen, in denen die Zuständigkeit in einem Vorabverfahren geprüft wird, ratsam sein, bereits die Hauptsache vorzubereiten.159 Das gilt insbesonde­ re dann, wenn es sich um ein voraussichtlich komplexes Verfahren handelt, bei dem beispielsweise um schwierige rechtliche Fragen gestritten wird oder bei dem die Beweisbeschaffung eine Hürde darstellt.160 Unabhängig von der genau­ en Regelung, zu welchem Zeitpunkt des Verfahrens eine Rüge der Zuständig­ keit bzw. ein Antrag auf Abweisung oder auf Aussetzung möglich ist, entstehen der nicht vertragsbrüchigen Partei also stets Kosten, wenn sie die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bestreitet, insbesondere weil sie ausländische Anwäl­ te wird einschalten müssen und ggf. auch selbst anreisen muss, teilweise auch, weil eine Vorbereitung der Hauptsache geboten ist.161 2.  Grundsätzliche Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei Allerdings gilt in fast allen Staaten der Welt162 ein mehr oder weniger striktes Unterliegensprinzip (Grundsatz der Kostenerstattung, des costs follow the event oder auch cost shifting), wonach grundsätzlich die unterlegene Partei nicht nur ihre eigenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, sondern auch die des Verfahrenssiegers zu tragen hat. In Deutschland ergibt sich der Grundsatz aus §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO.163 Soweit ersichtlich, handelt es sich bei Litauen um den einzigen EU-Mitgliedstaat, dessen Kostenrecht teilweise der American rule of costs ähnelt, wonach jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten unabhängig land, Österreich und Malta ist es ins Ermessen des Gerichts gestellt. Vgl. dazu Pfeiffer, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  170. 157  So auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  257; Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 382. 158  Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  253. 159  Vgl. auch Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the Euro­ pean Judicial Area (2007), S.  27, 40 f.; Peel, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shop­ ping in the European Judicial Area (2007), S.  1, 9. 160  Vgl. auch Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 274. 161  Ebenso Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 382. 162  Vgl. Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  17 und 78. Vgl. auch Stürner, RabelsZ 69 (2005), 201, 251. 163  Vgl. die gute Darstellung bei G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, 374 ff.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

vom Prozessausgang selbst zu tragen hat.164 Daneben haben nur im slowaki­ schen und tschechischen Recht die Parteien ihre Anwaltskosten u. U. unabhän­ gig vom Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.165 In den meisten anderen Mitgliedstaaten der EU steht der redlichen Partei hingegen gegen den Kläger, der vor einem derogierten Gericht Klage erhoben hat, dann, wenn es das Ver­ fahren abgewiesen hat, ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch zu.166 Auch in England, dessen Zivilprozessrecht dem US-amerikanischen sonst in vielen Punkten sehr ähnlich ist, gilt nach Rule 44.3(2)(a) der Civil Procedure Rules (CPR) das Unterliegensprinzip und der obsiegenden Partei steht ein Kostener­ stattungsanspruch zu.167 3.  Schäden trotz Geltung des Unterliegensprinzips Aus der zumindest annähernd lückenlosen Geltung des Unterliegensprinzips könnte man schließen, dass der redlichen Partei aus der Verletzung der Ge­ richtsstandsvereinbarung letztlich doch keine Schäden drohen, weil sie hinrei­ chend durch einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch geschützt sei. Das ist jedoch nicht ganz richtig. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch führt häufig nicht zur vollen Kompensation der obsiegenden Partei, weil auch in Staa­ ten, in denen das Unterliegensprinzip gilt, nicht immer alle Kosten des Siegers ersetzbar sind. Denn auch in den Staaten, die zwar „major shifting“ betreiben, also grundsätzlich einem strikten Unterliegensprinzip folgen, gibt es hiervon 164  Vgl. zu Litauen Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  17. Mehr zur American rule of costs und ihren Folgen unten in Teil I §  5 B. II. 2. c), E. II. 1., III. 165  Vgl. dazu die Länderberichte, online abrufbar unter . 166  Sehr lesenswert ist die Analyse von Reimann, der betont, dass eine starre Unterteilung „in Shakespearean terms […] to shift or not to shift“, wie sie rechtsvergleichend gerne vorge­ nommen würde, nicht möglich sei. So folgten nur wenige Staaten (vor allem die deutschspra­ chigen) einem strikten Unterliegensprinzip, was Reimann als „major shifting“ bezeichnet, während die meisten Staaten (vor allem die Staaten des British Commonwealth) die Prozess­ kosten der obsiegenden Partei dem Verlierer nur teilweise, in aller Regel ermessensabhängig, anlasteten, was Reimann als „partial shifting“ bezeichnet. Außerdem gibt er die vielen unter­ schiedlichen Ausnahmen, die die einzelnen Rechtsordnungen vom Unterliegensprinzip vor­ sehen, zu bedenken. Vgl. Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  8 ff. 167  Vgl. dazu Eisenberg/Miller, 98 Cornell Law Review (2013), 327. Zum englischen Kos­ tenrecht siehe auch Andrews, The Modern Civil Process (2008), S.  168 ff. Ein Vergleich der English und der American rule of costs findet sich bei Hommelsheim, Kostentragung- und Ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  14 ff.; Hughes/Snyder, Journal of Law and Economics 1995, 225 sowie Katz, Journal of Law, Economics and Organization 1987, 143.

§ 4 – D.  Gesamtbetrachtung der aus der Verletzung folgenden Nachteile

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bestimmte Ausnahmen und Einschränkungen. Auch in diesen Staaten gilt, dass der Verlierer nicht sämtliche Prozesskosten der anderen Partei, sondern nur die sog. notwendigen Kosten zu tragen hat.168 Dabei bemisst sich die Notwendigkeit nach drei möglichen Modi: Der erste Modus besteht – wie in Deutschland nach §  91 Abs.  1 ZPO i. V. m. dem RVG169 – darin, die ersetzbaren Kosten anhand von festgelegten, streit­ wertabhängigen Gebührenordnungen zu bestimmen.170 Die obsiegende Partei wird also dann voll kompensiert, wenn sie im Innenverhältnis mit ihrem Anwalt ebenfalls eine Vergütung nach dem RVG vereinbart hat171, nicht aber, wenn eine höhere Vergütung verabredet wurde. Gerade in wirtschaftlich bedeutenden Streitigkeiten ist es aber üblich, renommierte Kanzleien zu beauftragen, die ihre Honorare auf Stundenbasis nach einem vergleichsweise hohen Stundensatz er­ stellen.172 Die über die Vergütung nach dem RVG hinausgehenden Kosten könn­ te die redliche Partei versuchen, im Wege einer Schadensersatzklage ersetzt zu bekommen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind außerdem auch die Kosten für ausländische Verkehrsanwälte entgegen einer zuvor in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht173 lediglich in Höhe der Gebühren für einen deut­ schen Rechtsanwalt nach dem RVG erstattungsfähig.174 Solche ausländischen 168  Dazu Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  11. 169  Vgl. dazu Schulz, in MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  91 Rn.  61; Hess/Hübner, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  352 und 367; Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 58. 170  Vgl. den Überblick zur Berechnung der Gebühren bei Breyer, Kostenorientierte Steu­ erung des Zivilprozesses (2006), S.  34 ff. 171  Was nach Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  26 und 92 f. regelmäßig der Fall sein soll. 172  Dazu G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, 378 und 383 f.: „In practice, the statutory fee schedules are set aside in favour of hourly remuneration where the stakes are high and where sophisticated parties are involved.“ 173  Vgl. OLG Frankfurt a. M., 19.10.1976, AnwBl 1977, 28; OLG München, 19.05.1998, NJW-RR 1998, 1692, 1693. Vgl. auch Escher/Keller-Kemmerer, IPRax 2014, 233, 233 f. m. w. N. in Fn.  2 und 3. 174  BGH, 08.03.2005, NJW 2005, 1371: Die Parteien hatten kostspielige englische Ver­ kehrsanwälte eingeschaltet. Der BGH entschied, dass die Kosten nur in der Höhe ersetzbar seien, die für deutsche Anwälte gelte, auch wenn die Hinzuziehung zur zweckentsprechen­ den Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geboten gewesen sei. Dazu kritisch Mankowski, NJW 2005, 2346. Vgl. außerdem BGH, 28.09.2011, NJW 2012, 938 und BGH, 22.11.2012, NJW 2013, 1310 und dazu Escher/Keller-Kemmerer, IPRax 2014, 233, die die Rechtspre­ chung zur begrenzten Erstattungsfähigkeit der Kosten ausländischer Verkehrsanwälte für verfassungswidrig halten, weil nach §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO allein entscheidend sei, welche Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung der obsiegen­ den Partei notwendig waren. Die Autoren befürchten eine zu starke Angleichung an die Ame-

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Verkehrsanwälte werden von den Parteien häufig eingesetzt, wenn sie zwar vor einem deutschen Gericht prozessieren, der Streit aber einen transnationalen Be­ zug hat, insbesondere, wenn das Gericht ausländisches Recht anwendet. Der Verkehrsanwalt hat dann die Aufgabe, zwischen der Partei und ihrem inländi­ schen Prozessbevollmächtigten in sprachlicher und rechtlicher Hinsicht zu ver­ mitteln.175 In Fällen, in denen es um die Erstattung der Kosten für einen auslän­ dischen Anwalt geht, kann es also häufig vorkommen, dass der deutsche prozes­ suale Kostenerstattungsanspruch nicht ausreichend ist, um die Nachteile der redlichen Partei zu kompensieren. Den Prozesskostenerstattungsanspruch be­ grenzende Gebührenregeln existieren auch in Österreich, Belgien, Tschechien, Finnland, Italien, den Niederlanden, Polen, Serbien, der Türkei und in der Schweiz.176 Ebenso gibt es feste Gebührenregeln in Griechenland und Portugal, wo die gesetzlichen Tarife für ersetzbare Anwaltskosten so niedrig sind, dass die Kosten des Siegers nicht einmal ansatzweise ersetzt werden.177 Nach dem zweiten Modus, der etwa in Spanien (und außerhalb der EU in Brasilien, Mexiko und Venezuela) angewendet wird, dürfen die ersetzbaren au­ ßergerichtlichen Kosten einen bestimmten Prozentsatz der Höhe der Klage nicht übersteigen. Die prozentuale Grenze ist dabei häufig sehr niedrig angesetzt.178 Und nach dem dritten Modus, etwa in Russland sowie in Island, Norwegen und Schweden, wird die Notwendigkeit der Kosten nach flexiblen, ermessens­ abhängigen Grundsätzen bestimmt.179 Dabei kann die tatsächliche Höhe der auf den Verlierer übertragenen Kosten stark variieren.180 Ähnlich stehen auch in England die Frage der Kostenerstattung sowie die Höhe der zu erstattenden Kosten nach CPR 44.3(1) im gerichtlichen Ermessen. Dabei werden die Kosten nach CPR 44.4(1)(2) in aller Regel auf standard basis festgesetzt, d. h. es werden nur die Kosten ersetzt, die zur Rechtsverfolgung angemessen waren. Das sind in rican rule of costs. Es stehe dem BGH nicht zu, eine Auslegung vorzunehmen, die offensicht­ lich dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufe. Das BVerfG hat eine gegen den Beschluss des BGH vom 22.11.2012 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung ange­ nommen (BVerfG, 15.07.2014, 1 BvR 139/13). 175  Vgl. dazu Escher/Keller-Kemmerer, IPRax 2014, 233. 176  Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  11. 177  Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  12 m. w. N. in Fn.  39 f. 178  Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  11. 179  Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  11. 180  So ist etwa in Brasilien die prozentuale Grenze so niedrig angesetzt (ca. 10–20 %), dass häufig ein Großteil der Prozesskosten des Siegers auf diesem liegen bleiben, vgl. Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  12.

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den meisten Fällen etwa zwei Drittel der tatsächlich angefallenen Kosten181, an­ dere halten sogar im Durchschnitt nur etwa 50–60 % der Kosten für ersetz­ bar182. Nur ausnahmsweise, wenn ein besonderer Umstand vorliegt, können da­ rüber hinausgehende Kosten nach CPR 44.4(3) auf indemnity basis ersetzt wer­ den, wobei bislang nicht geklärt ist, ob solche Umstände dann vorliegen, wenn die Klage entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung erhoben worden ist.183 Die obsiegende Partei trägt im Ergebnis also häufig doch einen nicht unerheb­ lichen Anteil der Kosten des Rechtsstreits selbst. Trotz grundsätzlicher Geltung des Unterliegensprinzips können Parteien, die vor derogierten mitgliedstaatli­ chen Gerichten verklagt werden, also auch in Zukunft noch gewisse Schäden entstehen.184 III.  Ausnahmsweise Gefahr des Wettlaufs zur früheren Sachentscheidung Jedenfalls denkbar, wenn auch nicht allzu wahrscheinlich, ist schließlich die Möglichkeit, dass sich das derogierte Gericht entgegen Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. und trotz einer Zuständigkeitsrüge in der Sache mit dem Streit befasst und auch, obwohl die redliche Partei zusätzlich vor dem gewählten Gericht Klage erhebt, das Verfahren nicht aussetzt, etwa weil es im Wege der prima facie-Kon­ trolle zu dem Ergebnis kommt, eine Gerichtsstandsvereinbarung existiere gar nicht. Denkbar sind auch parallele Verfahren vor Gerichten unterschiedlicher Mitgliedstaaten, die lediglich gemäß Art.  30 EuGVVO n. F. miteinander im Zu­ sammenhang stehen, wenn keines der angerufenen Gerichte das Verfahren aus­ So Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  194. Vgl. Andrews, in: Birks (Hrsg.), English Private Law, Vol. II (2000), Rn.  19.321. 183  Vgl. auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  194. Allerdings wurde in der Entscheidung des High Court in A v. B (No. 2) [2007] EWHC 54 (Comm) der Kostenerstattungsanspruch auf Grundlage der indemnity basis berechnet. Zugrunde lag ein Fall, in dem eine Partei eine Schiedsvereinbarung verletzt und Klage vor einem staatlichen Gericht erhoben hatte. 184  Abgesehen von den Staaten, die „major shifting“ betreiben, gibt es auch solche, die „partial shifting“ betreiben, also nur ein eingeschränktes Unterliegensprinzip vorsehen. In diesen Staaten gibt es selbstverständlich noch mehr Fälle, in denen die außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Partei nicht ersetzt werden. Denn die konkrete Verteilung der Kos­ ten unterliegt z. B. in den Staaten des British Commonwealth häufig dem Ermessen des Ge­ richts. So entscheiden beispielsweise die indischen Gerichte in der Praxis nicht selten gegen das Unterliegensprinzip. Und in einer weiteren Staatengruppe, insbesondere in Ostasien (China, Japan, Taiwan), herrscht ohnehin nur ein eingeschränktes Unterliegensprinzip, wo­ nach zwar die Gerichtskosten vom Verlierer zu tragen sind, grundsätzlich aber nicht die Anwaltskosten. Vgl. zum Ganzen und zu den einzelnen Ausnahmen vom Unterliegensprin­ zip Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  13 f. 181 

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setzt oder beendet. Wie dargestellt, findet Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auf sol­ che Fälle keine Anwendung. Liegt tatsächlich einmal ein positiver Kompetenzkonflikt vor, bei dem vor den Gerichten zweier Mitgliedstaaten in der Sache über denselben Streit verhandelt wird, kommt es darauf an, welches Gericht eher eine Entscheidung in der Sache trifft. Diese Entscheidung ist dann in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar. Die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung war bislang kein Anerken­ nungsversagungsgrund nach Art.  34 oder 35 EuGVVO a. F. Und auch nach der reformierten Fassung der EuGVVO bildet die Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung keinen Anerkennungsversagungsgrund nach Art.  45 EuGVVO n. F. Wenn also das derogierte Gericht zuerst zu einer Sachentscheidung kommt, wird seine Entscheidung in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und ist grundsätzlich vollstreckungsfähig. Hingegen stünde dann der Anerkennung ei­ ner möglicherweise später ergehenden Entscheidung des prorogierten Gerichts die frühere Entscheidung des derogierten Gerichts nach Art.  34 Nr.  4 EuGVVO a. F. bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  d) EuGVVO n. F. entgegen. Die redliche Partei wäre also in diesem Fall tatsächlich der Gefahr ausgesetzt, eine Sachentscheidung des derogierten Gerichts gegen sich gelten lassen zu müssen.185 Allerdings ist davon auszugehen, dass derartige Fälle, in denen das derogier­ te Gericht das Verfahren durchführt, wegen des insofern eindeutigen Wortlauts der reformierten EuGVVO, konkret der Art.  28 Abs.  1 und 31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F., selten sein werden. Auch ist grundsätzlich zu erwarten, dass selbst in einem solchen Fall die Entscheidung des derogierten Gerichts für die redliche Partei nicht nachteilig wäre, weil die Mitgliedstaaten wegen des über­ wiegend vereinheitlichen Kollisionsrechts ohnehin meist nach demselben Sach­ recht zu entscheiden haben. Ein Wettlauf zur früheren Sachentscheidung dürfte daher die Ausnahme bleiben.

E.  Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen I. Überblick Auch wenn sich die vorliegende Arbeit auf internationale Gerichtsstandsverein­ barungen konzentriert, wäre die Darstellung unvollständig, wenn nicht wenigs­ tens am Rande auf die vergleichbaren Probleme im Bereich internationaler Schiedsvereinbarungen hingewiesen würde. Daher soll kurz dargestellt werden, 185 

Vgl. zu diesem Szenario auch Mankowski, RIW 2015, 17, 23.

§ 4 – E.  Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen 115

wie es unter der bisherigen EuGVVO um den Schutz von Schiedsvereinbarun­ gen bestellt war und inwieweit sich die Rechtslage durch die Reform der Verord­ nung geändert hat. II.  Die bisherige Rechtslage Die Schiedsgerichtsbarkeit ist nach Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO alter wie neuer Fassung wie auch schon nach der Vorgängervorschrift in Art.  1 Abs.  4 EuGVÜ aus dem Anwendungsbereich von Verordnung bzw. Übereinkommen ausge­ schlossen. Die Ausnahme ist darauf zurückzuführen, dass die Schiedsgerichts­ barkeit vom UNÜ und dem Europäischen Übereinkommen über die internatio­ nale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.04.1961, dem sog. Genfer Überein­ kommen186, geregelt wird. Die EuGVVO hatte allerdings bislang schon einen gewissen mittelbaren Einfluss auf die Durchsetzbarkeit von Schiedsverein­ barungen. Denn auch internationale Schiedsvereinbarungen können unter dem Regime der EuGVVO torpediert werden. Dabei ist zwar grundsätzlich keine unmittelbare Lähmung des Schiedsver­ fahrens durch Klageerhebung vor einem staatlichen Gericht möglich, denn im Verhältnis zwischen staatlicher und Schiedsgerichtsbarkeit gibt es keinen lis pendens-Grundsatz. Weder Art.  27 EuGVVO a. F. bzw. Art.  29 EuGVVO n. F. noch eine andere Vorschrift schreiben einem Schiedsgericht vor, das Verfahren auszusetzen oder zu beenden, weil bereits ein staatliches Gericht mit dem Streit befasst ist. Das Schiedsgericht kann grundsätzlich selbst und unabhängig von einem etwaigen staatlichen Verfahren über seine Zuständigkeit entscheiden, das Verfahren durchführen und einen Schiedsspruch erlassen. Für Deutschland be­ stimmen dies die §§  1032 Abs.  3, 1040 Abs.  1 ZPO.187 Wenn also die vertrags­ brüchige Partei vor ein staatliches Gericht anstelle des Schiedsgerichts zieht, kann sie mit dieser Taktik die andere Partei nicht davon abhalten, dennoch ein Verfahren im gewählten Schiedsgericht einzuleiten.188 Insofern ist auch der Be­ griff des Torpedos im Bereich von Schiedsvereinbarungen nicht ganz passend. Eine Partei, die eine Schiedsvereinbarung verletzt, indem sie vor einem staatli­ chen Gericht Klage erhebt, möchte den Streit in der Regel nicht lähmen, sondern in aller Regel das Verfahren in der Sache tatsächlich vor dem staatlichen Gericht durchführen. Es ist daher häufig der Gläubiger, welcher eine Schiedsvereinba­ rung durch Erhebung einer Leistungsklage vor dem an sich zuständigen staatli­ 186 

BGBl. 1964 II, S.  425. Vgl. dazu Huber, SchiedsVZ 2003, 73, 74. 188  Beachte allerdings die problematische Rechtslage in England seit der Entscheidung des Court of Appeal in National Navigation Co. v. Endesa Generacion SA („The Wadi Sudr“) [2009] EWCA Civ 1397. 187 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

chen Gericht verletzt – und nicht wie bei den klassischen Torpedo-Fällen der Schuldner, der eine Leistungsklage befürchtet. Die Situation ist aber für den Schuldner dennoch problematisch: Der nicht vertragsbrüchigen Partei steht es zwar frei, ein paralleles Schieds­ verfahren einzuleiten. Handelt es sich bei ihr um den möglichen Schuldner einer Pflicht, kann sie aber die vom Gläubiger erhobene Leistungsklage nicht vor das Schiedsgericht bringen, sondern im Zweifel selbst bestenfalls eine negative Feststellungsklage erheben.189 Abgesehen von einer einfachen Rüge der Zustän­ digkeit bzw. Erhebung der Schiedseinrede vor dem staatlichen Gericht kann sie häufig nichts tun, um das Verfahren im abgewählten staatlichen Gericht zu be­ enden. Auch wenn das Schiedsgericht positiv über die Wirksamkeit der Schieds­ vereinbarung und seine Zuständigkeit entschieden hat, bestimmt das jeweilige nationale Recht darüber, ob diese Entscheidung für die staatlichen Gerichte bin­ dend ist. Zwar steht etwa in Frankreich dem Schiedsgericht die negative Kom­ petenz-Kompetenz zu, wonach die Schiedsgerichte mit bindender Wirkung für die staatlichen Gerichte über das Bestehen des Schiedsvertrags positiv entschei­ den können.190 In Deutschland wird eine solche Kompetenz-Kompetenz indes­ sen abgelehnt.191 Wird vor einem staatlichen Gericht die Schiedseinrede erho­ ben, entscheidet gemäß §  1032 Abs.  1 ZPO das staatliche Gericht über die Wirk­ samkeit der Vereinbarung, wobei die Rechtskraft dieser Entscheidung auch das Schiedsgericht bindet.192 Umgekehrt bindet, wenn die Zuständigkeitsfrage zu­ 189  Verklagt der Gläubiger den Schuldner unter Verletzung der Schiedsvereinbarung vor einem staatlichen Gericht, kann der Schuldner also versuchen, vor dem gewählten Schieds­ gericht eine auf die Feststellung, dem Gläubiger nichts zu schulden, gerichtete Klage zu erhe­ ben. Dies versuchte auch West Tankers, vgl. dazu die Entscheidung des englischen Court of Appeal in West Tankers Inc. v. Allianz SpA & Generali Assicurazione Generali SpA [2012] EWCA Civ 27. Der Court of Appeal entschied, dass ein englisches Gericht einen solchen Schiedsspruch nach Sec. 66 des Arbitration Act 1996 anerkennen und ihm so res iudicata-­ Effekt zukommen lassen könne. Ob und wie Sec. 66 Arbitration Act 1996 die Anerkennungs­ fähigkeit einer Entscheidung in derselben Sache, die ein staatliches Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassen hat, beeinflusst, ist aber auch in England unklar. Vgl. dazu Dundas, 78 Arbitration (2012), 212; Moody/Forsaith, 28 Arbitration International (2012), 567, insb. 575 f. und Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  353 Rn.  15.20. Aus deutscher Sicht vgl. Hess, JZ 2014, 538, 541 f. 190  Zur französischen Kompetenz-Kompetenz und den Modellen in anderen Staaten vgl. Chaturvedi/Agrawal, 77 The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2011), 201. Es handelt sich dabei um nationale Modelle, die Entscheidung eines französischen Schiedsgerichts hat also keine Bindungswirkung etwa für die deutschen staat­ lichen Gerichte. 191  Vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7.  Aufl. 2005, Teil I, Kap.  6 III Rn.  9 m. w. N. 192  Dazu Huber, SchiedsVZ 2003, 73, 73 f.

§ 4 – E.  Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen 117

nächst vor dem Schiedsgericht aufgeworfen wird, eine zuständigkeitsbejahende Entscheidung des Schiedsgerichts nach §  1040 Abs.  1 ZPO die staatlichen Ge­ richte dagegen nicht, sondern unterliegt der Kontrolle der staatlichen Gerichte nach §  1040 Abs.  3 S.  2 bzw. §  1059 Abs.  2 Nr.  1 lit.  a) und c) ZPO.193 Diese Letztentscheidungskompetenz der staatlichen Gerichte kann dem Schiedsge­ richt auch nicht im Wege einer Kompetenz-Kompetenz-Klausel übertragen werden, mit der die Parteien versuchen, der Entscheidung des Schiedsgerichts über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und seine eigene Zuständigkeit Bindungswirkung auch für die staatlichen Gerichte zu verleihen. Denn solche Klauseln sind im deutschen Recht unwirksam.194 Ist ein mitgliedstaatliches Gericht mit der Sache befasst, kann die nicht ver­ tragsbrüchige Partei auch kein Prozessführungsverbot gegen den vertrags­ brüchigen Kläger beantragen, wie seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache West Tankers195 feststeht: Die „Front Comor“, ein im Eigentum von West Tankers stehendes Schiff, war in Syrakus (Italien) mit einer im Eigentum des Charterers stehenden Mole kollidiert. Der Chartervertrag sollte dem engli­ schen Recht unterliegen, außerdem enthielt er eine Vereinbarung, die für den Fall eines Streits ein Schiedsverfahren in London vorsah. Der Charterer hatte von seinen Versicherungen (Allianz und Generali) teilweise Ersatz des durch die Kollision entstandenen Schadens erhalten. Hinsichtlich des verbleibenden Schadens leitete er gegen West Tankers ein Schiedsverfahren in London ein. Die Versicherungen, Allianz und Generali, erhoben jedoch im Jahr 2003 unter Verletzung der Schiedsvereinbarung vor dem Tribunale di Siracusa in Italien Klage gegen West Tankers und verlangten Erstattung der von ihnen an den Charterer gezahlten Beträge. West Tankers begehrte daraufhin in England den Erlass einer anti-suit injunction, mit der den Versicherungen die Fortführung

Dazu Huber/Bach, SchiedsVZ 2005, 98, 99. Solche Klauseln wurden früher vom BGH anerkannt, vgl. etwa BGH, 05.05.1977, NJW 1977, 1397; BGH, 06.06.1991, NJW 1991, 2215. Seit seiner Entscheidung vom 13.01.2005, SchiedsVZ 2005, 95 m. Anm. Huber/Bach, SchiedsVZ 2005, 98 geht aber auch der BGH von der Unwirksamkeit solcher Klauseln aus. 195  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663 = IPRax 2009, 336 und dazu Balthasar/Richers, RIW 2009, 351; Cairns, 48 International Legal Materials (2009), 485; Daniel, 95 Cornell Law Review (2010), 431; Hess, JZ 2014, 538, 538 f.; Illmer, IPRax 2009, 312; Lehmann, NJW 2009, 1645; Niggemann, SchiedsVZ 2010, 67, 68; Rainer, 95 Cornell Law Review (2010), 431; Santomauro, 6 Journal of Private Internatio­ nal Law (2010), 281; Seelmann-Eggebert/Clifford, SchiedsVZ 2009, 139; Steinbrück, ZEuP 2010, 170; S. Wolff, 15 The Columbia Journal of European Law (2009), 65, 66 f. Vgl. schon zum Verfahren vor dem EuGH Illmer/Naumann, 10 International Arbitration Law Review (2007), 147. 193 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

des Verfahrens in Italien untersagt werden sollte.196 Auf die Vorlagefrage des House of Lords hin entschied der EuGH jedoch, dass auch zum Schutz einer Schiedsvereinbarung der Erlass eines Prozessführungsverbots gegenüber einer Partei, die vor einem mitgliedstaatlichen Gericht eine Klage erhoben hat, nicht zulässig sei.197 Die nicht vertragsbrüchige Partei ist also häufig nicht vor den Nachteilen einer parallelen Prozessführung geschützt.198 Sie kann u. U. dazu gezwungen sein, sich in einem möglicherweise zeitaufwendigen und kostspieli­ gen Verfahren vor einem staatlichen Gericht zu verteidigen.199 Vor allem aber besteht die Gefahr, dass zwei Entscheidungen in derselben Sache ergehen.200 Wenn das staatliche Gericht eine Entscheidung in der Sache trifft, so ist diese grundsätzlich in allen anderen Mitgliedstaaten nach den Vor­ schriften der EuGVVO anzuerkennen und zu vollstrecken. Die Verletzung einer Schiedsvereinbarung bildet keinen Anerkennungsversagungsgrund, wie sich insbesondere aus Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. ergibt, wonach die Zuständigkeit des Erstgerichts nicht – auch nicht im Wege der ordre public-Kontrolle – nach­ geprüft werden darf.201 Auch das UNÜ enthält keine Vorschrift, nach welcher die Mitgliedstaaten eine Entscheidung eines staatlichen Gerichts nicht anerken­ nen dürfen, die unter Verletzung einer Schiedsvereinbarung oder obwohl bereits ein Schiedsspruch in derselben Sache ergangen ist, getroffen wurde.202 196  West Tankers Inc. v. RAS Riunione Adriatica di Sicurta SpA and others [2005] EWHC 454 (Comm), abgedruckt in 67 Arbitration Law Reports and Review (2005), 993. 197  Mehr zu der Entscheidung und zur Frage der Zulässigkeit von anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsvereinbarungen in Teil I §  6 F. III. 2. Zu anti-suit injunctions von Schiedsgerichten mit Sitz in einem Mitgliedstaat, mit denen die Einleitung des Verfahrens vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats wegen Verstoßes gegen eine Schiedsklausel untersagt werden soll, vgl. EuGH, 13.05.2015, Rs. C-536/13 (Gazprom OAO/Republik Litauen). Vgl. auch unten Teil I §  6 F. III. 2. 198  Vgl. umfassend Radicati di Brozolo, 7 Journal of Private International Law (2011), 423, insb. 427 ff. 199  Vgl. Steinbrück, ZEuP 2010, 170, 171. 200  Vgl. Illmer, SchiedsVZ 2001, 248, 250. 201  Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 176 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  1 EuGVO Rn.  47. Zur neuen Rechtslage vgl. nachfolgend. 202  Es wurde diskutiert, ob sich ein solcher Anerkennungsversagungsgrund aus Art. II (3) UNÜ ergibt, dies wird aber überwiegend für unvereinbar mit der EuGVVO befunden, vgl. Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 176. Innerhalb Deutschlands gilt weiter, dass das Schiedsgericht, wenn im staatlichen Verfahren ein rechtskräftiges Urteil in der Sache ergangen ist, während das Verfahren im Schiedsgericht noch anhängig ist, an diese Entscheidung gebunden ist. Nach der herrschenden Meinung ist der Schiedsspruch nichtig, wenn das Schiedsgericht die Rechtskraft der Entscheidung missachtet, vgl. Huber, SchiedsVZ 2003, 73, 74; Münch, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  1032 Rn.  33; Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  1032 Rn.  11, 18; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 12.  Aufl. 2015, §  1032 Rn.  9. Für eine rein faktische Bindung Sponheimer, in: Festschrift Käfer (2009),

§ 4 – E.  Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen 119

III.  Mögliche Änderungen durch die Reform der EuGVVO 1.  Reformvorschlag und tatsächliche Änderungen der EuGVVO Wie das Verhältnis der EuGVVO zur Schiedsgerichtsbarkeit in der Zukunft aus­ gestaltet sein sollte, wurde im Laufe der Reformüberlegungen und insbesondere als Folge der West Tankers-Entscheidung des EuGH ausgiebig diskutiert.203 Ent­ gegen verschiedener Vorschläge für eine Regelung der Verzahnung von Schieds- und staatlicher Gerichtsbarkeit entschied sich der Reformgesetzgeber letztlich dafür, den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit aus dem Anwendungsbereich der EuGVVO in Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO n. F. wortlautgleich beizubehal­ ten.204 Zwar sah der Kommissionsvorschlag zur Reform der EuGVVO205, ent­ sprechend dem Heidelberger Report206, noch eine Öffnung dieses Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit hinsichtlich der Frage vor, wie parallele Schieds- und staatliche Gerichtsverfahren zu behandeln sein sollten. So sollte nach dem Kommissionsvorschlag ein neuer Art.  29 Abs.  4 eine lis pendens-Regel enthal­ ten. Dieser Regel nach sollte im Falle einer Schiedsvereinbarung, bei welcher der vereinbarte Schiedsort in einem Mitgliedstaat liegt, ein mitgliedstaatliches Gericht, dessen Zuständigkeit auf der Grundlage der Schiedsvereinbarung an­ gefochten wird, das Verfahren auszusetzen haben, sobald die Gerichte des Mit­ gliedstaats, in dem sich der Schiedsort befindet, oder das Schiedsgericht selbst angerufen wurde, um in der Haupt- oder Vorfrage festzustellen, ob die Schieds­ S.  357, 371, 373. Besonderheiten bestehen freilich in dem Fall, dass das Schiedsgericht durch Zwischenentscheid über seine Zuständigkeit entschieden hat und die einmonatige Frist des §  1040 Abs.  2 ZPO verstrichen ist, vgl. dazu Huber, SchiedsVZ 2003, 73, 74 f. 203  Guter Überblick über die Diskussion im Rahmen des Reformprozesses bei Illmer, SchiedsVZ 2011, 248, 251 f. und Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  1 Brüssel Ia-VO Rn.  104 ff. Vgl. außerdem z. B. Hess, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  105 ff.; ders., in: Festschrift von Hoffmann (2011/2012), S.  648 ff.; van Houtte, 21 Arbitration International (2005), 509; Illmer, RabelsZ 75 (2011), 645; Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21; Radicati di Brozolo, 7 Journal of Private International Law (2011), 423; Schlosser, SchiedsVZ 2009, 129; ders., 12 International Arbitration Law Review (2009), 45; Steinbrück/Illmer, SchiedsVZ 2009, 188; Vesna, 29 Journal of International Arbitration (2012), 19. 204  Vgl. Illmer, SchiedsVZ 2011, 248, 249; Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 22. 205  Vgl. den geplanten Art.  29 Abs.  4 des Vorschlag[s] für eine Verordnung des Europäi­ schen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14.12.2010, KOM(2010) 748 endg., 2010/0383 (COD), in deutscher Fassung online abrufbar unter . 206  Hess, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  114–135.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

vereinbarung besteht, ob sie gültig ist und welche Wirkungen sie hat. Weiter hätte sich das staatliche Gericht dann für unzuständig erklären müssen, wenn das Schiedsgericht das Bestehen, die Gültigkeit und die Wirkungen der Schieds­ vereinbarung festgestellt hätte. Im Schrifttum traf der Vorschlag überwiegend auf Zustimmung.207 Im Fall West Tankers wäre das sizilianische Gericht also gezwungen gewesen, das Verfahren auszusetzen, nachdem die Klage vor dem Londoner Schiedsgericht erhoben worden war. Jedoch konnte sich dieser Ansatz nicht durchsetzen. Dabei wurde der Vor­ schlag gerade von den betroffenen schiedsrechtlichen Kreisen kritisiert, welche argumentierten, Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit sollten auch weiterhin ab­ schließend vom UNÜ geregelt werden.208 Auch aus der reformierten Verord­ nung bleibt die Schiedsgerichtsbarkeit also ausgeschlossen. Die EuGVVO zwingt ein mitgliedstaatliches Gericht folglich auch zukünftig nicht, das Ver­ fahren auszusetzen, wenn seine Zuständigkeit aufgrund einer Schiedsvereinba­ rung angefochten und ein Verfahren vor dem gewählten Schiedsgericht mit Sitz in einem Mitgliedstaat oder vor einem staatlichen Gericht in diesem Staat ein­ geleitet wird. Darüber hinaus stellt der neu eingeführte Art.  73 Abs.  2 EuGVVO n. F. den Vorrang des UNÜ, dem alle EuGVVO-Mitgliedstaaten angehören, für die Zukunft ausdrücklich klar.209 Außerdem befasst sich der neue – recht aus­ führliche, teilweise aber kompliziert formulierte210 – Erwägungsgrund (12) mit dem Verhältnis zur Schiedsgerichtsbarkeit. Danach bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, ihr Verhältnis zur Schiedsgerichtsbarkeit autonom zu definieren. Dieser Erwägungsgrund könnte dazu beitragen, Schiedsverein­ barungen zukünftig zu einer besseren Durchsetzbarkeit zu verhelfen. Er soll im Folgenden kurz analysiert werden. Im Grundsatz (teilweise mit weiteren Änderungsvorschlägen) zustimmend etwa Bach, ZRP 2011, 97, 98, 100; Dickinson, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 247, 297 f.; Illmer, SchiedsVZ 2011, 248, 256 f.; ders., RabelsZ 75 (2011), 645; Kunick/Lamb/ Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 26; Radicati di Brozolo, 7 Journal of Private Inter­ national Law (2011), 423, 436, 455 ff.; Steinbrück, ZEuP 2010, 179, 182 ff.; Steinbrück/Illmer, SchiedsVZ 2009, 188; Vesna, 29 Journal of International Arbitration (2012), 19; Weller, GPR 2012, 34, 42. 208  Vgl. die weiteren Nachweise bei Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 171; Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 25; Niggemann, SchiedsVZ 2010, 67, 72 ff. Vgl. die Darstellung der Kritik aus Frankreich bei Schlosser, SchiedsVZ 2009, 129. 209  Art.  73 Abs.  2 EuGVVO n. F. ist allerdings rein deklaratorisch, der Vorrang des UNÜ vor der EuGVVO war auch vor deren Reform anerkannt und ergab sich bereits aus Art.  71 EuGVVO a. F. Vgl. auch Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 182; Hess, JZ 2014, 538, 539; Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 858; Pohl, IPRax 2013, 109, 110. 210  Ähnlich auch Hess, JZ 2014, 538, 540: „nicht frei von Widersprüchen“. 207 

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2.  Der neue Erwägungsgrund (12) zur EuGVVO a)  Der erste Abschnitt Im ersten Abschnitt des neuen Erwägungsgrunds (12) zur EuGVVO wird klar­ gestellt, dass die Verordnung (weiterhin) nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit gilt. Das Verhältnis zwischen einem Schiedsverfahren und einer Klage vor ei­ nem staatlichen Gericht regelt also weiterhin das autonome oder staatsvertragli­ che Recht des Gerichtsstaats. Allerdings soll die Verordnung die mitgliedstaat­ lichen Gerichte nicht daran hindern, die Parteien nach dem einzelstaatlichen Recht „an die Schiedsgerichtsbarkeit zu verweisen, das Verfahren auszusetzen oder einzustellen oder zu prüfen, ob die Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirk­ sam oder nicht erfüllbar ist, wenn sie wegen eines Streitgegenstands angerufen werden, hinsichtlich dessen die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen haben.“ Damit wird also klargestellt, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte das Verfahren aussetzen bzw. ihre an sich nach der EuGVVO gegebene Zuständig­ keit verneinen können, wenn sie der Ansicht sind, dass eine wirksame Schieds­ vereinbarung vorliegt. So trägt der erste Abschnitt von Erwägungsgrund (12) dem Umstand Rechnung, dass die Mitgliedstaaten teilweise stark voneinander abweichenden Regelungen folgen, ermöglicht also etwa Frankreich die Beibe­ haltung der Kompetenz-Kompetenz, auf der anderen Seite aber den deutschen Gerichten eine Entscheidung nach §  1032 Abs.  2 ZPO.211 b)  Der zweite Abschnitt In seinem zweiten Abschnitt behandelt Erwägungsgrund (12) die Frage, ob die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts über Bestehen, Wirksamkeit und Wirkungen einer Schiedsvereinbarung in den anderen Mitgliedstaaten nach den Vorschriften der EuGVVO anzuerkennen ist oder ob die Anerkennungsre­ geln wegen Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO n. F. keine Anwendung finden.212 Nach der bisher vertretenen Ansicht war danach zu unterscheiden, was den Hauptge­ genstand des Verfahrens bildete: Wenn die Entscheidung über die Schiedsver­ einbarung in der Hauptsache erging, also eine Klage auf Feststellung des Beste­ hens und der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung erhoben worden war, sollte die Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO ergehen. Denn dann handle es sich bei dem Verfahren nur um ein schiedsgerichtsbar­ keitsbezogenes Unterstützungsverfahren. Aus der Rechtsprechung des EuGH in Pohl, IPRax 2013, 109, 110. Zum Streitstand vgl. z. B. Illmer, SchiedsVZ 2011, 248, 251; ders., RabelsZ 75 (2011), 645 und Radicati di Brozolo, 7 Journal of Private International Law (2011), 423, 450 ff. 211 

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Marc Rich213, Van Uden214 und West Tankers215 sei abzuleiten, dass solche Ver­ fahren unter den Ausschlussgrund des Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO a. F. fie­ len.216 Wenn dagegen ein mitgliedstaatliches Gericht lediglich als Vorfrage über Bestehen und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung entschied, sollten die Ge­ richte der anderen Mitgliedstaaten – auch die Gerichte am Schiedssitz – an die­ se Entscheidung gebunden sein. Denn wenn die Hauptsache in den Anwen­ dungsbereich der anerkennungsrechtlichen Vorschriften der EuGVVO falle, gelte dies auch für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Schiedsvereinba­ rung als Vorfrage, unabhängig von deren Rechtsnatur.217 Damit bestand bislang die Gefahr, dass ein mitgliedstaatliches Gericht in der Vorfrage über eine Schiedsvereinbarung entschieden und sie für unwirksam be­ funden hatte, diese Entscheidung über die Unwirksamkeit der Vereinbarung dann aber in den anderen Mitgliedstaaten zirkulierte. So konnte die andere Par­ tei daran gehindert werden, von einem staatlichen Gericht eines anderen Mit­ gliedstaats – etwa am Schiedssitz – die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung feststellen zu lassen.218 Folge dieser Herangehensweise war das Urteil des eng­ lischen Court of Appeal im National Navigation-Fall, in dem das Gericht ent­ schied, dass eine spanische Entscheidung über die Wirksamkeit einer Schieds­ vereinbarung nach den Vorschriften der EuGVVO anzuerkennen sei, sodass sie unmittelbare Bindungswirkung in England entfalte.219 Dieses Resultat hat der Reformgeber durch Erwägungsgrund (12) korrigiert, der nun die Differenzierung danach, ob die Entscheidung über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung in der Hauptsache oder als Vorfrage ergeht, beseitigt hat.220 Eine mitgliedstaatliche Entscheidung, ob eine Schiedsvereinbarung „hin­ fällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist“, soll unabhängig davon, ob sie als EuGH, 25.07.1991, Rs. C-190/89 (Marc Rich and Co. AG/Società Italiana Impianti PA), Slg. 1991, I-3855. Vgl. dazu Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 847 ff. 214  EuGH, 17.11.1998, Rs. C-391/95 (Van Uden Maritime BV/Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a.), Slg. 1998, I-7091. 215  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663. 216  Illmer, SchiedsVZ 2011, 248, 249 f. 217  Vgl. insgesamt Illmer, IHR 2011, 108, 114 f.; ders., SchiedsVZ 2011, 248, 251. Ob aller­ dings tatsächlich auch nach der alten Rechtslage die zu einer Vorfrage ergehende Entschei­ dung über Bestehen und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung in jedem Mitgliedstaat aner­ kannt werden musste, hängt grundsätzlich vom Rechtskraftbegriff in dem jeweiligen Mit­ gliedstaat ab. Vgl. dazu Bach, EuZW 2013, 56. 218  Vgl. dazu Illmer, RabelsZ 75 (2011), 645, 652 f.; Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 175 ff., 179 ff. 219  National Navigation Co. v. Endesa Generacion SA („The Wadi Sudr“) [2009] EWCA Civ 1397. 220  Hess, JZ 2014, 538, 540. 213 

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Vor- oder Hauptfrage ergeht, stets nicht den EuGVVO-Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen. Zum Zuge kommen vielmehr die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen. Die Gerichte verschiedener Mitglied­ staaten können also unabhängig von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten über Bestehen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung, also auch über die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein parallel eingeleitetes Zivilgerichts­ verfahren ausgesetzt oder eingestellt wird, entscheiden. So wird etwa die Ent­ scheidung eines deutschen Gerichts nach §  1032 Abs.  2 ZPO, in welcher es die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens festge­ stellt hat, in den anderen Mitgliedstaaten nicht nach den Regeln der EuGVVO anerkannt, sondern fällt unter den Ausschlussgrund des Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO n. F. Das hat zur Folge, dass die Entscheidung eines mitgliedstaatli­ chen Gerichts über die Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zukünftig nicht automatisch in den anderen Mitgliedstaaten gilt. Auch wenn bereits ein mitgliedstaatliches Gericht die Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung als Vor- oder Hauptfrage festgestellt hat, kann die Partei, die von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung überzeugt ist, versuchen, von dem Gericht eines ande­ ren Mitgliedstaats, insbesondere am Schiedsort, die Wirksamkeit der Vereinba­ rung feststellen zu lassen.221 Ob der zweite Abschnitt von Erwägungsgrund (12) Schiedsvereinbarungen in der Zukunft tatsächlich besser schützt als die alte EuGVVO, hängt von der Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen ab. Letztlich schützt der Abschnitt primär die Entscheidungskompetenz der staatlichen Gerichte am Schiedsort, die nun ungehindert über die Wirksamkeit einer Schiedsvereinba­ rung nach dem jeweiligen nationalen Recht entscheiden können, ohne in ande­ ren Mitgliedstaaten ergangene Entscheidungen über das Bestehen und die Wirksamkeit der Vereinbarung nach den Vorschriften der EuGVVO anerken­ nen zu müssen. Außerdem könnten die englischen Gerichte aus dem zweiten Abschnitt von Erwägungsgrund (12) eine Stärkung von Schiedsvereinbarungen ableiten. In England ist nämlich ein Schiedsgericht an ein ausländisches Urteil in der Sache, das final and conclusive und in England anerkennungsfähig und vollstreckbar ist, gebunden, wenn das Schiedsgericht selbst englisches Recht anzuwenden hat. Dann bindet das ausländische Urteil das Schiedsgericht im Wege des issue estoppel. Der englische Court of Appeal entschied daher im Jahr 2009 in dem bereits erwähnten National Navigation-Fall222 , dass ein in Spanien unter Verletzung einer Schiedsvereinbarung ergangenes Urteil das Schiedsge­ Vgl. auch Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 183. National Navigation Co. v. Endesa Generacion SA („The Wadi Sudr“) [2009] EWCA Civ 1397. 221 

222 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

richt in London daran hindern müsse, seine Zuständigkeit zu bejahen. Insofern war in England bisher u. U. eine tatsächliche Lähmung des Schiedsverfahrens durch Klageerhebung vor einem mitgliedstaatlichen Gericht möglich, was durch den zweiten Abschnitt des neuen Erwägungsgrundes behoben sein könnte.223 c)  Der dritte Abschnitt Der dritte Abschnitt von Erwägungsgrund (12) betrifft nicht die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die Wirksamkeit der Schiedsver­ einbarung, sondern von Entscheidungen in der Sache selbst. Wenn ein mitglied­ staatliches Gericht, das nach der EuGVVO oder nach den Vorschriften in dem Mitgliedstaat zuständig war, die Schiedsvereinbarung für unwirksam befunden und deshalb eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, soll diese Entschei­ dung in den anderen Mitgliedstaaten nach den Vorschriften der EuGVVO aner­ kannt und vollstreckt werden können. Allerdings wird klargestellt, dass davon die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte, über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im Einklang mit dem vorrangig anwendba­ ren UNÜ zu entscheiden, unberührt bleiben soll. Damit wird also zum Aus­ druck gebracht, dass ein Mitgliedstaat, der nach den Vorschriften des UNÜ ei­ nen Schiedsspruch anerkennt, obwohl bereits ein Gericht eines anderen Mit­ gliedstaats ein dem Schiedsspruch widersprechendes Urteil in derselben Sache getroffen hat, nicht seine nach der Verordnung bestehenden Pflichten verletzt.224 Wie der bislang schon problematische Fall, dass ein mitgliedstaatliches Ge­ richt und ein Schiedsgericht zwei parallele, einander widersprechende Entschei­ dungen in der Sache treffen, zu behandeln ist, wird jedoch nicht ganz klar. Hat das Schiedsgericht zuerst eine Entscheidung getroffen und bemüht sich eine Partei darum, den Schiedsspruch in einem anderen Mitgliedstaat zu vollstre­ cken, ist er unproblematisch nach Art. III UNÜ anzuerkennen. Entscheidet da­ nach das staatliche Gericht in derselben Sache, stellt sich jedoch die Frage, ob diese Entscheidung in dem Staat, in dem der Schiedsspruch bereits anerkannt worden ist, dennoch nach der EuGVVO anerkannt und vollstreckt werden muss. Auch nach der reformierten EuGVVO bilden die Verletzung einer Schiedsver­ einbarung oder ein zuvor anerkannter Schiedsspruch kein Hindernis für die An­ erkennung und Vollstreckung. Es wird aber diskutiert, ob aus der besonderen Hervorhebung des Vorrangs des UNÜ in Erwägungsgrund (12) und in Art.  73 EuGVVO n. F. folgt, dass die Mitgliedstaaten einer Entscheidung aus einem an­ deren Mitgliedstaat künftig die Anerkennung wegen Verletzung ihres ordre Vgl. dazu Camilleri, 62 International and Comparative Law Quarterly (2013), 899, 908 f. Das war bislang umstritten, vgl. Francq, in: Magnus/Mankowski, Brussels I Regula­ tion (2011), Art.  34 Rn.  65. 223 

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§ 4 – E.  Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen 125

public nach Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. versagen dürfen, wenn bereits ein Schiedsspruch ergangen und in diesem Mitgliedstaat anerkannt worden ist.225 Im umgekehrten Fall, wenn zuerst das staatliche Gericht eine Entschei­ dung getroffen hat, ist diese nach den Vorschriften der EuGVVO in den anderen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig und vollstreckbar. Dass ein Schiedsverfah­ ren läuft, ändert daran auch unter Zugrundelegung des neuen Erwägungsgrun­ des nichts.226 Dann stellt sich wiederum die Frage, was mit einem Schiedsspruch passiert, der daraufhin ergeht. Grundsätzlich folgt aus Art. III UNÜ die Pflicht, den Schiedsspruch anzuerkennen. Für diesen Fall ist umstritten, ob ein zuvor anerkanntes staatliches Urteil in derselben Sache einen Anerkennungsversa­ gungsgrund nach Art. V (1), (2) UNÜ (ordre public) darstellt.227 Die Behand­ lung paralleler Entscheidungen eines staatlichen und eines Schiedsgerichts ist, wie sich zeigt, problematisch und ergibt sich jedenfalls nicht automatisch aus Erwägungsgrund (12), sondern wird in Zukunft wohl noch durch den EuGH zu klären sein.228 d)  Der vierte Abschnitt Der vierte Abschnitt des neuen Erwägungsgrunds stellt klar, dass die EuGVVO auch für weitere Aspekte der Schiedsgerichtsbarkeit nicht gelten soll, nämlich für Klagen und Nebenverfahren im Zusammenhang mit der Bildung eines Schiedsgerichts, den Befugnissen von Schiedsrichtern, der Durchführung eines Schiedsverfahrens oder sonstigen Aspekten eines solchen Verfahrens, wie auch für Klagen und Entscheidungen in Bezug auf die Aufhebung, die Überprüfung, die Anfechtung, die Anerkennung oder die Vollstreckung eines Schieds­ spruchs.229 Bei diesen Verfahren geht es eben hauptsächlich um das Schieds­ verfahren, sodass sie unter den Ausschlusstatbestand des Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGV­VO n. F. fallen. Außerdem werden diese Aspekte großenteils vom UNÜ, dessen Vorrang Art.  73 Abs.  2 EuGVVO n. F. betont, geregelt. Der vierte Ab­ schnitt bringt insofern keine wesentlichen Neuerungen, weil man auch bislang Dies erwägt Camilleri, 62 International and Comparative Law Quarterly (2013), 899, 905, 915. Dagegen aber Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 184. 226  Ebenso Camilleri, 62 International and Comparative Law Quarterly (2013), 899, 915. 227  Dazu Camilleri, 62 International and Comparative Law Quarterly (2013), 899, 910 ff.; Hess, JZ 2014, 538, 541. 228  Vgl. auch zu Fragen der Anerkennung von Entscheidungen staatlicher Gerichte und von Schiedssprüchen Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 864 ff. 229  Vgl. zu der Frage, ob aus diesem Abschnitt folgt, dass entgegen der Entscheidung des EuGH in West Tankers nunmehr anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsvereinbarun­ gen unter dem Regime der EuGVVO zulässig sind, unten Teil I §  6 F. III. 2. 225 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

davon ausging, die von ihm aufgezählten Fragen seien vom Anwendungsbereich der Verordnung nicht erfasst.230 IV.  Fazit und Vergleich zu internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der neue Erwägungsgrund (12) zwar in Bezug auf den Schutz der Schiedsvereinbarung hinter der ursprünglich geplanten Einführung von Art.  29 Abs.  4 EuGVVO n. F. zurückbleibt und leider recht kompliziert formuliert ist231, aber dennoch zu einer gewissen Stärkung von Schiedsvereinbarungen beitragen kann. Vor allem sein zweiter Abschnitt kann Schiedsvereinbarungen zu einer besseren Durchsetzbarkeit verhelfen, in­ dem mitgliedstaatliche Entscheidungen über die Unwirksamkeit einer Schieds­ vereinbarung in den anderen Mitgliedstaaten nicht nach den Vorschriften der EuGVVO anzuerkennen sind. Erwägungsgrund (12) lässt jedoch einige Fragen offen, die in der Zukunft von Rechtsprechung und Schrifttum zu klären sein werden. Problematisch bleiben vor allem die Fälle, in denen parallele Verfahren vor einem staatlichen und einem Schiedsgericht eingeleitet werden. Hält das mitgliedstaatliche Gericht die Schiedsvereinbarung für unwirksam und trifft eine Entscheidung in der Sache, kann das Schiedsgericht gleichwohl von der Wirksamkeit der Vereinbarung ausgehen und möglicherweise eine ganz anders lautende Entscheidung treffen. Dann kann es zu einer anerkennungs- und voll­ streckungsrechtlichen Pattsituation kommen.232 Und letztlich handelt es sich bei der Regelung auch „nur“ um einen Erwägungsgrund ohne unmittelbare Bin­ dungswirkung für die Gerichte. Erwägungsgründe sind nicht Teil des operati­ ven Textes einer Verordnung, sondern entfalten lediglich eine Begründungslast, wenn der EuGH oder ein anderes Gericht in Abweichung zu ihnen entscheiden will.233 Die genauen Auswirkungen der Reform der EuGVVO auf Schiedsver­ einbarungen bleiben daher abzuwarten. 230  Vgl. die Auflistung der aus dem Anwendungsbereich der alten EuGVVO ausgenom­ menen schiedsverfahrensrechtlichen Fragen bei Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 109 (2010), 1, 22 f. Vgl. außerdem Hauberg Wilhelmsen, 30 Arbitration International (2014), 169, 174 m. w. N. 231  Vgl. auch Antomo/Burgschat, JURA 2015, 1143, 1155; Hess, JZ 2014, 538, 541: „Nach der Durchsicht des Erwägungsgrunds 12 kann man die umständliche Regelung kaum als ein Beispiel gelungener Rechtsetzung bezeichnen.“ Ebenfalls kritisch Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  1 Brüssel Ia-VO Rn.  117 ff. Lobend dagegen Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 866: „[T]he solution finally adop­ ted is probably the best that was possible in the circumstances.“ 232  So formuliert das Problem Pohl, IPRax 2013, 109, 110. 233  So Hess, JZ 2014, 538, 540; ähnlich auch Carducci, 29 Arbitration International (2013), 467, 469; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  1 Brüssel Ia-VO

§ 4 – E.  Zum Vergleich: Die Problematik im Bereich von Schiedsvereinbarungen 127

Der Reformgesetzgeber hat in Bezug auf den Schutz von Gerichtsstandsver­ einbarungen im Mitgliedstaatenverhältnis mit den Art.  25 und 31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. die klarere und bessere Regelung getroffen. Hier hat er die Ge­ fahr von Torpedo-Klagen, wie dargestellt wurde, weitgehend aus dem Anwen­ dungsbereich der Verordnung verbannt. Die Nachteile, welche der redlichen Partei aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhe­ bung in einem anderen Mitgliedstaat drohen, werden in den meisten Fällen überschaubar sein. Dagegen sind die Nachteile, die der redlichen Partei aus der Verletzung einer Schiedsvereinbarung erwachsen können, auch nach der revi­ dierten EuGVVO weniger leicht abzuschätzen. Wie gezeigt, muss die vereinba­ rungstreue Partei zwar weniger eine zeitliche Verzögerung oder Lähmung des Schiedsverfahrens befürchten. Problematisch ist aber, dass ihr die neue EuGV­ VO weiterhin keine Möglichkeit an die Hand gibt, ein entgegen der Schiedsver­ einbarung vor einem mitgliedstaatlichen Gericht eingeleitetes Verfahren zu stoppen. Die redliche Partei wird also Mühe und Kosten aufbringen müssen, um die Schiedsvereinbarung mit den Mitteln des jeweiligen nationalen Rechts vor dem staatlichen Gericht zu verteidigen. Neben diesen Nachteilen ist es zusätz­ lich auch möglich, dass das staatliche Gericht dennoch in der Sache entscheidet und diese Sachentscheidung nach den Vorschriften der EuGVVO in allen Mit­ gliedstaaten anerkennungs- und vollstreckungsfähig ist mit der Folge, dass die redliche Partei eine Sachentscheidung gegen sich gelten lassen muss, die das Schiedsgericht so möglicherweise nicht getroffen hätte. Zudem werden durch die Klageerhebung vor einem staatlichen Gericht bestimmte mit dem Abschluss der Schiedsvereinbarung verfolgte Ziele, insbesondere der angestrebte Aus­ schluss der Öffentlichkeit, bereits unwiederbringlich verfehlt. Dies zeigt, dass auch wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung das Bedürfnis nach einer Kompensation über einen materiellrechtlichen Schadens­ ersatzanspruch bestehen kann.234 Für die hier untersuchten Gerichtsstandsver­ einbarungen mag diese kurze Darstellung der Rechtslage im Bereich der Schiedsvereinbarungen unter dem Regime der EuGVVO noch stärker verdeut­ lichen, dass die Abkehr vom strengen Prioritätsgrundsatz durch die Einführung des Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. eine begrüßenswerte Entwicklung ist.

Rn.  126. Vgl. auch Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 859: „This is Recital 12, which may be regarded as an aid to the interpretation of the provi­sion excluding arbitration from the scope of the Regulation and to the provision that the New York Convention prevails over the Regulation.“ 234  Solche Schadensersatzansprüche sind jedoch nicht Teil dieser Untersuchung, wie in §  1 C. II. 3. begründet worden ist.

§  5  Die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in einem Drittstaat am Beispiel der USA A.  Überblick Auch im Verhältnis zu Drittstaaten können internationale Gerichtsstandsver­ einbarungen durch Klageerhebung vor einem abgewählten Gericht verletzt wer­ den. Gemeint ist damit, wie bereits definiert, dass eine Vereinbarung zugunsten eines oder der deutschen Gerichte durch Erhebung einer Klage vor einem dritt­ staatlichen, also nicht in einem EuGVVO-Mitgliedstaat belegenen, Gericht ver­ letzt wird. Beispielhaft sind aus den bereits in der Einleitung aufgezeigten Gründen1 Klagen vor derogierten US-amerikanischen Gerichten. Im Unter­ schied zu den im vorangegangenen Kapitel behandelten Fällen werden solche Klagen vor drittstaatlichen, beispielsweise US-amerikanischen Gerichten sowie das Verhältnis zwischen den gewählten mitgliedstaatlichen Gerichten und dem drittstaatlichen Gericht grundsätzlich 2 nicht von der EuGVVO beherrscht. In diesem Kapitel sollen die Gründe untersucht werden, die eine Partei zur Klage­ erhebung in einem derogierten Gericht der USA verleiten (B.). Sodann wird zum besseren Verständnis das zivilgerichtliche Zuständigkeitssystem in den USA skizziert (C.). Darauf folgen eine Darstellung, wie die US-amerikanischen Gerichte den Derogationseffekt internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen behandeln (D.), und eine zusammenfassende Bewertung der Nachteile, welche der nicht vertragsbrüchigen Partei aus einer abredewidrig in den USA erhobe­ nen Klage erwachsen können (E.). 1 

Vgl. oben §  1 B. II. 2. Grundsätzlich, weil auch das Verhältnis zu Drittstaaten insoweit von der EuGVVO be­ herrscht wird, als dass ein mitgliedstaatliches Gericht seine nach der EuGVVO bestehende Zuständigkeit nicht unter Hinweis darauf, ein drittstaatliches Gericht sei für das Verfahren in der Sache besser geeignet, abweisen darf. Vgl. EuGH, 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Andrew Owusu/N. B. Jackson, Inhaber der Firma „Villa Holidays Bal-Inn Villas“, u. a.), Slg. 2005, I-1383. Eine eingeschränkte Möglichkeit, die eigene Zuständigkeit zugunsten eines dritt­ staatlichen Gerichts abzulehnen, eröffnen nun allerdings Art.  33 Abs.  1 und Art.  34 Abs.  1 EuGVVO n. F. Vgl. insgesamt bereits oben Teil I §  3 B. III. 2., §  4 B. IV und §  6 B. II. 2 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

B.  Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum I.  Geringe Anreize für Torpedo-Klagen außerhalb der Geltung international vereinheitlichter Regelungssysteme Anders als im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO a. F. be­ steht im Verhältnis zu Drittstaaten, z. B. den USA, grundsätzlich nicht dieselbe Torpedo-Problematik. Denn im Gegensatz zu Art.  27 EuGVVO a. F. bzw. Art.  29 EuGVVO n. F. gibt es außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO keinen globalen, auch nicht völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Rechtshängigkeitssperre.3 Die strengen lis pendens-Vorschriften der EuGVVO finden im Verhältnis zu Drittstaaten auch keine analoge Anwendung.4 Auch die neu eingeführten Art.  33 und 34 EuGVVO n. F. enthalten lediglich von den mit­ gliedstaatlichen Gerichten fakultativ anzuwendende Ermessensvorschriften für die Beachtung einer drittstaatlichen Rechtshängigkeit. Ob ein mitgliedstaatli­ ches Gericht die ausländische Rechtshängigkeit einer drittstaatlichen Klage in derselben Sache beachten muss, entscheidet es nach wie vor nach seinem auto­ nomen Zivilprozessrecht. Im deutschen autonomen Recht kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine in einem Drittstaat früher rechtshängige Klage ein Zulässigkeitshin­ dernis für eine Klage im Inland bedeuten.5 Dabei richtet sich die Frage, ob über­ haupt eine Klage im Ausland rechtshängig ist, nicht nach den §§  261 Abs.  1, 253 Abs.  1 ZPO, sondern nach der ausländischen Verfahrensordnung.6 Dass die aus­ ländische Rechtshängigkeit analog §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO eine sperrende Wir­ kung entfaltet, ist aber an zwei Voraussetzungen gebunden: Erstens müssen in beiden Verfahren Parteien und Streitgegenstand identisch sein.7 Anders als nach der Rechtsprechung des EuGH in The Tatry8 soll aber in Deutschland nach der ganz überwiegenden Meinung eine früher erhobene Fest­ 3  Vgl. Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  2691; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Inter­ nationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  112. 4  Vgl. dazu Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  263 f. m. w. N. 5  BGH, 10.10.1985, NJW 1986, 2195; BGH, 18.03.1987, NJW 1987, 3083; BGH, 24.10.2000, NJW 2001, 524. 6  BGH, 18.03.1987, NJW 1987, 3083; BGH, 12.02.1992, FamRZ 1992, 1058; OLG Bam­ berg, 05.11.1999, FamRZ 2000, 1289; OLG München, 14.07.2009, FamRZ 2009, 2104. Vgl. auch Becker-Eberhard, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  261 Rn.  73 m. w. N. 7  Dazu Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  114; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  838. 8  EuGH, 06.12.1994, Rs. C-406/92 (The Tatry/The Maciej Rataj), Slg. 1994, I-5439, EuZW 1995, 309. Vgl. dazu oben Teil I §  4 C. I. 1.

§ 5 – B.  Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum

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stellungsklage nicht geeignet sein, eine später erhobene Leistungsklage zu sper­ ren. Der Streitgegenstand der Leistungsklage soll danach über den der Feststel­ lungsklage hinausgehen.9 Außerdem entfalle das Feststellungsinteresse, wenn eine Leistungsklage erhoben wird.10 Diese Ansicht wird im Schrifttum zwar teilweise, insbesondere unter Hinweis auf das Gebot der Waffengleichheit sowie das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot kritisiert, weil danach der Feststellungskläger der bereits erreichten Prozessergebnisse und -chancen ver­ lustig werde und außerdem eine „Flucht in die Leistungsklage“ nur für den Fest­ stellungsbeklagten, also nur für eine Partei, möglich sei.11 Bislang konnte sich die Kritik in der Rechtsprechung aber nicht durchsetzen.12 Torpedo-Klagen durch Klageerhebung vor einem drittstaatlichen Gericht sind also schon deshalb nicht vielversprechend, weil in Drittstaaten erhobene Feststellungsklagen inlän­ dische Leistungsklagen nicht sperren. Zweitens entfaltet eine im Ausland rechtshängige (Leistungs-)Klage nur dann Sperrwirkung im Inland, wenn voraussichtlich mit der Anerkennung der zu er­ wartenden ausländischen Entscheidung zu rechnen ist (sog. positive Anerken­ nungsprognose).13 Da sich die Anerkennung drittstaatlicher Entscheidungen auch weiterhin nicht nach der EuGVVO richten wird, bestimmen – abgesehen von staatsvertraglich vereinheitlichtem Recht14, zukünftig also etwa den Art.  8 ff. HGÜ – die deutschen Vorschriften der §§  328 ZPO, 107 ff. FamFG über die Frage der Anerkennungsprognose. Sowohl nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO als auch nach §  109 Abs.  1 Nr.  1 FamFG ist die Anerkennung einer auslän­ dischen Entscheidung aber dann ausgeschlossen, wenn das ausländische Ge­ richt aus Sicht des deutschen Rechts nicht international zuständig war. Die deut­ schen Zuständigkeitsregeln werden also spiegelbildlich angewendet.15 Bei aus 9 

BGH, 28.11.1961, GRUR 1962, 360; BGH, 07.07.1994, NJW 1994, 3107; OLG Köln, 04.04.1973, VersR 1973, 1065. 10  BGH, 22.01.1987, NJW 1987, 2680, 2681; BGH, 12.12.1989, NJW-RR 1990, 1532; BGH, 29.11.1990, NJW 1991, 1061, 1062; BGH, 07.07.1994, NJW 1994, 3107, 3108. 11  Kritisch etwa Baltzer, Die negative Feststellungsklage aus §  256 I ZPO (1980), S.  152 ff.; Becker-Eberhard, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  256 Rn.  61 ff. und §  261 Rn.  65; Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 148 ff., 154; Kropholler, in: Festschrift Firsching (1985), S.  165, 166 ff.; Zeuner, in: Festchrift Lüke (1997), S.  1003, 1014. 12  Vgl. zu dem Streitstand bereits oben Teil I §  3 D. I. 4. und §  4 C. I. 1. 13  Becker-Eberhard, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  261 Rn.  73; Heiderhoff, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehescheidungsverfahren (1998), S.  57 ff., 134 ff., 228 ff.; Reuß, Jura 2009, 1, 6 ff., alle m. w. N. 14  Staatsvertragliche Anerkennungsvorschriften sind grundsätzlich vorrangig anwend­ bar, es sei denn, sie sind anerkennungsfeindlicher als die deutschen Vorschriften. Vgl. BGH, 18.03.1987, NJW 1987, 3083. 15  BGH, 26.03.1969, NJW 1969, 1536; BGH, 21.08.1975, NJW 1976, 1037; BGH, 29.04.1999, NJW 1999, 3198; OLG Hamm, 25.03.1987, NJW 1988, 653; OLG Düsseldorf,

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Bundesstaaten bestehenden Gesamtstaaten, z. B. den USA oder Kanada, genügt die internationale Zuständigkeit des Gesamtstaats. Eine spiegelbildliche Zu­ ständigkeit desjenigen Teilstaats, der die Entscheidung erlassen hat, ist nach der herrschenden Meinung nicht erforderlich.16 Dem Erfordernis der positiven An­ erkennungsprognose liegt der Justizgewährungsanspruch zugrunde, es soll also nur dann ein inländisches Verfahren unter Hinweis auf die ausländische Rechts­ hängigkeit verweigert werden können, wenn die im Ausland ergehende Ent­ scheidung auch im Inland anerkannt und vollstreckt werden und damit den Rechtsstreit auch mit Wirkung für das Inland regeln kann.17 Dabei ist allerdings umstritten, ob bei der Prüfung dieser sog. indirekten bzw. Anerkennungszuständigkeit auch die Zuständigkeitsregeln der EuGVVO zu be­ rücksichtigen sind.18 Dies wird teilweise verneint und zur Bestimmung der An­ erkennungszuständigkeit lediglich auf die spiegelbildlich anzuwendenden Nor­ men der ZPO verwiesen.19 Dabei wird jedoch nicht ganz klar, ob dieser Ansicht nach nur die Anerkennungszuständigkeit selbst nicht spiegelbildlich auf die Regeln der EuGVVO gestützt werden darf20 oder ob insgesamt die Regeln der EuGVVO ausgeschlossen sind.21 Der zweite Ansatz könnte nämlich bedeuten, dass eine an sich nach den spiegelbildlich anzuwendenden Regeln der §§  12 ff. 07.12.2007, IPRax 2009, 517; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  8; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  922. Allerdings spielt die örtliche Zuständigkeit des auslän­ dischen Gerichts keine Rolle, vgl. BGH, 29.04.1999, NJW 1999, 3198, 3199. 16  Vgl. BGH, 29.04.1999, IPRax 2001, 230; OLG Hamm, 04.06.1997, RIW 1997, 1039, 1040 f. und dazu P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  86 m. w. N.; Haas, IPRax 2001, 195; Schönau, Die Anerkennung von Urteilen aus Mehrrechtsstaaten nach § 328 Abs.  1 ZPO am Beispiel der USA und Kanadas (2009), S.  63 ff. Dagegen für das Erfor­ dernis eines Bezugs zum Einzelstaat H. Roth, ZZP 112 (1999), 483. 17  Vgl. Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  153. 18  Zum Streitstand vgl. etwa Kern, ZZP 120 (2007), 31; Schärtl, IPRax 2006, 438; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  10, jeweils m. w. N. 19  So z. B. P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  88; Dörner, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  22; Schärtl, IPRax 2006, 438, insb. 441. 20  So könnte man die Formulierung von P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  88 werten, wonach, solange das autonome Recht am Spiegelbildprinzip fest­ halte, die Gerichtspflichtigkeit in Drittstaaten nicht über die Regeln des autonomen Rechts hinaus erweitert werden solle, mit der Folge, dass die Art.  2 ff. EuGVVO a. F. keine Anerken­ nungszuständigkeit begründen würden. 21  So könnte wiederum die Formulierung bei Dörner, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  22 gedeutet werden, der insgesamt weiter formuliert, dass die Beurteilung der in­ ternationalen Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaats nach den Zuständigkeitsregeln des deutschen Rechts erfolge. Auf der anderen Seite liest man jedoch auch hier, die Bestimmun­ gen der EuGVVO könnten zur Begründung einer Anerkennungszuständigkeit nicht herange­ zogen werden.

§ 5 – B.  Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum

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ZPO gegebene internationale Zuständigkeit eines angerufenen drittstaatlichen (z. B. US-amerikanischen) Gerichts über §  38 ZPO derogiert sein könnte, nicht aber über die Parallelnorm in der EuGVVO. Mit anderen Worten: Der Deroga­ tionseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung und die Frage, ob dieser überhaupt ausschließliche Wirkung zukommt, würden also nach §  38 ZPO zu bestimmen sein, auch wenn die Vereinbarung aus deutscher Sicht eigentlich Art.  23 EuGV­ VO a. F. bzw. dem in Zukunft noch häufiger anwendbaren Art.  25 EuGVVO n. F. unterliegen würde. Ein solches Ergebnis ist jedoch nicht einleuchtend. Danach würden nämlich die Wirkungen einer an sich der EuGVVO unterliegenden Ge­ richtsstandsvereinbarung im Rahmen von §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nach §  38 ZPO bestimmt, ein und derselbe rechtliche Vorgang also in unterschiedlichem Zusammenhang verschiedenen Gesetzen unterstellt werden. Näherliegend ist eine Differenzierung in dem Sinne, dass lediglich die Anerkennungszuständig­ keit des drittstaatlichen Gerichts nicht positiv auf die gespiegelten Normen der EuGVVO gestützt werden darf. Umgekehrt darf und muss aber durchaus ge­ prüft werden, ob – bei grundsätzlicher Anwendbarkeit der EuGVVO – nach deren Regeln ein deutsches oder sonstiges mitgliedstaatliches Gericht aus­ schließlich zuständig ist, sodass die drittstaatliche Zuständigkeit ausgeschlos­ sen ist. Die Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO können demnach also kei­ ne die Anerkennungszuständigkeit begründende Funktion, wohl aber eine die Anerkennungszuständigkeit begrenzende Funktion haben. Für diese Sichtweise finden sich auch in der Literatur Anhänger, die darauf hinweisen, der Zweck des §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO liege darin, den Beklagten vor unzumutbaren Gerichts­ ständen zu schützen, und gebiete es daher, zumindest die ausschließliche Zu­ ständigkeit nach Art.  22 EuGVVO a. F. (jetzt Art.  24 EuGVVO n. F.) sowie aus­ schließliche Gerichtsstandsvereinbarungen auch gegenüber Drittstaaten durch­ zusetzen.22 Der erweiterte Anwendungsbereich des Art.  25 EuGVVO n. F. führt mithin dazu, dass in Zukunft stets, wenn ein deutsches Gericht gewählt worden ist, auch im Rahmen der Anerkennungsprognose nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO zu prüfen ist, ob die Vereinbarung nach Art.  25 EuGVVO n. F. die möglicherweise sonst spiegelbildlich gegebene Anerkennungszuständigkeit des drittstaatlichen Gerichts derogiert. Nur nach der alten Fassung der EuGVVO ist es möglich, dass sich die Derogation der drittstaatlichen Zuständigkeit nach §  38 ZPO be­ misst, nämlich dann, wenn keine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sitz in einem Mitgliedstaat hat und Art.  23 EuGVVO a. F. demnach nicht anzuwenden ist. Unterschiede ergeben sich – abgesehen von den in Art.  23 22  Vgl. Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  10. Stark differenzie­ rend, aber im Ergebnis überzeugend Kern, ZZP 120 (2007), 31, insb. 68 f.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Abs.  5 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 Abs.  4 EuGVVO n. F. normierten Schutzge­ richtsständen, welche §  38 Abs.  2 ZPO nicht kennt – insbesondere daraus, dass im Gegensatz zur EuGVVO nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte bei Vereinbarungen nach §  38 ZPO grundsätzlich keine Vermutung für deren ausschließliche Wirkung besteht, sondern die Frage der Ausschließlichkeit durch Auslegung zu ermitteln ist.23 In diesem Fall könnte das deutsche Gericht also die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung verneinen, leichter zu einer positiven Anerkennungsprognose nach §§  261 Abs.  3 Nr.  1, 328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO kommen und die eigene Zuständigkeit wegen der ausländischen Rechtshängigkeit verneinen. Dagegen wird zukünftig jeder Gerichtsstandsver­ einbarung zugunsten deutscher Gerichte im Zweifel ausschließliche Wirkung nach Art.  25 EuGVVO n. F. zukommen mit der Folge, dass eine Anerkennungs­ prognose nach §§  261 Abs.  3 Nr.  1, 328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO grundsätzlich negativ ausfallen wird und die Litispendenz in einem Drittstaat keine sperrende Wir­ kung entfalten kann.24 Eine positive Anerkennungsprognose wird nur dann möglich sein, wenn sich die beklagte Partei im Ausland rügelos auf das Verfah­ ren einlässt, was nach der ausländischen Prozessordnung zu beurteilen ist.25 In allen anderen Fällen kann die nicht vertragsbrüchige Partei trotz der im Ausland rechtshängigen Klage vor das gewählte deutsche Gericht ziehen. Im Ergebnis werden Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten deutscher Ge­ richte also mangels international gültigen lis pendens-Grundsatzes kaum durch Klageerhebung vor einem drittstaatlichen Gericht mit dem Ziel verletzt werden, den Streit zu verzögern oder gar lahmzulegen. Ebenso besteht auch mit Inkraft­ treten des HGÜ keine Torpedo-Gefahr im Verhältnis zu Nichtmitgliedstaaten der EU. Denn das Übereinkommen sieht ebenfalls keinen der EuGVVO ver­ gleichbaren lis alibi pendens-Grundsatz vor. Vielmehr folgt aus Art.  5 Abs.  1 und 2 des Übereinkommens, dass das gewählte Gericht seine Zuständigkeit auszuüben hat, auch wenn zuvor eine Klage in derselben Sache vor einem Ge­ richt eines anderen Staates erhoben worden ist.26 23  RGZ 159, 254, 256; BGH, 05.07.1972, NJW 1972, 1671; OLG München, 31.03.1987, NJW 1987, 2166. 24  Vgl. auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  114 m. w. N. in Fn.  10. 25  Vgl. OLG Hamm, 25.03.1987, NJW 1988, 653; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  89. 26  Vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agree­ ments Convention, online abrufbar unter , Rn.  3, 133 f. Vgl. außerdem Hartley, 31 European Law Re­ view (2006), 414, 416; Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 286; Huber/Antomo, Nihon University Comparative Law (2010), 123, 130; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 110, 119.

§ 5 – B.  Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum

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II.  Andere Gründe für eine Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum 1.  Überblick: Forum shopping in den USA Wie bereits dargestellt wurde, liegt sowohl im Abschluss als auch in der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im forum derogatum eine forum shopping-Handlung. Forum shopping ist also auch gegeben, wenn eine Partei entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts eine Klage vor einem US-amerikanischen Gericht erhebt. Forum shopping ist eine weltweites Phänomen, gleichwohl wird gerade forum shopping in den USA stark diskutiert.27 Denn obgleich forum shopping überall möglich und zulässig ist, sind die Anreize in den USA in vie­ len Fällen besonders groß:28 „[T]here can be little doubt that the United States is the most attractive destination for forum shoppers.“29 Dabei wird forum shopping in den USA im deutschen Schrifttum sehr kritisch beurteilt.30 Für deutsche Unternehmen ist die Vorstellung, vor einem US-amerikanischen Gericht ver­ klagt zu werden, keine angenehme, Schack vergleicht sie sogar mit einem Alp­ traum.31 Für den Kläger ist forum shopping in den USA häufig von einem Mo­ tivbündel getragen, welches im Folgenden dargestellt werden soll. 2.  Verfahrensrechtliche Gründe für forum shopping in den USA a)  Überblick Es sind wiederum vor allem die verfahrensrechtlichen Aspekte, welche eine Partei zum forum shopping in den USA bewegen.32 Dabei muss natürlich beach­ tet werden, dass es kein einheitliches US-amerikanisches Zivilprozessrecht gibt, sondern unterschiedliche, wenn auch auf denselben Grundprinzipien auf­ bauende Verfahrensordnungen der Einzelstaaten und die Federal Rules of Civil Procedure (FRCP)33, die für Verfahren vor den Bundesgerichten gelten, neben­ 27  Vgl. aus deutscher Sicht Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008); Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), insb. S.  23 ff. Zum forum shopping in England vgl. Japser, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  20 ff. 28  Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  252. 29  So Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  28. 30  Z. B. Großfeld, Internationales und europäisches Unternehmensrecht (1984), S.  60; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  43; Stürner, in: Hab­ scheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  53 ff. 31  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  1. 32  So auch Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  26 ff. 33  Volltext online abrufbar unter .

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

einander stehen.34 Die Besonderheiten der einzelstaatlichen Rechtsordnungen der USA einmal ausgeklammert, gilt jedoch grundsätzlich, dass die zivilprozes­ sualen Unterschiede kaum viel größer sein könnten als im Vergleich zwischen dem kontinentalen und dem US-amerikanischen Recht.35 Weil es um diese Un­ terschiede geht, wird im Folgenden auch von dem US-amerikanischen Recht die Rede sein. Die wegen dieser Unterschiede entstandenen Divergenzen haben unter dem Schlagwort des europäisch-amerikanischen Justizkonflikts36 (bzw. gar Justizkriegs37) Berühmtheit erlangt.38 Die verfahrensrechtlichen Eigen­ heiten des US-amerikanischen Rechts sind Zielscheibe anhaltender Kritik der Europäer.39 In den vergangenen Jahren haben einige große Prozesse das Miss­ trauen der Europäer in das zivilprozessuale System der USA noch verstärkt.40 Hervorzuheben sind insbesondere die folgenden Besonderheiten des US-ameri­ kanischen Zivilverfahrensrechts. b)  Beweiserhebung und Beweiswürdigung im adversary system Erstens gilt im US-amerikanischen Prozess das Prinzip des Verfahrens im Par­ teibetrieb (adversary system). Das bedeutet, dass das Aufklärungsverfahren in viel stärkerem Maße durch die Parteien und deren Anwälte betrieben wird, als es bei uns üblich ist.41 Die Anwälte vernehmen Zeugen und Sachverständige, d. h. die gesamte Phase der Beweiserhebung läuft großenteils ohne Beteiligung des Überblick bei Junker, ZZP 101 (1988), 241 ff. G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  176; vgl. zur Übersicht außerdem Gerber, 34 American Journal of Comparative Law (1986), 745, 748 ff. und 767; Kaplan, 9 Buffalo Law Review (1960), 409; Reitz, ZZP 104 (1991), 381 ff.; Stürner, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  763, 766 ff.; Taniguchi, in: Festschrift Schwab (1970), S.  487, 488 ff. 36  Vgl. den Sammelband von Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 715; Prütting, in: Festschrift Jayme (2004), S.  709; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985); Stürner, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  762; Prütting, in: Festschrift Jayme (2004), S.  709. 37  So P. Gottwald, in: Festschrift Habscheid (1989), S.  119 ff. 38  Mittlerweile ist auch die Rede von einem Justizkonflikt zwischen den USA auf der ei­ nen und Japan sowie in Zukunft China auf der anderen Seite, vgl. Hess, AG 2005, 897, 897 Fn.  1 m. w. N. 39  Teilweise wird sogar von einer amerikanischen „Rechtshegemonie“ gesprochen, siehe Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  35. Vgl. auch Reimann, in: Festschrift Stürner (2013), S.  1779 ff. 40  In Deutschland erhielt z. B. der Napster-Fall vor dem BVerfG, 25.07.2003, NJW 2003, 2598 große Aufmerksamkeit, in dem das Gericht auf Antrag der Bertelsmann AG eine einst­ weilige Anordnung gegen die Zustellung einer Sammelklage erließ. Vgl. dazu Hess, JZ 2003, 923; Oberhammer, IPRax 2004, 40; Zekoll, NJW 2003, 2885. Vgl. außerdem Hess, AG 2005, 897, 897 und Stürner, JZ 2006, 60 m. w. N. aus der transatlantischen Rechtsprechung. 41  Dazu U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  194. 34  35 

§ 5 – B.  Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum

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Richters ab.42 Die Parteien betreiben die Sachverhaltserforschung, während das Gericht nur auf Antrag über die Zulässigkeit und Durchführung der Parteiauf­ klärung entscheidet und selbst keine aufklärende Initiative ergreift. Dabei sind die in den USA geltenden Beweisregeln sehr viel großzügiger, als wir es gewohnt sind. Die Parteien haben im Rahmen der sog. pre-trial discovery das Recht zum Ausforschungsbeweis mittels depositions, written interrogatories und anderen Beweiserhebungsformen.43 Hier findet eine ausschließlich in die Hände der Par­ teien gelegte Ermittlung des entscheidungserheblichen Beweismaterials statt. Der Prozessgegner kann dabei zur Offenlegung von ihn selbst belastenden Do­ kumenten in einem Maß gezwungen werden, welches dem deutschen Zivilpro­ zessrecht fremd ist.44 Dies kann vor allem im Bereich von Produkthaftungskla­ gen sehr folgenträchtig sein.45 Die discovery geht sehr weit, indem sie sowohl prozessunbeteiligte Dritte in die Pflicht nehmen als auch sämtliche irgendwie relevanten Informationen zum Gegenstand haben kann, auch wenn es sich dabei nicht um im Verfahren zulässige Beweismittel handelt, denn die Rules of Eviden­ ce gelten für die pre-trial discovery nicht.46 Regeln zur discovery finden sich in FRCP 26 bis 37 sowie in den einzelnen Bundesstaatengesetzen, es gibt aber auch zulässige Parteivereinbarungen zur Durchführung der discovery.47 Die in FRCP 26(b)(1) angelegte Schranke der Beweiserhebung – danach muss die beantragte Offenlegung „relevant to a claim or defense“ sowie „reasonably calculated to lead to admissible evidence“ sein – ist dabei nicht geeignet, um sog. fishing ex42  Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 384. Zum englischen Erkenntnisverfahren, das ebenfalls großenteils von der Initiative der Parteien beherrscht wird, vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstands­ vereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  36; Stürner, in: Fest­ schrift Stiefel (1987), S.  765, 767 f. 43  Vgl. zur Übersicht U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  388 ff.; Gerber, 34 American Journal of Comparative Law (1986), 745; ders., 82 American Journal of International Law (1988), 521; Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  184 ff.; Hess, AG 2005, 897, 903 ff.; Junker, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Inter­ nationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  103; ders., Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (1987); Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery (1989); R. Müller, Der Aus­ forschungsbeweis: eine Untersuchung zur Substanzierung des Beweisthemas und zur Mit­ wirkungspflicht der Parteien bei Beweisnot im Zivilprozess (1991); Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  109 ff.; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 128 f.; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im deutschen und amerika­ nischen Zivilprozess und Rechtshilfeverfahren (1989). 44  Vgl. nur Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  13: „Was beklagten Parteien alles angesonnen wird, ist für uns im Grunde unvorstellbar.“ 45  Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  89. 46  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  111, 161 f. 47  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  115.

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peditions zu verhindern, durch welche prozessferne Informationen mit Schädi­ gungspotential für die andere Partei ans Licht gebracht werden können. Weil die discovery sehr teuer und zeitintensiv ist, wurde sie zwar durch eine Reform von 1993 begrenzt.48 Die pre-trial discovery verursacht Europäern trotzdem immer noch großes Unbehagen. Schlosser bezeichnete sie schon in den 1970er Jahren als Hauptstein des Anstoßes in Europa.49 Besonders heftig diskutiert werden Fragen rund um die Beweisaufnahme im Ausland, etwa in deutschen Unternehmen.50 Auch die Reform von 1993 hat wenig daran geän­ dert, dass das Verteidigungsmittel der protective order, die das Gericht nach FRCP 26(c) auf Antrag des Betroffenen anordnen kann, in seiner Wirkung be­ schränkt ist51, schließlich besteht kein allgemeines Privileg der Nichtoffenba­ rung von Geschäftsgeheimnissen.52 Zumindest sieht aber FRCP 26(c)(7) explizit vor, dass die Bundesgerichte die Erforschung eines Betriebsgeheimnisses unter­ sagen oder nur unter Auflagen zulassen können. In gleichem Maße belastend wie die Ausforschung der eigenen Sphäre mag für manche Parteien jedoch sein, dass man selbst gezwungen sein kann, eine umfassende discovery zu betreiben, will man den Prozessgewinn nicht dem Gegner in die Hand spielen.53 Dies wie­ derum treibt die eigenen außergerichtlichen Prozesskosten rasant in die Höhe54, wodurch es für den Gegner rasch ökonomisch sinnvoller werden kann, sich auf einen Vergleich einzulassen, anstatt den Anspruch weiter zu bestreiten.55 48 

Gegenmaßnahmen finden sich nun in FRCP 30(a)(2), 31(a)(2), 33(a). Außerdem erfolgt auch eine gewisse Begrenzung durch das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970. Vgl. zum Verhältnis dazu Reufels, IPRax 2005, 456; Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7; Wazlawik, IPRax 2004, 396. 49  Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  7. 50  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  130 spricht vom „heißeste[n] Eisen im Rechtsverkehr zwischen Europa und den USA“. Weiter­ führend vgl. Bareiss, Pflichtenkollisionen im transnationalen Beweisverkehr (2014). 51  Schütze, WM 1986, 633, 634; ders., RIW 2005, 579, 584. Ein Überblick zu den Schutz­ maßnahmen findet sich bei Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  123 ff. 52  Dazu Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im deutschen und amerika­ nischen Zivilprozess und Rechtshilfeverfahren (1989). Die Parteien können Ermittlungsmög­ lichkeiten erhalten, welche in ihrem Ausmaß teilweise sogar die der deutschen Staatsanwalt­ schaft übersteigen. Dabei ist häufig problematisch, ob die dabei ermittelten Informationen tatsächlich nur für den Prozessgewinn oder missbräuchlich auch anderweitig verwertet wer­ den. Vgl. dazu Reufels, RIW 1999, 667, 668. 53  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  37; Gebhardt, IDR 2005, 30, 32. 54  Nach Rempp/Lienemeyer, ZVglRWiss 1995, 383, 396 entfallen bis zu 80 % der Prozess­ kosten auf die pre-trial discovery. Siehe auch schon Weinschenk, RIW 1990, 435, 437 ff. 55  von Hülsen, RIW 1982, 225, 230; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivil­ prozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  114.

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In Verbindung mit anderen Merkmalen des US-amerikanischen Zivilprozes­ ses ist die pre-trial discovery beispielhaft dafür, dass das US-amerikanische Zivilprozessrecht den Parteien einen vergleichsweise großen Spielraum ein­ räumt und den Prozessgewinn vordergründig dem freien Wettbewerb der Par­ teien aussetzen möchte.56 Davon abgesehen, dass das Aufklärungsverfahren durch die pre-trial discovery fast ausschließlich von den Anwälten und nicht vom Richter gesteuert wird, findet die Urteilsfindung häufig durch das aus Lai­ en bestehende Geschworenengericht statt und das Hauptverfahren wird auf eine einzige, kontinuierliche Verhandlung konzentriert. In diesem Zusammenhang stellt weiterhin das jury trial eine der Hauptursachen für die Furcht der Europä­ er, vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt zu werden, dar.57 Die Jury bestimmt nicht nur über entscheidende Tatsachenfragen, sondern auch die Höhe des zu beziffernden Schadens wird von ihr festgelegt.58 Häufig wird ihr dabei eine Nähe zum Verbraucher nachgesagt, was etwa in Produkthaftungsfällen eine Rolle spielen kann. Dies wiederum ist eine weitere Ursache für die heraus­ gehobene Stellung des Anwalts und seines Plädoyers im US-amerikanischen Prozess: Es liegt auf der Hand, dass eine von Laien besetzte Jury eher zu emo­ tionalen oder von Intuitionen geleiteten Entscheidungen tendieren kann als ein Berufsrichter.59 Weiterhin enthält die Entscheidung der Jury keine Begründung und ist nur schwerlich überprüfbar.60 Allerdings kommt es in vielen Fällen gar nicht zum Einsatz eines jury trials. Grund dafür kann etwa ein Verzicht der Parteien61 sein, vor allem aber ein bereits vor dem Hauptverfahren geschlosse­ ner Vergleich62. Die Vergleichsquote ist in den USA auffällig hoch. Heidenberger dokumentierte im Jahr 1997 eine Vergleichsquote von 96,8 %.63 Dabei wird der Vergleich in den meisten Fällen bereits nach der pre-trial discovery zwi­ schen den Anwälten ohne Beteiligung des Gerichts ausgehandelt, sodass nur ein Vgl. zu diesem Gedanken G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  175 f. Vgl. dazu Schütze, in: Festschrift Geimer (2002), S.  1025, 1030 ff. 58  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  154. 59  Murray/Stürner, German Civil Justice (2004), S.  604. 60  Murray/Stürner, German Civil Justice (2004), S.  604, 609. 61  Dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  153. 62  Zum Ganzen Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  37; Murray/Stürner, German Civil Justice (2004), S.  593, 607; Murray/Sheldon, ZZP Int. 8 (2003), 567, 570. 63  Heidenberger, RIW 1997, 464, 465 unter Hinweis auf die Statistik des Adiminstrative Office of the United States. Vgl. auch Hess, AG 2005, 897; Junker, Discovery im deutsch-ame­ rikanischen Rechtsverkehr (1987), S.  109 Fn.  9; Murray/Stürner, German Civil Justice (2004), S.  615, 630 sowie Shavell, 26 Journal of Legal Studies (1997), 575, die sämtlichst ebenfalls eine Vergleichsquote von über 90 % dokumentieren. Die hohe Vergleichsquote wird auch in den USA kritisiert, vgl. Miller, 78 New York University Law Review (2003), 982, 1016. 56  57 

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Bruchteil der Zivilklagen überhaupt die Hauptverhandlung erreicht.64 Eine Un­ tersuchung aus dem Jahr 2005 ergab, dass im Jahr 2002 sogar nur 1,8 % aller bei einem Bundesdistriktgericht eingereichten Klagen die Hauptverhandlung er­ reichten.65 c)  Besonderheiten des US-amerikanischen Kostenrechts Der zweite große Unterschied zwischen europäischem und US-amerikanischem Zivilprozessrecht besteht im Kostenrecht. Während die Erstattung von An­ waltskosten z. B. in Deutschland nach festgesetzten, streitwertabhängigen Ge­ bühren erfolgt und, wie dargestellt, in fast allen Staaten der Welt bei Obsiegen einer Partei der Grundsatz der vollen Kostenerstattung gilt66, fehlt es in den Vereinigten Staaten großenteils an solchen Gebührenregeln. Der Supreme Court sieht in festen Mindestgebühren sogar verbotene Kartellabsprachen.67 Die anwaltliche Entlohnung erfolgt auf Stunden- und Erfolgsbasis. Vor allem aber herrscht in den USA – mit Ausnahme des Rechts in den Bundesstaaten Alaska68 und Washington69 – wie schon erwähnt die sog. American rule of costs, nach welcher die obsiegende Partei ihre außergerichtlichen Prozesskosten grundsätzlich nicht ersetzt bekommt. Vielmehr trägt dem Grundsatz nach ge­ mäß FRCP 54(d)(1) jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst, unabhän­ gig vom Verfahrensausgang.70 Nur einige eher unbedeutende Kostenposten werden gemäß 28 USC §  1920 grundsätzlich, d. h. nach gerichtlichem Ermes­ sen, der unterliegenden Partei auferlegt, etwa die Kosten für court reporter, Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  100; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  146. 65  Vgl. American College of Trial Lawyers Ad Hoc Committee on the Future of the Civil Trial, The „Vanishing Trial“: The College, The Profession, The Civil Justice System, 226 F.R.D. 414, 417 (2005). 66  Vgl. oben Teil I §  4 D. II. 2. 67  Vgl. Goldfarb v. Virginia State Bar, 421 U.S.  773 (1975) und dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  20. 68  Vgl. Alaska Statutes §  09.60.010 (1986) und Rule 82 Alaska Civil Rules sowie dazu Di Pietro/Carns, 13 Alaska Law Review (1996), 33; Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/ Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  17. 69  §  4.28.185 (5) RCW (Revised Code of Washington). 70  Vgl. grundlegend Alyeska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society, 421 U.S.  240, insb. 245–247 und 270 f. (1975). In diesem Fall verlangte die Klägerin vergeblich Ersatz ihrer Kosten für fast 4.500 Anwaltsstunden. Vgl. außerdem Aracambel v. Wiseman, 3 U.S.  306, 306 (1976) und zum Überblick Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  4 ff.; Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivil­ prozeß (1990), S.  37 f.; Jestaedt, RIW 1986, 95, 95 f.; Leubsdorf, 47 Law and Contemporary Problems (1984), 9; Neufang, Kostenverteilung im US-amerikanischen Zivilprozess und Ur­ teilsanerkennung in Deutschland (2002), S.  31 ff. 64 

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welche Protokolle während der mündlichen Verhandlung erstellen, oder Kosten für Zustellungen durch einen marshall.71 Außerdem hat stets der Kläger die für die Erhebung einer Klage anfallende Gerichtsgebühr zu tragen, welche jedoch streitwertunabhängig nach 28 USC §  1914(a) lediglich US$ 350 beträgt. Alle anderen Kosten, vor allem also die Anwaltskosten sowie Gebühren für Sachver­ ständige, haben die Parteien jeweils selbst zu tragen. Die Regel entstammt dem common law, welches eine allgemeine Befugnis der Gerichte zur Gewährung eines Kostenerstattungsanspruchs nicht kannte.72 In den USA soll sie insbeson­ dere ein Verdienst des Lobbyismus’ der Anwaltschaft sein, welche durch die Kostenerstattung eine gerichtliche und gesetzliche Kontrolle ihrer Anwaltsge­ bühren befürchtete.73 Von der American rule of costs gibt es nur sehr vereinzel­ te Ausnahmen74, grundsätzlich ist sie absolut und herrscht in dieser Form in keinem anderen Staat der Welt. Eine schwächere Ausprägung findet sich etwa in Litauen75, eine noch weiter abgeschwächte in Japan76. Auch jenseits der Fälle, in denen eine Zuständigkeitsvereinbarung verletzt wird, kann eine Klage vor einem im Ergebnis unzuständigen US-amerikani­ schen Gericht für den Beklagten daher sehr teuer werden. Erwähnenswert ist beispielsweise das Kaprun-Verfahren77, in dem die Geschädigten eines Berg­ bahnunglücks in Österreich mit ihrer Sammelklage in den USA zwar nicht er­ folgreich waren, die Kosten für das erfolgreiche Abwehren der unzulässigen Klage in New York sich aber allein für eines der beklagten deutschen Unterneh­ men auf über eine Million US$ belaufen haben sollen. Auf diese Weise kann mit den mit der Dauer des Verfahrens ständig steigenden Kosten Druck auf die an­ dere Partei ausgeübt und ein Vergleich erzwungen werden.78 Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  76 ff. Alyeska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society, 421 U.S.  240, 247 (1975). In Eng­ land bestanden aber bereits im Mittelalter Grundlagen für einen Erstattungsanspruch der obsiegenden Partei, dazu Jestaedt, RIW 1986, 95, 95 m. w. N. 73  Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  108. 74  Vgl. unten Teil I §  5 E. III. 2. 75  Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  17. 76  Zwar hat auch nach Art.  61 der japanischen Zivilprozessordnung die unterliegende Par­ tei die Kosten zu tragen, allerdings werden davon nur die Kosten für die Erhebung der Klage und nicht die Anwaltskosten erfasst, vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 61 Fn.  16; ders., 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 79. Vgl. zur Kostenregelung in Japan und China auch Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Pro­ zesskosten (2013), S.  1 Fn.  1 m. w. N. 77  In re Ski Train Fire in Kaprun, Austria on Nov. 11, 2000, 393 F.3d 120 (2d Cir. 2004) und dazu Hess, AG 2005, 897, 900 f.; Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 295. 78  G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, 382. 71 

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Obwohl auch das Unterliegensprinzip Schwächen aufweist, wird es wegen seines Veranlassungscharakters ganz überwiegend als das gerechtere Modell empfunden und daher die American rule of costs mit großer Skepsis betrach­ tet.79 Vergleichsdruck kann in einem System der vollen Kostentragung der un­ terliegenden Partei nur sehr begrenzt aufgebaut werden.80 Allerdings ist vor dem Hintergrund der oft sehr hohen und kaum vorhersehbaren Anwaltskosten im common law auch eine andere Sichtweise möglich, wie sie etwa Reimann provokant formuliert: „To end on a provocative note, one can perhaps say that at least among the common law jurisdictions, the United States has got it right af­ ter all: if lawyer fees are unregulated, unpredictable, and high, shifting them to the loser is so fraught with problems that it is better not to undertake it at all.“81 Tatsächlich ist die absolute Geltung des Unterliegensprinzips in Deutschland dem Umstand geschuldet, dass die Anwaltsgebühren hier starren Regeln folgen und daher vorhersehbar sind. Ein umfassendes fee shifting wäre in den USA, wo die Anwaltsgebühren zwischen den Parteien ausgehandelt und die Anwälte er­ folgsbezogen entlohnt werden, kaum denkbar.82 Weiterhin üblich sind in den USA nämlich sog. contingency fees, also Er­ folgshonorare des Anwalts.83 Diese werden insbesondere bei Streitigkeiten we­ 79  Eine Diskussion beider Modelle findet sich bei Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten (2013), S.  2 ff. Vgl. außerdem auch Eisenberg/Miller, 98 Cornell Law Re­ view (2013), 327; Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivil­ prozeß (1990), S.  63 ff.; Jestaedt, RIW 1986, 95, 96; G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, insb. 379 ff., der die Vor- und Nachteile des deutschen Kostenrechts herausarbei­ tet. Kritisch gegenüber dem Unterliegensprinzip aber z. B. Ehrig, ZRP 1971, 252, 252. 80  Vgl. zum deutschen Kostenrecht G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, 382: „[I]t is next to impossible for a claimant to extract blackmail settlements from a defen­ dant.“ 81  Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Cost and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  56. 82  Vgl. G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, 374 f. 83  Zum Überblick Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  25 ff. und Reimann, in: Reimann (Hrsg.), Costs and Fee Allocation in Civil Procedure (2012), S.  45. Zu den in England mögli­ chen sog. conditional fee agreements vgl. Andrews, The Modern Civil Process (2008), S.  179 ff. mit Vergleich zum US-amerikanischen Recht ab S.  185. Solche Erfolgshonorare sind z. B. in Österreich nach §  879 Abs.  2 Nr.  2 ABGB und in vielen anderen Rechtsordnun­ gen verboten, vgl. Hodges/Vogenauer/Tulibacka, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  25. In Deutschland waren Erfolgshono­ rare bislang ebenfalls strikt verboten, vgl. §  49b Abs.  2 BRAO und BGH, 24.07.2003, IPRax 2005, 150, 151. Seit dem 01.07.2008 ist das Verbot in Deutschland für Einzelfälle durch §  4a RVG gelockert worden, vgl. dazu Duve, in: P. Gottwald (Hrsg.), Litigation in England and Germany (2010), S.  127 ff.; G. Wagner, 28 Civil Justice Quarterly (2009), 367, 378 f. Eine positive Sicht auf contingency fees findet sich bei Hurst, European Business Law Review 2012, 25, insb. 37, der daher für eine teilweise Einführung in das englische Recht eintritt.

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gen Verkehrsunfällen, aber auch im Produkt- und Arzthaftungsrecht verein­ bart.84 Zwar betragen solche Erfolgshonorare oft immense Summen, so sind Anteile von etwa einem Drittel der Urteilssumme üblich.85 Zu berücksichtigen ist aber, dass Parteien es eher wagen, eine Klage zu erheben, wenn das An­ waltshonorar an den Erfolg der Klage geknüpft ist und im Fall des Unterliegens nicht die außergerichtlichen Kosten der anderen Partei zu tragen sind.86 Durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars trifft den Kläger im US-amerikani­ schen Zivilprozess also ein geringeres Prozessrisiko als in England oder auf dem Kontinent.87 Beispielhaft hierfür ist der berühmte Fall Castanho88: Der Matrose Castanho war für eine panamaische Gesellschaft in der englischen Nordsee beschäftigt und versorgte mehrere Bohrinseln. Wegen einer Ölexplosi­ on im Jahr 1977, welche ihn an Armen und Beinen vollständig lähmte, erhob Castanho zunächst in England eine Klage gegen seinen Arbeitgeber. Als jedoch eine texanische Anwaltskanzlei vom Fall des Matrosen erfuhr, schickte diese einen Anwalt nach England, der Castanho zu einer Klagerücknahme (notice of discontinuance) überredete. Castanho wurde versprochen, dass ihm bei einer Klage vor einem US-amerikanischen Gericht gegen die Muttergesellschaft bis zu US$ 15 Millionen compensatory und punitive damages erwarten würden. Und nur im Falle eines Obsiegens hätte er 40 % des Gewinns als Erfolgshonorar an seine Anwälte zu bezahlen. Tatsächlich zog er die Klage vor dem englischen Gericht zurück, um so den Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit zu beseiti­ gen und den Weg für eine Klage in Texas zu ebnen. Das dortige Verfahren en­ dete mit einem für Castanho überaus günstigen Vergleich, dessen Summe, US$ 3 Millionen, um ein Vielfaches den Schadensersatz überstieg, den er vor einem englischen Gericht zu erwarten gehabt hätte.89 So ergoss sich über den armen Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  21. So Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarung im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  37; Hensler, in: Hodges/Vogenauer/Tulibacka (Hrsg.), The Costs and Funding of Civil Litigation (2010), S.  540; Hurst, European Business Law Review 2012, 25, 34 (durch­ schnittlich 33 %); Juenger, 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 395 (30 bis 40 %); Murray/Stürner, German Civil Justice (2004), S.  615 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  21 (25–50 %). 86  Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  256. 87  Vgl. auch Hess, AG 2005, 897, 897. 88  Aus England: Castanho v. Brown & Root (U.K.) Ltd [1980] 1 All E.R. 689 = [1980] 2 Lloyd’s L.R. 423. Aus den USA: Castanho v. Jackson Marine, Inc., 484 F. Supp.  201 (E.D. Tex. 1980) und dazu Siehr, ZfRV 25 (1984), 124 f. Vgl. dazu außerdem Baade, 7 Journal of Energy and Natural Resources Law (1989), 125. 89  Zu beachten ist, dass eigentlich die Schadensersatzsummen in England bereits ver­ gleichsweise hoch ausfallen, was Kläger häufig zu einem forum shopping in England moti­ viert. Vgl. dazu die Fälle MacShannon v. Rockware Glass Ltd [1978] 1 All E.R. 625 (H. L.) = [1978] A.C. 795 = [1978] 2 WLR 362 und The Jalakrishna [1983] 2 Lloyd’s Rep.  628. 84  85 

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Matrosen wenigstens das „Füllhorn des amerikanischen Schadensersatz­ rechts“90. Die Vereinbarung des Erfolgshonorars hatte dafür gesorgt, dass Castanho kein allzu großes Prozessrisiko traf und er sich deshalb zu einer Klage vor einem US-amerikanischen Gericht leichter hatte entschließen können.91 3.  Materiellrechtliche Gründe für forum shopping in den USA Wenn ein Verfahren vor einem US-amerikanischen Gericht stattfindet, kommt nicht automatisch das materielle Recht eines US-amerikanischen Bundesstaats zur Anwendung. Allerdings wurde in einigen Bundesstaaten – etwa Arizona, Kansas, Louisiana, Oklahoma, South Dakota, Tennessee und North Carolina – die Anwendbarkeit ausländischen Rechts in den vergangenen Jahren immer strengeren gesetzlichen Grenzen unterworfen, was vor allem in dem Bestreben geschieht, die Anwendbarkeit der Scharia auszuschließen.92 Aber auch in libe­ raleren Bundesstaaten wird dem Kollisionsrecht93 nachgesagt, es sei in beson­ derem Maße heimwärtsstrebend94, weshalb die dortigen Gerichte häufig das ei­ gene materielle Recht anwenden.95 So Siehr, ZfRV 25 (1984), 127. Heute wäre ein solcher Ausgang des Falls nicht mehr denkbar. Das angerufene US-ame­ rikanische Gericht hätte wahrscheinlich die eigene Zuständigkeit unter Berufung auf die Lehre vom forum non conveniens verneint. Außerdem steht verletzten Seemännern nach Ti­ tel 46 USC §  688 (b) Schadensersatz in derartig gelagerten Fällen grundsätzlich nur noch zu, wenn sie US-amerikanische Staatsangehörige sind oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den USA haben. Dennoch zeigt der Fall beispielhaft den Umfang der Auswirkungen, welche die Möglichkeit, Erfolgshonorare zu vereinbaren, haben kann. 92  Dazu vgl. Fellmeth, 106 The American Journal of International Law (2012), 107. 93  Auch das Kollisionsrecht ist – entgegen der gebrauchten Formulierung – in den USA nicht vereinheitlicht, sondern weicht von Bundesstaat zu Bundesstaat voneinander ab. Vgl. dazu Calleros, 28 Wisconsin International Law Journal (2013), 639, 651 ff.; Reimann, Einfüh­ rung in das US-amerikanische Privatrecht, 2.  Aufl. 2004, S.  349. Dabei ist das Zusammen­ spiel verschiedener Kollisionsrechtsordnungen auch für einheimische Juristen eine schwer überschaubare Materie, vgl. bereits Prosser, 51 Michigan Law Review (1953), 959, 961, der schon vor mehr als einem halben Jahrhundert von einem „düsteren Sumpf“ gesprochen hat. Zur Behandlung von Rechtswahlklauseln durch die US-amerikanischen Gerichte vgl. Borchers, 49 Washington and Lee Law Review (1992), 357; ders., 42 American Journal of Com­ parative Law (1994), 125 sowie den guten Überblicksaufsatz von O’Hara, 53 Vanderbilt Law Review (2000), 1551. 94  Vgl. insb. Juenger, 63 Tulane Law Review (1989), 553, 559: „Since the mid-sixties, ho­ wever, the United States has been in the throes of a ‚conflicts revolution‘ whose principal feature is a powerful bias in favor of the lex fori.“ Vgl. auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  25; Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privat­ recht, 2.  Aufl. 2004, S.  357. 95  Die häufige Anwendung US-amerikanischen Rechts kann auch damit begründet wer­ 90  91 

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In materiellrechtlicher Hinsicht unterscheiden sich die US-amerikanischen von der deutschen oder anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen vor allem hinsichtlich der Höhe von Ersatzleistungen. Während nämlich in Deutsch­ land der Grundsatz der Naturalrestitution und das Verbot von Strafschadenser­ satz herrschen96, sind die US-amerikanischen Gerichte geneigt, in einigen Rechtsgebieten unter bestimmten Voraussetzungen weit höhere Schadenser­ satzsummen zu gewähren, die nicht selten bestrafenden Charakter haben (punitive damages).97 Und im Kartellrecht ergibt sich ein Anspruch des durch den Kartellrechtsverstoß Geschädigten auf treble damages aus 15 USC §  15(a).98 Auch in sog. class actions99, also Massenprozessen, in denen die Rechte einer unbestimmten Vielzahl von Betroffenen durch einige wenige Vertreter vor Ge­ richt geltend gemacht werden, müssen die Beklagten häufig mit aus unserer Sicht extrem hohe Gesamtersatzsummen rechnen.100 In diesen Fällen drohen dem Beklagten Schadenssummen in exorbitanter Höhe.101 Ist der Beklagte in den USA beheimatet, empfiehlt sich also eine Schadensersatzklage in den USA. Dabei tritt noch die Besonderheit dazu, dass die US-amerikanischen Gerichte die Frage nach der Schadenshöhe grundsätzlich als prozessuale Frage behan­

den, dass oft bereits vor der kollisionsrechtlichen Prüfung ein von den Wertungen des US-amerikanischen Rechts getragener Vergleich erzielt wird, vgl. Hess, AG 2005, 897, 899. 96  Allerdings gewährt auch das deutsche Recht im Bereich des gewerblichen Rechtsschut­ zes teilweise Ersatz jenseits des reinen Differenzschadens, vgl. Behr, 24 Journal of Law and Commerce (2004–2005), 197; P. Gottald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  123. 97  Vgl. Coester-Waltjen, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationa­ len Zivilverfahrensrechts (1994), S.  15; Klode, NJW 2009, 1927; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages (1999), S.  15 ff.; dies., ZVglRWiss 104 (2005), 192, 226 ff.; Rosengarten, Punitive damages und ihre Anerkennung und Vollstre­ ckung in der Bundesrepublik Deutschland (1994), S.  41 ff.; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  90 ff. mit der Darstellung in diesem Zusammenhang erfolgter interessanter Entscheidungen zum forum shopping aus der jüngeren Zeit; Thümmel, RIW 1988, 613. Vgl. beispielhaft die Entscheidungen Gilham v. Admiral Corp., 523 F.2d 102 (6th Cir. 1975) und Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.  3d 757 (1981). Vgl. außerdem auch Lüke, Punitive Damages in der Schiedsgerichtsbarkeit (2003). 98  „[A]ny person who shall be injured in his business or property by reason of anything forbidden in the antitrust laws […] shall recover threefold the damages by him sustained, and the cost of suit, including a reasonable attorney’s fee.“ 99  Vgl. zu Sammelklagen FRCP 23. Bei class actions handelt es sich aber nicht um eine US-amerikanische Eigenheit. In Frankreich gibt es beispielsweise seit einiger Zeit eine Ver­ braucherklage in Form einer action de groupe, vgl. dazu Klein, Editorial RIW 6/2014. In Deutschland gibt es mit dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Strei­ tigkeiten (KapMug) jedenfalls eine der Sammelklage ähnliche Form. 100  Vgl. dazu U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  4, 688 ff. 101  Röhm/Schütze, RIW 2007, 241; Schütze, RIW 2007, 801, 801.

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deln und daher stets die eigene lex fori und kein ausländisches Recht anwen­ den.102 Entscheidungen, die punitive damages zusprechen, können indes in Deutsch­ land103 und den meisten anderen europäischen Staaten104 nicht anerkannt und vollstreckt werden, sodass es sich nicht empfiehlt, eine europäische Partei, die einzig über Vermögen in Europa verfügt, vor einem US-amerikanischen Ge­ richt auf punitive damages zu verklagen.105 Ganz so strikt wird dies in Europa jedoch nicht gesehen. Aus Frankreich überrascht etwa eine Entscheidung aus dem Jahr 2010, in welcher die Cour de cassation vertrat, ausländische Urteile, die Strafschadensersatz gewährten, verletzten die öffentliche Ordnung grund­ sätzlich nicht und würden anerkannt. Nur soweit sie unverhältnismäßig zum erlittenen Schaden und der Vertragsverletzung seien, liege ausnahmsweise ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vor.106 4.  Gesamtbewertung: Kläger- und Inländerbevorzugung im US-amerikanischen Recht? Insbesondere die dargestellten kosten- und beweisrechtlichen Besonderheiten des US-amerikanischen Zivilprozessrechts bewirken, dass ein Verfahren vor einem US-amerikanischen Gericht vergleichsweise klägerfreundlich ist. Der Kläger trägt durch die American rule of costs und die Vereinbarung eines Er­ folgshonorars ein relativ geringes finanzielles Prozessrisiko. Längst hat deshalb Lord Dennigs Ausspruch Berühmtheit erlangt: „As a moth is drawn to the light, so is a litigant drawn to the United States. If he can only get his case into their courts, he stands to win a fortune.“107 Andere sprechen im Zusammenhang mit

Vgl. dazu Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 297. Grundlegend BGH, 04.06.1992, NJW 1992, 3096 m. Anm. Bungert, ZIP 1992, 1256 und ZIP 1993, 815; Koch, NJW 1992, 3073 und Schack, ZZP 106 (1993), 104. Vgl. auch Hau, JuS 1998, 233, 234 f.; Rosengarten, Punitive damages und ihre Anerkennung und Vollstre­ ckung in der Bundesrepublik Deutschland (1994), S.  147 ff., 181 ff. Zu den treble damages im Kartellrecht vgl. Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre pub­ lic: Unter besonderer Berücksichtigung des RICO Act (1999); Stiefel/Bungert, ZIP 1994, 1905, 1910; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen (1998); Zekoll/Rahlf, JZ 1999, 384. 104  Vgl. zur umstrittenen Rechtslage in Griechenland Triadafillidis, IPRax 2002, 236, 237 f. Vgl. für Italien z. B. Corte die cassazione, sezione III civile, 19.01.2007, n.  1183, ZEuP 2009, 409 m. Anm. Gebauer. 105  Coester-Waltjen, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  15, 25 ff. 106  Cour de cassation, arrêt n°1090 vom 01.12.2010 (09-13.303). 107  Vgl. Smith Kline & French Laboratories Ltd v. Bloch [1983] 1 WLR 730, 733 (C.A.). 102  103 

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den USA von einem „Dorado für klägergünstige Gerichtsstände“108 oder schlicht von einem „Klägerforum“109. Das hat dem US-amerikanischen Prozes­ srecht den Vorwurf eingebracht, es verleite geradezu zu einem legal blackmailing, indem der Kläger den Beklagten so stark unter Druck setzen könne, bis dieser sich in einen ungünstigen Vergleich zwingen ließe, um weitere Kosten und Ansehensverlust oder eine zu starke Ausforschung seiner Privatsphäre im Rahmen der discovery zu vermeiden.110 Dies gilt in ganz besonderem Maße bei class actions.111 Hinzukommt, dass die Verfahrenseinleitung für den Kläger weniger arbeitsaufwendig ist, als wir es gewohnt sind. US-amerikanische Kla­ geschriften scheinen europäischen Anwälten meist höchst rudimentär bloß die allerwichtigsten Tatsachen aufzuzählen, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt.112 Zu beachten ist allerdings auch, dass häufig eine Klage wegen der ho­ hen Prozesskosten nur ab einem gewissen Streitwert lohnenswert ist. Insofern dient die American rule of costs nicht immer dem Kläger, der auch bei hohen Erfolgsaussichten von einer Klage zurückschrecken kann, weil er auch als Ge­ winner seine außergerichtlichen Kosten zu tragen haben würde. Weinschenk hat bereits vor rund vierzig Jahren festgestellt, eine Klageerhebung lohne sich in den USA erst ab einem Streitwert von US$ 10.000.113 Bestimmte Eigenarten des US-amerikanischen Zivilverfahrensrechts haben außerdem zu dem Vorwurf geführt, der US-amerikanische Prozess neige stark zu einer Inländerbevorzugung.114 Zu diesen Eigenheiten zählt insbesondere die – in vielen Bundesstaaten übliche115 – Wahl der Richter, schließlich ist die poli­ tische Unabhängigkeit eines Richters, ist dieser auf Lebenszeit ernannt, eher gewährleistet, als wenn er sich regelmäßig öffentlich zur Wahl stellen muss.116 Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  43. Hauser, ZfRV 25 (1984), 161, 162. 110  Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (1987), S.  91; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  43; Schütze, WM 1983, 1078, 1082 f.; ders., in: Festschrift Geimer (2002), S.  1025, 1034; ders., RIW 2005, 579, 580. 111  Zum Vergleichsdruck, der durch class actions aufgebaut werden kann, vgl. Ehrenzweig, 54 California Law Review (1966), 792; Hess, AG 1999, 145 ff.; Hirte, VersR 2000, 149 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  204. 112  Dazu Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  8. 113  Weinschenk, AWD 1973, 131. Kann der Kläger die Kosten der Prozessführung in den USA nicht aufbringen, ist u. U. eine Notzuständigkeit in Deutschland zu eröffnen, vgl. Schütze, RIW 2007, 801, 802. 114  Schütze, RIW 2005, 579, 580. 115  Die Richterbestellung variiert in den verschiedenen Bundesstaaten stark. In 23 Staaten werden die Richter direkt vom Volk gewählt, vgl. die Darstellung bei Jaeger/Haas/Welz (Hrsg.), Regierungssystem der USA, 3.  Aufl. 2007, S.  240. 116  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarung im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  38 f.; Murray/Stürner, German Civil Justice (2004), S.  584. 108 

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Ebenfalls einschüchternd auf den europäischen Beklagten wirken die häufig von den Parteien gewählten Sachverständigen (experts) sowie die aus US-ame­ rikanischen Bürgern bestehende Jury.117 Das hat wiederum zur Folge, dass aus­ ländische Beklagte in aller Regel lieber vor Bundesgerichten prozessieren als vor den Gerichten der einzelnen Bundesstaaten. Nicht nur sind die Bundesrich­ ter auf Lebenszeit benannt, was ihnen den Ruf größerer Sachkunde und Unab­ hängigkeit einbringt.118 Davon abgesehen stammen die Geschworenen bei einer Jury im Rahmen eines Bundesprozesses meist aus einem weiteren Einzugsge­ biet, was sie ebenfalls neutraler machen soll.119 Tendenziell, so Schack, neigen Kläger daher eher zu den Staatengerichten, Beklagte zu den Bundesgerichten.120 Das ist auch der Grund dafür, dass Beklagte häufig versuchen, den Streit von einem Staatengericht mittels removal vor das zuständige Bundesgericht zu brin­ gen, was im Folgenden noch dargestellt wird. Teilweise wird außerdem kriti­ siert, die Anwendung der forum non conveniens-Doktrin121 hänge davon ab, ob der Kläger ein Inländer oder Ausländer sei. Bei Klagen ausländischer Parteien gegen inländische Unternehmen würden die US-amerikanischen Gerichte dazu neigen, allzu leicht ihre Zuständigkeit zu verneinen, im umgekehrten Fall, also bei Klagen von Inländern, wären sie dafür umso großzügiger bei der Bejahung der eigenen Zuständigkeit.122 Beispiele zu solchen Entscheidungen, in denen ei­ gentlich alle wesentlichen Faktoren des Falls auf eine enge Verbindung zu den USA hinwiesen, das angerufene Gericht seine Zuständigkeit aber dennoch ab­ lehnte, finden sich bei Schütze, der von „unglaublicher Überschätzung ihres eig­ nen Gerichtssystems“123 spricht und meint, die Gerichte würden die forum non conveniens-Doktrin in „rechtschauvinistischer“ Weise anwenden.124 Er skiz­ ziert dafür beispielhaft die Entscheidung eines kalifornischen Gerichts125: In Hamburg ereignete sich ein Unfall, bei dem ein US-amerikanischer Jugendli­ cher schwere gesundheitliche Schäden erlitt. Obwohl der Deliktsort Hamburg In Einzelfällen kann sich die ausländische Partei selbst helfen, indem sie einen change of venue beantragt, vgl. dazu Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  71. 118  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  10 und 49. 119  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  49. 120  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  49. 121  Zur forum non conveniens-Doktrin vgl. oben Teil I §  3 B. III. 2. 122  So etwa Koch, 31 The Geneva Papers on Law and Insurance (2006), 293, 296. 123  Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  105. 124  Vgl. Schütze, RIW 2005, 579, 680. Ähnlich ders., Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  107. 125  Vgl. Schütze, WM 183, 1078, 1080 sowie ders., Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  106, jedoch jeweils ohne Angabe der genauen Entscheidung. 117 

§ 5 – B.  Gründe für die Klageerhebung im US-amerikanischen forum derogatum

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war, alle Zeugen dort wohnhaft waren und auch sonst sämtliche Anhaltspunkte, etwa die parteilichen Ermittlungen, für Hamburg als Gerichtsstand sprachen, bezeichnete sich das angerufene kalifornische Gericht nach einer Abwägung seiner mit der Hamburger konkurrierenden Zuständigkeit als convenient forum. Seine Entscheidung begründete es mit den in Deutschland vermeintlich gerin­ geren Rechtsschutzgarantien, insbesondere weil der Kläger seines verfassungs­ mäßigen Anspruchs auf ein jury trial beraubt sei, da nur Berufsrichter urteilten. Für Schadensersatz-, aber auch andere Klagen ausländischer gegen inländische Parteien gibt es umgekehrt einige Beispiele, in denen die US-amerikanischen Gerichte ihre eigene Zuständigkeit – möglicherweise zum Schutz der inländi­ schen Partei – unter Berufung auf die forum non conveniens-Doktrin wenig überzeugend abgelehnt haben.126 In seiner Entscheidung Piper Aircraft Co. v. Reyno127 hat der U.S. Supreme Court angemerkt, dass der Wahl eines US-ame­ rikanischen Forums durch einen ausländischen Kläger u. U. weniger Gewicht beizumessen sei als der Wahl eines Inländers. In dem Fall hatte sich ein US-ame­ rikanisches Gericht zugunsten der schottischen Gerichte zum forum non conveniens erklärt. Zusammenfassend kann Folgendes festgehalten werden: Auch wenn die Angst vor einer Inländerbevorzugung heutzutage möglicherweise unbegründet sein mag, ist eine Bewertung des US-amerikanischen Zivilprozesses als ver­ gleichsweise klägerfreundlich – jedenfalls bei hohem Streitwert – grundsätzlich zutreffend. Das führt dazu, dass Parteien versuchen, ihre Klage vor ein US-ame­ rikanisches Gericht zu bringen, und zwar auch dann, wenn ein Bezug zu den USA auf den ersten Blick alles andere als offensichtlich ist.128 Dies gilt auch für ausländische Kläger, die von den Vorteilen des US-amerikanischen Prozess­ rechts profitieren wollen.129 Damit korreliert eine allgemeine Furcht vor der Be­ 126  Vgl. z. B. Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235 (1981): convenient fora seien die schottischen Gerichte; In re Union Carbide Co. Gas Plant Disaster at Bhopal, India in December 1984, 634 F. Supp.  842 (S.D.N.Y. 1986): convenient fora seien die Gerichte in Indi­ en. 127  Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235 (1981). Ähnlich auch La Seguridad v. Transytur Line, 707 F.2d 1304, 1307 (11th Cir. 1983); Iragorri v. United Technologies Corp., 274 F.3d 65, 72–73 (2d Cir. 2001); Sinochem International Co., Ltd v. Malaysia International Shipping Corp., 549 U.S.  422 (2007). 128  Hess, AG 2005, 897; Paulus, RIW 2006, 258, 258. Vgl. etwa die Fälle In Re Paris Air Crash of March 3, 1974, 399 F. Supp.  732 (C.D. Cal. 1975) und Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235 (1981), die zeigen, dass Opfer eines Flugzeugunglücks mit Vorliebe in den USA den Hersteller verklagen. 129  Vgl. Hess, AG 2005, 897, 899 m. w. N.: Europäische Kläger versuchen sogar, über Pro­ zesse in den USA Unterlagen zu erlangen, die in europäischen Parallelverfahren genutzt wer­ den sollen.

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klagtenrolle in einem US-amerikanischen Prozess130, welche selbst für juris­ tisch geschulte Personen bislang nicht überholt ist, wie das folgende Zitat aus dem Economist zu veranschaulichen vermag: „In a recent survey, Hogan Lovells […] asked general counsels around the world which jurisdiction they found most challenging. China finished second – after America.“131

C.  Das zivilgerichtliche Zuständigkeitssystem der USA I.  Zweigliedriges System aus Bundes- und Staatengerichten Die Eigenheiten des US-amerikanischen Prozessrechts sind für den kontinenta­ leuropäischen Juristen häufig schwer fassbar.132 Nicht nur der Prozess selbst ist im Vergleich zum hiesigen sehr unterschiedlich aufgebaut, sondern auch das Gerichts- und das Zuständigkeitssystem weichen stark von den europäischen ab. Daher soll an dieser Stelle ein Überblick über die Grundbegriffe des US-ameri­ kanischen Zivilgerichtssystems vorgenommen werden. Für eine vertiefte Dar­ stellung kann auf andere Werke verwiesen werden.133 In den USA stehen einander zwei selbstständige Gerichtsbarkeiten mit teil­ weise sehr unterschiedlichen Gerichtsverfassungen gegenüber, nämlich die Federal Courts der Bundesgerichtsbarkeit und die State Courts als Entscheidungs­ träger der einzelnen Bundesstaaten.134 Diese Zweigliederung hat ihren Ursprung bereits in der Verfassung von 1789. Die Bundesgerichtsbarkeit ist in Art. III §  1 der Verfassung135 verankert und beinhaltet drei Instanzen, wobei die District Courts (Bundesdistriktgerichte), von denen es in jedem Bundesstaat mindes­ Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  36; Stürner, Why are Europeans Afraid to Litigate in the United States (2001), S.  2. 131  Online abrufbar unter . 132  Vgl. nur Juenger, 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 389: „[O]ur cur­ rent jurisdictional law is in a hopeless mess.“ 133  Vgl. z. B. die gute Darstellung bei U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005); Born/Rutledge, International Civil Litigation in United States Courts, 5.  Aufl. 2011; Farnsworth, An Introduction to the Legal System of the United States, 4.  Aufl. 2010, S.  37 ff.; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4.  Aufl. 2005; Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, S.  44 ff.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  35 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  33 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011. 134  Vgl. Halberstam, RabelsZ 66 (2002), 216, 226 ff. 135  „The judicial Power of the United States, shall be vested in one Supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish.“ 130 

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tens eines gibt, die erste Instanz bilden und Berufung bei den Circuit Courts of Appeals eingereicht werden kann, welche die allgemeine Rechtsmittelinstanz bilden (28 USC §  1291). An der Spitze steht als oberstes Gericht der USA der U.S. Supreme Court oder Supreme Court of the United States (USSC) in Was­ hington D.C. Demgegenüber existiert in den Bundesstaaten jeweils ein eigenes Gerichtssystem, wobei hier ebenfalls ein drei-, gelegentlich auch ein zweistufi­ ger Instanzenzug vorgesehen ist, an dessen Spitze (mit wenigen Ausnahmen136) der Supreme Court bzw. Supreme Judicial Court des jeweiligen Staates steht. Eine echte Verquickung der beiden Systeme besteht nur über den U.S. Supreme Court, der auch über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der obersten einzel­ staatlichen Gerichte entscheidet, wenn diese über unmittelbar bundesrechtliche Fragen entschieden haben. Die wichtigsten Vorschriften der Gerichtsverfassung und des Prozessrechts der Federal Courts finden sich im United States Code (USC), Title 28, Judiciary and Judicial Procedure.137 Außerdem gelten für die Bundesgerichte die Federal Rules of Civil Procedure (FRCP), welche ebenfalls in Title 28 USC abgedruckt sind, kraft Rules Enabling Act (1934) vom Supreme Court erlassen wurden und 1938 in Kraft getreten sind.138 Die Einzelstaaten haben jeweils ihr eigenes ge­ schriebenes oder ungeschriebenes Zivilprozessrecht, wobei die einzelnen Rechtsordnungen den Federal Rules mehr oder weniger stark ähneln. Die Ver­ einheitlichung des Rechts wird durch sog. Restatements des American Law In­ stitutes, einer privaten Vereinigung aus Wissenschaftlern und Praktikern139, wie auch durch die Uniform Laws, welche von der National Conference of Comissi­ oners and Uniform State Law ausgearbeitet werden, vorangetrieben.140 Daher ist es gerechtfertigt, im Folgenden die FRCP der Untersuchung zugrunde zu legen. II.  Die Zuständigkeitsanforderungen im Einzelnen 1. Überblick Möchte nun ein Kläger vor einem US-amerikanischen Gericht eine zivilrechtli­ che Klage erheben, muss er in mehrfacher Hinsicht prüfen, ob das Gericht über­ 136  So heißt z. B. in New York das oberste Gericht Court of Appeals. Guter Überblick zu den sonstigen Ausnahmen bei U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  164. 137  Dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  27. 138  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  27. 139  Dazu Schindler, ZEuP 1998, 277; Zekoll, in: Zimmermann (Hrsg.), Globalisierung und Entstaatlichung des Rechts, Bd. II (2008), S.  101. 140  Vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  32 m. w. N.

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haupt zuständig ist. Andernfalls wird es die Klage mangels jurisdiction abwei­ sen. Eine echte Zulässigkeitsvoraussetzung jedes Verfahrens ist der service of process.141 Dem Beklagten muss die Klage also wirksam zugestellt worden sein bzw. er muss es unterlassen haben, etwaige Zustellungsmängel zu rügen. An­ ders als im deutschen Recht erfolgt dabei die Zustellung nicht durch das Ge­ richt, sondern durch den Kläger selbst. Hier sind die Probleme vorwiegend tech­ nischer Natur. Erst mit der wirksamen Zustellung von Klageschrift und Ladung wird der Beklagte der Entscheidungsgewalt des angerufenen Gerichts unter­ worfen und es entsteht ein Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Gericht und den Parteien.142 Neben service of process muss das Gericht sachlich, persönlich, örtlich und ggf. international zuständig sein.143 Falls die Zuständigkeitsvoraus­ setzungen vorliegen, ist daran zu denken, dass das Gericht seine Zuständigkeit dennoch unter Anwendung der forum non conveniens-Doktrin ablehnen kann.144 2.  Subject matter jurisdiction a)  Ausschließliche und konkurrierende Bundeszuständigkeiten Das Gericht muss sachlich zuständig sein, also über subject matter jurisdiction verfügen. Darunter ist die Befugnis des Gerichts zu verstehen, über eine be­ stimmte Streitigkeit durch Sachurteil zu entscheiden.145 Die allgemeine Zustän­ digkeit liegt hier bei den State Courts, wenn nicht ausnahmsweise ein Zustän­ digkeitsgrund für die Federal Courts gegeben ist. Die sachliche Zuständigkeit der Bundesgerichte wird von Amts wegen bestimmt (FRCP 12(h)(3)).146 Eine Zuständigkeit der Bundesgerichte besteht dabei in zwei Fällen, und zwar gibt es ausschließliche und konkurrierende Bundeszuständigkeiten. Die Bun­ desstaaten sind ausschließlich zuständig, wenn die Klage auf Bundesrecht ge­ stützt ist ( federal question jurisdiction, Art. III §  2 der Bundesverfassung i. V. m. 28 USC §§  1330 ff.). Darunter fallen Streitigkeiten im Seehandelsrecht (28 USC §  1333), im Insolvenzrecht (28 USC §  1334) und im Patent- und Urhe­ berrecht (28 USC §  1338), aber auch Streitigkeiten, die dem Securities Exchange Zum Überblick vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  90 ff. 142  U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  309; Juenger, 7 Florida Jour­ nal of International Law (1992), 383, 394. 143  Diese Formulierung ist nicht einwandfrei. Genaugenommen handelt es sich bei der vorschriftsgemäßen Zustellung nämlich um eine Unterfrage der personal jurisdiction (= (a) proper basis for jurisdiction + (b) proper service of process). 144  Vgl. dazu oben Teil I §  3 B. III. 2. 145  Born/Rutledge, International Civil Litigation in United States Courts, 5.  Aufl. 2011, S.  7 ff. 146  Vgl. zum Ganzen U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  199 ff. 141 

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Act von 1934 unterfallen (15 USC §  78aa).147 Unter Bundesrecht versteht man neben dem gesetzlichen Bundesrecht auch das Richterrecht des Bundes ( federal common law) und die völkerrechtlichen Verträge der USA.148 Die daneben bestehenden konkurrierenden Bundeszuständigkeiten sind ers­ tens für bestimmte Materien vorgesehen, etwa das Kartellrecht (28 USC §  1337), das Bundessteuerrecht (28 USC §  1340) sowie Civil Rights-Angelegenheiten (28 USC §  1343). Zweitens besteht nach 28 USC §  1331 federal question jurisdiction, welche alle Ansprüche umfasst, die sich auf eine Rechtsvorschrift des Bun­ des stützen.149 Und drittens ist eine konkurrierende Zuständigkeit der Bundes­ gerichte nach 28 USC §  1332 dann eröffnet, wenn es sich um eine diversity of citizenship-Streitigkeit handelt. Eine solche diversity jurisdiction oder alienage jurisdiction setzt voraus, dass die Parteien in verschiedenen Bundesstaaten an­ sässig sind oder ein ausländischer Bürger, eine ausländische Regierung oder die US-amerikanische Bundesregierung selbst Partei ist. Die Zuständigkeit der Federal Courts dient hier dazu, Ausländer und Parteien aus unterschiedlichen Bundesstaaten vor Benachteiligungen gegenüber Angehörigen des Bundes­ staats, dessen State Courts konkurrierend zuständig sind, zu schützen.150 Als Ausländer oder Angehöriger eines anderen Bundesstaats kann man der heimi­ schen Partei zuvorkommen und Klage vor dem zuständigen Federal District Court erheben oder aber beim angerufenen State Court einen removal zum Bundesgericht beantragen. Allerdings ist die Eröffnung von diversity jurisdiction an zwei Voraussetzungen gebunden: Zunächst gibt es eine Streitwertgrenze von mindestens US$ 75.000 (28 USC §  1332(a)). Darüber hinaus muss complete diversity vorliegen, woran es schon dann fehlt, wenn irgendeine Person auf Be­ klagtenseite demselben Bundesstaat angehört wie irgendeine Person auf Klä­ gerseite oder wenn auf beiden Seiten Ausländer beteiligt sind.151 147  Zu den ausschließlichen Zuständigkeiten der Bundesgerichte vgl. Friedenthal/Kane/ Miller, Civil Procedure, 4.  Aufl. 2005, §  2.1. 148  Bermann, Transnational Litigation in a Nutshell (2003), S.  77 f. 149  Federal Question Jurisdiction umfasst nur Klagen, die zum Zeitpunkt der Erhebung die Beantwortung einer Frage des Bundesrechts erforderlich machen – d. h. ein unumgehba­ res Aufwerfen einer entscheidungserheblichen Bundesrechtsfrage muss bereits aus der Kla­ geschrift hervorgehen. Nachfolgende Einreden und sonstige streiterhebliche Fragen aus dem Bundesrecht genügen nicht. Dies ist die sog. well-pleaded complaint rule der Entscheidung Louisville & Nashville Rd. Co. v. Mottley, 211 U.S.  149 (1908). Bis 1980 galt für die federal question jurisdiction ein Mindeststreitwert von US$ 10.000, vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  41. 150  Wright/Kane, Law of Federal Courts, 7.  Aufl. 2011, §  23, S.  141 ff. Der Sinn der Vor­ schrift ist heute jedoch umstritten, vgl. dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  42. 151  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  42 m. w. N.

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Besteht federal question oder diversity jurisdiction nur für Teile der Streitig­ keit, so können die Federal Courts die Streitigkeit nach 28 USC §  1367 als Gan­ zes an sich ziehen, wenn über sämtliche Prozessbeteiligte personal jurisdiction besteht und wenn ein ausreichender tatsächlicher Zusammenhang zu den ei­ gentlich dem einzelstaatlichen Recht unterliegenden Klagegründen vorliegt. Dies bezeichnet man als supplemental jurisdiction. b)  Removal Wenn vor einem einzelstaatlichen Gericht Klage erhoben wurde, ermöglicht 28 USC §  1441 auf Antrag des Beklagten eine Verweisung des Rechtsstreits von dem einzelstaatlichen Gericht zum zuständigen Federal District Court. Voraus­ setzung dafür ist allerdings, dass eine konkurrierende Bundeszuständigkeit ge­ geben ist, also im Falle von diversity jurisdiction sowohl die Streitwertgrenze erreicht ist als auch complete diversity vorliegt.152 Beklagte machen gerne von der Möglichkeit eines removal Gebrauch, weil sie sich, wie bereits erwähnt, vor den Bundesgerichten höhere Chancen auf einen positiven Prozessausgang aus­ rechnen. Das Gericht, zu welchem der Rechtstreit verwiesen wird, hat aller­ dings das gleiche materielle und Kollisionsrecht wie das Verweisungsgericht anzuwenden. 3.  Personal jurisdiction a)  General personal jurisdiction und specific personal jurisdiction Das Gericht muss außerdem über personal jurisdiction verfügen, es muss also für die Entscheidung über eine Klage gegen die beklagte Person zuständig sein. Fehlt dem Gericht die personal jurisdiction, so genießt seine Entscheidung nicht full faith and credit und kann in den anderen Bundesstaaten nicht vollstreckt werden.153 Personal jurisdiction über den Beklagten besteht nur dann, wenn dies gesetzlich bestimmt ist und die Ausübung nicht gegen die Verfassung verstößt. Zur Bestimmung der personal jurisdiction über ausländische Beklagte wer­ den grundsätzlich die Regeln der sachlichen Zuständigkeit (subject matter jurisdiction) entsprechend angewendet.154 Die Reichweite der Zuständigkeit ergibt sich aus dem common law oder den Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten, wo­ 152  Vgl. z. B. Kaneshiro v. North American Co. for Life and Health Ins., 496 F. Supp.  425, 455 (D. Hawaii 1980). 153  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §§  5.1–5.2, S.  338 ff. Vgl. zum US-amerikanischen Recht der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Bundesstaaten oder aus dem Ausland Teil I §  6 G. II. 5., Teil III §  13 C. II., §  14 F. und §  15 C. V. 154  Vgl. Hay, RabelsZ 35 (1971), 429, 431 ff.

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bei hier besonders die bereits erwähnten long-arm statutes der einzelstaatlichen Prozessordnungen eine Rolle spielen.155 Diese können unterschiedlich detail­ liert gestaltet sein. Das New Yorker Recht enthält beispielsweise mit NY CPLR §  302 (1991) eine sehr ausführliche Vorschrift.156 Wie bereits erwähnt, müssen diese long-arm statutes jedoch, wie vom Supreme Court 1977 klargestellt157, den Anforderungen des due process genügen, weshalb für Klagen in personam, bei denen grundsätzlich kein örtlicher Bezug gegeben sein muss158, sog. minimum contacts verlangt werden. Damit soll verhindert werden, dass die Durch­ führung des Prozesses „traditional notions of fair play and substantial justice“ widerspricht.159 Personal jurisdiction kann, ähnlich den uns bekannten Grundsätzen, entwe­ der general oder specific sein, wobei specific jurisdiction die Befugnis beinhal­ tet, die Gerichtsbarkeit über den Beklagten für bestimmte Streitigkeiten auszu­ üben, welche einen Bezug zum Forumsstaat haben. Hier genügen einigermaßen geringe minimum contacts, z. B. gelegentliches geschäftliches oder ein delikti­ sches Handeln im Forumsstaat.160 Hingegen bedeutet general jurisdiction, dass das Gericht über sämtliche Klagen gegen den Beklagten entscheiden darf, ohne dass eine sachliche Beziehung des Klagegrundes zum Forumsstaat erforderlich wäre.161 General jurisdiction kann sich aus der US-amerikanischen Staatsange­ hörigkeit oder dem domicile bzw. der residence, also dem Aufenthaltsort in den 155 

Vgl. dazu bereits Teil I §  3 B. II. Dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  62. 157  Vgl. Shaffer v. Heitner, 433 U.S.  186, 212 (1977). 158  Neben der in personam jurisdiction gibt es auch die in rem jurisdiction bzw. quasi in rem jurisdiction als Zuständigkeiten für Streitigkeiten über dingliche Rechte an im Gerichts­ staat belegenen Sachen bzw. deren Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung. Klagen in rem sind nur am Belegenheitsort der Sache, um deren dingliche Berechtigung gestritten wird, möglich, während Klagen quasi in rem der Zuständigkeit nach dem deutschen §  23 ZPO ähneln, wobei die Kognitionsbefugnis des Gerichts auf das beschlagnahmte im Ge­ richtsstaat belegene Vermögen des Beklagten beschränkt ist. Für die hier untersuchten Fälle, in denen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, sind vordergründig die Klagen in personam von Interesse. Vgl. zu der Unterscheidung auch U. Böhm, Amerikani­ sches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  241 f., 256 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikani­ sche Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  65 f.; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §§  5.5–5.6, S.  349 ff. 159  Vgl. International Shoe Co. v. Washington, 326 U.S.  310, 316 (1945). Zu den einzelnen Voraussetzungen an eine mit dem due process-Gebot zu vereinbarende Zuständigkeitsbe­ gründung vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  42 ff. 160  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  5.4, S.  346 ff. Vgl. zu den specific contacts auch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  73 m. w. N. 161  Junker, IPRax 1986, 197, 201. 156 

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USA, ergeben.162 Bei ausländischen Beklagten ergibt sich general jurisdiction erstens nach der bereits erwähnten transient-presence rule, wenn dem Beklag­ ten die Klageschrift bei einem vorübergehenden Aufenthalt in den USA zuge­ stellt wird.163 Dieser Zuständigkeitsgrund ist zwar umstritten und schwer nach­ vollziehbar.164 In der Praxis sehr viel wichtiger und aus europäischer Sicht des­ halb noch heftiger kritisiert165 ist aber die zweite Möglichkeit, nämlich die doing business-Regel. Danach besteht auch dann general jurisdiction, wenn der Be­ klagte in den USA in einigem Umfang geschäftlich tätig ist.166 Bislang mussten die Aktivitäten des Beklagten im Forumsstaat dafür continuous and systematic sein.167 Nicht erforderlich war dann jedoch, wie bereits erwähnt, ein inhaltlicher Bezug zwischen dem Streitgegenstand und der geschäftlichen Aktivität des Be­ klagten in dem jeweiligen Bundesstaat.168 Die weiten long-arm statutes ermög­ lichten es dem Kläger dabei oft, zwischen Gerichten verschiedener Bundesstaa­ ten zu wählen und so das anwendbare Kollisions- und materielle Recht wie auch Eigenheiten des Prozessrechts, wie z. B. der discovery-Praxis, zu bestimmen.169 Allerdings hat der U.S. Supreme Court die Möglichkeit von general jurisdiction der US-amerikanischen Gerichte über ausländische Unternehmen in seiner Entscheidung Goodyear v. Brown170 und dann noch weiter in seiner Entschei­ dung Daimler AG v. Bauman171 erheblich eingeschränkt. In dem zugrunde lie­ genden Fall ging es um die Frage, ob ein kalifornisches Bundesgericht general jurisdiction über die deutsche Daimler AG ausüben kann. Die Klage war von Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  70. Vgl. Burnham v. Superior Court of California, 495 U.S.  604, 808 ff. (1990) und bereits oben Teil I §  3 B. II. 164  Vgl. die Kritik bei Born/Jestaedt, RIW 1990, 675 f.; Cox, 58 Tennessee Law Review (1991), 497; Ehrenzweig, 65 Yale Law Journal (1956), 289; Hay, University of Illinois Law Review 1990, 593; Otte, IPRax 1991, 263; Peterson, IPRax 1991, 267. 165  Bettinger, GRUR Int. 1998, 660; Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Ge­ richte (2003), S.  14 ff. 166  Grundlegend Perkins v. Benguet Consolidated Mining Co., 342 U.S.  437 (1952). Vgl. außerdem H. Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“ (1992), S.  19 ff.; Müller-Froelich, Der Gerichtsstand der Niederlassung im deutsch-amerikanischen Rechtsver­ kehr (2007), S.  309 ff.; Silbermann, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 333 ff.; Welp, Internationale Zuständigkeit über auswärtige Gesellschaften mit Inlandstöch­ tern im US-amerikanischen Zivilprozeß (1982), S.  40 ff. 167  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  71. 168  U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  263 f. Kritisch z. B. Schütze, RIW 2005, 579, 583. 169  Vgl. zum Ganzen Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  33 f. 170  Goodyear Dunlop Tires Operations, S.A. v. Brown, 131 S. Ct. 2846 (2011). 171  Daimler AG v. Bauman, 134 S. Ct. 746 (2014). Vgl. zu beiden Entscheidungen Zekoll/ Schulz, RIW 2014, 321, 324 ff. 162 

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argentinischen Klägern erhoben worden, die Schadensersatz für im sog. Dirty War der 1970er und 1980er Jahre erlittene Menschenrechtsverletzungen ver­ langten, an denen Tochterunternehmen von Daimler in Argentiniern beteiligt gewesen waren. Das Berufungsgericht (9th Circuit) bejahte die Frage der general jurisdiction mit der Begründung, general jurisdiction bestehe über eine mit­ telbare Tochtergesellschaft der Daimler AG, nämlich die Mercedes Benz USA, LLC, welche damit als agent für die Daimler AG auftrete, sodass ihre Aktivitä­ ten in Kalifornien der Beklagten zuzurechnen seien. Der Supreme Court ent­ schied hingegen, dass general jurisdiction über eine beklagte Gesellschaft, die in dem jeweiligen Staat weder ihren Sitz noch ihre Hauptniederlassung habe, nur dann bestehe, wenn deren Verbindungen zu dem jeweiligen Bundestaat so continuous and systematic seien, dass man die Gesellschaft quasi als in diesem Staat beheimatet betrachten könne, was nur in Ausnahmefällen bejaht werden könne. Denn nur der Ort des Gesellschaftssitzes sowie der Hauptniederlassung sei für die Parteien vorhersehbar. Weil der Supreme Court seine Entscheidung auf die verfassungsrechtliche due-process clause stützte, gilt sie gleichermaßen für Bundes- wie für Staatengerichte. b)  Personal jurisdiction durch Unterwerfung Abgesehen von diesen Fällen kann personal jurisdiction außerdem durch Selb­ stunterwerfung des Beklagten (submission) begründet werden. Selbstunterwer­ fung ist in zwei Fällen möglich, nämlich einerseits durch den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Gerichts und andererseits im Wege der rügelosen Einlassung (general appearance) des Beklagten.172 Dass die Pro­ rogation US-amerikanischer Gerichte wirksam ist, wird bereits seit der Ent­ scheidung des Supreme Court in Pennoyer v. Neff aus dem Jahr 1877173 aner­ kannt, wurde aber spätestens vom Supreme Court in seiner Entscheidung National Equipment Rental, Ltd v. Szukhent vom 06.01.1964174 bestätigt. Haben die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines US-ame­ rikanischen Gerichts abgeschlossen, sind grundsätzlich auch keine die Zustän­ digkeit begründenden minimum contacts erforderlich.175 Allerdings kann die Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  78. Pennoyer v. Neff , 95 U.S.  714 (1877). 174  National Equipment Rental, Ltd v. Szukhent, 375 U.S.  311 (1964). Vgl. auch die weite­ ren Rechtsprechungsnachweise zur Zulässigkeit der Prorogation US-amerikanischer Gerich­ te bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  64 Fn.  273. 175  Eine Ausnahme bildet das Recht von Florida, wo der Beklagte ausreichende minimum contacts zum Gerichtsstaat haben muss, damit die Prorogation wirksam ist. Vgl. die Ent­ scheidung des Florida Supreme Court in McRae v. J.D./M.D., Inc., 511 So. 2d 540, 544 (Fla. 1987). 172  173 

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Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung unter Heranziehung der forum non conveniens-Doktrin verneint werden. Den Gerichten steht also das Ermessen zu, die eigene Zuständigkeit trotz wirksamer Prorogationsverein­ barung zu verneinen, wenn sie ein anderes Gericht für besser geeignet halten. Die Prorogation wird daraufhin überprüft, ob die Austragung des Rechtsstreits in den USA seriously inconvenient ist176, was jedoch – soweit ersichtlich – in den Entscheidungen der Bundesgerichte der letzten Jahre durchgehend verneint wurde.177 Im Recht des Bundesstaats New York ist die Anwendung der forum non conveniens-Doktrin bei wirksamer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines New Yorker Gerichts sogar ausgeschlossen, wenn die Parteien über eine Transaktion in Höhe von mindestens einer Million US$ streiten und der Beklag­ te aus dem Ausland kommt (New York General Obligations Law §  5 –1402). Die Anforderungen an ein die rügelose Einlassung abwendendes Bestreiten der Zuständigkeit des Gerichts sind unterschiedlich. Nach FRCP 12(b)(2) und (h)(1) und in vielen Bundesstaaten, die ein ähnliches Prozessrecht haben, kann der Beklagte das Fehlen von personal jurisdiction entweder in einer pre-trial motion178 oder in der Klageerwiderung geltend machen. Dabei kann der Beklag­ te seine Rüge zusammen mit anderen Einwänden gegen die Klage vorbringen (FRCP 12(b)). Dagegen sind einige Bundesstaaten strenger und verlangen eine sog. special appearance.179 Danach muss sich der Beklagte darauf beschränken, die fehlende personal jurisdiction zu rügen, andernfalls verliert er sein Rüge­ recht.180 In Extremfällen hat hier sogar ein Antrag auf Vertagung zum Verlust des Rügerechts des Beklagten geführt.181 Wegen dieser Besonderheiten wird dem Beklagten empfohlen, sich auch für die Rüge eines US-amerikanischen Anwalts zu bedienen.182

176  Vgl. die Nachweise bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  65 Fn.  276. 177  Z. B. wurde die forum non conveniens-Doktrin zwar umfassend geprüft, die Proroga­ tion letztlich aber anerkannt in Design Strategy Corp. v. Nghiem, 14 F. Supp.  2d 298, 300 (S.D.N.Y. 1998). 178  Strenggenommen wäre eine pre-answer motion erforderlich, da das Fehlen von personal jurisdiction spätestens in der Klageerwiderung gerügt werden muss. 179  Z. B. Texas Rules of Civil Procedure 120a („Special Appearance“). 180  Vgl. dazu Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  61 f. 181  Bumgarner v. Federal Dept. Ins. Corp., 764 P.2d 1367 (Okla. App.  1988); Pfeiffer v. Ash, 206 P.2d 438 (Cal. App.  1949). 182  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  61.

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4. Venue Weiterhin muss venue, also die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, vorliegen. Nach der im Jahr 1990 weiter gefassten allgemeinen bundesgesetzlichen Regel in 28 USC §  1391(a), (b) besteht die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich in dem Gerichtsbezirk, in dem der Beklagte wohnt oder in dem „a substantial part of the events or omissions giving rise to the claim occurred.“ Demgegenüber kön­ nen Ausländer nach 28 USC §  1391(d) überall verklagt werden.183 Im Zusam­ menhang mit Fragen des forum shopping ist venue insofern von Bedeutung, als der Kläger bestimmte Vorteile durch einen change of venue erreichen kann. Denn nach 28 USC §  1404 kann er einen federal transfer zu einem beweisnahen Gericht beantragen. Der federal transfer ist vom removal dadurch zu unter­ scheiden, dass er auf Antrag einer der Parteien oder von Amts wegen die Ver­ schiebung eines Streits von einem Bundesdistriktgericht zu einem anderen, sachnäheren ermöglicht. Hierbei handelt es sich also um eine Frage der örtli­ chen, und nicht wie beim removal der sachlichen Zuständigkeit. 28 USC §  1404 ist, so gesehen, die gesetzliche Verankerung der forum non conveniens-Doktrin auf der Ebene der Bundesgerichte. Dem removal gleicht der transfer insofern, als dass das anwendbare materielle und Kollisionsrecht des verweisenden Ge­ richts gleichbleibt.184 So kann der forum shopping betreibende Kläger zunächst Klage bei einem Gericht einreichen, welches ein für ihn günstiges Recht anwen­ den würde, um dann die Übertragung an ein anderes, kostengünstiges Gericht zu beantragen. Dieses Gericht muss dann das gleiche Kollisions- und Sachrecht anwenden wie das verweisende.185 Umgekehrt kann die beklagte Partei versu­ chen, dem Kläger durch einen change of venue zu einem anderen Gericht die Vorteile seines forum shopping – z. B. einen angestrebten Heimvorteil oder ein bestimmtes Kostenrecht – aus der Hand zu nehmen.186

183  Zu den einzelnen Ausnahmen vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zi­ vilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  81 m. w. N. 184  Eichel, RIW 2009, 289, 292; Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  145 f. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  83 spricht von einem bloßen „change of court rooms“. Aus der Rechtsprechung vgl. etwa Wisland v. Admiral Beverage Corp., 119 F.3d 733, 735–36 (8th Cir. 1997). 185  Vgl. zum change of venue z. B. Ferens v. John Deere Co., 494 U.S.  516 (1990); Van Dusen v. Barrack, 376 U.S.  612, 637 ff. (1964). Allerdings gilt dies im Falle einer Gerichts­ standsvereinbarung nun nur noch eingeschränkt, vgl. die Entscheidung des U.S. Supreme Court vom 03.12.2013 in Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas, 134 S. Ct. 568, 187 L. Ed. 2d 487 (2013) und dazu Eichel/Niehoff, RIW 2014, 329, 332. Mehr dazu unten in Teil I §  5 D. II. 4. 186  Dazu Clermont/Eisenberg, 80 Cornell Law Review (1995), 1507, 1514 f.

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D.  Die Derogation US-amerikanischer Gerichte durch internationale Gerichtsstandsvereinbarungen I.  Die non ouster-Doktrin Wenn ein US-amerikanisches Gericht über subject matter und personal jurisdiction sowie venue verfügte, war es früher grundsätzlich nicht möglich, seine Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung zu beseitigen. Denn die Rechtsprechung der Bundes- wie Staatengerichte bekannte sich lange Zeit zur non ouster-Doktrin, einer aus dem englischen Recht stammenden Lehre, wo­ nach eine kraft common law begründete Zuständigkeit eines staatlichen Ge­ richts nicht von den Parteien derogiert werden durfte.187 Folglich stand die US-amerikanische Rechtsprechung antizipierten, also zeitlich vor der Entste­ hung der Streitigkeit geschlossenen Vereinbarungen über die internationale und örtliche Zuständigkeit abweisend gegenüber. Ausgangspunkt dafür war die Ent­ scheidung Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co. des Supreme Judicial Court of Massachusetts aus dem Jahr 1856188, in der allerdings eine Parteivereinba­ rung über die Gerichtsbarkeit innerhalb eines Einzelstaats zur Frage stand. Ob­ wohl ein bestimmtes Bezirksgericht innerhalb des Staates Massachusetts von den Parteien für ausschließlich zuständig erklärt worden war, zog eine Partei doch vor das eigentlich örtlich zuständige Bezirksgericht. Das oberste Gericht des Staates Massachusetts entschied, eine Zuständigkeitsvereinbarung sei pro­ zessrechtlicher Natur und deshalb ganz allgemein der Parteidisposition entzo­ gen.189 Die Rechtsprechung wurde vom obersten Gerichtshof von Massachu­ setts in einer späteren Entscheidung190 bestätigt, in der das Gericht der Nute-­ Entscheidung ein allgemeines Prinzip entnahm, wonach es den Parteien untersagt sei, eine gesetzlich gegebene gerichtliche Zuständigkeit auszuschlie­ Der englischen non ouster-Doktrin, die zwar die restriktive Haltung ebenfalls mit All­ gemeininteressen zu rechtfertigen versuchte, wurde nachgesagt, sie sei vor allem pekuniär motiviert gewesen, schließlich hatten die Parteien den englischen Richter zu bezahlen, so­ dass man lukrative Fälle nicht abgeben wollte, vgl. Reese, 13 American Journal of Compara­ tive Law (1964), 187, 188 f. Eine ähnliche Vermutung stellen manche auch hinsichtlich der USA an. Das kann man damit begründen, dass die Gerichtsgebühren früher direkt den US-amerikanischen Richtern zuflossen. Vgl. Borchers, 67 Washington Law Review (1992), 55, 60; O. Sandrock, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  625, 630. 188  Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co., 72 Mass. (6 Gray), 174, 181 ff. (1856). Vgl. dazu die übersichtliche Darstellung bei Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1067 f. Ähnlich auch die Entscheidung Mutual Reserve Fund Life Ass’n v. Cleveland Woolen Mills, 82 F. 508 (6th Cir. 1897). 189  Siehe auch Juenger, RabelsZ 35 (1971), 284, 293. 190  Nashua River Paper Co. v. Hammermill Paper Co., 223 Mass. 8, 111 N.E. 678 (1916). 187 

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ßen. Auch die berühmte Monrosa-Entscheidung191 argumentierte mit dem non ouster-Prinzip. Hier führte das für mehrere Südstaaten zuständige Bundesap­ pellationsgericht des 5th Circuit hinsichtlich einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem Konnossement aus: „Any consideration of such a question starts with the universally accepted rule that agreements in advance of controversy whose object is to oust the jurisdiction of the courts are contrary to public policy and will not be enforced.“192 Diese Rechtsprechung entwickelte sich zur allgemei­ nen Doktrin, wonach stets der zwingende Charakter der Zuständigkeitsord­ nung, die eine bestimmte „Rechtssymmetrie“ anstrebe, bzw. öffentliche Interes­ sen (public policy) einer privatautonomen Regelung der – innerstaatlichen wie internationalen – Zuständigkeit entgegenstanden.193 Lange Zeit wurden die Doktrin und die Frage, ob dem Nute-Urteil aus dem Jahr 1856 wirklich ein allgemeines Prinzip zu entnehmen sei, in der Rechtspre­ chung kaum hinterfragt, obwohl sich früh Widersprüchlichkeiten zeigten.194 Merkwürdig mutete etwa die im Gegensatz zu Gerichtsstandsvereinbarungen sehr liberale Behandlung von Rechtswahlklauseln195 wie auch die Liberalisie­ rung der Anerkennung von Schiedsvereinbarungen196 an. Auch gab es eigent­ lich keinen Grundsatz, dass die gesetzlichen Zuständigkeitsregeln per se nicht geändert werden könnten. So war es durchaus möglich, einen Gerichtsstand durch nachträgliche Vereinbarung zu begründen. Insofern galt schon immer die Regel, dass ein nicht gerügter Zuständigkeitsmangel geheilt und die Zuständig­ 191  Carbon Black Export, Inc. v. The S.S. Monrosa, 254 F.2d 297 (5th Cir. 1958), fortge­ führt durch den U.S. Supreme Court in The Monrosa v. Carbon Black Export, Inc., 359 U.S.  180 (1959). 192  Carbon Black Export, Inc. v. The S.S. Monrosa, 254 F.2d 297, 301 (5th Cir. 1958). Ähnlich streng ebenfalls gegenüber einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem Konnosse­ ment war das Bundesappellationsgericht in New York in der Entscheidung Indussa Corp. v. S.S. Ranborg, 377 F.2d 200 (2d Cir. 1967). 193  Zum Ganzen Barrett, 49 Fordham Law Review (1980), 568, 569 ff.; Juenger, RabelsZ 35 (1971), 284, 294 f. m. w. N. in Fn.  45 f.; Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 994 ff. m. w. N. in Fn.  112 ff.; Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 635; Peiffer, Schutz gegen Klagen im fo­ rum derogatum (2013), S.  48 f. 194  Dagegen stand die US-amerikanische Literatur bereits vor der Bremen-Entscheidung Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte liberaler gegenüber, vgl. z. B. bereits den Eingangssatz bei Syke, 10 Louisiana Law Review (1950), 293, 293: „With almost boring unanimity American courts have refused to enforce contractual provisions conferring exclusive jurisdiction in advance on a court or courts of a particular sister state or foreign country.“ Vgl. weiterführend den Überblick bei Juenger, RabelsZ 35 (1971), 308 ff. 195  Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 635; Reese, 13 American Journal of Comparative Law (1964), 187, 189. 196  Diese Widersprüchlichkeit zeigt z. B. bereits Syke, 10 Louisiana Law Review (1950), 293, 299 f. auf. Zur Behandlung von Schiedsvereinbarungen durch die US-amerikanischen Gerichte vgl. unten Teil I §  5 D. VI.

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keit des Gerichts im Wege rügeloser Einlassung begründet werden konnte.197 Die non ouster-Regel bedeutete daher lediglich, dass ein an sich zuständiges angerufenes Gericht das Verfahren trotz einer entgegenstehenden Gerichts­ standsvereinbarung aufgrund einer Ermessensentscheidung durchführen konn­ te, die Vereinbarung die gesetzliche Zuständigkeit also nicht automatisch besei­ tigte.198 Im Gegenzug erkannten einige liberale Gerichte aber bereits frühzeitig die Möglichkeit, ihre Zuständigkeit mittels Ermessenserwägungen aufgrund der forum non conveniens-Doktrin zugunsten des gewählten Gerichts zu ver­ neinen.199 Vor allem aus dem Bereich des Seehandelsrechts gibt es Entscheidun­ gen, die bis ins Jahr 1795 zurückreichen 200, in denen Gerichtsstandsvereinba­ rungen von den derogierten Gerichten anerkannt worden sind.201 Auch die State Courts erkannten immer wieder, meist unter Bezugnahme auf die Entscheidun­ gen aus dem Seehandelsrecht, den Derogationseffekt von Gerichtsstandsverein­ barungen an.202 Die Fälle betrafen aber in aller Regel Konstellationen, in denen zwei ausländische Parteien miteinander stritten. Die Argumentation in diesen Fällen stützte sich dann weniger auf die Parteiautonomie, sondern neben comity-Gesichtspunkten darauf, dass für ausländische Parteien eine Begrenzung der Inanspruchnahme gerichtlicher Ressourcen ökonomisch erschien.203

Vgl. Juenger, RabelsZ 35 (1971), 284, 296 f. Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 635; Rahmann, Ausschluß staatlicher Gerichtszuständig­ keit (1987), S.  67 ff. 199  Vgl. z. B. The Iquitos, 286 Fed. 383 (W.D. Wash. 1921) und The Tricolor, 1.F. Supp.  934 (S.D.N.Y. 1932) sowie United States Merchants’ & Shippers’ Ins. Co. v. A/S Den Norske Afrika Og Australie Line, 65 F.2d 392 (2d Cir. 1933). In den Entscheidungen wird die non ouster-Doktrin überhaupt nicht erwähnt. Vgl. außerdem die Entscheidungen Cerro de Pasco Copper Corp. v. Knut Knutsen O.A.S., 187 F.2d 990 (2d Cir. 1951) und Wm. H. Muller & Co. v. Swedish American Line Ltd, 224 F.2d 806 (2d Cir. 1955), wo eine Auseinandersetzung mit der non ouster-Doktrin stattfand und das Bundesappellationsgericht in New York erklärte, Gerichtsstandsvereinbarungen seien nur dann nichtig, wenn sie sich als unzumutbar (un­ reasonable) darstellten. 200  Vgl. Thompson v. The Catharina, 23 F. Cas. 1028, 1028 (D. Pa. 1795). 201  Dazu Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 978, 988 ff., 996 ff. m. w. N., 1106 m. w. N. 202  Dazu Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, 208; Karayanni, 34 Duquesne Law Review (1996), 1009, 1012 Fn.  16; Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 1002 ff., jeweils m. w. N. 203  Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 1003 f. 197  198 

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II.  Liberalisierung in der Rechtsprechung der Federal Courts 1.  Die Bremen-Entscheidung Nachdem sich die non ouster-Doktrin immer stärker als Leerformel erwiesen hatte, d. h. immer mehr Gerichte Ausnahmetatbestände erfunden hatten und je­ denfalls eine Derogation zugunsten der Gerichte anderer US-Bundesstaaten immer häufiger zugelassen wurde, kam schließlich mit der berühmten Bremen/ Zapata-Entscheidung des Supreme Court vom 16.06.1972204 der Wendepunkt zu einer weniger restriktiven Behandlung von Vereinbarungen über jurisdiction und venue.205 Obgleich die Entscheidung gebräuchlich als Startschuss für die Liberalisierung des Gerichtsstandswahlrechts in den USA betrachtet wird 206, kam sie vor dem Hintergrund der bereits zuvor ergangenen Gerichtsentschei­ dungen nicht abrupt, sondern kann vielmehr als Fortführung einer Entwicklung verstanden werden, die bereits viel früher eingesetzt hatte.207 Bereits ein Jahr zuvor, nämlich im Jahr 1971, wurde in §  80 Restatement (Second) Conflict of Laws mit einer in sich etwas widersprüchlich anmutenden Formulierung bestä­ tigt, dass die Parteien nicht von der gesetzlichen Zuständigkeit abweichen könn­ ten (non ouster), dass aber eine solche Vereinbarung anerkannt werde, es sei denn, sie wäre unfair oder unreasonable.208 204  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 8 ff. (1972). Dazu z. B. Barrett, 49 Fordham Law Review (1980), 568, 576 ff.; Behrens, RabelsZ 38 (1974), 593; Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, 208 ff.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-­ amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  141 f.; Heiser, 45 Florida Law Review (1993), 361, 367 ff.; Juenger, 19 Wayne Law Review (1972–1973), 49; Keys, 5 Law and Policy in Interna­ tional Business (1973), 688; W. Lorenz, IPRax 1989, 22, 23 ff.; Peterson, IPRax 1993, 421 f.; Rahmann, Ausschluß staatlicher Gerichtszuständigkeit (1987), S.  65 ff.; O. Sand­rock, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  624, 632 ff.; Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1071 ff. 205  Vgl. die gute Darstellung bei G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  181 ff. Zu den „Nachwirkungen“ der non ouster-Doktrin vgl. jedoch Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 78 Fn.  3, demzufolge „Rechtsinstitute oder Theorien, die in einer Rechtsord­ nung aufgegeben wurden, […] das Rechtsdenken nachhaltig beeinflusst haben und deshalb trotz ihrer Aufgabe fortwirken [können].“ 206  Noyes, 30 Harvard Journal of Law and Public Policy (2007), 579, 596; Mullenix, 57 Fordham Law Review (1988), 291, 302 f.; Shell, 81 California Law Review (1993), 431, 484; Taylor/Cliffe, 35 University of Richmond Law Review (2002) 1085, 1095. 207  Eine solche historische Analyse findet sich etwa bei Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 978, 1016 ff., 1019: „The Bremen makes more sense as an affirmation of the fo­ rum non conveniens approach.“ Vgl. auch die weiteren Nachweise bei Marcus in Fn.  262. 208  Restatement of the Law, 2nd, Conflict of Laws, §  80 (1970): „The parties’ agreement as to the place of the action cannot oust a state of judicial jurisdiction, but such an agreement will be given effect unless it is unfair or unreasonable.“

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Der Bremen-Entscheidung lag ein seerechtlicher Fall zugrunde. Eine deut­ sche Reederei hatte sich gegenüber der texanischen Ölgesellschaft Zapata ver­ pflichtet, eine im Golf von Mexiko liegende Ölplattform in die Adria zu schlep­ pen. Die Parteien hatten den High Court in London zum ausschließlichen Ge­ richtsstand für eventuelle Streitigkeiten bestimmt. Als die Ölplattform beim Transport jedoch so stark zerstört wurde, dass der Hafen von Tampa in Florida angelaufen werden musste, erhob Zapata dort eine auf Zahlung von US$ 3.500.000 gerichtete Schadensersatzklage. Während noch das Berufungsgericht die Zuständigkeit der US-amerikanischen Gerichte bejahte, folgte der Supreme Court der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Londo­ ner Gerichts und erklärte, die alte non ouster-Doktrin sei Ausdruck provinziel­ len Denkens und werde den Anforderungen des modernen internationalen Han­ delsverkehrs nicht gerecht. Das Gericht betonte u. a., dass es sich hier um eine von erfahrenen Kaufleuten ausgehandelte Klausel handle, die den vereinbarten Preis der Leistung beeinflusst habe. Den Parteien sei die Prozessführung vor den neutralen und sachkompetenten englischen Gerichten durchaus zumutbar. Dazu führte Chief Justice Burger aus: „We cannot have trade and commerce in world markets and international waters exclusively on our terms, governed by our laws, and resolved in our courts.“209 Außerdem wurde damit argumentiert, dass Prorogationen zugunsten US-amerikanischer Gerichte anerkannt würden, weshalb spiegelbildlich auch die Derogation akzeptiert werden müsse.210 2.  Die Carnival Cruise-Entscheidung Zunächst schritt die von der Bremen-Entscheidung vorgenommene Liberalisie­ rung des Gerichtsstandsvereinbarungsrechts nur schleppend voran. Mit der Zeit häuften sich jedoch Gerichtsentscheidungen, in denen Vereinbarungen zuguns­ ten ausländischer Gerichte nach den Kriterien der reasonableness-Doktrin für wirksam befunden wurden.211 Teilweise führte der reasonableness-Test zu 209  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 9 (1972). 210  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 10 (1972). 211  Vgl. z. B. Smith, Valentino & Smith, Inc. v. Superior Court, 551 P.2d 1206, 1209 (Cal. 1976); Bense v. Interstate Battery System of America, Inc., 683 F.2d 718, 720 ff. (2d Cir. 1982) („[A]ny such ‚general hostility‘ towards forum-selection clauses is today simply a vestigial remainder of an outmoded doctrine.“); Hodes v. S.N.C. Achille Lauro ed Altri-Gestione, 858 F.2d 905, 909 ff. (3rd Cir. 1988); Paper Express Ltd v. Pfankuch Maschinen GmbH, 972 F.2d 753 (7th Cir. 1992) („Like any contract provision, a forum-selection clause will be enforced unless enforcement would be unreasonable or unjust or the provision was procured by fraud or overreaching.“); Northwestern National Insurance Co. v. Donovan, 916 F.2d 372, 375 ff. (7th Cir. 1990); Riley v. Kingsley Underwriting, 969 F.2d 953 (10th Cir. 1992) und dazu Pa-

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überraschend liberalen Ergebnissen, insbesondere im inneramerikanischen Rechtsverkehr. In der Entscheidung Carnival Cruise vom 17.04.1991212 erwei­ terte der Supreme Court die Geltung der Grundsätze aus der Bremen-Entschei­ dung auf Verbraucherverträge und hielt sogar eine Gerichtsstandsklausel für wirksam, die in den auf der Rückseite der Tickets abgedruckten AGB einer in Miami, Florida, ansässigen Kreuzfahrtgesellschaft enthalten war. In diesem Fall hatte das aus dem Bundesstaat Washington stammende Ehepaar Shute eine Kreuzfahrt entlang der Pazifikküste Mexikos gebucht, deren Start und Ziel der Hafen von Los Angeles war. Als die Ehefrau während einer offiziellen Besich­ tigungstour auf dem Schiff ausrutschte, verklagte sie die Kreuzfahrtgesellschaft in Washington. Die Beklagte wehrte sich dagegen unter Hinweis auf die aus­ schließliche Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte im Bundesstaat Flo­ rida. Während das Berufungsgericht die Klausel für unwirksam hielt, weil sie nicht individuell ausgehandelt sei, entschied der U.S. Supreme Court, eine Ge­ richtsstandsvereinbarung könne auch dann wirksam sein, wenn sie nicht „at arm’s length between the parties“ ausgehandelt worden sei.213 Der Supreme Court argumentierte mit dem berechtigten Interesse einer Kreuzfahrtgesell­ schaft, die Gäste aus verschiedenen Staaten befördere, mögliche Klagen in ei­ nem Bundesstaat zu konzentrieren. Außerdem würden die Vorteile, welche der Unternehmer durch die Verwendung von AGB habe, mittelbar über günstigere Preise auch dem Verbraucher zugutekommen.214 Die Entscheidung ist in der Literatur auf einigen Widerstand gestoßen 215 und die Problematik von Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB bis heute nicht voll­ den, 6 The Transnational Lawyer (1993), 431, 443 ff.; Bonny v. Society of Lloyd’s, 3 F.3d 156, 159 ff. (7th Cir. 1993); Ins. Corp. of Hannover, Inc. v. Latino Americana de Reaseguros, S.A., 868 F. Supp.  520, 529 (S.D.N.Y. 1994); Vimar Seguros y Reaseguros SA v. M/V Sky Reefer, 515 U.S.  528 (1995); Strategic Marketing and Communications, Inc. v. Kmart Corp., 41 F. Supp.  2d 268, 270 (S.D.N.Y. 1998); Richards v. Lloyd’s of London, 135 F.3d 1289, 1292 (9th Cir. 1998); Asoma Corp. v. M/V Southgate, No. 98 Civ. 7407, 1999 WL 1115190 (S.D.N.Y. 1999); Jockey Intl. Inc. v. M/V Leverkusen Express, 217 F. Supp.  2d 447, 451 (S.D.N.Y. 2002); Mercury West A.G., Inc. v. R.J. Reynolds Tobacco Co., No. 03 Civ. 5262 (JFK), 2004 WL 421793 (S.D.N.Y. 2004); Fireman’s Fund McGee Marine v. M/V Caroline, No. 02 Civ. 6188, 2004 WL 287663 (S.D.N.Y. 2004). 212  Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S.  585 (1991). Dazu Borchers, 67 Washing­ ton Law Review (1992), 55; Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of Internati­ onal Law and Business (2011–2012), 203, 213 ff.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarun­ gen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  142 ff.; Liesemer, 53 University of Pittsburgh Law Review (1992), 1025; Peterson, IPRax 1993, 421, 421 f.; Purcell, 40 UCLA Law Review (1992), 423; Solimine, 25 Cornell International Law Journal (1992), 51. 213  Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S.  585, 591 f. (1991). 214  Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S.  585, 593 f. (1991). 215  Z. B. Borchers, 67 Washington Law Review (1992), 55, 75 ff.; Mullenix, 27 Texas Inter­

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ständig geklärt.216 Der Entscheidung wird jedoch seither der Grundsatz entnom­ men, dass einem US-amerikanischen Gericht im Falle einer nach allgemeinem Prozess- und Vertragsrecht grundsätzlich wirksamen Gerichtsstandsvereinba­ rung nur noch ein geringes Restermessen bleibt, um die Vereinbarung dennoch nicht anzuerkennen.217 3.  Der Inhalt der ermessensbasierten reasonableness-Doktrin Spätestens seit der Bremen-Entscheidung wird die Derogationswirkung von Ge­ richtsstandsvereinbarungen von den meisten US-amerikanischen Bundesge­ richten also anerkannt und die Carnival Cruise-Entscheidung hat diese Recht­ sprechung sogar auf Gerichtsstandsvereinbarungen, die in AGB enthalten sind, ausgedehnt. Der in der Bremen-Entscheidung vorgenommene reasonableness-Test, auch unter dem Stichwort Zapata-Doktrin bekannt, wonach eine Zu­ ständigkeitsvereinbarung stets als wirksam betrachtet werden soll, wenn sie nicht ausnahmsweise unreasonable ist, gilt bis heute für die Frage, ob eine Ver­ einbarung über die örtliche oder internationale Zuständigkeit zu beachten ist.218 Dabei handelte es sich beim Maßstab der reasonableness nicht um eine Neu­ schöpfung, sondern um ein bereits bewährtes Kontrollinstrument von Verträ­ gen im common law.219 Allerdings ist es nicht ganz richtig, von einer Abschaf­ fung der non ouster-Doktrin durch die Bremen-Entscheidung zu sprechen, denn diese hat nichts daran geändert, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht zu einer automatischen Beseitigung der gesetzlichen Zuständigkeit führen, son­ dern lediglich vom Richter im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu be­ achten sind.220 Im Gegensatz zur alten Rechtslage hat sich die Richtung der Er­ messensprüfung des Gerichts allerdings durch die Bremen-Entscheidung umge­ kehrt. Gerichtsstandsvereinbarungen sind seither prima facie wirksam und das national Law Journal (1992), 1179, 1185; Richman, 40 American Journal of Comparative Law (1992), 977, 984. Vgl. auch die Verweise bei Jayme, IPRax 1993, 42; G. Wagner, Prozeßver­ träge (1998), S.  185 Rn.  594. 216  Zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB im US-amerikanischen Recht vgl. auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  137 f. 217  Z. B. Brittain, 23 Houston Journal of International Law (200–2001), 305, 307 ff.; Sturley, 23 Journal of Maritime Law and Commerce (1992), 131, 139 f. 218  Die Doktrin fügte sich in gewisser Weise in das US-amerikanische Verfassungsden­ ken ein, denn schon aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots des due process dürfen Zuständigkeitsgründe weder unfair noch unjust noch unreasonable sein. Bei der reasonableness handelt es sich also um einen dem US-amerikanischen Prozessrecht immanenten Grundsatz, wonach die gerichtliche Zuständigkeit im Einzelfall stets angemessen sein muss. Dazu U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  254 f. 219  Vgl. dazu Will, Notice und Reasonableness (1994), S.  129 ff. 220  Ebenso auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  53.

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Gericht hat zu prüfen, ob eine Vereinbarung ausnahmsweise unwirksam ist.221 Genauso bewirkte die Entscheidung eine Umkehr der Beweislast, die nunmehr von derjenigen Partei zu tragen ist, die sich auf die Unwirksamkeit der Verein­ barung beruft.222 Eine Wende hat die Bremen-Entscheidung außerdem insoweit gebracht, als zuvor der Derogationseffekt von Gerichtsstandsvereinbarungen eher unter Hinweis auf comity-Gesichtspunkte und wegen des sparsamen Um­ gangs mit den Justizressourcen beachtet wurde, während nun die Stärkung der parteiautonomen Entscheidung in den Vordergrund rückte.223 Nach der Rechtsprechung der Federal Courts ist eine Gerichtsstandsvereinba­ rung unreasonable und daher unbeachtlich, wenn entweder (1) die gegnerische Zustimmung durch eine Täuschung, Drohung, mit Gewalt oder durch ein schwerwiegendes Verhandlungsungleichgewicht erzwungen wurde224, (2) die Vereinbarung nicht frei ausgehandelt worden ist (was nicht bedeutet, dass sie nicht in AGB enthalten sein kann), (3) der Verweis an das prorogierte Gericht faktisch einer Rechtsschutzverweigerung gleichkäme, das gewählte Gericht also ungeeignet oder unzumutbar ist (unreasonableness im engeren Sinne)225, (4) die Vereinbarung nach den Regeln des allgemeinen Vertragsrechts unwirksam ist226 oder (5) die Vereinbarung der public policy, d. h. dem öffentlich Interesse an der Einhaltung zwingender Normen des materiellen Rechts, zuwiderläuft, was be­ deutet, dass auch das zu erwartende Urteil des prorogierten Gerichts am ordre public zu messen ist227. Die meisten Federal Courts folgen diesen oder ähnlichen 221  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 12 (1972). 222  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 10 (1972). Vgl. auch Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 637. 223  Dazu Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 1014 f. 224  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 18 (1972). Vgl. auch Richardson Greenshields Securities, Inc. v. Metz, 566 F. Supp.  131, 132 f. (S.D.N.Y. 1983). 225  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, insb. 13 ff. und 32 (1972). Das soll der Fall sein, wenn das prorogierte Gericht für die Ent­ scheidung fachlich ungeeignet oder für die Parteien unzumutbar ist. Eine unreasonableness kommt weiterhin dann in Betracht, wenn die Rechtsfindung erheblich erschwert wäre, z. B. weil sich Beweismaterial und Zeugen in einem anderen Staat befinden. Vgl. etwa Copperweld Steel Co. v. Mannesmann-Demag-Boehler, 354 F. Supp.  571, 572 f. (W.D. Pa. 1973). 226  Vgl. dazu z. B. Gaskin v. Stumm Handel, 390 F. Supp.  361, 365 (S.D.N.Y. 1975). Siehe auch Paden, 6 The Transnational Lawyer (1993), 431, 435 m. w. N. in Fn.  29. 227  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 16 (1972). Vgl. z. B. auch Lipcon v. Underwriters at Lloyd’s, London, 148 F.3d 1285, 1292 (11th Cir. 1998). Zur unreasonableness wegen Verstoßes gegen die public policy vgl. auch Karayanni, 34 Duquesne Law Review (1996), 1009, insb. 1018 ff.; Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 639 m. w. N. und ausführlich Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsver­ einbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht (2005), S.  246 ff. Im Bereich des Seerechts

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Kriterien 228, völlig einheitlich ist deren Rechtsprechung jedoch nicht, wie auch der US-amerikanische Professor Marcus feststellt: „Federal courts apply diffe­ rent clause enforcement approaches to doctrinally indistinguishable clauses, of­ ten with no principle justifying their choice in any particular case.“229 Dass eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Ge­ richts unter eine dieser Fallgruppen fällt und tatsächlich unreasonable und da­ mit im Ergebnis nicht bindend ist, kommt in der Praxis nur selten vor. So wird etwa ein Verstoß gegen die public policy grundsätzlich nur in solchen Fällen bejaht, in denen mit großer Wahrscheinlichkeit auch im deutschen Recht oder im europäischen Einheitsrecht einer Gerichtsstandsvereinbarung der Derogati­ onseffekt verweigert werden würde. Verstöße gegen die public policy sind näm­ lich in zwei Fällen möglich. Erstens liegt ein Verstoß vor, wenn durch die Ge­ richtsstandsvereinbarung ein ausschließlicher Gerichtsstand abbedungen wird.230 Zweitens verstößt die Vereinbarung gegen die public policy, wenn bei Durchführung des Verfahrens vor dem gewählten Gericht international zwin­ gende Normen des US-amerikanischen Rechts umgangen würden.231 Schon etwas weiter, doch immer noch an hohe Voraussetzungen gekoppelt, ist die Fallgruppe der unreasonableness im engeren Sinne. Chief Justice Burger ist vor allem §  3 (8) des Carriage of Goods by Sea Act (46 USC §  1303 (8)) von Bedeutung, wonach in Seefrachtverträgen von und zu US-amerikanischen Häfen die Haftung für schuld­ haftes Verhalten nicht beschränkt werden darf. Dazu und zu weiteren zwingenden Normen des Bundesrechts Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 638. 228  Vgl. beispielhaft Slater v. Energy Services Group Int’l., Inc., 634 F.3d 1326 (11th Cir. 2011) unter Bezugnahme auf Krenkel v. Kerzner Int’l Hotels Ltd, 579 F.3d 1279, 1281 (11th Cir. 2009): „A forum selection clause will be invalidated when: (1) its formation was induced by fraud or overreaching; (2) the plaintiff would be deprived of its day in court because of inconvenience or unfairness; (3) the chosen law would deprive the plaintiff of a remedy; or (4) enforcement of the clause would contravene public policy.“ Vgl. beispielhaft auch Union Steel America Co. v. M/V Sanko Spruce, 14 F. Supp.  2d 682 (D.N.J. 1998). Vgl. außerdem die Darstellungen bei Born/Rutledge, International Civil Litigation in United States Courts, 5.  Aufl. 2011, S.  499 ff.; Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, 211 ff.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  193 ff.; Keys, 5 Law and Policy in Inter­ national Business (1973), 688, 705 ff.; Mullenix, 57 Fordham Law Review (1988), 291, 356 ff.; Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 637 ff.; Paden, 6 The Transnational Lawyer (1993), 431, 435 (derzufolge die Fallgruppen, in denen eine Gerichtsstandsvereinbarung ausnahmsweise als unreasonable zu bewerten ist, zu eng sind, vgl. insb. S.  454 ff.); G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  183 f. 229  Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 976 mit Nachweisen zur Rechtsprechung in Fn.  23. 230  Vgl. dazu Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  54 m. w. N. 231  Vgl. ebenfalls Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  54 f. m. w. N.

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führte dazu in der Bremen-Entscheidung aus: „In such circumstances it should be incumbent on the party seeking to escape his contract to show that trial in the contractual forum will be so gravely difficult and inconvenient that he will for all practical purposes be deprived of his day in court. Absent that, there is no basis for concluding that it would be unfair, unjust, or unreasonable to hold that party to his bargain.“232 Zunächst wird unreasonableness im engeren Sinne be­ jaht, wenn abzusehen ist, dass das gewählte Gericht seine Zuständigkeit vernei­ nen und es dadurch zu einem negativen Kompetenzkonflikt kommen könnte.233 Weiterhin wurde beispielsweise Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ira­ nischer Gerichte die Derogationswirkung versagt, weil die Kläger vor US-ame­ rikanischen Gerichten darlegen konnten, dass ihnen in Zeiten der iranischen Revolution kein rechtliches Gehör vor iranischen Gerichten gewährt würde.234 In einem anderen Fall wurde unreasonableness im engeren Sinn bejaht, weil sich der vermögenslose Kläger die Klage nur mittels Vereinbarung eines Er­ folgshonorars hatte leisten könne, solche Erfolgshonorare aber vor dem proro­ gieren Gericht in London unzulässig waren.235 Dagegen sollen bloße finanzielle und sonstige Unbequemlichkeiten zur Begründung von unreasonableness im engeren Sinne nicht ausreichen.236 Die reasonableness-Doktrin führt in den meisten Fällen also im Ergebnis zum Bestand einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor einem US-amerikanischen Gericht. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass ihre Anwendung für die beteiligten Parteien dennoch ein großes Maß an Unsi­ cherheit bedeutet. Der Hauptvorwurf der Europäer gegenüber der reasonableness-Doktrin liegt darin, dass sie den US-amerikanischen Gerichten überhaupt ein grundsätzliches Ermessen bei der Beurteilung, ob eine an sich wirksame Gerichtsstandsvereinbarung anzuerkennen ist, einräumt. Zwar lässt eine Er­

M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1, 18 (1972). Vgl. außerdem die Nachweise zu ähnlichen Entscheidungen der Federal Courts bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im Forum derogatum (2013), S.  55 Fn.  220. 233  Mobile Sales and Supply Corp. v. Rep. of Lithuania, 1998 U.S. Dist LEXIS 5693 (S.D.N.Y. 1998); Hay Acquisition Co., Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490, 19 (E.D. Pa. 2005). 234  Continental Grain Export Corp. v. Ministry of War-Etka Co. Ltd, 603 F. Supp.  724 (S.D.N.Y. 1984); McDonnell Douglas Corp. v. Islamic Rep. of Iran, 758 F.2d 341, 346 (8th Cir. 1985). 235  Pearcy Marine, Inc. v. Seacor Marine, Inc., 847 F. Supp.  57, 60 (S.D. Tex. 1993). 236  Vgl. dazu Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  56 f. m. w. N., derzufolge die US-amerikanische Herangehensweise insofern liberaler ist als die englische, nach der auch bloße Unannehmlichkeiten in manchen Fällen die Nichtanerkennung der De­ rogation rechtfertigen können. 232 

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messensentscheidung Raum für Einzelfallgerechtigkeit.237 Doch wird der Zapata-Doktrin vorgeworfen, sie vermische prozessuale und vertragsrechtliche Ge­ sichtspunkte zu einem einzigen schwammigen Begriff der reasonableness.238 Es besteht keine Garantie dafür, dass ein US-amerikanischer Richter eine abre­ dewidrig erhobene Klage abweisen wird, was zu Unsicherheit führt. Wagner zufolge „[…] beleuchtet die amerikanische Entwicklung die Gefahren einer Dogmatik, die zwischen zwingenden öffentlichen Interessen, Restriktionen des materiell-rechtlichen Dispositionsspielraums und elementaren, der Vertragsge­ rechtigkeit verpflichteten Prinzipien der Rechtsgeschäftslehre nicht unterschei­ den kann.“239 4.  Das Verhältnis zwischen reasonableness- und forum non conveniens-Doktrin und die Atlantic Marine-Entscheidung Diese auf den Parteien häufig lastende Unsicherheit wird noch durch den Um­ stand verstärkt, dass bis heute umstritten ist, wie das Verhältnis zwischen den beiden Doktrinen der reasonableness und des forum non conveniens beschaffen ist. Wird vor einem Federal Court eine Klage erhoben, obwohl das Gericht ei­ gentlich in einer Gerichtsstandsvereinbarung „abgewählt“ worden ist, besteht Uneinigkeit darüber, auf welchem Weg sich die beklagte Partei gegen die Klage im forum derogatum wehren kann.240 Eine Möglichkeit der beklagten Partei besteht darin, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unter Berufung auf die Doktrin vom forum non conveniens zu bestreiten. Die forum non conveniens-Doktrin ist grundsätzlich nicht gesetzlich geregelt. Eine gesetzliche Konkretisierung der Vorschrift bildet aller­ dings 28 USC §  1404(a), welcher den federal transfer von einem District Court zu einem anderen ermöglicht.241 Die Norm bestimmt: „For the convenience of parties and witnesses, in the interest of justice, a district court may transfer any civil action to any other district or division where it might have been brought or to any district or division to which all parties have consented.“ Nach dieser Re­ Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  137; Juenger, RabelsZ 35 (1971), 188, 311; Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 637. 238  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  185 m. w. N. 239  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  211. Dabei wundert man sich, weshalb solche Erwägungen der public policy, also des zwingenden materiellen Rechts, auch im innerameri­ kanischen Rechtsverkehr hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit (venue) angestellt werden, so auch G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  189. 240  Zum Streitstand vgl. H. Buxbaum, 12 Willamette Journal of International Law and Dispute Resolution (2004), 185, 196 ff.; Corsico, 97 Northwestern University Law Review (2003), 1853; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  61 f. 241  Vgl. Sinochem Int’l Co. Ltd v. Malaysia Int’l Shipping Corp., 549 U.S.  422 (2007). 237 

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gelung kann einer Gerichtsstandsvereinbarung also durch transfer zum gewähl­ ten Gericht zur Durchsetzung verholfen werden, mit der Folge, dass in den von ihr geregelten Fällen, also im Verhältnis zwischen verschiedenen District Courts, bislang forum non conveniens-Gesichtspunkte zum Tragen kamen.242 So hatte der Supreme Court am 20.06.1988 in Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp. entschieden, dass im Falle eines federal transfer die maßgeblichen Ermessenskriterien allein 28 USC §  1404(a) und nicht dem reasonableness-Test zu entnehmen seien.243 Die Gerichtsstandsvereinbarung sei hier bloß einer unter mehreren vom Gericht im Rahmen seiner Ermessensabwägung zu berücksich­ tigenden Faktoren, das Gericht könne die Vereinbarung also missachten, wenn „factors other than those that bear solely on the parties’ private ordering of the affairs“ gegen eine Durchsetzung der Vereinbarung sprächen.244 Die StewartEnt­scheidung hatte – zeitlich zwischen der Bremen- und der Carnival CruiseEnt­scheidung gelegen – für einige Verwirrung gesorgt.245 Allerdings ist ein federal transfer nicht immer möglich, denn in den USA kann weder ein Bundes- noch ein Staatengericht ein Verfahren durch transfer an ein ausländisches Gericht oder an ein Schiedsgericht verweisen.246 In all die­ sen Fällen, also wenn kein federal transfer von einem District Court zum ande­ ren gewollt oder möglich ist, bestehen für die beklagte Partei folgende Möglich­ keiten: Sie kann entweder unter Berufung auf die generelle, nicht kodifizierte forum non conveniens-Doktrin versuchen, das angerufene Gericht von dessen Unzuständigkeit zu überzeugen, oder aber einen dismissal nach FRCP 12 bean­ tragen. In letzterem Fall kann das angerufene Gericht dann seine Zuständigkeit gestützt auf FRCP 12(b) verneinen. Möglich ist ein dismissal in solchen Fällen etwa wegen eines Antrags einer Partei gestützt auf das Fehlen von subject-matter jurisdiction (FRCP12(b)(1))247, das Fehlen von venue, also der örtlichen Zu­ ständigkeit, (FRCP 12(b)(3))248, oder wegen „failure to state a claim upon which Vgl. z. B. Kerobo v. Sw. Clean Fuels, Corp., 285 F.3d 531, 534 (6th Cir. 2002). Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S.  22, 25–30 (1988); vgl. dazu Mullenix, 57 Fordham Law Review (1988), 291, 334 ff. 244  Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S.  22, 29 (1988). 245  Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 976 f. m. w. N., 1021 ff. 246  Force, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2011, 249, 249. 247  So z. B. in AVC Nederland B.V. v. Atrium Investment Partnership, 740 F.2d 148, 152 (2d Cir. 1984). 248  So z. B. in Commerce Consultants Int’l, Inc. v. Vetrerie Riunite, S.A., 867 F.2d 697, 698 (D.C. Cir. 1989); Argueta v. Banco Mexicano, S.A., 87 F.3d 320, 324 (9th Cir. 1996); Sucampo Pharm., Inc. v. Astellas Pharma, Inc., 471 F.3d 544, 550 (4th Cir. 2006); Muzumdar v. Wellness Int’l Network, Ltd, 438 F.3d 759, 760–761 (7th Cir. 2006). Siehe auch Slater v. Energy Services Group International, Inc., 634 F.3d 1326, insb. 1333 (11th Cir. 2011) zu FRCP 12(b) (3) und dazu Specht, 53 Boston College Law Review (2012), 111. 242  243 

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relief can be granted“ (FRCP 12(b)(6))249. US-amerikanische Gerichte haben sich schon auf all diese party motions gestützt, um Gerichtsstandsvereinbarun­ gen zur Wirksamkeit zu verhelfen.250 Problematisch ist nun, inwieweit die Prüfung der Derogation in den Fällen, in denen der Beklagte seine Zuständigkeitsrüge auf die forum non conveniens-­ Doktrin stützt, von der Prüfung nach der reasonableness-Doktrin abweicht. Denn im Unterschied zur reasonableness-Doktrin wird bei der forum non conveniens-Abwägung die Gerichtsstandsvereinbarung nur als ein Faktor unter vielen bei der Frage berücksichtigt, ob das angerufene Gericht zuständig ist oder nicht. Der Streit erlangt dann Bedeutung, wenn das Ergebnis der Ermes­ sensausübung entscheidend davon abhängt, ob nur individuelle, die Parteien betreffende, oder auch äußere Umstände berücksichtigt werden dürfen.251 Teil­ weise wird vertreten, dass die forum non conveniens-Doktrin flexibler sei und daher gerade im Verhältnis zu ausländischen Gerichten zur Anwendung gelan­ gen sollte.252 Der heute wohl herrschenden Meinung nach handelt es sich bei der reasonableness-Doktrin jedoch um eine spezielle Ausprägung der forum non conveniens-Doktrin mit der Folge, dass der Derogationseffekt einer grundsätz­ lich wirksamen ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung stets nach der reasonableness-Doktrin bemessen wird und keine allgemeinen forum non conveniens-Gesichtspunkte zum Tragen kommen.253 Ein allgemeiner Konsens über das Verhältnis zwischen reasonableness- und forum non conveniens-Doktrin bestand jedoch in den vergangenen Jahrzehnten nicht, ebenso wenig, wie das genaue Verhältnis von 28 USC §  1404(a) zu FRCP 12(b) geklärt war.254 249  So z. B. in LFC Lessors, Inc. v. Pacific Sewer Maintenance Corp., 739 F.2d 4 (1st Cir. 1984); Lambert v. Kysar, 983 F.2d 1110, 1112 n.1 (1st Cir. 1993). 250  Vgl. die Nachweise bei Davies, 27 Tulane Maritime Law Journal (2003), 367, 369 ff. 251  Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 1005. 252  Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973, 1033 ff., ähnlich auch Borchers, 67 Was­ hington Law Review (1992), 55. Vgl. außerdem die Rechtsprechungsnachweise bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  61. 253  Vgl. etwa Mitsui & Co. (USA), Inc. v. Mira M/V, 111 F.3d 33, 36 f. (5th Cir. 1997); Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505 (2d Cir. 1998); Sudduth v. Occidental Peruana, Inc., 70 F. Supp.  2d 691 (E.D. Tex. 1999); Hay Acquisition Co., Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490, 17 (E.D. Pa. 2005); TH Agriculture and Nutrition, L.L.C. v. ACE European Group Ltd, 416 F. Supp.  2d 1054, 1079 (D. Kan. 2006); Aguas Lenders Recovery Group LLC v. Suez, S.A., 585 F.3d 696, 700 (2d Cir. 2009). 254  Vgl. Specht, 53 Boston College Law Review (2012), 111, insb. 115 m. w. N. in Fn.  37 und 119. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen eines dismissal für die Parteien findet sich bei Force/Davies, in: Davies (Hrsg.), Jurisdiction and Forum Selection in Interna­ tional Maritime Law (2005), S.  1 und Force, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quar­ terly 2011, 249, 250. Force kommt zu dem Ergebnis „[t]hat a large number and percentage of the cases went away. They just disappeared.“

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Allerdings hat der Supreme Court nunmehr, 25 Jahre nach der Stewart-Ent­ scheidung, mit seiner Entscheidung in Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas255 teilweise Klärung gebracht. Im zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien vereinbart, dass die Gerichte im Bundesstaat Virginia für sämtliche Klagen aus der vertraglichen Beziehung zwischen ihnen zuständig sein sollten. Als eine der Parteien dann jedoch eine Klage vor einem Bundesgericht in Texas erhob, beantragte der Beklagte einen federal transfer gemäß 28 USC §  1404(a) zum zuständigen Bundesgericht in Virginia. Das Gericht in Virginia lehnte den Antrag ab, ebenso blieb die Beru­ fung erfolglos. Doch der Beklagte hatte in dritter Instanz vor dem Supreme Court Erfolg. Das Gericht nahm in dieser Entscheidung Abstand von dem in der Stewart-Entscheidung aufgestellten Grundsatz, wonach sich die Prüfung der Gerichtsstandsvereinbarung im Falle eines federal transfer nach 28 USC §  1404(a) und nicht nach dem reasonableness-Test richte, also die Gerichts­ standsvereinbarung nur ein Faktor unter mehreren privaten und öffentlichen Belangen darstelle. Entgegen seiner früheren Auffassung vertritt der Supreme Court nun die Ansicht, dass ein federal transfer immer dann vorzunehmen sei, wenn nicht außergewöhnliche Umstände dagegen sprächen.256 Wenn eine Ge­ richtsstandsvereinbarung vorliege, müsse die Prüfung des 28 USC §  1404(a) in dreierlei Hinsicht modifiziert werden: Erstens komme dann der Forumswahl des abredewidrig handelnden Klägers bei der Abwägung keinerlei Bedeutung zu und der Kläger trage die Beweislast, dass ein federal transfer nicht angebracht sei. Zweitens solle das Gericht, bei dem der federal transfer beantragt wird, nicht die persönlichen Belange der Parteien, sondern lediglich öffentliche Interessen beachten, welche jedoch kaum je geeignet seien, den transfer zu verhindern. Im Rahmen der Abwägung trage außerdem diejenige Partei, die ein Verfahren vor einem anderen als dem ge­ wählten Gericht durchführen möchte, die Beweislast für das Vorliegen solcher öffentlicher Belange. Und drittens versuchte der Supreme Court mit seiner Ent­ scheidung, durch Klageerhebung vor einem derogierten Gericht bewirktes law shopping through forum shopping zu verhindern. Grundsätzlich gilt nämlich, dass nach einem federal transfer das entscheidende Gericht diejenigen choice of law-Regeln anzuwenden hat, die das zu verweisende Gericht anzuwenden ge­ 255  Vgl. die Entscheidung des U.S. Supreme Court vom 03.12.2013 in Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas, 134 S. Ct. 568, 187 L. Ed. 2d 487 (2013) und dazu Eichel/Niehoff, RIW 2014, 329. 256  Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas, 134 S. Ct. 568, 187 L. Ed. 2d 487 (2013): „When a defendant files a §  1404(a) motion, a district court should transfer the case unless extraordinary circumstances unrelated to the conveni­ ence of the parties clearly disfavor a transfer.“

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

habt hätte.257 Wenn aber das Gericht, an welches der Streit verwiesen wird, in einer Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnet ist, soll diese Regel in Zukunft nicht mehr gelten. Das neue Gericht wendet also sein eigenes Kollisionsrecht an bzw. bestimmt autonom über die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinba­ rung.258 Besonders bedeutsam ist, dass der Supreme Court diese Grundsätze nicht nur für die Fälle des federal transfer gelten lassen will, sondern für alle Fälle, in denen vor einem Bundesgericht Klage erhoben wird und der Beklagte unter Berufung auf die forum non conveniens-Doktrin beantragt, das Verfahren abzuweisen, weil zwischen den Parteien eine Vereinbarung zugunsten der aus­ schließlichen Zuständigkeit eines State Courts oder eines ausländischen Ge­ richts vorliegt.259 Für die Zukunft dürfte damit das Verhältnis zwischen 28 USC §  1404(a) und FRCP 12(b) wie auch dasjenige zwischen reasonableness-Test und forum non conveniens-Lehre jedenfalls deutlicher geklärt sein als bisher. Nach der neuen Rechtsprechung des Supreme Court soll das Gericht, vor dem der Beklagte sich auf eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts eines anderen Bundesstaats oder zugunsten eines ausländischen Gerichts be­ ruft, stets die Kriterien der reasonableness-Doktrin anwenden, egal, in welcher äußeren Form das gegen die Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Ge­ richts erhobene Verteidigungsmittel der nicht vertragsbrüchigen Partei erhoben wurde. Die Doktrin ist im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung also speziel­ ler als die forum non convenies-Lehre. Dadurch dürften Gerichtsstandsverein­ barungen in der Zukunft größere Aussichten auf Durchsetzbarkeit genießen. Der Kläger hat es nach der neuen Rechtsprechung außerdem nicht mehr in der Hand, durch Klageerhebung vor einem derogierten US-amerikanischen Gericht bestimmte choice of law-Regeln zur Anwendung zu bringen, weil nach einem erfolgreichen federal transfer entgegen des bislang geltenden Grundsatzes die choice of law-Regeln des gewählten Gerichts, zu dem der Streit transferiert wurde, zur Anwendung gelangen sollen.

257 

Vgl. bereits oben Fn.  184. Zum Ganzen vgl. die Entscheidung des U.S. Supreme Court in Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas, 134 S. Ct. 568, 187 L. Ed. 2d 487 (2013). 259  Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas, 134 S. Ct. 568, 580. Vgl. dazu auch Eichel/Niehoff, RIW 2014, 329, 331. 258 

§ 5 – D.  Die Derogation US-amerikanischer Gerichte

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5.  Umstrittene Anwendung der reasonableness-Doktrin in Fällen der diversity jurisdiction Eine weitere Frage ist hingegen bis heute nur in Ansätzen geklärt, nämlich ob die Bundesgerichte die Frage der Derogation überhaupt stets nach dem in der Bremen-Entscheidung geprägten reasonableness-Test prüfen dürfen oder ob sie teilweise auch einzelstaatliche Standards anwenden müssen. Sowohl in der Bremen- als auch in der Carnival Cruise-Entscheidung wurde über seerechtliche Angelegenheiten gestritten. Seerechtliche Streitigkeiten fallen aber in den aus­ schließlichen Zuständigkeitsbereich der Bundesgerichte nach Art. III §  2 der Bundesverfassung i. V. m. 28 USC §  1333. Problematisch sind daher die Fälle, in denen dem Bundesgericht nach den gesetzlichen Regeln keine ausschließliche Zuständigkeit zukommen würde, sondern in denen es lediglich wegen federal question jurisdiction oder diversity jurisdiction konkurrierend zuständig sein könnte. In Fällen der federal question jurisdiction, in denen das Bundesgericht seine Zuständigkeit darauf stützt, dass es über Bundesrecht zu entscheiden hat, wenden die Gerichte ebenfalls die reasonableness-Doktrin an, um zu prüfen, ob sie wegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Ge­ richts unzuständig sind.260 Dagegen ist die Frage, ob das Gericht die Derogation auch nach der bundesrechtlichen reasonableness-Doktrin prüfen darf oder ob es das Recht des jeweiligen Einzelstaats anzuwenden hat, in dem es seinen Sitz hat, dann umstritten, wenn das Gericht lediglich über diversity jurisdiction ver­ fügt.261 Dabei handelt es sich um eine der in den USA am heftigsten umstritte­ nen Fragen im Bereich von Gerichtsstandsvereinbarungen.262 Denn in den Ein­ zelstaaten herrschen, wie noch gezeigt wird 263, teilweise (erheblich) abweichen­ de Regelungen zur Beurteilung der Derogation einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten ausländischer Gerichte. Die Beurteilung dieser Frage hängt davon ab, ob man Zuständigkeitsverein­ barungen prozess- oder materiellrechtlich qualifiziert.264 Denn in Erie Railroad 260  Vgl. z. B. Medoil Corp. v. Citicorp., 729 F. Supp.  1456, 1458–1459 (S.D.N.Y. 1990); Riley v. Kingsley Underwriting Agencies, Ltd, 969 F.2d 953, 957 (10th Cir. 1992); Lipcon v. Underwriters at Lloyd’s, London, 148 F.3d 1285, 1291 (11th Cir. 1998). 261  Vgl. zum Streitstand Kotuby, The Enforceability of Forum Selection Clauses: Federal or State Law?, vom 22.12.2009, online abrufbar unter ; Young, 35 Columbia Journal of Transnational Law (1997), 663, 676. Vgl. auch die exzellente Darstellung des Streitstands bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  59 f. 262  Vgl. z. B. Lambert v. Kysar, 983 F.2d 1110, 1116 n.10 (1st Cir. 1993) mit umfassenden Nachweisen zu den teilweise widersprüchlichen Entscheidungen der Bundesgerichte. 263  Vgl. unten Teil I §  5 D. III. 264  Dies meint nicht die Qualifikation im kollisionsrechtlichen Sinne. In diesem Zusam­ menhang werden Zuständigkeitsvereinbarungen in den USA unbestritten als prozessual ein­

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Co. v. Tompkins vom 25.04.1938265 entschied der Supreme Court, dass die Bun­ desgerichte nicht dazu befugt seien, bundesstaatliches common law anzuwen­ den oder zu schöpfen, wenn die Materie des Streits in den Regelungsbereich einzelstaatlichen materiellen Rechts (substantive law) fällt. Nach der Erie-Dok­ trin hat also ein Federal Court, der für einen state claim wegen diversity jurisdiction zuständig ist, das materielle Recht sowie das Kollisionsrecht des Staates anzuwenden, in welchem er seinen Sitz hat.266 Ziel der Entscheidung war es, den Parteien durch die Anwendung einzelstaatlichen Rechts unabhängig davon, ob ein State Court oder ein Federal Court zur Entscheidung berufen ist, die Anrei­ ze für law shopping through forum shopping zwischen der Bundes- und Staa­ tengerichtsbarkeit innerhalb ein- und desselben Bundesstaats zu nehmen.267 Für Gerichtsstandsvereinbarungen bedeutet dies, dass sie dann, wenn sie materiell­ rechtlicher Natur sein sollten, sowohl von den State Courts als auch von den Federal District Courts nach dem Recht des jeweiligen Einzelstaats behandelt werden müssten. Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob Zuständigkeitsvereinbarungen prozess- oder materiellrechtlich einzuordnen sind, steht auch heute noch aus, insbesondere hat der Supreme Court bislang nicht darüber entschieden. Teilwei­ se wird in der Literatur268 und auch von einigen Bundesgerichten 269 die Ansicht vertreten, die Anwendung der reasonableness-Doktrin widerspräche dem Ziel der Erie-Doktrin, forum shopping zwischen den Bundes- und Staatengerichten zu verhindern, weshalb die Wirksamkeit der Derogation nach den Grundsätzen zu behandeln sei, welche in dem jeweiligen Einzelstaat gelten. Der überwiegen­

geordnet mit der Folge, dass Zulässigkeit und Wirkungen nach dem Grundsatz forum regit processum von der US-amerikanischen lex fori beherrscht werden, vgl. Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 634. 265  Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S.  6 4 (1938). 266  Vgl. dazu Ely, 87 Harvard Law Review (1974), 693; Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  235 ff.; Thannhäuser, Die „Erie-Doctrine“ im Spannungsfeld zwischen den Bundes- und Staatengerichten der Vereinigten Staaten (1969). 267  Vgl. auch Hanna v. Plumer, 380 U.S.  460, 468 (1965) sowie Juenger, 63 Tulane Law Review (1989), 553 ff.; ders., 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 392; Ledermann, 66 New York University Law Review (1991), 422, 449; Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 634; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124 ff. 268  Vgl. Heiser, 45 Florida Law Review (1993), 553, 561 ff.; Ledermann, 66 New York University Law Review (1991), 422, 460; Young, 35 Columbia Journal of Transnational Law (1997), 663, 675 f. 269  Aus der Rechtsprechung der Bundesgerichte vgl. z. B. Nutter v. New Rents, Inc., 1991 U.S. App. LEXIS 22952, 19 (4th Cir. 1991); Preferred Capital, Inc. v. Sarasota Kennel Club, Inc., 489 F.3d 303, 307–308 (6th Cir. 2007). Beide Fälle betreffen aber inneramerikanische Streitigkeiten.

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de Teil der Bundesgerichte tendiert aber zu einer prozessualen Qualifikation.270 Die Folge ist, dass die Bundesgerichte trotz der Erie-Doktrin nicht das Recht des Staates anzuwenden haben, in dem sie ihren Sitz haben, sondern vereinheit­ lichtes Bundesrecht. Dies wird auch im Schrifttum vertreten.271 Argumentiert wird für die einheitliche Anwendung von Bundesrecht vor allem mit der an­ dernfalls den Wirtschaftsverkehr belastenden Rechtszersplitterung.272 Im Schrifttum erfolgt die Abgrenzung, ob es sich um eine materiell- oder prozess­ rechtliche Frage handelt, teilweise auch danach, ob die Vorschrift oder Regel, um deren Anwendung es geht, outcome-determinative ist.273 Falls sie für das Ergebnis des Streits entscheidend ist, soll einzelstaatliches Recht angewendet werden.274 Auch diese Herangehensweise liefert jedoch keine eindeutigen Er­ gebnisse, weil im Grunde jede noch so geringe Abweichung zwischen Bundes- und einzelstaatlichem Recht auf irgendeine Weise das Prozessergebnis beein­ flusst.275 Deshalb wird auch im Rahmen der outcome determinative-Regel eine Tendenz hin zur Geltung des Bundesrechts verzeichnet.276 III.  Die Behandlung der Derogation durch die State Courts Die Rechtsprechung der Bundesgerichte und damit auch die in der Bremen-Ent­ scheidung geformte reasonableness-Doktrin sind für die State Courts nicht bin­ dend.277 Wird eine Klage vor einem State Court erhoben, obwohl die Parteien 270  Vgl. z. B. Taylor v. Titan Midwest Construction Corp., 474 F. Supp.  145, 147 (N.D. Tex. 1979); Dick Proctor Imports, Inc. v. Sumitomo Corp. of America, 486 F. Supp.  815, 818 (E.D. Mo. 1980); Sun World Lines, Ltd v. March Shipping Corp., 801 F.2d, 1066, 1068 (8th Cir. 1986); Manetti-Farrow, Inc. v. Gucci America Inc., 858 F.2d 509, 513 (9th Cir. 1988); Spradlin v. Lear Siegler Management Services Co., Inc., 926 F.2d 865, 867 (9th Cir. 1991); Hay Acquisition Co., Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490, 19 (E.D. Pa. 2005); Wong v. Party Gaming Ltd, 589 F.3d 821 (6th Cir. 2009). Vgl. auch die Nachweise bei Ochsenfeld, RIW 1995, 633, 634 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  60; Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1073 f. 271  Z. B. Silbermann, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 349 in Fn.  74; Young, 35 Columbia Journal of Transnational Law (1997), 663, 676. 272  Vgl. Wong v. Party Gaming Ltd, 589 F.3d 821 (6th Cir. 2009). Vgl. auch Manetti-Farrow, Inc. v. Gucci Am., Inc., 858 F.2d 509, 512–13 (9th Cir. 1988), wo Bundesrecht mit der Begründung angewandt wurde, dass „federal procedural issues raised by forum selection clauses significantly outweigh the state interests.“ 273  Dies geht zurück auf die Entscheidung des U.S. Supreme Court in Guaranty Trust Co. v. York, 326 U.S.  99 (1945). 274  Vgl. dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  35 m. w. N. 275  Das bemerkt auch der U.S. Supreme Court in Hanna v. Plumer, 380 U.S.  460, 468 (1965). 276  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  36. 277  Webb Yackee, 9 UCLA Journal of International Law and Foreign Affairs (2004), 43, 64.

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die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines ausländischen Staates ver­ einbart haben, entscheidet dieser stets nach dem einzelstaatlichen Recht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.278 Allerdings sind die Maß­ stäbe, nach denen die Derogation der eigenen Gerichtszuständigkeit zugunsten eines ausländischen Gerichts anerkannt wird, in den meisten einzelstaatlichen Rechtsordnungen den bundesrechtlichen Maßstäben angepasst. In den vergan­ genen Jahrzehnten haben immer mehr Bundestaaten das Recht der Gerichts­ standsvereinbarungen liberalisiert.279 Im Gegensatz zum Bundesrecht, das al­ lein case law ist, existieren außerdem in vielen Einzelstaaten gesetzliche Regeln zur Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen.280 Der Derogationseffekt von Gerichtsstandsvereinbarungen wird danach in den meisten Bundesstaaten nach Kriterien, die der reasonableness-Doktrin sehr ähnlich sind, anerkannt.281 Auch in Staaten, in denen früher ein strengerer Ansatz verfolgt wurde, hat in den 1980er Jahren eine Liberalisierung stattgefunden, z. B. in Florida282 , wobei die Anforderungen an die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen hier noch immer vergleichsweise streng sind.283 Dennoch existieren immer noch Bundesstaaten mit teilweise stark vom bundesrechtlichen Beispiel abweichen­ den Ansätzen.284 Besonders streng folgen noch immer die Gerichte der Bundes­ staaten Idaho und Iowa der non ouster-Doktrin.285 Auch aus Montana liegt eine Entscheidung aus dem Jahr 1998 vor, wonach einer Gerichtsstandsvereinbarung Silbermann, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 349. Vgl. Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  45, mit Hinweisen zu einzelnen Bundesstaaten in Fn.  164 f. Siehe aber auch differenzierend Park, 8 Transnatio­ nal Law and Contemporary Problems (1998), 19, 23 f. 280  Ein Überblick über das einzelstaatliche Recht zur Behandlung von Gerichtsstandsver­ einbarungen zugunsten ausländischer Gerichte findet sich z. B. bei Eichel, AGB-Gerichts­ standsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  145 ff.; Heiser, 45 Florida Law Review (1993), 361, 371 f.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  45; Peterson, IPRax 1993, 421, 422; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  62 ff.; Young, 35 Columbia Journal of Transnational Law (1997), 663. 281  Vgl. Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  11.5, S.  544 f.; Park, 8 Transnational Law and Contemporary Problems (1998), 19, 24. 282  Vgl. McRae v. J.D./M.D., Inc., 511 So. 2d 540 (Fla. 1987). 283  Vgl. Jetbroadband WV, LLC v. MasTec N. Am., Inc., 13 So. 3d 159, 161–162 (Fla. Dist. Ct. App.  2009) und dazu Heiser, 31 University of Pennsylvania Journal of International Law (2010), 1013, 2014. 284  Heiser, 45 Florida Law Review (1993), 361, 371 f. mit umfangreichen Nachweisen; ders., 31 University of Pennsylvania Journal of International Law (2010), 1013, 1014 f.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  45 auch mit Bundesstaatenbei­ spielen in Fn.  164; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  11.5, S.  544 f. Vgl. außerdem die Nachweise zu State Court-Entscheidungen, in denen Gerichtsstandsver­ einbarungen nicht anerkannt wurden, bei Freer, 63 Tulane Law Review (1989), 1087, 1093. 285  Park, 8 Transnational Law and Contemporary Problems (1998), 19, 24. 278 

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die Wirkung abzusprechen sei, weil es den Einwohnern von Montana nicht zu­ gemutet werden könne, außerhalb des Bundesstaats zu prozessieren.286 In Neb­ raska wird nicht der reasonableness-Test, sondern die forum non conveniens-Doktrin angewandt.287 In manchen anderen Staaten wird die reasonableness-Doktrin abgewandelt bzw. enger ausgelegt und der Derogationseffekt von Gerichtsstandsvereinbarungen lediglich unter bestimmten höheren Vorausset­ zungen anerkannt, beispielsweise in Ohio.288 IV.  Gesamtbetrachtung der US-amerikanischen Rechtsprechung zur Derogationswirkung Die Untersuchung hat ergeben, dass Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte von den US-amerikanischen Gerichten seit der Liberali­ sierung durch die Bremen-Entscheidung in den meisten Fällen anerkannt wer­ den. Dennoch gibt es einige Fälle, die das Vertrauen in die Anerkennung der Derogation durch US-amerikanische Gerichte strapaziert haben. Berühmtheit hat z. B. die Entscheidung des 3rd Circuit in Copperweld Steel Co. v. Demag-­ Mannesmann-Bohler289 aus dem Jahr 1978 erlangt. Die Parteien des Rechts­ streits hatten eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte in Essen geschlossen, die jedoch für die deutsche Partei Demag einsei­ tig auch das Recht beinhaltete, in den USA zu klagen. Es war jedoch die US-ame­ rikanische Partei, Copperweld, die vor ein US-amerikanisches Gericht zog. Das Berufungsgericht (3rd Circuit) bestätigte später die Auffassung der ersten Ins­ tanz, dass der Klägerin eine Prozessführung in Deutschland unzumutbar wäre, weil die Maschinen, über die gestritten wurde, in den USA hergestellt würden, sich alle Unterlagen und Beweismittel in den USA befänden und die Zeugen nur der englischen Sprache mächtig seien. Interessanterweise hatte Demag vor dem Berufungsgericht Schadensersatz für die Verletzung der Gerichtsstandsverein­ barung durch den District Court verlangt. Das Berufungsgericht setzte sich je­ doch nicht mit der Frage, ob Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung gewährt werden könne, auseinander, weil es jedenfalls der Ansicht war, der District Court habe den reasonableness-Test richtig angewen­ Keystone, Inc. v. Triad Sys. Corp., 971 P.2d 1240, 1244 (Mont. 1998). Ameritas Investment Corp. v. McKinney, 269 Neb. 564, 574 ff., 694 N.W.2d 191 (2005). 288  Vgl. dazu die Bundesstaatenbeispiele bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum dero­ gatum (2013), S.  63 f. 289  Copperweld Steel Co. v. Demag-Mannesmann-Bohler, 578 F.2d 953 (3rd Cir. 1978), siehe dazu auch O. Sandrock, RIW 2004, 809, 811 (allerdings zur Entscheidung der Vorin­ stanz, nämlich des District Court of the Western District of Pennsylvania) und Schütze, RIW 2005, 579, 584. 286  287 

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det, weshalb seine Entscheidung nicht zu beanstanden sei. Und in einer anderen Entscheidung aus dem Jahr 2000, Morgan Trailer MFG Co. v. Hydraroll, Ltd290, wurde eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte als unreasonable befunden mit der Begründung, Beweismaterial und Zeugen befän­ den sich in Pennsylvania. Zu denken sei außerdem an die texanische Entschei­ dung in Pearcy Marine, Inc. v. Seacor Marine, Inc.291 von 1993, in welcher die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten Londons darauf ge­ stützt wurde, dass für den insolventen US-amerikanischen Kläger eine Klage wirtschaftlich gesehen nur über die Vereinbarung eines Erfolgshonorars mög­ lich sei, solche Honorare aber in England verboten wären. Ebenfalls wurde auch in den vergangenen Jahren die Bindung an eine Gerichtsstandsvereinbarung aus Gründen der public policy versagt, also mit der Begründung, eine der Parteien werde vor dem gewählten Gericht aufgrund des von diesem voraussichtlich an­ zuwendenden materiellen Rechts nicht ausreichend geschützt.292 In den meisten Fällen 293 ist die Derogation US-amerikanischer Gerichte zu­ gunsten ausländischer Gerichte allerdings verlässlich.294 Viele der noch immer Morgan Trailer MFG Co. v. Hydraroll, Ltd, 759 A.2d 926, 931 (Pa. Super. Ct. 2000). Pearcy Marine, Inc. v. Seacor Marine, Inc., 847 F. Supp.  57, 60 (S.D. Texas 1993). 292  Red Bull Assocs. v. Best Western Int’l, Inc., 686 F. Supp.  4 47, 451 f. (S.D.N.Y. 1988); Walker v. Carnival Cruise Lines, 107 F. Supp.  2d 1135, 1144 (N.D. Cal. 2000); Nippon Fire & Marine Ins. Co. v. M/V Spring Wave, 92 F. Supp.  2d 574 (E.D. La. 2000): keine Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten japanischer Gerichte, die in einer bill of lading enthalten war, wegen sonst drohender Umgehung von §  1303(8) COGSA; Central National-Gottesman Inc. v. M/V Gertrude Oldendorff, 204 F. Supp.  2d 675 (S.D.N.Y. 2002): keine Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten Londons mit derselben Begrün­ dung; Calix-Chacon v. Global International Marine, Inc., 493 F.3d 507 (5th Cir. 2007): keine Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten honduranischer Gerichte. Vgl. auch Force, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2011, 249, 260; ders., 35 Tulane Maritime Law Journal 2011, 401, insb. 418 ff.; Karayanni, 34 Duquesne Law Review (1996), 1009, 1055, jeweils m. w. N. Vgl. außerdem die bereits erwähnten Entscheidungen McDonnell Douglas Corp. v. Islamic Rep. of Iran, 758 F.2d 341, 346 (8th Cir. 1985); Continental Grain Export Corp. v. Ministry of War-Etka Co. Ltd, 603 F. Supp.  724 (S.D.N.Y. 1984); Mobile Sales and Supply Corp. v. Rep. of Lithuania, 1998 U.S. Dist LEXIS 5693 (S.D.N.Y. 1998). 293  Vgl. z. B. die Entscheidungen Sun World Lines, Ltd v. March Shipping Corp., 801 F.2d, 1066, 1068 (8th Cir. 1986); Paper Express Ltd v. Pfankuch Maschinen GmbH, 972 F.2d 753 (7th Cir. 1992): Eine in deutschsprachigen AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten deutscher Gerichte wurde akzeptiert; Caribe BMW v. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, 821 F. Supp.  802 (D.P.R. 1993); Lawler v. Schumacher Filters Am., 832 F. Supp.  1044 (D. Va. 1993); Hay Acquisition Co. v. Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490 (D. Pa. 2005); Seagal v. Vorderwuhlbecke, 162 Fed. Appx. 746 (9th Cir. 2006). Vgl. auch die Angaben bei Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  29 Fn.  2. 294  Zu einem ähnliche Ergebnis kommen U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht 290  291 

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angeführten Negativbeispiele stammen aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts295 und sind heute überholt.296 Der Beweis, dass eine Gerichts­ standsvereinbarung unreasonable ist, gelingt immer seltener.297 Die Analyse der Rechtsprechung ergibt insbesondere, dass den US-amerikanischen Gerich­ ten nicht (mehr) nachgesagt werden kann, sie würden Vereinbarungen zuguns­ ten ausländischer Gerichte systematisch zum Schutz ihrer eigenen Zuständig­ keitsansprüche die Anerkennung versagen.298 Das ändert aber nichts daran, dass für die beteiligten Parteien aus verschiede­ nen Gründen noch immer eine gewisse Unsicherheit besteht. Erstens ergibt sich dies alleine schon aus der Tatsache, dass Gerichtsstandsvereinbarungen über­ haupt einer ermessensbasierten Prüfung unterzogen werden.299 Zweitens sind trotz der Bremen-Entscheidung und der Konkretisierung der reasonableness-Doktrin durch die Rechtsprechung die genauen Maßstäbe des Tests bis heute nicht ganz eindeutig. So sorgt etwa für Verwirrung, dass die Gerichte bei der public policy-Prüfung nicht auf den public policy-Vorbehalt im Restatement (Second) of Contracts §  178(1) (1981)300 abstellen, sondern eine davon losgelöste eigene Prüfung durchführen.301 Drittens ist bis heute unklar, ob Federal Courts, (2005), Rn.  8; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  221; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  44 ff. 295  Fälle aus den 1970er und 1980er Jahren, in denen Gerichtsstandsvereinbarungen die Derogationswirkung abgesprochen wurde, sind z. B. Leasewell, Ltd v. Jake Shelton Ford, Inc., 423 F. Supp.  1011, 1015 (S.D.W. Va. 1976); Morse Electro Products Corp. v. S.S. Great Piece, 437 F. Supp.  474, 488 (D.N.J. 1977); Redwing Carriers, Inc. v. Foster, 382 So. 2d 554 (Alabama 1980); Davenport Mach. & Foundry Co. v. Adolph Coors Co., 314 N.W.2d 432 (Iowa 1982). Vgl. weiterführend die umfassenden Nachweise bei Freer, 63 Tulane Law Re­ view (1989), 1087, 1093 und Heiser, 45 Florida Law Review (1993), 361, 371 f. Fn.  59 ff. 296  So auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handels­ verkehr (2007), S.  221. 297  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  45 m. w. N. Vgl. z. B. New Moon Shipping Co., Ltd v. Man B&W Diesel AG, 121 F.3d 24 (2d Cir. 1997). Zum selben Ergebnis gelangt auch Force, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2011, 249, 260 m. w. N. in Fn.  51. 298  So auch Force, 35 Tulane Maritime Law Journal (2011), 401, 464 f.: „The current posture of the laws sends a strong message that U.S. courts are not anxious to increase their share of the international dispute resolution ‚business‘.“ 299  Ebenso und daher für eine Abschaffung des reasonableness-Tests Crystal/Giannoni-­ Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, 254. 300  Vgl. Restatement (Second) of Contracts §  178(1) (1981): „A promise or other term of an agreement is unenforceable on grounds of public policy if legislation provides that it is unen­ forceable or the interest in its enforcement is clearly outweighed in the circumstances by a public policy against the enforcement of such terms.“ 301  Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Busi­ ness (2011–2012), 203, 255.

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welche ihre Zuständigkeit in Streitigkeiten, die State Law betreffen, auf diversity jurisdiction stützen, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem jeweiligen ein­ zelstaatlichen Recht zu beurteilen haben oder dem bundeseinheitlichen Stan­ dard folgen müssen.302 Viertens war bislang das Verhältnis zwischen reasonableness-Test und forum non conveniens-Lehre ungeklärt, wobei nun jedoch vom Supreme Court mit seiner Atlantic Marine-Entscheidung teilweise Licht ins Dunkle gebracht worden sein dürfte.303 Fünftens besteht weiterhin Unsicher­ heit, weil die Standards, nach denen Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und in den Federal Courts geprüft werden, noch immer voneinander abweichen und man Gerichts­ standsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte in einigen wenigen Bundesstaaten auch heute noch recht feindlich gegenübersteht.304 Und schließ­ lich tritt sechstens hinzu, dass die Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen durch die US-amerikanischen Gerichte schwer vorhersehbar ist.305 So wer­ den Gerichtsstandsvereinbarungen tendenziell eng ausgelegt mit der Folge, dass bestimmte Fragen als nicht von der Vereinbarung erfasst betrachtet werden und das abgewählte Gericht seine Zuständigkeit für diese Fragen doch bejahen kann.306 Darüber hinaus geht man in den USA davon aus, dass eine Gerichts­ standsvereinbarung im Zweifel nicht ausschließlich sein soll.307 Auch eine Rechtswahl ist kein Indiz für die Ausschließlichkeit der Vereinbarung.308 So wurde beispielsweise in einem Fall, in dem der Vertrag die Vereinbarung „place 302 

Siehe oben Teil I §  5 D. II. 5. Siehe oben Teil I §  5 D. II. 4. Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas, 134 S. Ct. 568, 187 L. Ed. 2d 487 (2013). 304  Siehe oben Teil I §  5 D. III. und vgl. Silbermann, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 349. Vgl. auch Heiser, 31 University of Pennsylvania Journal of Internatio­ nal Law (2010), 1013, 2014 f.: „A few states treat forum selection clauses less favorably. Some impose additional prerequisites to enforcement, such as that there be a rational basis for the party’s forum choice; others flatly refuse to enforce forum selection clauses in certain cases.“ 305  Dazu Force, 35 Tulane Maritime Law Journal (2011), 401, 422 ff.; Karayanni, 34 Du­ quesne Law Review (1996), 1009, 1020 ff. 306  Androutsakos v. M/V Psara, No. 02-1173-KI, 2004 WL 1305802 (D. Ore 2004). Dazu Force, 35 Tulane Maritime Law Journal (2011), 401, 425. 307  K & v. Scientific Co. v. BMW, 314 F.3d 494, 499 (10th Cir. 2002); John Boutari & Son, Wines & Spirits, S.A. v. Attiki Imps. & Distribs., Inc., 22 F.3d 51, 52–53 (2d Cir. 1994): „The general rule in cases containing forum selection clauses is that when only jurisdiction is specified the clause will generally not be enforced without some further language indicating the parties’ intent to make jurisdiction exclusive.“ Zu der Entscheidung vgl. Vorpeil, IPRax 1995, 405, 406. Vgl. außerdem Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-ame­ rikanischen Handelsverkehr (2007), S.  209. Für eine Vermutung für die Ausschließlichkeit gibt es jedoch Stimmen in der Literatur, z. B. Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, 204. 308  K & v. Scientific Co. v. BMW AG, 314 F.3d 494, 501 (10th Cir. 2002); King v. PA Consul303 

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of jurisdiction shall be Dresden“ enthielt, aus der Formulierung geschlossen, die Klausel sei „permissive rather than mandatory“.309 Um abzusichern, dass ein angerufenes US-amerikanisches Gericht seine Derogation auch anerkennt, empfiehlt es sich daher stets, die Ausschließlichkeit explizit in die Vereinbarung aufzunehmen. All diese Unsicherheiten führen einerseits dazu, dass Parteien im Handel mit US-amerikanischen Vertragspartnern oder wenn der Streit sonst irgendeine Verbindung zu den USA aufweist, jedenfalls nicht sicher davon ausgehen kön­ nen, dass eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen, z. B. deutschen Gerichts sie vor der Beklagtenrolle in den USA schützen wird.310 Umgekehrt bedeutet die ermessensbasierte Beurteilung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die US-amerikanischen Gerichte, dass für eine Partei, die den Streit gerne vor ein US-amerikanisches Gericht bringen möchte, jedenfalls Anreize bestehen, ihr Glück zu versuchen und entgegen ei­ ner anderslautenden Gerichtsstandsvereinbarung in den USA zu klagen. Die Ermessensabhängigkeit führt also dazu, dass ein forum shopping in den USA durch Klage in einem US-amerikanischen forum derogatum zumindest nicht völlig aussichtslos erscheint, sondern von einer jedenfalls teilweise begründeten Hoffnung getragen sein kann.311 Der Kläger kann zunächst darauf hoffen, das Gericht werde die Vereinbarung für unreasonable befinden. Und selbst wenn er nicht davon ausgeht, dass das Gericht seine Zuständigkeit bejahen wird, kann er jedenfalls darauf spekulieren, dass sich die andere Partei aus Angst vor zu ho­ hen Kosten wegen des Streits über die Zuständigkeitsfrage auf das Verfahren ting Group, Inc., 78 Fed. Appx. 645, 647 (10th Cir. 2003); Zokaites v. Land-Cellular Corp., 2006 U.S. Dist. LEXIS 18154, 25 (D. Pa. 2006). 309  Hull 753 Corp. v. Elbe Flugzeugwerke GmbH, 58 F. Supp.  2d 925, 926 (N.D. Ill. 1999). Gleiches soll für die Formulierungen „have the right“, „may“ or „come within“ gelten, vgl. Baosteel America Inc. v. M/V Ocean Lord, 257 F. Supp.  2d 687, 690 (S.D.N.Y. 2003). Andere forum-selection clauses, in denen die Formulierung „shall“ gebraucht wurde, wurden dage­ gen als ausschließlich angesehen und von den Gerichten anerkannt. Vgl. z. B. AVC Nederland B.V. v. Atrium Inv. P’ship, 740 F.2d 148, 155 (2d Cir. 1984); Bison Pulp & Paper Ltd, v. M/ VPerganos, No. 89 Civ. 1392, 1995 WL 880775 (S.D.N.Y. 1995); Thyssen. Inc. v. M/V Alpha Jupiter, No. 96 Civ. 8734, 1997 WL 882595 (S.D.N.Y. 1997); Valley Nat’1 Bank v. Greenwich Ins. Co., 254 F. Supp.  2d 448, 455 (S.D.N.Y. 2003). In jüngerer Zeit wurde für Gerichtsstands­ vereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte die Ausschließlichkeit beispielsweise ab­ gelehnt in Wai v. Rainbow Holdings, 315 F. Supp.  2d 1261, 1265 (S.D. Fla. 2004); Genesis of Kentucky, Inc. v. Creation Ministries International, Ltd, 556 F.3d 459, 465 (6th Cir. 2009). 310  Sehr skeptisch etwa auch Munz, Allgemeine Geschäftsbedingungen in den USA und Deutschland im Handelsverkehr (1992), S.  6; O. Sandrock, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  625, 638 f. 311  Nachweise aus der Rechtsprechung bei Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  221 Fn.  1148.

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einlassen und später möglicherweise auch einen Vergleich eingehen wird. Auch in der jüngeren US-amerikanischen Literatur finden sich daher Aussagen, wie: „[T]he vagueness of the Bremen standards leaves room for a party to resist en­ forcement. The result may be delay and inefficiency.“312 Obwohl also im Endef­ fekt Gerichtsstandsvereinbarungen meistens Bestand haben, gilt: „[T]his result often does not come without a great deal of litigation.“313 V.  Vergleich zur Rechtslage im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten Im Vergleich zu der im vorangegangenen Kapitel erörterten Rechtslage im Ver­ hältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO besteht im Verhältnis zu den USA eine größere Unsicherheit bezogen auf die Durchsetzbarkeit einer in­ ternationalen Gerichtsstandsvereinbarung. Wie gezeigt wurde, gibt es im Ver­ hältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten grundsätzlich keine direkten Anreize, entgegen einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats vor ein Gericht eines an­ deren Mitgliedstaats zu ziehen. Den mitgliedstaatlichen Gerichten ist kein Er­ messen bei der Beurteilung ihrer Derogation durch eine ausschließliche Ge­ richtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts oder der Gerichte eines an­ deren Mitgliedstaats eröffnet. Wie dargestellt, besteht im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten wegen der weitgehenden Vereinheitlichung des europäi­ schen Kollisionsrechts außerdem kaum die Gefahr, dass das in der Vereinba­ rung bezeichnete und ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats den Streit nach einem anderen Sachrecht beurteilen würden. Zudem wurde die bislang vorhan­ dene Torpedo-Problematik durch die Einführung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuG­ VVO n. F. weitgehend entschärft, sodass ebenfals kaum indirekte Anreize für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats durch Klageerhebung in einem anderen Mitgliedstaat bestehen. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten gibt es für einen taktisch agieren­ den Kläger also in den allermeisten Fällen keinen Grund, vor ein derogiertes Mitgliedstaatengericht zu ziehen.314 Solche Anreize können jedoch für eine Klage vor einem derogierten US-ame­ rikanischen Gericht bestehen. Denn aufgrund des Ermessensspielraums, der den US-amerikanischen Gerichten bei der Beurteilung der Derogationswirkung 312  Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Busi­ ness (2011–2012), 203, 203. 313  Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Busi­ ness (2011–2012), 203, 216 f. 314  Vgl. zum Ganzen oben Teil I §  4 B., C.

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einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung eröffnet ist, besteht für den Kläger die jedenfalls teilweise begründete Hoffnung, das angerufene Gericht werde seine Zuständigkeit entgegen der Vereinbarung bejahen. In diesem Fall kann der Kläger dann davon profitieren, dass das US-amerikanische Gericht den Streit möglicherweise nach einem anderen als demjenigen Sachrecht, wel­ ches das eigentlich gewählte Gericht anwenden würde, beurteilen wird. Und selbst für den Fall, dass das angerufene US-amerikanische Gericht seine Zu­ ständigkeit unter Anerkennung der Gerichtsstandsvereinbarung verneinen soll­ te, geht der Kläger mit der Klage im derogierten Forum kein allzu großes Kos­ tenrisiko ein, weil der abredewidrig Beklagte wegen der American rule of costs seine außergerichtlichen Kosten ohnehin selbst zu tragen hätte. Wegen der ho­ hen Kostenlast sowie anderen von Ausländern gefürchteten Eigenheiten des US-amerikanischen Zivilprozesses, etwa dem Beweisrecht, kann der taktisch agierende Kläger außerdem darauf spekulieren, den Beklagten vor dem dero­ gierten US-amerikanischen Gericht zu einer rügelosen Einlassung wie auch ei­ nem prozessbeendenden Vergleich zu zwingen. Insgesamt besteht im Verhältnis zu den USA, auch wenn Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländi­ scher Gerichte in den USA mittlerweile in den meisten Fällen anerkannt wer­ den, also trotzdem noch ein größeres Risiko, dass ein taktisch agierender Kläger entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte Klage erhebt, als im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten. VI.  Vergleich zur Behandlung von Schiedsvereinbarungen durch die US-amerikanischen Gerichte Im Recht der Schiedsvereinbarungen hat bereits früher eine starke Liberalisie­ rung eingesetzt.315 Auch hier galt ursprünglich die non ouster-Doktrin, schließ­ lich wirkt auch eine Schiedsvereinbarung zuständigkeitsaufhebend.316 Doch hat als erster Bundesstaat New York die non ouster-Doktrin bereits im Jahr 1920 mit Erlass seines Arbitration Act (aufgenommen in NY CPLR §§  7501 ff.) durch­ brochen. Im Anschluss daran wurden Schiedsvereinbarungen von vielen Ge­ richten anerkannt317 und die gesetzliche Anerkennung bald auch auf Bundesebe­ Vgl. zum Ganzen Juenger, RabelsZ 35 (1971), 288, 295 f.; Marcus, 28 Tulane Law R ­ eview (2008), 973, 1046 f.; Moses, 34 Florida State University Law Review (2006), 99; Ochsen­feld, RIW 1995, 633, 635. 316  Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Busi­ ness (2011–2012), 203, 203 und 238; Sullivan, 46 St. Louis University Law Journal (2002), 509. 317  Vgl. z. B. Gilbert v. Burnstine, 255 N.Y. 348, 174 N.E. 706, 707 (1931); Shanferoke Coal Co. v. Westchester Corp., 293 U.S.  449, 55 S. Ct. 313, 79 L. Ed. 583 (1934); The Edam, 27 315 

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ne geregelt, nämlich mit der Einführung des Federal Arbitration Act (FAA) im Jahr 1925.318 Der Erlass des FAA zielte darauf ab, die für gerichtliche Verfahren oft immensen Kosten einzusparen und die Parteiautonomie stärker zu achten.319 Dabei wird aus heutiger Sicht jedoch das erste Motiv als das ausschlaggebende angesehen, denn die staatlichen Gerichte waren zu jener Zeit so überlastet, dass die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen ökonomisch notwendig war.320 Das New Yorker Gesetz diente später dem Uniform Arbitration Act (1956) als Vorbild.321 Heute haben fast alle Bundesstaaten ähnliche Gesetze erlassen, wo­ bei jedoch bei interstaatlichen und internationalen Verfahren in aller Regel nicht die einzelstaatlichen Gesetze, sondern die Regeln des FAA anwendbar sind. Da­ rüber hinaus gilt in den USA das UNÜ, dessen Normen als zweiter Teil in den FAA eingefügt wurden322 , sodass die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen – anders als die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen – kodifiziert ist. Die USA sind außerdem Mitglied der Inter-American Convention on Inter­ national Commercial Arbitration (sog. „Panama Convention“)323, die ebenfalls in den FAA Eingang gefunden hat324. Für das Verhältnis zu Deutschland ist zudem Art. VI 2 des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags von 1954 zu beachten. Die Vorschriften des FAA sind heute in 9 USC §§  1–16 kodifiziert. Nach 9 USC §  2 sind Schiedsvereinbarungen dann wirksam, wenn sie den Anforde­ rungen des allgemeinen Vertragsrechts entsprechen.325 Wird ein staatliches Ge­ richt ungeachtet einer Schiedsvereinbarung angerufen, so hat es das Verfahren zwar nicht von Amts wegen, aber auf die Einrede des Schiedsvertrags hin aus­ F. Supp.  8 (S.D.N.Y. 1938); Nippon Ko-ito Kaisha v. Ewing-Thomas Corp., 313 Pa. 442, 170 Atl. 286 (1934); Amtorg Trading Corp. v. Camden Fibre Mills, Inc., 304 N.Y. 519, 109 N.E.2d 606, 607 (1952). 318  Heute 9 USC §§  1–16 (2006). 319  Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Busi­ ness (2011–2012), 203, 203, 238. 320  Vgl. O. Sandrock, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  635, 649. 321  Vgl. dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  218 m. w. N. 322  9 USC §§  201–208. 323  United Nations Panama Convention Establishing the Latin American Economic Sys­ tem (SELA), Oct. 17, 1975, 1292 U.N.T.S.  21295. 324  9 USC §§  301–307. 325  9 USC §  2 bestimmt: „A written provision in any maritime transaction or a contract evidencing a transaction involving commerce to settle by arbitration a controversy thereafter arising out of such contract or transaction, or the refusal to perform the whole or any part thereof, or an agreement in writing to submit to arbitration an existing controversy arising out of such a contract, transaction, or refusal, shall be valid, irrevocable, and enforceable, save upon such grounds as exist at law or in equity for the revocation of any contract.“

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zusetzen.326 Es prüft dann die Schiedsvereinbarung selbst, bevor es eine Verwei­ sung (order to compel to arbitration) vornimmt. Dabei können sich Schiedsver­ einbarungen leichter durchsetzen als Gerichtsstandsvereinbarungen.327 Obwohl der Supreme Court Schiedsvereinbarungen als eine Form von forum selection clauses bezeichnet hat328, wendet er unterschiedliche Standards an. Nach seiner ständigen Rechtsprechung besteht eine weitreichende Vermutung für die Wirk­ samkeit von Schiedsvereinbarungen.329 Eine Kontrolle, ob die Schiedsvereinba­ rung unreasonable ist, findet, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt statt.330 Der Supreme Court hat die Bindungswirkung der staatlichen Gerichte an Schiedsvereinbarungen durch einige Entscheidungen weiter gestärkt. Einige da­ von betreffen die wichtige Frage, welche Gegenstände schiedsfähig sind, die zwar einheitlich nach Bundesrecht beantwortet wird 331, aber in §  2 FAA nur unvollkommen geregelt ist332. In Scherk v. Alberto-Culver Co.333 entschied der Supreme Court für die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen einer deut­ schen und einer US-amerikanischen Partei zugunsten des Schiedsorts Paris, obwohl der Streit auch Klagen wegen Betrugs nach dem Securities Exchange Act (1934) enthielt, welche früher für nicht schiedsfähig gehalten worden wa­ ren.334 Berühmtheit hat außerdem die Entscheidung in Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc.335 erlangt. In diesem Fall hatten zwei japani­ sche Unternehmen sowie Unternehmen aus der Schweiz und aus Puerto Rico Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  219. Zu den Standards im Überblick vgl. U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  9 f.; Hernández-Gutiérrez, 18 Currents International Trade Law Journal (2009), 55; O. Sandrock, in: Festschrift Stiefel (1987), S.  625, 640 ff.; Schütze, RIW 2005, 579, 584; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  190 ff. 328  Vgl. Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S.  506, 519 (1974); Rodriguez de Quijas v. Shearson/Am. Express, Inc., 490 U.S.  477, 482 (1989). 329  Vgl. Moses H. Cone Memorial Hospital v. Mercury Construction Corp., 460 U.S.  1, 24 (1983); Dean Witter Reynolds Inc. v. Byrd, 470 U.S.  213, 221 (1985); Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc., 473 U.S.  614 (1985); Shearson/American Express v. McMahon, 482 U.S.  220, 226 (1987). 330  Vgl. grundlegend Sam Reisfeld & Son Import Co. v. S.A. Eteco, 530 F.2d 679 (5th Cir. 1976); USM Corp. v. GKN Fasteners, Ltd, 574 F.2d 17 (1st Cir. 1978). Vgl. aber Paden, 6 The Transnational Lawyer (1993), 431, 439 m. w. N. zu Fällen, in denen doch eine begrenzte Prü­ fung von Schiedsvereinbarungen anhand der reasonableness-Doktrin und der public policy vorgenommen wurde. 331  Vgl. Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc., 473 U.S.  614, 625 (1985). 332  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  219. 333  Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S.  506, 515 ff. (1974). Siehe dazu Dietrich, ­R abelsZ 40 (1976), 1. 334  Vgl. Wilko v. Swan, 346 U.S.  427, 438 (1953). 335  Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc., 473 U.S.  614 (1985). 326  327 

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Verträge über den Verkauf und Weitervertrieb von Automobilen geschlossen, in denen eine Schiedsklausel zugunsten der Japan Commercial Arbitration Asso­ ciation enthalten war. Anders als das Berufungsgericht hielt der Supreme Court kartellrechtliche, dem Sherman Act unterliegende Klagen für schiedsfähig und argumentierte dabei mit der „liberal federal policy favoring arbitration agree­ ments“.336 In weiteren Entscheidungen erklärte der Supreme Court Streitigkei­ ten, die dem Securities Act (1933)337, dem Carriage of Goods by Sea Act338 oder dem Age Discrimination in Employment Act (1967)339 unterlagen, für schieds­ fähig.340 In Shearson/American Express Inc. v. McMahon341 entschied der Sup­ reme Court erneut, dass Schiedsvereinbarungen auch dann anzuerkennen seien, wenn die streitigen Ansprüche dem Securities Exchange Act (1934) unterliegen. In Southland Corp. v. Keating342 erklärte er den FAA für Federal Courts wie State Courts für anwendbar und in Hall St. Assocs. v. Mattel, Inc.343 betonte er, dass die Gründe für die Nichtanerkennung von Schiedsvereinbarungen nicht erweitert werden dürften. In Rent-A-Center, Inc. v. Jackson344 verneinte er die Zuständigkeit eines District Courts, über die von einer Partei erhobene Klage zu entscheiden, wonach die Schiedsvereinbarung unconscionable sei. Weiterhin besteht nach der Rechtsprechung des Supreme Court im Bereich der Schieds­ vereinbarungen die sog. separability-Doktrin, wonach bei der Beurteilung der Wirksamkeit und Bindungswirkung einer Schiedsvereinbarung nur diese selbst, unabhängig vom materiellen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien und den darin begründeten Umständen, betrachtet wird.345 Die Federal Courts folgen der liberalen Herangehensweise und erkennen Schiedsvereinbarungen an.346 Diverse Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte zeigen, dass diese der in­ Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc., 473 U.S.  614, 625 f. (1985). Rodriguez de Quijas v. Shearson/American Express, Inc., 490 U.S.  477 (1989). 338  Vimar Seguros y Reaseguros SA v. M/V Sky Reefer, 515 U.S.  528, 540 (1995). 339  Gilmer v. Interstate/Johnson Lane Corp., 500 U.S.  20 (1991). 340  Vgl. insgesamt Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  219. 341  Shearson/American Express Inc. v. McMahon, 482 U.S.  220, 226 (1987). 342  Southland Corp. v. Keating, 465 U.S.  1, 14–15 (1984). 343  Hall St. Assocs. v. Mattel, Inc., 552 U.S.  576, 578 (2008). 344  Rent-A-Center, Inc. v. Jackson, 130 S. Ct. 2772, 2780 (2010). 345  Grundlegend Prima Paint Corp. v. Flood & Conklin Mfg. Co., 388 U.S.  395, 403 (1967); Buckeye Check Cashing, Inc. v. Cardegna, 546 U.S.  440, 449 (2006) und dazu Ware, 8 Nevada Law Journal (2007), 107. Für eine Übernahme der Doktrin auch ins Recht der Ge­ richtsstandsvereinbarungen Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of Interna­ tional Law and Business (2011–2012), 203, 204, 240. 346  Z. B. Riley v. Kingsley Underwriting, 969 F.2d 953 (10th Cir. 1992) und dazu Paden, 6 The Transnational Lawyer (1993), 431; Paramedics Electromedicina Comercial, Ltda. v. GE Med. Sys. Info. Techs., Inc., 369 F.3d 645, 652 (2d Cir. 2004). 336 

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§ 5 – E.  Mögliche Nachteile für den Beklagten

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ternationalen Schiedsgerichtsbarkeit auch sonst liberal und unterstützend ge­ genüberstehen, z. B. indem sie Maßnahmen treffen, um Vermögen für die spä­ tere Vollstreckung des Schiedsspruchs zu sichern.347 Schiedsvereinbarungen sind also im Vergleich zu Gerichtsstandsvereinba­ rungen häufig die verlässlichere Variante bei der Vertragsgestaltung348, was den Trend weg von der staatlichen und hin zur Schiedsgerichtsbarkeit verstärkt.349 Hinzukommt, dass über die Vereinbarung, das Schiedsverfahren durchzufüh­ ren, unliebsame Eigenheiten des US-amerikanischen Rechts, wie das jury-trial, class actions, aber auch punitive damages, vermieden werden können.350 In der US-amerikanischen Literatur machen sich einige für eine Angleichung der Standards, nach denen die Wirksamkeit und Bindungswirkung von Gerichts­ standsvereinbarungen beurteilt wird, an die sowohl klareren als auch liberale­ ren Standards im Bereich von Schiedsvereinbarungen stark.351

E.  Mögliche Nachteile für den Beklagten aus der Klage im US-amerikanischen forum derogatum I. Überblick Wie dargestellt wurde, sind Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländi­ scher Gerichte vor US-amerikanischen Gerichten in den meisten Fällen wasser­ fest. Trotzdem gibt es immer wieder Fälle, in denen Parteien vor abgewählte US-amerikanische Gerichte ziehen. Im Folgenden soll dargestellt werden, wel­ che Nachteile der beklagten Partei daraus erwachsen können. Zugrunde gelegt wird der Fall, dass eine deutsche Partei entgegen einer Gerichtsstandsvereinba­ rung zugunsten eines deutschen Gerichts in den USA verklagt wird.

Dazu vgl. Kochinke/Krapfl/Wilske, DAJV-Newsletter 2011, 114 ff. m. w. N., insb. aus der Rechtsprechung der New Yorker Gerichte. 348  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  45 Fn.  161. 349  Kritisch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  220, der zu bedenken gibt, dass wegen der Schiedsfreundlichkeit in den USA sogar Banken gegenüber Verbrauchern Schiedsvereinbarungen in AGB durchzusetzen versuchten. 350  Allerdings ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass auch Schiedsgerichte auf Strafschadensersatz lautende Schiedssprüche erlassen. Vgl. dazu insgesamt Lüke, Punitve Damages in der Schiedsgerichtsbarkeit (2003). 351  Vgl. statt vieler Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, insb. 247 ff. 347 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

II.  Das Gericht erkennt die Vereinbarung nicht an 1.  Als „prozessual“ bezeichnete Nachteile Wenn das abredewidrig angerufene Gericht die Vereinbarung nicht anerkennt, z. B. weil es sie für unreasonable hält, und das Verfahren durchführt, drohen der beklagten Partei verschiedene Nachteile, die grob in zwei Gruppen gebündelt werden können. Erstens drohen solche Nachteile, die das Prozessieren im Ausland mit sich bringt und die hier daher untechnisch als „prozessuale Nachteile“ be­ zeichnet werden sollen. Der deutsche Beklagte sieht sich einem fremden Prozes­ srecht ausgesetzt, muss möglicherweise im Zuge der discovery weitreichend Un­ terlagen offenbaren und die entsprechenden Kosten für eine eigene discovery tragen. Er ist gezwungen, US-amerikanische Anwälte einzuschalten, die die fremde Prozesssprache und das fremde Recht beherrschen. Hinzutreten die gene­ rellen, z. T. bereits genannten Nachteile, die Folge des Prozessierens im Ausland sein können, nämlich grundsätzlich besonders hohe Kosten aufgrund von prakti­ schen Hindernissen (wie einem weiten Anreiseweg) und mangelnder Vertrautheit mit dem fremden Recht. Vor allem aber tritt bei Klagen in den USA noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, nämlich die American rule of costs, nach der jede Partei unabhängig vom Prozessausgang ihre eigenen Kosten selbst zu tragen hat. 2.  Als „materiell“ bezeichneter Nachteil Zweitens kann noch ein – untechnisch so bezeichneter – „materieller Nachteil“ hinzutreten, wenn das abredewidrig angerufene Gericht eine Entscheidung in der Sache trifft. Von dem Kollisionsrecht des jeweiligen Bundesstaats wird nicht selten ein anderes Sachrecht zur Anwendung berufen als dasjenige, wel­ ches das prorogierte deutsche Gericht angewendet hätte, sodass es möglicher­ weise zu einem anderen Ausgang des Verfahrens kommen kann im Vergleich zu dem hypothetischen Verfahrensausgang vor dem gewählten deutschen Gericht. Handelt es sich dabei um US-amerikanisches Sachrecht (und wie dargestellt ist das nicht selten, weil die US-amerikanischen Kollisionsrechte vergleichsweise heimwärtsstrebend sind352), drohen der deutschen Partei im äußersten Fall im­ mense Schadensersatzsummen. Die Gefahr, durch ein US-amerikanisches Sa­ churteil beträchtliche Vermögenssummen zu verlieren, ist besonders groß, weil häufig wirtschaftliche Aktivitäten und in den USA belegenes Vermögen der redlichen Partei eine dortige Vollstreckung ermöglichen, sodass eine Urteilsan­ erkennung in Deutschland oder einem anderen Staat nicht nötig ist.353 Charak­ 352 

Vgl. oben Teil I §  5 B. II. 2. c). Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  29; vgl. auch Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht (1990), S.  295. 353 

§ 5 – E.  Mögliche Nachteile für den Beklagten

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teristisch für diesen inhaltlichen, materiellen Nachteil ist freilich, dass es sich um einen hypothetischen Nachteil handelt, weil grundsätzlich nicht mit Sicher­ heit gesagt werden kann, welchen Ausgang das Verfahren vor dem eigentlich prorogierten Gericht genommen hätte bzw. ob es dort überhaupt zu einem Ver­ fahren gekommen wäre. III.  Das Gericht erkennt die Vereinbarung an 1.  Kein materieller, aber prozessuale Nachteile möglich Erkennt das abredewidrig angerufene Gericht die Vereinbarung zugunsten ei­ nes deutschen Gerichts im Ergebnis an und lehnt die eigene Zuständigkeit ab oder setzt das Verfahren aus, entstehen für die beklagte Partei aus der Verlet­ zung der Vereinbarung mangels Sachurteils keine materiellen Nachteile im obi­ gen Sinne. Eine Möglichkeit für die beklagte Partei besteht auch darin, den Streit durch removal vor den zuständigen Federal Court zu bringen, welcher die Vereinbarung auch in Fällen der diversity jurisdiction mit größerer Wahrschein­ lichkeit durchsetzen und das Verfahren dann aussetzen bzw. abweisen wird.354 Auch dann entsteht ihr der materielle Nachteil mangels Entscheidung in der Sache nicht. Die prozessualen Nachteile der ersten Gruppe können jedoch großenteils auch dann entstehen, wenn das angerufene Gericht die Derogation letztlich an­ erkennt. Obwohl mangels international gültigen lis pendens-Grundsatzes keine echte Torpedo-Gefahr besteht355, kann die Beklagtenrolle im Ausland doch zu einer Verzögerung des Streits und damit zu einem finanziellen Verzögerungs­ schaden356, in denkbaren Fällen auch zu einer Rufschädigung geführt haben. Vor allem aber kann auch bei letztendlicher Abweisung des Verfahrens auf­ grund der American rule of costs bereits eine hohe Prozesskostenlast entstanden sein. Diese Prozesskosten werden natürlich höher ausfallen, wenn das Verfah­ ren durchgeführt wird. Aber allein die Berufung auf die Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung, ganz zu schweigen von der Beantragung eines removal zum zuständigen Federal Court in der Hoffnung, dieser werde dann seine diversity jurisdiction wegen der Gerichtsstandsvereinbarung verneinen, wird für die beklagte Partei einen nicht unerheblichen zeitlichen, vor allem aber fi­ nanziellen Aufwand bedeutet haben. Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  45. Vgl. oben Teil I §  5 B. I. 356  Auch im Verhältnis zu den USA lässt sich durch geschicktes Taktieren eine erhebliche zeitliche Verzögerung erzielen, vgl. OLG Koblenz, 16.10.2003, RIW 2004, 304 und dazu Hess, AG 2005, 897, 899. 354  355 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

2.  In aller Regel bestehen auch keine Ausnahmen von der American rule of costs Die finanziellen Nachteile wegen der American rule of costs würden dann ent­ fallen, wenn die Gerichte im Falle der Anerkennung einer Gerichtsstandsver­ einbarung eine Ausnahme von dieser Regel vornehmen würden. Grundsätzlich steht den US-amerikanischen Gerichten kein Ermessen bei der Verteilung der Kosten zu.357 Es existieren nur einige wenige gesetzliche fee- shifting provisions, nach denen der unterlegenen Partei die Kosten auferlegt werden können.358 Allerdings werden diese Regeln in der Praxis großenteils nur einseitig ausge­ legt, d. h. nur dazu genutzt, dem Beklagten im Falle seines Unterliegens, nicht aber dem unterlegenen Kläger die Kosten aufzuerlegen.359 Anerkannt ist aber, dass die Parteien die Kostentragung der unterliegenden Partei vertraglich ver­ einbaren können.360 Außerdem sieht z. B. FRCP 54(d)(1) vor, dass der Verlierer in einigen Fällen bestimmte Verfahrenskosten übernehmen muss, die Vorschrift meint jedoch nur andere Kosten als Anwaltskosten. Davon abgesehen gibt es nur begrenzte Ausnahmen von der American rule of costs.361 Insbesondere ist eine Durchbrechung der Regel möglich, wenn eine Partei in besonderem Maße gegen ihre prozessualen Pflichten verstoßen hat, also wenn die Prozessführung als vexatious or brought in bad faith beurteilt wird.362 Daraus kann eine Haf­ tung der unterliegenden Partei abgeleitet werden, wenn sie schuldhaft und unbe­ rechtigt ein Verfahren eingeleitet hat.363 Dann kann der obsiegenden Partei ers­ Vgl. Alyeska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society, 421 U.S.  240, 247 (1975). Vgl. etwa 15 USC §  15(a) für bestimmte kartell- und wettbewerbsrechtliche Streitig­ keiten und 16 USC §  1540(g)(4), 33 USC §§  1365, 1369 sowie 42 USC §  7607(f) für bestimm­ te umweltrechtliche Streitigkeiten. 359  Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  109; Hurst, European Business Law Review 2012, 25, 28. 360  Vgl. Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  118; Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  37 f. 361  Überblick bei Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  39 ff., der auch weitere, für die hier untersuchten Fälle aber nicht rele­ vante Ausnahmen von der American rule of costs erläutert. Siehe auch Jestaedt, RIW 1986, 95, 96. 362  Grundlegend Roadway Express, Inc. v. Piper, 447 U.S.  752 (1980); F. D. Rich Co. v. Industrial Lumber Co., 417 U.S.  116 (1974), wo der Supreme Court eine Kostenerstattung für möglich hielt, wenn eine Partei den Prozess „in bad faith, vexatiously, wantonly, or for op­ pressive reasons“ betrieben hat. In beiden Fällen wurde die Erstattung der Anwaltskosten im Ergebnis aber doch abgelehnt. Vgl. auch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivil­ prozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  23. 363  Vgl. dazu Hall v. Cole, 412 U.S.  1, 5 (1973) und Chambers v. Nasco, Inc., 501 U.S.  32, insb. 45 f. (1991). Vgl. auch Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten (2013), S.  2 f.; U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  126; Breyer, Kostenorientier­ 357 

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§ 5 – E.  Mögliche Nachteile für den Beklagten

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tens ein Schadensersatzanspruch (tort claim) wegen wrongful civil proceedings zustehen.364 Zweitens kann der Richter durch Ermessensentscheidung die unter­ liegende Partei zur Erstattung der Prozesskosten der anderen Partei verpflich­ ten. Allerdings kommt diese sog. bad faith in litigation-Theorie nur in außerge­ wöhnlichen Ausnahmefällen zur Anwendung.365 Der unterliegenden Partei muss grundsätzlich nachgewiesen werden können, dass ihr von vornherein jed­ weder Glaube an die Vertretbarkeit ihrer im Prozess geltend gemachten tatsäch­ lichen bzw. rechtlichen Position gefehlt und dass sie den Prozess aus unlauteren Gründen betrieben hat.366 Eine gesetzliche Verankerung hat die bad faith in litigation-Theorie in FRCP 11 erfahren.367 FRCP 11(c)(1) statuiert bestimmte Pflichten und Verhaltensan­ forderungen bei der schriftlichen Vornahme von Prozesshandlungen und er­ mächtigt das Gericht, das eine Verletzung dieser Anforderungen festgestellt hat, zum Erlass verschiedener Sanktionen. Dabei wird in FRCP 11(c)(2),(4) geregelt: „The sanction may include nonmonetary directives; an order to pay a penalty into court; or, if imposed on motion and warranted for effective deterrence, an order directing payment to the movant of part or all of the reasonable attorney’s fees and other expenses directly resulting from the violation.“ Eine Prozess­ kostenerstattung, insbesondere eine Erstattung der Anwaltskosten, ist hier also gesetzlich vorgesehen.368 Allerdings steht diese Sanktion im Ermessen des Ge­ richts, ist damit also schwer vorhersehbar und soll nach den Gesetzgebungsun­ te Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  135 ff.; Hommelsheim, Kostentragung und -aus­ gleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  39 ff., insb. 42 f.; Jestaedt, RIW 1986, 95, 97 f.; Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 78 Fn.  4. 364  Altenkirch, Die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten (2013), 2 f.; Breyer, Kosten­ orientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  135 ff.; Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  43 ff.; Leubsdorf, 38 Rutgers Law Review (1986), 439. 365  Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  42; Hurst, European Business Law Review 2012, 25, 27 ff.; Jestaedt, RIW 1986, 95, 97. 366  Hommelsheim, Kostentragung und -ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  42 m. w. N.; Jestaedt, RIW 1986, 95, 97. 367  Ähnliche Vorschriften, nach denen das Gericht unabhängig vom Prozessausgang einer Partei oder ihrem Anwalt die Verfahrenskosten auferlegen kann, finden sich in FRCP 37 für den Fall, dass die Partei bei der discovery nicht oder nur minder mitgewirkt hat, und in 28 USC §  1927 gegenüber Anwälten, die die Kosten „unreasonably and vexatiously“ in die Höhe treiben. Vgl. dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  24. Beide Vorschriften kommen für den hier untersuchten Fall der Klageerhebung trotz einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung nicht in Betracht. 368  Dazu Grosberg, 32 Villanova Law Review (1987), 575, 612 ff.; Reinhard, Klageerhe­ bung und Beklagtenschutz nach US-amerikanischem und deutschem Zivilprozessrecht (2006), S 73.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

terlagen der Reform von 1993369 keineswegs die Regelsanktion darstellen370. Soweit ersichtlich, existieren keine US-amerikanischen Gerichtsentscheidun­ gen, in denen die Erhebung einer Klage unter Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung zu einer Sanktion nach FRCP 11 geführt hat. In einer Entschei­ dung des Supreme Court aus dem Jahr 1995371 ist lediglich zu lesen: „To begin with, we are skeptical that the commencement of a suit in an inconvenient forum may be the basis of Rule 11 sanctions where venue was not improper.“ Hinzutritt der Umstand, dass die Sanktionen nicht von Amts wegen erlassen werden, son­ dern grundsätzlich eines Antrags (motion) durch die andere Partei bedürfen (FRCP 11(c)(2)). Damit geht die antragende Partei ein weiteres finanzielles Risi­ ko ein, da der Antrag seinerseits Kosten verursachen wird, deren Übertragung auf die andere Partei aber wiederum im Ermessen des Gerichts steht und damit nicht vorhersehbar ist.372 Bleibt der Antrag erfolglos, hat der Antragsteller die durch die Verhandlung über FRCP 11 entstandenen Kosten in jedem Fall zu tragen.373 Eine Ausnahme von der American rule of costs ist also für den Fall der Ver­ letzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht vorgesehen. Zudem würde ein tort claim einen zusätzlichen Prozess erfordern und auch im Rahmen von FRCP 11 ist ein Antrag der beklagten Partei erforderlich, sodass diese also in beiden Fällen mit einem zusätzlichen Risiko belastet wäre. Außerdem wäre das Begeh­ ren des Beklagten einer doppelten Ermessensprüfung ausgesetzt, zunächst im Rahmen der reasonableness-Doktrin, wenn er sich auf die Wirksamkeit der Zu­ ständigkeitsvereinbarung beruft, und weiterhin im Rahmen von FRCP 11 selbst. Ein solcher Versuch hätte kaum Erfolgsaussichten. Mangels einschlägiger Aus­ nahmetatbestände von der American rule of costs bleibt es also dabei, dass der nicht vertragsbrüchigen Partei auch in dem Fall, dass das US-amerikanische forum derogatum seine Zuständigkeit letztlich ablehnt, bereits erhebliche „pro­ zessrechtliche Nachteile“ im oben definierten Sinn aus der Geltung der American rule of costs erwachsen sein können.

369  Dazu Schwarzer, 28 Loyola of Los Angeles Law Review (1994), 7, 12 ff. Zur alten Fassung vgl. Jestaedt, RIW 1986, 95, 97 f. 370  Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  138 f. m. w. N. 371  Sussman v. Bank of Israel, 56 F.3d 450, 457 (2d Cir. 1995). 372  FRCP 11(c)(2) Satz  3 bestimmt: „If warranted, the court may award to the prevailing party the reasonable expenses, including attorney’s fees, incurred for the motion.“ 373  Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  140.

§ 5 – E.  Mögliche Nachteile für den Beklagten

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IV.  Rügelose Einlassung des Beklagten Der für die beklagte Partei unglücklichste Fall kann in einer unüberlegten rü­ gelosen Einlassung auf das Verfahren bestehen. Eine vorschnelle rügelose Ein­ lassung kann häufig in der Rechtsunsicherheit, der sich die vor einem abgewähl­ ten Gericht verklagte Partei ausgesetzt sieht, begründet liegen. Die Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit, welche eine ermessensbasierte Prüfung von Zustän­ digkeitsvereinbarungen bedeutet, kann also nicht nur dazu führen, dass Kläger in Versuchung geführt werden, doch vor ein eigentlich abgewähltes Gericht zu ziehen, sondern im zweiten Schritt auch zu einer rügelosen Einlassung der be­ klagten Partei. Diese Tendenz wird natürlich erheblich verstärkt durch den Kos­ tendruck, der in Rechtssystemen wie dem US-amerikanischen auf dem Be­ klagten lastet. So kann auch die Furcht, durch einen langwierigen Streit um die Zuständigkeitsfrage bereits ein Vermögen zu verlieren, Beklagte zu einer Ein­ lassung auf das Verfahren bewegen. In diesem Fall drohen der beklagten Partei, wie in der ersten Fallgruppe, alle beschriebenen prozessualen Nachteile und auch der materielle, inhaltliche Nachteil. Erschwerend tritt aber hinzu, dass die rügelose Einlassung alle späteren Anträge und Ansprüche, die auf die Verlet­ zung der Zuständigkeitsvereinbarung gestützt sind – so auch einen Schadenser­ satzanspruch – möglicherweise ausschließen kann, etwa indem sie das Rechts­ schutzbedürfnis für einen späteren Schadensersatzprozess oder eine mögliche Rechtswidrigkeit der Verletzung der Vereinbarung vernichtet. Ebenfalls proble­ matisch für einen späteren Schadensersatzprozess könnte es sein, wenn sich die redliche Partei im Erstverfahren auf einen Vergleich eingelassen hat. Wie es sich im Rahmen eines Schadensersatzprozesses vor einem deutschen Gericht auswirken würde, wenn sich die redliche Partei rügelos auf das Verfah­ ren im derogierten Forum eingelassen oder dort einen Vergleich geschlossen hat, soll im dritten Teil dieser Arbeit untersucht werden.374 Dort findet auch eine Auseinandersetzung mit der Ersetzbarkeit der hier umrissenen materiellen so­ wie prozessualen Schäden, welche der nicht vertragsbrüchigen Partei wegen der Klage im abgewählten Gericht entstehen können, statt.375

374 

375 

Vgl. unten Teil III §  11 D. Vgl. unten Teil III §  13 B.

§  6  Schutz- und Abwehrmöglichkeiten gegen Klagen im derogierten Forum A.  Überblick Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, mit denen eine Partei versuchen kann, die Durchsetzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung abzusi­ chern. Dabei kann sie entweder präventiv vorgehen, beispielsweise eine vorbeu­ gende Feststellungsklage erheben. Sie kann aber auch nachträglichen Rechts­ schutz suchen, sich also im Nachhinein gegen die Klage vor einem abgewählten Gericht wehren, etwa indem sie ein Prozessführungsverbot beantragt. Die Exis­ tenz solcher nachträglichen, reaktiven Abwehrmöglichkeiten kann aber eben­ falls eine präventive Wirkung entfalten, indem Parteien von vornherein davon abgeschreckt werden, eine Klage in einem derogierten Forum zu erheben. Man­ che teilen Abwehrmöglichkeiten in direkte Schutzmöglichkeiten (die darauf gerichtet sein sollen, das abredewidrig eingeleitete Verfahren zu verhindern oder zu beenden) und indirekte Schutzmöglichkeiten (die verhindern sollen, dass der nicht vertragsbrüchigen Partei aus der Missachtung der Vereinbarung Belastungen entstehen, oder die auf Kompensation solcher Nachteile abzielen) ein.1 Eine genaue Gruppierung ist jedoch nicht nötig und erfolgt auch in diesem Kapitel nicht. Die verschiedenen Abwehrmöglichkeiten sind disjunktiv, d. h. sie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können nebeneinanderstehen.2 Im Folgenden sollen die bisher in Rechtsprechung und Schrifttum diskutierten Ab­ wehrmöglichkeiten gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsver­ einbarungen – mit Ausnahme von Schadensersatzansprüchen – dargestellt wer­ den, und zwar die Einleitung eines (Parallel-)Verfahrens vor dem gewählten Gericht (B.), die Verhinderung der Zustellung der Klageschrift (C.), die Rüge der Zuständigkeit des derogierten Gerichts (D.), die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes (E.), die Beantragung eines Prozessführungsverbots (F.), die Er­ hebung einer Feststellungsklage (G.) sowie der Versuch, die Anerkennung der Diese Unterscheidung nimmt Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  189 und 375 vor. 2  Mankowski, IPRax 2009, 23, 25. 1 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

ausländischen Entscheidung zu verhindern (H.). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung (I).

B.  (Parallele) Klageerhebung vor dem gewählten Gericht I.  Zeitlich frühere Klageerhebung vor dem gewählten Gericht Der nächstliegende Weg, eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung in der Praxis durchzusetzen, liegt darin, selbst vor dem gewählten Gericht Klage zu erheben. Dies ist zunächst präventiv möglich. Befürchtet eine Partei, vor ei­ nem nicht gewählten Gericht verklagt zu werden, kann sie der Klage zuvorkom­ men und selbst vor das gewählte Gericht ziehen. Falls sie selbst keine Ansprü­ che durchzusetzen versucht, kann sie vor dem gewählten Gericht auch eine ne­ gative Feststellungsklage erheben, die auf die Feststellung, dass der anderen Partei keine Ansprüche gegen sie zustehen, gerichtet ist. Solche negativen Fest­ stellungsklagen kennen allerdings nicht alle Staaten. Im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten sind dann, wie darge­ stellt wurde, alle anderen, in derselben Sache später angerufenen mitgliedstaat­ lichen Gerichte gezwungen, das Verfahren nach Art.  27 Abs.  1 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F.) auszusetzen und sich, sobald das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit festgestellt hat, nach Art.  27 Abs.  2 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  29 Abs.  3 EuGVVO n. F.) für unzuständig zu erklä­ ren.3 Um jedoch der Gefahr einer zuständigkeitsbegründenden rügelosen Ein­ lassung sowie eines Versäumnisurteils zu entgehen, sollte die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts jedenfalls unter Hinweis auf das gewählte und zu­ erst angerufene Gericht bestritten werden. Im Verhältnis zwischen den Mit­ gliedstaaten kann also einer Missachtung der Vereinbarung durch vorherige Klageerhebung vor dem gewählten Gericht erfolgreich entgegengewirkt wer­ den.4 Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO, also im Verhältnis zu Dritt­ staaten, führt die anderweitige Rechtshängigkeit einer Klage hingegen nicht immer zu einem Zulässigkeitshindernis. Erstens kann es nämlich sein, dass das ausländische Gericht einem engeren Streitgegenstandsbegriff folgt als demjeni­

3  Der neue Erwägungsgrund (22) bestimmt in seinem zweiten Abschnitt, dass in dem Fall, dass das in der Vereinbarung benannte Gericht zuerst angerufen wird, die allgemeine Rechtshängigkeitsregel (also Art.  29 EuGVVO n. F.) und nicht Art.  31 Abs.  2, 3 EuGVVO n. F. gilt. 4  Ebenso aus englischer Sicht Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  353.

§ 6 – B.  (Parallele) Klageerhebung vor dem gewählten Gericht

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gen, welcher der Kernpunkttheorie5 des EuGH zugrunde liegt, und daher das Vorliegen von Klagen in derselben Sache verneint. Zweitens stellt die anderwei­ tige ausländische Rechtshängigkeit einer Klage in derselben Sache ohnehin nicht nach jeder Zivilprozessordnung ein Zulässigkeitshindernis dar. Die Einre­ de anderweitiger Rechtshängigkeit wird in manchen Rechtsordnungen kaum oder gar nicht beachtet.6 So ist die ausländische Rechtshängigkeit im traditionel­ len common law kein zwingendes Verfahrenshindernis. Die eigene Zuständig­ keit kann trotz eines im Ausland bereits anhängigen Verfahrens aufgrund von Ermessenserwägungen bejaht werden. In den USA geht dies zurück auf die Ent­ scheidung des Supreme Court in Colorado River Conservation District v. United States7, derzufolge die Bundesgerichte dazu verpflichtet sind, eine bestehen­ de Zuständigkeit auch auszuüben. Bis heute gibt es in den USA keine lis pendens-Regel.8 In der Literatur gibt es zwar einige, die sich – insbesondere unter Argumentation mit der comity – für eine stärkere Berücksichtigung der au­ ländischen Rechtshängigkeit einsetzen.9 Der Vorschlag von Silbermann und ­Lowenfeld, im Zuge des International Jurisdiction and Judgment Project des American Law Institute (ALI) eine modifizierte lis pendens-Regel unter dem Titel „Declination of Jurisdiction When Prior Action is Pending“ einzuführen, wurde bislang jedoch nicht befolgt und es steht auch nicht zu erwarten, dass sich dies ändert.10 So unterliegt die Frage, ob ein Verfahren in den USA durchge­ führt wird, obwohl bereits ein ausländisches Verfahren anhängig ist, weiterhin einer Ermessensprüfung.11 Faktoren sind dabei der Respekt vor dem Verfahren 5 

Vgl. zur Kernpunkttheorie bereits oben Teil I §  4 C. I. 1. Überblick bei Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2012, Rn.  435 m. w. N. 7  Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S.  800 (1976). 8  Fritze, in: Festschrift Vieregge (1995), S.  241, 244 ff.; George, 51 Baylor Law Review (1999), 769, 821; ders., 37 Texas International Law Journal (2002), 499, 506 ff.; P. Gottwald, in: Festschrift Jayme, Bd. I (2004), S.  277, 278; Silbermann, 26 Houston Journal of Interna­ tional Law (2004), 327, 339 f. 9  Z. B. Calamita, 27 University of Pennsylvania Journal of International Economic Law (2006), 601, 674 ff.; Parrish, 78 George Washington Law Review (2010), 237, 272 f. 10  Der Vorschlag ähnelt der deutschen Herangehensweise, insbesondere folgt er dem Spie­ gelbildprinzip. Mehr dazu bei Silbermann/Lowenfeld, 75 Indiana Law Journal (2000), 635; Silbermann, in: Einhorn/Siehr (Hrsg.), International Cooperation Through Private Internati­ onal Law – Essays in Memory of Peter E. Nygh (2004), S.  341. 11  Vgl. Landis v. North American Co., 299 U.S.  248 (1936); Colorado River Conservation District v. United States, 424 U.S.  800 (1976). Die Ermessensprüfung wird teilweise als international abstention bezeichnet, vgl. z. B. Posner v. Essex Ins. Co., 178 F.3d 1209, 1222 (11th Cir. 1999). Vgl. zum Überblick auch Habscheid, in: Festschrift Zweigert (1981), S.  109. Auch im autonomen englischen Recht wird über die Beachtung der ausländischen Rechtshängig­ keit im Rahmen einer allgemeinen forum non conveniens-Abwägung entschieden, bei der die ausländische Litispendenz nur ein Faktor unter vielen ist. Vgl. zum englischen Recht James, 6 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

vor dem ausländischen Gericht, Fairness gegenüber den Parteien sowie der effi­ ziente Gebrauch justizieller Ressourcen.12 Dabei hängt die Entscheidung häufig von der Wahrscheinlichkeit ab, mit welcher der ausländische Prozess sämtliche in den USA vorgebrachten Ansprüche abwickeln wird.13 Allerdings werden un­ terschiedliche Maßstäbe bei der Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit vertreten, teilweise wird die allgemeine forum non conveniens-Doktrin heran­ gezogen.14 Insgesamt besteht in den USA ein viel geringeres Unbehagen gegen­ über paralleler Prozessführung als hierzulande und eine Tendenz dahingehend, parallele Verfahren zuzulassen.15 In der Praxis bleibt die frühere Rechtshängig­ keit eines ausländischen Verfahrens in derselben Sache in den meisten Fällen, unabhängig von dem zugrunde gelegten Abwägungsmaßstab, unberücksich­ tigt.16 Nur ein in den USA anzuerkennendes ausländisches Urteil blockiert eine zweite Klage in den USA bzw. führt zur Einstellung des Verfahrens.17 Dabei verfügt die Entscheidung eines in einer Gerichtsstandsvereinbarung benannten ausländischen Gerichts allerdings generell über recht hohe Anerkennungsaus­ sichten in den USA.18 Im Ergebnis gilt daher: Die zeitlich frühere Klageerhe­ Litigation with a Foreign Aspect (2009), Rn.  10.84 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  220 m. w. N. 12  Silbermann, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 340. 13  Silbermann, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 340 unter Bezugnah­ me auf AAR Int’l, Inc. v. Nimelias Enter., S.A., 250 F.3d 510 (7th Cir. 2001); General Motors Corp. v. Lopez de Arriortua, 948 F. Supp.  656, 669 (E.D. Mich. 1996). 14  Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  228 f. m. w. N. 15  Vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handels­ verkehr (2007), S.  136 f.; Habscheid, in: Festschrift Lange (1970), S.  429, 438 ff.; Hau, Positi­ ve Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  52, demzufolge die Nichtbeachtung ausländischer Rechtshängigkeit leicht als Ausdruck von Geringschätzung gegenüber der ausländischen Rechtspflege verstanden werden könne; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  118 f.; Schütze, RIW 2005, 579, 584. Auch in England ging man stets davon aus, es gebe keine Vermutung, wonach parallele Verfahren an sich bereits vexatious seien, vielmehr könnten im Einzelfall auch legi­ time Interessen an der Durchführung mehrerer Prozesse bestehen, vgl. bereits Peruvian ­G uano Company v. Bockwoldt [1851–5] All E.R. 715, 716; McHenry v. Lewis [1882] 22 Ch.D. 397, 400. 16  Vgl. etwa Neuchatel Swiss General Insurance Co. v. Lufthansa Airlines, 925 F.2d 1193 (9th Cir. 1991); AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d 510 (7th Cir. 2001). Vgl. insgesamt auch Schulte, Die anderweitige (ausländische) Rechtshängigkeit im U.S.-amerikanischen Zivilprozessrecht (2001), S.  150 ff. 17  Vgl. etwa China Trade and Development Corp. v. M.V. Choong Yong, 837 F.2d 33, 36 (2d Cir. 1987). Vgl. auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikani­ schen Handelsverkehr (2007), S.  136 f.; Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  147 f.; Teitz, 10 Roger Williams University Law Review (2004), 1, 10. 18  Silberman, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 346 ff.

§ 6 – B.  (Parallele) Klageerhebung vor dem gewählten Gericht

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bung vor dem gewählten Gericht kann eine Klage der anderen Partei vor einem drittstaatlichen, z. B. US-amerikanischen, Gericht und die Durchführung eines parallelen Verfahrens vor diesem Gericht nicht sicher verhindern. Allerdings kann die Nichtbeachtung der deutschen Rechtshängigkeit dazu führen, dass das ausländische Urteil wegen §  328 Abs.  1 Nr.  3 ZPO in Deutschland nicht aner­ kannt und vollstreckt werden kann. Daneben wird dann in aller Regel auch das in §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO normierte Spiegelbildprinzip verletzt sein. II.  Zeitlich spätere Klageerhebung vor dem gewählten Gericht Ist bereits vor einem durch die Vereinbarung derogierten Gericht Klage erhoben worden, kann die nicht vertragsbrüchige Partei ebenfalls versuchen – möglichst zusätzlich zur Rüge der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts – ein paralleles Verfahren in der Sache vor dem gewählten Gericht einzuleiten. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten war es der nicht vertragsbrüchigen Partei jedoch bisher nach Art.  27 Abs.  1 EuGVVO a. F. nicht möglich, die anderweitig be­ gründete Rechtshängigkeit mittels Klageerhebung im prorogierten Forum zu durchbrechen. Wie dargestellt wurde, hilft nun aber die Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. weiter. Die redliche Partei kann nunmehr ungeach­ tet des bereits rechtshängigen Verfahrens vor das gewählte Gericht ziehen, wäh­ rend das derogierte Gericht das Verfahren aussetzen und, wenn das gewählte Gericht seine Zuständigkeit festgestellt hat, abweisen muss. Beachtenswert ist jedoch der Verweis in Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auf die Geltung von Art.  26 EuGVVO n. F.: Um eine rügelose Einlassung im derogierten Forum zu verhin­ dern, muss die redliche Partei dort also die Gerichtsstandsvereinbarung vertei­ digen. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten gilt also zukünftig, dass sich eine Partei gegen die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung wirksam zur Wehr setzten kann, indem sie nachträglich ein paralleles Verfahren im pro­ rogierten mitgliedstaatlichen Gericht in Gang setzt. Das bedeutet aber nicht, dass ihr aus der Klage im forum derogatum keinerlei Nachteile erwachsen. Wie schon dargestellt, sind trotzdem finanzielle Nachteile möglich, weil sie sich vor dem derogierten Gericht auf dessen Unzuständigkeit berufen muss, um eine rügelose Einlassung und sogar den Erlass eines Versäumnisurteils zu verhin­ dern. Außerdem besteht eine Restgefahr, dass das zuerst angerufene Gericht das Verfahren trotzdem durchführt und eher zu einer Sachentscheidung kommt. Dann nämlich steht der Entscheidung des prorogierten Gerichts nach Art.  45 Abs.  1 lit.  d) EuGVVO n. F. (bisher Art.  34 Nr.  4 EuGVVO a. F.) ein Anerken­ nungshindernis entgegen.19 19 

Vgl. dazu bereits oben Teil I §  4 D. III.

202

Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Ist vor einem drittstaatlichen Gericht unter Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten deutscher Gerichte eine Klage erhoben worden, steht es dem Beklagten wiederum frei, vor dem gewählten Gericht in Deutschland ein paralleles Verfahren einzuleiten. Weil das derogierte Gericht nach der Spie­ gelbildtheorie nämlich nicht über Anerkennungszuständigkeit nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO verfügt, steht die ausländische Rechtshängigkeit einem Verfahren vor einem deutschen Gericht mangels positiver Anerkennungsprognose auch nicht analog §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO entgegen, wie schon erläutert wurde.20 Ebenso gebietet es auch die EuGVVO dem gewählten Gericht nicht, die Klage unter Hinweis auf das in einem Drittstaat anhängige Verfahren abzuweisen bzw. auszusetzen. Ganz im Gegenteil folgt im Umkehrschluss aus der neu ein­ geführten Ermessensvorschrift in Art.  33 Abs.  1 EuGVVO n. F., dass das ge­ wählte Gericht das Verfahren gerade nicht deshalb aussetzen darf, weil bereits ein drittstaatliches Gericht mit derselben Sache befasst ist. Denn nach Art.  33 Abs.  1 EuGVVO n. F. dürfen gerade nur solche mitgliedstaatlichen Gerichte, die aufgrund der Art.  4, 7, 8 oder 9 EuGVVO n. F. über die allgemeine oder beson­ dere Zuständigkeit zur Entscheidung verfügen, das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen aussetzen, nämlich wenn a) die zu erwartende drittstaatliche Entscheidung in dem jeweiligen Mitgliedstaat voraussichtlich anerkennungsfä­ hig und vollstreckbar ist und zusätzlich b) die Aussetzung nach der Überzeu­ gung des Gerichts im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist. Gerichte, die nach Art.  25 EuGVVO n. F. zuständig sind, werden von der Vor­ schrift nicht genannt. Außerdem wäre in Deutschland (wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO) und den anderen Mitgliedstaaten, in denen das Spiegelbildprinzip gilt, die zu erwartende drittstaatliche Entscheidung auch nicht anerkennungsfähig, wie von Art.  33 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. gefordert wird. Folglich kann die nicht vertragsbrüchige Partei also stets vor dem gewählten mitgliedstaatlichen Ge­ richt einen Zweitprozess in Gang setzen, wenn schon vor einem drittstaatlichen Gericht ein Verfahren in derselben Sache anhängig ist. Allerdings wird das Ver­ fahren vor dem gewählten Gericht das zeitlich früher eingeleitete im Zweifel nicht stoppen. Es kann allenfalls, wenn dort die Zuständigkeitsfrage noch nicht abschließend geklärt worden ist, als Faktor in die Ermessensabwägung des aus­ ländischen, z. B. US-amerikanischen, Gerichts einfließen. Grundsätzlich ist in derartigen Fällen aber mit allen Nachteilen einer doppelten Prozessführung bis hin zu zwei parallelen einander widersprechenden Urteilen in derselben Sache zu rechnen.

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Vgl. dazu oben Teil I §  5 B. I.

§ 6 – C.  Verhinderung der Zustellung der abredewidrig erhobenen Klage

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C.  Verhinderung der Zustellung der abredewidrig erhobenen Klage Zeitweise wurde in Deutschland gehofft, man könne bestimmte aus dem Aus­ land stammende Klagen gegen inländische Beklagte von vornherein ausschal­ ten, indem bereits die Zustellung der Klageschrift verhindert würde.21 Diese Hoffnung stützte sich auf Art.  13 Abs.  1 des Haager Zustellungsübereinkom­ mens (HZÜ)22 , wonach die Erledigung eines Zustellungsantrags nach dem HZÜ nur abgelehnt werden kann, „wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.“ Sie erfuhr eine kurzzeitige Bestätigung, als das BVerfG im Jahr 2003 im Napster-Fall23 auf Antrag der Bertelsmann AG mit einer einstweiligen Anordnung die Zustellung einer US-amerikanischen Sammelklage untersagte. Im Jahr 2005 wurde die Anord­ nung jedoch wieder aufgehoben, weil die Bertelsmann AG ihre Verfassungsbe­ schwerde zurückgenommen hatte. Zwei Jahre später entschied das BVerfG24 dann, die Zustellung US-amerikanischer Sammelklagen in Deutschland im Wege der Rechtshilfe nach Maßgabe des HZÜ verstoße nur dann gegen unver­ zichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats, wenn das Ziel und die konkreten Umstände des Klageverfahrens auf einen offensichtlichen Rechts­ missbrauch schließen ließen, was grundsätzlich zu verneinen sei. Ebenso ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG25 die Zustellung US-amerikani­ scher Klagen, die auf Strafschadensersatz gerichtet sind, nicht aus verfassungs­ rechtlichen Gründen untersagt. Dies entspricht der Rechtsprechung der Ober­ landesgerichte26, welche die Zustellung sowohl von Sammelklagen als auch von auf Strafschadensersatz gerichteten Klagen grundsätzlich für zulässig erachten. Das OLG Koblenz27 beabsichtigte zwar im Jahr 2005, von der Rechtsprechung der anderen Oberlandesgerichte abzuweichen, und legte die Frage, ob die Zu­ 21  Vgl. Hollmann, RIW 1982, 784, 786; Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive da­ mages“-Klagen (1995), insb. S.  205; Stürner/Bormann, JZ 2000, 81; Wölki, RIW 1985, 530. 22  Haager Zustellungsübereinkommen vom 15. November 1965 (BGBl. 1980 II, S.  907). Vgl. dazu das Ausführungsgesetz vom 22. Dezember 1977 (BGBl. 1977 I, S.  3105). 23  BVerfG, 25.07.2003, RIW 2003, 874. Dazu Hess, JZ 2003, 923; Oberhammer, IPRax 2004, 40; Rothe, RIW 2003, 859; Zekoll, NJW 2003, 2885. 24  BVerfG, 14.06.2007, WM 2007, 1392. 25  Vgl. BVerfG, 07.12.1994, RIW 1995, 320; BVerfG, 24.01.2007, RIW 2007, 211 und dazu von Hein, RIW 2007, 249. 26  Vgl. z. B. OLG Düsseldorf, 11.07.2003, WM 2003, 1587 und 22.09.2008, NJW-RR 2009, 500 und 22.07.2009, NJW-RR 2010, 573; OLG Naumburg, 09.02.2006, BeckRS 2006, 04720; OLG München, 07.06.2006, BeckRS 2006, 07453; OLG Celle, 20.07.2006, BeckRS 2006, 09152. Differenzierend allerdings OLG Frankfurt a. M., 15.03.2006, NJOZ 2006, 3575. Vgl. zum Ganzen P.-A. Brand, NJW 2012, 1116, 1117 f. 27  OLG Koblenz, 27.06.2005, NJOZ 2005, 3122 = IPRax 2006, 25.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

stellung einer erpresserischen Sammelklage ordre public-widrig sei und einen Verstoß gegen Art.  13 HZÜ darstelle, dem BGH vor. Dieser musste über die Vorlagefragen allerdings aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen durch die Parteien nicht mehr entscheiden, nachdem in den USA über die Klage unabhängig von ihrer Zustellung in Deutschland mittlerweile in zweiter Instanz entschieden worden war. Im Ergebnis kann bei einer Sammelklage oder einer auf punitive oder treble damages gerichteten Klage also, wenn überhaupt, nur ganz ausnahmsweise da­ rauf gehofft werden, dass die Erledigung eines Zustellungsantrags am inländi­ schen ordre public scheitert.28 Die Ausführung des Zustellungsersuchens müss­ te einen Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechts­ staats bedeuten, was nur dann der Fall wäre, wenn das begehrte Klageziel als offensichtlich rechtsmissbräuchlich erscheint.29 Der inländischen Partei, die eine US-amerikanische Sammelklage oder eine auf punitive bzw. treble damages gerichtete Klage befürchtet, ist also nicht zu raten, darauf zu vertrauen, die Erledigung des Zustellungsantrags werde nach Art.  13 Abs.  1 HZÜ abgelehnt werden. Wenn dies aber schon für Sammelklagen und Klagen, die auf Straf- oder mehrfachen Schadensersatz gerichtet sind, gilt, kann eine Zustellungsver­ weigerung wegen Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung erst recht nicht möglich sein. Denn insofern bestimmt Art.  13 Abs.  2 HZÜ u. a., die Erledigung dürfe nicht allein aus dem Grund abgelehnt werden, dass der ersuchte Staat nach seinem Recht die ausschließliche Zuständigkeit seiner Ge­ richte für die Sache in Anspruch nimmt. Ein Verfahren im ausländischen forum derogatum kann also nicht dadurch vereitelt werden, dass die Zustellung der Klageschrift nach dem HZÜ verhindert wird.

D.  Zuständigkeitsrüge und Verlust des Prozesses im abgewählten Forum Die prozessinterne Lösung besteht darin, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unter Hinweis auf die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zu rügen. Erachtet das Gericht die Rüge als begründet und weist es das Verfahren ab, kann diese prozessinterne Lösung, je nach Ausgestaltung des Kostenrechts, den vertragsbrüchigen Kläger sanktionieren, indem er u. U. die gesamten ge­ richtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten zu tragen hat.30 28  Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  97. Speziell zur Zustellung von Sammelklagen vgl. Lenth, Class action-reaction (2013), S.  151 ff. 29  Vgl. P.-A. Brand, NJW 2012, 1116, 1118; Schütze, RIW 2009, 497, 498. 30  Dazu Mankowski, IPRax 2009, 23, 25 und oben Teil I §  4 D. II. 2.

§ 6 – D.  Zuständigkeitsrüge und Verlust des Prozesses im abgewählten Forum

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Im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten sollte eine Zuständig­ keitsrüge erfolgversprechend sein. Denn nach Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. hat sich ein mitgliedstaatliches Gericht, vor dem eine Person mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat verklagt wird, von Amts wegen für unzuständig zu erklä­ ren, wenn es nicht nach der EuGVVO zuständig ist und der Beklagte sich nicht auf das Verfahren einlässt. Allerdings sollte die im derogierten Forum verklagte Partei die Zuständigkeit wegen des in Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. enthaltenen Verweises auf Art.  26 EuGVVO n. F. rügen, um eine rügelose Einlassung zu verhindern. Demgegenüber ist im Verhältnis zu Drittstaaten nicht immer vorher­ sehbar, ob das drittstaatliche derogierte Gericht seine Zuständigkeit infolge der Rüge ohne Weiteres ablehnen wird. Wie wir gesehen haben, bestehen auch Un­ klarheiten hinsichtlich des Verhältnisses von forum non conveniens-Doktrin und reasonableness-Test.31 Immer, wenn das drittstaatliche Gericht, wie etwa in den USA, im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die Zuständigkeitsrüge be­ findet, ist es erstens möglich, dass das Gericht trotz der Zuständigkeitsrüge seine eigene Zuständigkeit bejaht und das Verfahren in der Sache durchführt. Zweitens kann es sein, dass die Zuständigkeitsrüge zwar Beachtung findet, das angerufene Gericht aber sehr lange braucht, um die Zuständigkeitsfrage zu beantworten. Drittens können der nicht vertragsbrüchigen Partei durch die Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung und die Rüge der Unzuständigkeit bereits Kosten entstanden sein, die sie nach der American rule of costs selbst zu tragen hätte. Obwohl die Zuständigkeitsrüge allein also in vielen Fällen nicht ausreichen wird, um sämtliche aus einer abredewidrig erhobenen Klage erwachsenden Nachteile für die beklagte Partei abzuwehren, sollte die fehlende Zuständigkeit trotzdem in jedem Fall gerügt werden, es sei denn, die beklagte Partei ist tat­ sächlich damit einverstanden, das Verfahren vor dem angerufenen Gericht durchzuführen. Es sollte auch daran gedacht werden, die Unzuständigkeit des Gerichts in jeder Instanz zu rügen.32 Andernfalls kann das angerufene Gericht seine Zuständigkeit mit einer rügelosen Einlassung des Beklagten begründen. Dies kann es der Partei u. U. unmöglich machen, später erfolgreich ein Prozess­ führungsverbot zu beantragen oder mit einer Folgeklage, etwa einer auf die Feststellung der Unzuständigkeit des Primärgerichts gerichteten Feststellungs- oder einer auf Ersatz der aus der Anrufung des abgewählten Gerichts folgenden Schäden gerichteten Schadensersatzklage, durchzudringen. Die Folgen einer rügelosen Einlassung für einen möglichen Schadensersatzanspruch werden in dieser Arbeit noch untersucht.33 Vor allem aber begründet die rügelose Einlas­ 31 

Vgl. dazu bereits oben Teil I §  5 D. II. 4. Dazu Schütze, RIW 2007, 801, 805. 33  Siehe unten Teil III §  11 D. II. 32 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

sung Anerkennungszuständigkeit i. S. v. §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO, sodass das zu erwartende ausländische Urteil auch im Inland anerkennungsfähig und voll­ streckbar wäre.34 Nur, wenn die beklagte Partei über keinerlei Vermögen in dem Urteilsstaat sowie allen anderen Staaten, in denen das Urteil erwartungsgemäß anerkannt und vollstreckt werden kann, verfügt, kann es ausnahmsweise unge­ fährlich sein, die Klage einfach zu ignorieren und gar nicht zu reagieren.35 Dann ist das Urteil wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO im Inland nicht anerkennungsfähig und im Ausland hätte die Partei in diesem Fall nichts zu befürchten; gleichwohl würde sie sich durch ein solches Verhalten auf ein Glücksspiel einlassen.

E.  Einstweiliger Rechtsschutz I. Überblick Eine weitere Möglichkeit zum Schutz der Durchsetzbarkeit einer internationa­ len Gerichtsstandsvereinbarung könnte im einstweiligen Rechtsschutz beste­ hen. Dabei unterfallen auch Prozessführungsverbote (anti-suit injunctions) dem einstweiligen Rechtsschutz, werden aber nachfolgend gesondert dargestellt. Ge­ meint sind vorliegend vielmehr Anträge im einstweiligen Rechtsschutz, die auf eine vorläufige Entscheidung in der Sache selbst zielen. Auf diese Weise könnte die redliche Partei, die sich einer Torpedo-Klage ausgesetzt fühlt, beispielswei­ se versuchen, der damit einhergehenden Verzögerung des Streits zu entgehen und trotz des Verschleppungsversuchs ihres Gegners doch eine – wenn auch nur vorläufige – Sicherung ihrer Rechte oder eine Regelung des Streits zu erreichen. Unterschiede können sich wiederum ergeben je nachdem, ob sich der Fall im Mitgliedstaatenverhältnis oder im Verhältnis gegenüber einem Drittstaat, bei­ spielsweise den USA, abspielt. II.  Einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten 1.  Die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes nach der alten EuGVVO a)  Kein lis pendens-Prinzip im Verhältnis zwischen Hauptsache und vorläufigem Rechtsschutz Vor der Reform der EuGVVO haben vor allem im Bereich der problematischen Torpedo-Fälle die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes einen gewis­ 34  35 

Vgl. BGH, 03.12.1992, WM 1993, 524. Dazu Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  268 ff.

§ 6 – E.  Einstweiliger Rechtsschutz

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sen Schutz davor geboten, zum Opfer einer missbräuchlichen Prozesstaktik durch die andere Partei zu werden. Konnte eine Partei den Streit nicht vor das eigentlich zuständige Gericht bringen, weil die andere Partei dessen Beilegung durch Ausnutzung der Rechtshängigkeitsregel in Art.  27 EuGVVO a. F. gelähmt hatte, konnte sie zumindest versuchen, Schutz durch eine einstweilige Maßnah­ me zu erlangen. Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wurden nämlich nicht von einem zeitlich früher anhängigen Hauptsacheverfahren ausgeschlos­ sen, denn das Verfahren in der Hauptsache und eine im einstweiligen Rechts­ schutz begehrte Maßnahme betrafen nicht denselben Anspruch i. S. v. Art.  27 EuGVVO a. F. Man argumentierte mit der Gefahr, dass es eine Partei andern­ falls in der Hand hätte, der Gegenpartei zuvorzukommen und ihr durch Erwir­ kung einer einstweiligen Maßnahme den Zugang zu dem nach der Verordnung zuständigen Gericht zu entziehen.36 Gemäß Art.  31 EuGVVO a. F. konnten die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats auch dann beantragt werden, wenn für die Ent­ scheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats zustän­ dig war. Nachdem ein Hauptsacheverfahren, beispielsweise eine negative Fest­ stellungsklage, anhängig war, konnte also erstens vor dem eigentlich nach der EuGVVO zuständigen Gericht einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden.37 Dies sollte sogar auch dann gelten, wenn dieses Gericht bereits in einer Klage angerufen worden war, das Verfahren aber nach Art.  27 EuGVVO a. F. unter Hinweis auf die früher in einem anderen Mitgliedstaat anhängige Feststellungs­ klage ausgesetzt hatte.38 Zweitens konnte gemäß Art.  31 EuGVVO a. F. auch vor einem nach dem nationalen Recht zuständigen mitgliedstaatlichen Gericht einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden.39 Dem Gläubiger stand also ein Wahlrecht zu.40 Allerdings verlangte der EuGH für die Zulässigkeit einer Maß­ 36  Vgl. aus Deutschland OLG Hamburg, 28.02.1997, EWiR 1997, 791 m. Anm. Mankowski und aus Österreich OGH, 27.11.2002, GRUR Int. 2002, 936 sowie OGH, 28.09.2006, GRUR Int. 2007, 433. Siehe auch Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Art.  27 EuGVVO Rn.  46 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  14; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  27 Brüssel I-VO Rn.  13; Mankowksi, JZ 2005, 1144, 1148; Stadler, JZ 1999, 1089, 1099, jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung anderer Mitgliedstaaten. 37  EuGH, 17.11.1998, Rs. C-391/95 (Van Uden Maritime BV/Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a.), Slg. 1998, I-7091, Rn.  19; OLG Hamburg, 22.04.2002, GRUR Int. 2002, 1025 und dazu Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  31 EuGVO Rn.  10. Ein Rückgriff auf Art.  31 EuGVVO a. F. ist für die in der Hauptsache zuständigen Gerichte nicht erforderlich, sie sind stets für den Erlass einstweiliger Maßnahmen zuständig, vgl. ­Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  16 f. 38  Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  31 EuGVO Rn.  19. 39  Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  27 EuGVO Rn.  14 m.w.N in Fn.  53 und Art.  31 EuGVO Rn.  14. 40  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  2. Eine

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

nahme i. S. v. Art.  31 EuGVVO a. F. als ungeschriebene Voraussetzung eine „re­ ale Verknüpfung“ zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem sich das angeru­ fene Gericht befand.41 b)  In aller Regel geringe Erfolgsaussichten mangels besonderer Dringlichkeit Gerade zum Schutz einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bestan­ den für die redliche Partei mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Maß­ nahme jedoch geringe Erfolgschancen. Denn für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Maßnahme muss der Antragsteller nach dem jeweiligen nationa­ len Recht regelmäßig einen bestimmten Grund glaubhaft machen, der die vor­ läufige Regelung vor dem Hintergrund der Gefahr einer Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt.42 In Deutschland hat der Antragsteller einen besonde­ ren Verfügungsgrund etwa dann glaubhaft gemacht, wenn eine vorläufige Rege­ lung „zur Abwendung wesentlicher Nachteile“ nötig erscheint, §§  940, 936, 920 Abs.  2, 294 ZPO. Für diese besondere Dringlichkeit soll es aber gerade nicht ausreichend sein, dass im Ausland eine negative Feststellungsklage anhängig ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarung hat grundsätzlich keinen Derogationseffekt ge­ genüber der Zuständigkeit nationaler Gerichte nach Art.  31 EuGVVO a. F. in Verbindung mit dem nationalen Prozessrecht für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, vgl. Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  33 m. w. N. Bei einer Schiedsvereinbarung war indes umstritten, ob lediglich nach Art.  31 EuGVVO a. F. die nach nationalem Recht zuständigen Gerichte in Frage kommen sollten (so Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  31 EuGVO Rn.  13) oder ob die allgemeinen Zuständigkeitsnormen der EuGVVO, jedenfalls dann, wenn das nationale Recht trotz einer Schiedsvereinbarung einstweilige Maßnahmen auch staatlicher Gerichte zulässt, als Zuständigkeitsnormen des nationalen Rechts gelten sollten (so Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  20). Nach Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  643 f. ist nicht davon auszugehen, dass die Parteien bei Abschluss der Schiedsvereinbarung die Intention hatten, die nach der EuGVVO bestehende Zuständig­ keit nationaler Gerichte zum Erlass einstweiliger Maßnahmen auszuschließen. 41  Vgl. EuGH, 17.11.1998, Rs. C-391/95 (Van Uden Maritime BV/Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a.), Slg. 1998, I-7091, Rn.  40. Die Einzelheiten waren dabei umstritten. Der Begriff der realen Verknüpfung sollte einen vollstreckungsrechtlichen Gehalt haben, sodass nach Art.  31 EuGVVO a. F. nur Gerichte desjenigen Vertragsstaats zuständig waren, in dem die einstweilige Maßnahme vollzogen werden sollte und in dem der Antragsgegner – bei auf Geld- oder Sachleistungen gerichteten Leistungsverfügungen – über hinreichendes Vermögen verfügte. Vgl. dazu Hess, IPRax 2000, 370, insb. 373; Kropholler/von Hein, Eu­ ZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  31 EuGVO Rn.  15; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  23 ff.; Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  614 ff. 42  Dazu Carl, Einstweiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen (2007), S.  219 ff.

§ 6 – E.  Einstweiliger Rechtsschutz

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ist.43 Die Gefahr einer längeren Blockade des Rechtsschutzbegehrens des An­ tragstellers kann nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte lediglich in die Abwägung des Gerichts einfließen, bei dem einstweiliger Rechtsschutz be­ antragt wird. Darüber hinaus muss der Antragsteller zusätzliche Umstände dar­ tun, die das Erfordernis einer vorläufigen Entscheidung rechtfertigen.44 Solche Umstände für die besondere Dringlichkeit glaubhaft zu machen, gelang häufig dem Schutzrechtsgläubiger in Patentrechtsstreitigkeiten, weil ohne Erlass der Maßnahme beispielsweise durch eine weitere Verletzung des Schutzrechts ein irreparabler wirtschaftlicher Schaden drohen konnte.45 Gerade in Patentrechts­ streitigkeiten haben die Parteien aber kaum im Voraus eine Gerichtsstandsver­ einbarung geschlossen. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen finden sich typischerweise in transnationalen Handelsverträgen. Bei Streitigkeiten aus einem solchen Handelsvertrag, z. B. wegen ausstehender Zahlungen, war es je­ doch schwierig, dem Gericht die besondere Dringlichkeit glaubhaft zu machen. Die abstrakte Verweisung auf eine allgemein erfahrungsgemäß lange Verfah­ rensdauer vor einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht konnte im Zweifel nicht ausreichen, um das angerufene Gericht von der besonderen Dringlichkeit zu überzeugen. In der Rechtssache Gasser vergleichbaren Fällen war die Glaub­ haftmachung des Verfügungsgrundes für eine Leistungsverfügung daher nur sehr selten möglich.46 Das galt noch mehr für die Fälle, in denen die begehrte Leistungsanordnung auf die vorläufige Zahlung von Schadensersatz gerichtet war.47 Es hätte wohl einer Feststellung bedurft, dass durch ein Abwarten Art.  6 Abs.  1 EMRK verletzt wäre.48 Einer Befriedigungsverfügung, mit welcher der Gläubiger nicht nur eine einstweilige Regelung, sondern die vorweggenommene Befriedigung anstrebt, sind außerdem zusätzliche Grenzen durch die Rechtsprechung des EuGH ge­ setzt. Danach kann zwar „nicht von vornherein generell und abstrakt ausge­ schlossen werden, dass die Anordnung der vorläufigen Erbringung einer ver­ traglichen Hauptleistung, auch wenn ihr Betrag dem des Klageantrags ent­ spricht, zur Sicherstellung der Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache erforderlich ist und gegebenenfalls angesichts der Parteiinteressen gerechtfer­ 43 

357.

LG Düsseldorf, 08.07.1999, GRUR 2000, 692. Vgl. auch Meier-Beck, GRUR 2000, 355,

LG Düsseldorf, 27.01.1998, IPRax 1999, 461 m. Anm. Otte, IPRax 1999, 440; LG Ham­ burg, 22.04.2002, GRUR Int. 2002, 1025. 45  Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 172. 46  Grothe, IPRax 2004, 205, 211; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 172: „praktisch aussichtslos“. 47  Dazu Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  686. 48  Freitag, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004, 399, 420. 44 

210

Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

tigt erscheint.“49 Um eine Vorwegnahme der Hauptsache zu verhindern, sollen Leistungsverfügungen der nach nationalem Recht zuständigen Gerichte i. S. d. Art.  31 EuGVVO a. F. aber nur dann möglich sein, wenn die Rückzahlung des zugesprochenen Betrages an den Antragsgegner in dem Fall, dass der Antrag­ steller in der Hauptsache unterliegt, gewährleistet ist und wenn die beantragte Maßnahme nur bestimmte im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befindliche Vermögensgegenstände des Antragsgegners betrifft.50 Diese Erfor­ dernisse machten den einstweiligen Rechtsschutz zur Erlangung einer vorläufi­ gen Sachentscheidung für das Opfer einer Torpedo-Taktik noch aussichtsloser und unattraktiver. Der einstweilige Rechtsschutz hat sich nach alledem insbesondere in Patent­ rechtsstreitigkeiten als eine einigermaßen wertvolle Waffe gegen Verzöge­ rungstaktiken durch Torpedo-Klagen entpuppt. In diesem Bereich kann er da­ bei weiterhelfen, die Nachteile abzuwenden, die aus der Verletzung eines Schutzrechts gekoppelt mit einer Klageerhebung vor einem unzuständigen oder besonders langsamen Gericht entstehen können. In anderen Fällen, wenn z. B. eine auf vorläufige Befriedigung gerichtete Leistungsverfügung beantragt wird, wird es dem Antragsteller häufig misslingen, den Verfügungsgrund der beson­ deren Dringlichkeit glaubhaft zu machen. Gerade in den typischen Fällen aus dem transnationalen Handelsrecht, in denen sich eine Partei vor einem in einer Gerichtsstandsvereinbarung abgewählten mitgliedstaatlichen Gericht verklagt sah, war es also bislang schwer, Schutz durch eine einstweilige Maßnahme zu erreichen. c)  Vor- und Nachteile einstweiliger Maßnahmen zum Schutz gegen Torpedo-Klagen Selbst wenn es einer Partei im Einzelfall gelang, einem Torpedo-Kläger im f­orum derogatum die Früchte seiner Verzögerungstaktik zu nehmen, indem sie erfolgreich eine einstweilige Maßnahme beantragt hatte, war der einstweilige EuGH, 17.11.1998, Rs. C-391/95 (Van Uden Maritime BV/Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a.), Slg. 1998, I-7091, Rn.  45. 50  EuGH, 17.11.1998, Rs. C-391/95 (Van Uden Maritime BV/Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a.), Slg. 1998, I-7091, Rn.  47. Dazu Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  617 m. w. N.; Stadler, JZ 1999, 1089, 1097. Noch strenger verlangt das deutsche Recht, dass eine Befriedigungsverfügung zwin­ gend erforderlich sein muss, um den Antragsteller vor besonders schweren Nachteilen, etwa Existenzgefährdung oder ähnlich gravierenden Notlagen, zu schützen, vgl. Leible, in: Rau­ scher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  10. Eine solche Notwendigkeit wird beispielweise dann bejaht, wenn es um den Lebensunterhalt des Gläubigers oder eine wettbewerbs- oder arbeitsrechtliche Angelegenheit geht. 49 

§ 6 – E.  Einstweiliger Rechtsschutz

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Rechtsschutz außerdem nicht immer geeignet, die redliche Partei umfassend zu schützen. Generell gilt nämlich: Eine einstweilige Anordnung ändert nichts an dem Verfahren im derogierten Forum. Die nicht vertragsbrüchige Partei kann also nach wie vor Nachteile dadurch erleiden, dass sie sich vor dem Hauptsache­ gericht verteidigen und dessen Zuständigkeit rügen muss. Weiterhin kann der Gläubiger im einstweiligen Rechtsschutz nicht sicher darauf vertrauen, dass die von ihm erstrittene einstweilige Maßnahme auch in allen Mitgliedstaaten voll­ streckbar ist. Es ist nämlich umstritten, wie es sich auswirkt, wenn der Gegner nicht in einer mündlichen Verhandlung gehört und nicht geladen worden ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ ist die Entscheidung dann nicht in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen, sodass sie nicht nach den Regeln der EuGVVO anerkannt und vollstreckt werden kann.51 Darüber hinaus ist auch umstritten, ob auch Maßnahmen von nach Art.  31 EuGVVO a. F. zuständigen Gerichten in anderen Mitgliedstaaten nach den Regeln der EuGV­ VO vollstreckt werden können.52 Weiterhin trägt der Gläubiger im einstweiligen Rechtsschutz das Risiko, dass das Hauptsachegericht im Nachhinein eine ande­ re Entscheidung in Bezug auf den Verfügungsanspruch treffen wird. Im deut­ schen Recht muss er dann u. U. für die Vollstreckung solcher Maßnahmen, die sich im Nachhinein als unbegründet erweisen, nach §  945 ZPO verschuldensun­ abhängig Schadensersatz leisten.53 Aus rechtspolitischer Sicht zugutezuhalten war dieser Schutzmöglichkeit aber stets, dass das um einstweiligen Rechtsschutz ersuchte Gericht keine Ent­ scheidung über die Zuständigkeit des Hauptsachegerichts zu treffen hat und an­ dere Aspekte, wie z. B. die Verfahrensdauer vor dem Erstgericht, nicht zwin­ gend in die Abwägung, ob einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren ist, einflie­ ßen müssen. Die Entscheidung kann sich auf die Beurteilung der Eilbedürftigkeit 51  EuGH, 21.05.1980, Rs. 125/79 (Bernard Denilauler/S.N.C. Couchet Frères), Slg. 1980, 1553, Rn.  18. Vgl. zur Problematik Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  36 ff.; Schlosser, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  620. 52  Für die Mehrzahl der Fälle ablehnend Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  31 EuGVO Rn.  24; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  31 Brüssel I-VO Rn.  38; C. Wolf, EWS 2000, 16 f. Zu den möglichen Ausnahmen vgl. Hess, IPRax 2000, 373. In der neuen EuGVVO regeln nunmehr die Art.  2 lit.  a), 42 Abs.  2 EuGVVO n. F. die Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen. 53  Dazu Freitag, IPRax 2002, 267; ders., Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004, 399, 420. Ähnliche Ansprüche gibt es auch nach den Rechtsordnungen anderer Mit­ gliedstaaten, z. B. gemäß §  394 Abs.  1 S.  1 des österreichischen Gesetzes über das Exeku­ tions- und Sicherungsverfahren. Dazu ebenfalls Freitag, IPRax 2002, 267, 267. Zur paralle­ len Problematik bei unberechtigten einstweiligen Anordnungen, die ein Schiedsgericht erlas­ sen hat, vgl. Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

beschränken. Damit galt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ver­ gleich zu anderen Schutz- und Abwehrmaßnahmen gegen missbräuchliche Kla­ gen als „souveränitätsschonender“54 und besser mit dem Prinzip der Beachtung anderweitiger Rechtshängigkeit zu vereinbaren. 2.  Die Rechtslage unter der revidierten EuGVVO Das Prioritätsprinzip wird in alter Tradition von der reformierten Verordnung in Art.  29 EuGVVO n. F. fortgeführt. Abseits der Fälle, in denen die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  25 EuGVVO n. F. eingegangen sind, be­ steht die Torpedo-Problematik daher grundsätzlich fort. Gerade in Patentrechts­ streitigkeiten kann es also auch in Zukunft möglich sein, dass der Verletzer ei­ nes Schutzrechts einer befürchteten Klage durch Erhebung einer taktischen ne­ gativen Feststellungsklage im Forum seiner Wahl zuvorkommt und die Beilegung des Streits dadurch verzögert. Art.  35 EuGVVO n. F. führt nun die Vorschrift des Art.  31 EuGVVO a. F. fort. An der Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen, wenn die andere Partei eine Klage vor einem un­ zuständigen Gericht erhoben hat, hat sich grundsätzlich nichts geändert.55 Für die Fälle, in denen eine Gerichtsstandsvereinbarung verletzt worden ist, besteht jedoch zukünftig wegen der Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuG­ VVO n. F., wie dargestellt wurde, keine Torpedogefahr mehr.56 Die nicht ver­ tragsbrüchige Partei braucht also nicht mehr zu versuchen, Schutz über eine einstweilige Maßnahme zu erlangen, sondern kann eine Klage in der Sache vor dem prorogierten Gericht anstrengen. Sollte sie es im Einzelfall besonders eilig haben und kann sie die Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes aus­ nahmsweise glaubhaft machen, steht es ihr auch in Zukunft frei, den Erlass ei­ ner einstweiligen Maßnahme zu beantragen. Daran dürfte sich durch die Ein­ führung des Art.  31 EuGVVO n. F. nichts geändert haben. III.  Einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zu Drittstaaten Auch wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung vor einem drittstaatlichen Gericht verletzt worden ist, kann die nicht vertragsbrüchige Par­ tei versuchen, Rechtsschutz durch Beantragung einer einstweiligen Maßnahme zu erlangen. In den meisten Fällen wird sie damit jedoch wenig Aussicht auf Erfolg haben. Es ist bereits umstritten, in welchem Ausmaß die deutschen Ge­ So Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 172. Zum Überblick vgl. Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Ver­ tragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.152 f. 56  Vgl. oben Teil I §  4 C. IV. 54  55 

§ 6 – E.  Einstweiliger Rechtsschutz

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richte die Kompetenz haben, einstweilige Maßnahmen mit Wirkung für das Ausland zu erlassen. Zwar kann nach der deutschen Rechtsprechung57 und Leh­ re58 ein inländisches Gericht eine Partei grundsätzlich auch zu einer Leistung oder Unterlassung auf fremdem Territorium verurteilen, also einstweilige Ver­ fügungen mit Wirkungen im Ausland erlassen. Trotzdem werden teilweise auch völkerrechtliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit extraterritorial wirken­ der einstweiliger Maßnahmen geäußert.59 Problematisch ist außerdem die Fra­ ge, ob eine von einem inländischen Gericht erlassene einstweilige Maßnahme überhaupt praktische Wirkungen in einem Drittstaat erzielen kann. In den USA ist die Anerkennung ausländischer vorsorglicher Maßnahmen an hohe Voraus­ setzungen gebunden und gelingt nur selten.60 So setzt die Anerkennung und Vollstreckung nach §  2 des Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (1962) voraus, dass die ausländische Entscheidung final and conclusive, also endgültig ist, was bei einstweiligen Maßnahmen grundsätzlich zu verneinen ist. Und selbst wenn man die Endgültigkeit der ausländischen Verfügung bejaht, bestimmt §  4(b)(1) weiter, dass ex parte-Verfügungen, also solche, die ohne An­ hörung des Gegners erlassen worden sind, grundsätzlich nicht anzuerkennen sind. Als Abwehrmaßnahme gegen die Verletzung einer Gerichtsstandsverein­ barung durch Klage in einem Drittstaat, z. B. den USA, ist der einstweilige Rechtsschutz also in aller Regel nicht geeignet. In den meisten Fällen werden bereits seine Voraussetzungen mangels besonderer Dringlichkeit nicht vorlie­ gen. In den verbliebenen Fällen kann nicht immer damit gerechnet werden, dass eine inländische einstweilige Maßnahme überhaupt Wirkungen in einem Dritt­ staat erzielt.61

57 

Vgl. z. B. OLG Stuttgart, 26.09.1983, ZZP 97 (1984), 487. Vgl. Albrecht, Das EuGVÜ und der einstweilige Rechtsschutz in England und in der Bundesrepublik Deutschland (1991), S.  68; Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  396; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis (2005), S.  126; Schlosser, in: Festschrift Lorenz (1991), S.  497, 504 f. 59  Vgl. den Überblick bei Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internatio­ nalen Verhältnis (2005), S.  326 ff. 60  Überblick bei Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Ver­ hältnis (2005), S.  231 ff. 61  Weiterführend Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis (2005), insb. S.  326 ff. 58 

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

F.  Prozessführungsverbote I. Überblick Die am heftigsten diskutierte Abwehrmöglichkeit gegen die Missachtung von Zuständigkeitsvereinbarungen stellen die aus dem anglo-amerikanischen Recht bekannten Prozessführungsverbote (anti-suit injunctions) dar. Hier beantragt eine Partei, der anderen Partei die Einleitung oder Fortführung eines Prozesses vor einem ausländischen Gericht zu untersagen. Dabei besteht der Normalfall in einem Antrag auf Erlass eines Prozessführungsverbots, wenn bereits ein aus­ ländisches Verfahren anhängig ist, doch grundsätzlich können auch präventive Klageverbote beantragt werden.62 II.  Prozessführungsverbote in England und in den USA 1.  Prozessführungsverbote in England Prozessführungsverbote entstammen dem englischen Recht. Ihr Ursprung geht ins England des 15. Jahrhunderts zurück, als sich das englische Billigkeitsrecht (equity) neben das bis dahin allein gültige common law gesellte und es häufig zum Streit zwischen den common law Courts und dem für equity law zuständi­ gen Court of Chancery kam. Dieser erweiterte seine Befugnisse spätestens Ende des 17. Jahrhunderts darauf, auch Prozesse in Irland und Schottland, den briti­ schen Kolonien und später auch im Ausland zu untersagen.63 Heute hat der High Court London gemäß Sec. 37(1) Supreme Court Act 1981 die Befugnis, Verfü­ gungen zu erlassen, „[…] in all cases in which it appears to the court to be just and convenient to do so.“ Dazu zählen auch anti-suit injunctions.64 Prozessfüh­ rungsverbote können dabei als vorläufige Maßnahmen (interim oder interlocutory anti-suit injunctions) oder als Hauptsacheentscheidung ( final anti-suit injunctions) ergehen, wobei die einstweiligen Anordnungen den Regelfall bilden.65 Mankowski, IPRax 2009, 23, 25. Vgl. zur historischen Entwicklung der anti-suit injunction in England Briggs, Agree­ ments on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  201 ff.; Gross, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2005, 10, 14; Hartley, 35 American Journal of Comparative Law (1987), 487, 489 ff.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  191 f.; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  81; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  13 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  285 ff.; Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Kap.  2 (S.  41 ff.). 64  Diese gesetzliche Grundlage ändert aber nichts an der Qualifizierung von anti-suit injunctions als equitable remedies, vgl. Illmer, IPRax 2012, 406, 406 Fn.  5 m. w. N. 65  Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Rn.  3.03. 62 

63 

§ 6 – F.  Prozessführungsverbote

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Für Schiedsvereinbarungen findet sich ein Verweis in Sec. 44(1), 44(2)(e) Arbit­ ration Act 1996. Wer gegen ein Prozessführungsverbot verstößt, begeht einen sanktionsbewehrten contempt of court mit zivil- und strafrechtlichen Folgen. Die Rechtsfolgen sind vielseitig und reichen von Bußgeldern und Vermögensbe­ schlagnahme bis hin zu unmittelbarem Zwang und Inhaftierung des Klägers, im Falle einer juristischen Person deren Vertreters.66 Befindet sich die Partei im Ausland, bleibt die Beschlagnahme inländischen Vermögens (sequestration).67 Die Partei kann außerdem von der Teilnahme am englischen Verfahren ausge­ schlossen werden68 und muss u. U. Schadensersatz für die Nichtbeachtung des Prozessführungsverbots leisten.69 Das im Ausland angestrebte Urteil kann in England wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkannt und vollstreckt werden.70 Als equity-Anspruch wird auf die anti-suit injunction stets englisches Recht angewendet. Dies wird damit begründet, dass das Recht der equity stark mit dem stets der lex fori unterliegenden Prozessrecht verwandt sei.71 Die bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Prozessführungs­ verbots anzuwendenden Ermessenskriterien ähneln grob denen der Lehre vom forum non conveniens, im Detail waren sie jedoch lange umstritten. Während noch im bereits geschilderten Fall des Matrosen Castanho72 der von den Be­ klagten in England eingereichte Antrag, Castanho die Prozessführung in Texas zu versagen, abgelehnt wurde, haben sich in der Folgezeit englische Gerichte häufig sehr schnell als das natürlich zuständige Forum betrachtet, Prozessfüh­ rungsverbote erlassen und damit ausländische Prozesse verhindert. Später wur­ den die Kriterien von denen des forum non conveniens abgekoppelt und ver­ schärft. In dem berühmten Fall Société Nationale Industrielle Aérospatiale (S.N.I.A.) v. Lee Kui Jak 73, in dem die Witwe eines Mannes aus Brunei, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, Schadensersatz verlangte, erließ der Privy Council nach einigem Hin und Her das von der französischen Gesellschaft beantragte Prozessführungsverbot und untersagte der Klägerin 66  Vgl. zur Vollstreckung der Sanktionen im Einzelnen Peyer, Vollstreckung unvertretba­ rer Handlungen und Unterlassungen (2006), S.  7 f. und 80 ff. 67  Vgl. dazu insgesamt Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländi­ schen Gerichten (1989), S.  32. 68  Motorola Credit Corporation v. Uzan and others [2003] EWCA Civ 752. 69  Midland Marts v. Hobday [1981] 1 WLR 1143. 70  Z. B. Philip Alexander Securities and Futures Ltd v. Bamberger and others [1997] I.L.Pr. 73 (C.A.). Vgl. Briggs, in: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5.  Aufl. 2009, Rn.  5.55. 71  Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 441 m. w. N. 72  Vgl. die Darstellung oben in Teil I §  5 B. II. 2. c). 73  Société Nationale Industrielle Aérospatiale (S.N.I.A.) v. Lee Kui Jak [1987] 3 All E.R. 510.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

eine Schadensersatzklage in den USA. Dabei stellte er neue Kriterien für den Erlass von Prozessführungsverboten auf: Das Gericht müsse erstens feststellen, dass es selbst das natürlich zuständige Forum sei, zweitens müsse der Antrag­ steller den Nachweis bringen, dass der Nichterlass des Prozessführungsverbots eine injustice bedeuten würde, und drittens dürfe ein Prozessführungsverbot den Kläger nicht von den Vorteilen im ausländischen Forum abschneiden, so­ dass es ungerecht wäre, ihm diese vorzuenthalten.74 Generell muss sich der An­ tragsgegner also durch die Klageerhebung im Ausland vorwerfbar verhalten haben, damit eine injunction durch ein englisches Gericht möglich ist. Der An­ tragsteller muss sich auf den Schutz eines substantive legal or equitable right berufen können oder die Klageerhebung bzw. Prozessführung im Ausland muss vexatious or oppressive erscheinen.75 Konkreter haben sich hieraus in der Fol­ gezeit drei Fallgruppen entwickelt, die von Huber76 folgendermaßen dargestellt werden: Erstens dienen manche Prozessführungsverbote allein der Durchsetzung eng­ lischer Zuständigkeitsinteressen und sollen ein zuvor anhängiges englisches Verfahren schützen. Solche Prozessführungsverbote sind selten und werden nur erlassen, wenn eine umfassende Abwägung ergeben hat, dass es sich beim aus­ ländischen Gericht um ein forum non conveniens handelt.77 Zweitens können anti-suit injunctions dann erlassen werden, wenn der Antragsgegner durch die ausländische Klageerhebung besonders verwerflich gehandelt hat, insbesondere, wenn er mit der Klageerhebung vor allem das Ziel verfolgt hat, die englische Partei unter Druck zu setzen oder ein englisches Verfahren zu behindern. Auch hier können forum non conveniens-Kriterien herangezogen werden. Angesichts der besonderen Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Antragsgegners werden sol­ che Prozessführungsverbote jedoch mit einer geringeren Zurückhaltung erlas­ sen als die der ersten Fallgruppe.78 Drittens können in England Prozessführungs­ verbote immer dann erlassen werden, wenn sich die Parteien durch eine aus­ schließliche Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung darauf geeinigt haben, nur vor bestimmten Gerichten zu klagen, eine Partei dann aber doch ein anderes Gericht anruft (sog. obligation-based injunctions bzw. contractual cases).79 74  Zum Ganzen Société Nationale Industrielle Aérospatiale (S.N.I.A.) v. Lee Kui Jak [1987] 3 All E.R. 510, insb. 522. Vgl. auch die genaue Darstellung der Voraussetzungen bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  302 ff. 75  Vgl. hierzu Illmer, IPRax 2012, 406 m. w. N. in Fn.  7 f. 76  Vgl. dazu Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 58 f. 77  Vgl. z. B. Airbus Industrie GIE v. Patel and others [1998] 2 WLR 686 (H. L.) und dazu Schlosser, IPRax 1999, 115. 78  Vgl. z. B. Turner v. Grovit and others [2001] UKHL 65. 79  Royal Exchange Assurance Co. Ltd v. Compania Naviera Santi S.A. (The Tropaioforos)

§ 6 – F.  Prozessführungsverbote

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Die Anforderungen für den Erlass von Prozessführungsverboten der dritten Gruppe sind vergleichsweise geringer. Voraussetzung ist, dass die Vereinba­ rung wirksam, ausschließlich und für beide Parteien bindend ist, die Streitigkeit von ihrem Anwendungsbereich erfasst wird und eine Verpflichtung begründet, die andere Partei in keinem anderen Staat als dem benannten zu verklagen.80 Die ausschließliche Vereinbarung bildet hier ein substantive legal right, dessen Schutz der Antragsteller geltend machen kann.81 Ob ein solches Recht vorliegt, die Gerichtsstandsvereinbarung den Parteien also die Verpflichtung auferlegt, vor keinem anderen als dem oder den benannten Gerichten zu klagen, unterliegt nach englischer Auffassung dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinba­ rung. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten der englischen Gerichte soll dies das englische Recht sein.82 Für den Erlass einer contractual injunction be­ darf es grundsätzlich keiner Abwägung nach forum non conveniens-Gesichts­ punkten. Grundlage des Verbots ist allein die Parteivereinbarung.83 Der ver­ tragliche Anspruch leitet sich im Unterschied zu den Ansprüchen wegen vexation oder oppression nicht aus der equity, sondern aus dem common law ab.84 Es können jedoch einige Faktoren die grundsätzliche Vermutung für die Zulässig­ keit der anti-suit injunction widerlegen, z. B. wenn ein einheitliches Verfahren unter Einschluss aller Beteiligten nur vor dem ausländischen Gericht möglich ist. Die Beweislast dafür liegt beim Antragsgegner.85 Anders zu behandeln sind außerdem nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen.86 (No. 2) [1962] 1 Lloyd’s Rep.  410; Tracomin S.A. v. Sudan Oil Seeds (No. 2) [1983] 1 WLR 1026 (C.A.); Continental Bank N.A. v. Aeakos Compania Naviera S.A. and others [1994] 1 WLR 588, 598 (C.A.); Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH („The Jay Bola“) [1997] 2 Lloyd’s Rep.  279; OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp. [2005] EWCA Civ 710. Zum Schutz von Schiedsvereinbarungen vgl. ­Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan SpA („The Angelic Grace“) [1995] 1 Lloyd’s Rep.  87 (C.A.) und aus dem Schrifttum Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen (2008). 80  Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  289. 81  Illmer, IPRax 2012, 406, 406. 82  Vgl. Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz durch englische Gerichte (2001), S.  294; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  290. 83  Vgl. Turner v. Grovit and others [2001] UKHL 65, Rn.  25: „The applicant does not have to show that the contractual forum is more appropriate than any other; the parties’ agreement does that for him.“ 84  Vgl. Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 443. 85  Vgl. Donohue v. Armco Inc. and others [2001] UKHL 64, Rn.  33 ff. 86  Richtigerweise sind nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anhand der strengeren Kriterien für non-contractual cases zu beurteilen. Denn hier kann sich der An­ tragsteller nicht auf den Schutz eines substantial right berufen. Der Prorogationseffekt be­ zweckt lediglich, dass ein Verfahren vor dem vereinbarten Gericht nicht an forum non conveniens-Gesichtspunkten scheitert, wenn nicht ausnahmsweise besondere Gründe vorliegen,

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Demgegenüber handelt es sich bei den ersten beiden Fallgruppen um sog. convenience-based injunctions bzw. non-contractual cases, die (zumindest auch) der Durchsetzung englischer Zuständigkeitsinteressen dienen und daher jeweils ein in England bereits anhängiges Verfahren voraussetzen, damit das Prozessführungsverbot der international comity gerecht wird. Sie können auch zu einer größeren Gruppe zusammengefasst werden. Die Voraussetzungen zum Erlass einer solchen non-contractual injunction sind strenger und werden von Illmer folgendermaßen zusammengefasst:87 Die Einleitung des ausländischen Verfahrens müsse erstens vexatious or oppressive, also rechtsmissbräuchlich sein; zweitens müsse das Gericht bei mehreren außerhalb von England liegen­ den möglichen Gerichtsständen die Interessen der Parteien an den alternative fora abwägen; drittens müsse es die comity, also das Prinzip gegenseitigen Ver­ trauens und Respekts zwischen den Gerichten, als beschränkenden Faktor be­ achten; und viertens müsse England das natural forum für den Rechtsstreit sein. Dabei werden die Voraussetzungen zum Erlass eines Prozessführungsverbots vergleichsweise strenger sein, wenn es sich um einen sog. single-forum case handelt, bei dem der entsprechende Anspruch nur in dem ausländischen Forum geltend gemacht werden kann, z. B. weil nur dort das entsprechende Rechtsins­ titut existiert, sodass mit der Entscheidung über den Erlass einer anti-suit injunction gleichsam über die Frage, ob der klagenden Partei überhaupt Rechtsschutz gewährt wird, mitentschieden wird.88 Umgekehrt ist der Erlass eines Prozess­ führungsverbots in einem alternative-fora case, in dem der Anspruch – so wie auch in der Leitentscheidung Société Nationale Industrielle Aérospatiale (S.N.I.A.) v. Lee Kui Jak – auch in England geltend gemacht werden könnte, vergleichsweise leichter möglich.89 die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung nicht vorhersehbar ge­ wesen sind. Umgekehrt bedeutet dies aber nicht, dass das prorogierte Gericht regelmäßig das einzige forum conveniens ist und daher der Erlass einer anti-suit injunction schon allein aufgrund der nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gerechtfertigt ist. Der Pro­ rogationseffekt sperrt keine Parallelverfahren. Bei einer nicht ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung muss das ausländische Verfahren also aus anderen Gründen vexatious or oppressive sein, damit eine anti-suit injunction gerechtfertigt ist. Vgl. hierzu Lord Justice Toulson in der Entscheidung des Court of Appeal vom 13.07.2009, Highland Crusader Offshore Partners LP and others v. Deutsche Bank AG and Deutsche Bank Securities Inc. [2009] EWCA Civ 725, Rn.  49 ff., 105 ff., der darauf abstellt, ob die nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung über die Prorogation hinaus noch andere ergänzende bzw. qua­ lifizierende Elemente enthält, deren Zweck darin liegt, Parallelverfahren auszuschließen. Zustimmend Illmer, IPRax 2012, 406, 409, 410, 412. 87  Illmer, IPRax 2012, 406, 406 f. 88  Vgl. Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Rn.  519. 89  Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz durch englische Gerichte (2001), S.  281.

§ 6 – F.  Prozessführungsverbote

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Allen anti-suit injunctions ist außerdem wegen ihres equity-Ursprungs ge­ mein, dass sie verweigert werden können, wenn dem Antragsteller der Vorwurf gemacht werden kann, sich selbst nicht einwandfrei verhalten zu haben. Das soll einerseits dann der Fall sein, wenn dem Antragsteller ein Fehlverhalten im aus­ ländischen Prozess anzulasten ist90, andererseits dann, wenn er sich rügelos auf das ausländische Verfahren eingelassen hat.91 2.  Prozessführungsverbote in den USA In den USA erlangten Prozessführungsverbote als Rechtsbehelfe gegen Klagen vor ausländischen Foren erstmals im 19. Jahrhundert in den Entscheidungen Mead v. Merritt92 aus dem Jahr 1831, Vail v. Knapp93 aus dem Jahr 1867 und Cole v. Cunningham94 aus dem Jahr 1890 eine besondere Bedeutung.95 Auch in den USA schöpfen die Gerichte ihre Befugnis zum Erlass von Prozessführungs­ verboten grundsätzlich aus der equitable power der Gerichte über die ihrer Ju­ risdiktion unterliegenden Personen.96 Auch hier kann eine anti-suit injunction, wie in England, als Hauptsacheentscheidung oder – was der Standardfall ist – als einstweilige Maßnahme nach FRCP 65(a) ergehen.97 Ebenfalls ähneln sich die möglichen Sanktionen eines contempt of court, die auch in den USA in einer Geldbuße, der Beschlagnahme von Vermögen oder einer Inhaftierung bestehen können.98 Prozessführungsverbote können sowohl innerhalb der territorialen Gerichtsbarkeit der USA, also gegenüber Klägern vor Gerichten anderer Bun­ desstaaten,99 als auch gegenüber Klägern vor ausländischen Gerichten erlassen werden. Der Erlass von Prozessführungsverboten wird als prozessrechtlich im Sinne der Erie-Doktrin eingestuft, sodass die Bundesgerichte stets die bundes­ rechtlichen Maßstäbe anlegen.100 Die State Courts wenden ihr eigenes Recht an, Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Rn.  8.10. Briggs, in: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5.  Aufl. 2009, Rn.  5.39; ­Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Rn.  8.12, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen. 92  Mead v. Merritt, 2 Paige 402 (N.Y. 1831). 93  Vail v. Knapp, 49 Barb. 299 (N.Y. 1867). 94  Cole v. Cunningham, 133 U.S.  107, 10 S. Ct. 269, 33 L. Ed. 538 (1890). 95  Ein guter Überblick findet sich bei Bermann, 28 Columbia Journal of Transnational Law (1990), 589; Eddleman Heim, 69 Ohio State Law Journal (2008), 701; Force, 35 Tulane Maritime Law Journal (2011), 401, 441 ff.; Hartley, 35 American Journal of Comparative Law (1987), 487; Heiser, Utah Law Review 2011, 855; Smith, RIW 1993, 802, 803 ff. 96  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  310. 97  Smith, RIW 1993, 802, 803. 98  Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  52. 99  Dazu Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  311 f. und 323 ff. 100  Vgl. Bermann, Transnational Litigation in a Nutshell (2003), S.  111. 90  91 

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wobei die Kriterien zum Erlass von Prozessführungsverboten den bundesrecht­ lichen Vorgaben weitgehend entsprechen. Grob kann auch in den USA eine ähn­ liche Einteilung in drei Gruppen vorgenommen werden: Erstens können Prozessführungsverbote erlassen werden, damit eine bereits bei einem Gericht anhängige Streitsache von den Parteien nicht noch vor ein weiteres Gericht gebracht wird. Insoweit dienen anti-suit injunctions also dem Schutz der lis alibi pendens-Regel. Ursprünglich waren hiervon nur parallele Klagen vor den Gerichten verschiedener Bundesstaaten betroffen, später wurde die Regel aber ausgeweitet.101 Von dieser Gruppe erfasst werden auch die Fälle, in denen Prozessführungsverbote zum Schutz einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung ergehen. So wurde etwa in E&J Gallo Winery v. Andina Licores S.A.102 gegenüber einem Kläger, der entgegen einer wirksamen Ge­ richtsstandsvereinbarung ein Verfahren in Ecuador eingeleitet hatte, eine anti-suit injunction erlassen. In der Entscheidung Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank103 erklärte der Supreme Court of New York, der Erlass einer anti-suit injunction sei „[…] consonant with [the] policy of enfor­ cing choice of law and forum selection clauses.“ Zweitens können Prozessfüh­ rungsverbote erlassen werden, wenn mit der zu untersagenden Klage die Umge­ hung innerstaatlichen Rechts bezweckt wird, also ein missbräuchliches law shopping through forum shopping erfolgt.104 Allerdings darf heutzutage nur unter sehr strengen Voraussetzungen auf die materiellrechtlichen Aspekte des Falls abgestellt werden.105 Und drittens kann ein Gericht einer Partei mit Wohn­ sitz in den USA, die vor einem ausländischen Gericht Klage erhebt, die Prozess­ führung untersagen, wenn sie lediglich den Zweck verfolgt, den Prozessgegner zu schikanieren oder zu belästigen.106 Diese Fallgruppen gelten im Grundsatz bis heute, wobei die Kriterien zum Erlass eines Prozessführungsverbots durch die Rechtsprechung im Laufe der Jah­ re weiter konkretisiert worden sind. Letztlich ist eine präzise Katalogisierung 101  Vgl. hierzu Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Ge­ richten (1989), S.  38 ff. 102  E&J Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984, 995 (9th Cir. 2006). 103  Indosuez International Finance v. National Reserve Bank, 758 N.Y.S.  2d 308, 310 (N.Y. App. Div. 2003). 104  Vgl. Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  41 ff. mit umfangreichen Beispielen aus der Rechtsprechung in Fn.  28 ff. 105  So wurde ein vom U.S. District Court for the Western District of Tennessee, Western Division, ausgesprochenes vorläufiges Prozessführungsverbot gegen eine in Hongkong ansäs­ sige Gesellschaft vom Court of Appeals für Tennessee wieder aufgehoben, Gau Shan Co. Ltd v. Bankers Trust Co., 956 F.2d 1349 (6th Cir. 1992), weil die international comity dies gebiete. 106  So etwa in Paramount Pictures, Inc. v. Blumenthal, 256 App. Div. 756, 11 N.Y.S.  2d 768 (1939).

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kaum möglich und erfolgt auch nicht durch die Gerichte. Wie in England fällt das Gericht stets eine vom Einzelfall abhängige Ermessensentscheidung. Der wohl wichtigste Unterschied besteht darin, dass nicht ebenso ausdrücklich zwischen contractual und anderen anti-suit injunctions differenziert wird. So wird auch im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung der Erlass einer anti-suit injunction, an­ ders als in England, nicht explizit auf die Verletzung des right not to be sued abroad der nicht vertragsbrüchigen Partei gestützt. Abgestellt wird eher auf die public policy, die vor dem Hintergrund der erstrebten Rechtssicherheit fordere, dass dem mit der Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien verbundenen Wunsch Folge geleistet wird.107 Allerdings weichen die genauen Kriterien, nach denen Prozessführungsverbote erlassen werden, in den einzelnen Circuits, die entweder einem eher liberalen oder einem eher konservativen Ansatz folgen, teilweise deut­ lich voneinander ab.108 Insbesondere unterscheidet sich die Rolle, die der international comity beigemessen wird, stark. Nach dem strengeren Ansatz, der vom 1st, 2d, 3rd und 6th Circuit sowie dem District Court of Columbia vertreten wird, wird der comity ein strengeres Gewicht beigemessen, sodass Prozessführungsverbote nur dann erlaubt sein sollen, wenn dies zum Schutz eines US-amerikanischen Verfahrens unbedingt nötig ist oder das auswärtige Verfahren ein inländisches Verfahren in dem Sinne beeinträchtigt, dass das Gericht kein Urteil in der Sache sprechen kann, oder wenn das Verbot zur Verhinderung der Umgehung wesentli­ cher Grundsätze des US-amerikanischen Rechts, die zur public policy gehören, erforderlich ist.109 In der Literatur wird daher auf eine Klärung des Streits zwi­ schen dem liberalen und strengen Ansatz durch den Supreme Court gehofft.110 107  Jedenfalls lässt sich dieses Ergebnis aus den Entscheidungen der Gerichte des 9th Cir­ cuit ableiten, die allein bislang über den Erlass von anti-suit injunctions im Falle von Verlet­ zungen von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten US-amerikanischer Gerichte zu ent­ scheiden hatten. Vgl. E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984 (9th Cir. 2006): Erlass einer anti-suit injunction, um einer Partei die Fortführung eines Verfahrens in Ecuador entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der kalifornischen Gerichte zu untersagen; Applied Medical Distribution Corp. v. The Surgical Co. BV, 587 F.3d 909 (9th Cir. 2009): Erlass einer anti-suit injunction gegenüber einer Partei mit dem Inhalt, das in Belgien entgegen einer Vereinbarung zugunsten der kalifornischen Gerichte gestartete Ver­ fahren zu beenden. Zum gleichen Ergebnis gelangt Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  319. 108  Das stellt auch das Gericht in Quaak v. Klynveld Peat Marwick Goerdeler, 361 F.3d 11 (1st Cir. 2004) fest. Zum Überblick Ali/Nesbitt/Wessel, 11 International Arbitration Law ­Review (2008), 12, 13 ff.; Eddleman Heim, 69 Ohio State Law Journal (2008), 701, 705 ff.; Heiser, Utah Law Review 2011, 855, 857 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  313 ff.; Smith, RIW 1993, 802, 804; Tan, 45 Virginia Journal of International Law (2005), 283. 109  Vgl. zum Ganzen die umfassende Darstellung bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  315 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen. 110  Z. B. Heiser, Utah Law Review 2011, 855, 858 ff., 879.

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3.  Gegenläufige anti-suit injunctions und der Fall Laker Wenn in unterschiedlichen Staaten die Möglichkeit zum Erlass von Prozessfüh­ rungsverboten besteht, kann dies dazu führen, dass gegenläufige Prozessfüh­ rungsverbote erlassen werden, es kann also zum wechselseitigen Einsatz von anti-suit injunctions und anti-anti-suit injunctions etc. kommen.111 In diesem Zusammenhang hat die Laker-Rechtsprechung der englischen und US-ameri­ kanischen Gerichte112 Berühmtheit erlangt. Der Konkursverwalter der Billig­ fluggesellschaft Laker Airways (im Folgenden: Laker) verklagte im November des Jahres 1982 wegen Verletzung US-amerikanischen Kartellrechts in Wa­ shington D.C. mehrere andere Fluggesellschaften, u. a. British Airways, Luft­ hansa und Swissair, auf Zahlung von mehr als einer Milliarde US$ Schadenser­ satz.113 Laker warf den Beklagten vor, sie hätten ihn im Rahmen eines konzen­ trierten wettbewerbswidrigen Vorgehens vom Markt verdrängt und seine Kreditgeber unter Druck gesetzt, um die bereits zugesagte finanzielle Unter­ stützung zu verhindern. Daraufhin erhoben einige der beklagten Gesellschaften Anfang des Jahres 1983 in England negative Feststellungklagen des Inhalts, keinen Schadensersatz zu schulden, und beantragten dort außerdem mehrere Prozessführungsverbote, in denen Laker die Prozessführung in den USA unter­ sagt werden sollte. Vorsorglich beantragten sie auch gleich noch Gegenprozess­ führungsverbote, sog. counter-anti-suit injunctions, die verhindern sollten, dass Laker seinerseits vor einem US-amerikanischen Gericht beantragen würde, ihr Treiben in England mittels anti-anti-suit injunctions zu blockieren.114 Laker re­ agierte schnell und beantragte in Washington eine anti-suit injunction, die es den anderen beklagten Unternehmen untersagte, in England auf die gleiche Weise vorzugehen wie ihre Mitbeklagten.115 Kurz darauf erreichten einige der Unternehmen, die zuvor die negative Feststellungsklage in England erhoben hatten, beim High Court of Justice eine neue Anordnung, die es Laker verbieten sollte, im Verfahren in den USA „irgendwelche weiteren Schritte“ zu unterneh­

Dazu Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  196 ff. Vgl. einerseits Laker Airways Ltd v. Sabena, Belgian World Airlines, 731 F.2d 909 (D.C. Cir. 1984) und andererseits British Airways Board v. Laker Airways Ltd [1984] 3 All E.R. 39 und zu einer Darstellung des Sachverhalts Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  86 ff.; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327 und Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 524 ff. 113  Laker Airways Ltd v. Pan American World Airways, 559 F. Supp.  1124 (D.D.C. 1983). 114  Vgl. British Airways Board v. Laker Airways Ltd [1984] Q.B. 142 (C.A.). 115  Vgl. Laker Airways Ltd v. Pan American World Airways, 559 F. Supp.  1124 (D.D.C. 1983) sowie 568 F. Supp.  811 (D.D.C. 1983); 577 F. Supp.  348 (D.D.C. 1983) und 596 F. Supp.  202 (D.D.C. 1984). 111 

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men.116 In der Folgezeit wurden noch weitere gegenläufige Prozessführungsver­ bote erlassen. Die Verwirrung nahm erst ein Ende, als das House of Lords die vorangegangene anti-suit injunction aufhob.117 So war endlich der Weg frei für eine Prozessführung in den USA. Die Entscheidung hat die Voraussetzungen zum Erlass eines Prozessfüh­ rungsverbots in England reformiert, die damit endgültig restriktiver ausgelegt wurden. So begründete Lord Diplock das Urteil maßgeblich damit, man müsse einen materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen seinen Gegner haben, um ihm die Prozessführung im Ausland zu untersagen: „A right to obtain an injunction is not a cause of action.“ Ein solcher Anspruch könne etwa aus einer Zuständigkeitsvereinbarung, aber auch – wie in dem vorliegenden Fall, bei dem es sich ja gerade nicht um obligation-based injunctions handelte – aus einem unanständigen (unconscionable) Verhalten des Gegners herrühren, wenn die Partei unter verschiedenen international konkurrierenden Zuständigkeiten ein forum non conveniens auswähle. Laker habe aber verständlicherweise in den USA und nicht in England geklagt, da der geltend gemachte Kartellschadenser­ satzanspruch nur dort zu erlangen sei. Es bestehe auch ein hinreichender Zu­ sammenhang zu den USA, weil sich die beklagten Fluggesellschaften durch ihre Geschäftstätigkeit in den USA freiwillig dem dortigen Recht, einschließ­ lich des Kartellrechts, unterworfen hätten.118 In der Entscheidung wurden also die Grundsätze für den Erlass von Prozessführungsverboten in single-forum cases festgelegt, denn die kartellrechtlichen Ansprüche, die in den USA erho­ ben worden waren, hätten in England nicht geltend gemacht werden können. Trotzdem zeigte sich an dem Streit, dass der unübersichtliche, wechselseitige Austausch von Prozessführungsverboten zu immenser Verwirrung führen und dabei zulasten von Rechtssicherheit und Justizressourcen gehen kann. III.  Unzulässigkeit von Prozessführungsverboten im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten 1.  Turner und das Verbot von anti-suit injunctions In Europa ging die herrschende Meinung schon einige Zeit, bevor sich der EuGH dazu geäußert hatte, von der Unvereinbarkeit von Prozessführungsver­ boten mit dem Sinn und Zweck des EuGVÜ bzw. der EuGVVO aus.119 Diese British Airways Board v. Laker Airways Ltd [1984] Q.B. 142 (C.A.). British Airways Board v. Laker Airways Ltd [1985] A.C. 58, 81, 84. 118  Zum Ganzen Lord Diplock in British Airways Board v. Laker Airways Ltd [1985] A.C. 58, 81, 84. 119  So etwa bereits Ambrose, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 116  117 

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Auffassung bestätigte der EuGH im Jahr 2004 in der Rechtssache Turner.120 In dem zugrunde liegenden Fall hatte der in einem englischen Verfahren Beklagte in derselben Sache ein paralleles Verfahren vor einem spanischen Gericht ange­ strengt. Der englische Court of Appeal erließ gegen ihn eine anti-suit injunction und versagte ihm die Prozessführung vor dem spanischen Gericht. Als er beim House of Lords Rechtsmittel einlegte, legte das Gericht dem EuGH die Frage nach der Vereinbarkeit von Prozessführungsverboten mit der EuGVVO vor.121 Wie bereits in seiner im Vorjahr ergangenen Gasser-Entscheidung argumen­ tierte der EuGH mit dem der EuGVVO zugrunde liegenden gegenseitigen Ver­ trauen der Mitgliedstaaten in ihre Rechtspflegeorgane. Der Gerichtshof beschei­ nigte anti-suit injunctions die Unvereinbarkeit mit der EuGVVO, weil das von einem Gericht an eine Partei gerichtete Verbot, eine Klage bei dem Gericht ei­ nes anderen Mitgliedstaats zu erheben oder ein dortiges Verfahren fortzufüh­ ren, das Recht dieses Gerichts beeinträchtige, über seine eigene Zuständigkeit oder Unzuständigkeit nach den Regeln der EuGVVO zu entscheiden.122 Es sei aber wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, dass jedes mitgliedstaatliche Gericht die Zustän­ digkeitsregeln mit gleicher Sachkenntnis auslegen und anwenden könne und die Überprüfung der Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaats nur in den von der EuGVVO selbst statu­ ierten begrenzten Ausnahmen zulässig sei.123 Diese Unvereinbarkeit gelte aus­ 401, 413 f.: „No matter how respectfully the English judges frame their powers, the anti-suit injunction represents a lack of trust in the foreign court which runs counter to the basis of the Convention.“ Ähnlich Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 67 mit Hinweis auf das Nichteinmischungsgebot im EuGVÜ: „Dieses Nichtein­ mischungsgebot ist Ausdruck des gegenseitigen Vertrauens der Vertragsstaaten untereinan­ der, das dem Übereinkommen zugrunde liegt und häufig als dessen ‚Geschäftsgrundlage‘ bezeichnet wird.“ Ebenso z. B. Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  90; Jayme/Kohler, IPRax 1994, 405, 412; Mansel, EuZW 1996, 335, 337 f.; Thiele, RIW 2002, 383, 385 f. und RIW 2004, 285, 288 (die Unvereinbarkeit von anti-suit injunctions mit der EuGVVO folge bereits aus der Gasser-Entscheidung); Maack, Englische antisuit injunc­ tions im europäischen Zivilrechtsverkehr (1999), S.  134 ff. 120  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565 m. Anm. Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428; Hau, ZZP Int. 9 (2004), 191; Krause, RIW 2004, 533; Mankowski, EWiR, 2004, 755; Rauscher, IPRax 2004, 405. 121  House of Lords, Vorlageentscheidung vom 13.12.2001 (Turner v. Grovit and others), Ls. abgedruckt in RIW 2002, 401 m. Anm. Thiele, RIW 2002, 383. Vgl. dazu auch Ambrose, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 401, 402 f. 122  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  27. 123  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  25 f. unter Berufung auf EuGH, 27.06.1991, Rs. C‑351/89 (Overseas Union Insurance Ltd u. a./New Hampshire Insurance Company), Slg. 1991, I-3317,

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nahmslos, also auch für den Fall, dass der Antragsgegner wider Treu und Glau­ ben zu dem Zweck handelt, das bereits anhängige Verfahren zu behindern.124 Denn auch die Würdigung der Treuwidrigkeit des Verhaltens eines Klägers vor einem ausländischen Gericht beinhalte eine Beurteilung der Angemessenheit der vor diesem Gericht erhobenen Klage.125 Obwohl also die Parteien im Fall Turner überhaupt keine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen hatten, stand mit der Entscheidung des EuGH fest, dass auch zum Schutz von Gerichtsstands­ vereinbarungen keine anti-suit injunctions gegen Parteien, die vor einem mit­ gliedstaatlichen Gericht einen Prozess betreiben oder dies bezwecken, erlassen werden dürfen.126 Die Reform der EuGVVO hat an diesem Ergebnis nichts geändert. Der Ver­ trauensgrundsatz zwischen den Mitgliedstaaten wird im neuen Erwägungs­ grund (26) zur Begründung dafür angeführt, dass es zwischen den Mitglied­ staaten keines besonderen Exequaturverfahrens bedürfe. Untermauert wird das Prinzip von Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F., wonach die Zuständigkeit des Erstge­ richts (außer in den von der Vorschrift genannten Ausnahmen) nicht nachge­ prüft werden darf und die Zuständigkeitsvorschriften auch nicht zum anerken­ nungsrechtlichen ordre public i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. gehö­ ren. Diesem Grundsatz gegenseitigen Vertrauens würde es auch in der Zukunft widersprechen, wenn ein Mitgliedstaat den Gerichten eines anderen Mitglied­ staats die Möglichkeit zur Prüfung der eigenen Zuständigkeit nehmen würde. Auch die Einführung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F., der eine Durch­ brechung des Prioritätsprinzips vorsieht, hat daran nichts geändert. Die Vor­ schrift mindert das Bedürfnis nach Prozessführungsverboten zum Schutz von Rn.  23 und EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  48. 124  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  31. 125  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  28. 126  Allerdings ist das common law alles andere als unkreativ (vgl. Harris, European Legal Forum 2008, 181), in diesem Sinne machen sich die englischen Gerichte bezogen auf Prozess­ führungsverbote in Drittstaatensachverhalten diese Auslegung der EuGVVO sogar zunutze, wie sich an der Entscheidung des Court of Appeal in Samengo-Turner v. J&H Marsh & Mc­ Lennan (Services) Ltd [2007] EWCA Civ 723 zeigt. Die Parteien stritten über einen Arbeits­ vertrag und die Gerichte in New York hielten sich aufgrund einer ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung für zuständig. Daraufhin beantragten die englischen Arbeitnehmer in England den Erlass eines Prozessführungsverbots. Die Gerichtsstandsvereinbarung war in England unwirksam, da sie entgegen Art.  21 Nr.  1 EuGVVO a. F. bereits vor Entstehung der Streitigkeit getroffen worden war. Der Court of Appeal entschied, dem Arbeitnehmer stehe unter der EuGVVO ein „statutory right“ zu, in England verklagt zu werden, und erließ die beantragte injunction.

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Gerichtsstandsvereinbarungen, weil die redliche Partei die Gerichte anderer Mitgliedstaaten zur Aussetzung des Verfahrens bringen kann, indem sie ein­ fach vor dem in der Vereinbarung bezeichneten Gericht eine Klage erhebt. Da­ bei besteht ein inhaltlicher Unterschied zwischen dem Mechanismus des neuen Art.  31 EuGVVO n. F. und anti-suit injunctions: Wenn eine Partei vor das in einer Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnete Gericht zieht, haben alle anderen mitgliedstaatlichen Gerichte, bei denen ein Verfahren in derselben Sache an­ hängig ist, das Verfahren wegen Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO kraft Gesetzes auszusetzen und u. U. zu beenden. Die Beendigung des Verfahrens im derogier­ ten mitgliedstaatlichen Forum wird also ipso iure angeordnet, ohne dass das prorogierte Gericht in irgendeiner Weise interagieren muss. Davon unterschei­ det sich ein Prozessführungsverbot, bei dem die Fortführung des anderen Ver­ fahrens von dem vereinbarten Gericht selbst untersagt wird. Anti-suit injunctions zum Schutz internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen (wie auch in anderen Fällen zum Schutz der gesetzlichen Zuständigkeit) sind also auch zu­ künftig nicht mit der EuGVVO vereinbar. In dem Fall, dass ein mitgliedstaatli­ ches Gericht gegen diese Grundsätze verstößt und einer Partei doch das Prozes­ sieren in einem anderen Mitgliedstaat untersagt, würde das Prozessführungs­ verbot in den anderen Mitgliedstaaten keine Wirkungen entfalten. Anerkennung und Vollstreckung des Prozessführungsverbots würden sich nach den Vor­ schriften der EuGVVO richten, die auch Entscheidungen über rein prozessuale Fragen erfasst.127 Wegen der mit dem Erlass eines Prozessführungsverbots ein­ hergehenden Verletzung des Vertrauensgrundsatzes muss die Anerkennung aber am ordre public nach Art.  34 Nr.  1 EuGVVO a. F. bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. scheitern.128 2.  West Tankers und die Erstreckung der Turner-Grundsätze auf Schiedsvereinbarungen Fünf Jahre nach der Turner-Entscheidung entschieden die Luxemburger Richter in der bereits geschilderten129 Rechtssache West Tankers130, dass auch Prozess­ Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr (1999), S.  150. Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr (1999), S.  156 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  362. 129  Siehe oben Teil I §  4 E. II. 130  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663 = IPRax 2009, 336. Vgl. dazu Balthasar/Richers, RIW 2009, 351; Cairns, 48 International Legal Materials (2009), 485; Daniel, 95 Cornell Law Review (2010), 431; Illmer, IPRax 2009, 312; Lehmann, NJW 2009, 1645; Niggemann, SchiedsVZ 2010, 67, 68; Rainer, 95 Cornell Law Review (2010), 431; Santomauro, 6 Journal of Private International Law (2010), 281; Seelmann-Eggebert/Clifford, SchiedsVZ 2009, 139; Steinbrück, ZEuP 2010, 170; S. Wolff, 15 127 

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führungsverbote zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen nicht mit der EuGVVO vereinbar seien.131 Problematisch war hier, dass die Zulässigkeit einer anti-suit injunction zum Schutz eines Schiedsverfahrens und nicht eines Ver­ fahrens vor einem anderen mitgliedstaatlichen Gericht zur Frage stand, die Schiedsgerichtsbarkeit aber nach Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO a. F. aus deren Anwendungsbereich ausgeschlossen ist. Daran hat sich auch durch die Reform der EuGVVO nichts geändert. Zwar konstatierte der EuGH in Bezug auf anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsvereinbarungen keinen unmittelba­ ren Verstoß gegen eine konkrete Vorschrift der EuGVVO. Er erklärte die engli­ schen Prozessführungsverbote aber dennoch für mit dem System der EuGVVO unvereinbar, weil sie deren praktische Wirksamkeit beeinträchtigten. Dies ge­ lang ihm, indem er die in Turner angestrengten Grundsätze auf die West Tankers zugrunde liegende Situation übertrug: Durch den Erlass eines Prozessfüh­ rungsverbots werde ein angerufenes mitgliedstaatliches Gericht auch dann sei­ nes Rechts, über die eigene Zuständigkeit oder Unzuständigkeit zu entscheiden, beraubt, wenn jene Unzuständigkeit möglicherweise Folge einer Schiedsverein­ barung sei.132 Auch bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung sei kein mitglied­ staatliches Gericht außerhalb der von der EuGVVO eröffneten Fälle dazu be­ rechtigt, inzidenter über die Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts zu entscheiden.133 Weiterhin widerspreche auch eine anti-suit injunc­ tion zum Schutz eines Schiedsverfahrens dem Vertrauen, das die Mitgliedstaa­ ten gegenseitig ihren Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbräch­ ten und auf dem das Zuständigkeitssystem der EuGVVO beruhe. Denn der Er­ lass eines Prozessführungsverbots beeinträchtige ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats in der ihm durch die Verordnung verliehenen Befugnis, auf der Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über ihren Anwendungsbereich (also auch über Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO) zu entscheiden.134 The Columbia Journal of European Law (2009), 65, 66 f. Vgl. schon zum Verfahren vor dem EuGH Illmer/Naumann, 10 International Arbitration Law Review (2007), 147. 131  So bereits zuvor Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 460; Hau, IPRax 1996, 44, 47. Vor der Entscheidung des EuGH in West Tankers bestand aber zumindest noch die Hoffnung, Pro­ zessführungsverbote könnten zum Schutz von Schiedsvereinbarungen zulässig sein. Vgl. Blanke, 16 European Business Law Review (2005), 591. 132  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663, Rn.  29. Ebenso bereits Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vom 04.09.2008, Rn.  57. 133  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663, Rn.  29 unter Berufung auf EuGH, 27.06.1991, Rs. C‑351/89 (Overseas Union Insurance Ltd u. a./New Hampshire Insurance Company), Slg. 1991, I-3317, Rn.  23 und EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 ­(Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, Rn.  48. 134  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009,

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

Eine andere Frage liegt darin, ob einem Schiedsgericht die Befugnis zu­ kommt, die Fortführung eines Verfahrens vor einem mitgliedstaatlichen Ge­ richt durch Erlass einer anti-suit injunction zu untersagen. Im Zusammenhang mit dem Gazprom-Rechtsstreit hat der Oberste Gerichtshof Litauens ein Vor­ abentscheidungsverfahren vor dem EuGH in Gang gesetzt. Kürzlich hat der EuGH entschieden, dass die EuGVVO den mitgliedstaatlichen Gerichten die Anerkennung und Vollstreckung oder die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung in Bezug auf einen Schiedsspruch, der es einer Partei untersagt, bei einem Gericht dieses Mitgliedstaats bestimmte Anträge zu stellen, nicht verwehre, weil die Verordnung die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen in den Mitgliedstaaten nicht regle.135 Damit bleiben anti-suit injunctions im innereuropäischen Rechtsverkehr jedenfalls für die Schiedsge­ richte erhalten. Als Folge der West Tankers-Rechtsprechung des EuGH wird bemängelt, dass die europäischen Schiedsorte an Attraktivität für internationale Kläger verlie­ ren und die Parteien z. B. Schiedsorte in New York, Singapur oder den Bermu­ das wählen.136 Tatsächlich weichen Parteien auf die Gerichte von Drittstaaten aus, welche anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schieds- oder Gerichts­ standsvereinbarungen erlassen dürfen.137 In den USA wurden beispielsweise zum Schutz von Schiedsvereinbarungen in den vergangenen Jahren mehrfach großzügig Prozessführungsverbote erlassen138, weshalb im Schrifttum Parteien I-663, Rn.  30 unter Berufung auf EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/ Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  24. 135  EuGH, 13.05.2015, Rs. C-536/13 (Gazprom OAO/Republik Litauen), Rn.  4 4. Zum Ver­ fahren vgl. Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 855 ff.; ders., 64 International and Comparative Law Quarterly (2015), 965. 136  Vgl. beispielhaft Lord Hoffman für das House of Lords in West Tankers Inc. v. RAS Riunione Adriatica Di Sicurta SpA [2007] 1 Lloyd’s Rep 391, 395 Rn.  23: „Finally, it should be noted that the European Community is engaged not only with regulating commerce bet­ ween Member States but also in competing with the rest of the world. If the Member States of the European Community are unable to offer a seat of arbitration capable of making orders restraining parties from acting in breach of the arbitration agreement, there is no shortage of other states which will. For example, New York, Bermuda and Singapore are also leading centres of arbitration and each of them exercises the jurisdiction which is challenged in this appeal.“ 137  Vgl. etwa Illmer, IPRax 2010, 456, 456 f. und 462; Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 23 f.; Steinbrück, 26 Civil Justice Quarterly (2007), 358. 138  Z. B. in Paramedics Electromedicina Comercial, Ltda. v. GE Medical Systems Information Technologies, 369 F.3d 645 (2d Cir. 2004); LAIF X SPRL v. Axtel, S.A. de CV, 390 F.3d 194 (2d Cir. 2004); SG Avipro Fin. Ltd v. Cameroon Airlines, No. 05 Civ. 655, 2005 U.S. Dist. LEXIS 11117 (S.D.N.Y. 2005); Empresa Generadora de Electricidad ITABO, S.A. v. Corporacion Dominicana de Empresas Electricas Estatales, No. 05 Civ. 5004, 2005 U.S. Dist. LEXIS 14712 (S.D.N.Y. 2005); Ibeto Petrochemical Indus. v. M/T Beffen, 412 F. Supp.  2d 285

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ausdrücklich empfohlen wird, die USA anstelle Englands als Schiedsort zu wählen.139 Zum Schutz von Schiedsverfahren kann gemeinsam mit einer anti-suit injunction eine compelling order nach §§  4, 206, 303 Federal Arbitration Act (FAA) erlassen werden, welche die Partei unmittelbar dazu verpflichtet, das Schiedsverfahren zu betreiben.140 Außerdem können in den USA Prozessfüh­ rungsverbote auch von fremden Parteien, z. B. Unternehmen mit Sitz in der EU, beantragt werden, die eine Schiedsvereinbarung durchzusetzen versuchen.141 Etwa von den Gerichten in Singapur142 , den Bermudas und den Eastern Carri­ bean Islands sind in den vergangenen Jahren sogar Prozessführungsverbote nicht nur zum Schutz der eigenen Gerichte, sondern auch zum Schutz von Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten englischer Gerichte er­ lassen worden.143 Mit der Einführung von Erwägungsgrund (12) zur neuen EuGVVO dürfte sich an der Unzulässigkeit von Prozessführungsverboten gegenüber Parteien, die vor mitgliedstaatlichen Gerichten prozessieren, auch zum Schutz von Schiedsvereinbarungen nichts geändert haben.144 Zwar bestimmt der vierte Ab­ schnitt von Erwägungsgrund (12), dass die Verordnung für Klagen und Neben­ verfahren, die im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren stehen, nicht gel­ ten soll. Aus der Formulierung „insbesondere“ könnte abgeleitet werden, dass der Geltungsausschluss auch Verfahren, in denen über den Erlass eines Prozess­ führungsverbots zum Schutz einer Schiedsvereinbarung entschieden wird, um­ fasst. Man könnte also argumentieren, dass die Verordnung nicht nur nicht für (S.D.N.Y. 2005); Affymax, Inc. v. Johnson & Johnson, 420 F. Supp.  2d 876 (N.D. Ill. 2006). Vgl. außerdem die umfassenden Rechtsprechungsangaben bei Kehoe, International Arbitra­ tion 2010, 137, 139 ff. 139  Rainer, 95 Cornell Law Review (2010), 431, insb. 436. 140  Z. B. in Paramedics Electromedicina Comercial Ltda. v. GE Medical Systems Information Technologies, 369 F.3d 645 (2d Cir. 2004). 141  Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 24 m. w. N. aus der Rechtspre­ chung. 142  Evergreen International SA v. Volkswagen Group Singapore Pte Ltd and others [2004] 2 SLR 457 (Singapore High Court): Der anderen Partei wurde die Prozessführung in Belgien untersagt. 143  Vgl. dazu jeweils m. w. N. Elkinson, The Arbitration Review of Americas 2011: Bermu­ da, Global Arbitration Review 2011; Illmer, IPRax 2010, 456, 562 Fn.  49; Kunick/Lamb/ Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 23. Zum Streit, ob auch die englischen Gerichte Prozessführungsverbote zum Schutz von Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen zu­ gunsten der Gerichte anderer Staate erlassen dürfen, vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  298 ff. 144  Ebenso Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  1 Brüssel Ia-VO Rn.  130 ff., der aber zu Recht bemängelt, dass die neue Verordnung keine klare Regel getrof­ fen hat.

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solche Prozessführungsverbote „gelten“, sondern diese auch nicht mittelbar „berühren“ dürfe.145 Dagegen spricht aber der systematische Zusammenhang mit den restlichen Abschnitten von Erwägungsgrund (12). Der Erwägungs­ grund betont weiterhin das Recht der mitgliedstaatlichen Gerichte, über die Fra­ ge der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung und damit über ihre eigene Zu­ ständigkeit selbst bestimmen zu dürfen. Im Erlass einer Anordnung, mit der einer Partei das Prozessieren vor einem Gericht eines anderen mitgliedstaat­ lichen Gericht verboten würde, läge aber stets eine Entscheidung über die Z ­ uständigkeit oder Unzuständigkeit des anderen Gerichts, welche nach der Ent­ scheidung in West Tankers gerade verboten sein soll. Auch nach der neuen Ver­ ordnung verstoßen daher Prozessführungsverbote zum Schutz von Schieds­ vereinbarungen gegenüber Parteien, die vor einem mitgliedstaatlichen Gericht prozessieren, gegen den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens.146 In den anderen Mitgliedstaaten werden sie deshalb wegen Verletzung des anerkennungsrecht­ lichen ordre public nach Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. keine Wirkung ent­ falten.147 IV.  Prozessführungsverbote zum Schutz gegen Klagen in drittstaatlichen Gerichten 1. Überblick Es ist also unzulässig, einer Partei die Prozessführung vor einem Gericht eines anderen EuGVVO-Mitgliedstaats zu untersagen. Ob hingegen ein mitglied­ staatliches Gericht zum Schutz der eigenen Zuständigkeit ein Prozessführungs­ verbot gegenüber einer Partei erlassen kann, um ihr die Einleitung oder Fort­ führung eines Verfahrens in einem Drittstaat zu untersagen, ist umstritten. Für ein deutsches Gericht in Betracht käme eine einstweilige Unterlassungsverfü­ gung nach §§  935, 938, 940 ZPO. Der Verfügungsanspruch wäre darauf gerich­ tet, dass der Kläger die Prozessführung im Ausland unterlässt bzw. beendet. Vgl. zu diesem Gedanken Camilleri, 62 International and Comparative Law Quarterly (2013), 899, 904: „In effect, the fact that the Recast Regulation ‚should not apply‘ to such proceedings means that it ‚should not affect‘ such proceedings.“ 146  Zum selben Ergebnis gelangt Camilleri, 62 International and Comparative Law Quar­ terly (2013), 899, 904 ff., der allerdings zum Schutz von Schiedsvereinbarungen unter dem Regime der reformierten EuGVVO sog. anti-enforcement injunctions für zulässig befindet. Mithilfe einer anti-enforcement injunction soll dem vertragsbrüchigen Kläger die Vollstre­ ckung eines in einem staatlichen Gerichtsverfahren erlangten Titels untersagt werden, bis das Schiedsgericht eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Vgl. außerdem ­Carducci, 29 Arbitration International (2013), 467, 487; Hess, JZ 2014, 538, 540. 147  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  29 Brüssel Ia-VO Rn.  34. 145 

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Der Verfügungsgrund könnte aus dem bevorstehenden oder voranschreitenden ausländischen Prozess abgeleitet werden, welcher der Partei Anwalts- und Ge­ richtskosten aufbürdet. Der Anspruch müsste dann nach §§  936, 920 Abs.  2, 294 ZPO glaubhaft gemacht werden.148 Solche Prozessführungsverbote wären nach den §§  888 ff. ZPO vollstreckbar. 2.  Das sog. right not to be sued abroad als Verfügungsanspruch Dem deutschen Richter steht keine autonome, allein aus seiner Gerichtsgewalt folgende Befugnis zu, Prozessführungsverbote zu erlassen.149 Für deren Erlass bedürfte es zunächst eines zugrunde liegenden materiellrechtlichen Anspruchs. Wie wir gesehen haben, sehen die englischen Gerichte dieses Recht in einem sog. right not to be sued abroad, welches in der anglo-amerikanischen Rechtst­ radition die Aufgabe hat, Ungerechtigkeiten zu verhindern. Dabei kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass ein solches Recht jedenfalls dann existiert, wenn die Klage des Prozessgegners vor dem ausländischen Gericht als rechts­ missbräuchlich anzusehen ist. In der erwähnten Laker-Entscheidung hat Lord Diplock für das House of Lords im Jahr 1984 erstmals klar ausgeführt, unter bestimmten Umständen stehe der Partei „[…] a right not to be sued upon a par­ ticular cause of action in a particular foreign court“ zu.150 Bei obligation-based injunctions ist das aus der Abrede zwischen den Parteien ableitbare right not to be sued abroad, welches durch die bereits erfolgte oder noch bevorstehende Klageerhebung im forum derogatum verletzt wird, Rechtsgrundlage des bean­ tragten Prozessführungsverbots. Im Gegensatz zu einem aus vexation oder oppression folgenden Anspruch, wird das sich aus einer Zuständigkeitsvereinba­ rung ergebende right not to be sued abroad aus dem common law und nicht aus der equity abgeleitet.151 In Deutschland ist ein generelles right not to be sued abroad nicht aner­ kannt.152 Auch wenn die Begrifflichkeit dem deutschen Recht fremd sein mag, es also kein originäres, für sich stehendes right not to be sued abroad gibt, kann sich ein solches Recht jedoch ergeben, wenn eine bestimmte Anspruchsgrund­ lage erfüllt ist. Schröder nennt dafür drei mögliche Anspruchsgrundlagen: Sta­ tus, Vertrag oder Delikt.153 Statusverhältnisse oder das Deliktsrecht gewähren Vgl. auch Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  131. Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 60. 150  British Airways Board v. Laker Airways Ltd [1985] A.C. 58, 81. 151  Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 443. 152  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 24 ff.; Hau, IPRax 1996, 44 ff.; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 331 ff. 153  Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 530 ff. 148  149 

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im deutschen Recht, wie noch dargestellt wird154, nur ganz ausnahmsweise und unter sehr strengen Voraussetzungen Ansprüche, die sich auf ein prozessuales Verhalten der anderen Partei stützen. Generell gilt hier nach der Rechtspre­ chung des BGH155 eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit einer Verfahrensein­ leitung bzw. eines Verhaltens im Erkenntnisverfahren, und zwar selbst dann, wenn das Rechtsschutzbegehren unbegründet ist. Denn nach Ansicht des BGH übernimmt das Verfahrensrecht selbst den Schutz des Beklagten, indem es ihm beispielsweise Schadensansprüche aus §§  717 Abs.  2, 945 ZPO zur Verfügung stellt. Interessanterweise entstammen aber die einzigen Fälle, in denen deutsche Gerichte jemals die Prozessführung vor einem ausländischen Gericht mittels einer Verfügung untersagt haben, dem Deliktsrecht. Diese Fälle datieren aller­ dings mittlerweile ein knappes Jahrhundert vor unserer Zeit, als nämlich deut­ schen Ehemännern die Verfolgung einer Ehescheidung im Ausland gestützt auf §  826 BGB untersagt wurde. Besondere Berühmtheit hat dabei die versuchte Ehescheidung des Max Reinhardt von Else Heims in Lettland erlangt.156 Heute sind solche Entscheidungen freilich nicht mehr denkbar. Ob u. U. ein right not to be sued abroad bestehen kann, wird heute primär im Zusammenhang mit der dritten Anspruchsgrundlage, also vertraglichen Ansprüchen, diskutiert. Kon­ kret geht es um die Frage, ob eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung als Vertrag zwischen den Parteien dazu geeignet ist, für die Parteien durchsetz­ bare Rechte und Pflichten zu entfalten. Wenn die Vereinbarung Verpflichtungs­ wirkung entfaltet, die Parteien also dazu verpflichtet, vor keinem anderen als dem gewählten Gericht bzw. den gewählten Gerichten zu klagen, dann muss sie umgekehrt den Parteien auch das Recht geben, von ihrem Vertragspartner ver­ langen zu können, nicht andernorts verklagt zu werden. Dann lässt sich aus der Vereinbarung also ein Anspruch ableiten. Die Frage, ob sich aus deliktischen oder vertraglichen Anspruchsgrundlagen ein right not to be sued abroad ergibt, wird jedoch nur selten im Kontext der Prozessführungsverbote diskutiert.157 Die Debatte findet zumeist stattdessen im Rahmen der Frage, ob für die Verletzung ausschließlicher Gerichtsstandsver­ einbarungen Schadensersatz zu gewähren ist, statt. Das liegt wohl daran, dass 154 

Siehe unten Teil III §  14 D. Vgl. BGHZ 36, 18, 21; BGHZ 74, 9, 15; BGHZ 95, 10, 17 f.; BGHZ 36, 18, 20 f. und zustimmend z. B. Sack, WRP 1976, 733, 740 f.; Sturm, JR 1972, 43. Mehr dazu unten in Teil III §  12 C. II. 156  RG, 03.03.1938, RGZ 157, 136; ähnlich auch OLG Königsberg, IPRspr. 1935–1944, Nr.  10 = StAZ 1937, 261; OLG Köln, IPRspr. 1935–1944, Nr.  90a = StAZ 1937, 435. Ähnlich zum interlokalen IPR OLG Köln, FamRZ 1962, 72. Vgl. dazu Reu, ZAkDR 1938, 731. 157  Z. B. von Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  330 ff.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  861 f. 155 

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ein Antrag auf Erlass eines Prozessführungsverbots vor einem deutschen Ge­ richt im System des deutschen Rechts aus anderen Gründen scheitert, wie im Folgenden noch dargestellt wird. Prozessführungsverbote sind dem deutschen Rechtssystem (bis auf die wenigen historischen Ausnahmen) generell fremd. Ist der Erlass von Prozessführungsverboten ohnehin aus anderen Gründen nicht möglich, bedarf es auch nicht der Klärung der Frage, ob ein right not to be sued abroad besteht. Deshalb soll auch im Rahmen dieser Arbeit die umfassende Auseinandersetzung mit der Frage, ob aus deliktischen oder vertraglichen An­ spruchsgrundlagen ein right not to be sued abroad hergeleitet werden kann, ob internationale Gerichtsstandsvereinbarungen also Verpflichtungswirkung ent­ falten, im Zusammenhang mit möglichen Schadensersatzansprüchen wegen Klagen im forum derogatum stattfinden.158 An dieser Stelle kann jedoch festge­ halten werden: Falls vertreten wird, dass die deutschen Gerichte grundsätzlich Prozessführungsverbote gegen Kläger vor drittstaatlichen Gerichten erlassen können, muss im konkreten Fall ein Verfügungsanspruch in Form eines right not to be sued abroad glaubhaft gemacht werden. Dieser besteht dann, wenn man aus Delikts- oder Vertragsrecht ableitet, dass der Antragsgegner verpflich­ tet ist, eine Klage vor dem ausländischen Gericht zu unterlassen. 3.  Keine Unvereinbarkeit mit der EuGVVO Das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs vorausgesetzt, stellt sich also die Frage, ob Prozessführungsverbote gegenüber Parteien, die vor einem drittstaatlichen Gericht klagen oder zu klagen beabsichtigen, grundsätzlich zu­ lässig wären. Bislang vom EuGH unbeantwortet ist die Frage nach deren Ver­ einbarkeit mit der EuGVVO. Eine Unvereinbarkeit mit der EuGVVO könnte sich aus der Kombination der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Owusu und Turner sowie West Tankers ergeben. In Owusu entschied der EuGH nämlich, dass für die Anwendung der forum non conveniens-Doktrin auch in sog. reinen Drittstaatensachverhalten, also wenn nur ein einziger Mitgliedstaat involviert ist, im Anwendungsbereich der EuGVVO kein Raum sei.159 Diese Rechtsprechung könnte man mit der in Turner und West Tankers kombinieren und käme zu dem Ergebnis, dass anti-suit injunctions ebenfalls auch in reinen Drittstaatensachverhalten unvereinbar mit der EuGVVO seien.160 Dagegen 158 

Siehe unten Teil III §  12 B. und §  14 D. Vgl. EuGH, 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Andrew Owusu/N. B. Jackson, Inhaber der Firma „Villa Holidays Bal-Inn Villas“, u. a.), Slg. 2005, I-1383. 160  Eine Auseinandersetzung mit der Problematik dieses sog. kombinierten Effekts findet sich bei Illmer, IPRax 2011, 514, 518 f. und Knight, 66 Cambridge Law Journal (2007), 288, 294 ff. 159 

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spricht aber, dass die Lehre vom forum non conveniens und anti-suit injunctions nicht zwei zwingend gleich zu behandelnde Seiten einer Medaille sind. Illmer differenziert richtigerweise wie folgt:161 Mit der forum non conveniens-Lehre wird eine nach der EuGVVO bestehende Zuständigkeit in Frage gestellt. Zum Schutz des betroffenen Gerichtsstands der EuGVVO ist die Doktrin also sowohl bei mitgliedstaatlichen wie drittstaatlichen Sachverhalten nicht mit der EuGV­ VO vereinbar. Dagegen beruht die Unzulässigkeit von anti-suit injunctions un­ ter dem Regime der EuGVVO auf dem der Verordnung zugrunde liegenden Prinzip des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten.162 Dieses Prinzip gilt aber nur im bipolaren Verhältnis zweier mitgliedstaatlicher Gerichte unterein­ ander. Im Verhältnis zu drittstaatlichen Gerichten greift dagegen der Vertrau­ ensgrundsatz nicht.163 An seine Stelle tritt im Verhältnis zu Drittstaaten das Prinzip der comitas.164 Nach der Lehre von der comitas gentium (courtoisie internationale bzw. international comity) steht das Verhalten eines Staates gegen­ über anderen souveränen Staaten unter dem Gebot der Freundlichkeit, Höflich­ keit und Menschlichkeit und der Geltungsanspruch der Gesetze und Regelungs­ befugnisse eines Staates ist auf dessen Grenzen beschränkt.165 Ob anti-suit injunctions in Drittstaatensachverhalten also wegen einer Verletzung der comitas unzulässig sind, ist eine andere Frage166 – jedenfalls würde eine solche Ver­ letzung aber nicht zur Unvereinbarkeit mit der EuGVVO führen.167 Zum selben Ergebnis der Vereinbarkeit von anti-suit injunctions mit der EuGVVO in einem Vgl. dazu Illmer, IPRax 2011, 514, 518 f. Vgl. EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  24 ff. 163  Vgl. auch Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 459. 164  Vgl. Illmer, IPRax 2011, 514, 519. 165  Vgl. zur Entwicklung der comitas-Lehre Macalister-Smith, in: Bernhardt (Hrsg.), En­ cyclopedia of Public International Law (EPIL), Bd. I (1992), S.  671: „In public international law the notion of comity […] embraces those acts, practices and rules of goodwill, amity and courteous treatment habitually observed by States in their mutual intercourse without the conviction that any legal obligation is involved.“ Vgl. außerdem Roberson, 147 University of Pennsylvania Law Review (1998), 409, 413 ff.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  150; Ziegler, in: Leible/Ruffert (Hrsg.), Völkerrecht und IPR (2006), S.  43 ff., insb. 53 f. 166  Dazu ausführlich Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  234 ff.; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinba­ rungen (2008), S.  63 ff. 167  Ebenso Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 459; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  216; Illmer, IPRax 2011, 514, 519; Kruger, 53 In­ ternational and Comparative Law Quarterly (2004), 1030, 1038; Kunick/Lamb/Prantl/Regenhardt, SchiedsVZ 2012, 21, 23; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  262; Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Rn.  12.10 ff.; Rauscher, IPRax 2004, 405, 409. Fragwürdig aber nach Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 29. 161 

162 

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Fall, in dem ein Verfahren in den USA wegen einer ausschließlichen Zuständig­ keitsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte untersagt werden sollte, kam – allerdings aus anderen, nämlich reinen Ermessenerwägungen – im Jahr 2009 auch der englische High Court of Justice.168 Diese Sichtweise ist auch trotz des erweiterten Anwendungsbereichs der reformierten EuGVVO richtig169 – der Vertrauensgrundsatz ist und bleibt dem bipolaren Verhältnis zwischen den Mit­ gliedstaaten vorbehalten. 4.  Unzulässigkeit aus anderen Gründen a)  Ausschluss der Klagbarkeit oder fehlendes Rechtsschutzbedürfnis? Ob Prozessführungsverbote völkerrechtlich zulässig sind, ist umstritten. Denn mit der Maßnahme wird zwar nicht unmittelbar ins ausländische Verfahren ein­ gegriffen, dennoch hat sie jedenfalls mittelbare Wirkungen auf den Prozess, indem ihr Adressat durch die Androhung von Sanktionen faktisch zur Beendi­ gung des Verfahrens gezwungen wird. Nach einer Meinung in Deutschland sind Prozessführungsverbote per se unzulässig.170 Die Hauptargumente für diese Ansicht liegen darin, dass es andernfalls zu einer Verschachtelung von Verfah­ ren komme und die Einmischung in fremde Verfahren zu schwer lösbaren Ver­ wicklungen führe.171 Das Sekundärgericht übernehme eine unangemessene Kontrollfunktion und greife in die Kompetenzen des Primärgerichts ein, denn zu dessen Zuständigkeit gehöre auch die Entscheidung über die Zulässigkeit und Sanktionierung vertragswidrigen Verhaltens. In Teilen des Schrifttums wird deshalb bereits die Klagbarkeit eines möglichen Verfügungsanspruchs verneint, weil das Zweitgericht einen Anspruch darauf habe, die Zulässigkeit der vor ihm vorgenommenen Prozesshandlung selbstständig zu würdigen.172 Das zentrale 168  Skype Technologies SA v. Joltid Ltd and others [2009] EWHC 2783 (Ch) m. Anm. Illmer, IPRax 2011, 514. Siehe auch Shashoua and others v. Sharma [2009] EWHC 957 (Comm); Midgulf International Ltd v. Groupe Chimique Tunisien [2010] EWCA Civ 66. 169  Ebenso Illmer, IPRax 2011, 814, 820. 170  So etwa Baumgärtel, in: Festschrift Schima (1969), S.  41, 49; Dölle, in: Festschrift Riese (1964), S.  279, 291; P. Gottwald, in: Festschrift Habscheid (1989), S.  119, 122 f.; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  202; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung (2005), S.  269 ff.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  769 ff.; in diese Richtung auch Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  862 f. 171  In diese Richtung etwa Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerech­ tigkeit (1995), S.  769 ff. 172  So insb. Baumgärtel, in: Festschrift Schima (1969), S.  41, 49; Dölle, in: Festschrift Riese (1964), S.  279, 291; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  202.

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Argument im Eilverfahren wie auch im Hauptsacheverfahren wird von den meisten jedoch am Rechtsschutzbedürfnis festgemacht: Das prozessuale Ziel dürfe nicht auf einfacherem Weg zu erreichen sein. Eine Verteidigungsmöglich­ keit im Ausland, z. B. die Möglichkeit, sich auf die dort geltende forum non conveniens-Doktrin zu berufen, könne daher das Rechtsschutzbedürfnis entfal­ len lassen.173 Aus diesem Grund verneint diese Meinung das Rechtsschutzbe­ dürfnis, weil eine Geltendmachung des Prozessvertrags im Primärprozess mög­ lich (gewesen) sei oder weil jedenfalls eine Vollstreckung des Urteils im Inland unter Berufung auf §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO verhindert werden könne.174 Schließ­ lich könne der Beklagte die Unzuständigkeit des Gerichts rügen oder, wenn es seine internationale Zuständigkeit dennoch bejahen sollte, Rechtsmittel einle­ gen, um einen Titel im Erststaat zu vermeiden.175 Gegen beide Ansätze sprechen die folgenden Erwägungen: Die Klagbarkeit eines Rechts, nicht andernorts verklagt zu werden (sollte es denn bestehen), per se auszuschließen, ist systematisch fehlerhaft. Unklagbarkeit besteht, wie Kurth richtigerweise zusammenfasst, dann, wenn das Gesetz die klageweise Geltend­ machung eines Rechts zwar ausschließt, aber eine außergerichtliche Befriedi­ gung möglich ist. Als Beispiele nennt er u. a. den Verwendungsersatzanspruch des Besitzers (§  1001 BGB), den Anspruch des Erbschaftsbesitzers (§  2022 BGB) oder die nach früherer Rechtslage bestehenden Ansprüche des Verkäufers gegen den Käufer beim Spezifikationskauf (§  375 HGB a. F.).176 Deutlichere Bei­ spiele sind die im BGB enthaltenen unvollkommenen Verbindlichkeiten des §  656 BGB (Anspruch auf Vergütung für Heiratsvermittlung) oder des §  762 BGB (Spiel und Wette). Diese Fälle sind nicht mit dem vorliegenden vergleich­ bar, denn ihnen ist gemein, dass sie jedenfalls zum Schutz des Erwerbers einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen geben. Daher ist es auch gerechtfertigt, sie als Verbindlichkeiten – wenn auch als unvollkommene – zu bezeichnen. Die Klag­ barkeit eines aus einem Vertrag oder Delikt erwachsenden right not to be sued 173  Auch in England wird von den Gerichten teilweise betont, dass der Antragsteller zu­ nächst versuchen solle, das ausländische Gericht von dessen Unzuständigkeit zu überzeugen. Vgl. etwa Barclays Bank Plc v. Homan [1993] B.C.L.C. 680; Pan American World Airways v. Andrews [1992] S.L.T. 268; Shell (UK) Exploration and Production Ltd v. Innes [1995] S.L.T. 807. 174  Baum, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des internationalen Zivilverfah­ rensrechts (1994), S.  185, 196; Beitzke, AcP 151 (1950/51), 268, 275; ders., FamRZ 1967, 592, 594; Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1118; ders., WM 1986, 117, 122; Heldrich, Internatio­ nale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969), S.  163; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts (2005), Rn.  179. 175  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1117 f. 176  Vgl. zum Ganzen Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländi­ schen Gerichten (1989), S.  112 f. m. w. N. in Fn.  216 f.

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abroad auszuschließen, würde das Recht aber zu einem Nullum verkümmern lassen, denn hier wird nichts erworben, zu dessen Behaltensrechtsgrund das Recht einmal dienen könnte. Genauso wenig ist der vorliegende Fall mit der Vorschrift des §  1297 BGB, wonach das Verlöbnis keinen einklagbaren An­ spruch begründet, vergleichbar. Denn der Klagbarkeit des Verlöbnisses steht der Schutz der negativen Eheschließungsfreiheit aus Art.  6 Abs.  1 GG entgegen. Grundrechtspositionen sind dagegen von einem right not to be sued abroad nicht tangiert, insbesondere scheidet auch eine Verletzung von Art.  19 Abs.  4 GG aus – es geht schließlich nicht um Verletzungen durch die öffentliche Ge­ walt und im Privatrecht ist selbst der gänzliche Klageverzicht zulässig. Zudem steht den Parteien schließlich der Rechtsweg offen, es werden nur bestimmte Gerichte ausgeschlossen. Die Argumente, die gegen die Zulässigkeit von klage­ weise durchsetzbaren Prozessführungsverboten angebracht werden, sind von ihrer Natur her rechtspolitischer Art – deshalb liegt es auch näher, sie im Rah­ men des Rechtsschutzbedürfnisses zum Tragen kommen zu lassen. Sie sind aber nicht dazu geeignet, zur generellen Unklagbarkeit des Anspruchs zu füh­ ren. Schon überzeugender ist es daher, der Partei, die den Erlass eines Prozess­ führungsverbots beantragt, das Rechtsschutzbedürfnis zu versagen. Doch sollte dabei jede pauschale Lösung vermieden werden. Insbesondere sollte man das Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb verneinen, weil eine spätere Anerkennung und Vollstreckung nicht zu vermuten ist.177 Hierbei handelt es sich um zwei verschiedene Paar Schuhe. Ob eine Partei für ein Prozessbegehren rechtsschutz­ bedürftig ist, muss allein anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Die Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung und die Unzuständigkeit des ausländischen Gerichts, etwa unter Hinweis auf die forum non conveniens-Dok­ trin, mag zwar ein einfacheres und weniger einschneidendes Mittel sein.178 Es ist aber erstens nicht gewährleistet, dass solche Versuche zum Erfolg führen und das ausländische Gericht das Verfahren tatsächlich abweist oder einstellt. Zwei­ tens entstehen der Partei, wie dargestellt, häufig bereits Kosten und andere Nachteile im ausländischen Verfahren, selbst wenn sie sich auf die Gerichts­ standsvereinbarung beruft und die ausländische Zuständigkeit angreift. Diese Nachteile sind ohne eine Einwirkung auf das ausländische Verfahren häufig nicht abzuwenden. Angesichts dieser Aspekte kann es durchaus Fälle geben, in denen das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen ist.179 Festgehalten werden kann So aber z. B. Beitzke, AcP 151 (1950/51), 268, 275; ders., FamRZ 1967, 592, 594; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969), S.  163. 178  Vgl. Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  210 f.; Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 543, Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 333. 179  Im Ergebnis ähnlich Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), 177 

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daher, dass es Gesuchen um Erlass eines Prozessführungsverbots nicht per se an der Klagbarkeit des möglichen Anspruchs oder dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. b)  Völkerrechtliche Unzulässigkeit wegen Verletzung der comitas – außer von contractual injunctions Die Bedenken der geschilderten Ansichten gegen die Zulässigkeit von Prozess­ führungsverboten sind dennoch nicht von der Hand zu weisen. Wie man es auch dreht und wendet – de facto wird, auch wenn der Adressat des Unterlassungsbe­ gehrens allein die andere Partei ist, zumindest mittelbar in die Jurisdiktionsbe­ fugnis des ausländischen Gerichts eingegriffen, indem dieses daran gehindert wird, seine Zuständigkeit selbst zu prüfen und das Verfahren möglicherweise durchzuführen.180 Prozessführungsverbote könnten daher, ohne dass man dies an der Klagbarkeit oder am Rechtsschutzbedürfnis festmacht, generell wegen Verletzung der comitas völkerrechtlich unzulässig sein.181 Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, wie fundamental die kulturel­ len Unterschiede zwischen dem common law und dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis in Bezug auf die Rolle sind, die dem einzelnen Staat im beschriebe­ nen anarchischen System der Zuständigkeiten zukommt.182 Während nämlich, wie Lord Goff in Airbus Industrie GIE v. Patel183 ausführt, das Hauptziel der EuGVVO darin bestehe, positive Kompetenzkonflikte zu verhindern, indem sie die Zuständigkeiten klar und relativ eng definiert, versuche das common law-­ System die weiten, ausgreifenden Zuständigkeitsgründe in den einzelnen Staa­ ten durch die Doktrin vom forum non conveniens in Einklang zu bringen. So führe es mithilfe von flexiblen Instrumenten zu gerechten Einzelfallergebnis­ S.  169, demzufolge das Rechtsschutzbedürfnis auch dann besteht, wenn die Zuständigkeits­ rüge im Ausland einen größeren finanziellen Aufwand bedeuten würde; Köster, Haftung we­ gen Forum Shopping in den USA (2001), S.  139, der das Rechtsschutzbedürfnis aber nur dann bejaht, wenn der in den USA beklagten Partei anderenfalls Rechtsverweigerung und schwer­ wiegende Nachteile drohen; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländi­ schen Gerichten (1989), S.  113 f.; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  270. 180  Baum, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfah­ rensrechts (1994), S.  185, 197; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivil­ prozeßrecht (1996), S.  199. 181  Eine Analyse von anti-suit injunctions anhand der comity aus Sicht des US-amerikani­ schen Rechts nimmt Tan vor, vgl. 45 Virginia Journal of International Law (2005), 283. 182  Vgl. Lord Goff in Airbus Industrie v. Patel [1998] 2 WLR 686, 692, der von „cultural differences“ spricht. Vgl. dazu auch Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 62. 183  Lord Goff in Airbus Industrie v. Patel [1998] 2 WLR 686, 692 f., 701. Dazu Gross, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2005, 10, 14.

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sen. Wenn jedoch in einem Staat die forum non conveniens-Lehre nicht beachtet werde, könne dies zu Störungen des Systems führen. Diese Störungen auszu­ gleichen sei die Funktion von anti-suit injunctions. Diese beiden einander kom­ plementär ergänzenden Institute – die forum non conveniens-Doktrin auf der einen und anti-suit injunctions auf der anderen Seite – führten zu einem flexib­ len, auf Einzelfallgerechtigkeit ausgerichteten System, in welchem sich die Ge­ richte bei grundsätzlich weiten Zuständigkeitsbefugnissen selbst beschränkten. Davon überzeugt bezeichnet Lord Goff das System als „one of the most civilized of legal principles“.184 Eine Wertung dieses Ansatzes aus Sicht des kontinentaleuropäischen Rechts nimmt Huber vor: Ihm zufolge ist der Staat oder das staatliche Gericht im Sys­ tem der EuGVVO ein Anarchist unter anderen, der die anderen Anarchisten gewähren lässt, soweit nicht sein eigener Machtbereich betroffen ist, während ihm im common law die Funktion eines Lenkers zukommt, der die anderen Anarchisten in die Schranken zu weisen beansprucht.185 Dieser fundamentale Unterschied offenbart sich auch in anderen Ermessenentscheidungen angel­ sächsischer Gerichte, z. B. dem reasonableness-Test. An Stelle dieser Ermes­ sensentscheidungen haben sich die Gerichte im Anwendungsbereich der EuGV­ VO an starre, vorgegebene Zuständigkeitsregeln zu halten, wobei alles, was über den eigenen Machtbereich hinausgeht und die Grenzen des eigenen Zu­ ständigkeitsbereichs verlässt, unzulässig ist und die Souveränität des ausländi­ schen Staates verletzt. Das muss unabhängig davon gelten, dass das Prozessfüh­ rungsverbot nicht direkt an den ausländischen Staat, sondern an den Kläger gerichtet ist. Denn mittels eines an den Kläger gerichteten Verbots, die Prozess­ führung im Ausland zu betreiben oder fortzuführen, wendet ein Staat die eige­ nen Zuständigkeitsmaßstäbe über die Grenzen seines Machtbereichs hinaus an. Deshalb schlägt Huber186 folgende Differenzierung vor: Sog. convenience-based injunctions, welche darauf gerichtet sind, die eige­ nen Zuständigkeitsinteressen zu schützen oder ein missbräuchliches Verhalten des Klägers zu sanktionieren, sollen völkerrechtswidrig und damit unzulässig sein. Es verstoße gegen das anarchische System, Klagen im Ausland an den in­ ländischen Zuständigkeitsvorstellungen zu messen und sie deshalb zu untersa­ gen. Denn ob das Verhalten des Auslandsklägers rechtswidrig sei und daher Grund für die Verhängung eines Prozessführungsverbots gebe, könne nicht an den inländischen Zuständigkeitsregeln gemessen werden. Zwar dürften wir die eigenen Zuständigkeitsregeln im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung Lord Goff in Airbus Industrie v. Patel [1998] 2 WLR 686, 701. Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 66. 186  Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 64 f. 184  185 

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spiegelbildlich anwenden und so ausländischen Urteilen die Wirkung im Inland versagen. Auf diese Weise dehnen wir aber, wie Huber erkennt, den Anwen­ dungsbereich unserer Zuständigkeitsvorschriften nicht über unseren Machtbe­ reich hinaus aus, da es schließlich darum geht, welchen ausländischen Urteilen wir im Inland Wirkung erteilen wollen und welchen nicht. Umgekehrt stehe der Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zum Schutz ausschließlicher Ge­ richtsstandsvereinbarungen nichts entgegen. Denn hier greife der das Prozess­ führungsverbot verhängende Staat nicht in die Zuständigkeitsvorstellungen des ausländischen Staates ein. Er setze keine eigene Zuständigkeitsvorschrift durch, sondern verhelfe dem Antragsteller lediglich zur Durchsetzung seines vertrag­ lichen Erfüllungsanspruchs aus der Zuständigkeitsabrede.187 Diese Differenzierung zwischen Prozessführungsverboten zum Schutz einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung und non-contractual injunctions wird auch von einigen anderen Vertretern im deutschen Schrifttum vorgenom­ men.188 Die Unterscheidung leuchtet ein, denn die Prozessführungsverbote der ersten Gruppe enthalten keine Aussage darüber, ob das ausländische Forum aus Sicht des angerufenen angemessen ist oder nicht.189 Ein Prozessführungsverbot zum Schutz einer Zuständigkeitsvereinbarung ergeht unter Beachtung der Par­ teivereinbarung und das erlassende Gericht muss gar nicht erst in eine Prüfung der Angemessenheit des ausländischen Verfahrens eintreten. Es findet keinerlei Bewertung der fremden Zuständigkeitsordnung statt. Auch im anglo-amerika­ nischen Recht werden Prozessführungsverbote zum Schutz von Zuständigkeits­ vereinbarungen weniger kritisch bewertet als convenience-based obligations.190 Die vertragswidrig handelnde Partei ist nicht schutzwürdig, denn sie hat es sich 187  Vgl. zum Ganzen Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 64 f. 188  So schon von Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 530 ff. und zustimmend Baum, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrens­ rechts (1994), S.  185, 195; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländi­ schen Gerichten (1989), S.  60 ff. Ebenfalls für eine Zulässigkeit von Prozessführungsverbo­ ten zum Schutz von Zuständigkeitsvereinbarungen z. B. Peiffer, Schutz gegen Klagen im fo­ rum derogatum (2013), S.  352; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  36 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  270 f. Weiter (für eine generelle Zuläs­ sigkeit von anti-suit injunctions gegenüber Klägern in Drittstaaten) Schmidt, RIW 2006, 492, 497 f. 189  Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  198. 190  Bermann, 28 Columbia Journal of Transnational Law (1990), 589, 623; Briggs, Lloyd’s Maritime and Comparative Law Quarterly 1987, 391, 396 ff.; Butler/Weijburg, 24 U.S.F. M ­ aritime Law Journal (2011–2012), 257, 268 ff.; Males, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 543, 552. Aus dem europäischen Ausland vgl. z. B. die Entscheidung des niederländischen Hoge Raad vom 01.02.1985, N.J. 1985 Nr.  698 mit Besprechung Sauve­ planne, IPRax 1986, 48 ff.

§ 6 – F.  Prozessführungsverbote

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selbst zuzuschreiben, wenn sie entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstands­ vereinbarung vor dem Gericht eines anderen Staates klagt und nun Adressat möglicher Sanktionen wird. Im Ergebnis sind daher non-contractual injunctions, welche etwa dem Schutz eigener Zuständigkeitsinteressen dienen, mit dem völkerrechtlichen Prinzip der comitas nur schwer vereinbar, während Pro­ zessführungsverbote zum Schutz von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­ rungen – dasselbe Ergebnis muss im Übrigen auch bei nicht optionalen Schieds­ vereinbarungen gelten – grundsätzlich völkerrechtlich zulässig sind. Wie Illmer richtigerweise fordert, bedarf es jedoch trotzdem „[…] zumindest einer einge­ henden Begründung, warum das vereinbarte Gericht der Entscheidung über die Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung als Grundlage der internationalen Zuständigkeit a priori näher stehen soll als das angerufene Gericht.“191 Denn auch wenn es außerhalb des Geltungsbereichs geschlossener Systeme wie der EuGVVO bislang kein milderes, gleichermaßen geeignetes Mittel gibt, um den legitimen Zweck der anti-suit injunction, nämlich miss­ bräuchliche Prozesstaktiken zu verhindern, zu verfolgen, bleibt der anti-suit injunction doch in jeder Konstellation systemimmanent, dass sie das Recht des ausländischen Gerichts, unabhängig über seine internationale Zuständigkeit zu entscheiden, beschneidet.192 Der Erlass einer anti-suit injunction belastet die zwischenstaatlichen Beziehungen daher so stark, dass sich stets die Frage stellt, ob die Maßnahme mit der angestrebten Vermeidung einer Doppelprozessfüh­ rung bzw. dem Schutz der Zuständigkeitsvereinbarung und damit der Partei­ autonomie gerechtfertigt werden kann.193 V.  Zusammenfassung und Ausblick Im anglo-amerikanischen Raum handelt es sich bei anti-suit injunctions um ein allgemein bekanntes und gebrauchtes Rechtsinstitut. Daran wird auch die Hal­ tung des EuGH nichts zu ändern vermögen.194 Im Verhältnis zwischen den Mit­ 191  Illmer, IPRax 2010, 456, 458; ähnlich schon Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen (2008), S.  66 ff.; ähnlich auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  199. 192  So Illmer, IPRax 2010, 456, 461. 193  Ähnlich auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  64 f., 195 f., 232 ff. Zur Vereinbarkeit von anti-suit injunctions mit der comity aus englischer Sicht vgl. auch Sim, 62 International and Comparative Law Quarterly 2013, 703 194  Vgl. nur Briggs/Domann, in: Festschrift Schlosser (2005), 161, 168: „One wonders whether the anti-suit injunction of Common law systems is not something which other sys­ tems should adopt rather than something which English law must forget.“ Vgl. auch ein wei­ teres Zitat von Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  196: „An injunction, in this context at least [id est in case of breach of a forum selection clause] is an

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gliedstaaten sind Prozessführungsverbote jedoch seit den Entscheidungen des EuGH in Turner und West Tankers wegen Verletzung des Vertrauensgrund­ satzes unzulässig, was auch für die englischen Gerichte gilt. Auch die deutschen Gerichte dürfen gegenüber Parteien, die vor den Gerichten anderer Mitglied­ staaten klagen oder dies beabsichtigen, wegen der Rechtsprechung des EuGH weder zum Schutz von Gerichtsstands- noch von Schiedsvereinbarungen Prozess­f ührungsverbote erlassen. Daran hat sich auch durch die Reform der EuGVVO nichts geändert. Umstritten ist dagegen, ob gegenüber solchen Parteien, die Verfahren vor drittstaatlichen Gerichten führen oder dies beabsichtigen, (präventive) Prozess­ führungsverbote erlassen werden dürfen. Zwar ist der Erlass von Prozessfüh­ rungsverboten mit einigen Nachteilen verbunden. Wenn in mehreren Staaten Prozessführungsverbote erlassen werden können, kann es zu einem wechselsei­ tigen Austausch kommen, der zulasten der Rechtssicherheit geht und nicht pro­ zessökonomisch ist. Außerdem können Prozessführungsverbote die zwischen­ staatlichen Beziehungen belasten, weil jedenfalls mittelbar ein ausländisches Verfahren unterbunden werden soll. Nach der hier vertretenen Ansicht ist der Erlass von Prozessführungsverboten trotzdem dann völkerrechtlich zulässig, wenn das Prozessführungsverbot zum Schutz einer ausschließlichen Gerichts­ stands- oder Schiedsvereinbarung ergeht. In diesem Fall wird nämlich nicht die ausländische Zuständigkeitsordnung bewertet. Allerdings unterliegt die Zuläs­ sigkeit strengen Voraussetzungen, es muss also im Einzelfall geprüft werden, ob die Partei, die das Prozessführungsverbot beantragt, rechtsschutzbedürftig ist und ob tatsächlich keine völkerrechtlichen Hindernisse bestehen. Allerdings wäre es für den Erlass eines Prozessführungsverbots stets erforderlich, dass der Antragsteller einen Verfügungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen An­ spruch, glaubhaft machen kann. Ein solcher könnte sich aus der Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung ergeben, wenn man ihr Verpflichtungswirkung bei­ misst. Dies ist in Deutschland jedoch umstritten. Selbst wenn man aber ein aus der Gerichtsstandsvereinbarung erwachsendes right not to be sued abroad anerkennen würde und – wie hier vertreten – von der völkerrechtlichen Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zum Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen ausgeht, besteht kein Grund für die Annahme, order that the party to whom it is addressed act in accordance with what his conscience [meant in a technical sense as the intellectual foundation for the very clear and precise prin­ ciples of equity] should direct him to do. The court, in effect, orders him to do what equity requires of him. [A]ll the court does is look to the alleged wrongdoer and require that he now do what the law and his conscience requires. It lifts its eyes no higher than that; it claims no wider a power, and assumes no greater a responsibility than that of insisting that those brought before it should act as the law and consciences demands.“

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dass die deutschen Gerichte in der Zukunft Prozessführungsverbote zum Schutz von Zuständigkeitsvereinbarungen erlassen werden. Prozessführungsverbote sind dem deutschen Recht systemfremd, es handelt sich schlicht um Fremdkör­ per im deutschen Recht, deren Einzug auch für die Zukunft nicht zu erwarten steht. Dafür spricht auch die Haltung der deutschen Gerichte bei der Anerken­ nung von Prozessführungsverboten. Die Anerkennung eines Prozessführungs­ verbots aus einem Drittstatt richtet sich nicht nach der EuGVVO, sondern nach dem nationalen Recht.195 Grundsätzlich wird die Anerkennungsfähigkeit schon deshalb verneint, weil §  328 ZPO – anders als die Anerkennungsvorschriften der EuGVVO – nur die Anerkennung ausländischer Sachentscheidungen er­ mögliche, es sich bei einem Prozessführungsverbot aber um eine Entscheidung allein über prozessuale Fragen handle.196 Darüber hinaus scheitert die Anerken­ nung eines ausländischen Prozessführungsverbots aber aus denselben Gründen, welche für die Unzulässigkeit ihres Erlasses angeführt werden, am ordre public nach §  328 Abs.  1 Nr.  4 ZPO.197 Das OLG Düsseldorf hat im Jahr 1996 sogar bereits die Zustellung einer englischen Prozessführungsverbotsanordnung nach Art.  13 Abs.  1 HZÜ verweigert mit der Begründung, das Prozessführungsver­ bot richte sich gegen die Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland.198 An­ gesichts dessen kann in Deutschland wohl kaum damit gerechnet werden, dass zukünftig die deutschen Gerichte zum Schutz der eigenen Prorogation Prozess­ führungsverbote erlassen werden.

Illmer, IPRax 2010, 456, 456 f. Geimer, in: Zöller ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  328 Rn.  42; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  58; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  353 f.; Schütze, Ausgewählte Probleme des Internationalen Zivilprozessrechts (2006), S.  57. 197  Schütze, Ausgewählte Probleme des Internationalen Zivilprozessrechts (2006), S.  190; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr (1999), S.  56. 198  OLG Düsseldorf, 10.01.1996, ZIP 1996, 294 = IPRax 1997, 260 m. Anm. Harris, 16 Civil Justice Quarterly, 1997, 283; Hau, IPRax 1997, 245; Mankowski, EWiR 1996, 321; ­Mansel, EuZW 1996, 335; Stürner, ZZP 109 (1996), 224. Ähnlich auch die Entscheidung der belgischen Burgelijke Rechtbank te Brussel vom 18.12.1989, Rechtskundig Weekblad (RW) 1990/1991, 676: Ablehnung der Vollstreckung einer anti-suit injunction unter Berufung auf den ordre public. Dagegen hat z. B. die französische Cour de cassation 2009 eine anti-suit injunction aus dem US-Bundesstaat Georgia, mit welcher dem belgischen Kläger die Pro­ zessführung vor dem Tribunal de commerce in Nanterre untersagt werden sollte, am franzö­ sischen ordre public international gemessen und für anerkennungsfähig und vollstreckbar befunden. Dabei stütze das Gericht seine Entscheidung auf die Achtung der Gerichtsstands­ vereinbarung zwischen den Parteien, deren Durchsetzung die anti-suit injunction diene. Vgl. Cour de cassation, 1ère civ., 14.10.2009, Bulletin des arrèts de la Cour de cassation I no. 207. Mehr dazu unten in Teil II §  9 E. 195 

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G.  Feststellungsklagen I. Überblick Eine weitere mögliche Abwehrmaßnahme eines Verfahrens vor einem ausländi­ schen derogierten Gericht liegt in der Erhebung einer Feststellungsklage im In­ land.199 Anders als ein Antrag im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Feststellungsklage jedoch nicht auf eine (vorläufige) Sachentscheidung ge­ richtet. Der Feststellungsgegenstand liegt also nicht im Bestehen oder Nichtbe­ stehen materiellrechtlicher Ansprüche und Rechte. Zwar können auch diese Gegenstand der gerichtlichen Feststellung sein.200 Für solche Klagen kann aber auf die Ausführungen zu Parallelklagen verwiesen werden.201 Gemeint ist, dass der Kläger eine Feststellung über ein prozessuales Rechtsverhältnis, nämlich über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und damit die Unzustän­ digkeit des ausländischen Gerichts, begehrt. Feststellungsklagen sind entweder präventiv oder nachträglich, also wenn bereits eine Klage im Ausland erhoben wurde, möglich. Außerdem kann die Klage negativ formuliert werden (die Un­ zuständigkeit des ausländischen Gerichts, bei dem die Klage anhängig ist oder vor dem eine Klageerhebung befürchtet wird, soll festgestellt werden)202 oder positiv (die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und die eigene Zu­ ständigkeit sollen festgestellt werden). II.  Feststellungsklagen im Verhältnis zu Drittstaaten 1.  Vielfältige Möglichkeiten von Feststellungsklagen Dem Ziel, eine Klage und ein Verfahren vor einem abgewählten drittstaatlichen, z. B. US-amerikanischen, Gericht abzuwenden, wird eine präventive Feststel­ Vgl. dazu auch Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  246 ff.; Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  337 f.; Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  344 ff. und ders., The Anti-suit Injunction, Updating Sup­ plement (2010), S.  71 ff. mit Nachweisen aus der englischen Rechtsprechung. 200  So Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  126. 201  Siehe oben Teil I §  6 B. 202  Im common law bestehen noch weitere, hier nicht diskutierte Möglichkeiten negativer Feststellungsklagen. So kann der Feststellungskläger feststellen lassen, dass er der anderen Partei in einem ausländischen Prozess nichts schuldet oder dass ein ausländisches Urteil im Inland nicht anerkannt und vollstreckt werden kann. Dazu vgl. Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  246 ff. Speziell zu sog. anti-enforcement injunctions und deren Vereinbarkeit mit der reformierten EuGVVO vgl. Camilleri, 62 International and Comparative Law Quarterly (2013), 899, 904 ff. 199 

§ 6 – G.  Feststellungsklagen

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lungsklage grundsätzlich eher dienen als eine nachträgliche.203 Wie bereits ge­ schildert, führt die anderweitige ausländische Rechtshängigkeit beispielweise in den USA nicht immer zu einem Zulässigkeitshindernis, sodass es oft nicht aus­ reicht, dem Auslandskläger zuvorzukommen und ein Verfahren in der Sache vor dem gewählten Gericht im Inland anzustrengen. Wie dargestellt wurde, ist nur ein bereits ergangenes anerkennungsfähiges Urteil dazu geeignet, der Zu­ lässigkeit einer Klage in einem Drittstaat entgegenzustehen.204 Die Verfahrens­ dauer wird jedoch häufig viel zu lang sein, als dass das prorogierte Gericht be­ reits zu einer Sachentscheidung kommt, noch bevor die andere Partei im Aus­ land ein paralleles Verfahren anstrengt. Dagegen ist die Verfahrensdauer einer präventiven Feststellungsklage, bei der das angerufene Gericht lediglich fest­ stellen soll, dass die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam und ausländische Gerichte unzuständig sind, regelmäßig kürzer. Das Gericht hat dann nur über Zuständigkeitsfragen, nicht aber in der Sache selbst zu entscheiden. In diesem Fall ist es also vergleichsweise wahrscheinlicher, dass das prorogierte Gericht rechtskräftig über die Feststellungsklage entschieden haben wird, bevor die an­ dere Partei die befürchtete Klage im forum derogatum erhoben hat. Dann be­ steht jedenfalls eine realistische Chance, dass die andere Partei ganz von einer Klageerhebung im Ausland absehen oder dass das ausländische Gericht, wenn es denn doch angerufen wird, die eigene Zuständigkeit im Hinblick auf das deutsche Feststellungsurteil eher verneinen wird.205 Selbst wenn aber die Fest­ stellungsklage eine parallele Klage im forum derogatum nicht verhindert, soll ein Feststellungsurteil über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung u. U. Grundlage für ein späteres auf Schadensersatz wegen der Verletzung der Vereinbarung gerichtetes Verfahren sein können und dieses beschleunigen.206 Allerdings gibt es auch Gründe, die gegen die Erhebung einer präventiven Fest­ stellungsklage sprechen. So kann die Empfehlung, eine präventive Feststel­ lungsklage zu erheben, die Parteien vor Gericht drängen, wenn möglicherweise überhaupt kein gerichtliches Verfahren erforderlich ist, und in einem Zustel­ lungswettlauf enden.207

Ebenso Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 95. Vgl. oben Teil I §  6 B. I. 205  So empfiehlt z. B. Kurth präventive Maßnahmen, wie vorbeugende Feststellungskla­ gen und einstweiligen Rechtsschutz, als die erfolgversprechendsten Abwehrmöglichkeiten gegen Klagen im Ausland, vgl. Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor aus­ ländischen Gerichten (1989), S.  140. 206  Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 95. 207  Vgl. dazu auch Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  123 ff. 203 

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Wenn eine Partei die Klageerhebung im derogierten ausländischen Gericht nicht vorhergesehen und es daher verpasst hat, eine präventive Feststellungs­ klage zu erheben, kann sie auch nachträglich in Deutschland eine Feststellungs­ klage anstrengen. Die ausländische Rechtshängigkeit wird der inländischen Feststellungsklage nicht entgegenstehen. Zunächst ist schon zweifelhaft, ob überhaupt über denselben Streitgegenstand gestritten wird. Identität des Streit­ gegenstands kann nämlich eigentlich nur dann vorliegen, wenn sich die Fest­ stellungsklage auf das materielle Rechtsverhältnis bezieht, nicht hingegen, wenn sie sich auf die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, die Zustän­ digkeit des Gerichts oder aus der Verletzung der Vereinbarung erwachsende Schadensersatzansprüche bezieht.208 Dies kann aber dahinstehen, weil die aus­ ländische Rechtshängigkeit ohnehin wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO (das Spie­ gelbildprinzip ist verletzt) nicht den Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit analog §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO begründen kann, der ja eine positive Anerken­ nungsprognose voraussetzt. Zu denken ist dann entweder an eine negative Fest­ stellungsklage mit dem Antrag, die fehlende internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts feststellen zu lassen. Andere schlagen vor, gleich im Wege einer positiven Feststellungsklage gerichtlich feststellen zu lassen, dass dem Feststellungkläger alle Schäden, die er wegen der Klage im Ausland erlei­ det, im Inland zu erstatten seien.209 Die dritte Möglichkeit einer Feststellungs­ klage besteht darin, von einem inländischen Gericht, noch während das auslän­ dische Verfahren anhängig ist, bereits vorläufig die fehlende Anerkennungsfä­ higkeit der im Ausland zu erwartenden Entscheidung feststellen zu lassen.210 Bei derartigen Feststellungsklagen ist das Feststellungsinteresse indes beson­ ders fragwürdig, wie noch aufgezeigt wird. Außerdem geht eine solche negative Feststellungsklage, falls der Auslandskläger im Ausland vollstrecken will, ins Leere. 2.  Internationale Zuständigkeit Voraussetzung für die Entscheidung über eine (negative) Feststellungklage ist die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts. Jenseits einer Zustän­ digkeitsvereinbarung, also wenn generell eine ausländische Klage abgewehrt werden soll, ist streitig, woraus sich diese Zuständigkeit ergibt. Ist nicht die EuGVVO anwendbar, sind die Regeln der ZPO doppelfunktional heranzuzie­ 208  In diese Richtung auch Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor auslän­ dischen Gerichten (1989), S.  127. 209  Paulus, RIW 2006, 258. 210  Vgl. hierzu Geimer, JZ 1977, 145, 147; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  39.

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hen. Möglich erscheint dann einerseits der Deliktsgerichtsstand des §  32 ZPO211, andererseits kann sich die internationale Zuständigkeit am Wohnsitz bzw. Sitz des Feststellungsklägers auch, mit der Rechtsprechung des BGH212 , aus §  23 ZPO ergeben, weil nämlich der Erfüllungsort der Forderung, welcher sich der Auslandskläger berühmt, am Wohnsitz bzw. Sitz des Feststellungsklägers als (angeblichem) Schuldner nach §  269 Abs.  1 BGB belegen sei. Dabei soll davon auszugehen sein, dass auch der vom BGH in späterer Rechtsprechung geforder­ te hinreichende Inlandsbezug213 durch den inländischen Wohnsitz des Feststel­ lungsklägers gewahrt sei.214 Wenn die Parteien aber eine ausschließliche Ge­ richtsstandsvereinbarung nach Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. geschlossen haben und mit der Feststellungsklage gerade positiv deren Wirksamkeit und die Zuständigkeit des gewählten Gerichts bzw. negativ die Unzuständigkeit eines anderen, derogierten Gerichts festgestellt werden soll, ergibt sich die internationale Zuständigkeit für die Feststellungsklage unproble­ matisch aus der Gerichtsstandsvereinbarung. Die Vereinbarung ist dahingehend weit auszulegen, dass sie für alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, gelten soll, also auch für die aus dem Vertrag selbst erwachsenden Rechte und Pflichten.215 Aus einer Vereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts oder der deutschen Gerichte erwächst also auch die Zustän­ digkeit dieses Gerichts bzw. der deutschen Gerichte zur Entscheidung über die Feststellungsklage. 211  Gegen einen inländischen Gerichtsstand für negative Feststellungsklagen Baum, in: Heldrich/Kono (Hrsg.) Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  185, 198 ff.: Das in §  32 ZPO gewährte Ubiquitätsprinzip, also das Wahlrecht des Klägers zwischen Handlungs- und Erfolgsort, gelte nicht für den Schädiger. Es diene nämlich dem Schutz des Geschädigten und außerdem der Beweiserleichterung durch die Sach- und Orts­ nähe des Tatortgerichts. Nicht bezweckt sei dagegen, dass der Schädiger dem Geschädigten mittels einer präventiven Feststellungsklage stets vorwegkommen und ihn vor einem heimi­ schen Gericht verklagen könne. Das Ubiquitätsprinzip gelte daher nur für Leistungs- und positive, nicht aber für negative Feststellungsklagen. In der typischen Produkthaftungssitua­ tion sei also für den deutschen Hersteller kein Gerichtsstand zur Erhebung einer präventiven negativen Feststellungklage im Inland gegeben. 212  BGH, 17.05.1977 = BGHZ 69, 37, 45; BGH, 13.06.1978, NJW 1978, 2202. 213  Grundlegend BGH, 02.07.1991, NJW 1991, 3092, 3093; BGH, 22.10.1996, NJW 1997, 324, 325. 214  So Schütze, RIW 2007, 801, 804. 215  Vgl. auch Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  347. Ebenso hält das Schrifttum das prorogierte Gericht für zuständig für den Erlass von anti-suit injunctions, vgl. Hau, Posi­tive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  212; Jegher, Abwehr­ massnahmen gegen ausländische Prozesse im Internationalen Zivilverfahrensrecht der Schweiz (2003), S.  155; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  110. Vgl. zur Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Schadens­ersatzklage we­ gen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung unten Teil III §  11 B. und §  14 B.

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3. Feststellungsinteresse a)  Feststellungsinteresse im engeren Sinne Die Zulässigkeit einer Feststellungklage nach §  256 ZPO setzt voraus, dass der Kläger „[…] ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis […] durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.“ Erforderliche Sach­ urteilsvoraussetzung für jede Art von Feststellungsklage ist also das Vorhan­ densein eines Feststellungsinteresses als besonders ausgestaltetes allgemeines Rechtsschutzinteresse.216 Inhaltlich setzt das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung voraus, dass dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine ge­ genwärtige Gefahr der Unsicherheit droht.217 Für eine negative Feststellungs­ klage muss sich der Feststellungsbeklagte zwar nicht ausdrücklich eines Rechts berühmen.218 Bloßes Schweigen oder rein passives Verhalten reichen aber grundsätzlich ebenfalls nicht aus, um das Feststellungsinteresse zu begrün­ den.219 Auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen bedeutet dies, dass der Fest­ stellungskläger für eine präventive Feststellungsklage zu begründen hat, warum er ernsthaft besorgt ist, in nächster Zeit entgegen einer Gerichtsstandsvereinba­ rung zugunsten eines deutschen Gerichts oder der deutschen Gerichte vor ei­ nem ausländischen Gericht verklagt zu werden.220 Derartig vorhersehbar wird das künftige Verhalten der anderen Partei aber nur selten sein. Trotzdem besteht in der Literatur die Tendenz, das Feststellungsinteresse auch bei präventiven Klagen großzügig zu bejahen. Es sei regelmäßig schon dann gegeben, wenn eine Klage vor einem ausländischen Gericht drohe, denn die Klagedrohung sei eine besonders starke Form des „Sichberühmens“.221 Außerdem sei zu beden­ ken, dass durch die Bejahung des Feststellungsinteresses möglicherweise viele Folgeprozesse verhindert werden könnten. Denn mit der Entscheidung der Zu­ ständigkeitsfrage sei oft auch der inhaltliche Ausgang des Rechtsstreits abseh­ bar, sodass die Parteien sich leichter außergerichtlich einigen bzw. von vornhe­ rein auf eine Klage in der Sache verzichten würden.222 Ebenfalls kann es gelin­ gen, das Feststellungsinteresse einer nachträglichen Feststellungsklage zu 216 

BGH, 08.07.1955, NJW 1955, 1513; BGH, 19.11.1971, NJW 1972, 198. BGH, 13.01.2010, NJW 2010, 1877, 1878; Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  256 Rn.  10. 218  BGH, 17.05.1977, NJW 2977, 1637, 1639. 219  BGH, 22.03.1995, NJW 1995, 2032, 2033; Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  256 Rn.  11. 220  Vgl. Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  120; G. Roth, IPRax 1984, 183, 184. 221  Schütze, RIW 801, 804. 222  Geimer, WM 1986, 117, 122. 217 

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bejahen.223 Kropholler betont, die nachträgliche negative Feststellungsklage gebe dem Kläger die Möglichkeit, seinerseits unter mehreren Gerichtsständen einen auszuwählen, eröffne ihm also die gleiche Möglichkeit zum forum shopping, die auch der anderen Partei zustand. Dies sei nur gerecht und entspreche dem Grundsatz der Waffengleichheit der Parteien.224 Auch Geimer bejaht das Feststellungsinteresse großzügig, denn die Rechtskraftwirkung des Feststel­ lungsurteils schaffe gerade die gewünschte Klarheit und Rechtssicherheit. Für das Feststellungsinteresse sprächen außerdem die immensen Auswirkungen ei­ ner Gerichtsstandsvereinbarung, angefangen vom anwendbaren Verfahrens­ recht, über das Kollisionsrecht hin zu dem den Rechtsstreit beherrschenden Sachrecht.225 Ein Problem könnte dann entstehen, wenn im Ausland zeitlich später eine konkurrierende Leistungsklage erhoben wird. In diesem Fall stellt sich die Fra­ ge, ob das Feststellungsinteresse im Inland nachträglich entfällt. Für den An­ wendungsbereich der EuGVVO hat der EuGH in seiner bereits erwähnten Tatry-Entscheidung226 klargestellt, dass der Streitgegenstand einer Leistungsklage unabhängig von deren Antragsziel und der Form des Antrags von einer zuvor erhobenen negativen Feststellungklage umfasst sei und daher eine eher erhobe­ ne Feststellungsklage eine Leistungsklage wegen litis pendens sperrt. Hier stellt sich das Problem also nicht. Im autonomen deutschen Recht gilt hingegen, dass eine Feststellungsklage subsidiär zur Leistungsklage ist und unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge die Leistungsklage das Feststellungsinteresse einer negativen Feststellungsklage entfallen lässt.227 Es mehren sich jedoch die Stim­ men, die den Wegfall des Feststellungsinteresses einer negativen Feststellungs­ 223  Baumgärtel, in: Festschrift Schima (1969), S.  41, 58 vertritt hingegen, für eine Fest­ stellungsklage fehle es in derartigen Fällen stets am rechtlichen Interesse. 224  Kropholler, in: Festschrift Firsching (1985), S.  165, 167 ff. Dabei räumt er aber ein, dass tatsächlich dennoch keine Chancengleichheit bestehe. Denn zum einen gebe es in man­ chen Rechtsordnungen keine negative Feststellungsklage. Außerdem werde eine rechtshängi­ ge Feststellungsklage oder ein rechtskräftiges Feststellungsurteil im Ausland nicht unbedingt beachtet. 225  Zum Ganzen Geimer, WM 1986, 117, 122. 226  EuGH, 06.12.1994, Rs. C-406/92 (The Tatry/The Maciej Rataj), Slg. 1994, I-5439 = EuZW 1995, 309. Dazu vgl. oben Teil I §  4 C. I. 1. 227  Grundlegend RGZ 71, 68, 73 f.; RGZ 109, 351, 353; RGZ 151, 65, 66; fortgeführt von BGHZ 18, 22, 41; BGHZ 33, 398, 399; BGH, 28.06.1973, NJW 1973, 1500; BGH, 20.01.1989, NJW 1989, 2064; BGH, 08.02.1995, NJW 1995, 1758; ebenso OLG Hamm, 28.08.1990, MDR 1991, 546; LG Düsseldorf, 24.09.2001, GRUR Int. 2002, 157, 162. Guter Überblick bei Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 135 ff. Auch nach Ansicht des BGH gibt es aber Ausnahmen vom Grundsatz, dass die spätere Leistungsklage die zuvor erhobene negative Feststellungsklage unzulässig macht, vgl. Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 136 m. w. N. in Fn.  10 ff.; Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  256 Rn.  16.

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klage bei nachträglich erhobener Leistungsklage – jedenfalls für den internati­ onalen Bereich 228 – in Zweifel ziehen.229 Das letzte Wort ist hier noch nicht ge­ sprochen, eine Rechtsprechungsänderung jedenfalls noch nicht erfolgt. Auf den Streit kommt es aber auch nicht an: Eine unter Verletzung der Gerichtsstands­ vereinbarung im Ausland anhängig gemachte Klage, die mangels positiver An­ erkennungsprognose ohnehin nicht den Einwand anderweitiger Rechtshängig­ keit analog §§  261 Abs.  3 Nr.  2, 328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO auslöst, kann nämlich ohnehin nicht das Feststellungsinteresse einer inländischen Feststellungsklage beseitigen. b)  Vorrang anderer Rechtsschutzmöglichkeiten Im Rahmen der Prüfung des Feststellungsinteresses sind auch die sonstigen Er­ wägungen einzubeziehen, die allgemein das Rechtsschutzbedürfnis begründen oder entfallen lassen. Konkret hat das zu bedeuten, dass das Feststellungsinter­ esse auch dann fehlt, wenn sonstige Rechtsbehelfe dem Kläger einen einfache­ ren und billigeren Weg eröffnen, um sein Ziel verfahrensrechtlich im Wesentli­ chen gleichwertig zu erreichen.230 In den hier diskutierten internationalen Fall­ gestaltungen wird man vom Feststellungskläger bei einer nachträglichen Feststellungsklage entsprechend dem Grundsatz volenti non fit iniuria verlan­ gen können, dass er vor dem ausländischen Gericht dessen Unzuständigkeit rügt und alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um das Gericht zu einer Abweisung der Klage zu bringen. Dafür müsste er prüfen, welche Möglichkei­ ten das ausländische Verfahrensrecht hierfür vorsieht. Insbesondere wird er ver­ suchen müssen, das ausländische Gericht davon zu überzeugen, es sei ein forum non conveniens.231 c)  Kein Feststellungsinteresse hinsichtlich der fehlenden Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung Das Feststellungsinteresse sollte jedoch grundsätzlich für diejenigen Feststel­ lungsklagen verneint werden, mit denen der Feststellungskläger versucht, von 228  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 32; Schütze, RIW 2007, 801, 804; ders., Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  300 ff. 229  Baltzer, Die negative Feststellungsklage aus §  256 I ZPO (1980), S.  152 ff.; Becker-Eberhard, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  256 Rn.  61 ff. und §  261 Rn.  65; Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 148 ff., 151 ff., insb. 154; Kropholler, in: Festschrift Firsching (1985), S.  165, 166 ff.; Zeuner, in: Festschrift Lüke (1997), S.  1003, 1014. 230  BGH, 14.03.1979, NJW 1979, 1508; BGH, 30.11.1989, NJW 1990, 834; Becker-Eberhard, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  256 Rn.  57. 231  Vgl. dazu auch Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  132 f.

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einem inländischen Gericht, noch während ein ausländisches Verfahren anhän­ gig ist, bereits vorläufig die fehlende Anerkennungsfähigkeit der im Ausland zu erwartenden Entscheidung feststellen zu lassen.232 Einer Ansicht nach soll in diesen Fällen für das Feststellungsinteresse die abstrakte Gefahr einander wi­ dersprechender Urteile ausreichen.233 Dagegen spricht aber, dass sich die ent­ sprechenden Instrumentarien im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht selbst finden.234 Vor den Folgen, die ein ausländischer Titel im Inland entfalten kann, ist die nicht vertragsbrüchige Partei ausreichend über die Anerkennungsversa­ gungsgründe des §  328 ZPO geschützt. Bevor der Auslandskläger nicht über einen in Deutschland vollstreckbaren Titel verfügt, drohen der anderen Partei im Inland keine Gefahren. Und vor den Folgen, die ihr durch eine Vollstreckung des Urteils im Ausland drohen, kann sich die redliche Partei ohnehin nicht durch eine auf die Feststellung, die Entscheidung sei in Deutschland nicht aner­ kennungsfähig, gerichtete Klage schützen. Die deutschen Gerichte haben nicht die Macht, Feststellungen darüber zu treffen, ob ein ausländisches Urteil in sei­ nem Ursprungsstaat oder in einem dritten Staat vollstreckbar ist. Daher kann kein eigenständiges Feststellungsinteresse bestehen.235 4.  Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der comitas Wie bei anti-suit injunctions stellt sich auch bei Klagen, die auf die Feststellung der eigenen Zuständigkeit oder der Unzuständigkeit anderer Gerichte gerichtet sind, die Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit. Der Zulässigkeit einer auf Feststellung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und damit der Zuständigkeit des gewählten Gerichts gerichteten Klage stehen keine Bedenken gegenüber. Das Gericht entscheidet lediglich über seine eigene Zuständigkeit, greift also keinesfalls, auch nicht mittelbar, in Zuständigkeitsbereiche der Ge­ richte anderer Staaten ein. Vgl. dazu Geimer, JZ 1977, 145, 147; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  39. 233  Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  136. 234  Ähnlich Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), 327, 333; Schlosser, Der Justizkon­ flikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  39. 235  In England besteht außerdem die Möglichkeit, auf Feststellung zu klagen, dass der Feststellungskläger nicht für dasjenige haftet (non-liability), was ein unter Verletzung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung gegen ihn ergangenes ausländisches Urteil der anderen Partei zuspricht, vgl. Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 95 f. Solche Feststellungsklagen sind dem deutschen Recht fremd. Ihnen wäre wohl aber aus denselben Gründen, die gegen Festellungsklagen sprechen, die auf Festellung der fehlenden Anerken­ nungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung gerichtet sind, das Feststellungsinteresse abzusprechen. 232 

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Problematischer sind negative Feststellungsklagen, mit denen festgesellt wer­ den soll, dass die Gerichte anderer Staaten nicht für die Entscheidung in der Sache zuständig sind. Im Verhältnis zu Drittstaaten können die EuGVVO und der ihr zugrunde liegende Vertrauensgrundsatz wiederum keine die Zulässig­ keit beschränkende Wirkung entfalten. Zu prüfen ist allerdings die Vereinbar­ keit der negativen Feststellungsklage mit dem Gebot der comitas. Immerhin ähneln Feststellungsklagen Prozessführungsverboten insofern, als ein inländi­ sches Gericht über die Zuständigkeit von ausländischen, einer fremden Hoheits­ gewalt unterstehenden Gerichten entscheidet. Der Unterschied zu anti-suit injunctions besteht jedoch darin, dass diese als Verfügungen des erlassenden Ge­ richts sofort vollstreckbar sind. Befindet sich der (potentielle) Auslandskläger also im Hoheitsgebiet des erlassenden Gerichts oder ist jedenfalls sein Vermö­ gen dort belegen, kann ein contempt of court sofort mit den entsprechenden Sanktionen geahndet werden. Der (mögliche) Auslandskläger wird also, wie dargestellt wurde, davon abgehalten, den Prozess im Ausland (weiter) zu betrei­ ben. Dadurch wird mittelbar auf das ausländische Verfahren eingewirkt, indem es praktisch lahmgelegt wird. Demgegenüber entfaltet das Feststellungsurteil nur dann Wirkungen auch für den ausländischen Staat und den dortigen Kläger, wenn es in diesem Staat anerkannt wird. Fragen der Anerkennung obliegen aber allein dem Recht dieses Staates. Vor allem ist der Feststellungsbeklagte, der im Ausland entgegen der Feststellung des prorogierten Gerichts eine Klage erhebt, keinerlei Sanktionen ausgesetzt. Er kann also auch nicht mittelbar bzw. rein tatsächlich dazu gezwungen werden, auf das Prozessieren im Ausland zu ver­ zichten. Daher sind Feststellungsklagen nicht mit Prozessführungsverboten ver­ gleichbar und stehen mit dem Gebot der comitas im Einklang.236 5.  Wirkungen von Feststellungsklagen im Ausland a)  Überblick Feststellungsklagen beschneiden zwar nicht die Souveränität fremder Staaten, weil sie dort nur Wirkungen entfalten, wenn das Feststellungsurteil anerkannt 236  Im Übrigen befinden sich nach der hier vertretenen Auffassung auch Prozessführungs­ verbote zum Schutz von Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen mit der comitas im Ein­ klang, vgl. oben Teil I §  6 F. IV. 4. b). Auch im common law geht man davon aus, dass Feststel­ lungsklagen das ausländische Verfahren nicht berühren würden. Vgl. Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  344: „Declarations of this type are a legitimate form of relief when a party to such a clause has commenced, or appears likely to commence, litigation before a for­ eign court other than the chosen forum, even if no parallel litigation or arbitration has been commenced in England. A declaration raises fewer comity concerns than an anti-suit injunc­ tion in similar circumstances, and may well be granted where an injunction would not be.“ Ähnlich auch Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  256.

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wird. Genau darin liegt aber auch die Schwäche von Feststellungsklagen. Solan­ ge die Feststellungsklage vor einem deutschen Gericht lediglich rechtshängig ist, aber noch nicht über den Feststellungsantrag entschieden wurde, hindert ihre Rechtshängigkeit die Durchführung eines Verfahrens in einem Drittstaat nur selten. Wie dargestellt wurde, entfaltet die ausländische Rechtshängigkeit in den USA grundsätzlich keine Sperrwirkung, sondern wird lediglich in die Er­ messensabwägung über die eigene Zuständigkeit einbezogen. Und eine im Aus­ land anhängige Feststellungsklage über die Zuständigkeit wird noch weniger als eine anhängige Leistungsklage geeignet sein, die Durchführung des Verfahrens in der Sache in den USA zu sperren. Vielmehr wird in diesem Fall zusätzlich überprüft, ob der Feststellungskläger ein legitimes Interesse an der Erhebung einer Feststellungklage statt einer Leistungsklage hatte.237 Bis im Inland über die Feststellungsklage entschieden worden ist, besteht also keine Aussicht dar­ auf, die rechtshängige Klage werde eine (Leistungs-)Klage in den USA verhin­ dern. Wenn dagegen bereits ein Feststellungsurteil des Inhalts, dass allein die deutschen Gerichte für bestimmte Streitigkeiten zwischen den Parteien zustän­ dig sind, ergangenen ist, stellt sich die Frage, ob das Urteil in dem jeweiligen Drittstaat anerkannt wird und dadurch ein Zulässigkeitshindernis für ein Ver­ fahren in der Sache bildet. b)  Anerkennung in den USA nach der bisherigen Rechtslage Beispielhaft soll wiederum die Rechtslage in den USA untersucht werden. Es stellt sich also die Frage, ob ein Feststellungsurteil eines deutschen Gerichts, welches die ausschließliche Zuständigkeit der in einer wirksamen internationa­ len Gerichtsstandsvereinbarung benannten deutschen Gerichte feststellt, in den USA Aussicht auf Anerkennung genießt. Grundsätzlich ist das US-amerikani­ sche Recht der Anerkennung ausländischer Entscheidungen strenger als die pa­ rallelen Vorschriften in Europa.238 Mit den USA existiert bisher kein bedeuten­ des internationales Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen. Das geplan­ te bilaterale Abkommen mit dem Vereinigten Königreich aus dem Jahr 1976 scheiterte.239 Bislang entscheiden in den USA die einzelnen Bundesstaaten grundsätzlich selbst über die Voraussetzungen, unter denen sie eine fremde Ge­ richtsentscheidung anerkennen und vollstrecken. Es gibt nur wenige bundes­ Vgl. Advantage International Management, Inc. v. Martinez, 1994 WL 482114 (S.D.N.Y. 1994); Mission Insurance Co. v. Puritan Fashions Corp., 706 F.2d 599, 602 (5th Cir. 1983). 238  Silberman, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 329. 239  Dazu Sikora, Die Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Urteile in Eng­ land (1998), S.  11. 237 

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rechtliche Vorschriften, die sich mit der Anerkennung und Vollstreckung frem­ der Urteile befassen. Die Vorschriften betreffen allein das Verhältnis innerhalb der USA und regeln ein einfaches Anerkennungsverfahren durch Registrierung. So regelt etwa 28 USC §  1963, dass Urteile der Distriktgerichte anderer Bundes­ staaten dann, wenn sie endgültig ( final)240 geworden sind, beim örtlichen Bun­ desdistriktgericht registriert werden können und ab diesem Zeitpunkt als aner­ kannt gelten.241 Ähnlich unproblematisch erfolgt die Anerkennung von Ent­ scheidungen aus anderen Bundesstaaten, die nach dem Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act (1964) dann durch Registrierung anerkannt werden müssen, wenn sie full faith and credit beanspruchen können.242 Dabei findet im Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Jurisdiktionen der USA generell keine ordre public-Kontrolle statt.243 Demgegenüber erfolgt die Anerkennung eines ausländisches Urteils nicht über den Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act (1964), sondern über einzelstaatliches Recht, und zwar teilweise nach einzelstaatlichen Gesetzen und teilweise nach common law-Grundsätzen.244 Für die Anerkennung (und Voll­ streckung) einer ausländischen Entscheidung ist eine Registrierung nicht aus­ reichend; vielmehr bedarf es einer auf das fremde Urteil gestützten selbststän­ digen Klage (action upon the judgment). Das Gericht entscheidet dann in einem verkürzten Verfahren (summary judgment) über die Anerkennungsfähigkeit (und Vollstreckbarkeit) der ausländischen Entscheidung.245 Dabei weichen die Kriterien, nach denen die Anerkennung erfolgt, in den einzelnen Bundesstaaten teilweise voneinander ab. Es haben allerdings viele Bundesstaaten den Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (1962)246 sowie den Uniform Reco­ gnition Act 1962 (bzw. 2005) übernommen, welche die Anerkennung und Voll­ 240 

Die Frage, ob ein Urteil verfahrensabschließend ist, wird auch bei ausländischen ­Urteilen grundsätzlich nach der US-amerikanischen finality doctrine behandelt, vgl. dazu U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  14, 712. 241  Vgl. dazu U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  13; Hay, US-ameri­ kanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  216. 242  Vgl. dazu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  191; Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), Handbuch des US-amerikanischen Han­ dels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, Bd. I (2001), Kap.  8 Rn.  304. 243  Baker by Thomas v. General Motors Corp., 552 U.S.  222, 233 (1998). Vgl. insgesamt zur Anerkennung von Entscheidungen aus anderen Bundesstaaten die Darstellung bei Hay/ Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  24.8–32, S.  1451–1488. 244  Guter Überblick bei D. P. Stewart, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 179, 181 ff. 245  Juenger, 7 Florida Journal of International Law (1992), 383, 399; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  191 m. w. N. 246  Vgl. dazu Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  24.36, S.  1493 ff.

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streckung von auf Geldzahlungen gerichteten ausländischen Entscheidungen regeln.247 Daneben existiert das sog. ALI Draft Statute, ein Entwurf des Ameri­ can Law Institute mit vereinheitlichten Regeln zur Anerkennung und Vollstre­ ckung ausländischer Entscheidungen.248 Außerdem geht das common law der Anerkennung ausländischer Urteile zurück auf die Entscheidung Hilton v. Guyot des U.S. Supreme Court aus dem Jahr 1895249, sodass es in den meisten Bundesstaaten ähnlich ausgestaltet ist. Bei einem deutschen Feststellungsurteil handelt es sich nicht um eine auf eine Geldzahlung gerichtete Entscheidung. Die Anerkennung eines Feststellungsur­ teils kann sich daher allein nach dem in dem jeweiligen Einzelstaat geltenden common law und nicht nach dem geschriebenen Recht richten. Daher kann nur gemutmaßt werden, ob das deutsche Feststellungsurteil anerkannt werden wird. Im Zweifel stehen die Chancen eher schlecht: Weiterführend für die Frage, ob ein US-amerikanisches Gericht ein ausländisches Feststellungsurteil über die gerichtliche Zuständigkeit anerkennen wird, kann ein Vergleich zur Haltung der US-amerikanischen Gerichte in Bezug auf die Anerkennung ausländischer Pro­ zessführungsverbote sein. Im Rahmen der dargestellten Laker-Streitigkeit ent­ schied der US Court of Appeals (District of Columbia Circuit) in Laker Airways Ltd v. Sabena, Belgian World Airlines250, dass sich die Anerkennung eines aus­ ländischen Urteils, wie in der Hilton-Entscheidung ausgeführt, nach der international comity richte. Diese aber gebiete es grundsätzlich, Parallelverfahren im Inland und Ausland zuzulassen, sodass einem ausländischen Prozessfüh­ rungsverbot im Grundsatz die Wirkung zu versagen sei.251 Zwar legte das Ge­ richt in der Entscheidung auch die Voraussetzungen fest, unter denen ein aus­ ländisches Prozessführungsverbot ausnahmsweise in den USA anerkannt wer­ den könne.252 Grundaussage des Urteils bleibt aber dennoch, dass es ausländischen Prozessführungsverboten im Normalfall an ihrer Anerkennungs­ fähigkeit in den USA fehlt, weil sie mittelbar in US-amerikanische Verfahren eingreifen. Es liegt daher nahe, dass auch in Bezug auf ausländische Feststel­ lungsurteile, welche ausländische Gerichte für ausschließlich zuständig erklä­ ren, nicht anders entschieden werden würde. Denn auch in diesem Fall sind je­ 247  D. P. Stewart, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 179, 181 f. So z. B. Kalifornien: 13 U.L.A. 149 (1986). 248  Überblick zum ALI Draft Statute bei Rühl, RIW 2006, 192; Silberman, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 359 ff. 249  Hilton v. Guyot, 159 U.S.  113 (1895). 250  Laker Airways Ltd v. Sabena, Belgian World Airlines, 731 F.2d 909 (D.C. Cir. 1984). 251  Laker Airways Ltd v. Sabena, Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 933 ff. (D.C. Cir. 1984). 252  Vgl. dazu die Darstellung bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  326 ff.

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denfalls mittelbar inländische Zuständigkeitsvorstellungen und u. U. bereits in Gang gesetzte inländische Verfahren betroffen. Es ist daher jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass die US-amerikanischen Gerichte die Anerkennung ei­ ner deutschen Entscheidung, welche die ausschließliche Zuständigkeit der deut­ schen Gerichte feststellt, an der international comity scheitern lassen würden mit der Begründung, es stehe den US-amerikanischen Gerichten selbst zu, über die Wirksamkeit und Ausschließlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und damit über ihre eigene Zuständigkeit zu entscheiden. Eine solche Argumentati­ on kann darauf gestützt werden, dass ein US-amerikanisches Gericht den Dero­ gationseffekt der Vereinbarung anhand der Ermessenskriterien der reasonableness-Doktrin überprüfen würde, das deutsche Gericht eine solche Prüfung hin­ gegen nicht vorgenommen hat. Im Zweifel konnte daher nach der bisherigen Rechtslage in den USA nicht damit gerechnet werden, dass ein deutsches Feststellungsurteil zur Zuständig­ keit der deutschen bzw. Unzuständigkeit aller anderen Gerichte in den USA anerkannt wird und damit ein dortiges Verfahren in der Sache verhindert. Das machte Feststellungsklagen zum Schutz ausschließlicher Gerichtsstandsverein­ barungen im Drittstaatenverhältnis zu einem unsicheren und damit stumpfen Schwert. c)  Anerkennung nach Inkrafttreten des HGÜ in den USA Diese Rechtslage könnte sich mit Inkrafttreten des HGÜ für die USA ändern. Das HGÜ enthält zwar keine umfassenden Anerkennungs- und Vollstreckungs­ vorschriften, es regelt aber die Anerkennung und Vollstreckung von Entschei­ dungen von Gerichten, die in einer Vereinbarung, die unter das HGÜ fällt, be­ nannt worden sind.253 Gemäß Art.  8 Abs.  1 HGÜ ist die Entscheidung eines in einer dem HGÜ unterfallenden Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken, es sei denn, es ist ein im Übereinkommen selbst enthaltener Versagungsgrund einschlägig. Diese normiert das HGÜ in seinem Art.  9 (sowie in den Sondervorschriften der Art.  10 und 11) abschließend. Art.  8 Abs.  1 HGÜ schweigt zu der Frage, ob sich die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften lediglich auf Sachentscheidungen der in Gerichts­ standsvereinbarungen benannten Gerichte beziehen oder ob auch eine Entschei­ dung, die aufgrund einer Feststellungsklage zur Wirksamkeit der Gerichts­ 253  Vgl. Adler/Zarychta, 27 Northwestern Journal of International Law and Business (2006), 1, 9; Eichel, RIW 2009, 289, 290; Hess, IPRax 2000, 342, 343; von Mehren, IPRax 2000, 465, 466 ff.; Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Ameri­ cas (2006), 1, 3; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 106.

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standsvereinbarung ergangenen ist, erfasst wird. Zwar regelt Art.  8 Abs.  2 S.  2 HGÜ, dass das ersuchte Gericht an die tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, auf die das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit gestützt hat, es sei denn, die Entscheidung ist im Versäumnisverfahren ergangen. Das mit der Anerken­ nung befasste Gericht soll danach an alle tatsächlichen Feststellungen in Bezug auf die förmliche oder materielle Gültigkeit der Vereinbarung einschließlich der Fähigkeit der Parteien, diese zu schließen, gebunden sein.254 Allerdings ist es an die rechtliche Würdigung dieser vom Erstgericht gemachten Feststellungen nicht gebunden. Beispielhaft wird im Report der Fall genannt, dass das Ur­ sprungsgericht festgestellt hat, dass die Gerichtsstandsvereinbarung durch elek­ tronische Mittel i. S. v. Art.  3 lit.  c) Ziff. ii) HGÜ geschlossen wurde. In diesem Fall sei das ersuchte Gericht an die Feststellung gebunden, dass die Vereinba­ rung durch elektronische Mittel geschlossen wurde. Es könne aber trotzdem befinden, die Voraussetzungen nach Art.  3 lit.  c) Ziff. ii) HGÜ seien nicht er­ füllt, weil die Zugriffsmöglichkeiten den Anforderungen dieser Vorschrift nicht genügten.255 Hat das Ursprungsgericht also eine Entscheidung in der Sache ge­ troffen und sind lediglich Feststellungen zur Wirksamkeit der Gerichtsstands­ vereinbarung als präjudizielles Rechtsverhältnis ergangen, ist das mit der Aner­ kennung befasste Gericht nur an die tatsächlichen Feststellungen des Erstge­ richts zur Gerichtsstandsvereinbarung, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung bezogen auf die sich aus diesen Tatsachen ergebende Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gebunden. Art.  8 HGÜ lässt die Frage offen, ob eine Bindung des Zweitgerichts an das Ergebnis der vom Erstgericht durchge­ führten rechtlichen Würdigung dann besteht, wenn dieses nicht nur präjudiziell, sondern in einem Feststellungsurteil ausdrücklich zugunsten der Wirksamkeit der Vereinbarung entschieden hat. Die Antwort ergibt sich meines Erachtens aus Art.  9 lit.  a) HGÜ. Nach dem ersten von sieben in Art.  9 HGÜ enthaltenen Anerkennungsversagungsgründen können Anerkennung und Vollstreckung dann versagt werden, wenn die Ver­ einbarung nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts unwirksam war, es sei denn, das vereinbarte Gericht hat festgestellt, dass die Vereinbarung gültig ist. Entscheidend ist der im zweiten Halbsatz enthaltene Zusatz: „[…] unless the chosen court has determined that the agreement is valid.“ Der Aner­ kennungsversagungsgrund greift also dann nicht, wenn das Erstgericht die Gül­ tigkeit der Vereinbarung ausdrücklich festgestellt hat. Der Zusatz soll verhin­ 254  Vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agreements Convention, online abrufbar unter , Rn.  166. 255  Vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agreements Convention [oben Fn.  254], Rn.  166.

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dern, dass in verschiedenen Vertragsstaaten einander widersprechende Ent­ scheidungen über die Gültigkeit der Vereinbarung ergehen. Vielmehr sollen alle Vertragssaaten jede Entscheidung des in der Vereinbarung benannten Gerichts über die Wirksamkeit der Vereinbarung akzeptieren.256 Aus Art.  9 lit.  a) HGÜ dürfte also folgen, dass Feststellungsurteile über die Wirksamkeit einer dem HGÜ unterfallenden Gerichtsstandsvereinbarung von den Gerichten anderer Vertragsstaaten anzuerkennen sind. Zudem ist der Vorschrift meines Erachtens zu entnehmen, dass die Anerkennung und Vollstreckung auch nicht über Art.  9 lit.  e) HGÜ mit der Begründung versagt werden kann, sie widerspreche dem inländischen ordre public des Anerkennungsstaats. Denn eine solche Möglich­ keit würde die Wertung des Art.  9 lit.  a) HGÜ umgehen. Denkbar ist lediglich, dass in dem Anerkennungsstaat bereits eine Entscheidung über die Wirksam­ keit der Gerichtsstandsvereinbarung ergangen ist oder bereits eine solche in die­ sem Staat anerkennungsfähige Entscheidung eines Drittstaats vorliegt, sodass einer widersprechenden Entscheidung des in der Vereinbarung benannten Ge­ richts gemäß Art.  9 lit.  f ) bzw. g) HGÜ die Anerkennung versagt werden könn­ te. Abgesehen von diesen wohl eher seltenen Fällen wird nach Inkrafttreten des HGÜ ein Feststellungsurteil des in der Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts zu deren Wirksamkeit grundsätzlich in den anderen HGÜ-Vertrags­ staaten anerkennungsfähig sein. Klagen, die auf die Feststellung der Wirksam­ keit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung gerichtet sind, könnten dann zu einem schärferen Schwert werden. III.  Feststellungsklagen im Verhältnis zu anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten Für die Untersuchung, ob Feststellungsklagen im Verhältnis zu anderen EuGV­ VO-Mitgliedstaaten ein mögliches Mittel zum Schutz von Gerichtsstandsver­ einbarungen darstellen, soll folgendes Beispiel verwendet werden: Eine deut­ sche und eine italienische Partei schließen eine Vereinbarung des Inhalts, dass im Falle eines aus ihrer Handelsbeziehung erwachsenden Streits allein das LG Mainz zuständig sein soll. Kann die deutsche Partei ihren Vertragspartner mit­ tels einer Feststellungsklage davon abhalten, doch in Italien zu prozessieren? Nach der bisherigen Rechtslage konnte eine solche Feststellungsklage wegen der lis pendens-Regel in Art.  27 EuGVVO a. F. überhaupt nur präventiv erhoben werden, also bevor die andere Partei vor das Gericht eines anderen Mitglied­ staats gezogen war. Für solche präventiven Feststellungsklagen war das Fest­ stellungsinteresse meines Erachtens – und zwar gerade wegen der Regelung in 256  Vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agreements Convention [oben Fn.  254], Rn.  183.

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Art.  27 EuGVVO a. F. – zu bejahen, wenn die Gefahr drohte, dass die andere Partei vor ein derogiertes Gericht eines anderen Mitgliedstaats ziehen würde. Fraglich ist, ob solche Feststellungsklagen im Lichte einer systematischen Be­ trachtung der EuGVVO zulässig, also insbesondere mit dem Vertrauensgrund­ satz vereinbar waren.257 Für die Zulässigkeit sprechen die bereits im Verhältnis zu Drittstaaten angestellten Erwägungen, nämlich dass das Feststellungsurteil nicht wie ein Prozessführungsverbot sofort vollstreckbar ist, sondern im Inland nur feststellende Wirkung hat und im Ausland zunächst anerkannt werden muss, und dass eine Zuwiderhandlung nicht sanktionsbewehrt ist. Andererseits ist jedoch zu beachten, dass das Gericht mit einem Feststellungsurteil, ebenso wie bei einem Prozessführungsverbot, eine ausdrückliche Entscheidung über die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats oder aller anderen Mitgliedstaaten trifft. Und anders als im Verhältnis zu Drittstaaten stünde es den anderen Mitgliedstaaten nicht frei, dieser Entscheidung die Anerkennung zu versagen. Die italienischen Gerichte hätten also beispielsweise mangels An­ erkennungsversagungsgrundes in den Art.  34 und 35 EuGVVO a. F. das Fest­ stellungsurteil zwangsweise anzuerkennen gehabt. Man könnte daher auf die Idee kommen, ein Feststellungsurteil eines mitgliedstaatlichen Gerichts, mit dem es die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und seine aus­ schließliche Zuständigkeit feststellt, verstoße gegen den in der Rechtssache Gasser statuierten Grundsatz, dass kein Gericht über die Zuständigkeit der Ge­ richte der anderen Mitgliedstaaten entscheiden dürfe. Gegen dieses Ergebnis spricht aber eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2012.258 In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich ein belgisches Gericht für unzuständig erklärt mit der Begründung, in den AGB der Beklagten sei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der isländischen Ge­ richte enthalten gewesen. Die Kläger erhoben daraufhin erneut Klage, dieses Mal vor dem LG Bremen, welches Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichts­ standsvereinbarung hatte und dem EuGH die Frage vorlegte, ob es an die Ent­ scheidung des belgischen Gerichts über die Gerichtsstandsvereinbarung als prä­ judizielles Rechtsverhältnis gebunden sei. Der EuGH urteilte, die Entscheidung des belgischen Gerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung sei in den anderen Mitgliedstaaten im Wege eines europäisch-autonomen 257  Während im Schrifttum heftig diskutiert wurde, ob anti-suit injunctions mit dem Re­ gime der EuGVVO vereinbar sind, wird die Zulässigkeit von Feststellungsklagen über Fra­ gen der internationalen Zuständigkeit, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Die Problematik wird aber angerissen bei Layton, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  91, 97. 258  EuGH, 15.11.2012, Rs. C-456/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung AG u. a./Samskip GmbH), dazu kritisch Bach, EuZW 2013, 56; H. Roth, IPRax 2014, 136.

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Rechtskraftbegriffs anzuerkennen. Dieses Ergebnis begründete er mit dem in Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. normierten Nachprüfungsverbot, wonach das An­ erkennungsgericht nicht nachprüfen darf, ob das Ursprungsgericht die Zustän­ digkeitsregeln der EuGVVO richtig angewendet hat. Dieses Nachprüfungsver­ bot würde nach Ansicht des Gerichtshofs unterlaufen, wenn ein mitgliedstaatli­ ches Gericht eine Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam halten dürfte, obwohl das Gericht eines anderen Mitgliedstaats bereits über die Wirksamkeit der Vereinbarung entschieden hat. Das bedeutet also, dass in diesem Fall das belgische Gericht – wenn auch nicht ausdrücklich, so doch jedenfalls mittelbar, was im Ergebnis keinen Unterschied machen kann – mit Wirkung für alle Mit­ gliedstaaten entschieden hatte, dass die anderen mitgliedstaatlichen Gerichte unzuständig seien, und dass der EuGH daran nichts auszusetzen hatte.259 Des­ halb kann nichts anderes gelten, wenn das prorogierte Gericht ausdrücklich über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidet. Unterschie­ den werden sollte auch nicht zwischen positiven Feststellungsklagen (die auf die Feststellung, allein die deutschen Gerichte seien zuständig, gerichtet sind) und negativen Feststellungsklagen (mit denen der Kläger die Feststellung, die Ge­ richte anderer Mitgliedstaaten seien unzuständig, begehrt). Im zweiten Fall von einer Verletzung des Vertrauensgrundsatzes auszugehen, würde bedeuten, zu stark an der Formulierung des Antrags zu haften, denn inhaltlich laufen beide Feststellungsanträge auf exakt dasselbe Ergebnis hinaus. Außerdem spricht für die Zulässigkeit solcher Feststellungsklagen unter dem Regime der alten EuGVVO auch, dass das durch sie erzielte Ergebnis – untech­ nisch gesehen – gerade dem von der reformierten EuGVVO hergestellten Zu­ stand entspricht, wonach, wenn vor einem in einer Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gericht eine Klage erhoben wird, alle anderen Gerichte das Verfah­ ren nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auszusetzen haben und an die Entschei­ dung des Gerichts nach Art.  31 Abs.  3 EuGVVO n. F. gebunden sind. Unter Gel­ tung der reformierten EuGVVO sind wegen der Durchbrechung der strikten lis pendens-Regel durch Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. grundsätzlich nicht nur präventive, sondern auch nachträgliche Feststellungsklagen vor dem proro­ gierten Gericht möglich, also solche, die erst erhoben werden, nachdem bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Klage anhängig geworden ist. Allerdings besteht wegen der Neuregelung in Zukunft in den meisten Fällen kein Bedürfnis mehr für eine auf die Feststellung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinba­ 259  Inzwischen hat sich das OLG Bremen in einem Berufungsurteil dem weiten Rechts­ kraftbegriff des EuGH angeschlossen, die Bindung an die Entscheidung des belgischen Ge­ richts über §  325 Abs.  1 ZPO auch auf die Rechtsnachfolger der beteiligten Parteien übertra­ gen und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint, vgl. OLG Bremen, 25.04.2014, IPRax 2015, 354 und dazu kritisch H. Roth, IPRax 2015, 329.

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rung gerichtete Klage. Eine Partei, die jederzeit vor das gewählte Gericht ziehen und damit gemäß Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. alle anderen Gerichte dazu brin­ gen kann, das Verfahrens auszusetzen, wird in aller Regel kein Bedürfnis und deshalb auch nicht das erforderliche Feststellungsinteresse für die Erhebung einer Feststellungsklage über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung haben. Dennoch bleiben gewisse Fallgestaltungen denkbar: Wenn im obigen Beispiel die deutsche Partei befürchtet, in Italien verklagt zu werden (etwa im Wege einer negativen Feststellungsklage), selbst aber (noch) gar kein Interesse an einem Gerichtsverfahren in der Sache hat, kann sie auch von einem deut­ schen Gericht zunächst die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung fest­ stellen lassen. Die Entscheidung des LG Mainz über die Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung wäre in Italien und allen anderen Mitgliedstaaten nach den Art.  36 ff. EuGVVO n. F. anzuerkennen. Auch wenn bereits unter Ver­ letzung der Vereinbarung eine Klage in Italien erhoben wurde, die deutsche Partei aber eigentlich gar kein Verfahren in der Sache betreiben möchte, kann sie vor dem LG Mainz eine Feststellungsklage erheben und die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung feststellen lassen. Das italienische Gericht hätte das Verfahren dann nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auszusetzen. Der italie­ nischen Partei stünde es frei, in Mainz ein Verfahren in der Sache anzustrengen. Diese Fälle sind freilich in der Praxis eher unwahrscheinlich. IV. Zusammenfassung Eine Partei, die vor einem derogierten Gericht verklagt worden ist oder dies befürchtet, kann Schutz suchen, indem sie von dem in der Vereinbarung be­ zeichneten Gericht die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung oder die Unzuständigkeit aller nicht designierten Gerichte feststellen lässt. Das erforder­ liche Feststellungsinteresse kann sowohl für eine positive als auch für eine ne­ gative Feststellungsklage je nach den Umständen des Einzelfalls bejaht werden, wenn die Klage im forum derogatum unmittelbar droht oder bereits erhoben worden ist. Im Verhältnis zu Drittstaaten wird eine Feststellungsklage aber nur selten dazu geeignet sein, das Verfahren zu verhindern. In den USA gilt z. B., dass nur ein bereits ergangenes anerkennungsfähiges Urteil der Zulässigkeit ei­ ner Klage im Inland entgegensteht. Die Fälle, in denen sich ein drittstaatliches Gericht für unzuständig erklären wird, weil bereits in Deutschland ein Feststel­ lungsverfahren über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung anhän­ gig ist oder weil sogar ein Feststellungsurteil aus Deutschland vorliegt, werden insgesamt selten sein. Allerdings kann sich dies mit Inkrafttreten des HGÜ än­ dern, weil es den US-amerikanischen Gerichten dann schwerer fallen dürfte, dem Feststellungsurteil eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­

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rung benannten ausländischen Gerichts die Anerkennung im Inland zu versa­ gen. Dasselbe gilt für alle anderen Drittstaaten, die das HGÜ ratifizieren und damit für sich in Kraft setzen werden. Im Verhältnis zwischen den EuGV­ VO-Mitgliedstaaten konnten bislang wegen Art.  27 EuGVVO a. F. nur präven­ tive Feststellungsklagen erhoben werden. Wegen Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. kann man in der Zukunft vor dem in einer Gerichtsstandsvereinbarung desig­ nierten Gericht sowohl präventive als auch nachträgliche Feststellungsklagen erheben, also auch, wenn bereits ein Verfahren in der Sache in einem anderen Mitgliedstaat anhängig ist. Allerdings wird für solche Feststellungsklagen über die Zuständigkeitsfrage häufig das Bedürfnis und damit auch das erforderliche Feststellungsinteresse fehlen, gerade weil Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. es den Parteien ermöglicht, jederzeit ein Verfahren in der Sache vor dem gewählten Gericht anzustrengen. Fälle, in denen eine Partei (noch) kein Verfahren in der Sache durchführen, sondern nur die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinba­ rung gerichtlich feststellen lassen möchte, sind aber auch in Zukunft denkbar. Dann gewährt ihr ein Urteil, in welchem die Wirksamkeit der Gerichtsstands­ vereinbarung festgestellt wird, hinreichenden Schutz vor einem Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat, weil das Urteil nach den Art.  36 ff. EuGVVO n. F. in allen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig wäre.260

H.  Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung I. Überblick Hat das derogierte Gericht trotz der Gerichtsstandsvereinbarung eine Sachent­ scheidung getroffen, kann der Beklagte darauf hoffen, dass der ausländischen Entscheidung im Inland die Anerkennung versagt wird.261 Dies wird er nicht nur in den Fällen versuchen, in denen die ausländische Entscheidung für ihn belas­ 260  Wie dargestellt wurde, bestimmt Erwägungsgrund (12) zur neuen EuGVVO in seinem zweiten Abschnitt, dass Feststellungen über Bestehen, Wirksamkeit und Erfüllbarkeit einer Schiedsvereinbarung in den anderen Mitgliedstaaten nicht nach den Vorschriften der Verord­ nung anerkannt und vollstreckt werden sollen, und zwar unabhängig davon, ob sie als Vorfra­ ge oder Hauptsache entschieden werden, vgl. dazu oben Teil I §  4 E. III. 2. b). Die Entschei­ dung fällt also in den Ausschlusstatbestand des Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO n. F. Solche Feststellungsklagen sind daher nicht dazu geeignet, Verfahren vor den staatlichen Gerichten der anderen Mitgliedstaaten zu verhindern. Die fehlende Pflicht, das Feststellungsurteil an­ zuerkennen, macht die Feststellungsklage daher für Parteien unattraktiv. Vgl. schon zur alten Rechtslage Illmer, SchiedsVZ 2011, 248, 251. 261  Dazu vgl. Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  354 ff. und ders., The Anti-suit Injunction, Updating Supplement (2010), S.  75 f.

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tend ist. In manchen Fällen wird ihm darüber hinaus daran gelegen sein, dass einer ausländischen Entscheidung, die ihm lediglich weniger zuspricht, als er sich vor einem inländischen Gericht erhofft hat, die Anerkennung versagt wird. Denn andernfalls wäre ihm der Weg zu einer erneuten Klage vor einem inländi­ schen Gericht versperrt, weil die ausländische Entscheidung nach Anerkennung im Inland Rechtskraft entfalten und daher einer erneuten Klage analog §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO prozesshindernd entgegenstehen würde. II.  Zwingende Anerkennung von Entscheidungen der anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten konnte jedoch bislang einer Ent­ scheidung, die unter Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­ rung nach Art.  23 EuGVVO a. F. durch ein derogiertes Gericht gefällt worden war, nicht die Anerkennung versagt werden.262 Dabei war unerheblich, ob das mitgliedstaatliche Gericht seine Zuständigkeit auf Vorschriften der EuGVVO oder auf nationales Zuständigkeitsrecht gestützt hatte.263 Die Anerkennungsver­ sagungsgründe waren abschließend in den Art.  34 und 35 EuGVVO a. F. aufge­ zählt. Nach Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. war die Anerkennung einer Entschei­ dung eines mitgliedstaatlichen Gerichts in den anderen Mitgliedstaaten wegen Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften durch das Erstgericht aber nur dann nicht möglich, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II verletzt worden waren, also entweder ein anderes Gericht ausschließlich nach Art.  22 EuGVVO a. F. zuständig oder eine der Vorschriften zum Schutz von Versicherungsnehmern und Verbrauchern verletzt worden war. Verletzungen von Art.  23 EuGVVO a. F. waren dabei gerade nicht aufgeführt. Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. erklärte außerdem ausdrücklich, dass abgesehen von den in Abs.  1 aufgezählten Fällen die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts nicht über­ prüft werden dürfe und die Vorschriften über die Zuständigkeit auch nicht zum ordre public i. S. v. Art.  34 Nr.  1 EuGVVO a. F. gehörten. Nicht anders sieht es – obgleich teilweise die Einführung eines neuen Aner­ kennungsversagungsgrundes für die Verletzung von Gerichtsstandsverein­ barungen verlangt worden ist264 – nach der reformierten Verordnung aus: Die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung stellt weiterhin keinen Anerken­ nungsversagungsgrund nach Art.  45 EuGVVO n. F. dar, der die Gründe ab­ schließend aufzählt. Die Regel ist lediglich insoweit erweitert worden, als nach Dazu auch Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  355 ff. Vgl. Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  889. 264  Vgl. etwa Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the Euro­ pean Judicial Area (2007), S.  27, 49. 262 

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Art.  45 Abs.  1 lit.  e) Unterabschnitt (i) EuGVVO n. F. eine Verletzung von Zu­ ständigkeitsvorschriften außer in den bisherigen Fällen auch im Falle einer Ver­ letzung der Arbeitnehmer schützenden Vorschriften einen Anerkennungsversa­ gungsgrund bedeutet. Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. führt dann die Vorschrift des Art.  34 Abs.  3 EuGVVO a. F. fort, wonach die Zuständigkeit des Ursprungs­ gerichts nicht überprüft werden darf und die Zuständigkeitsvorschriften auch nicht zum anerkennungsrechtlichen ordre public (Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F.) gehören. Ein Antrag der nicht vertragsbrüchigen Partei, einer unter Verlet­ zung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  25 EuGVVO n. F. ergangenen Entscheidung die Anerkennung zu versagen, wird also auch in Zukunft keine Aussicht auf Erfolg haben. Hat das derogierte Gericht erst einmal eine Entscheidung erlassen, gewährt die EuGVVO also keinerlei Schutz vor den Folgen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung. Solche Fälle sind aber auch nur ausnahmsweise denkbar. Der Mechanismus in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. dürfte grundsätzlich dafür ausreichen, dass ein derogiertes Ge­ richt keine Entscheidung in der Sache trifft, es sei denn, dass sich die redliche Partei auf das Verfahren einlässt und es unterlässt, vor dem prorogierten Ge­ richt zu klagen. Dann aber gebührt ihr auch kein Schutz vor einer Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des derogierten Gerichts. III.  Keine Anerkennung von Entscheidungen drittstaatlicher derogierter Gerichte Demgegenüber richtet sich die Anerkennung von Entscheidungen drittstaatli­ cher Gerichte nicht nach der EuGVVO, sondern nach §  328 ZPO. Wie schon untersucht, wird einer drittstaatlichen Entscheidung, die unter Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte ergangen ist, regelmäßig nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO mangels Anerkennungs­ zuständigkeit die Anerkennung im Inland versagt. Ist die Gerichtsstandsverein­ barung aus Sicht des deutschen Gerichts wirksam, fehlt es dem drittstaatlichen Gericht nämlich an der Anerkennungszuständigkeit, die spiegelbildlich nach den inländischen Zuständigkeitsvorschriften zu bestimmen ist. Der redlichen Partei droht also nicht die Gefahr, dass ein unter Verletzung der Gerichtsstands­ vereinbarung in einem Drittstaat ergangenes Urteil in Deutschland anerkannt und vollstreckt wird. Teilweise wird allerdings vertreten, das deutsche Gericht sei bei der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit an die Feststellungen des Ursprungsgerichts gebunden, wenn der Beklagte gar nicht vor dem derogierten Gericht erschienen und die Zuständigkeitsfrage verhandelt hätte, sodass gegen ihn ein Versäumnisurteil ergangen sei. Denn die Gerichtsstandsvereinbarung entbinde nur von der Pflicht, zur Hauptsache zu verhandeln, nicht aber von der

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Pflicht, die Zuständigkeit rügen zu müssen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn klar sei, dass eine Zuständigkeitsrüge vor dem ausländischen Gericht aussicht­ los sei, weil dieses generell keine Derogationen anerkenne.265 Die Ansicht wird aber zu Recht abgelehnt unter Hinweis auf den Schutzzweck von §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO, der die Anerkennung nur dann ermöglicht, wenn das ausländische Gericht aus deutscher Sicht tatsächlich zuständig gewesen ist.266 Zu prüfen ist aber, ob sich der Beklagte vor dem eigentlich derogierten Gericht auf das Ver­ fahren eingelassen hat. Dabei ist die Frage, ob eine rügelose Einlassung vorliegt, zwar entsprechend §  39 ZPO zu beurteilen.267 Nach der Rechtsprechung des BGH darf die rügelose Einlassung jedoch nicht allein nach den inländischen Vorstellungen, sondern unter Berücksichtigung des Prozessrechts des Ur­ sprungsgerichts beurteilt werden, denn dieses Recht bestimme über die Art des Verhaltens des Beklagten.268 Daraus sei abzuleiten, dass der Beklagte keine Zu­ ständigkeitsrügen erheben müsse, die zwar eine Einlassung nach §  39 ZPO ver­ hindern würden, aber ohnehin nach dem ausländischen Prozessrecht aussichts­ los seien.269 Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine unter Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ergangene drittstaatliche Ent­ scheidung dann, wenn sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen hat, in Deutschland wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfähig ist. Es besteht allerdings eine Restgefahr, dass das drittstaatliche Urteil in einem anderen EuGVVO-Mitgliedstaat anerkannt wird, falls dort das Spiegelbildprin­ zip nicht gilt. Das kann für die redliche Partei problematisch sein, wenn sie in diesem Staat Vermögen hat. Wenn sie außerdem etwa vor dem prorogierten deutschen Gericht eine der ausländischen widersprechende Sachentscheidung erstritten hat, scheitert u. U. deren Anerkennung in dem anderen Mitgliedstaat. Nach Art.  45 Abs.  1 lit.  d) EuGVVO n. F. kann die Anerkennung einer Entschei­ dung aus einem anderen Mitgliedstaat nämlich auch dann auf Antrag versagt werden, wenn sie mit einer früheren drittstaatlichen Entscheidung in derselben Sache unvereinbar ist, sofern diese Entscheidung in dem ersuchten Mitglied­ 265  Zum Ganzen Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zustän­ digkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile (1966), S.  144 ff.; ders., in: Festschrift Nakamura (1996), S.  171, 177 f. Ähnlich auch Schröder, NJW 1980, 473. 266  Bernstein, in: Festschrift Ferid (1978), S.  75, 99 f.; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  91; Mezger, in: Festschrift Wengler, Bd. II (1973), S.  541, 548 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  394 f.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  928 f. 267  Noch offengelassen von BGH, 26.03.1969, NJW 1969, 1536, 1539. Für eine entsprechen­ de Anwendung von §  39 ZPO: OLG Frankfurt, 13.12.1978, NJW 1979, 1787. 268  OLG Hamm, 25.03.1987, NJW 1988, 653, 654; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  89. 269  OLG Hamm, 25.03.1987, NJW 1988, 653, 654.

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

staat anerkennungsfähig ist. Besonders groß ist diese Gefahr freilich nicht. Die nicht vertragsbrüchige Partei müsste Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat haben, dort dürfte das Spiegelbildprinzip nicht gelten und die drittstaatliche Entscheidung müsste in diesem Mitgliedstaat die übrigen Anerkennungsvoraus­ setzungen erfüllen. Auch mit Inkrafttreten des HGÜ für weitere Staaten wird sich an der Rechts­ lage nichts ändern. Das HGÜ regelt in seinen Art.  8 ff. nämlich bloß die Aner­ kennung von Entscheidungen der in ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­ rungen benannten Gerichte. Ob die Entscheidung eines derogierten Gerichts in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen ist, überlässt das Übereinkommen dem nationalen Recht. Auch unter der Geltung des HGÜ wird die Anerkennung der Entscheidung eines drittstaatlichen Gerichts also weiterhin an §  328 ZPO zu messen sein, wenn das Gericht nicht in einer internationalen Gerichtsstandsver­ einbarung benannt war. IV. Ergebnis Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass Entscheidungen drittstaatlicher Gerichte, die unter Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ergan­ gen sind, in Deutschland grundsätzlich nicht anerkannt werden, während Ent­ scheidungen von abgewählten mitgliedstaatlichen Gerichten nach der EuGVVO anzuerkennen sind. Allerdings sollte nicht fest auf den Schutz der Anerken­ nungsversagung vertraut werden. Erstens ist nicht immer im Voraus absehbar, dass die Anerkennung tatsächlich versagt wird.270 Zweitens setzt der Schutz über die Anerkennungsversagung relativ spät ein. Er ist nicht geeignet, die Kos­ ten, welche die nicht vertragsbrüchige Partei möglicherweise bereits aufwenden musste, um die Zuständigkeit des Gerichts zu bestreiten, zu kompensieren. Ne­ ben diesem individuellen Nachteil wird außerdem die prozessökonomische Sinnhaftigkeit eines Schutzmittels, das so spät einsetzt, in Frage gestellt. Denn durch die Versagung der Anerkennung bleibt das gesamte Ergebnis eines mög­ licherweise langwierigen Verfahrens unbeachtet.271 Die Versagung der Aner­ kennung führt weiterhin dann nicht zu einem ausreichenden Schutz der nicht vertragsbrüchigen Partei, wenn diese über Vermögen im Urteilsstaat oder in einem anderen Staat, in dem die Entscheidung anerkennungsfähig und voll­ streckbar ist, verfügt. Dann kann der Prozesssieger, der die Entscheidung unter Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung erlangt hat, nämlich auch die Voll­ streckung daraus betreiben. 270  271 

Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  398. So Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  399.

§ 6 – I.  Zusammenfassung

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I.  Zusammenfassung Haben die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts geschlossen und befürchtet eine Partei, doch vor einem ausländischen Gericht verklagt zu werden, bzw. ist es schon zu einer Klage im forum derogatum gekommen, gewähren die bislang anerkannten Möglichkeiten zur Abwehr des Verfahrens im Ausland und seiner Folgen nur einen begrenzten Schutz. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO war eine Partei, die eine gegenläufige Klage im derogierten Forum zu befürchten hatte, bislang am besten beraten, wenn sie schleunigst selbst vor das prorogierte Gericht zog. Ebenfalls war es ihr möglich, sich durch eine präventive Feststellungsklage zu schützen, mit welcher sie die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung fest­ stellen lassen konnte. War es jedoch bereits zu einer Klage in einem anderen Mitgliedstaat gekommen, war der Weg zum prorogierten Gericht wegen Art.  27 EuGVVO a. F. versperrt. Die redliche Partei konnte nur versuchen, die Zustän­ digkeit des angerufenen Gerichts zu rügen. In seltenen Fällen konnte sie die Nachteile, die aus der Verschleppung des Streits entstehen konnten, verhindern, indem sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Sachent­ scheidung beantragte. Sie konnte das Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat aber nicht durch Beantragung eines Prozessführungsverbots stoppen, weil Pro­ zessführungsverbote vom EuGH in den Rechtssachen Turner und West Tankers für unvereinbar mit der EuGVVO erklärt wurden und davon abgesehen dem deutschen Recht ohnehin unbekannt sind. Hatte das derogierte Gericht eine Ent­ scheidung in der Sache gefällt, konnte die nicht vertragsbrüchige Partei auch die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland nicht verhindern. Durch die Revision der EuGVVO ist die Gefahr, dass eine der Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung verletzt, mangels Anreizen für eine Torpedo-Kla­ ge minimiert worden, denn der anderen Partei steht es wegen Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. stets frei, trotzdem vor das in der Vereinbarung benannte Gericht zu ziehen. Daher ist auch das Bedürfnis nach geeigneten Abwehrmaßnahmen gegen die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Verhältnis zwi­ schen den Mitgliedstaaten gesunken. Die neue EuGVVO bietet einen gut durch­ dachten Mechanismus, um der Torpedierung von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen den Boden zu entziehen. Ist dennoch eine Partei vor ein derogiertes Gericht gezogen und setzt dieses das Verfahren nicht von Amts wegen aus, stehen der anderen Partei grundsätzlich dieselben Möglichkeiten wie bisher zur Verfü­ gung. Dabei werden jedoch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur selten weiterhelfen und das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung wird wegen der Rege­ lung in Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. nicht immer zu bejahen sein. Prozessfüh­

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Teil I:  Abschluss und Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung

rungsverbote sind außerdem auch in Zukunft nicht mit dem auf gegenseitigem Vertrauen basierenden System der Verordnung zu vereinbaren. Auch zukünftig ist der redlichen Partei zu raten, vor dem derogierten Gericht selbst die Unzu­ ständigkeitsrüge zu erheben. Die Nachteile, die ihr in manchen Fällen aus der Verteidigung vor dem derogierten Gericht entstehen können, kann sie jedoch weiterhin nicht durch die ihr zur Verfügung stehenden Mittel abwenden. Um die Schutz- und Reaktionsmöglichkeiten vor und auf eine Klageerhebung vor einem abgewählten drittstaatlichen Gericht ist es im Vergleich zu der Situa­ tion nach der reformierten EuGVVO weit schlechter bestellt. Eine zeitlich frü­ her erhobene Klage im prorogierten Forum steht dem ausländischen Verfahren mangels globalen lis pendens-Grundsatzes nicht entgegen. Auch kann kein Schutz durch Verhinderung der Zustellung oder durch die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Wer eine Klage im derogierten Drittstaatengericht befürchtet, kann versuchen, bevor überhaupt die drohende Klage im forum derogatum erhoben wird, ein Urteil in der Sache oder ein Fest­ stellungsurteil im Inland zu erreichen, welches beispielsweise in den USA dann, wenn es anerkennungsfähig ist, der Zulässigkeit einer Klage in derselben Sache entgegenstehen würde. In vielen Fällen kann die redliche Partei aber nicht vor­ hersehen, dass eine Klage im Ausland droht, außerdem kann diese Taktik die Parteien in unnötige Gerichtsprozesse treiben. Ist es erst einmal zu einer Klage im derogierten drittstaatlichen Gericht gekommen, kann nur die dortige Zustän­ digkeit gerügt werden, wobei die Erfolgsaussichten der Zuständigkeitsrüge un­ gewiss sind. Ein Prozessführungsverbot gegenüber einem Kläger in einem de­ rogierten Drittstaatengericht wäre zwar mit der EuGVVO und nach der hier vertretenen Auffassung, wenn es auf die ausschließliche Gerichtsstandsverein­ barung gestützt wird, auch mit dem Grundsatz der comitas vereinbar. Die deut­ schen Gerichte werden Prozessführungsverbote aufgrund der völligen System­ fremdheit dieser Möglichkeit aber aller Voraussicht nach auch in Zukunft nicht erlassen. Ergeht im Ausland eine Entscheidung in der Sache, kann zwar zumin­ dest damit gerechnet werden, dass dieser im Inland die Anerkennung zu versa­ gen ist. Die Entscheidung ist aber trotzdem im Ursprungsstaat und allen ande­ ren Staaten, in denen sie anerkennungsfähig ist, vollstreckbar. Außerdem kön­ nen der redlichen Partei durch die Berufung auf die Unzuständigkeit des Gerichts und den von der anderen Partei während des ausländischen Verfahrens aufgebauten Druck bereits hohe Kosten entstanden sein, unabhängig davon, ob das Gericht eine Entscheidung in der Sache getroffen oder seine Zuständigkeit letztlich doch ablehnt hat. Bislang existiert im deutschen Recht keine geeignete Möglichkeit, sich vor diesen Nachteilen verlässlich zu schützen bzw. sie im Nachhinein abzuwenden.

§ 6 – I.  Zusammenfassung

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Aus alledem folgt, dass ein Bedürfnis nach der Möglichkeit, materiellrechtli­ chen Schadensersatz für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstands­ vereinbarung zu erhalten, nicht verneint werden kann. Es ist im Verhältnis zu Drittstaaten, insbesondere den USA, allerdings um ein Vielfaches größer als im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der revidierten EuGVVO.

Teil II

Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

§  7  Einführung zum zweiten Teil der Untersuchung Wie dargestellt wurde, sind die bisher in Rechtsprechung und Schrifttum disku­ tierten Schutz- und Abwehrmöglichkeiten gegen Klagen in derogierten Gerich­ ten nicht immer ausreichend, um die redliche Partei tatsächlich vor der Beklag­ tenrolle im abgewählten Forum und den sich daraus ergebenden Nachteilen zu bewahren. Deshalb haben die Gerichte in einigen Staaten Klagen stattgegeben, die auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichts­ standsvereinbarung gerichtet waren. In anderen Staaten wird die Möglichkeit von Rechtsprechung und Schrifttum jedenfalls erwogen. Sollte sich in der Zu­ kunft ein deutsches Gericht mit dieser Frage auseinanderzusetzen haben, wird es seine Entscheidung kaum treffen können, ohne dabei einen Blick auf die Rechtslage oder Diskussion in denjenigen Staaten zu werfen, in denen die Mög­ lichkeit schon angedacht wurde oder sich bereits etabliert hat. In Teil II dieser Arbeit sollen deshalb Rechtsprechung und Schrifttum auslän­ discher Staaten zu der Frage, ob eine Partei wegen der Verletzung einer interna­ tionalen Gerichtsstandsvereinbarung materiellrechtliche Erstattungsansprüche geltend machen kann, untersucht werden. Zu diesem Zweck werden die relevan­ ten Entscheidungen ausländischer Gerichte sowie die Debatte im Schrifttum anderer Staaten dargestellt und analysiert. Weil sich die Rechtsprechung in eini­ gen Staaten gemeinsam mit bzw. aus der Rechtsprechung zur Missachtung von Schiedsvereinbarungen heraus gebildet hat und auch im Schrifttum teilweise nicht scharf zwischen Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen unterschie­ den wird, ist es erforderlich, auch die wichtigsten Entscheidungen zu Schieds­ vereinbarungen miteinzubeziehen. Die Idee der Haftung auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer interna­ tionalen Gerichtsstandsvereinbarung ist im anglo-amerikanischen Recht ent­ standen. Daher wird zunächst die Rechtslage in England und in den USA unter­ sucht (§  8). Es gibt aber auch in anderen Staaten Gerichtsentscheidungen oder jedenfalls eine Debatte im Schrifttum zu der Frage, ob Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung gewährt wer­ den kann, womit sich das darauffolgende Kapitel beschäftigen wird (§  9).

§  8  Rechtsprechung und Schrifttum in England und in den USA A.  Überblick Die Idee, dass die Missachtung einer internationalen ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung Schadensersatzpflichten auslösen kann, ist im common law, genau genommen in England, beheimatet.1 Sowohl in England als auch in den USA ist die Möglichkeit jedoch erst um die Jahrtausendwende in den Fokus von Rechtsprechung und Schrifttum gelangt. Zuvor gab es nur einzelne Entschei­ dungen und wenige Vorreiter im Schrifttum, die sich mit der Frage auseinander­ gesetzt hatten. Es handelt sich also insgesamt auch im anglo-amerikanischen Recht um eine relativ junge Idee, die sich noch in der Entwicklung befindet. Im Folgenden sollen die englische und US-amerikanische Rechtsprechung und die Debatte im dortigen Schrifttum zu der Frage, ob wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz verlangt werden kann, untersucht werden. Dabei sollen auch die wichtigsten Entscheidungen zu Schiedsvereinbarungen miteinbezogen werden. Einführend soll zunächst auf­ gerissen werden, weshalb das englische und US-amerikanische Zivilrechtssys­ tem den passenden Nährboden für die Schadensersatzmöglichkeit bildet, sodass sie sich dort vergleichsweise leicht durchsetzen konnte (B.). Sodann wird die Rechtslage in England (C.) und anschließend jene in den USA (D.) untersucht. Die Ergebnisse werden daraufhin zusammengefasst (E.).

1  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 57: „[A] brainchild of the common law system.“

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

B.  Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung I.  Vertragliche Qualifikation der Schadensersatzansprüche Soweit ersichtlich, haben alle bislang ergangenen Entscheidungen der engli­ schen und US-amerikanischen Gerichte, die Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstands- oder auch einer Schiedsvereinbarung gewährt oder diese Möglichkeit zumindest geprüft haben, den Schadensersatzanspruch auf eine vertragliche Anspruchsgrundlage gestützt. Auch in der Literatur werden ver­ tragliche Schadensersatzansprüche erörtert und es finden sich nur sehr verein­ zelt Ausführungen zu der Möglichkeit, deliktischen Schadensersatz zu gewäh­ ren.2 Zwar existieren auch in einigen Rechtsordnungen des anglo-amerikani­ schen Kreises Regelungen, wonach prozessuales Verhalten zu einem tort claim führen kann, z. B. in den USA Sec. 674 Restatement (Second) of Law of Torts (Wrongful Use of Civil Proceedings). Soweit ersichtlich, gibt es jedoch aus den USA und aus England keine Entscheidung, in der im Falle der Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ein Schadensersatzanspruch aus einer deliktischen Anspruchsgrundlage abgeleitet worden ist. Das mag einer­ seits daran liegen, dass, wie wir sehen werden, vertragliche Ansprüche aner­ kannt sind, sodass keine Notwendigkeit besteht, auf deliktische Ansprüche aus­ zuweichen. Außerdem liegt etwa im englischen Recht der Sinn und Zweck des Deliktsrechts darin, Personen- und Eigentumsschäden zu ersetzen, nicht aber Vermögensschäden, weshalb diese nur unter strengen Voraussetzungen und nur bei vorsätzlichem Verhalten ersetzbar sind.3 Auch bereicherungsrechtliche An­ sprüche werden – soweit ersichtlich – gestützt auf die Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung bisher weder in England noch in den USA erwogen. Zwar gibt es in England und einigen anderen Staaten sogar gesetzlich normierte claw-back provisions, welche Rückgriffsansprüche für solche Fälle statuieren, in denen aufgrund eines aus englischer Sicht nicht anerkennungsfähigen Urteils die Vollstreckung betrieben worden ist. So sieht der United Kingdom Protection of Trading Interests Act 1980, der englische Unternehmen vor einer Verurtei­ lung zu multiple damages wegen Kartellrechtsverstößen im Ausland schützen will, vor, dass ein solches Urteil in England nicht anerkannt und vollstreckt werden kann (Sec. 5). Sec. 6(2) enthält dann einen gesetzlichen Regressan­ spruch. Zurückgefordert werden kann nach der Vollstreckung des ausländi­ schen Urteils dasjenige, was die normale Kompensationsfunktion des Scha­ So insb. bei Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, 60 ff. Vgl. den Überblick bei Wörlen, Introduction to English Civil Law, Vol. 2, 3.  Aufl. 2005, S.  46 ff. 2  3 

§ 8 – B.  Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung

277

densersatzes übersteigt („so much of the amount […] as exceeds the part attribu­ table to compensation“).4 Es existieren aber keine gesetzlichen claw-back provisions für den Fall, dass ein Urteil unter Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung ergangen ist, genauso wenig gibt es diesbezügliches Richterrecht. Deshalb werden in diesem Kapitel auch nicht die englischen und US-amerika­ nischen deliktischen und bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen un­ tersucht, die vielleicht in der Theorie zur Herleitung von Schadensersatzpflich­ ten wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung herangezogen werden könnten, sondern nur die vertraglichen Anspruchsgrund­ lagen, welche von den anglo-amerikanischen Gerichten und im Schrifttum auch tatsächlich für die Begründung derartiger Schadensersatzpflichten angewendet werden. Dabei ist es kein Zufall, dass die Idee, die vertragsbrüchige Partei wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung zur Zahlung von Schadenser­ satz zu verurteilen, ein Kind des anglo-amerikanischen Rechts ist. Denn die Frage, ob für die Klageerhebung im forum derogatum vertraglicher Schadens­ ersatz zu leisten ist, lässt sich bei theoretischer Überlegung in den USA und in Großbritannien in vielerlei Hinsicht leichter bejahen als etwa in Deutschland. Erstens werden Gerichtsstandsvereinbarungen im anglo-amerikanischen Recht – untechnisch gesagt – als „ganz normale“ Verträge mit Verpflichtungswirkun­ gen zwischen den Parteien qualifiziert, sodass es naheliegt, auf die im Falle ei­ nes Vertragsbruchs gängigen Rechtsbehelfe zurückzugreifen (II.). Zweitens handelt es sich beim Schadensersatz im common law um die primäre Folge einer Vertragsverletzung (III.). Und drittens ist Schadensersatz im anglo-amerikani­ schen Recht grundsätzlich verschuldensunabhängig (IV.). II.  Gerichtsstandsvereinbarungen als „ganz normale“ Verträge 1.  Non ouster-Doktrin und Ermessensprüfung von Gerichtsstandsvereinbarungen Sowohl in England als auch in den USA wird der parteiautonome, vertragliche Charakter einer Gerichtsstandsvereinbarung von Rechtsprechung und Schrift­ tum, wie in der folgenden Darstellung noch deutlich wird, ins Zentrum gerückt, sodass in dogmatischer Hinsicht ein vertraglicher Schadensersatzanspruch die logische Folge der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist. Ursächlich für die Betonung des Vertragscharakters der Gerichtsstandsvereinbarung ist da­ 4 

Die Regelung wird von Seiten der USA natürlich angegriffen, weil sie in der Praxis vor allem US-amerikanische Urteile betrifft. Vgl. dazu Bermann, 13 Yearbook of Private Inter­ national Law (2011), 21, 32 ff.; Neuhaus, 81 Columbia Law Review (1981), 1097.

278

Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

bei deren prozessuale Behandlung: Wie dargestellt wurde, sind Gerichtsstands­ vereinbarungen in den USA nicht geeignet, die gesetzliche Zuständigkeit auto­ matisch zu beseitigen, sondern unterliegen einer Ermessenskontrolle. Die Par­ teien können nicht mit für die Gerichte bindender Wirkung von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung abweichen. Vielmehr steht die Bindungswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Ermessen des Gerichts, das der Vereinbarung im Wege der reasonableness-Prüfung die Bindungswirkung versagen kann.5 In England werden Gerichtsstandvereinbarungen sehr ähnlich behandelt wie in den USA. Allerdings war es für die bisherige Untersuchung, ob Gerichts­ standsvereinbarungen zugunsten deutscher Gerichte vor ausländischen Gerich­ ten sicher durchgesetzt werden können, nicht erforderlich, die Rechtslage in England gesondert darzustellen. Denn im Verhältnis zwischen Deutschland und England entfaltet die EuGVVO Wirkung und verdrängt das nationale englische Recht. Weil im Rahmen der EuGVVO kein Raum für eine ermessensbasierte Prüfung ist, sind die englischen Gerichte gezwungen, einerseits Gerichtsstands­ vereinbarungen zugunsten der Gerichte anderer Mitgliedstaaten und anderer­ seits die eigene Prorogation nach Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. anzuerkennen. Allerdings ist die Möglichkeit, die Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung mit Schadensersatz zu belegen, nicht im vereinheit­ lichten europäischen Prozessrecht beheimatet, sondern erklärt sich aus dem au­ tonomen englischen Rechtsverständnis. Daher ist es wichtig, an dieser Stelle kurz auf das in England herrschende rechtliche Verständnis von Gerichtsstands­ vereinbarungen einzugehen: Wie in den USA haben Gerichtsstandsvereinbarungen auch in England nicht die Wirkung, dass die eigentlich zuständigen Gerichte ihre Zuständigkeit auto­ matisch verlieren. Liegt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts eines anderen Staates vor, führt dies lediglich dazu, dass den englischen Gerichten das Ermessen eröffnet ist, von der gesetzlichen Zustän­ digkeit keinen Gebrauch zu machen.6 Das liegt darin begründet, dass nur der englische Richter selbst über die Reichweite seiner Rechtsprechungsgewalt be­ stimmen darf.7 Auch in England gilt also grundsätzlich die non ouster-Dok­ 5 

Vgl. zum Ganzen oben Teil I §  5 D. I., II. Briggs, in: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5.  Aufl. 2009, Rn.  8.10; Kahn-Freund, 26 International and Comparative Law Quarterly (1977), 825, 848 f.; Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 317; Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 216. 7  Vgl. Owners of cargo lately laden on board the Fehmarn v. Fehmarn (owners) („The Fehmarn“) [1958] 1 WLR 159, 162. Vgl. außerdem Owners of cargo lately laden on board the Eleftheria v. the Eleftheria (owners) („The Eleftheria“) [1969] 1 Lloyd’s Rep.  237; Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119. 6 

§ 8 – B.  Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung

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trin8, wie auch Lord Denning in der Entscheidung The Fehmarn zum Ausdruck gebracht hat: „[O]ne of the rules which they [the English courts] apply is that a stipulation that all disputes should be judged by the tribunals of a particular country is not absolutely binding. Such a stipulation is a matter to which the courts of this country will pay much regard and to which they will normally give effect, but it is subject to the overriding principle that no one by his private stipulation can oust these courts of their jurisdiction in a matter that properly belongs to them.“9 Allerdings wurde die Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte in den Entscheidungen The Eleftheria10 und El Amria11 gestärkt. Die Entscheidungen kann man als Gegenstück zur US-ame­ rikanischen Bremen-Entscheidung verstehen, in welcher die Kriterien der reasonableness-Doktrin festgelegt wurden.12 Seitdem sind auch in England inter­ nationale Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte grundsätzlich bindend und das Ermessen des englischen Richters ist insoweit beschränkt, als dass er die Vereinbarung nur dann als nicht bindend betrachten darf, wenn dafür gewichtige Gründe sprechen. Konkret hatte Lord Brandon in The Eleftheria bestimmte Kriterien festgelegt, nach denen die Gerichte die f­orum non conveniens-Doktrin anwenden sollten.13 Zwölf Jahre später, in der Entscheidung El Amria, übertrug er viele der in The Eleftheria angestellten Überlegungen auf die Frage, wie die Gerichte bei ihrer Ermessensausübung hinsichtlich der Bindungswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen zuguns­ ten aus­ländischer Gerichte zu verfahren hätten. In der Entscheidung bestimmte Lord Brandon, dass ein englisches Gericht, das unter Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Gerichts angerufen wird und vor dem ein stay of proceedings beantragt wird, die begehrte Aussetzung zu gewähren habe, außer wenn dagegen gewichtige Gründe (strong causes) sprächen, die der Kläger zu beweisen habe.14 Dabei nannte er auch die Kriteri­ 8  Auch wenn die Bezeichnung in England weniger gängig ist als in den USA. Zur non ouster-Doktrin im US-amerikanischem Recht vgl. oben Teil I §  5 D. I. 9  Lord Denning in Owners of cargo lately laden on board the Fehmarn v. Fehmarn (owners) („The Fehmarn“) [1958] 1 WLR 159, 162. 10  Owners of cargo lately laden on board the Eleftheria v. the Eleftheria (owners) („The Eleftheria“) [1969] 1 Lloyd’s Rep.  237. 11  Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119. 12  Vgl. dazu oben Teil I §  5 D. II. 1., 3. 13  Owners of cargo lately laden on board the Eleftheria v. the Eleftheria (owners) („The Eleftheria“) [1969] 1 Lloyd’s Rep.  237, 242. 14  Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119, 123 f.

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

en, die der Richter bei seiner Ermessensabwägung zu beachten habe, nämlich insbesondere den Belegenheitsort von Beweismitteln und dessen Effekt auf die Kosten eines Verfahrens in England oder vor dem ausländischen Gericht, die Frage, ob das anwendbare Sachrecht das Recht des ausländischen Gerichtsstaats sei und falls ja, ob es wesentlich vom englischen Recht abweiche, sowie die Verbindung der Parteien zu den betroffenen Staaten. Weiterhin spiele es eine Rolle, ob der Beklagte bestimmte Gründe dafür habe, das Verfahren vor dem ausländischen Gericht durchführen zu wollen, oder ob seine Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung reine Schikane des Klägers sei. Daneben sei auch der Schutz des Klägers zu beachten, so müsse geprüft werden, ob ihm im Aus­ land Sicherheit für seine Klage zukomme, ob sein Anspruch dort möglicherwei­ se bereits verjährt wäre, ob er aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen nicht mit einem fairen Verfahren rechnen könne und ob eine im Aus­ land ergehende Entscheidung anerkennungsfähig und vollstreckbar wäre.15 Im Einzelnen sind die Kriterien, nach denen die Bindung von Gerichtsstands­ vereinbarungen im Vereinigten Königreich und in den USA bestimmt wird, zwar nicht identisch. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist es aber ausrei­ chend, wenn verdeutlicht worden ist, dass in England Gerichtsstandsvereinba­ rungen – genau wie in den USA – nicht aus sich heraus die gesetzliche Zustän­ digkeitsordnung ändern können, sondern vom Gericht im Rahmen einer Ermes­ sensabwägung geprüft werden. Auch wenn das Ermessen des Gerichts sowohl in den USA seit der Bremen-Entscheidung als auch in England seit der El Amria-­ Entscheidung dahingehend gebunden ist, dass Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich als bindend beachtet werden, wenn keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen, sodass auch in der Praxis Gerichtsstandsvereinbarungen in den allermeisten Fällen anerkannt werden, ändert das nichts daran, dass die non ouster-Doktrin im Grundsatz nicht abgeschafft wurde: Gerichtsstandsvereinba­ rungen werden zwar in aller Regel beachtet. Die Parteien selbst können aber nicht von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung abweichen. Es ist das Ge­ richt, welches über die Zuständigkeitsfrage entscheidet, und die Gerichtsstands­ vereinbarung ist nur ein Faktor im Rahmen der gerichtlichen Ermessensabwä­ gung, wenn auch ein sehr gewichtiger. Mit anderen Worten: In Deutschland und nach dem Verständnis der EuGVVO schafft oder derogiert die Gerichtsstands­ vereinbarung selbst Zuständigkeiten, in England und in den USA nicht. Wäh­ rend ein deutsches Gericht, das seine Zuständigkeit aufgrund einer Gerichts­ 15  Zum Ganzen vgl. Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119, 123 f. Vgl. außerdem die gute Zusammenfassung bei Tetley, Juris­ diction Clauses and Forum non Conveniens in the Carriage of Goods by Sea, S.  41 ff., online abrufbar unter , sowie die Darstellung bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  29 ff. m. w. N.

§ 8 – B.  Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung

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standsvereinbarung bejaht oder verneint, unmittelbar §  38 ZPO oder Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F., d. h. Prozessrecht, vollzieht, handelt der englische oder US-amerikanische Richter dagegen aus Achtung der partei­ autonomen Abrede, vollzieht also einen Vertrag. Auch wenn er die Gerichts­ standsvereinbarung üblicherweise anerkennt, geschieht dies nicht etwa auf­ grund eines unmittelbar zuständigkeitsändernden Charakters dieser Verein­ barung, sondern allein aus Würdigung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrags. Die Letztentscheidungskompetenz darüber, welche Wir­k un­gen einer Gerichtsstandsvereinbarung zukommen, verbleibt aber in je­ dem Fall bei den Gerichten.16 Das unterschiedliche Verständnis von Gerichtsstandsvereinbarungen im ang­ lo-amerikanischen Recht auf der einen und im deutschen und einheitlich-euro­ päischen Recht auf der anderen Seite verdeutlicht, weshalb man in England und in den USA ganz unproblematisch vom verpflichtenden Charakter einer Ge­ richtsstandsvereinbarung ausgeht, während in Deutschland aus dem unmittel­ bar die gesetzlichen Zuständigkeiten modifizierenden Charakter der Gerichts­ standsvereinbarung teilweise auf deren Verfügungscharakter geschlossen wird, welcher eine verpflichtende Wirkung gerade ausschließe.17 2.  Folge: Verpflichtungswirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen und das right not to be sued abroad Wenn Gerichtsstandsvereinbarung einer ermessensbasierten Prüfung unterlie­ gen und nicht, wie im deutschen Recht, automatisch die gesetzliche Zuständig­ keitsordnung ändern können, bedeutet das eigentlich, dass Gerichtsstandsver­ einbarungen nach der traditionellen Auffassung im anglo-amerikanischen Recht eine vergleichsweise schwächere Wirkung entfalten als bei uns. Man könnte allerdings auch umgekehrt sagen, weil das anglo-amerikanische Recht keinen unmittelbar zuständigkeitsändernden Charakter einer Gerichtsstands­ vereinbarung kennt, rückt gerade der Vertragscharakter der Gerichtsstands­ vereinbarung in den Vordergrund. Während auf dem Kontinent Gerichtsstand­ vereinbarungen primär als prozessuale Verträge eingeordnet werden, herrscht im common law eher das Verständnis eines schuldrechtlichen Vertrags vor.18 Die Auffassung, Gerichtsstandsvereinbarungen könnten nicht zu einer Ände­ Vgl. auch Peel, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  1, 3. 17  Vgl. die Auseinandersetzung mit der im deutschen Recht vertretenen „Verfügungs­ theorie“ in Teil III §  12 B. XI. 2. 18  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  224. 16 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

rung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen, bewirkt also auf der ande­ ren Seite, dass Gerichtsstandsvereinbarungen im anglo-amerikanischen Recht – untechnisch ausgedrückt – als „ganz normale“ Verträge mit Verpflichtungs­ wirkungen behandelt werden. Grundsätzlich werden im englischen und US-­ amerikanischen Recht keine Unterschiede zwischen materiellrechtlichen Ver­ trägen auf der einen und Gerichtsstandsvereinbarungen auf der anderen Seite gemacht.19 Die Gerichtsstandsvereinbarung wird ganz automatisch als binden­ der Vertrag zwischen den Parteien gesehen und es wird als selbstverständlich angenommen, dass die Parteien sich mit dem Abschluss der Vereinbarung dazu verpflichten, nicht vor ein anderes Gericht zu ziehen.20 Gerade weil der Ge­ richtsstandsvereinbarung im englischen und US-amerikanischen Recht also keine zuständigkeitsbegründende oder unmittelbar derogierende Wirkung zu­ kommt, wird sie als Verpflichtungsvertrag zwischen den Parteien qualifiziert, denn andernfalls liefe sie schließlich leer. Mit dem Abschluss einer Gerichts­ standsvereinbarung verpflichten sich die Parteien nach anglo-amerikanischem Verständnis folglich vertraglich dazu, vor keinem anderen als dem gewählten Gericht oder den gewählten Gerichten zu klagen.21 Dass die Gerichte in England und in den USA von einer materiellrecht­ lich-vertraglichen Natur von Gerichtsstandsvereinbarungen ausgehen, zeigt sich dabei sowohl an ihrer Bereitschaft zum Erlass von anti-suit injunctions wegen der Verletzung von Zuständigkeitsvereinbarungen als auch an der Mög­ lichkeit eines stay of proceedings22 wegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten einer ausländischen Jurisdiktion.23 Denn für den Erlass eines Pro­ zessführungsverbots wird, wie bereits dargestellt wurde, insbesondere im eng­ lischen Recht ein in der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung wurzeln­ des right not to be sued abroad angenommen, weshalb contractual anti-suit injunctions unter vergleichsweise geringeren Voraussetzungen erlassen werden

19  Siehe insb. zum englischen Recht Briggs, 21 The Doshisha Hogaku (The Doshisha Law Review) (2005), 308; Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  322 mit umfassenden Nachweisen in Fn.  3; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 88. Kritisch dieser Auffassung gegenüber aber Harris, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2009, 537, 538 ff. 20  Siehe Heiser, 45 Florida Law Review (1993), 553, 581 f.; Ledermann, 66 New York University Law Review (1991), 422, 440; Schlosser, IPRax 1999, 115, 117. 21  Vgl. z. B. Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements and Their Enforcement, 2.  Aufl. 2010, Rn.  10.03; Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 317. 22  Vgl. dazu Owners of cargo lately laden on board the Eleftheria v. the Eleftheria (owners) („The Eleftheria“) [1969] 1 Lloyd’s Rep.  237. 23  Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 437 m. w. N.

§ 8 – B.  Das anglo-amerikanische Recht als Wiege der Schadensersatzlösung

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als andere Prozessführungsverbote.24 Wenn man aber von einem solchen right not to be sued abroad, also einem Recht der einen Partei, nicht im Ausland ver­ klagt zu werden, ausgeht, korrespondiert damit notwendigerweise die Pflicht der anderen Partei, auch nicht im Ausland zu klagen. Recht und Pflicht entstam­ men beide aus dem gleichen Vertragsverhältnis.25 Dass eine ausschließliche Ge­ richtsstandsvereinbarung ein die Parteien verpflichtender Vertrag ist, entspricht also sowohl in England als auch in den USA dem traditionellen Rechtsdenken, welches sich bereits in der Rechtsprechung zu anti-suit injunctions niederge­ schlagen hat. Die Gleichbehandlung von Gerichtsstandsvereinbarungen und materiellen Verträgen beruht außerdem auf einem simplen Grundgedanken: Beide Verträge können das Ergebnis von u. U. hard-fought negotiation sein.26 Deshalb liegt der Schritt, aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung vertragliche Schadensersatz­ansprüche abzuleiten, in England und den USA nach dem dort herrschenden Rechtsverständnis durchaus nahe. III.  Schadensersatz als primäre Folge einer Vertragsverletzung Überdies konnte die Möglichkeit, die Verletzung von Gerichtsstandsvereinba­ rungen mit Schadensersatzpflichten zu belegen, im common caw noch aus ei­ nem anderen Grund leichter gedeihen als z. B. im deutschen Recht. Schadenser­ satzansprüche bei Klagen on the merits stellen im common law nämlich die grundsätzliche und primäre Folge eines Vertragsbruchs dar.27 Die Gerichte ge­ währen also grundsätzlich Schadensersatz und geben Klagen auf Erfüllung (performance) nur ermessensabhängig statt, wenn Schadensersatz nicht als das adäquate Mittel erscheint.28 In den USA bestimmt das Sec. 359(1) Restatement (Second) of Contracts (1981) ausdrücklich: „Specific performance or an injunc­ tion will not be ordered if damages would be adequate to protect the expectation interest of the injured party.“ Es besteht kein Grund, warum bei Zuständigkeits­ vereinbarungen nicht ebenso verfahren werden sollte. Der Vorrang des Schadensersatzes bedeutet im Übrigen auch, dass die aus dem equity-Recht stammenden anti-suit injunctions eigentlich subsidiär gegen­ 24 

Vgl. oben Teil I §  6 F. II. 1., IV. 4. b). So auch Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerich­ ten (1989), S.  61; Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 530 f. 26  Vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 69 f. 27  Vgl. etwa Elias, Judicial Remedies in the Conflict of Law (2001), S.  65 ff. und 159: „In general terms, the circumstances in which specific performance is ordered are those in which the leading substitute remedy of an award of compensatory damages […] are considered by the forum to be inadequate.“ 28  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 70. 25 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

über Schadensersatzansprüchen sind. Die Subsidiarität beruht darauf, dass equity-Ansprüche gegenüber common law-Ansprüchen nachrangig sind und das common law grundsätzlich für den Fall einer Vertragsverletzung lediglich Schadensersatz vorsieht.29 Allerdings hatten sich die englischen Gerichte bis zum Aufkommen der ersten Schadensersatzentscheidungen mit der Subsidiari­ tät entweder gar nicht auseinandergesetzt oder aber auf den Hinweis beschränkt, Schadensersatz biete der nicht vertragsbrüchigen Partei keinen effektiven Rechtsschutz, stattdessen handle es sich um ein inadäquates Mittel.30 Zur Be­ gründung wurde angeführt, die der redlichen Partei entstehenden Schäden könnten schwerlich beziffert werden.31 Seit die Möglichkeit von Schadensersat­ zansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung an Be­ deutung gewonnen hat, wird auch darauf hingewiesen, die Verurteilung zu Schadensersatzleistungen würde in Kombination mit dem Erlass einer anti-suit injunction zu fruchtbaren Ergebnissen führen.32 IV.  Die Verschuldensunabhängigkeit des Schadensersatzes Den dritten Grund dafür, dass sich die Schadensersatzmöglichkeit im ang­ lo-amerikanischen Recht leichter etablieren konnte als in anderen Staaten, bil­ det die Verschuldenunsabhängigkeit des vertraglichen Schadensersatzes im common law. Erforderlich ist weder Vorsatz (intent) noch Fahrlässigkeit (negligence). Im common law wird ein Vertrag nämlich ähnlich behandelt wie ein Garantieversprechen. Die Parteien versprechen einander also die Einhaltung ihrer vertraglichen Pflichten, sodass eine Haftung auf Schadensersatz schon dann angemessen erscheint, wenn eine der Parteien ihr Versprechen, die über­ nommenen Vertragspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, bricht (sog. strict liability).33 Damit stellen sich im common law nicht die schwierigen Fragen, wie es Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  294 m. w. N. Als ineffective remedy wurde die Möglichkeit des Schadensersatzes etwa bezeichnet in Continental Bank N.A. v. Aeakos Compania Naviera S.A. and others [1994] 1 WLR 588, 598 (C.A.): „[A] claim for damages for breach of contract would be a relatively ineffective reme­ dy.“ Ebenso in Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan SpA („The Angelic Grace“) [1995] 1 Lloyd’s Rep.  87, 96 (C.A.); OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp. [2005] EWCA Civ 710, Rn.  32. Vgl. auch die weiteren Nachweise bei Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  321 Fn.  1. 31  Vgl. beispielsweise OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp. [2005] EWCA Civ 710, Rn.  32. 32  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 89: „The value of da­ mages may be felt greater when it operates in tandem with an anti-suit injunction in a com­ plementary fashion.“ 33  Vgl. für das englische Recht Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, 29 

30 

§ 8 – C.  Die Rechtslage in England

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sich etwa auswirkt, wenn der Kläger gar nichts von der Zuständigkeitsvereinba­ rung wusste, beispielsweise weil er von den AGB, in denen sie enthalten ist, keine Kenntnis genommen hat, oder wenn er davon ausgegangen ist, die Verein­ barung sei unwirksam oder aus einem anderen Grund nicht bindend, ihr An­ wendungsbereich erfasse den konkreten Streit nicht oder sie sei nicht aus­ schließlich.34 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in den meisten Rechtsordnungen des civil law-Kreises, in denen vertragliche Schadensersat­ zansprüche verschuldensabhängig sind, eine Vermutung dafür besteht, dass der Schuldner die Vertragsverletzung zu vertreten hat. Es ist also der Schuldner, der die Beweislast dafür trägt, dass er die Vertragsverletzung nicht vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat.35 Wegen dieser Beweislastumkehr mag es im prak­ tischen Ergebnis häufig zu einem ähnlichen Ausgang kommen wie im ang­ lo-amerikanischen Recht.36 Dennoch ist ein vertraglicher Schadensersatzan­ spruch leichter zu bejahen, wenn er keinerlei Verschulden voraussetzt.37 Auch aus diesem Grund bildet das anglo-amerikanische Recht also einen fruchtbaren Boden für die Annahme vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Ver­ letzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung.

C.  Die Rechtslage in England I.  Stay of proceedings und anti-suit injunctions als traditionelle Mittel gegen unzulässiges forum shopping Das autonome englische Zuständigkeitsrecht beruht nicht auf klar umrissenen Strukturen. Vielmehr haben die englischen Gerichte grundsätzlich dann jurisdiction, wenn dem Beklagten das prozesseinleitende Schriftstück im In- oder Ausland rechtmäßig zugestellt wurde. Erst auf der zweiten Stufe wird dann ge­ prüft, ob die Ausübung der jurisdiction im konkreten Einzelfall möglich ist. Denn andernfalls könnte der Kläger durch die Zustellung bei bloß vorüberge­ hendem Aufenthalt in England einen exorbitanten Gerichtsstand begründen.38 Die traditionellen Mittel, die dem englischen Gericht für den Fall, dass die Zu­ ständigkeitsfrage problematisch ist, zur Verfügung stehen, sind die Aussetzung 3.  Aufl. 2003, S.  69. Für das US-amerikanische Recht vgl. Scott, 107 Michigan Law Review (2009), 1381. 34  Zu den Fragen aus Sicht des deutschen Rechts vgl. unten Teil III §  12 D. V. 2. 35  Z. B. in Deutschland nach §  280 Abs.  1 S.  2 BGB, in Spanien nach Art.  1101 Código Civil. 36  So auch Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 393. 37  So auch Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 58. 38  So etwa in Maharanee of Baroda v. Wildenstein [1972] 2 Q.B. 283: Zustellung der Kla­ geschrift bei einem Aufenthalt des Beklagten in England wegen eines Pferderennens.

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des Verfahrens (stay of proceedings) auf der einen sowie der Erlass einer anti-suit injunction auf der anderen Seite.39 Eine Aussetzung des Verfahrens durch stay of proceedings kann das Gericht auf Antrag des Beklagten in zwei Fällen vornehmen, nämlich wenn sich der Beklagte auf forum non conveniens-Ge­ sichtspunkte beruft oder wenn er eine ausschließliche, die Zuständigkeit der englischen Gerichte derogierende Gerichtsstandsvereinbarung geltend macht.40 Demgegenüber wird der Erlass einer anti-suit injunction als funktionales Ge­ genstück zum stay of proceedings angesehen:41 Erstere soll vor unzulässigem forum shopping in England, das Prozessführungsverbot vor solchem im Aus­ land schützen.42 Die Verfahrensaussetzung und der Erlass eines Prozessfüh­ rungsverbots bildeten also in der Vergangenheit die beiden Mittel zur Regelung positiver Kompetenzkonflikte durch die englischen Gerichte. Dagegen gehörten Schadensersatzansprüche grundsätzlich in keinem der beiden Fälle zu den tra­ ditionellen Mitteln, mit denen problematische Zuständigkeitsfragen gelöst oder – konkreter – mit denen gegen den Bruch einer Gerichtsstandsvereinbarung vorgegangen wurde.43 Obwohl es sich beim Schadensersatz im common law ei­ gentlich um die primäre Folge einer Vertragsverletzung handelt, machten die englischen Gerichte in der Vergangenheit lange nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Diejenigen Gerichte, die die Subsidiarität anderer Ansprüche gegen­ über dem Schadensersatz bedachten, beschränkten sich darauf, zu erklären, es handle sich beim Schadensersatz um ein inadäquates Mittel gegen die Verlet­ zung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen44, und ebneten so den Weg zum Erlass einer anti-suit injunction. Dies wurde etwa damit begründet, der aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung entstehende Schaden könne realistischerweise nicht beziffert werden.45

39  Vgl. Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 316 ff. Vgl. auch Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 90, 92 ff. 40  Vgl. James, Litigation with a Foreign Aspect (2009), Rn.  10.50 ff. 41  Vgl. Lord Hobhouse in Turner v. Grovit [2002] 1 WLR 107, 118 (H. L.): „[O]bverse of an order for the stay of proceedings.“ 42  Zum Ganzen vgl. Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 432. 43  Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 207 ff., 224 ff. 44  Vgl. bereits die Nachweise oben in Fn.  30. 45  So ausdrücklich in OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp. [2005] EWCA Civ 710, Rn.  32.

§ 8 – C.  Die Rechtslage in England

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II.  Die Rechtsprechung der englischen Gerichte 1.  Die Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen a)  Der eigenen Zeit voraus: Ellerman Lines Ltd v. Read Wenn anfangs behauptet wurde, die englischen Gerichte hätten die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsverein­ barung zu gewähren, erst in diesem Jahrtausend ernsthaft erwogen und bejaht, so stimmt das nicht ganz. Denn tatsächlich überrascht im Bereich von Gerichts­ standsvereinbarungen die fast in Vergessenheit geratene Entscheidung Ellerman Lines Ltd v. Read46 aus den 1920er Jahren. Damals war ein Dampfer im Schwarzen Meer gekentert. Der Bergungsvertrag sah die Klausel „renumerati­ on, if not otherwise agreed, to be fixed in London“47 vor und enthielt weiterhin eine Regelung, wonach das Schiff nicht unter Arrest genommen oder andersar­ tig zurückgehalten werden dürfe. Trotzdem strengte das Bergungsunternehmen nach der Bergung erfolgreich ein Arrestverfahren in der Türkei an und klagte im ehemaligen Konstantinopel auf Schadensersatz für die Bergung des Schif­ fes. Nachdem das Gericht in Konstantinopel der Klage stattgegeben hatte, wur­ de das Schiff verkauft, damit der Titel teilweise befriedigt werden konnte. Die Eigentümer des Schiffes beantragten daraufhin in England erfolgreich eine Verfügung, um eine weitere Vollstreckung aus der türkischen Entscheidung zu verhindern. Außerdem verklagten sie das Bergungsunternehmen auf Schadens­ ersatz für die Kosten, die ihnen in dem türkischen Verfahren entstanden waren, sowie für den Verlust des verkauften Schiffes. Die Klage hatte in vollem Um­ fang Erfolg. Briggs zufolge zeigt die Entscheidung, zu welch frühem Zeitpunkt die englischen Gerichte bereits erkannt hätten, dass für die Verletzung einer prozessualen Vereinbarung Schadensersatz zu leisten sei. Die Vereinbarung zwischen den Eigentümern des Schiffes und dem Bergungsunternehmen wertet Briggs dabei inhaltlich als ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung: „The decision of the Court of Appeal to allow damages […] makes this an early but clear illustration of the rule that damages may be recovered for breach of an agreement which provided for the exclusive jurisdiction of an English court or tribunal.“ Und weiter: „The Turkish proceedings had started with the breach of what was, in essence, an exclusive jurisdiction agreement; and all the losses which flowed from that were recoverable as damages.“48 Besonders bemerkens­ 46  Ellerman Lines Ltd v. Read [1928] 2 KB 144 (C.A.). Vgl. dazu Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  301 f.; Raphael, The Anti-suit Injunction, Updating Supplement (2010), S.  66. 47  Zitiert nach Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  301. 48  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  301

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wert ist, dass das englische Urteil nicht nur Schadensersatz für die Kosten, die durch das Verfahren in der Türkei entstanden waren, sondern auch für den Ver­ lust des Schiffes zusprach, also die türkische Entscheidung in der Sache gerade­ wegs umkehrte. Allerdings wird aus der Formulierung des Urteils nicht ganz klar, ob der Court of Appeal seine Entscheidung tatsächlich nur mit dem Bruch der Vereinbarung begründete. Das Gericht differenzierte nämlich nicht danach, welche Schäden aufgrund der Verletzung der prozessualen Vereinbarung und welche wegen eines ebenfalls vom englischen Gericht angenommenen Prozess­ betrugs im türkischen Verfahren entstanden waren.49 Auch sonst ist die Ent­ scheidung nicht besonders ergiebig. So setzte sich das englische Gericht in kei­ ner Zeile mit den Fragen auseinander, ob das türkische Gericht seine Zuständig­ keit nach dem eigenen Recht richtigerweise bejaht hatte, ob das Urteil in der Sache richtig war oder wie das Verfahren ausgegangen wäre, hätte es in Eng­ land stattgefunden. Die Vermischung des Bruchs der Vereinbarung mit dem Vorwurf eines Pro­ zessbetrugs und die knappe Begründung des Urteils mögen der Grund dafür sein, dass die Entscheidung in den darauffolgenden Jahrzehnten mehr oder we­ niger in Vergessenheit geriet. Wenn überhaupt, wurde sie im Zusammenhang mit dem Erlass von injunctions zitiert. Die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu gewähren, hat sie dagegen keineswegs gefestigt.50 Diese Möglichkeit wurde tatsächlich erst wieder in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in wenigen Ent­ scheidungen mehr oder weniger ernsthaft erwogen, aber im Ergebnis doch ab­ gelehnt.51 Insbesondere in der Entscheidung The Atlantic Emperor (No. 2)52 sah Richter Hobhouse den Ansatz dem Hindernis ausgesetzt, dass das englische Gericht gezwungen sei, die zuvor unter Verletzung der Vereinbarung in einem anderen EuGVÜ-Mitgliedstaat ergangene Entscheidung anzuerkennen, sodass es nicht erneut über dieselbe Sache entscheiden dürfe.53

Dazu Raphael, The Anti-suit injunction, Updating Supplement (2010), S.  66 f. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  302. 51  Etwa in Marc Rich and Co. AG v Società Italiana Impianti pA („The Atlantic Emperor“) (No. 2) [1992] 1 Lloyd’s Rep.  624 (C.A.); Industrial Maritime Carriers (Bahamas) Inc. v. Sinoca International Inc. („The Eastern Trader“) [1996] 2 Lloyd’s Rep.  585 (Q.B.); A/S D/S Svendborg v. Wansa [1996] 2 Lloyd’s Rep.  559 (Q.B.). 52  Marc Rich and Co. AG v Società Italiana Impianti pA („The Atlantic Emperor“) (No. 2) [1992] 1 Lloyd’s Rep.  624 , 633 f. (C.A.) 53  Kritisch zu Recht Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 207 f. 49 

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§ 8 – C.  Die Rechtslage in England

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b) Der Durchbruch im neuen Jahrtausend: Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others Diese Zurückhaltung endete im neuen Jahrtausend, zu dessen Beginn sich die englischen Gerichte in gleich drei Entscheidungen vertieft mit der Materie aus­ einandergesetzt und grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz aner­ kannt haben, wenn eine ausschließliche internationale Gerichtsstandsvereinba­ rung zugunsten der englischen Gerichte durch Klageerhebung im Ausland ver­ letzt worden ist. Grundlegend für diese Rechtsprechung war die Entscheidung des Court of Appeal in Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others54 vom 21.11.2001. Die Parteien hatten mehrere Verträge abgeschlossen, die ausschließ­ liche Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten der englischen Gerichte enthiel­ ten. Nachdem die Union Discount Co. Ltd (im Folgenden: Union Cal) ihre Ver­ tragspartner, Zoller und andere (im Folgenden: Zoller), vor dem englischen High Court auf Zahlung unbeglichener Schulden verklagt hatte, erhob Zoller seiner­ seits eine Klage vor einem New Yorker Gericht, mit welcher er die Haftung für die Schulden bestritt. Union Cal rügte die Zuständigkeit des New Yorker Ge­ richts erfolgreich, das Verfahren in New York wurde eingestellt. Obwohl es Uni­ on Cal gelungen war, vor dem New Yorker Gericht einen dismissal durchzuset­ zen, blieb die Gesellschaft aber trotzdem auf den bis dahin angefallenen außer­ gerichtlichen Kosten der Prozessführung in New York sitzen. Union Cal hatte auch gar nicht versucht, vor dem New Yorker Gericht eine Erstattung der Kosten für das Verfahren von Zoller zu verlangen, weil man davon ausging, ein solches cost shifting sei nach dem New Yorker Recht ohnehin nicht möglich. Als Zoller in London aus anderen Gründen Widerklage erhob, beantwortete Union Cal diese mit einer Wider-Widerklage, die auf Ersatz der ihr wegen des Verfahrens vor dem New Yorker Gericht entstandenen Kosten gerichtet war. Richter Schiemann LJ gab der Wider-Widerklage statt. Zoller habe durch sei­ ne Klage vor dem New Yorker Gericht die ausschließliche Gerichtsstandsver­ einbarung gebrochen. Obwohl das Verfahren in New York aufgrund der Rüge durch Union Cal eingestellt worden sei, habe Union Cal wegen der American rule of costs die eigenen Prozesskosten zu tragen. Es sei für Union Cal aussicht­ los gewesen, vor dem New Yorker Gericht einen Antrag auf Kostenerstattung zu stellen. Das Gericht unterließ es nicht, zu betonen, dass in rein inländischen Fällen ohne internationalen Bezug die Kosten, die einer Partei durch ein Ver­ fahren vor einem englischen Gericht entstünden, nie im Rahmen des Schadens­ ersatzes ersetzbar seien.55 Insofern sei das Kostenrecht abschließend, wie be­ Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2001] EWCA Civ 1755, [2002] 1 WLR 1517 , insb. 1526 f. 55  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1523, Rn.  17. 54 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

reits in Quartz Hill Consolidated Gold Mining Co. v. Eyre56 aus dem Jahr 1883 entschieden worden sei. Der vorliegende Fall sei aber anders gestaltet und vor allem durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet, die das Gericht folgen­ dermaßen zusammenfasste: Erstens verlange die Klägerin die Erstattung von Kosten, die ihr durch die Beklagtenrolle in einem ausländischen Verfahren ent­ standen seien. Zweitens habe der Beklagte das ausländische Verfahren unter Verletzung einer ausdrücklichen Gerichtsstandsklausel betrieben. Drittens sei nach den in der Rechtsordnung des ausländischen Gerichts geltenden Regeln eine Kostenerstattung nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich. Und viertens habe das ausländische Gericht nicht über die Frage der Kosten entschie­ den.57 Daher führte der Court of Appeal aus: „In such a case, on the assumption that to bring suit in the foreign jurisdiction amounts to a breach of contract, we consider that justice requires that he [Union Cal] should receive the damages which he has suffered by reason of the breach. Those damages will be what he has reasonably expended on the strike out proceedings. The situation appears to us to be akin to malicious prosecution […].“58 Der von Zoller erhobene res iudicata-Einwand wurde vom Court of Appeal nicht anerkannt. Vielmehr erklärte das Gericht knapp, das Problem einer entge­ genstehenden Entscheidung würde sich im vorliegenden Fall schon deshalb gar nicht stellen, weil das New Yorker Gericht ja gerade keine Entscheidung über die Kosten getroffen habe.59 In seiner Entscheidung machte das Gericht außer­ dem Ausführungen zur Vereinbarkeit des Schadensersatzes mit der comity und der public policy. Um zu überprüfen, ob eine solche Entscheidung der international comity zuwiderlaufen könnte, stellte der Court of Appeal die Überlegung an, wie der umgekehrte Fall aussehen würde, wie es also zu bewerten wäre, wenn ein englische Gericht seine Zuständigkeit verneint hätte und daraufhin ein ausländisches Gericht wegen der Klage in England Schadensersatz gewäh­ ren würde. Der Court of Appeal kam zu dem Ergebnis, dass dies vor dem Grundsatz der comity unproblematisch wäre: „We cannot think that such a hap­ pening would be the cause of the slightest concern to this country or its courts if indeed it ever came to their attention.“60 Ebenso stand nach Ansicht des Ge­ Quartz Hill Consolidated Gold Mining Co. v. Eyre [1883] 11 Q.B.D. 674 (C.A.). Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1524, Rn.  18. 58  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1527, Rn.  38. Vgl. auch zu dem Aspekt, dass die Entscheidung in Quartz Hill Consolidated Gold Mining Co. v. Eyre [1883] 11 Q.B.D. 674 (C.A.) der Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu gewähren, nicht entgegensteht, Merrett, 55 Internatio­ nal and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 324 ff. 59  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1525, Rn.  26. 60  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1524, Rn.  22. 56  57 

§ 8 – C.  Die Rechtslage in England

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richts auch die public policy einer Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz nicht entgegen. Es seien keine Erwägungen der public policy erkennbar, welche einer Partei erlauben könnten, der Haftung auf Ersatz desjenigen Schadens zu entkommen, welchen sie der anderen Partei durch die abredewidrig erhobene Klage in einem Staat mit einer anderen Kostenordnung zugefügt habe.61 Ebenso sei es auch nicht verwerflich (parasitic), eine allein auf Ersatz von Prozesskos­ ten gerichtete Klage zu erheben, weil diese Kosten in manchen Fällen erheblich höher sein könnten als Schadensersatzsummen, die wegen eines Streits in der Sache eingeklagt werden könnten.62 Zuletzt prüfte das Gericht noch, ob Union Cal die Obliegenheit, den Schaden zu mindern, verletzt hatte. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung nicht darin bestanden habe, dass Union Cal überhaupt vor das New Yorker Gericht gezogen und einen dismissal beantragt hatte, statt die abredewidrig erhobene Klage einfach zu ignorieren. Denn eine Partei, die eine andere verklage, könne sich nicht später darauf berufen, der Beklagte hätte eben nicht auf die Klage reagieren sollen: „We confess that it seems to us unattractive for the New York claimant to submit that the English defendant should not have gone to New York to resist the proceedings which the New York claimant had, as a matter of choice, started there.“63 Ob von Union Cal hätte verlangt werden können, den Erlass einer anti-suit injunction zu bean­ tragen, ließ das Gericht offen. Es erklärte jedenfalls, dies hätte höchstens Ein­ fluss auf die Höhe des zu beziffernden Schadens, nicht aber auf die Frage, ob die nicht vertragsbrüchige Partei überhaupt Schadensersatz verlangen könne.64 Charakteristisch für die Entscheidung ist freilich, dass sie viele Fragen offen lässt. Indem Schadensersatz für die Verletzung einer internationalen Gerichts­ standsvereinbarung gewährt wurde, war sie ohnehin schon revolutionär. Deshalb betonte das Gericht auch, dass es zukünftigen Entscheidungen überlassen sei, die Frage zu klären, ob dieselbe Bewertung auch für die Verletzung von Schiedsver­ einbarungen gelte. Ebenfalls ließ es bewusst offen, wie der Fall zu bewerten gewesen wäre, wenn abredewidrig vor einem Gericht geklagt worden wäre, das ein dem englischen ähnliches Kostenrecht angewendet hätte. So wird in der Ent­ scheidung beispielhaft der Fall erwähnt, dass eine Partei abredewidrig in Öster­ reich klagt, die nicht vertragsbrüchige Partei von dem österreichischen Gericht zwei Drittel ihrer Kosten ersetzt bekäme und ein englischer Richter genauso entschieden hätte. Ob das restliche Drittel als Schadensersatz in England einge­ 61 

„We see no policy reason connected with either party allowing one party to the contract to escape from liability for the damages which he has caused to the other by attempting to sue in a country where a different costs regime prevails.“ 62  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  32. 63  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  33. 64  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  33.

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klagt werden könnte, wird offen gelassen: „We prefer to leave such cases for the future.“65 Mit der Entscheidung stand aber jedenfalls fest, dass dann, wenn das abredewidrig angerufene Gericht keine Kostenentscheidung getroffen hat, die nicht vertragsbrüchige Partei ihre Kosten für die Verteidigung vor diesem Ge­ richt in England als Schadensersatz einklagen kann. Ob hingegen das Fehlen einer ausländischen Kostenentscheidung bzw. die genannten vier Besonderhei­ ten des Falls zwingende Voraussetzungen für die Möglichkeit vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstands­verein­ba­ rung sein sollen, kommt nicht klar zum Ausdruck, sondern wird offen gelassen. c)  Das obiter dictum in Donohue v. Armco Inc. & others Nur wenige Tage später, am 13.12.2001, erging die Entscheidung des House of Lords in Donohue v. Armco Inc. & others66, die sich zwar vornehmlich mit dem Erlass einer anti-suit injunction befasste, aber obiter die Möglichkeit, Schadens­ ersatz für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu verlangen, stärkte. Zugrunde lag der Entscheidung ein verwirrendes Gerichts­ verfahren in New York, in welchem die Armco Inc. und vier weitere Unterneh­ men aus der Armco-Gruppe verschiedene andere Unternehmen, u. a. auch Do­ nohue, im August des Jahres 1998 verklagt hatten. Eigentlich hatte eine Tochter der Armco-Gruppe an die Beklagten verkauft werden sollen. Im Laufe der Übertragung von assets und Anteilen ergaben sich jedoch Probleme und die Kläger warfen den Beklagten nun gemeinsames verschwörerisches Handeln (conspiracy) vor. Es existierten verschiedene transfer agreements und sale and purchase agreements, die den Vertrag dem englischen Recht unterwarfen und England als ausschließlichen Gerichtsstand bezeichneten. Die Wirksamkeit der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung stand grundsätzlich nicht in Fra­ ge, problematisch war aber, dass nicht alle Beteiligten daran gebunden waren und die Vereinbarung außerdem in ihrer sachlichen Reichweite begrenzt war, sodass nicht sämtliche möglichen Ansprüche von ihr erfasst waren. Problema­ tisch war weiterhin, dass den Beklagten wegen des Vorwurfs der conspiracy in dem New Yorker Verfahren die Verurteilung nach dem Federal Racketeer Influ­ ence and Corrupt Organizations Act (18 USC §  1962(c): „RICO“) drohte, wel­ cher die Möglichkeit von triple, punitive und exemplary damages vorsieht. Die Beklagten versuchten erfolglos, in New York einen dismissal zu errei­ chen. Währenddessen beantragte Donohue, der sich auf die Gerichtsstandsver­ einbarung berufen konnte, in England den Erlass eines Prozessführungsver­ bots, um einigen der am New Yorker Verfahren Beteiligten die Fortführung des 65 

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Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  38. Donohue v. Armco Inc. & others [2002] 1 Lloyd’s Rep.  425, [2002] CLC 440 (H. L.).

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Verfahrens in den USA zu untersagen. Der Court of Appeal erließ mit einer Mehrheitsentscheidung das beantragte Prozessführungsverbot. Das House of Lords hielt die Entscheidung des Court of Appeal indes für rechtsfehlerhaft: Es prüfte, ob eine anti-suit injunction sinnvollerweise hätte erlassen werden dür­ fen, und verneinte dies wegen der Gefahr in diesem Falle drohender paralleler Verfahren mit einander möglicherweise widersprechenden Entscheidungen. Zwar sei der Erlass eines Prozessführungsverbots zum Schutz der Gerichts­ standsvereinbarung möglich. Bezogen auf die anderen Parteien, die nicht an die Vereinbarung gebunden waren, sah das House of Lords aber keine Möglichkeit zum Erlass eines Prozessführungsverbots, insbesondere sei das New Yorker Verfahren nicht oppressive or vexatious.67 Vor allem wegen des Vorwurfs der conspiracy hielt es das Gericht aber für notwendig, dass ein gemeinsames Ver­ fahren gegen alle Beklagten stattfand, denn nur so könne der Vorwurf ausrei­ chend untersucht werden.68 Lord Bingham of Cornhill betonte, dass nach der gängigen Rechtsprechung der englischen Gerichte auch im Falle einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung der Erlass eines Prozessführungsver­ bots oder die Aussetzung des Verfahrens verweigert werden könne, wenn ande­ re Parteien des Verfahrens im Ausland nicht an die Vereinbarung gebunden seien oder die Vereinbarung – wie in dem Fall – nicht sämtliche streitigen An­ sprüche erfasse.69 Die positive Entscheidung des Court of Appeal über den Er­ lass des Prozessführungsverbots wurde daher aufgehoben.70 Allerdings fiel die Entscheidung dem House of Lords aus zwei Gründen leich­ ter, als zu erwarten gewesen wäre: Erstens wurde die beantragte anti-suit in­junc­ tion nur im Gegenzug dazu versagt, dass die Kläger zusicherten, gegen Donohue und die anderen in New York beklagten Parteien, die gleichzeitig Partei der Ge­ richtsstandsvereinbarung waren, eine Vollstreckung aus Titeln aus dem New Yorker Verfahren zu unterlassen, soweit diese mehrfachen oder Strafschadens­ ersatz gewähren würden. Der Vorschlag von Lord Bingham of Cornhill lautete: „The Armco companies… confirm that they undertake not to enforce against Mr 67  Vgl. Lord Bingham of Cornhill in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 448, Rn.  20. 68  Lord Bingham of Cornhill in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 448, Rn.  34. 69  Lord Bingham of Cornhill in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 450, 451, Rn.  27 unter Bezugnahme auf Evans Marshall & Co. Ltd v. Bertola SA [1973] 1 WLR 349; Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119; Citi-March Ltd v. Neptune Orient Lines Ltd [1996] 1 WLR 1367; Mahavir Minerals Ltd v. Cho Yang Shipping Co. Ltd („The MC Pearl“) [1997] CLC 794; Ultisol Transport Contractors Ltd v. Bouygues Offshore SA („The Bos 400“) [1998] CLC 1526. 70  Vgl. zum Ganzen auch Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  303.

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Donohue […] any multiple or punitive damages awarded in the New York pro­ ceedings whether awarded pursuant to the RICO statute or common law.“71 Zweitens wurde von Lord Hobhouse of Woodborough in einem obiter dictum ausdrücklich die Möglichkeit anerkannt, dass Donohue im Anschluss an das US-amerikanische Verfahren Schadensersatz für die Verletzung der Gerichts­ standsvereinbarung in England würde verlangen können: „[I]f this leads to Mr Donohue incurring a greater liability or being put to greater expense (e.g. for unrecovered costs) in New York than would have been the case in London, Mr Donohue may have a claim in damages against the defendants for breach of contract – breach of the exclusive jurisdiction clause. […] I am prepared to ac­ cept this submission and proceed the basis that, if Mr Donohue can hereafter show that he has suffered loss as a result of the breach of the clause, the ordinary remedy in damages for breach of contract would be open to him. I say no more than this since the position is complex.“72 Obwohl Lord Hobhouse also „nicht mehr zu der komplexen Frage“ sagen wollte, waren die wenigen Zeilen doch gerade besonders aussagekräftig. Inter­ essant ist bereits, dass er in der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung ei­ nen „normalen“ Vertragsbruch sieht, an den sich ganz selbstverständlich die „normalen“ Folgen anschließen, insbesondere also die Möglichkeit, Schadens­ ersatz wegen breach of contract zu verlangen. Außerdem trennt sich Lord Hobhouse von den engen Bedingungen, unter denen zuvor in der Union Discount-Entscheidung Schadensersatz gewährt worden war. So verlangt er nicht, dass es an einer Kostenentscheidung aus dem New Yorker Verfahren fehlen müsse, sondern äußert sich überhaupt nicht zu der Frage. Vor allem aber die Formulierung zu den möglichen Schadenspositionen – „incurring a greater lia­ bility or being put to greater expense (e.g. for unrecovered costs)“ – ist überra­ schend. Mit „greater liabilty“ kann nämlich, in Abgrenzung zu den Kosten für das Verfahren, die Lord Hobhouse im Anschluss nennt („greater expense“), nur gemeint sein, dass Donohue auch dann ein Schadensersatzanspruch zustehen würde, wenn er vom New Yorker Gericht in der Sache zur Zahlung einer höhe­ ren Summe verurteilt würde, als dies unter hypothetischer Betrachtung vor ei­ nem englischen Gericht der Fall gewesen wäre. Weil aber die New Yorker Klä­ ger im Gegenzug zur Aufhebung der anti-suit injunction versprachen, die Voll­ streckung hinsichtlich mehrfachen Schadensersatzes oder Strafschadensersatzes zu unterlassen, kann mit der Formulierung auch nicht lediglich gemeint sein, dass nur die Vollstreckung aus einem solchen Titel einen ersetzbaren Schaden 71  Vgl. Lord Bingham of Cornhill in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 455, Rn.  39. 72  Vgl. Lord Hobouse of Woodborough in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 457, Rn.  48.

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darstellt. Es mutet eher an, als meine Lord Hobhouse generell, dass all solche Urteilssummen, die dasjenige übersteigen, was dem vertragsbrüchigen Kläger bei hypothetischer Betrachtung durch das prorogierte englische Gericht zuge­ sprochen worden wäre, einen ersetzbaren Schaden darstellen. Dafür spricht auch die Weite der folgenden Formulierung, nämlich dass Donohue Ersatz ver­ langen könne, wenn er später beweise, dass er aus der Verletzung der Vereinba­ rung einen Schaden erlitten habe („loss as a result of the breach of the clause“), ohne dass die Art des Schadens weiter konkretisiert wird. Allerdings weicht das obiter dictum von Lord Scott of Foscote gerade in die­ sem interessanten Punkt von dem von Lord Hobhouse ab. Auch er bejaht zwar die Möglichkeit Donohues, im Nachgang zum New Yorker Verfahren Scha­ densersatz verlangen zu können. Allerdings beschränkt er den möglichen Scha­ den ausdrücklich auf einen bestimmten Fall. Ersetzbar sollen danach nur solche Kosten sein, die Donohue durch die Prozessführung im forum derogatum ent­ stehen würden und welche er nach dem fremden Kostenrecht nicht ersetzt bekä­ me, obwohl er in der Sache obsiegen würde: „If it should transpire that Mr Do­ nohue is successful in the New York proceedings but is unable to recover his costs, being costs that he would have expected to have been awarded if he had successfully defended in England, I can see no reason in principle why he should not recover, as damages for breach of the exclusive jurisdiction clause, such part of those costs as he incurred in his successful defence of the claims that fall within that clause.“73 Die Entscheidung hat in England also insgesamt weiter dazu beigetragen, die Möglichkeit vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung ei­ ner ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu stärken, die konkreten De­ tails bleiben aber ungeklärt. Ob Lord Hobhouse mit seiner Formulierung „any greater liability“ tatsächlich auch einen „materiellen“ Schaden in Form der Ur­ teilssumme meinte und ob sich Lord Scott von dieser Formulierung absetzen wollte, ist unklar. Auch finden sich keine weiteren Ausführungen zur dogmati­ schen Begründung des Schadensersatzes – außer der knappen Anmerkung von Lord Hobhouse, Schadensersatz sei nun einmal die natürliche Folge eines Ver­ tragsbruchs. Ebenfalls wird lediglich in einem knappen Hinweis angedeutet, dass solche Schadensersatzansprüche u. U. dann eingeschränkt werden müss­ ten, wenn andernfalls mit einer „circuity of action“, also einem wechselseitigen Austausch von Klagen, zu rechnen sei.74 Auch die Entscheidung Donohue v. Armco Inc. & others hat daher keine grundlegende Klärung gebracht. 73  Vgl. Lord Scott of Foscote in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 462, Rn.  75. 74  Lord Hobouse of Woodborough in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] CLC 440, 457, Rn.  48.

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d)  Die Bestätigung der Union Discount-Entscheidung in A/S D/S Svendborg v. Akar Den letzten Streich der englischen Entscheidungstrilogie bildete eineinhalb Jahre später das Urteil des High Court of Justice in A/S D/S Svendborg v. Akar vom 15.04.2003.75 Das Gericht hatte sich mit einer Klage zu beschäftigen, mit der das Unternehmen Maersk Sealand von der Akar-Gruppe Schadensersatz verlangte, weil Akar Maersk Sealand in Hongkong und Guinea verklagt hatte. Maersk Sea­ land hatte auf seinem Schiff Container mit Kleidung für Akar von China nach Conakry in Guinea transportiert. Der Transportvertrag unterlag englischem Recht und enthielt eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der engli­ schen Gerichte. Als Akar die Container in Empfang genommen hatte, behauptete das Unternehmen, der Container sei leer gewesen und die Ware müsse an Bord des Schiffes gestohlen worden sein. Daraufhin verklagte Akar Maersk Sealand in ver­ schiedenen Prozessen in Hongkong und in Guinea auf Schadensersatz für die ver­ loren gegangene Ware, wobei der verlangte Ersatz den tatsächlichen Wert der Ware um das Zehnfache überstieg. Maersk Sealand zog infolgedessen in England vor Gericht und wehrte sich gegen die Verfahren in Hongkong und Guinea. Obwohl für Akar in der mündlichen Verhandlung vor dem High Court niemand erschien, be­ antragte Maersk Sealand kein Versäumnisurteil, sondern stellte den Antrag, dass das Gericht das Verfahren fortsetzen solle, um so die Chancen der Anerkennungs­ fähigkeit und Vollstreckbarkeit des erwarteten Urteils im Ausland zu erhöhen.76 Letzlich gab Richter Flaux QC der Klage in zweierlei Hinsicht statt. Erstens kam er zu dem Ergebnis, dass die von Akar in Hongkong und Guinea erhobenen Schadensersatzklagen betrügerisch gewesen seien. Akar habe nicht nur einen vielfach überzogenen Schaden behauptet. Wie sich im Laufe des Prozesses her­ ausstellte, hatte Akar auch selbst die Container geleert und dann behauptet, die Ware sei gestohlen worden. Weil also die Schadensersatzklagen betrügerisch gewesen seien, bejahte das Gericht einen Schadensersatzanspruch von Maersk Sealand für die Kosten, die dem Unternehmen dadurch entstanden waren, dass es sich in den ausländischen Prozessen verteidigt hatte: „It seems to me that to the extent that the claimants have incurred costs and expenses in investigsating and defending those claims, they are entitled to recover those as damages for deceit.“77 Ähnlich hatte bereits Richter Justice Clarke einige Jahre zuvor in A/S 75  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm), auch bekannt als Maersk Sealand v. Akar. 76  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm), Rn.  4. 77  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm), Rn.  32.

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D/S Svendborg v. Wansa78 entschieden, dass für den Fall einer betrügerischen Klage die Kosten, die die beklagte Partei für die Verteidigung aufwenden muss­ te, als Schadensersatz ersetzbar seien. Richter Flaux QC machte aber nicht an dieser Stelle halt, sondern verurteilte Akar zweitens auch deshalb zur Zahlung des beantragten Schadensersatzes, weil die Klagen in Hongkong und Guinea, unabhängig von ihrem betrügerischen Inhalt, unter Verletzung der internationa­ len Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte erfolgt sei­ en: „In consequence of that breach, the claimants have suffered loss and damage consisting of the legal fees and other expenses they have incurred in investiga­ ting and defendig those proceedings.“79 Bemerkenswert ist wiederum, dass die Ausführungen zu dem vertraglichen Haftungsgrund sehr knapp sind, weil das Gericht sich ausdrücklich an die Union Discount-Rechtsprechung anlehnt und mit der Entscheidung des Court of Appeal alle Zweifel an der Schadensersatz­ möglichkeit für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinba­ rung ausgeräumt sieht: „Any doubts there might have been as to the recoverabi­ lity of costs in foreign proceedings taken in breach of an exclusive jurisdiction clause have been laid to rest by the recent decision of the Court of Appeal in Union Discount v Zoller […]. That case confirms the principle that the claimant is entitled to recover its reasonable expenses of litigating at the instigation of the defendant in the jurisdiction which the defendant has chosen in breach of an exclusive jurisdiction clause […].“80 Mit seiner Formulierung bestätigte Flaux QC also die nicht einmal zwei Jah­ re zuvor ergangene Entscheidung des Court of Appeal in Union Discount v. Zoller & others, ohne sich zuvor noch einmal mit der dogmatischen Herleitung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs oder dessen Vereinbarkeit mit der comity oder der public policy auseinanderzusetzen. Spätestens mit dieser Ent­ scheidung kann daher ohne Zweifel davon gesprochen werden, dass sich die Möglichkeit, wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsverein­ barung Schadensersatz zu verlangen, wenn sie auch eine junge Entwicklungs­ stufe einnimmt, in der englischen Rechtsprechung etabliert hat. Die Entscheidung ging außerdem in zweierlei Hinsicht weiter als die Union Discount-Entscheidung: Erstens hielt es das Gericht nicht für erforderlich, dass der Schadensersatzkläger beweisen könne, dass seine Kosten im forum derogatum nicht ersetzbar seien: „It does not seem to me that the application of that principle is dependent upon the claimant showing that the relevant expenses are A/S D/S Svendborg v. Wansa [1996] 2 Lloyd’s Rep.  559, 568. A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm), Rn.  37. 80  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm), Rn.  37. 78 

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irrecoverable in the foreign proceedings […].“81 Zweitens gewährte das Gericht nicht nur Schadensersatz für die Kosten, die Maersk Sealand bereits durch die Verteidigung in den abredewidrig eingeleiteten Verfahren entstanden waren. Mit der Begründung, Akar habe die Gerichtsstandsvereinbarung mehrfach und kontinuierlich verletzt („given to the continuing breaches of the clauses“), ge­ währte das Gericht darüber hinaus auch einen Anspruch auf Ersatz der zukünf­ tigen Kosten und Ausgaben, die Maersk Sealand in den abredewidrig eingelei­ teten Verfahren in Hong Kong und Guinea noch haben würde oder die bereits entstanden, aber noch nicht quantifizierbar seien. Solche Anordnungen, wonach eine Partei die andere zukünftig hinsichtlich aller weiteren Kosten und Nach­ teile, die noch aus dem schadensbegründenden Ereignis resultieren können, schadlos zu halten hat (damage award oder indemnification order), können den Schadensersatzanspruch im englischen Recht typischerweise begleiten.82 Zwar erklärte Richter Coleman J., er würde die Praxis, in derartigen Fällen Schadens­ ersatz zu verlangen, nicht direkt ermutigen, gleichzeitig erkannte er aber an, dass sie einer vernünftigen Grundlage nicht entbehre. e)  Weitere Entscheidungen In zwei weiteren Fällen äußerten sich die englischen Gerichte obiter zu der Fra­ ge, ob aus der Verletzung eines Prozessvertrags Schadensersatzansprüche er­ wachsen können. In Sunrock Aircraft Corporation Ltd v. Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden83, wo wegen der Verletzung einer expert determination clause gestritten wurde, argumentierte der Court of Appeal damit, es handle sich bei Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung oder einer alternative dispute resolution clause um ein bewährtes Mittel: „It is established that damages can be awarded for a loss incurred by the failure to comply with the terms of an exclusive jurisdiction clause or alternative dispute resolution clause: for example, in Union Discount 81  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm), Rn.  37. Zustim­ mend Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 440: „Whether the claimant has recovered, or is likely to recover, anything in the foreign jurisdiction should relate only to the issue of quantification and not the availability of the remedy itself.“ Aller­ dings hatte im vorliegenden Fall sowieso keine Kostenerstattung in den ausländischen Ver­ fahren stattgefunden und Maersk Sealand hatte dem Gericht versichert, dass es, sollte eine Erstattung in Hong Kong oder Guinea vorgenommen oder eine Ausgleichszahlung für die Zukunft vereinbart werden, die Kosten in England nicht doppelt geltend machen würde. 82  Dazu Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 636. 83  Sunrock Aircraft Corporation Ltd v. Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-­ Sweden [2007] EWCA Civ 882.

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Co. v Zoller, this court held that a party was entitled to claim as damages the costs reasonably incurred by it in foreign proceedings which had been brought in breach of an exclusive jurisdiction clause.“84 Briggs entnimmt dem Urteil, wie stark sich die Schadensersatzmöglichkeit in den vorangegangen Jahren „from novelty to banalty“ entwickelt habe.85 Und in der Entscheidung National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland (No. 1)86 wurde obiter die Mög­ lichkeit, vertraglichen Schadensersatz wegen der Verletzung eines Klage­ verzichts zu verlangen, bestätigt. Hier hatten die Parteien eine Vereinbarung geschlossen, bezogen auf bestimmte streitige Fragen keine Klage zu erheben (anti-­suit agreement). Nachdem eine der Parteien allerdings doch Klage in Ka­ lifornien erhoben hatte, befand der englische High Court of Justice, die andere Partei könne diejenigen Kosten als Schadensersatz verlangen, welche ihr da­ durch entstehen würden, dass sie das Verfahren in Kalifornien zu verhindern versuche. Richter Coleman J erklärte hier, dass eine mögliche Kostenentschei­ dung des ausländischen Gerichts dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen­ stehen würde, weil das ausländische Kostenrecht inhaltlich ganz anders und nicht kompensatorisch sei.87 Außerdem sei die Tatsache, dass das kalifornische Gericht das Verfahren bislang nur vorübergehend ausgesetzt habe, auch sonst nicht von Bedeutung für den Schadensersatzanspruch.88 f)  Zusammenfassung der bisherigen englischen Rechtsprechung Angesichts der in England zu Beginn des neuen Jahrtausends ergangenen Ent­ scheidungen kann mit Recht behauptet werden, dass sich die Möglichkeit, ver­ traglichen Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu verlangen, in der englischen Rechtsprechung etabliert hat. In den genannten Entscheidungen ähnlich gelagerten Fällen ist daher nicht davon auszugehen, dass in der Zukunft ein englisches Gericht der im Ausland abredewidrig ver­ klagten Partei einen Anspruch auf Schadensersatz verweigern wird, etwa mit der in der Vergangenheit bemühten Begründung, es handle sich mangels Bezif­ ferbarkeit des Schadens um ein inadäquates Mittel. Insofern ist Briggs zuzu­ 84  Sunrock Aircraft Corporation Ltd v. Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-­ Sweden [2007] EWCA Civ 882, Rn.  37. 85  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  307. 86  National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland (No. 1) [2007] EWHC 1056 (Comm). 87  National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland (No. 1) [2007] EWHC 1056 (Comm), Rn.  436–440 und National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland (No. 3) [2008] 1 Lloyd’s Rep.  16, Rn.  20–27. 88  National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland (No. 1) [2007] EWHC 1056 (Comm), Rn.  435–451.

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stimmen, der zuversichtlich schreibt: „It is now hard to believe that any English lawyer would question the availability of a damages action, even if some cases will be difficult, and though other matters of detail remain to be finalised.“89 Allerdings sind damit längst nicht alle Fragen geklärt. Insbesondere wird in England noch darüber zu entscheiden sein, ob eine Partei lediglich die Kosten, welche sie für die Verteidigung im ausländischen Forum aufzubringen hatte, oder darüber hinaus auch einen materiellen Schaden geltend machen kann, wenn sie beweisen kann, dass ein englisches gewähltes Gericht in der Sache anders entschieden hätte als das ausländische Gericht. Offen bleibt daher, ob auch dasjenige, was die vertragsbrüchige Partei im Wege der Vollstreckung aus der im forum derogatum ergangenen Sachentscheidung erlangt hat, als Schaden geltend gemacht werden und im Wege des claw back zurückverlangt werden kann.90 Ob Lord Hobhouse mit dem Verweis auf „any greater liability“ tatsäch­ lich solche materiellen Schäden, also sog. legal liabilities, gemeint hat, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden.91 g)  In the matter of the „Alexandros T“: Schadensersatz im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten? Allen bisherigen Entscheidungen der englischen Gerichte ist gemein, dass die Klage im forum derogatum jeweils vor einem Gericht in einem Drittstaat, der nicht Mitgliedstaat der EuGVVO ist, erhoben worden war. Auch in der Union Discount-Entscheidung, in der sich das Gericht mit der Vereinbarkeit vertragli­ chen Schadensersatzes mit der comity und der public policy auseinandergesetzt hat, wird die Vereinbarkeit mit den der EuGVVO zugrunde liegenden Grund­ sätzen nicht – auch nicht obiter – erörtert. Jüngst hatten sich die englischen Gerichte allerdings in dem Verfahren In the matter of the „Alexandros T“92 mit einem Schadensersatzfall im Mitgliedstaa­ tenverhältnis auseinanderzusetzen. Im Mai 2006 war das Schiff Alexandros T 89  Briggs, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 323 Fn.  36. Ähnlich auch bereits Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 326: „Thus it now appears to be established that as a matter of English common law damages are available for breach of an exclusive jurisdiction agreement.“ 90  Ebenso Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  307; Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 636. 91  Vgl. dazu auch Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  329. In Fn.  36 weist er aber darauf hin, dass in einigen unveröffentlichten Schiedssprüchen auch Schadensersatz für legal liabilities gewährt worden sei. In Fn.  37 nennt er außerdem Fälle, in denen sich die englischen Gerichte jedenfalls obiter für die Ersatzfähigkeit von legal liabilities ausgespro­ chen haben. 92  In the matter of the „Alexandros T“ [2013] UKSC 70 und [2014] EWCA Civ 1010.

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gesunken und viele Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Daraufhin entbrannte ein Streit zwischen der Eigentümerin des Schiffes, der Starlight Shipping Company (im Folgenden: Starlight), und deren Versicherungen. Diese behaupteten, das Schiff sei – wie Starlight gewusst habe – nicht seetauglich gewesen. Dagegen wehrte sich Starlight mit der Behauptung, die Versicherun­ gen hätten Zeugen beeinflusst und bestochen. Die Versicherungsbedingungen enthielten eine ausschließliche Gerichtsstandsklausel zugunsten Englands so­ wie eine Wahl des englischen Rechts. Im August 2006 setzte Starlight gegen die Versicherungen mehrere Verfah­ ren vor dem Commercial Court in London in Gang, die in zwei Vergleichen mündeten, in denen sich die Parteien auf die volle eingeklagte Summe, aller­ dings ohne Zinsen und Ersatz der Prozesskosten, einigten. Die Vergleichsver­ träge enthielten ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten der englischen Gerichte. Im April 2011 initiierte Starlight allerdings mehrere Ver­ fahren in Griechenland gegen die Versicherungen. Dieses Mal stützte es seine Klagen nicht auf vertragliche, sondern auf deliktische Ansprüche, und verlang­ te Schadensersatz, weil die Versicherungssumme nicht bezahlt worden sei so­ wie wegen Fehlverhaltens der Versicherungen während der Verfahren in Eng­ land. Daraufhin zogen die Versicherungen ihrerseits in England vor Gericht, um feststellen zu lassen, dass der Inhalt der griechischen Verfahren bereits Teil der Vergleichsvereinbarungen gewesen sei und dass Starlight aus diesem Grund verpflichtet sei, den Versicherungen alle Kosten auszugleichen, welche diese wegen der griechischen Verfahren hätten aufbringen müssen. Starlight verlang­ te eine Aussetzung des englischen Verfahrens, zunächst auf der Grundlage von Art.  27, sodann von Art.  28 EuGVVO a. F. Der High Court in London schloss sich im Großen und Ganzen der Ansicht der Versicherer an. Er entschied, die griechischen Verfahren enthielten Klagen über Fragen, die von den Vergleichen erfasst seien, sodass Starlight gegen die Vergleichsvereinbarung sowie die darin wie auch schon in den Versicherungs­ bedingungen enthaltenen ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen ver­ stoßen habe. Eine Aussetzung des Verfahrens lehnte das Gericht ab. Der Court of Appeal, bei dem Starlight ein Rechtsmittel eingelegt hatte, entschied dage­ gen, das englische Verfahren sei zugunsten der zuerst in Gang gesetzten Ver­ fahren in Griechenland nach Art.  27 EuGVVO a. F. auszusetzen. Die Versiche­ rungen fochten die Entscheidung jedoch vor dem U.K. Supreme Court, der seit Oktober 2009 als Nachfolgeinstitution des House of Lords das oberste Beru­ fungsgericht des Vereinigten Königreichs ist, an, der ihnen zustimmte und die Entscheidung des High Court, wonach das Verfahren in England nicht auszuset­ zen sei, wiederherstellte. Nach Ansicht des U.K. Supreme Court betrafen die griechischen Verfahren und die erneuten Verfahren in England nämlich nicht

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dieselben Ansprüche i. S. v. Art.  27 EuGVVO a. F. Die Klagen in Griechenland hätten schließlich eine Haftung der Versicherungen nach griechischem Delikts­ recht in der Sache zum Gegenstand gehabt, während in England Ausgleich und Schadensersatz wegen Verletzung der Gerichtsstands- und Vergleichsvereinba­ rungen verlangt worden sei.93 Die englischen Klagen beträfen also gerade nicht dieselben Ansprüche wie die griechischen Verfahren.94 Dabei lehnte es die Mehrheit der Richter ab, die Frage, ob die in Griechenland erhobenen Klagen in der Sache und die in England erhobenen Schadensersatzklagen denselben An­ spruch i. S. v. Art.  27 EuGVVO a. F. betrafen, dem EuGH zur Entscheidung vor­ zulegen. Auch eine Aussetzung des Verfahrens vor dem High Court aus Ermes­ sengründen nach Art.  28 EuGVVO a. F. verneinte der U.K. Supreme Court mit der Begründung, der High Court sei das angemessene Gericht, um über die von den Versicherungen geltend gemachten, dem englischen Recht unterliegenden Ansprüche zu entscheiden.95 Das Verfahren wurde also an den Court of Appeal zurückverwiesen, der die erstinstanzliche englische Entscheidung bestätigte: Weil Starlight die Versiche­ rungen entgegen der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte in Griechenland verklagt hatte, müsse das Unternehmen den Versicherungen Schadensersatz leisten.96 Dabei verneinte das Gericht eine Verletzung des der EuGVVO zugrundliegenden Vertrauensgrundsatzes und be­ rief sich insbesondere auf das Argument, die Verurteilung zur Zahlung von Scha­ densersatz sei nicht mit dem Erlass einer anti-suit injunction vergleichbar, sodass auch die Turner-Entscheidung des EuGH97 einem solchen Schadensersatzurteil nicht entgegenstünde. Anders als beim Erlass einer anti-suit injunction würde mit der Verurteilung der vertragsbrüchigen Partei zur Zahlung von Schadenser­ satz nämlich überhaupt nicht in die Kompetenz des Gerichts des jeweiligen an­ deren Mitgliedstaats, selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden, eingegrif­ fen. Ein Schadensersatzurteil tangiere weder den Zuständigkeitsbereich der Ge­ richte der anderen Mitgliedstaaten noch die lis pendens-Regeln der EuGVVO.98 Auch das Erfordernis, die Frage der Vereinbarkeit eines solchen Schadensersatz­ In the matter of the „Alexandros T“ [2013] UKSC 70, Rn.  28 ff., 34. In the matter of the „Alexandros T“ [2013] UKSC 70, Rn.  37 ff., 56. 95  Kritisch Hess, JZ 2014, 538, 542. 96  In the matter of the „Alexandros T“ [2014] EWCA Civ 1010. Vgl. die kritische Würdi­ gung der Entscheidung von Illmer, English Court of Appeal confirms Damages Award for Breach of a Jurisdiction Agreement, vom 31.07.2014, online abrufbar unter . 97  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565. 98  In the matter of the „Alexandros T“ [2014] EWCA Civ 1010, Rn.  15. 93 

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urteils mit der EuGVVO dem EuGH vorzulegen, verneinte der Court of Appeal mit dem Argument, eine Verletzung von EU-Recht sei ausgeschlossen.99 Der Fall In the matter of the „Alexandros T“ hätte sowohl den U.K. Supreme Court als auch den Court of Appeal dazu veranlassen können, die Möglichkeit von Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten dem EuGH zur Entschei­ dung vorzulegen. Beide Gerichte haben darauf verzichtet, vielleicht aus Furcht, der EuGH könnte nach den für Großbritannien ernüchternden Entscheidungen in den Rechtssachen Turner100 und West Tankers101 den englischen Gerichten nicht nur den Erlass von Prozessführungsverboten, sondern auch die Schadens­ ersatzmöglichkeit im Mitgliedstaatenverhältnis untersagen. Außerhalb Eng­ lands hat dies für Kritik102 gesorgt, denn die Vereinbarkeit von Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit dem System der EuGVVO ist keinesfalls so offensichtlich, dass auf eine Klärung durch den EuGH von vornherein hätte verzichtet werden können. Für die Zukunft bedeutet dies, dass weiterhin Unsicherheit besteht, ob ein mitgliedstaatliches Gericht eine Partei zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen darf, weil sie entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung vor dem Gericht eines ande­ ren Mitgliedstaats ein Verfahren eingeleitet hat. Ob solche Schadensersatzent­ scheidungen, wie der englische Court of Appeal meint, tatsächlich im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zur EuGVVO stehen, soll in Teil III dieser Arbeit im Zusammenhang mit den Besonderheiten, die sich im Verhältnis zwi­ schen den EuGVVO-Mitgliedstaaten ergeben, erörtert werden.103 2.  Die Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen a)  Die Mantovani-Entscheidung und einige weitere Entscheidungen In England können Parteien auch wegen der Verletzung einer Schiedsvereinba­ rung versuchen, Schadensersatz vor Gericht einzuklagen. Wie bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erläutert, liegt es nahe, dass abredewidrig vor einem staatlichen Gericht verklagte Parteien vor dem gewählten Schiedsgericht und nicht vor einem staatlichen Gericht Ersatz der Kosten aus dem staatlichen Ver­ In the matter of the „Alexandros T“ [2014] EWCA Civ 1010, Rn.  16. EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565. 101  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663. Vgl. zu den Rechtssachen Turner und West Tankers oben Teil I §  6 F. III. 102  Vgl. dazu Illmer, English Court of Appeal confirms Damages Award for Breach of a Jurisdiction Agreement, vom 31.07.2014 [oben Fn.  96] und die Kommentare darauf. 103  Siehe unten Teil III §  15 B. 99 

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fahren verlangen. Weil Schiedssprüche jedoch nur selten veröffentlicht und auch nur gelegentlich vor den staatlichen Gerichten angefochten werden, gibt es nur wenige dokumentierte Entscheidungen zu der Frage, ob wegen der Verlet­ zung einer Schiedsvereinbarung Schadensersatz verlangt werden kann.104 Dennoch gab es bereits vor dem englischen Entscheidungstrio zu Beginn des neuen Jahrtausends, mit dem sich die Gerichte für die Möglichkeit vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer ausschließlichen Ge­ richtsstandsvereinbarung aussprachen, einige wenige Entscheidungen aus dem Bereich der Schiedsvereinbarungen. Vorreiter ist die Entscheidung Mantovani v. Carapelli SpA105 des Court of Appeal aus dem Jahr 1980. Zugrunde lag der Entscheidung ein Handelsvertrag zwischen zwei italienischen Unternehmen, der eine Schiedsvereinbarung (in Form einer sog. Scott v. Avery clause106) ent­ hielt. Als zwischen den Parteien ein Streit aufkeimte, versuchten sie diesen in einem Schiedsverfahren in London beizulegen. Noch während das Verfahren lief, erhob die Verkäuferpartei mehrere Klagen in Italien und verlangte dort Si­ cherheit für ihre Ansprüche durch Sequestration des Vermögens der Gegenpar­ tei. Der Käufer verlangte daraufhin in England Ersatz des Schadens, den er durch die Verteidigung in den italienischen Verfahren erlitten hatte. Der Court of Appeal betonte die Erstmaligkeit eines solchen Antrags vor einem englischen Gericht und das Fehlen von Präzedenzfällen, erklärte aber, es liege kein Grund vor, Schadensersatz für die Vertragsverletzung zu verweigern. Richter Megaw L.J. betonte: „I can see no basis for the suggestion that in an appropriate case, where damages can be proved to have followed from a breach of contract of the nature with which we are here concerned damages should not be recoverab­ le.“107 So gewährte das Gericht den begehrten Schadensersatz. Die Mantovani-Entscheidung führte jedoch nicht schon dazu, dass sich die Schadensersatzmöglichkeit in England voll etabliert hatte. Im Jahr 1983 ließ Lord Donaldson die Problematik in Tracomin v. Sudan Oil Seeds Co. Ltd (No. 2)108 offen. In diesem Fall hatte eine Partei unter Verletzung einer Schieds­ 104  Vgl. bereits §  1 C. II. 3. sowie Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 60; Wessel/North Cohen, 4 International Arbitration Law Review (2001), 65, 65. 105  Mantovani v. Carapelli SpA [1978] 2 Lloyd’s Rep.  63, [1980] 1 Lloyd’s Rep.  375, 383 (C.A.). 106  Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung, die umfassend alle Streitigkeiten zwi­ schen den Parteien der Schiedsgerichtsbarkeit unterwirft, sodass zuvor keine der Parteien vor ein staatliches Gericht ziehen darf. 107  Lord Justice Megaw in Mantovani v. Carapelli SpA [1980] 1 Lloyd’s Rep.  375, 384 (C.A.). 108  Tracomin SA v. Sudan Oil Seeds Co. Ltd (No. 2) [1983] 1 WLR 662. Dazu vgl. Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 320 und 330; Michaelson/Blanke, 74 The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2008), 12, 24 f.; Wessel/North Cohen, 4 International Arbitration Law Review (2001), 65, 66.

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vereinbarung ein Gerichtsverfahren in der Schweiz eingeleitet. Lord Donaldson prüfte, ob die Möglichkeit, ein Prozessführungsverbot zu erlassen, als subsidiär hinter der Verurteilung zum Schadensersatz zurückzutreten hätte. Er war je­ doch der Ansicht, die Bewertung des ersatzfähigen Schadens und der dafür er­ forderliche Vergleich zwischen dem ergangenen Urteil im forum derogatum und dem hypothetischen Urteil im forum prorogatum könne nicht durchgeführt werden. Vielmehr stehe es dem Schiedsgericht zu, über den möglichen erlitte­ nen Schaden des in der Schweiz Beklagten zu entscheiden. Aus diesem Grund erließ er eine anti-suit injunction, die den Auslandskläger von dem in der Schweiz unter Verletzung einer Schiedsvereinbarung begonnen Verfahren ab­ halten sollte. Die Entscheidung ließ also bewusst offen, ob es sich bei der Ver­ letzung einer Schiedsvereinbarung um einen Vertragsbruch handelt und welche Schadensposten in diesem Fall ersetzbar wären. Allerdings wurde die in der Mantovani-Entscheidung begründete Möglich­ keit in den Folgejahren in einigen weiteren Entscheidungen der englischen Ge­ richte zumindest obiter bestätigt. In der Entscheidung The Jay Bola109 aus dem Jahr 1997 erklärte der Court of Appeal, die nicht vertragsbrüchige Partei habe die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung der Schiedsvereinbarung einzuklagen, auch wenn es sich dabei um kein besonders zufriedenstellendes Rechtsmittel („a rarely satisfactory remedy“) handle. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2005110 und in einer Entscheidungen aus dem Jahr 2007111 setzten sich die englischen Gerichte mit der Frage auseinander, ob einer Partei auch Scha­ densersatz zu gewähren sei, wenn eine Schiedsvereinbarung durch die Erhe­ bung einer Klage vor einem englischen staatlichen Gericht verletzt wurde. Die Frage wurde beide Male – obiter – bejaht.112 In The Kallang113 im Jahr 2009 entschied der High Court London, dass in einem Arrestverfahren über ein Schiff eine Verletzung der Schiedsvereinbarung gelegen habe. Durch das Ar­ Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH („The Jay Bola“) [1997] 2 Lloyd’s Rep.  279, 285 (C.A.). Dazu Dutson, 16 Arbitration Interna­ tional (2000), 89, 97. Außerdem wurde die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen we­ gen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung ausdrücklich diskutiert in Sokana Industries Inc. v. Freyre & Co. [1994] 1 Lloyd’s Rep.  57 (Q.B.) und in Walkinshaw v. Diniz [2000] 2 All E.R. (Comm) 237 (Q.B.). 110  Kyrgyz Mobil Tel Limited & Ors v. Fellowes International Holdings Ltd [2005] EWHC (Comm) 1314. 111  A v. B (Costs) [2007] EWHC 54 (Comm), [2007] 1 All E.R. (Comm) 633, [2007] 1 Lloyd’s Rep 358. 112  Vgl. dazu Michaelson/Blanke, 74 The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2008), 12, 25 f. 113  Kallang Shipping SA Panama v. Axa Assurances Senegal (No. 2) („The Kallang“) [2009] 1 Lloyd’s Rep.  124 (Q.B.). 109 

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restverfahren war eine Verzögerung entstanden. Daher erklärte Jonathan Hist QC, es sei Schadensersatz für den aus der Verzögerung entstandenen Schaden zu gewähren, allerdings abzüglich der Kosten, die auch im Falle eines legalen, nur der Sicherung dienenden Arrestes entstanden wären, konkret Kosten für entgangenen Gewinn (loss of hire), Lagerungskosten und Hafengebühren.114 Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis, also auch dem Ersatz solcher sog. commercial losses, kam das Gericht im selben Jahr in The Duden.115 Hier war ebenfalls ein Arrestverfahren unter Verletzung einer Schiedsvereinbarung zugunsten Lon­ dons eingeleitet worden. b)  Die Entscheidung in CMA v. Hyundai Besonders interessant ist die Entscheidung CMA v. Hyundai116, in der Schadens­ ersatz gewährt wurde, weil die CMA CGM SA (im Folgenden: CMA) in Frank­ reich Klage vor einem staatlichen Gericht erhoben hatte, obwohl die Parteien ein Schiedsverfahren in London vereinbart hatten. Die Entscheidung betraf also das Verhältnis zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten der EuGVVO. Zugrun­ de lagen ihr Verträge über den Bau von Schiffen. Das französische Gericht gab der von CMA erhobenen Schadensersatzklage statt. Daraufhin verlangte die Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd (im Folgenden: Hyundai) vor dem Schieds­ gericht in London Schadensersatz in der Höhe des französischen Urteils. Interessant ist der Fall zunächst deshalb, weil das französische Verfahren be­ reits eingeleitet worden war, bevor die Parteien die Schiedsvereinbarung einge­ gangen waren. Hyundai bekam im Schiedsverfahren in London dennoch Scha­ densersatz wegen der Verletzung der Schiedsvereinbarung durch CMA zuge­ sprochen, denn das Gericht entschied, dass zwar nicht die Erhebung der Klage in Frankreich unter Verletzung der Schiedsvereinbarung erfolgt sei, wohl aber deren Fortführung, nachdem die Schiedsvereinbarung geschlossen worden war, und bejahte damit einen Vertragsbruch. Außerdem betonte es, dass es als Schiedsgericht nicht dazu verpflichtet sei, das französische Urteil nach den Vor­ schriften der EuGVVO anzuerkennen, sodass es Hyundai auch Schadensersatz in Höhe dessen, was die Partei aufgrund des französischen Urteils zu leisten habe, zusprach. CMA legte gegen den Schiedsspruch ein Rechtsmittel nach Sec. 69 Arbitration Act 1996 vor dem Commercial Court in London ein, das jedoch 114  Kallang Shipping SA Panama v. Axa Assurances Senegal (No. 2) („The Kallang“) [2009] 1 Lloyd’s Rep.  124 (Q.B.), Rn.  97–101. 115  Sotrade Denizcilik Sanayi ve Ticaret AS v. Amadou Lo and others („The Duden“) [2009] 1 Lloyd’s Rep.  145 (Q.B.). 116  CMA CGM SA v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd [2008] EWHC 2791 (Comm), [2009] 1 Lloyd’s Rep.  213. Entscheidungszusammenfassung bei Dutson/Howarth, 75 The In­ ternational Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2009), 334, 340 f.

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erfolglos blieb. Denn auch das staatliche Gericht befand, ersatzfähig seien so­ wohl die Kosten, die Hyundai nach den französischen Kostenentscheidungen für CMA zu tragen hatte, als auch Hyundais eigene Prozesskosten einschließ­ lich Zinsen und der Kosten für sog. lost management. Richter Burton bestätigte außerdem, dass das Schiedsgericht nicht an die Entscheidung des französischen Gerichts gebunden gewesen sei: „[T]he Court is entitled to ask what would have happened if the contract had not been breached. Had it not been breached, then the parties would have both complied with their obligations to have the matter resolved by arbitration, and there would be no French judgment: and the Arbit­ rators have in fact resolved the issue in HMD’s favour, paying no regard to the French judgment.“117 Dabei verneinte er auch eine Unvereinbarkeit mit den der EuGVVO zugrunde liegenden Prinzipien, allerdings indem er mit der Ver­ gleichbarkeit zwischen Schadensersatz und einer anti-suit injunction argumen­ tierte: „I conclude that this is no more of a circumvention of the Judgments Re­ gulation than would be an injunction to restrain the continuation of proceedings in a foreign court by injunction prior to its reaching a judgment.“118 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die West Tankers-Entscheidung des EuGH damals noch ausstand. In dieser Entscheidung erklärte der EuGH, wie bereits dargestellt, anti-suit injunctions gegenüber Parteien, die vor einem mitgliedstaatlichen Gericht klagen oder dies beabsichtigen, auch zum Schutz von Schiedsvereinbarungen für unvereinbar mit der EuGVVO.119 Ein gutes Jahr später hätte das englische Gericht daher kaum gerade damit argumentieren kön­ nen, dass ein Schadensersatzanspruch mit einer anti-suit injunction vergleich­ bar sei und deshalb keine Umgehungsgefahr bestehe. Schon naheliegender wäre eine Argumentation gewesen, die gerade auf die Unterschiede zwischen Pro­ zessführungsverboten und der Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz abgestellt hätte, ähnlich der Entscheidung des Court of Appeal in In the matter of the „Alexandros T“. Es ist aber zweifelhaft, ob nicht auch vor der West Tankers-­Entscheidung die französische Entscheidung res iudicata-Wirkung entfaltet hätte mit einer den Schadensersatzanspruch (jedenfalls teilweise) aus­ schließenden Wirkung.120 Ob im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten tat­ 117  CMA CGM SA v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd [2008] EWHC 2791 (Comm), Rn.  39. 118  CMA CGM SA v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd [2008] EWHC 2791 (Comm), Rn.  40. 119  Vgl. EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663 und dazu oben Teil I §  4 E. II. und §  6 F. III. 2. 120  Kritisch gegenüber der Entscheidung deshalb Raphael, The Anti-suit Injunction, Up­ dating Supplement (2010), S.  68: „The fallacy of Burton J’s Reasoning is to treat as decisive the question whether counterfactually there would have been a foreign judgment had the exclusive forum clause been respected, which there would not have been. This, however, is to

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sächlich Schadensersatz in Höhe dessen, was ein abredewidrig angerufenes mitgliedstaatliches Gericht in einer Sachentscheidung gewährt hat, verlangt werden darf, bleibt noch zu untersuchen.121 Jedenfalls kann festgehalten wer­ den, dass die Entscheidung in CMA CGM SA v. Hyundai MIPO Dockyard Co. Ltd, weil sie vor der West Tankers-Entscheidung erging, für die Vereinbarkeit von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung mit der EuGVVO und dem ihr zugrunde liegenden Ver­ trauensgrundsatz nicht ausschlaggebend sein kann. c)  Die West Tankers-Entscheidung Auch in dem soeben erwähnten langjährigen West Tankers-Streit hatte sich ein englisches staatliches Gericht mit der Möglichkeit von Schadensersatzansprü­ chen wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung auseinanderzusetzen. Die Entscheidung betraf ebenfalls das Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mit­ gliedstaaten. Wie bereits dargestellt122 , stritten West Tankers sowie zwei Re­ gress verlangende Versicherungen über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts in London auf der einen Seite oder der italienischen staatlichen Gerichte auf der anderen Seite. Das von West Tankers in England erwirkte Prozessführungsver­ bot, mit welchem den Versicherungen die Prozessführung in Italien versagt werden sollte, erklärte der EuGH für unvereinbar mit der EuGVVO.123 Der Rechtsstreit zwischen West Tankers und den Regress verlangenden Versiche­ rungen war mit dem Urteil des EUGH allerdings noch nicht beendet: Nachdem das Schiedsgericht in London zugunsten von West Tankers ent­ schieden hatte, befürchtete West Tankers, in Italien könne es zu einer wider­ sprechenden Entscheidung kommen. Daher verlangte das Unternehmen vor dem Schiedsgericht in London Schadensersatz für die Kosten aus dem italieni­ schen Verfahren sowie Feststellung, dass es zukünftig Ausgleich verlangen könne, falls das italienische Gericht in der Sache zu seinen Lasten entscheiden würde. Das Schiedsgericht verneinte jedoch mit einer Zweidrittelmehrheit seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Ansprüche. Daraufhin legte West Tankers gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts ein Rechtmittel nach Sec. 69 des englischen Arbitration Act 1996 ein. Der mit dem Rechtsmittel befasste High Court of Justice bejahte mit Entscheidung vom 04.04.2012124 die Zustän­ start from the wrong starting point. Since there has been a foreign judgment, the res judicata is not a hypothetical possibility but an actuality, and was an existing binding obligation.“ 121  Vgl. dazu unten Teil III §  15 B. 122  Vgl. zum Sachverhalt oben Teil I §  4 E. II. 123  Dazu vgl. oben Teil I §  4 E. II. und §  6 F. III. 2. 124  West Tankers Inc. v. Allianz SpA and others [2012] EWHC 854 (Comm).

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digkeit des Schiedsgerichts für die Entscheidung über dir Frage, ob West Tan­ kers der Schaden, der dem Unternehmen durch die schiedsabredewidrige Kla­ geerhebung vor dem italienischen Gericht entstanden war, zu ersetzen sei. Dar­ in vertrat Richter Flaux QC die Meinung, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Entscheidung über den Schadensersatzanspruch werde nicht durch die West Tankers-Entscheidung des EuGH berührt, weil die Schiedsgerichtsbarkeit ge­ mäß Art.  1 Abs.  2 lit.  d) EuGVVO aus deren Anwendungsbereich ausgeschlos­ sen sei und die Verordnung allein das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten, nicht aber zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten, beherrsche.125 Allerdings wurde das Verfahren vor den englischen Gerichten letztlich nicht weitergeführt, weil die Parteien den Rechtsstreit zwischenzeitlich durch einen Vergleich beendeten.126 Besonders überraschend ist die Entscheidung nicht. Der High Court hatte sich nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung durch Klageerhebung vor einem mitgliedstaatlichen Ge­ richt Schadensersatz gewährt werden kann, sondern lediglich mit der Frage nach der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die Entscheidung über den Scha­ densersatzanspruch. Dass aber Schiedsgerichte nicht an die EuGVVO und die ihr zugrunde liegenden Prinzipien sowie die Rechtsprechung des EuGH zur EuGVVO gebunden sind, ist nichts Neues. Es verwundert eher, dass das Schieds­t ribunal zunächst in vorauseilendem Gehorsam seine Zuständigkeit ver­ neint hatte. Für die Zukunft bleibt daher festzuhalten, dass den Schiedsgerich­ ten in England die Zuständigkeit gebührt, über auf Schadensersatz gerichtete Klagen wegen der Verletzung der Schiedsvereinbarung durch Klageerhebung vor dem staatlichen Gericht eines anderen Mitgliedstaats zu entscheiden.127 d)  Bedeutung für die Rechtsprechung in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen Die Entscheidungen zu Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen beeinflus­ sen einander wechselseitig. Im Schrifttum geht man grundsätzlich davon aus, mangels fundamentaler Unterschiede zwischen Gerichtsstands- und Schieds­ vereinbarungen seien beide Vereinbarungen hinsichtlich der Schadensersatz­ West Tankers Inc. v. Allianz SpA and others [2012] EWHC 854 (Comm), insb. Rn.  68. Hartley, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 843, 863; Hess, JZ 2014, 538, 539 m. w. N. 127  Schiedsgerichte haben auch in Fällen, in denen das staatliche Verfahren noch andauer­ te, Schadensersatz für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten gewährt und ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über zukünftige Kosten bejaht. Vgl. etwa London Arbi­ tration 11/06 (2006) 697 LMLN 2. 125 

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möglichkeit gleich zu behandeln.128 Nicht ganz eindeutig lässt sich jedoch sa­ gen, ob sich die Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen aus der Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen entwickelt hat oder umgekehrt. Teilweise wird betont, die englische Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen sei die ältere.129 Weil aber in den vergangenen Jahren vornehmlich Entscheidun­ gen zu Gerichtsstandsvereinbarungen ergangen sind, überlegen andere, inwie­ weit diese Rechtsprechung wiederum auf die Verletzung von Schiedsvereinba­ rungen übertragbar ist. Dabei wird durchweg die Vergleichbarkeit von Gerichts­ stands- und Schiedsvereinbarungen betont mit der Folge, dass auch die in den neueren Entscheidungen zu Gerichtsstandsvereinbarungen aufgestellten Grund­ sätze, insbesondere die Kriterien der Union Discount-Entscheidung, auf die Verletzung von Schiedsvereinbarungen übertragbar sein sollen.130 Richter Schiemann LJ ließ in der Union Discount-Entscheidung die Frage, ob im Falle der Verletzung einer Schiedsvereinbarung ebenso zu verfahren sei, jedoch of­ fen: „We prefer to leave such cases for the future.“131 Für die hier untersuchte Frage, ob die Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung Schadensersatz begründet, lässt sich der englischen Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen entnehmen, dass in England auch bezogen auf andere Prozessverträge aus deren Vertragscharakter abgeleitet wird, eine Verletzung des Vertrags müsse zu Schadensersatz führen. Dies zeigt sich auch daran, dass sogar Mediationsvereinbarungen in England grundsätzlich nicht anders behandelt werden. In der Vergangenheit wurde sog. agreements to agree in England noch wegen rechtlicher Unbestimmtheit eine Verpflichtungs­ wirkung abgesprochen.132 Im Jahr 2002 entschied aber die Queen’s Bench in Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 59; Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 438: „[T]he same remedies should be available regard­ less of whether the clause provides for disputes to be referred to arbitration or to courts of a particular jurisdiction.“ 129  Vgl. Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 im Zusammenhang mit der Entscheidung in Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH („The Jay Bola“) [1997] 2 Lloyd’s Rep.  279, 285 (C.A.).: „It seems clear that the same principles apply to breach of an exclusive jurisdiction clause.“ Vgl. auch Merrett, 55 Interna­ tional and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 320: „Indeed, in the analogous case of breach of a promise to arbitrate, it has long been established that damages are available.“ Ebenso Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 438 Fn.  12. 130  Michaelson/Blanke, 74 The International Journal of Arbitration, Mediation And Dis­ pute Management (2008), 12, 23 f.; Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56. 131  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1527, Rn.  38. 132  Vgl. Courtney v. Fairbairn Ltd v. Tolaini Brothers (Hotels) Ltd [1975] 1 WLR 297, 301 (C.A.); Paul Smith Ltd v. H. & S International Holding Inc. [1991] 2 Lloyd’s Rep.  127, 131 (Q.B.). 128 

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Cable & Wireless plc v. IBM United Kingdom Ltd133, eine Mediationsvereinba­ rung begründe für die Parteien wirksame Verpflichtungen, weil sich die Partei­ en über die Art und Weise geeinigt hätten, in der ihre gegenseitigen Verhand­ lungspflichten zu erfüllen seien. Deshalb sei eine Mediationsvereinbarung zu­ mindest dann, wenn die Parteien für die Durchführung des Mediationsverfahrens spezielle Regeln vorgesehen hätten, z. B. durch Bezugnahme auf eine institutio­ nelle Mediationsordnung, als verpflichtend und bindend anzusehen. Folgerichtig übertrug das Gericht derjenigen Partei, die eine Mediationsvereinbarung ver­ letzt hatte, die Pflicht, die von der redlichen Partei aufgewendeten Kosten zu tragen. Diese Entscheidung sowie die Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarun­ gen zeigen, dass die englischen Gerichte grundsätzlich vom vertraglich ver­ pflichtenden Charakter von Gerichtsstands-, Schieds- und Mediationsvereinba­ rungen ausgehen. Dies lässt vermuten, dass sie in naher Zukunft eher nicht von der dargestellten Rechtsprechung Abstand nehmen werden. Die Rechtsprechung zu Schiedsvereinbarungen kann darüber hinaus bei der Abwägung fruchtbar gemacht werden, welche konkreten Schadensposten ersetzbar sind. III.  Das englische Schrifttum 1.  Gegner vertraglicher Schadensersatzansprüche Wie von der Rechtsprechung werden mögliche Schadensersatzansprüche für die Verletzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen auch im englischen Schrifttum großenteils auf vertraglicher Grundlage bejaht, wobei sich nur ver­ einzelt Ausführungen zu deliktischen oder bereicherungsrechtlichen Ansprü­ chen finden. Insgesamt stehen nur wenige der Möglichkeit vertraglicher Scha­ densersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte abweisend gegenüber. Teilweise wird der Schadensersatzhaftung entgegengehalten, es handle sich schlichtweg um eine für die Praxis unbefriedigende Lösung. In diese Richtung argumentiert Fentiman, der sich allerdings grundsätzlich lediglich mit der Ver­ einbarkeit von Schadensersatzpflichten mit dem System der EuGVVO befasst. Seiner Ansicht nach werden durch einen Ersatz der Kosten, welche die redliche Partei im abredewidrig eingeleiteten Verfahren aufzuwenden hatte, die eigentli­ chen Probleme, die der Partei aus der Verletzung der Gerichtsstandsvereinba­ rung erwachsen, nicht gelöst. Insbesondere bemängelt er, dass Schadensersatz zeitlich spät ansetze und gerade nicht zu einer Entscheidung in der Sache durch Cable & Wireless plc v. IBM United Kingdom Ltd [2002] EWHC 2059 (Comm), abge­ druckt in 19 Arbitration International (2003), 352 m. Anm. Mackie, 19 Arbitration Internatio­ nal (2003), 345 ff. 133 

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das gewählte Gericht führe.134 Diese Ausführungen sind freilich vor dem Hin­ tergrund zu verstehen, dass Fentiman dabei vor allem die Frage, wie der Proble­ matik der Italian Torpedo-Klagen nach der alten EuGVVO zu begegnen sein könnte, im Blick hatte. Ausdrückliche Gegner der Schadensersatzlösung sind Ho135 und Knight136. Hos Ansicht nach nimmt das angerufene Gericht eine Abwägung zwischen den privaten und öffentlichen Interessen vor und bejaht seine Zuständigkeit entge­ gen einer anderslautenden Gerichtsstandsvereinbarung, wenn die öffentlichen Interessen die individuellen überwiegen. Wenn dies aber der Fall wäre, seien eben auch keine Individualinteressen mehr übrig, welche die Gewährung von Schadensersatz gerade wegen ihrer Verletzung rechtfertigen könnten: „[S]urely there is no more private interest left to justify an award of damages for disho­ nouring that self-same private interest.“137 Ho zufolge handelt es sich bei der Gerichtsstandsvereinbarung eben gerade nicht um einen normalen Vertrag, ge­ nauso wenig, wie das Gericht nur aufgrund der Vereinbarung zuständig und andere Gerichte unzuständig seien: „In other words, a forum selection clause is only a statement of consent (which may or may not be exclusive) which happens to be a basis of adjudicatory jurisdiction which the selected forum may or may not exercise.“ Damit bleibt Ho im Ausgangspunkt zwar dem traditionellen common law-Denken verhaftet, wonach die Gerichtsstandsvereinbarung nur einer unter vielen Faktoren ist, welche das Gericht bei der Beantwortung der Zustän­ digkeitsfrage zu beachten hat. Im Gegensatz zur englischen Rechtsprechung folgert er daraus aber gerade, dass der Gerichtsstandsvereinbarung keine eigene Verpflichtung und kein eigenes Recht auf Einhaltung und damit auf der Sekun­ därebene auch kein Schadensersatz entspringen könne. Dieselbe Ansicht ver­ tritt er auch bezogen auf Schiedsvereinbarungen: „What is said above about a forum selection clause applies mutatis mutandis to an arbitration clause, which should be understood as a joint statement of consent by the parties to submit a dispute to arbitration and thus its noncompliance should not carry the right to contractual damages.“138 Die Argumentation von Knight geht noch darüber hinaus. Er betont nämlich, dass es sich beim internationalen Zuständigkeitsrecht um einen Teil des öffent­ Vgl. Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  27, 45; ders., 7 Journal of International Banking and Financial Law (2006), 304. Ähnliche Kritik auch bei Nuyts, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  55, 57. 135  Ho, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 697, 707 ff. 136  Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, insb. 508 ff. 137  Ho, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 697, 707. 138  Ho, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 697, 709. 134 

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lichen Rechts handle, weshalb auch Gerichtsstandsvereinbarungen in einem öf­ fentlich-rechtlichen Kontext verankert werden müssten. Gerichtsstandsverein­ barungen seien deshalb keineswegs wie jeder andere bindende Vertrag zu be­ handeln: „It is submitted here that the correct way to view a jurisdiction agreement is to see it as an invitation to the court to exercise its public law pow­ ers and take jurisdiction over the dispute. The parties cannot demand the Eng­ lish court take jurisdiction; that is not within their power. All they can do is re­ quest that the court take on the case.“139 Folge dieser öffentlich-rechtlichen Qua­ lifikation sei, dass die Erhebung einer Klage im abgewählten Gericht keinen Vertragsbruch darstelle, weil es sich bei der Gerichtsstandsvereinbarung eben gerade nicht um einen privatrechtlichen Vertrag mit Bindungswirkung handle. Anders als Ho, demzufolge das angerufene Gericht eine Abwägung zwischen den privaten und öffentlichen Interessen vornimmt, liegen nach der Ansicht Knights von vornherein überhaupt keine privaten rechtlichen Interessen vor, die es rechtfertigen würden, den Kläger in einem Sekundärprozess zur Zahlung von Schadensersatz zu verpflichten: „[T]here is no ‚private‘ right, and the public interest must trump what is left.“140 Knight ist aber vor allem deshalb ein Gegner der Schadensersatzlösung, weil er darin eine Verletzung des völkerrechtlichen Grundsatzes der comitas sieht. Seiner Meinung nach verstößt ein Gericht gegen den Grundsatz der comity, wenn es die Entscheidung des Gerichts eines anderen Staates einfach in Frage stellt und das Verfahren von Neuem aufrollt.141 Auch könne Sec. 32 des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, wonach die unter Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ergangene Ent­ scheidung eines ausländischen Gerichts in England nicht anzuerkennen ist, nichts an diesem inhaltlichen Verstoß gegen die comity ändern. Die Vorschrift dürfe nicht dazu ausgenutzt werden, durch eine Hintertür ein ausländisches Verfahren der Bewertung durch ein englisches Gericht zu unterwerfen.142 Da­ her sieht er auch explizit in der Union Discount-Entscheidung eine Verletzung der comity. Generell wendet er sich gegen Versuche, hinsichtlich im Ausland durchgeführter und abgeschlossener Verfahren eine erneute Verhandlung (relitigation) vor einem englischen Gericht durchzuführen: „It risks damaging con­ fidence of litigants in international litigation by an arrogance that suggests only the English courts know the right answer to dispute resolution problems. It prio­ ritises private law principles of dubious quality over private international law principles of undoubted importance without clear gain and with clear risks. The Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 506. Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 508. 141  Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 510. 142  Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 511 f. 139 

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argument for damages may cause untold damage to the coherence and reputa­ tion of private international law.“143 Mit ähnlichen Argumenten bezweifelt auch Bell die Vereinbarkeit solcher Schadensersatzprozesse mit der comity vor dem Hintergrund, dass ein erneuter Prozess über ein Verfahren, das im Ausland bereits durchgeführt wurde, erfor­ derlich sei: „[T]he theoretical availability of damages is not a particularly practi­ cable or desirable alternative. This is because their assessment would entail the effective relitigation of a dispute already tried […], and an award of anything more than nominal damages would carry the conclusion that the court in which proceedings took place abroad erred in its determination.“144 Ebenso vertritt der singapurische Professor Tham, der sich in Reaktion auf die englischen Gerichtsentscheidungen ausdrücklich mit Gerichtsstandsverein­ barungen zugunsten der englischen Gerichte auseinandersetzt, die Meinung, aus der Verletzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen könnten keine vertraglichen Schadensersatzansprüche abgeleitet werden.145 Allerdings bejaht er u. U. die Möglichkeit deliktischer Schadensersatzansprüche. Gegen die Mög­ lichkeit vertraglicher Ansprüche wendet er teilweise andere Argumente ein als Ho.146 Tham begründet seine Sichtweise nämlich mit der mangelnden Vergleich­ barkeit von Gerichtsstands- mit Schiedsvereinbarungen, für deren Verletzung vertraglicher Schadensersatz möglich sei. Es seien nun einmal nicht alle ver­ traglichen Vereinbarungen geeignet, Schadensersatz auszulösen: „[C]ontractu­ al remedies are not responses to breaches of contractual terms per se. Rather, judicial remedies (such as contract damages) are responses to breaches of obli­ gations assumed by a defendant.“147 Eine Gerichtsstandsvereinbarung, die typi­ scherweise als Nebenabrede (ancillary) zu einem Vertrag getroffen werde, ent­ falte gerade keine eigene Primärpflicht, vor keinem anderen als dem gewählten Gericht zu klagen.148 Dies sei bei Schiedsvereinbarungen, die für sich genom­ men bestimmte Rechte und Pflichten begründen und daher eigene Verträge mit Verpflichtungswirkung darstellen würden, anders.149 Damit reiht sich Tham also gerade nicht in das allgemeine common law-Denken ein, wonach die Ge­ richtsstandsvereinbarung ein Vertrag wie jeder andere und damit allgemeinem Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 512 f. Bell, Forum Shopping and Venue in Transnational Litigation (2003), S.  203. 145  Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46. 146  Tatsächlich setzt er sich mit der Untersuchung von Ho umfassend auseinander, teilt das Ergebnis aber nicht, vgl. Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, 56 ff. 147  Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, 48. 148  Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, 50. 149  Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, 52. 143 

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Vertragsrecht unterworfen ist, sondern steht mit seiner Ansicht eher der tradi­ tionellen Auffassung in Deutschland, wonach Gerichtsstandsvereinbarungen keine Verpflichtungswirkungen entfalten, nahe. Allerdings sind nach Tham de­ liktische Ansprüche möglich, nämlich aus tort for malicious prosecution oder economic tort of an awful interference with trade or business.150 2.  Befürworter vertraglicher Schadensersatzansprüche a)  Briggs – Verfechter der Schadensersatzmöglichkeit Der Großteil derjenigen, die sich im englischen Schrifttum mit der Frage ver­ traglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung beschäftigt haben, bejaht diese Möglichkeit. Dabei kann man Briggs als Wortführer in der englischen Debatte bezeichnen.151 Schon einige Zeit bevor sich die englischen Gerichte vertieft mit der Problematik aus­ einandersetzten, schrieb Briggs im Jahr 1994: „At first sight it may appear to be simply wrong for an English court to make an order which has the effect of contradicting the foreign judgment, and doubly so for it to make an order which has the effect of clawing back the damages which the foreign court has ordered to be paid. There may be a point at which the private international law context overshadows the contradictory logic of ordinary contractual principle. But if the parties made a contract, and as damages really are an entitlement when a cont­ ractual promise has been broken, it will not be easy to see where such a damages claim may be deflected or derailed.“152 Haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass im Falle der Klage vor ei­ nem anderen als dem gewählten Gericht bzw. den gewählten Gerichten Scha­ densersatz zu leisten ist, sieht Briggs die Durchsetzung einer solchen Klausel keinerlei Hindernissen ausgesetzt: „It is really rather hard to see why such a promise should not be enforceable according to its terms.“153 Doch auch jenseits solcher expliziten Abreden soll die Verletzung ausschließlicher Gerichtsstands­ vereinbarungen Schadensersatz auslösen können. Briggs sieht den entscheiden­ den Faktor in der privatautonomen Einigung zwischen den Parteien, welche sich nicht von anderen, materiellrechtlichen Verträgen unterscheide. Dabei treibt er Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, 60 ff. Vgl. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), insb. Kapitel 8, S.  299 ff. und dazu die Besprechung von Harris, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2009, 537. Vgl. außerdem auch Briggs, in: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5.  Aufl. 2009, Rn.  5.57 ff.; ders., 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 323 ff. 152  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  300. 153  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  175. 150  151 

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den Vergleich zwischen Gerichtsstandsvereinbarungen und „normalen“ schuld­ rechtlichen Verträgen freilich auf die Spitze, indem er im Zusammenhang mit anti-suit injunctions und der Möglichkeit der Verfahrensaussetzung den Inhalt einer Gerichtsstandsvereinbarung dem eines Kaufvertrags gleichsetzt: „There is no distinction of principle between a contract to sell and a contract to sue: the beneficiary has a right; the burdened party owes a duty.“154 Bemerkenswert an Briggs’ Ansatz ist aber über die bloße Anerkennung der Verpflichtungswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen hinaus, dass er die­ sen Vereinbarungen eine Doppelnatur beimisst. Die Vereinbarung sei einerseits prozessual und an das gewählte Gericht gerichtet, welches sich aufgrund der Vereinbarung für zuständig erklären solle. Anderseits beinhalte die Vereinba­ rung aber auch ein Versprechen zwischen den Parteien über ihr Verhalten der jeweils anderen Partei gegenüber.155 So schreibt Briggs: „In this respect the clause is not an agreement on jurisdiction; it is something else. It is this second, bilateral promissory, nature of the term which supports the claim for damages […].“156 Infolge dieser doppelten Qualifikation hänge die Gewährung von Scha­ densersatz nicht davon ab, ob die Gerichtsstandsvereinbarung vom angerufenen Gericht unter allen Umständen anerkannt wird. Selbst wenn also beispielswiese eine Gerichtsstandsvereinbarung nach der non ouster-Doktrin nicht die Zustän­ digkeit eines Gerichts ausschließen könne oder nicht den gesetzlichen Anforde­ rungen (z. B. des Art.  23 EuGVVO a. F.) entspreche, enthält sie Briggs zufolge dennoch ein bindendes Versprechen mit Verpflichtungswirkung, das verletzt werden und Schadensersatzansprüche auslösen kann. Die Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung ist danach also nicht zwingende Voraussetzung für deren Verpflichtungswirkung im Verhältnis zwischen den Parteien: „But even if one were to take the view that the jurisdiction of courts is a matter over which the parties do not have decisive autonomy, this would not alter the fact that a party who obliges himself to another not to act in a particular way may be held to that obligation.“157 Das bedeutet, dass die non ouster-Theorie, wonach die Parteien einem Gericht seine Zuständigkeit nicht durch privatautonome Eini­ gung nehmen können, nichts an der Möglichkeit des Schadensersatzes ändert. Der Vertrag müsse nämlich gar nicht so ausgelegt werden, dass er die Zustän­ digkeit des Gerichts aufhebe: „It is much more natural to read the promise by

Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  195. Skeptisch gegenüber der Auffassung, die Gerichtsstandsvereinbarung habe eine Dop­ pelnatur, ist Harris, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2009, 537 ff. 156  Briggs, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 324. 157  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  195. 154  155 

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each to the other as to invoke the jurisdiction of a court, not as a promise that a court does or does not have jurisdiction.“158 Briggs hält die Schadensersatzlösung nicht nur für möglich, sondern auch für inhaltlich begrüßenswert. So vertritt er den Standpunkt, Schadensersatz würde dem Parteiinteresse mindestens ebenso gerecht werden wie eine anti-suit in­ junct­ion, den internationalen Rechtsverkehr aber weitaus weniger belasten.159 Er hält es auch nicht für ausgeschlossen, dass ein englisches Gericht Schadens­ ersatz für die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines anderen Staates gewähren kann. Denn es gebe keine Regel, wonach Schadensersatz nur dann gewährt werden könne, wenn der Erfüllungsort der in Frage stehenden Pflicht in England liege.160 Insgesamt un­ terscheidet Briggs sechs mögliche Szenarien:161 (1.) Das forum derogatum ver­ neint seine Zuständigkeit wegen der Gerichtsstandsvereinbarung und erlässt weder eine Sach- noch eine Kostenentscheidung (so wie im Union Discount-Fall), (2.) das forum derogatum verneint seine Zuständigkeit, erlässt aber eine Koste­ nentscheidung, (3.) das forum derogatum führt das Verfahren durch, obwohl es die Ansicht vertritt, der Kläger habe durch die Klageerhebung eine Gerichts­ standsvereinbarung verletzt, aber entscheidet in der Sache zulasten Klägers, (4.) das forum derogatum führt das Verfahren durch, verneint die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich und entscheidet in der Sache zulasten des Klägers, (5.) das forum derogatum verwirft die Unzuständigkeitsrüge des Beklagten allein mit der Begründung, seine Zuständigkeit sei jedenfalls vertret­ bar (arguable), und (6.) das forum derogatum verwirft die Unzuständigkeits­ rüge des Beklagten, führt das Verfahren durch und entscheidet in der Sache zugunsten des Klägers. In den ersten beiden Fällen hält Briggs die Durchsetzung eines Schadenser­ satzanspruchs vor dem gewählten englischen Gericht für unproblematisch mög­ lich.162 Auch in der zweiten Fallkategorie stehe die ausländische Kostenent­ scheidung dem inländischen Schadensersatzprozess nicht als res iudicata ent­ gegen. Vielmehr könne die redliche Partei den Ersatz weitergehender Kosten, die durch die ausländische Kostenentscheidung noch nicht abgegolten worden seien, verlangen. Dazu führt er aus: „There is no difficulty in accepting that the order of a foreign court that costs be paid in a specified sum is a judgment which may be recognized and enforced in England. But this does not preclude the Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  325. So schon in Briggs, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1994, 158. 160  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  329 f. Allerdings wird in diesen Fällen meines Erachtens die Zuständigkeit des Gerichts problematisch sein. 161  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  308. 162  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  308 ff. 158  159 

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‚successful party‘ from bringing an action to top up what was awarded by the foreign court.“163 In der dritten Fallkategorie erachtet Briggs die Frage als problematisch, ob die nicht vertragsbrüchige Partei nur diejenigen Kosten ersetzt verlangen kann, welche sie für das Bestreiten der Zuständigkeit des forum derogatum aufgewen­ det hat, oder auch die Kosten für die Prozessführung in der Sache. Seiner Mei­ nung nach ist das Argument, die redliche Partei hätte auch vor dem forum prorogatum Prozesskosten für das Verfahren in der Sache aufwenden müssen, nicht überzeugend, vielmehr seien auch die Kosten für die Prozessführung in der Sache kausal auf den Vertragsbruch zurückzuführen und darin ein Versuch der Schadensminderung („to mitigate the loss“) zu sehen. Folglich könne die redliche Partei auch Ersatz dieser Kosten verlangen, und zwar ohne Abzug der Kosten, die sie bei hypothetischer Betrachtung im Verfahren vor dem forum prorgatum für die Prozessführung in der Sache hätte aufwenden müssen. Denn es sei keinesfalls sicher, dass die vertragsbrüchige Partei, hätte sie nicht im Aus­ land geklagt, anderenfalls überhaupt vor das gewählte Gericht gezogen wäre und Klage erhoben hätte. Ebenfalls möglich sei es, dass es andernfalls gar nicht zu einem Verfahren gekommen wäre: „It is also possible that he would not have sued at all: one reason for bringing proceedings outside the contractual forum may have been to try to avoid the outcome which was on the cards in the cont­ ractual forum.“164 Im vierten Szenario sieht Briggs den Schadensersatzanspruch dem Problem ausgesetzt, dass die Entscheidung des forum derogatum, es liege kein Vertrags­ bruch vor, in England res iudicata-Wirkung entfalten und einen Schadensersat­ zanspruch ausschließen könnte. Allerdings leitet er aus Sec. 32 des Civil Juris­ diction and Judgments Act 1982 – wonach unter Verletzung einer ausschließli­ chen Gerichtsstandsvereinbarung ergangenen ausländischen Entscheidungen in England die Anerkennung zu versagen ist – ab, dass Gleiches auch für aus eng­ lischer Sicht falsche Entscheidungen über die Wirksamkeit oder Bindung aus­ schließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen zu gelten habe.165 Auch im fünften Szenario steht die ausländische Entscheidung Briggs zufol­ ge wegen ihres unsicheren, vorläufigen Charakters einem Schadensersatzver­ fahren in England nicht entgegen: „[I]f the foreign court dismissed the jurisdic­ tional motion on the footing that it was sufficiently arguable that the court had jurisdiction, no issue estoppel can arise from its decision on that issue, regard­ less of submission or non-submission. Issue estoppel will arise only from a de­ Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  310. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  311 165  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  314 ff. 163 

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cision which is final, and a ruling which is in this sense provisional, non-final cannot give rise to any form of estoppel.“166 Die meisten Probleme sollen indes im sechsten Szenario bestehen.167 Wenn das forum derogatum seine Zuständigkeit nicht nur bejaht, sondern in der Sache auch zugunsten des Klägers entschieden hat, sieht Briggs die dringlichste Frage darin, ob die redliche Partei auch das zurückverlangen kann, was sie aufgrund der ausländischen Sachentscheidung zu leisten hatte. Zunächst stellt Briggs fest, dass die ausländische Entscheidung wiederum wegen Sec. 32 des Civil Jurisdic­ tion and Judgments Act 1982 keine res iudicta-Wirkung entfalte; vor allem habe sich der Auslandsbeklagte, nachdem er die Zuständigkeit bestritten habe, nicht rügelos und zuständigkeitsbegründend auf das Verfahren eingelassen, indem er später doch in der Sache prozessiert habe.168 Darüber hinaus stünden einem solchen claw back keine zwingenden Gründe entgegen: Es sei zwar richtig, dass durch die Gewährung eines Anspruchs auf Ersatz desjenigen, was der Aus­ landsbeklagte aufgrund des ausländisches Urteils zu leisten hatte, dieses Urteil quasi aufgehoben werde. Doch im Verhältnis zu ausländischen Urteilen sei dies letztlich hinzunehmen. Dass ein solches Ergebnis weniger Respekt vor auslän­ dischen als vor inländischen Entscheidungen zeigen könnte, sei hinzunehmen und entspreche auch dem Rechtsgedanken von Sec. 32 Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982: „This reasoning is open to criticism that it treats a foreign judgment with less respect, less finality, than it does an English judgment. So it does; but so does s 32 of the 1982 Act […].“169 b)  Weitere Befürworter vertraglicher Schadensersatzansprüche Mit seiner Bejahung vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verlet­ zung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung steht Briggs nicht allei­ ne da. Mittlerweile geht wohl die herrschende Meinung im englischen Schrift­ tum170 davon aus, dass die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsver­ Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  316 f. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  317 ff. 168  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  317 ff. 169  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  321. 170  Vgl. etwa Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 ff.; Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements and Their Enforcement, 2.  Aufl. 2010, Kap.  14; Males, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 543, 550 (der die Möglichkeit zwar aner­ kennt, aber dennoch als „undesirable“ bezeichnet und sich daher dafür stark macht, die eng­ lischen Gerichte sollten lieber großzügiger beim Erlass von anti-suit injunctions sein); ­Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315; Peel, Lloyd’s Mariti­ me and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 207 ff., 224 ff.; Raphael, The Anti-suit Injunc­ tion (2008), Kap.  14 (S.  321 ff.) und ders., The Anti-suit Injunction, Updating Supplement (2010), Kap.  14 (S.  65 ff.). 166  167 

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einbarung durch Klageerhebung in einem abgewählten ausländischen Gericht – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – einen Vertragsbruch darstellt, der Schadensersatzansprüche auslöst. Differenzen bestehen hinsichtlich einzel­ ner Aspekte des Schadensersatzanspruchs. Besonders umstritten ist die Frage, ob auch ein „materieller“ Schaden zu ersetzen ist, wenn das forum derogatum zu einer Entscheidung in der Sache gekommen ist, welche das englische forum prorogatum bei hypothetischer Betrachtung so nicht getroffen hätte. So leitet etwa Raphael171 aus der einschlägigen englischen Rechtsprechung ab, dass auch dann Schadensersatz zu gewähren sei, wenn das ausländische Gericht in der Sache entschieden hat.172 Dafür habe aber der Schadensersatzklä­ ger zu beweisen, dass das gewählte Gericht in derselben Sache eine anderslau­ tende Entscheidung getroffen hätte – „which would in many cases necessitate a trial within a trial.“173 Folglich wäre, wenn beide Gerichte in der Sache engli­ sches Recht anzuwenden hätten, ein Schaden für gewöhnlich zu verneinen.174 Außerdem vertritt er die Meinung, vertragliche und deliktische Ansprüche könnten u. U. nebeneinander stehen.175 Ein starkes Plädoyer für die Möglichkeit vertraglichen Schadensersatzes fin­ det sich auch bei Merrett.176 Ähnlich wie Briggs vertritt Merrett die Ansicht, die Parteien könnten nach der non ouster-Doktrin zwar nicht die Gerichte dazu zwingen, entsprechend einer Gerichtsstandsvereinbarung die eigene Zuständig­ keit zu bejahen oder zu verneinen, sie würden aber nichtsdestotrotz im relativen Verhältnis eine bindende Verpflichtung begründen.177 Weiter untersucht Merrett, ob Schadensersatz in solchen Fällen zugesprochen werden kann, in denen zuvor der Erlass einer anti-suit injunction abgelehnt worden ist. Aus dem Um­ stand, dass in die Abwägung zum Erlass einer anti-suit injunction auch eine Vielzahl öffentlicher Aspekte einfließt, schließt Merrett, dass auch dann, wenn bestimmte solcher Umstände dem Erlass eines Prozessführungsverbots entge­ genstehen, das privatrechtliche subjektive Recht, nicht abredewidrig verklagt zu werden, einen Schadensersatzanspruch begründen könne.178 Merrett ist sich aber auch in einer weiteren Hinsicht mit Briggs einig, denn auch sie vertritt die Meinung, im Falle einer ausländischen Entscheidung in der Sache könne die 171  Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), Kap.  14 (S.  321 ff.) und ders., The Anti-suit Injunction, Updating Supplement (2010), Kap.  14 (S.  65 ff.). 172  Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  328. 173  Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  330. 174  Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  330. 175  Raphael, The Anti-suit Injunction (2008), S.  331–340. 176  Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315. 177  Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 317. 178  Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 321 f.

§ 8 – C.  Die Rechtslage in England

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redliche Partei auch dasjenige im Wege des Schadensersatzes zurückfordern, was sie aufgrund des ausländischen Urteils geleistet habe. Dafür argumentiert sie mit dem Ziel des Schadensersatzes, die unschuldige Partei in die Position zu bringen, in der sie sich befände, wenn der Vertrag ordentlich erfüllt worden wäre.179 Merrett weist auch den Einwand, in einem solchen Schadensersatzur­ teil könnte eine problematische Würdigung der ausländischen Entscheidung lie­ gen, zurück. Basis für die Entscheidung des Gericht, welches für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz gewähre, sei nicht die Fest­ stellung, das andere Gericht habe eine falsche Sachentscheidung getroffen, son­ dern allein die Verletzung der vertraglichen Vereinbarung durch eine der Par­ teien. Anders als Briggs geht Merrett allerdings nicht davon aus, dass es an­ dernfalls gar nicht zu einem Verfahren gekommen wäre, sondern zieht als Vergleichsmaßstab ein hypothetisches Verfahren vor dem gewählten englischen Gericht heran: „The claim for damages will not necessarily or even generally be based on the non-contractual forum having got it wrong; rather the innocent party is relying on the contractual right not to be sued in that jurisdiction and the loss is suffered because that court has reached a different conclusion (eg due to applying different law, different procedural rules, etc) than the chosen forum would have done. Damages will be the difference between what the foreign court found (for whatever reason) and what the English court would have found.“180 Einen ähnlichen Standpunkt vertritt schließlich auch Dutson181, der ebenfalls umfassend alle Kosten und Nachteile, die in dem Verfahren im derogierten Fo­ rum wurzeln, ersetzen möchte, aber als Vergleichsmaßstab den Fall heranzieht, dass anstelle dieses Verfahrens ein Verfahren vor dem gewählten Gericht durch­ geführt worden wäre. Dutson möchte die Kosten für die Beantragung einer anti-suit injunction sowie die Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die redli­ che Partei die Zuständigkeit des forum derogatum bestritten und sich in der Sache verteidigt hat, ersetzen, soweit sie nicht schon durch eine Kostenentschei­ dung des abgewählten Gerichts für ersetzbar erklärt worden sind. Darüber hin­ aus hält er aber für den Fall, dass das prorogierte Gericht zu einem anderen Er­ gebnis in der Sache gekommen wäre, auch die Kosten und Nachteile für ersetz­ bar, die der redlichen Partei anfallen, um eine Vollstreckung aus dem Urteil im forum derogatum abzuwenden, oder die entstehen, weil die Gegenpartei die Vollstreckung in das Vermögen der redlichen Partei aufgrund des im forum Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 319 f. Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 321 unter Be­ zugnahme auf Males, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 543, 549. 181  Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 ff. 179 

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derogatum erlangten Titels betreibt.182 Dass die Berechnung bei einer solchen hypothetischen Analyse Schwierigkeiten oder Ungenauigkeiten ausgesetzt sein kann, hält er nicht für ausschlaggebend: „Damages are always available for ­breach of contract and can be claimed as a right: the fact that they are difficult to assess does not disentitle a claimant to compensation for the loss resulting from a breach of contract.“183 Einen etwas anderen Blickwinkel hat Peel184, der vorschlägt, dass „[…] as a pre-requisite to any award of an injunction to restrain foreign proceedings, the courts should first consider whether C.J.J.A. 1982 s. 32 or damages, or a combi­ nation of them might provide adequate protection to a plaintiff who is a party to a valid jurisdiction agreement which has been breached by the defendant.“185 Interessanterweise setzt er sich dann jedoch mit einer anders gelagerten Kon­ stellation auseinander, und zwar mit der Frage, ob ein englisches Gericht dem Beklagten auch dann Schadensersatz gewähren könne, wenn es selbst das Ver­ fahren durchführt, obwohl eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Gerichts vorliegt.186 In England kann diese Problematik z. B. dann auftauchen, wenn das Gericht einerseits einen stay of proceedings verwei­ gert (etwa weil es die Gerichtsstandsvereinbarung aus Ermessensgründen für nicht bindend befindet), andererseits aber auf die Widerklage (counterclaim) der anderen Partei hin Schadensersatz gewähren möchte. Peel gibt zu bedenken, dass es widersprüchlich wirken könnte, wenn das Gericht die Vereinbarung ei­ nerseits als nicht bindend betrachtet, den Kläger aber andererseits für schadens­ ersatzpflichtig hält.187 Allerdings schlägt er vor, dass dieses Zusammenspiel gerade geeignet sei, die öffentlichen und privaten Interessen in Einklang zu bringen: „[This] may be seen to provide a compromise between the private inte­ rest and the public interest. The private interests will usually prevail in the form of an order to stay proceedings. Where other factors, the ‚public interest‘, out­ weigh the private interest, no stay will be ordered, but the private interest will continue to be protected in the shape of an action for damages.“188 Peel bemerkt auch, dass diese Fälle kaum bedacht werden, sondern nur die umgekehrte Fall­ gestaltung, in der die Klageerhebung im Ausland mit Schadensersatz geahndet Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 99 f. Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97, 100. 184  Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 207 ff. Vgl. aber auch ders., in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  1, 15 ff. 185  Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 209. 186  Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 224 ff. 187  Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 224. 188  Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 225. 182  183 

§ 8 – D.  Die Rechtslage in den USA

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wird, meint aber: „[O]n closer examination, such a claim should not be dismis­ sed out of hand.“189 Er sieht das größte Hindernis darin, den Schaden des Be­ klagten zu berechnen.190

D.  Die Rechtslage in den USA I.  Überblick über die Rechtslage in den USA Auch in den USA haben in den vergangenen Jahren einige Gerichte Schadens­ ersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstands- oder Schieds­ vereinbarung gewährt. In der US-amerikanischen Lehre haben sich zumindest einige für die Vorzüge derartiger Schadensersatzansprüche stark gemacht und die Gerichte zu einer vertieften Auseinandersetzung damit aufgefordert.191 Es ist zu lesen, Schadensersatz sei „a potentially sophisticated tool to control inter­ national litigation and may, in this endeavor, supplement the evolving remedy of the international anti-suit injunction.“192 Wie auch in England, sind Schadenser­ satzansprüche wegen der Verletzung internationaler Gerichtsstandsvereinba­ rungen im US-amerikanischen Recht leichter zu begründen als etwa im deut­ schen Recht. Wie dargestellt, ging man bis zur Bremen-Entscheidung davon aus, die Gerichtsstandsvereinbarung sei darauf gerichtet, dem eigentlich zustän­ digen Gericht seine Zuständigkeit zu nehmen, und verstoße daher gegen die public policy. In der Bremen-Entscheidung wurde dann aber festgestellt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung einen solchen ouster gar nicht bewirke.193 Ge­ richtsstandsvereinbarungen wird seither die Wirkung zuerkannt, die Ermessen­ sentscheidung des Gerichts bei der Prüfung der Zuständigkeitsfrage in eine be­ stimmte Richtung zu lenken. Die US-amerikanischen Gerichte haben eine Ge­ richtsstandsvereinbarung also aus Achtung ihres parteiautonomen Charakters grundsätzlich zu beachten, wenn keine Ausnahme vorliegt, sie verlieren aber nicht automatisch ihre Zuständigkeit, sondern verzichten lediglich auf die Aus­ übung ihrer Zuständigkeit in Anerkennung des Parteiwillens.194 Die contractual nature von Gerichtsstandsvereinbarungen wird immer wieder von den Gerich­ Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 225. Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 225. 191  Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063; Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, insb. 626. 192  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, insb. 626. 193  Siehe dazu Corsico, 97 Northwestern University Law Review (2003), 1853, 1870; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  223 Fn.  1164. 194  Vgl. zum Ganzen bereits oben Teil I §  5 D. II. 3. 189 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

ten betont.195 Wie Richter Posner es formuliert, werden Gerichtsstandsverein­ barungen daher wie jede andere vertragliche Vereinbarung behandelt, es sei denn, dass sie Nachteile für Dritte bedeuten würden.196 Auch aus dem US-ame­ rikanischen Schrifttum stammen Vergleiche zwischen Gerichtsstandsverein­ barungen und „normalen“ Schuldverträgen. „That this issue is even cause for debate“, bemerkt etwa Tan, „may come as something of a surprise to those un­ familiar with international litigation: for if the forum selection clause is a cont­ ractual clause like any other, why would ordinary contractual damages not be available to address a straightforward breach of contract?“ In der entsprechen­ den Fußnote fährt er jedoch fort: „The reason is perhaps because the forum selection clause is more than a simple contractual provision.“197 Für deliktische Schadensersatzansprüche könnte in den USA außerdem die Rechtsprechung zur bad faith litigation198 bzw. zum tort of wrongful civil proceedings199 herangezogen werden, wonach grundsätzlich für bestimmte prozes­ suale Vergehen Kostenerstattungsansprüche anerkannt sind. Allerdings geht die Rechtsprechung in den bisher entschiedenen Fällen, wie auch in England, von einer vertraglichen Qualifikation der sich aus der Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung möglicherweise ergebenden Erstattungsansprüche aus. Aus der vertraglichen Natur der Ansprüche soll außerdem folgen, dass es sich um Fragen des materiellen Rechts handelt, sodass nach der Erie-Doktrin auch in Fällen der diversity-jurisdiction das Recht des jeweiligen Bundesstaats über die Schadensersatzhaftung bestimmt.200

195  Z. B. in M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1 (1972); Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S.  22 (1988); Caribbean Whole­sales & Service Corp. v. United States JVC Corp., 963 F. Supp.  1342, 1360 (S.D.N.Y. 1997). 196  Vgl. Northwestern National Insurance Co. v. Donovan, 916 F.2d 372, 375 (7th Cir. 1990); ähnlich auch AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d 510, 525 (7th Cir. 2001): „The only good reason for treating a forum selection clause differently from any other contract […] is the possibility of adverse effects on third parties […].“ 197  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 625 f. und Fn.  8 unter Hinweis auf Northwestern National Insurance Co. v. Donovan, 916 F.2d 372, 376 (7th Cir. 1990): „[T]here is really something special about forum selection clauses after all.“ 198  Hommelsheim, Kostentragung- und Ausgleichung im amerikanischen Zivilprozeß (1990), S.  43 ff., insb. 50 f. 199  Dazu Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S.  136 f. m. w. N. 200  Vgl. z. B. Caribbean Wholesales & Service Corp. v. United States JVC Corp., 963 F. Supp.  1342, 1360 (S.D.N.Y. 1997): „However, the enforceability of the clause as a contrac­ tual obligation or theory of recovery of damages is a matter of substantive law, and therefore in a diversity suit is governed by state law.“

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II.  US-amerikanische Gerichtsentscheidungen 1.  Die Nute-Entscheidung aus dem Jahr 1856 Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen und die Folgen einer Verletzung der Vereinbarung durch Klageerhebung im derogierten Forum sind in den USA weder im Restatement (Second) of Conflicts of Laws noch im Restatement (Third) of Foreign Relations Law des American Law Institute geregelt. Eine frühe Entscheidung, in der sich ein US-amerikanisches Gericht mit der Frage auseinandersetzte, ob Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung geleistet werden muss, ist überraschenderweise die Entscheidung in Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co. des Supreme Judicial Court of Mas­ sachusetts aus dem Jahre 1856.201 Dabei handelt es sich gerade um diejenige Entscheidung, die gemeinhin zur Begründung der non ouster-Doktrin herange­ zogen wird. Das Gericht entschied hier, dass eine Parteivereinbarung über die gerichtliche Zuständigkeit nicht dazu geeignet sei, die gesetzliche Zuständig­ keitsordnung zu verändern. Im Gegenzug stellte es aber die Frage, ob die Partei, die entgegen der Vereinbarung in einem nicht gewählten Gericht klagt, Scha­ densersatz zu leisten habe. Die Entscheidung verdeutlicht die Verquickung von non ouster-Doktrin und der Annahme von Verpflichtungswirkungen von Ge­ richtsstandsvereinbarungen. Auch wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung für die Gerichte keine zwingende Bindungswirkung entfaltet, kann sie trotzdem – oder gerade deshalb, denn andernfalls würde sie leerlaufen – die Parteien unter­ einander binden. 2.  Vereinbarter Schadensersatz für abredewidrig erhobene Klagen In den USA ist es zulässig, schuldvertraglich die Pflicht zur Erstattung der An­ waltskosten zugunsten der obsiegenden Partei zu vereinbaren, ohne dass zwin­ gendes Prozessrecht entgegenstünde.202 Ohne größere Bedenken gewähren die US-amerikanischen Gerichte außerdem Ersatz der außergerichtlichen Kosten, die einer Partei dadurch entstanden sind, dass sie in einem abgewählten Gericht verklagt worden ist, wenn die Parteien vorher eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben.203 In den späten neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co., 72 Mass. (6 Gray), 174, 181 ff. (1856). Vgl. dazu Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1067 f. und die Urteilszusam­ menfassung oben in Teil I §  5 D. I. 202  Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 84 Fn.  19 m. w. N. aus der Recht­ sprechung der US-amerikanischen Gerichte. 203  Vgl. z. B. Sweis v. Chatwin, 120 Ariz. 249, 252, 585 P.2d 269, 272 (App.  1978); Coldwell Banker Commercial Group, Inc. v. Camelback Office Park, 156 Ariz. 214, 223–224, 751 P.2d 530, 539–540 (App.  1987). 201 

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wurde diese Rechtsprechung in Taylor v. Bevinco Bar Systems Ltd204 durch den District Court of Arizona bestätigt. Die Parteien hatten eine Vereinbarung ge­ schlossen, wonach ausschließlich die Gerichte in der Provinz Ontario zuständig sein sollten. Als dennoch vor dem District Court of Arizona eine Klage erhoben wurde, verneinte das Gericht seine Zuständigkeit und wies die Klage durch dismissal ab. Außerdem gewährte es dem Beklagten auf sein Verlangen hin Ersatz der Anwaltskosten, die er für das Verfahren aufgewendet hatte. Der Vertrag zwischen den Parteien enthielt nämlich eine Vereinbarung, welche für die Ver­ letzung der Gerichtsstandsvereinbarung explizit vorsah, dass die Anwaltskos­ ten der anderen Partei aufzuerlegen seien. Wie die Entscheidung zeigt, müssen in den USA Parteien, die Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung verlangen, also nicht vor das gewählte Gericht ziehen, son­ dern können einen entsprechenden Antrag auch bei dem Gericht stellen, vor dem sie abredewidrig verklagt worden sind und welches seine Zuständigkeit aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung abgelehnt hat. Das Gericht wendete sich auch ausdrücklich gegen den Einwand des Klägers, es müsse abgewartet werden, ob auch das in der Vereinbarung benannte Gericht eine Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung feststelle, außerdem sei die Entscheidung in der Sache abzuwarten. Mit dem weiteren Einwand, die Anwaltskosten seien stark überhöht („grossly excessive“) setzte es sich überhaupt nicht auseinander, son­ dern stellte allein darauf ab, dass die Parteien die Ersatzfähigkeit der tatsächlich entstandenen Anwaltskosten nun einmal vertraglich vereinbart hätten. Es wies aber darauf hin, dass auch eine vertragliche Vereinbarung das Gericht nicht von seinem Ermessen entbinde, in Einzelfällen von einer Auferlegung der Anwalts­ kosten des Beklagten auf den Kläger abzusehen, wenn dies „inequitable and unreasonable“ erscheine.205 3.  Schadensersatz ohne explizite Vereinbarung – die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch in Abwesenheit einer zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung über die Kostentragungs­ pflicht Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ge­ fordert werden kann, fand auch in den USA erst im späten zwanzigsten Jahr­ hundert statt. Noch im Jahr 1990 verneinte der Court of Appeals (4th Circuit) in 204  Taylor v. Bevinco Bar Systems Ltd, No. CV 95-764 TUC NF (RMB), 1997 U.S. Dist. LEXIS 22098 (D. Ariz. 1997). 205  Vgl. in diesem Sinne auch United States v. Mountain States Const. Co, 588 F.2d 259, 263 (9th Cir. 1978); Cable Marine, Inc. v. M/V Trust Me II, 632 F.2d 1344, 1345 (5th Cir. 1980).

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Gary Wells v. Entre Computer Centers, Inc.206 einen Anspruch auf Schadenser­ satz, allerdings allein mit der Begründung, dass der Anspruchsteller hierfür keine Präzedenzfälle genannt hätte: „Entre knows of no case, however, nor do we, in which a court has awarded damages because a plaintiff brought suit in a forum other than the one to which it had contractually agreed, and we find the cross-appeal to be without merit.“207 Präzedenzfälle wurden jedoch bald geschaffen: In dem der Entscheidung Omron Healthcare, Inc. v. MacLaren Exports Ltd208 aus dem Jahr 1994 zugrun­ de liegenden Fall stritten die Parteien über eine Schutzrechtsverletzung im Be­ reich von Babyschnullern. Obwohl die Parteien die ausschließliche Zuständig­ keit des High Court of Justice in London vereinbart hatten, zog Omron Health­ care vor ein Distriktgericht in Illinois, das seine Zuständigkeit entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung bejahte. Daraufhin legte MacLaren Exports ein Rechtsmittel beim Court of Appeals (7th Circuit) ein. Omron Healthcare argu­ mentierte, die Gerichtsstandsvereinbarung sei Teil eines früheren Vertriebsver­ trags zwischen den Parteien gewesen, erfasse aber nicht die Streitigkeit wegen der Schutzrechtsverletzung. Der Court of Appeals akzeptierte diese Argumen­ tation nicht und hielt die Streitigkeit für von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst. Das Gericht wies ebenfalls den von Omron vorgebrachten Einwand zu­ rück, es verletze die public policy, die Parteien auf ein Verfahren in England zu verweisen. Es konterte, mit einer solchen Einstellung könnten US-amerikani­ sche Unternehmen kaum erwarten, am internationalen Handel teilzunehmen.209 Abschließend erwähnte das Gericht obiter die Möglichkeit, dass MacLaren Ex­ ports für die Verletzung der Vereinbarung Schadensersatz zugesprochen wer­ den könnte, ging aber nicht weiter auf die Frage ein, weil Schadensersatz nicht verlangt worden war. Interessant ist, dass es sich also auch hier um einen der Fälle handelte, in denen das forum derogatum selbst die Gewährung von Scha­ densersatz erwog. Im Einklang damit vertrat der Supreme Court von Delaware im Folgejahr 1995 in El Paso Natural Gas Co. v. TransAmerican Natural Gas Corp.210 in ei­ nem obiter dictum, dass für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz in Höhe der vom Beklagten für das abredewidrig eingeleitete Verfahren aufgewendeten außergerichtlichen Kosten gewährt werden könne, und verneinte einen Verstoß gegen die American rule of costs. Gary Wells v. Entre Computer Centers, Inc., 915 F.2d 1566 (4th Cir. 1990). Gary Wells v. Entre Computer Centers, Inc., 915 F.2d 1566 (4th Cir. 1990). 208  Omron Healthcare, Inc. v. MacLaren Exports Ltd, 28 F.3d 600 (7th Cir. 1994). 209  Omron Healthcare, Inc. v. MacLaren Exports Ltd, 28 F.3d 600, 603 (7th Cir. 1994). 210  El Paso Natural Gas Co. v. TransAmerican Natural Gas Corp., 669 A.2d 36, 40 (Del. 1995). 206  207 

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Kurze Zeit später, im Jahr 1997, diente die Omron-Entscheidung in Laboratory Corp. of America, Inc. v. Upstate Testing Laboratory, Inc.211 dem District Court of the Northern District of Illinois als Präzedenzfall. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der Gerichte in Illinois. Die Laboratory Corp. of America verlangte u. a. Schadensersatz wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in New York. Das Gericht beschränkte sich auf wenige Ausfüh­ rungen: Durch die Klage in New York habe die Upstate Testing Laboratory die Gerichtsstandsvereinbarung verletzt. Daraus folgerte das Gericht: „LabCorp has a right to enforce that provision and recover damages for its breach.“212 Da­ bei berief es sich auf die Omron-Entscheidung, in welcher festgestellt worden sei, dass für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz gewährt werden könne. Damit stieg eine Entscheidung, in der die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung einer Zuständigkeitsvereinbarung zu gewäh­ ren, lediglich am Rande und obiter erwähnt worden war, zu case law auf. Wei­ terhin wurde noch auf eine weitere Entscheidung, nämlich Northwestern National Insurance Co. v. Donovan213, verwiesen. In dieser Entscheidung war jedoch gar nicht über die Möglichkeit von Schadensersatz nachgedacht worden. Viel­ mehr hatte der Court of Appeals (7th Circuit) lediglich ausgeführt, dass eine Partei, die eine Gerichtsstandsvereinbarung eingegangen sei, auch verpflichtet wäre, diese einzuhalten: „[O]ne who has agreed to be sued in the forum selected by the plaintiff has thereby agreed not to seek to retract his agreement; […] such an effort would violate the duty of good faith that modern law reads into cont­ ractual undertakings.“214 Diese kurze Auseinandersetzung führte für die Zu­ kunft also dazu, dass nun case law für die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen zu gewähren, existierte. Außerdem sprach sich im selben Jahr auch ein New Yorker Distriktgericht in Caribbean Wholesales & Service Corp. v. United States JVC Corp.215 für die grundsätzliche Möglichkeit von Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung aus. In diesem Fall war entgegen einer ausschließ­ lichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der New Yorker Gerichte eine Klage in Puerto Rico erhoben worden. Allerdings verneinte das Distriktgericht Laboratory Corp. of America, Inc. v. Upstate Testing Laboratory, Inc., 967 F. Supp.  295 (N.D. Ill. 1997). 212  Laboratory Corp. of America, Inc. v. Upstate Testing Laboratory, Inc., 967 F. Supp.  295, 299 (N.D. Ill. 1997). 213  Northwestern National Insurance Co. v. Donovan, 916 F.2d 372 (7th Cir. 1990). 214  Northwestern National Insurance Co. v. Donovan, 916 F.2d 372, 378 (7th Cir. 1990). 215  Caribbean Wholesales & Service Corp. v. United States JVC Corp., 963 F. Supp.  1342, 1360 (S.D.N.Y. 1997). 211 

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den Schadensersatzanspruch für den konkreten Fall, weil es die Gerichtsstands­ vereinbarung für unwirksam hielt und deshalb keinen Vertragsbruch feststellen konnte. Wiederum ein Jahr später, 1998, entschied der District Court in New York in Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd216, die nicht ver­ tragsbrüchige Partei könne Ersatz ihrer „still uncompensated expenses“ verlan­ gen. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem in England eine negative Feststellungsklage erhoben worden war, obwohl die Parteien vereinbart hatten, dass allein vor einem Gericht innerhalb der USA geklagt werden dürfe. Folge­ richtig lehnte das englische Gericht seine Zuständigkeit ab. Dem in England Beklagten (im Folgenden: Allendale) waren im englischen Verfahren jedoch bereits außergerichtliche Prozesskosten i.H.v. US$ 234.633,99 entstanden, von denen aufgrund der englischen Kostenentscheidung lediglich US$ 172.360,61 von der anderen Partei (im Folgenden: Excess Insurance) zu ersetzen waren. Die übrigen US$ 62.273,38 klagte Allendale in New York als Schadensersatz wegen Vertragsverletzung ein. Das Gericht gab der Klage statt und sprach Allendale den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Kosten, die das Unternehmen für die Verteidigung der Gerichtsstandsvereinbarung in England aufgewendet hatte, abzüglich der Kosten, welche ihm durch die englische Entscheidung be­ reits ersetzt worden waren, zu. Die Ausführungen zum Vertragsbruch sind wie­ derum sehr dünn: „Thus, defendants have breached the clause and are liable to Allendale for the still uncompensated expenses it incurred defending the Eng­ lish action.“217 Dabei bezog sich das New Yorker Gericht auf die Laboratory-Entscheidung, ohne jedoch zu erläutern, weshalb der Fall aus Illinois als case law für das New Yorker Recht gelten könne. Die Entscheidung macht deutlich, dass die US-amerikanischen Gerichte die dogmatische Herleitung des Scha­ densersatzanspruchs für unproblematisch halten – der Anspruch ist die logische Folge eines Vertragsbruchs. Außerdem mutet es so an, als hätte das Gericht die Entscheidung besonders deshalb so leicht treffen können, weil es den Versuch von Excess Insurance, einer Leistungsklage in den USA durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage zuvorzukommen, verurteilte: „[T]he availability of declaratory judgments should not allow defendants to avoid their forum-selec­ tion obligations by casting themselves in the role of plaintiffs.“218 Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd, 992 F. Supp.  278, 285 f. (S.D.N.Y. 1998). 217  Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd, 992 F. Supp.  278, 286 (S.D.N.Y. 1998). 218  Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd, 992 F. Supp.  278, 286 (S.D.N.Y. 1998). 216 

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Im neuen Jahrtausend haben die US-amerikanischen Gerichte in weiteren Entscheidungen die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen für die Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung bestätigt. Im Jahr 2003 entschied der New Yorker Supreme Court in Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank 219, dass ein Anspruch auf Ersatz der Kosten, die der nicht ver­ tragsbrüchigen Partei durch die Beklagtenrolle in Russland entstanden waren, nicht gegen die American rule of costs verstoße: „Contrary to the defendant’s contention, damages may be obtained for breach of a forum selection clause […], and an award of such damages does not contravene the American Rule that deems attorney’s fees a mere incident of litigation.“220 Dabei bezog sich das Gericht auf die Laboratory-Entscheidung sowie die Allendale-Entscheidung. Und im Jahr 2004 hatte der Supreme Court of Ohio in Masiongale Electrical-Mechanical, Inc. v. Construction One, Inc.221 über die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten zu entscheiden, weil entgegen einer ausschließlichen Ge­ richtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte in Franklin County, Ohio, ein Verfahren in Indiana in Gang gesetzt worden war. Das Gericht gewährte Ersatz für die der redlichen Partei in dem Verfahren in Indiana entstandenen Anwalts­ kosten samt Zinsen und bejahte auch einen Anspruch bezogen auf die zukünfti­ gen, noch zu erwartenden Anwaltskosten. Ebenso sprach sich auch ein Dis­ triktgericht in Indiana in Ball v. Versar, Inc.222 im Jahr 2006 in einem obiter dictum für die Ersatzfähigkeit der Kosten, die der beklagten Partei in einem Verfahren im forum derogatum entstehen, aus. Es hielt die Vereinbarung in dem konkreten Fall allerdings für nicht bindend und verneinte daher den Anspruch. Grundsätzlich führte es jedoch aus, dass die Verletzung einer wirksamen Ge­ richtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung in einem abgewählten Gericht einen Vertragsbruch darstellen würde und dass die darin für die beklagte Partei wurzelnden Schäden für den Kläger auch vorhersehbar seien: „[T]here is no legal obstacle to an award of damages for breach of a forum selection clause, at least where the clause is exclusive by its terms. It is eminently forseeable that a breach of such a clause may require the expenditure of attorney fees and other costs to enforce it by securing the dismissal or transfer of a lawsuit or other proceedings.“223 Aus demselben Jahr stammt auch die Entscheidung Corner­ Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank, 304 A.D. 2d 429 (2003), 758 N.Y.S.  2d 308 (N.Y. App. Div. 2003). 220  Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank, 304 A.D. 2d 429, 758 N.Y.S.  2d 308, 311 (N.Y. App. Div. 2003). 221  Masiongale Electrical-Mechanical, Inc. v. Construction One, Inc., 102 Ohio St. 3d 1, 806 N.E.2d 148 (Ohio 2004). 222  Ball v. Versar Inc., 454 F. Supp.  2d 783, 808 f. (S.D. Ind. 2006). 223  Ball v. Versar Inc., 454 F. Supp.  2d 783, 809 (S.D. Ind. 2006). 219 

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stone Brands, Inc. v. O’Steen224, in welcher der Court of Chancery of Delaware die Praxis, vertragsbrüchigen Parteien Schadensersatz für die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung aufzuerlegen, angesichts der zahl­ reichen Vorentscheidungen als etabliert betrachtete. 4.  Entscheidungen zu Schiedsvereinbarungen Vor Inkrafttreten des Federal Arbitration Act (FAA) im Jahr 1925 haben die Gerichte in den USA in einigen Fällen Schadensersatz wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung gewährt, und zwar mit der Begründung, die non ouster-Doktrin verbiete specific performance, also auf die Durchführung des Schiedsverfahrens gerichtete Klagen.225 Aus dieser Zeit ist insbesondere die Entscheidung des U.S. Supreme Court in Red Cross Line v. Atlantic Fruit Co.226 aus dem Jahr 1924 bekannt. Das Gericht entschied hier, bei der Schiedsverein­ barung handle es sich um einen rechtlich zulässigen Vertrag, weshalb der aus ihrer Verletzung entstandene Schaden ersetzbar sei: „[A]n agreement to arbi­ trate was legal in New York and damages were recoverable for a breach thereof.“ Ähnlich urteilte auch einige Jahrzehnte später der Court of Civil Appeals of Texas im Jahr 1958 in Payton v. Hurst Eye, Ear, Nose & Throat Hospital.227 Weil eine Partei die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht erzwingen kön­ ne, sei sie auf den Ausweg einer Schadensersatzklage wegen Verletzung der Schiedsvereinbarung angewiesen: „[The party] could not compel an arbitration […] and is relegated to a suit for damages for any breach of the arbitration clau­ ses.“ Im Schrifttum wird auf die Analogien zwischen Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen hingewiesen und die Meinung vertreten, die Rechtspre­ chung zu Gerichtsstandsvereinbarungen könne auf die parallele Problematik im Bereich der Schiedsvereinbarungen übertragen werden.228 5.  Fazit aus der US-amerikanischen Rechtsprechung Die dargestellten Entscheidungen zeigen, dass sich die Möglichkeit, Schadens­ ersatz für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu verlangen, in den Cornerstone Brands, Inc. v. O’Steen, 2006 WL 2788414 (Del. Ch. 2006). Vgl. Die Darstellung bei Marcus, 28 Tulane Law Review (2008), 973 Fn.  255; Poor, 36 Yale Law Journal (1927), 667, 667; Tan, Virginia Journal of International Law (2006–2007), 545, 597. 226  Red Cross Line v. Atlantic Fruit Co., 264 U.S.  109 (1924). Ähnlich schon Farmer v. Kansas City Board of Trade, 78 Mo. App.  557, 566–569 (Ct. App.  1899). 227  Payton v. Hurst Eye, Ear, Nose & Throat Hospital, 318 S.W.2d 726, 731 (Tex. Civ. App.  1958). 228  So etwa Tan, Virginia Journal of International Law (2006–2007), 545, 597 ff., 603 ff. 224  225 

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USA etabliert hat. Allerdings betreffen die meisten Entscheidungen innerame­ rikanische Fälle. Missachtet eine Partei eine Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten eines US-amerikanischen Gerichts durch Klageerhebung im Ausland, liegt es aber nahe, dass die andere Partei erst recht in den USA Ersatz ihrer im ausländischen Verfahren entstandenen Kosten verlangen kann. Die Gerichte scheinen nicht zwischen solchen und rein inneramerikanischen Fällen zu unter­ scheiden, wie auch die Allendale-Entscheidung zeigt, die ein Verfahren im eng­ lischen forum derogatum betraf. Allerdings kann bislang nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass in allen Bundesstaaten Einigkeit hinsichtlich der Ersatzfähigkeit solcher Schä­ den besteht. Der U.S. Supreme Court hatte sich bislang nicht mit der Frage zu beschäftigen. Und nicht in allen Bundesstaaten gibt es Präzedenzfälle. So hat z. B. ein Distriktgericht aus Delaware im Jahr 2006 in RGC International Investors, LDC v. ARI Network Services, Inc.229 einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung unter Hinweis auf fehlen­ des case law verneint. Interessanterweise prüfte das Gericht nicht, ob es in De­ laware case law zu der Frage gab, sondern in Wisconsin, denn die Parteien hatten das Recht von Wisconsin für ihre materiellrechtliche Beziehung gewählt. Das Gericht wendete also automatisch die lex causae auf Ansprüche wegen Ver­ letzung der Gerichtsstandsvereinbarung an. Wie sich die Rechtsprechung in den einzelnen Bundesstaaten in den kommenden Jahren gestalten wird, bleibt abzu­ warten. Die bisherigen Entscheidungen lassen freilich einige Fragen offen. Die dog­ matische Herleitung des Schadensersatzanspruchs fällt in allen zitierten Ent­ scheidungen eher dünn aus. Ohne große Bedenken wird der Anspruch als logi­ sche Folge aus dem in der abredewidrig erhobenen Klage liegenden Vertrags­ bruch abgeleitet. Die Schadenshöhe wird höchstens am Rande diskutiert. Damit steht zwar fest, dass in aller Regel die der redlichen Partei tatsächlich entstan­ den Anwaltskosten ersetzbar sind. Keiner der Entscheidungen lag jedoch ein Fall zugrunde, in welchem das abgewählte Gericht eine Entscheidung in der Sache getroffen hatte. Zu der Frage, ob auch aus der Vollstreckung aus einer Sachentscheidung ein ersetzbarer Schaden erwachsen kann, schweigen die Ent­ scheidungen also. Bemerkenswert ist, dass in den USA auch das abgewählte Gericht, das entgegen der Vereinbarung angerufen wird, selbst über den Antrag auf Schadensersatz entscheiden kann. Allerdings gewähren die Gerichte keinen 229  RGC International Investors, LDC v. ARI Network Services, Inc., 2004 U.S. Dist. LEXIS 1161 (18–19), 2004 WL 189784, Rn.  5 (D. Del. 2004): „Plaintiff has cited no authority for the proposition that under Wisconsin law it is also entitled to damages. Consequently, as plaintiff cannot establish that under Wisconsin law it is entitled to any other remedy, the court will dismiss plaintiff’s breach of contract claim as moot.“

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Schadensersatz, wenn sie die Vereinbarung für prozessual unwirksam oder nicht bindend empfinden. Das dennoch in der Vereinbarung enthaltene Eini­ gungsmoment reicht also – anders als dies z. B. Briggs vorschlägt – nach der Rechtsprechung der US-amerikanischen Gerichte nicht aus, um Vertragspflich­ ten zu erzeugen, die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch sein können. III.  Das US-amerikanische Schrifttum Im US-amerikanischen Schrifttum findet nur vereinzelt eine Auseinanderset­ zung mit der Thematik statt. Shantar, seinerzeit Student an der Universität von Boston, erwog im Jahr 2002 die Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung von forum selection clauses in inneramerikanischen Verbraucherverträgen zu gewähren.230 Allerdings verfolgte er damit einen ganz anderen Zweck als denje­ nigen, Parteien vom Bruch der Vereinbarung abzuschrecken. In seinem Aufsatz beleuchtet er, dass Verbraucher in aller Regel gezwungen seien, einer (häufig in AGB enthaltenen) ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zuzustimmen, weil faktisch alle Unternehmer in ihren Vertragsbedingungen solche Klauseln aufnehmen würden. Daher empfiehlt Shantar die Möglichkeit, Schadensersatz zu leisten, mehr als ein Recht als eine Strafe des Verbrauchers und bezieht sich dabei auf §  359 Restatement (Second) of Contracts (1981), wo geregelt ist, dass „[…] specific performance or an injunction will not be ordered if damages would be adequate to protect the expectation interest of the injured party.“ Der Ver­ braucher soll also Shantar zufolge auch vor einem abgewählten Gericht klagen können, welches, anstatt das Verfahren durch dismissal abzuweisen, den Streit entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidet, den Kläger aber dafür mit Schadensersatz belegt. Daher führt Shantar aus: „[C]ourts should continue to specifically enforce freely negotiated FSCs, but that courts should not neces­ sarily specifically enforce FSCs in consumer adhesion contracts. […] when a sophisticated party wishes to enforce an FSC against a consumer, then, to the extent possible, a court should allow the consumer to pay damages in lieu of dismissal, provided that the sophisticated party does not show cause why it will suffer irreparable harm if the clause is not specifically enforced.“231 Diese Herangehensweise mag aus deutscher Sicht merkwürdig anmuten. Be­ denkt man aber, dass im common law typischerweise Schadensersatz gewährt wird, statt zunächst den Primäranspruch gerichtlich durchzusetzen, also auf performance zu klagen, ist sie eher nachvollziehbar. Shantar begründet sie au­ ßerdem mit dem schützenswerten besonderen Interesse, das Verbraucher daran 230  231 

Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063. Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1067.

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haben können, in einem anderen als dem gewählten Forum zu klagen und dafür im Gegenzug Schadensersatz zu zahlen. Ein solches Interesse bestehe nämlich dann, wenn sie aus physischen oder ökonomischen Gründen nicht in der Lage wären, vor das gewählte Gericht zu ziehen, und damit der Möglichkeit gericht­ lichen Rechtsschutzes, würde man ihnen keinen Prozess im abgewählten Ge­ richt gestatten, insgesamt beraubt wären.232 Hinsichtlich des Umfangs des er­ setzbaren Schadens möchte Shantar neben „damages for the costs of retaining local counsel, transporting witnesses, moving evidence, etc.“, also erhöhten Kosten für die Prozessführung im forum derogatum, auch alle anderen Nach­ teile einbeziehen, die kausal auf der Verletzung der Vereinbarung beruhen: „Of course, this is a non-exhaustive list; under a damages remedy approach, a non-­ breaching party could recover any losses that it could prove with reasonable certainty as a result of the other party’s breach.“233 Eine vertiefte Auseinandersetzung findet sich weiterhin bei Tan, teilweise ge­ meinsam mit Yeo.234 Tan sieht das stärkste Argument für die Anerkennung von Schadensersatzpflichten wegen der Verletzung von Zuständigkeitsvereinbarun­ gen in der Existenz des allgemeinen Schadensrechts: Es bestehe kein Grund, für die Verletzung allgemeiner Vertragspflichten Schadensersatz zu gewähren, nicht aber für die Verletzung der aus einer Zuständigkeitsvereinbarung folgen­ den Pflicht, nicht andernorts als am vereinbarten Forum zu klagen.235 Außerdem sei die Möglichkeit, Schadensersatz zu gewähren, geeignet, Sicherheit und Vor­ hersehbarkeit im internationalen Rechtsverkehr zu gewährleisten, indem das Vertrauen der Parteien auf die Durchsetzbarkeit der Vereinbarung gestärkt wer­ de.236 Tan befürwortet die Gewährung von Schadensersatz daher als Alternative oder Ergänzung zum Erlass einer anti-suit injunction, weil dies nicht nur der Einzelfallgerechtigkeit entspreche, sondern damit auch in genereller Hinsicht den Gerichten effektive Mittel an die Hand gegeben würden, um internationale Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1067, 1086 unter Bezugnah­ me auf Carnival Cruise Lines v. Shute, 499 U.S.  585 (1991) – wo unklar war, ob es der ver­ letzten Klägerin körperlich möglich war, vor das gewählte Gericht zu ziehen – sowie America Online Inc. v. Booker, 781 So. 2d 423, 425 (3rd Cir. 2001) – wo fraglich war, ob der Kläger die finanziellen Mittel für eine Prozessführung fern seines Wohnsitzes hatte. 233  Shantar, 82 Boston University Law Review (2002), 1063, 1079 unter Verweis auf Restatement (Second) of Contracts §  352 (1981), wonach Schadensersatz nicht für solche Pos­ ten verlangt werden kann, die nicht mit Sicherheit bestimmt werden können. 234  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, insb. 637 ff.; siehe aber auch schon Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435 und dies., in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law and Commercial Practice (2003), S.  403 ff. 235  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 637; ähnlich schon Tan/Yeo, L ­ loyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 437. 236  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 640 f. 232 

§ 8 – E.  Zusammenfassung und Ausblick

335

Prozesse zu kontrollieren.237 Das Besondere am Schadensersatz liege nämlich darin, dass er für so viele unterschiedlich gelagerte Situationen in Betracht komme238 und – im Gegensatz zu anti-suit injunctions, die dem Alles-odernichts-Prinzip unterlägen – in seiner Höhe variabel und damit ein flexibles und anpassungsfähiges Mittel sei.239 Außerdem erwägt Tan Schadensersatz als Kor­ rektiv der Abwägung öffentlicher und privater Interessen im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin. Dabei denkt er an diejenigen Fälle, in denen das ge­ wählte Gericht aufgrund der Doktrin das Verfahren abweist, weil ein paralleles Verfahren bereits in einem derogierten Forum anhängig ist und bestimmte öf­ fentliche Interessen dieses andere Gericht zum forum conveniens machen wür­ den. In derartigen Fällen möchte er die Gerichte abwägen lassen, ob Schadens­ ersatz nicht geeignet sei, die darin bestehende Ungerechtigkeit, dass das Verfah­ ren im nicht gewählten Forum durchzuführen sei, abzumildern („[…] consider if an award of damages might mitigate the injustice of having to litigate the dispute in the non contractual forum.“).240 Dabei hält es Tan für die Zukunft für durchaus möglich, dass die Gerichte ihre remedial power, Schadensersatz we­ gen einer Klageerhebung zu gewähren, auch jenseits von Gerichtsstandsverein­ barungen einsetzen könnten, um internationale Prozesse zu den gewünschten Fora zu kanalisieren. Auf diese Weise würden die Gerichte solche inländischen ausschließlichen Zuständigkeiten schützen können, an deren Einhaltung ihnen besonders gelegen sei – so etwa im internationalen Kartell- und Insolvenz­ recht.241 Außerdem tritt er auch dafür ein, wegen der Vergleichbarkeit zwischen Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen die von der Rechtsprechung aufge­ stellten Grundsätze zur Ersatzfähigkeit des Schadens wegen der Verletzung ei­ ner Gerichtsstandsvereinbarung auf die Fälle der Missachtung einer Schieds­ vereinbarung zu übertragen. Schließlich enthielten beide Vereinbarungen ein vertragliches Versprechen, nicht vor einem abgewählten Gericht zu klagen.242

E.  Zusammenfassung und Ausblick Sowohl in England als auch in den USA haben sich die Gerichte in den vergan­ genen Jahren mehrfach mit der Frage befasst, ob die Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung Schadensersatzansprüche begründet, und sie mehrheitlich Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 641. Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 640 Fn.  94. 239  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 641. 240  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 650. 241  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 659 f. 242  Tan, Virginia Journal of International Law (2006–2007), 545, 597 ff., 603 ff. 237 

238 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

bejaht. Dabei wurde der Anspruch auf Schadensersatz durchweg vertraglich qualifiziert. Die dogmatischen Ausführungen zu den Fragen, die sich bei der Begründung eines solchen vertraglichen Schadensersatzanspruchs im deut­ schen Recht, also nach §  280 Abs.  1 BGB, stellen würden, fallen dabei meist eher dünn aus. Weil Schadensersatzansprüche im anglo-amerikanischen Recht verschuldensunabhängig sind, fehlt eine Erörterung typischer Verschuldensge­ sichtspunkte gänzlich. Auch die Frage, ob die abredewidrig erhobene Klage ei­ nen (rechtswidrigen) Vertragsbruch bedeutet, wird jedenfalls nicht vertieft dis­ kutiert. Die Entscheidungen beschränken sich großenteils auf die Feststellung, die Parteien seien mit Abschluss der Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarung einen bindenden Vertrag eingegangen, sodass ein Vertragsbruch zu bejahen sei, wenn eine der Parteien vor einem abgewählten Gericht Klage erhebt. Dies fügt sich in das anglo-amerikanische Rechtsdenken ein, wonach es sich bei Gerichts­ standsvereinbarungen um Verträge zwischen den Parteien handelt, die zwar keine unmittelbar die Zuständigkeitsordnung modifizierende Wirkung haben, die aber ein bindendes Versprechen enthalten und damit ein right not to be sued abroad begründen. Die Betonung des Vertragscharakters zeigt sich vor allem in England auch an der parallelen Behandlung der Verletzung von Schieds- oder Mediationsvereinbarungen. Mittlerweile sollte es in England und auch in den USA ausreichend Präzedenzfälle geben, sodass sich Parteien zukünftig bei auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gerich­ teten Klagen auf case law berufen können. Auch wenn es sich also um eine re­ lativ junge Entwicklung handelt, kann man wohl davon ausgehen, dass sich der Ansatz in der englischen und US-amerikanischen Rechtsprechung etabliert hat. Einschränkend muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass in den USA viele Entscheidungen inneramerikanische Sachverhalte betrafen, das Recht in den einzelnen Bundesstaaten außerdem voneinander abweicht und sich der U.S. Supreme Court bislang nicht mit der hier untersuchten Frage auseinanderzuset­ zen hatte. In der Zukunft sind daher viele Fragen noch zu klären. Zwar gehen die Gerichte in England und in den USA grundsätzlich von einer Vereinbarkeit von Schadensersatzansprüchen mit der public policy und der comitas aus. Un­ geklärt ist aber beispielsweise, ob auch Ersatz des Schadens zugesprochen wer­ den kann, der sich aus der Vollstreckung aus einem ausländischen Urteil in der Sache ergibt. Überhaupt ergeben sich die größten Schwierigkeiten bei der Frage der Schadensbemessung. Zudem bleibt – trotz der englischen Entscheidungen in In the matter of the „Alexandros T“243 in der Zukunft noch zu klären, ob die Schadensersatzmöglichkeit auch im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten der EuGVVO mit den der Verordnung zugrunde liegenden Prinzipien vereinbar ist. 243 

In the matter of the „Alexandros T“ [2013] UKSC 70 und [2014] EWCA Civ 1010.

§ 8 – E.  Zusammenfassung und Ausblick

337

Auch im englischen und US-amerikanischen Schrifttum wird die Möglich­ keit, wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz zu gewähren, überwiegend anerkannt, wobei die Debatte in der englischen Li­ teratur umfassender ist. Nur wenige verneinen vertragliche Schadensersatzan­ sprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung per se. Der überwiegende Teil derjenigen, die sich mit der Problematik befasst haben, hält solche Schadensersatzansprüche sowohl für dogmatisch begründet als auch für rechtspolitisch sinnvoll und im Einklang mit der comitas. Wie die Recht­ sprechung, zieht auch die Literatur Parallelen zwischen Gerichtsstands- und Schieds­vereinbarungen und möchte beide Vereinbarungen grundsätzlich gleich­ behandeln. Auch im Schrifttum scheiden sich die Gemüter wohl am stärksten bei der Frage der Schadensberechnung. Besonders umstritten ist, ob auch der aufgrund einer Sachentscheidung des derogierten Forums entstandene „materi­ elle“ Schaden ersetzbar ist. In England und in den USA gilt daher: Dass die Verletzung einer internatio­ nalen Gerichtsstandsvereinbarung einen vertraglichen Schadensersatzanspruch begründen kann, hat sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt. Viele Einzel­ aspekte des Anspruchs sind aber noch ungeklärt oder umstritten.

§  9  Die Rechtsprechung und die Diskussion in anderen Staaten A.  Überblick Auch in anderen Rechtsordnungen gibt es Rechtsprechung zu der Möglichkeit, wegen der Verletzung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung Scha­ densersatz verlangen zu können. Aus dem Bereich der common law-Staaten ha­ ben sich neben den englischen und US-amerikanischen auch die australischen Gerichte mit der Problematik beschäftigt (B.). Überraschenderweise gibt es aber auch in einem civil law-Staat Rechtsprechung zu der Frage. So hat das spanische Tribunal Supremo in den vergangenen Jahren zweimal für die Ersatz­ fähigkeit des Schadens, welcher der nicht vertragsbrüchigen Partei aus der Ver­ letzung der Gerichtsstandsvereinbarung erwächst, entschieden. Damit ist Spa­ nien neben England der zweite EuGVVO-Mitgliedstaat, in dem die Schadenser­ satzmöglichkeit anerkannt wurde, wobei die jeweiligen Entscheidungen auf abredewidrig eingeleitete Verfahren in Drittstaaten bezogen waren und daher nicht aussagekräftig für die Vereinbarkeit derartiger Schadensersatzprozesse mit der EuGVVO sind. Für die Untersuchung der Frage, ob im kontinentaleuro­ päischen Rechtsdenken vertragliche Schadensersatzansprüche für die Verlet­ zung von Gerichtsstandsvereinbarungen überhaupt möglich sind, könnte die Auseinandersetzung mit der spanischen Rechtsprechung und Jurisprudenz al­ lerdings wertvolle Impulse liefern (C.). In anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten, namentlich in Belgien (D.) und Frankreich (E.), gibt es zwar keine ausdrückli­ che Rechtsprechung zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung, wohl aber Ent­ scheidungen, die für die Debatte mittelbar von Bedeutung sein könnten. Eine solche Entscheidung liegt außerdem aus der Schweiz vor (F.). Schließlich wird die von Takahashi in Japan geführte Diskussion um Schadensersatzansprüche untersucht (G.). Zuletzt sollen die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst werden (H.).

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

B.  Australien Es existieren einige Entscheidungen australischer Gerichte, die sich zumindest mit der Frage auseinandersetzen, ob für die Verletzung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung Schadensersatz geleistet werden muss. Mit der Ent­ scheidung in Anderson v. G.H. Mitchell & Sons Ltd1 aus dem Jahr 1941 liegt zunächst eine Entscheidung zur Verletzung einer Schiedsvereinbarung vor. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien einen Vertrag über die Liefe­ rung von Lämmern geschlossen, der eine Vereinbarung enthielt, wonach alle gegenwärtigen oder zukünftigen Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht ausge­ tragen werden sollten. Als eine der Parteien (im Folgenden: Anderson) doch vor ein staatliches Gericht in Australien zog und Schadensersatz für die angeblich ausgebliebene Lieferung der Lämmer verlangte, rügte die andere Partei (im Fol­ genden: Mitchell) die Zuständigkeit des Gerichts, wurde damit aber nicht ge­ hört. Gegen die Entscheidung legte Mitchell ein Rechtsmittel beim High Court, Australiens höchstem Gericht, ein. Der High Court teilte die Meinung des erstinstanzlichen Gerichts nicht und gab dem Rechtsmittel statt. Dabei sprach er sich grundsätzlich für die Möglichkeit von Schadensersatzpflichten wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung durch Klage vor einem staatlichen Ge­ richt aus: „An agreement to refer disputes, whether existing or future, to arbi­ tration can, apart from statutes, be enforced only by an action for damages against the party who refused to carry it out.“ Bezogen auf den vertragsbrüchi­ gen Kläger führte das Gericht allerdings aus: „The party may by suing expose himself to an action for breach of his contract to refer but, having regard to the measure of damages, that is a risk which he could lightly encounter.“2 Erste Auseinandersetzungen mit der Frage, wie sich die Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung auf die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits auf die Parteien auswirkt, fanden, soweit ersichtlich, erst im neuen Jahrtausend statt. Im Jahr 2004 erging in Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp.3 eine Entschei­ dung zu der Frage, ob das unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung angerufene Gericht, das seine Zuständigkeit entgegen der Vereinbarung bejaht, den Kläger dennoch zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen kann. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Federal Court of Austra­ lia eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des englischen High Court zwar für wirksam gehalten, aber im Ergebnis dennoch seine Zu­ ständigkeit bejaht. Weil nämlich dritte Parteien nicht an die Gerichtsstandsver­ Anderson v. G.H. Michell & Sons Ltd, [1941] HCA 30, 65 CLR 543. Anderson v. G.H. Mitchell & Sons Ltd, [1941] HCA 30, 65 CLR 543, 548, 549, 3  Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp., [2004] 138 FCR 496, [2004] FCA 698. 1  2 

§ 9 – B.  Australien

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einbarung gebunden seien und deshalb außerhalb Englands würden klagen kön­ nen, bestünde andernfalls die Gefahr einander widersprechender Entscheidun­ gen. Das Gericht erklärte aber, der Vertragsbruch des Klägers, der unter Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung die Klage erhoben habe, werde bei der Anwendung der Kostenregeln beachtet.4 Ebenfalls aus dem Jahr 2004 stammt die Entscheidung in Commonwealth Bank of Australia v. White (No. 2 of 2004)5 des Supreme Court in Victoria. In dem Verfahren stritten eigentlich die Commonwealth Bank of Australia und Herr Peter Everett White (im Folgenden: White). White hatte aber eine weitere Partei, Lloyd’s, als Dritten im Wege einer third party claim in das Verfahren miteinbezogen. Allerdings bestand zwischen White und Lloyd’s eine aus­ schließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens von Lloyd’s war nicht erfolgreich. Der Supreme Court setzte das Verfahren nicht aus, weil die Gerichtsstandsver­ einbarung nicht für alle drei beteiligten Parteien bindend war. Allerdings er­ laubte er die von Lloyd’s erhobene Widerklage, mit der Lloyd’s gegen White einen Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Kosten geltend machte. Lloyd’s sah in dem Verfahren in Australien nämlich eine Verletzung der Gerichtsstands­ vereinbarung und verlangte deshalb Ersatz für den Betrag der außergerichtli­ chen Kosten, der nicht bereits über die normalen australischen Kostenregeln ersetzbar war: „[A]ll costs and expenses of and incidental to Lloyd’s defence […] insofar as such costs and expenses are not recovered by Lloyd’s from White on a normal taxation of costs.“ Der Supreme Court of Victoria erlaubte die Wider­ klage, und das, obwohl er zuvor den Antrag auf Verfahrensaussetzung abgewie­ sen hatte. Dazu führte er aus, dass es immerhin möglich sei, dass Lloyd’s das Verfahren in der Sache gewinnen könnte und daher ein Recht habe, Ersatz sei­ ner außergerichtlichen Kosten zu verlangen.6 Diese beiden Entscheidungen zeigen, dass auch die Gerichte in Australien den Vertragscharakter der Gerichtsstandsvereinbarung in den Vordergrund rü­ cken und nach dem Prinzip pacta sunt servanda die Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung im Rahmen ihrer Kostenentscheidung oder sogar im Wege eines materiellrechtlichen Ersatzanspruchs berücksichtigen. In beiden Entschei­ dungen bejahte das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer Drittbeteiligung, versuchte aber, die deshalb entstande­ ne Ungerechtigkeit über die Kostenentscheidung bzw. den Schadensersatzan­ spruch auszugleichen. Es handelt sich also um solche Fälle, in denen das dero­ Incitec Ltd v. Alkimos Shipping Corp., [2004] 138 FCR 496, [2004] FCA 698 Rn.  67. Commonwealth Bank of Australia v. White (No. 2 of 2004), [2004] VSC 268. 6  Zum Ganzen Commonwealth Bank of Australia v. White (No. 2 of 2004), [2004] VSC 268. 4  5 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

gierte Gericht selbst Schadensersatz gewährt, wie wir sie bereits aus den USA kennengelernt haben.

C.  Spanien I.  Die Schadensersatzidee erreicht den civil law-Kreis Die neueren Entscheidungen aus den common law-Staaten, in denen die Gerich­ te Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ge­ währten, waren für manche vielleicht nicht besonders überraschend. Denn wie gezeigt, hat die Idee, aus der Verletzung einer Zuständigkeitsvereinbarung Schadensersatz wegen eines Vertragsbruchs abzuleiten, in diesen Staaten eine lange Tradition. Außerdem ist im common law-Rechtskreis generell ein aus der Zuständigkeitsvereinbarung erwachsendes right not to be sued abroad aner­ kannt, weshalb die Gerichte Prozessführungsverbote erlassen, um im Ausland abredewidrig eingeleitete Verfahren zu untersagen. Das Prozessführungsverbot ist den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen jedoch fremd, so auch der spanischen. Umso bemerkenswerter ist ein Entscheidungsduo aus Spanien aus den Jahren 2007 und 2009. Diese Entscheidungen demonstrieren, dass die Mög­ lichkeit von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer internatio­ nalen Gerichtsstandsvereinbarung nicht dem common law vorbehalten ist, son­ dern tatsächlich auch Eingang in das Recht in einem Staat des civil law-Rechts­ kreises gefunden hat. II.  Das Entscheidungsduo des Tribunal Supremo 1.  Die Entscheidung aus dem Jahr 2007 Bekannt ist zunächst eine Entscheidung des Tribunal Supremo, Spaniens höchs­ ten Zivilgerichts, aus dem Jahr 2007.7 Die Parteien hatten die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in Madrid bestimmt, doch eine der Parteien (im Fol­ genden: Sarepa) zog vor ein Gericht in New York. Tatsächlich entschied das New Yorker Gericht in der Sache und hielt die Klage für unbegründet. Darauf­ hin verlangten die in New York beklagten Parteien (Pepsi Cola de España, SA 7 

Spanisches Tribunal Supremo, 23.02.2007, Cendoj-Nr.: 28079110012007100239, Aranzadi Westlaw, RJ/2007/2118. Kurzzusammenfassung bei Álvarez González, IPRax 2009, 529, 529 Fn.  1. Siehe dazu auch Álvarez González, Revista Española de Derecho Internacional 2008, 215; Cuniberti/Requejo, ERA Forum 2010, 7, 10 Fn.  7; Requejo, Lis pendens in Spain, vom 22.10.2008, online abrufbar unter ; Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 383.

§ 9 – C.  Spanien

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und CMCI, im Folgenden: Pepsi) vor dem gewählten Gericht in Madrid Ersatz ihrer Kosten für das New Yorker Verfahren, insbesondere der Anwaltskosten. Der von Sarepa vorgebrachte res iudicata-Einwand wurde vom erst- und zweit­ instanzlichen Gericht in Spanien anerkannt. Dagegen verwarf in der dritten In­ stanz das Tribunal Supremo den Einwand und gewährte den begehrten Scha­ densersatz. Allerdings setzte es sich in seiner Entscheidung großenteils auch nur mit der Frage auseinander, ob das US-amerikanische Verfahren bzw. Urteil einer spanischen Entscheidung entgegenstehen würde, kaum jedoch mit der dogmatischen Herleitung des Schadensersatzanspruchs. Geklärt ist mit dem spanischen Urteil also, dass eine ausländische Entscheidung über die Unwirk­ samkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und eine im Ausland ergangene Kos­ ten­entscheidung einem darauffolgenden inländischen Verfahren nicht entge­ genstehen, in dem über einen materiellrechtlichen Ersatzanspruch für die im ausländischen Verfahren aufgewendeten Kosten entschieden wird. Dagegen kann die Entscheidung des Tribunal Supremo für die Frage, ob überhaupt Scha­ densersatzansprüche wegen der Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen möglich sind, wenig fruchtbar gemacht werden. Eine dogmatische Auseinan­ dersetzung mit der Problematik, ob die Verletzung einer Gerichtsstandsverein­ barung überhaupt dazu geeignet ist, materiellrechtliche Ersatzansprüche zu be­ gründen, findet kaum statt. Dennoch ist die Entscheidung bemerkenswert, ins­ besondere, weil sich gerade an ihrer Kürze zeigen mag, wie selbstverständlich das Gericht davon ausging, auch die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung stelle einen für das materielle Recht relevanten Vertragsbruch dar. Noch interessanter wäre der Fall gewesen, hätte das New Yorker Gericht die Klage nicht als unbegründet abgewiesen, sondern ihr in der Sache stattgegeben und zulasten von Pepsi entschieden. Dann hätte Pepsi nicht nur versuchen können, in Spanien Ersatz der in New York angefallenen außergerichtlichen Kosten und seiner sonstigen Aufwendungen für das Verfahren zu erhalten. Pepsi hätte dar­ über hinaus auch versuchen können, Schadensersatz wegen der zu seinen Las­ ten ergangenen Sachentscheidung zu bekommen. Es hätte sich dem Gericht also die interessante Frage gestellt, ob auch wegen eines ausländischen Urteils in der Sache Schadensersatz gewährt werden kann. Diese Frage bleibt für die Zukunft auch in Spnaien noch unbeantwortet. 2.  Die Entscheidung aus dem Jahr 2009 Dieser Frage hatte sich das spanische Tribunal Supremo auch nicht in der zwei­ ten bekannten Entscheidung aus dem Jahr 20098 zu widmen. Im Rahmen dieser 8  Spanisches Tribunal Supremo, 12.01.2009, Cendoj-Nr.: 28079110012009100055, Aranzadi Westlaw RJ/2009/544, abgedruckt in 2009 Repertorio de Jurisprudencia 542. Dazu Álvarez

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Entscheidung stellte es jedoch weitergehende dogmatische Überlegungen an, als es erneut eine Klage auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der spanischen Gerichte positiv beschied. Die beiden Vorinstanzen hatten die Schadensersatzklage noch mit der Begründung abgelehnt, die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung könne aufgrund deren prozessualen Charakters nicht zu einer Schadens­ ersatzpflicht führen, sondern verursache eine rein prozessuale Folge, nämlich die Abweisung des Verfahrens durch das forum derogatum und dementspre­ chende Kostenbescheide.9 Zugrunde lag der Entscheidung ein Vertrag zwischen der USA Sogo Inc. und einem spanischen Unternehmen, The Travel­stead Group Spain, S.A., vertreten durch Herrn Ángel Jesús. Der Vertrag enthielt sowohl eine Gerichtsstandsklausel zugunsten eines Gerichts in Barcelona als auch eine Rechtwahlklausel zugunsten des spanischen Rechts. 1997 zog Herr Jesús je­ doch vor ein Gericht in Florida und verklagte die USA Sogo Inc. auf über US$ 450 Millionen Schadensersatz zuzüglich Zinsen. Der Fall macht also deutlich, dass auch europäische Parteien versuchen, ihren Vertragspartner vor einem US-amerikanischen Gericht zu verklagen, um in den Genuss bestimmter Vor­ teile des US-amerikanischen Rechts zu kommen. Das Gericht in Florida wies die Klage allerdings im Jahr 1999 unter Hinweis auf die wirksame Gerichts­ standsvereinbarung ab, ebenso war auch das Rechtsmittel des Klägers erfolglos. Das Gericht traf allerdings eine Kostenentscheidung nach der American rule of costs. Als Folge konnte die USA Sogo Inc. Rechnungen in Höhe von über 800.000 Euro vorlegen, die sie für Anwaltskosten wegen der Klage in Florida hatte aufbringen müssen und die sie nach der Kostenentscheidung des Gerichts in Florida selbst zu tragen hatte. Ersatz dieser Kosten verlangte das Unterneh­ men vor einem Gericht in Barcelona. Nach der Klageabweisung durch beide Vorinstanzen hatte die Klage der USA Sogo Inc. in höchster Instanz Erfolg: Das Tribunal Supremo sprach ihr zehn Jahre nach dem Verfahren in Florida insge­ samt 649.477 Euro Schadensersatz wegen der Verletzung der Gerichtsstands­ vereinbarung durch ihren Vertragspartner zu.10 Auch diese Entscheidung entbehrt einiger wichtiger Diskussionspunkte, z. B. wurden weder Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit noch zum an­ wendbaren Recht gemacht. Das Gericht bezog ganz automatisch die Rechts­ González, IPRax 2009, 529; Cuniberti/Requejo, ERA Forum 2010, 7, 10; Requejo, On the Value of Choice of Forum and Choice of Law Clauses in Spain, vom 24.04.2009, online ab­ ruf­bar unter ; dies., Revista Electrónica de Estudios Internacionales 2009, 17; Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 383 f. 9  Álvarez González, IPRax 2009, 529, 529 f. 10  Vgl. zum Sachverhalt auch Álvarez González, IPRax 2009, 529, 530.

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wahlklausel zugunsten des spanischen Rechts auch auf die Frage, ob Schadens­ ersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu gewähren sei. Allerdings hatten auch beide Parteien von Anfang an auf Grundlage des spanischen Rechts argumentiert.11 Das Tribunal Supremo setzte sich aber durch­ aus vertieft mit der Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen auseinan­ der. Es vertrat im Gegensatz zu den Vorinstanzen die Ansicht, es handle sich bei diesen um verpflichtende Verträge, deren Nichterfüllung genauso zu behandeln sei wie die Nichterfüllung eines „normalen“ materiellrechtlichen Vertrags. Das Tribunal Supremo teilte nämlich die schon aus England bekannte Qualifikation von Gerichtsstandsvereinbarungen als Verträgen mit Doppelnatur: Bei der Ge­ richtsstandsvereinbarung handle sich um einen Vertrag mit sowohl prozessualer als auch materiellrechtlicher Natur, der über seine materiellrechtliche Seite nor­ male vertragliche Verpflichtungswirkungen entfalte.12 Die Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung stelle also einen Vertragsbruch dar, der Schadenser­ satzansprüche begründen könne. Daher entschied das Gericht, dass vertragli­ cher Schadensersatz aus Art.  1101 Código Civil, und nicht etwa deliktischer Schadensersatz, zu gewähren sei. Die Klägerin hatte ihr Begehren auf beide Möglichkeiten gestützt. Nach Art.  1101 Código Civil hat eine Partei, die vor­ sätzlich oder fahrlässig ihre vertraglichen Pflichten verletzt hat, der anderen Partei alle daraus entstandenen Schäden zu ersetzen. Um sein Ergebnis zu stüt­ zen, nahm das Tribunal Supremo außerdem auch eine wirtschaftliche Betrach­ tung vor, indem es untersuchte, weshalb die Parteien die Gerichtsstandsverein­ barung abgeschlossen hatten und welche Bedeutung ihr im Rahmen des Ge­ samtvertrags zukam. Weil der Vereinbarung typischerweise eine große Bedeutung im Rahmen der Vertragsverhandlungen zukomme und sie daher auch Auswirkungen z. B. auf den vereinbarten Preis habe, müsse es sich um eine echte vertragliche Verpflichtung handeln, deren Verletzung Schadensersatzan­ sprüche auslösen könne. Darüber hinaus setzte sich das Gericht auch mit dem res iudicata-Einwand auseinander. Es vertrat die Ansicht, dass die US-amerika­ nische Kostenentscheidung allein für die Höhe des ersetzbaren Schadens von Bedeutung sei, also lediglich untersucht werden müsse, welche Kosten von der Entscheidung bereits erfasst seien und welche nicht, damit keine doppelte Kom­ pensation stattfände.13 Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 391 f. Siehe auch Cuniberti/Requejo, ERA Forum 2010, 7, 12 m. w. N. aus dem spanischen Schrifttum; Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 384. 13  Vgl. zum Ganzen Spanisches Tribunal Supremo, 12.01.2009, Cendoj-Nr.: 280791100120 09100055, Aranzadi Westlaw RJ/2009/544, abgedruckt in 2009 Repertorio de Jurispruden­ cia, 542. 11 

12 

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III.  Das spanische Schrifttum Die beiden Entscheidungen des Tribunal Supremo haben im spanischen Schrift­ tum überwiegend Anklang gefunden.14 Insbesondere findet die Qualifikation von Gerichtsstandsvereinbarungen als Verträgen mit prozessualer und zugleich materiellrechtlicher Doppelnatur Unterstützung. Nach Ansicht von Sánchez Fernández handelt es sich bei der Gerichtsstandsvereinbarung um einen Ver­ trag des materiellen Rechts, welcher auf die Regelung prozessualer Fragen ge­ richtet sei. So schreibt sie: „Hence, choice-of-court clauses are a manifestation of party autonomy, although their aim is to produce procedural effects. It is a procedural issue to determine under which condition the procedural effects are produced and which are these effects (to prorogate or derogate forum). In con­ trast, issues concerning the formation of the clause have a substantive nature.“ Bezogen auf diese materiellrechtliche Seite von Gerichtsstandsvereinbarungen will sie, im Einklang mit dem Tribunal Supremo, die lex causae, also das den Vertrag in seiner Gesamtheit beherrschende Recht, anwenden: „[T]he lex cau­ sae would tell us whether the consequences are an award of damages or not.“15 Sánchez Fernández sieht den Wert von Schadensersatzpflichten für die Verlet­ zung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor allem in deren ab­ schreckendem Effekt. Daher bezeichnet sie Schadensersatzpflichten als eine sinnvolle Lösung, um gegen taktisches forum shopping vorzugehen.16 Zudem betont sie, dass es sich bei der Schadensersatzmöglichkeit um eine im jeweili­ gen Einzelfall gerechte Lösung handle. Dies ist für das spanische Recht deshalb nachvollziehbar, weil in Art.  1107 Códico Civile danach unterschieden wird, ob der Schadensersatzschuldner lediglich fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Nach dem ersten Absatz der Vorschrift hat ein Schuldner, der einen Vertrag in good faith verletzt hat, nur solche Schäden zu ersetzen, die für ihn vorhersehbar waren und die sich als direkte Folge des Vertragsbruchs darstellen. Demgegen­ über hat der Schuldner, der in bad faith gehandelt hat, alle Schäden zu ersetzen. Sánchez Fernández zufolge soll also etwa ein Torpedo-Kläger, der mit seiner Klage im derogierten Forum den Rechtsstreit lahmzulegen beabsichtigt, vollum­ fänglich haften, während derjenige, der beispielsweise zu Unrecht von der Un­ Álvarez González, Revista Española de Derecho Internacional 2008, 215; ders., IPRax 2009, 529; Cuniberti/Requejo, ERA Forum 2010, 7, 10; Jiménez Blanco, Anuario Español de Derecho Internacional Privado 2009, 225, 226 ff.; Requejo, On the Value of Choice of Forum and Choice of Law Clauses in Spain [oben Fn.  8]; dies., Revista Electrónica de Estudios Inter­ nacionales 2009, 17; Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 383 f. 15  Vgl. Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 384 f. 16  Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 390. 14 

§ 9 – C.  Spanien

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wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausgeht, nur für den Ersatz der direkten und vorhersehbaren Schäden aufkommen müsse.17 Auch die Ausführungen des Tribunal Supremo zur wirtschaftlichen Bedeu­ tung der Gerichtsstandsvereinbarung im Gesamtgefüge des Vertrags werden im Schrifttum geteilt. Nach Cuniberti und Requejo muss untersucht werden, wes­ halb die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung eingegangen sind und welche Bedeutung ihr beim Anschluss des Vertrags zugekommen ist: „[I]l faut recher­ cher pourquoi les parties ont conclu cette clause, et ce qu’elle représente dans la décision individuelle de conclure le contrat.“18 IV.  Rückschlüsse für andere Staaten des civil law-Kreises? Die Entscheidungen des spanischen Tribunal Supremo und die Ausführungen im spanischen Schrifttum sind für eine deutsche Perspektive besonders wichtig. Dass in einigen Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises Schadenser­ satz für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ge­ währt wird, kann leicht unter Hinweis auf die erheblichen dogmatischen Unter­ schiede zwischen dem Recht der common law-Staaten und der civil law-Staaten abgetan werden. Schließlich werden in den anglo-amerikanischen Rechtsord­ nungen auch anti-suit injunctions erlassen, die dem deutschen Recht fremd sind. Die Rechtsprechung und Debatte in Spanien zeigen aber, dass auch aus Sicht eines in kontinentaleuropäischer Rechtstradition geprägten Staates Gerichts­ standsvereinbarungen als (jedenfalls auch) materiellrechtliche Verträge mit Verpflichtungswirkung angesehen werden können. Freilich bedeutet dies nicht, dass in Deutschland keine andere Qualifikation von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen möglich ist. Vor allem muss beachtet werden, dass dem spanischen Recht das Abstraktionsprinzip fremd ist. Wie schon erwähnt und im Folgenden noch näher erläutert19, übertragen in Deutschland einige aber gerade das aus dem materiellen Recht bekannte Abstraktionsprinzip auf die Unterscheidung zwi­ schen materiellrechtlichen und prozessualen Verträgen und verneinen aus die­ sem Grund die verpflichtende Wirkung von Prozessverträgen unter Hinweis auf deren Verfügungscharakter. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Spanien um den ersten Staat des civil law-Kreises, der Schadensersatz für die Verletzung inter­ nationaler Gerichtsstandsvereinbarungen gewährt, und nach England bereits um den zweiten Mitgliedstaat der EuGVVO. Dies sollte bei der Untersuchung des deutschen Rechts nicht außer Acht gelassen werden. Für die Vereinbarkeit von Sánchez Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 393 f. Cuniberti/Requejo, ERA Forum 2010, 7, 12. Ähnlich auch Sánchez Fernández, 12 Year­ book of Private International Law 12 (2010), 377, 384. 19  Vgl. die Darstellung unten in Teil III §  12 B. 17 

18 

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

Schadensersatzklagen mit der EuGVVO sind die spanischen Urteile allerdings nicht weiterführend, schließlich wurden die abredewidrig eingeleiteten Verfah­ ren in beiden Fällen in derogierten drittstaatlichen Foren ausgefochten.

D.  Belgien Die belgischen Gerichte mussten sich, soweit ersichtlich, bislang (noch) nicht mit einer auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung gerichteten Klage auseinandersetzen. Aus Belgien überrascht jedoch eine Entscheidung der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel aus dem Jahr 200020, in welcher das Gericht deliktischen Schadensersatz für einen Fall der missbräuchlichen Klageerhebung gewährte. Wie bereits darge­ stellt, handelte es sich bei Belgien neben Italien um einen der Staaten, in denen in den vergangenen Jahren in Europa Kläger missbräuchliche Torpedo-Klagen erhoben haben, um die vergleichsweise lange Verfahrensdauer auszunutzen.21 Die Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage konnte in Belgien, gerade in Patentrechtsstreitigkeiten, mehrere Jahre beanspruchen. Dies wurde häufig aus­ genutzt, indem potentielle Schutzrechtsverletzer in Belgien negative Feststel­ lungsklagen erhoben und so versuchten, über einen langen Zeitraum hinweg einer Leistungs- oder Unterlassungsklage in derselben Sache wegen Geltung des Prioritätsprinzips aus Art.  27 EuGVVO a. F. zu entgehen. So war auch der konkrete Fall gelagert: Die Kläger beabsichtigten mit ihrer Klage, ein europäi­ sches Patent für das belgische Staatsgebiet für nichtig erklären und darüber hi­ naus feststellen zu lassen, dass sie ein weiteres europäisches Patent durch den Vertrieb bestimmter Produkte nicht verletzten. Weiter sollte festgestellt werden, dass es ihnen freistehe, diese Produkte in einer Reihe von Staaten der EU her­ zustellen, zu vermarkten und zu verkaufen. Die insgesamt 14 Beklagten bestrit­ ten daraufhin die Zuständigkeit des Gerichts und erhoben Widerklage, die auf Schadensersatz wegen missbräuchlicher Klageerhebung gerichtet war und dar­ auf abzielte, die Kläger zur Zahlung von 20.000 Euro an jede der Beklagten zu verurteilen. Tatsächlich war das belgische Gericht zwar zuständig für die Feststellung der Nichtigkeit des Patents im Hinblick auf das belgische Staatsgebiet sowie in Be­ zug auf die Frage, ob die Kläger das andere Patent auf dem belgischen Staatsge­ biet verletzt hatten oder nicht. Die Zuständigkeit für die Entscheidung bezogen Rechtbank van eerste aanleg te Brussel, 12.05.2000 (Röhm Enzyme), GRUR Int. 2001, 170. Vgl. dazu Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1013. 21  Vgl. dazu oben Teil I §  4 C. I. 2. 20 

§ 9 – D.  Belgien

349

auf die anderen Staaten der EU war jedoch wegen der ausschließlichen Zustän­ digkeitsvorschrift in Art.  16 Abs.  4 EuGVÜ nicht gegeben. Es handelte sich da­ mit um einen der typischen Torpedo-Fälle, in denen der Streit um die mögliche Verletzung eines Schutzrechts vom potentiellen Schutzrechtsverletzer vor ein unzuständiges belgisches Gericht gebracht worden war, wodurch die Auseinan­ dersetzung in der Sache wegen des in Art.  21 EuGVÜ enthaltenen Prioritäts­ prinzips gelähmt war, bis das belgische Gericht die Zuständigkeitsfrage beant­ wortet hätte. Die Beklagten trugen folglich auch vor, dass einige Parteien des­ halb Klagen mit grenzüberschreitender Wirkung erheben würden, weil sie hofften, dass „wegen der strukturellen Bearbeitungsrückstände des Gerichts die Entscheidung über die Zuständigkeit Jahre auf sich warten lassen werde, mit der Folge, dass mögliche Entscheidungen über die Klage durch Gerichte anderer Vertragsstaaten für etliche Jahre blockiert werden.“ Bei den belgischen Gerich­ ten bestünde in den vergangenen Jahren ein solcher Arbeitsrückstand, „dass es für male fide-Parteien lohnend erscheinen könne, Klagen mit grenzüberschrei­ tender Wirkung in Belgien zu erheben, um so für fünf bis zehn Jahre alle ande­ ren Klagen abzublocken.“22 Die Rechtbank van eerste aanleg te Brussel schloss sich dieser Argumentati­ on der Beklagten an. Die Kläger hätten offenkundig mutwillig die Nichtigerklä­ rung des Patents für die anderen Mitgliedstaaten nicht beantragt, weil sie sich sehr wohl darüber bewusst gewesen seien, dass das belgische Gericht wegen Art.  16 Nr.  4 EuGVÜ für derartige Klagen unzuständig wäre. Genau diese Ein­ grenzung des Rechtsstreits deute jedoch auf ein unredliches Verhalten der Klä­ ger hin. Daher bejahte das Gericht einen Missbrauch des Prozessrechts durch die Kläger. Diese hätten trotz Kenntnis, dass für die Gültigkeit eines Patents gemäß Art.  16 Nr.  4 EuGVÜ eine ausschließliche Zuständigkeit besteht, ihre Klage auf die Frage der Gültigkeit des Patents für das belgische Staatsgebiet beschränkt. Gleichzeitig ergebe sich aber aus der gesamten Begründung der Nichtigkeitsklage, dass der Rechtsstreit sich nicht nur auf das belgische Staats­ gebiet beschränke, sondern das gesamte Gebiet betreffe, in dem das europäische Patent Geltung habe. Die Kläger seien sich also des Umstands bewusst gewesen, dass sie eigentlich in jedem Staat gesondert eine Klage auf Nichtigerklärung würden erheben müssen. Dass sie aber die Klage auf Feststellung der Nichtver­ letzung für das gesamte Gebiet, in dem das Patent galt, ausgerechnet in Belgien erhoben hätten, zeige, dass sie einzig und allein die Absicht eines Missbrauchs der Prioritätsregelung in Art.  21 EuGVÜ verfolgt hätten. „Das Spekulieren auf das langsame Arbeiten des Justizapparats und auf den hieraus zugunsten der 22  Vgl. insgesamt Rechtbank van eerste aanleg te Brussel, 12.05.2000 (Röhm Enzyme), GRUR Int 2001, 170, 171.

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

Kläger resultierenden ökonomischen Vorteil […]“ stelle verbunden mit dem Missbrauchsverhalten eine unerlaubte Handlung dar.23 Aufgrund des missbräuchlichen Verhaltens der Kläger bejahte das Gericht auch den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Beklagten, allerdings mangels substantiierten Vortrags zur Schadenshöhe lediglich in Höhe von 20.000 Euro für alle Beklagten zusammen. Zur Begründung wurde angeführt, eine Partei missbrauche das Prozessrecht dann, wenn sie eine Klage nur deshalb erhebe, um der Gegenseite Schaden zuzufügen oder um das Prozessrecht zu einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Zweck einzusetzen. Ein derartiger Missbrauch des Prozessrechts sei daher wie jeder andere Rechtsmissbrauch als unerlaubte Handlung i. S. v. Art.  1382 und 1383 Code civil – die Vorschriften regeln deliktischen Schadensersatz für einen Rechtsmissbrauch – zu behandeln. Es sei nicht ausreichend, die Klage lediglich mangels Unzuständigkeit abzuwei­ sen. Denn jeder Rechtsmissbrauch müsse sanktioniert werden. Ein Beklagter, der sich gegen einen Anspruch verteidigen muss, der rechtmäßig nicht vor Ge­ richt hätte geltend gemacht werden dürfen, könne daher Schadensersatz verlan­ gen. Dafür spreche zudem, dass die rechtsmissbräuchliche Klage schließlich nicht nur dem Beklagten Schaden zufüge, sondern auch dem Gerichtssystem, weil sie zu einer unnötigen Belastung der Gerichte beitragen würde. Das Ver­ halten einer missbräuchlichen Klageerhebung sei daher auch unter sozialen Ge­ sichtspunkten verwerflich, indem es geeignet sei, das Gerichtssystem struktu­ rell zu unterminieren.24 Die Entscheidung betraf keinen Fall der Verletzung einer Gerichtsstandsver­ einbarung. Folgerichtig konnte der gewährte Schadensersatz auch von vornher­ ein nicht auf eine vertragliche Anspruchsgrundlage gestützt werden. Nur eine deliktische Anspruchsgrundlage kam für die Begründung des Schadensersatz­ anspruchs in Betracht. Daher reiht sich die Entscheidung auch nicht in die dar­ gestellten anglo-amerikanischen und spanischen Entscheidungen ein, in denen der im forum derogatum beklagten Partei vertraglicher Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährt worden ist. Trotzdem zeigt die Entscheidung, dass in Belgien die Erhebung einer Klage im unzustän­ digen Gericht dann, wenn sie missbräuchlich ist, Schadensersatzpflichten des Klägers begründen kann. Sollte in Belgien in der Zukunft eine auf Schadenser­ satz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gerichtete Klage erhoben werden, kann die vorliegende Entscheidung jedenfalls bei der Argu­ 23  Rechtbank van eerste aanleg te Brussel, 12.05.2000 (Röhm Enzyme), GRUR Int. 2001, 170, 173. 24  Zum Ganzen Rechtbank van eerste aanleg te Brussel, 12.05.2000 (Röhm Enzyme), GRUR Int. 2001, 170, 171. Kritisch bezogen auf den praktischen Nutzen solcher deliktischer Schadensersatzansprüche Leitzen, GRUR Int. 2004, 1010, 1015.

§ 9 – E.  Frankreich

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mentation für einen solchen Anspruch genutzt werden. Bemerkenswert ist da­ bei, dass es sich wiederum um einen Fall handelte, in dem das angerufene und unzuständige Gericht selbst der widerklagehalber erhobenen Schadensersatz­ klage stattgegeben hat.

E.  Frankreich Auch die französischen Gerichte hatten bislang noch nicht über eine Schadens­ ersatzklage wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsverein­ barung zu entscheiden. Allerdings hat die französische Cour de cassation im Jahr 2009 eine anti-suit injunction aus dem US-Bundesstaat Georgia, mit wel­ cher einer Partei die Prozessführung vor dem Tribunal de commerce in Nanter­ re untersagt werden sollte, am französischen ordre public international gemes­ sen und für anerkennungsfähig und vollstreckbar befunden. Seine Entscheidung stützte das Gericht auf die Achtung der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien, deren Durchsetzung die anti-suit injunction diene.25 Der Streit betraf einen Vertrag zwischen der US-amerikanischen In Zone Brands Inc., einem Hersteller von Kindergetränken, und dem französischen Un­ ternehmen In Beverage, welches die Getränke in Europa vertrieb. Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass der Vertrag dem Recht des Bundesstaats Geor­ gia unterliegen sollte, und eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der Gerichte von Georgia geschlossen. Nachdem In Zone Brands Inc. den Vertrag gekündigt hatte, klagte In Beverage vor dem Tribunal de Commerce in Nanterre. In Zone Brands Inc. rügte die Zuständigkeit des Gerichts in Nanter­ re und leitete ein Verfahren vor dem Superior Court of Cobb County, Georgia, ein. Dieses Gericht erließ ein Versäumnisurteil sowie eine anti-suit injunction gegen In Beverage, mit welcher dem Unternehmen die Fortführung des Verfah­ rens in Frankreich untersagt werden sollte. Das in Frankreich angerufene Be­ rufungsgericht in Versailles hielt die anti-suit injunction für wirksam und die daraufhin angerufene Cour de cassation schloss sich dieser Entscheidung an. Dabei hatte sie noch wenige Jahre zuvor in einem obiter dictum die Anerken­ nungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit von anti-suit injunctions in Frankreich verneint.26 Interessant ist, dass sie ihre vor diesem Hintergrund überraschende Entscheidung maßgeblich damit begründete, dass die anti-suit injunc­tion zum 25  Vgl. Cour de cassation, Arrêt n° 1017 du 14 Octobre 2009 (08-16.369/08-16.549) (In Beverage International, ex. In Zone Brands Europe v. In Zone Brands Inc.). Dazu vgl. Perreau-Saussine, 59 International and Comparative Law Quarterly (2010), 519, 523 ff. 26  Cour de cassation, 1ère civ. 30.06.2004 (Stolzenberg v. Daimler Chrysler Canada), RJDA 4/05 n° 489.

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

Schutz der Gerichtsstandsvereinbarung, also zum Schutz einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien, ergangen sei. Die Anerkennung der antisuit injunction widerspreche nicht dem französischen ordre public, weil sie allein dazu diene, die Verletzung der vertraglich begründeten Verpflichtung zwischen den Parteien zu sanktionieren: „[L]’objet consiste seulement, comme en l’espèce, à sanctionner la violation d’une obligation contractuelle préexistante.“ Aus der Entscheidung kann freilich nicht gefolgert werden, dass die französi­ schen Gerichte auch der Gewährung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung offen gegenüberstehen. Sie zeigt aber, dass die Gerichtsstandsvereinbarung in Frankreich als echter binden­ der Vertrag zwischen den Parteien anerkannt wird. Daher hat die Entscheidung auch international einiges Aufsehen erweckt und wurde als Zeichen der Aufge­ schlossenheit der französischen Rechtsprechung gegenüber Gerichtsstandsver­ einbarungen als Verträgen mit Bindungswirkung ausgelegt.27 Betont wurde u. a., dass die französischen Gerichte mit größter Wahrscheinlichkeit einer anti-suit injunction, die aus anderen Gründen und nicht zum Schutz einer Gerichtsstands­ vereinbarung ergangenen wäre, die Anerkennung versagt hätten.28 Führt man den der Entscheidung zugrunde liegenden dogmatischen Gedankengang weiter, so sind Schadensersatzansprüche für die Verletzung internationaler Gerichts­ standsvereinbarungen in Frankreich jedenfalls denkbar. Denn durch die Aner­ kennung einer anti-suit injunction zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinba­ rung hat die Cour de cassation zum Ausdruck gebracht, dass in Frankreich ein aus der Gerichtsstandsvereinbarung folgender Primäranspruch, nicht vor einem abgewählten Gericht verklagt zu werden – also in anglo-amerikanischer Termi­ nologie das right not to be sued abroad – anerkannt wird. Folgerichtig müssten grundsätzlich auch Sekundäransprüche aus der Verletzung dieser primären Un­ terlassungspflicht erwachsen. Überbewertet werden darf die Bedeutung der Ent­ scheidung für die hier untersuchte Frage indes nicht. Schließlich gelten für die Anerkennung eines Prozessführungsverbots andere Maßstäbe als für seinen Erlass. Außerdem sagt die grundsätzliche Anerkennung einer aus der Gerichts­ standsvereinbarung erwachsenden vertraglichen Unterlassungspflicht als Kehr­ seite des right not to be sued abroad noch nichts darüber aus, ob einem Scha­ densersatzanspruch wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung in Frankreich nicht andere Unzulässigkeits- oder Hinderungsgründe entgegenge­ halten werden würden. Die Entscheidung hat aber jedenfalls eine Tür geöffnet.29 27  Vgl. z.B Franc-Menget/Smith Freehills, France: A New Haven For Anti-suit Injunctions?, vom 17.05.2010, online abrufbar unter . 28  Rouhette/Di Meglio, European Product Liability Review 37/2009, 13, 14. 29  Dazu siehe auch Illmer, IPRax 2010, 456, 463 f.

§ 9 – F.  Die Schweiz

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F.  Die Schweiz Soweit ersichtlich, mussten bislang auch die Schweizer Gerichte (noch) nicht über die Frage entscheiden, ob die Verletzung einer internationalen Gerichts­ standsvereinbarung Schadensersatzansprüche begründet. Allerdings hatte sich das Schweizerische Bundesgericht im Jahr 2010 mit der Frage zu befassen, ob ein Schiedsgericht Schadensersatz wegen der Verletzung einer Schiedsverein­ barung durch die Erhebung einer Klage in einem staatlichen Gericht gewähren darf.30 Die Parteien hatten sich auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens in der Schweiz geeinigt. Eine der Parteien erhob jedoch eine Klage in Tel Aviv/ Jaffa, Israel. Die nicht vertragsbrüchige Partei beantragte in Israel erfolgreich die Aussetzung des Verfahrens und verlangte dann vor dem Schiedsgericht in der Schweiz Feststellung, dass ihr Ausgleich für den Schaden, der ihr durch das Verfahren in Israel entstanden war, zu gewähren sei. Das Schiedsgericht stellte antragsgemäß die Ersatzfähigkeit der Schäden, die aus der Verletzung der Schiedsvereinbarung erwachsen würden, fest, woraufhin die andere Partei den Schiedsspruch vor dem Schweizerischen Bundesgericht anfocht. Das Bundesgericht entschied – im Einklang mit der zwei Jahre später erfolgten West Tankers-Entscheidung des englischen High Court31 – dass die Schiedsgerich­ te die Zuständigkeit besäßen, über Schadensersatzklagen wegen der Verletzung einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Außerdem prüfte es, ob sich ein Schiedsspruch, mit dem Schadensersatz wegen Verletzung einer Schiedsvereinba­ rung gewährt wird, im Widerspruch mit dem ordre public befindet, verneinte aber einen solchen Verstoß. Dabei begründete das Gericht seine Entscheidung damit, das Schiedsgericht habe kein Werturteil über die Zuständigkeit des israelischen Gerichts oder dessen Kostenentscheidung getroffen, sondern allein darüber ent­ schieden, ob die Schadensersatz schuldende Partei die Schiedsvereinbarung ge­ brochen habe. Weiterhin konnte es auch keine Verletzung des ordre public in Form einer Beschneidung des Rechts auf Zugang zu den Gerichten feststellen. Denn dieses Recht werde gerade nicht dadurch verletzt, dass die Parteien den Rechts­ streit durch eine bindende Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen.32 Auch wenn das Schweizerische Bundesgericht selbst nicht über den Scha­ densersatzanspruch zu entscheiden hatte und es sich außerdem um eine Schieds- 30  Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts vom 11.02.2010, 4A_444/2009. Vgl. dazu Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1202; Scherer, 14 Interna­ tional Arbitration Law Review (2011), 43. 31  West Tankers Inc. v. Allianz SpA and others [2012] EWHC 854 (Comm). Vgl. dazu oben Teil II §  8 C. II. 2. c). 32  Vgl. die Zusammenfassung der Urteilsgründe bei Scherer, 14 International Arbitration Law Review (2011), 43 f.

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

und keine Gerichtsstandsvereinbarung handelte, zeigt diese Entscheidung doch, dass auch in der Schweiz die bloße Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Zuständigkeitsvereinbarung grundsätzlich bestehen muss. Gewiss kann aus der Entscheidung nicht abgeleitet werden, dass ein staat­ liches Gericht in der Schweiz ebenfalls einer Klage auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung stattgeben würde. Jedenfalls die rechtspolitischen Erwägungen, welche das Bundesgericht anstellte, sprechen allerdings für diese Annahme. Im Jahr 2013 hat das Schweizerische Bundesgericht erneut die begehrte Auf­ hebung eines Schiedsspruchs nach Art.  190 ff. IPRG abgelehnt.33 Mit dem Schiedsspruch war eine Partei zum Ersatz aller Schäden verurteilt worden, die daraus resultierten, dass sie entgegen einer Schiedsabrede vor ein griechisches staatliches Gericht gezogen war. Das Schweizerische Bundesgericht entschied, in der Verurteilung zum Schadensersatz liege kein Übergriff auf die Kogni­ tionsbefugnis des griechischen Gerichts.34

G.  Japan In Japan gibt es, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung zu der behandelten Frage, ob für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz gewährt werden kann. Allerdings stammt eine umfassende Auseinandersetzungen mit der Thematik von dem japanischen Professor Takahashi.35 Wie Briggs unterteilt auch Takahashi die möglichen Fälle grundsätz­ lich danach, ob das forum derogatum die Gerichtsstandsvereinbarung anerkannt und deshalb das Verfahren unter Verneinung seiner Zuständigkeit abgewiesen bzw. ausgesetzt hat (durch dismissal oder stay of proceedings) oder ob es ent­ schieden hat, das Verfahren in der Sache durchzuführen.36 Die Unterscheidung soll nach Takahashi erstens für die Frage entscheidend sein, ob Schadensersatz grundsätzlich überhaupt möglich ist, zweitens für den res iudicata-Einwand, drittens für Fragen der international comity und viertens für Umfang und Höhe (quantification) des Anspruchs.37 Innerhalb der zweiten Gruppe differenziert er weiter danach, ob das Erstgericht die Vereinbarung für unwirksam erachtet hat 33 

Vgl. den Beschluss des Schweizerischen Bundesgerichts vom 30.09.2013, 4A_232/2013. Kritisch Hess, JZ 2014, 538, 542. 35  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57 und 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73. 36  Zur Differenzierung vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 60 ff. 37  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 60. 34 

§ 9 – G.  Japan

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oder ob es sie grundsätzlich für wirksam hielt, aber aufgrund einer Ermessens­ entscheidung dennoch nicht als bindend betrachtete.38 Takahashi erwägt zunächst die Möglichkeit, dass das unter Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung angerufene Gericht selbst den Kläger zur Leistung von Schadensersatz für den Vertragsbruch verpflichtet. Dies hält er jedenfalls in der ersten Fallgruppe, also wenn das Gericht die Vereinbarung anerkennt und seine eigene Zuständigkeit verneint, für möglich.39 Auch in der zweiten Fall­ gruppe, also wenn das Gericht seine eigene Zuständigkeit bejaht, hält er es je­ denfalls für denkbar, dass der Kläger dem Beklagten die Kosten der Prozess­ führung zu ersetzen hat.40 Der Schwerpunkt seiner Untersuchung liegt aber bei der Frage, ob vor dem in der Vereinbarung benannten Gericht in einem Sekundärprozess, also nachdem vor einem abgewählten Gericht Klage erhoben wurde, für die Klageerhebung im forum derogatum Schadensersatz verlangt werden kann.41 Hier unterschei­ det er ebenfalls zwischen den beiden Fallkategorien, also danach, ob das Erst­ gericht seine Zuständigkeit verneint oder bejaht hat. Dabei bedenkt Takahashi die verschiedenen Probleme, die dem Schadensersatzanspruch entgegenstehen könnten, insbesondere die Frage seiner Vereinbarkeit mit der international comity. Grundsätzlich befürwortet er aber die Möglichkeit und kommt daher zu dem Zwischenergebnis, Erwägungen der comitas dürften der Gewährung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstands­ vereinbarung nicht entgegenstehen: „[T]he court hearing a damages claim should not let international comity stand in the way of granting the relief sought.“42 Der wesentliche seiner Untersuchung zugrunde liegende Gedanke besteht darin, dass sich die abredewidrig klagende Partei unfair verhält und die redliche Partei nicht auf dem ihr durch dieses Verhalten entstehenden Schaden 38  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 62 unter Verweis auf die englische Entscheidung Baghlaf Al Safer Factory Co. v. Pakistan National Shipping Co. [1998] 2 Lloyd’s Rep.  229, wo der englische Court of Appeal entschied, dass dann, wenn der Kläger vernünftigerweise (reasonably) entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung in Eng­ land Klage erhoben und sogar in Kauf genommen hat, dass der Anspruch in dem jeweiligen ausländischen Staat verjährt, ein stay of proceedings wegen der Gerichtsstandsvereinbarung nur dann nicht gerechtfertigt sei, wenn die andere Partei in dem ausländischen Verfahren darauf verzichten würde, sich auf die Verjährung des Anspruchs zu berufen. 39  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 72. 40  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 73: „[T]he court may award the defendant damages for breach of the agreement in respect of the costs incurred over and above the sum already awarded to him by its costs order. It is doubtful, however, that the court will go so far as to allow him to claw back any sum which it has ordered him to pay by its own judgment on the merits.“ 41  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 74 ff. 42  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 81.

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Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

sitzen bleiben soll: „If a party is aggrieved by his opponent’s unscrupulous liti­ gation behaviour, the courts should not use comity as a pretext for renouncing its responsibility towards him if he has such a sufficient contact with the forum as to warrant extending to him a helping hand.“43 In diesem Sinne ist Takahashis Ansatz auch ein vergleichsweise weiter: Obwohl er erläutert, dass Bestehen und Durchsetzbarkeit des Schadensanspruchs verschiedenen Hindernissen begeg­ nen, hält er eine umfassende Ersatzpflicht für möglich, bei der auch auf Grund­ lage einer hypothetischen Betrachtung der Schaden ermittelt werden könne, welcher der redlichen Partei durch ein Sachurteil des forum derogatum entstan­ den sei.44 Seine abschließenden Worte muten dann fast wie eine Warnung an die Gerichte des civil law-Systems an: „If the common law courts cast off any re­ maining hesitancy in granting this remedy, the divide between the common law and the civil law and camps in their approach to international litigation will become wider, which may affect the strategy of drafters of choice-of-court agreements.“45 In seinem Fortsetzungsaufsatz setzt sich Takahashi außerdem mit Ansprü­ chen auseinander, die sich nicht aus dem vertraglichen Verhältnis, also der Ge­ richtsstandsvereinbarung selbst, sondern aus Delikts- oder Bereicherungsrecht ergeben, wobei er zu dem relativ offenen Ergebnis gelangt, dass die Einzelhei­ ten stets vom anwendbaren Recht abhängen werden.46 Auch in diesem Zusam­ menhang wird seine Position als Verfechter der Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zu ge­ währen, nicht nur in seinen abschließenden Worten deutlich: „The basic posi­ tion, however, remains that a country and its courts are free to stand up for their own belief that circumstances dictate that the aggrieved party should be granted relief, so long as they stay clear of violating public international law.“ Speziell für Japan sind Takahashis Ausführungen u. a. deshalb bedeutsam, weil es zwar nach Art.  61 der japanischen Zivilprozessordnung (Minji Soshô Hô) grundsätzlich eine Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei gibt, aber gemäß Art.  2 des Gesetzes über Rechtskosten (Minji Hiyô Toi ni Kansuru Hôritsu) nur die Kosten der Klageerhebung, nicht aber die Anwaltskosten von der Kostentragungspflicht erfasst sind.47 Das japanische Kostenrecht hat also große Ähnlichkeiten mit der Kostenverteilung in den USA nach der American Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 90. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 85. 45  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 91 und 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 76. 46  Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 79 ff. 47  Vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 61 Fn.  16; ders. 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 79. Vgl. auch oben Teil I §  5 B. II. 2. c). 43 

44 

§ 9 – H.  Zusammenfassung und Ausblick

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rule of costs.48 Weil die Kostenregeln allein nicht zu einer umfänglichen Kom­ pensierung führen, kann gerade in Fällen mit Bezug zu Japan das Bedürfnis nach Schadensersatz bestehen.

H.  Zusammenfassung und Ausblick Die Untersuchung von Rechtsprechung und Schrifttum anderer Staaten zu der Frage, ob die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatzansprüche begründen kann, zeigt, dass dieses Institut nicht nur in England und den USA bekannt ist und diskutiert wird, sondern auch in eini­ gen anderen Staaten. Gleichwohl gibt es (bisher) nur in sehr wenigen Staaten Gerichtsentscheiden zu der Frage. Es überrascht nicht, dass im common lawStaat Australien, genau wie in England und in den USA, dem vertraglichen Charakter einer Zuständigkeitsvereinbarung die bindende Pflicht, Klagen im derogierten Forum zu unterlassen, entnommen wird. Dagegen sind die beiden Entscheidungen des spanischen Tribunal Supremo umso bemerkenswerter, weil in diesen Fällen vertragliche Schadensersatzansprüche zum ersten Mal von ei­ nem Gericht in einem civil law-Staat, dessen Rechtstradition keine Prozessfüh­ rungsverbote und kein right not to be sued abroad kennt, anerkannt worden sind. Für eine deutsche Sichtweise ist besonders interessant, wie selbstverständ­ lich das Tribunal Supremo aus der Gerichtsstandsvereinbarung bindende Ver­ tragspflichten abgleitet hat. Die beiden untersuchten Entscheidungen aus Frank­ reich und Belgien dürfen dagegen nicht überbewertet werden, könnten jedoch jeweils aus anderen Gründen in der Zukunft bei der Begründung vertraglicher Schadensersatzansprüche stützend herangezogen werden. Die belgische Ent­ scheidung verdeutlicht, dass die belgischen Gerichte grundsätzlich bereit sind, für missbräuchlich eingeleitete Verfahren, also für ein unrechtmäßiges prozessuales Verhalten, materiellrechtlichen Schadensersatz zu gewähren. Und die Entscheidung aus Frankreich zur Anerkennungsfähigkeit ausländischer Pro­ zessführungsverbote, die auf Gerichtsstandsvereinbarungen gestützt werden, demonstriert, dass die französischen Gerichte vornehmlich auf den Vertrags­ charakter von Gerichtsstandsvereinbarung abstellen, was es ihnen auch ermög­ lichen könnte, vertraglichen Schadensersatz wegen deren Verletzung zu gewäh­ ren. Ob in diesen Staaten jedoch überhaupt einmal Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf dem Klageweg verlangt wer­ den wird, bleibt abzuwarten. Ein größeres Gewicht kann dagegen den Entschei­ dungen des Schweizerischen Bundesgerichts beigemessen werden. Auch wenn 48 

Vgl. bereits Teil I §  4 D. II. 3 in Fn.  184.

358

Teil II:  Rechtsprechung und Schrifttum ausländischer Staaten

das Gericht in beiden Fällen nur als Rechtsmittelinstanz über den angefochte­ nen Schiedsspruch zu entscheiden hatte und die Verletzung einer Schieds- und keiner Gerichtsstandsvereinbarung zur Frage stand, lassen die Entscheidungen doch erheblichen Raum für die Spekulation, dass in der Schweiz auch wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz eingeklagt werden könnte. Der Abhandlung Takahashis wiederum ist zu entnehmen, dass auch in Japan ein Bedürfnis nach Schadensersatzansprüchen wegen der Verlet­ zung von Gerichtsstandsvereinbarungen besteht und man dieser Möglichkeit im Schrifttum aufgeschlossen gegenübersteht. In der Gesamtbetrachtung kann aber kaum die Rede davon sein, es handle sich bei Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung bereits um ein global etabliertes Institut. In den meis­ ten Staaten der Welt wurde bislang, soweit ersichtlich, noch gar nicht versucht, Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsver­ einbarung einzuklagen, sodass sich die Gerichte auch noch nicht mit den dogma­ tischen und rechtspolitischen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, auseinanderzusetzen hatten – es bleibt dabei: nullo actore, nullus iudex: wo kein Kläger, da kein Richter. Selbst in den wenigen Staaten, deren Gerichte ausdrück­ lich über das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung entschieden haben, befindet sich die Möglich­ keit noch in der Entwicklung und sind längst nicht alle Fragen, insbesondere zur Schadenshöhe, geklärt. Weiterer Klärung bedarf auch die Frage, ob im Verhält­ nis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO Schadensersatz gewährt werden darf oder ob eine solche Entscheidung den Vertrauensgrundsatz oder andere der Verordnung zugrunde liegende Prinzipien verletzen würde. Als Folge der Debatte im Schrifttum ist es denkbar, dass in den kommenden Jahren von ihr ermutigte Anwälte versuchen werden, in Reaktion auf eine abre­ dewidrig erhobene Klage für ihre Mandanten Schadensersatz einzuklagen. Nicht auszuschließen ist außerdem, dass sich in Europa Parteien in anderen Staa­ ten von der Rechtsprechung in Spanien und England angespornt sehen und ähn­ liche Klagen auch in ihrer Heimat erheben. Dies sind jedoch bloß Mutmaßungen – Prophezeiungen lassen sich auf diesem neuen Terrain kaum machen. Mit eini­ ger Sicherheit lässt sich lediglich sagen, dass die Schadensersatzmöglichkeit in den Staaten, deren Gerichte bereits Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährt haben, in der nahen Zukunft nicht wieder spurlos aus dem Repertoir möglicher Schutzmöglichkeiten wegen der Verlet­ zung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung verschwinden wird.

Teil III

Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor deutschen Gerichten

§  10  Einführung zum dritten Teil der Untersuchung In Teil III dieser Arbeit soll untersucht werden, ob auch vor deutschen Gerichten erfolgreich Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung verlangt werden kann. Wie dargestellt wurde, ist die sichere Durchsetzbarkeit von Gerichtsstands­ vereinbarungen im Verhältnis gegenüber Drittstaaten problematischer als im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten. Während die Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. – gemeinsam mit weiteren Änderungen der EuGV­ VO – die Anreize für eine Klageerhebung in einem derogierten mitgliedstaatli­ chen Forum minimiert hat und außerdem in Europa annähernd lückenlos die Regel gilt, dass die unterliegende Partei die gerichtlichen und außergerichtli­ chen Kosten des Verfahrens zu tragen hat, ist bei einer Klage in einem Dritt­ staat, z. B. in den USA, nicht immer darauf Verlass, dass sich das abgewählte Gericht für unzuständig erklären wird. Außerdem drohen der nicht vertrags­ brüchigen Partei teilweise immense finanzielle Nachteile wegen des ausländi­ schen Kostenrechts, etwa der American rule of costs. Gleichzeitig wird das Ver­ hältnis zwischen den Mitgliedstaaten von den der EuGVVO zugrunde liegen­ den Erwägungen und der Rechtsprechung des EuGH überlagert, sodass der Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen durch den Grundsatz des gegensei­ tigen Vertrauens oder durch andere Prinzipien Grenzen gesetzt sein könnten. Im Verhältnis zu Drittstaaten muss ein deutsches Gericht bei der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch hingegen nur die ihm von der völkerrechtli­ chen comitas gesetzten Grenzen beachten. Aus all diesen Gründen werden zu­ nächst Schadensersatzansprüche gegen Parteien, die vor abgewählten drittstaat­ lichen Gerichten klagen, behandelt. Erst im Anschluss daran wird untersucht, ob sich im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO oder zukünf­ tig im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten des HGÜ Besonderheiten oder Ein­ schränkungen ergeben. Dabei kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht, je nachdem, wie man den möglichen Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung qualifiziert. Wie dargestellt worden ist, neh­ men die englischen, US-amerikanischen und spanischen Gerichte eine vertrag­

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

liche Qualifikation vor.1 Dies liegt auch nahe, weil mit dem Anspruch auf Scha­ densersatz die Folgen der Missachtung der Vereinbarung, also eine Vertragsver­ letzung, kompensiert werden sollen.2 Im Schrifttum wird aber teilweise auch eine deliktische Qualifikation vertreten.3 Im deutschen Recht ist die vertragli­ che Haftung für den Gläubiger im Vergleich zu deliktischen Ansprüchen vor­ teilhafter.4 Ihm kommt die Beweislastumkehr für das Vertretenmüssen aus §  280 Abs.  1 S.  2 BGB zugute. Außerdem haftet der Schuldner ohne Exkulpa­ tionsmöglichkeit für seine Erfüllungsgehilfen nach §  278 BGB. Hinzukommen die längeren Verjährungsfristen im Vertragsrecht. Allerdings schließen die möglichen Anspruchsgrundlagen einander nicht aus, vertragliche, deliktische, aber auch bereicherungsrechtliche Ansprüche können im deutschen Recht in Anspruchskonkurrenz zueinander stehen. Deshalb konzentriert sich die folgen­ de Untersuchung zwar schwerpunktmäßig auf vertragliche Ansprüche, delikti­ sche und bereicherungsrechtliche Ersatz- bzw. Erstattungsansprüche werden jedoch ebenfalls in gebotener Kürze geprüft. Konkret widmen sich zunächst drei Kapitel vertraglichen Schadensersatzan­ sprüchen im Drittstaatenverhältnis. Dabei werden zuerst die Zulässigkeit einer auf vertraglichen Schadensersatz gerichteten Klage vor einem deutschen Ge­ richt untersucht und das den Anspruch beherrschende Sachrecht ermittelt (§  11). Das darauffolgende Kapitel setzt sich mit den Voraussetzungen für das Beste­ hen eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs aus §  280 Abs.  1 BGB ausei­ nander, also mit den Fragen, ob die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung eine Pflichtverletzung bedeutet, wann das Verhalten des Auslandsklägers rechtswidrig ist und die Anforderungen an das Vertretenmüssen erfüllt sind (§  12). Anschließend beschäftigt sich ein Kapitel mit der Schadenshöhe sowie der Durchsetzbarkeit einer vertraglichen Schadensersatz gewährenden Ent­ scheidung im Ausland (§  13). Ein weiteres Kapitel behandelt dann die Frage, ob im Drittstaatenverhältnis auch deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprü­ che wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung möglich sind (§  14). Im vorletzten Kapitel werden die Besonderheiten oder Einschränkungen, die sich im Bereich international vereinheitlichter Rechtssysteme ergeben könn­ ten, überprüft. Untersucht werden zum einen die Vereinbarkeit von Schadenser­ satzansprüchen wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsver­ 1 

Siehe dazu oben Teil II §  8 B. I. und §  9 C. II. Ebenso Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 278 f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  244. 3  Insb. von Tham, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 46, insb. 60 ff. 4  Vgl. auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  79; Prange, Materiell-rechtliche Sanktionen bei Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht durch Zeugen und Parteien (1995), S.  44 f. 2 

§  10  Einführung zum dritten Teil der Untersuchung

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einbarung mit dem Regime der EuGVVO und zum anderen die Möglichkeit solcher Schadensersatzprozesse unter Geltung des HGÜ (§  15). Die in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse werden in einem Schlusskapitel zusammenge­ fasst (§  16). Wie bereits dargestellt, ist eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen denkbar, sodass beispielsweise Briggs zwischen sechs möglichen Szenarien unterschei­ det.5 Der Anschaulichkeit halber werden der Untersuchung die nachfolgenden Beispielsfälle zugrunde gelegt, die jedoch nicht darauf abzielen, jedes mögliche Szenario abzudecken. Die Besonderheiten, die sich je nach den Umständen des Einzelfalls ergeben können, werden vielmehr unabhängig von den Fallbeispie­ len im Kontext der jeweiligen Fragestellung erörtert. Fallbeispiel 1: „Redlich“ und „Brüchig“ haben einen Vertrag geschlossen, der eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält. Dieser Vereinbarung nach ist ausschließlich das LG Mainz für die Entscheidung über sämtliche aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Parteien erwachsenden Streitigkeiten zuständig. Trotzdem verklagt „Brüchig“ den „Redlich“ vor einem Gericht in New York. Variante 1: Das New Yorker Gericht verneint seine Zuständigkeit und führt kein Verfahren in der Sache durch. Variante 2: Das New Yorker Gericht bejaht seine Zuständigkeit, führt das Verfahren durch und trifft eine Sachentscheidung. Fallbeispiel 2: Der Vertrag zwischen „Redlich“ und „Brüchig“ enthält wiederum eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des LG Mainz. „Brüchig“ verklagt „Redlich“ vor einem Gericht in Italien. Variante 1: Das Gericht in Italien verneint seine Zuständigkeit und führt kein Verfahren in der Sache durch. Variante 2: Das Gericht in Italien bejaht seine Zuständigkeit, führt das Verfahren durch und trifft eine Sachentscheidung.

5 

Vgl. oben Teil II §  8 C. III. 2. a).

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Fallbeispiel 3: Wie Fallbeispiel 1 mit beiden Varianten, allerdings gilt für Deutschland und die USA das HGÜ, es handelt sich bei beiden Parteien um Unternehmen, „Brüchig“ hat seinen Unternehmenssitz in New York und „Redlich“ hat seinen Unternehmenssitz in Deutschland.

§  11  Vertragliche Schadensersatzansprüche: Zulässigkeit einer Klage und anwendbares Recht A.  Überblick Das elfte und die folgenden beiden Kapitel beschäftigen sich mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts bzw. der deut­ schen Gerichte durch Klageerhebung in einem Drittstaat. In diesem Kapitel soll zunächst untersucht werden, ob die deutschen Gerichte für die Entscheidung über eine auf vertraglichen Schadensersatz wegen der Verletzung einer interna­ tionalen Gerichtsstandsvereinbarung gerichtete Klage zuständig sind (B.). So­ dann wird ermittelt, ob in Fällen, in denen das abredewidrig angerufene Gericht eine Sach- und bzw. oder Kostenentscheidung getroffen hat, der Zulässigkeit des Schadensersatzverfahrens in Deutschland der res iudicata-Einwand entge­ gensteht (C.) und in welchen Fällen der nicht vertragsbrüchigen Partei das allge­ meine Rechtsschutzbedürfnis für eine Schadensersatzklage zu versagen ist (D.). Zuletzt soll eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welches Recht den vertraglichen Anspruch auf Schadensersatz beherrscht (E.)

B.  Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte I.  Grundsatz: Die Zuständigkeit folgt aus der Gerichtsstandsvereinbarung Wenn eine Partei vor einem deutschen Gericht Schadensersatz wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung verlangt, hat das Gericht zuerst zu prü­ fen, ob es überhaupt international zuständig für die Entscheidung über den Scha­ densersatzanspruch ist. Die Frage der internationalen Zuständigkeit ist unprob­ lematisch. Nach allgemeiner Meinung folgt aus der Gerichtsstandsvereinbarung, dass das gewählte Gericht für die Entscheidung über auf die Gerichtsstandsver­ einbarung selbst gestützte Folgeansprüche zuständig ist. Denn die Vereinbarung ist in aller Regel dahingehend weit auszulegen, dass sie für alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, also auch für die aus

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

dem Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten gelten soll.1 In den ausländi­ schen Entscheidungen, die Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung gewährt oder die Möglichkeit jedenfalls diskutiert haben, finden sich durchweg keinerlei Ausführungen zur Frage der Zuständigkeit, was darauf schließen lässt, dass die Gerichte automatisch davon ausgehen, die Ge­ richtsstandsvereinbarung eröffne ihnen auch die Zuständigkeit zur Entschei­ dung über den Schadensersatzanspruch. Dem entspricht es auch, dass die engli­ schen Gerichte die Zuständigkeit zum Erlass einer anti-suit injunction zum Schutz der eigenen Prorogation aus der Gerichtsstandsvereinbarung ableiten.2 Auch im Falle einer Klage, die auf die Feststellung der Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung gerichtet ist, ist nach der hier vertretenen Auffassung das in der Vereinbarung bezeichnete Gericht international zuständig.3 Für die Zuständigkeit des in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichneten Gerichts wird außerdem der Parteiwille angeführt.4 Zudem wird ein Vorteil der Zustän­ digkeit des forum prorogatum auch darin gesehen, dass im Rahmen der Beziffe­ rung der Schadenshöhe in einigen Fällen eine Hypothese angestellt werden müs­ se, wie das Sachurteil im gewählten Gericht ausgefallen wäre. Diese Hypothese sei vom forum prorogatum selbst am einfachsten durchzuführen.5 Abgesehen von diesen zusätzlichen Argumenten wird aber schlicht auf die innere Verbin­ dung zwischen forum prorogatum und dem möglichen vertraglichen Schadens­ ersatzanspruch abgestellt. So schreibt etwa Takahashi: „The whole idea of awar­ ding damages for breach of a choice of court agreement is founded on the notion that if a party is aggrieved by his opponent’s unscrupulous litigational behaviour, the courts should not shrink from offering the remedy provided that the nexus with the case is sufficiently strong.“6 Für den Fall, dass sich die Parteien aus­ Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 435; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Inter­ nationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.159; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  136; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländi­ schen Gerichten (1989), S.  110; Mankowski, IPRax 2009, 23, 34; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  245 (bei hinreichend weit gefasster Formulierung); Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  468. 2  Vgl. oben Teil I §  6 F. II. 1. und Continental Bank N.A. v. Aeakos Compania Naviera S.A. and others [1994] 1 WLR 588 (C.A.); Youell v. Kara Mara Shipping Co. Ltd [2000] 2 Lloyd’s Rep.  102, 115 (Q.B.). Vgl. auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivil­ prozeßrecht (1996), S.  212 f.; Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse im Internationalen Zivilverfahrensrecht der Schweiz (2003), S.  155; Kurth, Inländischer Rechts­ schutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  110; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  348. 3  Vgl. oben Teil I §  6 G. II. 2. 4  Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 92. 5  Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 92. 6  Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 92. 1 

§ 11 – B.  Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

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drücklich darauf geeinigt haben, dass die Verletzung der Gerichtsstandsverein­ barung durch Klageerhebung im abgewählten Gericht Schadensersatzansprüche begründet, ist erst recht das forum prorogatum der richtige Gerichtsstand zur Durchsetzung dieser die Vereinbarung absichernden Ansprüche.7 Ob ein bestimmtes deutsches Gericht oder die deutschen Gerichte im Allge­ meinen für die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch zuständig sind, richtet sich dann nach der Formulierung der Gerichtsstandsvereinbarung und den Bestimmungen des deutschen Rechts zur örtlichen Zuständigkeit. Haben die Parteien sich, wie in den Fallbeispielen, auf die ausschließliche Zuständig­ keit des LG Mainz geeinigt, so folgen internationale und örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts für die Entscheidung über den vertraglichen Sekundäranspruch aus der Gerichtsstandsvereinbarung.8 Haben sich die Parteien hingegen darauf geeinigt, dass „die deutschen Gerichte“ ausschließlich zuständig sein sollen, sind die deutschen Gerichte im Allgemeinen international zuständig. Die örtli­ che Zuständigkeit richtet sich dann nach den §§  12 ff. ZPO.9 In den meisten Fäl­ len internationaler Handelsverträge wird sich die örtliche Zuständigkeit dann aus §  29 ZPO ergeben. Falls sich im nationalen Recht kein Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit findet, soll eine Ersatzanknüpfung vorgenommen und notfalls auf den (Wohn-)Sitz einer Partei oder den Sitz der Regierung abge­ stellt werden.10 II.  Zuständigkeit des derogierten, abredewidrig angerufenen Gerichts? Eine andere Frage besteht darin, ob die Zuständigkeit des forum prorogatum für die Entscheidung über den vertraglichen Schadensersatzanspruch ausschließ­ lich ist, ob sich also die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auch Mankowski, IPRax 2009, 23, 34. Vgl. zur Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, in der die Gerichte in Paris für zuständig erklärt werden und nicht ausdrücklich auf den Mitgliedstaat Frankreich Bezug genommen wird, jüngst EuGH, 07.07.2016, Rs. C-222/15 (Hőszig Kft./Alstom Power Thermal Services), Rn.  43 ff. 9  Vgl. LG Mainz, 13.09.2005, WM 2006, 2319, 2322; Dörner, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, Art.  25 EuGVVO Rn.  21; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.107; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVVO Rn.  75 ff.; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Art.  23 EuGVO Rn.  68; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12.  Aufl. 2015, Art.  23 EuGVVO a. F. Rn.  1. An der Rechtslage dürfte sich durch die Reform der EuGVVO nichts geändert haben. 10  Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.107; C. Kohler, IPRax 1983, 265, 268 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVVO Rn.  78; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Art.  23 EuGVO Rn.  68. 7  8 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

auf die Zuständigkeit zur Entscheidung über Sekundäransprüche, die in der Vereinbarung wurzeln, erstreckt. Auf den ersten Blick liegt dies nahe, denn es besteht kein Grund, weshalb die Gerichtsstandsvereinbarung nur im Hinblick auf bestimmte Ansprüche aus­ schließlich sein sollte. Außerdem spricht für die Ausschließlichkeit, dass an­ dernfalls in Bezug auf den Schadensersatzanspruch wiederum Torpedo-Takti­ ken ermöglicht würden: Die Partei, die die Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im abgewählten Forum verletzt hat, könnte sonst der anderen Partei durch Erhebung einer auf die Feststellung, dass sie für die Verletzung der Vereinbarung keinen Schadensersatz schulde, gerichteten Klage zuvorkommen und auf diese Weise versuchen, den Streit um den Schadensersatzanspruch vor­ übergehend zu lähmen. Andererseits könnte die Annahme, nur das gewählte Gericht sei für die Ent­ scheidung über den Schadensersatzanspruch zuständig, jedoch zur Folge haben, dass auch die redliche Partei nicht direkt vor dem abredewidrig angerufenen Gericht Schadensersatz verlangen dürfte. Wie dargestellt wurde, gibt es auslän­ dische Entscheidungen, in denen das derogierte Gericht, vor dem entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung eine Klage erhoben worden war, den Vertrags­ bruch selbst mit einer – etwa widerklagehalber beantragten – Haftung auf Scha­ densersatz sanktioniert hat.11 Wenn etwa im Fallbeispiel 1 das New Yorker Ge­ richt „Brüchig“ zur Leistung von Schadensersatz wegen der unter Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung erhobenen Klage verurteilen würde, wäre die­ ses Urteil in Deutschland wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfä­ hig, würde man davon ausgehen, dass allein das LG Mainz die ausschließliche internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über den Schadensersatzan­ spruch besäße. Ein solches Ergebnis würde den Parteiinteressen nicht gerecht werden und zu einer unnötigen Dopplung von Verfahren führen. Abhilfe kann allerdings geschaffen werden, indem man in derartigen Fällen eine rügelose Einlassung konstruiert: Es wäre treuwidrig, wenn sich der Auslandskläger, der unter Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung in New York Klage erhoben hat, nun seinerseits auf die Unzuständigkeit des von ihm selbst angerufenen Gerichts für die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch berufen wür­ de. Folglich muss seine Klageeinreichung im forum derogatum als antizipierte Einlassung auch auf das – etwa durch Widerklage der redlichen Partei initiierte – Verfahren über den Schadensersatzanspruch aufgefasst werden.12 Dogmatisch weniger überzeugend, aber zum selben Ergebnis führend, könnte man die Ge­ 11  Vgl. insb. die Beispiele aus der US-amerikanischen Rechtsprechung oben in Teil II §  8 D. II. 3. 12  Ähnlich Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 283 (Widerklagezuständigkeit am forum derogatum).

§ 11 – C.  Der res iudicata-Einwand

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richtsstandsvereinbarung in Bezug auf die sich aus ihrer Verletzung ergebenden Sekundäransprüche nur als einseitig ausschließlich betrachten in dem Sinne, dass die vor einem abgewählten Gericht verklagte Partei stets auch vor diesem Gericht Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen darf. Vorzugswürdig ist der erste Weg: Für Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Ge­ richtsstandsvereinbarung ist also ausschließlich das gewählte Gericht zustän­ dig. Indem eine Partei abredewidrig im forum derogatum klagt, lässt sie sich aber zugleich antizipiert auf ein – etwa widerklagehalber – eingeleitetes Verfah­ ren über eine mögliche Schadensersatzpflicht wegen der Verletzung der Verein­ barung ein. Davon abgesehen steht es den Parteien selbstverständlich frei, zu­ sätzliche Gerichtsstände für den Schadensersatzanspruch zu vereinbaren.

C.  Der res iudicata-Einwand I. Problemaufriss Unabhängig davon, ob man vom Bestehen materieller Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ausgeht, könnte die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs in einem Sekundärprozess bereits am res iudicata-Einwand scheitern, wenn das abredewidrig angerufene ausländische Gericht eine Entscheidung getroffen hat. Denn die materielle Rechtskraft einer im ausländischen Primärprozess ergangenen Entscheidung könnte einem Verfahren vor dem deutschen Gericht über einen Schadensersatz­ anspruch zulässigkeitshindernd entgegenstehen. Die Problematik kann dabei leicht mit Aspekten der Schadensbemessung ver­ mischt werden. Denn auch im Rahmen der Frage, welche Schadensposten die nicht vertragsbrüchige Partei bei Bestehen eines Schadensersatzanspruchs er­ setzt verlangen kann, muss berücksichtigt werden, ob das ausländische Gericht eine Entscheidung in der Sache und bzw. oder eine Kostenentscheidung getrof­ fen hat. Res iudicata-Einwand und Schadensbemessung sind jedoch gesondert voneinander zu behandeln. Entfaltet eine ausländische Entscheidung im Inland res iudicata-Wirkung, kann sie bereits der Zulässigkeit eines Schadensersatz­ prozesses vor einem deutschen Gericht entgegenstehen. Das in einem Schadens­ ersatzprozess angerufene deutsche Gericht muss also bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von Amts wegen ermitteln, ob das abredewidrig angerufe­ ne ausländische Gericht eine Entscheidung getroffen hat und ob diese Entschei­ dung der Durchführung des deutschen Verfahrens entgegensteht. Hingegen ist die Frage der Schadensbemessung bei den Rechtsfolgen eines möglichen Scha­ densersatzanspruchs im Rahmen der Begründetheit der Klage zu verorten.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

II.  Einteilung in mögliche Fallgruppen 1.  Das abredewidrig angerufene Gericht trifft weder eine Sach- noch Kostenentscheidung Keinerlei Probleme bestehen dann, wenn das ausländische Gericht seine Zu­ ständigkeit abgelehnt und die Klage abgewiesen oder das Verfahren ausgesetzt hat und weder eine Entscheidung in der Sache noch eine Kostenentscheidung getroffen hat. Denn in diesen Fällen existiert überhaupt keine ausländische Ent­ scheidung, die im Inland res iudicata-Wirkung entfalten könnte. Fälle dieser Variante sind gerade dann, wenn die vertragsbrüchige Partei vor ein US-ameri­ kanisches derogiertes Gericht gezogen ist, nicht untypisch. Die US-amerikani­ schen Gerichte reagieren darauf nämlich nicht selten, indem sie das Verfahren durch stay of proceedings aussetzen bzw. für einstweilen ruhend erklären. Eine solche Erklärung kann als ein rein prozessualer Beschluss erfolgen, der keine Entscheidung über die Kosten enthält und keine Rechtskraft entfaltet.13 2.  Das abredewidrig angerufene Gericht trifft keine Sach-, aber eine Kostenentscheidung Weiterhin sind solche Fälle möglich, in denen das ausländische Gericht die Ge­ richtsstandsvereinbarung im Ergebnis beachtet und das Verfahren nicht durch­ führt, sondern abweist oder aussetzt, aber eine Kostenentscheidung trifft. Dann stellt sich die Frage, ob die ausländische Kostenentscheidung der Zulässigkeit eines inländischen Schadensersatzprozesses entgegensteht. Grundsätzlich ist eine ausländische Entscheidung über die Prozesskosten in Deutschland nach §  328 ZPO anerkennungsfähig, obwohl das klageabweisende Prozessurteil we­ gen seines rein prozessualen Charakters nicht nach §  328 ZPO anerkannt wer­ den kann.14 Ob die Kostenentscheidung dem Schadensersatzverfahren – inso­ weit, als dieses sich auf die für das Verfahren im forum derogatum aufgewende­ ten Kosten und Aufwendungen, also den sog. prozessualen Schaden, bezieht – entgegensteht, dürfte eine Frage des Einzelfalls sein. Aus Sicht des deutschen Rechts gilt grundsätzlich, dass ein materieller Kostenerstattungsanspruch nicht vom prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus §  91 ZPO verdrängt wird, sondern neben diesen treten kann. Der materielle Kostenerstattungsanspruch kann also mit gleichem Inhalt neben den prozessualen Kostenerstattungsan­ spruch treten, über diesen hinausgehen oder sogar zu einem dem prozessualen Anspruch entgegengerichteten Ergebnis führen.15 Dies wird damit begründet, O. Sandrock, RIW 2004, 809, 812; ders., IDR 2004, 106, 110 für Schiedsvereinbarungen. Geimer, in: Zöller, ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  328 Rn.  73. 15  Vgl. statt vieler Schulz, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Vor §§  91 ff. Rn.  19 13  14 

§ 11 – C.  Der res iudicata-Einwand

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dass der dem Veranlassungsprinzip folgende prozessuale Kostenerstattungsan­ spruch auf der einen Seite und ein dem Verschuldensprinzip folgender materi­ ellrechtlicher Schadensersatzanspruch auf der anderen Seite unterschiedliche Zwecke erfüllen.16 Außerdem komme nur dem Schadensersatz eine Sanktions- und Abschreckungsfunktion zu.17 Aus Sicht des deutschen Rechts verdrängt eine prozessuale Kostenentscheidung also grundsätzlich nicht die Möglichkeit, in einem Sekundärprozess einen materiellrechtlichen Anspruch auf Kosten­ ersatz geltend zu machen. Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Gericht, das die Kostenentscheidung erlassen hat, dieser eine Prüfung des Sach­ verhalts zugrunde gelegt und die Kostenentscheidung als abschließend verstan­ den hat. Dann darf der Kostenausspruch nicht „[…] über die Hintertür des sach­ lichen Rechts modifiziert werden.“18 Handelt es sich um eine ausländische Kosten­entscheidung, dürfte das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht ebenfalls zu prüfen haben, ob das Erstgericht der Kostenentscheidung eine um­ fassende Sachverhaltsprüfung zugrunde gelegt hat und in ihr eine den Rechts­ streit abschließende Entscheidung sieht. Dann muss auch das deutsche Gericht, das die Kostenentscheidung anzuerkennen hat, den Umfang der Rechtskraft akzeptieren, welcher dieser im Ausland zukommt. In den meisten Fällen wird das Erstgericht jedoch nicht zum Ausdruck gebracht haben, dass es der Kosten­ entscheidung eine abschließende, mögliche materiellrechtliche Kostenerstat­ tungs- oder Schadensersatzansprüche verdrängende Wirkung beimisst. Dann ist auch die klageweise Geltendmachung eines materiellrechtlichen Schadenser­ satzanspruchs vor einem inländischen Gericht, welcher diese Kostenentschei­ dung faktisch inhaltlich ändern oder sogar umkehren würde, zulässig. Hat die im Ausland verklagte Partei durch die ausländische Kostenentscheidung bereits einen Teil ihrer Kosten ersetzt bekommen, muss sie sich dies bei der Berech­ nung des Schadens aber anrechnen lassen. Dies ist jedoch eine Frage der Scha­ densbemessung19 und betrifft nicht die Zulässigkeit der Klage.20 Weiterhin m. w. N. Zur Parallelität des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs mit materiellrechtli­ chen Kostenerstattungsansprüchen vgl. außerdem grundlegend Becker-Eberhard, Grundla­ gen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (1985) und Loritz, Die Konkurrenz materiellrechtlicher und prozessualer Kostenerstattung (1981). 16  Vgl. dazu die Darstellung bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  454. 17  Mankowksi, IPRax 2009, 23, 32. 18  So Schulz, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Vor §§  91 ff. Rn.  19. 19  Das Problem wird daher unten behandelt in Teil III §  13 B. III. 2. 20  Ebenso Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 440: „Whether the claimant has recovered, or is likely to recover, anything in the foreign jurisdic­ tion should relate only to the issue of quantification and not the availability of the remedy itself.“

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

­ etrifft auch der durchaus nachvollziehbare Einwand, eine solche Herangehens­ b weise würde die §§  91 ff. ZPO unzulässig über deren territorialen Anwendungs­ bereich hinaus erstrecken 21, meines Erachtens die Frage der Ersatzfähigkeit der dem Auslandsbeklagten entstandenen Schäden 22 , nicht aber die Zulässigkeit der Schadensersatzklage als solcher. 3.  Das abredewidrig angerufene Gericht trifft eine Entscheidung in der Sache a)  Grundsätzlich keine res iudicata-Wirkung wegen Verletzung des Spiegelbildprinzips Es stellt sich die Frage, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen das ausländi­ sche Gericht das Verfahren der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zum Trotz durchgeführt und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Wird bei einem innerdeutschen Sachverhalt ein Gericht entgegen einer zwi­ schen den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung angerufen, er­ wächst dessen Entscheidung gemäß §  322 ZPO in materielle Rechtskraft; dies gilt nicht nur für Endurteile in der Sache, sondern auch für Prozessurteile23 so­ wie Kostenfestsetzungsbeschlüsse24, wenn sie formell rechtskräftig werden können und eine sachliche Entscheidung enthalten, die materiell rechtskräftig werden kann. Folge der materiellen Rechtskraft ist nach der heute herrschenden ne bis in idem-Lehre25, dass jede erneute Verhandlung und Entscheidung über die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge ausgeschlossen ist. Die materielle Rechtskraft wirkt also als negative Prozessvoraussetzung, sodass eine erneute Klage bei Identität der Streitgegenstände unzulässig ist und das Verfahren von Amts wegen abgewiesen wird.26 Bezogen auf innerdeutsche Streitigkeiten herrscht allerdings ein Streit, ob und unter welchen Voraussetzungen die Rechts­

21  Vgl. G. Wagner, Prozessverträge (1998), S.  257. In diese Richtung auch Mankowski, IPRax 2009, 23, 32. 22  Der Einwand wird daher ebenfalls unten behandelt in Teil III §  13 B. III. 2. 23  BGH, 06.03.1985, NJW 1985, 2535; OLG Brandenburg, 07.07.1999, NJW-RR 2000, 1735, 1736. 24  Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  322 Rn.  6. 25  BGH, 27.02.1961, NJW 1961, 917; BGH, 18.01.1985, NJW 1985, 1711; OLG Branden­ burg, 07.07.1999, NJW-RR 2000, 1735, 1736; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  322 Rn. 13; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, 12.  Aufl. 2015, §  322 Rn. 5; Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  322 Rn.  10. 26  BGH, 17.02.1983, NJW 1983, 2032; BGH, 06.03.1985, NJW 1985, 2535, 2536; BGH, 17.03.1995, NJW 1995, 1757; Saenger, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  322 Rn.  12.

§ 11 – C.  Der res iudicata-Einwand

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kraft der Primärentscheidung – etwa über §  826 BGB27 – durchbrochen werden kann.28 Auch ausländische Gerichtsentscheidungen können in Deutschland in Rechts­ kraft erwachsen, wobei der genaue Umfang der Wirkungen, die ein ausländi­ sches Urteil im Inland entfaltet, umstritten ist.29 Ebenfalls ist umstritten, ob die materielle Rechtskraft eines ausländischen anerkennungsfähigen Urteils gleich einem deutschen Urteil als negative Prozessvoraussetzung einem erneuten Ver­ fahren in derselben Sache entgegensteht30 oder ob lediglich ein Abweichungs­ verbot besteht, also inhaltlich übereinstimmende Sachentscheidungen zugelas­ sen sind31. Wie bereits mehrfach aufgezeigt, scheitert die Anerkennung einer Entschei­ dung des abredewidrig angerufenen ausländischen Gerichts im Inland aber oh­ nehin am in §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO normierten Spiegelbildprinzip, weil das ausländische Gericht im Falle einer aus deutscher Sicht wirksamen ausschließ­ lichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte nicht über die erforderliche Anerkennungszuständigkeit verfügt.32 Die Entscheidung des abredewidrig angerufenen ausländischen Gerichts entfaltet daher grund­ sätzlich keine res iudicata-Wirkung in Deutschland, unabhängig davon, ob sie zugunsten oder zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei ausfällt.33 Selbst wenn das abredewidrig angerufene ausländische Gericht die Gerichtsstandsver­ 27 

Eine Durchbrechung der Rechtskraft über §  826 BGB soll nach herrschender Ansicht in absoluten Ausnahmefällen das ultima ratio sein, vgl. insb. G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  259 ff.; Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  107. 28  Zum Streit vgl. Bernhardt, ZZP 66 (1953), 77, 87 ff.; Götz, Zivilrechtliche Ersatzan­ sprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  105 ff., 135; H.-J. Hellwig, Zur Syste­ matik des zivilprozessrechtlichen Vertrages (1968), S.  68 ff.; Henckel, Prozessrecht und ma­ terielles Recht (1970), S.  292 ff.; Konzen, Rechtverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  210 ff.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozeß (1968), S.  59; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  261; Zeiss, NJW 1967, 703, 706. 29  Überblick zum Streitstand zwischen Wirkungserstreckungstheorie, Gleichstellungs­ theorie und Kombinationslehre bei Bach, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 01.03.2015, §  328 Rn.  52 ff. sowie P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn. 160 ff. 30  Geimer, in: Zöller, ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  328 Rn.  35 f.; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  165 m. w. N. Dass eine anerkannte ausländische Entscheidung im Inland res iudicata-Wirkung entfaltet, gilt nicht nur im deutschen Recht, sondern in den meisten Staaten, vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 75. 31  So die Rechtsprechung, vgl. BGH, 27.10.1976, NJW 1977, 498, 499; BGH, 26.11.1986, NJW 1987, 1146. Vgl. zum Streitstand Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  37 und Dörner, in: Saenger, ZPO, 6.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  8, jeweils m. w. N. 32  Vgl. dazu oben Teil I §  3 B. III. 1. und §  6 B., H. III. 33  Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  457; Köster, Haf­

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

einbarung für unwirksam befunden und eine Entscheidung in der Sache getrof­ fen hat, ist ein inländischer Schadensersatzprozess wegen Verletzung der Ge­ richtsstandsvereinbarung folglich zulässig. Ob die nicht vertragsbrüchige Partei dagegen tatsächlich Ersatz des Schadens, der ihr aufgrund des ausländischen Sachurteils entstanden ist, verlangen kann, ist wiederum eine Frage der Scha­ densbemessung34, betrifft aber nicht bereits die Zulässigkeit der Schadens­ ersatzklage. Auch eine Kostenentscheidung, die das derogierte Gericht zusätzlich zur Ent­ scheidung in der Sache getroffen hat, entfaltet keine res iudicata-Wirkung. Denn bei einer nicht anerkennungsfähigen Sachentscheidung wird auch die da­ rauf beruhende Kostenentscheidung in Deutschland nicht anerkannt.35 b)  Res iudicata-Wirkung bei rügeloser Einlassung der im Ausland beklagten Partei? Allerdings stellt sich die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn sich der im Ausland Beklagte rügelos auf das Verfahren im derogierten Forum eingelassen hat, mit der Folge, dass die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht an §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO scheitert. Für diese Fälle, in denen die Sachentschei­ dung des abredewidrig angerufenen Gerichts im Inland anerkennungsfähig ist und Rechtskraft entfaltet, soll es der nicht vertragsbrüchigen Partei verwehrt sein, im Wege eines Schadensersatzprozesses eine von der ausländischen ab­ weichende Entscheidung in der Sache oder eine Umverteilung der Prozesskos­ ten zu erreichen.36 Allerdings sollte auch im Falle einer rügelosen Einlassung der im Ausland beklagten Partei differenziert werden: Streitgegenstand der inländischen Scha­ densersatzklage ist die Frage, ob der Auslandskläger eine wirksame Gerichts­ standsvereinbarung verletzt hat und die sonstigen Anforderungen an den Scha­ densersatzanspruch (im deutschen Recht also Rechtswidrigkeit, Vertretenmüs­ sen und Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden) erfüllt sind. Es kommt also eigentlich nicht auf den Inhalt und die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Sachentscheidung – deren Streitgegenstand der Streit in der Sa­ che selbst war – an, sondern darauf, ob das ausländische Gericht entschieden tung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  97; O. Sandrock, RIW 2004, 809, 812; ders., IDR 2004, 106, 110 f. für Schiedsvereinbarungen. 34  Dazu daher unten Teil III §  13 B. IV. 3. 35  P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  187. 36  So Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  457 f. Ebenso wohl Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  76, demzufolge ein inländi­ scher Schadensersatzprozess stets ausscheidet, wenn das ausländische Urteil anerkennungs­ fähig ist.

§ 11 – C.  Der res iudicata-Einwand

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hat, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist, und ob diese Entschei­ dung in Deutschland ebenfalls in Rechtskraft erwächst. Es ist aber erstens recht wahrscheinlich, dass das ausländische Gericht seine Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens und die Entscheidung in der Sache aus der rü­ gelosen Einlassung des Beklagten abgeleitet und überhaupt keine ausdrückliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung getroffen hat. Zweitens ist auch nicht klar, ob eine Entscheidung des ausländischen Ge­ richts über die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung in Deutschland gemeinsam mit der Sachentscheidung über §  328 ZPO anerkannt und damit rechtskräftig würde, sodass ihr res iudicata-Wirkung zukäme. Denn auch in­ nerhalb der in Deutschland wohl herrschenden Theorie von der Wirkungserstre­ ckung ist nicht abschließend geklärt, wie es sich auswirkt, dass im anglo-ame­ rikanischem Recht Entscheidungen über Vorfragen als collateral estoppel bzw. issue preclusion Bindungswirkung für spätere Verfahren entfalten können.37 Daher liegt es meines Erachtens näher, dem im Ausland Beklagten, der sich rügelos auf das Verfahren eingelassen hat, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Schadensersatzklage im Inland zu versagen. Letztlich ist der Streit aber für die hier untersuchten Fälle ein rein dogmatischer. Bei einer rügelosen Einlassung der nicht vertragsbrüchigen Partei auf das ausländische Verfahren ist eine spä­ tere Schadensersatzklage im Inland jedenfalls unzulässig, entweder weil man die Zulässigkeit wegen der res iudicata-Wirkung der ausländischen Entschei­ dung ablehnt oder weil man, wie hier vertreten, das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage verneint. 4.  Die Parteien schließen vor dem abredewidrig angerufenen Gericht einen Vergleich Auch für den Fall, dass die Parteien im ausländischen Verfahren – wie dies in US-amerikanischen Zivilverfahren sehr häufig ist38 – einen Vergleich geschlos­ sen haben, wird vertreten, die Bindungswirkung des Vergleichs stehe der Zuläs­ sigkeit einer inländischen Schadensersatzklage entgegen.39 Ein Prozessvergleich wird in Deutschland nicht nach §  328 ZPO anerkannt, auch ohne prozessuale Anerkennung haben aber die in einem Vergleich enthal­ tenen Parteierklärungen, wie andere private Willenserklärungen auch, unmit­ telbare Inlandswirkung, wenn sie wirksam abgegeben worden sind.40 Für einen 37  Vgl. dazu P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  168, der die Bindungswirkung grundsätzlich anerkennen will. 38  Vgl. oben Teil I §  5 B. II. 2. b). 39  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  77. 40  P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  74.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

im Ausland geschlossenen Prozessvergleich kann meines Erachtens nichts an­ deres gelten als für die Fälle, in denen das abredewidrig angerufene Gericht eine Sachentscheidung getroffen hat: Der Vergleich steht der Zulässigkeit eines in­ ländischen Verfahrens nicht bereits prozesshindernd als res iudicata entgegen, sondern kann Auswirkungen auf das Rechtsschutzbedürfnis und die Frage, wel­ che Schadensposten ersetzbar sind, haben. 5.  Das abredewidrig angerufene Gericht gewährt materiellrechtlichen Schadensersatz Anders sind dagegen die Fälle gelagert, in denen das abredewidrig angerufene Gericht der nicht vertragsbrüchigen Partei selbst Schadensersatz wegen der Ver­ letzung der Gerichtsstandsvereinbarung durch die andere Partei gewährt hat. Weil das derogierte Gericht nach der hier vertretenen Auffassung für eine – etwa widerklagehalber erhobene – Schadensersatzklage wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund einer antizipierten rügelosen Einlas­ sung der vertragsbrüchigen Partei zuständig ist, scheitert die Anerkennung der Entscheidung über den Schadensersatz nicht am Spiegelbildprinzip. Hat das ausländische Gericht der nicht vertragsbrüchigen Partei also Schadensersatz ge­ währt, ist diese Entscheidung in Deutschland nach §  328 ZPO anerkennungsfä­ hig.41 In solchen Fällen wäre ein inländisches Schadensersatzverfahren wegen Identität der Streitgegenstände durch die res iudicata-Wirkung der ausländi­ schen Entscheidung entweder bereits unzulässig oder es bestünde jedenfalls ein Abweichungsverbot. Dabei verursachen solche Fälle Bedenken, in denen das ausländische Gericht der nicht vertragsbrüchigen Partei insgesamt weniger Schadensersatz gewährt hat, als diese bei hypothetischer Betrachtung in Deutschland erlangt hätte, oder in denen es sogar abweisend über den geltend gemachten Schadensersatzan­ spruch entschieden hat. Doch richtigerweise muss sich die nicht vertragsbrüchi­ ge Partei, die im forum derogatum Schadensersatz verlangt hat, auch dann mit der Entscheidung zufrieden geben, schließlich hätte sie es bei einer prozessua­ len Kostenentscheidung belassen und im Staat des gewählten Gerichts Rechts­ schutz suchen können. Wer aber im Ausland (etwa widerklagehalber) materiell­ rechtlichen Schadensersatz verlangt, kann nicht in derselben Sache ein zweites Verfahren im Inland anstrengen, weil er mit der ausländischen Sachentschei­ dung nicht zufrieden gestellt wurde. Dasselbe hat für den – in der Praxis unwahrscheinlichen – Fall zu gelten, dass ein Gericht in einem dritten Staat über den Schadensersatzprozess entschieden 41  Ebenso für das englisch Recht Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 76.

§ 11 – D.  Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage

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hat.42 Würde also beispielsweise die redliche, in den USA verklagte Partei in Kenntnis der englischen Rechtsprechung vor einem englischen Gericht Scha­ densersatz verlangen, könnte sie in Deutschland nicht erneut Schadensersatz verlangen, wenn das englische Gericht tatsächlich über den Schadensersatz ent­ scheiden würde und wenn diese Entscheidung, etwa aufgrund rügeloser Einlas­ sung der anderen Partei, in Deutschland anerkennungsfähig wäre.

D.  Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage I. Überblick Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Leistungsklage, mit der die nicht vertragsbrüchige Partei beantragt, dass ihr Vertragspartner zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wird, ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger muss ein schutzwürdiges Interesse an der beantragten Rechtsschutzform haben; das begehrte Ziel darf also nicht auf einfacherem, schnellerem oder kos­ tengünstigerem Weg ebenso effizient erreichbar (gewesen) sein. Während das Rechtsschutzbedürfnis im Normalfall bei den meisten Leistungsklagen unprob­ lematisch gegeben ist, können im Bereich positiver Kompetenzkonflikte zwi­ schen unterschiedlichen Staaten Probleme auftreten. II.  Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei rügeloser Einlassung 1.  Grundsatz Zunächst ist bedenklich, ob die jeweilige Partei ihr Begehren nicht auch vor dem ausländischen Gericht und mit Mitteln des ausländischen Prozessrechts hätte erreichen können. Der Schadensersatz begehrenden Partei könnte das Rechtsschutzbedürfnis also dann zu versagen sein, wenn sie nicht eine andere Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Klageerhebung im Ausland ausgeschöpft hat. Es wird daher in jedem Fall von ihr zu verlangen sein, dass sie die Zustän­ digkeit des derogierten Gerichts mit den ihr von der ausländischen Verfahrens­ ordnung zur Verfügung gestellten Mitteln ausreichend gerügt hat. Hat sie sich dagegen rügelos auf das Verfahren im Ausland eingelassen und es durch nach­ lässige Prozessführung versäumt, eine Beeinträchtigung ihrer Rechte durch den ausländischen Prozess abzuwenden, fehlt ihr für eine auf Schadensersatz ge­

42  Solche Fallgestaltungen erwägt auch Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 77.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

richtete Klage das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis43, wenn man nicht bereits wegen der rügelosen Einlassung die Zulässigkeit der Schadensersatzklage an der res iudicata-Wirkung einer ausländischen Sachentscheidung scheitern las­ sen möchte44. Der im Ausland Beklagte muss also grundsätzlich reverse forum shopping betreiben, d. h. die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts – ggf. unter Berufung auf den forum non conveniens-Einwand – rügen. Die Schadens­ ersatzklage ist folglich grundsätzlich subsidiär gegenüber Rechtsbehelfen, die das ausländische Prozessrecht selbst eröffnet. Konkret bedeutet dies, dass in dem zugrunde gelegten Fallbeispiel 1 der in den USA verklagte „Redlich“ die Zuständigkeit des von „Brüchig“ angerufenen New Yorker Gerichts nach FRCP 12(b) bzw. den entsprechenden Vorschiften des New Yorker Rechts rügen müss­ te.45 Wenn die im Ausland verklagte Partei die Rüge unterlässt und daher das derogierte Gericht seine Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung bejaht, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Schadensersatz gerichtete Klage folg­ lich abzulehnen. Darüber hinaus wäre die Klageerhebung im derogierten Fo­ rum im Falle einer rügelosen Einlassung des Beklagten, sollte man das Rechts­ schutzbedürfnis trotzdem bejahen, jedenfalls durch das Einverständnis des Be­ klagten gerechtfertigt, sodass mögliche Schadensersatzansprüche zumindest mangels Rechtswidrigkeit unbegründet wären.46 2. Einschränkungen Allerdings sollte das inländische prorogierte Gericht bei der Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses für eine auf Schadensersatz gerichtete Klage keinen zu strengen Maßstab anwenden: Wie schon im Zusammenhang mit der Aner­ kennungsversagung ausländischer Entscheidungen in Deutschland nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO erläutert, ist nach der Rechtsprechung in Deutschland bezogen auf die Anerkennungszuständigkeit des ausländischen Gerichts die Frage, ob eine rügelose Einlassung vorliegt, grundsätzlich entsprechend §  39 ZPO zu be­ urteilen und das ausländische Prozessrecht des Ursprungsstaats wird nur inso­ weit mitberücksichtigt, als es über die Art des Verhaltens des Beklagten be­

43  Ebenso Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 443. Mankowski, IPRax 2009, 23, 31 hält die Schadensersatzklage im Falle einer rügelosen Einlas­ sung im Erstprozess wegen des Grundsatzes des venire contra factum proprium für unbe­ gründet. 44  So, wie oben dargestellt, etwa Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  457 f. 45  Zu den Voraussetzungen der Zuständigkeitsrüge im US-amerikanischen Recht vgl. oben Teil I §  5 C. II. 3. 46  Siehe auch unten Teil III §  12 C. I.

§ 11 – D.  Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage

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stimmt.47 Stellt das ausländische Prozessrecht beispielsweise unangemessen hohe Anforderungen an eine Zuständigkeitsrüge oder akzeptiert es eine Rüge der internationalen Zuständigkeit und die Derogation seiner Gerichte generell nicht, kann von dem in diesem Staat Beklagten auch nicht verlangt werden, dass er allzu große Anstrengungen unternimmt, um die Zuständigkeit zu rügen.48 Er muss also keine Rügen vornehmen, die zwar eine Einlassung nach §  39 ZPO verhindern würden, aber ohnehin nach dem ausländischen Prozessrecht aus­ sichtslos sind.49 Dieselben Grundsätze sollten für die Beurteilung des Rechts­ schutzbedürfnisses gelten. Hat es die abredewidrig im Ausland verklagte Partei unterlassen, von der ausländischen Rechtsordnung geforderte unangemessen anforderungsreiche oder aber ohnehin nach diesem Recht aussichtslose Rügen vorzunehmen, bleibt ihr Rechtsschutzbedürfnis für eine spätere Schadenser­ satzklage in Deutschland unberührt. In den USA gilt außerdem, dass sich die nicht vertragsbrüchige Partei, wenn das US-amerikanische Gericht die Zustän­ digkeitsrüge zurückweist, gegen diese Entscheidung über die Zuständigkeit nicht wehren kann. Rechtmittel können im US-amerikanischen Zivilprozess nämlich gemäß 28 USC §  1291 nur gegen final decisions eingelegt werden.50 Das bedeutet, dass die Entscheidung des Gerichts, den Antrag auf Klageabwei­ sung mangels Zuständigkeit abzulehnen, erst dann rechtsmittelfähig ist, wenn in der Hauptsache abschließend entschieden worden ist.51 Im Umkehrschluss folgt daraus aber, dass es dem Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, wenn er die Zuständigkeit des Gerichts rechtzeitig gerügt hat, sein Antrag auf Abwei­ sung oder Verweisung jedoch verworfen worden ist und er daraufhin in der Sache verhandelt hat. In einem solchen Verhalten liegt keine rügelose Einlas­ sung, solange er seine Zuständigkeitsrüge aufrechterhält.52 Auch in einem sol­ chen Fall liegt das Rechtsschutzbedürfnis für die Schadensersatzklage folglich vor. Generell ist bei der Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses also eine Einzelfall­betrachtung angebracht.

47  Vgl. OLG Hamm, 25.03.1987, NJW 1988, 653, 654; OLG Frankfurt, 13.12.1978, NJW 1979, 1787; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  89. Vgl. bereits oben Teil I §  6 H. III. 48  Vgl. zu den Staaten, welche die Derogation ihrer Gerichte grundsätzlich nicht akzeptie­ ren, oben Teil I §  3 D. II. 3. b). 49  OLG Hamm, 25.03.1987, NJW 1988, 653, 654. 50  U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  709 ff. 51  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  5.19, S.  381. 52  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5.  Aufl. 2010, §  5.19, S.  381.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

III.  Sonstige erforderliche Anstrengungen der nicht vertragsbrüchigen Partei? Ebenfalls vom Einzelfall und den jeweils vom ausländischen Prozessrecht zur Verfügung gestellten Mitteln hängt ab, welche Anstrengungen die redliche Par­ tei über die einfache Zuständigkeitsrüge hinaus unternehmen muss. Primär stellt sich die Frage, ob sie ein Prozessführungsverbot hätte beantragen müssen, um der anderen Partei die Prozessführung im forum derogatum untersagen zu las­ sen. Jedenfalls von einer deutschen Partei wird man die Beantragung eines Pro­ zessführungsverbots nicht verlangen können, weil vor einem deutschen Gericht ein Antrag auf Erlass eines Prozessführungsverbots ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hat. Darüber hinaus dürfte ein Antrag auf Erlass einer anti-suit injunction jedoch auch in den Rechtsordnungen, die das Institut grundsätzlich kennen, wie etwa in England, keine Voraussetzung für das Rechtsschutzbedürfnis für die Schadensersatzklage sein. Denn umgekehrt ist ja gerade die anti-suit injunction grundsätzlich subsidiär gegenüber dem Schadensersatz.53 Außerdem handelt es sich bei einem Prozessführungsverbot im Vergleich zu einer Schadensersatzkla­ ge auch nicht um einen ebenso effektiven Weg zur Erreichung desselben Ziels. Denn wenn das ausländische Verfahren bei Erlass eines Prozessführungsverbots bereits anhängig war, können der redlichen Partei schon Kosten entstanden sein. Kompensation für diese Kosten kann sie aber nur im Wege des Schadensersatzes verlangen, nicht aber mithilfe eines Prozessführungsverbots. Unabhängig von diesen – auch einzelfallabhängigen – Erwägungen spricht meines Erachtens vie­ les dafür, eine allgemeine Regel des Inhalts aufzustellen, dass das Rechtsschutz­ bedürfnis nicht bereits deshalb fehlt, weil keine anti-suit injunction beantragt wurde. Vielmehr sollte diese Frage allein im Rahmen der Schadensbemessung, nämlich bei der Schadensminderungsobliegenheit aus §  254 BGB, zum Tragen kommen.54 Ebenso sollten andere Erwägungen, etwa ob die nicht vertrags­ brüchige Partei direkt im forum derogatum – etwa im Wege der Widerklage – Schadensersatz hätte verlangen können, im Bereich der Schadensminderung Berücksichtigung finden55, und nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine inländische Schadensersatzklage ausschließen. 53 

Vgl. oben Teil II §  8 B. III. So auch in Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  33. Ebenso Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 86 f., der die Frage, ob die redliche Partei ein Prozessführungsverbot hätte beantragen müssen, unter dem Stichwort der „duty to mitigate the loss“ diskutiert; ähnlich Tan/Yeo, in: Worthing­ ton (Hrsg.), Commercial Law and Commercial Practice (2003), S.  403, 423. 55  Ebenso Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 326 Fn.  35. Weil aber die Erfolgsaussichten einer Widerklage auf Schadensersatz vor dem dero­ gierten Gericht nicht besonders hoch sind, wird die vertragsbrüchige Partei im Zweifel nicht mit dem Einwand durchdringen können, die redliche Partei sei ihrer Schadensminderungs­ 54 

§ 11 – D.  Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage

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IV.  Rechtsschutzbedürfnis im Falle eines Vergleichs Ob ein von den Parteien im Ausland abgeschlossener Vergleich das Rechts­ schutzbedürfnis für die Schadensersatzklage im Inland ausschließt, sollte von den Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht werden. In vielen Fällen wird sich derjenige, der sich auf einen Prozessvergleich einlässt, um das Verfahren zu beenden, zugleich auch rügelos auf das Verfahren eingelassen haben, sodass bereits wegen der rügelosen Einlassung nach der hier vertretenen Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich zu versagen ist. Es ist aber auch möglich, dass der im Ausland Beklagte die Zuständigkeit fortlaufend gerügt, das Gericht sich aber trotzdem für zuständig erklärt hat, sodass er sich letztlich auf einen Vergleich einlässt, etwa um ein weiteres Ansteigen seiner außergerichtlichen Kosten zu verhindern. In einem solchen Fall scheidet die Ersatzfähigkeit von Zahlungen oder sonstigen Vermögenseinbußen, welche die im Ausland abrede­ widrig verklagte Partei aufgrund des Prozessvergleichs vorgenommen oder er­ litten hat, von vornherein aus. Insofern sollte es gut vertretbar sein, nicht erst bei der Rechtsfolge eines grundsätzlich festgestellten Schadensersatzanspruchs an­ zusetzen, sondern bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses die Zulässigkeit einer auf Ersatz eines in dem Prozessvergleich selbst wurzelnden, sog. „materi­ ellen“ Schadens gerichteten Klage zu verneinen. Hingegen fehlt in diesen Fällen nicht generell das Rechtsschutzbedürfnis für eine Schadensersatzklage bezogen auf die wegen der abredewidrig im Ausland erhobenen Klage entstandenen Be­ gleitschäden, also etwa in Bezug auf die erhöhten außergerichtlichen Kosten, welche das Bestreiten der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts mit sich gebracht hat. Hinsichtlich solcher Begleitschäden, also bezüglich des sog. „pro­ zessualen“ Schadens, ist eine Schadensersatzklage daher zulässig.56 V. Zusammenfassung Ob das für eine Schadensersatzklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vor­ liegt, ist im Wege einer Einzelfallbetrachtung zu beurteilen, die meines Erach­ tens eher großzügig ausfallen sollte. Grundsätzlich gilt, dass das Rechtsschutz­ bedürfnis für eine auf Schadensersatz gerichtete Klage dann fehlt, wenn sich die nicht vertragsbrüchige Partei rügelos auf das ausländische Verfahren einge­ lassen hat. Allerdings muss es zu ihrem Schutz Berücksichtigung finden, wenn sie für die Rüge der ausländischen Zuständigkeit nur deshalb keinen allzu gro­ obliegenheit nicht nachgekommen. So auch Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 87. Vgl. zur Schadensminderungsobliegenheit unten Teil III §  13 B. III. 4. 56  Vgl. zu den Begrifflichkeiten des hier als prozessual oder materiell bezeichneten Scha­ dens oben Teil I §  5 E. II.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

ßen Aufwand betrieben hat, weil das ausländische Gericht nach der dortigen Verfahrensordnung ohnehin nicht den Derogationseffekt internationaler Ge­ richtsstandsvereinbarungen und Zuständigkeitsrügen akzeptiert oder weil die im Ausland geltenden Anforderungen an eine Zuständigkeitsrüge unangemes­ sen hoch sind. Andere Erwägungen, etwa ob sie ein Prozessführungsverbot hät­ te beantragen oder direkt im forum derogatum Schadensersatz hätte verlangen sollen, sind grundsätzlich nicht dazu geeignet, das Rechtsschutzbedürfnis aus­ zuschließen, sondern betreffen die Schadensbemessung, insbesondere die Fra­ ge, ob die nicht vertragsbrüchige Partei ihrer Schadensminderungsobliegenheit nachgekommen ist. Hat sich die im Ausland abredewidrig verklagte Partei auf einen Vergleich eingelassen, aber fortlaufend die Zuständigkeit des abgewähl­ ten Gerichts gerügt, besteht dennoch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Ersatz des ihr im ausländischen Verfahren entstandenen „prozessualen“ Schadens, nicht aber eines möglichen „materiellen“ Schadens aus dem Ver­ gleich selbst.

E.  Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht I.  Vertragliche Schadensersatzansprüche unterliegen dem Prorogationsstatut Die Frage, nach welchem Recht sich Bestehen und Inhalt eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung richten, bereitet im Vergleich zur internationalen Zuständigkeit größere Schwie­ rigkeiten. Wie im Zusammenhang mit den Unwirksamkeitsgründen von Ge­ richtsstandsvereinbarungen nach Art.  23 EuGVVO a. F. (bzw. Art.  25 EuGVVO n. F.) dargestellt wurde, richten sich Zulässigkeit, Zustandekommen und Form von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats nach der Verordnung, während Fragen der materiellen Wirksamkeit vom mate­ riellen Recht, dem sog. Prorogationsstatut, beherrscht werden. Es ist aber um­ stritten, welcher Rechtsordnung dieses Prorogationsstatut zu entnehmen ist.57 Richtigerweise müssen nicht nur Fragen der materiellen Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung, sondern auch sich möglicherweise aus der Vereinba­ rung selbst ergebende materiellrechtliche Folgeansprüche vom Prorogationssta­ tut beherrscht werden. Die Qualifikation, ob ein Rechtsinstitut materiellrechtli­ cher oder prozessualer Natur ist, erfolgt grundsätzlich nach der lex fori kollisionsrechtlich-funktionell. Ein Kostenerstattungsanspruch wegen der Ver­ 57 

Vgl. dazu oben Teil I §  4 B. II., III.

§ 11 – E.  Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht

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letzung einer Gerichtsstandsvereinbarung, der nicht auf die prozessuale Vor­ schrift des §  91 ZPO gestützt ist, sondern sich aus dem materiellen Zivilrecht ergeben kann, ist also materiellrechtlich zu qualifizieren.58 Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese – der lex fori entnommene – Regel bei Geltung der EuGVVO der Sache nach nicht greifen sollte. Deshalb beherrscht das Prorogationsstatut von Gerichtsstandsvereinbarungen auch vertragliche Schadensersatzansprüche wegen deren Verletzung. Die Rechtsfolgen der Miss­ achtung einer Gerichtsstandsvereinbarung, d. h. etwaige Sekundäransprüche, sind also derselben Rechtsordnung zu unterwerfen, die die Gerichtsstandsver­ einbarung an sich beherrscht.59 Dafür spricht auch, dass im Kollisionsrecht all­ gemein für Sekundäransprüche angenommen wird, sie richteten sich nach dem Recht der ihnen zugrunde liegenden Primäransprüche, also dem Recht des Hauptvertrags, was sowohl in Art.  32 Abs.  1 Nr.  3 EGBGB a. F. als auch in Art.  12 Abs.  1 Rom I-VO geregelt ist. Danach bestimmt das auf einen Vertrag anzuwendende Recht u. a. dessen Auslegung (lit.  a)), die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen (lit.  b)) sowie die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen einschließlich der Schadens­ bemessung (lit.  c)). Die Erstreckung des Prorogationsstatuts auch auf vertrag­ liche Schadensersatzansprüche dürfte schließlich auch dem mutmaßlichen Par­ teiwillen entsprechen. Folglich bedarf es einer Bestimmung des Prorogations­ statuts von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art.  25 EuGVVO n. F. II.  Bestimmung des Prorogationsstatuts von Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. 1.  Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. als Gesamtverweisung Wie bereits dargestellt, war unter Geltung der alten EuGVVO umstritten, wel­ cher Rechtsordnung die Vorschriften zu entnehmen sind, die die materiellen Fragen in Bezug auf die Gerichtsstandsvereinbarung beherrschen, wobei eine Tendenz hin zur Geltung der lex causae, also des Hauptvertragsstatuts, bestand. Es wurde weiter dargestellt, dass der Reformgesetzgeber die Frage, welcher Rechtsordnung Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art.  25 EuGVVO n. F. un­ terliegen, nicht ausgeklammert, sondern – im Einklang mit Art.  5 Abs.  1 und Art.  6 lit.  a) HGÜ – in Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. bestimmt hat, dass sich die materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des Mitgliedstaats richtet, in dem sich das bezeichnete Gericht oder die bezeich­ neten Gerichte befinden. Ebenfalls erläutert wurde, dass es sich bei dieser Kol­ 58  59 

So auch Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 81. Vgl. auch Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 444.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

lisionsnorm jedoch nicht um eine Sachnormverweisung auf das materielle Recht des Staates des gewählten Gerichts oder der gewählten Gerichte handelt, son­ dern um eine Gesamtverweisung, was sich aus Erwägungsgrund (20) zur refor­ mierten Verordnung ergibt. Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. verweist also auf das Kollisionsrecht des Mitgliedstaats, in dem das gewählte Gericht oder die gewählten Gerichte belegen sind. Das Kollisionsrecht dieses Staates beruft dann das Sachrecht zur Anwendung.60 Die Ausgestaltung von Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. als Gesamtverwei­ sung wurde im Rahmen dieser Untersuchung bereits kritisiert, denn eine Sach­ normverweisung wäre mit weniger Unsicherheiten behaftet und die anwendbare Rechtsordnung über eine Sachnormverweisung leichter prognostizierbar gewe­ sen. Eine Gesamtverweisung bedeutet hingegen, dass das Gericht zunächst das Kollisionsrecht des Staates des bezeichneten Gerichts und dann im zweiten Schritt das danach anwendbare materielle Recht zu ermitteln hat.61 Es stellt sich zwar die Frage, ob diese Kritik zu weit hergeholt ist, ob nämlich die Gefahr ei­ ner zeitaufwendigen und ggf. sogar uneinheitlichen Ermittlung des anwendba­ ren Rechts zwischen den Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund des weitgehend vereinheitlichten europäischen Kollisionsrechts tatsächlich konkret besteht oder bloß eine abstrakte ist. Haben alle Staaten dasselbe Kollisionsrecht anzuwen­ den, bedeutet eine Gesamtverweisung auch keine allzu große Unsicherheit. Das Problem liegt aber gerade darin, dass keine Einigkeit besteht, welche Kollisi­ onsvorschriften das auf Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbare Recht be­ stimmen. Es existieren weder im deutschen autonomen noch im vereinheitli­ chen europäischen Recht Kollisionsvorschriften, die explizit auf Gerichts­ standsvereinbarungen anwendbar sind. Gerichtsstandsvereinbarungen sind außerdem aus dem Anwendungsbereich der Rom I-VO nach deren Art.  1 lit.  e) explizit ausgenommen.62 2.  Auf welche Kollisionsvorschriften verweist Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F.? Weder das deutsche autonome Recht noch die Rom I-VO enthält also ausdrück­ liche Kollisionsvorschriften für die Bestimmung des Prorogationsstatuts. In Betracht kommen die Kollisionsvorschriften zu Schuldverträgen, also einerseits die Art.  27 ff. EGBGB a. F. als Umsetzungsvorschriften des EVÜ, andererseits die Vorschriften der Rom I-VO. Solange die Art.  27 ff. EGBGB a. F. noch gelten­ des Recht waren, konnten sie für die Bestimmung des Prorogationsstatuts her­ angezogen werden. Zwar waren Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art.  1 60 

Vgl. zum Ganzen bereits oben Teil I §  4 B. III. 2. b). Vgl. zu der Kritik ebenfalls bereits oben Teil I §  4 B. III. 2. b). 62  Vgl. dazu bereits Teil I §  4 B. III. 2. a). 61 

§ 11 – E.  Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht

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Abs.  2 lit.  d) EVÜ aus dessen Anwendungsbereich ausgenommen, die Ausnah­ mevorschrift wurde bei der Umsetzung des Übereinkommens aber nicht in die Art.  27 ff. EGBGB a. F. übernommen. Allerdings wurden die Art.  27 ff. EGBGB a. F. mit Inkrafttreten der Rom I-VO gestrichen. Und die Rom I-VO führt die Ausnahmevorschrift des EVÜ in ihrem Art.  1 Abs.  2 lit.  e) ausdrücklich fort. In Deutschland wird dennoch teilweise vertreten, die Ermittlung des Proro­ gationsstatuts habe auch zukünftig analog Art.  27 ff. EGBGB a. F. zu erfolgen.63 Dagegen spricht aber, dass eine Norm nur dann analog angewendet werden kann, wenn sie überhaupt noch für einen anderen, vergleichbaren Fall Anwen­ dung findet. Folglich können die Art.  27 ff. EGBGB a. F. nach ihrer Streichung auch keine analoge Anwendung mehr finden. Daher bieten sich für eine An­ knüpfung lediglich die Vorschriften der Rom I-Verordnung an. Auch wenn Ge­ richtsstandsvereinbarungen aus deren Anwendungsbereich herausgenommen sind, ist es nicht untersagt, die Verordnung trotzdem auf Gerichtsstandsverein­ barung anzuwenden.64 Teilweise wird dazu vertreten, eine Gerichtsstandsver­ einbarung beinhalte einen materiellrechtlichen Teil, auf den die Kollisions­ normen für Schuldverhältnisse angewendet werden könnten.65 Die Ausnahme für Gerichtsstandsvereinbarungen sei eng zu verstehen und diene lediglich der Abgrenzung zu Art.  23 EuGVVO a. F., dem so der nötige Raum verschafft wer­ den solle.66 Andere befürworten zumindest eine analoge Anwendung, weil es die Verordnung jedenfalls nicht verbiete, ihre Grundsätze auch für nicht in ih­ ren Anwendungsbereich fallende Fragen anzuwenden.67 Für Deutschland kann So etwa Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  431, die die ana­ loge Heranziehung der Art.  27 ff. EGBGB a. F. auch auf nach dem 17.12.2009 abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarungen für angemessen hält. Sie möchte Art.  32 Abs.  1 Nr.  3 EGBGB a. F. heranziehen, wonach sich die Folgen der Nichterfüllung und – nach der herrschenden weiten Auslegung der Norm – auch die Voraussetzungen für Ansprüche aus Vertragsverlet­ zungen nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht richten. 64  Z. B. Kieninger, in: Ferrari u. a. (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2.  Aufl. 2011, Art.  1 Rom I-VO Rn.  18; Rauscher, IPR, 4.  Aufl. 2012, §  15 Rn.  1862; befürwortend auch Magnus, IPRax 2016, 521, 525. 65  Siehe Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  1.101; O. Sandrock, RIW 1986, 841, 845 f. Vgl. auch Sánchez-Fernández, 12 Year­ book of Private International Law (2010), 377, 386, 392: „Nevertheless, a claim for damages for the breach of the clause is a different question that certainly has nothing to do nor with the procedural issues covered by the Brussels I Regulation, nor anything to do with the problem of validity of the clause. It is a strictly contractual matter and therefore the applicable law should be determined with the Rome I Regulation.“ 66  Mankowski, RIW 2011, 30, 31. 67  Siehe Martiny, RIW 2009, 737, 740 und sich anschließend Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183, 194 f.; siehe aber auch schon MPI for Foreign Private and Private International Law, RabelsZ 68 (2004), 1, 25. In diese Richtung ebenfalls Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ 63 

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man auch damit argumentieren, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Ent­ scheidung für die Abschaffung der Art.  27 ff. EGBGB a. F. zum Ausdruck ge­ bracht habe, dass die Rom I-VO auch für die von ihr nicht geregelten Bereiche jedenfalls analog gelten solle.68 Der Streit ist letztlich rein akademischer Natur und hat keine Auswirkungen auf das Ergebnis. Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung erbringt keine Partei eine charakteristische Leistung69, auch sonst sind keine speziellen Vorschriften der Rom I-VO auf der einen oder der Art.  27 ff. EGBGB a. F. auf der anderen Seite einschlägig. Folglich käme jeweils die Auffangregel, also die Anknüpfung an die engste Verbindung, zum Zuge (Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO bzw. Art.  28 Abs.  1 S.  1 EGBGB a. F.). Die Anknüpfung an die engste Verbindung entspricht auch der Savigny’schen Herangehensweise, die nach dem „Sitz des Rechtsver­ hältnisses“ sucht, sodass die analoge Anwendung von Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO erst recht gerechtfertigt ist, fügt sie sich doch in die allgemeine kollisionsrecht­ liche Dogmatik ein.70 Nach der hier vertretenen Auffassung, aber auch nach der Ansicht, die die Art.  27 ff. EGBGB a. F. für weiterhin anwendbar hält, muss also ermittelt werden, mit welcher Rechtsordnung die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunden ist. Analog Art.  12 Abs.  1 lit.  a) bis c) Rom I-VO (bzw. – der anderen Ansicht nach – über Art.  32 Abs.  1 Nr.  1 bis 3 EGBGB a. F.) ent­ scheidet dann dieses mit der Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunde­ ne Recht, also das Prorogationsstatut, über die Auslegung der Vereinbarung, insbesondere die Frage, ob sie materiellrechtliche Verpflichtungswirkung ent­ faltet, und das Bestehen und die Höhe vertraglicher Schadensersatzansprüche. 3.  Mit welcher Rechtsordnung ist die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunden? Spätestens bei der Frage, mit welchem Recht die Gerichtsstandsvereinbarung denn nun am engsten verbunden ist, erkennt man, dass Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuG­ VVO n. F. letztlich nur einen Umweg eingebaut hat, welcher den Rechtsanwen­ EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  36. Anders Hausmann, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.45: keine Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, sondern ungeschriebene eigenständige Anknüpfung von Ge­ richtsstandsvereinbarungen. 68  Anders jedoch bei Schiedsvereinbarungen: Hier soll nach der herrschenden Meinung eine analoge Anwendung der Rom I-VO ausscheiden, da Hintergrund der Bereichsausnahme die Existenz des New Yorker Übereinkommens von 1958 war. Vgl. z. B. König, SchiedsVZ 2012, 129, 131 f. 69  Für Schiedsvereinbarungen ebenso Geimer, in: Zöller, ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  1025 Rn.  11; ders., IPRax 2006, 233, 234. 70  Vgl. zum Ganzen bereits Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183, 194 f.

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der doch zum alten Streitstand führt. Er ist doch gezwungen, anhand unge­ schriebener Kriterien zu ermitteln, zu welcher Rechtsordnung die Gerichts­ standsvereinbarung die engste Verbindung hat. In Betracht kommen die lex causae, also das Recht des Hauptvertrags, die lex fori des jeweils angerufenen Gerichts oder die lex fori prorogati, also das Recht des Staates des Gerichts oder der Gerichte, die in der Vereinbarung designiert sind. Die Anwendung der lex fori des im konkreten Fall angerufenen Gerichts kann schon aus naheliegenden vernünftigen Erwägungen ausgeschieden wer­ den. Sie hätte zur Folge, dass z. B. ein italienisches Gericht, das entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts oder der deut­ schen Gerichte angerufen wurde, nach Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. i. V. m. Erwägungsgrund (20) zunächst auf Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO (analog) als Teil des deutschen Kollisionsrechts verwiesen würde, über das Kollisionsrecht dann aber zum italienischen Sachrecht gelangen würde. Würde zwischenzeitlich das in der Vereinbarung bezeichnete deutsche Gericht angerufen, hätte das italieni­ sche Gericht die Prüfung auszusetzen. Das deutsche Gericht würde dann seiner­ seits seine lex fori, also deutsches Recht, für die Prüfung der materiellen Wirk­ samkeit der Vereinbarung anwenden. Die Anwendung der lex fori würde somit dazu führen, dass die Gerichtsstandsvereinbarung nach unterschiedlichen Rechtsordnungen behandelt würde. Ein solches Ergebnis ist wenig überzeu­ gend. Vor allem aber ist die Gerichtsstandsvereinbarung eben gerade nicht mit dem Recht desjenigen Staates am engsten verbunden, in welchem die Klage – zufällig oder gar in Missbrauchsabsicht – erhoben wurde. Sonst hätte es der abredewidrig handelnde Kläger in der Hand, das Prorogationsstatut gleich mit­ zubestimmen. Es bleiben also die lex causae und die lex fori prorogati. Dabei wird der Streit, mit welcher dieser Rechtsordnungen die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunden ist, in der Praxis oft nicht zu entscheiden sein. Denn häufig verbinden die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung mit einer Rechtswahl­ klausel, in der sie ihre Rechtsbeziehung dem Recht des Staates des gewählten Gerichts oder der gewählten Gerichte unterwerfen.71 In einem solchen Fall sind also das über eine Rechtswahl nach Art.  3 Rom I-VO bestimmte Statut des Hauptvertrags, die lex causae, und die lex fori prorogati identisch. Wenn also in dem Fallbeispiel 1 „Redlich“ und „Brüchig“ für alle aus ihrer Rechtsbeziehung zueinander erwachsenden Streitigkeiten die Anwendung des deutschen Rechts gewählt hätten, aber auch, wenn das deutsche Recht aus anderen Gründen die lex causae wäre (z. B. weil im Falle eines Dienstleistungsvertrags der Dienst­ 71  Ebenso Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Han­ delsverkehr (2007), S.  74.

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leister seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätte, Art.  4 Abs.  1 lit.  b) Rom I-VO), wären lex causae und lex fori prorogati identisch. Der Streit müsste aber z. B. dann entschieden werden, wenn in unserem Fallbeispiel 1 die den Dienst erbringende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt in New York hätte. Dann würde gemäß Art.  4 Abs.  1 lit.  b) i. V. m. Art.  20 Rom I-VO das New Yor­ ker Recht den Hauptvertrag beherrschen. Wenn man die Gerichtsstandsverein­ barung also als mit dem Hauptvertrag am engsten verbunden sehen würde, müsste man prüfen, ob sich aus dem New Yorker Recht vertragliche Schadens­ ersatzansprüche ergeben. Die Annahme der engsten Verbindung zum Recht des Staates des gewählten Gerichts würde hingegen zur Anwendung deutschen Rechts führen. Die Anwendung der lex causae, also des Statuts des Hauptvertrags, findet gerade im deutschen Schrifttum viele Anhänger.72 Auch der BGH wendet in gängiger Rechtsprechung das Recht des Hauptvertrags auf die materiellrechtli­ chen Aspekte internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen an.73 In Spanien scheint die herrschende Meinung ebenfalls davon auszugehen, dass materiell­ rechtliche Fragen der Gerichtsstandsvereinbarung und damit auch auf vertragli­ chen Schadensersatz gerichtete Folgeansprüche am ehesten mit dem Recht, das den Hauptvertrag beherrscht, verbunden sind.74 Demgegenüber ist im US-ame­ rikanischen Schrifttum, wo ebenfalls umstritten ist, welches Recht die Wirk­ samkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen beherrscht, eher eine Tendenz hin zu lex fori prorogati zu verzeichnen.75 Die US-amerikanischen Gerichte wen­ Aus dem deutschen Schrifttum vgl. z. B. P. Gottwald, in: Festschrift Henkel (1995), S.  301; Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht (2002), S.  130; Kröll, ZZP 113 (2000), 135, 149; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 282 f.; G. Roth, ZZP 93 (1980), 156, 165; O. Sandrock, in: Festschrift Schlosser (2005), 821, 835 f. 73  BGH, 15.04.1970, NJW 1971, 323 m. Anm. Geimer; BGH, 22.09.1971, NJW 1972, 391; BGH, 24.10.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH, 21.11.1996, NJW 1997, 397; BGH, 18.03.1997, NJW 1997, 2885, 2886. Ebenso BAG, 13.11.2007, NZA 2008, 761. Auch der österreichische OGH wendet auf Fragen des wirksamen Zustandekommens die lex causae des Hauptvertrags an, vgl. Urteil vom 29.05.2001, 5 Ob 112/01 h. 74  Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 386, derzu­ folge dies die herrschende Ansicht in Spanien ist. Auch das Tribunal Supremo hat in seiner Entscheidung vom 12.01.2009, Cendoj-Nr.: 28079110012009100055, Aranzadi Westlaw RJ/2009/544, die lex causae angewendet, ohne deren Anwendbarkeit weiter zu begründen. Allerdings ist dies nicht sehr aussagekräftig, weil nicht nur spanisches Recht die lex causae war, sondern auch das gewählte Gericht in Spanien lag, also auch die lex fori prorogati spa­ nisches Recht gewesen wäre, und die Parteien von Anfang an auf Basis des spanischen Rechts verhandelt hatten. Vgl. dazu bereits oben Teil II §  9 C. II. 2. 75  Courson, 85 Denver University Law Review (2008), 597; Crystal/Giannoni-Crystal, 8 South Carolina Journal of International Law and Business (2011–2012), 203, 223, 258 ff. 72 

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den entweder die lex fori prorogati, teilweise aber auch die lex causae an.76 Hier wird die durch unterschiedliche Anknüpfung bestehende Unsicherheit noch er­ schwert, weil die Bundesstaatengerichte ihre jeweils eigenen Regeln anwen­ den.77 Die englischen Gerichte tendieren jedenfalls beim Erlass einer contractual anti-suit injunction dazu, die Frage, ob die Gerichtsstandsvereinbarung ver­ pflichtende Wirkung entfaltet und damit den Parteien ein subjektives Recht not to be sued abroad zusteht, nach dem englischen Recht zu beantworten, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung auf die englischen Gerichte lautet; gleichzeitig wird aber auch in England teilweise die lex causae des Hauptvertrags, der die Gerichtsstandsvereinbarung enthält, auf deren materiellrechtliche Fragen ange­ wendet.78 Insgesamt herrscht in Europa und weltweit also keine Einigkeit über das Prorogationsstatut. Für eine Anwendung der lex causae wird angeführt, dass Gerichtsstandsver­ einbarungen häufig schon äußerlich mit dem Hauptvertrag verbunden seien, im Rahmen der Vertragsverhandlungen über den Hauptvertrag oft bloß als Annex abgeschlossen würden und durch die Anwendung eines anderen Rechts ein ein­ heitlicher Lebenssachverhalt künstlich aufgespalten werde.79 Es entspreche dem Willen der Parteien, das auf den Vertrag anwendbare Recht auch für das wirk­ same Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung gelten zu lassen.80 Die­ se Sichtweise leuchtet insofern ein, als dass gerade juristisch nicht vorgebildete Parteien in aller Regel nicht bedenken, dass es sich bei der Gerichtsstandsver­ einbarung um einen eigenständigen Vertrag handelt. Dagegen spricht aber, dass die Einbettung von Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln in den Vertrags­ text häufig lediglich aus praktischen Gründen erfolgt, um alle wesentlichen Ver­ einbarungen in einem Dokument geregelt zu haben. Außerdem liegt es nahe, dass nach dem Willen der Parteien das gewählte Gericht nach seinem Recht über die eigene Zuständigkeit entscheidet. Schließlich stellt die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht den Normalfall dar. Vielmehr gehen die Ver­ tragsparteien regelmäßig davon aus, dass im Streitfall auch das gewählte Ge­ richt angerufen werden wird – dann soll es auch möglichst schnell nach seinem eigenen Recht seine Zuständigkeit bestimmen können.81 Die Anwendung der Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  430 m. w. N. Vgl. Hay, US-Amerikanisches Recht, 5.  Aufl. 2011, Rn.  284. 78  Vgl. Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz durch englische Gerichte (2001), S.  294; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  290. 79  So argumentiert der BGH, vgl. z. B. BGH, 24.10.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH 24.11.1988, IPRax 1990, 41, 42 f.; BGH, 21.11.1996, NJW 1996, 397, 399; BGH, 15.02.2007, NJW 2007, 2036, 2037. 80  Vgl. z. B. BGH, 21.11.1996, NJW 1997, 397, 399. 81  von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 9.  Aufl. 2007, S.  88 Rn.  79. 76 

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lex causae würde hingegen bedeuten, dass das Gericht bereits bei der Beant­ wortung der Zuständigkeitsfrage, also bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprü­ fung, u. U. ausländisches Recht anzuwenden hätte.82 Von Bedeutung sollte ebenfalls der Umstand sein, dass die Anknüpfung an die lex causae die Fälle ungeregelt lässt, in denen die Gerichtsstandsvereinbarung unabhängig von ei­ nem Hauptvertrag – z. B. nachträglich oder für mehrere Verträge, die mögli­ cherweise sogar unterschiedlichen Rechten unterliegen – getroffen wurde83 oder es überhaupt keinen Hauptvertrag gibt, sondern um quasivertragliche oder de­ liktische Ansprüche gestritten wird.84 Die Einbettung der Gerichtsstandsverein­ barung in den Hauptvertrag spricht daher nur ausnahmsweise für die engste Verbindung zum Vertragsstatut, wenn es etwa um die Einbeziehung von AGB geht, in denen u. a. die Gerichtsstandsklausel enthalten ist, oder wenn eine Dritt­ beteiligung zur Frage steht, weil es sonst zu unstimmigen Ergebnissen kommen könnte, wenn die Einbeziehung bzw. Drittbeteiligung hinsichtlich des Haupt­ vertrags und hinsichtlich der Bindung an die Gerichtsstandsvereinbarung unter­ schiedlich beurteilt werden würde.85 Ein weiteres Argument für die Anwendung der lex fori prorogati anstelle der lex causae ist der gewünschte Gleichlauf mit dem Recht der Schiedsvereinba­ rung.86 Im Schiedsverfahrensrecht entspricht es nämlich der herrschenden Mei­ nung, dass die materiellrechtliche Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bei Fehlen einer Rechtswahl nach dem Recht des Schiedsorts, der lex loci arbitri, beurteilt werden soll.87 Dies wird auch Art. V (1) a) UNÜ (auf den auch §  1061 Abs.  1 ZPO verweist) entnommen.88 82  Vgl. auch Adolphsen, ZZP Int. 4 (1999), 243, 252; Haß, EuZW 1999, 444, 445; Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen (1994), S.  86; Mankowski, Seerechtliche Ver­ tragsverhältnisse im IPR (1995), S.  256 ff.; Samtleben, RabelsZ 59 (1995), 670, 708 Fn.  195. 83  Jedenfalls dann gegen die Geltung der lex causae ist Hausmann, in: Festschrift Lorenz (1991), S.  359, 366. 84  Für Schiedsvereinbarungen ebenso Geimer, IPRax 2006, 233, 234; König, SchiedsVZ 2012, 129, 131. 85  Mankowski, IPRax 1996, 427, 430 f. 86  Eine gemeinsame kollisionsrechtliche Behandlung von Gerichtsstands- und Schieds­ vereinbarungen für geboten halten auch Hausmann, in: Festschrift Lorenz (1991), S.  359, 363 f.; Mankowski, RIW 2011, 30, 31; Rahmann, Ausschluß der staatlichen Gerichtszustän­ digkeit (1984), S.  152 f., 158 f. 87  Aus der Rechtsprechung vgl. z. B. BGH, 07.01.1971, NJW 1971, 986 sowie OLG Ham­ burg, 21.05.1981, VersR 1982, 894. Aus dem Schrifttum vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  1025 Rn.  10; Hausmann, in: Festschrift Lorenz (1991), S.  359, 366. Die Anknüpfung an die lex loci arbitri entspricht auch der herrschenden Meinung in Österreich, vgl. dazu Schumacher, SchiedsVZ 2005, 54 m. w. N. aus Rechtsprechung und Schrifttum. 88  Vgl. Geimer, IPRax 2006, 233, 234; König, SchiedsVZ 2012, 129; MPI for Foreign Private and Private International Law, RabelsZ 68 (2004), 1, 22 ff. Vgl. weiterführend zum

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Gegen die Anwendung der lex causae spricht außerdem, dass gerade im in­ ternationalen Wirtschaftsverkehr der Hauptvertag häufig von speziellen Geset­ zen, wie dem CISG, beherrscht wird. Zwar wird aus Art.  19 Abs.  3 CISG auf seine Geltung auch für Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen.89 Allerdings handelt es sich beim UN-Kaufrecht um ein primär kaufrechtlich orientiertes Vertragswerk, welches gerade allgemeine Fragen zum Vertragsschluss eher knapp behandelt. Dabei kann dahinstehen, ob die im CISG enthaltenen Vor­ schriften zum Vertragsschluss abschließend sind90 oder nicht91. Hält man das CISG nicht für abschließend, wäre häufig subsidiär auf das materielle Recht zurückzugreifen, welches den Vertrag ohne Anwendbarkeit des CISG beherr­ schen würde.92 Das würde die Prüfung unübersichtlich machen, weil noch ein weiteres Recht hinzukäme. Wenn man dagegen das CISG für abschließend hält, gilt aber trotzdem, dass es sich beim CISG um ein Spezialrecht, nämlich ein für den grenzüberschreitenden Warenverkehr designtes Kaufrecht handelt. Es wäre nicht sinnvoll, seine Regeln zur Bestimmung der Wirksamkeit einer Gerichts­ standsvereinbarung anzuwenden.93 Im Übrigen spricht auch Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. selbst für die An­ wendung der lex fori prorogati. Der Vorschrift ist die Wertung zu entnehmen, Schiedsstatut auch Hill, 63 International and Comparative Law Quarterly (2014), 517. Vgl. zur Darstellung des vorliegenden Streitstands auch bereits Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183, 197 ff. 89  Etwa Martiny, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2015, Vor Art.  1 Rom I-VO Rn.  83; Piltz, NJW 2003, 2056, 2059; Schwenzer/Tebel, in: Festschrift Magnus (2014), S.  319, 325 m. w. N.; Schroeter, in: Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6.  Aufl. 2013, Vor Artt.  14–24 Rn.  10. 90  So wohl die herrschende Meinung, vgl. statt vieler Jametti Greiner, in: Hoyer/Posch (Hrsg.), Das Einheitliche Wiener Kaufrecht (1992), S.  43, 46; Stoffel, in: Schweizer Institut für Rechtsvergleichung (Hrsg.), Wiener Übereinkommen von 1980 über den internationalen Warenkauf – Lausanner Kolloquium vom 19. und 20. November 1984 (1985), S.  55, 67. 91  So z. B. Gruber, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, Vor Art.  14 CISG Rn.  2. 92  So hat auch der BGH jüngst über Art.  4 S.  2 CISG auf die deutsche lex fori prorogati zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, die in einem dem CISG unterliegenden Kaufvertrag enthalten war, abgestellt, vgl. BGH, 25.03.2015, ZIP 2015, 1545. Vgl. generell zu den Fragen, bei denen mangels Regelung im CISG auf das nationale Recht zurückzugreifen ist, Huber, in: Huber/Mullis, The CISG (2007), S.  20 ff. 93  Eine andere Frage besteht darin, ob die Art.  74 ff. CISG generell auf die Ersatzfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten anzuwenden sind. Dies bejaht etwa Piltz, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1387; ders., in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law (2014), S.  286. Dem ist zuzustimmen: Gegen die Ersatzfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten nach dem Schadensersatzrecht des CISG ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Sie entspricht dem ein­ heitsrechtlichen Charakter des CISG. Aus der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit von Rechts­ verfolgungskosten folgt aber trotzdem nicht, dass eine mit einem dem CISG unterliegenden Vertrag verbundene Gerichtsstandsvereinbarung und die sich aus deren Verletzung ergeben­ den Ersatzansprüche am engsten mit dem Hauptvertrag verbunden sind.

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dass der Reformgesetzgeber die engste Verbindung der Gerichtsstandsvereinba­ rung mit dem Recht des gewählten Gerichts oder der gewählten Gerichte sieht. Die Ausgestaltung der Kollisionsvorschrift als Gesamtverweisung folgt ledig­ lich aus Erwägungsgrund (20) zur reformierten Verordnung, ist aber der Formu­ lierung der Vorschrift selbst – „[…] es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig“ – nicht zu entnehmen. Es ist da­ her jedenfalls nicht vollkommen fernliegend, dass von manchen Gerichten aus Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. ohne Umweg über die Rom I-VO oder andere Kollisionsvorschriften gefolgert werden wird, dass die lex fori prorogati mate­ riellrechtliche Fragen der Gerichtsstandsvereinbarung beherrscht. Hinzutritt, dass die Verordnung nunmehr in Art.  25 Abs.  5 EuGVVO n. F. ausdrücklich klarstellt, dass es sich bei der Gerichtsstandsvereinbarung um einen eigenstän­ digen Vertrag handelt, der in seiner Wirksamkeit unabhängig vom Hauptvertrag ist. Daraus lässt sich zwar nicht unmittelbar ein Argument für die Geltung der lex fori prorogati ableiten. Dass der Gesetzgeber die Klarstellung in die refor­ mierte Verordnung aufgenommen hat, zeigt aber jedenfalls, dass er gerade die Eigenständigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zum Hauptver­ trag betonen möchte. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Gerichtsstandsvereinbarung da­ her am engsten mit dem Staat des gewählten Gerichts oder der gewählten Gerich­ te verbunden94, sodass über Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. i. V. m. Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO (ggf. in analoger Anwendung) die lex fori prorogati die mate­ riellrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung sowie aus der Vereinbarung fol­ gende vertragliche Sekundäransprüche beherrscht. Im Falle einer Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte – wie in den vorliegenden Beispielsfällen – ist daher das deutsche Recht auf Bestehen und Höhe vertragli­ cher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Gerichtsstandsverein­ barung anzuwenden. Die Anwendung der lex fori prorogati ergibt für Folge­ ansprüche, wie den vertraglichen Schadensersatzanspruch, besonderen Sinn. Auch wenn es sich um einen materiellrechtlichen Ersatzanspruch und nicht um Im Ergebnis ebenso z. B. Gebauer, in: Festschrift von Hoffmann (2011/2012), S.  577, 581; ders., in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 282; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.45; von Hoffmann/Thorn, Interna­ tionales Privatrecht, 9.  Aufl. 2007, S.  87 Rn.  77; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  97 f.; E. Lorenz, IPRax 1985, 256, 261; Magnus, IPRax 2016, 521, 528; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  36; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  432 (allerdings über Art.  32 Abs.  1 Nr.  3 EGBGB a. F.); O. Sandrock, in: Festschrift Schlosser (2005), S.  821, 835 f.; Simitis, JuS 1966, 213, 216; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Handelsverkehr Europas: Form und Willenseinigung nach Art.  17 EuGVÜ/LugÜ (1994), S.  180 ff.; Tan/Yeo, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law and Commercial Practice (2003), S.  404 f. 94 

§ 11 – E.  Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht

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einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, etwa aus §  91 ZPO, handelt, ist der Anspruch doch unmittelbar mit der Gerichtsstandsvereinbarung als Prozess­ vertrag, also mit dem prozessualen Verhältnis zwischen den Parteien verknüpft. Es liegt nur nahe, dass das gewählte Gericht, welches für die Entscheidung über einen vertraglichen Schadensersatzanspruch zuständig ist, dann auch sein eige­ nes Recht anwendet. Der Schadensersatzanspruch, der direkt aus der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung erwachsen würde, ist schließlich offensichtlich enger mit dieser Vereinbarung verbunden als mit dem Hauptvertrag, über den im Rahmen des Schadensersatzprozesses überhaupt nicht gestritten wird. 4.  Die Folgen einer Rechtswahl durch die Parteien Zu untersuchen bleibt, wie sich eine von den Parteien getroffene Rechtswahlver­ einbarung hinsichtlich des Hauptvertrags auf das Prorogationsstatut auswirkt. Auch in diesem Zusammenhang werden in der Praxis nur dann Probleme ent­ stehen, wenn die Parteien eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung mit der Wahl des materiellen Rechts eines anderen Staates als demjenigen, in dem die bezeichneten Gerichte belegen sind, verbinden. Diejenigen, die ohnehin die Geltung der lex causae für die Gerichtsstands­ vereinbarung vertreten, wollen erst recht einer den Hauptvertrag betreffenden Rechtswahl unter Berufung auf den Vorrang des Parteiwillens auch die Ge­ richtsstandsvereinbarung unterwerfen.95 Dafür könnte sprechen, dass die Par­ teien ohnehin Gerichtsstandsvereinbarung und Rechtswahl häufig miteinander verbinden und sich der innere Bezug zueinander auch daraus ergibt, dass umge­ kehrt eine Gerichtsstandsvereinbarung als ein mögliches Indiz für eine Rechts­ wahl gesehen wird, wie sich auch aus Erwägungsgrund (12) zur Rom I-VO e­ rgibt. Es wird auch damit argumentiert, es sei lebensfremd, zwei unterschied­ liche Rechtsordnungen bezogen auf den Hauptvertrag und die Gerichts­stands­ vereinbarung anzuwenden.96 Staehelin etwa will die Rechtswahl jedenfalls dann für die Gerichtsstandsvereinbarung gelten lassen, wenn sie „[…] global für den ganzen Vertrag als dessen letzte Klausel vor oder nach der Gerichts­ standsklausel vereinbart wurde.“97 95  Ausdrücklich z. B. Lindenmayr, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht (2002), S.  130, 196; Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 385 f., 392. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH zu Gerichtsstandsvereinbarungen nach §  38 ZPO, vgl. BGH, 15.04.1970, NJW 1971, 323 m. Anm. Geimer; BGH, 22.09.1971, NJW 1972, 391; BGH, 24.10.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH, 21.11.1996, NJW 1997, 397; BGH, 18.03.1997, NJW 1997, 2885, 2886. 96  Schütze, DB 1974, 1417, 1420. 97  Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Handelsverkehr Europas (1994), S.  179.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Nach der hier vertretenen Auffassung, wonach materiellrechtliche Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich der lex fori prorogati unterlie­ gen, kann eine Rechtswahlvereinbarung hinsichtlich des Hauptvertrags jedoch nicht per se auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung bezogen werden. Die Ge­ richtsstandsvereinbarung ist und bleibt ein eigenständiger Vertrag. Die Rechts­ wahlvereinbarung muss also danach ausgelegt werden, ob der Wille der Partei­ en wirklich darauf gerichtet war, auch materiellrechtliche Aspekte der Gerichts­ standsvereinbarung und damit auch vertragliche Schadensersatzansprüche wegen ihrer Verletzung der Geltung des Hauptvertragsstatuts zu unterwerfen. Es ist zwar richtig, dass sich die Parteien oft gar nicht dessen bewusst sind, dass es sich bei dem Hauptvertrag, der Rechtswahl- und der Gerichtsstandsverein­ barung um drei eigenständige Verträge handelt. Man kann das Argument aber auch umdrehen. Die Parteien treffen die Rechtswahl im Regelfall aus bestimm­ ten auf den Hauptvertrag bezogenen Interessen heraus, weil sie also die in der Sache für sie günstigsten Regeln zu Anwendung bringen möchten. Es liegt fern, dass sie dabei daran denken, welche Auswirkungen das gewählte Hauptver­ tragsstatut auf die Gerichtsstandsvereinbarung und sich möglicherweise aus dieser ergebende Folgeansprüche haben kann. Davon abgesehen ist es auch möglich, dass der Gerichtsstand zeitlich vor der Rechtswahl vereinbart wurde.98 Außerdem geht jedenfalls bei Schiedsvereinbarungen die wohl herrschende Meinung davon aus, dass materiellrechtliche Fragen sich allein nach der lex loci arbitri, also dem Recht am Sitz des gewählten Schiedsgerichts, richten, unab­ hängig von einer durch die Parteien getroffenen Rechtswahl.99 Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass eine Rechtswahlvereinbarung nicht automatisch auf die Gerichtsstandsvereinbarung übertragen werden kann, sondern sich deren materiellrechtliches Zustandekommen sowie Folgeansprüche – wie ein vertrag­ licher Schadensersatzanspruch – nur dann nach dem für den Hauptvertrag ge­ wählten Recht richten, wenn die Auslegung der Rechtswahlvereinbarung auf einen dahingehenden Parteiwillen schließen lässt. Eine andere Frage besteht darin, ob die Parteien das auf die Gerichtsstands­ vereinbarung anwendbare Recht wählen können. Eine solche parteiautonome Bestimmung des Prorogationsstatuts sollte ihnen freistehen, wobei dies in der Praxis wohl sehr selten vorkommen wird.100 Auch die Verweisung in Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. auf das Recht des Staates des gewählten Gerichts oder der gewählten Gerichte dürfte an der Möglichkeit einer gesonderten Rechts­ Vgl. bereits Antomo, ZZP Int. 17 (2012), 183, 195 f. Vgl. König, SchiedsVZ 2012, 129 Fn.  1. 100  Vgl. Hausmann, in: Festschrift Lorenz (1991), S.  359, 366 m. w. N. in Fn.  32; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht (2010), S.  78 m. w. N. in Fn.  159; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  369 f. 98 

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wahl für die materiellrechtlichen Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung nach der hier vertretenen Auffassung nichts ändern. Wenn die von Erwägungsgrund (20) zur neuen EuGVVO angeordnete Ausgestaltung als Gesamtverweisung konsequent zu Ende gedacht wird und daher die Vorschriften der Rom I-VO (jedenfalls analog) zur Anwendung gelangen, müssen die Parteien auch nach Art.  3 Rom I-VO eine Rechtswahlvereinbarung bezogen auf die Gerichtsstands­ vereinbarung treffen können. 5.  Geltung des Günstigkeitsprinzips? Meines Erachtens ist es außerdem überzeugend, nach dem Günstigkeitsprinzip eine alternative Anknüpfung vorzunehmen und auf den Schadensersatzan­ spruch, wenn es zu günstigeren Ergebnissen als die lex fori prorogati gelangt, das Recht des Staates des abredewidrig angerufenen Gerichts anzuwenden. Hat sich der abredewidrig handelnde Auslandskläger nach dem im forum derogatum geltenden Recht schadensersatzpflichtig gemacht, wäre es nicht einleuchtend, dass ein Schadensersatzprozess im forum prorogatum daran scheitert, dass das Recht dieses Staates keinen Schadensersatz wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung kennt. Zwar darf die nicht vertragsbrüchige Partei nach der hier vertretenen Auffassung auch im forum derogatum, etwa widerkla­ gehalber, versuchen, Schadensersatz zu erhalten. Sie darf aber nicht gezwungen sein, weiterhin im forum derogatum prozessieren zu müssen. Unter denselben Voraussetzungen muss sie auch vor dem gewählten Gericht eine Kompensation erlangen können. In der Praxis dürfte es indes schwierig sein, das mit dem Schadensersatz be­ fasste Gericht von der Geltung des Günstigkeitsprinzips zu überzeugen. Ver­ neint es das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs nach der lex fori prorogati, ist es recht unwahrscheinlich, dass es dazu übergehen wird, zu prüfen, ob nach dem Recht des Staates des abredewidrig angerufenen Gerichts ein Scha­ densersatzanspruch besteht. Denn häufig werden nicht nur dogmatische, son­ dern auch rechtspolitische Erwägungen das Gericht dazu bewogen haben, eine Schadensersatzhaftung zu verneinen. Seine auf diesen Beweggründen fußende Entscheidung wird es kaum im Wege der Anwendung eines ausländischen Rechts wieder aufgeben. Außerdem dürfte es dem mit der Schadensersatzklage befassten Gericht ohnehin schwerfallen, zu beurteilen, ob nach dem Recht des Staates des abredewidrig angerufenen Gerichts ein Schadensersatzanspruch be­ stehen würde. Auch in den Staaten, deren Gerichte Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährt haben, ist die Rechtspre­ chung – wie dargestellt – noch dünn und die Entscheidungen lassen manche Fragen unbeantwortet. Geschriebenes Recht, das konkret Schadensersatzan­

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

sprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung regelt, exis­ tiert auch in diesen Staaten nicht. Ein deutsches Gericht würde etwa aus den US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen kaum ableiten können, unter wel­ chen konkreten Voraussetzungen und in welcher Höhe ein Schadensersatzan­ spruch in dem jeweiligen US-Bundesstaat besteht. Es könnte es zudem als hy­ pokritisch betrachten, einer Partei Schadensersatz nach dem Recht eines ande­ ren Staates zu gewähren mit der Begründung, dass sie gerade in diesem Staat in ein Verfahren verwickelt war und dadurch einen Schaden erlitten hat. Sollte sich die Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsver­ einbarung verlangen zu können, in einigen Staaten weiter etablieren, könnte für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips in der Praxis zukünftig mehr Raum bestehen. 6. Ergebnis Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. enthält eine Kollisionsvorschrift, wonach sich Fragen der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des Staates des gewählten Gerichts richten. Nach der hier ver­ tretenen Auffassung wäre die Ausgestaltung der neuen Kollisionsvorschrift als Sachnormverweisung wünschenswert gewesen, doch wie sich aus Erwägungs­ grund (20) zur reformierten Verordnung ergibt, handelt es sich um eine Gesamt­ verweisung auf das gesamte Recht, einschließlich der Kollisionsregeln, des Staates, in dem sich das gewählte Gericht oder die gewählten Gerichte befinden. In Deutschland und im europäischen Einheitsrecht existieren keine ausdrückli­ chen Kollisionsvorschriften für das Prorogationsstatut, allerdings spricht eini­ ges dafür, die Vorschriften der Rom I-VO entgegen des Ausschlussgrundes in ihrem Art.  1 Abs.  2 lit.  e) entsprechend anzuwenden und analog Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO das Recht der engsten Verbindung zu ermitteln. Dieses Recht be­ herrscht analog Art.  12 Abs.  1 Rom I-VO auch Folgefragen, wie die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung sowie die Folgen einer Nichterfüllung der Pflichten aus der Vereinbarung, einschließlich der Schadensbemessung. Das Recht der engsten Verbindung beherrscht folglich auch vertragliche Schadens­ ersatzansprüche wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten mit dem materiellen Recht des Staates, dessen Gerichte in der Verein­ barung bezeichnet worden sind, also der lex fori prorogati, verbunden. Eine auf den Hauptvertrag bezogene Rechtswahl schlägt nur dann auf das Prorogations­ statut durch, wenn sich ein dahingehender Parteiwille durch Auslegung der Rechtswahlvereinbarung feststellen lässt. Allerdings steht es den Parteien frei, das auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht gesondert zu wählen.

§ 11 – E.  Das auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch anwendbare Recht

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Hat ein deutsches Gericht über einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte zu entscheiden, wird es also in aller Regel deutsches Sachrecht anwenden. In den allermeisten Fällen ist die Anwendung deutschen materiellen Rechts aber ohnehin unproblematisch, weil die Parteien die Gerichtsstandsver­ einbarung zugunsten der deutschen Gerichte häufig mit einer Rechtswahl zu­ gunsten des deutschen Rechts verbinden, sodass lex causae und lex fori prorogati identisch sind. Das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht hat dann nach dem Günstigkeitsprinzip zu prüfen, ob alternativ zur lex fori prorogati ein Schadensersatzanspruch nach der lex fori derogati besteht.

§  12  Das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs auf Schadensersatz aus §  280 Abs.  1 BGB A.  Überblick Nach der hier vertretenen Auffassung unterliegen vertragliche Ansprüche we­ gen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zuguns­ ten der deutschen Gerichte grundsätzlich der lex fori prorogati, also dem deut­ schen Recht, wenn nicht ausnahmsweise eine engere Verbindung zu einer ande­ ren Rechtsordnung oder eine anderslautende Rechtswahl der Parteien, von der auch die Gerichtsstandsvereinbarung und nicht nur der Hauptvertrag erfasst wird, vorliegt. Anspruchsgrundlage für den vertraglichen Anspruch auf Scha­ densersatz ist im deutschen Recht §  280 Abs.  1 BGB. Im Folgenden soll unter­ sucht werden, ob einer Partei, die entgegen einer ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte vor einem Gericht in ei­ nem Drittstaat, beispielsweise in den USA, verklagt worden ist, ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus §  280 Abs.  1 BGB zusteht. Dann müsste die Kla­ geerhebung im derogierten Forum die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB darstellen (B.), rechtwidrig sein (C.) und der Auslandskläger müsste schuldhaft gehandelt haben (D.). Sind diese Vo­ raussetzungen erfüllt, muss er der nicht vertragsbrüchigen Partei die aus der Pflichtverletzung entstandenen Schäden ersetzen. Fragen der Schadensbemes­ sung werden allerdings gesondert im nächsten Kapitel behandelt, gemeinsam mit den Aussichten auf Durchsetzung einer Schadensersatz gewährenden deut­ schen Entscheidung im Ausland. Dieses Kapitel schließt dagegen mit der Dis­ kussion der Frage, ob vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung aus rechtspolitischen Erwägungen aus­ geschlossen sein müssen (E.), und einer Zusammenfassung (F.)

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

B.  Schuldverhältnis und Pflichtverletzung I.  Vereinbarungen über Verpflichtungswirkungen, Schadensersatz oder Vertragsstrafen Die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung (auch) materiellrechtliche Ver­ pflichtungswirkungen entfaltet, bildet den Kern der Problematik um vertragli­ che Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung. Ihrem Zweck nach ist die Gerichtsstandsvereinba­ rung nämlich in erster Linie auf die Regelung der Zuständigkeitsfrage, mithin eines prozessualen Aspekts, gerichtet. Dem Inhalt nach unterscheidet sie sich also von einem „normalen“ materiellrechtlichen Vertrag, wie etwa einem Kauf­ vertrag, bei dem sich die Parteien zur Erbringung einer bestimmten einklag­ baren Leistung verpflichten. Es kann daher nicht ohne Weiteres davon ausge­ gangen werden, dass die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstands­ vereinbarung einen Vertragsbruch, also die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB, darstellt. Es besteht die Möglichkeit, dass die Parteien die verpflichtende Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung explizit vereinbaren, also ausdrücklich festhalten, dass sie verpflichtet sind, die Erhebung einer Klage in einem anderen als den gewählten Gerichten zu unterlassen.1 Die Klausel kann auch ausdrücklich an­ ordnen, dass Schadensersatz für den Fall eines Zuwiderhandelns zu leisten ist, oder eine Vertragsstraferegelung enthalten. Liegt eine solche ausdrückliche Vereinbarung vor, kann im Falle einer Klage im forum derogatum unproblema­ tisch von einer Pflichtverletzung ausgegangen werden. Dass in derartigen Fällen Schadensersatzansprüche in dogmatischer Hinsicht bestehen, wird einheitlich, also auch von solchen Vertretern aus dem Schrifttum, die allgemein einer Scha­ densersatzhaftung wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ab­ lehnend oder zumindest kritisch gegenüberstehen, bejaht.2 Deshalb gibt es teil­ 1  Weiterführend Mankowski, IPRax 2009, 23, 32 ff.; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  258 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum dero­ gatum (2013), S.  496 ff. 2  Vgl. z. B. Schack, ZZP 116 (2003), 130, 131: „Daß die Parteien solche Vereinbarungen treffen können, steht außer Frage. Doch sind derartige pacta de non petendo sehr selten […].“ Ebenso P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Art.  23 EuGVO Rn.  97: „Ohne weiteres zulässig ist es freilich, zusätzlich zum Gerichtsstand ausdrücklich einen Kostener­ stattungsanspruch für den Fall abredewidriger Klage zu vereinbaren.“ Ähnlich auch G. Wagner, Prozeßverträge (2008), S.  257: „Die Parteien können die Schadensersatzpflicht bei Kla­ gen vor gewillkürt unzuständigen Gerichten des Auslands also durch eine explizite Abrede regeln und damit eine prozeßvertragliche Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche kreieren.“ Vgl. außerdem auch Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 275; Koch, in:

§ 12 – B.  Schuldverhältnis und Pflichtverletzung

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weise auch Bestrebungen, für die Parteien Modellformulare zu entwerfen, mit denen sie bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung sogleich die aus ihrer Verletzung folgenden Schadensersatzansprüche oder Vertragsstrafen vereinba­ ren können.3 Auch im Heidelberger Report wurde die Möglichkeit der Parteien, Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung ausdrücklich zu vereinbaren, angeführt.4 Die Parteien sind also am besten beraten, wenn sie eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung mit einer sol­ chen ausdrücklichen Zusatzvereinbarung versehen.5 Gerade wenn sie die deut­ schen Gerichte wählen, das Prorogationsstatut also – nach der hier vertretenen Auffassung – deutsches Recht ist, ist ihnen eine solche Formulierung zu emp­ fehlen, weil im deutschen Recht die Frage verpflichtender Wirkungen von Ge­ richtsstandsvereinbarungen umstritten ist und es an Rechtsprechung dazu fehlt.6 Ebenso wird im Schrifttum auch den Parteien einer Schiedsvereinbarung emp­ fohlen, eine Vertragsstrafe für die Verletzung der Schiedsvereinbarung durch Klage vor einem staatlichen Gericht zu vereinbaren.7 Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  85, 98; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  68 ff.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel IaVO Rn.  258; ders., IPRax 2009, 23, 27; Nagel/P. Gottwald, IZPR, 7.  Aufl. 2013, §  3 Rn.  230; Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 80 ff.; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17.  Aufl. 2010, S.  158, 186; O. Sandrock, RIW 2004, 809, 814; Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 531 f.; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 87 f. 3  Vgl. etwa Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  161; Takaha­ shi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 87 f. m. w. N. zu den Bestrebungen in Japan. 4  Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  407: „[T]he parties agree to compensate the costs of proceedings instituted with a court lacking jurisdiction including follow-up damages e.g. arising from the delay or the exercise of default clauses in loan agreements.“ 5  Auch wenn eine Abrede, dass die Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung zum Schadensersatz oder zur Leistung einer Vertragsstrafe verpflichtet, die dogmatischen Hin­ dernisse, die einem solchen Anspruch entgegenstehen könnten, beseitigt, stellen sich trotz­ dem z. B. bei der Schadensbemessung die gleichen Probleme wie bei einem gesetzlichen Schadensersatzanspruch, vgl. auch Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 88. Außerdem kann sich auch im Falle einer solchen Abrede die Frage stellen, ob im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten die Zuerkennung von Schadensersatz bzw. einer Vertragsstrafe wegen einer Klageerhebung in einem anderen Mitgliedstaat mit der EuGVVO vereinbar ist. Dazu vgl. Mankowski, IPRax 2009, 23, 33. 6  So auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  496. 7  Vgl. dazu Byford/Sawar, 12 International Arbitration Law Review (2009), 29; Manner/ Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1205 ff.; Mosiman, Anti-Suit Injunctions in International Commercial Arbitration (2010), insb. S.  131 f.; Schwenzer, in: Mélanges Ter­ cier (2008), 417.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Gleichwohl sind internationale Gerichtsstandsvereinbarungen in der Praxis in den allermeisten Fällen nicht explizit im Stil von Verpflichtungen formuliert und es fehlen Vertragsstraferegelungen.8 Im Regelfall denken die Parteien, die einen Gerichtsstand vereinbart haben, im Zweifel überhaupt nicht an die Mög­ lichkeit und die Folgen einer Missachtung dieser Vereinbarung. Bereits die For­ mulierung der Gerichtsstandsvereinbarung selbst wird häufig eher stiefmütter­ lich behandelt9, was mit einer schlechten anwaltlichen Beratung begründet wer­ den mag, aber womöglich auch daran liegen kann, dass die Parteien durch die vorausschauende Planung eines Streitfalls ihr Verhältnis unnötig zu belasten fürchten.10 Es fehlen bislang also in den allermeisten Fällen Vereinbarungen über mögliche Verpflichtungswirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung bzw. über Schadensersatzansprüche oder Vertragsstrafen wegen der Verletzung der Vereinbarung. Liegt eine typische Vereinbarung vor, deren Wortlaut eine von den Parteien ausdrücklich gewollte Verpflichtungswirkung nicht direkt ent­ nommen werden kann, stellt sich die Frage, ob eine derartige Verpflichtung durch Auslegung ermittelt werden kann. II.  Die Unergiebigkeit der deutschen Rechtsprechung Die deutschen Gerichte haben sich, soweit ersichtlich, bis heute nicht mit der hier untersuchten Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen Verpflichtungswir­ kung entfalten, auseinandergesetzt. Soweit ersichtlich, wurde eine auf Scha­ densersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinba­ rung gerichtete Klage bisher noch nicht vor einem deutschen Gericht erhoben. Der BGH hat sich nur in einigen wenigen Entscheidungen mit der Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen befasst und betrachtet die Vereinbarungen dann als sog. „(materiellrechtliche) Verträge über prozessuale Beziehungen“.11 Mankowski, IPRax 2009, 23, 26. Auch bei Schiedsvereinbarungen ist eine ausdrückliche Vereinbarung einer Vertragsstrafe in der Praxis selten, vgl. Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1205. 9  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarung im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  40; Killias, in: Festschrift Siehr (2001), S.  65. 10  Vgl. zu beiden Motiven Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarung im deutsch-amerika­ nischen Handelsverkehr (2007), S.  40; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im interna­ tionalen Handelsverkehr Europas (1994), S.  126. 11  BGH, 14.03.1968, NJW 1968, 1233; BGH, 15.04.1970, NJW 1971, 323, 324; BGH, 22.09.1971, NJW 1972, 391; BGH, 17.05.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH, 24.10.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH, 30.05.1983, NJW 1983, 2772, 2773; BGH, 20.01.1986, NJW 1986, 1438; BGH, 24.11.1988, NJW 1989, 1431; BGH, 18.03.1997, NJW 1997, 2885; BGH, 15.02.2007, NJW 2007, 2036. Ebenso OLG München, 28.09.1989, IPRax 1991, 46; OLG Köln, 09.09.1996, RIW 1997, 233; OLG Frankfurt, 01.10.1998, RIW 1999, 461. Ähnliche 8 

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Daraus könnte ein Indiz dafür gefolgert werden, dass der BGH sich aus der Gerichtsstandsvereinbarung ergebenden materiellrechtlichen Folgeansprüchen jedenfalls aufgeschlossen gegenübersteht. Allerdings kann der Formulierung richtigerweise eine solche Bedeutung nicht zugemessen werden. Es ist fernlie­ gend, dass der BGH mit der Formulierung ein mehr oder weniger subtiles Kre­ do zu der hier behandelten Problematik abgeben wollte, ob eine Gerichtsstands­ vereinbarung echte Unterlassungspflichten erzeugt, deren Verletzung eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB bedeutet. Die Formulierung ist wohl eher vor einem anderen Hintergrund zu erklären: Es liegt eher nahe, dass der BGH mit dieser Formulierung keine Aussage zu der Problematik treffen wollte, ob Gerichtsstandsvereinbarungen materiell­ rechtliche Verpflichtungswirkungen entfalten, sondern die Frage des auf inter­ nationale Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbaren Rechts im Sinne hatte. Konkret ist zu vermuten, dass der BGH mit der Formulierung die Anwendung ausländischen materiellen Rechts auf die Gerichtsstandsvereinbarung legitimie­ ren will. Denn nach der Auffassung des BGH sind die materiellrechtlichen As­ pekte internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen der lex causae des Haupt­ vertrags zu unterwerfen.12 Nach seiner Rechtsprechung kann also ausländisches Sachrecht die materiellrechtlichen Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung beherrschen, wenn das Hauptvertragsstatut ausländisches Recht ist. Diesem Ansatz könnte aber dann ein Hindernis entgegenstehen, wenn man Gerichts­ standsvereinbarungen als rein prozessuale Verträge einstufen würde. Für rein prozessuale Fragen gilt nämlich weltweit das lex fori-Prinzip, wonach die Ge­ richte stets ihr eigenes Prozessrecht anzuwenden haben.13 Da das Prozessrecht aber „Lücken“ lässt und nicht alle denkbaren Fragen selbst regelt, soll nach einer stark vertretenen Meinung zur Lückenfüllung ebenfalls auf das materielle Recht der lex fori – in Deutschland also stets auf deutsches materielles Recht – zurück­ gegriffen werden.14 Diese Ansicht könnte nun aber so ausgelegt werden, dass Formulierungen werden auch in der Literatur verwendet, vgl. Baumgärtel, Wesen und Be­ griff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß (1957), S.  264, 268, 272; Habscheid, NJW 1965, 2369, 2372; Zeiss, NJW 1967, 703, 705 f. 12  Vgl. BGH, 15.04.1970, NJW 1971, 323 m. Anm. Geimer; BGH, 22.09.1971, NJW 1972, 391; BGH, 24.10.1972, NJW 1972, 1622, 1623; BGH, 21.11.1996, NJW 1997, 397; BGH, 18.03.1997, NJW 1997, 2885, 2886 und bereits oben Teil III §  11 E. II. 3. 13  Ein guter Überblick zum lex fori-Prinzip und seinen rechtfertigenden Gründen sowie Kritik an seiner absoluten Geltung findet sich bei Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 ff. und G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  348 m. w. N. in Fn.  8 ff. 14  Grundlegend Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  164. Vgl. außer­ dem Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969), S.  148, 249; Kornblum, FamRZ 1973, 416, 422 f.; Vollkommer, NJW 1974, 196, die zur Füllung der vom Prozess­ recht gelassenen Lücken stets auf das materielle Recht der lex fori zurückgreifen wollen. Dieser

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materiellrechtliche Aspekte von Gerichtsstandsvereinbarungen lediglich vom Prozessrecht nicht geregelte „Lücken“ seien und daher lückenfüllend von der materiellrechtlichen lex fori – also stets vom deutschen Sachrecht – beherrscht würden. Eine solche Auslegung würde jedoch den BGH daran hindern, materi­ ellrechtliche Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung dem Statut des Hauptver­ trags, also u. U. ausländischem Sachrecht, zu unterwerfen. Daher liegt es nahe, dass die vom BGH gewählte Beschreibung der Gerichtsstandsvereinbarung als materiellrechtlichen Vertrag über prozessuale Beziehungen (jedenfalls auch) dazu dienen soll, zu verdeutlichen, dass es sich bei den materiellen Fragen im Bereich von Gerichtsstandsvereinbarungen nicht lediglich um vom Prozess­ recht gelassene Lücken handelt, die automatisch dem deutschen Sachrecht un­ terliegen würden. Die gewählte Formulierung dient somit dem Zweck, die ak­ zessorische Anknüpfung der Gerichtsstandsvereinbarung an die lex causae zu legitimieren und sich gleichzeitig die Zulässigkeitskontrolle des Prozessvertrags nach der prozessualen lex fori offenzuhalten.15 Eine Antwort auf die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung Verpflichtungswirkung im materiellrechtli­ chen Sinne entfaltet, ist der Formulierung hingegen nicht zu entnehmen. Es bleibt dabei, dass die Rechtsprechung der deutschen Gerichte für diese Frage nicht ergiebig ist. III.  Deutsches Prorogationsstatut und internationale Problematik Bei der Bestimmung der Natur von Gerichtsstands- und anderen Prozessverein­ barungen und der Problematik um mögliche Verpflichtungswirkungen von Ge­ richtsstandsvereinbarungen handelt es sich aber um Fragen, die das deutsche Schrifttum, anders als die Rechtsprechung, schon lange beschäftigen. Grundle­ gende Ausführungen finden sich insbesondere bei Schiedermair16, Hellwig17 und Wagner18. Wie sich das Meinungsbild zu dieser Frage im deutschen rechts­ Ansatz ist meines Erachtens problematisch, weil er zwischen vom Prozessrecht gelassenen Lücken, die automatisch der materiellrechtlichen lex fori unterstehen sollen, und abtrennbaren materiellen Aspekten, die über das IPR angeknüpft würden und daher auch ausländischem Sachrecht unterstehen könnten, unterscheidet. Eine solche Trennung zwischen bloßen Lücken und abtrennbaren materiellrechtlichen Fragen ist häufig gar nicht möglich. Kritisch auch G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  349, der zu diesem Prinzip der Lückenfüllung schreibt: „Auf eine sachliche Begründung dieses Grundsatzes wird dabei ebenso verzichtet wie auf eine Überprüfung der Angemessenheit der mit seiner Hilfe erzielten Ergebnisse.“ 15  So G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  350. Vgl. außerdem Antomo, ZZP Int. 17 (2012), S.  199. 16  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935). 17  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968). 18  G. Wagner, Prozeßverträge (1998).

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wissenschaftlichen Schrifttum während des letzten Jahrhunderts gestaltet hat, soll im Folgenden ausführlich dargestellt werden. Daraufhin wird eine eigene Stellungnahme zu der Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen materiellrechtli­ che Verpflichtungswirkungen entfalten, erarbeitet. Schwierigkeiten entstehen dabei aufgrund der Internationalität der Problema­ tik. Zwar ist das deutsche Recht auf den vertraglichen Anspruch auf Schadens­ ersatz, wie dargestellt wurde, als Prorogationsstatut umfassend anwendbar, wenn man wie hier über Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO (analog) auf das Recht der engsten Verbindung abstellt und die engste Verbindung hin zum Staat des ge­ wählten Gerichts bejaht. Wie aufgezeigt, regelt das auf den Vertrag – also die Gerichtsstandsvereinbarung – über Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO i. V. m. Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO (analog) anwendbare Recht nach Art.  12 Abs.  1 Rom I-VO (analog) umfassend die einzelnen Aspekte eines vertraglichen Schadensersatz­ anspruchs.19 Art.  12 Abs.  1 lit.  a) Rom I-VO unterstellt die Auslegung des Ver­ trags dem auf den Vertrag anwendbaren Recht und lit.  b) und c) erstrecken den Geltungsbereich dieser Rechtsordnung auch auf Fragen der Erfüllung der Ver­ tragsverpflichtungen und die Folgen von deren vollständiger oder teilweiser Nichterfüllung. Die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung überhaupt Ver­ pflichtungswirkungen entfaltet und ob eine Verletzung dieser Pflichten einen Vertragsbruch im Sinne des materiellen Schuldrechts darstellt, ist also aus Sicht des deutschen Rechts zu beurteilen. Allerdings hat sich die Debatte um die Fra­ ge, ob Gerichtsstandsvereinbarungen verpflichtende Wirkungen haben, in Deutschland grundsätzlich auf Vereinbarungen nach §  38 ZPO konzentriert. Mit Inkrafttreten der reformierten EuGVVO werden internationale Gerichts­ standsvereinbarungen zugunsten eines oder der deutschen Gerichte aber stets Art.  25 EuGVVO n. F. (bzw. anderen internationalen Rechtsinstrumenten, na­ mentlich dem HGÜ) unterliegen. Deshalb darf die Frage nach den Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen jedenfalls nicht allein nach deutschen Wer­ tungen beantwortet werden. Es muss versucht werden, bei der Auseinanderset­ zung mit der deutschen Prozessrechtsdogmatik nicht an den Wertungen der ZPO und des sonstigen deutschen Rechts haften zu bleiben, sondern eine Lö­ sung zu finden, die auch Art.  25 EuGVVO n. F. gerecht wird. IV.  Frühe Ansichten: Die Trennung zwischen Zivil- und Prozessrecht Bereits im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert wurde die Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen und anderen Prozessverträgen diskutiert. Das Meinungsbild zur Qualifikation von Prozessvereinbarungen war 19 

Vgl. oben Teil III §  11 E. II. 2. und 3.

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zwar breit.20 Kennzeichnend für diese frühen Ansichten ist trotzdem das fast lückenlos befolgte Dogma einer scharfen Trennung zwischen Zivil- und Pro­ zess­recht.21 Nur sehr vereinzelt wurde eine materiellrechtliche Qualifikation von Prozessvereinbarungen vertreten.22 So sprach sich etwa Rosenberg23, dem­ zufolge Prozessverträge demselben Rechtsgebiet wie das streitige Rechtsver­ hältnis selbst angehörten, für eine materiellrechtliche Einordnung sämtlicher Prozessvereinbarungen aus. Nach Rosenberg unterstanden die prozessualen Vereinbarungen daher hinsichtlich ihrer Entstehung, Gültigkeit, Zulässigkeit und Nichtigkeit ausschließlich den Normen des materiellen Rechts. Mit seiner extrem materiellrechtlichen Einordnung prozessualer Vereinbarungen, die den dogmatischen Weg zur Gewährung von Schadensersatz bei Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung leicht ebnen würde, suchte Rosenberg aber bereits zu jener Zeit in der Literatur nach seinesgleichen. Die Gegenauffassung war schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts maßge­ bend von Kohler 24 begründet worden, demzufolge prozessrechtliche Verträge zwar nicht Bestandteil des Prozesses, wohl aber Verträge in Bezug auf prozes­ sualische Rechtsverhältnisse und Situationen waren. Nach Kohler schafften Prozessverträge jedenfalls teilweise direkt eine prozessrechtliche Situation und gehörten daher nicht dem materiellen, sondern ausschließlich dem Prozessrecht an. So wendete Kohler sogar auf den Abschluss von Prozessverträgen Prozess­ recht an, stellte also etwa auf die Prozess- und nicht die Geschäftsfähigkeit ab. Darauf aufbauend wurde die Trennung zwischen Zivil- und Prozessrecht im frühen zwanzigsten Jahrhundert weiter vertieft. Insbesondere auf Bülow25 geht die Einordung des Zivilprozessrechts in das öffentliche Recht zurück, wonach sowohl Entstehungsgrund als auch Inhalt eines Prozessrechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich und unter Ausschluss des Zivilrechts gedeutet wurden. Vor diesem Hintergrund wurden prozessuale Pflichten der Parteien, wenn sie denn überhaupt anerkannt wurden, vorwiegend mit Bezug auf das Gericht oder den Staat verstanden, nicht aber im Verhältnis zwischen den Parteien untereinander. 20  Vgl. die Darstellung bei Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  7 ff.; H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  31 ff. 21  Vgl. die Darstellung bei Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  19 ff. 22  Vgl. allerdings zu der in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts durchaus ver­ tretenen Qualifikation der Gerichtsstandsvereinbarung als Vertrag mit Verpflichtungswir­ kung die Darstellung bei Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 268 ff. 23  Vgl. zum Ganzen Rosenberg, Stellvertretung im Prozess (1908), S.  57, 63, 99 ff.; ders., Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechtes, 3.  Aufl. 1931, §  59, 2a. 24  Zum Ganzen J. Kohler, in: Gruchot Beiträge Bd. 31 (1887), S.  276 ff. und 481 ff. 25  Bülow, Die Lehre von den Prozeßeinreden und die Prozeßvoraussetzungen (1868), S.  1 ff. und ders., ZZP 31 (1903), 218.

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Das Zivilrecht sollte allenfalls zur Lückenfüllung Einfluss auf das Prozessrecht nehmen, etwa über die Generalklausel des §  242 BGB.26 Das Trennungsdogma wurde wiederum weiter verfestigt, als Goldschmidt27, aufbauend auf Kohlers und Bülows Untersuchungen, den Zivilprozess als eigene Rechtslage beschrieb, welche einer eigenständigen prozessualen Rechtsbetrachtungsweise unterliege, und so Rechte und Pflichten der Prozessparteien sowie die Möglichkeit rechts­ widrigen Verhaltens aus dem Zivilprozess vollständig verbannte.28 Einige andere Prozessrechtswissenschaftler versuchten, das Trennungsden­ ken aufzuweichen, und erkannten in engen Grenzen auch die Geltung des mate­ riellen Rechts für Prozessverträge an. Eine grobe Unterteilung nach zwei29 bzw. drei30 wissenschaftlichen Strömungen findet sich bei Schiedermair und Hellwig. Eine Gruppe soll zunächst eine äußerliche Trennung nach Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung vorgenommen haben. Prozessrechtlicher Natur waren nach dieser Unterscheidung nur solche Verträge, die im Prozess selbst oder vom Prozessbevollmächtigten auch erkennbar als solche abgeschlos­ sen worden waren und die ein anhängiges Verfahren voraussetzten. Die wich­ tigsten Vertreter dieser Ansicht waren – der Verweisung Schiedermairs nach – Planck, Pollak, Bunsen, Nußbaum, Oertmann, Baumbach, Neuner und Krusch.31 Allein ausschlaggebend war für diese Rechtswissenschaftler also, wie es Oertmann32 formulierte, der Tatbestand, der die Rechtsnatur des Aktes bestimme. Die Einwirkung von §  242 BGB auf das Verfahren geht zurück auf K. Hellwig, System des deutschen Zivilprozessrechts, Teil 1 (1912), S.  459. Vgl. darauf aufbauend auch Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage (1925), insb. S.  477. Die Etablierung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Zivilprozessrecht erfolgte später maßgeblich durch Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß (1957), S.  139; ders., ZZP 67 (1954), 423; ders., ZZP 69 (1956), 89; ders., ZZP 75 (1962), 385; ders., ZZP 86 (1973), 353. Vgl. aber auch Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei (1967). 27  Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage (1925), insb. S.  134 ff. 28  Für den Strafprozess hat in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts außerdem Niese die Trennung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht mit seiner Theorie von den dop­ pelfunktionellen Rechtshandlungen noch verfestigt, vgl. Niese, Doppelfunktionelle Prozeß­ handlungen (1950), insb. S.  57 ff. Niese geht grundsätzlich von einer schroffen Trennung zwischen dem materiellen und dem Strafprozessrecht aus und erkennt nur ganz ausnahms­ weise Überschneidungen zwischen materiellem und Verfahrensrecht an. Diese Ausnahme­ tatbestände bezeichnet er als doppelfunktionelle Prozesshandlungen. Indem er eine solche Doppelfunktionalität aber gerade nur dann anerkennt, wenn eine Handlung nachweisbar den Wertungen beider Rechtsgebiete unterliegt, hat er das Trennungsdenken für alle übrigen Pro­ zesshandlungen noch verhärtet. 29  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  14 ff. 30  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  32 ff. 31  Siehe für nähere Verweise Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  15 Fn.  17. 32  Oertmann, ZZP 45 (1915), 389, 403 ff. 26 

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Eine zweite Gruppe, zu der Hellwig auch die Rechtsprechung zählt, soll weniger auf die äußere Form als auf den Inhalt der Vereinbarung abgestellt haben. Nach Hellwig bleibt aber oft unklar, wann den Vertretern dieser Ansicht zufolge ein prozessrechtlicher Vertrag vorgelegen haben soll.33 Die dritte und Gegenansicht zur ersten Gruppe soll dagegen gerade nicht auf den Tatbestand, sondern – ins­ besondere im Kontrast zur Lehre Oertmanns – auf die Vertragswirkungen ab­ gestellt haben. Entscheidend war für diese Gruppe also, ob die Vertragswirkun­ gen auf materiellrechtlichem oder prozessrechtlichem Gebiet liegen sollten.34 Allerding gingen auch diese vermittelnden Ansichten grundsätzlich nicht davon aus, dass ein Vertrag zur gleichen Zeit prozessualer Art sein und trotzdem ma­ teriellrechtliche Pflichten entfalten könne. Der Streit entbrannte vorwiegend bei der Frage nach der Zulässigkeit von Prozessverträgen.35 Eine materiellrechtli­ che Wirkung wurde demnach häufig für den Fall der Unzulässigkeit des Pro­ zessvertrags quasi als Ersatzwirkung angenommen, um zu verhindern, dass der Vertrag ein rechtliches Nullum wäre.36 Eine Auseinandersetzung mit der hier konkret untersuchten Frage, ob die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung eine Pflichtverlet­ zung im materiellrechtlichen Sinn darstellt, findet sich unter diesen frühen Un­ tersuchungen, soweit ersichtlich, nicht. Überhaupt betreffen die Ausführungen häufig nur am Rand Gerichtsstandsvereinbarungen und konzentrieren sich gro­ ßenteils auf andere Prozessverträge und die Frage, welche Wirkungen die ge­ setzlich nicht geregelten Verträge zwischen Prozessparteien entfalten. Dies ist freilich leicht zu erklären: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen und die Rechtfolgen ihrer Verletzung waren zu damaliger Zeit um ein Vielfaches weniger praxisrelevant als heute. Bezogen auf innerdeutsche Gerichtsstandsver­ einbarungen besteht und bestand aber, wie eingangs bereits aufgezeigt37, kaum ein Bedürfnis nach materiellen Ersatzpflichten. Im innerdeutschen Bereich kann eine Partei, die vor einem im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung nach §  38 ZPO abgewählten deutschen Gericht verklagt wurde, damit rechnen, dass das derogierte Gericht die Klage im Falle der Wirksamkeit der Vereinba­ rung durch Prozessurteil abweisen oder den Rechtsstreit nach §  281 Abs.  1 ZPO 33  Vgl. H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  33 f. mit Ausführungen zur Rechtsprechung in Fn.  49. 34  Für nähere Verweise siehe H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  35 Fn.  50. 35  Vgl. hierzu die Darstellung bei Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  17 f. und bei H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  32 ff. 36  In diese Richtung etwa Oertmann, ZZP 45 (1915), 389, 426 f. 37  Vgl. oben §  1 B. I.

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an das gewählte Gericht verweisen wird. Über die §§  281 Abs.  3, 91 Abs.  1 S.  1 ZPO hat dann der Kläger die Mehrkosten zu tragen, die im Verfahren vor dem unzuständigen Gericht entstanden sind. Diese Rechtslage bestand bereits seit Inkrafttreten der ZPO. Es ist also nicht verwunderlich, dass die hier untersuchte Frage vor der in den letzten Jahrzehnten eingesetzten verstärkten Internationa­ lisierung des Zivilrechtsverkehrs noch keine Bedeutung einnahm. Die Untersu­ chung der frühen deutschen zivilprozessualen Dogmatik zeigt allerdings, dass die Qualifikation von Gerichtsstandsvereinbarungen und anderen Prozessver­ trägen in der deutschen Rechtswissenschaft von jeher umstritten gewesen ist. Daran mag die Tiefe der Problematik, dass sich Gerichtsstandsvereinbarungen an der schwierigen Schnittstelle von materiellem und Prozessrecht befinden, deutlich werden. V.  Schiedermair: Gerichtsstandsvereinbarungen als echte prozessrechtliche Verträge ohne Verpflichtungswirkung 1.  Gerichtsstandsvereinbarungen als rein prozessrechtliche Verträge Umfassende Ausführungen zur Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen, die die deutsche Prozessrechtsdogmatik bis heute geprägt haben, finden sich in der Habilitationsschrift von Schiedermair aus dem Jahr 1935. Darin un­ tersucht er, ob Prozessverträge materiellrechtlich oder prozessual einzuordnen sind. Seiner Ansicht nach ist es nicht möglich, eine gemeinsame Lösung für alle Prozessverträge zu finden.38 Bezogen auf Gerichtsstandsvereinbarungen ver­ tritt er aber klar den Standpunkt, diese wirkten sich ausschließlich auf prozes­ sualem Gebiet aus.39 Zunächst arbeitet Schiedermair heraus, dass es sich bei Vereinbarungen im Zivilprozess um Verträge handle, die aus wechselseitig korrespondierenden Willenserklärungen bestünden. Der Gesetzgeber spreche zwar von „Vereinba­ rungen“, es handle sich jedoch unstreitig um Verträge.40 Der Vertrag, so führt er weiter aus, sei Ausdruck der Privatautonomie und eine allgemeine Kategorie des gesamten Rechts, nicht nur des Zivilrechts. Daher könne aus seiner Bedeu­ tung für die Privatautonomie nicht automatisch eine privatrechtliche Einord­ nung gefolgert werden. Die Rechtsnatur der Vereinbarungen ergibt sich Schiedermair zufolge also nicht aus der privatautonomen Eigenschaft des Vertrags. Ebenfalls sei der Abschluss außerhalb oder innerhalb des Prozessrahmens völ­ Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  20. Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  2. 40  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  24; so ebenfalls H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  29. 38  39 

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lig unbedeutend für die Qualifikation einer Prozessvereinbarung. Abzustellen sei weiterhin auch nicht auf den Tatbestand des Vertrags, sondern allein auf die von den Parteien gewollten unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Wirkungen. Sei­ en diese unmittelbar gewollten Wirkungen – und nicht bloß die Nebenfolgen – materiellrechtlicher Natur, so handle es sich insgesamt um einen materiellrecht­ lichen Vertrag, und umgekehrt. Folglich kann es nach Schiedermair Prozessver­ träge geben, die eine gemischt materiell-prozessuale Natur haben, weil sowohl unmittelbare materiellrechtliche wie prozessrechtliche Wirkungen gewollt sei­ en. Wir verdanken also ihm die Einsicht, dass es auch Verträge mit Doppelna­ tur, wie den Prozessvergleich, geben kann. Es gebe aber auch Verträge mit rein materiellrechtlicher Natur, z. B. die Vereinbarung, zukünftig einen Prozessver­ gleich zu schließen oder sich zukünftig in einer Urkunde der sofortigen Zwangs­ vollstreckung zu unterwerfen. Und drittens existierten Verträge, die rein pro­ zessuale Folgen bewirkten. In diese Gruppe ordnet Schiedermair Zuständig­ keitsvereinbarungen ein. Folge einer Zuständigkeitsvereinbarung sei nämlich entweder die Zuständigkeit eines Gerichts oder aber, dass einer Sachentschei­ dung die Voraussetzung der Zuständigkeit fehle, in jedem Fall also eine prozes­ suale Wirkung.41 Echte prozessrechtliche Verträge, zu denen auch Zuständig­ keitsvereinbarungen gehörten, definiert Schiedermair somit als „[…] von der Rechtsordnung als Grund für den Eintritt der Rechtswirkung anerkannte Tatbe­ stände, in denen zwei oder mehrere übereinstimmende gegenseitige Willenser­ klärungen enthalten sind, die auf eine Regelung prozessualer Rechtslagen ge­ richtet sind und sie kraft des Parteiwillens herbeiführen.“42 Prozessrechtliche Verträge haben dieser Definition nach folglich eine ausschließliche und unmit­ telbare prozessuale Wirkung, ohne daneben auch zusätzliche materielle Wir­ kungen entfalten zu können.43 2.  Prozessrechtliche Verträge als Verfügungsverträge Weshalb prozessrechtliche Verträge keine materiellrechtlichen Wirkungen zu entfalten imstande sein sollen, wird nachvollziehbar, wenn man, wie Schiedermair, das Abstraktionsprinzip auf die Unterscheidung zwischen prozessrechtli­ chen und materiellrechtlichen Verträgen überträgt. Ein prozessrechtlicher Ver­ trag ist danach allein darauf gerichtet, die prozessrechtlichen Beziehungen der Parteien in bestimmter Art zu regeln. Sein Inhalt bestehe also allein in der Ge­ staltung einer prozessualen Rechtslage, indem er entweder eine Prozessvoraus­ 41  Zum Ganzen Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  22 ff., insb. S.  40 und 42. 42  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  4 4. 43  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  95 f.

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setzung schaffe, eine solche aufhebe oder aber ein Prozesshindernis begründe. Deshalb soll die Wirkung eines prozessrechtlichen Vertrags nach Schiedermair allein darin liegen, ein Prozessverhältnis zu gestalten, also unmittelbar auf die­ ses einzuwirken. Diese Wirkung ist seiner Meinung nach gerade nicht ver­ pflichtender Art, sondern viel eher einer dinglichen Verfügungswirkung ver­ gleichbar.44 Damit wiesen diese Verträge, wenn man überhaupt Ähnlichkeiten mit dem materiellen Recht suchen wolle, solche mit „[…] sachen-, familien- und erbrechtlichen, aber nicht mit schuldrechtlichen Verträgen“ auf.45 Zwar reißt Schiedermair an anderer Stelle kurz die Frage an, ob es überhaupt möglich sei, Prozessverträge in das bestehende System des bürgerlichen Rechts mit seiner scharfen Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsge­ schäften, obligatorischen und dinglichen Verträgen einzuordnen, oder ob dieses System – seiner Ansicht nach aber nicht unbedenklich – gar um eine neue, selbstständige Vertragskategorie erweitert werden müsse.46 Diesem Gedanken geht er jedoch leider nicht weiter nach. Vielmehr bekräftigt er, dass es sich bei der prozessualen, gestaltenden Wirkung stets um eine ausschließliche handle, neben der eine materielle, verpflichtende Wirkung nicht bestehen könne. Sonst nämlich wäre der Vertrag nicht prozessrechtlicher, sondern gemischter Natur. Dies gelte auch für Zuständigkeitsvereinbarungen, die lediglich Rechtswirkun­ gen auf dem Gebiet des Prozessrechts entfalten würden. Neben diesen prozes­ sualen Wirkungen seien lediglich mittelbare zivilrechtliche Nebenwirkungen möglich. So räumt er etwa ein, dass die Gerichtsstandsvereinbarung auch die zwischen den Parteien streitige Forderung selbst betreffe, indem sie deren Leis­ tungsinhalt berühre. Dabei handle es sich aber bloß um akzessorische und se­ kundäre Wirkungen, die die Rechtsnatur des Vertrags nicht berühren würden.47 Nichts anderes gilt nach Schiedermair für Schiedsvereinbarungen, welche ebenfalls rein prozessrechtliche Verträge ohne jegliche materiellrechtliche Wir­ kung sein sollen.48 Dass entgegen seiner Auffassung in der Literatur teilweise materielle Wir­ kungen von prozessrechtlichen Verträgen angenommen würden, begründet Schiedermair folgendermaßen: Für ihn ist die Annahme materiellrechtlicher Wirkungen nichts weiter als ein Notbehelf.49 Seinerzeit wurde nämlich vertre­ ten, dass nur die gesetzlich geregelten Prozessverträge rechtlich zulässig seien. Dieser Meinung nach war jede gesetzlich nicht geregelte vertragliche Dispositi­ Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  95. Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  96. 46  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  19. 47  Zum Ganzen Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  96. 48  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  102 ff., insb. 105. 49  Vgl. Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  96, 179 ff. 44  45 

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on über prozessrechtliche Befugnisse prozessual gesehen unzulässig und folg­ lich als eine materiellrechtliche Vereinbarung über prozessuale Beziehungen zu verstehen. Ein unzulässiger Prozessvertrag wurde also hilfsweise als Vertrag des materiellen Rechts behandelt.50 Schiedermair folgert daraus, dass eine schuld­rechtliche Wirkung nur dann erörtert werde, wenn man zunächst einmal nachgewiesen zu haben glaube, dass eine prozessuale Wirkung als unzulässig ausscheide. Eine solche besteht aber nach Schiedermair zulässigerweise, weil maßgeblich auf den Parteiwillen abzustellen sei. Der Wille der Parteien sei schließlich darauf gerichtet, dem Vertrag ausschließlich prozessuale Wirkungen beizumessen. Die Parteien wollten den prozessualen Vertrag und nur diesen. Sie hätten keinen darauf gerichteten Ersatzwillen, dass bei prozessualer Unzuläs­ sigkeit des Vertrags stattdessen schuldrechtliche Erfüllungs- oder Schadenser­ satzansprüche zum Zuge kämen.51 Ihnen sei vielmehr ausschließlich und am besten mit einer prozessualen Vertragswirkung gedient, diese nämlich befriedi­ ge ihre Interessen vollständig, sodass über die Annahme einer materiellen Wir­ kung nicht mehr und kein besseres Ergebnis erreicht werden könne.52 Das Problem, dass sich eine Partei nicht an die prozessrechtliche Vereinba­ rung hält und ihr zuwiderhandelt, untersucht Schiedermair dabei jedoch nicht. Für ihn ist eine Verfügungswirkung, die ein prozessuales Rechtsverhältnis un­ mittelbar gestaltet, stärker als eine bloß verpflichtende Wirkung. Durch das Be­ stehen von Verfügungswirkung sieht er daher alle Probleme abgedeckt. So un­ tersucht er auch nicht, welche Konsequenzen es haben kann, wenn eine Partei entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung vor einem abgewählten Gericht klagt und sich das derogierte Gericht nicht an die Vereinbarung hält. Dass also auch eine unmittelbar gestaltende, verfügende Wirkung von Parteien oder Ge­ richten missachtet bzw. übergangen werden kann, scheint nach seinen Ausfüh­ rungen nicht in Frage zu kommen. Ob im Falle der Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung dennoch Schadensersatzansprüche, etwa als mittelbare zi­ vilrechtliche Nebenfolgen, in Frage kommen können, verneint er zwar nirgendwo ausdrücklich. Allerdings wird aus der Gesamtschau seiner Untersu­ chung deutlich, dass er solche Ansprüche nicht für möglich hält. Im Falle eines prozessrechtlichen Vertrags richten sich seiner Meinung nach Tatbestand, Vgl. Niese, Prozeßhandlungen und Verträge über Prozeßhandlungen (1935), S.  82 ff.; ähnlich (allerdings zeitlich nach Schiedermairs Habilitationsschrift) auch ders., Doppelfunk­ tionelle Prozeßhandlungen (1950), S.  150 ff.; ähnlich schon Oertmann, ZZP 45 (1915), 389, 426 f. Solchen Verträgen wurde jedoch kein Einfluss auf den Primärprozess zugestanden. Denn einer als Prozessvertrag unzulässigen Vereinbarung könne nicht über den Umweg des materiellen Rechts Eingang in den Primärprozess gewährt werden. 51  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  116. 52  Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  116. 50 

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Wirksamkeit und alle rechtlichen Folgen allein nach dem Prozessrecht.53 Außer­ dem behandelt er die Frage, ob die Verletzung des Prozessvertrags Schadenser­ satzansprüche auslösen kann, im Kapitel zu den Prozessverträgen mit gewollter materiellrechtlicher Wirkung – zu denen er Gerichtsstandsvereinbarungen eben gerade nicht zählt – ausdrücklich. Bei solchen Verträgen, bei denen der Ver­ pflichtete die Erbringung oder Unterlassung eines bestimmten prozessualen Verhaltens schulde, werde eine obligatorische Verpflichtung begründet, welche in Erfüllungsansprüche und notfalls in Schadensersatzansprüche umschlagen könne.54 Im Umkehrschluss offenbart sich, dass er in einem echten Prozessver­ trag wurzelnde Schadensersatzansprüche für ausgeschlossen hält. 3.  Zusammenfassung und Bewertung Schiedermair zufolge können Prozessverträge also rein prozessuale, gemischte oder rein materiellrechtliche Wirkungen entfalten, was sich nach dem Willen der Parteien bestimmt. Dabei zählt er Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarun­ gen zur ersten Gruppe, also den Verträgen mit rein prozessualen Wirkungen, weil sie ausschließlich darauf gerichtet seien, die Zuständigkeit eines Gerichts zu begründen bzw. ein Prozesshindernis bezogen auf Verfahren vor abgewähl­ ten Gerichten darzustellen. Diese unmittelbar die Prozesslage gestaltende Wir­ kung vergleicht er mit der Verfügungswirkung dinglicher Verträge. Ein Verfü­ gungsvertrag könne aber nicht auch verpflichtende, materiellrechtliche Wirkun­ gen haben. Materiellrechtliche Verpflichtungswirkung bejaht er also nur für gemischte bzw. materiellrechtliche Prozessverträge. Dabei liegt Schiedermairs Logik jedoch teilweise ein Zirkelschluss zugrun­ de. Zwar mag seine Definition echter prozessrechtlicher Verträge als Verträge, die ausschließlich prozessuale Wirkungen und höchstens mittelbare materiell­ rechtliche Nebenwirkungen entfalten, noch einleuchtend sein. Nicht ganz über­ zeugend ist dann aber die Begründung, mit der er Gerichtsstands- und Schieds­ vereinbarungen der Gruppe echter prozessrechtlicher Verträge zuordnet. Denn im Laufe seiner Untersuchung begründet er das Fehlen materiellrechtlicher Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen damit, dass es sich nun einmal andernfalls bei ihnen nicht um echte prozessuale Verträge, sondern um ge­ mischte Verträge handeln würde. Weil also echte prozessuale Verträge keine Materiellrechtswirkung entfalten, könnten auch Gerichtsstandsvereinbarungen keine materiellrechtlichen Wirkungen haben, denn sonst wären sie keine echten prozessualen Verträge. Damit bedient sich Schiedermair eines Zirkelschlusses und seine Definition von Gerichtsstandsvereinbarungen als echten Prozess- und 53 

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Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  137. Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  173 ff.

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damit Verfügungsverträgen versperrt den Weg zu vertraglichen Schadensersatz­ ansprüchen wegen ihrer Verletzung. Allerdings muss bedacht werden, dass er ein solches Ergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Sinn hatte. Erstens beschäftigt sich seine Untersu­ chung mit innerdeutschen und nicht mit internationalen Gerichtsstandsverein­ barungen. Die Problematik, dass die Klageerhebung im derogierten ausländi­ schen Forum für die beklagte Partei möglicherweise in erheblichen Nachteilen münden kann, war für die Untersuchung also nicht relevant. Folglich stellte sich ihm die Frage, ob Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstandsver­ einbarung gewährt werden sollte, überhaupt nicht. Zweitens sollte bedacht wer­ den, dass nach der Definition Schiedermairs der echte prozessrechtliche Vertrag nicht weniger Wirkungen entfaltet und damit schwächer, sondern gerade stärker ist als der gemischte oder auf ausschließlich materielle Wirkungen gerichtete Prozessvertrag. Denn gerade weil der echte Prozessvertrag die prozessuale Lage gleich einem dinglichen Verfügungsvertrag unmittelbar gestaltet, bedurf­ te es nach Schiedermairs Logik keiner zusätzlichen materiellrechtlichen Ver­ pflichtungswirkung, den Vertrag auch einzuhalten. In der Logik der Verfü­ gungsverträge ist das einleuchtend: Haben sich die Parteien beispielsweise be­ reits über den Eigentumswechsel geeinigt, muss diese dingliche Einigung keine verpflichtende Wirkung entfalten. Sie selbst bewirkt ja schon – gemeinsam mit anderen Voraussetzungen, wie etwa der Übergabe der Sache – den Eigentums­ wechsel. Ob allerdings die Übertragung des Abstraktionsprinzips auf die Un­ terscheidung zwischen echten und anderen (gemischten oder auf materiellrecht­ liche Wirkungen abzielenden) Prozessverträgen tatsächlich dogmatisch richtig und inhaltlich sinnvoll ist, soll noch kritisch hinterfragt werden. VI.  Weitere Gegner der verpflichtenden Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen Schiedermairs Theorie von den reinen Verfügungsverträgen ohne Verpflich­ tungswirkung fand im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts viel Widerhall. Die herrschende Meinung in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ging ebenfalls davon aus, dass Gerichtsstandsvereinbarungen keine Verpflichtungs­ wirkungen entfalten würden und folglich auch keine Schadensersatzansprüche aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung erwachsen könnten.55 Ar­ gumentiert wurde u. a. damit, in der Gerichtsstandsvereinbarung nach §  38 ZPO 55  Vgl. etwa Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilpro­ zeß (1957), S.  221 (zitiert nach der 2. unveränderten Aufl. 1972); Habscheid, in: Festschrift Schima (1969), S.  175, 178; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S.  34 ff., 294 ff.; Kornblum, FamRZ 1973, 416, 421 f.; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im ös­

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liege gerade keine Vereinbarung eines Erfüllungsortes, ihr komme also keine materiellrechtliche Wirkung zu. Henckel vertrat daher die Ansicht, während die Wirkung von §  29 ZPO eine mittelbare sei, welche an die materielle Zweckset­ zung und Wirkung eine prozessuale Folge anknüpfe, handle es sich bei der Wir­ kung von §  38 ZPO um eine ausschließlich prozessuale.56 Auch Baumgärtel trat für eine ausschließlich prozessuale Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen ein, ohne sich allerdings zu der Frage, ob die Verletzung der Vereinbarung den­ noch Schadensersatzpflichten auszulösen vermag, zu äußern.57 Gegen die Mög­ lichkeit, materiellrechtliche Ersatzansprüche an eine Prozesshandlung anzu­ knüpfen, wurden teilweise das mangelnde Bedürfnis nach solchen Ansprüchen sowie die Rechtskraft von Entscheidungen ins Feld geführt: Eine unzulässige Klage werde vom Gericht abgewiesen. Wenn aber der beklagten Partei ein Schaden daraus entstehe, dass das Gericht die Prozessordnung falsch angewen­ det habe, könne der Gegner deshalb nicht schadensersatzpflichtig gemacht wer­ den. Wenn eine Entscheidung rechtskräftig geworden sei und kein Wiederauf­ nahmegrund vorliege, sei sie hinzunehmen und könne nicht im Wege des Scha­ densersatzes ausgeglichen werden.58 Weiter wurde auch stetig mit dem fehlenden Bedürfnis nach Schadensersatzansprüche begründenden Verpflichtungswir­ kungen von Gerichtsstandsvereinbarungen argumentiert, da die beklagte Partei durch die ihr vom Prozessrecht zur Verfügung gestellten Mittel ausreichend geschützt sei.59 VII.  Hellwig: Prozessverträge mit Verpflichtungswirkung 1.  Die gewollten Wirkungen bestimmen die Natur des Vertrags Jedenfalls teilweise wurde Schiedermairs Ansatz, das Abstraktionsprinzip auf die Unterscheidung zwischen prozessrechtlichen und anderen Verträgen zu übertragen und Gerichtsstandsvereinbarungen sowie anderen „echten Prozess­ verträgen“ jegliche Verpflichtungswirkung abzusprechen, in den folgenden Jahrzehnten jedoch auch in Frage gestellt. Ausführliche Erörterungen zur terreichischen und im internationalen Zivilprozeßrecht (1967), S.  23 f.; Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, 11.  Aufl. 1974, S.  166, 341. 56  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S.  34. 57  Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß (1957), S.  218 ff. 58  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S.  294; ähnlich auch Zeiss, NJW 1967, 703, 706. 59  Z. B. Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und im internatio­ nalen Zivilprozeßrecht (1967), S.  23 f.; Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, 11.  Aufl. 1974, S.  341.

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Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen finden sich vor allem in der Dis­ sertation von Hellwig aus dem Jahr 1968.60 Zunächst unterscheidet sich seine Analyse nicht besonders stark von der Schiedermairs: Auch Hellwig betont zu­ nächst, dass es sich bei Prozessvereinbarungen zwar um Verträge handle, aus dem Vertragscharakter jedoch nicht schon ihre Zugehörigkeit zum materiellen Zivilrecht folge.61 Für die Qualifikation des Vertrags als prozessual, gemischt oder materiellrechtlich ist für ihn allein der Parteiwille maßgeblich. Er rückt also den schon von Schiedermair bemühten Ansatz, dass allein die von den Parteien gewollten Rechtswirkungen die Rechtsnatur des Vertrags bestimmen, in den Mittelpunkt. Die Rechtsnatur eines Vertrags müsse allein von seinen unmittelbar gewollten Rechtswirkungen abhängen.62 Die Wirkungen prozess­ rechtlicher Verträge sind nach Hellwig durch Auslegung der Willenserklärun­ gen nach §§  133, 157 BGB zu ermitteln, wobei berücksichtig werden müsse, dass die Parteien im Zweifel eine möglichst starke Wirkung gewollt hätten.63 Diese im Zweifel stärkste Wirkung sei grundsätzlich – auch in diesem Punkt folgt er Schiedermairs Ansicht – in der unmittelbaren Einwirkung der Parteien auf den Prozess, also in der Verfügungswirkung, zu sehen.64 Ein prozessrecht­ licher Vertrag ist damit auch nach Hellwig ein solcher mit unmittelbar gewollten prozessrechtlichen Wirkungen, bzw. „[…] die Willensübereinstimmung durch einander entsprechende (prozeßrechtliche) Willenserklärungen zweier sich ge­ genüberstehender Personen über die Herbeiführung eines unmittelbaren pro­ zeßrechtlichen Rechtserfolges.“65 Weil das Zivilprozessrecht öffentliches Recht sei, handle es sich darüber hinaus beim prozessrechtlichen Vertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.66 2.  Mit der negativen Verfügungswirkung gehen Verpflichtungswirkungen einher Hellwig weicht allerdings das von Schiedermair angenommene Dogma, ein echter Prozessvertrag könne ausschließlich Verfügungswirkungen entfalten, auf und ebnete damit den Weg zu Schadensersatzansprüchen im Falle von Leis­ tungsstörungen.67 Um dieses Ergebnis zu erreichen, geht er den entscheidenden H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968). H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  30. 62  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  40 f. 63  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  59. 64  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  60. 65  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  4 4. 66  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  47, 58. 67  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  60 ff.; ders. NJW 1968, 1072, 1075 f. 60  61 

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Schritt, den Schiedermair unterlassen hat, weiter und wirft die Frage auf, ob die Verfügungswirkung allein den Interessen der Parteien gerecht wird oder ob nicht noch andere Wirkungen gewollt sind. Dafür zeigt er gerade auch Fälle auf, in denen die von der Verfügungswirkung begünstigte Partei ein Interesse daran haben könnte, Schadensersatz wegen eines Bruchs der Vereinbarung durch die andere Partei zu verlangen. Schadensersatzansprüche, so stellt er fest, ließen sich aber nicht aus einer Verfügungswirkung, sondern nur aus einer Verpflich­ tung der anderen Partei herleiten. Derartige Verpflichtungen seien aber ledig­ lich solche, die neben der Verfügungswirkung bestünden und sich inhaltlich an ihr ausrichteten, nicht aber Pflichten aus einem der Verfügungswirkung mögli­ cherweise zugrunde liegenden Rechtsgeschäft. Diese Pflichten seien nämlich inzwischen erloschen, weil sie auf die Begründung der Verfügungswirkung ge­ richtet seien.68 Nach Hellwig soll es daher methodisch verfehlt sein, bei einer vertraglichen Verfügungswirkung grundsätzlich jede Verpflichtungswirkung als überflüssig abzulehnen. Er betont darüber hinaus, dass eine solche Argumentation mögli­ cherweise dem Parteiwillen zuwiderlaufe. Er hält es für eindeutig, dass der Ver­ trag bei einer gewollten, aber unzulässigen Verfügungswirkung die schwächere Verpflichtungswirkung entfalten könne. Ob auch bei zulässiger Verfügungswir­ kung zusätzlich Verpflichtungswirkung bestehen könne, hieße es dagegen zu untersuchen.69 Dabei skizziert er zunächst die Verfügungswirkung von Pro­ zessverträgen als solche, die positiv oder negativ sein könne, wobei beide Wir­ kungen gleichzeitig und gleichwertig nebeneinander stehen könnten. Sie werde vom Gericht von Amts wegen berücksichtigt, falls es sich um eine Prozessvor­ aussetzung handle, und sonst auf ausdrückliche Geltendmachung. Diese beste­ he dann bei der negativen Verfügungswirkung in der Erhebung einer prozessua­ len Einrede.70 In einem zweiten Schritt stellt er die Frage, ob neben dieser Ver­ fügungswirkung auch eine Verpflichtungswirkung bestehen könne, wobei er zwischen positiver und negativer Verfügungswirkung unterscheidet: Die positive Verfügungswirkung (im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung also deren Prorogationseffekt) erweitere bloß die Rechtsmacht der begünstigten Partei. Sie könne von der vereinbarten prozessualen Möglichkeit Gebrauch ma­ chen und damit die Verfügungswirkung „aktualisieren“, sei dazu aber selbst nicht verpflichtet. Insbesondere bestehe auch keine Verpflichtung des Begüns­ tigten dahingehend, dass er bei einem vertragswidrigen Verhalten des Belaste­ ten von seiner Einredemöglichkeit Gebrauch machen müsse.71 Auch bezogen H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  60. H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  60 f. 70  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  61. 71  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  67. 68  69 

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auf die andere Partei bestehe kein Bedürfnis nach einer Verpflichtungswirkung. Die positive Verfügungswirkung bewirke für diese Partei spiegelbildlich den Verlust einer prozessualen Einrede. Einer Verpflichtung dahingehend, die Erhe­ bung der Einrede gegen das von der positiven Verfügungswirkung der Verein­ barung gedeckte Verhalten der anderen Partei auch tatsächlich zu unterlassen, bedürfe es jedoch nicht. Denn sollte die belastete Partei die Einrede erheben, könne die andere Partei ohne Weiteres den Abschluss der Prozessvereinbarung beweisen und sich darauf berufen, dass ihr Verhalten von der positiven Verfü­ gungswirkung gedeckt sei. Der Zweck eines Vertrags mit positiver Verfügungs­ wirkung bestehe also in einem Können des Begünstigten, nicht in einem Nicht­ dürfen des Belasteten. Eine Verpflichtungswirkung scheide hier also grundsätz­ lich aus. Sie komme nur ganz ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Begünstigte einer Mitwirkungshandlung der anderen Partei bedürfe, um den Erfolg der Vereinbarung herbeizuführen. So sei etwa bei einem Schieds- oder Schiedsgutachtenvertrag die belastete Partei dazu verpflichtet, am Zustande­ kommen des Vertrags mitzuwirken.72 Anders sieht es nach Hellwig indes hinsichtlich der negativen Verfügungs­ wirkung (im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung also im Hinblick auf deren Derogationseffekt) aus. Während bei der positiven Verfügungswirkung der Zweck darin bestehe, die rechtliche Möglichkeit eines bestimmten Prozessge­ schehens zu begründen, ginge es bei Verträgen mit negativer Verfügungswir­ kung um den tatsächlichen Ablauf des Prozessgeschehens. Die Absicht der ver­ tragsschließenden Parteien bestehe also darin, zu verhindern, dass ein bestimm­ tes tatsächliches Prozessgeschehen stattfindet. Die negative Verfügungswirkung schränke somit den Bereich des rechtlichen Könnens des Belasteten ein. Hier reiche die Verfügungswirkung alleine nicht aus. Die belastete Partei könne nämlich trotz der Vereinbarung jederzeit tatsächlich handeln und das Verhalten, das sie eigentlich unterlassen soll, vornehmen. Ihr tatsächliches Können hin­ sichtlich dieses Verhaltens sei nicht beseitigt.73 In diesem Fall bedürfe es mithin einer Verpflichtung des Belasteten, das Verhalten, auf das sich die negative Ver­ fügungswirkung erstreckt, auch tatsächlich zu unterlassen. Bestehe nur eine Verfügungswirkung, könne dem Belasteten nämlich rechtlich kein Vorwurf ge­ macht und kein Schadensersatz verlangt werden, wenn er der Vereinbarung zu­ widerhandeln würde. Folglich müsse sein rechtliches Dürfen eingeschränkt werden, um der negativen Verfügungswirkung auch zu tatsächlicher Wirksam­ keit zu verhelfen.74 H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  63 f. H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  65. 74  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  66. 72  73 

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Die Möglichkeit, zusätzlich zur negativen Verfügungswirkung eines Pro­ zessvertrags auch Verpflichtungswirkung annehmen zu können, ist für Hellwig zum Schutz des Parteiwillens essentiell. Weil nämlich kein Rechtssatz existiere, wonach bei Vornahme einer prozessordnungswidrigen Prozesshandlung Scha­ densersatz geleistet werden müsse, sei man darauf angewiesen, als Grundlage der Verpflichtung des Belasteten zu vertragsgemäßem Verhalten auf den Ver­ trag selbst zurückzugreifen, der dann Können und Dürfen der Partei gleicher­ maßen beschränke.75 Außerdem begründet Hellwig die Verpflichtungswirkung von Prozessverträgen mit negativer Verfügungswirkung noch mit einem weite­ ren Argument: Die negative Verfügungswirkung äußere sich, solange sich der Belastete vertragsgemäß verhalte, überhaupt nicht. Der von den Parteien ange­ strebte Zweck, etwa nicht vor dem derogierten Gericht zu prozessieren, werde also nicht durch die negative Verfügungswirkung erreicht, sondern allein da­ durch, dass im Endeffekt tatsächlich nicht vor dem derogierten Forum geklagt wird. Die Verfügungswirkung habe also zunächst, d. h. solange sich die Partei­ en vertragsgemäß verhielten, nur potentielle Bedeutung für das Prozessgesche­ hen. Dem Parteiinteresse entspreche es aber, bereits zum Zeitpunkt des Ver­ tragsschlusses eine für das tatsächliche Prozessgeschehen sofort aktuelle Wir­ kung zu erreichen. Diese könne folglich nur in einer Verpflichtungswirkung bestehen. Deshalb bestehe also ein Nebeneinander von Verfügungs- und Ver­ pflichtungswirkung.76 Allerdings ist diese negative Verpflichtungswirkung nach Hellwig keine, die einen einklagbaren Erfüllungsanspruch begründet. Die negative Verfügungswirkung und die Verpflichtung des Belasteten zu vertrags­ gemäßem Verhalten würden sich inhaltlich aneinander ausrichten, sodass die Verpflichtung keine selbstständige Bedeutung erlange. Ein einklagbarer Erfül­ lungsanspruch scheide also aus, weil wegen der sich aus der Verfügungswir­ kung ergebenden Einredebefugnis des Begünstigten kein Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage gegeben sei.77 3.  Keine Übertragung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips Nachdem Hellwig begründet hat, weshalb Prozessverträge parallel zu ihrer ne­ gativen Verfügungswirkung auch Verpflichtungswirkung entfalten, legt er wei­ terhin dar, dass diese Verpflichtungswirkung trotzdem prozessualer Art sei. In diesem Zusammenhang stellt er ausdrücklich die in der Lehre grundsätzlich 75  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  66 mit Rechtsprechungsnachweisen in Fn.  169. 76  Vgl. zum Ganzen H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  66 f. 77  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  72.

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vorgenommene Gleichstellung von Verpflichtung, Schuldrecht und Privatrecht in Frage und bezweifelt, dass ein Verpflichtungsvertrag zwangsweise materiell­ rechtlich, also schuldrechtlich, zu sein habe. Soweit ersichtlich, ist er damit der Erste, der die Existenz prozessrechtlicher Verpflichtungsverträge vorschlägt.78 Dies begründet er mit einem Vergleich zu den im Gesetz existierenden prozess­ rechtlichen Pflichten, etwa Erscheinungspflichten (§§  141 Abs.  3, 296 Abs.  1, 619 Abs.  2 ZPO), Pflichten zur Vorlage von Urkunden (§§  422 ff. ZPO) und der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§  138 ZPO). Diese Pflichten seien nicht im Klageweg erzwingbar, könnten aber Grundlage späterer Schadensersatzan­ sprüche sein. Wenn aber gesetzliche prozessrechtliche Pflichten bestünden, weil eben die Verpflichtung als Rechtstatbestand jedem Rechtsgebiet angehöre, und wenn auch der Vertrag ein allen Rechtsgebieten, auch dem öffentlichen Recht, immanentes Rechtsinstitut sei, müsse es logischerweise auch nicht durch Ge­ setz, sondern durch Vertrag begründete prozessrechtliche Pflichten geben.79 Solche prozessrechtlichen Verpflichtungsverträge würden sich von den materi­ ellrechtlichen Verpflichtungsverträgen dadurch unterscheiden, dass sie zwi­ schen den Parteien prozessrechtliche und keine materiellrechtlichen Rechte und Pflichten begründeten.80 Die Einordnung als prozess- und nicht materiellrecht­ licher Vertrag habe aber lediglich geringe Folgen. Wie alles Prozessrecht hätten Prozessverträge nämlich keine selbstständige Bedeutung. Ihre Bedeutung erge­ be sich allein im Hinblick auf den Streit um materielle Rechte und Pflichten. Diese Unselbständigkeit wirke sich etwa bei der Frage der Abtretung, der Über­ nahme, im Rahmen von §  139 BGB sowie bei der Frage des Rechtsweges für Klagen aus prozessrechtlichen Verträgen aus.81 Hellwig geht noch einen Schritt weiter und verwirft die aus dem materiellen Recht bekannte Trennung zwischen Verpflichtung und Verfügung im Prozess­ recht ganz. Seiner Meinung nach besteht bei Prozessverträgen mit Doppelwir­ kung, die also gleichzeitig Verpflichtungs- und Verfügungswirkung haben, stets nur ein einheitlicher prozessrechtlicher Vertrag und die Frage nach dem Abs­ traktionsprinzip stellt sich gar nicht. Während nämlich im materiellen Recht die Verpflichtung auf die Vornahme der Verfügung gerichtet sei und in dem Mo­ ment, in dem die Verfügung vorgenommen werde, erlösche, liefen Verpflich­ Sich später anschließend Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  210; aus neuerer Zeit vgl. insb. auch Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 114, die beide ebenfalls davon ausgehen, Gerichtsstandsvereinbarungen würden keine materiellrechtliche, sondern eine prozessrechtliche Verpflichtung entfalten, deren Verlet­ zung jedoch zum Schadensersatz führe. 79  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  75 ff. 80  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  80. 81  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  129. 78 

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tung und Verfügung bei Prozessverträgen mit Doppelwirkung nebeneinander­ her. Hier baue die Verpflichtung auf der Verfügung auf. Die Rechtslage sei eher der bei einer privaten Schuldübernahme oder einer Vereinsgründung vergleich­ bar.82 Konsequenz ist, dass nach Hellwig problemlos die Vorschriften des BGB auf den Prozessvertrag anwendbar sind. So will er ausdrücklich die Unmöglich­ keits- und Verzugsvorschriften des BGB auf Prozessverträge anwenden.83 Ebenfalls anwendbar seien die Grundsätze zur positiven Vertragsverletzung bei einer Zuwiderhandlung gegen Unterlassungshauptpflichten.84 Zwar erwähnt Hellwig leider nicht explizit den in dieser Arbeit diskutierten Fall, ob die Verlet­ zung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung eine Pflichtverletzung im Sinne des BGB darstellt und deshalb Schadensersatzansprüche begründen kann. Überträgt man seine Gedanken aber auf ausschließliche Gerichtsstands­ vereinbarungen, so steht Schadensersatzansprüchen gemäß §  280 Abs.  1 BGB – bzw. seinerzeit aufgrund positiver Vertragsverletzung – nichts entgegen. VIII.  Konzen und die weitere Aufweichung des Trennungsdenkens Das strikte Trennungsdenken zwischen materiellem Zivilrecht und Prozess­ recht wurde in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch von Konzen in Frage gestellt. In seiner Habilitationsschrift betrachtet Konzen unterschied­ liche Grenzbereiche, in denen die Wertungen des materiellen Zivilrechts in das Prozessrecht einfließen, etwa Klagerücknahmeverträge, Fragen der Beweisver­ eitelung oder Verträge über die Verwertung bestimmter Beweise. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass die vom Schrifttum großenteils vorgenommene schroffe Trennung zwischen materiellem Zivilrecht und Zivilprozessrecht nicht immer gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang betont er, dass die Stellung eines Rechtssatzes im BGB oder in der ZPO nichts über seine systematische Zuord­ nung aussagen könne, wie etwa §  2039 BGB (die Norm ermöglicht eine gesetz­ liche Prozessstandschaft für Miterben) zeige.85 Der öffentlich-rechtliche Cha­ rakter des Prozessrechts wird seiner Ansicht nach häufig überbetont und schließt Wechselwirkungen zwischen den beiden Disziplinen nicht aus.86 Die Trennung zwischen Zivil- und Prozessrecht möchte er danach vornehmen, ob eine Norm H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  92 mit Verweis in Fn.  9 auf Redeker, DÖV 1966, 543, 544, der eine vergleichbare Ansicht im Ver­ waltungsrecht bezogen auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag vertritt. 83  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  108 ff. 84  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  111, wo­ bei er anmerkt, dass die herrschende Meinung dies als Fall der Unmöglichkeit qualifiziere. 85  Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  48. 86  Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  104 ff., 172. 82 

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ausschließlich ein Verhalten im prozessualen Lebensbereich regeln will, wel­ cher durch das Verfahren von und vor Rechtspflegeorgangen gekennzeichnet sei. Dann gehöre die Norm dem Prozessrecht, andernfalls dem materiellen Recht an.87 Die Zuordnung einer Vorschrift zu einer der beiden Disziplinen sage aber noch nichts über die Rechtsfolgen, die ein bestimmtes Parteiverhalten aus­ lösen kann, aus. Konzen arbeitet heraus, dass sowohl zivilrechtliche Rechts­ verhältnisse prozessuale Rechtsfolgen herbeiführen könnten – so sei etwa die Vornahme einer Parteiprozesshandlung, die dem Zweck eines zivilrechtlichen Vertrags widerstreitet, grundsätzlich unzulässig88 – als auch umgekehrt prozes­ suale Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien in Einzelfällen in materiel­ len Rechtsfolgen, nämlich Schadensersatzansprüchen, münden könnten. Konzen erkennt also materiellrechtliche Ersatzansprüche für prozessver­ tragswidriges Handeln grundsätzlich an, und zwar sowohl für den Fall, dass die Prozessvereinbarung in prozessualer Hinsicht unwirksam ist, als auch als zu­ sätzliche Folge einer wirksamen Prozessvereinbarung. Eine Prozessvereinba­ rung mit prozessualer Wirkung kann danach Grundlage für einen Schadenser­ satzanspruch sein. Angelehnt an Hellwigs Lehre, bei Prozessvereinbarungen mit negativer Verfügungswirkung eine zusätzliche Verpflichtungswirkung an­ zunehmen, stellt er den von Schiedermair befolgten Ausschluss von Schadens­ ersatzpflichten für die schuldhafte Verletzung von Prozessvereinbarungen in Frage.89 Wie schon Schiedermair und Hellwig stellt er auf den Parteiwillen ab, kommt aber zu einem anderen Ergebnis. Er fragt nämlich nicht danach, ob die Parteien entweder prozessuale oder materiellrechtliche Wirkungen bezwecken wollten. Die Frage nach dem Parteiwillen beantwortet er vielmehr dahingehend, ihnen sei im Zweifel an der stärksten Vertragswirkung gelegen. „Der Vertrags­ zweck“, so schreibt er, „deckt deshalb auch das aus der Verpflichtungswirkung resultierende Schadensrisiko, das die intendierte Einschränkung der Prozeß­ führung durch den vom Vertrag Belasteten unterstreicht. Das Nebeneinander von prozessualer Rechtswirkung und Schadensersatzfolge entspricht also der Parteiintention. […] Das Parteiinteresse spricht für Prozeßvereinbarungen mit Doppelwirkung. Es ist daher unzutreffend, wenn eine zusätzliche Schadenser­ satzpflicht im Hinblick auf ein fehlendes Bedürfnis geleugnet wird.“90 Dabei argumentiert Konzen vor allem mit einem Erstrechtschluss: Wenn Einigkeit da­ hingehend bestehe, dass eine innerprozessual unwirksame Vereinbarung u. U. im Nachgang sekundäre materiellrechtliche Pflichten auslösen könne, dann müsse das erst recht für eine wirksame Vereinbarung gelten: „Das Prozeßrecht Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  52, 173, 332. Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  218 ff. 89  Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  209. 90  Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  211. 87 

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lässt es also gerade zu, daß präjudizielle Prozeßvereinbarungen innerprozessual wirkungslos sein können, ohne zugleich Schadensersatzansprüche auszuschlie­ ßen. Erst recht spricht es deshalb nicht dagegen, etwa einem Klagerücknahme­ vertrag die Unzulässigkeit der Klage zu entnehmen und anschließend den Ver­ mögensschaden, der durch den vertragswidrigen Streit um den Klagerücknah­ mevertrag und die Fortdauer des Rechtsstreits verursacht worden ist, bei Verschulden des Klägers mithilfe eines Schadensersatzanspruchs in einem Zweitprozeß auszugleichen.“91 Diese Doppelwirkung entspricht seiner Meinung nach dem Parteiwillen und darf nicht durch „willkürliche Systembildungen über die Trennung von Zivil- und Prozeßrecht“ beschränkt werden.92 Für die vorliegende Untersuchung ist insbesondere Konzens am Parteiwillen ausgerichtete Auslegung einer Prozessvereinbarung gewinnbringend. Die Par­ teien, die einen Prozessvertrag abschließen, werden sich in der Regel keine Ge­ danken darüber machen, ob sie dem Vertrag prozessuale oder materiellrechtli­ che Wirkungen beimessen wollen. Ihrem Willen entspricht es, dem Vertrag die stärkste Wirkung, also diejenige Wirkung, die ihm am ehesten zur Durchset­ zung verhilft, beizumessen. Im Falle einer zulässigen und wirksamen Prozess­ vereinbarung bedeutet dies, dass neben prozessualen Wirkungen auch materi­ ellrechliche Sekundäransprüche möglich sein müssen. Allerdings beschäftigt sich Konzen nicht explizit mit internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen. Seine Ergebnisse können aber auf die vorliegend untersuchten Fälle übertragen werden. IX.  Wagner: Verpflichtungswirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen widersprechen häufig dem Parteiwillen 1.  Prozessverträge modifizieren die Verfahrensregeln pro futuro Eine weitere grundlegende Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur von Pro­ zessverträgen und den sich daraus ergebenden Konsequenzen unternimmt zwei Jahrzehnte später Wagner93 in seiner im Jahr 1998 erschienenen Habilitations­ schrift. Im Anschluss an Hellwig beschäftigt sich Wagner ebenfalls mit der um­ strittenen Frage, ob es auch prozessuale Verpflichtungsverträge geben kann, und wendet sich noch vehementer gegen die von Schiedermair vorgenommene Übertragung des Abstraktionsprinzips auf die Unterscheidung zwischen mate­ riellen und Prozesserträgen. Er stellt ausdrücklich fest, dass – falls man über­ haupt in diesen Kategorien sprechen sollte – Prozessverträge sowohl Verfü­ Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  215. Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  215. 93  G. Wagner, Prozeßverträge (1998). 91 

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gungs- als auch Verpflichtungswirkungen haben könnten. Während Verfü­ gungsverträge selbst die Prozesslage unmittelbar gestalten würden, enthielten Verpflichtungsverträge keine solche Gestaltungswirkung, sondern verpflichte­ ten eine Partei zu einem prozessualen Tun oder Unterlassen. Nach Wagner ist die Prorogation der Prototyp einer Verfügungswirkung, während typisch für Prozessverträge mit Verpflichtungswirkung das Klagerücknahmeversprechen sei.94 Dass Rechtsprechung und Literatur überwiegend nur prozessuale Verfü­ gungsverträge anerkennen würden, begründet er, ähnlich wie Hellwig, mit ei­ nem allgemein herrschenden Fehlverständnis. Denn die Verpflichtungswirkung von Prozessvereinbarungen werde mit der Begründung geleugnet, die Ver­ pflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Prozesshandlung sei notwen­ digerweise materieller Natur; liege Verpflichtungswirkung vor, handle es sich also um einen dem materiellen Recht zuzuordnenden Vertrag. Den hierfür ge­ lieferten unterschiedlichen Begründungsansätzen liegt nach Wagner die Fehlan­ nahme zugrunde, Verpflichtungswirkung sei immer schuldrechtlich, also pri­ vatrechtlich.95 Richtigerweise bestünden aber selbstverständlich auch öffent­ lich-rechtliche Verpflichtungsverträge, die Obligation stehe also sowohl dem Privatrecht als auch dem öffentlichen Recht zur Verfügung. Diese allgemeinen Grundsätze müssten daher genauso auf das Prozessrecht übertragen werden. Wagner sieht auch nicht die oft geäußerte Gefahr der Zersplitterung der Einheit der Prozesshandlungslehre. Denn Verfügungs- und Verpflichtungsverträge würden gleichbehandelt, unterschieden werden müsse bloß zwischen einseiti­ gen Prozesshandlungen und Verträgen. Für die Zuordnung des Vertrags zu ei­ ner Teilrechtsordnung komme es allein auf den Geschäftswillen der Parteien an und nicht darauf, ob er von der Rechtsordnung akzeptiert wird. Prozessrechtli­ che Verpflichtungsverträge lägen also dann vor, wenn mit einer Vereinbarung über die prozessualen Befugnisse einer Partei disponiert wird.96 Die von Schiedermair vorgenommene Trennung habe „selbstgeschaffene Zwänge“ zur Folge, welche die Diskussion über die Wirkungen von Prozessverträgen bis heute be­ lasteten.97 Die von der Lehre immer wieder vorgenommene Kategorisierung von Pro­ zessverträgen als Verfügungsverträgen ist Wagners Ansicht nach mehr meta­ phorisch als technisch-rechtsdogmatisch zu verstehen. Wenn materieller und Prozessvertrag uno acto vorgenommen würden, etwa im Rahmen von AGB, könne ohnehin nicht von einer Verfügung gesprochen werden. Denn eine Ver­ fügung setze stets bereits existente Rechte voraus, auf welche eingewirkt werde. G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  35 f. G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  36 f. 96  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  37 f. 97  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  213. 94  95 

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Nur, wenn erst nachträglich der Prozessvertrag geschlossen werde, könne also überhaupt von einer Verfügung gesprochen werden, und zwar über das aus ma­ teriell- und prozessrechtlichen Elementen zusammengesetzte Schuldverhältnis. Aber auch in diesem Fall dürfe der Verfügungsbegriff eben nur metaphorisch verwendet werden, denn es handle sich natürlich nicht um eine Verfügung, wie sie uns aus dem materiellen Recht bekannt ist. Die Vereinbarung unterliege le­ diglich denselben Wertungskriterien wie eine materiellrechtliche Verfügung.98 Verfügungsverträge seien also solche, die Prozessrecht unmittelbar gestalten. Das von der Lehre hervorgehobene zentrale Element dieses prozessualen Verfü­ gungsbegriffs, nämlich die Unmittelbarkeit ihrer Wirkung99, reiche für den pro­ zessualen Verfügungsbegriff aber gerade nicht aus. Denn das Gericht sei un­ mittelbar nicht nur an Verfügungsgeschäfte, sondern selbstverständlich auch an Verträge mit Verpflichtungswirkung gebunden. Außerdem ließe sich technisch nicht sagen, die Parteien verfügten über Rechte. Bei einem reinen Prorogations­ vertrag etwa werde die Zuständigkeit eines zusätzlichen Gerichts begründet und nicht über bestehende Rechte verfügt. Und bei der Derogation verlöre das eigentlich zuständige Gericht nicht deshalb seine Zuständigkeit, weil die Partei­ en ihr subjektives Recht, vor diesem Gericht zu klagen, aufgegeben hätten, son­ dern weil sie die gesetzliche Zuständigkeitsordnung modifiziert hätten. Wagner schreibt daher: „Durch Verträge im Rahmen dispositiven Prozeßrechts wird also gerade nicht über ein Recht an einem Gegenstand verfügt, sondern die für die Parteien maßgeblichen Verfahrensregeln werden pro futuro modifiziert. Die Bezugnahme auf den Verfügungsbegriff ist in diesen Fällen irreführend und sollte unterbleiben.“100 An anderer Stelle formuliert er noch deutlicher: „Prozeß­ verträge mit ‚Verfügungswirkung‘ gibt es nicht. […] Wollen die Parteien von dispositivem Verfahrensrecht abweichen, wirken sie gerade nicht auf bestehen­ de prozessuale Rechte ein, sondern gestalten die Verfahrensregeln pro futuro um. […] Die Befugnisdisposition ist folglich als Verpflichtungsgeschäft zu qua­ lifizieren.“101 2.  Die Wirkungen von Prozessverträgen im Primärprozess Wagner begründet die Standhaftigkeit des alten, fehlerhaften Dogmas vom aus­ schließlichen Verfügungscharakter von Prozessverträgen auch mit deren Wir­ kungen im Primärprozess: Den Verfechtern der Verfügungstheorie falle die G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  221 ff. Vgl. G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  224 m. w. N. 100  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  224, in dieselbe Richtung schon Bülow, ZZP 31 (1903), 191, 217 und für den Verzichtsvertrag Walsmann, Der Verzicht (1912), S.  29. 101  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  276. 98 

99 

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Anerkennung von Verpflichtungswirkungen nämlich deshalb so schwer, weil ihrer Meinung nach der Verpflichtungscharakter eines Vertrags seiner Berück­ sichtigung im Primärprozess entgegenstehen könnte. Denn wer sich bislang nur verpflichtet hat, der hat über prozessuale Befugnisse eben noch nicht verfügt. Aber auch hier entlarvt Wagner, dass fälschlicherweise eine Wertung des mate­ riellen Rechts auf das Prozessrecht übertragen wird: Im materiellen Recht finde sich die Trennung zwischen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft. Wer sich verpflichtet habe, könne immer noch frei darüber disponieren, ob er auch das Erfüllungsgeschäft vornehmen wird, er habe sich eben gerade nur schuldrecht­ lich gebunden, während in sachenrechtlicher Hinsicht noch keine Änderung der Rechtslage stattgefunden habe und er noch immer frei über die jeweilige Sache oder das in Frage stehende Recht verfügen könne. Im Prozessrecht, so Wagner, stehe der Verpflichtungsvertrag aber von vornherein nicht außerhalb des Pro­ zesses, sondern beziehe sich „auf den Rechtsstreit selbst“. An diesem sei aber ein staatliches Gericht beteiligt, welches die Zulässigkeit des Prozessvertrags prüft. Das Prozessverhältnis überwache sich mit den Worten Bülows102 also gleichsam selbst. Folgerichtig könne die Annahme von Verfügungswirkung nicht mit dem Scheinproblem begründet werden, dass Verträge mit Verpflich­ tungswirkung nicht auf den Primärprozess einzuwirken imstande seien.103 Die tatsächliche Wirkung von Prozessverträgen im Primärprozess entspricht nach Wagner derjenigen von materiellen Einwendungen, die zwar von der sie begünstigenden Partei nicht explizit erhoben zu werden brauchen, deren zu­ grundeliegende Tatsachen aber von den Parteien aufgrund des Beibringungs­ grundsatzes in den Prozess eingeführt werden müssen. Er wendet sich also ei­ nerseits gegen die Einredetheorie, wonach Prozessverträge nur vom Gericht zu beachten seien, soweit sie von der durch sie begünstigten Partei vorgetragen wurden. Eine Einredeobliegenheit besteht nach Wagner nur, wenn diese posi­ tiv-rechtlich angeordnet sei, also de lege lata bei Schiedsvereinbarungen. Um­ gekehrt sei aber auch eine Prüfung von Amts wegen nicht geboten. Das Gericht müsse den Vertrag nur berücksichtigen, wenn er von einer Partei vorgetragen wurde, dies müsse aber nicht die von ihm Begünstigte sein. Prozessvereinba­ rungen über disponible Rechtslagen wirkten also, ähnlich materiellen Einwen­ dungen, ipso iure. Sie seien vom Gericht stets, aber auch nur dann zu beachten, wenn sie von einer Partei in den Prozess eingeführt wurden.104

102  Bülow, Die Lehre von den Prozeßeinreden und die Prozeßvoraussetzungen (1868), S.  304. 103  Zum Ganzen G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  233 ff. 104  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  238 ff., 254.

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3.  Die Wirkungen von Prozessverträgen im Sekundärprozess Aus der grundsätzlichen Möglichkeit, dass auch Prozessverträge Verpflich­ tungswirkungen entfalten können, darf Wagner zufolge die Verpflichtungswir­ kung jedoch nicht ohne Prüfung im Einzelfall per se bejaht werden. Das Be­ dürfnis nach einer ergänzenden Verpflichtungswirkung des Prozessvertrags bejaht er etwa in solchen Fällen, in denen entgegen einem antizipierten Rechts­ mittelverzicht doch Berufung eingelegt und dadurch der rechtskräftige Ab­ schluss des Streits verzögert wird. Einer Verpflichtungswirkung des Rechtsmit­ telverzichtvertrags müsse zugestimmt werden, damit dieser als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch dienen könne.105 Schadensersatzansprüche für die Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen betrachtet er indes mit Skep­ sis. Eine Schadensersatz begründende Verpflichtungswirkung von Gerichts­ standsvereinbarungen bestehe nur dann, wenn die Parteien dies durch eine ex­ plizite Abrede bestimmt hätten – nicht jede Vereinbarung entfalte automatisch Verpflichtungswirkung.106 Gerichtsstandsvereinbarungen seien nämlich keine obligatorischen Verträge, mit denen sich die Parteien gegenseitig die Pflicht auf­ erlegten, nicht vor dem derogierten oder nur vor dem prorogierten Gericht zu klagen. Es handle sich um Verträge im Rahmen dispositiven Prozessrechts, mit denen die Parteien das für ihren Rechtsstreit geltende Verfahrensrecht modifi­ zierten, indem sie die Zuständigkeit des prorogierten Gerichts abweichend von der Verfahrensordnung begründeten.107 Aus der bloßen dogmatischen Möglich­ keit einer Kombination von Verfügungs- und Verpflichtungswirkungen könne also nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass auch tatsächlich stets eine Schadensersatzansprüche begründende Verpflichtungswirkung bestehe. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Verpflichtungswirkung sei von den Par­ teien auch zu erwarten, schließlich handle es sich bei den am internationalen Zivilverkehr beteiligten Parteien häufig um rechtlich versierte Kaufleute.108 Sei­ ne Ansicht begründet Wagner zudem mit rechtspolitischen Erwägungen und mit dem Parteiwillen: Würde man Schadensersatzansprüche für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung anerkennen, würden nämlich die Rechtsfolgen der §§  91 ff. ZPO über den Umweg der Verpflichtungswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen über ihren territorialen Anwendungsbereich hinaus erstreckt. Lege man den typischen Sachverhalt zugrunde, dass die zwi­ schen einer deutschen und einer US-amerikanischen Partei ausgehandelte Ge­ 105  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  227; ähnlich schon H.-J. Hellwig, NJW 1968, 1072, 1075. 106  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  257, 269. 107  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  557. 108  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  258.

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richtsstandsvereinbarung auf Deutschland lautet, so entspreche die Annahme von Verpflichtungswirkungen zwar dem Willen der deutschen Partei, nicht aber dem übereinstimmenden Willen beider Parteien. Denn der amerikanischen Par­ tei sei nicht der Wille zu unterstellen, sich bei einer Verletzung der Vereinba­ rung durch Klage vor einem derogierten US-amerikanischen Gericht schadens­ ersatzpflichtig zu machen. Schließlich könne die Klage vor dem derogierten Forum durchaus auch in redlicher Absicht erfolgen. Außerdem hätte die verein­ barte Zuständigkeit sonst wesentlich weitere Rechtsfolgen als die gesetzliche ausschließliche Zuständigkeit. Haben die Parteien keine Verpflichtungswirkung vereinbart, kommt eine Haftung auf Schadensersatz wegen Verletzung der Ver­ einbarung Wagner zufolge also nur nach den allgemeinen Grundsätzen der Haf­ tung für unlautere Prozessführung in Betracht. 109 X.  Die aktuelle Diskussion im modernen deutschen Schrifttum 1.  Überblick: Gesteigertes Interesse an der Problematik In den vergangenen Jahren ist die Diskussion um Verpflichtungswirkungen in­ ternationaler Gerichtsstandsvereinbarungen und die Möglichkeit vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer internationalen Gerichts­ standsvereinbarung im deutschen Schrifttum kontrovers vorangetrieben wor­ den. Dies mag allem voran in der Internationalisierung des Zivilrechtsverkehrs und der parallel dazu angestiegenen Zahl von (Handels-)Verträgen, die eine in­ ternationale Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, begründet sein. In Europa haben außerdem die erwähnten Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Gasser und West Tankers und die Gefahr von Torpedo-Klagen, verbunden mit der Unzulässigkeit von Prozessführungsverboten, das Bedürfnis nach einem anderen Mechanismus zum Schutz internationaler Gerichtsstandsvereinbarun­ gen begründet. Die Entscheidungen aus England, den USA und Spanien und die in diesen und einigen anderen Staaten in der Literatur geführte Diskussion zu der Frage, ob für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinba­ rung Schadensersatz verlangt werden kann, haben die Auseinandersetzung in Deutschland weiter angeregt. Mittlerweile haben sich zwei grundlegende Strö­ mungen, die etwa in gleicher Stärke vertreten werden, herausgebildet:

109 

Zum Ganzen G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  257 f.

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2.  Die eine Ansicht: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen entfalten nur bei ausdrücklicher Vereinbarung Verpflichtungswirkung Nach einer dieser beiden im deutschen Schrifttum vertretenen Ansichten er­ wachsen aus der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung per se mangels verpflichtender Wirkung keine vertraglichen Schadensersatzan­ sprüche.110 Dabei werden mögliche Verpflichtungswirkungen von Gerichts­ standsvereinbarungen jedoch nicht mehr vordergründig mit dem Verfügungs­ charakter von Gerichtsstandsvereinbarungen abgelehnt. Eine dogmatisch trenn­ scharfe und absolute Einteilung von Prozessverträgen in Verfügungs- und Verpflichtungsverträge, wie sie von Schiedermair vorgenommen wurde, findet sich im heutigen Schrifttum, soweit ersichtlich, nicht mehr. Die Skepsis gegen­ über verpflichtenden Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen ist jedoch geblieben. Zu ihrer Rechtfertigung wird häufig mit dem mangelnden Bedürfnis nach Schadensersatzansprüchen argumentiert, schließlich könne der im auslän­ dischen derogierten Forum Beklagte die dortige Zuständigkeit rügen und das ausländische Urteil sei in Deutschland wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht an­ erkennungsfähig. 111 Auch der Parteiwille wird bemüht: Nach dem modernen Verständnis internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen lässt sich der für ei­ 110  In diese Richtung Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 23.  Aufl. 2014, §  38 Rn.  50; Carl, Einst­ weiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen (2007), S.  177 f.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsver­ einbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  79 f., 224 f.; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Art.  23 EuGVO Rn.  97; Hausmann, in: Festschrift Lo­ renz (1991), S.  358, 361; wohl auch Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen (1995), S.  188; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung (2005), S.  210; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I (1982), Kap.  III Rn.  168, S.  263; de Lousanoff, ZZP 105 (1992), 111, 114; (noch) Mankowski, IPRax 2009, 23, 27; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und im internatio­ nalen Zivilprozeßrecht (1967), S.  23; Nagel/P. Gottwald, IZPR, 7.  Aufl. 2013, §  3 Rn.  230; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen (2008), S.  96; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  769 ff.; ders., in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 80 ff.; Rosenberg/Schwab/ P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17.  Aufl. 2010, S.  158, 186; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 174; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 56; ders., ZZP 116 (2003), 130, 131 (allerdings in IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  863 für die Möglichkeit von Schadensersatz wegen der Verletzung vertragli­ cher Schutzpflichten gemäß §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB im Falle einer Kostentragungsver­ einbarung); Smith, RIW 1993, 802, 809; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 334 f.; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), insb. S.  257 f.; ders., in: Stein/Jonas, ZPO, 22.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO Rn.  151; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  38 Rn.  47. 111  So argumentieren etwa de Lousanoff, ZZP 105 (1992), 111, 118; Matscher, Zuständig­ keitsvereinbarungen im österreichischen und im internationalen Zivilprozeßrecht (1967), S.  23; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  770; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 56.

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nen vertraglichen Anspruch erforderliche Verpflichtungswille den Parteien nicht automatisch als grundsätzlicher Bestandteil einer Gerichtsstandsvereinba­ rung unterstellen.112 Die Parteien sollen in aller Regel lediglich die Absicht ha­ ben, Gerichtsstandsvereinbarungen nur beschränkte Wirkung im Sinne von Prorogation und bzw. oder Derogation beimessen zu wollen. Ein weitergehender Wille, sich ggf. schadensersatzpflichtig zu machen, sei indes eine reine Hypo­ these, die den Parteien nicht einfach unterstellt werden könne. Spickhoff etwa formuliert: „Abgesehen von ausdrücklichen Verpflichtungen der Parteien, vor keinem anderen als dem vereinbarten Gericht zu klagen, gehört viel Mut dazu, selbst international tätigen Anwälten bei der Abfassung von Schiedsabreden und Zuständigkeitsvereinbarungen die Begründung solcher selbstständigen (und un­ üblichen) Pflichten zu unterstellen.“113 Kropholler dreht den Fall um und ver­ neint die verpflichtende Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen mit dem Argument, bei einer auf New York lautenden Gerichtsstandsvereinbarung sei es der deutschen Partei schließlich auch nicht verwehrt, einfach in Deutschland zu klagen.114 Schack hält es für „klar verfehlt“, in einer prozessualen Verfügung über die Zuständigkeit zugleich regelmäßig eine materiellrechtliche Verpflich­ tung zu sehen, und argumentiert damit, die Schutzwirkungen der jeweiligen lex fori würden andernfalls unterlaufen. Diese entscheide nämlich selbstständig über die Wirksamkeit der Prorogation und Derogation. Er betont insbesondere die unerwünschte Belastung, welche Schadensersatzansprüche für den interna­ tionalen Rechtsverkehr haben würden.115 Teilweise wird außerdem darauf hin­ gewiesen, die Annahme einer verpflichtenden Wirkung würde dazu führen, dass die Gerichtsstandsvereinbarung stärkere Wirkungen entfalte als eine ge­ setzliche ausschließliche Zuständigkeit.116 Auch Pfeiffer zufolge kommen ver­ So insb. (noch) Mankowski, IPRax 2009, 23, 26 f.; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/ Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I (1982), Kap.  III Rn.  168, S.  263; Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 88; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 174; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  257 f. 113  Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 335. 114  Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I (1982), Kap.  III Rn.  168, S.  263. Dagegen wendet Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  86 ein, Kropholler vermische zwei Fragen, nämlich ob das angerufene Gericht die Vereinbarung als wirksam betrachtet und ob der ausländische Staat die Anrufung dieses Gericht als rechtwidrig ansieht. Dem tritt wiederum Schack, ZZP 116 (2003), 130, 131, entgegen: „Den deutschen Kläger in einer solchen Situation Unterlassungs- und Schadensersatzansprü­ chen auszusetzen, wäre widersinnig. Im Interesse einer international geordneten Rechtspflege verbietet sich deshalb ein solches Vorgehen auch im umgekehrten Fall, wenn die Parteien eine materiellrechtliche Unterlassungspflicht nicht ausdrücklich und zweifelsfrei begründet haben.“ 115  Schack, ZZP 116 (2003), 130, 131 f. 116  So etwa Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  770; ähnlich auch Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung 112 

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tragliche Schadensersatzansprüche für die Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung nur dann in Betracht, wenn die materielle Kostentra­ gungspflicht schuldrechtlich vereinbart und ggf. mittels einer Vertragsstrafe flankiert worden ist. Dabei gelangt er aber zu dem Ergebnis, dass die Parteien außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO grundsätzlich frei darin seien, solche Kostentragungspflichten individualvertraglich zu vereinbaren.117 Da­ durch könnten sie von den §§  91 ff. ZPO abweichen, denn es handle sich hierbei nicht um zwingendes Prozessrecht. Auch in AGB könnten solche materiellrecht­ lichen Kostentragungspflichten begründet werden. Allerdings beträfe das nur Kostentragungspflichten zugunsten der obsiegenden Partei. Kostenerstattungs­ ansprüche, die bei Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung unabhängig vom Verfahrensausgang bestehen sollen, könnten nicht in AGB, sondern nur indivi­ dualvertraglich vereinbart werden. Denn solche Klauseln würden vom Veran­ lassungsprinzip der §§  91 ff. ZPO so stark abweichen, dass sie daher schon nach §  307 BGB unwirksam seien. Eine solche Kostentragungsregel würde nämlich im Ergebnis auf eine Verpflichtungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung hinauslaufen, die ja gerade nicht vorläge. Eine Verpflichtungswirkung könne daher auch nicht „als Legitimationsgrund für eine an die bloße Abweichung anknüpfende formularmäßige Kostenerstattungsklausel“ dienen.118 Mankowski hält vertragliche Schadensersatzpflichten „bei hinreichend weiter Fassung“ für grundsätzlich möglich.119 In einem Aufsatz zu dieser Thematik stellt er das derzeitige Meinungsspektrum dar, beantwortet die Problematik je­ doch selbst nicht abschließend.120 Er lässt vielmehr seinerseits die Fragen offen, ob Gerichtsstandsvereinbarungen prozessualen oder materiellen Charakter ha­ ben, welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien und ob es wirklich eine strik­ te Alternativität der Qualifikation von Vereinbarungen für Prozesszwecke als prozess- oder materiellrechtlich gebe. Außerdem stellt er fest, dass Gerichts­ standsvereinbarungen zwar Vertragsbestandteile seien, nicht aber jede Verlet­ zung einer Vertragsklausel zum Schadensersatz verpflichte, etwa auch nicht die Beschränkungsklausel. Im Ergebnis nimmt auch er den Standpunkt ein, es ginge (2005), S.  210. Dagegen wendet Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 119 ein, es handle sich bei der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung um „etwas prinzipiell Eigenständiges“, sodass einer Vereinbarung über die ausschließliche Zuständigkeit durchaus stärkere Wirkungen beigemessen werden könnten als einer gesetzlichen ausschließlichen Zu­ ständigkeit. Sich anschließend Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  333. 117  Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 80 ff. 118  Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 85 ff., insb. 88. 119  Er plädiert ausdrücklich für eine vertragliche und keine deliktische Qualifikation, da die Verletzung einer vereinbarten Vertragspflicht sanktioniert werde, vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  244; ders., IPRax 2009, 23. 120  Mankowski, IPRax 2009, 23.

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jedenfalls zu weit, regelmäßig eine konkludente Verpflichtungswirkung anzu­ nehmen. Er schlägt daher vor, eine ausdrücklich formulierte Verpflichtung, die Gerichtsstandsklausel zu beachten und nirgends sonst als in den zugelassenen Foren zu klagen, in den Vertrag aufzunehmen. Dies sei ohne Weiteres möglich und der für die Parteien sicherste Weg. „Die Befolgung vertraglicher Abreden als weitere, gleichsam überdachte Pflicht hinzu zu konstruieren“, erscheint ihm dagegen überspannt und zu unspezifisch.121 Inzwischen erkennt er aber den ver­ pflichtenden Charakter von Gerichtsstandsvereinbarungen eher an und schreibt: „Deutschrechtliche Unterschiede zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsver­ trägen stehen dem jedenfalls nicht im Weg und lassen sich spätestens durch zweckorientierte Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung ausräumen.“122 Auch nach Eichel sind Schadensersatzpflichten wegen der Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zwar möglich, allerdings nur über den Weg einer ausdrücklichen Abrede.123 Darüber hinaus verlangt er statt abs­ trakter, dogmatischer Überlegungen eine am Parteiwillen orientierte Auslegung und stellt zwei Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch auf: Erstens müsse sich der Wille zur Ausschließlichkeit durch Auslegung der Vereinbarung ergeben und dürfe nicht allein aus der Vermutung oder Anordnung einer Zu­ ständigkeitsnorm folgen. Es genüge also nicht, dass die EuGVVO im Zweifel die Ausschließlichkeit der Vereinbarung anordne. Ob die Parteien tatsächlich eine ausschließliche Verpflichtung hätten erreichen wollen, nicht anderswo Kla­ ge zu erheben, müsse sich für die Frage, ob Schadensersatz zu leisten sei, viel­ mehr im Wege der selbstständigen Auslegung ergeben. Zweitens müsse im Fal­ le von AGB die Gerichtsstandsklausel wirksam einbezogen worden sein, wofür er eine qualifizierte Kenntnisnahme verlangt.124 Eine solche setze voraus, dass sich die Klausel auf der Vertragsurkunde selbst befände und der vorformulierte Text entweder nur wenige Klauseln enthalte oder aber die Klausel durch druck­ technische Hervorhebung besonders sichtbar gemacht werde.125 Allerdings lehnt Eichel auch dann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, die Möglich­ keit vertraglicher Schadensersatzansprüche wegen fehlender Rechtswidrigkeit der Klageerhebung im forum derogatum ab.126 Zum Ganzen Mankowski, IPRax 2009, 23, 27. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  257. 123  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  225. 124  Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  224 f. 125  Dazu Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Han­ delsverkehr (2007), S.  79. 126  Zum Ganzen siehe Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerika­ nischen Handelsverkehr (2007), S.  225. Zur Rechtswidrigkeit siehe unten Teil III §  12 C. 121 

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3.  Die andere Ansicht: Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen entfalten grundsätzlich Verpflichtungswirkung Nach der anderen, mittlerweile im deutschen Schrifttum etwa in gleicher Stärke vertretenen Ansicht, entfaltet eine ausschließliche internationale Gerichts­ standsvereinbarung auch ohne eine dahingehende explizite Einigung zwischen den Parteien Verpflichtungswirkung.127 Gemeinsam ist den Vertretern dieser Ansicht, dass sie vor allem mit dem praktischen Bedürfnis nach Verpflichtungs­ wirkungen von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen argumentieren. Einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung verpflichtende Wirkung zu versagen, gehe an den Bedürfnissen des internationalen Zivilprozesses vorbei, weil allein die Gefahr, sich durch die Verletzung der Vereinbarung schadenser­ satzpflichtig zu machen, die Parteien wenigstens mittelbar zu deren Einhaltung zwingen könne.128 Die Annahme einer aus der Gerichtsstandsvereinbarung er­ wachsenden Unterlassungspflicht entspreche auch dem Parteiwillen, weil da­ durch die Klausel gestärkt und das Prozessrisiko berechenbar gemacht werde.129 Wer eine Gerichtsstandsvereinbarung schließe, könne im Regelfall auch erken­ 127  Fuchs/Hau/Thorn, Fälle zum Internationalen Privatrecht, 4.  Aufl. 2009, S.  80 f.; Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 275; Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1122, 1716 ff.; Geimer/Schütze, EuZVR, 3.  Aufl. 2010, Rn.  207 f.; Götz, Zivilrechtliche Ersatzan­ sprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  134 f.; Hau, Positive Kompetenzkon­ flikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  110, 202 f.; Hess, Europäisches Zivilpro­ zessrecht (2010), S.  318; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  126; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  84 ff.; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  63 ff.; Lenenbach, 20 Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review (1998), 257, 284 ff.; in­ zwischen auch Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel IaVO Rn.  257; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  330 ff., insb. 337; Praschma, Die Einwirkung auf ausländische Prozesse durch Unterlassungs- und Schadens­ ersatzklagen (1971), S.  98 ff.; O. Sandrock, RIW 2004, 809 (jedenfalls in bestimmten Fällen); Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  35 ff.; ders., RIW 2006, 486, 488; ders., in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 114 ff.; ders., in: Schlos­ ser/Hess, EuZPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 EuGVVO Rn.  36a; Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 531 f.; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4.  Aufl. 2009, Rn.  189; ders., RIW 2007, 801, 805; Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  3, 52 f. Jedenfalls in diese Richtung auch Baum, in: Heldrich/ Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  185 f.; Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  168; Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 64; Koch, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  85, 98 f. Aus der Schweiz z. B. Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz (1989), S.  54 f. 128  Vgl. Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 531; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  126. 129  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  86.

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nen, dass es dem Vertragspartner auf die Einhaltung des Gerichtsstands an­ kommt, sodass nicht die Verbindlichkeit der Vereinbarung, sondern der Vorbe­ halt ihrer Nichtbefolgung der besonderen Erwähnung bedürfe.130 Kurth zufolge wird die Annahme eines Verpflichtungswillens dem Parteiin­ teresse gerecht. Denn die internationale Gerichtsstandsvereinbarung werde in aller Regel von den Parteien mit der Absicht geschlossen, alle abgewählten Ge­ richte von der Entscheidung auszuschließen. Dieser Absicht könne die Verfü­ gungswirkung, welche bei einem Bruch der Vereinbarung der übergangenen Partei lediglich eine prozessuale Einredemöglichkeit in die Hand lege, jedoch nicht genügen. Ganz im Gegenteil, die Verfügungswirkung entfalte keinerlei Einfluss auf das tatsächliche Verhalten der Parteien, sodass eine Partei völlig unbedenklich Klage vor einem derogierten Forum erheben könne. Damit ließe sich praktisch jeder Gerichtsstandsvereinbarung ohne negative Folgen ihre Grundlage entziehen. Der Entscheidungsfreiheit der Parteien müssten daher Grenzen gesetzt werden, indem sie dazu verpflichtet seien, die negative Verfü­ gungswirkung auch einzuhalten, und sich andernfalls schadensersatzpflichtig machten. Kurth ist daher der Ansicht, aus einer internationalen Gerichtsstands­ vereinbarungen erwachse ein Rechtsanspruch not to be sued abroad.131 Auch Geimer ist der Ansicht, dass Gerichtsstandsvereinbarungen sich nicht in prozes­ sualen Befugnissen oder Lasten erschöpften, sondern echte Pflichten begründe­ ten. Die Verpflichtung der Parteien, nicht in derogierten Staaten zu klagen, sei zwar nicht mittels einer Unterlassungsklage durchsetzbar. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten und Aufwendungen, die aufgrund eines Verstoßes gegen die Verpflichtung entstanden seien, sei indes möglich.132 Huber hat zwar nicht kon­ kret die Möglichkeit materiellrechtlicher Ersatzleistungen für die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung untersucht. Jedenfalls im Zu­ sammenhang mit der Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zum Schutz ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen vertritt er aber, aus der Verein­ barung ergebe sich ein vertraglicher Erfüllungsanspruch. Denn selbst wenn 130  Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 275, demzufolge es sich bei der Unter­ lassungspflicht jedoch nicht um eine Hauptpflicht i. S. v. §  241 Abs.  1 BGB, sondern um eine Nebenpflicht aus §  241 Abs.  2 BGB handeln soll, vgl. S.  278 f. Eine Pflichtverletzung liege aber nicht vor, wenn die Derogation aus Sicht des forum derogatum unwirksam ist, vgl. S.  281. 131  Vgl. zum Ganzen Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländi­ schen Gerichten (1989), insb. S.  66 f. Ähnlich argumentiert auch Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), insb. S.  126 primär mit dem Parteiwillen, der regelmäßig nicht nur auf die Gestaltung der Prozesslage gerichtet sei, sondern darüber hinaus auf die verpflichtende Wirkung der Vereinbarung. 132  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1122, 1716 ff. Anders aber noch in Geimer, WM 1986, 117.

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man die unmittelbare Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die Zu­ ständigkeit der beteiligten Gerichte in Anlehnung an das materielle Zivilrecht als Verfügungswirkung bezeichnen möge, bedeute dies nicht, dass neben dieser Verfügungswirkung nicht auch eine Verpflichtungswirkung bestehen könne. Beide Wirkungen seien keine einander ausschließenden Erscheinungen, son­ dern würden sich ergänzen.133 Köster argumentiert insbesondere mit einem Ver­ gleich zu anderen prozessualen Verträgen, etwa dem Klagerücknahmevertrag, dem Klageverzicht oder einer vorprozessualen Einigung, nicht im Urkunden­ prozess zu klagen, deren materiellrechtlich verpflichtende Wirkung anerkannt sei.134 Außerdem kommt bei ihm die teilweise in der englischen Literatur, vor allem von Briggs, vertretene Meinung zum Ausdruck, dass eine Gerichtsstands­ vereinbarung auch dann, wenn sie prozessual aus bestimmten Gründen unwirk­ sam ist, materiellrechtlich zu einem bestimmten Prozessverhalten verpflichten könne.135 Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatzpflichten begrün­ det, findet sich außerdem bei Sandrock, der in seine Überlegungen andere Ge­ sichtspunkte als bloß die klassische Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungswirkung miteinbezieht.136 Sandrock konzentriert seine Unter­ suchung insbesondere auf die Frage, in welchen anderen Fällen im deutschen Recht Schadensersatzpflichten wegen bestimmter prozessualer Verhaltenswei­ sen anerkannt werden, und arbeitet dafür zwei Fallgruppen heraus, in denen ein Ersatzanspruch wegen vertragswidriger Prozessführung in Betracht kommt: die Haftung wegen arglistigen prozessualen Verhaltens und die Haftung wegen un­ zulässigen forum shopping. Das für die erste Fallgruppe erforderliche arglistige Verhalten des Prozessgegners verneint Sandrock jedoch für den typischen Fall, in dem eine Partei trotz einer anderslautenden Gerichtsstandsvereinbarung vor ein US-amerikanisches Gericht zieht. Denn die US-amerikanische non ouster-Doktrin bzw. die forum non conveniens-Lehre erlaubten es gerade, dass eine Überprüfung der Gerichtsstandsvereinbarung vor einem US-amerikanischen Gericht stattfindet, und seien zwingendes Recht. Die Vereinbarung müsse im­ 133  Huber, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität von Rechtssystemen (2002), S.  51, 64; ähnlich auch schon Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 531. 134  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  85 m. w. N. Mehr zu dem Vergleich mit anderen Prozessverträgen unten in Teil III §  12 XI. 4. c). 135  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  87 unter Berufung auf Koch, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrens­ rechts (1994), S.  85, 98 f. Kritisch demgegenüber Schack, ZZP 116 (2003), 130, 131. 136  O. Sandrock, RIW 2004, 809 ff.; ders., in: Festschrift Schlosser (2005), S.  821; ders., IDR 2004, 106.

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mer einer Überprüfung durch ein US-amerikanisches Gericht anhand der Kri­ terien des forum non conveniens standhalten. Berufe sich die im US-amerikani­ schen forum derogatum klagende Partei auf dieses zwingende Recht, so handle sie auch nicht arglistig. Arglist bejaht Sandrock daher nur für den Fall, dass die Parteien in ihren Vertrag eine zusätzliche Klausel aufgenommen haben, wonach die US-amerikanische Partei versichert, von der ihr im Heimatrecht eingeräum­ ten Befugnis, die Vereinbarung nach Ermessenskriterien prüfen zu lassen, kei­ nen Gebrauch zu machen. Arglist läge also dann vor, wenn die Partei trotz einer ausdrücklichen Verpflichtung, der Gerichtsstandsklausel Folge zu leisten, vor einem US-amerikanischen Gericht Klage erhebt.137 Allerdings bejaht Sandrock materiellrechtlich verpflichtende Wirkungen internationaler Gerichtsstandsver­ einbarungen im Zusammenhang mit der zweiten Fallgruppe, nämlich der Haf­ tung wegen unzulässigen forum shopping. Sandrock zieht aus der Existenz die­ ses Haftungsinstituts die Schlussfolgerung, dass im deutschen Recht generell eine Partei Ersatz desjenigen Schadens verlangen könne, der ihr daraus entstan­ den ist, dass die andere Partei unzulässigerweise ein fremdes Gericht angerufen hat, um für sich Vorteile zu gewinnen. Deshalb folgert er aus dem Beispiel des unzulässigen forum shopping, dass es möglich sein müsse, Gerichtsstandsver­ einbarungen unter bestimmten Umständen schuldrechtliche Wirkungen zuzu­ erkennen.138 Vor allem aber muss Sandrock zufolge zwischen innerdeutschen und interna­ tionalen Gerichtsstandsvereinbarungen differenziert werden. Seiner Meinung nach ist die Antwort auf die Frage, ob die Verletzung einer internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarung Schadensersatzansprüche auslösen kann, bislang des­ halb nicht gefunden worden, weil die Diskussion zu stark an innerdeutschen Vereinbarungen haften bleibe. Bei nationalen Vereinbarungen sei die Annahme von schuldrechtlichen Wirkungen aber nicht nötig. Denn hier sei die Partei, die vor einem unzuständigen Forum verklagt wird, ausreichend durch die Einrede anderweitiger Rechtshängigkeit, falls das Verfahren bereits beim prorogierten Gericht anhängig ist, sonst einfach durch eine einfache Zuständigkeitsrüge ge­ schützt.139 Anders aber verhalte es sich bei internationalen Gerichtsstandsver­ einbarungen, insbesondere bei solchen zwischen deutschen und US-amerikani­ schen Unternehmen: Weil der deutschen Partei vor dem US-amerikanischen forum derogatum keine ausreichenden prozessualen Befugnisse zum Schutz gegen die Beklagtenrolle zur Verfügung ständen, müsse nach einer anderen Lö­ 137  Vgl. zum Ganzen O. Sandrock, RIW 2004, 809, 814, der europäischen Vertragspart­ nern nahelegt, eine solche Klausel in den Vertrag aufzunehmen. Vgl. auch die Verweisung in Fn.  47. 138  O. Sandrock, RIW 2004, 809, 815. 139  O. Sandrock, RIW 2004, 809, 815.

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sung gesucht werden. Und diese besteht nach Sandrock gerade darin, der inter­ nationalen Gerichtsstandsvereinbarung materiellrechtliche Wirkungen beizu­ messen. Ebenso verfährt er auch in Bezug auf Schieds-140 und Mediationsklau­ seln141. Dabei müsse allerdings berücksichtigt werden, dass auf beiden Seiten schutzwürdiges Vertrauen anzufinden sei. Es müsse also eine Abwägung des Vertrauens stattfinden, etwa anhand des Kriteriums, inwieweit die Parteien je­ weils rechtlich beraten waren.142 Damit gelangt Sandrock zu folgendem Ergeb­ nis: Komme das US-amerikanische Gericht seinerseits zur eigenen Unzustän­ digkeit und verweise die Parteien auf das zuständige deutsche Gericht, so sei es nur billig und gerecht, dass die deutsche Partei vom US-amerikanischen Pro­ zessgegner die Kosten ersetzt verlangen könne, die ihr durch den abredewidrig eingeleiteten Prozess aufgrund der American rule of costs entstanden seien. Wenn sich hingegen das US-amerikanische Gericht für zuständig halte, habe eine Interessenabwägung stattzufinden. Die deutsche Partei sei dann schutzwür­ dig, wenn die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich Ge­ genstand der Vertragsverhandlungen gewesen sei und der US-amerikanische Partner habe erkennen müssen, dass die deutsche Partei darauf vertraute (reliance interest). Immer, wenn die US-amerikanische Partei habe erkennen lassen, sie werde die ihr durch das Heimatrecht eingeräumte Befugnis, ein US-ameri­ kanisches Gericht anzurufen, nicht in Anspruch nehmen, sei die deutsche Partei schutzwürdig. In einem solchen Fall stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu. Umgekehrt sei die Schutzwürdigkeit und damit das Bestehen eines materiell­ rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zu verneinen, wenn die deutsche Partei damit habe rechnen müssen, ihr Vertragspartner werde ein US-amerikanisches Gericht anrufen.143 Kurzum läuft Sandrocks Herangehensweise am Ende also doch darauf hin­ aus, dass es eine (mehr oder weniger) ausdrücklich vereinbarte Verpflichtung geben muss. Hat die deutsche Partei es unterlassen, ihren US-amerikanischen Vertragspartner ausdrücklich zur Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung zu verpflichten, so ist sie nicht schutzwürdig. Dabei wird allerdings nicht ganz deutlich, ob Sandrock diese Abgrenzung im Rahmen der Frage, ob einer Ge­ richtsstandsvereinbarung Verpflichtungswirkung zukommt, vornehmen möch­ te, weil mit dem Abstellen auf die Schutzwürdigkeit der redlichen Vertragspar­ tei Aspekte des Rechtsschutzbedürfnisses oder auch Rechtswidrigkeits- und Verschuldensaspekte in die Abwägung hineinspielen. Sandrock nimmt die Kri­ tik, er biete mit einer solchen Interessenabwägung „nur Steine statt Brot“, selbst O. Sandrock, IDR 2004, 106 ff. O. Sandrock, in: Festschrift Schlosser (2005), S.  821, 831. 142  O. Sandrock, RIW 2004, 809, 815 f. 143  O. Sandrock, RIW 2004, 809, 816. 140  141 

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vorweg und gibt zu bedenken, dass die Rechtswissenschaft mangels deutscher Rechtsprechung zu der Problematik noch im Dunklen tappe.144 Eine Differenzierung zwischen nationalen und internationalen Gerichts­ standsvereinbarungen nimmt ebenso Schlosser vor, der mit Blick auf innerdeut­ sche Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Auslandbezug wegen der Kostenrege­ lung in §  281 Abs.  3 ZPO das Bedürfnis nach Verpflichtungswirkungen ver­ neint. Auch sonst bringe eine Klage vor einem abredewidrig angerufenen deutschen Gericht kaum ersatzfähige Nachteile für den Kläger mit sich. Die Verzögerung falle meist gering aus, wenn der Verweisungsantrag rechtzeitig gestellt wird. Außerdem liege sie ohnehin nicht selten im Interesse des Beklag­ ten. Im Verhältnis deutscher Gerichte untereinander verböten sich außerdem Qualitätsvergleiche in materieller Hinsicht. Nur in ganz seltenen Ausnahmefäl­ len, etwa wenn ein auf Stundenbasis honorierter Anwalt einen höheren Arbeits­ aufwand zu bewältigen habe, könne dem Beklagten durch die abredewidrig er­ hobene Klage ein Schaden entstehen. Solche Ausnahmefälle würden es aber nicht rechtfertigen, innerdeutschen Gerichtsstandsvereinbarungen generell eine materiellrechtliche Verpflichtungswirkung beizumessen.145 Ganz anders wür­ den aber die Dinge im internationalen Bereich liegen. Bei grenzüberschreiten­ den Transaktionen bestehe nämlich regelmäßig das Bedürfnis nach materiell­ rechtlichen Zusatzwirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen.146 Wie Sandrock hat auch Schlosser insbesondere die Kostenfalle vor Augen, der sich ein deutscher Beklagter in den USA wegen der American rule of costs sowie der Notwendigkeit der Durchführung einer pre-trial discovery ausgesetzt sieht. Er betont jedoch, dass auch in England oder Frankreich die Frage der Kostentra­ gung stark im Ermessen des Gerichts stehe. Weiterhin werde nicht nur in einer fremden Sprache, sondern auch nach einem fremden Rechtssystem prozessiert, weshalb in der Regel neben den deutschen auch ausländische Anwälte einge­ schaltet werden müssten. Während also in Fällen ohne Auslandsbezug die von einer Seite vorgelegte Gerichtsstandsklausel häufig kommentarlos akzeptiert werde, würden Gerichtsstandsvereinbarungen in deutsch-amerikanischen und anderen internationalen Transaktionen intensiv verhandelt. Ein Bruch der Ver­ einbarung ziehe damit nicht selten hohe Kosten für die deutsche Partei mit sich. Daher bejaht auch Schlosser verpflichtende Wirkungen von internationalen Ge­ O. Sandrock, RIW 2004, 809, 816. Vgl. zum Ganzen Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 114 f.: „Was immer man zu Schadensersatzverpflichtungen wegen eines Verstoßes gegen eine Prozessver­ einbarung halten mag: Ein ‚Verstoß‘ gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung kann in Fällen ohne Auslandsbezug eine solche Schadensersatzverpflichtung nicht begründen.“ Vgl. auch ders., Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa (1985), S.  35 ff. 146  Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 115. 144  145 

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richtsstandsvereinbarungen, ohne dass es hierfür einer expliziten Vereinbarung der Parteien bedürfe. Dogmatisch untermauert er diese Sichtweise folgender­ maßen: Entweder, so schreibt er, „[…] würde man eine echte materiell-rechtli­ che Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung annehmen oder man würde auf den Bruch prozessualer Vereinbarungen die Regeln des BGB über Vertrags­ bruch entsprechend anwenden, so wie man generell BGB-Regeln heranzieht, soweit das Prozessrechts über nichts Eigenständiges zu Prozessvereinbarungen verfügt.“147 Schlossers Ansicht nach muss die Rechtsfolge der Verpflichtungs­ wirkung nämlich, anders als etwa von Wagner gefordert, nicht dem Parteiwillen entsprechen. Verpflichtungswirkung bestehe immer schon dann, wenn sie dem übereinstimmenden Parteiwillen nicht widerspreche. Dies jedoch könne man keinesfalls annehmen, schließlich habe die an der Vereinbarung interessierte Partei ein legitimes Interesse daran, nicht deshalb einen Schaden zu erleiden, weil die andere Partei sich nicht an die Abmachung hält.148 Die Ansicht, es müsse eine Unterscheidung zwischen innerdeutschen Ge­ richtsstandsvereinbarungen, denen mangels praktischen Bedürfnisses wegen der Vorschrift des §  281 ZPO eine Verpflichtungswirkung zu versagen sei, und internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen vorgenommen werden, teilt au­ ßerdem auch Peiffer. Weil es keine vergleichbare internationale Vorschrift gebe, wonach ein derogiertes Gericht den Rechtsstreit an das zuständige Gericht eines anderen Staates zu verweisen habe, sei Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach deutschem Recht ein verpflichtender Charakter beizumes­ sen.149 Die Möglichkeit verpflichtender Wirkungen von Gerichtsstandsverein­ barungen leitet sie, wie bereits Köster, aus einem Vergleich zu anderen Prozess­ verträgen, deren Verpflichtungswirkung anerkannt ist, ab. Ebenso betont sie, dass bei Schiedsbareden die Verpflichtung, von ihnen erfasste Forderungen vor kein staatliches Gericht zu bringen, in Deutschland anerkannt sei.150 Vor allem aber argumentiert auch Peiffer primär mit dem Bedürfnis nach Schadensersatz­ ansprüchen und dem Willen der Parteien: Das ausschlaggebende Motiv für den Abschluss der internationalen Gerichtsstandsvereinbarung bestehe im sog. forum planning, also dem Bestreben, für den Fall eines Streits den Gerichtsort sicher vorhersagen und das Prozessrisiko besser abschätzen zu können. Diesem Interesse könne nur über die Annahme von verpflichtenden Wirkungen von Ge­ richtsstandsvereinbarungen und den sich daraus ergebenden von einem Ver­

Vgl. Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 118. Zum Ganzen Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 118 f., 123. 149  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  332 f. 150  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  333 f. m. w. N. 147 

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tragsbruch abschreckenden Schadensersatzansprüchen ausreichend Rechnung getragen werden.151 XI.  Auseinandersetzung mit dem Meinungsspektrum und Erarbeitung einer eigenen Ansicht 1.  Das Bedürfnis nach verpflichtenden Wirkungen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen Im Folgenden soll versucht werden, im Wege einer kritischen Auseinanderset­ zung mit den geschilderten Ansichten aus dem deutschen Schrifttum eine eige­ ne Antwort auf die Frage, ob internationale Gerichtsstandsvereinbarungen ver­ pflichtende Wirkung entfalten und ihre Missachtung daher eine Pflichtverlet­ zung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB darstellt, zu finden. Das erste Argument gegen Verpflichtungswirkungen internationaler Ge­ richtsstandsvereinbarungen lässt sich dabei leicht ausräumen. Es wird immer wieder behauptet, die redliche Partei sei hinreichend über die Möglichkeit, die Unzuständigkeit des ausländischen Gerichts zu rügen, sowie über §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO geschützt, sodass gar kein Bedürfnis nach Verpflichtungswirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen bestehe.152 Dagegen wurde bereits mehr­ fach angeführt, dass dieser Schutz aus verschiedenen Gründen häufig nicht ausreichend ist:153 Erstens führt die Rüge der Zuständigkeit in manchen Staa­ ten nicht sicher dazu, dass das derogierte Gericht seine Zuständigkeit ablehnen und das Verfahren aussetzen oder beenden wird. Zweitens können der nicht vertragsbrüchigen Partei, selbst wenn das derogierte Gericht der Vereinbarung Folge leistet, bereits hohe Kosten durch die Verteidigung im forum derogatum entstanden sein. Und drittens hilft ihr die fehlende Anerkennungsfähigkeit im Inland nicht weiter, wenn sie im Ursprungsstaat des Urteils oder in einem an­ deren Staat, in dem die Entscheidung anerkennungsfähig ist, über vollstreckba­ res Vermögen verfügt. Der nicht vertragsbrüchigen Partei können aus der Ver­ Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  336 f. Mit dem abschre­ ckenden Effekt der Schadensersatzmöglichkeit argumentieren z. B. auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  86 sowie Eichel, AGB-Gerichtsstandsverein­ barungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  224, der allerdings Scha­ densersatz, wie dargestellt, nur bei ausdrücklicher Vereinbarung anerkennt. 152  Vgl. de Lousanoff, ZZP 105 (1992), 111, 118; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und im internationalen Zivilprozeßrecht (1967), S.  23; Pfeiffer, Internati­ onale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  770; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 56. 153  Vgl. insb. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  334; O. Sand­ rock, RIW 2004, 809, 815; Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 114 ff. 151 

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letzung der Gerichtsstandsvereinbarung also trotz der Möglichkeit der Zustän­ digkeitsrüge und der Anerkennungsversagung nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO Schäden entstehen. Die Verpflichtungswirkung internationaler Gerichtsstands­ vereinbarungen bereits mit dem mangelnden Bedürfnis nach Schadensersatz­ ansprüchen zu verneinen, überzeugt daher nicht. 2.  Dogmatische Argumente gegen die Übertragung des Abstraktionsprinzips und für das Bestehen prozessualer Verpflichtungswirkungen a)  Ausgangspunkt: Das Zirkelschlussargument Schiedermairs Dogmatischer Ausgangspunkt für die Annahme, Gerichtsstandsvereinbarun­ gen könnten keine verpflichtenden Wirkungen entfalten, ist, wie dargestellt, die in der Tradition des deutschen Trennungsdenkens entstandene Lehre Schiedermairs von den echten Prozessverträgen. Danach wirkt die Gerichtsstandsver­ einbarung zuständigkeitsändernd, es wird also über bestehende prozessuale Befugnisse verfügt, weshalb für eine Verpflichtungswirkung kein Raum sei. Dass Schiedermairs Logik dabei eines gewissen Zirkelschlusses nicht entbehrt, wurde bereits kritisiert:154 Die Argumentationskette, echte Prozessverträge als solche Verträge, die ausschließlich prozessuale Wirkungen entfalten, zu definie­ ren, dann Gerichtsstandsvereinbarungen als echte Prozessverträge einzuordnen und zur Begründung anzuführen, dass es sich bei ihnen andernfalls, also sollten sie materielle Wirkungen entfalten, schließlich nicht um echte Prozessverträge handeln könne, dreht sich im Kreis. Aber auch darüber hinaus ist die von Schiedermair begründete Einordnung von Prozessverträgen als Verfügungsverträ­ gen und von materiellrechtlichen Verträgen als Verpflichtungsverträgen nicht überzeugend. Die Wertungen des materiellen deutschen Zivilrechts mit seinem Trennungs- und Abstraktionsprinzip können nicht so einfach auf die Unter­ scheidung zwischen materiellrechtlichem und prozessualem Vertrag übertragen werden: b)  Das Abstraktionsprinzip als deutsche Eigenheit Der Übertragung des Abstraktionsprinzips und der Begriffe der Verpflichtung und Verfügung auf das Verhältnis zwischen materiellem und prozessualem Recht sollte schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich dabei um deutsche Eigenheiten handelt, welche den meisten anderen Rechtsordnungen fremd sind. Weil aber internationale Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Ge­ richte in der Zukunft niemals §  38 ZPO, sondern stets Art.  25 EuGVVO n. F. bzw. in manchen Fällen dem HGÜ unterliegen werden, sollte man bei der Über­ 154 

Vgl. schon oben Teil III §  12 B. V. 3.

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tragung solcher dogmatischer Überlegungen, die sich allein aus dem deutschen Recht heraus erklären lassen, zurückhaltend sein. Auch wenn eine Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich deutschem Recht unterliegt, kann das Prorogations­ statut doch nur die materiellrechtlichen Aspekte der Vereinbarung beherrschen. Zwar bestimmt nach Art.  12 Abs.  1 Rom I-VO (analog) das auf den Vertrag an­ zuwendende Recht, also das Prorogationsstatut, u. a. auch über die Auslegung des Vertrags (lit.  a)), die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Ver­ pflichtungen (lit.  b)) sowie die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichter­ füllung dieser Verpflichtungen einschließlich der Schadensbemessung (lit.  c)). Das Vertragsstatut entscheidet also umfassend über alle vertragsrechtlichen Fragestellungen, die keiner Sonderanknüpfung unterliegen, wie sich auch aus der Formulierung, das Vertragsstatut sei „insbesondere maßgebend“ für die in Art.  12 Abs.  1 Rom I-VO aufgezählten Fragen, ergibt.155 Allerdings kann das Prorogationsstatut eben nur solche Fragen erfassen, die auch schuldrechtlicher Natur sind. Die Vorfrage, ob ein Vorgang überhaupt schuldrechtliche oder nur rein prozessuale Wirkungen entfaltet, kann dagegen nicht bereits nach den Wer­ tungen des Schuldvertragsstatuts allein beantwortet werden. In diese Frage spielen zu viele Erwägungen des Prozessrechts ein. Prozessuale Erwägungen wiederum werden zwar grundsätzlich allein von der lex fori beherrscht156, man gelänge also wieder zur Geltung deutschen Rechts. Bei internationalen Ge­ richtsstandsvereinbarungen unter dem Regime der EuGVVO sollen aber die prozessualen Aspekte, wie dargestellt worden ist, autonom-einheitlich der EuG­ VVO unter nicht dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht unterliegen, damit für die Parteien klar vorhersehbar ist, welche mitgliedstaatlichen Gerichte für die Entscheidung eines Streits zuständig sind.157 Zwar handelt es sich bei der Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung Verpflichtungswirkung entfaltet, freilich nicht um eine Frage der prozessualen Zulässigkeit und Wirksamkeit der Vereinbarung, die zwingend in jedem Mitgliedstaat gleich beantwortet werden muss, um eine eindeutige Bestimmung der Zuständigkeitsfrage zu gewährleis­ ten. Sie befindet sich, wie Gerichtsstandsvereinbarungen selbst, wohl gerade an der komplexen Schnittstelle zwischen materiellem und Prozessrecht, nimmt Freitag, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR (Bearb. 2011), Art.  12 Rom I-VO Rn.  6. Zum lex fori-Grundsatz vergleiche bereits oben Teil I §  3 C. II. 2. 157  Vgl. bereits oben Teil I §  4 B. II. sowie EuGH, 22.03.1983, Rs. C-34/82 (Martin Peters Bauunternehmung GmbH/Zuid Nederlandse Aannemers Vereinigung), Slg. 1983, 987, Rn.  17; EuGH, 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd/Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2913, Rn.  20; EuGH, 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa/Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rn.  27; EuGH, 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA/Hugo Trumpy SpA), Slg. 1999, I-1597, Rn.  48. 155 

156 

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also eine Art Zwitterstellung ein. Einerseits ist eine einheitliche Antwort auf die Frage nicht unbedingt erforderlich, um die Zuständigkeitsfrage in den Mitglied­ staaten einheitlich zu beantworten. Andererseits wäre es aber doch wünschens­ wert, wenn die mitgliedstaatlichen Gerichte die Frage, ob Gerichtsstandsverein­ barungen nach Art.  25 EuGVVO n. F. Verträge darstellen, deren Verletzung schuldrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen kann, einheitlich oder zu­ mindest nicht allein getragen von Erwägungen des jeweiligen nationalen Rechts beantworten würden. Auch wenn deutsches Recht auf den vertraglichen Scha­ densersatzanspruch anzuwenden ist, sollte man also nicht allzu stark an den Eigenheiten des deutschen Rechts, wie dem Abstraktionsprinzip und den Be­ griffen der Verpflichtung und Verfügung, haften. c)  Die fehlende Übertragbarkeit des Verfügungsbegriffs auf die prozessuale Ebene Doch auch im deutschen Recht ist der Übertragung des Abstraktionsprinzips auf die Unterscheidung zwischen Verträgen des materiellen und des prozessua­ len Rechts nicht zu folgen. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist aus mehreren Gründen nicht mit einem Verfügungsvertrag gleichzusetzen. Einer Gerichtsstandsvereinbarung fehlt es bereits an der unmittelbaren Ein­ wirkung auf bestehende Rechte, die eine Verfügung im materiellrechtlichen Sinn ausmacht. Der Vergleich, den die Anhänger der Verfügungstheorie dabei im Kopf haben, leuchtet auf den ersten Blick ein: Derjenige, der eine Sache übereignet oder belastet, wirkt unmittelbar auf das bestehende Eigentumsrecht ein, nimmt also eine Verfügung vor. Ebenso wirken Parteien, die eine gesetzli­ che Zuständigkeit durch Abschluss einer ausschließlichen Gerichtsstandsver­ einbarung beseitigen, unmittelbar auf die ihnen vom Gesetz eröffnete Möglich­ keit ein, vor diesem Gericht zu klagen. In beiden Fällen werden bestehende Rechte oder Befugnisse geändert. Allerdings ist die Befugnis, entsprechend der von einer Rechtsnorm eröffneten Möglichkeit zu handeln (also beispielsweise am allgemeinen Gerichtsstand der anderen Partei klagen zu dürfen), nicht mit einem bestehenden Sachenrecht, wie dem Eigentum, vergleichbar. Bloße Hand­ lungsmöglichkeiten, die sich allein aus Rechtsnormen ergeben, können nicht Rechten an Sachen oder Forderungen gleichgesetzt werden. Das veranschau­ licht ein einfacher Vergleich: Haben sich die Parteien eines Kaufvertrags auf eine Haftungserleichterung geeinigt, wirken sie auch auf gesetzliche Befugnis­ se ein. Der Käufer verliert u. U. sein Recht, Schadensersatz bereits bei leichter Fahrlässigkeit verlangen zu können. Er verliert also eine Befugnis, die ihm das Gesetz, welches in §  276 Abs.  1 BGB grundsätzlich jede Fahrlässigkeitsstufe für das Vertretenmüssen ausreichen lässt, verleiht. Die Vereinbarung wirkt auch

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sofort und unmittelbar. In diesem Fall würde jedoch niemand auf die Idee kom­ men, von einer Verfügung zu sprechen. Die Gemeinsamkeit zwischen dem ge­ setzlichen Haftungsrecht auf der einen und dem Zuständigkeitsrecht auf der anderen Seite ist einfach festzustellen: Es handelt sich jeweils um grundsätzlich dispositives Rechts, von dem die Parteien also abweichen können. Würde man aber Schiedermairs Ansatz streng befolgen, würde jede Vereinbarung, mit wel­ cher die Parteien von dispositivem Recht abweichen, ein direktes Einwirken auf bestehende Rechte und Befugnisse und damit eine Verfügung darstellen. Inso­ fern kann Wagner beigepflichtet werden, der ebenfalls auf den Umstand ver­ weist, dass es sich beim Zuständigkeitsrecht großenteils um dispositives Prozes­ srecht handelt. Im Wege einer vertraglichen Abweichung von dispositivem Recht wird auch ihm zufolge eben gerade nicht über ein Recht an einem Gegen­ stand verfügt, sondern es werden allein die für die Parteien maßgeblichen Ver­ fahrensregeln „pro futuro modifiziert“.158 Eine Vereinbarung, mit der sich die Parteien über dispositives Gesetzesrecht hinwegsetzen, ist also schon deshalb keine Verfügung, weil die Parteien nicht auf bestehende Rechte einwirken. Gegen die Übertagung der aus dem materiellen Recht bekannten Kategorien spricht aber auch das im materiellen Recht bestehende Stufenverhältnis zwi­ schen kausalem Verpflichtungsvertrag mit relativer und erfüllendem Verfü­ gungsvertrag mit absoluter Wirkung. Schiedermair und seine Nachfolger gehen davon aus, dass die schuldrechtliche, verpflichtende Wirkung schwächer sei als die prozessuale, verfügende. Deshalb erkennen sie bei Verfügungsverträgen keine zusätzliche verpflichtende Wirkung an, weil wegen der Verfügungswir­ kung ja bereits unmittelbar auf die Rechtslage eingewirkt werde und eine zu­ sätzliche Verpflichtung der Parteien nicht erforderlich sei. In den Kategorien des materiellen Zivilrechts gedacht ist das richtig. Der schuldrechtliche Vertrag bin­ det die Parteien nur relativ im Verhältnis zueinander und dient dazu, ihnen ver­ bindlich die Erfüllung der sich aus ihm ergebenden Pflichten aufzuerlegen. Er ist die Grundlage für die Verfügung, mit welcher die Pflichten aus dem Kausal­ geschäft erfüllt werden. Ist erst einmal verfügt worden, also z. B. zur Erfüllung des Kaufvertrags die versprochene Sache übereignet worden, erlöschen die Pflichten aus dem Kausalgeschäft grundsätzlich durch Erfüllung nach §  362 Abs.  1 BGB. Im materiellen Recht bedarf es im Zeitpunkt der Verfügung also keiner weiteren Verpflichtungswirkung mehr, weil die Partei, die durch das dingliche Geschäft eine Erweiterung ihrer Rechtsmacht erlangt hat, diese Be­ fugnis absolut, also gegenüber jedermann, innehat. Bildlich können wir uns zwei Parteien eines Kaufvertrags vorstellen, die Geld und Sachleistung ausge­ tauscht haben. Der Käufer hat dem Verkäufer den Kaufpreis bezahlt, umgekehrt 158 

G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  224. Vgl. dazu bereits oben §  11 B. IX. 1.

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hat der Verkäufer ihm die Sache übereignet. Beide Parteien haben durch die vorgenommenen Verfügungsgeschäfte Eigentum als absolutes Recht erlangt. Die wechselseitigen Ansprüche sind erloschen, es können höchstens noch nach­ vertragliche Pflichten oder Sekundäransprüche aus etwaigen Leistungsstörun­ gen bestehen, z. B. wenn die Kaufsache mangelhaft ist. Das Eigentum an Geld und Kaufsache können die Parteien einander nicht mehr nehmen. Die Verfü­ gung hat hier also einen erfüllenden Charakter in dem Sinne, dass die Parteien theoretisch nie mehr miteinander in Berührung kommen müssen. Das Geschäft, die Veräußerung, ist abgehandelt. Mit dem Verfügungsgeschäft ist eine Ände­ rung des Rechtszustands eingetreten, die für jedermann gilt. Die Verpflichtung war also von Anfang an auf die Verfügung ausgerichtet, Verpflichtung und Ver­ fügung stehen in einem Stufenverhältnis. Im materiellen Recht gelten also grundsätzlich159 folgende Gleichungen: Verpflichtungsgeschäft = schuldrechtlich = schwache, relative Wirkung Verfügungsgeschäft = sachenrechtlich = starke, absolute Wirkung In diesen Gleichungen tauscht Schiedermair jeweils eine Kategorie aus, um sie auf das Verhältnis zwischen materiellem und prozessualem Vertrag anzuwen­ den: Verpflichtungsgeschäft = materiellrechtlich = schwache, relative Wirkung Verfügungsgeschäft = prozessual = starke, absolute Wirkung Dabei stellt sich die Situation bei Gerichtsstandsvereinbarungen jedoch ganz anders dar: In dem Zeitpunkt, in dem die Parteien die Gerichtsstandsvereinba­ rung schließen, stehen sie nicht einmal nur am Anfang, sondern sogar noch zeitlich vor Eintritt in ein potentielles prozessuales Verhältnis zueinander. Bei­ den Parteien steht es in tatsächlicher Hinsicht weiterhin frei, jederzeit vor ein abgewähltes Gericht zu ziehen. Würde man der Gerichtsstandsvereinbarung eine verpflichtende Wirkung versagen, würde den Parteien der Weg zum dero­ gierten Forum auch in rechtlicher Hinsicht freistehen. Dann würde die Verein­ barung praktisch leerlaufen. Nur die Annahme von echten Unterlassungspflich­ ten, nicht in einem anderen als dem bezeichneten Gericht oder den bezeichneten Gerichten zu klagen, gibt der Vereinbarung überhaupt erst einen rechtlichen Gehalt. Die Gerichtsstandsvereinbarung verleiht den Parteien, anders als das 159  Die Gleichungen gelten bis auf wenige Ausnahmen, etwa die abstrakten Verpflich­ tungsgeschäfte des Schuldversprechens und des Schuldanerkenntnisses in den §§  780, 781 BGB auf der einen und die Abtretung nach §  398 BGB als im Schuldrecht geregeltem Verfü­ gungsgeschäft auf der anderen Seite.

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dingliche Verfügungsgeschäft, nicht schon im Zeitpunkt ihrer Vornahme abso­ lute, gegenüber jedermann wirkende Rechte. Auch wenn die Parteien bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung vom dispositiven Zuständigkeitsrecht abweichen, aktualisieren sich die Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung erst in dem Zeitpunkt, in dem tatsächlich eine der Parteien eine Klage vor dem gewählten oder einem anderen Gericht erhebt. Nachdem sie die Gerichtsstandsvereinba­ rung verabredet haben, kann die Vereinbarung noch jederzeit verletzt werden. Eine einmal vorgenommene Verfügung i. S. d. materiellen Rechts kann man aber nicht mehr verletzen. Die verfügende Partei kann die Wirksamkeit des Ver­ fügungsgeschäfts bestreiten, der Verkäufer und ursprüngliche Eigentümer kann beispielsweise behaupten, die Kaufsache gar nicht übereignet zu haben und selbst noch Eigentümer zu sein. Damit verletzt er aber nicht die bereits durchge­ führte, absolut wirkende Verfügung. Dem Käufer und neuen Eigentümer dro­ hen aus einem solchen Verhalten der anderen Partei auch keine unmittelbaren Gefahren. Sein Eigentum wirkt absolut, ohne dass es dafür einer gerichtlichen Feststellung bedarf. Der Unterschied zwischen Verfügungsverträgen im materiellen Recht und Prozessverträgen, wie der Gerichtsstandsvereinbarung, zeigt sich auch an der Situation, in welcher dem Gericht ein Fehler unterläuft: Verkennt das Gericht in seiner Entscheidung, dass der Käufer bereits Eigentum erlangt hat, und bejaht es daher beispielsweise einen Herausgabeanspruch des Verkäufers nach §  985 BGB (etwa weil es auch den Kaufvertrag für hinfällig hält und daher die dolo agit-Einrede des Käufers aus §  242 BGB verneint), ändert diese falsche Ent­ scheidung nichts an der materiellen Rechtslage. Das Leistungsurteil hat keine gestaltende Wirkung. Der Käufer ist und bleibt trotzdem Eigentümer der Sache. Das ist bei Gerichtsstandsvereinbarungen anders. Prüft das Gericht die Ge­ richtsstandsvereinbarung und hält sie für unwirksam, kann und wird es sich nach den gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften für zuständig erklären. Auch diese Entscheidung ändert zwar, wenn sie rechtsfehlerhaft ergangen ist, nichts an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Der Beklagte kann sich aber nicht mehr gegen die einmal erfolgte Verletzung der Gerichtsstandsverein­ barung wehren. Zwar ist das Gericht auch an die Gerichtsstandsvereinbarung unmittelbar gebunden. Aus der unmittelbaren Bindungswirkung folgt aber nicht bereits der Verfügungscharakter. Auch an einen Kaufvertrag ist das Gericht, wie Wagner feststellt, unmittelbar gebunden.160 Die unmittelbare Bindung der Gerichtsstandsvereinbarung ändert gerade nichts daran, dass der Beklagte den­ noch schutzlos ist, wenn auch das Gericht die Vereinbarung missachtet. Nur

160 

G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  224.

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durch die Anerkennung von Unterlassungspflichten im Verhältnis zwischen den Parteien kann also ein Schutz des redlichen Vertragspartners erreicht werden. Das ausschlaggebende Argument muss daher sein, dass die Übertragung des Abstraktionsprinzips und die Qualifikation von Gerichtsstandsvereinbarungen als Verfügungsverträgen ohne Verpflichtungswirkung das Stufenverhältnis zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsvertrag gerade umkehren würden. Im materiellen Recht ist das Verpflichtungsgeschäft das „notwendige Zwischen­ ziel“ zum „Endziel“, der Verfügung. Das Verpflichtungsgeschäft gibt den Par­ teien einklagbare Ansprüche, ist aber bloß ein relativ wirkendes Versprechen. Erst die Verfügung führt zum gewünschten Ergebnis und entfaltet absolute und damit stärkere Wirkungen. Neben dieser starken Verfügungswirkung besteht kein Bedürfnis mehr nach einer Verpflichtungswirkung. Im Falle einer Ge­ richtsstandsvereinbarung führt die Annahme ausschließlich verfügender Wir­ kungen aber gerade zum umgekehrten Ergebnis, dass die Parteien schutzlos gestellt wären. Die Qualifikation der Gerichtsstandsvereinbarung als reinen Verfügungsvertrag hätte gerade zur Folge, dass die Parteien die Vereinbarung ohne große Konsequenzen missachten könnten. Ein solches Ergebnis würde auch der Logik Schiedermairs selbst widersprechen, der zusätzliche verpflicht­ ende Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen schließlich nur deshalb verneinte, weil er bei nationalen Gerichtsstandsvereinbarungen keinerlei Be­ dürfnis dafür sah. Ebenso würde sie der traditionellen Herangehensweise wi­ dersprechen, wonach einem unzulässigen Prozessvertrag, der nicht die stärkere Verfügungswirkung entfalten konnte, hilfsweise materiellrechtliche Wirkun­ gen beigemessen wurden.161 Es wäre widersinnig, wegen der Verletzung eines unzulässigen Prozessvertrags Schadensersatz verlangen zu können, wegen der Verletzung eines zulässigen Prozessvertrags aber nicht, und das mit der Be­ gründung, der zulässige Prozessvertrag entfalte die stärkere Verfügungswir­ kung, neben der es keiner Verpflichtungswirkung bedürfe. Das traditionelle Verständnis, wonach ein unzulässiger Prozessvertrag in einen materiellrechtli­ chen Vertrag umgedeutet wird, sodass „allenfalls“ Schadensersatzansprüche entstehen können, verkennt, dass Schadensersatzansprüche in ihren tatsächli­ chen und praktischen Wirkungen für die Parteien stärker sein können als eine schwer fassbare prozessuale Verfügungswirkung. Führt nur die Annahme von Verpflichtungswirkungen zur Möglichkeit, vertraglichen Schadensersatz ver­ langen zu können, ist in diesem Fall die Verpflichtung in ihren Wirkungen stär­ Vgl. Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  96, 179 ff. Vgl. Niese, Prozeßhandlungen und Verträge über Prozeßhandlungen (1935), S.  82 ff.; ders., Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen (1950), S.  150 ff.; Nikisch, Zivilprozessrecht, 2.  Aufl. 1952, §  55 II 2; ähnlich schon Oertmann, ZZP 45 (1915), 389, 426 f. Vgl. dazu bereits oben Teil III §  12 B. V. 2. 161 

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ker und der von ihr bewirkte Schutz geht über den eines Verfügungsvertrags hinaus. Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen müssen daher verpflicht­ ende Wirkungen entfalten. Es könnte daher mit Hellwig davon gesprochen werden, dass Gerichtsstands­ vereinbarungen Verpflichtungswirkungen entfalten, die auf der Verfügung auf­ bauen und sich an ihr ausrichten.162 Prinzipiell spricht nichts dagegen, den Be­ griff der Verfügung im metaphorischen Sinne zu verwenden, also als Ausdruck für den unmittelbar auf die gesetzliche Zuständigkeitsordnung einwirkenden Charakter von Gerichtsstandsvereinbarungen.163 Noch besser erscheint es aber, den Begriff der Verfügung gänzlich aus dem Prozessrecht zu verbannen164, weil er bloß das alte Dogma vom strikten Trennungsdenken zwischen materiellen und prozessualen Verträgen am Leben hält und seine Verwendung Verwirrung stiftet. Das Abstraktionsprinzip und die Einordnung von Verträgen als Ver­ pflichtungs- oder Verfügungsgeschäfte sind dem materiellen Zivilrecht imma­ nente Kategorien, denen aber im Prozessrecht kein Platz gebührt. d)  Ein vertragliches Verbot entfaltet zwingend auch echte Unterlassungspflichten Die Gerichtsstandsvereinbarung ist aus deutscher Sicht ganz einfach ein Pro­ zessvertrag, mit dem die Parteien von dispositivem Prozessrecht abweichen. Den Gerichten gegenüber entfaltet sie eine unmittelbare Bindung, indem im Falle der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Vereinbarung weder das prorogierte Gericht seine Zuständigkeit aus Ermessenserwägungen abweisen, noch ein de­ rogiertes Gericht seine aus dem Gesetz folgende Zuständigkeit bejahen darf. Im relativen Verhältnis zwischen den Parteien entfaltet sie hingegen Verpflich­ tungswirkung. Der Prorogationseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung begrün­ det dabei keine verpflichtende Wirkung, weil er beiden Parteien lediglich ein Recht gibt, indem er ihnen die Möglichkeit eröffnet, vor dem gewählten Gericht oder den gewählten Gerichten Klage zu erheben. Mit dem Derogationseffekt soll hingegen eine gesetzliche Handlungsmöglichkeit der Parteien, nämlich vor jedem anderen als dem bezeichneten Gericht oder den bezeichneten Gerichten Klage zu erheben, entfallen. Insofern enthält die Gerichtsstandsvereinbarung also ein Verbot. Ein vertraglich vereinbartes Verbot muss aber zwingend auch bindende Unterlassungspflichten zwischen den Parteien entfalten, weil es an­ dernfalls leerlaufen würde. Der Derogationseffekt der Gerichtsstandsvereinba­ H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  92. In dieser Richtung bereits G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  221 ff., siehe oben Teil III §  12 B. IX. 1. 164  Wohl ebenso G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  232. 162 

163 

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rung entfaltet daher zwingend auch echte Unterlassungspflichten zwischen den Parteien. Schematisch kann dies folgendermaßen dargestellt werden: Prorogationseffekt = begründet die Zuständigkeit des gewählten Gerichts oder der gewählten Gerichte und erweitert das rechtliche Dürfen der Parteien ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung Derogationseffekt = beseitigt die Zuständigkeit aller nicht gewählten Gerichte und beschränkt als Verbot das rechtliche Dürfen der Parteien durch echte Unterlassungspflichten

Dieser Ansatz lässt sich meines Erachtens auf alle Prozessverträge übertragen, ist in seiner Anwendung einfach zu handhaben und führt zu einleuchtenden Ergebnissen. Soweit ein Prozessvertrag das rechtliche Dürfen der Parteien le­ diglich erweitert, entfaltet er auch keine verpflichtende Wirkung. Insoweit die Parteien aber ein vertragliches Verbot eingehen, also einander versprechen, die Ausübung solcher prozessualer Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten, die ihnen das dispositive Gesetz eröffnet, zu unterlassen, muss der Prozessvertrag auch verpflichtende Wirkung entfalten. Und wenn die Parteien in einem Pro­ zessvertrag die Vornahme einer bestimmten Handlung vereinbaren, kann der Vertrag auch positive Handlungspflichten begründen. Bei jedem Prozessvertrag können also drei einfache Fragen gestellt werden: Erstens kann danach gefragt werden, ob der Prozessvertrag den Parteien eine zusätzliche Rechtsmacht eröffnet. Lautet die Antwort ja, entfaltet er – insoweit er die Rechtsmacht eröffnet – keine Verpflichtungswirkung, sondern erweitert nur das rechtliche Dürfen der Parteien. Zweitens kann danach gefragt werden, ob die Parteien auf die Ausübung eines prozessualen Rechts verzichten, ob ih­ nen der Vertrag also die Vornahme einer bestimmten prozessualen Handlung verbietet. Kann diese Frage bejaht werden, entfaltet der Vertrag zwingend auch echte Unterlassungspflichten, also „negative“ Pflichten. Drittens kann danach gefragt werden, ob nach dem Vertrag eine der Parteien oder beide Parteien eine Handlung vornehmen soll(en). Ist diese Frage zu bejahen, entfaltet der Vertrag echte Handlungspflichten, also „positive“ Pflichten. Dabei sind dies jedoch keine Kategorien, denen die verschiedenen Prozess­ verträge alternativ zuzuordnen sind, sondern es handelt es sich um die drei möglichen Wirkungen eines Prozessvertrags, die kumulativ nebeneinander ste­ hen können. Prozessverträge können also nur eine dieser Wirkungen, aber auch

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zwei oder alle drei Wirkungen gleichzeitig entfalten. Ein Prozessvertrag, der lediglich das rechtliche Dürfen der Parteien erweitert und keinerlei verpflichten­ de Wirkung entfaltet, ist beispielsweise die nicht ausschließliche Gerichts­ standsvereinbarung oder optionale Schiedsvereinbarung. Vertragliche Scha­ densersatzansprüche wegen einer Klage vor einem nicht benannten Gericht scheiden von vornherein aus. Eine solche Vereinbarung hat keinen Deroga­ tions-, sondern nur einen Prorogationseffekt. Ist die Gerichtsstandsvereinba­ rung dagegen ausschließlicher Natur, geht mit ihrem Derogationseffekt auch die Verpflichtung der Parteien einher, Klagen vor nicht gewählten Gerichten zu unterlassen. Solche Vereinbarungen entfalten also Wirkungen der ersten sowie der zweiten Gruppe. Ist die Ausschließlichkeit nur einseitig bindend, darf also nur eine der Parteien ausschließlich vor dem benannten und keinem anderen Gericht klagen, entfaltet die Vereinbarung wiederum nur dieser Partei gegen­ über ihren Derogationseffekt, also eine echte Unterlassungspflicht. Sie begrün­ det also für beide Parteien die Wirkungen der ersten Gruppe und für die Partei, die an die Ausschließlichkeit gebunden ist, außerdem Wirkungen der zweiten Gruppe. Beispiele für Verträge, die allein Wirkungen der zweiten Gruppe ent­ falten, sind der Klageverzichts- sowie Rechtsmittelverzichtsvertrag. Die Partei­ en vereinbaren hier, keine Klage zu erheben bzw. kein Rechtsmittel einzulegen, es handelt sich also um Verträge, die weder das rechtliche Dürfen der Parteien erweitern noch Handlungspflichten begründen, sondern ausschließlich Unter­ lassungspflichten entfalten. Der Klagerücknahmevertrag ist dagegen ein Ver­ trag, der einer Partei gegenüber Wirkungen der dritten Gruppe entfaltet, indem er sie zu einem positiven Tun, nämlich der Klagerücknahme, verpflichtet. Legt man den Klagerücknahmevertrag so aus, dass er auch das Versprechen beinhal­ tet, keine erneute Klage in derselben Sache zu erheben, entfaltet er außerdem Wirkungen der zweiten Gruppe, also Unterlassungspflichten. Bei der nicht op­ tionalen, also „ausschließlichen“ Schiedsvereinbarung wiederum handelt es sich um einen Prozessvertrag, der Wirkungen aller drei Gruppen entfaltet: In­ dem er den Parteien erlaubt, vor das gewählte Schiedsgericht zu ziehen, erwei­ tert er zunächst ihr rechtliches Dürfen. Weil die Parteien einander aber auch versprechen, nicht vor einem staatlichen Gericht zu klagen, der Vertrag also auch ein Verbot enthält, entfaltet er Unterlassungspflichten. Und soweit man Mitwirkungspflichten der Parteien annimmt165 – etwa die Pflicht, bei der Bestel­ 165 

Nach der Rechtsprechung des BGH sind die Parteien nach dem Schiedsvertrag gehal­ ten, das Zustandekommen des Schiedsspruchs zu fördern und alles zu unterlassen, was die­ ses Ziel vereiteln könnte, vgl. BGH, 30.01.1957, NJW 1957, 589; BGH, 22.12.1960, BB 1961, 264; BGH, 22.11.1962, NJW 1963, 243. Vgl. die Darstellung der in Deutschland angenomme­ nen möglichen Mitwirkungspflichten, die in der Schiedsvereinbarung wurzeln, bei Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte (2009),

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lung des Tribunals mitzuwirken, oder die Pflicht, den Kostenvorschuss zu be­ zahlen – begründet die Schiedsvereinbarung außerdem Handlungspflichten. Wann immer ein Prozessvertrag Wirkungen der zweiten oder dritten Gruppe entfaltet, also wenn er (zumindest auch) negative Unterlassungspflichten und bzw. oder positive Handlungspflichten begründet, liegt in der Missachtung des vereinbarten Handlung- oder Unterlassungsgebots eine Pflichtverletzung. Das bedeutet gewiss nicht, dass die Beachtung der Pflicht stets im Wege eines Pri­ märprozesses einklagbar ist oder dass für ihre Verletzung in allen Fällen ver­ traglicher Schadensersatz aus §  280 Abs.  1 BGB verlangt werden kann. In den meisten Fällen wird eine solche Durchsetzung der Primärpflicht an der Klagbar­ keit oder dem Rechtsschutzbedürfnis scheitern. Für eine auf Schadensersatz ge­ richtete Klage wird ebenfalls häufig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen oder der Anspruch wird mangels Rechtswidrigkeit, Verschuldens oder eines ersetzbaren Schadens ausscheiden. Doch die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldver­ hältnis i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB ist in all diesen Fällen gegeben. Prozessverträge, die Handlungsgebote oder -verbote beinhalten, entfalten also Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten, deren Verletzung eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB bedeutet. Zur Veranschaulichung dient folgende Darstellung: soweit er das rechtliche Dürfen der Parteien erweitert: keine Verpflich­ tungswirkung mögliche Wirkungen eines Prozess­ vertrags

soweit er das rechtliche Dürfen beschränkt, also ein Verbot enthält: echte Unterlassungspflichten soweit er ein rechtliches Müssen vorschreibt, also die Vornahme einer Handlung gebietet: echte Handlungspflichten

          

durch Prozessvertrag begründete Pflichten, deren Verletzung eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB darstellt

S.  279 ff., der herausarbeitet, dass die Vornahme der einzelnen Mitwirkungspflichten freilich nicht generell selbstständig einklagbar ist, sondern, wenn überhaupt, nur einzelne wenige Pflichten gerichtlich einklagbar sind. Vgl. außerdem zu den positiven Parteiplichten aus Schiedsvereinbarungen Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  35 f.; Manner/ Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1199 Fn.  13 sowie 1201 Fn.  23 (mit um­ fassenden Nachweisen); Schäfer, Die Verträge zur Durchführung des Schiedsverfahrens. Teil 1 (2010), S.  83 ff.; Schütze, Schiedsvertrag und Schiedsverfahren, 5.  Aufl. 2012, Rn.  242; Stürmer, Die Vereinbarung von Verfahren privater Streitbeilegung (2008), S.  9 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  580. Kritisch aber Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 335, demzufolge die Pflichten, die aus einer Schiedsabrede folgen, allesamt nur inner­ prozessualer Natur seien. Sie seien dagegen generell nicht wie das right not to be sued abroad dazu geeignet, über den Prozess hinauszureichen.

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e)  Prozessverträge entfalten eigene prozessuale Verpflichtungswirkungen Ob es sich bei den Unterlassungs- bzw. Handlungspflichten, die ein Prozessver­ trag begründen kann, um materiellrechtliche oder prozessuale Pflichten han­ delt, schließt sich als Folgefrage an. Für die Einordnung als „normale“ materi­ ellrechtliche Pflichten könnte die Argumentation mit dem Vertragsprinzip spre­ chen. Denn echte Handlungs- oder Unterlassungspflichten sind nach der hier vertretenen Auffassung schließlich gerade deshalb anzuerkennen, weil sich die Parteien vertraglich darauf geeinigt haben, eine bestimmte Handlung vorzu­ nehmen oder zu unterlassen, bei der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­ rung also keine Klage vor einem nicht in der Vereinbarung bezeichneten Ge­ richt zu erheben. Wie aber im Schrifttum schon mehrfach betont wurde, kann aus dem vertraglichen Charakter gerade nicht auch auf den materiell-zivilrechtlichen Cha­ rakter geschlossen werden, denn der Vertrag ist nicht nur eine Kategorie des Zivilrechts, sondern existiert auch in anderen Rechtsgebieten, wie der öffent­ lich-rechtliche Vertrag beweist.166 Außerdem ist der Zweck eines Prozessver­ trags nicht auf die Regelung einer materiellen Rechtslage, sondern auf die Rege­ lung prozessualer Rechte und Pflichten gerichtet, indem er die prozessualen Befugnisse der Parteien erweitert, beschränkt oder prozessuale Handlungs­ pflichten auferlegt. Hinzutritt der Umstand, dass gerade die Verwendung des Begriffs „materieller Verpflichtungswirkungen“ wiederum Verwirrung stiftet, weil der Begriff zu eng mit dem zivilrechtlichen Trennungs- und Abstraktions­ prinzip verwoben ist, sodass er mitursächlich für die Skepsis der Gegner von verpflichtenden Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen sein mag. Denn im materiellen Recht gibt es nun einmal keine Verträge, die zugleich verpflicht­ ende und verfügende Wirkung haben. Will man Gerichtsstandsvereinbarungen und anderen Prozessverträgen also materielle Verpflichtungswirkung beimes­ sen, droht man zu leicht auf die Kritik zu stoßen, eine materielle Verpflichtungs­ wirkung könne gar nicht bestehen, weil die Gerichtsstandsvereinbarung schließ­ lich unbestritten einen unmittelbaren, zuständigkeitsändernden – traditionell als Verfügungswirkung bezeichneten – Charakter habe, Verpflichtungs- und Verfügungswirkung einander nach der Dogmatik des BGB aber ausschlössen. In Abgrenzung zu Verträgen des materiellen Rechts ist es daher sinnvoller, von einer eigenen prozessualen Verpflichtungswirkung auszugehen. Der Prozess­ vertrag ist neben Verpflichtungs- und Verfügungsverträgen des materiellen Rechts eine weitere Vertragskategorie mit möglichen eigenen prozessualen Ver­ So bereits Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß (1935), S.  24; gefolgt von ­H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  29 f.; wiederum aufgegriffen von G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  36 ff. 166 

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pflichtungswirkungen.167 Die Bezeichnung ist aber nur begrifflicher Natur, die prozessuale Verpflichtungswirkung steht der materiellen gleich. Bei einem ma­ teriellen wie bei einem prozessualen Vertrag verpflichten sich die Parteien zur Einhaltung des Vertrags und zur Unterlassung von Handlungen, die dem Ver­ tragszweck zuwiderlaufen, bzw. zur Vornahme von Handlungen, die der Errei­ chung des Vertragszwecks dienen. Die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung hat daher folgende Wirkun­ gen: Ihr Prorogations- und Derogationseffekt hat zunächst eine unmittelbar zu­ ständigkeitsändernde Wirkung gegenüber den Parteien und dem Gericht. Im relativen Verhältnis zwischen den Parteien erweitert der Prorogationseffekt le­ diglich das rechtliche Dürfen der Parteien. Der Derogationseffekt erschöpft sich dagegen nicht in seiner zuständigkeitsändernden Wirkung, sondern erzeugt zwischen den Parteien bindende negative Unterlassungspflichten, die als „pro­ zessuale Verpflichtungswirkungen“ bezeichnet werden können. Nach der hier vertretenen Auffassung entfalten Gerichtsstandsvereinbarungen also prozes­ suale Verpflichtungswirkungen, indem sie die Parteien dazu verpflichten, ein bestimmtes prozessuales Verhalten – nämlich die Erhebung einer Klage in ei­ nem nicht gewählten Forum – zu unterlassen. Die ausschließliche Gerichts­ standsvereinbarung ist folglich ein Schuldverhältnis mit prozessualen Unterlas­ sungspflichten, die wie alle anderen Pflichten auch verletzt werden können. Er­ hebt eine Partei eine Klage vor einem derogierten Gericht, ist mithin das erste Tatbestandsmerkmal des §  280 Abs.  1 S.  1 BGB – die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis – erfüllt. 3.  Der Vergleich zum Ausland Für die Annahme verpflichtender Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen spricht weiterhin ein Vergleich mit den ausländischen Rechtsordnungen, in denen vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer inter­ nationalen Gerichtsstandsvereinbarung bejaht worden sind. Wie gezeigt worden ist, geht man im englischen und US-amerikanischen Recht davon aus, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung echte Vertragspflichten zwischen den Parteien erzeugt und eine Verletzung der Unterlassungspflicht, keine Klagen in einem abgewählten Gericht einzuleiten, einen Vertragsbruch In dieser Richtung bereits H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  72; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  210; Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 114; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  36 ff. Vgl. auch schon Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  36: „Denn Rechte, Pflichten und Lasten gibt es im materiellen Recht in gleicher Weise wie im Prozeßrecht.“ 167 

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darstellt. Gerade im englischen und US-amerikanischen Recht haben internatio­ nale Gerichtsstandsvereinbarungen aber eigentlich eine schwächere Wirkung als in Deutschland. Während eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach der deutschen zivilprozessualen Dogmatik die Zuständigkeitsordnung ändert, ist sie im anglo-amerikanischen Recht lediglich ein im Rahmen der Ermes­ sensabwägung des Gerichts über seine eigene Zuständigkeit einzubeziehender Faktor. Die non ouster-Doktrin, wonach es den Parteien nicht zusteht, die ge­ setzliche Zuständigkeitsordnung zu ändern, wurde, wie dargestellt, weder in den USA durch die Bremen-Entscheidung168 und die Einführung der reasonableness-Doktrin noch in England durch die El Amria-Entscheidung169 abge­ schafft. Nach modernem Verständnis bewirkt eine Gerichtsstandsvereinbarung in beiden Rechtsordnungen lediglich, dass das Ermessen des Gerichts insofern gebunden ist, als dass es seine Zuständigkeit abzulehnen hat, es sei denn, es befindet die Vereinbarung für unreasonable, bzw. es sei denn, die Vereinbarung erfüllt nicht die in El Amria aufgestellten Kriterien. Auch wenn die englischen und US-amerikanischen Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen heute in den meisten Fällen akzeptieren, lehnen sie ihre Zuständigkeit in dem Fall, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten ausländischer Gerichte vorliegt, also nicht aufgrund eines die gesetzliche Zuständigkeitsordnung modifizierenden Derogationseffekts der Gerichtsstandsvereinbarung ab, sondern als Akt der Würdigung der Parteiabrede. Die hervorgehobene Bedeutung des Vertragscha­ rakters einer Gerichtsstandsvereinbarung im common law zeigt sich besonders deutlich daran, dass im englischen Schrifttum sogar teilweise vertreten wird, das Gericht könne auch dann Schadensersatz gewähren, wenn es die Vereinba­ rung für unwirksam befindet. Es wird also unterschieden zwischen der prozes­ sualen Wirksamkeit der Vereinbarung auf der einen und dem Parteiversprechen auf der anderen Seite, welches auch bei einer aus prozessualen Gründen un­ wirksamen Vereinbarung bestehen bleibe und echte Vertragspflichten entfalten könne.170 Während die Gerichtsstandsvereinbarung also in Deutschland direkt auf die prozessuale Lage einwirkt, ist sie im anglo-amerikanischen Recht von der Be­ achtung durch den Richter abhängig. Das derogierte Gericht verliert dort nicht seine Zuständigkeit, sondern verzichtet lediglich auf deren Ausübung in Aner­ 168  M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S.  1 (1972). 169  Aratra Potato Co. Ltd v. Egyptian Navigation Co. („The El Amria“) [1981] 2 Lloyd’s Rep.  119. 170  Dies vertritt vor allem Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  195. In diese Richtung aber auch schon Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 224. Vgl. zum Ganzen oben Teil II §  8 C. III. 2. a).

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kennung des Parteiwillens.171 Demgegenüber schafft oder beseitigt die Verein­ barung nach deutschem Verständnis selbst Zuständigkeiten. Das bedeutet, dass die Gerichte nicht die Vereinbarung, d. h. den privatautonomen Vertrag, vollzie­ hen, sondern eine Zuständigkeitsnorm. Die Derogation oder Prorogation beruht bei einer nationalen Gerichtsstandsvereinbarung also direkt auf §  38 ZPO, bei einer internationalen auf Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. Es wäre aber widersinnig, aus deutscher Perspektive einer Gerichtsstandsver­ einbarung gerade deshalb verpflichtende Wirkungen abzusprechen, weil wir in ihr eine stärkere, die gesetzlichen Zuständigkeitsgründe unmittelbar beseitigen­ de Vereinbarung, und nicht bloß einen Schuldvertrag sehen. Wenn aus unserer Sicht ein derogiertes Gericht seine Zuständigkeit nicht lediglich aus Achtung der Parteiautonomie ablehnt, sondern darüber hinaus, weil die Vereinbarung seine per Gesetzt gegebene Zuständigkeit automatisch beseitigt, ändert das nichts daran, dass die Gerichtsstandsvereinbarung trotzdem ein bindendes Ver­ sprechen zwischen den Parteien enthält. Die Unterschiede zum common lawVer­ständnis der Gerichtsstandsvereinbarung sind daher überhaupt nicht so fun­ damental, wie man zunächst meinen könnte. Ob der Gerichtsstandsvereinba­ rung im deutschen Recht eine prozessuale, unmittelbar zuständigkeitsändernde Wirkung zukommt oder nicht – konstitutiv für die Vereinbarung sind in jedem Fall wechselseitige Erklärungen der Parteien, also ein Vertrag. Dieser vertragli­ che Kern der Vereinbarung muss unabhängig von der prozessualen Qualifikati­ on von Gerichtsstandsvereinbarungen Verpflichtungswirkung entfalten. Auch im Vergleich zum anglo-amerikanischen Recht zeigt sich daher, dass die Quali­ fikation von Gerichtsstandsvereinbarungen als Verfügungsverträgen mit un­ mittelbarer Wirkung auf die prozessuale Rechtslage dazu führen kann, dass die anderen Wirkungen, die eine Gerichtsstandsvereinbarung zum effektiven Schutz der Parteien haben muss, übersehen werden. Die spanische Rechtsprechung zeigt im Übrigen, dass auch im kontinen­ tal-europäischen Recht die Möglichkeit, vertragliche Schadensersatzansprüche aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung abzuleiten, anerkannt wird. Zwar kennt das spanische, anders als das deutsche materielle Recht, kein Abstraktionsprinzip. Der Übertragung des Abstraktionsprinzips auf die Unter­ scheidung zwischen materiellen, d. h. verpflichtenden, und prozessualen, also verfügenden Verträgen sollte aber, wie gezeigt worden ist, ohnehin nicht gefolgt werden. Für eine deutsche Herangehensweise sind die Entscheidungen des s­ panischen Tribunal Supremo aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung: Erstens haben mit England und Spanien bereits zwei EuGVVO-Mitgliedstaaten vertragliche Schadensersatzansprüche für die Verletzung von internationalen 171 

Vgl. zum Ganzen oben Teil I §  5 D. I., II. und Teil II §  8 B. II. 1.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Gerichtsstandsvereinbarungen anerkannt. Es wäre wünschenswert, wenn die Mitgliedstaaten einen gemeinsamen europäischen Weg finden würden. Die deutschen Gerichte und das deutsche Schrifttum sollten sich also mit den Erwä­ gungen auseinandersetzen, welche die englischen und spanischen Gerichte zur Gewährung von Schadensersatz bewogen haben, und einem eigenen deutschen Weg jedenfalls nicht solche deutschen Eigenheiten wie das Abstraktionsprinzip entgegenstellen. Zweitens sind auch dem spanischen Recht, wie überall sonst auf dem Kontinent, Prozessführungsverbote unbekannt. Auch wenn die spani­ schen Gerichte also keinen einklagbaren vertraglichen Primäranspruch anneh­ men, der auf die Unterlassung der Prozessführung im derogierten Forum ge­ richtet ist, stehen sie der Möglichkeit vertraglicher Sekundäransprüche dennoch offen gegenüber. Auch dies muss bei einer deutschen Herangehensweise be­ rücksichtigt werden, denn bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen handelt es sich, anders als bei Prozessführungsverboten, schließlich um eine rechtliche Kategorie, die dem deutschen Recht ebenfalls wohl bekannt ist. 4.  Der Vergleich zur ausschließlichen Zuständigkeit und zu anderen Vereinbarungen a)  Der Vergleich zur ausschließlichen Zuständigkeit Teilweise wird auch zu bedenken gegeben, dass durch die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen Gerichtsstandsvereinbarungen besser geschützt würden als gesetzliche ausschließliche Zuständigkeiten.172 Spickhoff vertritt etwa die Meinung, wenn sich die gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeits­ gründe mit der Folge der Nichtanerkennung des fraglichen Urteils begnügen müssten, habe Gleiches auch für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zu gelten.173 Dem wird entgegnet, es handle sich bei der vereinbarten ausschließ­ lichen Zuständigkeit im Vergleich zur gesetzlichen um etwas prinzipiell Eigen­ ständiges.174 Der weitergehende Schutz rechtfertige sich daraus, dass bei der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung eine privatautonome Abrede gebrochen werde, welche eine höhere Dignität beinhalte. Das Element des Ver­ 172  So etwa Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 29; Hau, Positive Kompetenzkon­ flikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  9 f.; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung (2005), S.  210; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  770 f.; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 335; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  258. 173  Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 335. Zustimmend Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 29. 174  Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 119 und sich anschließend Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  333.

§ 12 – B.  Schuldverhältnis und Pflichtverletzung

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tragsbruchs rechtfertige auch eine strengere Rechtsfolge.175 Dieser Ansicht muss zugestimmt werden. Sie leuchtet aus dogmatischen Gründen ein, denn eine Par­ tei, die eine ausschließliche Zuständigkeitsvorschrift verletzt, indem sie vor ein unzuständiges Gericht zieht, begeht keinen Vertragsbruch. Die Gerichtsstands­ vereinbarung als Vertrag beinhaltet dagegen ein bindendes Versprechen. Auch die Interessenlage ist eine andere. Die Parteien schließen nämlich gerade die Gerichtsstandsvereinbarung, weil die Zuständigkeitsordnung und auch die aus­ schließlichen Zuständigkeitsgründe außerhalb von Systemen vereinheitlichten Rechts in jedem Staat unterschiedlich sind und daher nicht vorhersehbar ist, ob die Gerichte eines Staates die ausschließliche Zuständigkeit, welche die Gerich­ te eines anderen Staates beanspruchen, anerkennen werden. Eine Partei, die beispielsweise in den USA Klage erhebt, obwohl die deutschen Gerichte für sich die ausschließliche Zuständigkeit beanspruchen, nutzt also nur die Möglichkei­ ten aus, die ihr durch die beiden verschiedenen Staaten als Teilnehmer im be­ schriebenen anarchischen System eröffnet werden. Zieht sie dagegen vor ein in einer Gerichtsstandsvereinbarung abgewähltes Gericht, bricht sie ein Verspre­ chen, dass sie der anderen Partei gegenüber abgegeben hat. b)  Der Vergleich zu Rechtswahlvereinbarungen Teilweise werden internationale Gerichtsstandsvereinbarungen auch mit ihrem Pendant, nämlich Rechtswahlvereinbarungen, verglichen und aus einer Zusam­ menschau beider Abreden gefolgert, dass sie nicht dazu geeignet seien, Scha­ densersatzansprüche zu begründen. Auch in England wurden Gerichtsstands­ vereinbarungen teilweise mit Rechtswahlklauseln verglichen und hervorgeho­ ben, es handle sich bei beiden um spezielle Vereinbarungen, welche lediglich „request“ oder „direction“ für das Gericht seien und deren Verletzung daher keine Schadensersatzansprüche begründen könne.176 Tatsächlich macht sich (bisher), soweit ersichtlich, außer Briggs niemand dafür stark, dass auch für die Verletzung von Rechtswahlvereinbarungen Schadensersatz zu leisten sei. Briggs denkt dabei an solche Fälle, in denen eine Partei Klage in einem Staat erhebt, bei dem von vornherein klar ist, dass seine Gerichte stets nur das eigene materielle Recht anwenden, sodass eine Rechtswahlvereinbarung zugunsten ei­ ner anderen Rechtsordnung zwangsläufig leerlaufen würde. Beispielhaft nennt er Fälle, in denen russische Banken trotz Rechtswahlklauseln zugunsten des englischen Rechts Klage vor russischen Gerichten erhoben hatten. In der Klage­ 175 

So Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 276; Mankowski, IPRax 2009, 23,

176 

Dickinson, 5 Restitution Law Review (1997), 66, 69 Fn.  26.

27 f.

458

Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

erhebung vor einem solchen Gericht erblickt Briggs eine (zumindest mittelbare) Verletzung der Rechtswahlvereinbarung.177 Ob diese Ansicht überzeugend ist, mag an dieser Stelle dahinstehen. Ihr wird entgegnet, dass eine Rechtswahlvereinbarung, anders als eine Gerichtsstands­ vereinbarung, eben gerade kein verbindliches Versprechen enthalte, die Klage­ erhebung in einem bestimmten Forum zu unterlassen.178 Man wird ihr wohl außerdem entgegenhalten können, dass es den Parteien schließlich freistand, neben der Rechtswahlvereinbarung eine Gerichtsstandsvereinbarung abzu­ schließen. Für die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung echte Unterlas­ sungspflichten entfaltet, dürfte Briggs’ Ansicht aber sowieso, wenn überhaupt, ein argumentum a fortiori darstellen: Wenn die Klageerhebung vor einem be­ stimmten Gericht einen Vertragsbruch darstellt, weil dadurch mittelbar die Rechtswahlvereinbarung umgangen wird, dann muss erst recht die Klageerhe­ bung vor einem Gericht, dass durch eine ausschließliche Gerichtsstandsverein­ barung ausdrücklich abgewählt wurde, einen Vertragsbruch bedeuten. Doch auch wenn man die Meinung Briggs’ nicht teilt und Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Rechtswahlvereinbarung prinzipiell ablehnt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass das Gleiche auch für Gerichtsstandsver­ einbarungen zu gelten habe. Zwischen der Wahl des Gerichtsstands auf der ei­ nen und des anwendbaren Rechts auf der anderen Seite bestehen fundamentale Unterschiede. Die Parteien können unmittelbar gegen die Gerichtsstandsverein­ barung handeln, indem sie vor ein abgewähltes Gericht ziehen. Die Einleitung eines Verfahrens liegt allein in der Hand einer der Parteien. Die Klage ist erho­ ben, ohne dass es dafür einer Handlung der anderen Partei oder eines Zwischen­ akts durch das Gericht bedarf. Hingegen ist es im Endeffekt allein das Gericht, welches über das anwendbare Recht entscheidet, es fehlt an einem unmittelbar gegen die Vereinbarung gerichteten Parteiverhalten.179 Daraus folgt also, dass Vgl. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  459 ff.; ders., 123 Law Quarterly Review (2007), 18, 21. 178  Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 101: „With respect, this view would be undeniably right, if a choice-of-law agreement expressly contains an un­ dertaking not to bring an action in a court which would deny effect to it. However, if, as in most cases, a choice-of-law agreement does not contain such an express undertaking, it would seem difficult to read into it an implied undertaking to do the same.“ Skeptisch auch Harris, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2009, 537, 549 ff., insb. 554. 179  Vgl. auch Sievi, 66 Dispute Resolution Journal (2011), 56, 59; Tan, 40 Texas Internatio­ nal Law Journal (2005), 623, 650: „The simple retort to the argument that the breach of a fo­ rum selection clause should create an action for damages is that a forum selection clause is a special type of clause – the breach of which does not give rise to a right in damages. One could argue, in support of this proposition, that forum selection clauses are akin to choice-oflaw clauses; such clauses are a joint expression of intention or expectation by the parties, or a 177 

§ 12 – B.  Schuldverhältnis und Pflichtverletzung

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Gerichtsstandsvereinbarungen nicht deshalb die verpflichtende Wirkung ver­ sagt werden kann, weil deren Annahme jedenfalls bei Rechtswahlvereinbarun­ gen zweifelhaft ist. Der Streit bei Rechtswahlvereinbarungen ist ein anderer, nämlich ob auch ein Verhalten, das lediglich mittelbar zur Umgehung der Ver­ einbarung führt, eine Vertragsverletzung darstellt, oder anders formuliert, ob auch die Rechtswahlvereinbarung echte Unterlassungspflichten des Inhalts er­ zeugt, dass die Parteien keine Klage vor einem Gericht erheben dürfen, welches die Rechtswahlvereinbarung aller Voraussicht nach missachten wird. Die Ant­ wort auf diese Frage kann aber nicht ausschlaggebend sein für die Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen echte Unterlassungspflichten entfalten. Bejaht man sie, liegt darin bloß ein Erstrechtschluss für Unterlassungspflichten von Gerichtsstandsvereinbarungen. Verneint man sie, ändert das nichts daran, dass zwischen Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarungen wesentliche Unter­ schiede bestehen und letztere Unterlassungspflichten erzeugen. c)  Der Vergleich zu anderen Prozessverträgen und Schiedsvereinbarungen Zuletzt kann auch mit dem insbesondere bereits von Köster180 und Peiffer181 angeführten Vergleich mit anderen Prozessverträgen argumentiert werden. Dass auch prozessuale Pflichten der Parteien bestehen können, ist dem deut­ schen Recht nicht systemfremd. Bereits in einer alten Entscheidung des RG182 wurde der Klage auf Rücknahme eines Strafantrags aufgrund eines Klagerück­ nahmeversprechens ohne Weiteres stattgegeben. In einer anderen Entschei­ dung183 bezeichnete das RG den Klagerücknahmevertrag als privatrechtlichen Vertrag. Ähnliche Entscheidungen des BGH184 und des OLG München185 zur verpflichtenden Wirkung des Klageverzichts, des Klagerücknahme- oder request or direction to the court. Clauses of this nature cannot be ‚breached‘ by either party, and no right to damages arises where the contractual expectation is not fulfilled.“ Ähnlich auch schon Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 437. 180  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  85 m. w. N. 181  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  333. 182  RGZ 42, 60, 64 f. 183  RG, 01.06.1921, RGZ 102, 217, 221. Ähnlich auch RG, 20.12.1928, RGZ 123, 84 (Rechtsmittelrücknahmevertrag); RG, 06.02.1939, RGZ 159, 186. 184  BGH, 10.05.1951, NJW 1952, 26; BGH, 10.03.1956, NJW 1956, 990; BGH, 25.06.1958, NJW 1958, 1397; BGH, 18.12.1963, NJW 1964, 549, 550; BGH, 28.01.1974, NJW 1974, 900: Zulässigkeit einer Klage auf Rücknahme eines Strafantrags, allerdings mit ablehnender Anm. Meyer, NJW 1974, 1325, der das Rechtsschutzbedürfnis verneint; BGH, 14.11.1983, NJW 1984, 805: verpflichtende Wirkung eines Rechtsmittelrücknahmevertrags. Vgl. zur Zu­ lässigkeit auch weiterer nicht im Gesetz geregelter Verträge die Rechtsprechungsnachweise bei G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  51 f. 185  OLG München, 12.07.1966, MDR 1967, 223: Die zivilrechtlich übernommene Ver­

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Rechtsmittelverzichtsvertrags liegen vor. Auch in der Literatur wird der Klage­ rücknahmevertrag traditionell als verpflichtender Vertrag qualifiziert.186 In ei­ ner anderen Entscheidung ließ der BGH auch die klageweise Geltendmachung einer vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung zu.187 In einem weiteren Fall sprach der BGH188 dem Kläger Schadensersatz zu, weil die andere Partei im Primärprozess das Versprechen gebrochen hatte, einen Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach Zahlung des Schuldners zurückzunehmen. Und in dem einer Entscheidung des OLG Bamberg189 zugrunde liegenden Fall berief sich der Bauherr auf ein Klagerücknahmeversprechen und beantragte, den Nachbarn zur Rücknahme einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungskla­ ge zu verurteilen. Zwar verneinte das Gericht im konkreten Fall das Vorliegen eines Klagerücknahmeversprechens, grundsätzlich bejahte es jedoch die Mög­ lichkeit, eine solche Vereinbarung mithilfe eines Sekundärprozesses durchzu­ setzen. Pfeiffer gibt zu bedenken, dass materiellrechtliche Kostenerstattungs­ ansprüche auch für die Erledigung eines Rechtsstreits zwischen Klageeinrei­ chung und dem Eintritt der Rechtshängigkeit diskutiert wurden, wenn ein Verzugsschaden eingetreten war.190 Ebenso wird im Schrifttum vertreten, dass auch Mediationsvereinbarungen, genauso wie in England191, eine verpflichtende Wirkung beizumessen sei und aus ihrer Verletzung vertragliche Schadensersatz­ ansprüche folgen könnten.192 Der Vergleich zu Schiedsvereinbarungen ist auf den ersten Blick kein allzu starkes Argument, weil sich die deutschen staatlichen Gerichte mit der Frage, ob die Verletzung einer Schiedsvereinbarung durch eine abredewidrig erhobene pflichtung, einen gestellten Strafantrag zurückzunehmen, ist vor den Zivilgerichten einklag­ bar. 186  Barz, Das Klagerücknahme-Versprechen (1933), S.  3 ff., 18 ff.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß (1972), S.  262 ff.; Piehler, in: Ge­ dächtnisschrift Arens (1993), S.  323, 329 f.; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720, 723. 187  BGH, 11.12.1967, NJW 1968, 700 f. 188  BGH, 30.10.1984, WM 1985, 35. 189  OLG Bamberg, 20.05.1964, DVBl 1967, 55, 57 m. Anm. Hillemeyer, DVBl 1967, 19, 20 f. 190  Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), 77, 80. 191  Vgl. Cable & Wireless plc v. IBM United Kingdom Ltd [2002] EWHC 2059 (Comm), abgedruckt in 19 Arbitration International (2003), 352 und dazu oben Teil II §  8 C. II. 2. d). 192  O. Sandrock, in: Festschrift Schlosser (2005), S.  820, 831 f. In diese Richtung auch schon Hacke, Der ADR-Vertrag (2002), S.  330 f.: „[Die] entgegen dem pactum de non peten­ do erhobene Klage stellt eine Vertragsverletzung dar und wird im Falle der Schuldhaftigkeit folglich den Tatbestand der pVV (§  280 I BGB-E) erfüllen.“ Vgl. außerdem auch Risse, Wirt­ schaftsmediation (2003), S.  91 ff. Rn.  25, der der mediationswilligen Partei zumindest die Aufwendungen ersetzen will, die ihr durch die versuchte Einleitung des Mediationsverfah­ rens entstanden sind.

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Klage vertragliche Schadensersatzansprüche begründet, bislang (soweit ersicht­ lich) ebenso wenig zu beschäftigen hatten wie mit der parallelen Problematik bei Gerichtsstandsvereinbarungen. Wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen ge­ braucht der BGH auch bei Schiedsvereinbarung die Formulierung des materiell­ rechtlichen Vertrags über prozessuale Beziehungen.193 Auch im Schrifttum geht die herrschende Ansicht von einer Einordnung als Prozessvertrag und nicht als materiellrechtlichem Vertrag aus.194 Genau wie bei Gerichtsstandsvereinbarun­ gen sollte der vom BGH gebrauchten Formulierung aber kein Gewicht dafür beigemessen werden, ob der BGH durch die Schiedsvereinbarung begründete vertragliche Pflichten anerkennt. Wichtig ist, dass der BGH im Zusammenhang mit der Frage, ob die von einer Schiedsvereinbarung erfassten Streitigkeiten im Wege der Aufrechnung195 oder der Vollstreckungsgegenklage196 vor ein staatli­ ches Gericht gebracht werden dürfen, die aus einer Schiedsvereinbarung flie­ ßende Unterlassungspflicht anerkannt hat.197 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1962 attestierte der BGH dem Schiedsvertrag „[…] ein solches vertragli­ ches Verbot, sich im Prozeß auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entschei­ den sollte.“ Denn die Parteien hätten sich dazu „[…] verpflichtet, die Prüfung, ob die Forderung besteht, nicht dem ordentlichen Gericht zu unterbreiten.“198 Und in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1986 gebraucht der BGH die Formu­ lierung, dass sich die Parteien durch den Schiedsvertrag „[…] verpflichten […], die aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringenden Rechtsstreitigkeiten (§  1026 ZPO) nicht dem ordentlichen Gericht, sondern dem vereinbarten Schiedsgericht zu unterbreiten.“199 Die Entscheidungen zeigen, dass der BGH Verpflichtungswirkungen von Schiedsvereinbarungen, welche für die Parteien Handlungsverbote aufstellen, ohne Zurückhaltung anerkennt. Die aufgezeigten Entscheidungen der deutschen Gerichte gehen mit der hier vertretenen Auffassung einher, wonach Prozessverträge, die das rechtliche Dür­ 193  BGH, 30.01.1957, NJW 1957, 589, 590; BGH, 28.11.1963, NJW 1964, 591, 592; BGH, 29.02.1968, NJW 1968, 1233. Vgl. auch schon RGZ 144, 96, 98; RGZ 156, 101, 104. 194  Vgl. die Darstellung bei G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  582, 606. 195  BGH, 22.11.1962, NJW 1963, 243. 196  BGH, 03.12.1986, NJW 1987, 651. 197  Vgl. auch BGH, 30.01.1957, NJW 1957, 589; BGH, 22.12.1960, BB 1961, 264. Damit argumentieren auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  334; Schlosser, RIW 2006, 486, 488; ders., in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 118: „Insbeson­ dere in der Rechtsprechung dazu, dass Forderungen, die einer Schiedsklausel unterliegen, nicht zur Aufrechnung in einem Verfahren vor staatlichen Gerichten verwandt werden kön­ nen, ist dies paradigmatisch erklärt worden.“ 198  BGH, 22.11.1962, NJW 1963, 243. 199  BGH, 03.12.1986, NJW 1987, 651, 652.

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fen der Parteien nicht nur erweitern, sondern auch beschränken (wie etwa der Klage- oder Rechtsmittelverzichtsvertrag) oder den Parteien die Vornahme ei­ ner Handlung auferlegen (wie etwa der Klagerücknahmevertrag), prozessuale Verpflichtungswirkung entfalten. Es ist nicht einleuchtend, warum diese Ver­ träge verpflichtende Wirkung haben sollen, die Gerichtsstandsvereinbarung da­ gegen nicht.200 Der Vergleich mit den Entscheidungen zu anderen Prozessver­ trägen spricht also ebenfalls für die Annahme, auch die Gerichtsstandsverein­ barung entfalte prozessuale Verpflichtungswirkungen. 5.  Der Wille der Parteien a)  Der Rechtsbindungswille beinhaltet auch den Haftungswillen Für die Annahme verpflichtender Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen sprechen aber nicht nur dogmatische Erwägungen, sondern auch der Partei­ wille. Die Gegner vertraglicher Schadensersatzansprüche argumentieren, es laufe dem Parteiwillen in aller Regel zuwider, einer Gerichtsstandsvereinbarung eine bindende Unterlassungspflicht zu entnehmen. Die Parteien würden sich mit dem Abschluss der Vereinbarung nicht dazu verpflichten wollen, u. U. Scha­ densersatz leisten zu müssen.201 Insbesondere Wagner, der zwar, wie dargestellt, die Übertragung des Verfügungsbegriffs auf Prozessverträge ablehnt und grundsätzlich davon ausgeht, dass auch Prozessverträge verpflichtende Wirkun­ gen entfalten können, lehnt Schadensersatz begründende Verpflichtungswir­ kungen von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Fehlen einer dahingehenden aus­ drücklichen Einigung ab. Bei einem Vertrag zwischen einer deutschen und einer US-amerikanischen Partei über die ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte entspreche die Annahme von Verpflichtungswirkungen zwar dem Wil­ len der deutschen Partei, nicht aber dem übereinstimmenden Willen beider Par­ teien, weil der US-amerikanischen Vertragspartner nicht der Wille unterstellt werden könne, sich im Falle einer Klage vor einem derogierten US-amerikani­ schen Gericht schadensersatzpflichtig zu machen.202 So auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2007), S.  85; Lenenbach, 20 Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review (1998), 257, 28; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  334; Schlosser, in: Liber ami­ corum Lindacher (2007), S.  111, 114, 118. 201  Vgl. insb. Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  224 f., 79; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I (1982), Kap.  III Rn.  168, S.  263; ders., in: Liber amicorum Linda­ cher (2007), S.  77, 80 ff.; Schack, ZZP 116 (2003), 130, 131; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 334 f.; G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  257 f. und die Darstellung oben in Teil III §  12 B. X. 2. 202  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  257 f. 200 

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Bei der Auslegung der die Vereinbarung konstituierenden Erklärungen muss auf den nach außen kundgetanen Willen abgestellt werden und nicht allein auf die inneren Einstellungen der Parteien. Vereinfacht ausgedrückt will auch der Verkäufer einer Sache oder der Vermieter einer Wohnung keinen Schadenser­ satz leisten. Die Parteien gehen häufig rechtlich bindende Verpflichtungen ein, ohne überhaupt an die Möglichkeit, sich im Falle eines Vertragsbruchs scha­ densersatzpflichtig zu machen, zu denken. Das bedeutet aber nicht, dass die Auslegung der Parteivereinbarung, also des Kauf- oder Mietvertrags, ergibt, dass eine Haftung auf Schadensersatz nicht bestehen soll. Allein entscheidend sein sollte daher die Frage, ob die Parteien ein bindendes Versprechen abgeben wollten oder nicht. Gehen die Parteien eine rechtliche Verpflichtung ein, indem sie einander bestimmte Pflichten oder Unterlassungen versprechen, ist ihnen auch der Wille zu unterstellen, im Falle einer Missachtung dieser Vereinbarung auf Ersatz des daraus entstandenen Schadens zu haften. Wer einen Vertrag schließt, verpflichtet sich auch zu dessen Einhaltung, andernfalls würde es sich nicht um einen Vertrag, sondern um eine bloße Gefälligkeit ohne Rechtsbin­ dungswillen handeln. Ein innerer Vorbehalt, das Erklärte eigentlich gar nicht zu wollen, ist außerdem unbeachtlich, wie für das deutsche Recht §  116 BGB be­ stimmt. Wieso aber sollte eine Gerichtsstandsklausel in einem Vertrag kein bin­ dendes Versprechen darstellen, die anderen Vertragsklauseln hingegen schon? Auch das Argument, es handle sich bei den Parteien eines internationalen Handelsvertrags häufig um rechtlich versierte Kaufleute und von solchen könne erwartet werden, dass sie die schadensersatzbegründende verpflichtende Wir­ kung der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich festlegen 203, kann meines Erachtens ebensogut umgedreht werden. Gerade im transnationalen Rechtsver­ kehr erprobte Parteien sollten sich darüber bewusst sein, welche Bedeutung die Wahl des Gerichtsstands für die andere Partei und den Fortgang ihrer Bezie­ hung zueinander haben kann.204 Solchen Parteien ist gerade die nötige Rechts­ kenntnis zu unterstellen, dass die Gerichtsstandsvereinbarung ein Versprechen mit rechtlicher Bindungswirkung an die andere Partei darstellt. Gerade in inter­ nationalen Handelsverträgen ist die Gerichtsstandsklausel häufig auch nicht eine mehr oder weniger zufällig eingefügte Vertragsbestimmung oder Teil von AGB, sondern das Ergebnis intensiver Verhandlungen. Dabei kann sie auch als Gegenleistung für Zugeständnisse bei der Gestaltung des sonstigen Vertrags­ inhalts von einer der Parteien erfochten worden sein. Es leuchtet nicht ein, wes­ halb die Parteien davon ausgehen sollen dürfen, die Vereinbarung sei nicht ver­ pflichtend und eine Verletzung bleibe für sie ohne Konsequenzen. Daher ist im 203 

204 

G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  258. In diese Richtung auch Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 118.

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Anschluss an Schlosser davon auszugehen, dass die Gerichtsstandsvereinba­ rung nicht erst dann Verpflichtungswirkung entfaltet, wen dies dem Parteiwil­ len entspricht, sondern immer schon dann, wenn diese Wirkung dem überein­ stimmenden Parteiwillen nicht widerspricht.205 b)  Andere Erwägungen Die von einigen geäußerte Skepsis gegenüber einer solchen Auslegung der Ver­ einbarung anhand des Parteiwillens ist dabei freilich nachvollziehbar. Sie be­ ruht aber wohl darauf, dass einige Fragen nicht ganz trennscharf zu unterteilen sind und deshalb Aspekte, die eigentlich erst im Rahmen der Rechtswidrigkeit, des Verschuldens oder der Schadensbemessung zum Tragen kommen sollten, bereits bei der Auslegung des Parteiwillens miteinbezogen werden. Erstens muss man nämlich, wie etwa von Wagner angeführt, bedenken, dass die Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung auch in redlicher Absicht erfol­ gen kann. Z. B. kann es einer US-amerikanischen Partei möglicherweise nicht vorwerfbar sein, wenn sie eine Klage vor einem US-amerikanischen Gericht erhebt, weil sie davon ausgeht, die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts sei unwirksam, oder weil sie jedenfalls darauf hofft, das Gericht werde sie im Rahmen einer Ermessensentscheidung als unreasonable befinden. Deshalb möchte etwa Sandrock, wie dargestellt, eine Abwägung vor­ nehmen, ob die Wirksamkeit und die verpflichtende Bindungswirkung der Ver­ einbarung Gegenstand von Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien wa­ ren und die redliche Partei deshalb darauf vertrauen durfte, die andere Partei werde nicht vor ein derogiertes Gericht ziehen und die Vereinbarung einer er­ messensbasierten Prüfung unterziehen lassen.206 Allerdings betrifft die Frage, wie es sich auswirkt, dass das ausländische Recht die Klagemöglichkeit zur Verfügung stellt und der Auslandskläger sie also nur ausnutzt, meines Erach­ tens erst die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Und die Problematik, ob der Aus­ landskläger in redlicher Absicht handelte, möglicherweise von der Unwirksam­ keit der Vereinbarung ausging oder vielleicht noch nicht einmal mehr an die Gerichtsstandsvereinbarung dachte, ist im Rahmen des Vertretenmüssens zu behandeln. Ob die Vereinbarung grundsätzlich nach dem Willen der Parteien ein verpflichtendes Versprechen beinhaltet, wird von diesen Aspekten dagegen nicht beeinflusst. Zweitens könnte es eine Rolle spielen, dass die US-amerikanische Partei die Geltung der American rule of costs gewohnt ist und nicht damit rechnen kann, dass die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands und daraus folgen­ 205 

206 

Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 118 f., 123. O. Sandrock, RIW 2004, 809, 816. Vgl. schon oben Teil III §  12 B. X. 3.

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de Schadensersatzansprüche diese Regel im Endeffekt umkehren können. Auch deshalb lehnt Wagner Schadensersatzansprüche aus der Verletzung einer inter­ nationalen Gerichtsstandsvereinbarung ab.207 Peiffer wendet dagegen ein, es sei nicht ersichtlich, warum man im internationalen Rechtsverkehr auf Erwartun­ gen abstellen solle, die sich allein aus nationalen Rechtsvorstellungen speisen: „Wer sich in internationale Gewässer begibt, kann nicht damit rechnen, nur mit Regelungen aus seinem Heimatrecht konfrontiert zu werden.“208 Außerdem führt sie an, gerade US-amerikanische Parteien seien es aus ihrem eigenen Hei­ matrecht gewohnt, dass die Verfahrenseinleitung in einem abgewählten Forum durch Erlass eines Prozessführungsverbots gestoppt werden könne. Daher könnten die Erwartungen einer US-amerikanischen Partei nicht als schwerwie­ gendes Argument gegen die Annahme von Verpflichtungswirkungen einer in­ ternationalen Gerichtsstandsvereinbarung angeführt werden.209 Grundsätzlich ist diesem Einwand beizupflichten. Der US-amerikanischen Partei dürfte nicht nur die Möglichkeit von Prozessführungsverboten zum Schutz ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen bekannt sein, sondern sie muss sogar noch eher als die deutsche Partei mit einer Schadensersatzhaftung rechnen, weil sich diese Möglichkeit in den USA bereits etabliert hat.210 Dieser Erwägungen bedarf es jedoch bei der Frage der Verpflichtungswirkung internationaler Gerichtsstands­ vereinbarungen nicht einmal. Ob die US-amerikanische Partei mit der Geltung der American rule of costs rechnen konnte, ist wiederum richtigerweise eine Frage des Vertretenmüssens bzw. der Schadensbemessung, betrifft aber nicht die Problematik, ob sich die Parteien mit der Gerichtsstandsvereinbarung zu einem bestimmten Unterlassen verpflichten wollten.211 Bei der Auslegung des G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  258. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  335 f. 209  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  336. 210  Vgl. zu Schadensersatzpflichten wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung in den USA oben Teil II §  8 D. 211  So G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  257 f. Dass die US-amerikanische Partei bei Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands mit der möglichen Umkehr der American rule of costs und weiteren Schadensposten vielleicht gar nicht rechnen konnte, kann aber auch im Rahmen der Schadensbemessung keine Rolle spielen. Im deutschen Recht gibt es, anders als etwa nach Art.  74 S.  2 CISG, nicht die Einschränkung der Haftung auf vorherseh­ bare Schäden. Auch dem Argument, die American rule of costs werde auf diese Weise umge­ kehrt und die Geltung der §§  91 ff. ZPO würde über deren Anwendungsbereich hinaus auf das Ausland erstreckt, kann meines Erachtens nicht gefolgt werden. Die Schadensberech­ nung erfolgt nicht nach den §§  91 ff. ZPO, sondern anhand der §§  249 ff. BGB. Dass im Er­ gebnis die vertragsbrüchige Partei die außergerichtlichen Kosten der anderen Partei zu tra­ gen hätte, würde zwar der in den §§  91 ff. ZPO angeordneten Rechtsfolge entsprechen. Das Ergebnis ergibt sich aber dennoch aus den §§  249 ff. BGB. Diese beherrschen aber nach Art.  12 Abs.  1 lit.  c) Rom I-VO als Teil des Prorogationsstatuts die Schadensbemessung. Die 207 

208 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Parteiwillens sollte daher allein darauf abgestellt werden, ob sich die Parteien generell dazu verpflichten wollten, nicht vor abgewählten Gerichten zu klagen, und nicht auf andere Aspekte, wie etwa den Willen, von der American rule of costs abzuweichen. Allein die Frage, ob mit der Gerichtsstandsvereinbarung das bindende Versprechen abgegeben worden ist, nicht vor einem abgewählten Ge­ richt zu klagen, ist für die Pflichtverletzung ausschlaggebend. c)  Sonderproblem: Keine Vermutung für die Ausschließlichkeit gemäß Art.  25 Abs.  1 S.  2 EuGVVO n. F.? Einschränkend könnte man aber verlangen, dass die Parteien die Ausschließ­ lichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung explizit vereinbart haben und sich die­ se nicht nur aus der Vermutungsregel in Art.  23 Abs.  1 S.  2 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 Abs.  1 S.  2 EuGVVO n. F. ergibt. Wie dargestellt, knüpft Eichel die Möglichkeit, der Parteivereinbarung verpflichtende Wirkung zu entnehmen, an die Voraussetzung, dass der Vereinbarung die Ausschließlichkeit durch Ausle­ gung anhand des Parteiwillens zu entnehmen ist.212 Nach dieser Ansicht wäre also bei einer Klausel mit der Formulierung „Gerichtsstand ist Mainz“ darauf abzustellen, ob sich aus den übrigen Vertragsbestimmungen oder anderen Um­ ständen der Wille zur Ausschließlichkeit des Gerichtsstands ergibt. Im Zweifel würde es aber an solchen Anhaltspunkten fehlen und es würden sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen, etwa ob eine parallele Rechtswahlvereinbarung ein Indiz für die Ausschließlichkeit darstellt oder nicht. Gegen diese Herangehensweise spricht Folgendes: Dass Gerichtsstandsver­ einbarungen im Zweifel ausschließliche Wirkung haben, ist im Geltungsbereich der EuGVVO nicht mehr wegzudenken. Außerdem entspricht die Vermutung für die Ausschließlichkeit auch dem von den Parteien mit der Gerichtsstands­ vereinbarung verfolgten Ziel, nämlich Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zu schaffen. Es ist also naheliegend, dass eine in Europa beheimatete Partei gerade in dem Wissen, dass Gerichtsstandsvereinbarungen ohnehin immer aus­ schließliche Wirkung haben, bewusst auf eine Formulierung verzichtet, der die Ausschließlichkeit eindeutig zu entnehmen wäre – ganz einfach, weil sie sie für obsolet hält. Am besten sollte hier wohl ein Mittelweg eingenommen werden: Die Vermutung in Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. ist wider­ legbar, die Ausschließlichkeit soll nur bestehen, „sofern die Parteien nichts an­ Erwartungen der vertragsbrüchigen Partei können daher meines Erachtens allein im Rahmen des Vertretenmüssens eine Rolle spielen. Mehr zu diesen Aspekten unten in Teil III §  12 D. V. 2 und §  13 B. III. 2. 212  Vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Han­ delsverkehr (2007), S.  224 f. und dazu oben Teil III §  12 B. X. 2.

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deres vereinbart haben.“ Verlangt eine Partei Schadensersatz wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung, sollte daher besondere Sorgfalt bei der Prüfung des zweiten Halbsatzes angewendet werden. Das Gericht, das über den Schadensersatzanspruch entscheidet, sollte also besonders aufmerksam prüfen, ob tatsächlich keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Parteien etwas „an­ deres vereinbart“ haben. Im Zweifel sollte es aber bei der Vermutung für die Ausschließlichkeit, also für die Annahme des Derogationseffekts und folglich echter Unterlassungspflichten bleiben. Korrekturen können wiederum mögli­ cherweise im Bereich des Vertretenmüssens vorgenommen werden, wenn bei­ spielsweise die vertragsbrüchige Partei darlegen kann, dass sie von der fehlen­ den Ausschließlichkeit überzeugt gewesen sei.213 6. Ergebnis Die Übertragung des Abstraktionsprinzips auf die Unterscheidung zwischen Verträgen des materiellen und des Prozessrechts sowie die Kategorisierung von Prozessverträgen als Verträgen ohne Verpflichtungswirkung beruhen auf dem Fehlverständnis, dass es sich bei einem Prozessvertrag, wie der Gerichtsstands­ vereinbarung, weil er Parteien und Gericht unmittelbar bindet, um eine Verfü­ gung handeln müsse. Tatsächlich wären die Parteien aber schutzlos gestellt, wenn eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung sie weder in tatsächli­ cher noch in rechtlicher Hinsicht dazu verpflichten würde, Klagen in nicht ge­ wählten Gerichten zu unterlassen. Weder das Abstraktionsprinzip noch der Ver­ fügungsbegriff sollten auf die prozessuale Ebene übertragen werden. Nach der hier vertretenen Auffassung können sich die Wirkungen von Pro­ zessverträgen darin erschöpfen, das rechtliche Dürfen der Parteien zu erwei­ tern. Prozessverträge können aber auch echte Handlungs- oder Unterlassungs­ pflichten entfalten, wenn die Parteien einander die Unterlassung oder Vornahme einer bestimmten prozessualen Handlung versprochen haben. Solche Hand­ lungs- oder Unterlassungspflichten, die von den Parteien durch Prozessvertrag begründet werden, sollten am besten als prozessuale Verpflichtungswirkungen bezeichnet werden. Eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung erweitert nicht nur das rechtliche Dürfen der Parteien, die vor dem prorogierten Gericht klagen dürfen, sondern enthält auch das Versprechen, keine Klage vor einem derogierten Ge­ richt zu erheben. Der Derogationseffekt ausschließlicher Gerichtsstandsverein­ barungen besteht also nicht nur in einer unmittelbar zuständigkeitsbeseitigen­ den Wirkung, sondern auch in prozessualen Unterlassungspflichten im relativen Verhältnis zwischen den Parteien. Ohne die Annahme einer bindenden Unter­ 213 

Siehe dazu unten Teil III §  12 D. V. 2. a).

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

lassungspflicht würde der Derogationseffekt einer Gerichtsstandsvereinbarung letztlich leerlaufen. Jedes vertraglich eingegangene Verbot muss zwingend auch echte Unterlassungspflichten entfalten. Allein die Qualifikation der Gerichts­ standsvereinbarung als Vertrag mit die Parteien bindenden prozessualen Unter­ lassungspflichten ist daher überzeugend. Verletzt eine Partei diese prozessuale Unterlassungspflicht, begeht sie eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB. Für diese Sichtweise spricht auch ein Vergleich zu den ausländischen Rechts­ ordnungen, in denen vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verlet­ zung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung anerkannt sind. Gerade in England und in den USA hat die Gerichtsstandsvereinbarung im Vergleich zum deutschen und kontinentaleuropäischen Recht eine schwächere Wirkung, sodass im Falle der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung in unserem Rechtskreis erst recht ebenfalls von einer Schadensersatz begründenden Pflicht­ verletzung ausgegangen werden sollte. Außerdem zeigt auch ein Vergleich zu anderen Prozessverträgen, dass die deutsche Rechtsprechung grundsätzlich die Möglichkeit verpflichtender Wirkungen von Prozessverträgen anerkennt. Auch der Vergleich zur gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeit auf der einen so­ wie Rechtswahlvereinbarungen auf der anderen Seite vermag an der hier vertre­ tenen Sichtweise nichts zu ändern, weil es sich dabei jeweils um etwas prinzipi­ ell anderes handelt. Zuletzt spricht auch der Parteiwille für verpflichtende Wir­ kungen von Gerichtsstandsvereinbarungen. Wer mit Rechtsbindungswillen einen Vertrag schließt, muss auch den Haftungswillen haben, im Falle der Ver­ letzung seiner vertraglichen Pflichten für den daraus erwachsenen Schaden ein­ zustehen. In der Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung im Ausland liegt daher eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 S.  1 BGB. 7.  Sonderfrage: Pflichtverletzung trotz unwirksamer Gerichtsstandsvereinbarung? Zuletzt soll der Frage nachgegangen werden, ob auch dann eine Pflichtverlet­ zung zu bejahen sein kann, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung aus Sicht des in der Vereinbarung benannten Gerichts unwirksam ist. In diese Richtung geht der Ansatz von Briggs, der die Doppelnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen betont. Die Vereinbarung ist danach einerseits eine prozessuale Vereinbarung mit Prorogations- oder Derogationseffekt, andererseits ein privatrechtlicher Vertrag, mit dem die Parteien einander versprechen, nur vor dem bzw. einem gewählten Gericht zu klagen. Daher kann die Verletzung des privatrechtlichen Vertrags Briggs’ zufolge u. U. auch dann als Vertragsbruch Schadensersatz aus­

§ 12 – B.  Schuldverhältnis und Pflichtverletzung

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lösen, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung aus bestimmten prozessualen Gründen nicht bindend ist.214 Dazu führt er aus: „The foundation for this argu­ ment is that there is a distinction between two issues: whether the jurisdiction agreement is effective in law to prorogate or derogate from jurisdiction of a court, and where there was a private and binding agreement on seising a court with jurisdiction, or in the issue of proceedings.“215 Der Vorteil dieser Herange­ hensweise besteht in seiner geschickten Umgehung möglicher rechtspolitischer Bedenken gegenüber der Schadensersatzhaftung. Denn auf diese Weise über­ prüft das Zweitgericht nicht die Entscheidung des Erstgerichts, sondern ent­ scheidet lediglich über die private Vereinbarung zwischen den Parteien.216 Kann also ein deutsches Gericht, das eine Gerichtsstandsvereinbarung zu sei­ nen Gunsten aus bestimmten prozessualen Gründen für unwirksam befindet, trotzdem Schadensersatz wegen einer im Ausland erhobenen Klage und der da­ rin liegenden Verletzung des dennoch zwischen den Parteien bestehenden Ver­ trags gewähren? Aus Sicht des deutschen Rechts dürfte dies zu verneinen sein. Briggs’ Ansatz erklärt sich nämlich aus den Besonderheiten des englischen und US-amerikani­ schen Rechts. Dort werden Prorogationsverträge zwar grundsätzlich anerkannt, den Gerichten steht aber dennoch ein Ermessensspielraum zu, wonach sie auch eine an sich wirksame Gerichtsstandsvereinbarung anhand von forum non conveniens-Kriterien oder zumindest ähnlichen Kriterien überprüfen können.217 In diesen Rechtsordnungen ist es also jedenfalls denkbar, dass das in der Vereinba­ rung benannte Gericht die Vereinbarung zwar für wirksam befindet, sich aber im Ergebnis trotzdem für unzuständig erklärt. Auch Tan schlägt daher für den Fall, dass das gewählte Gericht das Verfahren aufgrund der Doktrin vom forum non conveniens abweist, weil ein paralleles Verfahren bereits in einem derogier­ ten Forum anhängig ist und bestimmte öffentliche Interessen dieses andere Ge­ richt zum forum conveniens machen würden, Schadensersatz als Korrektiv der Abwägung öffentlicher und privater Interessen im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin vor. In derartigen Fällen sollten die Gerichte erwägen, „[…] if Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  195, 325 und dazu bereits oben Teil II §  8 C. III. 2. a). 215  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  334. 216  In diese Richtung auch Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 321. 217  Zum US-amerikanischen Recht vgl. oben Teil I §  5 C. II. 3. b) sowie Design Strategy Corp. v. Nghiem, 14 F. Supp.  2d 298, 300 (S.D.N.Y. 1998); Jacobsen Construction Co., Inc. v. Teton Builders, 106 P.3d 719 (Utah 2005) und die Darstellung bei Huber, in: Festschrift Gott­ wald (2014), S.  303, 308 f.; Silbermann, 28 Texas International Law Journal (1993), 501, 528 ff. Zum englischen Recht vgl. oben Teil II §  8 B II. 1. sowie die Darstellung bei Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  27 f. m. w. N. 214 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

an award of damages might mitigate the injustice of having to litigate the dispu­ te in the noncontractual forum.“218 Ob vor diesem Hintergrund im anglo-amerikanischen Recht tatsächlich Schadensersatz gewährt werden kann, obwohl die Gerichtsstandsvereinbarung im Ergebnis von dem in ihr bezeichneten Gericht gar nicht anerkannt wird, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls im deutschen Recht ist der Ansatz aber nicht überzeugend.219 Den deutschen Gerichten steht grundsätzlich kein Ermessen bei der Beurteilung der Wirksamkeit und Bindungswirkung einer Gerichts­ standsvereinbarung zu. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist entweder wirksam und bindend oder nicht. Daraus folgt, dass eine Verletzung der Gerichtsstands­ vereinbarung durch Klageerhebung im Ausland und damit eine Pflichtverlet­ zung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB – entsprechend der dieser Untersuchung anfangs zugrundgelegten Definition – auch nur dann bejaht werden kann, wenn die Ver­ einbarung aus Sicht des gewählten deutschen Gerichts wirksam ist. Dogmatisch lässt sich dies folgendermaßen begründen: Auch wenn im Rah­ men der Argumentation für den verpflichtenden Charakter von Gerichtsstands­ vereinbarungen die vertragliche Einigung zwischen den Parteien betont worden ist, bedeutet das trotzdem nicht, dass es sich bei der die Doppelnatur der Ge­ richtsstandsvereinbarung ausmachenden prozessualen und privatautonomen Seite um zwei jeweils getrennt voneinander stehende Elemente der Vereinba­ rung handelt. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist vielmehr ein einheitlicher Vertrag. Dieser Vertrag entfaltet nur dann prozessuale Verpflichtungswirkung, wenn er auch prozessual wirksam ist. Nur der wirksame prozessuale Derogati­ onseffekt bringt für die Parteien also bindende Unterlassungspflichten mit sich. Dieses Ergebnis fügt sich in Hellwigs Lehre ein, dass sich die Verpflichtungs­ wirkung an der prozessualen, die Zuständigkeitsordnung unmittelbar modifi­ zierenden Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung ausrichtet.220 Eine Pflicht­ verletzung kann also nur bejaht werden, wenn im Ausland eine Klage erhoben wird, obwohl eine aus deutscher Sicht wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte vorliegt. Eine unwirksame Gerichtsstands­ vereinbarung entfaltet keine Verpflichtungswirkung. Dies ist im Übrigen ein weiteres Argument dafür, von einer eigenen prozessualen und keiner materiell­ rechtlichen Verpflichtungswirkung zu sprechen.

Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 650. Ebenso wohl Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  456 f. 220  H.-J. Hellwig, Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages (1968), S.  60. 218 

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§ 12 – C.  Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung

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C.  Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung I. Überblick Der dieser Arbeit zugrunde gelegten Definition nach liegt eine Missachtung oder Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung vor, wenn aus Sicht des gewählten Gerichts eine wirksame internationale Gerichtsstands­ vereinbarung bestand, die Vereinbarung ausschließlich war und eine der Partei­ en dennoch vor einem nicht designierten Gericht Klage erhoben hat. Nach der hier vertretenen Auffassung bildet eine solche Missachtung der Gerichtsstands­ vereinbarung eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB, weil die Gerichts­ standsvereinbarung ein Vertrag mit bindenden prozessualen Unterlassungs­ pflichten zwischen den Parteien ist. Ein Schadensersatzanspruch nach §  280 Abs.  1 BGB verlangt jedoch, dass die Pflichtverletzung auch rechtswidrig war.221 Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, ist aber im Normalfall auch nicht weiter zu prüfen: Bei vertraglichen Ansprüchen ist das vertragliche Versprechen der Ausgangspunkt, sodass Rechtswidrigkeit prinzi­ piell mit Vertragswidrigkeit gleichzusetzen ist.222 Die Verletzung einer aus dem Schuldverhältnis erwachsenden Pflicht ist also grundsätzlich auch rechtswidrig. Indes soll dies bei prozessualem Verhalten anders sein. Erhebt eine Partei eine Klage vor einem Gericht oder nimmt sie eine andere prozessuale Handlung vor, stellt sich die Frage, ob dieses Verhalten überhaupt rechtswidrig sein kann, denn schließlich nimmt sie nur eine Möglichkeit in Anspruch, die ihr von der Verfah­ rensordnung zur Verfügung gestellt wird. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob die Missachtung einer inter­ nationalen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung in einem Drittstaat auch rechtswidrig ist. Dabei sei darauf hingewiesen, dass eine rügelose Einlassung des Beklagten nach der hier vertre­ tenen Auffassung bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Schadenser­ satz wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung gerichtete Klage aus­ schließt.223 Würde man aber das Rechtsschutzbedürfnis trotz rügeloser Einlas­ 221  Nicht nur deliktische Schadensersatzansprüche setzen Rechtwidrigkeit voraus, auch wenn dies oft angenommen wird. Vgl. etwa Zeiss, NJW 1967, 703: „Jeder der genannten vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzansprüche setzt nicht nur Verschulden, son­ dern auch Rechtswidrigkeit voraus.“ 222  Vgl. Grundmann, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  276 Rn.  16. Ebenso auch Stadler, in: Jauernig BGB, 16.  Aufl. 2015, §  276 Rn.  13: „Im Rahmen des Vertragsrechts deckt sich die Rechtswidrigkeit im Wesentlichen mit der Verletzung der durch das Schuldverhältnis be­ gründeten Leistungs-(Verhaltens-)pflicht, dh mit der Pflichtverletzung iSv §  280 I.“ Vgl. außer­ dem Grüneberg, in: Palandt, 75.  Aufl. 2016, §  276 Rn.  8; Löwisch, AcP 165 (1965), 421, 422. 223  Vgl. oben Teil III §  11 D. II. 1.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

sung bejahen, müsste man jedenfalls die Rechtswidrigkeit (unabhängig davon, ob sie nicht auch aus anderen Gründen fehlt) verneinen: Wer sich rügelos auf ein ausländisches Verfahren einlässt, kann sich nicht später auf eine rechtswidrige Pflichtverletzung des Klägers berufen, sondern hat rechtfertigend in dessen Verhalten eingewilligt. II.  Die Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens im autonomen deutschen Recht Im autonomen deutschen Recht ist der materielle Rechtswidrigkeitsbegriff durch prozessuale Wertungen bedingt. Dem BGH 224 zufolge besteht nämlich grundsätzlich eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit der Klageeinleitung bzw. eines Verhaltens im Erkenntnisverfahren, und zwar selbst dann, wenn das Rechtsschutzbegehren unbegründet ist. Denn den Schutz des Beklagten über­ nimmt nach Ansicht des BGH das Verfahren selbst, indem der Beklagte die Zuständigkeit des Gerichts rügen und sich in der Sache verteidigen könne und weil das Verfahrensrecht dem Schuldner u. a. die Schadensansprüche aus den §§  717 Abs.  2, 945 ZPO zur Verfügung stelle.225 Mit anderen Worten: Die Inan­ spruchnahme einer durch das Prozessrecht zur Verfügung gestellten Möglich­ keit kann grundsätzlich nicht rechtswidrig sein, weil das Austragen einer Strei­ tigkeit bei Gericht die Schäden rechtfertigen soll, welche einer Partei durch das Verfahren selbst entstehen. Diese Rechtfertigungswirkung besteht nach der Rechtsprechung des BGH darin, dass der Kläger ein „objektives, seiner Willkür entzogenes und mit gesetzlichen Sicherungen ausgestattetes Verfahren in Gang“ setzt.226 Zur Begründung dieses Grundsatzes wird weiterhin angeführt, dass der Zugang zu den Gerichten zu stark eingeengt würde, wenn der Kläger zunächst prüfen müsste, ob seine Klage berechtigt ist oder nicht. Dann könnte die Gefahr bestehen, dass der ohnehin dem Risiko eines Prozessverlusts ausgesetzte Klä­ ger vor den Gefahren einer Verfahrenseinleitung zurückschrecken und der Rechtsschutz verkümmern würde. Dem Bürger stehe aber aus dem verfassungs­ 224 

Vgl. grundlegend BGH, 07.03.1956, NJW 1956, 787 = BGHZ 20, 169, 171; BGH, 03.10.1961, NJW 1961, 2254, 2255 = BGHZ 36, 18, 20 f.; BGH, 13.03.1979, NJW 1979, 1351, 1353 = BGHZ 74, 9, 15; BGH, 23.05.1985, NJW 1985, 1959 = BGHZ 95, 10, 17 f.; BGH, 12.05.1992, NJW 1992, 2014, 2015 f.; BGH, 25.03.2003, NJW 2003, 1934, 1935; BGH, 12.11.2004, NJW-RR 2005, 315; BGH, 23.01.2008, NJW 2008, 1147; BGH, 16.01.2009, NJW 2009, 1262. 225  So wird argumentiert in BGH, 03.10.1961, NJW 1961, 2254, 2255; BGH, 13.03.1979, NJW 1979, 1351, 1353; BGH, 12.05.1992, NJW 1992, 2014, 2015 f.; BGH, 25.03.2003, NJW 2003, 1934, 1935; BGH, 23.01.2008, NJW 2008, 1147; BGH, 16.01.2009, NJW 2009, 1262, 1263. 226  Vgl. BGH, 03.10.1961, NJW 1961, 2254, 2255.

§ 12 – C.  Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung

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rechtlichen Rechtsstaatsprinzip das Recht auf einen effizienten und nicht mit allzu großen Risiken belasteten Rechtsschutz zu.227 Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung228 lediglich für Fälle unberechtigter Schutzrechtsverwarnung, weil hier im Vergleich zu den sonstigen Rechtsberühmungen eine andere Inter­ essenlage herrsche. Denn das Interesse des Verwarnten sei höher zu bewerten als dasjenige des Verwarners. Allerdings wird die Rechtswidrigkeit in diesen Fällen durchweg im Rahmen des Anspruchs aus §  823 Abs.  1 BGB wegen Ein­ griffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erörtert und nicht im Zusammenhang mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen. In der Literatur wird dieser Rechtsprechung teilweise zugestimmt.229 Es wird etwa mit der Gefahr für den Rechtsfrieden argumentiert, wenn sich unmittelbar an ein Verfahren das nächste anschließen würde.230 Andere kritisieren die Rechtsprechung des BGH.231 Teilweise wird in Frage gestellt, ob ein prozessua­ les Verhalten tatsächlich jeder rechtlichen Bewertung außerhalb des Prozesses entzogen sein darf.232 Die Ausgestaltung des Verfahrens gewährleiste gerade nicht immer einen ausreichenden Schutz des Verfahrensgegners.233 Der An­ spruch auf Rechtsschutz gewähre kein Recht, dem Gegner Schädigungen zuzu­ 227 

Vgl. dazu aus der Rechtsprechung des BVerfG die Entscheidung vom 25.02.1987, NJW 1987, 1929 (Verfassungswidrigkeit einer Schadensersatzpflicht bei in redlicher Absicht er­ statteter, aber erfolgloser Strafanzeige). Aus der Rechtsprechung des BGH vgl. BGH, 13.03.1979, NJW 1979, 1351, 1352; BGH, 25.03.2003, NJW 2003, 1934, 1935; BGH, 23.01.2008, NJW 2008, 1147; BGH, 16.01.2009, NJW 2009, 1262, 1263. 228  Vgl. bereits RG, 27.02.1904 = RGZ 58, 24, 29. Aus der Rechtsprechung des BGH vgl. grundlegend BGH, 05.11.1962, NJW 1963, 531 = BGHZ 38, 200, 207; BGH, 30.11.1995, GRUR 1996, 812, 813; BGH, 17.04.1997, GRUR 1997, 741, 742. Vgl. dazu Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 35.  Aufl. 2017, § 4 Rn.  4.172 ff. 229  Zustimmend etwa Blomeyer, Schadensersatzansprüche des im Prozess Unterlegenen wegen Fehlverhaltens Dritter (1972), S.  37 ff., 149 ff.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  289 ff.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2007), S.  90; Sack, WRP 1976, 733, 740 f.; Sturm, JR 1972, 43 f.; Zeiss, NJW 1967, 703, 704 ff.; ders., JZ 1970, 198. 230  Vgl. Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2007), S.  90. 231  Vgl. etwa Baur, JZ 1962, 95; Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (1985), S.  98; Buchner, Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unterneh­ mensschutz (1971), S.  188 f.; Fenn, ZHR 132 (1969), 344, 360 f.; H.-J. Hellwig, NJW 1968, 1072; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung (1968), S.  236 ff.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  290 ff.; Schultz-Süchting, Dogmatische Untersuchung zur Frage eines Schadensersatzanspruches bei ungerechtfertigter Inanspruch­ nahme eins gerichtlichen Verfahrens (1971), S.  165; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 338; Weitnauer, AcP 170 (1970), 437, 449. 232  Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung (1968), S.  237. 233  Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung (1968), S.  239.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

fügen, außerdem sei der Schutzzweck der verfahrensrechtlichen Regelungen auf den innerprozessualen Bereich beschränkt.234 Götz wirft dem BGH vor, die­ se Lehre ohne dogmatische Herleitung aus dem Wunsch heraus zu vertreten, eine drohende Verkümmerung des Rechtsschutzes und eine Entwertung der Funktion des Prozesses zu verhindern. Man könne aber ein wünschens- oder billigenswertes Ergebnis nicht einfach mit dem Rechtsgefühl ohne methodische oder dogmatische Verfestigung begründen.235 Ebenfalls wird die Sonderstel­ lung der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung kritisiert, weil es nicht konse­ quent sei, in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit zu bejahen, in anderen Fällen hingegen strikt von der Rechtfertigungswirkung der Inanspruchnahme gericht­ lichen Rechtsschutzes auszugehen.236 Aber auch von Kritikern der Rechtsprechung wird die grundsätzliche Recht­ mäßigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vertreten, nur mit anderer Begründung: So ist etwa Henckel zufolge nicht jede Verletzung ei­ ner Pflicht zur redlichen Prozessführung ohne Weiteres als rechtswidrig anzu­ sehen und damit geeignet, Schadensersatz auszulösen. Eine Prozesshandlung, welche eine unzulässige Prozessausübung darstelle, sei einfach prozessual un­ zulässig – die Sanktion bestehe also darin, dass die Prozesshandlung als unzu­ lässig zurückgewiesen werde. Denn im Prozess stehe ja (anders als beim mate­ riellen Recht) das Gericht bereit, um über die Zulässigkeit einer Rechtsausübung zu entscheiden.237 Würde aber ausnahmsweise das Gericht die Unzulässigkeit der Prozesshandlung übersehen und auch nicht darauf reagieren, wenn sich die andere Partei auf sie beruft, dann könne der Fehler des Gerichts nicht der han­ delnden Prozesspartei zugerechnet werden. Die Schadensersatzpflicht diene nicht dazu, Fehler des Gerichts zu korrigieren, auch wenn ursprünglich eine unzulässige Prozesshandlung vorgenommen worden sei.238 Entstehe der Partei also ein Schaden, weil das Gericht die Prozessordnung falsch angewendet habe, sei der Gegner nicht deshalb schadensersatzpflichtig, weil er die falsche Ent­ scheidung des Gerichts durch eine unzulässige Prozesshandlung veranlasst ha­ be.239 So ist nach Henckel auch die Verletzung eines Prozessvertrags zwar eine unzulässige Rechtsausübung, nicht aber rechtwidrig – denn die Sanktionierung 234  In diese Richtung Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  91 ff., 281 ff. 235  Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  142 ff. 236  Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtli­ cher Ansprüche (1985), S.  98; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor auslän­ dischen Gerichten (1989), S.  86 f. 237  Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  290 f. 238  Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  292. 239  Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  294.

§ 12 – C.  Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung

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der Partei ergebe sich daraus, dass die vertragswidrige Prozesshandlung unzu­ lässig sei.240 Im Ergebnis soll die Grenze der Rechtswidrigkeit nur überschritten sein, wenn eine Partei den Prozess vorsätzlich missbraucht, um den Gegner zu einem nicht geschuldeten Verhalten zu veranlassen.241 III.  Übertragung der Grundsätze auf die Prozesseinleitung und Prozesshandlungen im Ausland Trotz der Kritik an der deutschen Rechtsprechung hat der BGH bis heute keine Einschränkungen daran vorgenommen. Es ist also davon auszugehen, dass de lege lata jenseits der Fälle einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung eine Klageeinleitung vor einem deutschen Gericht nicht rechtswidrig sein kann. Folgt man im nationalen Recht der Rechtsprechung des BGH zur Rechtferti­ gung einer Prozesshandlung über die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechts­ schutzes, müssen diese Grundsätze prinzipiell auch auf internationale Fallge­ staltungen übertragen werden.242 Denn die vom BGH angeführten Argumente greifen grundsätzlich auch für die Prozesseinleitung im Ausland. Auch eine Partei, die vor einem nicht deutschen Gericht eine Klage erhebt, wäre mit einem großen Risiko belastet, wenn sie nicht nur den Prozessausgang zu kalkulieren und einen möglichen Prozessverlust in Kauf zu nehmen, sondern auch mit einer Haftung auf Schadensersatz zu rechnen hätte.243 Es wäre jedenfalls überheblich, die Prozesseinleitung und Prozesshandlungen vor deutschen Gerichten grund­ sätzlich als gerechtfertigt anzusehen, eine unberechtigte Prozesseinleitung im Ausland dagegen als rechtswidrig einzuordnen. Darin würde ein Unwerturteil über den ausländischen Prozess als solchen liegen, dem die Eignung abgespro­ chen würde, im gleichen Maß wie der deutsche Prozess auf die Interessen und das Schutzbedürfnis der verklagten Partei Rücksicht zu nehmen.244 Daher muss gelten, dass sogar solche Prozesshandlungen, die auf Eigenheiten ausländischer Rechtsordnungen beruhen – wie Klagen auf punitive damages oder Handlungen Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  294 f. Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht (1970), S.  303. 242  Ebenso etwa Blomeyer, Schadensersatzansprüche des im Prozess Unterlegenen wegen Fehlverhaltens Dritter (1972), S.  44 ff.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  225; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  205 f.; Köster, Haftung wegen Forum Shop­ ping in den USA (2001), S.  90; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery (1989), S.  30; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  438; O. Sandrock, RIW 2004, 809, 815 f.; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 338. 243  So auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  88. 244  In diese Richtung auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  88; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  438. 240  241 

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im Rahmen der US-amerikanischen pre-trial discorvery – von der rechtferti­ genden Wirkung des ausländischen Zivilprozesses gedeckt sind. Der Kläger vertraut darauf, sich im Rahmen der geltenden Zivilprozessordnung zu bewe­ gen. Es verstieße gegen das Prinzip der comitas und würde zu unüberbrückba­ ren Verwirrungen im internationalen Rechtsverkehr führen, solche vom auslän­ dischen Prozess gedeckten Handlungen als rechtswidrig einzustufen. Insofern ist hier mit der ständigen Rechtsprechung auch in Bezug auf ausländische Ver­ fahren davon auszugehen, dass der Prozess selbst das Prozessverhalten der Par­ teien rechtfertigt, solange es sich innerhalb der geltenden Prozessordnung be­ wegt.245 Der BGH hatte sich mit der Frage, ob auch das ausländische Verfahren rechtfertigende Wirkung entfaltet, bislang nicht auseinanderzusetzen. Das OLG Nürnberg246 hat jedoch im Jahr 1992 entschieden, dass auch ausländischen Ver­ fahren dann, wenn sie „an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet sind“, eine rechtfertigende Wirkung zukomme. Generell gilt also, dass auch die Einleitung eines Verfahrens im Ausland oder eine in einem ausländischen Verfahren vor­ genommene Prozesshandlung gerechtfertigt ist. IV.  Besonderheiten bei abredewidrig im Ausland erhobenen Klagen Aus der prinzipiellen Gleichwertigkeit eines ausländischen mit einem inländi­ schen Verfahren wird teilweise abgeleitet, dass auch eine unter Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung erfolgte Verfahrenseinleitung im Ausland nicht rechtswidrig sein könne. Insbesondere Eichel führt zur Vernein­ einung der Rechtswidrigkeit dieselben Argumente an, die von der Schadenser­ satzansprüche generell ablehnenden Ansicht bereits gegen die in der abredewid­ rig erhobenen Klage liegende Pflichtverletzung vorgebracht wurden: Nur, wenn die Parteien die Pflicht, Klagen vor nicht gewählten Gerichten zu unterlassen, ausdrücklich vereinbart hätten, handle eine Partei, die sich eines im Ausland rechtsstaatlich eingerichteten Verfahrens bedient, rechtswidrig. Denn in einem System wie dem US-amerikanischen, in welchem kaum je mit Sicherheit vorhe­ gesagt werden könne, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung vor einem US-ame­ rikanischen Gericht Bestand haben wird, könne der Kläger schließlich nicht vorhersehen, ob das Gericht die Vereinbarung für wirksam und bindend befin­ den wird oder nicht. Eichel stellte daher die rhetorische Frage: „Sollte dies US-amerikanischen Parteien – in der Hoffnung, das Gericht von dieser Rechts­ 245  Ebenso für Klagen auf punitive damages, die discovery und fishing expeditions bereits Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  778, aller­ dings ebenfalls im Zusammenhang mit deliktischen Ansprüchen. 246  OLG Nürnberg, 10.03.1992, RIW 1993, 412, 413.

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meinung zu überzeugen – verwehrt sein, also eine Schadensersatzpflicht auslö­ sen?“247 Dabei vermischt Eichel meines Erachtens aber Aspekte der Verpflichtungs­ wirkung sowie des Vertretenmüssens mit der Frage der Rechtswidrigkeit. Ob es für den Schadensersatzanspruch erforderlich ist, dass die Parteien die aus der Gerichtsstandsvereinbarung folgenden Unterlassungspflichten ausdrücklich vereinbart haben, betrifft, wie dargestellt wurde, die Frage, ob in der abrede­ widrig erhobenen Klage eine Pflichtverletzung zu sehen ist. Bejaht man, wie hier vertreten, generell aus der Gerichtsstandsvereinbarung fließende bindende Unterlassungspflichten, wäre es inkonsequent, die Rechtswidrigkeit der Pflicht­ verletzung mangels ausdrücklich vereinbarter Unterlassungspflichten zu ver­ neinen. Doch auch die Frage, ob der Kläger in den USA darauf vertrauen oder zumindest damit rechnen konnte oder durfte, das US-amerikanische Gericht werde den Derogationseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung nicht beachten, sagt nichts über die Rechtswidrigkeit oder Rechtfertigung des Verhaltens des Klägers aus. Bei der Rechtswidrigkeit sind Fragen der inneren Gesinnung des Handelnden außer Acht zu lassen. Diese Fragen können allein im Rahmen des Verschuldens, also bei der Frage, ob der Auslandskläger die in der Klage liegen­ de Pflichtverletzung zu vertreten hat, zum Tragen kommen. In der Literatur wird folgerichtig auch von einigen vertreten, der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes müsse für im Ausland unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung initiierte Verfahren eingeschränkt werden. Dabei weichen die verschiedenen Lösungsvorschläge, die jedoch teil­ weise nur Ansprüche aus §  823 Abs.  1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichte­ ten und ausgeübten Gewerbebetrieb betreffen, voneinander ab: Zunächst wird vertreten, es habe eine Abwägung im Einzelfall stattzufinden. So warnt etwa Spickhoff, der die Rechtsprechung des BGH auch in Bezug auf reine Inlandsfälle kritisiert248, davor, die Grundsätze zur Rechtfertigung der In­ anspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens vorschnell auf internationale Konstellationen zu übertragen. Eine im Ausland erhobene Klage könne nicht mit der Einleitung eines rechtsstaatlichen Verfahrens in Deutschland gleichge­ setzt werden. Gleichzeitig könne aber selbstverständlich nicht jede Ausnutzung einer im Ausland gegebenen Zuständigkeit die Rechtswidrigkeit auslösen. Viel­ mehr müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Anrufung des ausländischen Gerichts als rechtswidrig erscheint und geeignet ist, Schadensersatzansprüche – wobei er damit Ansprüche wegen Eingriffs in den Gewerbebetrieb meint – Zum Ganzen Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr (2007), S.  225. 248  Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 338. 247 

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auszulösen.249 Ebenso plädiert auch Kurth, allerdings ebenfalls im Bereich de­ liktischer Ansprüche, für eine Abwägung im Einzelfall, in der sämtliche Inter­ essen der Parteien berücksichtigt werden sollen.250 Für diesen Ansatz spricht freilich, dass eine Abwägung im Einzelfall geeignet ist, gerechte Ergebnisse herbeizuführen. Entgegengehalten werden kann ihm aber, dass eine Interessen­ abwägung dem vertragsrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriff grundsätzlich fremd ist. Nach der Systematik des deutschen Zivilrechts findet eine Interessen­ abwägung lediglich bei der Verletzung sog. Rahmenrechte i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB – dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht – statt. Dabei handelt es sich um offene Tatbe­ stände, bei denen erst eine Abwägung der beiderseitigen Interessen zu der An­ nahme führt, dass eine Verletzung eines „sonstigen Rechts“ i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB vorliegt.251 Leider bleibt außerdem die Frage offen, anhand welcher Krite­ rien die Einzelfallabwägung vorzunehmen ist. Die Parteien sind also mit der Rechtsunsicherheit belastet, nicht vorhersehen zu können, ob die Klage im forum derogatum nun rechtswidrig ist oder nicht. Dass eine im Einzelfall vorgenommene Abwägung große Rechtsunsicherheit für die Parteien in sich birgt, wird auch bei Kösters Lösungsansatz deutlich. Der Rechtsprechung des BGH und ihrer Übertragung auch auf internationale Fall­ konstellationen grundsätzlich zustimmend, möchte Köster erst dann die Rechts­ widrigkeit einer im Ausland vorgenommenen Prozesshandlung bejahen, wenn die Grenze des aus §  242 BGB ableitbaren Vorbehalts der unzulässigen Rechts­ ausübung erreicht ist.252 Er stellt also darauf ab, ob eine bestehende Rechtslage missbräuchlich ausgenutzt wurde. Seiner Ansicht nach kann ein missbräuchli­ ches Prozessverhalten aber nur dann vorliegen, wenn es nicht mit den Mitteln des Prozessrechts selbst verhindert werden kann. Übertragen auf die Konstella­ tion, dass eine Partei eine Klage in den USA erhebt, könne daher nur dann von einer unzulässigen Rechtsausübung gesprochen werden, wenn der Kläger eine nach dem US-amerikanischen Recht formal bestehende Befugnis ausnutzt und der Beklagte sich dagegen nicht wehren kann. Für den konkreten Fall der Ver­ letzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klage in den USA möchte Köster die Rechtswidrigkeit also nur bejahen, wenn der Beklagte die Vereinbarung im US-amerikanischen Prozess nicht durchsetzen kann, also sowohl mit einer einfachen Unzuständigkeitsrüge als auch mit der Berufung auf die forum non Zum Ganzen Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 338. Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  85 ff. 251  Mehr dazu unten in Teil III §  14 D. II. 2., 3. 252  Köster, Haftung für Forum Shopping in den USA (2001), S.  92 f. 249 

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conveniens-Doktrin sowie einem Antrag auf federal transfer scheitert.253 Daran offenbart sich die Schwäche dieses Lösungsansatzes: Es ist nicht einleuchtend, die Rechtswidrigkeit der Klageerhebung davon abhängig zu machen, ob der Be­ klagte das angerufene Gericht von dessen Unzuständigkeit überzeugen und sich folglich erfolgreich gegen die Verletzung der Vereinbarung wehren konnte. Im Ergebnis würde diese Herangehensweise bedeuten, dass die Erhebung einer Kla­ ge entgegen einer offensichtlich wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung, die das US-amerikanische Gericht für reasonable befindet, sodass es der Zuständig­ keitsrüge des Beklagten gemäß das Verfahren abweist, nicht rechtswidrig wäre. Denn in diesem Fall hätte sich der Beklagte ja erfolgreich mit Mitteln des aus­ ländischen Prozessrechts zur Wehr gesetzt. Demgegenüber würde man die Rechtswidrigkeit bejahen müssen, wenn eine Partei vor ein US-amerikanisches Gericht gezogen ist, obwohl eine – aus deutscher Sicht wirksame – Gerichts­ standsvereinbarung vorlag, an deren Wirksamkeit bzw. Bestand vor einem US-amerikanischen Gericht der Kläger aber von vornherein begründete Zweifel hatte, und das Gericht die Vereinbarung dann tatsächlich verwirft und seine Zuständigkeit bejaht. Wenn man schon die Rechtswidrigkeit der Klageerhebung im ausländischen forum derogatum von der Entscheidung des angerufenen Ge­ richts abhängig machen will, wäre es genau umgekehrt einleuchtend, dann eine unzulässige Rechtsausübung und somit die Rechtswidrigkeit der Klageerhebung zu bejahen, wenn das Erstgericht die Vereinbarung ebenfalls für wirksam be­ funden und seine Zuständigkeit verneint hat. Eine solche Herangehensweise wäre nicht nur besser mit der comitas vereinbar, schließlich würde das im Se­ kundärprozess angerufene Gericht mit dem Schadenser­satzanspruch an die Ent­ scheidung des Erstgerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinba­ rung anknüpfen. Sie wäre auch gerechter und nachvollziehbarer, denn gerade wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung so offensichtlich wirksam ist, dass sich das derogierte Gericht an sie gebunden fühlt und das Verfahren abweist, muss die Klageerhebung als rechtswidrig bewertet werden. Will man schon graduelle Unterschiede zwischen verschiedenen Verletzungen von Gerichtsstandsverein­ barung machen, so muss die Verletzung einer Vereinbarung, die auch das dero­ gierte Gericht für wirksam befindet, in jedem Fall schwerer wiegen. Es schließt sich also die Folgefrage an, ob die Rechtswidrigkeit genau umge­ kehrt nur dann bejaht werden kann, wenn sich auch das Erstgericht an die Ver­ einbarung gebunden fühlte und daher seine Zuständigkeit aufgrund der Verein­ barung abgelehnt hat. Danach wäre also in Variante 2 des Beispielsfalls 1, in der das New Yorker Gericht seine Zuständigkeit bejaht hat, die in der Klageerhe­ bung in den USA liegende Vertragsverletzung gerechtfertigt. Dagegen würde 253 

Köster, Haftung für Forum Shopping in den USA (2001), S.  93.

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man in Variante 1 die Rechtswidrigkeit bejahen können, weil dort auch das New Yorker Gericht von der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausging. Jedenfalls in diese Richtung geht der bereits geschilderte Vorschlag Sandrocks, der in Fällen der Variante 1, in denen das ausländische Gericht die Vereinbarung anerkennt und seine Zuständigkeit verneint, unproblematisch Schadensersatz gewähren, in Fällen der Variante 2, in denen sich das ausländische Gericht für zuständig erklärt, hingegen eine Interessenabwägung vornehmen möchte. Schadensersatzansprüche sollen in Fällen der Variante 2 nur in Frage kommen, wenn die US-amerikanische Partei habe erkennen lassen, sie werde die ihr durch das Heimatrecht eingeräumte Befugnis, ein US-amerikanisches Gericht anzurufen, nicht in Anspruch nehmen. Denn nur dann hätte die deutsche Partei nicht damit rechnen müssen, die andere Partei werde entgegen der Vereinba­ rung in den USA klagen, und sei daher schutzwürdig.254 Wie bereits dargestellt wurde, läuft diese Interessenabwägung also im Ergebnis darauf hinaus, dass in Fällen der Variante 2 letztlich nur bei einer einigermaßen expliziten Vereinba­ rung über das Bestehen von Unterlassungspflichten Schadensersatzansprüche möglich sind, wobei nicht ganz klar ist, ob Sandrock diese Abwägung im Be­ reich der Pflichtverletzung, der Rechtswidrigkeit oder des Vertretenmüssens verorten will.255 Darin besteht aber auch die Schwäche von Sandrocks Lösungs­ vorschlag: Gegen die von ihm vorgeschlagene Interessenabwägung spricht zu­ nächst, dass sie Aspekte der Verpflichtungswirkung, der Rechtswidrigkeit und des Vertretenmüssens vermischt. Davon abgesehen ist das Kriterium der Schutzwürdigkeit des Beklagten aber auch inhaltlich nicht überzeugend: Ob die – in seinem Beispielsfall – deutsche Partei damit hätte rechnen müssen, ihr Ver­ tragspartner werde sie abredewidrig im Ausland, z. B. in den USA, verklagen, kann nicht für die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Auslandsklägers bestim­ mend sein. Ob die Klageerhebung im forum derogatum rechtswidrig war oder nicht, muss für sich genommen beurteilt werden. Offen bleibt jedoch die Frage, ob Sandrocks Differenzierung zwischen den beiden Fallgruppen zu folgen ist. Sollte also danach entschieden werden, ob das ausländische Gericht seine Zu­ ständigkeit bejaht hat (dann würde die Rechtswidrigkeit fehlen) oder ob es seine Zuständigkeit aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung verneint hat (sodass die Rechtswidrigkeit bejaht werden könnte)? Wie schon erwähnt, spricht für einen solchen Lösungsansatz die Achtung der fremden Souveränität. Diese Herangehensweise wäre also am besten mit dem völkerrechtlichen Gebot der comitas zu vereinbaren. Hat das ausländische Ge­ richt seine Zuständigkeit selbst abgelehnt, spricht nichts dagegen, die Klageer­ 254  255 

Vgl. O. Sandrock, RIW 2004, 809, 816. Vgl. dazu bereits oben Teil III §  12 B. X. 3.

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hebung vor diesem Gericht als rechtswidrig zu bezeichnen. Gegen das Kriterium spricht aber wiederum, dass Anknüpfungspunkt der Rechtswidrigkeit allein das Verhalten des Auslandsklägers sein kann. Außerdem gebietet es die Rechtssi­ cherheit, dass von Anfang an klar beurteilt werden kann, ob die Klage im aus­ ländischen Forum rechtswidrig ist oder nicht. Die Rechtswidrigkeit von der Entscheidung des Gerichts abhängig zu machen, würde also zu Rechtsunsicher­ heit führen, weil erst im Nachhinein beurteilt werden könnte, ob die Klageerhe­ bung rechtswidrig war oder nicht. Der Lösungsvorschlag, wenn auch aus rechts­ politischen Gründen naheliegend, ist außerdem in dogmatischer Hinsicht zwei­ felhaft, weil er die nach dem Prorogationsstatut, also deutschem Recht, zu beurteilende Frage der Rechtswidrigkeit von der Entscheidung eines ausländi­ schen Gerichts abhängig machen würde. Die Rechtswidrigkeit der in der Klage­ erhebung im forum derogatum liegenden Vertragsverletzung kann jedoch nicht danach beurteilt werden, ob das ausländische Gericht einen strengen oder weni­ ger strengen Maßstab bei der Beurteilung der eigenen Derogation anlegt. An­ dernfalls würde eine Partei in aller Regel rechtswidrig handeln, wenn sie in ei­ nem Staat klagt, dessen Gerichte Vereinbarungen über die ausschließliche Zu­ ständigkeit der Gerichte eines anderen Staates grundsätzlich anerkennen – so wie etwa die anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten. Demgegenüber müsste die Rechtswidrigkeit in den meisten Fällen verneint werden, in denen die Partei absichtlich vor dem Gericht eines Staates klagt, dessen Verfahrensordnung die Derogation der eigenen Zuständigkeit zugunsten ausländischer Gerichte gene­ rell verbietet, denn in diesen Fällen würde das angerufene Gericht seine (sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebende) Zuständigkeit regelmäßig bejahen. Wie diese Beispielsfälle zeigen, darf die Entscheidung des abgewählten Gerichts nicht ausschlaggebend für die Rechtswidrigkeit der Klageerhebung sein. Einen wieder anderen Lösungsvorschlag macht Schröder, der die Entschei­ dung unter Heranziehung der Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Urteile vornehmen möchte.256 Danach soll die Inanspruchnahme des ausländi­ schen Verfahrens dann keine rechtfertigende Wirkung entfalten, wenn die An­ erkennung der zu erwartenden Entscheidung nach einem der in §  328 Abs.  1 Nr.  1 bis 4 ZPO genannten Gründe zu versagen wäre. Insofern spricht Schröder von einer „materiellrechtlich mutierte[n]“ negativen Anerkennungsprognose.257 Seine Meinung begründet er damit, dass die in Nr.  1 bis 4 des §  328 Abs.  1 ZPO Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 539 f.; sich anschließend Jasper, Forum shopping in England und Deutschland (1990), S.  91. Kritisch dagegen Hau, Positive Kompe­ tenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  205 f.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  91 f.; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfah­ ren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  92 ff. 257  Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 539. 256 

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aufgezählten Mängel nicht nur das ausländische Urteil, sondern bereits das Ver­ fahren aus deutscher Sicht unrechtmäßig erscheinen ließen.258 In den hier unter­ suchten Fällen, in denen der Auslandskläger eine aus Sicht des deutschen Ge­ richts wirksame Gerichtsstandsvereinbarung verletzt hat, wäre sein Verhalten also stets rechtswidrig, weil die Anerkennung der ausländischen Entscheidung (außer bei rügeloser Einlassung des Beklagten) am Spiegelbildprinzip des §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO scheitern würde. Der Ansicht kann zugute gehalten werden, dass sie die generelle Wertentscheidung berücksichtigt, die der deutsche Gesetz­ geber in §  328 ZPO für das Verhältnis zu ausländischen Zivilprozessen getroffen hat. Außerdem kann nach dieser Lösung die Rechtswidrigkeit bereits im Zeit­ punkt der Klage beurteilt werden, jedenfalls soweit sie auf einer Verletzung des Spiegelbildprinzips beruht. Der Ansatz differenziert weiterhin nicht danach, wie das ausländische Gericht über seine eigene Zuständigkeit entschieden hat. Auch dieser Vorschlag ist in seiner methodischen Begründung aber nicht ganz über­ zeugend. Ihm kann nämlich ebenfalls entgegengehalten werden, dass Anknüp­ fungspunkt der Rechtswidrigkeit allein das Verhalten der Partei sein kann, die vor einem ausländischen Gericht Klage erhebt, nicht dagegen die Entscheidung durch das Gericht.259 Der Anspruch auf Schadensersatz richtet sich schließlich gegen den Prozessgegner, der vor dem falschen Gericht klagt, und nicht gegen das ausländische Gericht. Jenseits der Fälle der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung wird außerdem zu Recht kritisiert, dass die fehlen­ de Anerkennungsfähigkeit einer Entscheidung nicht immer auch bedeutet, dass bereits die Klageerhebung und das Verfahren an sich aus deutscher Sicht un­ rechtmäßig waren – schließlich handle es sich etwa bei der ordre public-Kont­ rolle nach §  328 Abs.  1 Nr.  4 ZPO um eine reine Ergebniskontrolle.260 V.  Eigene Ansicht: Die Vertragswidrigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit Ob in der Klageerhebung in einem ausländischen, aus deutscher Sicht derogier­ ten Forum eine rechtswidrige Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB liegt, sollte nicht anhand einer Abwägung im Einzelfall ermittelt werden. Denn Inte­ ressenabwägungen werden grundsätzlich nur im Deliktsrecht bei der Frage, ob ein Rahmenrecht verletzt worden ist, vorgenommen, nicht aber im Vertrags­ recht. Außerdem birgt eine Abwägung Rechtsunsicherheit, weil unklar ist, wel­ Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 540. So auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  205; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerich­ ten (1989), S.  92 f. 260  Vgl. zu diesem Argument Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  92. 258  259 

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che Kriterien dafür herangezogen werden. Ebenfalls sollte die Rechtswidrigkeit weder von der Entscheidung des ausländischen Gerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung noch von der Anerkennungsfähigkeit der (zu erwartenden) ausländischen Entscheidung abhängig gemacht werden, weil An­ knüpfungspunkt für die Rechtswidrigkeit allein das Verhalten des Auslandsklä­ gers sein kann und aus Gründen der Rechtssicherheit von vornherein feststehen muss, ob die Klage rechtswidrig ist oder nicht. Einzig richtig erscheint es, zu den eingangs wiedergegebenen Worten Grundmanns zurückzukehren, wonach bei vertraglichen Ansprüchen das vertragliche Versprechen der Ausgangspunkt ist, sodass Rechtswidrigkeit prinzipiell mit Vertragswidrigkeit gleichzusetzen ist.261 Die Rechtswidrigkeit folgt in den hier untersuchten Fällen nicht aus einem allgemein missbilligenswerten Tun oder Unterlassen, sondern aus einem unmittelbar gegen den Vertrag gerichteten Ver­ halten. Auch wenn sich der Auslandskläger eines im derogierten Forum legalen Verfahrens bedient, wird die Rechtswidrigkeit durch das Zuwiderhandeln gegen den Vertrag indiziert.262 Dabei spielen weder die Einstellung oder Gesinnung des Auslandsklägers, der u. U. in redlicher Absicht handelt, noch die Wertungen des ausländischen Verfahrensrechts oder die Entscheidung des ausländischen Gerichts eine Rolle. Die innere Gesinnung des Auslandsklägers betrifft die Fra­ ge, ob ihm die rechtswidrige Handlung persönlich vorwerfbar ist, muss also im Rahmen des Vertretenmüssens untersucht werden. Hingegen folgt die Rechts­ widrigkeit seines Verhaltens automatisch aus der Verletzung einer vertraglich zugesagten Unterlassungspflicht, ohne dass es dafür einer Interessenabwägung, weiterer Umstände, die auf eine besondere Missbräuchlichkeit schließen lassen, oder einer Bewertung der Rechtsstaatlichkeit des ausländischen Verfahrens be­ darf. Darin liegt auch der Vorteil dieser Herangehensweise: Sie bietet zum einen die erforderliche Rechtssicherheit, indem ohne Einzelfallabwägung feststeht, dass die abredewidrig erhobene Klage ein rechtswidriges Verhalten bedeutet. Andererseits verzichtet sie auf eine Bewertung der ausländischen Verfahrens­ ordnung, des Prozesses als solchen oder auch der (zu erwartenden) ausländi­ schen Entscheidung, weil Anknüpfungspunkt für die Rechtswidrigkeit allein das aus deutscher Sicht vertragswidrige Verhalten des Auslandsklägers ist. Diese Ansicht ist sowohl inhaltlich sinnvoll als auch in dogmatischer Hinsicht überzeugend. Die Rechtsprechung und der Meinungsstand im Schrifttum soll­ ten nicht ohne Weiteres auf die vorliegende Konstellation übertragen werden, weil die Diskussion sonst generell im Bereich des Deliktsrechts geführt wird, Vgl. Grundmann, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  276 Rn.  16. Ebenfalls für die Rechtswidrigkeit einer Klageerhebung im ausländischen forum derogatum aufgrund von Vertragswidrigkeit Mankowski, IPRax 2009, 23, 26; Peiffer, Schutz ge­ gen Klagen im forum derogatum (2013), S.  440 f. 261 

262 

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nicht aber im Bereich vertraglicher Sekundäransprüche. Haben die Parteien sich vertraglich dazu verpflichtet, vor keinem anderen als dem gewählten Gericht oder den gewählten Gerichten zu klagen, herrscht eine andere Interessenlage als in den anderen Fällen einer missbilligenswerten Prozesshandlung. Denn in den hier untersuchten Fällen greifen die beiden vom BGH schwerpunktmäßig ange­ führten Argumente für die Rechtsfertigungswirkung der Inanspruchnahme ei­ nes gerichtlichen Verfahrens nicht: Erstens greift, wie auch Peiffer263 zu Recht ausführt, in den Fällen einer ausschließlichen Prorogation das von der Recht­ sprechung gebrauchte Hauptargument, die Möglichkeit zu rechtswidrigem Ver­ halten würde zu einer Verkümmerung des Rechtsschutzes führen, nicht. Nor­ malerweise wird nämlich, wie dargestellt, damit argumentiert, die Parteien müssten gerichtlichen Rechtsschutz suchen können, ohne das Risiko einer Schadensersatzhaftung einzugehen, sodass die Erhebung einer Klage nicht rechtswidrig sein dürfe. Die Parteien einer ausschließlichen Gerichtsstandsver­ einbarung sind aber in keinem Fall rechtsschutzlos gestellt, schließlich können sie jederzeit vor das gewählte Gericht ziehen, ohne das Risiko einzugehen, auf diese Weise eine rechtswidrige Handlung zu begehen. Es gibt also immer min­ destens ein Gericht, bei dem eine Klage ohne jedes Haftungsrisiko eingereicht werden kann, sodass von einer Verkümmerung des Rechtsschutzes in diesem Fall keine Rede sein kann. Entweder das in der Vereinbarung benannte Gericht führt dann das Verfahren in der Sache durch oder es befindet die Vereinbarung für unwirksam und verneint seine Zuständigkeit. Dann aber kann die Vereinba­ rung auch keine Sperrwirkung mehr entfalten und den Parteien steht es frei, vor andere, in der Vereinbarung nicht benannte Gerichte zu ziehen, ohne sich da­ durch schadensersatzpflichtig zu machen. Zweitens läuft auch das andere von der Rechtsprechung bemühte Argument, das Prozessrecht übernehme den Schutz der anderen Partei selbst, leer, wenn die redliche Partei vor einem dero­ gierten ausländischen Gericht verklagt wird.264 Dringt der Beklagte mit seiner Zuständigkeitsrüge nicht durch, weil das ausländische Gericht die eigene Dero­ gation generell nicht anerkennt oder weil es die Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund von Ermessenserwägungen für nicht bindend hält, liegt gerade kein ausreichender Schutz durch das ausländische Verfahrensrecht vor. Und auch, wenn das Gericht die Derogation letztlich anerkennt, also in Fällen der Variante 2 des Fallbeispiels 1, kann es sein, dass die redliche Partei bereits hohe außerge­ richtliche Kosten zu verbuchen hat, wobei ihr – anders als in einem deutschen Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  441. In diese Richtung argumentieren auch Fenn, ZHR 132 (1969), 344, 358 f.; Kurth, Inlän­ discher Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  86; Schultz-Süchting, Dogmatische Untersuchung zur Frage eines Schadensersatzanspruches bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens (1971), S.  106. 263 

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Verfahren – aber kein prozessualer Kostenerstattungsanspruch aus §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO zusteht, sondern sie die Kosten aufgrund der American rule of costs selbst tragen muss. Auch in diesen Fällen kann nicht die Rede davon sein, dass der Beklagte ausreichend durch die ihm vom ausländischen Prozessrecht zur Verfügung gestellten Mittel geschützt werde. Es bleibt daher als Ergebnis festzuhalten, dass die Rechtswidrigkeit von der Verletzung einer aus deutscher Sicht wirksamen ausschließlichen internationa­ len Gerichtsstandsvereinbarung durch Klage in einem Drittstaat indiziert wird. In der Klage liegt also stets eine rechtswidrige Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB, wenn nicht ausnahmsweise eine rechtfertigende Einwilligung der im abredewidrig angerufenen Forum verklagten Partei vorliegt, sich diese also rügelos auf das Verfahren eingelassen hat. Dann ist die Schadensersatzklage nach der hier vertretenen Auffassung aber bereits mangels Rechtsschutzbedürf­ nisses als unzulässig abzuweisen.265 Keine Auswirkungen auf die Frage der Rechtswidrigkeit hat es, wie das abredewidrig angerufene ausländische Gericht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entschieden, ob es seine Zuständigkeit also bejaht oder verneint hat.

D.  Das Vertretenmüssen des Auslandsklägers I. Überblick Die rechtswidrige Verletzung einer Unterlassungspflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnis konstituiert noch immer keinen Schadens­ ersatzanspruch aus §  280 Abs.  1 BGB. Denn nach dem Grundsatz der Verschul­ densabhängigkeit des Schadensersatzes im deutschen Recht muss der Auslands­ kläger die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Gemäß §  276 Abs.  1 S.  1 BGB hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. II.  Einschränkung der Haftung auf arglistiges Verhalten? Im Zusammenhang mit der Verletzung von Mediations- und Schiedsvereinba­ rungen vertritt Sandrock, dass für eine Haftung nach §  280 BGB ein arglistiges oder missbräuchliches Verhalten des Klägers erforderlich sei.266 Es sei nämlich davon auszugehen, „[…] dass die Parteien, als sie ihre Schiedsvereinbarung ab­ 265 

Vgl. oben Teil III §  11 D. II. 1. Vgl. O. Sandrock, IDR 2004, 106, 111; sich anschließend von Bodungen/Pörnbacher, in: Taktik im Schiedsverfahren (2008), S.  121, 149 f. für den Fall der Verletzung einer Schiedsvereinbarung. 266 

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schlossen, derselben obligatorische Verpflichtungswirkungen nur dann beimes­ sen wollten, wenn sich die eine oder andere Partei arglistig oder missbräuchlich verhalten würde.“ Die Einschränkung des Haftungsmaßstabs hält er deshalb für geboten, weil es „[…] um die Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen im prozessualen Bereich geht.“ Ein Indiz für eine solche Einschränkung soll sich insbesondere aus den Lehren vom arglistigen prozessualen Verhalten und vom unzulässigen forum shopping, die auf Grundlage des §  826 BGB entwickelt worden sind, ergeben.267 Zwar schlägt Sandrock die Haftungsbeschränkung nicht auch für die Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen vor. Es stellt sich aber trotzdem die Frage, ob auch in diesem Zusammenhang eine Beschrän­ kung des Haftungsmaßstabs der §§  280 Abs.  1, 276 Abs.  1 S.  1 BGB geboten ist. Dieser Ansicht ist aber schon deshalb nicht zuzustimmen, weil sie zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Verpflichtungswirkung und Verschul­ denserfordernis führt, wenn davon gesprochen wird, dass die Parteien der Ver­ einbarung Verpflichtungswirkung nur bei Rechtsmissbrauch würden beimessen wollen. Außerdem ist dem Argument, die Einschränkung des Haftungsmaßstabs sei deshalb geboten, weil es um die Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen im prozessualen Bereich gehe, nicht zu folgen. Auch wenn die auf §  826 BGB basierenden Haftungsinstitute des arglistigen Prozessverhaltens oder des unzu­ lässigen forum shopping Arglist bzw. Rechtsmissbrauch voraussetzen, bedeutet das nicht, dass eine Haftung wegen eines prozessualen Verhaltens stets nur bei Missbrauch erfolgt. Sandrock benennt den entscheidenden Unterschied schließ­ lich selbst, indem er von der Erfüllung vertraglicher Pflichten im prozessualen Bereich spricht. Das Vorliegen einer Vertragsverletzung rechtfertigt das gegen­ über einer deliktischen Haftung nach §  826 BGB niedrigere Verschuldenserfor­ dernis. Der Gesetzgeber hat sich schließlich sogar dafür entschieden, im Bereich vertraglicher Sekundäransprüche auf Schadensersatz die aus den §§  282, 285 BGB a. F. bekannte Beweislastumkehr in §  280 Abs.  1 S.  2 BGB beizubehal­ ten.268 Weiterhin ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der übereinstimmende Parteiwille auf eine Einschränkung des Haftungsmaßstabs gerichtet sein sollte. III.  Einschränkung der Vermutung für das Vertretenmüssen in §  280 Abs.  1 S.  2 BGB? Will man schon eine Beschränkung der Haftung des Schuldners erreichen, liegt es näher, bei der Vermutungsregel in §  280 Abs.  1 S.  2 BGB anzusetzen. Nach dieser Vorschrift trägt der Schuldner grundsätzlich die Darlegungs- und Be­ 267 

268 

O. Sandrock, IDR 2004, 106, 111. Vgl. dazu Ernst, in: MünchKomm, 7.  Aufl. 2016, §  280 Rn.  34.

§ 12 – D.  Das Vertretenmüssen des Auslandsklägers

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weislast dafür, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wird wie hier vertreten, dass jede ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung auch ohne eine dahingehende ausdrückliche Formulierung bindende Verpflichtungswirkungen entfaltet und dass weiter jede Verletzung einer internationalen Gerichtsstands­ vereinbarung durch Klageerhebung im ausländischen forum derogatum rechts­ widrig ist, sollten die Anforderungen an den vom Schuldner zu führenden Ent­ lastungsbeweis nach §  280 Abs.  1 S.  2 BGB nicht zu hoch angesetzt werden. Es sollte also nicht vorschnell auf die Vermutungsregel zurückgegriffen und das Vertretenmüssen bejaht, sondern im Einzelfall geprüft werden, ob der Aus­ landskläger schuldhaft handelte. Nur so kann ausgeglichen werden, dass Pflicht­ verletzung und Rechtswidrigkeit ohne Interessenabwägung oder Bewertung des Klägerverhaltens generell bejaht werden. Denn im Bereich des Vertretenmüs­ sens kann endlich die Frage zum Tragen kommen, wie es sich auswirkt, wenn der Auslandskläger in redlicher Absicht handelte oder jedenfalls davon ausging, er dürfe die Gerichtsstandsvereinbarung von einem heimischen Gericht anhand der in seinem Heimatrecht herrschenden Kriterien überprüfen lassen. Es sollte also im Einzelfall geprüft werden, ob der Auslandskläger vorsätzlich oder fahr­ lässig i. S. v. §  276 Abs.  1 BGB handelte. IV. Die im Schrifttum vertretenen Ansichten zu den Anforderungen an Vorsatz und Fahrlässigkeit Im deutschen Schrifttum wird die Frage, wann der Auslandskläger die in der Klage liegende Pflichtverletzung zu vertreten hat, nur von wenigen erörtert. Da­ bei wird das Verhalten des Klägers recht wohlwollend beurteilt. Dass dem Kläger tatsächlich einmal Vorsatz vorzuwerfen ist, wollen sowohl Köster als auch Peiffer auf Ausnahmefälle begrenzt lassen.269 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass im Zivilrecht Vorsatz nicht nur ein bewusstes und gewolltes Handeln voraussetzt, sondern auch – im Gegensatz zum Strafrecht – eines in Kenntnis der Rechtswidrigkeit.270 Bei einem Irrtum über die Rechtslage könne also kein Vorsatz angenommen werden. Bei einem US-amerikanischen Kläger, der entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte in den USA klagt, scheide Vorsatz also regelmäßig aufgrund eines Irrtums über die Rechtslage aus, weil der Kläger sich in aller Regel für Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  94; Peiffer, Schutz ge­ gen Klagen im forum derogatum (2013), S.  442. 270  BGH, 08.02.1965, NJW 1965, 962, 963; Stadler, in: Jauernig BGB, 16.  Aufl. 2015, §  276 Rn.  15. Im Schrifttum ist die Frage, ob das Unrechtsbewusstsein tatsächlich für den zivilrechtlichen Vorsatz erforderlich ist, allerdings durchaus umstritten, vgl. die Darstellung des Streitstands bei Grundmann, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  276 Rn.  158 ff. 269 

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berechtigt gehalten habe, in den USA klagen zu dürfen. Dafür könne er sich nämlich auf das US-amerikanische Prozessrecht berufen, welches ihm die Mög­ lichkeit eröffne, eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines ausländischen Staates einer ermessensbasierten Prüfung zu unterwerfen. Köster will Vorsatz daher nur in dem seltenen Fall bejahen, in welchem dem Kläger bewusst ist, dass die entgegen einer nach deutschem Recht wirksamen Gerichts­ standsvereinbarung in den USA erhobene Klage aus Sicht des deutschen Rechts rechtswidrig ist.271 Auch Peiffer vertritt die Ansicht, der Kläger könne sich in aller Regel darauf berufen, er habe sich lediglich Gedanken darüber gemacht, ob seine Klage den Anforderungen der ausländischen Prozessordnung genügt, nicht aber darüber, ob die Klageerhebung im Ausland aus Sicht des deutschen Rechts rechtmäßig oder rechtswidrig war.272 Doch auch Fahrlässigkeit bejahen sowohl Köster als auch Peiffer nur unter relativ hohen Voraussetzungen. Weil es sich bei der Fahrlässigkeit um einen objektiven Maßstab handle, komme es nicht auf die individuellen Fähigkeiten des konkreten Schuldners an, sondern auf das Maß an Sorgfalt, welches von typischen Gruppenangehörigen, also durchschnittlichen Angehörigen des be­ treffenden Verkehrskreises, erwartet werden könne.273 Es müsse also darauf abgestellt werden, ob für einen typischen Gruppenangehörigen die Rechtswid­ rigkeit der Pflichtverletzung erkennbar war. Köster vertritt daher die Ansicht, der Kläger handle nur dann rechtswidrig, wenn er mit der deutschen Rechtsord­ nung in einer so engen Verbindung steht, dass von ihm Kenntnis des deutschen Rechts erwartet werden kann. Denn nur dann sei die Rechtswidrigkeit der Kla­ geerhebung im Ausland für ihn erkennbar gewesen.274 Eine solch enge Verbin­ dung zum deutschen Recht bejaht er lediglich für Personen mit Wohnsitz oder dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland oder für in Deutschland Handel treiben­ den Kaufleute, weil auch von diesen erwartet werden könne, dass sie ihr Pro­ zessverhalten am deutschen Recht ausrichten. Von anderen Personen könne da­ gegen nicht verlangt werden, ihr Prozessverhalten nicht nur am heimischen, sondern auch am deutschen Recht auszurichten, sodass dann von einem nicht erkennbaren Rechtsirrtum auszugehen sei.275 Dem schließt sich Peiffer an, der­ Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  95. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  442. 273  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  95; Peiffer, Schutz ge­ gen Klagen im forum derogatum (2013), S.  442 f. 274  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  95. 275  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  95 f. Damit wendet sich Köster gegen die Ansicht von Hohloch, RIW 1987, 353, 361, der wegen der komplizierten Rechtslage stets vom Auslandskläger die Einholung eines kollisionsrechtlichen Gutachtens verlangt. 271 

272 

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zufolge die entscheidende Frage lautet, welcher Personengruppe der Auslands­ kläger angehören müsse, sodass davon ausgegangen werden könne, die nach deutschem Recht vorliegende Pflicht- und Rechtswidrigkeit seines Verhaltens sei für ihn erkennbar gewesen. Dies bejaht sie für dieselben Personengruppen wie Köster, nämlich für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland sowie für Kaufleute, die in Deutschland Handel treiben.276 Diese Ansicht hätte also zur Folge, dass beispielsweise eine Partei, die in den USA oder einem anderen Staat (und nicht in Deutschland) mit einem deutschen Unternehmen Handel treibt und sich mit diesem auf eine Gerichtsstandsverein­ barung zugunsten der deutschen Gerichte einigt, grundsätzlich nicht fahrlässig handeln würde, wenn sie entgegen der Vereinbarung vor ein US-amerikani­ sches oder ein anderes ausländisches Gericht zieht. V.  Eigene Ansicht 1.  Grundsätzlich genügt das Kennenmüssen der Vertragswidrigkeit für den Fahrlässigkeitsvorwurf Die von Köster und Peiffer vertretene Ansicht ist meines Erachtens jedoch dem Auslandskläger gegenüber zu großzügig. Zuzustimmen ist ihr darin, dass Vor­ satz häufig ausscheidet, weil der Auslandskläger oft keine positive Kenntnis von der Pflicht- und Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aus Sicht des deutschen Rechts hat. Indes kann Fahrlässigkeit nicht bloß bei den aufgezählten Personen­ gruppen, also Auslandsklägern mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland bzw. in Deutschland Handel treibenden Kaufleuten, bejaht werden, sondern wird in den meisten Fällen abredewidrig im Ausland erhobener Klagen vorliegen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass gemäß §  85 Abs.  2 ZPO das Verschulden des Bevollmächtigten dem der Partei gleichsteht. Gerade in internationalen Handelsstreitigkeiten wird der Auslandskläger aber in aller Regel anwaltlich vertreten sein. Einen mit einer internationalen Prozessführung betrauten Rechtsanwalt treffen aber strengere Verhaltensanforderungen als den Auslands­ kläger. Ein Verschulden des Auslandsklägers wäre daher in den meisten Fällen bereits über die Zurechnung des Verschuldens seines Prozessbevollmächtigten nach §  85 Abs.  2 ZPO zu bejahen.277 Man könnte allerdings die Ansicht vertre­ 276  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  4 43. Ähnlich auch schon Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  171 f. 277  Dann stellt sich die interessante weiterführende Frage, ob der Anwalt, der entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung Klage vor einem abgewählten Gericht erhoben hat, seinem Mandanten gegenüber u. U. ersatzpflichtig ist.

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ten, dass dann, wenn der Auslandskläger seinen Anwalt mit der Erhebung einer Klage im Ausland, im Beispielsfall 1 also mit einer Klageerhebung in den USA, beauftragt hat, nur auf sein eigenes Verschulden und nicht das seines Anwalts abgestellt werden dürfe, weil in diesem Fall er selbst die Entscheidung für eine Klage in den USA getroffen hat. Doch auch wenn man dieser Meinung folgen und allein auf den Auslandskläger selbst abstellen sollte, ist das Vertretenmüs­ sen häufiger zu bejahen, als in der Literatur bislang vertreten: Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unterliegt einem objektiven Maßstab, gemeint ist also diejenige Sorgfalt, die nach dem Urteil besonnener und gewis­ senhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zum Zeit­ punkt des zu beurteilenden Verhaltens zu beachten ist.278 Für einfache Fahrläs­ sigkeit genügt es dabei, dass für einen dem entsprechenden Verkehrskreis ent­ stammenden objektiven Dritten in der Rolle des Schuldners der Pflichtenverstoß und dessen Rechtswidrigkeit erkennbar279 und vermeidbar280 waren.281 Zu klä­ ren ist also, für Personen welchen Verkehrskreises der in der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung liegende Pflichtenverstoß erkennbar sowie ver­ meidbar ist. Ausgangspunkt für diese Überlegung muss die Frage sein, worin überhaupt der Pflichtenverstoß besteht, worauf sich also Erkennbarkeit und Vermeidbar­ keit beziehen müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung besteht der Pflich­ tenverstoß des Auslandsklägers in einem Handeln wider die Gerichtsstandsver­ einbarung, also allein in der von ihm begangenen Vertragsverletzung. Außer­ dem folgt die Rechtswidrigkeit nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls allein aus der Vertragswidrigkeit des Verhaltens des Auslandsklägers. Generell gilt aber, dass sich auch das Verschulden dann, wenn im Rahmen von Schuld­ verhältnissen die Rechtswidrigkeit des Verhaltens von der Vertragswidrigkeit indiziert wird, nur auf die Vertragswidrigkeit beziehen muss. Besteht der Pflich­ tenverstoß in einer Vertragsverletzung, muss also allein die Verpflichtung er­ kennbar gewesen sein.282 Für die Erkennbarkeit des Pflichtenverstoßes muss es daher ausreichen, wenn der Auslandskläger wissen muss, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung ein ver­ tragliches Versprechen beinhaltet und er dieses Versprechen verletzt, indem er vor ein anderes als das benannte Gericht zieht. Der Auslandskläger muss also BGH, 20.10.1987, NJW 1988, 909; BGH, 27.03.2003, NJW 2003, 2022, 2024; Stadler, in: Jauernig BGB, 16.  Aufl. 2015, §  276 Rn.  29. 279  BGH, 07.05.1996, NJW-RR 1996, 980; Schroeder, JZ 1989, 776. 280  BGH, 07.05.1996, NJW-RR 1996, 980. 281  Grundmann, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  276 Rn.  52. 282  Grundmann, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  276 Rn.  52. 278 

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nur erkennen können, dass er gegen einen Vertrag handelt.283 Es sollte für den Fahrlässigkeitsvorwurf daher nicht erforderlich sein, dass der Auslandskläger Kenntnis des deutschen Rechts hat. Beim Prinzip der Vertragstreue – pacta sunt servanda – handelt es sich um ein universelles Prinzip, dessen Normappell grundsätzlich jeden Teilnehmer am Rechtsverkehr erreicht. Auch der Laie muss daher grundsätzlich wissen, dass er einen Vertrag nicht ohne Konsequenzen brechen darf. Auch ohne Kenntnis des deutschen Rechts ist für eine Partei, die entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung vor ein abgewähl­ tes Gericht zieht, erkennbar, dass sie eine Vertragsverletzung begeht. Weiter ist für sie erkennbar, dass jede Vertragsverletzung grundsätzlich nicht rechtmäßig sein kann. Es ist also allein darauf abzustellen, ob für den Auslandskläger er­ kennbar war, dass er mit dem Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung einen Vertrag mit der anderen Partei eingegangen ist und eine Klage vor einem abge­ wählten Gericht daher ein Verhalten darstellt, das gegen den Vertragsinhalt ge­ richtet ist. Dann trifft ihn auch der Vorwurf, die Rechtswidrigkeit seines Ver­ haltens kennen zu müssen. Die den Fahrlässigkeitsvorwurf begründende Er­ kennbarkeit liegt daher nicht nur bei solchen Personen vor, die in Deutschland ansässig sind oder regelmäßig in Deutschland als Kaufleute Handel treiben. Auch von anderen Parteien, z. B. Kaufleuten, die in den USA oder einem ande­ ren ausländischen Staat Handel treiben und eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte eingehen, ist die Kenntnis zu verlangen, dass die Verletzung der Vereinbarung einen Vertragsbruch darstellt und Vertragsver­ letzungen grundsätzlich rechtswidrig sind. Aus der Erkennbarkeit des Pflichtenverstoßes folgt dann grundsätzlich auch dessen Vermeidbarkeit. Wer erkennen muss, dass er einen bindenden Vertrag eingegangen ist, kann grundsätzlich auch ein Handeln gegen den Vertrag ver­ meiden. Doch auch in den Fällen, in denen der Auslandskläger Zweifel daran hat, ob er entgegen der Vereinbarung vor einem abgewählten Gericht Klage er­ heben darf, ist es ihm zuzumuten, Rechtsrat einzuholen. Wer eine Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte eingeht, muss sich auch darüber informieren, ob die Vereinbarung wirksam ist und welche vertraglichen Pflichten ihm die Vereinbarung auferlegt. Dafür sprechen auch die im ersten Teil dieser Arbeit erläuterten Motive, die Parteien im internationalen Rechtsver­ kehr zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung bewegen. Die Gerichts­ standsvereinbarung dient dem forum planning und ist u. U. von einer Partei hart 283  Für die Verletzung von Schiedsvereinbarungen noch weiter Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1202, die nur darauf abstellen, ob die vertragsbrüchige Partei von der Existenz der Schiedsvereinbarung hätte wissen müssen: „Thereby, a party in breach will in almost all cases not be able to reasonably excuse its behaviour, as it was either aware or could not have been unaware of the existence of an arbitration agreement.“

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erfochten worden. Diese Partei hat möglicherweise Zugeständnisse beim Inhalt des Hauptvertrags gemacht. Wegen der besonderen Bedeutung der Gerichts­ standsvereinbarung kann diese Partei von ihrem Vertragspartner daher auch verlangen, im Zweifel Rechtsrat einzuholen, statt rechtsblind vor ein abgewähl­ tes Gericht zu ziehen. Grundsätzlich gilt daher, dass eine Partei, die entgegen einer ausschließli­ chen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte in einem Staat, der nicht Mitgliedstaat der EuGVVO ist, z. B. in den USA, Klage erhebt, fahrlässig handelt, sobald für sie erkennbar war, dass es sich bei der Gerichts­ standsvereinbarung um einen Vertrag handelt und sie mit der Klage im Ausland gegen den Vertrag verstößt. Dies ist aber grundsätzlich für jeden, der am inter­ nationalen Rechtverkehr teilnimmt und eine Gerichtsstandsvereinbarung ein­ geht, erkennbar. Ebenfalls ist der Pflichtverstoß grundsätzlich auch für jeder­ mann vermeidbar, wobei im Zweifel die Einholung von Rechtsrat verlangt wer­ den kann. 2.  Einschränkungen für bestimmte Fallgruppen? a)  Irrtum über Wirksamkeit, Umfang oder Ausschließlichkeit der Vereinbarung Der hier vertretene Ansatz kann jedoch möglicherweise zu einer ausufernden Haftung führen. Es stellt sich daher die Frage, ob für bestimmte Fallgruppen Korrekturen vorzunehmen sind.284 Zunächst sind solche Fälle denkbar, in denen der Auslandskläger davon ausging, die Gerichtsstandsvereinbarung sei aus Gründen der Form oder wegen Mängeln in der Einigung unwirksam. Auch möglich ist es, dass nach Einschätzung des Klägers der konkrete Streit nicht in den Anwendungsbereich der Gerichtsstandsvereinbarung fällt. Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn zwischen den Parteien mehrere Verträge vorlie­ gen, die teilweise nicht mit Gerichtsstandsvereinbarungen gekoppelt sind oder bei denen die Forumswahl voneinander abweicht. Weiterhin ist denkbar, dass der Auslandskläger die Vereinbarung nicht für ausschließlich hält. In all diesen Fällen muss es bei dem generellen Ansatz bleiben, dass eine Partei, die eine in­ ternationale Gerichtsstandsvereinbarung eingeht, grundsätzlich Rechtsrat ein­ zuholen hat, wenn sie Zweifel an deren Wirksamkeit oder Auslegung hat. In solchen Fällen ist der Pflichtenverstoß für sie erkennbar und vermeidbar, die vertragsbrüchige Partei handelt also fahrlässig. Briggs nennt zehn Fallgruppen für die Gesinnung des vertragsbrüchigen Klägers, die er selbst nicht als abschließend sieht, vgl. 12 Yearbook of Private International Law (2010), 311, 319. 284 

§ 12 – D.  Das Vertretenmüssen des Auslandsklägers

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b)  Keine Kenntnis von der Existenz der Vereinbarung Davon zu unterscheiden sind solche Fälle, in denen die vertragsbrüchige Partei überhaupt keine Kenntnis von der Existenz der Gerichtsstandsvereinbarung hatte. In diesen Fällen sollte differenziert werden: Haben die Parteien die Ge­ richtsstandsvereinbarung frei ausgehandelt, ist sie also in einer normalen Ver­ tragsbestimmung enthalten, kann sich keine der Parteien darauf berufen, sie habe die Existenz der Vereinbarung schlicht vergessen oder verkannt. Dann handelt die vertragsbrüchige Partei also wiederum fahrlässig, weil sie um die Existenz der Gerichtsstandsvereinbarung hätte wissen müssen. Anders sollten dagegen die Fälle behandelt werden, in denen die Gerichtsstandsvereinbarung Teil der von einer Partei verwendeten AGB ist. Jedenfalls wenn es sich bei der anderen Partei um einen Verbraucher handelt, kann sich dieser schuldbefreiend darauf berufen, er habe vom Inhalt der AGB gar keine Kenntnis genommen. In solchen Fällen sollte das Kennenmüssen also einem strengeren Maßstab unter­ liegen.285 Denn es widerspricht der praktischen Wirklichkeit, von einem Ver­ braucher zu verlangen, dass er tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der von seinem Vertragspartner verwendeten AGB nimmt. Ihn trifft daher nicht der Vorwurf des Kennenmüssens. Verfügt der Verbraucher dagegen tatsächlich über Kennt­ nis vom Inhalt der AGB und damit der Gerichtsstandsvereinbarung, handelt er auch fahrlässig, wenn er dennoch vor ein abgewähltes Gericht zieht. Denn auch einen Verbraucher erreicht der Normappell, dass man grundsätzlich nicht gegen einen Vertrag handeln darf und dass Vertragsverletzungen grundsätzlich rechts­ widrig sind.286 Ein Kaufmann oder Unternehmer sollte sich dagegen generell nicht darauf berufen können, er habe vom Inhalt der AGB keine Kenntnis ge­ nommen. Von ihm ist zu verlangen, dass er sich über deren Inhalt informiert und notfalls Rechtsrat einholt. c)  Klageerhebung, „um die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem heimischen Recht überprüfen zu lassen“ Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen die vertragsbrüchige Partei sich lediglich an der ausländischen Rechtsordnung orientiert und darauf hofft, das ausländische Gericht werde die Vereinbarung einer Ermessensprüfung unter­ werfen und im Ergebnis nicht anerkennen. Sandrock etwa vertritt, es sei legitim Vgl. auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Han­ delsverkehr (2007), S.  79, der bereits für die wirksame Einbeziehung von AGB, die eine Ge­ richtsstandsvereinbarung enthalten, eine qualifizierte Kenntnisnahmemöglichkeit verlangt. 286  Freilich sind diese Fälle ohnehin eher akademischer Natur, weil eine Gerichtsstands­ vereinbarung in AGB gegenüber einem Verbraucher in den meisten Rechtsordnungen erheb­ lichen Wirksamkeitshindernissen ausgesetzt ist. 285 

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und nicht rechtsmissbräuchlich, wenn eine Partei die Vereinbarung von ihrem Heimatgericht nach dem jeweils maßgebenden Statut auf deren Wirksamkeit überprüfen lassen will, wenn diese aus irgendeinem Grund zweifelhaft erschei­ ne.287 Auch Eichel gibt für US-amerikanische Parteien zu bedenken, dass es ihnen nicht verwehrt sein könne, vor einem heimischen, eigentlich abgewählten Gericht zu klagen, in der Hoffnung, das Gericht von der Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung überzeugen zu können.288 Wagner wiederum be­ mängelt, dass die US-amerikanische Partei die Geltung der American rule of costs gewohnt sei und nicht damit rechnen könne, dass die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands und daraus folgende Schadensersatzansprüche diese Regel im Endeffekt umkehren könnten.289 Auch wenn diese Erwägungen nicht immer im Bereich des Vertretenmüssens vorgenommen werden, sondern zum Teil bereits dazu dienen, die Verpflichtungswirkung oder die Rechtswid­ rigkeit zu verneinen, wurde in dieser Untersuchung mehrfach darauf hingewie­ sen, dass es sich bei der Gesinnung des Auslandsklägers um einen Aspekt han­ deln muss, der bei der Frage des Vertretenmüssens zum Tragen kommt. Handelt also eine Partei, die lediglich in der Hoffnung klagt, das ausländische Gericht werde die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam befinden, und sich über­ haupt keine Gedanken über das deutsche Recht macht, in redlicher Absicht, so­ dass ihr Verhalten damit nicht sorgfaltswidrig und vorwerfbar ist? Meines Erachtens rechtfertigt eine solche Absicht des Auslandsklägers gera­ de keine Durchbrechung des generellen Ansatzes, dass für den Auslandskläger grundsätzlich erkennbar ist, dass er einen Vertrag eingegangen ist und diesem Vertrag zuwider handelt. Wieso sollte ein legitimes Interesse daran bestehen, die Wirksamkeit einer Vereinbarung von einem durch die Vereinbarung gerade abgewählten Gericht überprüfen zu lassen? Würde man ein solches Interesse bejahen, liefen solche Vereinbarungen meist ins Leere. Nur weil die heimischen Gerichte ihre eigene Zuständigkeit großzügig bejahen und dem Derogationsef­ fekt von Vereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte nicht Folge leisten, ist für die vertragsbrüchige Partei dennoch erkennbar, dass sie mit der Gerichts­ standsvereinbarung einen Vertrag eingegangen ist, welcher aus Sicht des ge­ wählten Gerichts u. U. wirksam ist. Will sie die Vereinbarung auf ihre Wirk­ samkeit überprüfen lassen, kann sie dies vom gewählten Gericht verlangen. Andernfalls könnten sich Parteien aus Staaten, in denen Gerichtsstandsverein­ barungen zugunsten anderer Staaten generell nicht anerkannt werden, stets da­ rauf berufen, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Vereinbarung aus O. Sandrock, IDR 2004, 106, 111 f. (im Zusammenhang mit Schiedsvereinbarungen). Eichel, AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  225. 289  G. Wagner, Prozeßverträge (1998), S.  258. 287 

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Sicht des deutschen Rechts ein bindender Vertrag ist. In Bezug auf US-amerika­ nische Parteien ist außerdem zu bedenken, dass, wie gezeigt wurde, gerade in der US-amerikanischen Rechtsprechung anerkannt ist, dass es sich bei der Ge­ richtsstandsvereinbarung um einen bindenden Vertrag handelt, dessen Verlet­ zung vertragliche Schadensersatzansprüche begründen kann. Gerade Parteien aus diesen Staaten dürfte es also schwerfallen, sich wegen Unkenntnis des deut­ schen Rechts auf einen Rechtsirrtum berufen zu können. Insgesamt bleibt es daher dabei: Wer eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte ei­ nes fremden Staates eingeht, kann sich auch nicht schuldbefreiend auf die feh­ lende Kenntnis des Rechts dieses Staates berufen, sondern muss dafür einste­ hen, dass für ihn erkennbar war, dass die Vereinbarung aus Sicht des in ihr be­ zeichneten Gerichts wirksam und verpflichtend sein könnte. An der Grenze befinden sich wohl diejenigen Fälle, in denen der Auslands­ kläger berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auch aus Sicht des gewählten Gerichts haben durfte. Ein solcher Fall kann bei­ spielsweise dann gegeben sein, wenn sich die Rechtsprechung zur Behandlung von Gerichtsstandsvereinbarungen in diesem Staat häufig ändert. In solchen unklaren Fällen sollte im Wege einer Abwägung im Einzelfall danach gefragt werden, ob die vertragsbrüchige Partei ein legitimes Interesse hatte, vor dem abgewählten Gericht zu klagen. Das wäre zu bejahen, wenn sie nach den Um­ ständen des Falls mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen konnte, dass die Vereinbarung auch aus Sicht des bezeichneten Gerichts unwirksam ist. Ging der Kläger jedoch lediglich davon aus, die Vereinbarung sei nach dem Recht des forum derogatum, nicht aber des forum prorogatum unwirksam oder das angerufene Gericht werde sie aufgrund von Ermessenserwägungen nicht beachten, war für ihn erkennbar, sich eigentlich seinem Vertragspartner gegen­ über verpflichtet zu haben und daher rechtswidrig zu handeln. Dann war der Pflichtenverstoß für ihn außerdem auch vermeidbar. 3.  Vertretenmüssen der Fortführung des Verfahrens im forum derogatum Nach dem hier vertretenen Ansatz hat der vertragsbrüchige Kläger die Pflicht­ verletzung in den meisten Fällen zu vertreten, weil ihn zumindest der Vorwurf der Erkennbarkeit der Vertragsverletzung trifft. Doch auch wenn er ausnahms­ weise die Klageerhebung im ausländischen forum derogatum nicht zu vertreten hat, z. B. weil er keine Kenntnis von der Existenz der Gerichtsstandsvereinba­ rung hatte und auch nicht haben musste, kann er zumindest die Fortführung des Verfahrens zu vertreten haben. Dies kann dann der Fall sein, wenn die andere Partei die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts unter Berufung auf die Ge­ richtsstandsvereinbarung gerügt hat, der Kläger das Verfahren jedoch weiter

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betreibt. In einem solchen Fall ist ihm die Fortführung des Verfahrens im abge­ wählten Gericht persönlich vorwerfbar, sodass er der anderen Partei für den Schaden haften muss, der ihr deshalb entstanden ist, weil er das Verfahren im forum derogatum fortgeführt hat.

E.  Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche aus rechtspolitischen Erwägungen? Die vorangegangene Untersuchung hat ergeben, dass sich eine Partei, die eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte verletzt, indem sie in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO eine Klage erhebt, grundsätzlich nach §  280 Abs.  1 BGB schadensersatzpflich­ tig macht. Die gesetzlichen Voraussetzungen eines vertraglichen Schadenser­ satzanspruchs sind erfüllt. Allerdings dürften nach der hier vertretenen An­ sicht, wonach eine Gerichtsstandsvereinbarung echte Unterlassungspflichten erzeugt, grundsätzlich auch die Anforderungen an den Erlass eines Prozessfüh­ rungsverbots erfüllt sein. Trotzdem werden in Deutschland – aus rechtspoliti­ schen oder völkerrechtlichen Erwägungen heraus – per se keine Prozessfüh­ rungsverbote erlassen.290 Daher stellt sich die berechtigte Frage, ob auch Scha­ densersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung aus rechtspolitischen oder völkerrechtlichen Erwägungen ausgeschlossen sind. Die Ergebnisse der dogmatischen Untersuchung müssen also möglicherweise einer rechtspolitisch motivierten Korrektur unterworfen werden. Tatsächlich bestehen teilweise erhebliche Parallelen zwischen anti-suit in­ junc­tions und den hier untersuchten Schadensersatzansprüchen.291 Sowohl Pro­ zessführungsverbote als auch solche Schadensersatzpflichten verfolgen den Zweck, die andere Partei vom Prozessieren in einem anderen Staat abzuhalten. Das Gericht, das die anti-suit injunction erlässt oder Schadensersatz gewährt, mischt sich also in beiden Fällen in gewisser Weise in ein (bevorstehendes) Ver­ fahren im Ausland ein. Allerdings liegt in der Gewährung von Schadensersatz das vergleichsweise mildere Mittel: Die andere Partei wird nicht unmittelbar daran gehindert, das 290 

Vgl. dazu oben Teil I §  6 F. V. Hess, JZ 2014, 538, 542 sieht nur einen graduellen Unterschied zwischen dem Erlass einer anti-suit injunction und der Verurteilung zum Schadensersatz (allerdings bezogen auf die Fälle, in denen ein Schiedsgericht eine Partei zur Leistung von Schadensersatz wegen der Erhebung einer Klage vor einem staatlichen Gericht trotz Vorliegens einer Schiedsverein­ barung verurteilt). Ähnlich auch (im Zusammenhang mit Gerichtsstandsvereinbarungen) Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  249. 291 

§ 12 – E.  Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche?

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Verfahren im Ausland zu betreiben, und die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts wird auch nicht im Voraus geprüft. Vielmehr greift Schadensersatz zeitlich erst nach dem schädigenden Ereignis, die Schadensersatzklage wird erst im Anschluss an das Verfahren im forum derogatum erhoben. So gesehen wirkt das Schadensersatz gewährende Gericht weder unmittelbar noch mittelbar auf das ausländische Verfahren ein und hindert das ausländische Gericht auch nicht daran, selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Eine Verletzung des comitas-Grundsatzes scheidet daher aus. Eine Einwirkung findet lediglich auf die andere Partei statt, indem ein drohender Schadensersatzprozess diese von vorn­ herein davon abschrecken kann, im abgewählten Forum zu klagen.292 In diesem ex ante bestehenden Abschreckungseffekt mag man einerseits eine Belastung für am internationalen Rechtsverkehr beteiligte Parteien sehen, die der Gefahr ausgesetzt sind, sich wegen einer Verfahrenseinleitung schadensersatzpflichtig zu machen. Andererseits handelt es sich um eine überschaubare Gefahr. Das Risiko, sich schadensersatzpflichtig zu machen, besteht schließlich nicht bei je­ der Anrufung eines unzuständigen Gerichts, sondern nur bei der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung, also nur, wenn die Parteien einen Prozess­ vertrag über die Zuständigkeitsfrage eingegangen sind. Hat sich der Kläger aber auf eine Gerichtsstandsvereinbarung eingelassen und dafür möglicherweise so­ gar Zugeständnisse im Rahmen der übrigen Vertragsverhandlungen genossen, ist es auch nicht unbillig, wenn er das Risiko trägt, sich durch die Verfahrens­ einleitung in einem anderen als dem vereinbarten Gericht schadensersatzpflich­ tig zu machen. Im Übrigen wird dadurch auch nicht die Rechtsweggarantie tan­ giert, weil ja mit dem vereinbarten Gericht stets mindestens ein Gericht zur Verfügung steht, bei dem beide Parteien risikolos klagen können. Allein berech­ tigt ist in diesem Zusammenhang die Befürchtung, die Möglichkeit, sich scha­ densersatzpflichtig zu machen, könnte die Parteien davon abschrecken, über­ haupt eine Gerichtsstandsvereinbarung einzugehen.293 Allerdings sollte auch diese Gefahr nicht überschätzt werden. Schließlich dürfte wegen einer potenti­ ellen Schadensersatzhaftung nur eine solche Partei von vornherein davor zu­ rückschrecken, eine Gerichtsstandsvereinbarung einzugehen, die zumindest auch in Erwägung zieht, im Streitfall vor ein anderes als das in der Vereinba­ rung benannte Gericht zu ziehen. Der redlichen Partei ist aber nicht dadurch gedient, wenn sich ihr Vertragspartner lediglich deshalb unbedacht mit dem Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung für einverstanden erklärt, weil ihm im Falle einer Missachtung der Vereinbarung ohnehin keine Sanktionen drohen. Insgesamt ist der Abschreckungseffekt, der von der Möglichkeit einer 292  293 

Vgl. auch Sánchez-Fernández, Yearbook of Private International Law (2010), 377, 390. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  493.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Schadensersatzhaftung wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung ausgeht, daher ein wünschenswerter.294 Vergleicht man anti-suit injunctions mit den hier untersuchten Schadenser­ satzpflichten, sollte man sich außerdem ins Gedächtnis rufen, dass nach der hier und teilweise auch im übrigen Schrifttum vertretenen Auffassung Prozessfüh­ rungsverbote zum Schutz einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung – sog. contractual anti-suit injunctions – anders als die in den common law-Staa­ ten ebenfalls möglichen convenience-based injunctions gerade nicht aus rechts­ politischen Erwägungen bzw. wegen einer Verletzung der comitas unzulässig sind. Ein Gericht, das ein Prozessführungsverbot erlässt, um den Antragsgegner an der Verfahrenseinleitung oder -fortführung im derogierten Verfahren zu hin­ dern, stellt seine eigene Kompetenzordnung gerade nicht über diejenige in dem anderen Staat, sondern handelt allein zum Schutz der Gerichtsstandsvereinba­ rung. Dass in Deutschland auch zum Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen keine Prozessführungsverbote erlassen werden, ist damit kaum einem Konsens über deren Unzulässigkeit geschuldet als vielmehr dem Umstand, dass es sich nun einmal bei allen anti-suit injunctions um der deutschen Rechtstradition völ­ lig unbekannte Fremdkörper handelt.295 Hingegen sind Schadensersatzansprü­ che auch den Staaten des civil law-Kreises bekannt. Die spanischen Entschei­ dungen 296 haben bereits unter Beweis gestellt, dass sich die Möglichkeit, Scha­ densersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu gewähren, auch auf dem Kontinent etablieren könnte. Für eine Zulässigkeit der hier untersuchten Schadensersatzansprüche streitet daher auch das Gerechtig­ keitsargument. Problematisch ist freilich, dass es mit dem Schadensersatzprozess zu einer Verfahrensdopplung kommt. Ein im Ausland abgeschlossenes Verfahren wird vom gewählten Gericht quasi wieder neu aufgerollt. Solche Schadensersatzkla­ gen sind daher ökonomisch ineffizient, indem die justiziellen Ressourcen zwei­ er Staaten beansprucht werden und der Streit um die Zuständigkeit nur um eine Ebene verschoben wird. Dies sollte aber von den beteiligten Staaten zum Schutz der redlichen Partei hinzunehmen sein.297 Außerdem darf auch im Kontext der ökonomischen Effizienz keine zu einseitige Perspektive eingenommen werden, vielmehr ist die Schadensersatzmöglichkeit auch in diesem Zusammenhang ambivalent. Denn auf der anderen Seite kann der Abschreckungseffekt, den die Etablierung der Schadensersatzmöglichkeit haben könnte, die Parteien auch 294  Ebenso Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  243. 295  Vgl. zum Ganzen oben Teil I §  6 F. V. 296  Vgl. oben Teil II §  9 C. II. 297  So auch Ambrose, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 401, 415 f.

§ 12 – E.  Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche?

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dazu anhalten, eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht zu verletzen. Wie darge­ stellt, haben Gerichtsstandsvereinbarungen eine friedensstiftende Funktion, indem die Kalkulierbarkeit des Verfahrensausgangs im gewählten Forum die Parteien u. U. von vornherein davon abhält, überhaupt vor Gericht zu ziehen, sondern sie dazu animiert, eine außergerichtliche Einigung anzustreben.298 Da­ mit sind Gerichtsstandsvereinbarungen nicht nur den Parteiinteressen dienlich, sondern auch dem sparsamen Umgang mit justiziellen Ressourcen und damit gesamtwirtschaftlichen Interessen.299 Folglich kann auch die abschreckende Wirkung eines möglichen Schadensersatzprozesses gesamtwirtschaftlichen In­ teressen dienen, indem sie dazu führen kann, dass es sich klagewillige Parteien in der Zukunft zweimal überlegen, ob sie wirklich vor ein abgewähltes Gericht ziehen und sich damit einem Schadensersatzrisiko aussetzen wollen oder ob nicht doch eine Klage im prorogierten Gericht oder – weil der Verfahrensaus­ gang im forum prorogatum ohnehin vorhersehbar ist – eine außergerichtliche Einigung vorteilhafter ist. Über diesen Disziplinierungseffekt einer drohenden Schadensersatzpflicht kann bereits frühzeitig eine sinnvolle Verhaltenssteue­ rung bewirkt werden.300 Selbstverständlich ist der Schutz, den die redliche Partei über eine Schadens­ ersatzklage erlangen kann, begrenzt. Mankowski etwa bemängelt, Schadenser­ satz helfe letztlich nicht in den Torpedo-Fällen, in denen kleinere Unternehmen bereits Bankrott gegangen sind, während sich ihre zahlungsunwilligen Kunden in negative Feststellungsklagen vor langsam arbeitenden Gerichten geflüchtet haben.301 Sander und Breßler teilen diese Ansicht und bemerken, der Abschre­ ckungseffekt sei für den Torpedokläger gering, weil sich das Torpedoopfer oh­ nehin häufig auf einen ungünstigen Vergleich einließe, bei dem es vermutlich bereit wäre, auf den Schadensersatzanspruch zu verzichten.302 Auch Illmer be­ wertet die Alternative, Schadensersatz zu verlangen, als „[…] häufig umständ­ lich, mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet und daher im Vergleich zu an­ ti-suit injunctions wenig effizient.“ Bezogen auf das englische Recht mutmaßt er also: „Sie wäre daher kaum geeignet, den Verlust der anti-suit injunction auszu­ gleichen.“303 Der geäußerten Skepsis ist zuzustimmen. Schadensersatzklagen 298 

Vgl. dazu oben Teil I §  3 B. III. 3. Dazu ausführlich Taylor, 66 Temple Law Review (1993), 785. 300  Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  428 (für bereiche­ rungsrechtliche Rückforderungsklagen) und S.  494 (für Schadensersatzklagen). 301  Mankowski, RIW 2004, 481, 497; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  247. Ähnlich auch Baatz, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2004, 25, 28; Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77, 79. 302  Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 174. 303  Illmer, IPRax 2011, 514, 515 m. w. N. in Fn.  15. Vgl. auch ders., SchiedsVZ 2011, 248, 251 (im Zusammenhang mit Schiedsvereinbarungen): „Unabhängig von der fraglichen Ver­ 299 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung werden nicht immer geeignet sein, die redliche Partei wirksam zu schützen. Verursachen sie im Ver­ gleich zu anti-suit injunctions weniger Belastungen für die zwischenstaatlichen Beziehungen, weil sie erst nachträglich greifen, besteht darin auch ihre Schwachstelle. Denn Schadensersatzansprüche geben der redlichen Partei kei­ nen taktischen oder zeitlichen Vorteil, sondern kommen immer erst zum Zug, wenn diese bereits einen Schaden erlitten hat, sind also ein spätes Heilmittel.304 Das von den Parteien mit dem Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung ur­ sprünglich angestrebte Ziel, nämlich eine schnelle Sachentscheidung durch das prorogierte Gericht ohne eine vorgeschaltete, u. U. komplizierte Zuständigkeits­ prüfung herbeiführen zu können, kann nachträglich über den Schadensersatz­ anspruch nicht mehr erreicht werden.305 Außerdem muss die redliche Partei Zeit und Kosten aufwenden, um in einem neuen Prozess nachträglichen Schutz zu erlangen. Und dennoch kann sie über eine Schadensersatzklage wenigstens Ersatz eini­ ger der Nachteile erlangen, die sie mit einem Antrag auf Erlass eines Prozess­ führungsverbots nicht (mehr) hätte abwenden können. Denn auch durch den Erlass einer anti-suit injunction können nicht alle Schäden, die der redlichen Partei drohen, abgewendet oder rückgängig gemacht werden. Die Schadenser­ satzmöglichkeit ist jedenfalls teilweise geeignet, die von der redlichen Partei erlittenen Nachteile, insbesondere die Beeinträchtigung der mit dem Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung beabsichtigten Planungssicherheit, zu kompen­ sieren.306 Dass Schadensersatz ex post wirkt, hat zudem den Vorteil, dass in diesem Zeitpunkt bereits feststeht, ob die Vereinbarung wirksam war und aus welchen Motiven und mit welchen Folgen der Kläger gehandelt hat.307 Zudem kann in Mehrparteienverhältnissen, in denen nicht alle Parteien an die Gerichts­ standsvereinbarung gebunden sind, eine Möglichkeit zur Verhinderung einan­ der widersprechender Entscheidungen darin bestehen, das gesamte Prozessie­ ren vor einem abgewählten Gericht zuzulassen, der durch die Gerichtsstands­ einbarkeit mit der EuGVO und den praktischen Schwierigkeiten der Schadensberechnung ist eine Schadensersatzklage eher Ausdruck mangelnder Alternativen der Parteien als eine – insbesondere aus gesetzgeberischer Sicht – überzeugende Antwort auf die Problematik von Parallelverfahren.“ 304  Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 552; Nuyts, in: de Vareil­ les-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  55, 57; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  428 (für bereicherungsrechtli­ che Rückforderungsklagen). 305  Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judi­ cial Area (2007), S.  27, 45. 306  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  494. 307  Sánchez-Fernández, Yearbook of Private International Law (2010), 377, 390.

§ 12 – F.  Zusammenfassung

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vereinbarung geschützten Partei aber im Nachhinein Schadensersatz zu gewähren.308 Und letztlich hat Schadensersatz auch den Vorteil, dass er in seiner Höhe und hinsichtlich der ersatzfähigen Posten variieren kann und damit flexi­ bler und anpassungsfähiger ist als eine anti-suit injunction, die dem Alles-odernichts-Prinzip folgt309 – auch wenn die Schadensberechnung einige Herausfor­ derungen bergen mag. Gerade im Verbund mit anderen Schutzmechanismen können Schadensersatzansprüche daher ein sinnvolles Mittel sein, um abrede­ widrig erhobene Klage von vornherein zu verhindern oder die daraus für die redliche Partei entstandenen Nachteile zu kompensieren.310 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Möglichkeit, einer Partei Schadensersatz zu gewähren, weil sie entgegen einer ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung in einem anderen Staat verklagt worden ist, gewissen rechtspolitischen Bedenken begegnet. Außerdem wirft die Verfahrensdopplung Zweifel an der ökonomischen Effizienz der Schadensersatzmöglichkeit auf. Fer­ ner ist die Schadensersatzklage nicht immer geeignet, die redliche Partei umfas­ send zu schützen. Diese Bedenken sind aber nicht ausreichend, um Schadenser­ satzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung generell auszuschließen. Die Kritikpunkte, vor allem die rechtspolitischen Bedenken, mahnen lediglich zu einem maßvollen Umgang mit der Schadensersatzmöglich­ keit. Das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht sollte im Einzelfall die Auswirkungen, welche in der Gewährung von Schadensersatz für das zwi­ schenstaatliche Verhältnis liegen könnten, berücksichtigen. Korrekturen kann es vor allem bei der Bestimmung der ersetzbaren Schadensposten vornehmen.

F.  Zusammenfassung Erhebt eine Partei eine Klage vor einem drittstaatlichen, z. B. US-amerikani­ schen Gericht, obwohl eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten eines deutschen Gerichts bzw. der deutschen Gerichte besteht, begeht sie eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB. Denn die Gerichtsstandsver­ einbarung entfaltet prozessuale Unterlassungspflichten, weil die Parteien einan­ der das Versprechen geben, vor keinem anderen als dem gewählten Gericht oder den gewählten Gerichten zu klagen. Die Pflichtverletzung ist auch rechtswidrig, Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 83. So waren nur manche Parteien an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt in Donohue v. Armco Inc. & others [2002] 1 Lloyd’s Rep.  425, [2002] CLC 440 (H. L.). Vgl. dazu oben Teil II §  8 C. II. 1. c). 309  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 641. 310  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  494. 308 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

und zwar unabhängig von der Entscheidung des im Ausland angerufenen Ge­ richts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Die Rechtswid­ rigkeit folgt in beiden Varianten des Beispielsfalls 1, ohne dass eine Interessen­ abwägung vorgenommen werden sollte, aus der Vertragswidrigkeit des Kläger­ handelns. In den meisten Fällen hat der Auslandskläger die Pflichtverletzung auch gemäß §§  280 Abs.  1 S.  2, 276 Abs.  1 S.  1 BGB zu vertreten. Zwar wird er selten vorsätzlich, also in Kenntnis der Pflicht- und Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aus Sicht des deutschen Rechts, gehandelt haben. Doch Fahrlässig­ keit wird in den meisten Fällen zu bejahen sein. Denn für eine Partei, die eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte eingeht, ist grundsätzlich erkennbar, dass es sich bei der Vereinbarung um einen bindenden Vertrag handelt und sie mit der Klageerhebung im Ausland gegen den Vertrag verstößt. Weil die Rechtswidrigkeit allein aus der Vertragswidrigkeit folgt, ist für die Partei außerdem auch die Rechtswidrigkeit erkennbar. Weiterhin ist der Pflichtenverstoß für sie auch vermeidbar, wobei es einer Partei, die eine Ge­ richtsstandsvereinbarung zugunsten ausländischer Gerichte eingeht, grundsätz­ lich auch zuzumuten ist, sich für die notwendige Kenntnis des ausländischen Rechts Rechtsrat einzuholen. Fahrlässigkeit scheidet nur ausnahmsweise aus, z. B. wenn es sich bei der vertragsbrüchigen Partei um einen Verbraucher han­ delt, die Gerichtsstandsvereinbarung Teil der durch die andere Partei gestellten AGB war und der Verbraucher tatsächlich keine Kenntnis von der Gerichts­ standsvereinbarung hatte (wobei der Schadensersatzanspruch in diesen Fällen häufig bereits an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und damit an der Pfichtverletzung scheitern wird). Erfolgte außerdem nicht bereits die Er­ hebung der Klage schuldhaft, so kann sich das Vertretenmüssen jedenfalls auf die Fortführung des Verfahrens trotz Zuständigkeitsrüge der anderen Partei be­ ziehen. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Auslandskläger sich eigentlich oh­ nehin in vielen Fällen das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach §  85 Abs.  2 ZPO zurechnen lassen muss. Schließlich wird die Möglichkeit, einer Partei Schadensersatz zu gewähren, weil sie entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung im Ausland verklagt wurde, auch nicht von rechts­ politischen Erwägungen ausgeschlossen. Im Beispielsfall 1 besteht nach der hier vertretenen Auffassung daher in beiden Varianten, d. h. unabhängig von der Entscheidung des abgewählten Gerichts, grundsätzlich ein Schadensersatzan­ spruch aus §  280 Abs.  1 S.  1 BGB des „Redlich“ gegen den „Brüchig“.

§  13  Vertragliche Schadensersatzansprüche: Anspruchsumfang und Durchsetzung der Entscheidung im Ausland A.  Überblick Mit dem Ergebnis, dass die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts oder der deutschen Gerichte durch Klageerhebung im Ausland einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gemäß §  280 Abs.  1 BGB begründet, sind noch immer nicht alle Aspekte der Untersuchung geklärt. Dieses Kapitel widmet sich den Rechtsfolgen eines ver­ traglichen Schadensersatzanspruchs. Es soll zunächst ermittelt werden, welche konkreten Schadensposten ersetzbar sind (B.). Sodann wird geprüft, welche Aussicht eine vertraglichen Schadensersatz gewährende Entscheidung eines deutschen Gerichts auf Durchsetzbarkeit im Ausland hat (C.). Dabei wird auch in diesem Kapitel lediglich das Verhältnis zu Drittstaaten am Beispiel der USA behandelt; Besonderheiten zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO oder die möglichen Auswirkungen des HGÜ werden später untersucht.1

B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensanspruchs I.  Einführung und Aufteilung in Fallgruppen Es ist die Bemessung des der nicht vertragsbrüchigen Partei aufgrund der Ver­ letzung der Gerichtsstandsvereinbarung entstandenen Schadens, die manchen Vertretern aus dem Schrifttum die größten Bedenken gegenüber der Schadens­ ersatzmöglichkeit verursacht. Immer wieder wird bemerkt, der Schaden sei kaum zu beziffern und die Idee, die der redlichen Partei aus dem Vertragsbruch erwachsenen Nachteile über einen Schadensersatzanspruch zu kompensieren, daher wenig praxistauglich.2 Vor allem dann, wenn das derogierte Gericht eine 1  2 

Nämlich in Teil III §  15. In diese Richtung etwa Gross, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2005,

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Entscheidung in der Sache getroffen hat, stellt sich die komplizierte Frage, ob das Zweitgericht hypothetische Verfahrensverläufe prüfen darf. So entschied z. B. der englische Court of Appeal in OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp.3, dass Schadensersatz nicht ebenso effektiv sei wie der Erlass einer anti-suit injunction, weil (neben seiner negativen Auswirkungen auf die interna­ tional comity) die Berechnung des Schadensersatzes zu schwierig sei. Bei Schiedsvereinbarungen wird darüber hinaus bemängelt, der Nichteintritt des mit der Schiedsvereinbarung bezweckten Erfolgs, den Streit unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor ein Schiedstribunal anstelle eines staatlichen Gerichts zu bringen, könne im Nachhinein ohnehin nicht mehr kompensiert werden. Der in der Möglichkeit, auf dem Schiedsweg zu prozessieren, liegende Wert, sei durch den Schadensersatz also nicht mehr ersetzbar.4 Doch auch wenn die Schadensberechnung schwierig zu beantwortende Fra­ gen aufwirft, darf dies kein durchgreifendes Argument gegen die generelle Er­ setzbarkeit der in einer Klage im derogierten Forum wurzelnden Nachteile der redlichen Partei sein.5 Es bedarf vielmehr einer genauen Prüfung, welche kon­ kreten Schäden wegen der abredewidrig erhobenen Klage entstehen können und unter welchen Voraussetzungen sie ersetzbar sind. Dabei richtet sich die Scha­ densbemessung, genau wie die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs, analog Art.  12 Abs.  1 lit.  c) Rom I-VO nach dem Prorogationsstatut. Nach der 10, 25; Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 225; Santomauro, 6 Journal of Private International Law (2010), 281, 310 Fn.  201. 3  OT Africa Line Ltd v. Magic Sportswear Corp. [2005] EWCA Civ 710. 4  Vgl. Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1205 ff., die den Par­ teien einer Schiedsvereinbarung deshalb dringend empfehlen, sog. fixed sums zu vereinba­ ren. Generell zur schwierigen Schadensbemessung bei Verletzung einer Schiedsvereinba­ rung vgl. Fouchard/Gaillard/Goldmann, in: Gaillard/Savage (Hrsg.), On International Com­ mercial Arbitration (1999), Rn.  631; Landau, in: van den Berg (Hrsg.), International Arbitration 2006: Back to Basics? (2007), S.  282, 294; Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1203 f. 5  Ebenso Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97, 100: „Damages are always available for breach of contract and can be claimed as a right: the fact that they are difficult to assess does not disentitle a claimant to compensation for the loss resulting from a breach of contract.“; Peel, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1998, 182, 226: „[E]ven if there are cases where it is very difficult for the courts to assess the defendant’s loss there are good reasons why they should be required to attempt to do so.“; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 70: „It should, however, be pointed out that the difficul­ ty of quantification per se is not a good reason to deny the recoverability of damages.“; Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 654: „Nevertheless, difficulties in quantifi­ cation should not mandate a blanket rule disallowing damages in every case where a forum selection clause is breached.“; Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 439: „English domestic law has never regarded difficulty of quantification as a reason to relieve the wrongdoer of having to pay damages […].“

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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hier vertretenen Auffassung, wonach das Prorogationsstatut der lex fori prorogati zu enznehmen ist6, unterliegt die Schadensbemessung wegen der Verlet­ zung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte also dem deutschen Recht. Es sind folglich die §§  249 ff. BGB einschlägig. In der Praxis sind viele unterschiedliche Fallgestaltungen denkbar, die keiner pauschalen Lösung zugeführt werden können. In der Literatur ist in dem Ver­ such, diese Fallgestaltungen zu systematisieren, eine grobe Einteilung in zwei Fallgruppen üblich. Den Fällen der ersten Gruppe ist dabei gemein, dass das zuerst angerufene Gericht das Verfahren in der Sache nicht durchführt und da­ her auch keine Sachentscheidung trifft. Diese Fälle entsprechen also der Varian­ te 1 des dieser Untersuchung zugrunde gelegten Beispielsfalls 1. Dagegen be­ jaht das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit in den Fällen der zweiten Gruppe entgegen der anders lautenden Gerichtsstandsvereinbarung, führt das Verfahren durch und trifft eine Entscheidung in der Sache.7 Variante 2 des Bei­ spielsfalls 1 ist also beispielhaft für die Fälle der zweiten Fallgruppe. In den Fällen der ersten Gruppe kann der nicht vertragsbrüchigen Partei lediglich ein – wie er in dieser Arbeit bezeichnet wird – prozessualer Schaden aufgrund der Klage im derogierten Forum entstanden sein, während in den Fällen der zweiten Gruppe über den prozessualen Schaden hinaus auch ein hier als materiell be­ zeichneter Schaden entstehen kann. Als prozessualer Schaden werden in dieser Untersuchung, wie bereits definiert, alle Schäden bezeichnet, welche der nicht vertragsbrüchigen Partei entstanden sind, weil das Verfahren vor dem derogier­ ten und nicht vor dem gewählten Gericht stattgefunden hat, also etwa erhöhte außergerichtliche Prozesskosten und sonstige Begleitschäden. Als materieller Schaden wird nur derjenige Schaden bezeichnet, den die nicht vertragsbrüchige Partei deshalb erleidet, weil das derogierte Gericht eine Entscheidung in der Sache und zu ihren Lasten getroffen hat.8 Die Fälle der zweiten Gruppe sind also problematischer, weil hier nicht nur ein Dissens über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung besteht, sondern über die Haftung auf Schadens­ ersatz auch eine Umkehr der Sachentscheidung des Erstgerichts droht. Dagegen 6 

Siehe oben Teil III §  11 E. Diese Unterscheidung findet sich etwa bei Bříza, Journal of Private International Law 2009, 537, 549; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  458 ff.; Takaha­ shi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 60 ff., 75. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  308 unterscheidet zwar grundsätzlich sechs mög­ liche Fallgruppen, vgl. dazu bereits oben Teil II §  8 C. III. 2. a). Letztlich geht aber auch Briggs daraufhin primär auf das hier verwendete Unterscheidungsmerkmal ein, ob das dero­ gierte Gericht eine Sachentscheidung getroffen hat oder nicht. 8  Vgl. zu den in dieser Untersuchung verwendeten Begrifflichkeiten des prozessualen und materiellen Schadens bereits oben Teil I §  5 E. II. 7 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

sind sich in den Fällen der ersten Gruppe das ausländische und das inländische Gericht grundsätzlich über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung einig und es gibt keine zwei Sachentscheidungen, die konfligieren könnten. In diesen Fällen ist der Schadensersatzprozess also auch in Bezug auf die comitas weniger bedenklich.9 Daher müssen die beiden Fallgruppen gesondert behan­ delt werden. Außerdem bilden die Fälle, in denen die Parteien vor dem derogier­ ten Gericht einen Vergleich schließen, eine ebenfalls gesondert zu untersuchen­ de dritte Fallgruppe. II.  Die Differenzhypothese – worin besteht der hypothetische Rechtsgüterstand? Die §§  249 ff. BGB, welche Inhalt und Umfang der Schadensersatzpflicht re­ geln, sollen einen Ausgleich für aufgrund eines bestimmten Ereignisses erlitte­ ne Nachteile schaffen.10 Unter einem Schaden ist jede Beeinträchtigung eines vermögenswerten oder ideellen Interesses zu verstehen.11 §  249 Abs.  1 BGB statuiert das Prinzip der Naturalrestitution als Grundgedanken der Schadenser­ satzpflicht. Danach hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ein Schaden ist also die Differenz zwischen dem Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis (dem hypothetischen Zu­ stand) und dem tatsächlich gegebenen Vermögensstand (dem realen Zustand).12 Für die erforderliche Differenzhypothese muss folglich der hypothetische Zu­ stand bzw. Rechtsgüterstand ermittelt und dann mit dem realen Zustand vergli­ chen werden. Im Zusammenhang mit den hier untersuchten Fällen ist die Frage nach dem hypothetischen Rechtsgüterstand jedoch nicht ohne Schwierigkeiten zu beant­ worten. Der reale Zustand – die vertragsbrüchige Partei hat im ausländischen derogierten Forum eine Klage erhoben – kann nämlich entweder mit demjeni­ gen Zustand verglichen werden, der bestünde, wenn statt im derogierten Forum vor dem gewählten Gericht geklagt worden wäre. Andererseits könnte als Ver­ gleichsmaßstab aber auch derjenige hypothetische Zustand herangezogen wer­ den, welcher bestünde, wenn es überhaupt nicht zu einer Klage gekommen wäre. Nach dem zweiten Ansatz würde der Umfang des Schadensersatzan­ Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  461; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 79; vgl. auch die Entscheidung des engli­ schen Court of Appeal in Union Discount Co. v. Zoller [2002] 1 WLR 1517, Rn.  21 f. 10  BGH, 07.05.2004, NJW 2004, 2526, 2528; BGH, 06.07.2004, NJW 2004, 3324, 3325. 11  Oetker, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  249 Rn.  16 m. w. N. 12  Oetker, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  249 Rn.  18. 9 

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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spruchs häufig größer ausfallen als nach dem ersten. Die Frage besteht also letztlich darin, wem man die Beweislast aufbürden möchte: Muss der Auslands­ kläger beweisen, dass es bei Hinwegdenken der Klage im forum derogatum zu einer Klage im forum prorogatum gekommen wäre, oder muss umgekehrt die nicht vertragsbrüchige Partei beweisen, dass es in diesem Fall überhaupt nicht zu einer gerichtlichen Klage gekommen wäre? Briggs zufolge soll die Beweislast den Auslandskläger treffen.13 Er möchte die redliche Partei mit dem Schadensersatz in die Position bringen, in welcher sie sich befände, wenn der Vertrag eingehalten (performed) worden wäre. Maß­ stab des Vergleichs sei dabei die Situation, dass überhaupt kein Prozess stattge­ funden hat, weder vor dem abgewählten noch vor dem gewählten Gericht. Et­ was anderes solle nur dann gelten, wenn die vertragsbrüchige Partei beweisen könne, dass sie andernfalls vor das gewählte Gericht gezogen wäre und wie das Verfahren dort ausgegangen wäre.14 Diese Ansicht vermag aus dogmatischen Gründen zunächst zu überzeugen. Die ausschließliche Gerichtsstandsvereinba­ rung entfaltet schließlich nur Unterlassungs- und keine Handlungspflichten und das den Schadensersatzanspruch begründende Ereignis liegt in der Verletzung der Unterlassungspflicht durch Klageerhebung im abgewählten Forum. Es lässt sich also gut vertreten, dass es, die Pflichtverletzung hinweggedacht, gar nicht zu einer Klage gekommen wäre. Davon abgesehen ist Briggs’ Ansicht auch zu­ gute zu halten, dass sie die Befriedungsfunktion von Gerichtsstandsvereinba­ rungen berücksichtigt. Wie erläutert, dient der Abschluss einer Gerichtsstands­ vereinbarung nicht nur dem forum fixing, sondern kann und soll darüber hinaus auch bewirken, dass es im Falle eines Streits zwischen den Parteien wegen der Vorhersehbarkeit des Verfahrensausgangs im gewählten Gericht überhaupt nicht zu einer Klage kommt, sondern die Parteien eine außergerichtliche Eini­ gung anstreben.15 Und weiterhin spricht auch ein Praktikabilitätsargument für Briggs’ Ansatz. Vergleicht man den realen Zustand nämlich mit dem Zustand, der bestehen würde, wenn gar nicht geklagt worden wäre, bedarf es keiner kom­ plizierten Hypothesen, welchen Verlauf das Verfahren im forum prorogatum genommen hätte.16 Die Schadensberechnung bereitet dann also weniger Schwie­ rigkeiten.

Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  327. Zum Ganzen Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  324. 15  Vgl. zur Befriedungsfunktion von Gerichtsstandsvereinbarungen oben Teil I §  3 B. III. 3 und Teil III §  12 E. 16  Dies gibt auch Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 653 f. zu bedenken: „It may even result in an embarrassing spectacle if the court makes evidently mistaken a­ ssumptions of how litigation would have panned out in the foreign courts.“ 13  14 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Im übrigen Schrifttum wird der Schadensberechnung trotzdem grundsätzlich der Zustand zugrunde gelegt, der bestehen würde, wenn die Klage nicht vor dem derogierten, dafür aber vor dem bzw. einem in der Gerichtsstandsvereinba­ rung bezeichneten Gericht erhoben worden wäre.17 Zwar macht dieser Ansatz komplizierte Hypothesen zum Verfahrensausgang im gewählten Gericht erfor­ derlich. Schwierigkeiten bei der Schadensberechnung dürfen jedoch, genauso wenig wie sie dazu geeignet sind, den Schadensersatzanspruch generell auszu­ schließen, ebenfalls nicht über den Modus seiner Bemessung entscheiden. Auch das Argument, wegen der Befriedungsfunktion der Gerichtsstandsvereinbarung wäre es möglicherweise gar nicht zu einer Klage gekommen, lässt sich jeden­ falls insoweit entkräften, als dass diese Annahme sicher nicht auf die Mehrzahl der praktischen Fälle zutrifft. Das dogmatische Argument, die den Schadenser­ satz begründende Pflichtverletzung liege in der Verletzung einer Unterlassungs­ pflicht, ist allerdings schwieriger auszuräumen. Der Derogationseffekt der aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltet nach der hier vertreten Auffassung echte Unterlassungspflichten, während – insofern besteht Einigkeit – der Prorogationseffekt keinerlei Handlungspflichten erzeugt. Die Parteien müssen also nicht vor dem gewählten Gericht klagen, sondern der rechtlich ver­ pflichtende Inhalt der Vereinbarung beschränkt sich allein darauf, dass sie vor allen nicht in der Vereinbarung bezeichneten Gerichten Klagen zu unterlassen haben. So gesehen ist es also naheliegend, bei der Schadensberechnung den Zustand heranzuziehen, welcher bestehen würde, wenn die Pflicht nicht ver­ letzt, also gar nicht geklagt worden wäre. Gleichwohl ist die Gerichtsstandsvereinbarung ihrem Inhalt und Zweck nach trotzdem kein typischer Unterlassungsvertrag. Zwar entfaltet die Gerichts­ standsvereinbarung bereits im Zeitpunkt ihres Abschlusses Unterlassungs­ pflichten. Zunächst sind diese Pflichten für die Parteien aber nicht wirklich rele­ vant. Erst mit dem Aufkommen eines Streits zwischen den Parteien erlangt die Gerichtsstandsvereinbarung überhaupt ihre tatsächliche Bedeutung. Erst in dem Moment, in welchem eine Klage von den Parteien ernsthaft erwogen und damit absehbar wird, aktualisiert sich also die Wirkung der Gerichtsstandsver­ einbarung. In diesem Zeitpunkt besteht der Normappell der Vereinbarung aber nicht mehr allein in einem Klageverbot in allen nicht benannten Gerichten. Die Parteien können der Vereinbarung also weniger den Appell „Klage nicht vor Ausdrücklich setzen sich dafür etwa Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 ff. und Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 321 ein. Ebenso, allerdings ohne Begründung, etwa Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse im Internationalen Zivilverfahrensrecht der Schweiz (2003), S.  201; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  458; Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 658. 17 

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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einem nicht gewählten Gericht!“ als vielmehr den Appell „Wenn eine Klage erhoben werden soll, dann klage vor dem gewählten Gericht!“ entnehmen. Ist es also erst einmal zu einem Zustand gekommen, in welchem ein gerichtliches Verfahren wahrscheinlich ist, wäre es realitätsfern, der Klage im derogierten Forum den hypothetischen Zustand gegenüberzustellen, der bestehen würde, wenn überhaupt nicht geklagt worden wäre. Diese – zugegeben etwas undogma­ tisch anmutende – Argumentation wird gestützt durch eine weitere Erwägung. Würde der Schadensersatzgläubiger nämlich Schadensersatz unter Zugrundele­ gung der Hypothese verlangen können, dass ohne die Vertragsverletzung gar nicht geklagt worden wäre, müsste er sich ohnehin in vielen Fällen den aus §  242 BGB abgeleiteten dolo agit-Einwand entgegenhalten lassen.18 Immer, wenn es im Anschluss an das Verfahren im derogierten Gericht zu einem erneu­ ten Verfahren in der Sache vor dem gewählten Gericht käme, bestünde nämlich die einigermaßen große Wahrscheinlichkeit, dass das dortige Verfahren einen ähnlichen Ausgang nehmen würde wie dasjenige im forum derogatum, sodass die redliche Partei u. U. wieder herauszugeben hätte, was sie im Wege des Scha­ densersatzes eingeklagt hätte. Und schließlich erscheint die zweite Ansicht auch schlicht gerechter. Es besteht kein Grund dafür, die nicht vertragsbrüchige Par­ tei so zu stellen, als wäre gar nicht geklagt worden, obwohl es in der praktischen Wirklichkeit in den meisten Fällen mit großer Wahrscheinlichkeit ohne die Kla­ ge im forum derogatum zu einem Verfahren im forum prorogatum gekommen wäre bzw. tatsächlich gekommen ist. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerech­ ter, im Grundsatz von einer hypothetischen Klage im forum prorogatum auszu­ gehen und der nicht vertragsbrüchigen Partei die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass es, die Klage im forum derogatum hinweggedacht, ausnahmsweise über­ haupt nicht zu einer gerichtlichen Klage gekommen wäre. Im Ergebnis ist daher grundsätzlich der reale Zustand mit dem hypotheti­ schen Rechtsgüterstand zu vergleichen, der bestehen würde, wenn die abrede­ widrig erhobene Klage vor dem gewählten Gericht erhoben worden wäre. Etwas anderes sollte jedoch dann gelten, wenn der Schadensersatzgläubiger das Ge­ richt davon überzeugen kann, dass es sonst gar nicht zu einer Klage gekommen wäre. Dies kann etwa dann zutreffend sein, wenn die vertragsbrüchige Partei nur deshalb die Klage im forum derogatum erhoben hat, weil sie bestimmte Besonderheiten des von diesem Gericht anzuwendenden Sachrechts ausnutzen wollte, welche in dem Fall, dass vor dem prorogierten Gericht geklagt worden wäre, gerade nicht zum Zug gekommen wären. Den mit der Schadensberech­ nung verbundenen Schwierigkeiten kann teilweise durch die konsequente An­ 18  Das bedenkt, allerdings nicht in diesem Kontext, auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  97.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

wendung der Beweislastregeln, durch den Anscheinsbeweis oder in besonders komplizierten Fällen auch durch Schätzungen (im deutschen Recht nach §  287 ZPO) begegnet werden.19 So schreibt auch Tan in diesem Zusammenhang: „[I]n cases where quantification is difficult, a reasonable estimate of the damages suffered may even suffice. The rationale being that ‚substantial justice is better than exact justice‘.“20 Einen teilweise abweichenden Weg vertritt Schlosser: Um Ungenauigkeiten bei der Schadensberechnung zu umgehen, möchte er es dem Schadensersatz gewährenden Gericht nicht zumuten, eine hypothetische Prüfung vorzuneh­ men, wie das bzw. ein prorogiertes Gericht entschieden hätte, sondern darauf abstellen, wie das um Schadensersatz erbetene Gericht selbst entscheiden wür­ de.21 Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass dieser Ansatz systema­ tisch und dogmatisch nicht überzeugend sei.22 Dafür spricht, dass im deutschen Recht allgemein gilt, dass, soweit der hypothetische Rechtgüterstand davon ab­ hängt, wie ein Gericht entschieden hätte, darauf abzustellen ist, wie die Ent­ scheidung nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten Rechtslage hätte ausfallen müssen, nicht aber, wie sie tatsächlich gelautet hät­ te.23 Überzeugender ist es daher, dem Zweitgericht die Prüfung, wie das proro­ gierte Gericht hätte entscheiden müssen, zuzumuten. Tatsächlich wird die An­ sicht Schlossers aber kaum zu abweichenden Ergebnissen führen, weil nach der hier vertretenen Auffassung ohnehin die in der Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichte ausschließlich zuständig für die Entscheidung über den Schadensersatz sind. Haben die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der deutschen Gerichte geschlossen, macht es also keinen Unterschied, ob das deutsche Gericht im Rahmen des Schadensersatzprozesses darauf ab­ stellt, wie die Sachentscheidung eines gewählten Gerichts hypothetischerweise gelautet hätte oder wie es selbst in der Sache entscheiden würde. Vgl. Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 654: „At the very least, in clear-cut cases, the courts should be prepared to undertake a rough and ready assessment of damages (for example, where litigation takes place in a jurisdiction that has substantially si­ milar rules of procedure) or where the result in the foreign jurisdiction can be readily ascer­ tained (for example, where the action will inevitably fail in the foreign court because of a well-established mandatory rule or an applicable time bar).“ 20  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 656 m. w. N. aus der US-amerika­ nischen Rechtsprechung, die diesem Prinzip in anderen Fällen folgt. Ähnlich auch Taka­ hashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 85: „Proof on a hypothetical basis may […] be regarded as sufficient.“ 21  Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 120 f. 22  Mankowski, IPRax 2009, 23, 29; sich anschließend Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  463. 23  Oetker, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  249 Rn.  19 m. w. N. 19 

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III.  Die erste Fallgruppe: ersetzbare Schäden, wenn das abredewidrig angerufene Gericht keine Sachentscheidung trifft 1. Überblick Wie erläutert, kommt in den Fällen der ersten Gruppe, also wenn das abrede­ widrig angerufene Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung beachtet und des­ halb keine Sachentscheidung trifft, kein materieller, sondern nur ein sog. pro­ zessualer Schaden in Betracht. Gleich zu behandeln sind auch die Fälle, in de­ nen das derogierte Gericht der Gerichtsstandsvereinbarung zwar keine Beachtung schenkt oder sie nicht für bindend hält, aber aus anderen Gründen das Verfahren aussetzt oder abweist. Für die Schadensberechnung können also alle Fälle zusammengefasst werden, in denen das abredewidrig angerufene Ge­ richt keine Entscheidung in der Sache trifft. Dabei ist nicht von Relevanz, ob das Gericht ausdrücklich über die Wirksamkeit und Bindungswirkung der Gerichts­ standsvereinbarung entschieden und ob es eine Kostenentscheidung getroffen hat. Hierbei handelt sich um Aspekte, die im Schadensersatzprozess im Rah­ men des res iudicata-Einwands Berücksichtigung finden.24 2.  Grundsätzlich ersetzbare Schadensposten Hat das abredewidrig angerufene Gericht das Verfahren ausgesetzt oder abge­ wiesen und keine Entscheidung in der Sache getroffen, umfasst der Schadenser­ satzanspruch der redlichen Partei grundsätzlich die von ihr für den Rechtsstreit im forum derogatum aufgebrachten Kosten. Darunter fallen etwa Reisekosten, die Kosten für die Beauftragung von inländischen und ausländischen Rechtsan­ wälten sowie andere durch die Klage im Ausland begründete Kosten, z. B. Aus­ gaben für die Vorbereitung der pre-trial discovery. Dabei muss sich der Scha­ densersatzgläubiger jedoch diejenigen Kosten anrechnen lassen, deren Ersatz er bereits in einer Kostenentscheidung des Erstgerichts zugesprochen bekommen hat. In diesem Fall kann er also nur Ersatz der verbleibenden Kosten verlangen.25 24 

Siehe oben Teil III §  11 C. Ebenso z. B. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), Rn.  8.18; Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements and Their Enforcement (2010), Rn.  14.05 ff.; Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 325; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  463; Takahashi, 10 Yearbook of Private Inter­ national Law (2008), 57, 84. Für Schiedsvereinbarungen ebenso Friedland/Brown, in: van den Berg (Hrsg.), International Arbitration 2006: Back to Basics? (2007), S.  267, 275 f.; Manner/Mosiman, in: Festschrift Schwenzer (2011), S.  1197, 1203; Michaelson/Blanke, 74 The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (2008), 12, 27. Al­ lerdings gibt Mankowski, IPRax 2009, 23, 29 zu bedenken, dass so die Sanktions- und Ab­ schreckungswirkung des Schadensersatzes geschwächt werde, materiellrechtlich seien Kos­ 25 

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Hat also das abredewidrig angerufene New Yorker Gericht in Variante 1 des Beispielsfalls 1 unter Anerkennung der Gerichtsstandsvereinbarung seine Zu­ ständigkeit verneint und haben nach der American rule of costs dennoch beide Parteien ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, so sind die außergerichtlichen Kosten der redliche Partei nach den §§  249 ff. BGB ersetz­ bar. Umgekehrt ist es auch möglich, dass das Erstgericht der redlichen Partei auferlegt hat, die außergerichtlichen Kosten der anderen Partei zu tragen, wobei dies in den Fällen der ersten Gruppe, in denen das derogierte Gericht die Ge­ richtsstandsvereinbarung anerkennt, sehr unwahrscheinlich sein dürfte. In ei­ nem solchen Fall würde die redliche Partei neben Ersatz ihrer eigenen Kosten auch Ersatz für diese auferlegten Kosten verlangen können.26 Problematisch ist dabei jedoch, ob mit einer solchen Herangehensweise nicht die §§  91 ff. ZPO unzulässig über deren territorialen Anwendungsbereich hin­ aus erstreckt werden. So steht nach Wagner der Möglichkeit, Schadensersatz für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im Aus­ land verlangen zu können, der Einwand der unzulässigen Erstreckung der §§  91 ff. ZPO entgegen.27 Tatsächlich wird auf diese Weise ein Ergebnis des ausländischen Prozessrechts – hier der American rule of costs – umgekehrt und stattdessen ein den §§  91 ff. ZPO entsprechendes Ergebnis herbeigeführt. Aller­ dings werden genau genommen die §§  91 ff. ZPO höchstens indirekt angewen­ det. Denn das Ergebnis der Schadensbemessung ergibt sich nicht unmittelbar aus den §§  91 ff. ZPO, sondern als logische Folge der §§  249 ff. BGB, die analog Art.  12 lit.  c) Rom I-VO als Teil des deutschen Prorogationsstatuts die Schadens­ bemessung beherrschen. Ist die redliche Partei nach den §§  249 ff. BGB durch den Schadensersatz so zu stellen, als wäre sie nicht im Ausland, sondern vor dem gewählten deutschen Gericht verklagt worden, muss sie auch diejenigen Kosten ersetzt bekommen, die sie in einem deutschen Verfahren gerade nicht selbst hätte tragen müssen. Eine unzulässige Erstreckung der §§  91 ff. ZPO über ihren territorialen Anwendungsbereich hinaus liegt meines Erachtens daher nicht vor. Weiterhin ist problematisch, ob die redliche Partei nur diejenigen Kosten er­ setzt verlangen kann, die sie für die Verteidigung der Gerichtsstandsvereinba­ rung, also die Zuständigkeitsrüge, aufgewendet hat, oder auch die Kosten für die (Vorbereitung der) Verteidigung in der Sache selbst. Eine pauschale Ant­ ten daher auch dann zu erstatten, wenn sie prozessual vom derogierten Gericht bereits zuge­ sprochen worden seien. Vgl. auch Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  254. 26  So auch Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 62. 27  G. Wagner, Prozessverträge (2008), S.  257; in diese Richtung auch Mankowski, IPRax 2009, 23, 32; a. A. Schlosser, Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 119.

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wort ist dabei nicht angebracht. Es sollten wohl grundsätzlich alle Kosten er­ setzbar sein, zu deren Ausgabe sich die redliche Partei aufgrund ihrer Beklag­ tenrolle im Ausland herausgefordert fühlen durfte.28 Hat der Streit um die Zu­ ständigkeitsfrage beispielsweise lange angedauert und durfte sich die redliche Partei dazu herausgefordert fühlen, bereits Vorbereitungen für die pre-trial discovery oder sonstige Vorbereitungen für das Verfahren in der Sache zu tref­ fen, so muss sie Ersatz dafür verlangen können. Letztlich wird es in den meisten Fällen auch gar nicht möglich sein, genau zwischen den Kosten für die Vertei­ digung der Gerichtsstandsvereinbarung und für die (Vorbereitung der) Verteidi­ gung in der Sache zu unterscheiden. Dieses Risiko hat der Auslandskläger zu tragen, der mit seiner abredewidrig erhobenen Klage die Gefahr dafür geschaf­ fen hat, dass sich die redliche Partei zur u. U. kostspieligen Vorbereitung der Verteidigung in der Sache herausgefordert fühlen durfte. Fraglich ist zudem, welche konkreten Ausgaben die nicht vertragsbrüchige Partei tätigen darf, um das abredewidrig angerufene Gericht von dessen Unzu­ ständigkeit zu überzeugen. Die Kosten für die einfache Zuständigkeitsrüge wer­ den grundsätzlich ersetzbar sein. Bei einem Verfahren in den USA werden also generell die Kosten für den Antrag eines stay of proceedings ersetzbar sein. Wie ist es aber um die Kosten für den Antrag auf Erlass einer contractual anti-suit injunction oder für eine Feststellungklage über die Zuständigkeitsfrage be­ stellt?29 Auch diesbezüglich ist eine pauschale Lösung nicht möglich. Vielmehr muss wiederum im Einzelfall nach der Herausforderungsformel geprüft wer­ den, ob sich eine objektive Person in der Situation der im Ausland verklagten Partei vernünftigerweise dazu herausgefordert hätte fühlen dürfen, die jeweili­ ge Abwehrstrategie einzuschlagen. Die ersetzbaren Kosten sind also beschränkt auf diejenigen Kosten, die vernünftigerweise für das Bestreiten der ausländi­ schen Zuständigkeit hätten aufgebracht werden dürfen.30 Bei einem Antrag auf Erlass einer anti-suit injunction wird man die Ersetzbarkeit der Kosten somit jedenfalls dann zu verneinen haben, wenn von vornherein klar war, dass das Gericht dem Antrag nicht nachkommen wird, so also bei deutschen Gerichten. Denn in einem solchen Fall hätte die redliche Partei vernünftigerweise keinen solchen Antrag stellen dürfen. Ebenso kann sie nicht Ersatz der Kosten für den Antrag auf Erlass einer anti-suit injunction verlangen, wenn zwar der Antrag hinreichende Erfolgsaussichten hatte, das Prozessführungsverbot aber in dem In diese Richtung auch Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 ff. Einen recht weiten Ansatz verfolgt Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 325: „Any costs incurred should be capable of being the subject of a claim for damages.“ Ähnlich auch Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 ff. 30  Ähnlich Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 84, der einen remoteness-test durchführen möchte. 28  29 

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Staat des abredewidrig eingeleiteten Gerichtsverfahrens von vornherein offen­ sichtlich keine Aussicht auf Anerkennung und Vollstreckung hatte. Dagegen sollten die Kosten für den Antrag auf Erlass eines Prozessführungsverbots er­ setzbar sein, wenn aus ex ante-Sicht für den Antrag auf Erlass eines Prozess­ führungsverbots wie auch für dessen spätere Durchsetzbarkeit im Ausland je­ denfalls einigermaßen große Erfolgsaussichten bestanden. Denn dann durfte sich die abredewidrig verklagte Partei dazu herausgefordert fühlen, von diesem Verteidigungsmittel Gebrauch zu machen. Das Gleiche sollte meines Erachtens auch für die Erhebung einer Feststellungklage über die Zuständigkeitsfrage g­ elten. Andere Schadensposten kommen nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht und müssen in ihrer Höhe vom Schadensersatzgläubiger bewiesen werden. Zu denken ist etwa an einen aufgrund des ausländischen Verfahrens erlittenen Verzögerungsschaden oder an Schäden aufgrund einer Beeinträchti­ gung des Rufs.31 Verzögerungsschäden sind im Verhältnis zu Drittstaaten zwar deshalb nicht besonders wahrscheinlich, weil mangels eines international gülti­ gen streng auf Priorität abstellenden lis pendens-Grundsatzes Torpedo-Tak­ tiken nicht möglich sind.32 Es kann aber sein, dass gerade kleinere Unterneh­ men wegen der kostspieligen Prozessführung im derogierten ausländischen Forum in Zahlungsschwierigkeiten geraten und dadurch beispielsweise Folge­ geschäfte verpassen. In Ausnahmefällen kann dies sogar zum wirtschaftlichen Ruin kleinerer Unternehmen führen. Hinsichtlich der Rufschädigung durch das im Ausland anhängige Verfahren ist zu beachten, dass nicht der Reputationsver­ lust als solcher einen ersetzbaren Schadensposten bildet. Der Schadensersatz­ gläubiger muss vielmehr beweisen, dass die Beklagtenrolle im ausländischen Prozess seinen Ruf strapaziert und er gerade deshalb einen messbaren Vermö­ gensschaden erlitten hat. Der Beweis wird ihm nur selten gelingen. Denkbar ist etwa der Fall, dass Kunden in Kenntnis des im Ausland anhängigen Verfahrens und der deshalb auf dem Unternehmen lastenden hohen Kosten von Geschäften mit dem Unternehmen Abstand genommen haben, weil sie um die Solvenz ihres Geschäftspartners fürchteten. Im Schrifttum werden außerdem mögliche Zins­ schäden, welche die redliche Partei erleiden kann, wenn sie die Prozessführung im derogierten Forum vorfinanzieren musste, für ersetzbar gehalten.33

31  Vgl. etwa Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  1123: Schäden wegen Marktverwirrung oder Umsatzrückgangs. 32  Vgl. dazu oben Teil I §  5 B. I. 33  Mankowski, IPRax 2009, 23, 29; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  459.

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3.  Vorteilsausgleichung wegen hypothetischer Reserveursachen Den grundsätzlich ersetzbaren Schadensposten kann der Schuldner der Scha­ densersatzpflicht möglicherweise entgegenhalten, dass die andere Partei auch dann, wenn die Klage beim gewählten Gericht stattgefunden hätte, Kosten zu tragen gehabt hätte. Fraglich ist also, ob sich die redliche Partei diejenigen Kos­ ten, die sie auch in einem Verfahren vor dem gewählten Gericht voraussichtlich für die Prozessführung hätte aufwenden und die sie selbst hätte tragen müssen, anspruchsmindernd anrechnen lassen muss. Dogmatisch betrachtet handelt es sich um eine Frage der hypothetischen Kau­ salität in Form des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens. Auch wenn der Kläger nicht vor dem derogierten, sondern vor dem prorogierten Gericht geklagt hätte, wären der anderen Partei u. U. Kosten entstanden, sodass die Kla­ ge vor dem gewählten Gericht eine schadensmindernd zu berücksichtigende Reserveursache darstellen könnte. Dabei bildet die hypothetische Kausalität ge­ nau genommen einen Unterfall der Vorteilsausgleichung, weil der durch das schädigende Ereignis (die Klage im forum derogatum) bewirkte Vorteil darin besteht, dass sich die Reserveursache (eine Klage im forum prorogatum) nicht verwirklich hat. Der Geschädigte soll also durch die Berücksichtigung der Re­ serveursache nicht besser stehen, als wenn diese eingetreten wäre.34 Ob der Geschädigte sich die voraussichtlichen Kosten einer Prozessführung im forum derogatum anrechnen lassen muss, sollte grundsätzlich im Einklang mit der Frage nach dem hypothetischen Rechtsgüterstand, welcher im Rahmen der Differenzhypothese der Schadensbemessung zugrunde zu legen ist, beant­ wortet werden. Ausgangspunkt ist also wieder dieselbe Frage, nämlich ob es bei Hinwegdenken der Klage im derogierten Forum zu einem Verfahren im forum prorogatum oder aber zu gar keinem Verfahren gekommen wäre. Weil es aber, wie oben dargestellt, in der praktischen Wirklichkeit wahrscheinlich und zu erwarten ist, dass es bei Hinwegdenken der Klage im derogierten Forum zu ei­ nem Verfahren vor dem gewählten Gericht gekommen wäre, sind die Kosten, welche die redliche Partei in diesem Verfahren zu tragen gehabt hätte, grund­ sätzlich auch anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Will der Schadensersatz­ gläubiger dies vermeiden, muss er beweisen, dass es bei Hinwegdenken der Klage im Ausland nicht zu einem Verfahren im gewählten Gericht gekommen wäre.35 Allerdings obliegt es dem Auslandskläger, zu beweisen, dass die andere 34  Vgl. Grunsky, in: Festschrift Lange (1992), S.  469 ff.; sich anschließend Oetker, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2016, §  249 Rn.  213. 35  Dagegen möchte Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 84 nur dann eine Vorteilsausgleichung durchführen, wenn der Kläger die entsprechende Summe beweist, indem tatsächlich vor dem forum prorogatum ein Verfahren in der Sache stattfindet.

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Partei auch bei einem Verfahren im forum prorogatum Kosten zu tragen gehabt hätte. Tatsächlich wird ihm dieser Beweis aber nur in manchen Fällen gelingen und die Ermittlung der Höhe der von der redlichen Partei in einem hypotheti­ schen Verfahren im forum prorogatum zu tragenden Kosten kann dabei Schwie­ rigkeiten verursachen: Hätte sie das Verfahren im gewählten deutschen Gericht voraussichtlich vollumfänglich gewonnen, ist davon auszugehen, dass sie nach dem Unterlie­ gensprinzip des §  91 ZPO weder ihre eigenen noch die gerichtlichen und außer­ gerichtlichen Kosten ihres Gegners zu tragen gehabt hätte, sodass keine scha­ densumfangsmindernde Vorteilsausgleichung vorzunehmen wäre. Die parallele Anwendung der Grundsätze zu der Frage, welches der im Rahmen der Diffe­ renzhypothese maßgebliche hypothetische Rechtsgüterstand ist, hat weiterhin zur Folge, dass eine Vorteilsausgleichung dann ausscheidet, wenn es bei Hin­ wegdenken der Klage im derogierten Forum ausnahmsweise mit großer Wahr­ scheinlichkeit zu überhaupt keinem gerichtlichen Verfahren gekommen wäre. Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle, in denen die redliche Partei das hypo­ thetische Verfahren im gewählten Gericht in der Sache (teilweise) verloren hät­ te. Bezogen auf die Zuständigkeitsfrage wären der redlichen Partei wohl auch in diesen Fällen grundsätzlich keine Kosten entstanden. Denn es ist sehr unwahr­ scheinlich, dass bei einer Klage im forum prorogatum unabhängig vom Verfah­ rensausgang in der Sache überhaupt ein Streit um die Zuständigkeitsfrage ent­ brannt wäre. Und selbst wenn es zum Streit über die Zuständigkeitsfrage ge­ kommen wäre, hätte ihn die redliche Partei gewonnen. In Bezug auf die Zuständigkeitsfrage wären der redlichen Partei also generell keine Kosten ent­ standen. Deshalb wird davon ausgegangen, dass dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens in den Fällen der ersten Gruppe insgesamt kaum eine Rol­ le zukomme.36 Wird jedoch (wie hier) vertreten, dass die nicht vertragsbrüchige Partei vollumfänglichen Ersatz ihrer gesamten durch das Verfahren im forum derogatum entstandenen außergerichtlichen Kosten verlangen kann, weil eine Trennung zwischen den Kosten für die Verteidigung der Gerichtsstandsverein­ barung und den Kosten für die (Vorbereitung der) Verteidigung in der Sache nicht möglich ist, müssen umgekehrt bei der Vorteilsausgleichung auch die Kos­ ten berücksichtigt werden, welche die redliche Partei bei einem hypothetischen Verfahren im forum prorogatum wegen eines (teilweisen) Unterliegens in der Dass es hypothetischerweise zu einem solchen Verfahren gekommen wäre, soll seiner An­ sicht nach nicht ausreichen. 36  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  459 f., die eine Schadens­ kürzung wegen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich nur in den Fällen vornehmen möchte, in denen das derogierte Gericht eine Sachentscheidung zugunsten der redlichen Partei getroffen hat, vgl. S.  462 ff.

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Sache zu tragen gehabt hätte. Hätte sie das Verfahren also in der Sache (teilwei­ se) verloren und daher ihre eigenen und die gegnerischen Kosten (zum Teil) zu tragen gehabt, sollte dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung ebenfalls Be­ rücksichtigung finden. Dann wird sich die Berechnung der Vorteilsausgleichung am voraussichtlichen Verfahrensausgang und den Gebührenwerten des RVG orientieren müssen und um Schätzungen nicht umhin kommen. 4.  Kürzung des Umfangs des Schadensersatzanspruchs gemäß §  254 BGB a)  Grundsätzlich keine Kürzung wegen Mitverursachung des Schadens gemäß §  254 Abs.  1 BGB Zuletzt stellt sich die Frage, ob der Umfang des Schadensersatzanspruchs ge­ mäß §  254 BGB zu kürzen ist. Eine Kürzung wegen Mitverschuldens der nicht vertragsbrüchigen Partei über §  254 Abs.  1 BGB scheidet grundsätzlich aus. Bei §  254 Abs.  1 BGB ist darauf abzustellen, ob der Gläubiger die Rechtsgutsverlet­ zung mitverursacht hat.37 In den hier untersuchten Fällen wäre der Schadenser­ satzanspruch also nur dann über §  254 Abs.  1 BGB zu kürzen, wenn die redli­ che Partei zurechenbar Anlass für eine Klage im forum derogatum gegeben hätte und sie deshalb ein Mitverschulden hinsichtlich der abredewidrig erhobe­ nen Klage in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit treffen würde. Solche Fälle sind, wenn überhaupt, nur in unwahrscheinlichen Ausnahmefällen vorstellbar. b)  Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit aus §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB Durchaus praxisrelevant ist aber §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB, wonach die Ver­ pflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes auch davon abhängen, ob es der Geschädigte unterlassen hat, den Schaden zu mindern. In der Praxis wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob die redliche Partei weitere Anstrengungen hätte unternehmen müssen, um die ihr aus der Klage im derogierten Forum erwachsenen Schäden zu mindern. Dabei kommen solche Anstrengungen in Frage, deren Unterlassen nicht bereits das prozessuale Rechtsschutzbedürfnis ausschließt, dem Schadenersatzgläubiger aber trotzdem vorwerfbar sein könnte. Hat es die redliche Partei unterlassen, die Zuständigkeit des abgewählten Gerichts zu rügen, sondern sich rügelos auf das Verfahren ein­ gelassen, fehlt nach der hier vertretenen Auffassung bereits das Rechtsschutz­ bedürfnis für die Schadensersatzklage.38 Fragen der Schadensberechnung stel­ len sich dann gar nicht erst. 37 

38 

Teichmann, in: Jauernig, 16.  Aufl. 2015, §  249 Rn.  2. Siehe oben Teil III §  11 D. II. 1.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Zu denken ist zunächst an einen Antrag auf Erlass eines Prozessführungsver­ bots, um die andere Partei davon abzuhalten, das Verfahren im derogierten Ge­ richt fortzuführen. Weil aber die deutschen Gerichte generell keine Prozessfüh­ rungsverbote kennen, ein solcher Antrag in Deutschland also auch keine Er­ folgschancen hat, kann er von der redlichen Partei auch nicht verlangt werden. Es stellt sich aber die Frage, ob es ihr zuzumuten ist, in einem Drittstaat den Erlass eines Prozessführungsverbots zu beantragen, wenn die Erfolgschancen dort höher sind. Denn wie dargestellt, erlassen die Gerichte einiger Staaten auch Prozessführungsverbote zum Schutz von Gerichtsstands- oder Schiedsverein­ barungen zugunsten der Gerichte anderer Staaten.39 Der vor einem abgewählten Gericht verklagten Partei wird es jedoch richtigerweise nicht zumutbar sein, das Risiko zu übernehmen, auf den Kosten für ein in einem Drittstaat beantragtes Prozessführungsverbot sitzen zu bleiben. Weil es ungewiss ist, ob sie die Kosten für einen solchen Antrag über einen Schadensersatzanspruch ersetzt bekommen wird, kann es ihr auch nicht über §  254 Abs.  2 BGB angelastet werden, wenn sie von einem Antrag auf Erlass eines Prozessführungsverbots abgesehen hat. Dies sollte sogar selbst für Parteien in Staaten, die grundsätzlich Prozessführungs­ verbote zum Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen erlassen, gelten. Selbst wenn es also beispielsweise eine Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Eng­ land unterlässt, zum Schutz einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte in England eine anti-suit injunction zu bean­ tragen, sollte sie dadurch, wenn überhaupt, nur dann ihre Schadensminderungs­ obliegenheit (bzw. im anglo-amerikanischen Recht ihre duty to mitigate the loss) verletzt haben, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Prozessfüh­ rungsverbots als hoch hätte eingeschätzt werden können.40 Dafür spricht auch, dass ein Prozessführungsverbot im common law, wie dargestellt, grundsätzlich gerade subsidiär zum primären Rechtsbehelf des Schadensersatzes ist.41 Doch ganz generell sollte man bei der Beurteilung, ob eine Verletzung der Schadens­ minderungsobliegenheit vorliegt, nicht zu streng sein: Gerade weil sich die Pra­ xis der hier untersuchten Schadensersatzansprüche noch in der Entwicklung befindet, ist das Risiko der nicht vertragsbrüchigen Partei groß, Kosten für die Abwehr der abredewidrig erhobenen Klage aufzuwenden, ohne später dafür kompensiert zu werden. Sie kann also ex ante kaum mit ausreichender Sicher­ heit davon ausgehen, im Nachhinein erfolgreich Ersatz dieser Kosten verlangen zu können. Es ist daher nur gerecht, ihr kein zusätzliches Risiko aufzubürden, 39 

Siehe oben Teil I §  6 F. III. 2. Ähnlich auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  466; Taka­ hashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 86; Tan/Yeo, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law and Commercial Practice (2003), S.  403, 423. 41  Siehe oben Teil II §  8 B. III. 40 

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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indem es ihr später schadensmindernd angelastet wird, nicht alle möglichen Schritte unternommen zu haben, um das Verfahren im forum derogatum zu verhindern oder zu stoppen. Weiterhin könnte erwogen werden, ob der Umfang des Schadensersatzan­ spruchs über §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB zu kürzen ist, wenn es der Schadenser­ satzgläubiger nicht versucht hat, ein positives Urteil im forum derogatum zu erstreiten, und stattdessen lediglich die Zuständigkeit des Gerichts gerügt hat. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die redliche Partei zwar das Verfahren in der Sache unter fortwährender Rüge der Zuständigkeit betreiben darf, ohne dadurch das Rechtsschutzbedürfnis für eine spätere Schadensersatzklage zu verlieren42 , dass zu einem solchen Verhalten aber keine Obliegenheit besteht. Denn erstens existiert stets die Gefahr, dass ein solches Verhalten doch als rü­ gelose Einlassung bewertet wird und damit das Rechtsschutzbedürfnis für die Schadensersatzklage ausschließt.43 Und zweitens widerspräche es gerade Inhalt und Zweck der Gerichtsstandsvereinbarung, wenn die abredewidrig verklagte Partei letztlich doch gezwungen wäre, im derogierten Forum zur Sache zu ver­ handeln, und andernfalls ihres Schadensersatzanspruchs (teilweise) verlustig würde. Ein anderer Einwand könnte darin bestehen, die redliche Partei hätte versu­ chen müssen, vor dem Erstgericht Ersatz ihrer aufgrund der abredewidrig erho­ benen Klage entstandenen Kosten zu erhalten.44 Wie bereits untersucht, schließt dieser Einwand nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine Schadenser­ satzklage aus.45 Im Zusammenhang mit der Schadensminderungsobliegenheit wird auf den Einwand erwidert, die Wahrscheinlichkeit, vor dem derogierten Gericht Schadensersatz zu erhalten, sei nicht als besonders hoch einzustufen.46 Dem ist zuzustimmen. Wiederum kann es der redlichen Partei grundsätzlich nicht zuzumuten sein, vor dem derogierten Gericht – etwa widerklagehalber – Schadensersatz zu verlangen und auf diese Weise nicht nur weiterhin vor dem abgewählten Gericht im Ausland prozessieren zu müssen, sondern dadurch auch noch weitere Kosten auf sich zu laden. Deshalb ist es abermals nur in sel­ tenen Ausnahmefällen denkbar, dass eine Verletzung der Schadensminderungs­ 42 

Siehe oben Teil III §  11 D. II. Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  467; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 87. 44  Dies erwägt etwa Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 326 Fn.  35: „Usually it will not make any difference whether the contract breaker pays by way of costs or damages but, if necessary, it seems arguable that the failure to claim costs in that forum could amount to a failure to mitigate.“ 45  Vgl. oben Teil III §  11 D. III. 46  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 87. 43 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

obliegenheit zu bejahen ist, weil die nicht vertragsbrüchige Partei nicht bereits im forum derogatum Schadensersatz verlangt hat. Möglich erscheint ein solches Ergebnis dann, wenn das Erstgericht den abredewidrig Beklagten auf die Mög­ lichkeit, Schadensersatz zu verlangen, so deutlich hingewiesen hat, dass ein vernünftiger Dritter in der Rolle der nicht vertragsbrüchigen Partei mit einiger Sicherheit davon hätte ausgehen dürfen, den begehrten Schadensersatz zuge­ sprochen zu bekommen. Zuletzt ist erwägenswert, ob die redliche Partei möglicherweise gar keine Kosten für die Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung hätte eingehen dürfen, weil das forum derogatum seine Zuständigkeit und die Vereinbarung sowieso ex officio zu prüfen gehabt hätte. Ist der Schadensersatzanspruch also deshalb zu kürzen – und zwar dann folgerichtig gänzlich – weil der im Ausland Beklagte überhaupt nicht auf die abredewidrig erhobene Klage hätte reagieren sollen? Dem widerspricht selbstredend, dass das ausländische Gericht eben ge­ rade nicht mit Sicherheit seine Zuständigkeit von Amts wegen verneinen wird, sondern auch Fälle möglich sind, in denen es entgegen der Gerichtsstandsver­ einbarung seine Zuständigkeit bejaht. Durch die Berufung auf die Gerichts­ standsvereinbarung werden jedenfalls die Chancen, dass das ausländische Ge­ richt die Vereinbarung beachtet, gestärkt.47 Davon abgesehen würde der Be­ klagte auf diese Weise Gefahr laufen, ein Versäumnisurteil zu kassieren. Auch der Court of Appeal in Union Discount Co. v. Zoller48 hatte sich mit dem Ein­ wand des Auslandsklägers auseinanderzusetzen, die redliche Partei hätte sich nicht vor das angerufene New Yorker Gericht begeben und einen dismissal be­ antragen, sondern die Klage einfach ignorieren sollen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit abzuleh­ nen sei, weil eine Partei, die eine andere verklagt, sich im Nachhinein nicht darauf berufen dürfe, der Beklagte hätte nicht auf die Klage reagieren sollen.49 Tatsächlich mutet es treuwidrig an, zuerst Klage zu erheben und dann dem Be­ klagten das Erscheinen vor Gericht anlasten zu wollen. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Verletzung der Schadensminderungsoblie­ genheit in vielen Fällen zur Frage stehen kann, letztlich aber nur selten zu beja­ hen sein wird. Bei der Beurteilung sollte ein zugunsten der nicht vertrags­ brüchigen Partei großzügiger Maßstab angelegt werden. 47  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 86; sich anschließend Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  467. 48  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  33. 49  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517, 1526, Rn.  33: „We confess that it seems to us unattractive for the New York claimant to submit that the English defendant should not have gone to New York to resist the proceedings which the New York claimant had, as a matter of choice, started there.“

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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5. Zusammenfassung Hat das abredewidrig angerufene Gericht keine Entscheidung in der Sache ge­ troffen, sondern das Verfahren ausgesetzt oder abgewiesen, kann der redlichen Partei ein sog. prozessualer Schaden entstanden sein. Darunter fallen in beson­ ders gelagerten Fällen messbare Schäden aufgrund der Verzögerung des Streits oder aufgrund einer Rufschädigung durch das im Ausland anhängige Verfahren sowie Zinsschäden. Darüber hinaus setzt sich der sog. prozessuale Schaden zu­ sammen aus (1)  allen von der nicht vertragsbrüchigen Partei aufgrund der Klage im dero­ gierten Forum tatsächlich aufgewendeten Kosten, z. B. Reisekosten, Kosten für Rechtsberatung oder Kosten für die Beantragung eines Prozessführungsver­ bots, (2)  die ihr nicht bereits aufgrund einer Kostenentscheidung des Erstgerichts oder auf anderem Weg ersetzt worden sind, (3)  zu deren Vornahme sich eine vernünftige Person in der Rolle des Scha­ densersatzgläubigers herausgefordert hätte fühlen dürfen, die sie also für erfor­ derlich und erfolgversprechend halten durfte, (4)  unter Abzug derjenigen Kosten, welche sie auch im Falle eines Verfah­ rens vor dem gewählten Gericht zu tragen gehabt hätte, es sei denn, die redliche Partei kann beweisen, dass es ohne die Klage im abgewählten Forum einiger Wahrscheinlichkeit nach auch nicht zu einem hypothetischen Verfahren im forum prorogatum, sondern zu überhaupt keiner gerichtlichen Klage gekommen wäre, (5)  unter Berücksichtigung der Schadensminderungsobliegenheit der nicht vertragsbrüchigen Partei aus §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB. IV.  Die zweite Fallgruppe: ersetzbare Schäden, wenn das abredewidrig angerufene Gericht eine Sachentscheidung trifft 1. Problemaufriss Wie aufgezeigt, sind die Fälle der zweiten Gruppe, in denen das derogierte Ge­ richt eine Entscheidung in der Sache trifft, problematischer als die soeben unter­ suchten Fälle der ersten Gruppe. Denn erstens sind sich das Erst- und das Zweit­ gericht in diesen Fällen hinsichtlich der Wirksamkeit der Gerichtsstandsverein­ barung und der Zuständigkeitsfrage uneinig. Zweitens besteht in den Fällen der zweiten Gruppe die Möglichkeit, dass das Schadensersatz gewährende Gericht die Sachentscheidung des Erstgerichts faktisch umkehrt. In den Fällen der zweiten Gruppe gelten – jedenfalls grundsätzlich – die vor­ angegangenen Ausführungen zur Ersatzfähigkeit des sog. prozessualen Scha­

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

dens. Zu untersuchen ist darüber hinaus, ob und unter welchen Voraussetzun­ gen die nicht vertragsbrüchige Partei zusätzlich Ersatz für einen sog. materiel­ len Schaden verlangen kann, weil das derogierte Gericht eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. 2.  Sachentscheidung zugunsten der nicht vertragsbrüchigen Partei Es ist zunächst möglich, dass das abredewidrig angerufene Gericht der Klage in der Sache nicht stattgegeben, sondern zugunsten der redlichen, im derogierten Forum verklagten Partei entschieden hat. In diesen Fällen droht ihr kein sog. materieller Schaden, weil sie gerade nicht zu einer bestimmten Leistung verur­ teilt wurde. Ersetzbar kann dagegen, wie in den Fällen der ersten Gruppe, der sog. prozessuale Schaden sein. 3.  Sachentscheidung zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei a)  Entstehung eines prozessualen und eines materiellen Schadens Ein sog. materieller Schaden kommt nur dann – zusätzlich zum sog. prozessua­ len Schaden – in Betracht, wenn das Erstgericht in der Sache zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei entschieden hat, das prorogierte Gericht bei einem hy­ pothetischen Verfahren hingegen zugunsten der redlichen Partei oder jedenfalls nur teilweise zu ihren Lasten entschieden hätte. In diesen Fällen kann außerdem der sog. prozessuale Schaden höher ausfallen als in den sonstigen Fällen, vor allem dann, wenn nach dem Recht des Erstgerichts auch das Unterliegensprin­ zip gilt und das Gericht die redliche Partei daher dazu verurteilt hat, die außer­ gerichtlichen Kosten beider Parteien zu tragen. Problematisch ist dabei, dass der Ersatz erst dann berechnet werden kann, wenn sich der Schaden materialisiert hat. Wann dies der Fall ist, ist nach dem den Anspruch beherrschenden Recht, in den hier untersuchten Fällen also nach deutschem Recht zu beantworten. Ein Schaden und nicht bloß eine Vermögens­ gefährdung wird danach wohl nicht bereits in der ausländischen Sachentschei­ dung selbst liegen, sondern kann erst dann bejaht werden, wenn eine Vollstre­ ckung tatsächlich stattgefunden hat.50 Einer differenzierten Betrachtung bedarf es im Hinblick auf die Frage, ob überhaupt ein sog. materieller Schaden vorliegt. Unter einem Schaden versteht man allgemein eine unfreiwillige Vermögenseinbuße. Fraglich ist daher, ob ein materieller Schaden nur dann besteht, wenn aufgrund der ausländischen Sachent­ Ähnlich Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 86: „The ans­ wer depends in theory on the law governing the damages claim. It is submitted that a point before the provisional execution of a final judgment would not be reasonable.“ 50 

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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scheidung die Vollstreckung in das Vermögen der redlichen Partei betrieben worden ist, oder auch in den Fällen, in denen sie selbst auf die Sachentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts hin eine Zahlung vorgenommen hat. Richtigerweise erleidet die nicht vertragsbrüchige Partei nur in den Fällen einer Zwangsvollstreckung einen materiellen Schaden. Hat sie freiwillig die Ur­ teilssumme bezahlt, also auf das Urteil hin geleistet, liegt kein Schaden vor. Dafür spricht ein Vergleich mit dem Bereicherungsrecht. Dort geht nämlich die herrschende Meinung davon aus, dass nur im Falle einer durchgeführten Zwangsvollstreckung eine Nichtleistungskondiktion möglich ist. Hingegen soll in den Fällen, in denen die redliche Partei freiwillig auf ein Urteil hin eine Zah­ lung vornimmt, eine Leistung vorliegen. Folge dieser Betrachtung ist, dass ein Kondiktionsanspruch in diesen Fällen wegen §  814 BGB ausgeschlossen ist.51 b)  Ersatzfähigkeit des materiellen Schadens vor dem Hintergrund der comitas (1)  Die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansichten Es ist umstritten, ob der materielle Schaden tatsächlich ersetzbar ist. Ist auf­ grund der ausländischen Sachentscheidung die Vollstreckung in das Vermögen der nicht vertragsbrüchigen Partei betrieben worden, würde ein deutsches Scha­ densersatzurteil, welches der Partei ebendiese oder einen Teil dieser Summe zusprechen würde, die ausländische Entscheidung faktisch umkehren. Die Be­ denken in Bezug auf die Vereinbarkeit einer solchen Herangehensweise mit dem völkerrechtlichen comitas-Grundsatz liegen auf der Hand: In der faktischen Umkehr der ausländischen Sachentscheidung könnte ein Verstoß gegen das Prinzip der Nichteinmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse anderer Staaten und damit eine Verletzung der Souveränität des ausländischen Staates liegen. Damit ist die Vereinbarkeit eines solchen Schadensersatzurteils mit der comitas ungleich bedenklicher als im Bereich der ersten Fallgruppe.52 Eine Analyse der englischen Rechtsprechung zeigt, dass Schadensersatz we­ gen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in Eng­ land bislang in den meisten Fällen nur gewährt wurde, wenn das ausländische Gericht die Vereinbarung selbst anerkannt und seine Zuständigkeit daraufhin abgelehnt hat. So hatte in dem der Union Discount-Entscheidung53 zugrunde liegenden Fall das abredewidrig angerufene New Yorker Gericht das Verfahren durch dismissal abgewiesen. Auch in dem A/S D/S Svendborg v. Akar54 zugrun­ 51 

Mehr dazu in Teil III §  14 E. III., V. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 80 f. 53  Union Discount Co. Ltd v. Robert Zoller and others [2002] 1 WLR 1517. 54  A/S D/S Svendborg and D/S af 1912 A/S (trading as Maersk Sealand) v. Ali Hussein Akar and others („A/S D/S Svendborg v. Akar“) [2003] EWHC 797 (Comm). 52 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

de liegenden Rechtsstreit hatte das abredewidrig angerufene Gericht in Hong­ kong das Verfahren durch dismissal abgewiesen, dagegen aber nicht das eben­ falls abredewidrig angerufene Gericht in Guinea. Das englische Gericht bejahte in diesem Fall dennoch einen Ausgleichsanspruch für die Zukunft, ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten. Tan und Yeo bemerken aber, dass das Ver­ fahren in Guinea ohne Benachrichtigung des Beklagten in Gang gesetzt worden war, sodass dort letztlich ein Versäumnisurteil ( judgment in default of appearance) ergangen sei. Dieser außergewöhnliche Umstand habe das englische Ge­ richt vermutlich dazu bewogen, auch in diesem Fall Schadensersatz zu gewäh­ ren. Daher folgern die beiden: „[T]he courts will ordinarily award damages where to do so supplements but does not contradict the judgment of the foreign court unless the conduct of the defendant in the non-contractual forum justifies a departure from this.“55 Ob die englischen Gerichte in der Zukunft Schadens­ ersatz gewähren werden, obwohl das derogierte Gericht die Gerichtsstandsver­ einbarung für unwirksam befunden hat, und auch einen materiellen Schaden für ersetzbar erklären werden, wird sich noch zeigen und kann bislang kaum mit Gewissheit prognostiziert werden.56 Im Schrifttum tendieren diejenigen, die vertraglichen Schadensersatzansprü­ chen wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich positiv gegenüberstehen, mehrheitlich zur Ersetzbarkeit auch ei­ nes materiellen Schadens, welcher der redlichen Partei aufgrund der Sachent­ scheidung des derogierten Gerichts entstanden ist. Takahashi zufolge soll die nicht vertragsbrüchige Partei im Wege des Schadensersatzes alles zurückver­ langen können, was sie aufgrund der Vollstreckung eines Sachurteils des Erst­ gerichts zu bezahlen hatte.57 Den Bedenken hinsichtlich einer Verletzung der comitas begegnet er mit dem Argument, den Interessen eines Staates gebühre dann keine Rücksichtnahme, wenn dessen Gerichte Zuständigkeitsvereinbarun­ gen zugunsten ausländischer Gerichte keinen Wert zollen, sondern Parteien un­ ter Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen prozessieren lassen.58 Zu Recht weist er außerdem darauf hin, dass in der positiven Entscheidung über den begehrten Schadensersatz gerade keine Bewertung der ausländischen Sachentscheidung als falsch liege.59 Der Gedanke verdient Zustimmung: Das inländische Gericht begründet seine Entscheidung für den Schadensersatz le­ diglich mit der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung durch den Auslands­ Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 441. Vgl. dazu bereits oben Teil II §  8 C. II. 57  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 62 und 85. 58  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 62, 81. 59  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 82, der sich seinerseits auf Merrett, 55 International Comparative Law Quarterly (2006), 315, 321 bezieht. 55 

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§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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kläger. Den Schaden bemisst es durch einen Vergleich des tatsächlichen Zu­ stands mit dem Zustand, der bestehen würde, hätte das prorogierte Gericht nach seinem Prozess-, Kollisions- und Sachrecht entschieden. Es stellt aber gerade nicht in Frage, dass das derogierte Gericht grundsätzlich eine nach dem im Aus­ land anwendbaren Recht zutreffende Sachentscheidung gefällt hat.60 Auch Paulus erklärt, zumindest im Zusammenhang mit einer von der übergangenen Par­ tei im Inland erhobenen positiven Feststellungsklage, nicht nur die Verfahrens­ kosten, sondern auch die zugesprochene Urteilssumme zum Schaden.61 Dutson hält nicht nur den Schaden für ersetzbar, den die redliche Partei dadurch erlitten hat, dass ihr Vertragspartner aufgrund der ausländischen Sachentscheidung die Vollstreckung in ihr Vermögen betrieben hat, sondern außerdem die von ihr aufgewendeten Kosten, um eine Vollstreckung aus dem Urteil im forum derogatum abzuwenden, sowie die wegen der Vollstreckung entstandenen Kosten, soweit die redliche Partei das tatsächliche Entstehen dieser Kosten beweisen kann.62 Peiffer argumentiert mit einem Vergleich zu den bereicherungsrechtli­ chen Rückforderungsklagen und möchte Schadensersatz in den Fällen gewäh­ ren, in denen die redliche Partei beweisen kann, dass es bei Hinwegdenken der Klage im derogierten Forum zu einer Klage im forum prorogatum gekommen wäre und das gewählte Gericht in der Sache in größerem Umfang zu ihren Gunsten entschieden hätte als es das derogierte Gericht getan hat.63 Demgegenüber möchte Tan zwar keine Begrenzungen des Anspruchs über den vagen Begriff der comity vornehmen.64 Dennoch plädiert er dafür, Korrek­ turen hinsichtlich des Umfangs des ersatzfähigen Schadens vorzunehmen, in­ dem dieser auf den sog. reliance loss zu beschränken sei. Gemeint sind damit alle Kosten, welche die redliche Partei in der Erwartung getätigt hat, die andere Partei werde die Gerichtsstandsvereinbarung einhalten. Durch den Schadenser­ satz solle sie so gestellt werden, als habe sie den Vertrag nie abgeschlossen: „Where the injured party incurs expenses relying on, preparing for, or perfor­ ming a contract, the court may award these expenses as damages to put the in­ jured party back in the position that party would be in had the contract not been made.“65 Ersetzbar sollen danach also die frustrierten Kosten für eine Klagevor­ 60  Vgl. Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 82: „Awarding damages is indeed not incompatible with admitting that the foreign court’s decision is correct under the law which it is supposed to apply in accordance with its own choice-of-law rules.“ 61  Paulus, RIW 2006, 258, 259. 62  Dutson, 16 Arbitration International (2000), 89, 97 ff. 63  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  465 f. 64  Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 658: „[T]he elasticity and elephan­ tine nature of comity is problematic […]. Comity is simply too amorphous a concept to limit the well-established domestic right to damages.“ 65  Ähnlich schon für eine Begrenzung auf den reliance measure of damages: Tan/Yeo,

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

bereitung im forum prorogatum sein. Im deutschen Recht entspräche dies dem Vertrauensschaden, d. h. dem negativen Interesse. (2)  Eigene Ansicht und Vergleich mit Prozessführungsverboten Der von Tan geäußerten Kritik am elastischen Begriff der comitas ist zunächst zuzustimmen. Bei der comitas handelt es sich um einen vagen und schwer fass­ baren Rechtsbegriff. Wünschenswert wäre ein universell einheitlicher Ansatz.66 Das ändert aber nichts daran, dass die Kernfrage doch darin begründet liegt, ob ein Schadensersatzurteil über eine aufgrund einer ausländischen Sachentschei­ dung erlangte Urteilssumme vor dem Hintergrund der Völkerfreundschaft zu­ lässig sein kann oder nicht. Ob man dabei auf die comitas oder allgemeine völ­ kerrechtliche und rechtspolitische Bedenken abstellt, mag dahingestellt bleiben. Verletzt also eine Entscheidung des forum prorogatum, welche der redlichen Partei einen Ersatzanspruch auch hinsichtlich des materiellen Schadens zu­ spricht, die Souveränität des ausländischen Staates oder unterliegt sie jedenfalls rechts­politischen Bedenken in einem ihre Unzulässigkeit begründenden Aus­ maß? Gerade weil jeder Definitionsversuch der comitas vage bleibt, kann die Ant­ wort auf diese Frage nur unter Bezugnahme auf bereits bekannte Kategorien gefunden werden. Besonders geeignet ist daher ein Vergleich mit Prozessfüh­ rungsverboten. Unabhängig von der (ökonomischen) Effizienz von Schadenser­ satzprozessen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann doch jedenfalls nicht in Zweifel gezogen werden, dass die Gewährung von Schadensersatz die völkerrechtliche comitas weit weniger belastet als anti-suit injunctions.67 Eine Schadensersatzhaftung ist also gegenüber dem Prozessfüh­ rungsverbot das mildere Mittel. Dafür spricht zunächst der Zeitpunkt: Während ein Prozessführungsverbot entweder präventiv oder während das Verfahren im Ausland anhängig ist beantragt wird, wird die Klage auf Schadensersatz ex post erhoben. Schadensersatz wird nachträglich verlangt, wenn der durch den aus­ ländischen Prozess verursachte Schaden feststeht. Die Möglichkeit, im Nachhi­ nein Schadensersatz zu verlangen, belastet den internationalen Rechtsverkehr Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 441 f.: „This measure seeks to place the claimant in the position he would have been in had the relevant promise not been made.“ 66  Ebenso Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 81: „[I]t would be desirable to promote international comity by adopting a universalist approach.“ 67  Vgl. etwa Ambrose, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 401, 415 f.; Briggs, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1994, 158, 162; Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  3, 53 f.

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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daher weit weniger.68 Darüber hinaus unterscheiden sich Schadensersatzprozes­ se und -urteile auf der einen und Prozessführungsverbote auf der anderen Seite auch hinsichtlich ihrer Wirkungsweise. Gewiss richten sich beide nicht unmit­ telbar gegen das ausländische Gericht bzw. den anderen Staat, sondern adressie­ ren den Auslandskläger. Die einschneidende Wirkung eines Prozessführungs­ verbots ist dabei aber dennoch intensiver69, weil sie unmittelbar auf Beendigung des ausländischen Prozesses gerichtet ist. Demgegenüber kann eine Praxis, wel­ che die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit Schadensersatz ahn­ det, zwar auch eine abschreckende Wirkung haben mit der Folge, dass gar nicht erst vor einem ausländischen derogierten Gericht geklagt wird. Dabei handelt es sich aber allein um eine faktische, mittelbare Wirkung, welche die Hoheitsge­ walt anderer Staaten nicht beschneidet. Hinzukommt, dass die weniger ein­ schneidende Wirkung von Schadensersatzklagen im Vergleich zu Prozessfüh­ rungsverboten gegenläufige ausländische Abwehrmaßnahmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit erwarten lässt.70 Zusammenfassend gilt daher: Entscheidungen, die Ersatz des sog. materiel­ len Schadens gewähren, sind möglicherweise aus prozessökonomischer Sicht bedenklich, weil sie faktisch eine ausländische Entscheidung umkehren, die nach einem langen, kostspieligen und aufwändigen Prozess erreicht wurde.71 Ebenso begegnen sie auch rechtspolitischen Bedenken, weil sie als Ausdruck der Missbilligung darüber verstanden werden können, dass das ausländische Gericht das Verfahren durchgeführt und seine Zuständigkeit nicht in Würdi­ gung der Gerichtsstandsvereinbarung verneint hat. Diese Bedenken sind jedoch in Kauf zu nehmen. Sie begründen keinen Verstoß gegen das völkerrechtliche Gebot der comitas, insbesondere weil in der Entscheidung für den Ersatz des materiellen Schadens keine Bewertung der Richtigkeit der ausländischen Ent­ scheidung nach dem im Ausland anwendbaren Recht liegt. Zudem ist die Verur­ teilung zur Zahlung von Schadensersatz bezogen auf die Belastungen des inter­ nationalen Rechtsverkehrs das mildere Mittel im Vergleich zum Erlass eines Prozessführungsverbots. Auch der sog. materielle Schaden ist daher ersetzbar.

Briggs, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 1994, 158, 162; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 82. Vgl. außerdem Horn Linie GmbH & Co. v. Panamericana Formas E Impresos S.A., Ace Seguros S.A. [2006] EWHC 373 (Comm), Rn.  26. 69  Ebenso Tan/Yeo, Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly 2003, 435, 439. 70  So auch Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  3, 53 f. 71  Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 82. 68 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

c)  Zusammenfassung Im Ergebnis kann die redliche Partei, wenn das derogierte Gericht eine Sachent­ scheidung zu ihren Lasten getroffen hat, Schadensersatz verlangen, wenn die andere Partei aufgrund der Entscheidung die Zwangsvollstreckung in ihr Ver­ mögen betrieben hat und wenn eine hypothetische Betrachtung ergibt, dass das prorogierte Gericht zu ihren Gunsten oder jedenfalls nur in geringerem Umfang zu ihren Lasten entschieden hätte. Dabei muss sie sich u. U. entgegenhalten las­ sen, ihrer Schadensminderungsobliegenheit aus §  254 BGB nicht gerecht ge­ worden zu sein. Inhaltlich kann dabei auf die Ausführungen zur ersten Fall­ gruppe verwiesen werden. V.  Sonderfall: Prozessvergleich Eine dritte, gesondert zu behandelnde Gruppe bilden die Fälle, in denen die Parteien das Verfahren vor dem derogierten Gericht beenden, indem sie sich in einem Prozessvergleich einigen. Nach der hier vertretenen Auffassung steht ein Prozessvergleich nicht bereits als res iudicata der Zulässigkeit des Schadenser­ satzprozesses vor dem prorogierten inländischen Gericht entgegen.72 Allerdings ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Schadensersatzklage häufig ausgeschlos­ sen, weil sich die redliche Partei mit dem Vergleich in vielen Fällen zugleich rügelos auf das Verfahren im derogierten Forum eingelassen hat. Das Rechts­ schutzbedürfnis ist daher nur dann zu bejahen, wenn der im Ausland Beklagte die Zuständigkeit des derogierten Gerichts trotz des Prozessvergleichs fortlau­ fend gerügt hat. Doch auch in diesen Fällen ist das Rechtsschutzbedürfnis bezo­ gen auf Zahlungen oder sonstige Vermögenseinbußen, welche die im Ausland abredewidrig verklagte Partei aufgrund des Prozessvergleichs vorgenommen oder erlitten hat, nach der hier vertretenen Auffassung zu verneinen.73 Ein An­ spruch auf Ersatz des sog. materiellen Schadens scheidet also in jedem Fall aus. Was aufgrund eines freiwilligen Vergleichs an die andere Partei bezahlt wird, kann nicht im Wege des Schadensersatzes zurückverlangt werden. Erfolgver­ sprechend kann daher im Falle eines Prozessvergleichs höchstens eine Scha­ densersatzklage sein, die sich auf den Ersatz des sog. prozessualen Schadens richtet. Möglicherweise sind der nicht vertragsbrüchigen Partei im Vorfeld der Einigung bereits Kosten entstanden, etwa weil sie die Zuständigkeit des Ge­ richts unter Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung bestritten hat. Es be­ steht kein Grund, weshalb diese Begleitschäden nicht wie in den anderen beiden Fallgruppen auch ersetzbar sein sollen. Hinsichtlich der konkreten Schadensbe­ 72  73 

Vgl. oben Teil III §  11 D. IV. Vgl. zum Ganzen oben Teil III §  11 D. IV.

§ 13 – B.  Der Umfang des vertraglichen Schadensersatzanspruchs

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messung und einer möglichen Minderung des Anspruchsumfangs sei auf die Ausführungen zur ersten Fallgruppe verwiesen. VI. Gesamtergebnis In den meisten Fällen kann die nicht vertragsbrüchige Partei nur Ersatz des sog. prozessualen Schadens verlangen, nämlich erstens dann, wenn das derogierte Gericht das Verfahren ausgesetzt, weiterverwiesen oder durch Prozessurteil be­ endet und keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, zweitens, wenn es eine Entscheidung zugunsten der nicht vertragsbrüchigen Partei getroffen hat, sowie drittens in den Fällen, in denen sich die Parteien in einem Prozessvergleich ge­ einigt haben. Ein auf Ersatz eines sog. materiellen Schadens gerichteter An­ spruch kommt nur dann in Variante 2 des Beispielsfalls 1 in Betracht, wenn das derogierte Gericht eine Sachentscheidung zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei getroffen hat, das prorogierte Gericht aber aller Wahrscheinlichkeit nach zu ihren Gunsten oder zumindest in geringerem Maße zu ihren Lasten entschie­ den hätte. Der hypothetische Rechtszustand ist dabei in allen Fällen grundsätzlich der­ jenige, der bestehen würde, wenn die Klage nicht vor dem derogierten, sondern vor einem bzw. dem gewählten Gericht erhoben worden wäre, es sei denn, die nicht vertragsbrüchige Partei kann das Gericht davon überzeugen, dass es bei Hinwegdenken der Klage im forum derogatum überhaupt nicht zu einer Klage gekommen wäre. Ebenfalls sind in allen Fällen die Grundsätze der Vorteilsaus­ gleichung zu beachten und es ist stets zu prüfen, ob der Umfang des Anspruchs wegen einer Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit zu kürzen ist. Dabei ist eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit jedoch nur sel­ ten zu bejahen. Denn der nicht vertragsbrüchigen Partei dürfte es – in Anbe­ tracht der sich noch in der Entwicklung befindlichen Rechtsprechung zu Scha­ densersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung – grundsätzlich nur in engen Grenzen zumutbar sein, sich auf eigene Kosten über die schlichte Zuständigkeitsrüge hinaus gegen das Verfahren im forum derogatum zu wehren und damit das Risiko einzugehen, auf den dadurch entste­ henden Kosten sitzen zu bleiben.

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C.  Durchsetzung einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung im Ausland I. Einführung Eine Schadensersatz gewährende Gerichtsentscheidung wird der nicht vertrags­ brüchigen Partei in vielen Fällen nur dann von tatsächlichem Nutzen sein, wenn sie auch im Ausland die Vollstreckung aus dem Titel betreiben kann. Denn die Partei, die abredewidrig vor dem derogierten ausländischen Gericht geklagt hat, wird nicht immer über Vermögen in Deutschland verfügen. Sollte dies der Fall sein, kann der Titelgläubiger unproblematisch die Vollstreckung im Inland be­ treiben. Verfügt die vertragsbrüchige Partei dagegen lediglich über Vermögen im Ausland, stellt sich die Frage, welche Vollstreckungsaussichten das Scha­ densersatzurteil im Ausland genießt. Untersucht werden an dieser Stelle die Vollstreckungsaussichten in einem Drittstaat nach dessen nationalem Recht. Die Vollstreckung in einem anderen EuGVVO-Mitgliedstaat sowie die Besonderheiten, die sich unter Geltung des HGÜ ergeben könnten, werden im Kapitel zum vereinheitlichten Recht erör­ tert.74 Differenziert wird zwischen einer Vollstreckung in demjenigen Staat, in dem das abredewidrig eingeleitete Erstverfahren stattgefunden hat, und einer Vollstreckung in einem anderen, unbeteiligten Staat. Innerhalb dieser Gruppen wird das Ergebnis wiederum häufig davon abhängen, ob das Erstgericht eben­ falls von der Wirksamkeit und Bindungswirkung der Gerichtsstandsvereinba­ rung ausging oder nicht und – eng damit verknüpft – ob mit der Schadensersatz­ entscheidung lediglich Ersatz des sog. prozessualen oder aber (auch) Ersatz des sog. materiellen Schadens zugesprochen wurde. II.  Vollstreckung in dem Staat des Erstverfahrens 1. Überblick Viele Fälle werden so gelagert sein, dass die nicht vertragsbrüchige Partei, nachdem sie vor einem deutschen Gericht erfolgreich Schadensersatz wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung eingeklagt hat, die Vollstreckung aus dem Titel gerade in dem Staat wird betreiben wollen, in dem die andere Partei abredewidrig das Erstverfahren eingeleitet hat. Denn häufig wird der Schadensersatzschuldner nur in diesem Staat über nennenswertes vollstreckba­ res Vermögen verfügen. In dem hier untersuchten Beispielsfall 1, in dem „Brüchig“ zunächst unter Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung in New 74 

Vgl. unten Teil III §  15 B. IV., C. V.

§ 13 – C.  Durchsetzung der Entscheidung im Ausland

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York geklagt hat, stellt sich also die Frage, ob aus der Schadensersatz gewähren­ den Entscheidung die Vollstreckung in den USA betrieben werden kann. Wie bereits im Rahmen der Untersuchung inländischer Feststellungsklagen über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung dargestellt75, richten sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in den USA grundsätzlich nach dem einzelstaatlichen Recht, wobei es statt des im inner­ amerikanischen Rechtsverkehr vorgesehenen einfachen Registrierungsverfah­ rens für die Anerkennung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung einer auf das fremde Urteil gestützten Vollstreckungsklage (action upon the judgment) bedarf. Das US-amerikanische Gericht entscheidet dann in einem verkürzten Verfahren (summary judgment) über die Anerkennungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung.76 Wie dargestellt, richtet sich dies entweder nach dem einzelstaatlichen geschriebenen Recht – und zwar grundsätzlich nach dem von den meisten Bundesstaaten übernommenen Uni­ form Foreign Money-Judgments Recognition Act (1962) sowie dem Uniform Recognition Act 1962 (bzw. 2005), welche die Anerkennung und Vollstreckung von auf eine Geldzahlung gerichteten ausländischen Entscheidungen regeln77 – oder nach common law-Grundsätzen78. Weil eine Schadensersatz gewährende Entscheidung eine Geldforderung zum Inhalt hat, richten sich deren Anerkennungsvoraussetzungen also primär nach dem Uniform Recognition Act 1962 (bzw. 2005). Für die tatsächliche Durchset­ zung stehen dem Titelgläubiger dann nach dem ALI Draft Statute 200579 zwei Verfahren zur Auswahl: Erstens kann er nach §  9 ALI Draft Statute 2005 eine action upon the judgment bei dem zuständigen Gericht erheben. Zweitens be­ steht auch die Möglichkeit, die ausländische Entscheidung gemäß §  10 ALI Draft Statute 2005 beim zuständigen Gericht registrieren zu lassen, wenn das Urteil auf die Zahlung einer Geldforderung gerichtet ist, nicht mehr durch ein Rechtsmittel angefochten werden kann und nicht im Versäumnisverfahren er­ gangen ist. Außerdem muss der Titelgläubiger eidesstattlich versichern, dass kein Ausnahmetatbestand nach §  10(a) ALI Draft Statute erfüllt ist und dass der Schuldner noch nicht auf das Urteil geleistet hat, sein im Ursprungsstaat belege­ nes Vermögen auch nicht ausreichend ist, um den Gläubiger zu befriedigen, 75 

Vgl. oben Teil I §  6 G. II. 5. b). Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  191 m. w. N. 77  Z. B. Kalifornien: 13 U.L.A. 149 (1986). 78  Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), Handbuch des US-amerikanischen Handels-, Ge­ sellschafts- und Wirtschaftsrechts, Bd. I (2001), Kap.  8 Rn.  308. 79  Überblick zum ALI Draft Statute bei Rühl, RIW 2006, 192; Silberman, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 359 ff. 76 

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oder er in diesem Staat Schritte durchgeführt hat, um sein Vermögen der Voll­ streckung durch den Gläubiger zu entziehen.80 Unabhängig von dem jeweiligen Verfahren des ALI Draft Statute müssen aber die inhaltlichen Voraussetzungen des Uniform Recognition Act 1962 (bzw. 2005) erfüllt sein und es dürfen keine Anerkennungsversagungsgründe nach der international comity vorliegen. Im Uniform Recognition Act 1962 regelte §  3, dass ausländische Urteile grundsätzlich nach denselben Kriterien anerkennungsfähig waren wie die Ent­ scheidungen der Gerichte anderer Bundesstaaten, nämlich wenn sie der verfas­ sungsrechtlichen full faith and credit clause nicht zuwiderliefen. §  4(a) listete dann bestimmte Gründe auf, nach denen die Anerkennung versagt werden muss­ te (z. B. die Verletzung wesentlicher rechtsstaatlicher Grundsätze, wie etwa des Rechts auf rechtliches Gehör), während §  4(b) solche Gründe nannte, nach denen die Anerkennung versagt werden kann.81 Im Uniform Recognition Act 2005 wurde dies fortgeführt: §  4(a) Uniform Recognition Act 2005 stellt die Regel auf, dass ausländische Urteile grundsätzlich anzuerkennen sind, §  4(b) nennt die zwingenden82 und §  4(c) die fakultativen Anerkennungsversagungsgründe, bei denen das über die Anerkennung entscheidende Gericht einen Ermessensspiel­ raum hat83.84 §  4(d) legt die Beweislast für das Vorliegen eines Anerkennungs­ versagungsgrundes der Partei auf, die sich gegen die Anerkennung wehrt. Steht die Anerkennung einer deutschen Entscheidung, welche Schadensersatz wegen einer abredewidrig in den USA erhobenen Klage gewährt, zur Frage, kommen primär drei Anerkennungsversagungsgründe in Betracht: die Aner­ kennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit, wegen einer unvereinbaren inländischen Entscheidung oder wegen eines ordre public-Ver­ stoßes.

Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  388. Vgl. zum Ganzen U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  18 ff. 82  Überblick bei R. Brand, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, April 2012, online abrufbar unter , S.  13 ff.; Heiser, 31 University of Pennsylvania Journal of Internatio­ nal Law (2010), 1013, 1026 ff.; Silberman, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 353 ff. 83  Überblick bei R. Brand, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, April 2012 [oben Fn.  82], S.  20 ff.; Heiser, 31 University of Pennsylvania Journal of International Law (2010), 1013, 1029 ff.; Silberman, 26 Houston Journal of International Law (2004), 327, 356 ff. 84  §  4 Uniform Recognition Act 2005 enthält dabei zwei weitere Anerkennungsversa­ gungsgründe im Vergleich zur Vorgängerregelung von 1962, vgl. dazu Heiser, 31 University of Pennsylvania Journal of International Law (2010), 1013, 1031. 80  81 

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2.  Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit Einer ausländischen Gerichtsentscheidung ist dann die Anerkennung zu versa­ gen, wenn das Ursprungsgericht aus Sicht des US-amerikanischen Rechts nicht für die Entscheidung zuständig war. Dies ergibt sich nicht nur aus den zwingen­ den Anerkennungsversagungsgründen in §  4(a)(2),(3) des Uniform Recognition Act 1962 bzw. §  4(b)(2),(3) des Uniform Recognition Act 2005, sondern auch aus §§  5(a)(iii), 6 ALI Recognition Draft Statute 2005.85 Dabei geht man ganz überwiegend davon aus, dass das Anerkennungsgericht frei nach seinen eigenen Rechtsvorstellungen überprüfen kann, ob das Ursprungsgericht für die Ent­ scheidung des Rechtsstreits international zuständig war oder nicht, und dessen Entscheidung über seine Zuständigkeit keinerlei Bindungswirkung entfaltet.86 Hat das US-amerikanische Erstgericht, wie in den Fällen der Variante 1 des Beispielsfalls 1, das Verfahren ausgesetzt oder abgewiesen, wird das mit der Anerkennung befasste Gericht prüfen, ob es die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte für wirksam erachtet. Falls dies der Fall ist, hängt die Anerkennungsmöglichkeit davon ab, ob das US-amerikanische Ge­ richt (wie hier vertreten) ebenfalls davon ausgeht, dass aus der Gerichtsstands­ vereinbarung auch die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Schadenser­ satzanspruch wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung folgt. Falls es dies verneint, besteht immer noch die Möglichkeit, dass es das deutsche Erstge­ richt aus einem anderen Grund für zuständig hält und den Anerkennungsversa­ gungsgrund der fehlenden Anerkennungszuständigkeit deshalb verneint.87 In den Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1, in denen in den USA bereits ein Verfahren in der Sache durchgeführt worden ist und das US-amerikanische Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam oder sonst nicht bin­ dend erachtet hat, sind aus US-amerikanischer Sicht gerade die US-amerikani­ schen und nicht die deutschen Gerichte für die Entscheidung in der Sache zu­ ständig. Fraglich ist, was dies für die Anerkennungszuständigkeit bezogen auf das Schadensersatzurteil wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung bedeutet. Die Anerkennungszuständigkeit des deutschen Gerichts wird hier aus US-amerikanischer Perspektive jedenfalls nicht aus der Gerichtsstandsverein­ barung selbst folgen, denn diese ist ja aus Sicht des US-amerikanischen Rechts unwirksam. Ob sich aus US-amerikanischer Perspektive die Gerichtsstandsver­ 85 

Überblick zum Anerkennungsversagungsgrund der fehlenden Anerkennungszustän­ digkeit bei D. P. Stewart, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 179, 186 f. 86  Vgl. etwa Hunt v. BP Exploration Co. (Libya) Ltd, 492 F. Supp.  885, 895 (N.D. Tex. 1980); Nippon Emo-Trans Co., Ltd v. Emo-Trans, Inc., 744 F. Supp.  1215, 1218 (E.D.N.Y.1990); S.C. Chimexin S.A. v. Velco Enterprises Ltd, 36 F. Supp.  2d 206, 212 (S.D.N.Y. 1999). 87  Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  469.

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einbarung auch auf Verfahren über Sekundäransprüche bezieht, die aus der Ge­ richtsvereinbarung folgen, kann für diese Fallgruppe folglich dahingestellt blei­ ben. Die Anerkennungszuständigkeit der deutschen Gerichte kann hier nur dann bejaht werden, wenn das deutsche mit der Schadensersatzklage befasste Gericht aus US-amerikanischer Sicht aus sonstigen Gründen zuständig war. Dies könnte zumindest dann der Fall sein, wenn der im Schadensersatzprozess Beklagte seinen Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und sich die Anerkennungszuständigkeit der deutschen Gerichte aus dem Grundsatz des actor sequitur forum rei ergibt. In anderen Fällen muss im Einzelfall ge­ prüft werden, ob die deutschen Gerichte aus Sicht des US-amerikanischen Rechts über Anerkennungszuständigkeit verfügt haben. Besonders wahrschein­ lich ist es aber nicht, dass das deutsche Schadensersatzgericht über Anerken­ nungszuständigkeit verfügt, wenn aus US-amerikanischer Sicht schon für die Entscheidung in der Sache die US-amerikanischen und nicht die deutschen Ge­ richte zuständig waren. Folgerichtig ist eine deutsche Entscheidung, die Ersatz des sog. materiellen Schadens gewährt, in vielen Fällen bereits mangels Aner­ kennungszuständigkeit in den USA nicht anerkennungsfähig und vollstreckbar. 3.  Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer inländischer Entscheidung Zweitens ist es möglich, dass das US-amerikanische Gericht die Anerkennung der deutschen Schadensersatz gewährenden Entscheidung deshalb verneint, weil sie im Widerspruch zu einer anderen die Parteien bindenden Entscheidung steht. Dieser Anerkennungsversagungsgrund ergibt sich aus §  4(b)(4) Uniform Recognition Act 1962 bzw. §  4(c)(4) Uniform Recognition Act 2005 und ebenso aus §  5(c)(ii) ALI Draft Statute 2005.88 Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen zwingenden, sondern um einen fakultativen, ins Ermessen des Richters gestellten Anerkennungsversagungsgrund. Es steht dem US-amerikanischen Richter also grundsätzlich frei, einer ausländischen Entscheidung Wirkung im Inland zuzusprechen, auch wenn sie im Widerspruch zu einer zuvor in den USA ergangenen Entscheidung steht. Anders als in Deutschland gemäß §  328 Abs.  1 Nr.  2 ZPO und in Europa gemäß Art.  34 Nr.  4 EuGVVO a. F. bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  c), d) EuGVVO n. F. kann also in den USA nach der sog. last-in-time rule auch der späteren Entscheidung der Vorrang gewährt werden, wenn sie als vor­ zugswürdig erscheint, etwa weil sie auf einem jüngeren Erkenntnisstand be­ ruht.89 88  Überblick zum Anerkennungsversagungsgrund der entgegenstehenden Entscheidung bei D. P. Stewart, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 179, 189 f. 89  Vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  183; ders., IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  946.

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Bei der Prüfung, ob ein deutsches Schadensersatzurteil im Widerspruch zu einer zuvor ergangenen US-amerikanischen Entscheidung steht, muss wieder­ um zwischen den beiden Fallgruppen unterschieden werden: Hat das derogierte US-amerikanische Gericht, vor welchem die zum Scha­ densersatz verurteilte Partei abredewidrig Klage erhoben hat, wie in Variante 1 des Beispielsfalls 1, seine Zuständigkeit verneint und das Verfahren ausgesetzt oder abgewiesen, gibt es keine inländische Sachentscheidung, die dem deut­ schen Schadensersatzurteil entgegenstehen könnte. In prozessualer Hinsicht haben beide Gerichte gleich entschieden, nämlich für die Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte. Man könnte höchstens meinen, das US-amerikanische Gericht habe abschließend über die Verteilung der Kosten entschieden mit der Folge, dass eine deutsche Kostenent­ scheidung anderen Inhalts im Widerspruch dazu stünde. Dagegen spricht aber, dass das US-amerikanische Gericht, wie dargestellt, in der Regel gerade keine ausdrückliche Entscheidung über die Kosten trifft, sondern sich die Verteilung der Kosten ipso iure aus der Anwendung der American rule of costs ergibt.90 In den Fällen der Variante 1 des Beispielsfalls 1, wenn das US-amerikanische Ge­ richt die Gerichtsstandsvereinbarung anerkannt und keine Sachentscheidung getroffen hat, dürften die Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines deutschen Urteils, welches der nicht vertragsbrüchigen Partei Ersatz des ihr wegen des Verfahrens in den USA entstandenen sog. prozessualen Schaden zuspricht, also aller Voraussicht nach nicht am Vorliegen einer entgegenstehenden inländischen Entscheidung scheitern. Anders könnten aber die Fälle zu beurteilen sein, in denen das derogierte Gericht seine Zuständigkeit bejaht und in der Sache entschieden hat, also in der Variante 2 des Beispielsfalls 1 vergleichbaren Konstellationen. Hinsichtlich der Kostenfrage kann hier nichts anderes gelten; im Zweifel wird das US-amerika­ nische Gericht wiederum nicht ausdrücklich über die Kosten entschieden haben. Allerdings ist in den Fällen dieser Konstellation bereits zeitlich vor dem deut­ schen Schadensersatzurteil eine Sachentscheidung in den USA ergangen. Frag­ lich ist dann, ob das deutsche Schadensersatzurteil aus Sicht des US-amerikani­ schen Rechts im Widerspruch zu der US-amerikanischen Entscheidung steht. Dies könnte man verneinen mit dem Argument, die deutsche Entscheidung be­ treffe die Frage, ob wegen der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung Schadensersatz zu leisten ist, während die US-amerikanische Entscheidung in der Sache, also bezogen auf den zugrunde liegenden materiellrecht­lichen Streit zwischen den Parteien ergangen sei. So einfach werden die US-amerikanischen Gerichte in der Realität jedoch wohl kaum das deutsche Schadensersatzurteil 90 

Ebenso auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  471.

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anerkennen. Das US-amerikanische Erstgericht, das eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, hat seine Zuständigkeit bejaht, also die Gerichtsstandsver­ einbarung zugunsten der deutschen Gerichte für unwirksam befunden. Unab­ hängig davon, ob Entscheidungen über prozessuale Vorfragen in den USA in Rechtskraft erwachsen oder nicht, liegt es in der praktischen Wirklichkeit doch recht nahe, dass das US-amerikanische Anerkennungsgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die deutsche Schadensersatzentscheidung als im Wi­ derspruch zur US-amerikanischen Erstentscheidung stehend betrachten und sein Ermessen dahingehend ausüben wird, dass ihr die Anerkennung wegen der entgegenstehenden inländischen Entscheidung zu versagen ist. Dies gilt insbe­ sondere dann, wenn das deutsche Gericht der nicht vertragsbrüchigen Partei Ersatz des sog. materiellen Schadens gewährt hat, weil das US-amerikanische Erstgericht eine Sachentscheidung zu ihren Lasten getroffen hat. Schließlich steht die deutsche Entscheidung im genauen Widerspruch zu der zuvor ergange­ nen US-amerikanischen Sachentscheidung, kehrt sie also inhaltlich um. Doch auch, wenn das deutsche Gericht nur Ersatz des sog. prozessualen Schadens gewährt hat, z. B. weil das US-amerikanische Erstgericht in der Sache zugunsten der nicht vertragsbrüchigen Partei entschieden hat, diese aber trotzdem wegen der American rule of costs einer hohen Kostenlast unterlegen war, ist es in der Praxis recht wahrscheinlich, dass dem deutschen Schadensersatzurteil die An­ erkennung in den USA wegen entgegenstehender inländischer Entscheidung versagt wird. Denn Grundlage der deutschen Schadensersatzentscheidung ist auch in diesem Fall die Feststellung, dass das US-amerikanische Gericht unzu­ ständig war und das Verfahren nicht hätte durchführen dürfen. In den Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1 muss also generell damit gerechnet werden, dass einer deutschen Entscheidung, die der nicht vertragsbrüchigen Partei Schadens­ ersatz gewährt, in den USA auch unter Berufung auf die entgegenstehende in­ ländische Entscheidung die Anerkennung versagt wird.91 4.  Anerkennungsversagung wegen Verletzung des ordre public Drittens könnte einer deutschen Schadensersatz gewährenden Entscheidung die Anerkennung versagt werden, wenn sie mit dem ordre public des jeweiligen Bun­ desstaats unvereinbar wäre. Der anerkennungsrechtliche public policy-Vorbehalt ist als ebenfalls fakultativer Anerkennungsversagungsgrund in §  4(b)(3) Uniform Recognition Act 1962 bzw. §  4(c)(3) Uniform Recognition Act 2005 geregelt.92 91  Zum selben Ergebnis gelangt Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  473. 92  Überblick zum Anerkennungsversagungsgrund der ordre public-Widrigkeit bei D. P. Stewart, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 179, 188 f.

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In Variante 1 des Beispielsfalls 1, wenn das US-amerikanische Erstgericht sei­ ne Zuständigkeit verneint und kein Verfahren in der Sache durchgeführt hat, ist es wiederum eher unwahrscheinlich, dass dem deutschen Schadensersatzurteil die Anerkennung versagt wird. Das deutsche und das US-amerikanische Gericht ha­ ben die Gerichtsstandsvereinbarung gleich beurteilt, in der deutschen Entschei­ dung liegt also auch kein mittelbarer Eingriff in die Hoheitsbefugnisse der US-amerikanischen Gerichte, selbstständig über ihre internationale Zuständigkeit entscheiden zu dürfen.93 Ebenso ist es nicht besonders wahrscheinlich, dass das US-amerikanische Anerkennungsgericht einen ordre public-Verstoß darin sehen wird, dass das deutsche Gericht eine von der American rule of costs abweichende Kostenentscheidung getroffen hat. Dafür spricht auch, dass sich die Praxis, der nicht vertragsbrüchigen Partei Ersatz der ihr entstandenen Kosten wegen der Ver­ letzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung, also des sog. prozes­ sualen Schadens, zu gewähren, in den USA etabliert hat.94 Die US-amerikani­ schen Gerichte sollten also nicht selbst Schadensersatz wegen der Verletzung ei­ ner Gerichtsstandsvereinbarung gewähren, entsprechenden Entscheidungen aus dem Ausland aber die Anerkennung wegen ordre public-Widrigkeit versagen. In den Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1, wenn das US-amerikanische Erstgericht eine Sachentscheidung getroffen hat, ist nach dieser Untersuchung da­ von auszugehen, dass dem deutschen Schadensersatzurteil schon wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit des deutschen Gerichts oder wegen entgegenstehen­ der inländischer Entscheidung die Anerkennung in den USA versagt werden wür­ de. Darüber hinaus sind aber auch aus Gründen des ordre public die Anerken­ nungsaussichten als sehr gering einzuschätzen. Es liegt nahe, dass aus Sicht des US-amerikanischen Rechts die deutsche Entscheidung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und die daraus folgende Unzuständigkeit der US-­ amerikanischen Gerichte einen jedenfalls mittelbaren Eingriff in die Hoheitsbe­ fugnisse der US-amerikanischen Gerichte darstellt, wenn sich zuvor das US-ame­ rikanische Erstgericht für international zuständig gehalten hat. Hat das deutsche Gericht die US-amerikanische Sachentscheidung umgekehrt, indem es der nicht vertragsbrüchigen Partei Ersatz des sog. materiellen Schadens gewährt hat, aber auch in den Fällen, in denen das US-amerikanische Erstgericht sich für zuständig gehalten hat, das deutsche Gericht aber nur Ersatz des sog. prozessualen Schadens gewährt hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Aner­ kennung des deutschen Urteils in den USA jedenfalls an einer Verletzung des ordre public des jeweiligen Bundesstaats scheitern wird.95 Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  473. Vgl. die Darstellung der Rechtsprechung aus den USA in Teil II §  8 D. II. 95  Zum selben Ergebnis gelangt Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  474 93 

94 

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5. Zusammenfassung Ist der Schadensersatzgläubiger darauf angewiesen, in dem Staat des Erstge­ richts die Vollstreckung aus der Schadensersatz gewährenden Entscheidung zu betreiben, etwa weil die andere Partei nur dort über vollstreckbares Vermögen verfügt, sind die Anerkennungsaussichten unsicher. In den USA kann realisti­ scherweise nur in manchen Fällen auf die Anerkennungsfähigkeit und Voll­ streckbarkeit des Schadensersatzurteils gehofft werden. Darin liegt in der Pra­ xis die Schwäche der Möglichkeit, über ein Schadensersatzverfahren Schutz gegen die Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu er­ langen, wie auch im Schrifttum eingeräumt wird. Selbst Briggs gesteht: „[A]n English decision that damages be paid for breach of contract in obtaining a judgment is in reality unlikely to have international legs.“96 Dabei hängen die Anerkennungsaussichten in den USA stark davon ab, ob das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejaht und das Ver­ fahren in der Sache durchgeführt hat oder nicht. In den Fällen der Variante 1 des Beispielsfalls 1, wenn das US-amerikanische Gericht seine Zuständigkeit unter Würdigung der Gerichtsstandsvereinbarung verneint und keine Sachentschei­ dung getroffen hat, sind die Anerkennungschancen der deutschen Schadenser­ satzentscheidung einigermaßen hoch. Grundsätzlich dürfte das mit der Aner­ kennung befasste US-amerikanische Gericht der deutschen Entscheidung die Anerkennung weder mit der Begründung versagen, dem deutschen Gericht feh­ le die Anerkennungszuständigkeit, noch unter Verweis auf eine entgegenste­ hende US-amerikanische Entscheidung. Auch eine ordre public-Widrigkeit der deutschen Entscheidung ist in diesen Fällen eher unwahrscheinlich. Es besteht aber trotzdem die Restgefahr, dass US-amerikanische Gerichte den ordre public-Vorbehalt bemühen könnten, um unliebsamen ausländischen Schadensersatz­ urteilen die Anerkennung zu versagen. In Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1, wenn das aus deutscher Sicht abredewidrig angerufene US-amerikanische Erstgericht seine Zuständigkeit entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung bejaht und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, ist es dagegen sehr wahrscheinlich, dass einem deutschen Schadensersatzurteil die Anerkennung in den USA wegen fehlender Anerken­ nungszuständigkeit des deutschen Gerichts, entgegenstehender inländischer Entscheidung oder wegen ordre public-Widrigkeit versagt werden würde. Das 96  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  321. Ähnlich auch Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 83: „[I]t must be aknowled­ ged that the enforceability of an award of damages for breach of a choice-of-court agreement outside the forum where it is rendered is at best uncertain and is probably doubtful.“ Vgl. außerdem auch Tan, 40 Texas International Law Journal (2005), 623, 657.

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gilt in besonderem Maße für Entscheidungen, die auch Ersatz des sog. materiel­ len Schadens gewähren, die US-amerikanische Sachentscheidung also faktisch umkehren, doch ebenfalls für die übrigen Fälle, in denen das US-amerikanische Erstgericht seine Zuständigkeit bejaht hat. Die gefundenen Ergebnisse können grundsätzlich auf das Verhältnis zu ande­ ren Drittstaaten übertragen werden. Wenn eine Partei also entgegen einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte vor dem Gericht eines anderen Drittstaats geklagt hat, kann die nicht vertrags­ brüchige Partei nur in manchen Fällen damit rechnen, in diesem Drittstaat die Vollstreckung aus einer deutschen Schadensersatz gewährenden Entscheidung betreiben zu können. Denn bei den Anerkennungsversagungsgründen der feh­ lenden Anerkennungszuständigkeit, der entgegenstehenden inländischen Ent­ scheidung und der ordre public-Widrigkeit handelt es sich nicht um Besonder­ heiten des US-amerikanischen Rechts. Diese oder ähnliche Anerkennungsver­ sagungsgründe gibt es typischerweise in den meisten Rechtsordnungen.97 III.  Vollstreckung in einem unbeteiligten Drittstaat Der Schadensersatzgläubiger kann auch versuchen, die Vollstreckung aus dem deutschen Schadensersatzurteil in einem unbeteiligten Drittstaat (also im hier untersuchten Beispielsfall 1 weder in den USA noch in einem EuGVVO-Mit­ gliedstaat) zu betreiben, etwa weil die andere Partei in diesem Staat über voll­ streckbares Vermögen verfügt. Die Anerkennungsaussichten hängen dann stark vom Einzelfall ab. Wie erwähnt, handelt es sich gerade bei den Anerkennungs­ versagungsgründen der fehlenden Anerkennungszuständigkeit, der entgegen­ stehenden (inländischen oder ausländischen, aber anerkennungsfähigen) Ent­ scheidung und der ordre public-Widrigkeit nicht um Besonderheiten des US-amerikanischen Rechts, vielmehr kann in den meisten Staaten ausländi­ schen Gerichtsentscheidungen aus eben diesen oder ähnlichen Gründen die An­ erkennung versagt werden. In vielen Fällen werden die Anerkennungsaussich­ ten der deutschen Schadensersatzentscheidung davon abhängen, ob aus Sicht des drittstaatlichen, mit der Anerkennung befassten Gerichts die Entscheidung des US-amerikanischen Erstgerichts anerkennungsfähig ist. Hält es die aus­ schließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte für wirksam, stehen die Chancen gut, dass es der US-amerikanischen Entscheidung mangels Anerkennungszuständigkeit die Anerkennung versagt und folgerichtig die Anerkennung des deutschen Urteils weder am Erfordernis der Anerken­ 97  Vgl. Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  88.

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nungszuständigkeit noch an einer entgegenstehenden Entscheidung scheitert, denn die US-amerikanische Entscheidung entfaltet dann ja gerade keine Wir­ kungen in diesem Staat. Generell wird man wohl davon ausgehen können, dass die deutsche Entscheidung auch in einem Drittstaat in den Fällen der Variante 1 des Beispielsfalls 1 über einigermaßen hohe Anerkennungschancen verfügt, in Fällen der Variante 2 dagegen über geringere. Insgesamt dürften die Chancen auf Anerkennung in einem unbeteiligten Drittstaat aber etwas höher stehen, als wenn um Anerkennung in dem Staat des abredewidrig angerufenen Erstgerichts ersucht wird. Denn in dem Schadensersatzurteil dürfte wohl kaum eine Verlet­ zung der Hoheitsbefugnisse und Zuständigkeitsinteressen des unbeteiligten Drittstaats liegen, sodass es in diesen Fällen unwahrscheinlicher ist, dass die Anerkennung am ordre public scheitert. Möglich ist es trotzdem, dass das dritt­ staatliche Gericht die Praxis, Schadensersatz wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung zu gewähren, generell als ordre public-widrig bewer­ tet, etwa weil es in ihr eine zu starke Belastung des internationalen Rechtsfrie­ dens und Entscheidungseinklangs sieht. Vor allem in Staaten, die selbst Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ge­ währen, dürfte dies aber unwahrscheinlich sein. IV. Ergebnis Wie sich zeigt, liegt in der unsicheren Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung im Ausland die eigentliche Schwäche dieser Schutz­ möglichkeit gegen die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsverein­ barung. Hat das im Ausland abredewidrig angerufene Gericht die Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte für wirksam und bindend befunden und seine Zuständigkeit deshalb verneint, sind die Anerkennungsaus­ sichten des deutschen Schadensersatzurteils im Ausland einigermaßen hoch. Wenn das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit jedoch bejaht und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, ist es dagegen sehr unwahr­ scheinlich, dass eine deutsche Schadensersatzentscheidung in diesem Staat an­ erkannt und vollstreckt werden kann. Häufig wird der Anerkennung das Hin­ dernis der fehlenden Anerkennungszuständigkeit oder das Hindernis einer wi­ dersprechenden inländischen Entscheidung entgegenstehen. Auch die Annahme eines ordre public-Verstoßes ist möglich. Die Anerkennungschancen in einem unbeteiligten Drittstaat sind etwas höher und hängen in solchen Fällen u. a. da­ von ab, ob die Entscheidung des abredewidrig angerufenen Erstgerichts in die­ sem Drittstaat anerkennungsfähig ist. Generell kann aber davon ausgegangen werden, dass eine Schadensersatzentscheidung, die Ersatz des sog. materiellen Schadens gewährt, indem sie die Sachentscheidung des forum derogatum fak­

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tisch umkehrt, über sehr geringe Aussichten auf Anerkennung und Vollstre­ ckung in einem EuGVVO-Drittstaat verfügt.

§  14  Deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche A.  Überblick Wie dargestellt, haben die ausländischen Gerichte, die bislang Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährt haben, den Anspruch stets aus der in der Klageerhebung im forum derogatum liegenden Vertragsverletzung abgleitet. Auch im Schrifttum wird, wie aufgezeigt wurde, primär eine vertragliche Qualifikation der möglichen Ansprüche, die sich aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ergeben können, vertreten. Die Untersuchung hat zudem ergeben, dass auch im deutschen Recht vertragli­ che Schadensersatzansprüche gemäß §  280 Abs.  1 BGB wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung bestehen können. Obwohl es besonders nahe­ liegend ist, einen Schadensersatzanspruch wegen der Klageerhebung in einem abgewählten Gericht auf die darin liegende Vertragsverletzung zu stützen, ist es aber zumindest ebenfalls denkbar, dass deliktische oder bereicherungsrechtli­ che Anspruchsgrundlagen erfüllt sind. Dabei können im deutschen Recht ver­ tragliche Ansprüche in Anspruchskonkurrenz mit deliktischen und bereiche­ rungsrechtlichen Ansprüchen stehen. Viele der im Rahmen der Untersuchung der vertraglichen Schadensersatzan­ sprüche gefundenen Ergebnisse können freilich auf deliktische und bereiche­ rungsrechtliche Ansprüche übertragen werden. Insbesondere die Ausführungen zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage, namentlich zu der Frage, ob eine Entscheidung des abredewidrig angerufenen ausländischen Gerichts res iudicata-Wirkung entfaltet1, und zum erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die inländische Schadensersatzklage2 , gelten unabhängig davon, ob die Klage sich auf vertragliche, deliktische oder bereicherungsrechtliche Anspruchs­ grundlagen gründet. Insoweit kann also auf die bereits erlangten Ergebnisse dieser Arbeit verwiesen werden. In diesem Kapitel sollen nur die Besonderhei­ ten untersucht werden, die sich im Vergleich zu vertraglichen Schadensersatz­ ansprüchen für deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche ergeben. 1  2 

Siehe dazu oben Teil III §  11 C. Siehe dazu oben Teil III §  11 D.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Das Kapitel beschäftigt sich zunächst mit der Frage, welche Gerichte für die Entscheidung über deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung international zuständig sind (B.), und mit dem auf diese Ansprüche anwendbaren Recht (C.). Sodann werden die möglichen deliktischen (D.) und bereicherungsrechtlichen (E.) Ansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung in einem Staat, der kein Mitgliedstaat der EuGVVO ist, untersucht. Anschließend erfolgt eine kurze Er­ örterung der Anerkennungsaussichten einer deutschen Entscheidung, die delik­ tischen Schadensersatz oder bereicherungsrechtlichen Ausgleich wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährt (F.). Die Ergebnisse wer­ den zuletzt zusammengefasst (G.).

B.  Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte Hat eine Partei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung in einem Drittstaat, in dem dieser Un­ tersuchung zugrunde gelegten Beispielsfall 1 also in New York, verletzt und verlangt die nicht vertragsbrüchige Partei daraufhin in Deutschland Ersatz des ihr aus der abredewidrig erhobenen Klage entstandenen Schadens, stellt sich die Frage, ob die deutschen Gerichte auch die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung über mögliche deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprü­ che besitzen. Wie dargestellt, besteht Einigkeit, dass die internationale Zustän­ digkeit für die Entscheidung über mögliche vertragliche Schadensersatzansprü­ che wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung aus der Gerichts­ standsvereinbarung selbst folgt.3 Die Parteien erklären mit dem Abschluss einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung die gewählten Gerichte also auch für zuständig, über aus der Gerichtsstandsvereinbarung selbst erwachsende ver­ tragliche Ansprüche zu entscheiden. Haben die Parteien ausnahmsweise ausdrücklich vereinbart, dass die aus­ schließliche Gerichtsstandsvereinbarung auch für Ansprüche wegen der Verlet­ zung der Vereinbarung selbst gelten soll, so dürften von dieser Abrede unprob­ lematisch nicht nur vertragliche, sondern auch alle anderen möglichen Ansprü­ che, die an die Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung anknüpfen, erfasst sein.4 Eine solche explizite Abrede wird aber nur selten vorliegen. In allen ande­ 3 

Vgl. oben Teil III §  11 B. Ebenso Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 91; sich an­ schließend Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  414. In diese Rich­ 4 

§ 14 – B.  Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte

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ren Fällen ist fraglich, ob die Zuständigkeit der gewählten Gerichte auch die Kompetenz umfasst, über deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der Verletzung der Vereinbarung zu entscheiden. Würde man dies ver­ neinen und die Gerichtsstandsvereinbarung enger auslegen, würde sich die in­ ternationale Zuständigkeit aus deutscher Sicht nach der EuGVVO oder der ZPO richten. Wäre im Beispielsfall 1 der Auslandskläger „Brüchig“ nicht in einem Mitgliedstaat der EuGVVO, sondern etwa in den USA wohnhaft, wäre die EuG­ VVO für einen gegen „Brüchig“ gerichteten Sekundärprozess in Deutschland nicht anwendbar und die Frage der internationalen Zuständigkeit nach den dop­ pelfunktional anwendbaren Zuständigkeitsvorschriften der ZPO zu beantwor­ ten. Allerdings spricht einiges dafür, die Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  25 EuGVVO n. F. grundsätzlich weit auszulegen und aus ihr auch die Kom­ petenz der gewählten Gerichte abzuleiten, über deliktische und bereicherungs­ rechtliche Ansprüche wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden. Dafür spricht zunächst der Grundsatz der Prozessökonomie, denn es wäre unpraktisch, wenn das gewählte deutsche Gericht über vertragliche, nicht aber über die sonstigen aus der Verletzung der Gerichtsstandsvereinba­ rung erwachsenden Ansprüche entscheiden dürfte. Dies könnte zur Folge ha­ ben, dass vor unterschiedlichen Gerichten Prozesse über die möglichen vertrag­ lichen, deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüche zu führen wären, mit der Folge sich u. U. widersprechender Entscheidungen oder einer doppelten Kompensation der nicht vertragsbrüchigen Partei. Auch der Parteiwille legt eine Konzentration der Entscheidung über sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche beim gewählten Gericht nahe, denn den Parteien wird daran gelegen sein, in einem Verfahren vor einem Gericht umfassend die aus der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung folgenden Ansprüche klären zu lassen. Auch wenn es sich nicht um vertragliche, sondern um Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder aus Bereicherungsrecht handelt, wurzeln die Ansprüche doch in der Gerichtsstandsvereinbarung und sind untrennbar mit dieser verbunden. Das in der Vereinbarung benannte Gericht sollte daher selbst darüber entscheiden dürfen, ob überhaupt eine wirksame und ausschließliche Gerichtsstandsverein­ barung vorliegt und der Auslandskläger diese Vereinbarung verletzt hat. Daher umfasst die Gerichtsstandsvereinbarung auch die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung über deliktische oder bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der Verletzung der Vereinbarung.5 Für dieses Ergebnis spricht im Übri­ gen auch die vom EuGH vorgenommene Auslegung des Art.  5 Nr.  1 lit.  a) tung auch Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.132. 5  Im Ergebnis ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  415; Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 92.

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EuGV­VO a. F. (jetzt Art.  7 Nr.  1 lit.  a) EuGVVO n. F.). Nach einer Entscheidung des Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 knüpfen nämlich auch Klagen wegen zivil­ rechtlicher Haftung, die nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur sind, gleichwohl an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. v. Art.  5 Nr.  1 lit.  a) EuGVVO a. F. an, wenn das vorgeworfene Verhalten in einem Ver­ stoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen liegt.6 Wiederum gilt, dass die Zuständigkeit der gewählten Gerichte grundsätzlich ausschließlich ist. Der nicht vertragsbrüchigen Partei steht es aber frei, vor dem abredewidrig angerufenen ausländischen Gericht – etwa im Wege der Widerkla­ ge – Ersatz der ihr aus der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung entstan­ denen Nachteile bzw. Rückforderung der bei der anderen Partei entstandenen Vorteile aufgrund sämtlicher in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen zu verlangen. Das abredewidrig angerufene Gericht ist also ebenfalls zuständig, entweder indem man eine (vorweggenommene) rügelose Einlassung der ande­ ren Partei bejaht oder indem man die Gerichtsstandsvereinbarung in Bezug auf die aus ihrer Verletzung erwachsenden Sekundäransprüche nur als einseitig ausschließlich, also asymmetrisch einordnet.7

C.  Das auf deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht I.  Das anwendbare Kollisionsrecht Während vertragliche Schadensersatzansprüche dem Prorogationsstatut, nach der hier vertretenen Auffassung im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der deutschen Gerichte also dem deutschen Recht als lex fori prorogati unterliegen, stellt sich die Frage, welches Recht die möglichen deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüche beherrscht. Früher richtete sich das auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anwendba­ re Recht nach Art.  40 EGBGB und das bereicherungsrechtliche Ansprüche be­ herrschende Recht ergab sich aus Art.  38 EGBGB. Art.  40 EGBGB sieht zu­ gunsten des Geschädigten ein (nach Art.  40 Abs.  1 S.  2 EGBGB eingeschränk­ tes) Ubiquitätsprinzip vor, wonach dieser grundsätzlich zwischen dem Recht am Handlungs- und am Erfolgsort wählen darf. Art.  38 EGBGB unterscheidet zwischen den Fällen der Leistungs- und Eingriffskondiktion. Während Leis­ 6  EuGH, 13.03.2014, Rs. C‑548/12 (Marc Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL und Karsten Fräßdorf ), Rn.  29. Ähnlich auch EuGH, 10.09.2015, Rs. C-47/14 (Holterman Ferho Exploitatie BV u. a./Spies von Büllesheim), Rn.  65, 79. 7  Vgl. oben Teil III §  11 B. II.

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tungskondiktionsansprüche gemäß Art.  38 Abs.  1 EGBGB dem Recht unterlie­ gen, das auf das Rechtsverhältnis anzuwenden ist, auf das die Leistung bezogen ist, erklärt Art.  38 Abs.  2 EGBGB für Ansprüche aus Eingriffskondiktion das Recht des Staates, in dem der Eingriff geschehen ist, für anwendbar. Art.  41 EGBGB sieht eine Durchbrechung der Grundsätze der Art.  38 und 40 EGBGB zugunsten des Rechts des Staates, mit dem eine wesentlich engere Verbindung besteht, vor. Außerdem erlaubt Art.  42 EGBGB den Parteien eine nachträgliche Rechtswahl. Allerdings bestimmt sich das auf deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht heute nicht mehr nach dem EGBGB, sondern nach den vereinheitlichten Vorschriften der Rom II-VO, die (anders als die Rom I-VO) auch keinen Ausschlussgrund für Gerichtsstandsvereinbarungen enthält. Der zeitliche Anwendungsbereich der Verordnung ergibt sich aus ihren Art.  31 und 32. Gemäß Art.  31 Rom II-VO ist die Verordnung auf schadensbegründende Ereignisse anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten eintreten. Nach Art.  32 Rom II-VO gelten die wesentlichen Bestimmungen der Verordnung ab dem 11.01.2009. Die Vorschrift schweigt aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens. Die­ ser Zeitpunkt soll sich aus der allgemeinen Regel des Art.  254 Abs.  1 S.  2 EGV a. F. (als Vorgängernorm zu Art.  297 Abs.  1 S.  4 AEUV) ergeben, wonach eine Verordnung am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft tritt. Die am 31.07.2007 veröffentlichte Rom II-VO ist also am 20.08.2007 in Kraft getreten.8 Früher war umstritten, ob sich aus dem Zusam­ menspiel der Vorschiften ergibt, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte die Ver­ ordnung ab dem 11.01.2009 für Ereignisse, die nach dem 20.08.2007 eingetreten sind, anzuwenden haben, oder ob sie ab dem 11.01.2009 Anwendung auf Ereig­ nisse, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, findet.9 Der EuGH ent­ schied schließlich zugunsten der zweiten Ansichten: Art.  31 und 32 der Verord­ nung i. V. m. Art.  297 AEUV seien dahin auszulegen, dass die mitgliedstaatli­ chen Gerichte verpflichtet sind, die Verordnung auf Ereignisse anzuwenden, die nach dem 11.01.2009 eingetreten sind.10 Heute hat der Streit seine Bedeutung verloren. Denn auf in der Zukunft lie­ gende schadensbegründende Ereignisse – unabhängig davon, ob man darin die Klageerhebung im ausländischen forum derogatum oder erst ein späteres Ereig­ nis sieht, etwa die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der nicht vertrags­ brüchigen Partei – ist die Verordnung in jedem Fall anzuwenden. Weil außer­ Vgl. Illmer, in: Huber (Hrsg.), Rome II Regulation (2011), Art.  31, 32 Rn.  4. Darstellung des Streitstands bei Illmer, in: Huber (Hrsg.), Rome II Regulation (2011), Art.  31, 32 Rn.  2 ff. 10  EuGH, 17.11.2011, Rs. C‑412/10 (Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA), Slg. 2011, I-11603, Rn.  37. 8  9 

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dem Art.  3 Rom II-VO bestimmt, dass es sich bei der Verordnung um sog. loi uniforme handelt, das auch dann Anwendung findet, wenn die Vorschriften der Verordnung nicht das Recht eines Mitgliedstaats zu Anwendung berufen11, bleibt für die Art.  38 ff. EGBGB nur außerhalb des sachlichen Anwendungsbe­ reichs der Rom II-VO Raum. Ein deutsches Gericht, vor dem eine Partei Ersatz der Nachteile, die ihr aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung er­ wachsen sind, oder Rückerstattung dessen, was die andere Partei infolge der Entscheidung des forum derogatum auf ihre Kosten erlangt hat, verlangt, wird das auf mögliche deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche anwend­ bare Recht also nach den Vorschriften der Rom II-VO ermitteln. II.  Das nach der Rom II-VO auf deliktische Ansprüche anwendbare Recht Liegt die unerlaubte Handlung in der Klageerhebung im derogierten Forum, ist keine der besonderen Anknüpfungen für spezielle Deliktstypen in Art.  5 bis 9 Rom II-VO einschlägig. Deshalb ergibt sich das Deliktsstatut aus Art.  4 Rom II-VO als Auffangregel für das auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung anwendbare Recht. Anders als Art.  38 EGBGB sieht Art.  4 Rom II-VO kein Ubiquitätsprinzip, also kein Wahlrecht des Geschädigten zwischen dem Recht am Handlungs- und am Erfolgsort vor. Vielmehr bestimmt Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO das Recht des Staates, in dem der Schaden eintritt, für anwendbar. Angeknüpft wird also einheitlich an den Erfolgsort, anwendbar ist die sog. lex loci damni. Nur, wenn Schädiger und Geschädigter zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, ist gemäß Art.  4 Abs.  2 Rom II-VO das Recht dieses Staates, also die lex domicilii communis, anwendbar. Ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufent­ halt wird aber bei den hier untersuchten Fällen, in denen die Parteien eine inter­ nationale Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben, selten bestehen. Es bleibt also grundsätzlich bei der Anknüpfung an den Erfolgsort nach Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO. Während der Handlungsort im Falle einer abredewidrig erhobenen Klage un­ streitig der Ort der Klageerhebung ist12 , in den hier untersuchten Fällen der Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte also im Ausland liegt, verursacht die Bestimmung des Er­ folgsorts größere Schwierigkeiten. Der Erfolgsort wird tendenziell eng ausge­ Dazu vgl. Bach, in: Huber (Hrsg.), Rome II Regulation (2011), Art.  3 Rn.  1 f. Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  204; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  114; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  338; Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 536 f.; Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 87. 11 

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legt, wie sich aus dem zweiten Halbsatz des Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO ergibt. Nach der dort formulierten sog. first impact-rule soll nämlich nicht darauf abge­ stellt werden, wo indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.13 Wie mittlerweile auch in der deutschen Fassung des Erwägungsgrunds (17) klargestellt wird, ist in Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO grundsätzlich der Erfolgsort im Sinne der deutschen Terminologie, also der Ort, an dem der Verletzungserfolg eintritt, gemeint.14 Auch im Falle reiner Vermögensschäden muss also ermittelt werden, wo es zur ersten Rechtsgutsverletzung kam. Bei einer abredewidrig erhobenen Klage wird teilweise vertreten, nicht nur der Handlungs-, sondern auch der Erfolgsort liege am Ort des Verfahrens im forum derogatum.15 Denn am Ort des Primärprozesses werde erstmalig in die Rechte des Beklagten am Unternehmen oder auf allgemeinen Persönlichkeits­ schutz eingegriffen, unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt oder Unterneh­ menssitz des Beklagten.16 Auch bei auf den Ersatz reiner Vermögensschäden gerichteten Ansprüchen aus §  823 Abs.  2 BGB oder §  826 BGB liege der Er­ folgsort dort, wo die schädigende Vermögensverfügung getroffen oder in das Vermögen eingegriffen werde, also allein an dem Ort, an dem der abredewidrig eingeleitete Prozess geführt wird.17 Dieser Meinung nach unterliegen delikti­ sche Ansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung im Ausland also grund­ sätzlich nicht dem deutschen Recht, sondern der ausländischen Rechtsordnung des Staates, in dem abredewidrig geklagt worden ist, also der lex fori derogati. Eine andere Ansicht sieht den Erfolgsort dagegen in Fällen, in denen die un­ erlaubte Handlung in einer Klageerhebung im Ausland entgegen einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte liegt, in Deutschland. Zur Begründung wird auf den – im deutschen Recht ge­ bräuchlichen und über Erwägungsgrund (17) auch für die Auslegung der Rom II-Verordnung heranzuziehenden – Begriff der „Vermögenszentrale“ abgestellt, der Erfolgsort also dort verortet, wo der Beklagte den Hauptteil seines Vermö­ gens belegen hat.18 Hat der abredewidrig im Ausland Beklagte sein Vermögen Dazu vgl. Bach, in: Huber (Hrsg.), Rome II Regulation (2011), Art.  4 Rn.  17. Junker, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2015, Art.  4 Rom II-VO Rn.  20 m. w. N. 15  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  114 f., 116; Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 87. 16  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  114 f. 17  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  122. 18  Vgl. etwa Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  204; Paulus, in: Festschrift Georgiades (2006), S.  511, 525; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  339; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 345 f. Im Zusam­ menhang mit Kapitalanlegerstreitigkeiten hat der EuGH allerdings zum Erfolgsort nach der EuGVVO entschieden, dass sich die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis einge­ 13  14 

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also (hauptsächlich) in Deutschland belegen, befindet sich dieser Ansicht nach der Erfolgsort in Deutschland mit der Folge, dass deutsches Recht auf die mög­ lichen deliktischen Ansprüche anwendbar wäre. Für die speziellen Fälle einer missbräuchlichen Klageerhebung und des aus­ ufernden forum shopping nimmt Bach eine differenzierende Anknüpfung vor. Besteht die unerlaubte Handlung in der Erhebung einer missbräuchlichen Kla­ ge, soll es sich bei den vom Beklagten aufgrund des Verfahrens getätigten Aus­ gaben, z. B. den Anwaltskosten, um lediglich indirekte Schadensfolgen handeln. Der Ort des unmittelbaren Schadenseintritts befinde sich am Gerichtsort selbst, denn das missbräuchliche Verfahren müsse als direkter Schaden betrachtet wer­ den.19 Demgegenüber hält Bach für Fälle des fraudulent forum shopping eine andere Betrachtung für angemessen. In diesen Fällen sei die forum shopping-­ Handlung selbst bereits Teil des Delikts. Sie laufe der allgemeinen Regel des actor sequitur forum rei zuwider, sodass der Erfolgsort in diesen Fällen am Wohnsitz des Beklagten als seinem allgemeinen Gerichtsstand zu verorten sei.20 Bei den vorliegend untersuchten Fällen der Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung liegt keine inhaltlich missbräuchliche Klage vor, sondern es handelt sich um Fälle des ausufernden forum shopping.21 Nach Bachs Differenzierung verwirklicht der abredewidrig handelnde Kläger also bereits mit der Klageeinleitung im forum derogatum das Delikt. Damit verstößt er dann aber nicht gegen die allgemeine Regel des actor sequitur forum rei. Denn die Parteien haben diesen Grundsatz durch den Abschluss der Gerichtsstandsver­ einbarung dahingehend modifiziert, dass nicht am allgemeinen Gerichtsstand der jeweils anderen Partei, sondern nur in den gewählten Gerichten geklagt wer­ treten ist“ nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens beziehe, weil dem Kläger dort ein finanzieller Schaden durch den in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen und erlittenen Verlust von Vermögensbestandteilen ent­ standen sein soll, vgl. EuGH, 10.06.2004, Rs. C-168/02 (Kronhofer/Maier u. a.), Slg. 2004, I-6009. Im Jahr 2015 hat der EuGH diese Rechtsprechung bestätigt, aber ausgeführt, dass der Erfolgsort dann am Ort der Vermögenszentrale liege, wenn sich der Schaden unmittelbar auf einem Bankkonto des Klägers bei einer Bank an diesem Ort ausgewirkt hat, vgl. EuGH, 28.01.2015, Rs. C-375/13 (Kolassa/Barclays Bank plc), Rn.  57. Jüngst hat der EuGH in ande­ rem Zusammenhang entschieden, dass allein der Umstand, dass ein Vermögensschaden auf einem Bankkonto in einem EU-Mitgliedstaat verwirklicht wird, für sich genommen nicht die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates rechtfertige, vgl. EuGH, 16.06.2016, Rs. C-12/15 (Universal Music International Holding BV/Michael Tétreault Schilling u. a.), Rn.  40. 19  Bach, in: Huber (Hrsg.), Rome II Regulation (2011), Art.  4 Rn.  49. In Übertragung der zum EuGVÜ ergangenen Kronhofer-Rechtsprechung des EuGH kommt es auf den Belegen­ heitsort des betroffenen Vermögenswertes, hilfsweise auf die Belegenheit des Hauptvermö­ gens an. 20  Bach, in: Huber (Hrsg.), Rome II Regulation (2011), Art.  4 Rn.  50. 21  Vgl. oben Teil I §  3 C. III.

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den darf. Nach dieser Logik liegt der Erfolgsort in diesen Fällen folglich am Ort der Prorogation, im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte also in Deutschland. Auch wenn der Beklagte einzelne Schadens­ posten dadurch erleidet, dass er beispielsweise am Ort des Primärprozesses ausländische Anwälte bezahlen muss oder weil aufgrund einer Sachentschei­ dung des forum derogatum im Ausland die Vollstreckung in sein Vermögen betrieben wird, handelt es sich dabei um indirekte Folgeschäden, die nichts da­ ran ändern, dass der Ort des unmittelbaren Schadenseintritts in dem Staat der gewählten Gerichte belegen ist. Nach der einleuchtenden Differenzierung Bachs befindet sich der Erfolgsort im Falle der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte also in Deutschland. Zum gleichen Ergebnis gelangt die Ansicht, die auf die Vermögenszentrale des Beklagten abstellt, wenn dessen Vermögen (hauptsächlich) in Deutschland belegen ist. Selbst wenn man aber den Erfolgs­ ort nach der teilweise vertretenen Meinung in dem Staat des abredewidrig ein­ geleiteten Primärprozesses, im Beispielsfall 1 also in New York, sehen würde, dürfte die Ausweichklausel des Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO zu einer Anwendbar­ keit des deutschen Rechts führen. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in Art.  4 Abs.  1 oder 2 Rom II-VO bezeichneten Staat aufweist, so ist nach Art.  4 Abs.  3 S.  1 Rom II-VO das Recht dieses anderen Staates anzu­ wenden. Nach S.  2 kann sich eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, wie einem Vertrag, ergeben, wenn es mit der betreffen­ den unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Eine solche vertragliche Sonderbeziehung bildet in den hier untersuchten Fällen die Gerichtsstandsver­ einbarung. Denn die in Betracht kommende unerlaubte Handlung – die Klage­ erhebung in einem derogierten Forum – ist mit der Vertragsverletzung iden­ tisch. Wegen der engen Verbindung mit der Gerichtsstandsvereinbarung ist es daher naheliegend, nach Art.  4 Abs.  3 S.  1 Rom II-VO auch bei einem Erfolgsort im Ausland das auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht, also das deutsche Prorogationsstatut, anzuwenden.22 Dies ermöglicht es dem zuständi­ Etwas strenger ist Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  340, die nur dann über Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO das Prorogationsstatut auch für deliktische Ansprü­ che zur Anwendung gelangen lässt, wenn man der Gerichtsstandsvereinbarung echte Ver­ pflichtungswirkungen zuerkennt, aus der Gerichtsstandsabrede also die Pflicht der Parteien ableiten kann, in keinem anderen als den genannten Gerichten zu klagen. Meines Erachtens ist diese Sichtweise zu eng, weil die umfangreiche Prüfung, ob eine Gerichtsstandsvereinba­ rung Verpflichtungswirkung entfaltet, dann bereits im Rahmen der Ermittlung des anwend­ baren Rechts zu erfolgen hätte. Für die Annahme einer engeren Verbindung gemäß Art.  4 22 

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gen forum prorogatum, sowohl die in Betracht kommenden vertraglichen als auch deliktischen Ansprüche nach seinem eigenen Recht zu prüfen, und führt damit zu in sich stimmigen Ergebnissen, die etwa einen Rückgriff auf das In­ strument der Angleichung entbehrlich machen. III.  Das nach der Rom II-VO auf bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht Das auf bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht bestimmt Art.  10 Rom II-VO. Die Vorschrift differenziert, anders als Art.  38 EGBGB, nicht aus­ drücklich zwischen Fällen der Leistungs- und der Eingriffskondiktion, sondern enthält eine dreistufige Anknüpfungsleiter: Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO behandelt solche außervertraglichen Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereiche­ rung, einschließlich Zahlungen auf eine nicht bestehende Schuld, die an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis, etwa einen Vertrag oder eine unerlaubte Handlung, anknüpfen. Weist das Rechtsverhältnis eine enge Verbindung mit der ungerechtfertigten Bereicherung auf, ist das Recht anzu­ wenden, dem dieses Rechtsverhältnis unterliegt. Für den Fall, dass das anzu­ wendende Recht nicht nach Abs.  1 bestimmt werden kann und die Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses, das die ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, ist ge­ mäß Art.  10 Abs.  2 Rom II-VO das Recht dieses Staates anzuwenden. Und wenn das anzuwendende Recht auch nach dieser Regel nicht bestimmt werden kann, ist gemäß Art.  10 Abs.  3 Rom II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist. Art.  10 Abs.  4 Rom II-VO enthält dann, ähnlich wie Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO, wiederum eine Ausweich­ klausel für Fälle, in denen eine offensichtlich engere Verbindung zu dem Recht eines anderen Staates besteht. Fraglich ist, ob die in Frage kommenden bereicherungsrechtlichen Ansprü­ che an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis anknüpfen, wel­ ches eine enge Verbindung mit der ungerechtfertigten Bereicherung hat, sodass nach Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO dieses Recht zur Anwendung gelangt. Anders als etwa im Rahmen der Ausweichklausel des Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO ist das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Bereicherungsgläubiger und dem Bereicherungsschuldner nicht bloß regelbeispielhaft genannt, sondern zwingende Anwendungsvoraussetzung des Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO.23 Meines Abs.  3 Rom II-VO sollte es ausreichen, dass die unerlaubte Handlung gerade in der Missach­ tung der Gerichtsstandsvereinbarung liegt, unabhängig davon, ob man in dieser Missachtung eine echte Pflichtverletzung sieht oder nicht. 23  Junker, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2015, Art.  10 Rom II-VO Rn.  17.

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Erachtens stellt die Gerichtsstandsvereinbarung ein solches zwischen den Par­ teien bestehendes Rechtsverhältnis dar, mit dem die möglichen bereicherungs­ rechtlichen Ansprüche eng verbunden sind. Zwar könnte man auch erwägen, auf den Hauptvertrag als Rechtsverhältnis zwischen den Parteien abzustellen. Denn im Wege des Bereicherungsrechts kann in den hier untersuchten Fällen, wie noch ausführlich dargestellt wird, wenn überhaupt nur dasjenige herausver­ langt werden, was die andere Partei aufgrund einer Sachentscheidung des dero­ gierten Gerichts erlangt hat. Die Sachentscheidung beruht aber inhaltlich auf dem Hauptvertrag. Allerdings ist der bereicherungsrechtliche Anspruch trotz­ dem darauf gerichtet, die Bereicherung auszugleichen, welche die andere Partei wegen der Erhebung einer Klage im abgewählten Gericht erlangt hat. Der An­ spruch wurzelt also, genau wie die möglichen vertraglichen und deliktischen Ansprüche, in der Gerichtsstandsvereinbarung. Folglich unterliegen auch die in Frage kommenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche dem Prorogationssta­ tut, im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerich­ te also dem deutschen Recht, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Ausweich­ klausel des Art.  10 Abs.  4 Rom II-VO bedarf.24 IV.  Rechtswahl durch die Parteien Art.  14 Abs.  1 lit.  a) Rom II-VO erlaubt den Parteien auch eine nachträgliche Rechtswahl. Wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen, ist außerdem gemäß Art.  14 Abs.  1 lit.  b) Rom II-VO auch eine vor Eintritt des schädigenden Ereignisses frei ausgehandelte Rechtswahl möglich. Die Parteien können also das auf Ansprüche wegen der Verletzung der Gerichtsstandsverein­ barung anwendbare Recht wählen. Wie bereits dargestellt, darf jedoch eine auf den Hauptvertrag bezogene Rechtswahlvereinbarung nicht einfach auch auf die in der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung wurzelnden Ansprüche be­ zogen werden. Erforderlich ist, dass sich ein dahingehender Wille eindeutig durch Auslegung der Vereinbarung ermitteln lässt. Eine separate Rechtswahl bezogen auf die materiellrechtlichen Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung und die in ihrer Verletzung wurzelnden Sekundäransprüche wird in der Praxis höchstens in seltenen Fällen anzutreffen sein.25

24  Zum selben Ergebnis gelangt Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  413, wobei hier nicht ganz klar wird, ob auf den Hauptvertrag oder auf die Gerichtsstands­ vereinbarung abzustellen ist. 25  Vgl. bereits oben Teil III §  11 E. II. 4.

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V. Ergebnis Das auf deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht ist immer dann, wenn die Klage im forum derogatum nach dem 11.01.2009 erhoben worden ist, von den mitgliedstaatlichen Gerichten nach der Rom II-VO zu ermitteln. Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO knüpft für deliktische Ansprüche an den Erfolgsort an. Bei den hier untersuchten Fällen einer abredewidrig erhobenen Klage liegt der Erfolgsort in dem Staat, dessen Gerichte die Parteien in der Vereinbarung bezeichnet haben, weil das erste verletzte Rechtsgut das Recht der abredewidrig verklagten Partei ist, nicht im Ausland, sondern lediglich im gewählten Gericht verklagt zu werden. Denn nach der zutreffenden Differenzierung Bachs liegt bereits in der forum shopping-Handlung des Auslandsklägers ein Teil des De­ likts. Die unmittelbare, erste Rechtsgutsverletzung erfolgt also am Ort des ge­ wählten Gerichts. Danach ist bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte also das deutsche Recht anwendbar. Auch die Ansicht, die auf die Vermögenszentrale abstellt, kommt dann zur Anwendung des deut­ schen Rechts, wenn das Vermögen der abredewidrig verklagten Partei (haupt­ sächlich) in Deutschland belegen ist. Doch selbst wenn man einen Erfolgsort im Ausland annimmt, gelangt über die Ausweichklausel des Art.  4 Abs.  3 Rom IIVO doch das deutsche Recht als lex fori prorogati zur Anwendung, weil die unerlaubte Handlung in der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung besteht, mit dieser also so eng verbunden ist, dass das auf die Gerichtsstandsvereinba­ rung anwendbare Recht auch die deliktischen Ansprüche beherrschen sollte. Bereicherungsrechtliche Ansprüche unterliegen bereits nach der Grundregel des Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO dem Prorogationsstatut, weil sie an die Gerichts­ standsvereinbarung als zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis anknüpfen. Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Ge­ richte ist daher wiederum das deutsche Recht als lex fori prorogati anwendbar. Den Parteien steht es frei, das auf deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht nach Art.  14 Rom II-VO zu wählen. In der Praxis wird es aber kaum zu einer solchen explizit nur auf die in der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung wurzelnden Ansprüche bezogenen Rechtswahl kommen. Im Ergebnis hat ein deutsches Gericht, vor dem eine Partei Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte verlangt, weil sie abredewidrig im Ausland verklagt worden ist, grundsätzlich auf alle in Betracht kommenden vertraglichen, deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüche das deutsche Recht anzuwenden.

§ 14 – D.  Deliktische Ansprüche nach deutschem Recht

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D.  Deliktische Ansprüche nach deutschem Recht I. Einführung Wie dargestellt, stützen die ausländischen Gerichte, die bereits Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gewährt haben, ihre Entscheidung auf den Vertragscharakter der Gerichtsstandsvereinbarung; eben­ so werden im internationalen Schrifttum deliktische Ansprüche nur von wenigen erörtert.26 Im deutschen Recht existiert, ebenso wie zu vertraglichen Ansprü­ chen, soweit ersichtlich, keinerlei Rechtsprechung zu der Möglichkeit, wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung Schadenser­ satz aus unerlaubter Handlung verlangen zu können. Im Schrifttum wird eine solche Haftung teilweise erwogen. Noch stärker als im Bereich der vertragli­ chen Haftung wird aber im Zusammenhang mit deliktischen Ansprüchen auf­ grund eines prozessualen Verhaltens erörtert, ob ein prozessuales Verhalten überhaupt mit einer materiellrechtlichen Rechtsfolge verknüpft werden kann oder ob materiellrechtliche Schadensersatzansprüche wegen prozessualer Ver­ haltensweisen nicht zu einer übermäßigen Aushöhlung des Justizanspruchs und einer Verkümmerung des Rechtsschutzes führen würden. So wird das Span­ nungsverhältnis zwischen dem Verfahrensrecht, welches Verhaltensmaßstäbe für das prozessuale Verhalten der Parteien aufstelle, und dem materiellen De­ liktsrecht betont, welches einer Partei von der Rechtsordnung zugewiesene Rechte und Güter vor Eingriffen Dritter schütze. Soweit ein prozessuales Ver­ halten also außerprozessuale Nachteile bei der anderen Partei auslöst, wurde in der Vergangenheit heftig diskutiert, ob dem nur mittels verfahrensrechtlicher Sanktionen entgegengetreten werden könne oder ob auch das materielle Recht Maßstab und Rechtsfolgen des prozessualen Verletzungstatbestands bestim­ me.27 Dabei wurde die Anwendung des allgemeinen Schadensrechts – mit der Ausnahme der Anwendung des §  826 BGB für vorsätzlich schädigendes Streit­ verhalten – teilweise abgelehnt.28 Grundsätzlich wurde im deutschen Schrift­ tum lange vertreten, eine deliktische Haftung für prozessuales Verhalten dürfe nur unter erschwerten Voraussetzungen und modifiziert durch die Wertungen des Prozessrechts angenommen werden.29 Wie eine solche Haftungseinschrän­ kung auszusehen hätte, unter welchen Voraussetzungen also für eine unlautere 26 

Vgl. oben Teil II §  8 B. I. Darstellung des Meinungsstands bei Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädi­ gender Rechtsverfolgung (1989), S.  33 ff. 28  Vgl. z. B. Häsemeyer, Schadenshaftung im Zivilrecht (1979), S.  15 ff., 140 ff. 29  Überblick bei Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfol­ gung (1989), S.  38, 74. 27 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Prozessführung gehaftet werden muss, war dagegen seit jeher unklar.30 Aller­ dings bietet das deutsche Deliktsrecht genügend Ansatzpunkte, um eine Haf­ tung aus unerlaubter Handlung lediglich auf bestimmte prozessuale Verhaltens­ weisen einzuschränken. Eine solche der Systematik des geltenden Haftungssys­ tems immanente Einschränkung dürfte bereits dadurch erreicht sein, dass §  823 Abs.  1 BGB die Verletzung eines absolut geschützten Rechts bzw. Rechtsguts verlangt, die Verletzung eines der von der Rechtsprechung anerkannten Rah­ menrechte nur für bestimmte Fallgruppen anerkannt ist und eine Rechtswidrig­ keitsabwägung voraussetzt und der Anwendungsbereich des §  826 BGB, der reine Vermögensschäden ersetzt, auf vorsätzlich-sittenwidriges Verhalten be­ schränkt ist. Zudem können die Besonderheiten des Prozessrechts im Rahmen der Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs zum Tragen kommen.31 Die delikti­ schen Anspruchsgrundlagen werden daher nicht vom Prozessrecht überlagert; zweifelhaft ist aber, ob die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klage im abgewählten Forum die Voraussetzungen eines Anspruchs aus uner­ laubter Handlung erfüllt, was im Folgenden untersucht wird. Dabei kommen Ansprüche aus §  823 Abs.  1 BGB, aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes und aus §  826 BGB in Betracht. Zudem werden für einige Fälle unberechtigten gerichtlichen oder außergericht­ lichen Verhaltens einer Partei Ansprüche aus dem UWG erwogen.32 Vor allem in den Fällen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung kann der Geschädig­ te Schutz über das UWG erlangen.33 Es ist aber fernliegend, dass der vorliegend behandelte Fall der Erhebung einer – inhaltlich nicht missbräuchlichen – Klage im abgewählten Gericht das für einen Anspruch aus dem UWG erforderliche wettbewerbsspezifische Verhalten begründet. Ein möglicher Schutz der abrede­ widrig verklagten Partei über das UWG scheidet daher in den hier untersuchten Fällen aus.

30  Vgl. zur Haftung wegen unlauterer Prozessführung bei innerdeutschen Fallgestaltun­ gen Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989); Häsemeyer, Schadenshaftung im Zivilrecht (1979); Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S.  291 ff.; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung (1968), S.  134 ff., 217 ff.; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976), S.  91 ff., 274 ff.; Schreiber, ZZP 105 (1992), 129. 31  Ähnlich Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  148 f., 197 ff. 32  Vgl. z. B. Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerich­ ten (1989), S.  102 ff. 33  Vgl. Sack, NJW 2009, 1642 ff.; G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  823 Rn.  263; G. Wagner/Thole, NJW 2005, 3470, 3471.

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II.  Ansprüche aus §  823 Abs.  1 BGB 1.  Keine Verletzung eines der in §  823 Abs.  1 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter Die Klageerhebung im abgewählten Forum verletzt weder das Leben noch den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum des Beklagten. Bei den Nachteilen, die ihm wegen des Verfahrens im forum derogatum entstehen, han­ delt es sich vielmehr um reine Vermögensschäden, die grundsätzlich nicht von §  823 Abs.  1 BGB geschützt werden. Auch bei dem aus der Gerichtsstandsver­ einbarung folgenden Recht, nicht im Ausland verklagt zu werden, handelt es sich nur um ein im relativen Verhältnis zwischen den Parteien wirkendes, nicht aber um ein absolut geschütztes Recht i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB. Möglich ist deshalb nur die Heranziehung der von Rechtsprechung und Lehre ebenfalls un­ ter den Schutz des §  823 Abs.  1 BGB gestellten Rahmenrechte, nämlich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie des allgemei­ nen Persönlichkeitsrechts. 2.  Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wurde vom Reichsgericht bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten des BGB als „sonstiges Recht“ i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB anerkannt, weil es den Schutz von Unterneh­ men über das absolut geschützte Eigentumsrecht in §  823 Abs.  1 BGB und eini­ ge andere Normen als lückenhaft empfand. Die Rechtsprechung wurde vom BGH übernommen und inhaltlich erweitert.34 Nach der Definition des BGH wird der Gewerbebetrieb „[…] in seinem Bestand und in seinen Ausstrahlun­ gen, soweit es sich um gerade dem Gewerbebetrieb in seiner wirtschaftlichen und wirtschaftenden Tätigkeit wesensgemäße und eigentümliche Erscheinungs­ formen und Beziehungen handelt“, geschützt.35 Weil den Schutz gegen reine Vermögensschäden nach der Systematik des deutschen Deliktsrechts aber ei­ gentlich §  826 BGB übernimmt und dem Recht am Gewerbebetrieb daher eine lediglich lückenfüllende Funktion36 zukommt, besteht jedoch grundsätzlich Subsidiarität des Anspruchs gegenüber spezielleren Normen, z. B. aus dem Wettbewerbsrecht und dem Recht des gewerblichen Rechtsschutzes.37 Außer­ dem bestehen hohe Voraussetzungen an die Verletzung des Rechts am Gewer­ 34  Vgl. zur historischen Entwicklung Teichmann, in: Jauernig, 16.  Aufl. 2015, §  823 Rn.  95a; G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  823 Rn.  250 ff. 35  BGH, 09.12.1958 = BGHZ 29, 65, 70; vgl. auch BGH, 29.04.1970, NJW 1970, 2060. 36  Vgl. BGH, 22.12.1961 = BGHZ 36, 252, 256 f. 37  Vgl. BGH, 25.10.1988 = BGHZ 105, 346, 350.

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bebetrieb, um eine uferlose Haftung für jede Beeinträchtigung des Unterneh­ mens und eine Umgehung der Filterfunktion des §  826 BGB, der nur eine Haf­ tung für vorsätzlich-sittenwidriges Verhalten vorsieht, zu vermeiden.38 Eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb erfordert daher einen unmittelbar betriebsbezogenen Eingriff in den Bestand des Unternehmens. Nach der Recht­ sprechung des BGH muss sich der Angriff gegen den Betrieb selbst richten und darf nicht vom Gewerbebetrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgü­ ter treffen.39 Der BGH verlangt also eine Unmittelbarkeit des Eingriffs im Sinne einer spezifischen Betriebsbezogenheit.40 Außerdem bilden die in §  823 Abs.  1 BGB nicht kodifizierten Rahmenrechte offene Tatbestände. Die Rechtswidrig­ keit eines Eingriffs wird also nicht beim Fehlen von Rechtfertigungsgründen angenommen, sondern es hat eine Güter- und Interessenabwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Betroffenen einerseits und dem Verletzer und der Allgemeinheit andererseits stattzufinden.41 Es gibt somit keine genaue Grenze zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit, vielmehr fällt die eigentli­ che Entscheidung, ob eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb im Ein­ zelfall vorliegt, im Rahmen der umfassenden Güter- und Interessenabwägung.42 Eine im Ausland entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­ rung zugunsten der deutschen Gerichte erhobene Klage wird in der Regel kei­ nen unmittelbar betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb, also das beklagte Unternehmen, darstellen.43 Der BGH hat einen solchen betriebsbezo­ genen Eingriff durch die Geltendmachung von Ansprüchen in der Vergangen­ heit allein in den Fällen sog. unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen bejaht, etwa wenn eine gewerbliche Tätigkeit durch ungerechtfertigte Abmahnungen beeinträchtigt worden war.44 In der Literatur wurde diese Rechtsprechung teil­ G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  823 Rn.  256. BGH, 26.10.1951, NJW 1952, 660, 661; BGH, 09.12.1958, NJW 1959, 479, 481; BGH, 25.10.2002, NJW 2003, 1040, 1041; BGH, 11.01.2005, NJW-RR 2005, 673, 675. Vgl. die Dar­ stellung der Entwicklung des Begriffs der Betriebsbezogenheit bei Sack, Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen (2006), S.  43 ff.; G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  823 Rn.  257. 40  BGH, 25.10.2002, NJW 2003, 1040, 1041; BGH, 11.01.2005, NJW-RR 2005, 673, 675. 41  BGH, 21.06.1966, NJW 1966, 1617, 1618 f.; BGH, 30.05.1972, NJW 1972, 1366, 1367; BGH, 13.03.1979, NJW 1979, 1351, 1352; BGH, 21.04.1998, NJW 1998, 2141, 2142. 42  Teichmann, in: Jauernig, 16.  Aufl. 2015, §  823 Rn.  99. 43  Ebenso Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  108; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  342. 44  Vgl. etwa BGH, 17.04.1997, BGH NJW-RR 1998, 331, 332; BGH, 15.07.2005, NJW 2005, 3141 und dazu G. Wagner, ZIP 2005, 49; G. Wagner/Thole, NJW 2005, 3470. Vgl. die Darstellung der Rechtsprechung des BGH bei Seidl, Anspruchsberühmung. Erstattungsfä­ higkeit außergerichtlicher Rechtsverteidigungskosten bei unberechtigter Geltendmachung von Ansprüchen (2014), S.  109 ff. Dagegen hat der BGH eine Verletzung des Rechts am ein­ 38  39 

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weise kritisiert 45, insbesondere mit dem Hinweis, das UWG biete einen lücken­ losen Schutz in Fällen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, sodass der Schutz des Gewerbebetriebs über §  823 Abs.  1 BGB als subsidiär auszuscheiden habe46. Trotzdem möchte Kurth die Rechtsprechung des BGH zur unberechtig­ ten Schutzrechtsverwarnung auf sämtliche Fälle der unberechtigten Verfahren­ seinleitung im Ausland übertragen, denn soweit durch die Klageerhebung der Ruf des beklagten Unternehmens als loyaler Geschäftspartner beeinträchtigt werde, treffe die Klage den Kern des Unternehmens durch den Verlust vorhan­ dener sowie möglicher Kunden. Deshalb sei je nach den Umständen des Einzel­ falls ein betriebsbezogener Eingriff zu bejahen.47 Die Argumentation vermag indes nicht zu überzeugen. Zunächst ist nämlich schon fraglich, ob die Recht­ sprechung des BGH überhaupt auf die gerichtliche Geltendmachung von An­ sprüchen übertragbar ist, oder ob sie nur für die außergerichtliche Geltendma­ chung einer angeblichen Schutzrechtsverletzung gelten soll. Der BGH hat inso­ fern nämlich ausgeführt, dass ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb zu verneinen sei, wenn jemand „[…] ein staatliches, gesetzlich eingerichtetes und geregeltes Verfahren einleitet oder betreibt, auch wenn sein Begehren sach­ lich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren über dieses hinaus Nachteile erwachsen.“48 Vor allem aber ist eine abredewidrig im forum derogatum erhobene Klage inhaltlich kaum mit einer unberechtigten Schutz­ rechtsverwarnung, die in der Rechtsprechung als betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb gewertet wird, gleichzusetzen. Während der Schädiger bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in inhaltlicher Hinsicht falsche Be­ hauptungen aufstellt, sich also entweder eines tatsächlich nicht bestehenden Schutzrechts berühmt oder eine nicht erfolgte Schutzrechtsverletzung behaup­ tet, besteht der Vorwurf bei den hier untersuchten Fällen darin, dass der Aus­ landskläger vor dem falschen Gericht geklagt hat. Die Erhebung einer Klage vor einem abgewählten Gericht ist aber für sich betrachtet, also unabhängig vom Inhalt der Klage, kaum ein unmittelbar gegen das gegnerische Unternehmen gerichteter, betriebsbezogener Eingriff. Dies gilt umso mehr, wenn man, wie gerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in einem Fall, in dem der Gläubiger fahrlässig einen unbegründeten Konkursantrag gegen den Schuldner gestellt hat, verneint, vgl. BGH, 03.10.1961, NJW 1961, 2254. 45  Etwa von Faust, JZ 2006, 365; Haedicke, JZ 2006, 578; Sack, NJW 2009, 1642; G. Wag­ner/­ Thole, NJW 2005, 3470. 46  Sack, NJW 2009, 1642 ff.; G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  823 Rn.  263. 47  Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  84 f. 48  BGH, 15.07.2005, NJW 2005, 3141. Zu Recht kritisch G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  823 Rn.  267 und G. Wagner/Thole, NJW 2005, 3470, 2472 f.

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vorliegend vertreten49, davon ausgeht, dass es ohne die Klage im abgewählten Forum ohnehin in den meisten Fällen zu einer Klage im gewählten Gericht ge­ kommen wäre. Der Vorwurf besteht, anders als bei den Fällen der unberechtig­ ten Schutzrechtsverwarnung, nicht in der Erhebung einer inhaltlich falschen Klage, sondern in der Erhebung der Klage im falschen Forum. Die abredewidrig erhobene Klage ist daher ein Vertragsbruch, nicht aber ein unmittelbar betriebs­ bezogener Eingriff in das beklagte Unternehmen. Lediglich ausnahmsweise, wenn durch die Klage im abgewählten Forum eine Existenzgefährdung des Be­ klagten droht, kann es im Einzelfall vertretbar sein, die Betriebsbezogenheit des in der Klage liegenden Eingriffs in den Gewerbebetrieb zu bejahen.50 Dann wäre aber immer noch zweifelhaft, ob die durchzuführende Interessen- und Gü­ terabwägung ergibt, dass der Auslandskläger rechtswidrig gehandelt hat. Denn anders als bei vertraglichen Ansprüchen darf bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nicht einfach davon ausgegangen werden, die Vertragswidrigkeit in­ diziere die Rechtswidrigkeit. Insgesamt muss daher davon ausgegangen wer­ den, dass die deutschen Gerichte wegen der Verfahrenseinleitung im abgewähl­ ten ausländischen Gericht keinen Schadensersatz aus §  823 Abs.  1 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ge­ währen werden. 3.  Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Erwägenswert ist außerdem eine Haftung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch wenn das Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB vom BVerfG51 und dem BGH52 aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 GG abgeleitet wird, soll es nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen53, den nicht rechtsfähigen Verein54 und die Perso­ nengesellschaft55 gelten, soweit sie in ihrer Funktion, beispielsweise als Wirt­ schaftsunternehmen oder Arbeitgeber, betroffen sind56. Wie beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt es sich aber auch beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein Rahmenrecht, bei dem keine klare Trennung zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit möglich ist, sondern eine 49 

Vgl. oben Teil III §  13 B. II. Vgl. Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 337. 51  Vgl. etwa BVerfG, 25.08.2005, NJW 2006, 595. 52  Vgl. etwa BGH, 16.06.1998, NJW 1998, 3047. 53  BGH, 22.11.2005, NJW 2006, 601; BVerfG, 24.05.2006, NJW 2006, 3769, 3771. 54  BGH, 18.05.1971, NJW 1971, 1655. 55  BGH, 08.07.1980, DB 1980, 2280. 56  BGH, 19.04.2005, NJW 2005, 2766. 50 

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Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen werden muss, um eine Rechtsgutsverletzung festzustellen.57 Soweit ersichtlich, haben die deutschen Gerichte bislang keine Persönlich­ keitsrechtsverletzung in der Erhebung einer gerichtlichen Klage gesehen. In der Literatur wird die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für die Fäl­ le diskutiert, in denen die pre-trial discovery den persönlichen Lebensbereich des Beklagten umfasst.58 Dagegen wird aber eingewandt, bei der discovery handle es sich um ein staatlich vorgegebenes Verfahren, gegen dessen Miss­ brauch das US-amerikanische Recht bestimmte Schutzmechanismen vorsehe. Bei der Abwägung im Rahmen des §  823 Abs.  1 BGB sei es daher hinzuneh­ men, wenn im Einzelfall durch die discovery eine Ausforschung des persönli­ chen Bereichs des Betroffenen erfolge.59 Ob die Erforschung im Rahmen der pre-trial discovery im Einzelfall nicht ausnahmsweise doch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen bedeuten kann, mag dahin­ gestellt bleiben. In diesem Fall würde der Schadensersatzanspruch nicht an die Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im forum derogatum anknüpfen, sondern an das Verhalten der anderen Partei im Rahmen der pre-trial discovery. In der Klageerhebung im abgewählten Gericht für sich genommen wird man jedenfalls keine Persönlichkeitsrechtsverletzung erbli­ cken können. Selbst wenn die Klageerhebung im Ausland als solche das Persön­ lichkeitsrecht des dort Beklagten überhaupt tangiert – etwa, weil die Beklagten­ rolle im Ausland eine Rufschädigung für ihn bedeutet – dürfte der Eingriff höchstens die Individualsphäre des Beklagten betreffen. Die Rechtsprechung unterscheidet nämlich zwischen unterschiedlich intensiven Eingriffen in die In­ tim-, Privat- und Individualsphäre. Während Eingriffe in die Intimsphäre grundsätzlich unbefugt sind, können Eingriffe in die Privat- und Individual­ sphäre im Einzelfall gerechtfertigt sein.60 Bei einem solchen Eingriff in die am wenigsten geschützte Individualsphäre wird bei der Güter- und Interessenabwä­ 57  Vgl. BGH, 05.10.2006, NJW 2007, 684; BGH, 25.10.2011, NJW 2012, 767, 769; BGH, 08.05.2012, NJW 2012, 2197. 58  Vgl. z. B. Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  184 f.; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (1987), S.  340 f.; Köster, Haf­ tung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  108 ff. Vgl. außerdem Pfeiffer, Internati­ onale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  778 und Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  3, 53, beide im Zusammenhang mit Ansprüchen aus §  826 BGB. 59  Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  185; Köster, Haf­ tung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  109 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  342 f. 60  BGH, 20.01.1981, NJW 1981, 1366; BGH, 24.11.1987, NJW 1988, 1984; BGH, 10.11.1994, NJW-RR 1995, 301.

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gung das Interesse des Auslandsklägers an der Verfolgung und Wahrnehmung der ihm von der ausländischen Rechtsordnung eröffneten prozessualen Rechte das Interesse der im Ausland verklagten Partei am Schutz ihrer Individualsphä­ re überwiegen. Das Verhalten des Auslandsklägers ist daher, selbst wenn das Persönlichkeitsrecht der anderen Partei betroffen sein sollte, nicht rechtswidrig. III.  Ansprüche aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes Die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im Ausland begründet auch keine Ansprüche aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes. Denn die Erhebung der Klage im abgewählten Forum verletzt kein Schutzgesetz. Man könnte zwar erwägen, die abredewidrig im Ausland klagende Partei habe die Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO verletzt, wenn sie den Ab­ schluss der Gerichtsstandsvereinbarung verschwiegen oder bestritten hat. Da­ gegen wird aber richtigerweise eingewendet, dass die prozessualen Pflichten grundsätzlich keine Schutzgesetzte im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB darstellen.61 Würde man §  138 Abs.  1 ZPO als Schutzgesetz behandeln, wäre nämlich bei jedem wahrheitswidrigen oder unvollständigen Vortrag eine sekundäre Scha­ densersatzhaftung aus §  823 Abs.  2 BGB möglich. Eine engere Auslegung da­ hingehend, dass nur bei vorsätzlichem Handeln und Vorliegen eines Restituti­ onsgrundes i. S. v. §  580 ZPO gehaftet würde62 , liefe aber, wie zu Recht ange­ merkt wird, letztlich auf eine Haftung wegen Prozessbetrugs hinaus, die bereits durch §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  263 StGB geregelt ist.63 Die prozessuale Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO ist daher richtigerweise kein Schutzge­ setz i. S. v. §  823 Abs.  2 BGB.64 Davon abgesehen bemerkt Köster, dass §  138 ZPO als Vorschrift des deutschen Zivilprozessrechts ohnehin nicht als Bewer­ tungsmaßstab für ein Prozessverhalten vor einem ausländischen Gericht heran­ gezogen werden darf.65 Als prozessuale Vorschrift ist §  138 ZPO auch nicht Teil Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  131 ff. 62  So Dölle, in: Festschrift Riese (1964), S.  279, 290. 63  Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung (1989), S.  132 ff.; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S.  296 ff.; G. Wagner, Prozeß­ verträge (2008), S.  258 f. 64  Vgl. Häsemeyer, Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit (1979), S.  29; Henckel, Prozess­ recht und materielles Recht (1970), S.  296 ff.; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Pro­ zeßparteien (1976), S.  285; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  116; G. Wagner, Prozeßverträge (2008), S.  259. 65  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  116. 61 

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des deutschen Prorogationsstatuts, das nach der hier vertretenen Auffassung auch deliktische Ansprüche beherrscht. In Betracht käme also allenfalls eine im ausländischen Verfahrensrecht verankerte Wahrheitspflicht. Eine solche muss aber für die Zwecke des §  823 Abs.  2 BGB ebenso behandelt werden wie die deutsche Pflicht aus §  138 ZPO. Ein Schadensersatzanspruch wird sich ebenso wenig aus §  823 Abs.  2 BGB wegen Verletzung des sog. Schikaneverbots des §  226 BGB ergeben. Nach §  226 BGB ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen. Bei der Vorschrift handelt es sich zwar nach der herrschenden Meinung um ein Schutzgesetz i. S. v. §  823 Abs.  2 BGB.66 §  226 BGB ist als materiellrechtliche Vorschrift auch als Teil des deut­ schen Prorogationsstatut auf die hier untersuchten Fälle anwendbar. Auch wur­ de von der Rechtsprechung bereits einige Male ein Anspruch aus §  823 Abs.  2 i. V. m. §  226 BGB wegen eines prozessualen Verhaltens der anderen Partei be­ jaht.67 Durch die Klageerhebung im abgewählten Forum wird das Schikanever­ bot aber in aller Regel nicht verletzt sein. Eine Verletzung könnte nur dann an­ genommen werden, wenn mit der Erhebung der Klage im abgewählten Forum objektiv nur eine Schädigung der anderen Partei bezweckt werden kann.68 Ei­ nen solchen Schädigungszweck wird man dem abredewidrig handelnden Kläger aber lediglich in besonderen Extremfällen nachweisen können.69 Möglicherwei­ se könnte man in einer offensichtlich auf Verschleppung des Rechtsstreits ge­ richteten TorpedoKlage eine Verletzung des Schikaneverbots sehen. Wie darge­ stellt, stellen solche Torpedo-Taktiken aber im Verhältnis zwischen Deutsch­ land und einem Drittstaat mangels weltweit geltenden lis pendens-Grundsatzes im Sinne einer strikten Prioritätsregel keine Bedrohung dar70; umso schwieriger wird es also sein, dem Auslandskläger die Absicht zu unterstellen, er habe allein zum Zwecke der Verschleppung des Rechtsstreits gehandelt. Ist die im Ausland erhobene Klage dagegen lediglich darauf gerichtet, Vergleichsdruck auf den Be­ klagten auszuüben, kann nicht bereits von einer Verletzung des Schikanever­ RGZ 58, 214, 216; Grothe, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2015, §  226 Rn.  14 m. w. N. Etwa ArbG Hamm, 16.12.1965, MDR 1966, 272 (dieselbe Klage wurde vor insgesamt 74 Gerichten eingereicht); LG Köln, 14.02.1991, RPfleger 1991, 328 (Verlangen einer eides­ stattlichen Versicherung wegen einer Schuld von DM 2,10); BGH, 24.02.1994, WM 1994, 623, 625 (Verweigerung des Austauschs einer Prozessbürgschaft gegen eine gleichwertige). Vgl. auch die Darstellung, wann ein Prozessverhalten das Schikaneverbot verletzt, bei Grothe, in: MünchKomm BGB, 7.  Aufl. 2015, §  226 Rn.  7 und Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  119. 68  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  119. 69  Ebenso Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  119 f. 70  Vgl. Teil I §  5 B. I. 66  67 

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bots ausgegangen werden.71 Denn in einem solchen Fall kommt es dem Kläger ja nicht nur darauf an, den Prozessgegner zu schädigen, sondern er verfolgt auch das Ziel, seine materiellen Interessen mit der Klage durchzusetzen. Im Ergebnis scheiden Ansprüche aus §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. der Verlet­ zung eines Schutzgesetzes wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsverein­ barung folglich aus. IV.  Ansprüche aus §  826 BGB Ein Schadensersatzanspruch könnte sich weiterhin aus §  826 BGB ergeben. An­ ders als §  823 Abs.  1 BGB schützt §  826 BGB das Vermögen als solches, es ist also nicht die Verletzung eines absolut gechützten Rechts oder Rechtsguts erfor­ derlich. Die Vorschrift stellt aber hohe Voraussetzungen an das Verhalten und die innere Einstellung des Schädigers. Er muss gegen die guten Sitten verstoßen haben, wobei in ständiger Rechtsprechung unter sittenwidrig ein Verhalten ver­ standen wird, das „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken­ den“ verstößt, was bejaht wird, wenn das Verhalten nach dem sich aus seinem Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.72 Außerdem muss der Schädiger vorsätz­ lich handeln, wobei bedingter Vorsatz genügt.73 Erforderlich ist zwar nicht das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit, der Schädiger muss aber die die Sittenwidrig­ keit begründenden tatsächlichen Umstände kennen.74 Und schließlich muss er das Bewusstsein haben, dass sein Verhalten zu einem Schaden der anderen Par­ tei führen kann, d. h. er muss den Schadenseintritt wollen oder zumindest billi­ gend in Kauf nehmen.75 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen die­ ser hohen Voraussetzungen obliegt dabei dem Geschädigten.76 In der deutschen Rechtsprechung wurde §  826 BGB vor fast einem Jahrhun­ dert zur Begründung von Abwehr- und Erstattungsansprüchen gegen Klagen im Ausland herangezogen. Wie im Zusammenhang mit Prozessführungsverboten dargestellt77, hat im Jahr 1938 das Reichsgericht78 aus §  826 BGB einen An­ spruch der Ehefrau auf Rücknahme einer in Lettland erhobenen Scheidungskla­ 71  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  119 mit Rechtspre­ chungsnachweisen. 72  BGH, 06.05.1999, NJW 1999, 2266 (im Zusammenhang mit §  138 BGB); BGH, 19.10.2010, DStR 2011, 85; BGH, 20.11.2012, NJW-RR 2013, 550. 73  BGH, 24.04.2001, NJW 2001, 2880. 74  BGH, 29.06.2005, NJW 2005, 2991, 2992. 75  BGH, 20.11.2012, NJW-RR 2013, 550. 76  BGH, 20.11.2012, NJW-RR 2013, 550. 77  Vgl. oben Teil I §  6 F. IV. 2. 78  RG, 03.03.1938, RGZ 157, 136.

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ge ihres Ehemanns sowie auf Erstattung der von der Ehefrau für die Rechtsver­ teidigung in Lettland aufgebrachten Anwalts- und Gerichtskosten abgeleitet. Der Ehemann hatte, nachdem er sich in Deutschland erfolglos von seiner Frau scheiden zu lassen versucht hatte, einen Wohnsitz in Riga begründet und dort die Scheidung beantragt. Während nämlich in Deutschland das Verschul­ densprinzip herrschte und sich der ehebrüchige Mann nicht von seiner Ehefrau hätte scheiden lassen können, wäre eine Scheidung nach dem in Lettland an­ wendbaren lettischen Ehescheidungsrecht nach drei Jahren Trennung möglich gewesen. Das Reichsgericht sah darin einen sittenwidrigen Versuch, die An­ wendung des materiellen deutschen Scheidungsrechts zu umgehen.79 In der Folgezeit haben die deutschen Gerichte aus §  826 BGB jedoch keine Abwehransprüche gegen ausländische Verfahren mehr abgeleitet. Ansprüche aus §  826 BGB spielen in der deutschen Rechtsprechung jedoch weiterhin im Bereich der prozessualen Rechtsdurchsetzung eine Rolle, weil aufgrund prozes­ sualen Fehlverhaltens in aller Regel keine Rechtsgutsverletzung i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB, sondern ein bloßer Vermögensschaden droht.80 So kann über §  826 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen erreicht werden, im Einzelnen also ein Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil sowie auf Heraus­ gabe des Titels, etwa dann, „[…] wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, daß der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstel­ lung unter Mißachtung der materiellen Rechtslage zulasten des Schuldners aus­ nutzt.“81 Ebenso bejaht die Rechtsprechung Ansprüche aus §  826 BGB, wenn sich eine der Parteien nicht durch das Erschleichen oder Ausnutzen eines un­ richtigen Titels, sondern anderweitig bei der Einleitung des Prozesses oder wäh­ rend des Verfahrens sittenwidrig verhalten hat, etwa durch die Stellung eines unberechtigten Insolvenzantrags, durch Erstattung einer unbegründeten Straf­ anzeige oder die Erhebung einer unbegründeten zivilrechtlichen Klage.82 Aller­ dings kann die Einleitung eines staatlichen Verfahrens nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH nur in engen Ausnahmefällen eine sittenwidrige Schädigung i. S. v. §  826 BGB begründen, weil grundsätzlich das Prozessrecht 79  RG, 03.03.1938, RGZ 157, 136, 140. Die Anspruchsgrundlage ist indes nicht ganz un­ umstritten. Nach Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 536 f. hätte das Gericht den Anspruch nämlich nicht auf §  826 BGB stützen, sondern ihn direkt aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB herleiten sollen. 80  G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  826 Rn.  178. 81  BGH, 24.09.1987, NJW 1987, 3256, 3257. Vgl. auch BGH, 01.04.1954, NJW 1954, 880; BGH, 05.03.1958, NJW 1958, 826, 827; BGH, 05.06.1963, NJW 1964, 349; BGH, 27.03.1968, NJW 1968, 1275; BGH, 30.07.1990, NJW 1991, 30. Vgl. zudem die Darstellung der Recht­ sprechung bei G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  826 Rn.  180 ff. 82  Vgl. dazu G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  826 Rn.  190.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

selbst den Schutz vor unberechtigten Anträgen und Verfahren übernehme, so­ dass die Verfahrenseinleitung durch einen redlichen Kläger normalerweise we­ der sitten- noch rechtswidrig sei.83 Im Umkehrschluss hat diese Einschränkung aber zu bedeuten, dass die Verfahrenseinleitung durch einen unredlichen Klä­ ger, der weiß, dass seine Klage unbegründet ist, eine Haftung nach §  826 BGB begründet, soweit der Schaden nicht bereits über die prozessualen Kostenerstat­ tungsvorschriften ausgeglichen wird.84 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 betonte der BGH allerdings, für die Haftung für Schäden des Prozessgeg­ ners, die durch die Einleitung oder das Betreiben eines Rechtsstreits verursacht werden, genüge es nicht, wenn der Kläger die materielle Unrichtigkeit seines Prozessbegehrens kenne. Vielmehr müssten „[…] besondere Umstände aus der Art und Weise der Prozesseinleitung oder -durchführung hinzutreten, die das Vorgehen als sittenwidrig prägen.“ Zusätzlich zur Kenntnis des Schädigers von der fehlenden Berechtigung seines Prozessbegehrens erforderlich seien also „[…] stets besondere Umstände, die sich aus der Art und Weise der Prozessein­ leitung oder -durchführung ergeben und die das Vorgehen als sittenwidrig prä­ gen, damit die den Prozess einleitende, betreibende oder sich in ihm verteidi­ gende Partei über das Prozessergebnis hinaus für den entstehenden Schaden persönlich einzustehen hat.“85 Im selben Jahr bejahte der BGH einen Schadens­ ersatzanspruch aus §  826 BGB wegen Prozessverschleppung – die in einem an­ deren Verfahren Beklagten hatten durch unwahren Vortrag nebst Beweisanträ­ gen den Prozess so lange hingezogen, bis sie einen Insolvenzantrag hatten stel­ len können – betonte aber wiederum, dass grundsätzlich die verfahrensrechtliche Legalität auch die Vermutung für die Rechtmäßigkeit in sich trage und die Sit­ tenwidrigkeitsgrenze des §  826 BGB in eng begrenzten Ausnahmefällen erst dann erreicht sei, wenn der Kläger „[…] das staatliche Verfahren zur Schädi­ gung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht, indem er etwa – wie im Falle des Prozessbetrugs oder des Erschleichens gerichtlicher Handlungen – das Ver­ fahren mit unlauteren Mitteln betreibt.“86 Im Schrifttum wird diskutiert, inwieweit diese Rechtsprechung auf Fälle der unberechtigten Verfahrenseinleitung im Ausland übertragen werden kann, um aus §  826 BGB einen Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch abzuleiten.87 83 

BVerfG, 25.02.1987, NJW 1987, 1929; BGH, 13.03.1979, NJW 1979, 1351, 1352; BGH, 23.05.1985, NJW 1985, 1959, 1961. 84  Vgl. G. Wagner, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  826 Rn.  191 mit Rechtspre­ chungsnachweisen. 85  BGH, 25.03.2003, NJW 2003, 1934. 86  BGH, 11.11.2003, NJW 2004, 446, 447. 87  Vgl. z. B. die Diskussion bei Baum, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts (1994), S.  185, 195 ff.; Grunwald, Forum Shopping mit

§ 14 – D.  Deliktische Ansprüche nach deutschem Recht

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Wie dargestellt, handelt es sich beim forum shopping im Ausland grundsätzlich um ein erlaubtes Verhalten88, sodass sich die Frage stellt, wann die Klageerhe­ bung im Ausland die Grenze der Unzulässigkeit erreicht.89 Einen relativ weiten Ansatz vertreten Schütze und Paulus. Schütze zufolge kann wegen der Kumula­ tion der dem US-amerikanischen Verfahren eigenen Besonderheiten leicht die Anerkennung eines US-amerikanischen Urteils aus Gründen des ordre public verweigert werden, der gleiche Maßstab sei bei der Sittenwidrigkeit anzule­ gen.90 Paulus sieht §  826 BGB u. a. dann als erfüllt an, wenn eine Partei in den USA klagt, obwohl der Fall keinerlei oder kaum Bezug zu den USA aufweist. Beispielhaft nennt er einen Prozess zwischen zwei Deutschen, bei dem sich alle Zeugen in Deutschland befanden, der Vertrag in Deutschland abgeschlossen worden war und auch sonst kein Bezug zu den USA vorlag, außer dass der Klä­ ger kürzlich seinen Wohnsitz in den USA begründet hatte. Ein Erschleichen liege bereits dann vor, wenn in den USA geklagt werde, obwohl der Fall selbst „bei lebhaftem Phantasieaufwand“ kaum Bezug zu den USA aufweise.91 Dem­ gegenüber wird mehrheitlich eine engere Sichtweise vertreten und ein schika­ nöses Verhalten des Auslandsklägers verlangt.92 Hau möchte die Sittenwidrig­ keit der Verfahrenseinleitung im Ausland nur ausnahmsweise bejahen, wenn der Kläger kein legitimes Interesse an der Einleitung des Verfahrens habe, sein Verhalten also schikanös sei. Daran sei zu denken, wenn durch die Klageerhe­ bung im Ausland eine außergerichtliche Einigung in einem bereits zuvor einge­ amerikanischen Gerichten (2008), S.  195 ff.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internati­ onalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  206 ff.; Jasper, Forum shopping in England und Deutsch­ land (1990), S.  129 ff.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  123 ff.; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I (1982), Rn.  170 ff.; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  96 ff.; Paulus, in: Festschrift Georgiades (2006), S.  511 ff.; ders., RIW 2006, 258; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  343 ff.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  863; Schröder, in: Festschrift Kegel (1987), S.  523, 539 ff.; Smith, RIW 1993, 803, 809; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 342 ff.; Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  3, 53. 88  Vgl. Teil I §  3 C. III. 89  Dass es bei der Frage, ob Sittenwidrigkeit vorliegt, letztlich um die Abgrenzung zwi­ schen zulässigem forum shopping und Rechtsmissbrauch geht, betonen auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  206; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I (1982), Rn.  170; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten (1989), S.  96; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  345. 90  Schütze, in: Festschrift Geimer (2002), S.  1025, 1030 ff.; ders., RIW 2005, 579, 586. 91  Paulus, RIW 2006, 258, 259; ders., in: Festschrift Georgiades (2005), S.  511, 518 f. 92  Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  208 f.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  125 f.; Spickhoff, in: Festschrift Deutsch (1999), S.  327, 347.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

leiteten inländischen Verfahren erzwungen werden soll.93 Auch Köster verlangt für ein Eingreifen des §  826 BGB, dass das Prozessverhalten des Auslandsklä­ gers als Schikane zu qualifizieren sei, es müsse sich also aus den Fallumständen ergeben, dass die Klage im Ausland allein der Schädigung der anderen Partei diene.94 Dies sei weder bereits dann zu bejahen, wenn der Kläger durch die Verfahrenseinleitung im Ausland versucht, einen für ihn möglichst günstigen Vergleich zu erreichen, noch in dem Fall, dass er durch die Ausnutzung einer exorbitanten Zuständigkeit, etwa nach der US-amerikanischen transient jurisdiction, einen Gerichtsstand erschleicht, ebenso wenig bei Klagen, mit denen der Kläger punitive oder treble damages verlangt oder mit denen er die discovery betreibt.95 Denn die Sittenwidrigkeit lasse sich nicht mit den Eigenheiten des US-amerikanischen Rechts begründen.96 Die Anwendung des §  826 BGB bleibe daher auf besonders krasse Fälle beschränkt.97 Legt man den im Schrifttum mehrheitlich vertretenen Ansatz zugrunde, wo­ nach ein schikanöses Verhalten des Auslandsklägers erforderlich ist, damit die Verfahrenseinleitung als sittenwidrig i. S. v. §  826 BGB eingestuft werden kann, begründet die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte durch Klageerhebung im Ausland grundsätzlich noch kei­ nen Sittenwidrigkeitsvorwurf.98 Denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier darin, dass der Auslandskläger im derogierten Forum klagt, obwohl er sich in der Gerichtsstandsvereinbarung auf die ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte geeinigt hat, also in einem Vertragsbruch. Dies genügt für eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB, nicht aber dafür, den Vor­ wurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. Andernfalls wäre jeder Vertragsbruch zugleich ein Sittenverstoß mit der Folge einer ausufernden Haftung nach §  826 BGB. Als schikanös kann die Verfahrenseinleitung im Ausland nur dann einge­ ordnet werden, wenn der Kläger mit ihr primär das Ziel verfolgt, den Beklagten zu schädigen, wenn er es also missbräuchlich ausnutzt, dass ihm das ausländi­ sche Verfahrensrecht die Möglichkeit zur Verfügung stellt, dort Klage zu erhe­ ben. Der vertragsbrüchige Auslandskläger verfolgt mit seiner Klage aber in al­ ler Regel das Ziel, das Verfahren tatsächlich vor das abredewidrig angerufene Gericht zu bringen. Gerade Rechtsordnungen wie die US-amerikanische bieten Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  208 f. Ähnlich auch Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerich­ ten (1989), S.  96 ff. 94  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  125. 95  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  125 f. 96  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  126. 97  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  126. 98  Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  347. 93 

§ 14 – D.  Deliktische Ansprüche nach deutschem Recht

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Parteien auch Anreize dazu, vor einheimischen Gerichten zu klagen und die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines anderen Staates auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen. Der Kläger kann also durchaus darauf hoffen, das abredewidrig angerufene US-amerikanische Gericht werde die Ge­ richtsstandsvereinbarung als unreasonable befinden und das Verfahren in der Sache durchführen. Folglich kann ihm auch nicht unterstellt werden, er habe die Klage nur mit dem Ziel der Schädigung der anderen Partei erhoben. Und selbst, wenn die Klage lediglich darauf gerichtet ist, finanziellen Druck auf die andere Partei auszuüben, damit sich diese rügelos auf das Verfahren einlässt oder in einen Vergleich begibt, kann das Verhalten des Klägers nicht als sittenwidrig bewertet werden, weil in der Klageerhebung immer noch keine missbräuchliche Ausnutzung seiner prozessualen Befugnisse mit dem Ziel der Schädigung des Beklagten liegt. Denn auch bei einem von der Absicht getriebenen Verhalten, mittels eines gerichtlichen Verfahrens Vergleichsdruck auf die andere Partei auszuüben, handelt es sich um ein zulässiges Verhalten. Während es also im Rahmen der Prüfung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs aus §  280 Abs.  1 BGB keine Rolle spielt, dass der Kläger mit der Verfahrenseinleitung im forum derogatum lediglich eine Möglichkeit ausnutzt, die ihm das ausländische Verfahrensrecht zu Verfügung stellt, weil in der Klageerhebung nichtsdesto­ trotz eine rechtswidrige und in aller Regel schuldhaft begangene Vertragsverlet­ zung liegt, scheitert der Vorwurf der Sittenwidrigkeit, weil in dem Bestreben, das Verfahren in der Sache vor dem abredewidrig angerufenen Gericht durch­ zuführen oder die andere Partei zu einem Vergleich zu bewegen, keine miss­ bräuchliche Ausnutzung der Klagemöglichkeit im forum derogatum liegt. Peiffer vertritt daher zu Recht die Ansicht, dass entsprechend der Rechtspre­ chung des BGH zur Haftung nach §  826 BGB wegen unlauteren Prozessverhal­ tens auch in grenzüberschreitenden Fällen das Vorliegen besonderer Umstände zu fordern sei, welche die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens sitten­ widrig erscheinen lassen. Sie bejaht Sittenwidrigkeit deshalb nur dann, wenn der Kläger gezielt ein Forum aussucht, dessen Prozessordnung Gerichtsstands­ vereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte nicht anerkennt bzw. deren Geltendmachung nicht gestattet. Denn in solchen Fällen sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht aus Zweifeln an der Wirksamkeit oder Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung vor das derogierte Forum gezogen sei, sondern weil es ihm darauf ankomme, die Vereinbarung auszuhebeln.99 Meines Erachtens ist jedoch selbst in einem solchen Fall noch nicht unbedingt die Grenze der Sittenwidrigkeit erreicht. Denn auch wenn der Kläger davon ausgeht, dass das abredewidrig angerufene Gericht die Gerichtsstandsvereinba­ 99 

Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  347 f.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

rung auf keinen Fall anerkennen wird, erhebt er die Klage trotzdem nicht zwin­ gend mit dem Ziel, die andere Partei zu schädigen, sondern ebenfalls, weil er das Verfahren in der Sache vor dem derogierten Forum durchführen möchte. Sittenwidrig dürfte die Verfahrenseinleitung im abgewählten Forum dann sein, wenn der Auslandskläger sich eines Prozessbetrugs schuldig macht, indem er vortäuscht, die Gerichtsstandsvereinbarung nie abgeschlossen zu haben. In al­ len anderen Fällen dürfte das Vorliegen besonderer, die Sittenwidrigkeit be­ gründender Umstände nur ausnahmsweise einmal zu bejahen sein, etwa dann, wenn die Klage allein den Zweck verfolgt, die andere Partei – beispielsweise wegen der hohen außergerichtlichen Kosten am Verfahrensort – in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten zu treiben oder ihren Ruf durch die Beklagtenrolle in dem Verfahren zu schädigen. Den Beweis für das Vorliegen solcher Umstän­ de dürfte die abredewidrig verklagte Partei aber nur selten erbringen können. Ein Schadensersatzanspruch aus §  826 BGB wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung durch Klageerhebung im abgewählten Forum ist da­ her auf extreme Ausnahmefälle beschränkt und wird in der Praxis nur selten erfüllt sein. V. Zusammenfassung Verletzt eine Partei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte, indem sie im Ausland eine Klage erhebt, macht sie sich damit aus Sicht des deutschen Deliktsrechts in aller Regel nicht schadensersatz­ pflichtig. Ein Anspruch aus §  823 Abs.  1 BGB scheitert in den meisten Fällen, weil die Klageerhebung im forum derogatum weder in einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb noch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts resultiert und die in §  823 Abs.  1 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter nicht betroffen sind. Auch ein Anspruch aus §  823 Abs.  2 BGB scheidet mangels Verletzung eines Schutzgesetzes aus. §  138 ZPO ist kein Schutzgesetz i. S. d. §  823 Abs.  2 BGB und §  226 BGB wird durch die Klageer­ hebung im abgewählten Gericht nicht verletzt. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. v. §  826 BGB wird nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, etwa wenn der Auslandskläger vortäuscht, die Gerichtsstandsvereinbarung nie abge­ schlossen zu haben, oder wenn er die Klage im abgewählten Forum allein mit dem Ziel erhebt, die andere Partei in den finanziellen Ruin zu treiben. Dass die Klageerhebung im forum derogatum in den meisten Fällen nicht die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nach den §§  823 ff. BGB erfüllt, steht auch nicht im Widerspruch zu dem in dieser Untersuchung gefundenen Ergebnis, dass sie grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht nach §  280 Abs.  1 BGB begründet. Denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit besteht in den Fäl­

§ 14 – E.  Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht

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len der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung in der darin liegenden Vertragsverletzung. Ein Vertragsbruch allein ist aber nicht dazu geeignet, die im Deliktsrecht an strenge Voraussetzungen gebundene Haftung für reine Ver­ mögensschäden zu begründen. Erfüllt die Klageerhebung im abgewählten ausländischen Gericht ausnahms­ weise doch einmal eine deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage, bemisst sich der Umfang des ersetzbaren Schadens nach denselben Grundsätzen wie bei vertrag­ lichen Schadensersatzansprüchen.100 Auch in Bezug auf die möglichen rechts­ politischen Bedenken, die im Zusammenhang mit der Schadensersatzhaftung auftauchen, gilt das zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen Gesagte: Sie sind nicht geeignet, die Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen per se aus­ zuschließen, insbesondere liegt in der Verurteilung zum Schadensersatz wegen einer abredewidrigen Verfahrenseinleitung im Ausland keine Verletzung des comitas-Grundsatzes.

E.  Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht I. Einführung Hat eine Partei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung durch eine Kla­ ge im forum derogatum verletzt, kommen schließlich auch bereicherungsrechtli­ che Ansprüche in Betracht. Kondiktionsansprüche könnten wegen der folgenden Überlegung bestehen: Die Entscheidung des forum derogatum wird in Deutsch­ land, wie bereits gezeigt, wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfä­ hig sein, falls sich die beklagte Partei nicht rügelos auf das Verfahren eingelas­ sen hat. Begleicht nun die beklagte Partei den im Urteil titulierten Anspruch oder betreibt der Auslandskläger daraus die Vollstreckung, stellt sich die Frage, ob sie die Geldsumme oder sonstige Vorteile, die der Auslandskläger erlangt hat, mit der Begründung zurückfordern kann, das Urteil bilde mangels Anerken­ nungsfähigkeit in Deutschland keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen. Dabei handelt es sich natürlich nicht um Schadensersatz im eigentlichen Sin­ ne, denn durch das Bereicherungsrecht soll kein Schaden kompensiert, sondern eine ungerechtfertigte Bereicherung abgeschöpft werden: Die §§  812 ff. BGB regeln nach den Worten Essers Be- und nicht Entreicherungsrecht.101 Für die redliche Partei können solche Ansprüche aber denselben Zweck verfolgen wie Schadenersatzansprüche, nämlich einen Ausgleich der den Parteien entstande­ nen Vor- und Nachteile wegen des Verfahrens im abgewählten Forum herzustel­ 100  101 

Siehe dazu oben Teil III §  13 B. Esser, Schuldrecht BT, 4.  Aufl. 1971, S.  370

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

len. Da im deutschen Zivilprozess außerdem, wie im Umkehrschluss aus §  293 ZPO folgt, der Grundsatz curia novit iura gilt, das Gericht also grundsätzlich von Amts wegen die im jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Rechtsvorschrif­ ten prüft, wird es auch bereicherungsrechtliche Ansprüche beachten, wenn der Kläger lediglich Schadensersatz verlangt. Der Vorteil der bereicherungsrechtli­ chen Haftung gegenüber vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprü­ chen besteht in der Verschuldensunabhängigkeit. Außerdem erfordern bereiche­ rungsrechtliche Ansprüche, ebenfalls im Unterschied zur Haftung aus Ver­ trags- und Deliktsrecht, keine Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schuldners. Wie bereits dargestellt, gibt es beispielsweise in England und Kanada gesetz­ liche claw back statutes, über die zurückverlangt werden kann, was aufgrund eines im Inland nicht vollstreckbaren ausländischen Urteils erlangt worden ist. Soweit ersichtlich, werden jedoch weder in England noch in anderen Staaten Ansprüche wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinba­ rung aus solchen claw back statutes abgeleitet.102 In Deutschland fehlt es an vergleichbaren gesetzlichen Vorschriften.103 Aus der Rechtsprechung ist ledig­ lich eine Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1986 bekannt, in welcher der Beklagte zur Rückzahlung eines vor einem saudi-arabischen Arbeitsgericht er­ strittenen Forderungsbetrags verpflichtet wurde.104 In dem zugrunde liegenden Fall wurde auf ein in Deutschland nicht anerkennungsfähiges Urteil aus Sau­ di-Arabien gezahlt. Das BAG sah in der Zahlung auf das saudi-arabische Urteil eine Leistung und entschied, ein nicht anerkennungsfähiges Urteil stelle keinen Rechtsgrund i. S. v. §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB dar. Anders hatte dagegen noch das KG in einem Fall aus dem Jahr 1909105 entschieden, in dem ein Deutscher in England verurteilt wurde, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen. Das Urteil wurde in England vollstreckt. Daraufhin strengte der Deutsche in Deutschland einen Sekundärprozess an und forderte die Urteilssumme als ungerechtfertigte Bereicherung zurück. Das KG sah in dem nicht anerkennungsfähigen Urteil jedoch einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen. Die deutsche Literatur hat sich nur am Rande mit der bereicherungsrechtli­ chen Rückabwicklung von Vollstreckungsmaßnahmen beschäftigt.106 Dabei ist im Schrifttum umstritten, ob eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung 102 

Siehe dazu oben Teil II §  8 B. I. Der Erlass eines vergleichbaren Gesetzes wurde abgelehnt, vgl. dazu Stürner, in: Hab­ scheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986), S.  3, 50. 104  BAG, 09.07.1986 – 5 AzR 563/84 (unveröffentlicht), dokumentiert bei Juris. 105  KG, OLGE 18 (1909), 55, 56. 106  Zu innerdeutschen Fällen vgl. H. Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiellrechtliche Ausgleichsansprüche (1971), insb. S.  69 ff.; Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und ungerechtfertigte Bereicherung (1986). 103 

§ 14 – E.  Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht

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desjenigen, was aufgrund eines ausländischen Urteils erlangt worden ist, zuläs­ sig ist. Schack zufolge birgt die Frage „Sprengstoff“ und kann einen „Justiz­ krieg“ heraufbeschwören.107 Auch Stürner steht der Zulässigkeit einer bereiche­ rungsrechtlichen Haftung eher skeptisch gegenüber und schreibt: „Mit der Rückklagemöglichkeit ist der Schritt zum Jurisdiktionskrieg endgültig ge­ tan.“108 Andere bejahen indes die Zulässigkeit solcher Ansprüche. Dabei exis­ tiert allerdings kein von den Tatbeständen der Kondiktionsansprüche losgelös­ ter Streit über die generelle Zulässigkeit der bereicherungsrechtlichen Haftung. Der Streit ist vielmehr dogmatisch bei der Frage zu verorten, ob das nicht aner­ kennungsfähige ausländische Urteil einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen bildet oder nicht. Daher ist es sinnvoll, den Streitstand auch an dieser Stelle im Tatbestandsaufbau zu untersuchen (unter IV.); vorher sollen die anderen Vor­ aussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Haftung behandelt werden. II.  Bereicherung des Schuldners: das sog. „erlangte Etwas“ 1.  Die Urteilssumme Voraussetzung jeder bereicherungsrechtlichen Haftung ist eine beim Schuldner eingetretene Bereicherung. Dabei ist nach heutiger Sichtweise eine gegenständ­ liche und keine vermögensrechtliche Betrachtung anzustellen. Es kommt also nur darauf an, dass dem Bereicherungsschuldner auf Kosten des Gläubigers ein Vorteil zugeflossen ist, wohingegen das sog. erlangte Etwas als solches keinen Vermögenswert haben muss.109 Die hier relevante Bereicherung besteht nicht im Titel selbst. Denn dieser ist im Ausland wirksam und kann nicht vom Kondiktionsschuldner herausgegeben wer­ den. Der Auslandskläger hat jedoch dann etwas erlangt, wenn die andere Partei das Urteil (teilweise) befriedigt hat, und zwar Eigentum und Besitz an der vom Auslandsbeklagten gezahlten Urteilssumme. Möglich ist es auch, dass die andere Partei mit einer anderen Handlung als der Zahlung von Geld dem Urteil entspro­ chen hat, etwa mit der Herausgabe von Sachen oder einer Lizenz, und der Aus­ landskläger einen anderen Vorteil erlangt hat, der nun über das Bereicherungs­ recht rückgängig gemacht werden soll. Ist aufgrund des ausländischen Titels be­ reits die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners betrieben worden, kann der Auslandskläger die Überweisung einer gepfändeten Forderung des Schuldners oder die Auskehr des Vollstreckungserlöses erlangt haben.110 Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1132. Stürner, ZVglRW 81 (1982), 159, 207. 109  Dazu Schwab, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  812 Rn.  1 ff. 110  Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  407. 107 

108 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Hinsichtlich der Urteilssumme ist auf die gesamte gezahlte Summe abzustel­ len und nicht etwa auf eine Differenz zwischen der tatsächlichen Urteilssumme nach der Entscheidung des forum derogatum und der hypothetischen bzw. – falls es ebenfalls ein Verfahren in der Sache durchgeführt hat – tatsächlichen Urteilssumme nach der Entscheidung des forum prorogatum. Denn der Aus­ landskläger hat nach einer rein tatsächlich anzustellenden Betrachtungsweise eben nicht bloß die Differenz zwischen diesen beiden Summen, sondern die gesamte aufgrund der Sachentscheidung des abgewählten Gerichts gezahlte Summe erlangt. Ob das gewählte Gericht in der Sache genauso entschieden hätte, wie das abredewidrig angerufene, kann aber über die dolo agit-Einrede Berücksichtigung finden, wie noch dargestellt wird.111 2.  Verfahrens- und andere Kosten? Es stellt sich die Frage, ob auch in Fällen der Variante 1 des Beispielsfalls 1, also wenn das ausländische Gericht seine Zuständigkeit ablehnt und keine Entschei­ dung in der Sache trifft, eine Bereicherung des Auslandsklägers möglich ist. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht scheiden in dieser Konstellation bereicherungsrechtliche Ansprüche mangels Bereicherung aus. Denn in diesem Fall haben beide Parteien möglicherweise Prozess- und andere Kosten, vor al­ lem Anwaltskosten, zahlen müssen, jedoch hat keine Partei eine abschöpfbare Bereicherung erfahren, weil es ja gerade kein Sachurteil gibt.112 Dieser Mei­ nung ist zuzustimmen. Das Bereicherungsrecht soll ungerechtfertigte Vermö­ gensverschiebungen ausgleichen. Parallel zur Entreicherung des Klägers muss eine Bereicherung des Beklagten gegeben sein. Gerade daran fehlt es aber. Die Kosten für eine anwaltliche Beratung, Anreisekosten und sonstige (Verfah­ rens-)Kosten des Bereicherungsklägers sind nicht der anderen Partei zugeflos­ sen, es handelt sich bei diesen Kosten also nicht um Vorteile, welche die andere Partei erlangt hat, sondern lediglich um eine Entreicherung im Vermögen der nicht vertragsbrüchigen Partei. Das Bereicherungsrecht soll aber keinen Scha­ den ausgleichen, sondern nach der Formulierung Essers113 ungerechtfertigte Bereicherungen abschöpfen. Eine andere Betrachtung ergibt sich auch nicht unter dem Stichwort der er­ sparten Aufwendungen. Einer solchen Annahme könnte folgende Betrachtung zugrunde liegen: Die nicht vertragsbrüchige Partei hat im Ausland möglicher­ weise höhere Kosten zu tragen, als dies bei einem inländischen Prozess im f­orum prorogatum der Fall gewesen wäre. Bei Obsiegen der nicht vertrags­ 111 

Unten Teil III §  14 E. VI. Vgl. Takahashi, 11 Yearbook of Private International Law (2009), 73, 82. 113  Esser, Schuldrecht BT, 4.  Aufl. 1971, S.  370. 112 

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brüchigen Partei hätte sie im Inland möglicherweise wegen der Kostentragungs­ pflicht der unterliegenden Partei gar keine Kosten gehabt, während sie nun, z. B. wegen der American rule of costs, eine u. U. hohe Kostenlast trifft. Man könnte sich also auf den Standpunkt stellen, die andere Partei habe Aufwendungen er­ spart, weil sie diese Kosten in einem Prozess vor dem gewählten Gericht zu tragen gehabt hätte. Dagegen spricht aber, dass nach der heute herrschenden Meinung ersparte Aufwendungen grundsätzlich nicht als selbstständiger er­ langter Vermögensvorteil anzusehen sind. Sie werden erst beim Umfang der Herausgabepflicht im Rahmen des Einwands des Wegfalls der Bereicherung nach §  818 Abs.  3 BGB beachtet.114 Für den Bereicherungsgegenstand ist es da­ her ohne Bedeutung, wenn die Verteilung der gerichtlichen und außergerichtli­ chen Kosten im ausländischen Verfahren anders ausgefallen ist, als dies in ei­ nem Verfahren vor dem gewählten Gericht der Fall gewesen wäre. 3. Ergebnis Nur, wenn das forum derogatum seine Zuständigkeit bejaht und ein Sachurteil fällt, kann die abredewidrig klagende Partei einen bereicherungsrechtlich rele­ vanten Vorteil erlangt haben, nämlich dasjenige, was die andere Partei auf diese Entscheidung hin gezahlt hat, bzw. dasjenige, was der Auslandskläger im Wege der Vollstreckung erlangt hat. Andere Kosten, insbesondere Anwaltskosten und die sonstigen außergerichtlichen Kosten der redlichen Partei, sind bereiche­ rungsrechtlich nicht relevant, weil sie keine Bereicherung der anderen Partei darstellen. Bereicherungsrechtliche Ansprüche kommen daher nur in Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1 in Betracht, nämlich dann, wenn das derogierte Gericht in der Sache zugunsten des Auslandsklägers und zulasten der nicht ver­ tragsbrüchigen Partei entschieden hat. III.  Leistungs- oder Eingriffskondiktion 1.  Eingriffskondiktion, wenn die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist Weiterhin muss geklärt werden, ob es sich bei der Zahlung aufgrund eines Ur­ teils um eine Leistung des Vollstreckungsschuldners handelt, sodass der allge­ meine Leistungskondiktionsanspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB in Frage kommt, oder ob eine Leistung verneint werden muss. Hat die im Ausland ver­ klagte Partei nicht freiwillig gezahlt, sondern ist in ihr Vermögen die Zwangs­ vollstreckung betrieben worden, so liegt unstreitig keine Leistung vor. Der Aus­ landskläger hat die Überweisung einer Forderung des Schuldners oder die Aus­ 114 

Schwab, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  812 Rn.  16 m. w. N.

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kehr des Vollstreckungserlöses nicht durch Leistung der anderen Partei erlangt, weil der Gerichtsvollzieher als staatliches Vollstreckungsorgan tätig wird. Mit der Zwangsvollstreckung liegt ein Eingriff in Rechte des Vollstreckungsschuld­ ners, z. B. Eigentumsrechte oder Rechte aus Forderungen, vor.115 In diesen Fäl­ len ist unproblematisch die allgemeine Eingriffskondiktion nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB die taugliche Anspruchsgrundlage. 2.  Umstrittene Rechtslage, wenn freiwillig bezahlt wurde Problematisch sind hingegen die Fälle, in denen der Vollstreckungsschuldner die im Ausland titulierte Forderung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung freiwillig ganz oder teilweise erfüllt hat. Ob er in diesen Fällen leistet, also be­ wusst und zweckgerichtet fremdes Vermögen mehrt, ist umstritten. Dabei ist das Merkmal der Zweckgerichtetheit zu bejahen, denn die Partei handelt, um eine jedenfalls im Ausland bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen, also solvendi causa. Der Streit dreht sich vielmehr um die Frage, ob auch eine bewusste Vermögensmehrung vorliegt. Einer Meinung nach ist das Vorliegen einer Leistung auch in diesen Fällen zu verneinen.116 Köster begründet diese Ansicht damit, es gehe bei der Rückforde­ rung der Urteilssumme nicht um den Ausgleich einer Zuviel- oder Falschleis­ tung im Rahmen eines Schuldverhältnisses, sondern um den Ausgleich einer durch das ausländische Urteil bewirkten Zahlung. Diese Zahlung werde auf­ grund des Vollstreckungsdrucks vorgenommen, sodass der Anspruch als Ein­ griffskondiktion zu qualifizieren sei.117 Es sei lebensfremd, anzunehmen, dass sich die im Ausland unterlegene Partei nicht diesem Vollstreckungsdruck beu­ ge, sondern zahle, um damit auf ein Schuldverhältnis zu leisten.118 Der anderen Ansicht nach handelt es sich bei der Zahlung auf ein nicht aner­ kennungsfähiges Urteil um eine Leistung. So hat das BAG in dem oben erwähn­ ten Fall aus dem Jahr 1986 eine Leistung des Vollstreckungsschuldners be­ jaht.119 Ebenso bejaht die wohl herrschende Meinung im Schrifttum eine Leis­ tung.120 Argumentiert wird damit, das Merkmal „bewusst“ verlange gerade 115 

Grundlegend dazu BGH, 13.07.1983, NJW 1983, 2147, 2149. So insb. Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  131 f. Ebenso grundsätzlich gegen die Annahme einer Leistung sind Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht (1996), S.  111; ders., JuS 1998, 233, 235 f. und Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1133, die die Eingriffskondiktion dann aber am Bestehen eines Rechtsgrundes zum Behaltendürfen scheitern lassen. 117  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  132. 118  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  132. 119  BAG, 09.07.1986 – 5 AzR 563/84 (unveröffentlicht). 120  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  3055 (der jedenfalls von dem „Geleisteten“ spricht); 116 

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keine freiwillige, sondern lediglich eine willentliche Verursachung der Vermö­ gensmehrung und sei damit in den Fällen, in denen eine Partei handle, um Voll­ streckungsdruck abzuwenden, erfüllt.121 Zu Recht wird zudem darauf hinge­ wiesen, dass auch in anderen Fällen der Leistungskondiktion, in denen der Be­ reicherungsgläubiger eine (vermeintliche) Verbindlichkeit erfüllt hat, diese Erfüllung häufig von der Befürchtung getragen war, andernfalls drohe eine Vollstreckung in das Vermögen.122 Der letzten Ansicht gebührt Zustimmung: In den meisten Fällen, in denen der Bereicherungsgläubiger eine Leistung solvendi causa, also zur Erfüllung einer (vermeintlichen) Verbindlichkeit vorgenommen hat, handelt er jedenfalls auch deshalb, weil er Negativfolgen, die sich aus einer Nichterfüllung ergeben könn­ ten, abwenden möchte, er beugt sich also einem bestimmten Druck. Das ändert gerade nichts an einer Leistung solvendi causa. Zu bedenken ist außerdem, dass auch in den hier behandelten Fällen eines nicht anerkennungsfähigen ausländi­ schen Urteils dennoch ein im Ausland wirksamer Titel vorliegt, den der Berei­ cherungsgläubiger erfüllen wollte. Für die eine Leistung bejahende Meinung spricht zudem, dass der Leistungsbegriff mittlerweile z. T. neu definiert wird. Schwab zufolge ist darunter die „zweckgerichtete Hingabe von Vermögensvor­ teilen“ zu verstehen. Denn erstens werde das Merkmal der Vermögensmehrung bereits vom Tatbestandsmerkmal „etwas erlangt“ erfasst, zweitens sei eine zweckgerichtete Vermögensmehrung, die nicht zugleich bewusst vorgenommen wird, logisch nicht denkbar, sodass auf das Definitionsmerkmal „bewusst“ ver­ zichtet werden könne.123 Weiterhin spricht auch ein praktisches Argument für die Bejahung einer Leistung: Wegen der rechtspolitischen Bedenken gegenüber einer bereicherungsrechtlichen Haftung und deren Folgen für das Verhältnis zwischen den Staaten, sollten die Anforderungen an eine solche Haftung nicht zu niedrig angesetzt werden. Nur die Annahme einer Leistung ermöglicht aber die begrenzende Anwendung des §  814 BGB, um die gefundenen Ergebnisse einer Korrektur zu unterwerfen.

P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  191; Grunwald, Forum Shop­ ping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  140 ff.; Hohloch, RIW 1987, 353, 360; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III 1, 1984, Kap.  1 Rn.  339; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  406. 121  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  406. 122  Grunwald, Forum Shopping mit amerikanischen Gerichten (2008), S.  148 und Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  406. 123  Schwab, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  812 Rn.  41.

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3. Ergebnis Festzuhalten ist daher, dass in den Fällen, in denen in das Vermögen der im Ausland unterlegenen Partei die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist, ein Eingriff nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB vorliegt, während in allen anderen Fällen, in denen sie den ausländischen Titel freiwillig erfüllt hat, eine Leistung des Bereicherungsgläubigers an den Bereicherungsschuldner i. S. v. §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB zu bejahen ist. IV.  Fehlen eines Rechtsgrundes 1. Überblick Als Rechtsgrund der Zahlung dient normalerweise das zugrunde liegende Ur­ teil, sodass bei Urteilsanerkennung Rückforderungsansprüche ausscheiden. Die ausländische Gerichtsentscheidung wird aber, wie gezeigt, wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO im Inland nicht anerkannt, denn das abgewählte ausländische Gericht verfügt aus deutscher Sicht nicht über die erforderliche Anerkennungszustän­ digkeit. Zwar ist das nicht anerkannte Urteil in Deutschland kein völliges Nul­ lum, sondern eine Rechtstatsache, nämlich eine öffentliche Urkunde, welche nach den §§  438, 417 ZPO Beweiskraft besitzt.124 Nicht anerkannte Urteile ent­ falten im Inland jedoch keine darüber hinausreichenden Rechtswirkungen, we­ der stehen sie einer erneuten Klage im Inland entgegen, noch können die Partei­ en über die Anerkennung disponieren.125 Ob sie jedoch einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen darstellen, ist umstritten. 2.  Die einen Rechtsgrund bejahende Ansicht Im früheren Schrifttum wurde teilweise vertreten, dass auch ein nicht anerken­ nungsfähiges ausländisches Urteil einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gezahlten Urteilssumme bilde.126 Auch in dem bereits erwähnten Urteil des KG aus dem Jahr 1909 wurde der Rechtsgrund bejaht und der Kondiktionsan­ spruch folglich abgelehnt.127 Die Vertreter dieser Ansicht sahen in der Befriedi­ gung eines nicht anerkannten Urteils eine sittliche Pflicht, wenn das ausländi­ sche Verfahren rechtsstaatlichen Standards genügt habe.128 Das Urteil wurde Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1130. P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  187. 126  Matscher, JBl. 76 (1954), 54; Melchior, Die Grundlagen des deutschen IPR (1932), S.  321; Nussbaum, Deutsches Internationales Privatrecht (1932), §  63 IV Fn.  4; M. Wolff, Das IPR Deutschlands, 3.  Aufl. 1954, S.  133. 127  KG OLGE 18 (1909) 55, 56. 128  Insb. Matscher, JBl. 76 (1954), 54, 58. 124  125 

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daher, auch wenn es nicht anerkennungsfähig war, als eine Naturalobligation verstanden.129 Mittlerweile wird diese Wertung, soweit ersichtlich, zumindest noch von Schack befürwortet.130 Seiner Meinung nach kann die Bejahung bereicherungs­ rechtlicher Rückforderungsansprüche für den Fall, dass ein Schuldner eine im Ausland titulierte, aber im Inland nicht anerkennungsfähige Forderung erfüllt hat, die Gefahr eines Justizkrieges heraufbeschwören, „[…] bei dem sich jede Partei immer aufs Neue in dem einen Staat das zurückholt, wozu sie in dem anderen Staat verurteilt worden ist.“ Durch solche Regressansprüche könne die Befriedungsfunktion des ausländischen Urteils aufgehoben werden. Daher stimmt er der früher vertretenen Ansicht, die in dem nicht anerkennungsfähigen Urteil eine die Vermögensverschiebung rechtfertigende causa sieht, zu und be­ zeichnet sie sogar als „durchaus weise“.131 Dass in der Bejahung der causa eine mittelbare Anerkennung des ausländischen Urteils liege, müsse man hinneh­ men.132 Dabei stützt Schack sein Ergebnis auch auf einen Vergleich mit auslän­ dischen Enteignungen, welche ebenfalls in Deutschland Wirkungen entfalten würden.133 Außerdem argumentiert er mit kollisionsrechtlichen Erwägungen. Denn wenn der Anspruch dem Recht des Vollstreckungsstaats unterliege, kom­ me er von vornherein nicht in Frage, weil nach diesem Recht ein wirksames Urteil und damit ein wirksamer Rechtsgrund vorlägen. Gleiches gelte häufig dann, wenn der Anspruch der lex causae unterliege und dieses Recht identisch mit dem Recht des Urteilsstaats sei oder jedenfalls das Urteil anerkenne bzw. ihm materiellrechtliche Wirkungen zuerkenne. Ein Bereicherungsanspruch sei daher nur in den seltenen Fällen einer deutschen lex causae möglich, in denen der Schuldner freiwillig und nicht lediglich zur Abwendung der Zwangsvoll­ streckung auf das ausländische Urteil geleistet habe. Dann aber werde der An­ spruch an §  814 BGB scheitern. Nur ausnahmsweise könne sich die Anwendung deutschen Rechts und die Verneinung des Rechtsgrundes aus einer ordre public-Kontrolle ergeben. Im Interesse des Rechtsfriedens müssten diese Fälle, in denen dann eine Rückforderung möglich sei, jedoch auf solche Situationen be­ schränkt bleiben, die einer ordre public-widrigen Enteignung gleichkämen.134

Matscher, JBl. 76 (1954), 54, 58 f. Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1132; ders., ZZP 116 (2003), 130, 132. 131  Zum Ganzen Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1132. In eine ähnliche Richtung wohl auch Stürner, ZVglRW 81 (1982), 159, 207. Ebenfalls eher kritisch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht (1998), S.  531. 132  Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1132. 133  Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1062, 1132. 134  Zum Ganzen Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  1133. 129  130 

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3.  Die einen Rechtsgrund verneinende Ansicht Nach der heute wohl herrschenden Meinung im Schrifttum stellen hingegen nur anerkennungsfähige ausländische Urteile einen Rechtsgrund zum Behaltendür­ fen dar.135 Geimer erinnert daran, dass das ausländische nicht anerkennungsfä­ hige Urteil einer erneuten Klage im Inland nicht entgegenstehe.136 Wenn aber ein deutsches Gericht erneut eine Entscheidung in der Sache treffen könne, müsse es möglich sein, das aufgrund des ausländischen Urteils Geleistete zu­ rückzufordern. Andernfalls könnte eine Doppelbefriedigung die Folge sein, ebenso aber auch zwei einander widersprechende Leistungsurteile. Die andere Auffassung ist aber auch undogmatisch. Sinn der Rechtskraft ist es, die Rechts­ lage verbindlich festzustellen. Fehlt es einem Urteil mangels Anerkennungsfä­ higkeit an Rechtskraft, entfaltet es also keine verbindlich feststellende Wirkung, kann es auch nicht als Rechtsgrund dienen.137 Auch Köster argumentiert mit dem Verständnis der Rechtskraft, mit der nach der in Deutschland herrschenden Meinung die materielle Rechtslage nicht umgestaltet, sondern nur verbindlich festgestellt werde.138 Andere bemerken, dass die Gefahr eines Justizkonflikts zwischen den beteiligten Staaten hinter den Belangen der Partei, die die Rück­ forderung begehrt, zurückzutreten habe.139 4. Stellungnahme Für die einen Rechtsgrund verneinende Meinung sprechen einfache dogmati­ sche Überlegungen. Ein ausländisches Urteil, das im Inland nicht anerkannt wird, entfaltet eben gerade keine Rechtswirkungen im Inland. Eines der Argu­ mente gegen die Bejahung des Rechtsgrundes liegt also darin, dass das Urteil andernfalls trotz Nichtvorliegens der Anerkennungsvoraussetzungen im Inland doch mittelbar durchgesetzt würde.140 Allerdings muss die Betonung hier auf der Mittelbarkeit liegen. Denn auch, wenn man den Rechtsgrund bejahen wür­ 135  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  3055; ders., ZfRV 6 (1992), 401, 411 f.; ders., in: Zöl­ ler, ZPO, 31.  Aufl. 2016, §  328 Rn.  343; P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  191; Hohloch, RIW 1987, 353, 360; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  131; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III 1 (1984), Kap.  1 Rn.  338 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  405; H. Roth, in: Stein/Jonas, 23.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  39. 136  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  3055. 137  Ebenso Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  131. 138  Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), S.  131 m. w. N. in Fn.  704. 139  H. Roth, in: Stein/Jonas, 23.  Aufl. 2015, §  328 Rn.  39 und sich anschließend Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  405. 140  So Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  3055; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III 1 (1984), Kap.  1 Rn.  338; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  405.

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de, hätte dies gerade nicht zur Folge, dass das ausländische nicht anerkennungs­ fähige Urteil in Deutschland vollstreckt und damit direkt durchgesetzt werden könnte, sondern lediglich, dass dasjenige, was bereits erbracht wurde, nicht mehr zurückgefordert werden könnte. Insoweit ist die Sinnhaftigkeit des Ver­ gleichs zum Recht der Naturalobliegenheiten jedenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen. Auch in diesen Fällen, also etwa bei Spiel und Wette (§  762 BGB) oder der Heiratsvermittlung (§  656 BGB), besteht kein wirksamer Erfül­ lungsanspruch; trotzdem soll derjenige, der auf einen unwirksamen Vertrag ge­ leistet hat, das Geleistete nicht zurückverlangen können. Indes wird gerade §  762 Abs.  1 S.  2 BGB, der eine Rückforderung ausschließt, dogmatisch als be­ sonderer Fall des §  814 BGB eingeordnet.141 Die Frage, ob eine Rückforderung ausgeschlossen ist, sollte im Bereicherungsrecht daher über die eigens dafür vorgesehene Vorschrift des §  814 BGB gelöst werden, statt einen Rechtsgrund durch die Annahme einer Naturalobligation zu konstruieren. Gleiches gilt für die Annahme, das ausländische Urteil begründe eine sittliche Pflicht. Der Be­ griff findet sich nämlich in §  814 BGB, sodass diese Vorschrift für seine inhalt­ liche Ausfüllung heranzuziehen ist. Diese Überlegungen sprechen dafür, den Rechtsgrund zu verneinen und stattdessen im Rahmen des §  814 BGB einen Ausschluss der Rückforderung zu erwägen. Für die Ansicht, wonach auch ein nicht anerkennungsfähiges ausländisches Urteil eine die bereicherungsrechtliche Rückforderung ausschließende causa bildet, könnten aber rechtspolitische Erwägungen sprechen. Die Situation erin­ nert an die Problematik bei Prozessführungsverboten: Diese werden, wie be­ reits dargestellt, u. a. deshalb sehr kritisch betrachtet, weil der Erlass einer anti-suit injunction nicht selten den gegenläufigen Erlass einer anti-anti-suit injunction zur Folge haben kann, wobei die Kette grundsätzlich unendlich weitergesponnen werden kann.142 Dieser Situation vergleichbar kann, wie Schack zu Recht bemerkt143, im Falle der bereicherungsrechtlichen Haftung im Extremfall ein Vollstreckungskarussell drohen. Denn ein deutsches Urteil, das einen Bereicherungsanspruch tituliert, mit dem das aufgrund eines ausländi­ schen Urteils Erbrachte zurückverlangt werden kann, würde das ausländische Sachurteil inhaltlich umkehren, sodass es in diesem Staat im Zweifel wenig Aussicht auf Anerkennung genießen würde. Die in Deutschland zum bereiche­ rungsrechtlichen Ausgleich verurteilte Partei könnte dann also im Ausland wie­ derum ein gegenläufiges Verfahren in Gang setzen mit der Begründung, das deutsche Urteil sei dort nicht anerkennungsfähig und daher kein Rechtsgrund Habersack, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  762 Rn.  3. Dazu oben Teil I §  6 F. II. 3. 143  Schack, ZZP 116 (2003), 130, 132. 141 

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zum Behaltendürfen des aus einer Vollstreckung aus dem deutschen Urteil Er­ langten, sodass sie ihrerseits eine Rückforderung über das Bereicherungsrecht verlangen könne. Abgesehen von den Belastungen eines solchen Spektakels für die zwischenstaatlichen Beziehungen wären die einander abwechselnden Pro­ zesse weder für die beteiligten Staaten vor dem Hintergrund begrenzter Justiz­ ressourcen noch für die beteiligten Parteien aus prozessökonomischer Sicht sinnvoll. Allerdings besteht diese Gefahr bei Schadensersatzansprüchen aus Vertrags- oder Deliktsrecht, wie dargestellt wurde, ebenfalls. Wie dort, spre­ chen diese Gründe auch hier dafür, hohe Anforderungen an die Haftung zu stellen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob sie nach der Dogmatik des deutschen Bereicherungsrechts wirklich dazu geeignet sind, einen Rechtsgrund zum Be­ haltendürfen zu begründen. Bei der Frage, ob der Rechtsgrund zu bejahen ist oder nicht, sollte darüber hinaus noch eine weitere Erwägung miteinbezogen werden. Der Streit um den Rechtsgrund betrifft nämlich nicht nur die Rückforderung im Falle eines aus­ ländischen Urteils, das wegen Verletzung einer internationalen Gerichtsstands­ vereinbarung wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkannt werden kann, son­ dern darüber hinaus auch andere Fälle, in denen eine ausländische Entscheidung wegen §  328 Abs.  1 ZPO nicht anerkennungsfähig ist. Umstritten sind vor allem die Fälle, in denen ausländischen Strafschadensersatz gewährenden Entschei­ dungen wegen ordre public-Widrigkeit nach §  328 Abs.  1 Nr.  4 ZPO (teilweise) die Anerkennung versagt wird. Geimer unterscheidet nicht zwischen diesen Fällen und denjenigen fehlender Anerkennungszuständigkeit, sondern hält auch dann eine teilweise Rückforderung für möglich, wenn das ausländische Urteil multiple damages gewährt und deshalb in Deutschland nur teilweise anerkannt werden kann.144 Folge einer solchen Betrachtung ist, dass die Argumentation mit der Belastung des Rechtsfriedens zwischen den Staaten besonderes Gewicht erlangt, weil die bereicherungsrechtliche Umkehr einer ausländischen, in Deutschland nicht anerkennungsfähigen Entscheidung in einer großen Zahl von Fällen möglich wäre. Verhindern ließe sich dies durch eine Differenzierung zwischen den Fällen, in denen das ausländische Urteil wegen Verletzung des Spiegelbildprinzips aus §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkannt wird, und den übrigen Anerkennungs­ versagungsgründen des §  328 ZPO. So bejaht Gottwald, der grundsätzlich den Rechtsgrund in den hier untersuchten Fällen fehlender Anerkennungszustän­ digkeit nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO verneint, in anderen Fällen der Anerken­ nungsversagung nach §  328 Abs.  1 ZPO den Rechtsgrund. Seiner Ansicht nach 144  Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  3058; ebenso auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA (2001), insb. S.  133.

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ist der Fall anders gelagert, wenn die ausländische Entscheidung richtig ist, aber im Inland wegen eines materiellen ordre public-Verstoßes nach §  328 Abs.  1 Nr.  4 ZPO nicht anerkannt wird, z. B. weil in der Entscheidung punitive damages gewährt werden. Für diesen Fall verneint Gottwald eine bereicherungs­ rechtliche Haftung unter Hinweis auf das Fehlen von dem englischen Recht vergleichbaren claw back-Vorschriften im deutschen Recht. Der deutsche ordre public hindere zwar die Anerkennung des Strafschadensersatz gewährenden Urteils, bilde aber „[…] keine positive Rechtsgrundlage dafür, einen deutschen Vorstellungen entsprechenden Zustand herbeizuführen.“ Denn claw back und Bereicherungsanspruch würden einander eben nicht entsprechen.145 Insgesamt sprechen die besseren Argumente dafür, das Vorliegen eines Rechtsgrundes zum Behaltendürfen zu verneinen, wenn die Anerkennung der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts an §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO scheitert. Diese Sichtweise ist in dogmatischer Hinsicht einleuchtend, weil ein nicht anerkennungsfähiges ausländisches Urteil nun einmal keine Rechts­ wirkungen im Inland erzeugt. Sie erscheint zudem gerecht, denn die nicht ver­ tragsbrüchige Partei hat mit dem Abschluss der ausschließlichen Gerichts­ standsvereinbarung ihr besonderes Interesse zum Ausdruck gebracht, dass über die Streitigkeit von keinem anderen als dem gewählten Gericht entschieden wird. Diesem Interesse kann nur Rechnung getragen werden, indem man dem ausländischen Urteil im Inland keinerlei Bedeutung beimisst.146 Die insbeson­ dere von Schack geäußerten rechtspolitischen Bedenken sind dabei freilich nicht von der Hand zu weisen. Ein zügelloser Umgang mit den hier untersuchten Rückforderungsklagen kann zu erheblichen Belastungen für die zwischenstaat­ lichen Beziehungen führen. Hinzutritt die übrige, bereits im Zusammenhang mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen angebrachte Skepsis:147 Bereiche­ rungsrechtliche Rückforderungsklagen belasten nicht nur den internationalen Rechtsfrieden, sondern sind auch aus der Perspektive der ökonomischen Effizi­ enz problematisch, weil mit der Verfahrensdopplung eine Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen einhergeht.148 Für die redliche Partei handelt es sich zudem um ein spätes Heilmittel, vor allem ist sie gezwungen, bis zur rechtskräf­ tigen Entscheidung das Kosten- und Insolvenzrisiko zu tragen.149 Allerdings kommt eine bereicherungsrechtliche Rückforderung schließlich nur in Einzel­ fällen in Betracht, die Belastungen für den internationalen Rechtsverkehr dürf­ ten sich also in Grenzen halten und sind in diesem Umfang hinzunehmen, um Zum Ganzen P. Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, §  328 Rn.  192. So Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  405. 147  Vgl. dazu oben Teil III §  12 E. 148  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  428. 149  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  428. 145 

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in Ausnahmefällen Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Zudem wird durch das Risiko, das im Wege der Zwangsvollstreckung Erlangte über eine Rückforde­ rungsklage herausgeben zu müssen, auch eine sinnvolle Verhaltenssteuerung bewirkt, indem von einer Klageerhebung im forum derogatum abgeschreckt wird.150 V.  Umfang der Herausgabepflicht und Ausschluss nach §  814 BGB Der Umfang der Herausgabepflicht richtet sich grundsätzlich nach §  818 Abs.  1 BGB. Der Bereicherungsschuldner hat also grundsätzlich alles herauszugeben, was er aufgrund der Sachentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts durch Leistung der anderen Partei oder durch Eingriff in ihre Rechte erlangt hat. Nach §  818 Abs.  2 BGB muss er Wertersatz leisten, wenn er das Erlangte nicht in natura herausgeben kann.151 Allerdings könnte der Anspruch wegen §  814 BGB ausgeschlossen sein. Da­ nach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach. Wie dem Wortlaut des §  814 BGB zu entnehmen ist, findet die Norm nur in Fällen der Leistungskon­ diktion Anwendung. Bei der Eingriffskondiktion scheidet eine Anwendung der Norm von vornhe­ rein aus. Ist aufgrund der ausländischen Sachentscheidung also die Zwangsvoll­ streckung in das Vermögen der nicht vertragsbrüchigen Partei betrieben wor­ den, sodass ihr nach der hier vertretenen Auffassung ein Anspruch aus Ein­ griffskondiktion gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB gegen die andere Partei zusteht, scheitert der Anspruch auch nicht am Ausschlussgrund des §  814 BGB. Dagegen sind die Fälle, in denen die nicht vertragsbrüchige Partei freiwillig auf die ausländische Entscheidung hin gezahlt hat und daher nach der hier ver­ tretenen Ansicht eine Leistung vorliegt, anders zu behandeln. In diesen Fällen wird §  814 BGB in aller Regel einschlägig sein und eine Zurückforderung aus­ schließen.152 Denn in diesen Fällen hat der Bereicherungsgläubiger typischer­ weise geleistet, obwohl er – wie durch seine spätere Rückforderungsklage zum Ausdruck kommt – Kenntnis davon hatte, dass das ausländische Judikat im In­ Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  428. Vgl. zum Umfang der Herausgabe Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und ungerechtfertigte Bereicherung (1986), S.  59 ff. 152  Ebenso Geimer, IZPR, 7.  Aufl. 2015, Rn.  3055; Grunwald, Forum Shopping mit ameri­ kanischen Gerichten (2008), S.  150 ff., Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III 1 (1984), Kap.  1 Rn.  339; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  407. 150  151 

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land nicht anerkennungsfähig und er aus Perspektive des deutschen Rechts folg­ lich nicht zur Leistung verpflichtet war. Er wird also meist in Kenntnis seiner Nichtschuld i. S. v. §  814 BGB gehandelt haben. Zu streng sollte man bei der Be­ urteilung der Kenntnis des Leistenden von seiner Nichtschuld jedoch nicht sein. Der Kondiktionsausschluss scheidet über §  814 BGB nur bei positiver Kenntnis von der Nichtschuld aus. Der Leistende muss eine Parallelwertung in der Laien­ sphäre vornehmen. Dabei sollen falsche Schlüsse, Irrtümer oder Zweifel des Leistenden an der Rechtslage eine Anwendung des §  814 BGB ausschließen.153 Hat der abredewidrig im Ausland Verklagte also auf die ausländische Entschei­ dung hin geleistet, weil er zu diesem Zeitpunkt davon ausging, die Entscheidung entfalte auch in Deutschland Wirkungen, sodass er zur Leistung verpflichtet sei, ist sein Kondiktionsanspruch nicht über §  814 BGB ausgeschlossen. Außerdem kann der Leistende die Anwendung des §  814 BGB, wie in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt ist, mit einem bei der Leistung ausgesprochenen Vorbe­ halt ausschließen. Denn nach seinem gesetzgeberischen Zweck knüpft §  814 BGB an eine freiwillige Leistung an. Mithilfe eines Vorbehalts kann sich der Leistende gerade dagegen wehren, dass sein Verhalten derartig ausgelegt wird, dass er unabhängig vom Bestehen einer Verpflichtung leisten wolle.154 Wurde also die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der nicht vertrags­ brüchigen Partei betrieben, steht ihrem Anspruch aus Eingriffskondiktion §  814 BGB nicht entgegen. Hat sie dagegen freiwillig das ausländische Urteil erfüllt, ist ihr Anspruch aus Leistungskondiktion häufig, also wenn sie Kenntnis von ihrer Nichtschuld hatte und wenn sie keinen Vorbehalt erklärt hat, wegen §  814 BGB ausgeschlossen. Dieses Gesamtergebnis steht im Einklang mit der Scha­ densberechnung bei vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen. Denn nach der hier vertretenen Auffassung besteht ein ersetzbarer Schaden ebenfalls nur dann, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der nicht vertragsbrüchigen Partei betrieben wurde, nicht aber, wenn sie freiwillig geleis­ tet hat.155 VI.  Sonderfall: Die ausländische Sachentscheidung wäre inhaltsgleich in Deutschland ergangen Zuletzt stellt sich die Frage, wie es sich auswirkt, wenn das deutsche Gericht zwar grundsätzlich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch bejaht, der Ver­ gleich mit dem hypothetischen Rechtszustand aber ergibt, dass die Sachent­ Schwab, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  814 Rn.  12 m. w. N. BGH, 30.10.1972, WM 1973, 146, 148; BGH, 17.02.1982, NJW 1982, 1147, 1148; Schwab, in: MünchKomm BGB, 6.  Aufl. 2013, §  814 Rn.  9 m. w. N. 155  Vgl. oben Teil III §  13 B. IV. 3. a) und §  14 D. V. 153 

154 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

scheidung in Deutschland genauso ausgefallen wäre. Muss die vertragsbrüchige Partei also auch dann alles herausgeben, was sie im Wege der Zwangsvollstre­ ckung aus dem ausländischen Urteil erlangt hat, wenn ein Prozess vor dem ge­ wählten Gericht mit einer (jedenfalls annähernd) inhaltsgleichen Sachentschei­ dung ausgegangen wäre? Was ergibt sich für den hier untersuchten Beispielsfall 1, wenn feststeht, dass „Brüchig“, hätte er der Gerichtsstandsvereinbarung gemäß in Deutschland geklagt, das Verfahren in der Sache ebenfalls gewonnen hätte, etwa weil das deutsche Gericht den Rechtsstreit nach demselben Sach­ recht wie das New Yorker Gericht entschieden hätte oder weil bei unterschied­ lichen Rechtsordnungen die anwendbaren Vorschriften inhaltlich identisch ge­ wesen wären? Im Schrifttum wird vertreten, im deutschen Prozess sei zu prüfen, ob die in Frage stehende Verbindlichkeit nach dem vom deutschen Gericht anwendbaren Recht zum Zeitpunkt der Zuwendung gegeben war. Die Rückforderung scheide aus, wenn das deutsche Gericht in der Sache zum selben Ergebnis wie das Erst­ gericht gelangt.156 Dabei wird jedoch nicht klar, aus welchem Grund die Rück­ forderung in diesem Fall ausscheiden soll, insbesondere, ob in diesem Fall der Rechtsgrund doch zu bejahensein soll. Im Ergebnis ist der Auffassung zuzustimmen – eine bereicherungsrechtliche Rückforderung scheidet aus, wenn das mit der Rückforderungsklage befasste deutsche Gericht in der Sache zu demselben Ergebnis gekommen wäre wie das ausländische Gericht. Dieses Ergebnis ist meines Erachtens allerdings folgen­ dermaßen zu begründen: Auch in einem solchen Fall gibt es keinen Rechts­ grund zum Behaltendürfen. Das ausländische Urteil ist und bleibt wegen der Verletzung des Spiegelbildprinzips aus §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerken­ nungsfähig und scheidet als Rechtsgrund zum Behaltendürfen aus. Eine deut­ sche Entscheidung in der Sache wäre zwar – rein hypothetisch – inhaltlich wie die ausländische ausgefallen, liegt aber tatsächlich nicht vor. Mangels Rechts­ grunds besteht der Kondiktionsanspruch daher. Dem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch steht in diesem Fall aber die aus §  242 BGB abzulei­ tende exceptio doli-Einrede (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) entgegen. Denn der Auslandskläger könnte aus Sicht des vom deutschen Gericht in der Sache anwendbaren Rechts jederzeit von der anderen Partei die entspre­ chende Leistung verlangen. Weil die ausländische Sachentscheidung in Deutsch­ land nicht anerkennungsfähig ist und daher auch keine Rechtskraft entfaltet, könnte der Auslandskläger, im Beispielsfall 1 also „Brüchig“, seinen Anspruch in Deutschland auch jederzeit erneut gerichtlich geltend machen. Ihm stünde es frei, selbst eine Klage in der Sache zu erheben, ebenso könnte er auch widerkla­ 156 

Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  407 m. w. N.

§ 14 – E.  Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht

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gehalber vor dem mit dem Schadensersatz- bzw. bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch befassten Gericht eine Verurteilung der anderen Par­ tei in der Sache verlangen. Der Bereicherungsgläubiger „Redlich“ hätte die über das Bereicherungsrecht herausverlangte Urteilssumme also sofort wieder an den Bereicherungsschuldner „Brüchig“ herauszugeben. Deshalb handelt er rechtsmissbräuchlich, wenn er in Deutschland den Vorteil, den „Brüchig“ im Wege der Vollstreckung aus einem ausländischen Urteil erlangt hat, über das Bereicherungsrecht einklagt, obwohl das ausländische Urteil aus Sicht des vom gewählten deutschen Gericht anwendbaren Rechts inhaltlich „richtig“ ist. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit demjenigen, das bei der Untersu­ chung der möglichen vertraglichen Schadensersatzansprüche wegen der Verlet­ zung der Gerichtsstandsvereinbarung gefunden worden ist. Denn es liegt auch kein Schaden vor, wenn das abredewidrig angerufene Gericht zwar eine Ent­ scheidung zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei getroffen hat, die Ermitt­ lung des hypothetischen Rechtsgüterstands aber ergibt, dass das gewählte deut­ sche Gericht in der Sache genauso entschieden hätte. Auch vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche scheiden in dieser Konstellation also aus. VII. Zusammenfassung Nur in den Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1, wenn das abredewidrig angerufene ausländische Gericht seine Zuständigkeit bejaht und eine Entschei­ dung in der Sache zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei getroffen hat, kommt ein bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsanspruch in Betracht. Der Auslandskläger hat dann dasjenige erlangt, was die andere Partei aufgrund der Sachentscheidung des forum derogatum an ihn bezahlt oder herausgegeben hat, bzw. im Falle der Zwangsvollstreckung die Überweisung einer gepfändeten Forderung des Schuldners oder die Auskehr des Vollstreckungserlöses. Wurde die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen betrieben, hat er im Ergebnis einen Eingriffskondiktionsanspruch gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB. Das wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfähige ausländische Urteil bildet kei­ nen Rechtsgrund zum Behaltendürfen und der Ausschlussgrund des §  814 BGB findet auf Fälle der Eingriffskondiktion keine Anwendung. Die nicht vertrags­ brüchige Partei kann dann also vom abredewidrig handelnden Auslandskläger dasjenige zurückverlangen, was dieser aufgrund der Vollstreckung des auslän­ dischen Sachurteils auf ihre Kosten erlangt hat. Hat die nicht vertragsbrüchige Partei hingegen freiwillig das ausländische Sachurteil erfüllt, liegt kein Ein­ griff, sondern eine Leistung vor, die mangels Anerkennungsfähigkeit der aus­ ländischen Sachentscheidung wiederum ohne Rechtsgrund zum Behaltendür­ fen erfolgt ist. Der Leistungskondiktionsanspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

BGB ist allerdings grundsätzlich wegen §  814 BGB ausgeschlossen, weil die nicht vertragsbrüchige Partei in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hat, es sei denn, sie hat bei der Leistung einen Vorbehalt erklärt oder sie hatte zum Zeit­ punkt der Leistung keine Kenntnis von ihrer Nichtschuld. Außerdem scheidet in beiden Fällen eine Rückforderung nach dem dolo agit-Grundsatz dann als rechtsmissbräuchlich aus, wenn das mit der Rückforderungsklage befasste deut­ sche Gericht eine Prüfung in der Sache vornimmt und zu demselben Ergebnis kommt wie das abredewidrig angerufene Erstgericht. In diesem Fall müsste der Bereicherungsgläubiger die Urteilssumme nämlich sofort wieder an den Berei­ cherungsschuldner herausgeben. Wegen der möglichen Belastungen für die zwischenstaatlichen Beziehungen und der Befriedungsfunktion des im Ausland ergangenen Urteils sind die Gerichte insgesamt zu einem maßvollen Umgang mit den hier untersuchten Ansprüchen gemahnt. Die Möglichkeit der bereiche­ rungsrechtlichen Rückforderung kann aber in manchen Fällen sinnvoll einge­ setzt werden, um Einzelfallgerechtigkeit herzustellen.

F.  Durchsetzung der Entscheidung im Ausland I.  Anerkennungsfähigkeit einer deliktischen Schadensersatz gewährenden Entscheidung Bejaht das deutsche Gericht einen deliktischen Schadensersatzanspruch oder verurteilt es den vertragsbrüchigen Auslandskläger zur bereicherungsrechtli­ chen Rückerstattung dessen, was er im Wege der Zwangsvollstreckung aus ei­ ner Sachentscheidung des abredewidrig angerufenen ausländischen Gerichts auf Kosten der anderen Partei erlangt hat, wird das Urteil im Ausland wiederum nur begrenzte Aussichten auf Anerkennung und Vollstreckung genießen. Bejaht ein deutsches Gericht ausnahmsweise einen deliktischen Schadenser­ satzanspruch, gelten für die Durchsetzbarkeit der Entscheidung im Ausland die­ selben Grundsätze wie zur Durchsetzbarkeit einer vertraglichen Schadensersatz gewährenden Entscheidung.157 Handelt es sich also um einen der Variante 1 des Beispielsfalls 1 vergleichbaren Fall, in dem das abredewidrig angerufene Erst­ gericht seine Zuständigkeit in Würdigung der Gerichtsstandsvereinbarung ver­ neint und keine Sachentscheidung getroffen hat, sind die Aussichten auf Aner­ kennung der Schadensersatz gewährenden Entscheidung in dem Staat des Erst­ verfahrens und erst recht in einem unbeteiligten Drittstaat als einigermaßen hoch einzuschätzen. Demgegenüber wird die Anerkennung einer deutschen 157 

Vgl. oben Teil III §  13 C.

§ 14 – F.  Durchsetzung der Entscheidung im Ausland

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Schadensersatz gewährenden Entscheidung in einem der Variante 2 des Bei­ spielsfalls 1 vergleichbaren Fall, in dem das abredewidrig angerufene Erstge­ richt seine Zuständigkeit trotz der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinba­ rung bejaht und eine Sachentscheidung getroffen hat, mit großer Wahrschein­ lichkeit scheitern. Hat das Erstverfahren in den USA stattgefunden, stehen der Durchsetzbarkeit der deutschen Entscheidung die Anerkennungsversagungs­ gründe der fehlenden Anerkennungszuständigkeit (§  4(b)(2),(3) des Uniform Recognition Act 2005), der entgegenstehenden inländischen Entscheidung (§  4(c)(4) des Uniform Recognition Act 2005) sowie, jedenfalls dann, wenn das deutsche Urteil Ersatz des sog. materiellen Schadens gewährt, der ordre public-­ Widrigkeit (§  4(c)(3) des Uniform Recognition Act 2005) entgegen. Auch in ei­ nem unbeteiligten Drittstaat sind die Anerkennungsaussichten der deutschen Entscheidung in diesen Fällen jedenfalls unsicher, wenn auch nicht ebenso ge­ ring wie im Staat des Erstverfahrens.158 II.  Anerkennungsfähigkeit einer eine bereicherungsrechtliche Rückforderung gewährenden Entscheidung Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch kommt, wie gezeigt wurde, nur in den Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1 in Betracht, in denen das abredewidrig angerufene Erstgericht eine Sachentscheidung zulasten der redlichen Partei ge­ troffen hat. Überträgt man die Ergebnisse der Untersuchung der Anerkennungs­ aussichten einer vertraglichen Schadensersatz gewährenden Entscheidung auf solche Urteile, die den Auslandskläger zur Herausgabe des im Wege der Zwangs­ vollstreckung Erlangten nach Bereicherungsrecht verurteilen, zeigt sich die Schwachstelle des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs. Denn einem solchen Urteil wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Anerkennung im Staat des Erst­ verfahrens versagt werden. In den USA steht der Anerkennungsfähigkeit einer solchen Entscheidung voraussichtlich der Einwand entgegen, dass es dem deut­ schen Gericht an der erforderlichen Anerkennungszuständigkeit fehlt. Denn nach der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Erstgerichts, im Beispiels­ fall also des New Yorker Gerichts, sind gerade die US-amerikanischen und nicht die in der Gerichtsstandsvereinbarung benannten deutschen Gerichte zuständig. Ebenfalls wird der deutschen Entscheidung aller Voraussicht nach deshalb die Anerkennung versagt werden, weil mit der Sachentscheidung des New Yorker Gerichts eine entgegenstehende inländische Entscheidung vorliegt. Und wenn das mit der Anerkennung befasste US-amerikanische Gericht der deutschen Ent­ scheidung ausnahmsweise nicht aus diesen beiden Gründen die Anerkennung 158 

Vgl. zum Ganzen oben Teil III §  13 C.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

versagt, ist jedenfalls davon auszugehen, dass es in der Entscheidung eine Ver­ letzung des ordre public sieht und sie deshalb für nicht anerkennungsfähig befin­ det. Denn indem das deutsche Gericht die aus unserer Sicht vertragsbrüchige Partei zur Herausgabe all dessen verurteilt hat, was diese im Wege der Zwangs­ vollstreckung aus dem New Yorker Urteil erlangt hat, wird es aus US-amerika­ nischer Perspektive wohl in die dortige Justizhoheit eingegriffen haben. Es steht daher zu erwarten, dass aus Sicht der US-amerikanischen Gerichte in der fakti­ schen Rückgängigmachung des US-amerikanischen Urteils eine Verletzung des ordre public liegt. Wie Peiffer herausarbeitet, könnten sich die US-amerikani­ schen Gerichte dabei auf den Einwand berufen, das deutsche Gericht hätte sich zur zusätzlichen Appellationsinstanz aufgeschwungen, außerdem könnten sie mit der grundsätzlichen Befriedungsfunktion von Urteilen argumentieren, die durch eine Rückgängigmachung über das Bereicherungsrecht konterkariert wür­ de.159 Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Anerkennungsversagungs­ gründen der fehlenden Anerkennungszuständigkeit, der entgegenstehenden in­ ländischen Entscheidung und der ordre public-Widrigkeit nicht um Spezifika des US-amerikanischen Rechts, sondern um Einwände, die in vielen Staaten der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung entgegenstehen. Ein deutsches Rückforderungsurteil wird daher in dem Staat des Erstverfahrens stets kaum Aussichten auf Anerkennungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit genießen. In einem unbeteiligten Drittstaat ist die Anerkennungsfähigkeit der deut­ schen Rückforderungsentscheidung nicht ganz so aussichtlos wie im Staat des Erstverfahrens. Im Einzelfall wird dies davon abhängen, ob das in dem unbetei­ ligten Drittstaat mit der Anerkennung befasste Gericht die Entscheidung des abredewidrig angerufenen Erstgerichts anerkennt und ob es auch die Entschei­ dung über die Zuständigkeit des Erstgerichts als Vorfrage anerkennt. Hält es die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam, ist es durchaus möglich, dass es der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Erstgerichts die Anerkennung mangels Anerkennungszuständigkeit versagt. Dann aber dürfte der Anerken­ nung der deutschen Entscheidung weder der Einwand fehlender Anerkennungs­ zuständigkeit noch ein widersprechendes Urteil im Weg stehen. Ob das mit der Anerkennung befasste Gericht in der deutschen Rückforderungsentscheidung eine Verletzung des ordre public sehen wird, kann nicht mit Sicherheit beant­ wortet werden. Die deutsche Entscheidung wird kaum eine Verletzung der Jus­ tiz- und Hoheitsbefugnisse des unbeteiligten Drittstaats darstellen. Denkbar ist es aber, dass aus Sicht dieses Drittstaats die Praxis, ausländische Urteile über das Bereicherungsrecht quasi umzukehren, generell als Eingriff in den zwi­ schenstaatlichen Rechtsfrieden bewertet wird. Grundsätzlich wird ein ordre 159 

Vgl. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  421.

§ 14 – G.  Zusammenfassung

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public-Verstoß eher ausscheiden, wenn das Recht des Drittstaats selbst berei­ cherungsrechtliche Rückforderungsklagen wegen rechtsgrundloser Zwangs­ vollstreckung, z. B. claw back-Ansprüche, kennt.160 Der Bereicherungsgläubi­ ger wird aus der deutschen Rückforderungsentscheidung in einem unbeteiligten Drittstaat also möglicherweise die Vollstreckung betreiben können. Dies wird ihm aber dann wenig nützen, wenn die andere Partei nur im Staat des Erstver­ fahrens über nennenswertes vollstreckbares Vermögen verfügt.

G.  Zusammenfassung Neben vertraglichen Ansprüchen kommen wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung auch deliktische und bereicherungsrechtliche An­ sprüche in Betracht. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist grundsätzlich so weit auszulegen, dass sie auch die Zuständigkeit zur Entscheidung über diese mögli­ chen Ansprüche eröffnet. Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte kann die abredewidrig im Ausland verklagte Partei also in Deutschland einen Sekundärprozess einleiten und das deutsche Gericht hat nach dem Grundsatz curia novit iura auch über deliktische und bereicherungs­ rechtliche Ansprüche zu befinden, wenn Ersatz der im ausländischen Verfahren erlittenen Nachteile verlangt wird. Wurde das Verfahren im ausländischen forum derogatum nach dem 11.01.2009 eingeleitet, haben die mitgliedstaatlichen Gerichte das auf deliktische und be­ reicherungsrechtliche Ansprüche anwendbare Recht nach der Rom II-VO zu bestimmen. Nach Art.  4 Abs.  1, hilfsweise Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO ist bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte auf deliktische Ansprüche das deutsche Recht als lex fori prorogati anwendbar. Gleiches gilt wegen Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO für bereicherungsrechtliche Ansprüche. Den Parteien steht es zwar frei, das auf deliktische und bereicherungsrechtliche An­ sprüche anwendbare Recht nach Art.  14 Rom II-VO zu wählen, in der Praxis wird es aber nur selten zu einer solchen Rechtswahl kommen. Aus Sicht des deutschen Deliktsrechts liegt in der Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung in aller Regel kein zum Schadensersatz aus unerlaubter Handlung verpflichtendes Verhalten. Grundsätzlich liegt weder eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb noch des allge­ meinen Persönlichkeitsrechts vor, sodass ein Anspruch aus §  823 Abs.  1 BGB ausscheidet. Auch ein Anspruch aus §  823 Abs.  2 BGB scheitert an der Verlet­ 160  Zum gleichen Ergebnis gelangt Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  421 f.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

zung eines Schutzgesetzes. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. v. §  826 BGB kann nur ausnahmsweise bejaht werden, etwa wenn der Auslands­ kläger vortäuscht, die Gerichtsstandsvereinbarung nie abgeschlossen zu haben, oder wenn er die Klage im abgewählten Forum allein mit dem Ziel erhebt, die andere Partei in den finanziellen Ruin zu treiben. Bereicherungsrechtliche Ansprüche kommen nur in den Fällen der Variante 2 des Beispielsfalls 1, wenn das abredewidrig angerufene ausländische Gericht seine Zuständigkeit bejaht und eine Entscheidung in der Sache zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei getroffen hat, in Betracht. Der Auslandskläger hat dann erlangt, was die andere Partei aufgrund der Sachentscheidung des ab­ redewidrig angerufenen Gerichts an ihn bezahlt oder herausgegeben hat, im Falle der Zwangsvollstreckung die Überweisung einer gepfändeten Forderung des Schuldners oder die Auskehr des Vollstreckungserlöses. Hat der Auslands­ kläger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der anderen Partei betrieben, steht ihr im Ergebnis ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB zu. Weil die ausländische Entscheidung wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO im Inland nicht anerkennungsfähig ist, besteht kein Rechtsgrund zum Behaltendürfen. Der Ausschlussgrund des §  814 BGB findet auf Fälle der Eingriffskondiktion keine Anwendung. Hat die abredewidrig im Ausland ver­ klagte Partei hingegen freiwillig das ausländische Sachurteil erfüllt, liegt kein Eingriff, sondern eine Leistung vor. Der Leistungskondiktionsanspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB ist dann in den meisten Fällen wegen §  814 BGB ausgeschlossen, weil sie in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hat, es sei denn, sie hat bei der Leistung einen Vorbehalt erklärt. Eine Rückforderung scheidet außerdem nach dem dolo agit-Grundsatz immer dann als rechtsmissbräuchlich aus, wenn aus der Sicht des mit der Rückforderungsklage befassten deutschen Gerichts die ausländische Sachentscheidung inhaltlich „richtig“ ist, also das deutsche Gericht in der Sache genauso entscheiden würde. Bejaht das deutsche Gericht ausnahmsweise einen deliktischen Schadenser­ satzanspruch, gilt für die Anerkennung und Vollstreckung der deutschen Ent­ scheidung im Ausland das im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer ver­ traglichen Schadensersatz gewährenden Entscheidung Gesagte. Die Entschei­ dung verfügt also dann über einigermaßen hohe Anerkennungsvoraussetzungen, wenn das abredewidrig angerufene Erstgericht die Gerichtsstandsvereinbarung ebenfalls für wirksam befunden und deshalb kein Verfahren in der Sache durch­ geführt hat. Hingegen sind die Anerkennungsaussichten gering, wenn das Erst­ gericht die Gerichtsstandsvereinbarung für nicht bindend befunden und selbst eine Sachentscheidung getroffen hat. In einem unbeteiligten Drittstaat genießt die Schadensersatz gewährende Entscheidung grundsätzlich etwas höhere An­ erkennungsaussichten als in dem Staat des Erstverfahrens.

§ 14 – G.  Zusammenfassung

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Verurteilt das deutsche Gericht die vertragsbrüchige Partei nach bereiche­ rungsrechtlichen Grundsätzen, der anderen Partei alles herauszugeben, was sie im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem im forum derogatum erstrittenen Titel erlangt hat, sind die Anerkennungschancen der deutschen Entscheidung in dem Staat des Erstverfahrens gering, weil im Wege des Bereicherungsrechts die ausländische Sachentscheidung faktisch umgekehrt wird, sodass vor allem ein anerkennungsrechtlicher ordre public-Verstoß naheliegt. Wiederum sind die Aussichten auf Durchsetzbarkeit der deutschen Entscheidung in einem unbetei­ ligten Drittstaat etwas höher als in dem Staat des Erstverfahrens. Insgesamt ist der Schutz, den die nicht vertragsbrüchige Partei über das deut­ sche Delikts- und Bereicherungsrecht erlangen kann, begrenzt. Deliktische An­ sprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung sind nur selten erfüllt. Bereicherungsrechtliche Ansprüche kommen nach der hier vertretenen Auffassung zwar in manchen Fällen in Betracht. Eine deutsche Entscheidung, die einen bereicherungsrechtlichen claw back gewährt, wäre in dem Staat des Erstverfahrens aber aller Voraussicht nach nicht anerkennungsfähig. Im Ergeb­ nis ist die abredewidrig im Ausland verklagte Partei über einen vertraglichen Schadensersatzanspruch aus §  280 Abs.  1 BGB daher besser geschützt. Dies ergibt auch Sinn. Denn funktionell betrachtet ist der Schadensersatzanspruch nun einmal am ehesten als ein Anspruch wegen Vertragsbruchs, also als Kom­ pensation für die Verletzung einer vertraglichen Pflicht zu begreifen.161

161  Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 278 f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/­ EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  244; ders., IPRax 2009, 23, 28.

§  15  Besonderheiten im Bereich international vereinheitlichten Rechts A.  Überblick Haben die Parteien eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte geschlossen und erhebt eine Partei trotzdem eine Klage vor dem Gericht eines anderen Staates, der weder Mitgliedstaat der EuGVVO noch Vertragsstaat des HGÜ ist, kann die abredewidrig im Ausland verklagte Partei nach der vorangegangenen Untersuchung in einem Sekundärprozess in Deutschland vertraglichen Schadensersatz gemäß §  280 Abs.  1 BGB verlangen. In manchen Fällen steht ihr wegen der Missachtung der Gerichtsstandsverein­ barung auch ein Anspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB wegen Eingriffs­ kondiktion zu, selten ein deliktischer Schadensersatzanspruch. Ob ein deutsches Gericht den abredewidrig handelnden Auslandskläger auch dann zum Schadensersatz oder einer bereicherungsrechtlichen Rückerstattung verurteilen darf, wenn er das Erstverfahren entgegen der Gerichtsstandsverein­ barung in einem anderen EuGVVO-Mitgliedstaat eingeleitet hat, ist damit aber noch nicht gesagt. Denn die EuGVVO weist einige prozessuale Besonderheiten auf und basiert auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, weshalb es der EuGH, wie bereits dargestellt, für mit der Ver­ ordnung unvereinbar bewertet hat, dass ein mitgliedstaatliches Gericht eine anti-suit injunction erlässt, mit der einer Partei das Prozessieren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats verboten wird. Die in diesem Zusammenhang an­ geführten Erwägungen des EuGH könnten auch zu einer Unvereinbarkeit der Schadensersatzmöglichkeit mit dem System der EuGVVO führen. Ebenso stellt sich im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten des HGÜ die Frage nach der Zulässigkeit von Schadensersatzpflichten wegen der Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung. Im Folgenden sollen daher die Besonderheiten ermittelt werden, die sich im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mitgliedstaaten (B.) und zwischen Vertragsstaaten des HGÜ (C.) im Vergleich zu den Ergebnissen der vorangegangenen Untersuchung ergeben.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten I.  Geringes Bedürfnis nach Schadensersatzpflichten seit der Revision der EuGVVO In §  4 dieser Arbeit wurde dargestellt, dass im Verhältnis zwischen den Mit­ gliedstaaten der EuGVVO ein vergleichsweise geringes Bedürfnis nach Scha­ densersatzpflichten zum Schutz gegen die Verletzung einer Gerichtsstandsver­ einbarung besteht. Bislang waren vor allem die sog. Torpedo-Klagen problema­ tisch, weil nach Art.  27 EuGVVO a. F. die früher begründete Rechtshängigkeit in einem anderen Mitgliedstaat strikt zu beachten war. Die Rechtshängigkeits­ regel ermöglichte es taktisch agierenden Parteien, vor einem abgewählten Ge­ richt eine Klage zu erheben mit der Folge, dass die Gerichte aller anderen Mit­ gliedstaaten – auch die in einer Gerichtsstandsvereinbarung benannten – abzu­ warten hatten, bis das zuerst angerufene Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hatte. Die andere Partei war also für einen u. U. längeren Zeitraum daran gehindert, vor dem gewählten Gericht ein Verfahren in derselben Sache einzuleiten. Dadurch konnten ihr erhebliche Verzögerungsschäden entstehen.1 Die Revision der EuGVVO hat solchen Torpedo-Taktiken jedoch die Grund­ lage entzogen. Denn die in Art.  29 EuGVVO n. F. grundsätzlich weitergeführte auf Priorität abstellende lis pendens-Regel gilt nur noch unbeschadet des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. Diese Vorschrift durchbricht die allgemeine Prioritäts­ regel des Art.  29 EuGVVO n. F. für den Fall, dass die Parteien eine Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. abgeschlossen haben. Zieht eine der Parteien vor ein in einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  25 EuGVVO n. F. benanntes Gericht, ha­ ben alle anderen Gerichte das Verfahren nach Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. grundsätzlich auszusetzen, bis das auf der Grundlage der Vereinbarung angeru­ fene Gericht erklärt hat, dass es gemäß der Vereinbarung nicht zuständig ist. Stellt das gewählte Gericht dagegen seine Zuständigkeit gemäß der Vereinba­ rung fest, haben sich die Gerichte aller anderen Mitgliedstaaten nach Art.  31 Abs.  3 EuGVVO n. F. zugunsten dieses Gerichts für unzuständig zu erklären. Wie Erwägungsgrund (22) zu entnehmen ist, dienen Art.  31 Abs.  2 und 3 EuG­ VVO n. F. dazu, die Wirksamkeit von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinba­ rungen zu verbessern und missbräuchliche Prozesstaktiken zu vermeiden. Eine Lähmung des Streits durch Erhebung einer Torpedo-Klage vor einem abge­ 1  Vgl. zur Rechtslage vor der Revision der EuGVVO und insb. zur Torpedo-Problematik oben Teil I §  4 C. I.-III.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 597

wählten mitgliedstaatlichen Gericht mit bekanntermaßen überlanger Verfah­ rensdauer ist folglich nicht mehr möglich. Zudem wurde die Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Mitgliedstaatenverhältnis auch durch weitere Änderungen der EuGVVO ge­ stärkt, etwa durch die Aufnahme einer Kollisionsvorschrift für die materiell­ rechtlichen Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung in Art.  25 Abs.  1 S.  1 letz­ ter Hs. EuGVVO n. F. i. V. m. Erwägungsgrund (20), durch die aus der negativen Formulierung („es sei denn“) dieses Halbsatzes folgende Vermutung für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung wie auch durch den erweiterten Anwendungsbereich des Art.  25 EuGVVO n. F., der nunmehr alle Gerichts­ standsvereinbarungen zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats, unabhängig vom Wohnsitz der Parteien, erfasst. Zum Schutz von Gerichtsstandsvereinba­ rungen trägt zudem bei, dass zukünftig das angerufene Gericht nach Art.  29 Abs.  2 EuGVVO n. F. auf Antrag einem anderen angerufenen Gericht unverzüg­ lich mitteilen soll, wann es gemäß Art.  32 EuGVVO n. F. angerufen wurde. Au­ ßerdem hilft der nicht vertragsbrüchigen Partei in der Zukunft Art.  28 Abs.  1 EuGVVO n. F. weiter, wonach sich das Gericht in dem Fall, dass sich der Be­ klagte mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, der vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verklagt wird, auf das Verfahren nicht einlässt, von Amts wegen für unzuständig zu erklären hat, wenn seine Zuständigkeit nicht nach der EuGVVO begründet ist.2 Die Neufassung der EuGVVO führt also insgesamt zu einer erheblichen Stärkung der Durchsetzbarkeit von Ge­ richtsstandsvereinbarungen, sodass für Schutz- und Abwehrmöglichkeiten ge­ gen Klagen im abgewählten Forum im Mitgliedstaatenverhältnis kaum noch ein praktisches Bedürfnis gesehen wird.3 Gleichwohl ist es aber auch in der Zukunft nicht ausgeschlossen, dass die abredewidrig in einem Mitgliedstaat verklagte Partei wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung Nachteile erleidet. Obwohl Art.  28 Abs.  1 EuGV­ VO n. F. einem nach der EuGVVO unzuständigen Mitgliedstaatengericht grund­ sätzlich die Pflicht auferlegt, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, gilt Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. ausweislich seines Wortlauts nur unbeschadet des Art.  26 EuGVVO n. F. Die abredewidrig verklagte Partei muss also, um eine rügelose Einlassung zu verhindern, die Unzuständigkeit des derogierten Ge­ richts rügen. Dadurch können ihr vor allem Reise- und Anwaltskosten zur Last fallen. Möglicherweise muss sie außerdem weitere Kosten auf sich laden, weil 2  Vgl. zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die Revision der EuGVVO oben Teil I §  4 C. IV. 3  Vgl. etwa Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 284; Hausmann, in: Reith­ mann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.157; Illmer, IPRax 2010, 456, 460.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

trotz der Gerichtsstandsvereinbarung eine Vorbereitung der Hauptsache ver­ nünftigerweise geboten erscheint, etwa weil das Recht im Staat des derogierten Gerichts keine Vorabentscheidung über die internationale Zuständigkeit kennt oder weil es sich um eine besonders komplexe Streitigkeit handelt. Obwohl in Europa annähernd lückenlos das Unterliegensprinzip gilt, hat die unterlegene Partei die außergerichtlichen Kosten der anderen Partei außerdem grundsätz­ lich nur bis zu einer bestimmten Höhe zu tragen. Auch wenn die abredewidrig verklagte Partei mit ihrer Zuständigkeitsrüge letztlich Erfolg hat, ist es also möglich, dass das derogierte Gericht dem vertragsbrüchigen Kläger in seiner Kostenentscheidung nicht die gesamten außergerichtlichen Kosten der anderen Partei auferlegt, sodass diese auf einem Teil ihrer Kosten sitzen bleiben wird. Weiterhin ist es trotz der Revision der EuGVVO auch in der Zukunft jedenfalls denkbar, dass sich das abredewidrig angerufene Gericht entgegen der Gerichts­ standsvereinbarung und in Verletzung des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. doch mit der Sache befasst und eine Sachentscheidung trifft. Ein positiver Kompe­ tenzkonflikt ist darüber hinaus auch dann möglich, wenn die Verfahren im ge­ wählten und derogierten Gericht lediglich gemäß Art.  30 EuGVVO n. F. mitein­ ander im Zusammenhang stehen, weil Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. nur auf Verfahren in derselben Sache Anwendung findet. 4 Im Ergebnis gilt also: Auch wenn es in der Zukunft wegen der Beseitigung der Torpedo-Möglichkeit durch die Neufassung der EuGVVO eher unwahr­ scheinlich ist, dass ein taktisch operierender Kläger die andere Partei durch die Verfahrenseinleitung im abgewählten Gericht in den wirtschaftlichen Ruin trei­ ben kann, können der entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat verklagten Partei dennoch auch zukünftig Nachteile aus der Beklagtenrolle im abgewähl­ ten Forum entstehen. Ein für manche Fälle verbleibendes Bedürfnis nach Scha­ densersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann daher auch im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten nicht geleugnet werden. Es ist aber geringer als vor der Revision der Verordnung und als das Schadensersatzbedürfnis im Verhältnis zu Drittstaaten.

4 

Vgl. zu den Nachteilen, die der entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. im abgewählten Gericht eines anderen Mitgliedstaats verklagten Par­ tei auch zukünftig entstehen können, oben Teil I §  4 C. IV. 3.–5., D.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 599

II.  Die prozessuale Ausgangslage 1. Einführung Bereits vor der Revision der EuGVVO wurde die Möglichkeit, auch im Verhält­ nis zwischen den Mitgliedstaaten Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu gewähren, diskutiert. Dabei bestand prinzipiell ein recht großes Unbehagen gegenüber dieser Möglichkeit, allerdings stand das englische Schrifttum der Schadensersatzmöglichkeit eher aufgeschlossen ge­ genüber, was sicher darin begründet liegt, dass man sich dort von solchen Scha­ densersatzansprüchen einen Ersatz für die vom EuGH aus dem Regelungsbe­ reich der EuGVVO verbannten anti-suit injunctions erhofft.5 Mit der durch die Revision der EuGVVO erzielten Stärkung der Durchsetzbarkeit von Gerichts­ standsvereinbarungen im Mitgliedstaatenverhältnis und dem parallel dazu ge­ sunkenen Bedürfnis nach Schadensersatzpflichten wegen ihrer Verletzung ist auch die Diskussion um die Vereinbarkeit solcher Schadensersatzansprüche mit der EuGVVO etwas abgeflaut. Gleichwohl ist nach wie vor umstritten, ob sie unter dem Regime der EuGVVO zulässig sind. Denn während es im Verhältnis zu Drittstaaten naheliegt, den Schutz der Parteiautonomie und den vertragli­ chen Charakter von Gerichtsstandsvereinbarungen zu bemühen, um für die Zu­ lässigkeit von Schadensersatzklagen wegen ihrer Verletzung zu werben, ist dies im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten nicht so einfach. Zwar schützt auch die EuGVVO das Bedürfnis der Parteien, gerade in internationalen Sachverhalten ihre Rechtsbeziehung durch den Abschluss einer Gerichtsstands­ vereinbarung zu regeln. Die Parteiautonomie ist aber in der EuGVVO nur einer von vielen geschützten Werten. Anders als das UNÜ oder das HGÜ, die in je­ dem Fall ihrer Anwendung auf einer Gerichtsstands- bzw. Schiedsvereinbarung fußen und dem Schutz der Parteiautonomie daher den höchsten Stellenwert ein­ räumen, schützt die EuGVVO gleichfalls andere Prinzipien, etwa die Verhinde­ rung einander widersprechender Entscheidungen, den freien Verkehr von Urtei­ len innerhalb der Gemeinschaft sowie die Gewährleistung von Rechtssicherheit durch ein starres, vorhersehbares Zuständigkeitssystem.6 Der Verordnung liegt außerdem der in den Erwägungsgründen (16) und (17) zur alten Verordnung und mittlerweile im neuen Erwägungsgrund (26) genannte Vertrauensgrund­ satz zugrunde. 5  Vgl. dazu Illmer, English Court of Appeal confirms Damages Award for Breach of a Jurisdiction Agreement, vom 31.07.2014, online abrufbar unter ; Mankowski, RIW 2004, 481, 497; ders., IPRax 2009, 23, 30. 6  Siehe auch Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 538.

600

Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Der EuGH hatte über die Frage, ob Schadensersatzansprüche wegen der Ver­ letzung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit der EuGVVO zu vereinbaren sind, bislang nicht zu entscheiden. Wie dargestellt, haben es die englischen Ge­ richte in In the matter of the „Alexandros T“7 nicht für erforderlich gehalten, bestimmte die EuGVVO betreffende Fragen im Zusammenhang mit einem Fall, in dem Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung verlangt worden war, dem EuGH vorzulegen. Im Heidelberger Report wurde die Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsverein­ barung zu gewähren, jedenfalls in Erwägung gezogen und nicht von vornherein als unzulässig bewertet.8 Ebenfalls war die Frage Gegenstand des Grünbuchs.9 Im Kommissionsvorschlag und schließlich auch im Text der EuGVVO n. F. wur­ de die Problematik dann aber doch nicht ausdrücklich aufgegriffen, vielmehr schweigt der Verordnungstext zu der Frage.10 Bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit der EuGVVO sind die prozes­ sualen Besonderheiten der Verordnung, die im Rahmen der Untersuchung des Drittstaatenverhältnisses keine Rolle gespielt haben, zu beachten. Im Folgenden soll daher aufgezeigt werden, inwieweit sich die prozessuale Ausgangslage im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten von derjenigen im Verhält­ nis zu Drittstaaten unterscheidet und welche Schlussfolgerungen sich daraus für die hier untersuchten Schadensersatzansprüche ergeben. Diese prozessuale Ausgangslage wird im Wesentlichen bestimmt durch die EuGVVO-Vorschrif­ ten zur Behandlung anderweitiger Rechtshängigkeit (2.), durch die vergleichs­ weise weiten Anerkennungsregeln der Verordnung (3.), durch den der EuGVVO zugrundeliegenden Vertrauensgrundsatz und das damit verbundene Verbot von anti-suit injunctions (4.) sowie durch das Ziel der EuGVVO, parallele Verfahren zu verhindern (5.).

7  Vgl. In the matter of the „Alexandros T“ [2013] UKSC 70 und [2014] EWCA Civ 1010 und dazu Teil II §  8 C. II. 1. g). 8  Weller, in: Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2.  Aufl. 2008, Rn.  407. 9  Grünbuch KOM (2009) 175, S.  6. 10  Bedauernd Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel IaVO Rn.  256 f.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 601

2.  Die Rechtshängigkeitsregeln der EuGVVO a)  Durchbrechung der vormals strikten Prioritätsregel durch Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. Die prozessuale Ausgangslage im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO unterscheidet sich zunächst von derjenigen im Verhältnis zu Dritt­ staaten, weil die EuGVVO der Problematik anderweitiger Rechtshängigkeit grundsätzlich mit der Geltung des Prioritätsprinzips begegnet und dem zuerst angerufenen Gericht den Vorrang einräumt. Auf globaler Ebene, also im Ver­ hältnis zu Drittstaaten, gibt es dagegen keinen solchen international gültigen Prioritätsgrundsatz, nach dem die früher bewirkte Rechtshängigkeit im Aus­ land zwingend zu beachten wäre.11 Die EuGVVO-Vorschriften zur Behandlung der anderweitigen Rechtshängigkeit wurden bereits in §  4 dieser Untersuchung dargestellt und sollen daher an dieser Stelle nur in gebotener Kürze zusammen­ gefasst werden. In Art.  27 EuGVVO a. F. war ein strenges Prioritätsprinzip für Klagen, die denselben Streitgegenstand betreffen, verankert. Danach hatte stets das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, wenn bei Ge­ richten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwi­ schen denselben Parteien anhängig gemacht wurden (Abs.  1). Sobald die Zu­ ständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststand, hatte sich das später an­ gerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig zu erklären (Abs.  2). Dabei war der Begriff „desselben Anspruchs“ nach der Rechtspre­ chung des EuGH weit auszulegen; es reichte aus, wenn die Klagen in ihrem Kern identisch waren.12 In der Rechtssache Gasser13 entschied der EuGH zu­ gunsten einer strikten Wirkung dieses Prioritätsprinzips, das auch dann nicht durchbrochen werden dürfe, wenn das später angerufene Gericht in einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art.  23 EuGVVO a. F. be­ nannt war. Dieses Ergebnis begründete der EuGH u. a. mit dem Wortlaut der Verordnung, der keine Durchbrechung der Prioritätsregel vorsah, mit deren Zweck, Rechtssicherheit zu gewährleisten, und insbesondere mit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtssysteme und Rechtspflegeorgane der anderen Vertragsstaaten, welches dem Übereinkommen zugrunde liege. Nach 11  Vgl. Teil I §  5 B. I. Zu den neuen Art.  33 und 34 EuGVVO n. F., die Ermessensregelun­ gen für die Beachtung der anderweitigen Rechtshängigkeit in einem Drittstaat enthalten, vgl. Teil I §  3 B. III. 2. und §  6 B. II. 12  Vgl. EuGH, 08.12.1987, Rs. C-144/86 (Gubisch Maschinenfabrik KG/Giulio Palumbo), Slg. 1987, 4861 und EuGH, 06.12.1994, Rs. C-406/92 (The Tatry/The Maciej Rataj), Slg. I-5439 = EuZW 1995, 309. 13  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

der alten Rechtslage genoss also stets die früher erhobene Klage den Vorrang. Auch das gewählte, später angerufene Gericht musste das Verfahren aussetzen und auf die Zuständigkeitsentscheidung des früher angerufenen Gerichts war­ ten. Nur für Klagen, die lediglich im Zusammenhang standen und nicht densel­ ben Streitgegenstand betrafen, sah Art.  28 Abs.  1 EuGVVO a. F. abweichend von Art.  27 EuGVVO a. F. vor, dass jedes später angerufene Gericht das Verfah­ ren aussetzen konnte. Eine Pflicht zur Aussetzung bestand in diesem Fall aber nicht, das später angerufene Gericht hatte vielmehr Ermessen.14 Die revidierte EuGVVO führt diese Regeln im Grundsatz fort. Gemäß Art.  29 EuGVVO n. F. gilt weiterhin für Verfahren zwischen denselben Parteien über denselben Anspruch das Prioritätsprinzip, d. h. das später angerufene Gericht hat das Verfahren auszusetzen und auf die Zuständigkeitsentscheidung des zu­ erst angerufenen Gerichts zu warten. Dagegen eröffnet Art.  30 EuGVVO n. F., genau wie seine Vorgängervorschrift in Art.  28 EuGVVO a. F., dem später an­ gerufenen Gericht bei Verfahren, die lediglich im Zusammenhang stehen, Er­ messen, das Verfahren auszusetzen, zwingt es aber nicht zu einer Aussetzung. Der wesentliche Unterschied im Vergleich zur alten Rechtslage besteht darin, dass das Prioritätsprinzip des Art.  29 Abs.  1 EuGVVO n. F. für Klagen, die den­ selben Streitgegenstand betreffen, nicht mehr ausnahmslos gilt, sondern durch­ brochen wird. Die Vorschrift gilt ausweislich ihres Wortlauts nur noch unbe­ schadet des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. Diese Vorschrift kehrt das Prioritäts­ prinzip für Fälle einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung i. S. v. Art.  25 EuGVVO n. F. um. Nunmehr hat jedes mitgliedstaatliche Gericht das Verfahren auszusetzen, wenn in derselben Sache ein in einer Gerichtsstandsver­ einbarung gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. benanntes Gericht angerufen wird, es sei denn, der Beklagte lässt sich auf das Verfahren vor dem nicht gewählten Gericht gemäß Art.  26 EuGVVO n. F. rügelos ein. Das gewählte Gericht kann also grundsätzlich zuerst über seine Zuständigkeit entscheiden und alle anderen angerufenen Gerichte haben sich gemäß Art.  31 Abs.  3 EuGVVO n. F. unabhän­ gig von dem Zeitpunkt der Klageerhebung für unzuständig zu erklären, wenn das gewählte Gericht seine Zuständigkeit bejaht hat.15 b)  Folgerungen für die hier untersuchten Schadensersatzklagen Bezogen auf die Frage, ob Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung ei­ ner Gerichtsstandsvereinbarung mit der EuGVVO vereinbar sind, könnte man in der Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. sowohl ein Gegen­ argument also auch eine Stütze finden. 14 

15 

Vgl. ausführlich zur alten Rechtslage Teil I §  4 C. I.-III. Vgl. ausführlich zur neuen Rechtslage Teil I §  4 C. IV.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 603

Einerseits könnte man die Auffassung vertreten, die neu eingeführte Durch­ brechung des Prioritätsprinzips des Art.  29 EuGVVO n. F. durch Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. bezwecke, Gerichtsstandsvereinbarungen und ihre Durch­ setzbarkeit zu stärken, und ziele gleichsam darauf ab, von vornherein das Be­ dürfnis für andere präventive wie reaktive Schutzmöglichkeiten, wie Prozess­ führungsverbote oder Schadensersatzklagen, zu beseitigen. In diesem Sinne könnte man der Neuregelung den Willen des Reformgesetzgebers entnehmen, durch die Revision der EuGVVO selbst einen abschließenden Mechanismus zum Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen und zum Schutz der abredewid­ rig im forum derogatum verklagten Partei geschaffen zu haben, der keinen Raum für die Möglichkeit einer Haftung auf Schadensersatz lasse. Die nicht vertrags­ brüchige Partei hätte einer solchen Argumentation zufolge also Schäden, die ihr trotz dieses Mechanismus’ entstehen, hinzunehmen und sich auf die Rechts­ behelfe, die ihr das forum derogatum zur Verfügung stellt, zu beschränken. Überzeugender ist indes die gegensätzliche Argumentation. Tatsächlich hat die Ausgestaltung der neuen Verordnung nämlich die Bedenken gegenüber der Gewährung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsver­ einbarung gemindert. Vor der Revision der EuGVVO konnte der Schadenser­ satzmöglichkeit nämlich grundsätzlich entgegengehalten werden, die Gewäh­ rung von Schadensersatz sei stets mit einem Werturteil über die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats verbunden, die dem System der Verordnung zuwiderlaufe.16 Darin konnte dann auch leicht eine von der Verordnung nicht gerechtfertigte Verletzung des Vertrauensgrundsat­ zes gesehen werden. Unter Zugrundelegung der revidierten Verordnung ist ein solcher Schluss meines Erachtens aber nicht mehr haltbar. Denn in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. ist nicht nur eine Durchbrechung des vormals aus­ nahmslos geltenden Prioritätsgrundsatzes des Art.  29 EuGVVO n. F. bzw. Art.  27 EuGVVO a. F. enthalten, sondern gleichsam eine Durchbrechung des Vertrauensgrundsatzes, wie auch Pohl feststellt, wenn sie schreibt, interessant sei an der Neuregelung, „[…] dass sie ganz bewusst eine Ausnahme vom Grund­ satz des gegenseitigen Vertrauens zulässt.“17 Schließlich darf das gewählte Ge­ richt nach der Neuregelung über seine Zuständigkeit und die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ohne Rücksicht darauf, wie das zuerst angerufene Gericht eines anderen Mitgliedstaats die Zuständigkeitsfrage und die Wirksam­ keit der Gerichtsstandsvereinbarung beurteilt hat, entscheiden. Es muss also gerade nicht mehr darauf vertrauen, dass die Gerichte der anderen Mitgliedstaa­ ten die Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO richtig anwenden, sondern 16  17 

So etwa Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 461. Pohl, IPRax 2013, 109, 111.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

darf die Zuständigkeitsentscheidung selbst vornehmen, und zwar wegen der Regelung in Art.  31 Abs.  3 EuGVVO n. F., wonach sich die anderen Gerichte für unzuständig zu erklären haben, sobald das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht seine Zuständigkeit aufgrund der Vereinbarung bejaht hat, sogar mit Wirkung für alle anderen Mitgliedstaaten. Wenn aber das gewählte Gericht, nachdem es angerufen wurde, stets vorrangig über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und damit auch mittelbar über die Unzuständigkeit der Gerichte der anderen Mitgliedstaaten entscheiden darf, dann kann es auch nicht ausgeschlossen sein, dass das gewählte Gericht im Rahmen eines Scha­ densersatzverfahrens über die Frage entscheidet, ob das zuerst angerufene Ge­ richt in einem anderen Mitgliedstaat zuständig war oder nicht. Mit der Einfüh­ rung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. hat der Gesetzgeber daher zum Ausdruck gebracht, dass auch die für eine Verurteilung zum Schadensersatz zwingend vorzunehmende Prüfung der Zuständigkeit des derogierten Gerichts durch das prorogierte Gericht nicht per se die Wertvorstellungen, die der Ver­ ordnung zugrunde liegen, verletzt. Wenn also der abredewidrig im mitglied­ staatlichen forum derogatum verklagten Partei trotz des Schutzes, den ihr Art.  31 EuGVVO n. F. gewährt, ein Schaden entstanden ist, kann der Vorschrift meines Erachtens vielmehr die Wertung entnommen werden, dass eine Durch­ brechung des Prioritätsprinzips und des Vertrauensgrundsatzes zum Schutz an­ derer Interessen, wie der Parteiautonomie, in der Systematik der EuGVVO nun­ mehr gerechtfertigt sein kann.18 Im Unterschied zu den Fällen im Drittstaaten­ verhältnis lässt sich daher im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 18  Auch im Schrifttum wird der Einführung von Art.  31 Abs.  2 , 3 EuGVVO n. F. eine ähnliche Wertung entnommen. Vgl. etwa Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Inter­ nationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.158: „Jedenfalls die Brüssel Ia-VO dürfte einer Zuerkennung von Schadensersatz durch das prorogierte Gericht, dem nach Art.  31 Abs.  2 dieser Verordnung nunmehr die Kompetenz-Kompetenz zur Entscheidung über die Wirk­ samkeit der Gerichtsstandsvereinbarung eingeräumt worden ist, bei entsprechend weiter Fas­ sung der Vereinbarung nicht mehr entgegenstehen.“ Auch Mankowski stellt zwar zutreffend fest, dass die revidierte EuGVVO weiterhin zu der Möglichkeit von Schadensersatzansprü­ chen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung schweigt, folgert aber eben­ falls aus der Einführung des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F., dass die Verordnung solchen Schadensersatzansprüchen jedenfalls dann nicht entgegenstehe, wenn das derogierte Gericht sich selbst für unzuständig gehalten hat. Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  256 und 249: „Mit Art 31 Abs 2, 3 ist ein Wechsel in der Litispendenz vom reinen zeitlichen Vorrang der früher erhobenen Klage hin zu einem Vorrang der Klage vor dem prima facie prorogierten Gericht eingetreten. Ausurteilen von Schadensersatz ist ein nachlaufender Rechtsbehelf, ein ex post remedy, und kann deshalb warten, bis über den in Art 31 Abs 2 vorgesehenen Mechanismus und eine Entscheidung des prima facie prorogierten Gerichts feststeht, ob die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam ist oder nicht.“

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 605

aus Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. eine Wertentscheidung für die Möglich­ keit, die Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung mit Scha­ densersatz zu sanktionieren, ableiten. 3.  Die Anerkennungsregeln der EuGVVO a)  Die EuGVVO als System großzügiger wechselseitiger Anerkennung und Vollstreckung Auch die EuGVVO-Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung der Ent­ scheidungen aus anderen Mitgliedstaaten unterscheiden sich teilweise von den Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidun­ gen nach den meisten nationalen Rechtsordnungen, die im Drittstaatenverhält­ nis zur Anwendung gelangen können. Denn die Verordnung zielt darauf ab, im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten eine möglichst unbürokratische und weitreichende Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu gewähr­ leisten. Die wechselseitige Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsent­ scheidungen noch weiter zu erleichtern, war darüber hinaus eines der Ziele der EuGVVO-Reform, wie u. a. in den Erwägungsgründen (3) und (26) zur neuen Verordnung und in der Abschaffung des Exequaturverfahrens Ausdruck gefun­ den hat.19 Deshalb ergeben sich hinsichtlich der Frage, ob im Mitgliedstaaten­ verhältnis Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung möglich sind, auch aus den Anerkennungsregeln der EuGVVO bestimmte Besonderheiten im Vergleich zu der Rechtslage im Drittstaaten­ verhältnis. b)  Zur Anerkennung der Sachentscheidung und dem Verbot der révision au fond Wie gezeigt, steht die Sachentscheidung eines drittstaatlichen derogierten Ge­ richts einem Schadensersatzverfahren vor dem prorogierten Gericht in Deutsch­ land nicht grundsätzlich entgegen, weil sie wegen der Verletzung des Spiegel­ bildprinzips aus §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfähig ist (es sei denn, der im Ausland Beklagte hat sich dort rügelos auf das Verfahren eingelas­ sen). Hat also beispielsweise ein US-amerikanisches Gericht entgegen einer auf die deutschen Gerichte lautenden Gerichtsstandsvereinbarung das Verfahren durchgeführt und eine Entscheidung in der Sache getroffen, wird diese Ent­ 19 

Zu den neuen Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln der EuGVVO vgl. den Über­ blick bei Alio, NJW 2014, 2395, 2395 ff.; Antomo/Burgschat, JURA 2015, 1153 f.; Pohl, IPRax 2013, 109, 113.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

scheidung in Deutschland wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkannt und entfaltet keine Rechtswirkungen.20 Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO ist die Rechtslage anders: Hat das derogierte Gericht, im Beispielsfall 2 Variante 2 also das italie­ nische Gericht, das Verfahren in der Sache durchgeführt und eine Entscheidung in der Sache getroffen, so muss diese Entscheidung in den anderen Mitglied­ staaten – im Fallbeispiel also auch in Deutschland – grundsätzlich anerkannt und vollstreckt werden. Die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung stellt im Regelungsbereich der EuGVVO gerade kein Anerkennungshindernis dar. Die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung war bislang kein Anerken­ nungsversagungsgrund nach Art.  34 oder 35 EuGVVO a. F. und bildet auch nach der revidierten Fassung der EuGVVO keinen Anerkennungsversagungs­ grund nach Art.  45 EuGVVO n. F. Wie sich bisher aus Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. ergab und nun von Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. geregelt wird, darf die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts (außer in den eng begrenzten von Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F. aufgelisteten Fällen) nicht überprüft werden. Art.  45 Abs.  3 S.  2 EuGVVO n. F. stellt außerdem klar, dass die Zuständigkeitsvor­ schriften auch nicht zum ordre public i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. gehören. Die Sachentscheidung des abgewählten Gerichts ist also grundsätzlich in allen anderen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig und vollstreckbar. Außer­ dem geht das in Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. enthaltene Verbot, die Zuständig­ keit der Gerichte anderer Mitgliedstaaten nachzuprüfen, mit dem von Art.  52 EuGVVO n. F. (vormals Art.  36 und 45 Abs.  2 EuGVVO a. F.) statuierten Verbot der révision au fond einher, wonach kein mitgliedstaatliches Gericht die Ent­ scheidung des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats in der Sache nachprüfen darf. Dabei ist Art.  52 EuGVVO n. F. weit zu verstehen und verbietet nicht nur eine Überprüfung des Ergebnisses der ausländischen Sachentscheidung, son­ dern auch des Verfahrens oder des anwendbaren Rechts.21 Die EuGVVO enthält also ein doppeltes Nachprüfungsverbot, erstens bezogen auf die Zuständigkeits­ frage und zweitens bezogen auf den Inhalt einer Sachentscheidung. In dem Staat des gewählten Gerichts darf der Sachentscheidung des derogierten Ge­ richts also auch nicht etwa deshalb die Anerkennung versagt werden, weil das gewählte Gericht bei hypothetischer Betrachtung in der Sache anders entschie­ den hätte. Folge ist, dass eine Sachentscheidung, die das derogierte Gericht ge­ troffen hat, grundsätzlich in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden muss und Rechtswirkungen entfaltet.

20  21 

Vgl. Teil III §  11 C. II. 3. a). Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  52 Brüssel Ia-VO Rn.  6 ff.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 607

Für die vorliegende Untersuchung ist dieses Ergebnis insofern von Bedeu­ tung, als die Sachentscheidung des derogierten Gerichts einer materiellrechtli­ chen Haftung der abredewidrig handelnden Partei immer dann entgegenstehen könnte, wenn die redliche Partei Ersatz des sog. materiellen Schadens verlangt oder einen kondiktionsrechtlichen Anspruch geltend macht. Denn die Sachent­ scheidung könnte durch die Zuerkennung von Schadensersatz oder bereiche­ rungsrechtlichen Ausgleichs gerade umgekehrt werden. Festgehalten werden kann daher bereits an dieser Stelle, dass einem Ersatz des sog. materiellen Scha­ dens sowie einer bereicherungsrechtlichen Haftung, die jeweils nur dann in Be­ tracht kommen, wenn das derogierte Gericht eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, aller Wahrscheinlichkeit nach eben diese im Inland anzuerken­ nende Sachentscheidung des abgewählten Gerichts entgegenstehen wird. Ob eine Verurteilung dennoch möglich sein kann, wird im Zusammenhang mit der Behandlung der dem Fallbeispiel 2 Variante 2 vergleichbaren Fälle untersucht (unten III. 3.). c)  Zur Anerkennung der Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO könnten sich weitere Besonderheiten daraus ergeben, dass auch eine mitgliedstaatliche Gerichtsent­ scheidung über die Zuständigkeitsfrage, also über die Wirksamkeit oder Un­ wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sein könnte. Zwar erwachsen Entscheidungen über präjudizielle Vorfragen, wie etwa die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, nur in manchen Staaten, z. B. in England, in Rechtskraft.22 In den meisten Staaten ist die Zuständigkeitsent­ scheidung dagegen nicht der Rechtskraft fähig. Folglich konnte die Entschei­ dung eines mitgliedstaatlichen Gerichts über seine Zuständigkeit und die diese Entscheidung tragenden Gründe früher in den anderen Mitgliedstaaten im Re­ gelfall keine Wirkungen entfalten, weil nach der EuGVVO nur das anzuerken­ nen ist, was auch im Ursprungsstaat in Rechtskraft erwachsen kann.23 Wie bereits in §  6 dieser Untersuchung dargestellt, hatte sich der EuGH je­ doch im Jahr 2012 in seiner Entscheidung Gothaer Allgemeine Versicherung/ Samskip24 damit auseinanderzusetzen, welchem Rechtskraftbegriff die EuGV­ VO bei der Anerkennung von Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten folgt. Hier hatte sich ein belgisches Gericht für unzuständig erklärt mit der Be­ Spellenberg, in: Festschrift Henckel (1995), S.  841, 847 ff., 854 ff. Vgl. Mankowski, IPRax 2009, 23, 31 m. w. N. 24  EuGH, 15.11.2012, Rs. C-456/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung AG u. a./Samskip GmbH), vgl. dazu bereits Teil I §  6 G. III. 22  23 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

gründung, in den AGB der Beklagten sei eine ausschließliche Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten der isländischen Gerichte enthalten. Als die Kläger daraufhin erneut Klage in Deutschland erhoben, legte das LG Bremen, das Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung hatte, dem EuGH die Frage vor, ob es an die Entscheidung des belgischen Gerichts über die Ge­ richtsstandsvereinbarung als präjudizielles Rechtsverhältnis gebunden sei. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung des belgischen Gerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der isländi­ schen Gerichte in den anderen Mitgliedstaaten bindende Wirkung entfalten müsse, weil andernfalls das Nachprüfungsverbot unterlaufen würde. Es wider­ spräche nämlich dem Verbot, die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mit­ gliedstaats nachzuprüfen, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht eine Gerichts­ standsvereinbarung für unwirksam halten dürfte, obwohl das Gericht eines an­ deren Mitgliedstaats bereits über die Wirksamkeit der Vereinbarung und damit auch zugunsten seiner eigene Unzuständigkeit entschieden hat.25 Aus der Entscheidung des EuGH folgt also, dass die Entscheidung eines mit­ gliedstaatlichen Gerichts über seine Unzuständigkeit in den anderen Mitglied­ staaten anerkannt werden muss.26 Die Entscheidung des EuGH ist jedoch inso­ fern unglücklich, als nicht ganz klar wird, wie weit der vom Gerichtshof entwi­ ckelte autonome Rechtskraftbegriff reichen soll. Handelt es sich um eine Einzelfall-Rechtsprechung des EuGH oder hat die Entscheidung zur Folge, dass sämtliche Entscheidungen über Vorfragen eines mitgliedstaatlichen Gerichts die anderen Mitgliedstaaten binden? Folgt aus dem Nachprüfungsverbot des Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. bzw. Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. für die hier untersuchten Fälle also auch, dass alle Mitgliedstaaten daran gebunden sind, wenn das Gericht eines Mitgliedstaats eine Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats für unwirksam befindet und sich deshalb selbst für zuständig erklärt?27 Dies könnte dann zur Folge haben, dass in allen Fällen, in denen das derogierte Gericht seine eigene Zuständigkeit bejaht hat, eine Schadensersatzhaftung in den anderen Mitgliedstaaten schon deshalb ausgeschlossen wäre, weil die Zuständigkeitsentscheidung des dero­ gierten Gerichts bindend wäre. Das mit der Schadensersatzklage befasste Ge­ richt wäre in seiner rechtlichen Bewertung also nicht mehr frei, sondern müsste ebenfalls von der Zuständigkeit des eigentlich derogierten Gerichts und folglich auch von der Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausgehen. Damit 25  Kritisch zu der Entscheidung des EuGH Bach, EuZW 2013, 56, 57 f.; H. Roth, IPRax 2014, 136; ders., IPRax 2015, 329. 26  So auch Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  332, bezug­ nehmend auf Schlosser (ohne Angabe einer konkreten Fundstelle). 27  So wohl Hess, JZ 2014, 538, 542.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 609

entfiele die für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch konstitutive Pflicht­ verletzung des Auslandsklägers. Meines Erachtens sollte der Entscheidung des EuGH jedoch keine so weitrei­ chende Wirkung entnommen werden. Zunächst lag ihr die Besonderheit zu­ grunde, dass das belgische Gericht in einem Prozessurteil explizit die Wirksam­ keit der Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der isländischen Gerichte fest­ gestellt und die Klage daher bereits mangels Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen hatte. Davon sind aber die Fälle zu unterscheiden, in denen über­ haupt keine ausdrückliche Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage und die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wird oder die Zustän­ digkeitsfrage lediglich in den Entscheidungsgründen erwähnt wird. Für diese Fälle muss weiterhin der Grundsatz gelten, dass anerkennungsfähig nur ist, was auch im Ursprungsstaat in Rechtskraft erwachsen kann. Zweitens muss berücksichtigt werden, dass sich das belgische Gericht in dem Rechtsstreit, der der Entscheidung des EuGH zugrunde lag, nicht für zuständig, sondern für unzuständig erklärt hat. Dass aber die Entscheidung über die eigene Unzuständigkeit und die diese Unzuständigkeit tragenden Gründe in den ande­ ren Mitgliedstaaten anzuerkennen sein sollte, ergibt auch Sinn. Denn andern­ falls könnte eine Partei in die missliche Situation eines negativen Kompetenz­ konflikts geraten, bei dem sich alle mitgliedstaatlichen Gerichte für unzustän­ dig erklären mit dem Argument, die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats seien zuständig.28 Die Entscheidung des EuGH sollte daher in diesem Kontext, d. h. als auf die Vermeidung von negativen Kompetenzkonflikten zielende und des­ halb auf Fälle der Unzuständigkeitserklärung beschränkte Entscheidung, ausge­ legt werden. Sie kann nicht auf die hier untersuchte Konstellation, in der sich ein in einer Gerichtsstandsvereinbarung abgewähltes Gericht für zuständig hält, übertragen werden. Drittens steht auch ein logisches Argument einer Bindung der Mitgliedstaa­ ten an jede Zuständigkeitsentscheidung der Gerichte anderer Mitgliedstaaten entgegen. Denn in eng begrenzten Ausnahmen liegt in der Verletzung einer Zuständigkeitsvorschrift auch nach der Systematik der EuGVVO ein Anerken­ nungsversagungsgrund. So darf die Anerkennung einer Entscheidung gemäß Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F. versagt werden, wenn das Erstgericht die Entscheidung unter Verletzung eines der Schutzgerichtsstände aus Kapitel II, Abschnitt 3, 4 oder 5, oder unter Verletzung einer ausschließlichen Zuständig­ keit nach Art.  24 EuGVVO n. F. getroffen hat. Wäre aber das mit der Anerken­ nung befasste Gericht an die – möglicherweise falsche – Zuständigkeitsent­ 28  So auch Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  332, bezug­ nehmend auf Schlosser (ohne Angabe einer konkreten Fundstelle).

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

scheidung des Erstgerichts gebunden, könnte es der Sachentscheidung nicht die Anerkennung versagen, weil es dann keine Verletzung der Zuständigkeitsvor­ schrift i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F. feststellen dürfte. Die Vor­ schrift würde also praktisch leerlaufen, die Verletzung einer Zuständigkeitsvor­ schrift würde in keinem Fall einen Anerkennungsversagungsgrund bedeuten. Und viertens erging die Entscheidung des EuGH zur alten Rechtslage. Selbst wenn ihr also früher eine so weitreichende Wirkung dahingehend entnommen worden sein sollte, dass jede Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts über ein präjudizielles Rechtsverhältnis oder zumindest über eine zuständig­ keitsrechtliche Frage die anderen Mitgliedstaaten binden müsse, so kann jeden­ falls seit der Revision der EuGVVO eine derartige Auslegung der Entscheidung nicht mehr durchgreifen. Denn unter Zugrundelegung der revidierten EuGVVO muss, wie gezeigt, die Wertung des neuen Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. berück­ sichtigt werden. Die Vorschrift macht bewusst eine Ausnahme von dem Grund­ satz, dass kein mitgliedstaatliches Gericht die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats überprüfen darf, indem sie dem gewählten Gericht im­ mer das Recht einräumt, mit für die anderen Mitgliedstaaten bindender Wir­ kung über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn das Gericht eines anderen Mitgliedstaats bereits früher mit einer Klage in derselben Sache befasst war. Dabei differenziert Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. auch nicht etwa danach, ob das zuerst angerufene, in der Gerichtsstandsvereinbarung nicht benannte Gericht noch mit der Prüfung der Zuständigkeitsfrage beschäftigt ist oder ob es sich bereits für zuständig er­ klärt und zur Prüfung in der Sache fortgeschritten ist. Das in der Vereinbarung benannte Gericht darf also auch dann mit Wirkung für alle anderen Mitglied­ staaten über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden, wenn ein früher angerufenes Gericht in einem anderen Mitgliedstaat die Ver­ einbarung bereits für unwirksam befunden und sich selbst für zuständig erklärt hat. Dass im Übrigen eine zur EuGVVO a. F. ergangene Entscheidung des EuGH nur dann uneingeschränkt fortgelten kann, wenn die revidierte Verord­ nung die jeweiligen alten Vorschriften inhaltsgleich fortführt, folgt bereits dar­ aus, dass der EuGH eben diese Regel für das Verhältnis zwischen dem EuGVÜ und der EuGVVO a. F. aufgestellt hatte. Danach soll die vom Gerichtshof vorge­ nommene Auslegung der Vorschriften des EuGVÜ für die inhaltsgleichen Vor­ schriften der EuGVVO weitergelten.29 Im Umkehrschluss muss daraus aber 29  EuGH, 23.04.2009, Rs. C-167/08 (Draka NK Cables Ltd u. a./Omnipol Ltd), Slg. 2009, I-3477, Rn.  20; EuGH, 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie BV/Philippo’s Mineralenfabriek NV/SA), Slg. 2009, I-6917, Rn.  18; EuGH, 10.09.2009, Rs. C-292/08 (German Graphics Graphische Maschinen GmbH/Alice van der Schee), Slg. 2009, I-8421, Rn.  27. Vgl. dazu be­ reits §  1 C. I. 4.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 611

folgen, dass die alte Rechtsprechung nicht unmittelbar auf einen geänderten Rechtzustand übertragen werden kann. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Gleiche nicht auch für die Frage gelten soll, ob eine zur EuGVVO a. F. er­ gangene Rechtsprechung auch für die neue Verordnung gilt oder nicht. Im Ergebnis kann der zur alten Rechtslage ergangenen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gothaer Allgemeine Versicherung/Samskip daher nicht entnommen werden, dass das prorogierte Gericht an die Entscheidung des zuerst angerufenen derogierten Gerichts über die Wirksamkeit der Gerichts­ standsvereinbarung gebunden ist. Vielmehr gilt – jedenfalls aufgrund der in der Neuregelung des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. enthaltenen Wertung –, dass das gewählte Gericht nicht daran gebunden ist, wenn das Gericht eines anderen Mit­ gliedstaats die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam befunden hat. Das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht darf also unabhängig von der Zu­ ständigkeitsentscheidung des derogierten Gerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und damit über die Frage, ob der Auslandskläger eine Pflichtverletzung begangen hat, befinden. Insofern ergeben sich also keine Unterschiede zum Drittstaatenverhältnis, wo das prorgierte Gericht ebenfalls nicht an die Zuständigkeitsentscheidung des abgewählten Erstgerichts gebun­ den ist. d)  Zur Anerkennung der Kostenentscheidung Neben der Entscheidung in der Sache und der Zuständigkeitsentscheidung kann das abgewählte Gericht drittens auch eine Kostenentscheidung getroffen haben. Die Kostenentscheidung des abgewählten Gerichts ist in den anderen Mitglied­ staaten grundsätzlich anerkennungsfähig, wie sich aus Art.  32 EuGVVO a. F. bzw. Art.  2 lit.  a) EuGVVO n. F. ergibt, wonach „Entscheidung“ im Sinne der Verordnung weit auszulegen ist und u. a. auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse umfasst. Daher stellt sich immer dann, wenn das derogierte Gericht eine Kosten­ entscheidung erlassen hat, die Frage, ob das gewählte, mit dem Schadensbegeh­ ren befasste Gericht materiellrechtlichen Schadensersatz gewähren darf, ob­ wohl es die prozessuale Kostenentscheidung des abgewählten Gerichts anerken­ nen muss. Dabei hat sich an der Problematik, ob eine vom forum derogatum erlassene Kostenentscheidung der Gewährung materiellrechtlichen Schadens­ ersatzes entgegensteht, auch durch die Revision der EuGVVO nichts geändert. Teilweise wird vertreten, die anzuerkennende Kostenentscheidung hindere das Zweitgericht nicht an der Gewährung von Schadensersatz, sondern sei ledig­lich bei der Bemessung des Schadensersatzes in der Weise zu berücksich­ tigen, dass diejenigen Kosten, die der abredewidrig verklagten Partei bereits durch die Kostenentscheidung des derogierten Gerichts ersetzt worden sind,

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

nicht noch einmal im Wege des Schadensersatzes verlangt werden könnten.30 So leicht dürfte die Problematik richtigerweise jedoch nicht zu lösen sein. Wie Briggs bemerkt, enthält die Anerkennung der Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hoffmann/Krieg31 die Verpflichtung, ihr dieselben Rechtswirkungen zukom­ men zu lassen, die sie im Ursprungsstaat entfaltet. Beinhalte die Kostenent­ scheidung aus Sicht des Staates des abredewidrig angerufenen Gerichts eine abschließende, materiellrechtliche Ausgleichsansprüche verdrängende Ent­ scheidung über die Verteilung der Kosten, sei das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht daher an den abschließenden Charakter dieser Entscheidung gebunden und dürfe der abredewidrig im Ausland verklagten Parteien ihre nicht bereits von der ausländischen Kostenentscheidung abgedeckten Mehrkosten auch nicht im Wege des Schadensersatzes zusprechen.32 Diese Differenzierung verdient Zustimmung. Ob die aus einem anderen Mit­ gliedstaat stammende Kostenentscheidung materiellrechtliche Schadensersatz- oder Kostenerstattungsansprüche ausschließt oder nicht, ist eine Frage des Um­ fangs der Rechtskraft und muss sich daher nach dem Recht im Staat des forum derogatum richten. Es gelten also dieselben Grundsätze, die auch im Drittstaa­ tenverhältnis bei der Frage, ob die anerkennungsfähige Kostenentscheidung ei­ nes drittstaatlichen Gerichts der Gewährung von Schadensersatz entgegensteht, Anwendung finden:33 Materiellrechtliche Kostenerstattungs- oder Schadenser­ satzansprüche können neben eine prozessuale Kostenentscheidung treten, über diese hinausgehen oder sogar zu einem dem prozessualen Anspruch entgegen­ gerichteten Ergebnis führen34, weil der dem Veranlassungsprinzip folgende pro­ zessuale Kostenerstattungsanspruch auf der einen und ein dem Verschul­ densprinzip folgender materiellrechtlicher Schadensersatzanspruch auf der an­ deren Seite unterschiedliche Zwecke verfolgen.35 Andererseits ist es aber nicht zulässig, den einer gerichtlichen Entscheidung über die Kostenlast zugrunde Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 386. EuGH, 04.02.1988, Rs. C-145/86 (Hoffmann/Krieg), Slg. 1988, 645. 32  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  333; ähnlich auch Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 461; Mankowksi, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  253 („Abgleich mit den Wertungen des Kostenerstattungsrechts aus dem Recht des forum derogatum“). 33  Vgl. oben Teil III §  11 C. II. 2. 34  Vgl. statt vieler Schulz, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Vor §§  91 ff. Rn.  19 m. w. N. 35  Zur Parallelität des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs mit materiellrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen vgl. grundlegend Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostener­ stattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (1985) und Loritz, Die Konkurrenz materiellrechtlicher und prozessualer Kostenerstattung (1981). 30  31 

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 613

liegenden Sachverhalt nachträglich einer erneuten Prüfung zu unterwerfen und seine kostenrechtlichen Folgen materiellrechtlich abweichend zu beurteilen. Liegt der Kostenentscheidung also eine abschließende Prüfung des Sachver­ halts zugrunde, darf der Kostenausspruch folglich nicht „[…] über die Hintertür des sachlichen Rechts modifiziert werden.“36 Letztlich bedarf es also stets einer Prüfung im Einzelfall, ob das Gericht, das die Kostenentscheidung erlassen hat, dieser eine Prüfung des Sachverhalts zugrunde gelegt und sie als abschließend verstanden hat oder nicht. Folglich muss das in den vorliegend untersuchten Fällen mit der Schadenser­ satzklage befasste Gericht prüfen, ob das Erstgericht seine Kostenentscheidung als abschließend, d. h. materiellrechtliche Ansprüche verdrängend, verstanden hat oder nicht. Kommt der Kostenentscheidung danach eine solche abschließen­ de Wirkung zu, hat das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht diese Wir­ kung zu akzeptieren, weil sie Teil der Rechtskraft der Kostenentscheidung ist, welche es über Art.  2 lit.  a) i. V. m. Art.  36 ff. EuGVVO n. F. anzuerkennen hat. Im Zweifel dürfte das Erstgericht jedoch eher nicht zum Ausdruck gebracht haben, dass seiner Kostenentscheidung eine solche abschließende Wirkung zu­ kommt. Vergleichend kann in diesem Zusammenhang auch mit dem CISG ar­ gumentiert werden. Hier geht die wohl herrschende Meinung ebenfalls davon aus, dass jedenfalls der Ersatz außergerichtlicher Kosten vom Schadensersatz nach Art.  74 CISG erfasst wird.37 Insgesamt gelten in Bezug auf die Wirkungen einer anerkennungsfähigen Kostenentscheidung dieselben Grundsätze, die auch im Drittstaatenverhältnis anzuwenden sind.38 e)  Folgerungen aus den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass eine Sachentscheidung, die das derogierte Gericht unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung trifft, in den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich anerkannt werden muss und nicht in der Sache nachgeprüft werden darf. Dies könnte der Ersatzfähigkeit des sog. materiellen Schadens sowie einer bereicherungsrechtlichen Haftung der abredewidrig handelnden Partei entgegenstehen. Darin besteht der wesentliche Unterschied zu den Fällen im Drittstaatenverhältnis, weil die Sachentscheidung eines derogierten drittstaatlichen Gerichts in Deutschland wegen Verletzung des Spiegelbildprinzips aus §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfähig ist. Dagegen ergeben sich in Bezug auf die Zuständigkeitsentscheidung des dero­ gierten Erstgerichts und hinsichtlich einer Kostenentscheidung dieses Gerichts So Schulz, in: MünchKomm ZPO, 4.  Aufl. 2013, Vor §§  91 ff. Rn.  19. Vgl. Huber, in: Huber/Mullis, The CISG (2007), S.  279 m. w. N. 38  Vgl. oben Teil III §  11 C. II. 2. 36  37 

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keine Unterschiede im Vergleich zum Drittstaatenverhältnis: Die Entscheidung des derogierten Gerichts über seine eigene Zuständigkeit ist in den anderen Mit­ gliedstaaten nicht zwingend zu beachten. Das mit der Schadensersatzklage be­ fasste Gericht ist also – genau wie im Drittstaatenverhältnis – nicht daran ge­ bunden, wenn sich das derogierte Gericht für zuständig erklärt hat, sondern darf trotzdem von der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und damit von einer Pflichtverletzung des Auslandsklägers ausgehen. Trifft das derogierte Gericht eine Kostenentscheidung, genießt diese wiederum grundsätzlich Aner­ kennungsfähigkeit in den anderen Mitgliedstaaten. Das um Schadensersatz er­ suchte Gericht hat dann zu prüfen, ob die Kostenentscheidung aus Sicht des Staates des derogierten Gerichts abschließend ist und etwaige materiellrechtli­ che Ersatzansprüche ausschließt. 4.  Der Vertrauensgrundsatz und das Verbot von anti-suit injunctions Vergleicht man die Rechtslage zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten mit der­ jenigen im Verhältnis zu Drittstaaten, besteht der wesentliche Unterschied in Bezug auf die hier untersuchte Problematik allerdings nicht in den Rechtshän­ gigkeits- oder Anerkennungsvorschriften der EuGVVO, sondern in der Geltung des Vertrauensgrundsatzes zwischen den Mitgliedstaaten. Der Vertrauensgrund­ satz wird im operativen Text der Verordnung nicht erwähnt, wohl aber in den Erwägungsgründen. So sprachen bereits die Erwägungsgründe (16) und (17) zur alten Verordnung vom gegenseitigen Vertrauen und in Erwägungsgrund (26) zur neuen Verordnung heißt es nun, das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege innerhalb der Union rechtfertige den Grundsatz, dass eine in ei­ nem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Daraus wird deutlich, dass es sich bei dem Vertrauensgrundsatz nicht etwa um eine konkrete prozessuale Regelung handelt, sondern mehr um ein der Verordnung zugrunde liegendes allgemeines Prinzip, das in verschiedenen Bereichen zu ihrer Aus­ legung herangezogen wird und in unterschiedlichen Vorschriften Ausdruck ge­ funden hat. So wird der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens in dem Nach­ prüfungsverbot des Art.  35 Abs.  1 und 3 EuGVVO a. F. bzw. des Art.  45 Abs.  1 und 3 EuGVVO n. F. deutlich, wonach zur Anerkennung einer Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts nur eng begrenzte Zuständigkeitsregeln überprüft werden dürfen, ebenso in den Rechtshängigkeitsregeln der Art.  27 ff. EuGVVO a. F. bzw. der Art.  29 ff. EuGVVO n. F. sowie in dem von Art.  36 und 45 Abs.  2 EuGVVO a. F. bzw. Art.  52 EuGVVO n. F. statuierten Verbot, die Ent­ scheidung des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats einer Nachprüfung in der Sache zu unterziehen. Ganz generell wird aus dem Vertrauensgrundsatz auch

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 615

abgeleitet, das allgemeine Gemeinschaftsrecht missbillige Maßnahmen eines Mitgliedstaats zur Abwehr von Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht durch einen anderen Mitgliedsstaat.39 Daher läuft auch die Untersuchung der Frage, ob Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung mit der EuGVVO vereinbar sind, zwangsläufig auf eine Auseinander­ setzung mit dem Vertrauensgrundsatz hinaus. Der EuGH hat in mehreren zur alten Verordnung ergangenen Entscheidun­ gen40 zum Ausdruck gebracht, dass es der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten grundsätzlich verbiete, dass ein mitgliedstaatli­ ches Gericht die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats über­ prüft. Vielmehr sollen die Gerichte jedes Mitgliedstaats selbst anhand der Zu­ ständigkeitsvorschriften der EuGVVO über ihre eigene Zuständigkeit bestim­ men können. Wie schon gezeigt, bemühte der EuGH in der Rechtssache Gasser41 den Vertrauensgrundsatz, um eine Durchbrechung des in Art.  27 EuGVVO a. F. enthaltenen strikten lis pendens-Grundsatzes auch für den Fall, dass die Partei­ en eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte ei­ nes anderen Mitgliedstaats getroffen haben, zu untersagen. Andernfalls, so ur­ teilte der EuGH, werde das gegenseitige Vertrauen in das Rechtssystem und die Einrichtungen der anderen Mitgliedstaaten geschwächt. In der Rechtssache Turner42 erklärte es der EuGH für mit dem Vertrauensgrundsatz für unvereinbar, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht einer Partei das Prozessieren vor den Ge­ richten eines anderen Mitgliedstaats mittels eines Prozessführungsverbots un­ tersagt, weil das das Prozessführungsverbot erlassende Gericht dadurch mittel­ bar in die Kompetenz der Gerichte des anderen Mitgliedstaats, autonom über ihre nach der EuGVVO bestehende Zuständigkeit zu entscheiden, eingreifen würde. Und in der Rechtssache West Tankers43 übertrug der EuGH diese Recht­ sprechung auf die Konstellation, in der das Prozessführungsverbot zum Schutz einer Schiedsvereinbarung erlassen wird, denn auch in diesem Fall werde der Vertrauensgrundsatz, der es den mitgliedstaatlichen Gerichten erlaube, selbst über ihre Zuständigkeit zu entscheiden, verletzt. Vgl. Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 452 m. w. N. EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693; EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565; EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663. 41  EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693, insb. Rn.  67, 72. 42  EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, insb. Rn.  24, 28. 43  EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663, insb. Rn.  30. 39 

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Im Schrifttum wird der Argumentation des EuGH mit dem Vertrauensgrund­ satz zwar teilweise zu Recht vorgeworfen, es handle sich um ein theoretisches und schwer kategorisierbares Prinzip, das im Einzelfall utopisch wirke.44 Nichtsdestotrotz könnte die inhaltliche Nähe zwischen dem Erlass einer anti-suit injunction mit dem Ziel, das Verfahren im derogierten Forum zu unter­ binden, und der Verurteilung zum Schadensersatz wegen einer abredewidrig erhobenen Klage im derogierten Forum die Vermutung nahelegen, der EuGH könne – mithilfe der bereits in den Rechtssachen Turner und West Tankers an­ gebrachten Argumente – auch in Schadensersatzklagen eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes sehen. Ein solches Ergebnis wird auch in der Literatur für nicht unwahrscheinlich gehalten.45 Denn beide, Prozessführungsverbote mit dem Ziel, ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat zu verhindern, wie auch Schadensersatzpflichten wegen eines Verfahrens in einem anderen Mitglied­ staat, bezwecken, die andere Partei vom Prozessieren in einem anderen Mit­ gliedstaat abzuhalten. Beide beinhalten ein Verdikt über die Unzuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats. Für die vorliegende Frage, ob auch die Gewährung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung gegen den Vertrauensgrundsatz verstößt, ist also insbesondere von Bedeutung, ob solche Schadensersatzansprüche tatsächlich einen Prozess­ führungsverboten vergleichbaren Eingriff in die Kompetenzen der Gerichte ei­ nes anderen Mitgliedstaats bedeuten. Richtigerweise bestehen aber, wie bereits dargestellt, nicht nur graduelle, sondern inhaltliche Unterschiede zwischen der Verurteilung zum Schadenser­ satz und dem Erlass eines Prozessführungsverbots.46 Auch im Verhältnis zwi­ schen den Mitgliedstaaten der EuGVVO gilt, dass mit der Verurteilung zum Schadensersatz nicht der gleiche Eingriff in die Hoheitsbefugnisse eines ande­ ren Mitgliedstaats verbunden ist wie mit dem Erlass eines Prozessführungsver­ bots. Denn das Schadensersatzverfahren schließt sich erst an den im forum derogatum bereits abgeschlossenen Prozess an. Das Zweitgericht wirkt also – an­ ders als das Gericht, das ein Prozessführungsverbot erlässt – weder unmittelbar noch mittelbar auf den Primärprozess ein. Ebenso wenig greift es in die Befug­ 44  Diese oder eine ähnliche Kritik äußern etwa Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 27; Blobel/Späth, 30 European Law Review (2005), 528, 529; Bříza, 5 Journal of Private In­ ternational Law (2009), 537, 541; Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz durch englische Gerichte (2001), S.  322. 45  Vgl. Hess, JZ 2014, 538, 542: „Der Unterschied zwischen einer Schadensersatzklage und einer Unterlassungsverfügung (anti-suit injunction) erscheint diesbezüglich nur graduell.“ Ähnlich auch Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  863: „Zum Scheitern verurteilt sind deshalb auch Schadensersatzansprüche, die auf die Klage am derogierten Gericht gestützt werden.“ 46  Zum Vergleich zwischen Schadensersatzklagen und Prozessführungsverboten vgl. be­ reits Teil III §  12 E.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 617

nis des Erstgerichts ein, selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden – die im Übrigen mit der Einführung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. ohnehin nur noch unter Einschränkungen besteht. Eine allein (äußerst!) mittelbare Wir­ kung auf den anderen Mitgliedstaat kann der Abschreckungseffekt entfalten, der in der Möglichkeit der Schadensersatzhaftung liegt. Dieser Abschreckungs­ effekt ist jedoch nur ein Reflex der Schadensersatzmöglichkeit und stellt keinen Eingriff in die Hoheitsbefugnisse des anderen Staates dar. Auch ein Klagever­ zicht oder ein Klagerücknahmeversprechen können abschreckende Wirkung entfalten, dem Verzicht bzw. dem Versprechen zuwider zu handeln. Hier käme aber niemand auf die Idee, in der doch nur für die Partei bestehenden Abschre­ ckungswirkung einen mittelbaren Eingriff in die Hoheitsbefugnisse des Staates zu sehen, vor dem nicht geklagt bzw. die Klage zurückgenommen werden soll. Zu diesen Erwägungen tritt außerdem das Gerechtigkeitsargument: Während es sich bei anti-suit injunctions um den common law-Staaten vorbehaltene Rechts­institute handelt, ist der Schadensersatz allen Rechtsordnungen bekannt und hat im Zusammenhang mit der Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarun­ gen, wie die spanischen Entscheidungen47 zeigen, bereits Eingang ins kontinen­ tale Recht gefunden.48 Deshalb kann auch das im Zusammenhang mit der Turner-Streitigkeit geäußerte Argument, dass durch die Zulassung von anti-suit injunctions ein Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten zu entstehen drohe, nicht greifen.49 Und schließlich ist, wie schon gezeigt, seit der Revision der EuGVVO dem neu eingeführten Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. die gesetzge­ berische Wertung zu entnehmen, dass auch der Vertrauensgrundsatz nicht aus­ nahmslos gilt. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Parteiautonomie und das Ver­ trauen auf die Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung höher bewertet als die strikte Einhaltung des Grundsatzes vom gegenseitigen Vertrauen und das gewählte Gericht dazu berechtigt und verpflichtet, die Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung und damit auch indirekt die Zuständigkeit eines frü­ her angerufenen Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat zu prüfen, wenn es angerufen wird. Meines Erachtens stand der Vertrauensgrundsatz daher bereits vor der Revi­ sion der EuGVVO der Gewährung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht prinzipiell entgegen, insbesondere weil wesentliche Unterschiede zwischen dem Erlass einer anti-suit injunction – die 47 

Vgl. oben Teil II §  9 C. II. Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  485 f. Im Übrigen hat der EuGH auch gegen die forum non conveniens-Doktrin angeführt, sie sei nur in man­ chen Mitgliedstaaten bekannt, vgl. EuGH, 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Andrew Owusu/N. B. Jackson, Inhaber der Firma „Villa Holidays Bal-Inn Villas“, u. a.), Slg. 2005, I-1383, Rn.  43. 49  Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  485. 48 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes bedeutet – und der Gewährung von Schadensersatz bestehen. Mit der Revision der EuGVVO und der Einführung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. gilt erst recht, dass die Verurteilung zum Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht per se durch den der EuGVVO zugrundeliegenden Grundsatz des gegen­ seitigen Vertrauens ausgeschlossen wird. 5.  Das Ziel der EuGVVO, parallele Verfahren zu verhindern Zuletzt könnten sich für die Frage, ob die hier untersuchten Schadensersatzan­ sprüche mit der EuGVVO vereinbar sind, auch aus einem weiteren der Verord­ nung zugrunde liegenden Grundsatz Besonderheiten ergeben. Eines der Ziele des internationalen Zivilprozessrechts besteht stets darin, parallele Verfahren zu verhindern. Parallele Prozesse in der gleichen oder einer ähnlichen Sache sind nicht nur unökonomisch und führen zu einer unnötigen Mehrfachbelastung der Justizsysteme verschiedener Staaten. Sie schwächen auch das Vertrauen der Parteien in den Bestand einer einmal getroffenen gerichtlichen Entscheidung und damit den Rechtsfrieden. Das Ziel, parallele Verfahren zu verhindern, kommt in der EuGVVO aber besonders stark zum Ausdruck. So dienen die am Prioritätsprinzip ausgerichteten Rechtshängigkeitsregeln dazu, parallele Ver­ fahren zu verhindern, aber auch die großzügigen Anerkennungsvorschriften haben zur Folge, dass mitgliedstaatliche Entscheidungen in den anderen Mit­ gliedstaaten Rechtswirkungen entfalten und ihre materielle Rechtskraft daher einer erneuten Verhandlung desselben Streits entgegensteht. Und Erwägungs­ grund (21) zur neuen Verordnung erklärt es ausdrücklich zum Ziel der Verord­ nung, dass im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden müssten. Wie Briggs zu bedenken gibt, könnten daher gegen die Zulässigkeit jeglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung im Mitgliedstaatenverhältnis das Ziel der EuGVVO, Parallelverfahren zu vermeiden, und die in diesem Zusammengang vom EuGH bereits im Jahr 1976 in der Rechtssache De Wolf/Cox50 vorgenommene Wertung angeführt werden.51 Nach dieser Entscheidung stellt die Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Ent­ scheidung in den anderen Mitgliedstaaten für den Gläubiger die einzige Mög­ lichkeit dar, seine einmal titulierten Rechte geltend zu machen, dagegen ist er nicht berechtigt, in derselben Sache ein erneutes Verfahren einzuleiten. Man könnte der Schadensersatzmöglichkeit also entgegenhalten, dass auf diese Wei­ se der Streit lediglich um eine Ebene verschoben werde, indem nicht mehr dar­ 50  51 

EuGH, 30.11.1976, Rs. C-42/76 (De Wolf/Harry Cox B.V.), Slg. 1976, 1759. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  333.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 619

über gestritten wird, welches Gericht zuständig ist, sondern welches Gericht zuständig war, wo also hätte geklagt werden sollen.52 Mit dem Schadensersatz­ prozess würde ein bereits in einem anderen Mitgliedstaat abgeschlossenes Ver­ fahren neu aufgerollt werden, was der Zielsetzung, parallele Prozesse zu verhin­ dern und abschließenden Rechtsfrieden zu gewähren, entgegenstehen könnte. Meines Erachtens steht jedoch das Ziel der EuGVVO, Parallelverfahren zu vermeiden, Schadensersatzklagen wegen der Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung ebenfalls nicht prinzipiell entgegen. Dafür spricht der sich unmit­ telbar an den zitierten Erwägungsgrund (21) anschließende Erwägungsgrund (22) zur neuen Verordnung, der die Einführung des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. erklärt und in dem die Rede davon ist, dass es erforderlich sei, „[…] eine Ausnahme von der allgemeinen Rechtshängigkeitsregel vorzusehen, um eine befriedigende Regelung in einem Sonderfall zu erreichen, in dem es zu Parallel­ verfahren kommen kann.“ Die Verordnung stellt das Ziel, Parallelverfahren zu verhindern, also selbst nicht ausnahmslos über alle anderen Ziele, sondern räumt dem Schutz der Parteiautonomie den Vorrang ein. Ebenso zeigt auch Art.  30 EuGVVO n. F. (vormals Art.  28 EuGVVO a. F.), der dem später angeru­ fenen Gericht bei Verfahren, die lediglich im Zusammenhang stehen, das Er­ messen einräumt, das Verfahren auszusetzen, es aber nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens zwingt, dass der Gesetzgeber Parallelverfahren in manchen Konstellationen letztlich hinnimmt. Und schließlich handelt es sich bei einem Schadensersatzverfahren wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinba­ rung auch nicht um denselben Streit, der bereits im forum derogatum anhängig war. Denn Streitgegenstand des Schadensersatzverfahrens ist nicht der Streit in der Sache, sondern die Frage, ob der Kläger des Erstverfahrens eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung verletzt hat. Würde man die Schadensersatzklage im prorogierten Gericht im Anschluss an das Verfahren im forum derogatum nicht zulassen, wäre außerdem das vermeintliche Ziel, abschließenden Rechts­ frieden zu bescheren, kaum erreicht, denn zumindest für die abredewidrig ver­ klagte Partei wäre es kein befriedigendes Ergebnis, würde sie auf ihrem Scha­ den sitzen bleiben. Es kann ihr aber ebenfalls nicht zugemutet werden, ihr Scha­ densersatzbegehren etwa widerklagend im angerufenen forum derogatum geltend machen zu müssen und so dazu gezwungen zu sein, doch im abgewähl­ ten Gericht zu prozessieren. Dass der Schadensersatzprozess im forum prorogatum ein zusätzliches Ver­ fahren in einer ähnlichen Sache wie der im forum derogatum bereits abge­ Vgl. Mankowski, IPRax 2009, 23, 30. Ähnlich Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  333 und Nuyts, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shop­ ping in the European Judicial Area (2007), S.  55, 57. 52 

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schlossenen bedeutet, ist aus den vorstehenden Gründen also hinzunehmen. Im Ergebnis scheiden Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung aus dem Regime der EuGVVO daher auch nicht des­ halb aus, weil die Verordnung im Grundsatz darauf abzielt, parallele Verfahren zu verhindern. III.  Folgerungen für die einzelnen Fallgruppen 1. Überblick Im Folgenden sollen die Schlussfolgerungen, die sich aus den Überlegungen zur prozessualen Ausgangslage ergeben haben, auf die konkrete Frage angewandt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Schadens­ ersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit dem System der EuGVVO vereinbar ist. Dabei wird wiederum zwischen den Fällen, in de­ nen das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit wegen der Ge­ richtsstandsvereinbarung abgelehnt hat, auf der einen Seite und den Fällen, in denen es seine Zuständigkeit bejaht und eine Sachentscheidung trifft, auf der anderen Seite differenziert.53 2.  Folgerungen für die erste Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht verneint seine Zuständigkeit a)  Die Auseinandersetzung im Schrifttum Hat das derogierte Gericht wie in Variante 1 des Fallbeispiels 2 seine Zuständig­ keit verneint und keine Sachentscheidung getroffen, droht der abredewidrig ver­ klagten Partei lediglich ein sog. prozessualer Schaden. Ob der sog. materielle Schaden ersetzbar ist, braucht für die Fälle dieser Kategorie also nicht unter­ sucht zu werden. Ebenso scheiden bereicherungsrechtliche Ansprüche mangels Sachentscheidung des derogierten Gerichts aus. Im Schrifttum werden unterschiedliche Ansichten zur Zulässigkeit solcher Schadensersatzansprüche im System der EuGVVO vertreten. Diejenigen, die der nicht vertragsbrüchigen Partei sogar u. U. dann Schadensersatz gewähren wollen, wenn das abredewidrig angerufene mitgliedstaatliche Gericht seine Zu­ Eine solche Differenzierung ist im Schrifttum üblich, vgl. Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 549 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  479 ff.; Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 385 ff.; Takahashi, 10 Yearbook of Private International Law (2008), 57, 65, 79 f. Dagegen unterscheidet Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  330 ff. zwi­ schen mehr als zwei Fallgruppen, vgl. insb. S.  331 Rn.  865. 53 

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 621

ständigkeit bejaht und eine Sachentscheidung getroffen hat, halten Schadenser­ satzklagen erst recht für mit der EuGVVO vereinbar, wenn das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit in Würdigung der Gerichtsstandsver­ einbarung verneint hat.54 Allerdings gelten nach Briggs u. U. Einschränkungen, wenn das abredewidrig angerufene Gericht eine Kostenentscheidung getroffen hat, die in dem Mitgliedstaat, dessen Gericht über den Schadensersatzanspruch befindet, anerkannt werden muss.55 Auch andere sind der Ansicht, das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht dürfe der abredewidrig in einem anderen Mitgliedstaat verklagten Partei in den Fällen dieser Kategorie Scha­ densersatz zuerkennen, weil es sich lediglich der Entscheidung des derogierten Gerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anschließe, das Schadensersatzurteil also nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des abre­ dewidrig angerufenen Gerichts stünde. In der Entscheidung über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch könne also keine Verletzung des Vertrau­ ensgrundsatzes liegen.56 Argumentiert wird auch mit der primären Zielsetzung der EuGVVO, die Zirkulation mitgliedstaatlicher Entscheidungen zu gewähr­ leisten. Habe das Erstgericht keine Sachentscheidung getroffen, würde das Zweitgericht dieses Ziel also nicht konterkarieren, vielmehr würde es mit der Verurteilung zum Schadensersatz lediglich die logische Folge der Entscheidung des Erstgerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausspre­ chen.57 Außerdem sei hier mangels Sachentscheidung des Erstgerichts auch die Schadensberechnung unproblematisch: Der Schaden der nicht vertragsbrüchi­ gen Partei belaufe sich auf deren für den Erstprozess aufgebrachte Kosten ab­ züglich derjenigen Kosten, die sie bereits durch die Kostenentscheidung des Erstgerichts ersetzt bekommen habe.58 Teilweise werden Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung im Mitgliedstaatenverhältnis jedoch insgesamt, also in beiden möglichen Fallvarianten, mit großer Skepsis betrachtet.59 Im Hinblick 54  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  332; Merrett, 55 In­ ternational and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 332 f. 55  Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  333. 56  Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 550; Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements and Their Enforcement, 2.  Aufl. 2010, Rn.  14.14; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  484 ff.; Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 386; inzwischen wohl auch Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.158; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  249. 57  Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 389. 58  Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 394. 59  In diese Richtung Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 461; Fentiman, in: de Vareilles-­ Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  27, 43 ff.; Hess,

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auf die alte Rechtslage wurde argumentiert, die Parteien seien, wie aus der Gasser-Entscheidung des EuGH folge, gerade dazu berechtigt, die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung von einem anderen als dem designierten Gericht überprüfen zu lassen, was durch eine Verurteilung zum Schadensersatz konter­ kariert würde.60 Auch der Zuerkennung von Schadensersatz für die Verfahrens­ verzögerung wegen der Anrufung eines bekanntlich langsam arbeitenden Ge­ richts stehe die damit zwangsläufig einhergehende Bewertung des ausländi­ schen Verfahrens entgegen, welche dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens widerspreche.61 Andere stellen primär auf die Ähnlichkeiten zwischen anti-suit injunctions und Schadensersatz ab.62 Mankowski zieht nicht nur inhaltliche Pa­ rallelen zwischen Prozessführungsverboten und Schadensersatzklagen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung, sondern weist auch auf einen dogmatischen Stolperstein hin: Bei dem vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung handle es sich nur um den Sekundäranspruch. Einem Sekundäranspruch müsse aber stets ein Pri­ märanspruch zugrunde liegen. Dies könne nur der aus der Gerichtsstandsver­ einbarung folgende Unterlassungsanspruch sein. Eine gerichtliche Geltendma­ chung dieses Unterlassungsanspruchs im Gewand des einstweiligen Rechts­ schutzes habe der EuGH mit seinem Verbot von anti-suit injunctions jedoch gerade aus dem Mitgliedstaatenverhältnis verbannt. Der Primäranspruch sei also genauso „infiziert“ wie die anti-suit injunction. Aus seiner Unstatthaftig­ keit folge damit auch die des Sekundäranspruchs. Jedenfalls sei eine sehr gute Begründung erforderlich, weshalb dem Schadensersatzanspruch im europäi­ schen System ein günstigeres Schicksal zuteil kommen sollte als der anti-suit injunction.63

JZ 2014, 538, 542; Mankowski, IPRax 2009, 23, 29 f. (der der Möglichkeit des Schadensersat­ zes allerdings durchaus offen gegenübersteht, vgl. insb. ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  249, 257); Pfeiffer, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  77 ff.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  863 („zum Scheitern verurteilt“). 60  Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judi­ cial Area (2007), S.  27, 45, der sogar erwägt, ob aus der Gasser-Entscheidung ein subjektives Recht der Parteien aus Art.  27 EuGVVO a. F. folge, das unzuständige Gericht anzurufen. 61  Dutta/Heinze, ZEuP 2005, 428, 461. 62  Mankowski, IPRax 2009, 23, 29 f.; Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  863. 63  Zum Ganzen Mankowski, IPRax 2009, 23, 30; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  273 (allerdings nur noch einschränkend: „Ein Sekun­ däranspruch hätte grundsätzlich damit zu kämpfen, dass ihm ein durchsetzbarer Primär­ anspruch fehlen würde.“). Sich anschließend Kropholler/von Hein, EuZPR, 9.  Aufl. 2011, Art.  23 EuGVO, Rn.  97; ähnlich auch Illmer, IPRax 2009, 312, 316; ders., SchiedsVZ 2011, 248, 251.

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b)  Eigene Stellungnahme (1)  Keine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes und der Wertungen der EuGVVO Hat das abredewidrig angerufene mitgliedstaatliche Gericht die Gerichtsstands­ vereinbarung für wirksam befunden und seine Zuständigkeit verneint, sprechen die besseren Argumente für die Zulässigkeit von Schadensersatzpflichten im System der EuGVVO. Dies galt meines Erachtens bereits für die Rechtslage unter Geltung der EuGVVO a. F.; mit dem System der revidierten EuGVVO sind Schadensersatzansprüche in den Fällen dieser Fallgruppe erst recht verein­ bar. Für die Zulässigkeit der Gewährung von Schadensersatz streitet hier am ge­ wichtigsten, dass sich das Zweitgericht der Zuständigkeitsentscheidung des Erstgerichts letztlich anschließt. Das mit der Schadensersatzklage befasste Ge­ richt trifft keine Entscheidung, die im Widerspruch zu der Zuständigkeitsent­ scheidung des Erstgerichts steht, und eine Sachentscheidung des Erstgerichts, die durch das Schadensersatzurteil konterkariert werden könnte, existiert nicht. Das Zweitgericht greift also nicht in eine etwaige Befugnis des Erstgerichts ein, selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden, ebenso scheidet eine révision au fond in dieser Fallkategorie aus. Anders als dem Erlass einer anti-suit injunction steht der Gewährung von Schadensersatz für den sog. prozessualen Schaden auch nicht der Vertrauensgrundsatz entgegen, denn es bestehen, wie schon ge­ zeigt, wesentliche Unterschiede zwischen Prozessführungsverboten und der Verurteilung zum Schadensersatz.64 In den hier behandelten Fällen, in denen sich das abredewidrig angerufene Gericht für unzuständig erklärt hat, nimmt das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht keine Bewertung des auslän­ dischen Verfahrens vor, sondern begründet die Schadensersatzpflicht des Aus­ landsklägers allein mit der in der Klageerhebung im forum derogatum liegen­ den Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung und damit zugleich mit einer Wertung, die auch das Erstgericht, wie es durch die Klageabweisung gezeigt hat, teilt. Das mit dem Schadensersatzbegehren befasste Gericht legt nur seinen eigenen Maßstab bei der Beurteilung der Frage an, ob die Verletzung der Ge­ richtsstandsvereinbarung einen zum Schadensersatz verpflichtenden Vertrags­ bruch bedeutet oder ob die Klageerhebung im derogierten Forum ausnahmswei­ se die Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs erfüllt. Dass darin keine Verletzung der Wertungen der EuGVVO liegen kann, gilt, wie 64 

Zum Vergleich zwischen Prozessführungsverboten und Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung vgl. bereits oben Teil III §  12 E. und §  15 B. II. 4.

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bereits ausgeführt, seit deren Revision umso mehr. Weil Art.  31 EuGVVO n. F. dem in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichneten Gericht die Befugnis er­ öffnet, über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden, auch wenn bereits zuvor das Gericht eines anderen Mitgliedstaats angerufen worden ist, kann es auch nicht unzulässig sein, wenn das gewählte Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung im Einklang mit dem Erstgericht für wirksam hält und deshalb in der Klageerhebung im forum derogatum einen zum Schadenser­ satz verpflichtenden Vertragsbruch sieht. Schließlich spricht auch das dogmatische Argument Mankowskis nicht zwin­ gend gegen die Statthaftigkeit solcher Schadensersatzklagen im Mitgliedstaa­ tenverhältnis. Indem der EuGH die gerichtliche Geltendmachung eines aus einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung folgenden Primäranspruchs, der auf Unterlassung der Klageerhebung im nicht gewählten Gericht gerichtet ist, für mit der EuGVVO unvereinbar erklärt hat, hat er nicht zugleich auch die klage­ weise Durchsetzung des Sekundäranspruchs für unzulässig befunden. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich lediglich, dass der Primäran­spruch nicht einklagbar bzw. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich durch­ setzbar ist. Ob der Primäranspruch besteht, die Gerichtsstandsvereinbarung also eine Unterlassungspflicht entfaltet, ist dagegen eine andere Frage. Ob sich grundsätzlich aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ein sog. right not to be sued abroad ergibt, hat der EuGH nicht beantwortet. Aus der Perspektive des deut­ schen Rechts wäre es kein Novum, dass eine Pflicht zwar anerkannt wird, aber nicht einklagbar ist, sondern nur auf Sekundärebene Schadensersatzansprüche auslösen kann. Genauso gestaltet sich die Lage bei den nichtleistungsbezogenen Pflichten aus §  241 Abs.  2 BGB.65 Im Ergebnis ist es daher überzeugend, die Einklagbarkeit des aus der Gerichtsstandsvereinbarung folgenden right not to be sued abroad für mit der EuGVVO unvereinbar zu erklären, es den mitglied­ staatlichen Gerichten dagegen aber zu gewähren, Schadensersatz zuzuerken­ nen, nachdem sich das forum derogatum für unzuständig erklärt hat. (2)  Keine Differenzierung zwischen vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen Meines Erachtens bedarf es auch keiner Differenzierung zwischen vertragli­ chen und deliktischen Schadensersatzansprüchen. Briggs etwa meint, gerade 65  Den Gedanken äußert auch Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  863 Fn.  2. Teilweise wer­ den vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsver­ einbarung ohnehin aus einer Nebenpflichtverletzung i. S. v. §  241 Abs.  2 BGB abgeleitet, vgl. Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  267, 275. Eines solchen Umwegs bedarf es meines Erachtens aber nicht.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 625

weil in manchen Staaten, etwa in Deutschland, die schuldrechtlich verpflichten­ de Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen zur Frage stehe, biete es sich in Europa an, auf deliktische Anspruchsgrundlagen zurückzugreifen.66 Bříza be­ fürchtet aber, dass dann in einer Vielzahl anderer Fälle, in denen eine Partei die Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO durch Erhebung einer Klage im unzu­ ständigen Gericht verletzt, ebenfalls Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gewährt werden könnte.67 Andere leiten aus der Gasser-Rechtsprechung ab, nach Ansicht des EuGH bestehe im System der EuGVVO mit Ausnahme von Art.  6 Nr.  2 EuGVVO a. F. (jetzt Art.  8 Nr.  2 EuGVVO n. F.) kein Raum für eine missbräuchliche Klageerhebung, folglich müssten auch deliktische Schadens­ ersatzansprüche ausscheiden.68 Dem wird wiederum entgegengehalten, dass Sanktionen für missbräuchliches Klageverhalten nicht von vornherein ausge­ schlossen seien.69 Tatsächlich dürfte es für die Vereinbarkeit des Schadensersatzes mit der EuGVVO und dem Vertrauensgrundsatz keinen Unterschied machen, ob das Gericht den Anspruch auf eine deliktische oder vertragliche Anspruchsgrund­ lage stützt. Denn das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten liegt stets in der Vertragsverletzung, auch die unerlaubte Handlung besteht in der Erhebung einer Klage im abgewählten Forum. Auch Břízas Befürchtung, der abredewid­ rig verklagten Partei deliktischen Schadensersatz zu gewähren könne eine aus­ ufernde Praxis deliktischer Schadensersatzprozesse wegen Klagen vor unzu­ ständigen Gerichten mit sich bringen, dürfte sich wohl kaum bewahrheiten. Wie gezeigt, kann beispielsweise in Deutschland wegen einer Verfahrenseinleitung nur in wenigen Einzelfällen ein Anspruch aus unerlaubter Handlung bestehen.70 Die internationale Zuständigkeit des gewählten Gerichts folgt sowohl für ver­ tragliche wie für deliktische Schadensersatzklagen aus der Gerichtsstandsver­ einbarung selbst. Diese ist wie im Drittstaatenverhältnis weit auszulegen.71 Da­ für spricht auch die vom EuGH vorgenommene Auslegung des Art.  5 Nr.  1 lit.  a) EuGVVO a. F. (jetzt Art.  7 Nr.  1 lit.  a) EuGVVO n. F.), wonach auch Klagen wegen zivilrechtlicher Haftung, die nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur sind, gleichwohl an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  337. Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 552. 68  Taschner, EWS 2004, 494, 499. Ähnlich auch Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 167: „Schließlich konfligiert der Gedanke der Rechtsmissbräuchlichkeit der Anrufung eines Gerichts eines europäischen Mitgliedstaats auch mit dem Gleichwertigkeitsdogma. Wie kann es rechtsmissbräuchlich sein, ein Gericht eines europäischen Mitgliedstaats anzurufen?“ 69  Althammer/Löhnig, ZZP Int. 9 (2004), 23, 34; Krusche, MDR 2000, 677, 681; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 41 f. 70  Vgl. oben Teil III §  14 D. 71  Vgl. oben Teil III §  14 B. 66  67 

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i. S. v. Art.  5 Nr.  1 lit.  a) EuGVVO a. F. anknüpfen, wenn die vorgeworfene uner­ laubte Handlung gerade in einem Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtun­ gen liegt.72 (3) Wirkungen einer ausländischen Kostenentscheidung Wie bereits gezeigt, ist eine prozessuale Kostenentscheidung des derogierten Gerichts, wie sich aus Art.  32 EuGVVO a. F. bzw. Art.  2 lit.  a) EuGVVO n. F. ergibt, nach den Vorschriften der Verordnung in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen. Wenn also das italienische Gericht in Variante 1 des Fallbei­ spiels 2 seine Zuständigkeit letztlich abgelehnt und eine Kostenentscheidung getroffen hätte, in der es dem Kläger „Brüchig“ die Kosten des Verfahrens auf­ erlegt hätte, wäre diese Entscheidung in Deutschland über Art.  2 lit.  a) i. V. m. Art.  36 ff. EuGVVO n. F. anzuerkennen. Angenommen, nach dieser Kostenent­ scheidung und den Eigenheiten des italienischen Kostenrechts bekäme „Red­ lich“ jedoch nur die Hälfte der ihm tatsächlich wegen der Verhandlung in Italien entstandenen Kosten ersetzt, stellt sich die Frage, ob er vor dem LG Mainz Er­ satz der (übrigen) Kosten verlangen dürfte oder ob einem solchen Verfahren die italienische Kostenentscheidung entgegenstehen würde. Nach der hier vertretenen Auffassung ist im Einzelfall danach zu entschei­ den, ob das Erstgericht seine Kostenentscheidung als abschließend, d. h. mögli­ che materiellrechtliche Ansprüche verdrängend, verstanden hat oder nicht. Nur wenn der Kostenentscheidung danach eine solche abschließende Wirkung zu­ kommt, hat das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht diese Wirkung zu akzeptieren, weil sie Teil der Rechtskraft der anzuerkennenden Kostenentschei­ dung ist. Im Zweifel kommt der ausländischen Kostenentscheidung jedoch kei­ ne solche Wirkung zu, sodass das gewählte Gericht materiellrechtlichen Scha­ densersatz gewähren darf. Bei der Bestimmung der Schadenshöhe muss es je­ doch berücksichtigen, welche Kosten der Schadensersatzgläubiger bereits aufgrund der ausländischen Kostenentscheidung ersetzt bekommen hat.73

72  EuGH, 13.03.2014, Rs. C‑548/12 (Marc Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL und Karsten Fräßdorf ), Rn.  29. Ähnlich auch EuGH, 10.09.2015, Rs. C-47/14 (Holterman Ferho Exploitatie BV u. a./Spies von Büllesheim), Rn.  65, 79. 73  Vgl. bereits oben Teil III §  15 B. II. 3. d). Anders Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  254, demzufolge die bereits im Wege des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs zugesprochene Kostenerstattung nicht abzuziehen ist, weil prozessualer Kostenerstattungsanspruch und materieller Schadensersatzanspruch nicht miteinander konkurrieren sollten und andernfalls die Abschreckungswirkung der Schadensersatzhaftung abgeschwächt würde.

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c)  Ergebnis für die erste Fallgruppe In den Fällen der ersten Fallgruppe, in denen sich das zuerst angerufene dero­ gierte Gericht selbst für unzuständig gehalten hat, darf das gewählte Gericht der abredewidrig in einem anderen Mitgliedstaat verklagten Partei Schadensersatz wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung gewähren. Solchen Schadensersatzansprüchen stehen weder der Vertrauensgrundsatz noch andere Wertungen der EuGVVO entgegen. Möglich sind sowohl vertragliche als auch deliktische Schadensersatzansprüche. Für die Bemessung des sog. prozessualen Schadens gelten dieselben Grundsätze, die auch bei den Fällen im Drittstaaten­ verhältnis zur Anwendung gelangen.74 Der redlichen Partei sind also grundsätz­ lich alle Kosten, die ihr wegen des Verfahrens im forum derogatum entstanden sind und deren Ersatz ihr noch nicht vom abgewählten Gericht zugesprochen wurde, zu ersetzen. Hat das derogierte Gericht jedoch eine Kostenentscheidung getroffen, muss diese in den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich anerkannt werden. Falls ihr eine abschließende Wirkung zukommt, kann sie der Gewäh­ rung materiellrechtlichen Schadensersatzes entgegenstehen. Im Zweifel sollte aber nicht von einer solchen abschließenden Wirkung ausgegangen werden. 3.  Folgerungen für die zweite Fallgruppe: Das abredewidrig angerufene Gericht bejaht seine Zuständigkeit und trifft eine Sachentscheidung a)  Einführung Dass ein mitgliedstaatliches Gericht entgegen einer wirksamen Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats angerufen wird, seine Zuständigkeit trotz der Gerichtsstandsvereinbarung bejaht, das Ver­ fahren durchführt und eine Entscheidung in der Sache trifft, wird nach der revi­ dierten EuGVVO nur ausnahmsweise vorkommen. Denn der neu eingeführte Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. gibt der im abgewählten Gericht verklagten Partei die Möglichkeit, trotz des dort bereits anhängigen Verfahrens vor das gewählte Gericht zu ziehen. Dadurch kann sie das zuerst angerufene derogierte Forum dazu zwingen, das Verfahren auszusetzen und sich, falls das in der Ver­ einbarung benannte Gericht seine Zuständigkeit wegen der Gerichtsstandsver­ einbarung bejaht, für unzuständig zu erklären. Zu einem der Variante 2 des Beispielsfalls 2 vergleichbaren Fall sollte es in der Zukunft also nur äußerst selten kommen. Zwar ist es möglich, dass es der im Beispielsfall 2 in Italien verklagte „Redlich“ unterlässt, die Zuständigkeit des dortigen Gerichts zu rü­ gen, und sich das italienische Gericht deshalb aufgrund rügeloser Einlassung gemäß Art.  26 EuGVVO n. F. für zuständig erklärt. In einem solchen Fall schei­ 74 

Vgl. dazu oben Teil III §  13 B. III. 2.

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det eine sekundäre Schadensersatzklage nach der hier vertretenen Auffassung aber bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig aus.75 Und wer das Rechtsschutzbedürfnis trotz der rügelosen Einlassung bejaht, müsste jeden­ falls die Rechtswidrigkeit einer in der Klageerhebung im forum derogatum lie­ genden Pflichtverletzung verneinen.76 Rügt die abredewidrig verklagte Partei dagegen die Zuständigkeit des derogierten Gerichts (und setzt sie erwartungs­ gemäß den Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. in Gang, in­ dem sie beim gewählten Gericht Klage einreicht), ist es sehr unwahrscheinlich, dass das abgewählte Gericht dennoch das Verfahren durchführen und eine Sachentscheidung treffen wird. Falls es allerdings doch zu einem solchen Fall kommt, kann die abredewidrig verklagte Partei sowohl einen sog. materiellen als auch einen sog. prozessualen Schaden erleiden, sodass zu untersuchen ist, ob diese Schäden ersetzbar sind. In Bezug auf den sog. materiellen Schaden könnte der redlichen Partei außerdem auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch zustehen. Zugegeben dürften aber nicht nur Fälle dieser Konstellation eher unwahrscheinlich sein; weiter ist es ebenfalls unwahrscheinlich, dass die abredewidrig verklagte Partei tatsächlich einen materiellen Schaden erleidet, selbst wenn das abgewählte Gericht eine Sachentscheidung trifft. Denn nach der hier vertretenen Definition besteht ein materieller Schaden nur, wenn das derogierte Gericht in der Sache zulasten der im Ausland verklagten Partei entschieden hat, obwohl bei hypothetischer Be­ trachtung das prorogierte Gericht eine für die redliche Partei vergleichsweise günstigere Sachentscheidung getroffen hätte.77 Aufgrund der weitgehenden Vereinheitlichung des Kollisionsrechts in Europa ist es aber unwahrscheinlich, dass die Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten ein und denselben Rechtsstreit nach unterschiedlichem Recht behandeln und so zu einem unterschiedlichen Ergebnis in der Sache gelangen. Dennoch bleiben in Einzelfällen voneinander abweichende Sachentscheidungen möglich, etwa weil die Gerichte doch unter­ schiedliches Sachrecht anwenden – z. B. durch unterschiedliche Anwendung und Auslegung der Kollisionsregeln – oder weil in den Mitgliedstaaten ver­ schiedene Maßstäbe für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung gelten. b)  Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden Für den Fall, dass das abredewidrig angerufene mitgliedstaatliche Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und eine Sachent­ scheidung getroffen hat, besteht im Schrifttum weitgehend Einigkeit, dass die 75 

Vgl. oben Teil III §  11 D. II. 1. Vgl. oben Teil III §  12 C. I. 77  Vgl. oben Teil III §  13 B. IV. 3. a). 76 

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 629

redliche Partei in keinem anderen Mitgliedstaat Schadensersatz wegen der Ver­ letzung der Gerichtsstandsvereinbarung verlangen darf.78 Allerdings sprechen meines Erachtens – insbesondere seit der Revision der EuGVVO – die besseren Argumente dafür, dass das gewählte Gericht der abredewidrig in einem anderen Mitgliedstaat verklagten Partei jedenfalls Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden gewähren darf. Der Zulässigkeit solcher Schadensersatz­ ansprüche stehen die Vorschriften und Wertungen der EuGVVO nicht entgegen. Auch in Variante 2 des Fallbeispiels 2 kann „Redlich“ also vor dem LG Mainz Ersatz der Kosten verlangen, die er etwa für die Anreise zum italienischen Ge­ richt oder die Einschaltung mit dem fremden Recht vertrauter Rechtsanwälte aufbringen musste und die ihm nicht bereits über die Kostenentscheidung des derogierten Gerichts ersetzt wurden. Schadensersatzansprüche würden in den Fällen dieser Konstellation von vornherein tatbestandlich ausscheiden, wenn das prorogierten Gericht an die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Erstgerichts gebunden wäre. Das forum derogatum hat die Gerichtsstandsvereinbarung in diesen Fällen entweder ausdrücklich für unwirksam erklärt oder es ergibt sich jedenfalls konkludent, dass das derogierte Gericht von der Unwirksamkeit der Gerichtsstandsverein­ barung ausgegangen ist, denn andernfalls hätte es nicht in der Sache entschie­ den. Müsste das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht diese Entschei­ dung anerkennen, könnte es also weder eine Pflichtverletzung noch eine uner­ laubte Handlung bejahen. Denn wenn es von der Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und der Zuständigkeit des Erstgerichts ausgehen müsste, entfiele die Pflicht des Auslandsklägers, Klagen in anderen Gerichten als dem in der Vereinbarung benannten zu unterlassen. Wie eingangs gezeigt, ist das gewählte Gericht jedoch nicht zur Anerkennung der Zuständigkeitsentscheidung des forum derogatum verpflichtet. Eine solche Pflicht folgt nach der hier vertretenen Auffassung auch nicht aus der Rechtspre­ chung des EuGH in Gothaer Allgemeine Versicherung/Samskip79, wo der Ge­ richtshof entschied, dass die Entscheidung eines belgischen Gerichts über seine Unzuständigkeit aufgrund einer aus seinen Augen wirksamen Gerichtsstands­ 78  Vgl. Balthasar/Richers, RIW 2009, 351, 356; Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 549 ff.; Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping in the European Judicial Area (2007), S.  27, 43 ff.; Gebauer, in: Festschrift Kaissis (2012), S.  268, 279; Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements and Their Enforcement, 2.  Aufl. 2010, Rn.  14.14; Mankowski, IPRax 2009, 23, 29 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  480 ff.; Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 387; Schlosser, in: Liber amicorum Lindacher (2007), S.  111, 120. 79  EuGH, 15.11.2012, Rs. C-456/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung AG u. a./Samskip GmbH).

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

vereinbarung zugunsten der isländischen Gerichte die anderen Mitgliedstaaten binde. Denn erstens zeichnete sich die Entscheidung durch die Besonderheit aus, dass das belgische Gericht ausdrücklich ein Prozessurteil über seine Zu­ ständigkeit getroffen hatte – in den hier untersuchten Fällen entscheidet das forum derogatum aber in aller Regel nur als Vorfrage über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Zweitens hatte sich das belgische Gericht in dem Fall, den der EuGH zu beurteilen hatte, gerade für unzuständig erklärt. Dass eine Entscheidung über die Unzuständigkeit in den anderen Mitgliedstaaten bindend sein muss, folgt aber bereits daraus, dass es sonst zu einem negativen Kompetenzkonflikt kommen könnte. Auch deshalb ist die Entscheidung nicht auf die hier untersuchten Fälle übertragbar, in denen sich das derogierte Gericht unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung für zuständig erklärt. Drit­ tens zeigt die Vorschrift des Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F., wonach die Verletzung bestimmter Zuständigkeitsvorschriften einen Anerkennungsver­ sagungsgrund darstellt, dass zwischen den Mitgliedstaaten grundsätzlich keine Bindung an die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts zugunsten seiner eigenen Zuständigkeit bestehen kann. Viertens und maßgeblich kommt es aber darauf an, dass die Entscheidung des EuGH zur alten Rechtslage ergan­ gen ist. Vollkommen unabhängig davon, ob ihr doch grundsätzlich eine allge­ meine Regel zu entnehmen sein soll, dass mitgliedstaatengerichtliche Entschei­ dungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse in den anderen Mitgliedstaaten bindend sind, kann eine solche Regel jedenfalls nicht für den besonderen Fall einer Gerichtsstandsvereinbarung gelten. Dem steht nämlich die Wertentschei­ dung des Gesetzgebers entgegen, der mit der Einführung von Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. gezeigt hat, dass das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht gerade nicht an die Entscheidung eines früher angerufenen Gerichts eines anderen Mitgliedstaats über die Wirksamkeit oder Unwirksam­ keit der Gerichtsstandsvereinbarung gebunden sein soll.80 Daher kann es nach der Neuregelung auch keinen Unterschied mehr machen, ob das abgewählte Ge­ richt sich ausdrücklich für zuständig erklärt hat oder ob seine Zuständigkeits­ entscheidung nur aus den Entscheidungsgründen des Urteils ersichtlich wird. Für das gewählte Gericht besteht in keinem Fall eine Bindung an die Entschei­ dung des zuerst angerufenen abgewählten Gerichts über dessen Zuständigkeit. In Variante 2 des Beispielsfalls 2 wäre das LG Mainz daher nicht an die Ent­ scheidung des italienischen Gerichts über die Unwirksamkeit der Gerichts­ standsvereinbarung gebunden. Tatbestandlich gelten in diesem Fall also keine Besonderheiten: Das LG Mainz kann genau wie in der Variante 1 des Beispiels­ falls 2 und auch wie im Drittstaatenverhältnis (also wie im Fallbeispiel 1), vor­ 80 

Vgl. zum Ganzen ausführlich oben Teil III §  15 B. II. 3. c).

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 631

behaltlich des Vorliegens der einzelnen Voraussetzungen einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gemäß §  280 Abs.  1 BGB und in Einzelfällen auch ei­ nen deliktischen Anspruch bejahen. Wenn der Schadensersatzanspruch tatbestandlich besteht, könnte er aber dennoch aufgrund der Wertungen der EuGVVO ausgeschlossen sein. So könnte man die Ansicht vertreten, das prorogierte Gericht sei zwar nicht an die Zustän­ digkeitsentscheidung des Erstgerichts gebunden, trotzdem liege aber in der Ver­ urteilung zum Schadensersatz eine Wertentscheidung über die Zuständigkeits­ entscheidung des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, die nicht in Einklang mit dem System der EuGVVO gebracht werden könne. Daher wird in der Ver­ urteilung zum Schadensersatz in dem Fall, dass sich das derogierte Gericht für zuständig erklärt hat, im Schrifttum eine Verletzung des Grundsatzes vom ge­ genseitigen Vertrauen gesehen.81 So leitet etwa Peiffer vor allem aus der Turner-­ Rechtsprechung des EuGH ab, dass die Luxemburger Richter in dem Fall, dass sich das abredewidrig angerufene Gericht für zuständig erklärt hat, Schadens­ ersatzklagen mit derselben Begründung eine Absage erteilen würden, mit der sie auch anti-suit injunctions aus dem Anwendungsbereich der EuGVVO ver­ bannt haben. Dort hatten sich der Kläger und das Vereinigte Königreich näm­ lich darauf berufen, der in dem Erlass einer anti-suit injunction liegende Ein­ griff in die Justizhoheit des anderen Staates könne dadurch gerechtfertigt wer­ den, dass er nur mittelbar sei und nur darauf abziele, einen Verfahrensmissbrauch seitens des Beklagten des inländischen Verfahrens zu verhindern. Der EuGH erteilte dieser Argumentation aber eine Absage. Wenn das beanstandete Verhal­ ten des Beklagten darin bestehe, dass er die Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats geltend mache, beinhalte die Würdigung der Treuwid­ rigkeit dieses Verhaltens durch das die anti-suit injunction erlassende Gericht eine Beurteilung der Angemessenheit der Erhebung einer Klage vor diesem Ge­ richt. Die Vornahme einer solchen Beurteilung verstoße jedoch gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, welcher es den Gerichten grundsätz­ lich untersage, die Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats zu prüfen.82 Peiffer zieht die Parallele zu Schadensersatzklagen wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung: Auch in der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch würde zwangsläufig eine Bewertung der Angemessen­ heit der Erhebung der Klage vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats, also eine mit dem Vertrauensgrundsatz unvereinbare Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats liegen.83 Aus der Rechtsprechung des So etwa Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  480 ff. EuGH, 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u. a.), Slg. 2004, I-3565, Rn.  28. 83  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  481 f. 81 

82 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

EuGH in den Rechtssachen Gasser84 und West Tankers85 folge zudem, dass der EuGH auch bei Vorliegen einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung zu­ gunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats oder zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in einem Mitgliedstaat keine Ausnahme vom Grundsatz gegenseitigen Vertrauens zulasse.86 Jedenfalls seit der Revision der EuGVVO kann dieser Argumentation jedoch nicht mehr gefolgt werden. Denn nunmehr lässt die Verordnung für den Fall einer Gerichtsstandsvereinbarung eine Ausnahme vom Vertrauensgrundsatz zu. Das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht darf gemäß Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. mit Wirkung für die anderen Mitgliedstaaten über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden, und zwar auch dann, wenn das zuerst angerufene Gericht eines anderen Mitgliedstaats seine Zuständigkeit entgegen der Vereinbarung bereits bejaht hat. Es kann das Ver­ fahren also jederzeit an sich reißen und die Gerichte der anderen Mitgliedstaa­ ten zu einer Verfahrensbeendigung zwingen, egal, wie weit das dortige Verfah­ ren bereits fortgeschritten ist. Es leuchtet nicht ein, weshalb das gewählte Ge­ richt dann nicht auch im Rahmen des Schadensersatzverfahrens über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden dürfen soll. Ebenso liegt in dieser Entscheidung keine Beurteilung der Angemessenheit des Verfah­ rens in einem anderen Mitgliedstaat. Denn das prorogierte Gericht beurteilt nicht das ausländische Verfahren oder die Zuständigkeitsentscheidung des Erst­ gerichts, sondern gewährt allein wegen der Verletzung des in der Gerichts­ standsvereinbarung liegenden vertraglichen Versprechens Schadensersatz. Es beurteilt also allein das Verhalten des Auslandsklägers und die Folgen der Ver­ tragsverletzung. Dabei mischt es sich auch nicht mittelbar in den ausländischen Prozess und die Hoheitsbefugnisse des anderen Mitgliedstaats ein, weil das Verfahren dort bereits abgeschlossen ist. Und schließlich steht auch die Sachent­ scheidung des derogierten Gerichts der Zuerkennung von Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden nicht entgegen. Denn die Sachent­ scheidung ist allein im Zusammenhang mit der Frage, ob auch Schadensersatz in Bezug auf den sog. materiellen Schaden gewährt werden darf, zu berücksich­ tigen. Zuletzt hindert auch das Nachprüfungsverbot aus Art.  45 Abs.  3 EuGV­ VO n. F. die Ersatzfähigkeit des sog. prozessualen Schadens nicht. Denn wenn das gewählte Gericht Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Scha­ den gewährt, ändert das nichts daran, dass die Sachentscheidung des derogier­

EuGH, 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Erich Gasser GmbH/MISAT Srl), Slg. 2003, I-14693. EuGH, 10.02.2009, Rs. C-185/07 (Allianz SpA u. a./West Tankers Inc.), Slg. 2009, I-663. 86  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  482. 84  85 

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 633

ten Gerichts – obwohl sie unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung ergangen ist – anerkannt wird.87 Im Ergebnis darf das in einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art.  25 EuGVVO n. F. benannte Gericht der abredewidrig in einem anderen Mitglied­ staat verklagten Partei auch dann Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozes­ sualen Schaden gewähren, wenn sich das abredewidrig angerufene Gericht für zuständig erklärt und eine Sachentscheidung getroffen hat. Das mit dem Scha­ densersatzbegehren befasste Gericht ist weder an die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts, das die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam be­ funden hat, gebunden, noch stehen der Vertrauensgrundsatz oder andere Wer­ tungen der EuGVVO der Gewährung von Schadensersatz entgegen. Hinsicht­ lich des prozessualen Schadens ergeben sich also keine Unterschiede zwischen der Variante 1 und der Variante 2 des Fallbeispiels 2. Wiederum ist die Gewäh­ rung von Schadensersatz aber dann ausgeschlossen, wenn das derogierte Ge­ richt eine Kostenentscheidung getroffen hat und diese Kostenentscheidung nach den Wertungen des Rechts im forum derogatum abschließend ist, also materiell­ rechtliche Ansprüche verdrängt. Allerdings sind in dieser Fallgruppe besonders hohe Anforderungen an die Annahme einer solchen abschließenden Wirkung der Kostenentscheidung zu stellen. Denn genau genommen kann das derogierte Gericht, das ja von der Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ausge­ gangen ist, in seiner Kostenentscheidung gar nicht (und erst recht nicht abschlie­ ßend) berücksichtigt haben, dass der Schadensersatzschuldner die Gerichts­ standsvereinbarung verletzt hat. c)  Keine Ersatzfähigkeit des sog. materiellen Schadens Es bleibt die Frage, ob in dem seltenen Fall, dass der abredewidrig im derogier­ ten Forum eines Mitgliedstaats verklagten Partei ein materieller Schaden ent­ standen ist, auch Schadensersatz für diesen Schaden von dem prorogierten Ge­ richt in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannt werden darf. Ist es also mit der EuGVVO vereinbar, wenn das LG Mainz in Variante 2 des Fallbeispiels 2 „Red­ lich“ Schadensersatz gewährt, weil „Brüchig“ in Italien die Zwangsvollstre­ ckung aus der Sachentscheidung des italienischen Gerichts in das Vermögen des „Redlich“ betrieben hat, obwohl eine Prüfung in der Sache durch das LG Mainz ergibt, dass es – anders als das italienische Gericht – in der Sache zu­ gunsten von „Redlich“ entschieden hätte? Vgl. auch Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel ­Ia-VO Rn.  251; sich anschließend Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationa­ les Vertragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.158. 87 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Tatbestandlich ist auch in diesem Fall aus der Sicht des deutschen Rechts ein Anspruch aus §  280 Abs.  1 BGB gegeben. Für das Vorliegen der Pflichtver­ letzung ist allein entscheidend, dass das in der Gerichtsstandsvereinbarung ­benannte Gericht nicht an die Zuständigkeitsentscheidung des derogierten Ge­ richts gebunden ist, sondern – wie gezeigt – frei über die Wirksamkeit der Ge­ richtsstandsvereinbarung und die Verletzung der aus ihr resultierenden Unter­ lassungspflicht durch den Auslandskläger entscheiden darf. Die Frage, ob auch Schadensersatzansprüche in Bezug auf den sog. materiellen Schaden mit der EuGVVO vereinbar sind, bewegt sich also nicht auf der Tatbestandsebene, son­ dern auf der Ebene der Ersatzfähigkeit der einzelnen in Frage kommenden Schadensposten. Allein vom Ergebnis her ist jedoch der herrschenden Ansicht im Schrifttum, die Schadensersatzansprüche in den Fällen dieser Fallgruppe für generell un­ vereinbar mit der EuGVVO hält, zuzustimmen. Es sprechen unüberbrückbare Argumente gegen die Ersatzfähigkeit des sog. materiellen Schadens, wobei sich an diesem Ergebnis auch durch die Revision der EuGVVO nichts geändert hat. Der Ersatzfähigkeit des sog. materiellen Schadens, den die abredewidrig ver­ klagte Partei dadurch erlitten hat, dass das abgewählte Gericht eine Sachent­ scheidung zu ihren Lasten getroffen hat, steht im Mitgliedstaatenverhältnis – anders als im Drittstaatenverhältnis – entgegen, dass die Sachentscheidung des derogierten Gerichts in den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich anerkannt werden muss. Wie gezeigt, gilt im Mitgliedstaatenverhältnis nicht das Spiegel­ bildprinzip des §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO. Nach der EuGVVO besteht gerade kein Anerkennungsversagungsgrund, wenn das Erstgericht entgegen einer aus­ schließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines ande­ ren Mitgliedstaats eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Die Zuständig­ keit des Ursprungsgerichts darf gemäß Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. außer in bestimmten aufgelisteten Fällen – zu denen das Vorliegen einer Gerichtsstands­ vereinbarung gerade nicht zählt – nicht überprüft werden und die Zuständig­ keitsvorschriften gehören auch nicht zum ordre public i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. Ebenso wenig darf die Entscheidung wegen des Verbots der révision au fond aus Art.  52 EuGVVO n. F. in der Sache nachgeprüft werden. Die Sachentscheidung des abgewählten Gerichts muss also grundsätzlich in al­ len anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden und erwächst dort in Rechtkraft. Die Rechtskraft der Sachentscheidung des forum derogatum steht aber einer Verurteilung des abredewidrig handelnden Auslandsklägers zum Ersatz des sog. materiellen Schadens entgegen. Zwar lässt sich dagegen einwenden, dass das Verfahren im derogierten Fo­ rum und die Sachentscheidung des forum derogatum einen anderen Streitgegen­

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 635

stand betreffen als das Schadensersatzverfahren.88 Denn Streitgegenstand des Schadensersatzverfahrens vor dem gewählten Gericht ist allein die Frage, ob der Auslandskläger die Gerichtsstandsvereinbarung verletzt und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat. So gesehen steht die Rechtskraft der Sachentscheidung des abgewählten Gerichts, auch wenn diese in dem Staat des gewählten Gerichts anerkannt werden muss, der Zuerkennung von Schadenser­ satz bezogen auf den sog. materiellen Schaden also nicht unmittelbar entgegen. In diesem Sinne könnte man auch die Ansicht vertreten, das mit der Schadens­ ersatzklage befasste Gericht entscheide schließlich nicht über die Frage, ob das ausländische Urteil anzuerkennen sei oder nicht, sondern lediglich über die Be­ messung des Schadens, den die abredewidrig verklagte Partei wegen der Verlet­ zung der Gerichtsstandsvereinbarung erlitten habe. Die Zuerkennung von Scha­ densersatz hindere also nicht die Anerkennung der Sachentscheidung des dero­ gierten Gerichts. Der Mitgliedstaat des prorogierten Gerichts werde seiner Pflicht zur Anerkennung gerecht, die Verurteilung zum Schadensersatz bewege sich dann auf einer anderen Ebene. Dogmatisch ist eine solche Sichtweise nicht zu beanstanden. Die Anerken­ nung der Sachentscheidung des derogierten Gerichts und die Zuerkennung von Schadensersatz bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen und betreffen ver­ schiedene Streitgegenstände. Der Staat des gewählten Gerichts verletzt seine Pflicht zur Anerkennung der Sachentscheidung des derogierten Gerichts nicht direkt, indem er Schadensersatz für denjenigen Schaden gewährt, den die redli­ che Partei wegen der Vollstreckung aus dieser Sachentscheidung erlitten hat. Dennoch würde das prorogierte Gericht mit der Gewährung eines Anspruchs auf Ersatz des sog. materiellen Schadens eine Entscheidung treffen, die der aus­ ländischen Sachentscheidung über das Bestehen und die Höhe der Hauptforde­ rung genau entgegenlaufen würde.89 Die Zuerkennung von Schadensersatz in Bezug auf den sog. materiellen Schaden würde daher eine indirekte, mittelbare Verletzung der Pflicht zur Anerkennung der Sachentscheidung des derogierten Gerichts bedeuten. Der europarechtliche effet utile gebietet es den Mitgliedstaa­ ten aber, den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO zur praktischen Wirk­ samkeit zu verhelfen, was es auch ausschließt, die Anerkennung der Sachent­ scheidungen eines anderen Mitgliedstaats mittelbar zu umgehen. Der EuGH hat das Effizienzgebot bereits mehrfach zur Auslegung der EuGVVO bzw. des 88  Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  251; sich anschließend Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Ver­ tragsrecht, 8.  Aufl. 2015, Rn.  8.158. 89  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  482 f.; Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377, 387.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

EuGVÜ herangezogen90 und gerade mit Blick auf die Anerkennungsvorschrif­ ten betont, dass das EuGVÜ ein in sich geschlossenes System der Anerkennung enthalte, das nicht durch zusätzliche Rechtsbehelfe in dem um Anerkennung ersuchten Mitgliedstaat unterlaufen werden dürfe.91 Das Anerkennungssystem der EuGVVO würde aber umgangen, wenn die Mitgliedstaaten zwar die Ent­ scheidungen aus den anderen Mitgliedstaaten anerkennen, ihr Ergebnis aber durch die Zuerkennung von Schadensersatz praktisch umkehren dürften. Insbe­ sondere die bewusst eng gezogenen Anerkennungsversagungsgründe der EuG­ VVO würden leerlaufen, wenn die Folgen der anerkannten Sachentscheidung im Wege des Schadensersatzes rückgängig gemacht werden könnten. Dabei ver­ bietet die effektive Umsetzung der Anerkennungsvorschriften der EuGVVO seit deren Revision eine solche faktische Umkehr der Sachentscheidung eines anderen Mitgliedstaats sogar erst recht, denn die neue Verordnung räumt der wechselseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten einen noch größeren Stellenwert ein. An dieser Sichtweise vermag im Übrigen auch die in England teilweise ver­ tretene Aufspaltung der Gerichtsstandsvereinbarung in eine prozessuale Seite und das schuldrechtliche Parteiversprechen92 nichts zu ändern. Insbesondere Merrett möchte auch Ersatz des sog. materiellen Schadens mit dem Argument gewähren, das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht nehme keine Beur­ teilung der Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts vor, sondern stütze den Schadensersatzanspruch allein auf die zwischen den Parteien beste­ henden „private rights“. Grundlage der Entscheidung über den Schadensersat­ zanspruch sei also nicht die Feststellung, das andere Gericht habe eine falsche Zuständigkeits- oder Sachentscheidung getroffen, sondern allein die Verletzung der vertraglichen Vereinbarung durch eine der Parteien.93Auch Briggs betont, Grundlage der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch sei allein die Verletzung des privatrechtlichen Versprechens zwischen den Parteien: „[T]here is a distinction between two issues: whether the jurisdiction agreement is effec­ tive in law to prorogate or derogate from the jurisdiction of a court, and whether there was a private and binding agreement on seising a court with jurisdiction, 90  Vgl. etwa EuGH, 27.09.1988, Rs. C-189/87 (Kalfelis/Schröder u. a.), Slg. 1988, 5565, Rn.  16. 91  EuGH, 11.08.1995, Rs. C-432/93 (SISRO/Ampersand), Slg. 1995, I-2269, Rn.  38 f.; ähn­ lich auch schon EuGH, 22.11.1977, Rs. C-43/77 (Industrial Diamond Supplies/Riva), Slg. 1977, 2175, Rn.  15 ff.; EuGH, 27.11.1984, Rs. C-258/83 (Schuhfabrik Brennero/Wendel GmbH), Slg. 1984, 3971, Rn.  15. Vgl. zu diesen Entscheidungen und zum Effizienzgebot im europäischen Verfahrensrecht Hess, IPRax 2006, 348, 357 f. 92  Vgl. dazu oben Teil II §  8 C. III. 2. 93  Merrett, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 315, 332 f. Ähnlich auch schon Ambrose, 52 International and Comparative Law Quarterly (2003), 401, 415 f.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 637

or on the issue of proceedings.“94 Im übrigen Schrifttum hält man es indes für reichlich unwahrscheinlich, dass sich der EuGH einer solchen Differenzierung anschließen würde.95 Peiffer gibt zu bedenken, dass Gerichtsstandsvereinba­ rungen im System der EuGVVO gerade nicht in einen schuldrechtlichen und einen prozessualen Teil aufgespalten werden, sondern die vertragliche und die zuständigkeitsrechtliche Ebene von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwen­ dungsbereich der EuGVVO eng miteinander verzahnt seien. Weil eine wirksa­ me Gerichtsstandsvereinbarung im System der EuGVVO unmittelbar zustän­ digkeitsbegründende und -beseitigende Wirkung habe, den Gerichten also, an­ ders als im autonomen Recht Englands, kein Ermessen bei der Beurteilung des Derogationseffekts zukomme, sei nicht zu erwarten, dass der EuGH die Gewäh­ rung von Schadensersatz in den von Merrett oder Briggs bedachten Konstellati­ onen für zulässig erachten würde.96 Meines Erachtens verdienen die im englischen Schrifttum angeführten Ar­ gumente und die Aufspaltung der Gerichtsstandsvereinbarung in einen prozes­ sualen und einen vertraglichen Teil durchaus Beachtung. Für die Diskussion um die hier untersuchten Schadensersatzansprüche ist viel gewonnen, wenn man sich wie Merrett und Briggs vor Augen führt, dass Grundlage für den Scha­ densersatzanspruch nicht die Zuständigkeitsentscheidung des abgewählten Ge­ richts oder das Verfahren im Ausland ist, sondern allein die Verletzung des schuldrechtlichen Versprechens durch den Auslandskläger. Trotzdem vermag auch diese Sichtweise nichts daran zu ändern, dass in der Gewährung des Scha­ dens, den die abredewidrig in einem anderen Mitgliedstaat verklagte Partei we­ gen der Sachentscheidung des abgewählten Gerichts erlitten hat, eine mittelbare Verletzung der Anerkennungsvorschriften der EuGVVO liegen würde, die mit dem Grundsatz des effet utile nicht zu vereinbaren wäre. Der effet utile gebietet es, dass die engen Anerkennungsversagungsgründe der Verordnung, insbeson­ dere das Verbot, die Zuständigkeit des Erstgerichts nachzuprüfen, sowie das Verbot der Nachprüfung in der Sache, nicht dadurch umgangen werden, dass die Sachentscheidung zwar anerkannt wird, ihre Folgen aber im Wege des ma­ teriellrechtlichen Schadensersatzes rückgängig gemacht werden. Im Ergebnis bleibt es also dabei: Der sog. materielle Schaden ist im Verhält­ nis zwischen den Mitgliedstaaten nicht ersetzbar. Seiner Ersatzfähigkeit steht nicht entgegen, dass das um Schadensersatz ersuchte Gericht eine Bewertung Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (2008), S.  334. Bříza, 5 Journal of Private International Law (2009), 537, 550; Harris, European Legal Forum 2008, 181; Knight, 4 Journal of Private International Law (2008), 501, 509 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  480 f.; Sánchez-Fernández, 12 Year­ book of Private International Law (2010), 377, 387 f. 96  Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  481. 94  95 

638

Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

des Verfahrens im derogierten Erstgericht oder der Zuständigkeitsentscheidung des Erstgerichts vornehmen würde. Die Zuerkennung von Schadensersatz in Bezug auf den sog. materiellen Schaden ist vielmehr deshalb unvereinbar mit der EuGVVO, weil sie eine mittelbare Verletzung der Anerkennungsvorschrif­ ten der EuGVVO beinhalten würde, insbesondere des grundsätzlichen Verbots, die Zuständigkeit des Erstgerichts nachzuprüfen, aus Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. und des Verbots der révision au fond aus Art.  52 EuGVVO n. F. Der betrof­ fene Mitgliedstaat würde seiner Pflicht zur Anerkennung zwar zunächst nach­ kommen, die Anerkennungsvorschriften also nicht unmittelbar verletzen. Er würde sie aber durch die faktische Umkehrung der Sachentscheidung des Erst­ gerichts mittelbar bzw. indirekt verletzen. Insbesondere müsste das mit der Schadensersatzklage befasste Gericht im Rahmen der Berechnung des sog. ma­ teriellen Schadens die Sachentscheidung des Erstgerichts mit einer hypotheti­ schen Entscheidung des gewählten Gerichts vergleichen, es käme also nicht um eine Nachprüfung der Entscheidung des Erstgerichts in der Sache herum und würde damit doch mittelbar dem Verbot der révision au fond zuwider handeln.97 Der Grundsatz des effet utile verbietet aber auch solche mittelbaren Verletzun­ gen der Anerkennungsvorschriften der EuGVVO. Ob in der Gewährung von Schadensersatz für den sog. materiellen Schaden eine Verletzung des Vertrau­ ensgrundsatzes liegt, ist eine rein begriffliche Frage. Zählt man die Anerken­ nungsvorschriften der EuGVVO zu den Grundsätzen, in denen der Vertrauens­ grundsatz Ausdruck gefunden hat (was naheliegt), so liegt in der mittelbaren Verletzung der Anerkennungsregeln auch eine Verletzung des Vertrauens­ grundsatzes. In Variante 2 des Fallbeispiels 2 kann „Redlich“ von „Brüchig“ also keinen Ersatz desjenigen Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass „Brüchig“ aus der italienischen Sachentscheidung die Zwangsvollstreckung in das Vermö­ gen von „Redlich“ betreibt. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu den Fäl­ len im Verhältnis zu Drittstaaten, in denen nach der hier vertretenen Auffassung auch Schadensersatz für den sog. materiellen Schaden gewährt werden kann.98 d)  Keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche Wie gezeigt, kann der nicht vertragsbrüchigen Partei in Drittstaatenfällen ein Anspruch aus Eingriffskondiktion (und selten auch aus Leistungskondiktion) zustehen, wenn das abredewidrig angerufene drittstaatliche Gericht die Ge­ richtsstandsvereinbarung für nicht bindend befunden, das Verfahren durchge­ 97 

Vgl. auch Sánchez-Fernández, 12 Yearbook of Private International Law (2010), 377,

98 

Vgl. Variante 2 des Fallbeispiels 1 und dazu oben Teil III §  13 B. IV. 3.

388.

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 639

führt und eine Sachentscheidung zugunsten des Auslandsklägers und zulasten der nicht vertragsbrüchigen Partei getroffen hat. Betreibt der Auslandskläger aus dem im drittstaatlichen forum derogatum erlangten Titel die Zwangsvoll­ streckung, liegt aus der Sicht des deutschen Rechts kein Rechtsgrund zum Be­ haltendürfen der von ihm im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Vorteile vor, weil die ausländische Sachentscheidung wegen Verletzung des Spiegelbild­ prinzips gemäß §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO in Deutschland nicht anerkennungsfä­ hig ist und daher auch keine Rechtswirkungen entfalten kann.99 Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO scheiden solche bereicherungsrechtlichen Ansprüche jedoch bereits tatbestandlich aus, weil die Sachentscheidung des forum derogatum einen Rechtsgrund zum Behaltendür­ fen gibt. Weil die Sachentscheidung des abgewählten Gerichts grundsätzlich in allen anderen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig und vollstreckbar ist, besteht für die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Vorteile auch ein Rechts­ grund zum Behaltendürfen. Bereicherungsrechtliche Ansprüche sind also be­ reits tatbestandlich nicht gegeben. Im Übrigen sprechen dieselben Erwägungen, die gegen die Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen in Bezug auf den sog. materiellen Schaden angeführt worden sind, auch gegen die Zulässigkeit von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsklagen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO. Der effet utile in Verbindung mit den Anerken­ nungsvorschriften der EuGVVO, insbesondere dem Verbot der Prüfung der Zu­ ständigkeit des Erstgerichts sowie der Nachprüfung in der Sache, schließen auch bereicherungsrechtliche Rückforderungsklagen aus. In Variante 2 des Fall­ beispiels 2 steht „Redlich“ gegen „Brüchig“ also kein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zu, wenn „Brüchig“ aus der Sachentscheidung des italienischen Gerichts die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des „Redlich“ betrieben hat. e)  Ergebnis für die zweite Fallgruppe Hat das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejaht und eine Sachentscheidung getroffen, ergeben sich in Bezug auf die Tatbestandsvoraus­ setzungen eines vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruchs keine Unterschiede im Vergleich zu den Fällen, in denen das derogierte Gericht seine Zuständigkeit verneint hat. Das um Schadensersatz ersuchte in der Gerichts­ standsvereinbarung benannte Gericht ist nicht an die Zuständigkeitsentschei­ dung des Erstgerichts gebunden, insbesondere ergibt sich eine solche Bindung nicht aus der Rechtsprechung des EuGH in Gothaer Allgemeine Versicherung/ Samskip. Es kann vielmehr frei über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsverein­ 99 

Vgl. dazu oben Teil III §  14 E.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

barung und die Frage, ob der Auslandskläger eine aus der Gerichtsstandsverein­ barung erwachsende Unterlassungspflicht verletzt hat, entscheiden. Dann ist jedoch auf der Ebene der ersetzbaren Schadensposten zu differenzieren: Der sog. prozessuale Schaden ist genau wie in den Fällen der ersten Fallgrup­ pe ersetzbar. Seiner Ersatzfähigkeit stehen keine Wertungen der EuGVVO ent­ gegen. Hat das Erstgericht eine Kostenentscheidung getroffen, muss diese zwar anerkannt werden. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Kostenentscheidung nach den Wertungen der lex fori derogati den materiellen Schadensersatzan­ spruch verdrängt. Denn das abredewidrig angerufene Erstgericht hat die Ge­ richtsstandsvereinbarung schließlich für unwirksam befunden, es hat also den den Schadensersatzanspruch begründenden Umstand, dass der Auslandskläger die Vereinbarung verletzt hat, nicht und schon gar nicht abschließend berück­ sichtigt. Dagegen ist der sog. materielle Schaden nicht ersatzfähig. Seiner Ersatzfähig­ keit stehen das europarechtliche Effizienzgebot und die Anerkennungsvor­ schriften der EuGVVO entgegen. Zwar würde die Sachentscheidung des dero­ gierten Gerichts in dem Staat des gewählten Gerichts auf der ersten Stufe aner­ kannt werden. Auf der zweiten Stufe würde der Staat des gewählten Gerichts die Anerkennungsvorschriften durch die Gewährung von Schadensersatz für den sog. materiellen Schaden dann aber doch mittelbar verletzen. Denn es wür­ de die Sachentscheidung des derogierten Gerichts im Wege des Schadensersat­ zes faktisch umkehren. Der effet utile verbietet aber auch solche mittelbaren oder indirekten Verletzungen der Anerkennungsvorschriften der EuGVVO. Bereicherungsrechtliche Ansprüche scheiden bereits tatbestandlich aus, weil mit der anzuerkennenden Sachentscheidung des forum derogatum ein Rechts­ grund zum Behaltendürfen der Vorteile besteht, die der Auslandskläger im Wege der Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung erlangt hat. Im Übrigen würde einer bereicherungsrechtlichen Rückerstattung außerdem ebenfalls der effet utile in Verbindung mit den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO ent­ gegenstehen. 4.  Zur Schadensminderungsobliegenheit der abredewidrig verklagten Partei Abschließend soll noch untersucht werden, ob die abredewidrig im derogierten Forum verklagte Partei ihre Schadensminderungsobliegenheit aus §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB verletzt, wenn sie es unterlässt, den Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. in Gang zu setzen. Kann also „Brüchig“ dem „Redlich“ entge­ genhalten, dieser hätte schließlich vor das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte LG Mainz ziehen können, sodass das italienische Gericht gemäß Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. ipso iure zu Aussetzung des dortigen Verfahrens

§ 15 – B.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den EuGVVO-Mitgliedstaaten 641

gezwungen gewesen wäre? Gegen diese Argumentation spricht aber, dass die redliche Partei über Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. nicht dazu gezwungen werden darf, eine Klage in der Sache vor dem gewählten Gericht zu erheben, nur um ihren Vertragspartner am Prozessieren im abgewählten Forum zu hindern. Die Vorschrift dient allein dem Schutz der Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsver­ einbarung und damit dem Schutz der redlichen Partei. Ihr kann aber keine Ob­ liegenheit zur Klageerhebung im gewählten Gericht entnommen werden. Es muss der redlichen Partei freistehen, ob sie ein Verfahren in der Sache anstren­ gen möchte oder nicht. Hat sie den Mechanismus des Art.  31 Abs.  2 EuGVVO n. F. also nicht ausgelöst, liegt darin keine Verletzung der Schadensminderungs­ obliegenheit aus §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB. Aus denselben Erwägungen fehlt ihr auch nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine Schadensersatzklage. IV.  Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung in den anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten Sollte ein mitgliedstaatliches Gericht einer Partei Schadensersatz zugesprochen haben, weil sie entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zu­ gunsten dieses Gerichts von ihrem Vertragspartner in einem anderen Mitglied­ staat verklagt wurde, stellt sich zuletzt die Frage, ob die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch in den anderen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig und vollstreckbar wäre. Im typischen Fall wird der Schadensersatzgläubiger von der anderen Partei abredewidrig in deren Heimatstaat verklagt worden sein und daher auch in diesem Staat die Vollstreckung betreiben wollen, weil der Scha­ densersatzschuldner typischerweise in seinem Heimatstaat über sein gesamtes oder jedenfalls den überwiegenden Teil seines Vermögens verfügen wird. Könnte also im Fallbeispiel 2 der abredewidrig in Italien verklagte „Redlich“ aus einem im LG Mainz erstrittenen Schadensersatztitel die Vollstreckung ge­ gen „Brüchig“ in Italien betreiben? In den Fällen der ersten Fallgruppe, in denen das abredewidrig angerufene Erstgericht seine Zuständigkeit wegen der Gerichtsstandsvereinbarung verneint hat und sich das Schadensersatz gewährende Gericht dieser Zuständigkeitsent­ scheidung letztlich nur anschließt, bestehen gute Aussichten für die Anerken­ nungsfähigkeit der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch. Das Erst­ gericht hat hier keine Entscheidung in der Sache getroffen, es existiert also kei­ ne andere Entscheidung, mit der die Schadensersatzentscheidung i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  c) bzw. d) EuGVVO n. F. unvereinbar sein könnte. Ebenso ist es un­ wahrscheinlich, dass die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch aus Sicht des Mitgliedstaats des Erstgerichts eine Verletzung des ordre public dar­ stellen würde. Allerdings könnte sich das mit der Anerkennung befasste Gericht

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

auf den Standpunkt stellen, das Schadensersatzurteil widerspreche der Kosten­ entscheidung des forum derogatum. Dies wird im Einzelfall davon abhängen, wie das mit der Anerkennung befasste Gericht die Kostenentscheidung versteht. Entfaltet aus seiner Sicht die Kostenentscheidung des forum derogatum eine abschließende, materiellrechtliche Ansprüche verdrängende Wirkung, so könn­ te es der Schadensersatzentscheidung die Anerkennung versagen. Hat das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht in den Fällen der zweiten Fallgruppe Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden gewährt, so sollte diese Entscheidung in den anderen Mitgliedstaaten eigentlich nach den gleichen Kriterien anerkennungsfähig sein wie in den Fäl­ len der ersten Fallgruppe. Hier hat das abredewidrig angerufene Erstgericht zwar eine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden wider­ spricht dieser Entscheidung aber grundsätzlich nicht, weil sie einen anderen Streitgegenstand betrifft. Der Ersatzanspruch in Bezug auf den sog. prozessua­ len Schaden hindert auch nicht mittelbar die effektive Anerkennung der Sachentscheidung des forum derogatum. Trotzdem besteht die Gefahr, dass die Gerichte die Anerkennungsversagungsgründe der Art.  45 Abs.  1 lit.  c) und d) EuGVVO n. F. zu weit auslegen und die Unvereinbarkeit der Schadensersatzent­ scheidung mit der Sachentscheidung des forum derogatum bejahen. Weiterhin besteht das Risiko, dass die Schadensersatzentscheidung aus der Sicht des Staa­ tes des abgewählten Erstgerichts eine Verletzung des europäischen oder seines nationalen ordre public darstellt und ihr deshalb gemäß Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. die Anerkennung versagt wird. Das mit der Anerkennung befass­ te Gericht könnte sich nämlich – nach der hier vertretenen Auffassung aller­ dings zu Unrecht – auf den Standpunkt stellen, in der Schadensersatzentschei­ dung liege eine unzulässige Prüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts bzw. eine mit der Verordnung unvereinbare Bewertung der Zuständigkeitsentschei­ dung des Erstgerichts. Hat das gewählte Gericht der abredewidrig verklagten Partei in den Fällen der zweiten Fallgruppe auch Ersatz für den sog. materiellen Schaden gewährt, verstößt die Entscheidung nach der hier vertretenen Auffassung gegen die Wer­ tungen der EuGVVO. Folgerichtig würde eine trotzdem ergangene Schadenser­ satzentscheidung in dieser Konstellation auch kaum Aussichten auf Anerken­ nung und Vollstreckung in den anderen Mitgliedstaaten genießen. In dem Mit­ gliedstaat des abredewidrig angerufenen Erstgerichts könnte man sich auf den Standpunkt stellen, die Schadensersatzentscheidung sei mit der Sachentschei­ dung des forum derogatum unvereinbar, sodass ihr wegen Art.  45 Abs.  1 lit.  c) EuGVVO n. F. (und in allen anderen Mitgliedstaaten wegen Art.  45 Abs.  1 lit.  d) EuGVVO n. F.) die Anerkennung zu versagen wäre. Zwar betreffen auch in die­

§ 15 – C.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten

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sem Fall die Sachentscheidung des Erstgerichts und die Schadensersatzent­ scheidung nicht den identischen Streitgegenstand. Es ist aber gut möglich, dass das um Anerkennung ersuchte Gericht bei hinreichender weiter Auslegung doch die Unvereinbarkeit i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  c) EuGVVO n. F. bejahen wür­ de. Jedenfalls ist es aber wahrscheinlich, dass aus Sicht des Staates des forum derogatum die Schadensersatzantescheidung eine Verletzung des ordre public i. S. v. Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. darstellt, weil sie die Sachentschei­ dung des Erstgerichts faktisch umkehren würde.100 Meines Erachtens sollte die Anerkennung auch in allen anderen Mitgliedstaaten an Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. scheitern, weil die faktische Umkehr einer Entscheidung eines Mitgliedstaats im Wege des Schadensersatzes aus der Sicht aller Mitgliedstaa­ ten den europäischen ordre public verletzen dürfte. Verurteilt schließlich das gewählte Gericht die abredewidrig handelnde Par­ tei zu einer bereicherungsrechtlichen Rückerstattung, so stehen der Anerken­ nung dieser Entscheidung ebenfalls Art.  45 Abs.  1 lit.  c) bzw. d) EuGVVO n. F., also die Unvereinbarkeit mit der Sachentscheidung des forum derogatum, sowie eine Verletzung des ordre public gemäß Art.  45 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO n. F. ent­ gegen.

C.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten I.  Entstehungsgeschichte des HGÜ Bislang war das Recht der Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb des Anwen­ dungsbereichs der EuGVVO international nicht vereinheitlicht. Eine Gerichts­ standsvereinbarung, die nicht Art.  23 EuGVVO a. F. bzw. Art.  25 EuGVVO n. F. unterfiel, unterlag daher dem autonomen internationalen Zivilprozessrecht, in Deutschland also §  38 ZPO. Mit Inkrafttreten des Haager Überein­kommens vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) ist nun ein wei­ teres international vereinheitlichtes Regelwerk neben die EuGVVO getreten, das für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen in Zivil- und Handels­ sachen gilt. Das HGÜ hat eine lange Entstehungsgeschichte. Erste Verhandlungen über ein internationales Vertragswerk zur Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit und der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen began­ nen bereits im Jahr 1992 auf Vorschlag der USA bei der Haager Konferenz für 100 

Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  486 f.

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internationales Privatrecht.101 Während man in den USA die Anerkennungsaus­ sichten inländischer Entscheidungen im Ausland stärken wollte102 , bestand in Europa vor allem das Bestreben, die weitreichenden US-amerikanischen Zu­ ständigkeiten einzuschränken103. So stellte die Konferenz im Jahr 1999 einen ersten Entwurf eines Übereinkommens fertig, das umfassend die gerichtlichen Zuständigkeiten und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Ent­ scheidungen regelte und recht stark dem EuGVÜ bzw. dem Lugano Überein­ kommen ähnelte.104 Letztlich konnten sich die vertretenen Staaten jedoch nicht auf den Entwurf einigen, insbesondere ermöglichten die europäisch-amerikani­ schen Divergenzen keinen Konsens über ein Vertragswerk, das so weite Berei­ che des internationalen Zivilprozessrechts abdecken würde.105 Nachdem die Verhandlungen zunächst zum Stillstand gekommen waren, verhandelte man schließlich weiter, bis mit dem HGÜ ein Regelwerk entstand, das lediglich Nor­ men über ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen im Geschäftsverkehr und einige Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung vorsieht106 und das im Rahmen der 20. Diplomatischen Konferenz vom 14. bis 30.06.2005 ein­ stimmig angenommen wurde. Mexiko ist dem HGÜ als erster Staat am 26.09.2007 beigetreten.107 Für die EU liegt nach dem Lugano-Gutachten des EuGH108 die Kompetenz zum Betritt bei der Gemeinschaft.109 Am 01.04.2009 hat sie das HGÜ unterzeichnet und schließlich am 11.06.2015 ratifiziert. Damit ist das Übereinkommen am 01.10.2015 für Mexiko und die Mitgliedstaaten der 101  Adler/Zarychta, 27 Northwestern Journal of International Law & Business (2006), 1, 6; Schulz, 7 Journal of Private International Law (2005), 1, 2; dies., 12 ILSA Journal of International and Comparative Law (2006), 433, 433 f. 102  Eichel, RIW 2009, 289, 290; Teitz, 53 American Journal of Comparative Law (2005), 543, 544; Woodward, 29 University of Pennsylvania Journal of International Law (2008), 657, 658 ff. 103  Eichel, RIW 2009, 289, 290; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 103. 104  Vgl. dazu den Report zum ersten Entwurf von Nygh/Pocar, Prel. Doc. No 11 of August 2000, abrufbar unter . 105  Eichel, RIW 2009, 289, 290; Hess, IPRax 2000, 342, 343; von Mehren, IPRax 2000, 465, 466 ff.; Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas (2006), 1, 3. 106  Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  135 bezeichnet das Übereinkommen als „ziemlich mickrig und überdies kompliziert.“ Vgl. aber zu den neu entflammten Bestrebungen der ­Haager Konferenz, ein umfassendes Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen zu schaf­fen, R. Wagner, IPrax 2016, 97. 107  Dazu González de Castilla del Valle, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas (2006), 37. 108  Gutachten 1/03 des EuGH vom 07.02.2006, Slg. 2006, I-1145. 109  Vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsver­ kehr (2007), S.  272 f.

§ 15 – C.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten

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EU (mit Ausnahme von Dänemark) in Kraft getreten.110 Denn Art.  31 HGÜ be­ stimmt, dass das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft tritt, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in Art.  27 HGÜ vorgesehe­ nen Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch den zweiten Vertragsstaat folgt. Die USA haben das HGÜ am 19.01.2009 unterzeichnet, Singapur am 25.03.2015 und die Ukraine am 21.03.2016. Singapur hat das Übereinkommen nunmehr auch am 10.06.2016 ra­ tifiziert, die USA und die Ukraine dagegen bislang nicht.111 Eine Ratifikation durch weitere Vertragsstaaten, vor allem durch die USA, wird nun gespannt erwartet, weil sie dem Übereinkommen zu großer politischer Bedeutung verhel­ fen112 und auch eine Sogwirkung für andere Staaten entfalten könnte113. Dem Vernehmen nach soll die zeitliche Verzögerung in den USA Uneinigkeiten bei der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Einzelstaaten geschuldet sein.114 Mit einer Ratifikation durch die USA könnten Gerichtsstandsvereinbarungen zukünftig eine erhebliche Stärkung erfahren. Allgemein erhofft man sich von dem Übereinkommen auch eine Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Vergleich zu Schiedsvereinbarungen.115 Die weitere Entwicklung der Beitrittsgeschichte zum HGÜ bleibt noch abzuwarten.116

110  Vgl. Franzina, The Hague Choice of Court Convention to enter into force on 1 October 2015, vom 12.06.2015, abrufbar unter . 111  Eine Statustabelle zum HGÜ ist unter abrufbar. 112  Vgl. Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 123. 113  Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 283. Kritisch aber Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  135, demzufolge der Mehrwert durch einen Beitritt der USA allenfalls marginal wäre. 114  Vgl. Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 283 m. w. N. in Fn.  5. Zu den Vor­ aussetzungen für eine Umsetzung des HGÜ in den USA vgl. außerdem Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (2010), S.  240 ff. Für eine Bewertung des HGÜ aus US-amerikanischer Perspektive vgl. Heiser, 31 University of Pennsylvania Journal of International Law (2010), 1013. 115  Vgl. etwa Lipe/Tyler, 33 Houston Journal of International Law 2010–2011, 2, 4 f. 116  Vgl. zur Entstehungsgeschichte des HGÜ auch Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments (2003), S.  169 ff.; Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (2010), S.  5 ff.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  89 ff.

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II.  Anwendungsbereich des HGÜ 1.  Sachlicher, räumlich-persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich Das HGÜ ist gemäß seinem Art.  1 Abs.  1 bei internationalen Sachverhalten auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in Zivil- und Handelssachen an­ zuwenden. Eine Definition für eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung liefert Art.  3 lit.  a) HGÜ. In Art.  3 lit.  b) HGÜ findet sich, in Anlehnung an das europäische Vorbild, eine Vermutung für die Ausschließlichkeit der Gerichts­ standsvereinbarung.117 Ob eine Zivil- und Handelssache vorliegt, muss autonom ausgelegt werden.118 Weiterhin nimmt Art.  2 Abs.  1 lit.  b) HGÜ Arbeitsverträge aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens aus und Art.  2 Abs.  2 HGÜ enthält weitere Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich des Überein­ kommens119, wobei Art.  2 Abs.  3 HGÜ das Übereinkommen doch für anwend­ bar erklärt, wenn eine nach Abs.  2 ausgeschlossene Angelegenheit lediglich als Vorfrage, insbesondere aufgrund einer Einwendung, auftritt und nicht Gegen­ stand des Verfahrens ist. Art.  2 Abs.  4 HGÜ sieht eine weitere Ausnahme für die Schiedsgerichtsbarkeit vor. Außerdem haben die Staaten die Möglichkeit, eine Erklärung nach Art.  21 HGÜ abzugeben und so ein besonderes Rechtsgebiet vom Anwendungsbereich des Übereinkommens auszuschließen. Eine wichtige Einschränkung des Anwendungsbereichs des HGÜ enthält Art.  2 Abs.  1 lit.  a) HGÜ, wonach das Übereinkommen keine Anwendung findet, wenn eine Partei Verbraucher ist. Das HGÜ ist also nur auf reine Unternehmergeschäfte anwend­ bar.120 Der räumliche Anwendungsbereich wird im Hinblick auf die Vorschrif­ ten zur Zuständigkeit und die Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung unterschiedlich definiert. Für Fragen der internationalen Zuständigkeit be­ stimmt Art.  1 Abs.  2 HGÜ, dass ein Sachverhalt grundsätzlich international ist, es sei denn, dass die Parteien ihren Aufenthalt in demselben Vertragsstaat ha­ ben und alle anderen maßgeblichen Bezugspunkte in diesem Staat liegen, wobei der Ort des vereinbarten Gerichts unbeachtlich ist. Art.  4 HGÜ definiert den Zur Ausschließlichkeit vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agreements Convention (2013), abrufbar unter , Rn.  102 ff. Vgl. auch Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 284; Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 125 f.; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  185. 118  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  49; Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 125. 119  Überblick bei Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (2010), S.  163; R. Brand/Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agree­ ments (2008), S.  54 ff. 120  Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 125. 117 

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Aufenthalt.121 Dagegen ist ein Sachverhalt gemäß Art.  1 Abs.  3 HGÜ für Fragen der Anerkennung und Vollstreckung dann international, wenn die Anerken­ nung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung geltend gemacht wird, wobei es sich dabei um eine Entscheidung aus einem anderen Vertrags­ staat handeln muss, wie sich aus Art.  8 Abs.  1 HGÜ ergibt.122 Der notwendige Vertragsstaatenbezug wird insgesamt dadurch hergestellt, dass die Parteien ge­ mäß Art.  3 lit.  a) HGÜ ein Gericht oder mehrere Gerichte in einem Vertragsstaat benennen müssen. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz müssen sie dagegen nicht in einem Vertragsstaat haben.123 Im Übrigen regelt Art.  16 HGÜ den zeit­ lichen Anwendungsbereich. Gemäß Art.  16 Abs.  1 ist das HGÜ auf ausschließ­ liche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, die geschlossen wurden, nachdem es für den Staat des vereinbarten Gerichts in Kraft getreten ist. Gemäß Art.  16 Abs.  2 muss das Verfahren außerdem eingeleitet worden sein, nachdem das HGÜ für den Staat des angerufenen Gerichts in Kraft getreten ist.124 2.  Das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten Für die EU-Mitgliedstaaten ist das Verhältnis des HGÜ zu anderen Rechtsin­ strumenten, besonders zur EuGVVO, von besonderer Bedeutung. Das Verhält­ nis wird von Art.  26 HGÜ geregelt. Danach kommt das HGÜ grundsätzlich zur Anwendung, wenn beide Instrumente nach ihren eigenen Regeln zur Anwen­ dung kämen – also der entsprechende Staat Mitglied beider Regelwerke ist – und eine solche Anwendung im konkreten Fall nicht zu unvereinbaren Ergeb­ nissen führen würde.125 Art.  26 Abs.  1 HGÜ enthält eine Auslegungsregel, wo­ nach das HGÜ möglichst so auszulegen ist, dass es mit anderen vor oder nach dem HGÜ geschlossenen Verträgen vereinbar ist. Art.  26 Abs.  2 bis 5 HGÜ re­ geln den Vorrang anderer staatsvertraglicher Regelungen, wobei das HGÜ den meisten völkerrechtlichen Verträgen grundsätzlich den Vorrang einräumt.126 Art.  26 Abs.  6 HGÜ befasst sich schließlich mit dem Verhältnis des HGÜ zu Vorschriften einer Organisation der regionalen Wirtschaftseinheit, die Mitglied des HGÜ wird, ist also für das Verhältnis zur EuGVVO einschlägig.

121  Dazu vgl. Eichel, RIW 2009, 289, 290; Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  119. 122  R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 112. 123  Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 284; Huber/Antomo, 27 Nihon Univer­ sity Comparative Law (2010), 123, 126. 124  Vgl. umfassend zum Anwendungsbereich des HGÜ Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  94 ff. 125  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  267 f. 126  Zum Überblick vgl. Fricke, VersR 2006, 476, 477.

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Nach dieser Vorschrift bleibt die Anwendung der EuGVVO unberührt, wenn keine der Parteien ihren Aufenthalt in einem Vertragsstaat des HGÜ hat, der nicht Mitgliedstaat der EU ist, (lit.  a)) und wenn es um die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen Mitgliedstaaten der EuGVVO geht (lit.  b)). Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwi­ schen den EuGVVO-Mitgliedstaaten wird sich gemäß Art.  26 Abs.  6 lit.  b) HGÜ also weiterhin nach der EuGVVO richten. Die auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu lesende Vorschrift des Art.  26 Abs.  6 lit.  a) HGÜ bedeutet zunächst, dass die EuGVVO – vorbehaltlich ihrer eigenen Anwendungsvoraussetzungen – weiterhin zur Anwendung gelangt, wenn alle Parteien der Gerichtsstandsver­ einbarung ihren Aufenthalt in einem EuGVVO-Mitgliedstaat haben und die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbaren.127 Außerdem bleibt die EuGVVO anwendbar, wenn eine oder beide Parteien ihren Aufenthalt in einem Staat haben, der weder Mitgliedstaat der EU noch Vertragsstaat des HGÜ ist, und die Parteien die Gerichte eines EuGVVO-Mitgliedstaats wäh­ len.128 Umgekehrt bedeutet die Vorschrift aber, dass Art.  25 EuGVVO n. F. nicht bereits dann zur Anwendung gelangt, wenn die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts in einem EuGVVO-Mitgliedstaat vereinbaren. Vielmehr müssen ent­ weder beide Parteien ihren Aufenthalt in einem EuGVVO-Mitgliedstaat haben oder dürfen bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts in der EU ebenfalls kei­ nen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des HGÜ haben. Hat schließlich eine Partei ihren Aufenthalt gemäß Art.  4 Abs.  2 HGÜ in mehreren Staaten, wird die EuGVVO nur dann anwendbar sein, wenn beide Parteien ausschließlich in EuG­ VVO-Mitgliedstaaten bzw. Nicht-Vertragsstaaten des HGÜ sesshaft sind.129 Insgesamt ist Art.  26 Abs.  6 lit.  a) HGÜ daher strenger als die übrigen, das Ver­ hältnis zu anderen Regelwerken bestimmenden Vorschriften des HGÜ. Für die hier untersuchten Fälle hat die Vorschrift zu bedeuten, dass sich die Gerichts­ standsvereinbarung im Fallbeispiel 2, wenn wir davon ausgehen, dass „Brüchig“ seinen Aufenthalt, also seinen Unternehmenssitz (Art.  4 Abs.  2 lit.  a) HGÜ), in Italien und „Redlich“ seinen Aufenthalt in Deutschland hat, weiterhin nach der EuGVVO richten wird. Genauso wäre der Fall zu beurteilen, wenn eine oder beide Parteien nicht in der EU sesshaft wären, aber ihren gewöhnlichen Aufent­ halt nach Art.  4 HGÜ in Staaten hätten, die auch keine Vertragsstaaten des HGÜ sind. Hätte dagegen „Brüchig“ seinen Aufenthalt in Mexiko, also einem HGÜ-Vertragsstaat, und „Redlich“ in China, also einem Staat, der weder Mit­ 127  Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 285; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  273. 128  Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 285; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  253. 129  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  293.

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gliedstaat der EuGVVO noch Vertragsstaat des HGÜ ist, würde die Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten des LG Mainz dem HGÜ und nicht der EuGV­ VO unterliegen – obwohl deren Anwendungsbereich über Art.  25 EuGVVO n. F., der nicht mehr an den Wohnsitz der Parteien anknüpft, eigentlich eröffnet wäre. Sobald die USA das HGÜ ratifiziert haben werden, wird also auch eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte dem HGÜ un­ terliegen, wenn eine Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den USA hat.130 Zur Veranschaulichung dieses Szenarios gilt das Fallbeispiel 3: „Brüchig“, der seinen Aufenthalt in New York hat, verklagt „Redlich“, ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland, in New York, obwohl sich die Parteien auf die ausschließ­ liche Zuständigkeit des LG Mainz geeinigt haben. Wenn die USA dem HGÜ beigetreten sein werden und weder „Redlich“ noch „Brüchig“ die Vereinbarung als Verbraucher geschlossen haben, sondern es sich bei beiden – wie von Art.  2 Abs.  1 lit.  a) HGÜ gefordert – um Unternehmer handelt, wird sich die Gerichts­ standsvereinbarung zugunsten des LG Mainz nicht nach Art.  25 EuGVVO n. F., sondern nach dem HGÜ richten. III.  Die wesentliche Bestimmungen des HGÜ 1.  Wirksames Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung Wie die EuGVVO, normiert auch das HGÜ die Anforderungen an einen form­ wirksamen Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung in Art.  3 lit.  c) HGÜ selbst, wonach die Vereinbarung entweder schriftlich oder durch ein anderes Kommunikationsmittel, das den späteren Zugriff auf die Information ermög­ licht, geschlossen werden muss. Gemeint sind damit etwa E-Mails, Fax, aber auch sog. e-agreements, wie etwa sog. click-wrap agreements.131 Inhaltlich muss sich die Vereinbarung, wie auch nach Art.  25 Abs.  1 EuGVVO n. F., ge­ mäß Art.  3 lit.  a) HGÜ auf eine bereits entstandene oder künftig aus einem be­ stimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit beziehen.132 Art.  3 lit.  d) HGÜ normiert die sog. separability-Doktrin, indem klargestellt wird, 130  Vgl. die Darstellung des Verhältnisses zwischen HGÜ und EuGVVO bei Antomo, NJW 2015, 2919, 2920; Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 285; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  103 ff. und Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4.  Aufl. 2015, Art.  25 Brüssel Ia-VO Rn.  273 ff., jeweils mit weiteren anschaulichen Beispiels­ fällen. 131  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  112; Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 126; Rühl, IPRax 2005, 410, 411; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 118. Vgl. zu den nach dem HGÜ geltenden Formerfordernissen auch Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  161 ff. 132  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  101.

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dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, die Teil eines Vertrags ist, von dessen übrigen Bestimmungen unabhängig ist.133 Es ist also sichergestellt, dass die Ge­ richtsstandsvereinbarung nicht allein deshalb verworfen wird, weil der Haupt­ vertrag an Gültigkeitsmängeln leidet.134 Das auf die materiellen Aspekte der Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht wird vom HGÜ nur mittelbar bestimmt. Wie bereits dargestellt, diente das HGÜ bei den Reformüberlegungen zur EuGVVO als Vorbild.135 Die in Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. i. V. m. Erwägungsgrund (20) nunmehr enthaltene Gesamtverweisung auf das Recht des Staates, dessen Gerichte in der Vereinbarung benannt sind, ist daher den Art.  5 Abs.  1, 6 lit.  a) und 9 lit.  a) HGÜ nachempfunden. Auch hier ist zur Prü­ fung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung das Recht am Sitz des vereinbarten Gerichts maßgeblich, wobei damit ebenfalls nicht das Sachrecht dieses Staates gemeint ist, sondern auch auf dessen Kollisionsrecht verwiesen wird.136 Wie auch im Zusammenhang mit der EuGVVO wäre eine Ausgestal­ tung der in den Art.  5 Abs.  1, 6 lit.  a) und 9 lit.  a) HGÜ enthaltenen Kollisions­ vorschrift als Sachnormverweisung statt als Gesamtverweisung wohl vorzugs­ würdig gewesen, weil so die Ermittlung des maßgeblichen Sachrechts mit weni­ ger Unsicherheiten behaftet wäre.137 Begrüßenswert ist aber, dass die Vereinbarung durch das Zusammenspiel der Art.  5 Abs.  1, 6 lit.  a) und 9 lit.  a) HGÜ von den Gerichten in allen Vertragsstaaten, ob sie nun mit der Prorogati­ on, der Derogation oder der Anerkennung befasst sind, nach demselben Recht geprüft werden soll.138 2.  Sichere Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung Das HGÜ versucht, sowohl dem Prorogations- als auch dem Derogationseffekt einer Gerichtsstandsvereinbarung zu einer möglichst sicheren Durchsetzbarkeit R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 117. Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 286; Huber/Antomo, 27 Nihon Univer­ sity Comparative Law (2010), 123, 126. 135  Vgl. oben Teil II §  4 B. III. 2. b). 136  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  125, 146. Vgl. auch Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (2010), S.  163 f.; Kruger, 55 International and Comparative Law Quarterly (2006), 447, 451; Rühl, IPRax 2005, 410, 413 Fn.  54; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 119, 122. 137  Ähnlich auch Coester-Waltjen, in: Festschrift Heldrich (2005), S.  549, 557; Fricke, VersR 2006, 476, 479; Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), 283, 286; Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 128. 138  Darin sieht man einen wesentlichen Unterschied zum UNÜ, weil in dessen Art. II Abs.  3 nicht geregelt ist, welches Recht bei der Entscheidung über die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung angewendet werden muss, vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  149. 133 

134 

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zu verhelfen. Zu diesem Zweck richtet sich Art.  5 HGÜ an das in der Vereinba­ rung benannte Gericht und verpflichtet es dazu, seine Zuständigkeit anzuneh­ men und auszuüben. Art.  6 HGÜ adressiert dagegen die Gerichte aller anderen Vertragsstaaten, die es dazu verpflichtet, sich für unzuständig zu erklären. Das Zusammenspiel der beiden Vorschriften ist auf den ersten Blick simpel, bein­ haltet aber eine wesentliche Abkehr von dem common law wie dem civil law eigenen Prinzipien. Nach Art.  5 Abs.  1 HGÜ ist das gewählte Gericht eines Vertragsstaats zustän­ dig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Vertragsstaats – gemeint ist das gesamte Recht, einschließlich des Kollisionsrechts – ungültig. Ist es danach zuständig, darf es gemäß Art.  5 Abs.  2 HGÜ nicht die Ausübung seiner Zuständigkeit mit der Begründung verweigern, dass ein Gericht eines anderen Staates über den Rechtsstreit entscheiden sollte. Damit hat man sich im HGÜ also für einen Ausschluss der aus dem common law bekannten forum non conveniens-Doktrin entschieden.139 Dem gewählten Gericht steht damit kein Ermessen zu, sich über den Prorogationseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung hinwegzusetzen.140 Lediglich Art.  19 HGÜ erlaubt in Ansätzen eine Anwen­ dung der forum non conveniens-Doktrin. Nach dieser Vorschrift kann ein Staat erklären, dass seine Gerichte keine Rechtsstreitigkeiten entscheiden müssen, wenn abgesehen vom Ort des vereinbarten Gerichts keine Verbindung zwischen dem Staat und den Parteien bzw. dem Rechtsstreit besteht. Da die Vorschrift vor allem als Zugeständnis an die USA in das HGÜ aufgenommen wurde141, ist zu erwarten, dass diese bei einem Beitritt zum Übereinkommen eine Erklärung nach Art.  19 HGÜ abgeben werden. Es ist aber zu hoffen, dass dann in den USA kein zu großzügiger Gebrauch von dem durch Art.  19 HGÜ eröffneten Ermes­ sen gemacht werden wird. Denn die Norm greift ihrem Wortlaut nach nur dann, wenn das Gericht ein völlig neutrales Forum ist und tatsächlich keinerlei Ver­ bindung der Parteien oder des Rechtsstreits zum Gerichtsstaat besteht.142 Mit der jedenfalls grundsätzlichen Abschaffung der forum non conveniens-­ Doktrin kann das HGÜ in der Zukunft dazu beitragen, dass am internationalen Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 129. Vgl. zur Abkehr des HGÜ von der forum non conveniens-Doktrin R. Brand/Jablonski, Forum Non Conveniens: History, Global Practice, and Future under the Hague Convention on Choice of Court Agreements (2007) und Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 290 ff. 141  Vgl. Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 129; Schulz, 7 Journal of Private International Law (2005), 1, 13; Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Jour­ nal of Law and Trade in the Americas (2006), 1, 3; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 119. 142  Vgl. Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 291; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 120. Kritisch aber Schack, IZVR, 6.  Aufl. 2014, Rn.  135, demzufolge die in Art.  19 vor­ gesehene Möglichkeit eines Vorbehalts die Rechtssicherheit endgültig torpediert. 139 

140 

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Rechtsverkehr beteiligte Parteien stärker darauf vertrauen können, dass das ge­ wählte Gericht seine Zuständigkeit auch ausüben wird und weniger leicht un­ liebsame Prozesse – etwa Klagen von Ausländern gegen Einheimische143 – mit­ hilfe der Doktrin abweisen kann. Damit gewährt das HGÜ Rechtssicherheit und einen starken Schutz der Parteiautonomie.144 Allerdings ergibt sich aus Art.  5 Abs.  3 lit.  b) HGÜ, dass der grundsätzliche Ausschluss der forum non conveniens-Doktrin solche Vorschriften unberührt lässt, welche die innerstaatliche Zu­ ständigkeitsverteilung zwischen den Gerichten eines Vertragsstaats betref­ fen.145 Wenn die Verweisung einer Rechtssache an ein anderes Gericht im Er­ messen des vereinbarten Gerichts steht, soll die von den Parteien getroffene Wahl jedoch gebührend Berücksichtigung finden. Damit erlaubt es das HGÜ den US-amerikanischen Bundesgerichten weiterhin, einen Rechtsstreit durch federal transfer146 zu einem anderen Bundesgericht zu verschieben.147 Im HGÜ wird aber nicht nur die Doktrin vom forum non conveniens grund­ sätzlich ausgeschlossen, sondern auch die übliche Prioritätsregelung bei der Be­ handlung der anderweitigen Rechtshändigkeit. Das gewählte Gericht ist nach Art.  5 Abs.  1 HGÜ zuständig, auch wenn zuvor das Gericht eines anderen Staa­ tes in derselben Sache angerufen wurde. Die anderweitige Rechtshängigkeit darf das gewählte Gericht nicht beachten; das HGÜ kennt also keine einer strik­ ten Priorität folgende lis alibi pendens-Regel.148 Anders als nach der Rechtslage unter der alten EuGVVO ermuntert das HGÜ also nicht zu Torpedo-Taktiken mit dem Ziel, den Streit zu verschleppen oder zu lähmen. Erhebt eine Partei eine Klage vor einem nicht gewählten Gericht, kann die andere Partei das gewählte Gericht in derselben Sache anrufen, das seine Zuständigkeit nicht unter Hinweis Vgl. zu dem Vorwurf, die US-amerikanischen Gerichte würden die forum non conveniens-Doktrin in solchen Fällen ausufernd anwenden, oben Teil I §  5 B. II. 4. 144  Fricke, VersR 2006, 476, 483; Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas (2006), 1, 34; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 144 f. 145  Bruce, 32 Brooklyn Journal of International Law (2007), 1103; Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 129; Tate, 69 University of Pittsburgh Law Review (2007), 165. 146  Zur Möglichkeit des federal transfer in den USA vgl. oben Teil I §  5 B. II. 4. 147  Vgl. Dubay, 3 George Mason Journal of International Commercial Law (2011), 1, 58; Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 291. Nach Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  140 ist ein federal transfer sogar auch dann möglich, wenn die Parteien ein bestimmtes Gericht und nicht etwa die Gerichte eines Vertragsstaats gewählt haben. 148  Hartley, 31 European Law Review (2006), 414; Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  3; Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 291; Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 130; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 110, 119. 143 

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auf die anderweitige Rechtshängigkeit des Streits verneinen darf.149 Mit der gleichen Zielrichtung wurde nun auch der eigentlich für die EuGVVO typische Prioritätsgrundsatz durch die Art.  29 Abs.  1, 31 Abs.  2 EuGVVO n. F. durchbro­ chen. Durch das Zusammenspiel aus der Abschaffung der forum non conveniens-Doktrin auf der einen und des Prioritätsprinzips auf der anderen Seite ver­ hilft das HGÜ Gerichtsstandsvereinbarungen insgesamt zu einer starken Proro­ gationswirkung. Das HGÜ sieht eine strenge Derogationswirkung der Gerichtsstandsverein­ barung vor. Zieht eine Partei vor ein anderes als das gewählte Gericht, so darf dieses nach Art.  6 HGÜ grundsätzlich nicht in der Sache entscheiden, es sei denn, es liegt eine Ausnahme nach Art.  6 lit.  a) bis e) HGÜ vor. Eine solche Ausnahme besteht u. a. dann, wenn die Vereinbarung nach dem Recht des Staa­ tes des vereinbarten Gerichts ungültig ist, Art.  6 lit.  a) HGÜ. So wird grundsätz­ lich gewährleistet, dass das gewählte Gericht und andere Gerichte die Wirksam­ keit der Vereinbarung gleich beurteilen, sodass positive und negative Kompe­ tenzkonflikte vermieden werden.150 Gemeint ist allerdings wiederum das gesamte Recht des Staates des gewählten Gerichts einschließlich seines Kollisi­ onsrechts.151 In Art.  6 lit.  b) bis e) HGÜ finden sich weitere Ausnahmetatbestän­ de, bei deren Vorliegen das derogierte Gericht in der Sache entscheiden darf, etwa wenn die Anwendung der Gerichtsstandsvereinbarung den ordre public des jeweiligen Staates verletzen würde (lit.  c)). 152 Die Ausnahmen führen aber nur in seltenen Fällen dazu, dass das forum derogatum das Verfahren durchfüh­ ren und eine Sachentscheidung treffen darf. Sie begründen außerdem nicht die Zuständigkeit des forum derogatum, sondern sind lediglich Ausnahmetatbe­ stände zur Grundregel des Art.  6 HGÜ, bei deren Vorliegen das angerufene Ge­ richt zusätzlich prüfen muss, ob es nach seinem nationalen Recht oder einem anderen anwendbaren internationalen Regelwerk zuständig ist.153 Damit sollen sie der Vermeidung negativer Kompetenzkonflikte dienen, die sonst auftreten könnten, wenn das gewählte Gericht seine Zuständigkeit ausnahmsweise ver­ neint.154 Durch eine allzu großzügige Anwendung der Ausnahmeregeln bergen sie aber eine gewisse Gefahr positiver Kompetenzkonflikte, die auftreten kön­ 149  Vgl. zum Ganzen Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 130 f. 150  Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 131; Schulz, 7 Jour­ nal of Private International Law (2005), 1, 10; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 122. 151  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  149. 152  Vgl. zu den sonstigen Ausnahmetatbeständen des Art.  6 HGÜ Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 131 f. 153  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  146. 154  Woodward, 29 University of Pennsylvania Journal of International Law (2008), 657, 694 f.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

nen, wenn sich sowohl das gewählte als auch ein nicht gewähltes Gericht für zuständig halten.155 Insgesamt schützt Art.  6 HGÜ den Derogationseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung jedoch vergleichsweise wirksam. Außerdem enthält das HGÜ – anders als Art.  25 EuGVVO n. F. – keinen Ver­ weis auf die Möglichkeit einer zuständigkeitsbegründenden rügelosen Einlas­ sung der beklagten Partei. Das nicht gewählte Gericht darf seine Zuständigkeit also grundsätzlich nicht aufgrund einer rügelosen Einlassung des Beklagten be­ jahen. In einer rügelosen Einlassung liegt auch keine nachträgliche Änderung der Gerichtsstandsvereinbarung, weil eine solche nicht konkludent erfolgen dürfte, sondern ihrerseits den Formanforderungen des Art.  3 lit.  c) HGÜ entspre­ chen müsste. Auch durch den Verzicht auf die Möglichkeit der rügelosen Einlas­ sung werden Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem HGÜ gestärkt.156 Es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit die Vertragsstaaten die nationalen Vorschrif­ ten zur rügelosen Einlassung zur Anwendung bringen werden. Der Explanatory Report zum HGÜ schweigt zu dieser Frage, sodass es jedenfalls vertretbar wäre, die nationalen Vorschriften zur rügelosen Einlassung gelten zu lassen. Der Derogationseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung wird vor allem aber auch deshalb geschützt, weil nach dem klaren Wortlaut des Art.  6 HGÜ, der die möglichen Ausnahmetatbestände abschließend aufzählt, dem derogierten Ge­ richt kein Ermessen zukommt, sich über eine an sich wirksame Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten der Gerichte eines anderen Staates hinwegzusetzen, obwohl keine der in Art.  6 HGÜ genannten Ausnahmen erfüllt ist. So, wie dem prorogierten Gericht (grundsätzlich) durch die Abschaffung der forum non conveniens-Doktrin kein Ermessensspielraum bei der Bejahung seiner Zuständig­ keit eröffnet ist, sieht das HGÜ auch für alle abgewählten Gerichte kein Ermes­ sen zur Überprüfung des Derogationseffekts der Vereinbarung vor. Dadurch verbietet es also auch eine Anwendung der in den USA bislang üblichen reasonableness-Doktrin.157 Zu befürchten ist allenfalls, dass die US-amerikanischen Gerichte die bislang im Rahmen der reasonableness-Analyse angestellten Er­ wägungen über Art.  6 lit.  c) oder d) HGÜ zum Tragen kommen lassen, wonach das derogierte Gericht das Verfahren nicht auszusetzen hat, wenn die Anwen­ dung der Gerichtsstandsvereinbarung zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit führen oder dem ordre public in dem Gerichtsstaat offensichtlich widerspre­ chen würde (lit.  c)) oder wenn es aus außergewöhnlichen Gründen, die sich dem Einfluss der Parteien entziehen, nicht zumutbar ist, die Vereinbarung umzuset­ zen (lit.  d)). R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 110, 123. Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas (2006), 1, 10; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 110, 121. 157  Huber, in: Festschrift Gottwald (2014), S.  283, 292. 155 

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Insgesamt dürfte das Übereinkommen durch das Zusammenspiel der Art.  5 und 6 HGÜ Gerichtsstandsvereinbarungen in den allermeisten Fällen zu einer sicheren Durchsetzbarkeit verhelfen, wenn die Vertragsstaatengerichte die Vor­ schriften richtig auslegen und anwenden. 3.  Anerkennung und Vollstreckung Die sichere Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen komplettiert das HGÜ mit seinen Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung in den Art.  8 ff. HGÜ.158 Gemäß Art.  8 Abs.  1 HGÜ ist die Entscheidung eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts eines Ver­ tragsstaats in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken, es sei denn, es liegt ein Anerkennungsversagungsgrund nach dem HGÜ vor. Erfasst sind gemäß Art.  8 Abs.  5 HGÜ auch solche Entscheidungen, die aufgrund einer Verweisung i. S. v. Art.  5 Abs.  3 HGÜ des vereinbarten Ge­ richts innerhalb desselben Staates ergangen sind. Gemäß Art.  8 Abs.  2 S.  1 HGÜ darf keine révision au fond vorgenommen werden. Art.  8 Abs.  3 HGÜ setzt für die Anerkennung voraus, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat wirksam ist, und für die Vollstreckbarkeit, dass sie auch im Ursprungsstaat voll­ streckbar ist. Die Anerkennungsversagungsgründe finden sich in den Art.  9 und 11 HGÜ, wobei es sich dabei – anders als nach Art.  45 EuGVVO n. F. („Die Anerkennung einer Entscheidung wird auf Antrag eines Berechtigten versagt […]“) um Ermessensvorschriften handelt, bei deren Erfüllung das Gericht die Anerkennung versagen kann, aber nicht muss.159 Art.  9 lit.  a) HGÜ, wonach die Anerkennung versagt werden kann, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung un­ gültig war, verweist wiederum auf das (gesamte!) Recht des Staates des gewähl­ ten Gerichts, sorgt also dafür, dass auch das mit der Anerkennung befasste Ge­ richt die Wirksamkeit der Vereinbarung möglichst nach demselben Recht beur­ teilt wie das gewählte und das derogierte Gericht. Außerdem darf es die Anerkennung nicht wegen Ungültigkeit der Vereinbarung versagen, wenn das vereinbarte Gericht festgestellt hat, dass die Vereinbarung gültig ist. Damit wird klargestellt, dass das mit der Anerkennung befasste Gericht mit seiner Entschei­ dung nicht an die Stelle des gewählten Gerichts treten darf.160 Nach Art.  8 Abs.  2 S.  2 HGÜ ist das um Anerkennung ersuchte Gericht zudem an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, auf die das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit ge­ stützt hat, es sei denn, die Entscheidung ist im Versäumnisverfahren ergangen. Art.  10 HGÜ enthält eine Sonderregelung für die Anerkennung von Entschei­ 158 

Vgl. auch schon die Darstellung oben in Teil I §  6 G. II. 5. c). Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  182. 160  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report [oben Fn.  117], Rn.  183. 159 

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dungen über Vorfragen.161 Art.  11 HGÜ erlaubt es den Vertragsstaaten, einer Entscheidung die Anerkennung zu versagen, soweit sie nicht kompensatori­ schen Schadensersatz, etwa Strafschadensersatz, gewährt.162 Das HGÜ regelt jedoch nur die Anerkennung und Vollstreckung von Ent­ scheidungen des prorogierten Gerichts. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Entscheidung des derogierten Gerichts in den übrigen Vertragsstaaten an­ zuerkennen und zu vollstrecken ist, überlässt es dem nationalen Recht der Ver­ tragsstaaten bzw. dem sonst anwendbaren international vereinheitlichten Recht, und zwar auch dann, wenn das derogierte Gericht seine Zuständigkeit aufgrund einer der Ausnahmevorschriften in Art.  6 lit.  a) bis e) HGÜ bejaht hat.163 Damit verpflichtet das HGÜ weder zur Anerkennung und Vollstreckung von Entschei­ dungen nicht vereinbarter Gerichte, selbst wenn das Gericht nach sonstigem Recht international zuständig war und ein Ausnahmetatbestand nach Art.  6 lit.  a) bis e) HGÜ vorlag, noch verbietet es umgekehrt, solche Entscheidungen anzuerkennen und zu vollstrecken, die in einem derogierten Forum ergehen, obwohl kein Ausnahmetatbestand des Art.  6 HGÜ vorlag.164 Das HGÜ stellt der Anerkennung eines solchen Urteils nichts entgegen. Eine Regelung, wonach die Anerkennung einer Entscheidung eines derogierten Gerichts zu versagen sei, ist zwar während des Entstehungsprozesses des HGÜ angedacht, letztlich aber ab­ gelehnt worden, weil sie als zu starke Einmischung in das nationale Recht be­ trachtet wurde.165 Deshalb ist es möglich, dass eine Sachentscheidung des dero­ gierten Gerichts in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird, etwa wenn in dem jeweiligen Anerkennungsstaat nicht das Spiegelbildprinzip gilt oder das mit der Anerkennung befasste Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung für un­ wirksam hält und die Anerkennungszuständigkeit des forum derogatum bejaht. Gemäß Art.  9 lit.  g) HGÜ liegt jedoch ein Anerkennungsversagungsgrund vor, wenn zeitlich früher eine Entscheidung zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist, die im Anerkennungsstaat anerkennungs­ fähig ist. Über diese Vorschrift spielt das Prioritätsprinzip auf der Ebene der Anerkennung also mittelbar doch eine Rolle:166 Einer später ergehenden Ent­ scheidung des gewählten Gerichts kann dann nach Art.  9 lit.  g) HGÜ die Aner­ 161  Weiterführend R. Brand/Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements (2008), S.  122 ff. 162  Weiterführend R. Brand/Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements (2008), S.  126 ff. 163  R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 110, 124 f. 164  Eichel, RIW 2009, 289, 295; Teitz, 53 American Journal of Comparative Law (2005), 543, 554. 165  Talpis/Krnjevic, 13 Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas (2006), 1, 28. 166  Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 131 Fn.  32.

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kennung versagt werden, wenn die Entscheidung eines derogierten Gerichts in derselben Sache früher ergangen ist und nach dem nationalen oder sonstigen anwendbaren international vereinheitlichten Recht in dem ersuchten Staat aner­ kennungsfähig ist. Die Rechtslage ähnelt derjenigen unter der EuGVVO. Da­ durch wird der Schutz der Gerichtsstandsvereinbarung geschwächt.167 Wün­ schenswert wäre eine umfassende Regelung der Anerkennung und Vollstre­ ckung ausländischer Entscheidungen aller Gerichte gewesen, die der Anerkennung der Entscheidung des forum prorogatum den Vorrang eingeräumt hätte.168 Sowohl im HGÜ als auch in der EuGVVO könnte etwa über eine Vor­ schrift nachgedacht werden, wonach der Entscheidung eines durch eine Ge­ richtsstandsvereinbarung abgewählten Gerichts die Anerkennung dann zu ver­ sagen ist, wenn in dem Zeitpunkt des Anerkennungsgesuchs bereits ein Verfah­ ren in derselben Sache im gewählten Gericht anhängig ist oder dieses Gericht inzwischen sogar ebenfalls eine Sachentscheidung getroffen hat. 4.  Vergleich mit dem Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen durch die EuGVVO Die revidierte EuGVVO ist in einigen wichtigen Aspekten dem HGÜ angepasst worden. Nun entfalten beide Regelwerke bei grober Betrachtung in etwa das gleiche Schutzniveau für Gerichtsstandsvereinbarungen. Begrüßenswert ist, dass in beiden Regelwerken sichergestellt ist, dass alle Gerichte – sowohl das gewählte als auch ein derogiertes und im HGÜ nach Art.  9 lit.  a) auch das mit der Anerkennung befasste – die Wirksamkeit der Vereinbarung nach demselben Recht zu beurteilen haben, nämlich nach dem Recht des Staates des gewählten Gerichts, wobei allerdings meines Erachtens jeweils eine Sachnormverweisung auf die lex fori prorogati einer Gesamtverweisung vorzuziehen gewesen wäre. Beide Regelwerke verbieten (jedenfalls grundsätzlich) die Anwendung der forum non conveniens-Doktrin durch das gewählte Gericht. Beide räumen der Parteiautonomie den Vorrang vor der Beachtung der anderweitigen Rechtshän­ gigkeit ein, wenn bereits ein Verfahren im forum derogatum anhängig ist, und sollten damit in der Zukunft weitgehend die nach der alten EuGVVO bestehen­ den Anreize für Torpedo-Klagen beseitigen. Dass das nicht gewählte Gericht das Verfahren auszusetzen hat, wenn das in der Vereinbarung benannte Gericht angerufen wird, und sich spätestens dann für unzuständig zu erklären hat, wenn das prorogierte Gericht seine Zuständig­ keit gemäß der Vereinbarung festgestellt hat, wird aber in Art.  31 EuGVVO n. F. deutlicher klargestellt als in der allgemein gehaltenen Regel des Art.  6 HGÜ. 167 

168 

Huber/Antomo, 27 Nihon University Comparative Law (2010), 123, 134. Antomo, NJW 2015, 2919, 2922.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. enthalten eine unmittelbar an das in der Gerichtsstandsvereinbarung nicht benannte Gericht gerichtete Pflicht, das Ver­ fahren auszusetzen, wenn das in der Vereinbarung benannte Gericht in dersel­ ben Sache angerufen wird, und sich für unzuständig zu erklären, wenn das ge­ wählte Gericht seine Zuständigkeit festgestellt hat. Im HGÜ fehlt dagegen eine Regelung, wonach das nicht vereinbarte Gericht, das einen Ausnahmegrund nach Art.  6 lit.  a) bis e) HGÜ und seine Zuständigkeit bejaht hat, das Verfahren doch aussetzen und sich ggf. für unzuständig erklären muss, sobald das in der Vereinbarung benannte Gericht in derselben Sache angerufen wird oder sogar seine Zuständigkeit bejaht hat. Damit ist die in der EuGVVO gefundene Rege­ lung besser geglückt. Die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des gewählten Ge­ richts in den anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaaten wird durch die EuGVVO und das HGÜ in etwa gleicher Weise geschützt. Nach beiden Regelwerken soll die Entscheidung in den anderen Staaten grundsätzlich anerkannt werden, wo­ bei eher enge Anerkennungsversagungsgründe bestehen und eine révision au fond verboten ist. Im HGÜ sind die Anerkennungsversagungsgründe zwar et­ was weiter gefasst als in der EuGVVO, dafür handelt es sich aber um Ermessens­ tatbestände, bei deren Vorliegen die Anerkennung nicht wie in der EuGVVO – auf Antrag eines Berechtigten – versagt werden muss, sondern lediglich versagt werden kann. Im Unterschied zum HGÜ regelt die EuGVVO aber auch die An­ erkennung und Vollstreckung der Entscheidungen anderer als der vereinbarten Gerichte. Weil nach Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F. die Zuständigkeit des Erstge­ richts grundsätzlich nicht überprüft werden darf, ist die zuerst ergangene Sachentscheidung des forum derogatum in den anderen Mitgliedstaaten aner­ kennungsfähig mit der Folge, dass einer später ergehenden Entscheidung des gewählten Gerichts auf Antrag die Anerkennung nach Art.  45 Abs.  1 lit.  c) bzw. d) EuGVVO n. F. versagt werden muss. Das HGÜ regelt dagegen nur die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen des in der Gerichtsstands­ vereinbarung benannten Gerichts. Die Anerkennung von Entscheidungen ande­ rer Gerichte richtet sich (mit Ausnahme von Entscheidungen nach Art.  8 Abs.  5 HGÜ) nach dem nationalen Recht bzw. nach dem sonstigen anwendbaren inter­ national vereinheitlichten Recht. Auch hier besteht die Gefahr, dass die Ent­ scheidung des forum derogatum in den anderen HGÜ-Mitgliedstaaten anerken­ nungsfähig ist mit der Folge, dass einer später ergehenden Sachentscheidung des gewählten Gerichts die Anerkennung nach Art.  9 lit.  g) HGÜ versagt wer­ den kann. Diese Gefahr ist aber (noch) geringer als unter der EuGVVO, weil in vielen Staaten das anerkennungsrechtliche Spiegelbildprinzip herrscht und die Entscheidung des forum derogatum daher mangels Anerkennungszuständigkeit – anders als unter der EuGVVO – nicht anerkennungsfähig ist. In gewissem

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Umfang bergen aber beide Regelwerke bei parallelen Verfahren in verschiede­ nen Mitglied- bzw. Vertragsstaaten die Gefahr des Wettlaufs zu einer früheren Sachentscheidung. IV.  Schadensersatzansprüche im System des HGÜ Aus der vorangegangenen Untersuchung folgt, dass auch unter der Geltung des HGÜ ein eher geringes Bedürfnis nach Schutzmöglichkeiten gegen die Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung besteht. 169 Dennoch kann die abrede­ widrig im forum derogatum verklagte Partei in manchen Fällen Schäden erlei­ den, etwa weil sie die gerichtliche Zuständigkeit gerügt hat und dafür Kosten aufbringen musste, im Einzelfall sogar, weil das derogierte Gericht trotz der anderslautenden Gerichtsstandsvereinbarung das Verfahren durchgeführt und eine Sachentscheidung getroffen hat. Zunächst ist es möglich, dass das abge­ wählte Gericht die Ausnahmetatbestände des Art.  6 lit.  a) bis e) HGÜ zu weit auslegt und sich deshalb für zuständig erklärt, obwohl die Gerichtsstandsver­ einbarung aus der Sicht des darin benannten Gerichts eigentlich wirksam ist. Ebenso ist es möglich, dass das abredewidrig angerufene Gericht doch seine Zuständigkeit aufgrund von Ermessenerwägungen bejaht. Diese Gefahr besteht besonders in den Staaten, in denen bislang der Derogationseffekt von Gerichts­ standsvereinbarungen einer ermessensbasierten Prüfung unterzogen worden ist und Gerichtsstandsvereinbarungen nicht automatisch die Zuständigkeit beseiti­ gen oder begründen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass das derogierte Gericht das Verfahren durchführt und eine Entscheidung in der Sache trifft, sodass der abredewidrig verklagten Partei sowohl ein sog. prozessualer als auch ein sog. materieller Schaden entstehen kann. Dies kann sie auch nicht sicher dadurch verhindern, dass sie in derselben Sache eine Klage vor dem in der Ge­ richtsstandsvereinbarung benannten Gericht erhebt. Denn anders als die revi­ dierte EuGVVO kennt das HGÜ keine ausdrückliche Pflicht des nicht in der Vereinbarung benannten Gerichts, das Verfahren auszusetzen, sobald das in der Vereinbarung benannte Gericht in derselben Sache angerufen worden ist. Und schließlich kann die abredewidrig im derogierten Forum verklagte Partei auch unter Geltung des HGÜ einen sog. prozessualen Schaden erleiden, wenn das derogierte Gericht seine Zuständigkeit zwar letztlich wegen der Gerichtsstands­ vereinbarung ablehnt, die redliche Partei zuvor aber Kosten für den Streit um die Zuständigkeit oder auch für die Vorbereitung des Verfahrens in der Sache aufbringen musste. Wie auch im System der revidierten EuGVVO besteht unter 169  Ebenso Illmer, IPRax 2010, 456, 460 zum Bedürfnis nach Prozessführungsverboten unter Geltung des HGÜ.

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Geltung des HGÜ jedoch nicht die Gefahr von Verzögerungsschäden wegen Torpedo-Klagen, denn die abredewidrig verklagte Partei darf jederzeit vor das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht ziehen. Auch im Kontext des HGÜ stellt sich die Frage, ob die Gewährung von Scha­ densersatz wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Übereinkommen vereinbar ist. Dürfte das LG Mainz also im Fallbeispiel 3 dem „Redlich“ in einem Sekundärprozess Schadensersatz gewähren, weil „Brüchig“ abredewidrig eine Klage in New York erhoben hat? Der Vertragstext des HGÜ schweigt zu der Möglichkeit, Schadensersatz we­ gen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung verlangen zu können. Im Schrifttum findet kaum eine Auseinandersetzung mit der Frage statt. Manche beschäftigen sich aber mit der parallelen Frage, ob das HGÜ dem Erlass eines Prozessführungsverbots entgegensteht.170 Gemäß Art.  6 HGÜ sind alle nicht ge­ wählten Gerichte dazu verpflichtet, die Zuständigkeit des gewählten Gerichts anzuerkennen und das Verfahren auszusetzen oder abzulehnen, selbst wenn sie nach den Vorschriften ihres eigenen Rechts international zuständig sind. Nach der Kommentierung zum gleichlautenden Art.  7 aus einem früheren Entwurf zum HGÜ aus dem Jahr 2004171 sollte Entsprechendes für ein Gericht gelten, vor dem eine Vertragspartei den Erlass einer anti-suit injunction beantragt und auf diesem Weg versucht, den Rechtsstreit vor dem vereinbarten Gericht zu unterbinden.172 Die Kommentierung wurde aber im Explanatory Report zum endgültigen Vertragstext nicht übernommen. Ohnehin betraf sie lediglich Pro­ zessführungsverbote, die ein nicht gewähltes Gericht erlässt, um das Verfahren im gewählten Gericht zu unterbinden, nicht aber den gegenteiligen Fall, dass das prorogierte Forum selbst zum Schutz der Gerichtsstandsvereinbarung ein Prozessführungsverbot erlässt. Dass aber das nicht gewählte Gericht kein Pro­ zessführungsverbot erlassen darf, welches der Gerichtsstandsvereinbarung ge­ rade zuwiderläuft, dürfte sich auch ohne eine entsprechende Kommentierung aus Art.  6 HGÜ, der den Derogationseffekt der Gerichtsstandsvereinbarung si­ chert, ergeben.173 Vgl. etwa R. Brand/Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agree­ ments (2008), S.  96; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  365 ff.; Raphael, The Anti-Suit Injunction (2008), Rn.  1.25 und 12.11; Rühl, IPRax 2005, 410, 413 ff. 171  Draft on exclusive choice of court agreements (Work. Doc. No 110, revised April 2004), abrufbar unter . 172  Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the preliminary draft Convention on exclu­ sive choice of court agreements (Prel. Doc. No 26 of December 2004), abrufbar unter , Rn.  121; Rühl, IPRax 2005, 410, 413. 173  Vgl. etwa Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  365 f.; Rühl, IPRax 2005, 410, 413. Dass das HGÜ den Erlass solcher Prozessführungsverbote jedoch nicht 170 

§ 15 – C.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten

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Ob dagegen das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht ein Pro­ zessführungsverbot erlassen darf, um ein Verfahren vor einem abgewählten Gericht zu verhindern oder zu stoppen, ergibt sich nicht aus dem HGÜ, sondern richtet sich nach dem nationalen Recht. Einen Anhaltspunkt dafür soll Art.  7 HGÜ bieten, der bestimmt, dass einstweilige Sicherungsmaßnahmen vom HGÜ nicht erfasst werden, sondern sich deren Gewährung, Versagung oder Beendi­ gung nach dem nationalen Recht richtet. Auch der Erlass einer anti-suit injunction durch das gewählte Gericht soll von dieser Vorschrift erfasst sein.174 Aller­ dings wird zugleich bemerkt, dass die Zulässigkeit von Prozessführungsverbo­ ten u. U. entgegen dem Wortlaut des Art.  7 HGÜ einzuschränken sei, wenn ihr Erlass Grundprinzipien des Übereinkommens zu verletzen drohe.175 Zwar wird das gewählte Gericht Schadensersatz wohl im Zweifel im Wege eines normalen gerichtlichen Verfahrens gewähren und es wird sich bei der Entscheidung nicht um eine einstweilige Sicherungsmaßnahme i. S. v. Art.  7 HGÜ handeln. Trotz­ dem lässt sich der zu Art.  7 HGÜ und der Zulässigkeit von anti-suit injunctions herausgearbeitete Ausgangspunkt auf die Gewährung von Schadensersatz über­ tragen: Grundsätzlich richtet sich die Zulässigkeit nach dem nationalen Recht, weil das HGÜ zu dieser Frage schweigt. Allerdings muss geprüft werden, ob es jen­ seits des Textes des HGÜ solche Grundprinzipien gibt, die dem Erlass eines Prozessführungsverbots bzw. der Gewährung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer dem HGÜ unterfallenden Gerichtsstandsvereinbarung entge­ genstehen. Gegen die Annahme solcher entgegenstehender Grundprinzipien spricht zu­ nächst, dass die Parteiautonomie im HGÜ (wie auch im UNÜ) der höchste Wert ist. Anders als die EuGVVO, die neben der Verwirklichung der Parteiautonomie z. B. auch darauf abzielt, einander widersprechende Entscheidungen zu verhin­ dern und die freie Zirkulation mitgliedstaatlicher Entscheidungen in der Ge­ meinschaft zu gewährleisten, dient der primäre Zweck des HGÜ allein der Durchsetzbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Es ist also nicht ersichtlich, weshalb das HGÜ es dem gewählten Gericht verbieten sollte, ein Prozessfüh­ rungsverbot zum Schutz der Gerichtsstandsvereinbarung zu erlassen oder einer Partei Schadensersatz zu gewähren, weil sie von ihrem Vertragspartner vor ei­ nem abgewählten Gericht verklagt worden ist. Für die Zulässigkeit solcher ausdrücklich verbietet, wird trotzdem teilweise bedauert, vgl. Rühl, IPRax 2005, 410, 415; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 110, 124 f. 174  R. Brand/Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements (2008), S.  96; Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  365. 175  R. Brand/Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements (2008), S.  96.

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

Schutzmöglichkeiten spricht auch, dass der Vorrang der Gerichtsstandsverein­ barung im HGÜ durch die (jedenfalls grundsätzliche) Absage gegenüber der ermessensbasierten forum non conveniens-Doktrin und die Entscheidung gegen das Prioritätsprinzip bei anderweitiger Rechtshängigkeit absoluten Schutz ge­ nießt. Ausschlaggebend dürfte aber allem voran der Umstand sein, dass das HGÜ keinen der EuGVVO vergleichbaren Vertrauensgrundsatz kennt. Das HGÜ basiert gerade nicht auf dem gegenseitigen Vertrauen in die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung durch die anderen Vertragsstaaten. Was in der EuG­ VVO der Ausnahmefall ist – die Durchbrechung des sonst strikten Prioritäts­ prinzips durch Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F. – ist im HGÜ der Regelfall, weil das Übereinkommen generell nicht dem Prioritätsprinzip folgt, sondern dem gewählten Gericht stets das Recht einräumt und die Pflicht auferlegt, über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden und seine Zu­ ständigkeit auszuüben. Es gibt außerdem kein oberstes Gericht, das einen Ver­ trauensgrundsatz oder eine ähnliche Wertung durch Rechtsfortbildung schaffen könnte: Schließlich gibt es im HGÜ keine Institution wie den EuGH, die geeig­ net wäre, die einheitliche Anwendung und Auslegung des Übereinkommens zu überwachen und allgemeinverbindliche Spielregeln aufzustellen.176 Zuletzt ste­ hen auch die Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung dem Erlass einer anti-suit injunction oder der Gewährung von Schadensersatz nicht entgegen. Wie dargestellt, befassen sich die Anerkennungsvorschriften des HGÜ allein mit der Entscheidung des gewählten Gerichts. Auch das Verbot der révision au fond bezieht sich also allein auf dessen Entscheidung. Ob eine Sach- und bzw. oder Kostenentscheidung des forum derogatum im Staat des gewählten und mit der Schadensersatzklage befassten Gerichts anzuerkennen ist und als res iudicata dem Schadensersatzprozess entgegensteht, richtet sich nicht nach dem HGÜ, sondern nach nationalem oder sonst anwendbarem international verein­ heitlichtem Recht. Im Ergebnis lassen sich aus dem HGÜ daher keine grundlegenden Werte oder Prinzipien ableiten, die dem Erlass einer anti-suit injunction177 oder der Gewäh­ rung von Schadensersatz durch das gewählte Gericht entgegenstehen. Mangels solcher widerstreitender Grundprinzipien des Übereinkommens richtet sich die Zulässigkeit von anti-suit injunctions und der Schadensersatzmöglichkeit nach dem nationalen bzw. dem sonst anwendbaren international vereinheitlichten Recht. Das bedeutet, dass sich an den in Teil III dieser Untersuchung gefunde­ nen Ergebnissen zu der Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Klage in einem Nicht-Mitgliedstaat der 176 

177 

So Rühl, IPRax 2005, 410, 415. Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  366.

§ 15 – C.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten

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EuGVVO verlangen zu können, nichts ändert. Mit Inkrafttreten des HGÜ in den USA wird „Redlich“ im Beispielsfall 3 mit seinem Schadensersatzbegehren im LG Mainz also unter den gleichen Voraussetzungen Erfolg haben, wie im Bei­ spielsfall 1, welcher der bisherigen Untersuchung zugrunde gelegt wurde. Bezo­ gen auf die Zulässigkeit der Schadensersatzklage und das Bestehen eines ver­ traglichen Schadensersatzanspruchs kann daher auf die in den §§  11 und 12 dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse verwiesen werden. Auch hinsichtlich des Umfangs eines möglichen Schadensersatzanspruchs ergeben sich keine Beson­ derheiten im Vergleich zu den in §  13 dieser Untersuchung gefundenen Ergeb­ nissen. Insbesondere darf das gewählte Gericht nach der hier vertretenen Auf­ fassung u. U. auch Ersatz des sog. materiellen Schadens gewähren, der „Red­ lich“ in Variante 2 des Fallbeispiels 3 entstehen kann, wenn das New Yorker Gericht eine Sachentscheidung zu seinen Lasten getroffen und „Brüchig“ dar­ aus die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen betrieben hat. Für bereiche­ rungsrechtliche und deliktische Ansprüche gelten ebenfalls die in §  14 dieser Arbeit herausgearbeiteten Voraussetzungen. Insgesamt hat das HGÜ also keine Auswirkungen auf die Möglichkeit einer bereicherungsrechtlichen Rückforde­ rungs- oder einer vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzklage, die sich auf die Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung stützt.178 Solche Klagen ha­ ben im System des HGÜ mithin größere Zukunftschancen als unter dem Regi­ me der EuGVVO. Dabei soll aber nochmals daran erinnert werden, dass das HGÜ nach seinem Art.  2 Abs.  1 lit.  a) freilich nur bei Gerichtsstandsvereinba­ rungen im Unternehmerverkehr zur Anwendung gelangt. Abgesehen von den durch die Schadensersatzmöglichkeit verursachten Belastungen für den zwi­ schenstaatlichen Rechtsverkehr, die im System des HGÜ eher hinzunehmen sind als unter dem Regime der auf dem Vertrauensgrundsatz basierenden EuG­ VVO, sind im Kontext des HGÜ also auch keine schützenswerten Verbraucher­ interessen zu beachten. V.  Durchsetzbarkeit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung in den anderen HGÜ-Vertragsstaaten Unterschiede im Vergleich zu den in der vorangegangenen Untersuchung gefun­ denen Ergebnissen könnten sich allerdings im Hinblick auf die Durchsetzbar­ keit einer Schadensersatz gewährenden Entscheidung im Ausland ergeben. Wie gezeigt, besteht eine Schwachstelle der Schadensersatzmöglichkeit darin, dass der Titelgläubiger in einigen Fällen kaum Grund zu der Hoffnung haben kann, 178  Ebenso Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum (2013), S.  427 (für bereiche­ rungsrechtliche Rückforderungsklagen) und S.  489 (für Schadensersatzklagen).

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

im Ausland die Vollstreckung aus der Schadensersatzentscheidung betreiben zu können. So besteht beispielsweise in den USA die Gefahr, dass der Entschei­ dung die Anerkennung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit, wegen einer unvereinbaren inländischen Entscheidung oder wegen eines ordre public-Verstoßes versagt wird. Diese drei Anerkennungsversagungsgründe sind keine Besonderheiten des US-amerikanischen Rechts, sondern dürften auch in den meisten anderen Staaten zur Verfügung stehen, um eine Schadensersatz gewährende Entscheidung an der Einreise zu hindern.179 Gewährt jedoch das in einer HGÜ-Gerichtsstandsvereinbarung benannte Ge­ richt der redlichen Partei Schadensersatz, weil sie in einem anderen Staat ver­ klagt worden ist, könnte diese Entscheidung in den anderen Vertragsstaaten nunmehr größere Anerkennungschancen haben. Legt man die Gerichtsstands­ vereinbarung weit aus und leitet aus ihr auch die Zuständigkeit des gewählten Gerichts ab, über einen möglichen Schadensersatzanspruch wegen der Verlet­ zung der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden, so handelt es sich bei dem Schadensersatzurteil um eine Entscheidung des gewählten Gerichts i. S. v. Art.  8 Abs.  1 HGÜ, die in den anderen Vertragsstaaten nach den Art.  8 ff. HGÜ grund­ sätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken ist. Allerdings kann das um Anerkennung ersuchte Gericht eines anderen Ver­ tragsstaats auch bei Anwendung des HGÜ der Entscheidung des gewählten Ge­ richts über die Gewährung von Schadensersatz die Anerkennung versagen. Da­ bei stehen ihm gemäß Art.  9 HGÜ im Grunde die gleichen Anerkennungsversa­ gungsgründe zur Verfügung, die ihm auch bei Anwendung des nationalen Rechts dazu dienen könnten, der Schadensersatzentscheidung im Inland die Bindungswirkung zu versagen: Hält es die Gerichtsstandsvereinbarung für un­ wirksam, kann es der Entscheidung erstens gemäß Art.  9 lit.  a) HGÜ die Aner­ kennung versagen. Allerdings wird ein zu ausufernder Umgang mit diesem An­ erkennungsversagungsgrund verhindert, indem das Gericht die Gültigkeit der Vereinbarung nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts zu prüfen hat (wobei es sich dabei um eine Gesamtverweisung handelt) und indem eine Anerkennungsversagung dann nicht möglich ist, wenn das vereinbarte Gericht festgestellt hat, dass die Vereinbarung gültig ist. Außerdem ist das Anerken­ nungsgericht gemäß Art.  8 Abs.  2 S.  2 HGÜ an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, auf die das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit gestützt hat, es sei denn, die Entscheidung ist im Versäumnisverfahren ergangen. Eine Anerken­ nungsversagung kann also nur selten auf Art.  9 lit.  a) HGÜ gestützt werden. Sieht das mit der Anerkennung befasste Gericht in der Schadensersatzentschei­ dung einen Widerspruch zu einer zuvor im forum derogatum ergangenen Ent­ 179 

Vgl. dazu oben Teil III §  13 C. II. 5. und III.

§ 15 – C.  Besonderheiten im Verhältnis zwischen den HGÜ-Vertragsstaaten

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scheidung, kann es ihr jedoch zweitens die Anerkennung über Art.  9 lit.  f ) HGÜ versagen. Danach kann der Entscheidung des gewählten Gerichts die Anerken­ nung versagt werden, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien im ersuchten Staat ergangen ist. Art.  9 lit.  g) HGÜ ist dann einschlägig, wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Staat zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist und die in dem Staat, in dem um Anerkennung ersucht wird, ihrerseits anerkennungsfähig ist. Drittens kann das mit der Anerkennung befasste Gericht der Entscheidung des gewählten Gerichts auch gemäß Art.  9 lit.  e) HGÜ die Anerkennungsfähigkeit absprechen, wenn es in der Anerkennung oder Vollstreckung eine offensichtli­ che Verletzung des ordre public sieht. Dabei wird auf den ordre public des je­ weiligen Anerkennungsstaats abzustellen sein, weil das HGÜ selbst zu der Fra­ ge der Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung schweigt. Im Ergebnis stehen dem um Anerkennung ersuchten Gericht also auch nach dem HGÜ im Grundsatz die gleichen Anerkennungsversagungsgründe zur Ver­ fügung, die es auch nach den meisten nationalen Rechtsordnungen bemühen kann, um der Schadensersatzentscheidung des gewählten Gerichts die Aner­ kennung zu versagen und damit eine Vollstreckung aus der Entscheidung in seinem Staatsgebiet zu verhindern. Auch unter Geltung des HGÜ wird die Ent­ scheidung voraussichtlich in Fällen der Variante 2 des Fallbeispiels 3, wenn das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejaht und selbst eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, über geringe Anerkennungsaussichten verfügen, während es um seine Anerkennungschancen in Fällen der Variante 1 des Fallbeispiels 3, wenn das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständig­ keit verneint hat, besser bestellt ist. Außerdem gilt wiederum, dass die Anerken­ nungschancen in einem unbeteiligten Staat im Zweifel etwas größer sein dürf­ ten als in dem Staat, in dem das abredewidrig eingeleitete Erstverfahren stattge­ funden hat.

§  16  Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung In Teil I dieser Arbeit wurde die Durchsetzbarkeit von internationalen Gerichts­ standsvereinbarungen nach dem status quo untersucht. Gerichtsstands­ vereinbarungen sind für die beteiligten Parteien und Staaten ein Mittel der ­Feinsteuerung im weltweit nicht vereinheitlichten System der internationalen Zuständigkeit. Die meisten Staaten lassen internationale Gerichtsstandsverein­ barungen zu, weil damit positive Kompetenzkonflikte verhindert werden kön­ nen und eine Gerichtsstandsvereinbarung auch eine friedensstiftende Funktion entfalten kann, indem die Vorhersehbarkeit des Ausgangs eines Rechtsstreits im forum prorogatum den Boden für eine außergerichtliche Einigung ebnet. Die Parteien schließen eine Gerichtsstandsvereinbarung primär mit dem Ziel der nötigen Planungssicherheit. Der Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung kann (daneben) aber auch von anderen Erwägungen motiviert sein. Dabei kön­ nen bestimmte Eigenheiten des vom gewählten Gericht anwendbaren Verfah­ rens-, Kollisions- und schließlich materiellen Rechts Anreize zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung geben. Umgekehrt können aber auch sehr ähnliche Motive zur Erhebung einer Klage im abgewählten Gericht, also zur Missachtung der Vereinbarung führen. Sowohl im Abschluss als auch in der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung liegt also eine forum shopping-Handlung. Eine Partei hat den Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung aber u. U. durch Zugeständnisse im Rahmen der übrigen Vertragsverhandlun­ gen erfochten und wird durch das abredewidrig eingeleitete Verfahren im forum derogatum nicht nur in ihrem Vertrauen auf die Einhaltung der Vereinbarung enttäuscht, sondern kann dadurch auch messbare Vermögensnachteile erleiden. Dabei waren im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO bis­ lang vor allem die sog. Torpedo-Klagen problematisch. Durch eine Verfahrens­ einleitung im abgewählten Forum konnte ein taktisch agierender Kläger seinen Vertragspartner daran hindern, vor das gewählte Gericht zu ziehen, weil Art.  27 EuGVVO a. F. einen strikten Prioritätsgrundsatz enthielt, wonach das zuerst angerufene Gericht stets über seine Zuständigkeit entscheiden durfte. Die Rechtshängigkeitsregel wurde jedoch mit der Einführung des Art.  31 Abs.  2

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

und 3 EuGVVO n. F. durchbrochen. Gemeinsam mit einigen weiteren Neuerun­ gen schützt die Vorschrift Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art.  25 EuGV­ VO n. F. in der Zukunft wirksam. Torpedo-Klagen ist damit die Grundlage ent­ zogen. Für die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte durch die Erhebung einer Klage im Gericht eines anderen Mitgliedstaats bestehen damit kaum mehr Anreize. Sie kann lediglich zu be­ grenzten Nachteilen für die abredewidrig verklagte Partei führen. Dagegen ist die sichere Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Drittstaatenverhältnis nicht immer gewährleistet. Zwar droht auch durch die Verfahrenseinleitung im derogierten Gericht eines Nicht-Mitgliedstaats der EuGVVO keine Verschleppung des Rechtsstreits, weil es keinen globalen Rechtshängigkeitsgrundsatz gibt und das gewählte deutsche Gericht die ander­ weitige Rechtshängigkeit analog §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO mangels positiver An­ erkennungsprognose wegen Verletzung des Spiegelbildprinzips aus §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht beachten muss. Der Derogationseffekt einer Gerichtsstandsver­ einbarung wird in manchen Staaten außerhalb der EuGVVO aber nicht immer anerkannt, sodass die redliche Partei der Unsicherheit ausgesetzt ist, das abre­ dewidrig angerufene Gericht könnte sich doch für zuständig erklären. So wer­ den Gerichtsstandsvereinbarungen beispielsweise in den USA der ermessensba­ sierten reasonableness-Analyse unterworfen. Auch wenn die US-amerikani­ schen Gerichte Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten der Gerichte eines anderen Staates seit der Grundsatzentscheidung des U.S. Supreme Court in Bremen/Zapata in den meisten Fällen anerkennen, besteht doch eine Restge­ fahr, dass sie sich im Wege einer Ermessensentscheidung über deren Derogati­ onseffekt hinwegsetzen. Außerdem kann die abredewidrig verklagte Partei auch dann, wenn das US-amerikanische Gericht sich schließlich für unzustän­ dig erklärt, bereits hohe Kosten für die Verteidigung der Gerichtsstandsverein­ barung oder die Vorbereitung der Hauptsache aufgebracht haben, welche sie nach der grundsätzlich geltenden American rule of costs selbst zu tragen hätte. Die Schutz- und Abwehrwehrmöglichkeiten gegen Klagen im forum derogatum sind begrenzt. In den Staaten des common law-Rechtskreises bestand das Mittel erster Wahl früher im Erlass einer anti-suit injunction, mit welcher der vertragsbrüchigen Partei das Prozessieren im abgewählten Forum untersagt werden konnte. Solche Prozessführungsverbote hat der EuGH jedoch im Mit­ gliedstaatenverhältnis für unvereinbar mit der EuGVVO – insbesondere dem ihr zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatz – erklärt. Die deutschen Gerichte erlassen im Übrigen auch keine Prozessführungsverbote gegenüber Parteien, die vor drittstaatlichen Gerichten prozessieren, weil das Institut dem deutschen Recht schlicht unbekannt ist. Auch die übrigen Schutzmechanismen – die Ein­ leitung eines (Parallel-)Verfahrens vor dem gewählten Gericht, die Verhinde­

§  16  Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung

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rung der Zustellung der Klageschrift, die Rüge der Zuständigkeit des derogier­ ten Gerichts, die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes, die Erhebung einer Feststellungsklage sowie der Versuch, die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu verhindern – bieten nur einen beschränkten Schutz. Daher ist in den vergangenen Jahren eine Diskussion um die Möglichkeit, der redlichen Partei Schadensersatz wegen der Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung durch ihren Vertragspartner zu gewähren, entflammt. Teil II der vorliegenden Arbeit widmete sich der Rechtsprechung und der Dis­ kussion im Schrifttum anderer Staaten zu der Frage, ob eine Partei wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung materiellrechtli­ che Erstattungsansprüche geltend machen kann. Die Idee solcher Schadenser­ satzansprüche ist ein Kind des anglo-amerikanischen Rechts. Denn bestimmte Besonderheiten des common law-Rechtskreises haben die Möglichkeit, Scha­ densersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu gewäh­ ren, begünstigt. Gerichtsstandsvereinbarungen werden im anglo-amerikani­ schen Recht nicht als Verträge, welche die gerichtlichen Zuständigkeiten auto­ matisch beseitigen oder begründen, verstanden. Dagegen wird der vertragliche Charakter einer Gerichtsstandsvereinbarung in den Vordergrund gestellt. Nach der non ouster-Doktrin ist die Gerichtsstandsvereinbarung als vertragliches Versprechen zwischen den Parteien nicht dazu geeignet, in die Zuständigkeits­ ordnung einzugreifen. Sie ist aber – nach den jüngeren Entwicklungen sowohl in den USA als auch in England – von den Gerichten zu beachten, wenn nicht vernünftige Erwägungen dagegen sprechen. Diese Einordnung der Zuständig­ keitsvereinbarung als „normalen“ schuldrechtlichen Vertrag hat zur Folge, dass vertragliche Schadensersatzansprüche bei einer Vertragsverletzung recht nahe­ liegend sind. Hinzukommt, dass Schadensersatz im anglo-amerikanischen Recht grundsätzlich verschuldensunabhängig ist, außerdem handelt es sich beim Schadensersatz im common law grundsätzlich um den primärem Rechts­ behelf, sodass der Erlass einer anti-suit injunction eigentlich als subsidiär aus­ scheiden muss, wenn auch ein Schadensersatzanspruch möglich ist. In England wurde in den letzten Jahren in mehreren Entscheidungen Scha­ densersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinba­ rung gewährt. Auch im Schrifttum begrüßt man diese Möglichkeit überwie­ gend. Sogar die Vereinbarkeit eines solchen Schadensersatzanspruchs mit der EuGVVO wurde von den englischen Gerichten bejaht. Einige Aspekte sind aber auch in England noch ungeklärt. Insbesondere hatten sich die englischen Ge­ richte bislang noch nicht damit auseinanderzusetzen, ob auch Schadensersatz gewährt werden kann, weil die vertragsbrüchige Partei aus einer Sachentschei­ dung des forum derogatum die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der red­

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Teil III:  Schadensersatz vor deutschen Gerichten

lichen Partei betrieben hat. Die Einzelheiten der Schadensersatzhaftung sind von den englischen Gerichten also in der Zukunft noch zu klären, anerkannt dürfte die grundsätzliche Möglichkeit aber mittlerweile sein. Dasselbe gilt für die USA: Hier existieren zwar erst wenige Entscheidungen, in denen Schadens­ ersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarung gewährt wurde. Man darf wohl aber davon ausgehen, dass sich diese Rechtspra­ xis in den USA etabliert hat, auch wenn einzelne Aspekte noch von Rechtspre­ chung und Schrifttum zu klären sein werden. Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung wurde außerdem bereits in Australien gewährt. Aus anderen Staaten liegen Ge­ richtsentscheidungen vor, die darauf hindeuten, dass die Rechtsprechung dieser Praxis jedenfalls aufgeschlossen gegenübersteht. Teilweise findet auch eine ver­ tiefte Diskussion in der rechtswissenschaftlichen Literatur statt. Besonders be­ merkenswert sind aber zwei Entscheidungen des spanischen Tribunal Supremo, weil in diesen Fällen vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung zum ersten Mal von einem Gericht in einem civil law-Staat, dessen Rechtstradition keine Prozessführungsverbote und kein right not to be sued abroad kennt, anerkannt worden sind. Insgesamt befinden sich die untersuchten Schadensersatzansprüche noch in der Entwick­ lung. Ob sie sich weltweit etablieren werden, bleibt noch abzuwarten. In Teil III der Arbeit wurde schließlich die Frage untersucht, ob auch ein deut­ sches Gericht Schadensersatz gewähren kann, wenn eine Partei entgegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerich­ te ein Verfahren im Ausland eingeleitet hat. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist weit auszulegen und erfasst auch die Zu­ ständigkeit des gewählten Gerichts, über Sekundäransprüche aus der Gerichts­ standsvereinbarung zu entscheiden. Auch die übrigen Zulässigkeitsvorausset­ zungen für eine Klage im deutschen forum prorogatum sind im Regelfall er­ füllt. Hat das ausländische Gericht eine Sachentscheidung getroffen, steht sie mangels Anerkennungsfähigkeit wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO der Zulässigkeit der Schadensersatzklage nicht als res iudicata entgegen. Allerdings kann in Einzelfällen eine anerkennungsfähige Kostenentscheidung dem Schadenser­ satzprozess entgegenstehen, wenn sie als abschließend, d. h. mögliche materiell­ rechtliche Ansprüche ausschließend, zu verstehen ist. Auch das Rechtsschutz­ bedürfnis für die Schadensersatzklage fehlt grundsätzlich nur dann, wenn sich die abredewidrig im Ausland verklagte Partei rügelos auf das Verfahren einge­ lassen hat und das ausländische Recht keine unangemessen hohen Anforderun­ gen an eine Zuständigkeitsrüge stellt. Der vertragliche Schadensersatzanspruch unterliegt dem auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren Recht. Nach

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der hier vertretenen Auffassung handelt es sich dabei nach Art.  25 Abs.  1 S.  1 EuGVVO n. F. i. V. m. Erwägungsgrund (20) zur EuGVVO n. F. i. V. m. Art.  4 Abs.  4 Rom I-VO (analog) um die lex fori prorogati als das Recht der engsten Verbindung. Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte ist also das deutsche materielle Recht anwendbar. Entgegen einer im deutschen Schrifttum weit verbreiteten Ansicht kann sich nach der hier vertretenen Auffassung bei Anwendung des deutschen Rechts aus der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ein Schadensersatzanspruch gemäß §  280 Abs.  1 BGB ergeben. Eine Einordnung von Gerichtsstandsverein­ barungen als prozessrechtliche Verfügungsverträge, die keine bindenden Ver­ pflichtungswirkungen entfalten, wird den Parteiinteressen nicht gerecht und ist auch dogmatisch nicht einleuchtend. Mit dem Abschluss der Gerichtsstandsver­ einbarung geben die Parteien einander das bindende Versprechen ab, keine Kla­ ge in einem nicht gewählten Gericht zu erheben. Die Gerichtsstandsvereinba­ rung entfaltet daher prozessuale Unterlassungspflichten, der Auslandskläger begeht also eine Pflichtverletzung i. S. v. §  280 Abs.  1 BGB. Dabei wird die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung von der Vertragswidrigkeit indiziert. Im Handeln gegen den Vertrag liegt der entscheidende Unterschied zu den übrigen Fällen prozessualen Fehlverhaltens, bei denen die Rechtsprechung von der Rechtfertigungswirkung der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens ausgeht. Der Auslandskläger hat die Pflichtverletzung außerdem in aller Regel zu vertreten, weil ihn ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. Der Schadensersatzan­ spruch ist auch nicht wegen der möglichen rechtspolitischen Bedenken, die sol­ chen Prozessen entgegenstehen könnten, ausgeschlossen. Diese Erwägungen mahnen die Gerichte lediglich zu einem maßvollen Umgang mit der Schadens­ ersatzmöglichkeit. Die Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes dürfte in der Praxis die größten Schwierigkeiten bereiten. Dabei ist zwischen den Fällen zu unterschei­ den, in denen das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit verneint hat, und denjenigen, in denen es seine Zuständigkeit bejaht und eine Sachent­ scheidung getroffen hat. Hat das abredewidrig angerufene Gericht keine Ent­ scheidung in der Sache getroffen, sondern das Verfahren ausgesetzt oder die Klage abgewiesen, kann der redlichen Partei dennoch ein sog. prozessualer Schaden entstanden sein. Darunter fallen neben den für die Prozessführung im forum derogatum aufgewendeten Kosten in besonders gelagerten Fällen auch messbare Schäden aufgrund der Verzögerung des Streits oder aufgrund einer Rufschädigung durch das im Ausland anhängige Verfahren sowie Zinsschäden. Hat das abredewidrig angerufene Gericht dagegen eine Sachentscheidung ge­ troffen, kann die redliche Partei zusätzlich einen sog. materiellen Schaden erlit­ ten haben, wenn die Entscheidung zu ihren Lasten ausgefallen ist, die andere

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Partei daraus die Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen betrieben hat und ein hypothetisches Verfahren im forum prorogatum aller Wahrscheinlichkeit nach einen für sie günstigeren Ausgang genommen hätte. Auch dieser sog. materielle Schaden ist nach der hier vertretenen Ansicht ersetzbar. Eine deutsche Schadensersatz gewährende Entscheidung verfügt aber nur über begrenzte Anerkennungs- und Vollstreckungsaussichten in einem Dritt­ staat. Hat das im Ausland abredewidrig angerufene Gericht die Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte für wirksam und bindend be­ funden und seine Zuständigkeit deshalb verneint, sind die Anerkennungsaus­ sichten der deutschen Schadensersatzentscheidung im Ausland einigermaßen hoch. Wenn das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit jedoch bejaht und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, ist es dagegen sehr unwahrscheinlich, dass eine deutsche Schadensersatzentscheidung in diesem Staat anerkannt und vollstreckt werden kann. Die Anerkennungschancen in ei­ nem unbeteiligten Drittstaat sind etwas höher und hängen in solchen Fällen u. a. davon ab, ob die Entscheidung des abredewidrig angerufenen Erstgerichts in diesem Drittstaat anerkennungsfähig ist. Generell kann aber davon ausgegan­ gen werden, dass eine Schadensersatzentscheidung, die Ersatz des sog. materi­ ellen Schadens gewährt, indem sie die Sachentscheidung des forum derogatum faktisch umkehrt, über sehr geringe Aussichten auf Anerkennung und Vollstre­ ckung im Ausland verfügt. Neben vertraglichen Schadensersatzansprüchen kommen theoretisch auch deliktische Schadensersatzansprüche und bereicherungsrechtliche Ansprüche in Betracht. Das gewählte Gericht ist auch für die Entscheidung über diese An­ sprüche zuständig. Ebenfalls unterliegen auch diese Ansprüche wegen Art.  4 Abs.  1 (hilfsweise Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO) und Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO der lex fori prorogati, bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deut­ schen Gerichte also dem deutschen Recht. Die Verletzung einer Gerichtsstands­ vereinbarung ist aber höchstens in Ausnahmefällen dazu geeignet, deliktische Ansprüche zu begründen. Ein bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsan­ spruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB (Eingriffskondiktion) kann bestehen, wenn das forum derogatum eine Sachentscheidung zulasten der nicht vertrags­ brüchigen Partei getroffen und der Auslandskläger daraus die Zwangsvollstre­ ckung betrieben hat, weil die Entscheidung mangels Anerkennungsfähigkeit im Inland wegen §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen bildet. Dem Anspruch steht aber der dolo agit-Einwand entgegen, wenn ein hy­ pothetisches Verfahren im forum prorogatum mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Sachentscheidung annähernd gleichen Inhalts seinen Abschluss gefunden hätte. Weil solche bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsklagen allerdings die zwischenstaatlichen Beziehungen belasten können, sollten sie auf Ausnah­

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mefälle zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit beschränkt bleiben. Das Rückforderungsurteil wird außerdem über ähnlich geringe Anerkennungs- und Vollstreckungsaussichten im Ausland verfügen, wie eine Entscheidung, die Er­ satz des sog. materiellen Schadens gewährt. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EuGVVO sind die Wertun­ gen der Verordnung, insbesondere der zwischen den Mitgliedstaaten geltende Vertrauensgrundsatz, zu beachten. Allerdings ergibt sich aus der Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 und 3 EuGVVO n. F., dass auch der Gesetzgeber eine Durch­ brechung des Prioritäts- und Vertrauensgrundsatzes zum Schutz von Gerichts­ standsvereinbarungen für gerechtfertigt hält. Tatbestandlich können im Mit­ gliedstaatenverhältnis Schadensersatzansprüche unter den gleichen Vorausset­ zungen bestehen wie im Verhältnis gegenüber Drittstaaten. Die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung begründet also auch im Mitgliedstaatenver­ hältnis grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch aus §  280 Abs.  1 BGB. Al­ lerdings ist bei der Frage nach der Ersatzfähigkeit der einzelnen Schadenspos­ ten zu differenzieren: Hat das abredewidrig angerufene Gericht eines Mitglied­ staats seine Zuständigkeit verneint und kein Verfahren in der Sache durchgeführt, darf das gewählte Gericht Schadensersatz für den der anderen Partei entstande­ nen sog. prozessualen Schaden gewähren. Und auch, wenn sich das abredewid­ rig angerufene Gericht für zuständig erklärt und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, darf das gewählte Gericht nach der hier vertretenen Auffassung Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden gewähren. Das Schadensersatz gewährende Gericht ist nicht an die Zuständigkeitsentscheidung des Erstgerichts gebunden und verletzt, anders als beim Erlass eines Prozess­ führungsverbots, nicht den Vertrauensgrundsatz. Dagegen steht der Ersatz­ fähigkeit des sog. materiellen Schadens der europäische effet utile in Verbin­ dung mit den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO – namentlich dem Ver­ bot, die Zuständigkeit des Erstgerichts zu prüfen, und dem Verbot der révision au fond – entgegen. Die Pflicht zur Anerkennung der Sachentscheidung des f­orum derogatum würde nämlich unterlaufen, wenn das gewählte Gericht die Sachentscheidung im Wege des Schadensersatzes faktisch umkehren dürfte. Schließlich scheiden bereicherungsrechtliche Rückerstattungsansprüche wegen der Anerkennungsfähigkeit der Sachentscheidung des derogierten Gerichts be­ reits tatbestandlich aus, weil ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen besteht. Im Übrigen stehen solchen Ansprüchen ebenfalls der effet utile in Verbindung mit den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO entgegen. Das HGÜ schützt Gerichtsstandsvereinbarungen wirksam, sodass – wie auch unter Geltung der revidierten EuGVVO – nur ein eingeschränktes Bedürfnis nach Schadensersatzansprüchen besteht. Deren Zulässigkeit ergibt sich nicht aus dem HGÜ selbst, sondern richtet sich nach nationalem bzw. sonst anwend­

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barem international vereinheitlichtem Recht. Es lassen sich auch keine Grund­ prinzipien aus dem HGÜ ableiten, die der Zulässigkeit solcher Schadensersatz­ ansprüche entgegenstehen könnten, insbesondere basiert das Übereinkommen nicht auf einem Grundsatz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Vertrags­ staaten. An der Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Verletzung einer Ge­ richtsstandsvereinbarung verlangen zu können, dürfte sich durch das HGÜ also nichts ändern. Dafür stärkt das HGÜ aber auch nicht die Anerkennungsaussich­ ten einer Schadensersatzentscheidung des gewählten Gerichts, weil den Gerich­ ten der anderen Vertragsstaaten über Art.  9 HGÜ im Grunde dieselben Aner­ kennungsversagungsgründe zur Verfügung stehen, die ihnen auch bei Anwen­ dung des nationalen Rechts dabei helfen können, eine Schadensersatz gewährende ausländische Entscheidung an der Einreise zu hindern. Unter Zugrundelegung der gefundenen Ergebnisse ergeben sich für die Fallbei­ spiele aus §  10 dieser Arbeit folgende Kurzlösungen: Im Fallbeispiel 1, Variante 1, ist das LG Mainz für die Entscheidung über eine Schadensersatzklage des „Redlich“ gegen den „Brüchig“ zuständig. Lediglich wenn das New Yorker Gericht eine Kostenentscheidung getroffen hat und sich aus dieser ergibt, dass ihr eine abschließende, etwaige materiellrechtliche Ansprüche verdrängende Wirkung zukommt, kann sie der Zulässigkeit des Schadensersatzprozesses als res iudicata entgegenstehen. Eine solche Kostenentscheidung ist für die US-amerikanischen Gerichte aber untypisch, weil die Kosten dort nach der American rule of costs verteilt werden. „Redlich“ fehlt außerdem auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Schadensersatzklage, wenn er sich nicht rügelos auf das Verfahren in New York eingelassen hat. Die möglichen Ansprüche des „Redlich“ unterliegen dem deutschen Recht als dem Recht, mit dem die Gerichtsstandsvereinbarung am engsten verbunden ist. Danach besteht ein Anspruch aus §  280 Abs.  1 BGB auf Ersatz des sog. prozessualen Schadens. Ersetzbar sind grundsätzlich alle Kosten, die „Redlich“ zur Verteidigung in New York aufgewendet hat, zu deren Ausgabe er sich auch herausgefordert fühlen durfte, deren Ersatz er nicht bereits über eine Kostenentscheidung aus New York erhalten hat und die er bei hypothetischer Betrachtung nicht auch zu tragen gehabt hätte, wenn das Verfahren im LG Mainz stattgefunden hätte. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, ob „Redlich“ seiner Schadensminderungsobliegenheit aus §  254 Abs.  2 Var. 3 BGB nachgekommen ist. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände eher unwahrscheinlich. Bereicherungsrechtliche Ansprüche scheiden in dieser Konstellation aus, weil „Brüchig“ mangels Sachentscheidung des gewählten Gerichts nichts erlangt hat. Die An-

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erkennungsaussichten der Entscheidung des LG Mainz in New York und in anderen Staaten sind schwer zu bestimmen, eine Anerkennung ist aber jedenfalls nicht vollkommen unwahrscheinlich. Für das Fallbeispiel 1, Variante 2, gelten zunächst dieselben Grundsätze. „Redlich“ kann vor dem LG Mainz Ersatz des ihm entstandenen sog. prozessualen Schadens aus §  280 Abs.  1 BGB verlangen. Weil die Sachentscheidung des New Yorker Gerichts in Deutschland nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht anerkennungsfähig ist, steht sie der Zulässigkeit der Schadensersatzklage auch nicht als res iudicata entgegen. Hat „Brüchig“ außerdem die Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung betrieben, kann „Redlich“ zusätzlich Ersatz des sog. materiellen Schadens verlangen, wenn ein hypothetisches Verfahren im LG Mainz nicht ebenfalls zu seinen Lasten ausgegangen wäre. Unter den gleichen Voraussetzungen besteht auch ein Anspruch des „Redlich“ gegen „Brüchig“ aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB (Eingriffskondiktion). Soweit das LG Mainz Ersatz des sog. materiellen Schadens gewährt oder „Brüchig“ zu einer bereicherungsrechtlichen Rückerstattung verurteilt, genießt seine Entscheidung aber nur geringe Anerkennungs- und Vollstreckungsaussichten im Ausland, insbesondere in dem Staat des forum derogatum. Auch im Fallbeispiel 2, Variante 1, kann „Redlich“ von „Brüchig“ vor dem LG Mainz einen Anspruch aus §  280 Abs.  1 BGB auf Ersatz des sog. prozessualen Schadens einklagen. Die Frage nach einer Verletzung des Vertrauensgrundsatzes ist unproblematisch zu verneinen, denn das LG Mainz schließt sich der Entscheidung des italienischen Gerichts über dessen Unzuständigkeit letztlich nur an. Allerdings kann in Einzelfällen eine Kostenentscheidung des italienischen Gerichts der Zulässigkeit der Schadensersatzklage entgegenstehen, wenn die Kostenentscheidung als abschließend, d. h. mögliche materiellrechtliche Ansprüche verdrängend, zu verstehen ist. Die Anerkennung der Entscheidung des LG Mainz in Italien und in den anderen EuGVVO-Mitgliedstaaten richtet sich nach den Art.  45 ff. EuGVVO n. F. Grundsätzlich bestehen in diesem Fall gute Anerkennungsaussichten. Ebenso darf das LG Mainz nach der hier vertretenen Auffassung im Fallbeispiel 2, Variante 2, dem „Redlich“ Schadensersatz in Bezug auf den ihm entstandenen sog. prozessualen Schaden zusprechen. Das LG Mainz ist nicht an die Entscheidung des italienischen Gerichts über dessen Zuständigkeit gebunden, sondern darf frei über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung und das Vorliegen einer Pflichtverletzung entscheiden. Auch steht der Gewährung von Schadensersatz in Bezug auf den sog. prozessualen Schaden nicht der

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Vertrauensgrundsatz entgegen. Denn das LG Mainz bewertet nicht das Verfahren oder die Zuständigkeitsentscheidung in Italien, sondern knüpft den Schadensersatz allein an die in der Klageerhebung in Italien liegende Pflichtverletzung des „Brüchig“. Auch greift es nicht in das Verfahren in Italien ein, weil sich das Schadensersatzverfahren erst an das abgeschlossene italienische Verfahren anschließt. Und schließlich sieht die revidierte EuGVVO in ihrem Art.  31 Abs.  2 und 3 selbst vor, dass das in der Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht mit Wirkung für alle anderen mitgliedstaatlichen Gerichte über die Wirksamkeit der Vereinbarung und seine Zuständigkeit entscheiden darf. Das LG Mainz darf dagegen keinen Ersatz für den sog. materiellen Schaden gewähren. Dessen Ersatzfähigkeit steht der europarechtliche Grundsatz des effet utile in Verbindung mit den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO entgegen. Eine bereicherungsrechtliche Rückerstattung scheidet bereits tatbestandlich aus, weil die italienische Sachentscheidung anzuerkennen ist und einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen bildet. Bereicherungsrechtlichen Ansprüchen steht außerdem ebenfalls der effet utile in Verbindung mit den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO entgegen. Die Anerkennungsaussichten einer Entscheidung, die lediglich Ersatz des sog. prozessualen Schadens gewährt, sind schwer einschätzbar, im Grunde sollte die Entscheidung aber in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Gewährt das LG Mainz dagegen Ersatz des sog. materiellen Schadens oder bejaht es einen bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch, wäre seiner Entscheidung in Italien und in den anderen Mitgliedstaaten die Anerkennung zu versagen. Das Fallbeispiel 3 unterscheidet sich im Grunde nicht vom Fallbeispiel 1. Auch wenn die Gerichtsstandsvereinbarung dem HGÜ unterliegt und die beteiligten Staaten Vertragsstaaten des HGÜ sind, darf das gewählte Gericht Schadensersatz oder bereicherungsrechtlichen Ausgleich wegen einer Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung gewähren. In Variante 1 kann „Redlich“ also Ersatz des sog. prozessualen Schadens aus §  280 Abs.  1 BGB vor dem LG Mainz verlangen, in Variante 2 u. U. zusätzlich Ersatz des sog. materiellen Schadens und eine Rückerstattung nach Bereicherungsrecht. Die Anerkennung der Entscheidung des LG Mainz richtet sich in New York und den übrigen HGÜ-Vertragsstaaten nach den Art.  8 ff. HGÜ. Dadurch steigen die Anerkennungschancen aber im Vergleich zum Fallbeispiel 1 nicht merklich, weil das HGÜ in Art.  9 ähnliche Anerkennungsversagungsgründe enthält, wie das US-amerikanische Recht (und ebenfalls die meisten anderen Rechtsordnungen).

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Register A/S D/S Svendborg v. Akar (England) 296 ff. adversary system 136 ff. AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen 76 f., 333 f., 493 Airbus Industrie GIE v. Patel (England) 238 ff. ALI Draft Statute 255, 531 ff., siehe auch Anerkennung ausländischer Entschei­ dungen (USA) Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd (USA) 329 allgemeines Persönlichkeitsrecht 560 ff. Allianz SpA u. a./West Tankers Inc., siehe West Tankers-Rechtsprechung (England und EuGH) American rule of costs 109 f., 140 ff., 192 ff. Anarchie der Zuständigkeiten 30 ff. anderweitige Rechtshängigkeit 198 ff., 130 ff., siehe auch EuGVVO (Rechtshän­ gigkeitsregeln) und Prioritätsprinzip Anerkennung ausländischer Entscheidun­ gen – Anerkennungsverweigerung 262 ff. – bereicherungsrechtliche Rückforderungs­ klagen 589 ff. – effet utile 633 ff. – EuGVVO 263 f., 605 ff., 641 ff. – HGÜ 256 ff., 655 ff., 663 ff. – Kostenentscheidung 370 ff., 611 ff. – Rechtsgrund zum Behaltendürfen bei fehlender Anerkennungsfähigkeit 578 ff. – Verweigerung der Anerkennung von Entscheidungen, die Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichts­ standsvereinbarung gewähren 530 ff., 588 f., 641 ff. – Spiegelbildprinzip, siehe Spiegelbildprin­ zip

– USA 253 ff., 530 ff. anti suit-injunctions, siehe Prozessfüh­ rungsverbote australisches Recht 340 ff. Atlantic Marine Construction v. U.S. District Court for the Western District of Texas (USA) 173 f. Ball v. Versar, Inc. (USA) 330 Benincasa/Dentalkit Srl (EuGH) 57, 66 ff. belgisches Recht 348 ff. bereicherungsrechtliche Rückforderungs­ klagen 571 ff., 638 f. Bremen v. Zapata (USA) 163 f. Caribbean Wholesales & Service Corp. v. United States JVC Corp. (USA) 328 f. Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute (USA) 164 f. Castanho-Rechtsprechung (England und USA) 143 f. class actions 145 f. claw back statutes 276 f., 572, siehe auch bereicherungsrechtliche Rückforderungs­ klagen CMA v. Hyunday (England) 306 ff. Colorado River Conservation District v. United States (USA) 199 comitas 238 ff., 251 ff., 523 ff. contingency fees, siehe Erfolgshonorar Cornerstone Brands, Inc. v. O’Steen (USA) 330 f. De Wolf/Cox (EuGH) 618 ff. deliktische Ansprüche wegen der Verlet­ zung einer Gerichtsstandsvereinbarung 555 ff. Differenzhypothese 506 ff. discovery 137 ff.

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Register

diversity jurisdiction 153, 175 ff. doing-business jurisdiction 32 f., 156 f. Donohue v. Armco Inc. & others (England) 292 ff. Eingriffsnormen 59 f., 78 ff. einstweiliger Rechtsschutz 206 ff. El Amira (England) 279 f. El Paso Natural Gas Co. v. TransAmerican Natural Gas Corp. (USA) 327 Ellerman Lines Ltd. v. Read (England) 287 f. EMRK 92 f., 209 englisches Recht 285 ff. Erfolgshonorar 142 ff. Erich Gasser GmbH/MISAT Srl (EuGH), siehe Gasser/MISAT (EuGH) Erie-Doktrin 175 ff. Erwägungsgrund (12) zur EuGVVO n.F. 121 ff. Erwägungsgrund (20) zur EuGVVO n.F. 73 ff., 384 ff., siehe auch Prorogationssta­ tut EuGVVO – alter und neuer Fassung 16 f. – Anerkennungsregeln 263 f., 605 ff., 641 ff. – Anwendungsbereich des Art. 25 EuGVVO n.F. 15 f. – Ermessen 39 f. – Prioritätsprinzip, siehe EuGVVO (Rechtshängigkeitsregeln) – prozessuale Besonderheiten 599 ff. – Rechtshängigkeitsregeln 83 ff., 198 ff., 601 ff. – Revision 94 ff., 119 f., 225 f., 596 ff. exorbitante Gerichtsstände 30 ff. Fallbeispiele 363 f., 674 ff. federal transfer 159, 174, 652 Feststellungsklagen zur Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung – im Verhältnis zu Drittstaaten 244 ff. – im Verhältnis zwischen EuGVVO-Mit­ gliedstaaten 258 ff. Formanforderungen nach Art. 25 EuGVVO n.F. 67 ff.

forum non conveniens-Doktrin 36 ff., 170 ff., 561 ff. forum shopping – Bewertung und Zusammenhang mit Gerichtsstandsvereinbarungen 50 ff. – Heimvorteil 47 – Schiedsgerichte 48 ff. – Überblick 43 ff. – USA 135 ff. französisches Recht 351 ff. full faith and credit 154, 254, 532 Gary Wells v. Entre Computer Centers, Inc. (USA) 326 f. Gasser/MISAT (EuGH) 90 ff. Gazprom (EuGH) 228 Gerichtsstandsvereinbarungen – Anerkennung der Derogation 56 ff. – anwendbares Recht, siehe Prorogations­ statut – asymmetrische 13 – ausschließliche 13 – Ermessen 62 f., 277 ff. – EuGVVO 66 ff. – Formanforderungen nach der EuGVVO, siehe Formanforderungen nach Art. 25 EuGVVO n.F. – halbseitige 13 – HGÜ 649 ff. – innerdeutsche nach § 38 ZPO 3 – Motive für den Abschluss 41 ff. – Motive für die Verletzung 53 ff. – ordre public-Kontrolle 59 f., 78 ff. – USA 157 f., 160 ff. – Verletzung (Definition) 13 Gothaer Allgemeine Versicherung/Samskip (EuGH) 259 ff., 607 ff., 629 ff. Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo (EuGH) 85, 601 HGÜ – Anerkennung ausländischer Entschei­ dungen 256 ff., 655 ff., 663 ff. – Anwendungsbereich 646 ff. – Entstehungsgeschichte 643 ff. – Prozessführungsverbote 659 ff. – Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung 659 ff.

Register – Vergleich mit der EuGVVO 657 ff. – Verhältnis zur EuGVVO 647 ff. – wesentliche Bestimmungen 649 ff. Hilton v. Guyot (USA) 255 In the matter of the „Alexandros T“ (England) 300 ff. Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank (USA) 330 Ingmar (EuGH) 60 f. Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstands­ vereinbarungen 76 f. international comity, siehe comitas International Shoe Co. v. Washington (USA) 155 internationale Zuständigkeit für das Schadensersatzverfahren 366 ff., 544 ff. Italian Torpedo, siehe Torpedo-Klagen japanisches Recht 354 ff. jury trial 139 Kernpunkttheorie 84 f. Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei, siehe Unterliegensprinzip Laboratory Corp. of America, Inc. v. Upstate Testing Laboratory, Inc. (USA) 328 Laker-Rechtsprechung (England und USA) 222 f. law shopping through forum shopping 45 f. lex fori-Grundsatz 44 lex fori prorogati, siehe Prorogationsstatut lis (alibi) pendens, siehe EuGVVO (Rechtshängigkeitsregeln) und Prioritäts­ prinzip long-arm statutes 31 ff., 155 f. M/S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co. (USA), siehe Bremen v. Zapata (USA) Mantovani v. Carapelli SpA (England) 304 ff. Masiongale Electrical-Mechanical, Inc. v. Construction One, Inc. (USA) 330 materielle Aspekte der Gerichtsstandsver­ einbarung, siehe Prorogationsstatut

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Mediationsvereinbarungen 310 f., 336, 460 minimum contacts 32 f., 155 Missbrauchskontrolle von Gerichtsstands­ vereinbarungen, siehe Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen und Gerichtsstandsvereinbarungen (ordre public-Kontrolle) und Schiedsvereinba­ rungen (ordre public-Kontrolle) National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland (No. 1) (England) 299 negative Feststellungsklagen 83 ff., siehe auch Torpedo-Klagen negative Kompetenzkonflikte 33 non ouster-Doktrin 160 ff., 277 ff. Northwestern National Insurance Co. v. Donovan (USA) 328 Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co. (USA) 160 f., 325 Omron Healthcare, Inc. v. MacLaren Exports Ltd (USA) 327 ordre public, siehe Gerichtsstandsvereinba­ rungen (ordre public-Kontrolle) und Schiedsvereinbarungen (ordre pub­ lic-Kontrolle) Owusu/Jackson (EuGH) 38 ff., 77 f. Parallele Klage vor dem gewählten Gericht 198 ff., siehe auch anderweitige Rechtshängigkeit und EuGVVO (Rechtshängigkeitsregeln) und Prioritäts­ prinzip Payton v. Hurst Eye, Ear, Nose & Throat Hospital (USA) 331 personal jurisdiction 154 ff. Petereit (EuGH) 72 Pflichtverletzung 400 ff. positive Kompetenzkonflikte 30 ff. Powell Duffryn plc/Wolfgang Petereit (EuGH), siehe Petereit (EuGH) pre-trial discovery, siehe discovery Prioritätsprinzip 83 ff., 94 ff., 102 ff., 130 ff., siehe auch anderweitige Rechtshängig­ keit und EuGVVO (Rechtshängigkeitsre­ geln) Prorogationsstatut 69 ff., 382 ff.

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Prozessführungsverbote – Anerkennung in Frankreich 351 ff. – anti-anti-suit injunctions 222 f. – comitas 238 ff. – England 214 ff. – EuGVVO 117 f, 223 ff., 233 ff., 614 ff. – gegenüber Klägern vor drittstaatlichen Gerichten 230 ff. – HGÜ 659 ff. – Schiedsgerichtsbarkeit 117 f., 226 ff. – USA 219 ff. prozessualer Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO 4, 111 f. punitive damages 145 f. reasonableness-Doktrin 163 ff. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 557 ff. Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens 472 ff., siehe auch Rechtswidrigkeit der Klage im derogierten Forum Rechtsgrund zum Behaltendürfen bei fehlender Anerkennungsfähigkeit 578 ff. Rechtsschutzbedürfnis für die Schadenser­ satzklage 377 ff. Rechtsvereinheitlichung (Überblick) 28 ff. Rechtswahlvereinbarungen 457 ff. Rechtswidrigkeit der Klage im derogierten Forum 471 ff. Red Cross Line v. Atlantic Fruit Co. (USA) 331 Refcomp (EuGH) 71 removal 154 res iudicata-Einwand 369 ff., 605 ff. right not to be sued abroad 231 ff., 281 ff., 352, siehe auch Verpflichtungswirkun­ gen von Gerichtsstandsvereinbarungen Röhm Enzyme (Belgien) 348 ff. rügelose Einlassung – EuGVVO 80 f., 205 – Rechtsschutzbedürfnis für die Schadens­ ersatzklage 374 ff., 377 ff. – res iudicata-Einwand 374 ff. – USA 195, 205 Schadensersatz wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung

– anglo-amerikanisches Recht 276 ff. – anwendbares Recht 382 ff., 546 ff., siehe auch Prorogationsstatut – australisches Recht 340 ff. – belgisches Recht 348 ff. – bereicherungsrechtliche Ansprüche 571 ff., 638 f. – deliktische Ansprüche 555 ff. – Durchsetzung der Entscheidung im Ausland 530 ff., 588 ff., 641 ff., 663 ff. – englisches Recht 285 ff. – EuGVVO 300 ff., 599 ff. – Gewährung durch das forum derogatum 376 f. – HGÜ 659 ff. – internationale Zuständigkeit für das Schadensersatzverfahren 366 ff., 544 ff. – japanisches Recht 354 ff. – Pflichtverletzung 400 ff., siehe auch Verpflichtungswirkungen von Gerichts­ standsvereinbarungen – rechtspolitische Erwägungen 496 ff., 523 ff. – Rechtsschutzbedürfnis für die Klage 377 ff. – Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung 471 ff. – res iudicata-Einwand 369 ff., 605 ff. – schweizerisches Recht 353 ff. – spanisches Recht 342 ff. – Umfang des Schadens 503 ff., 620 ff. – US-amerikanisches Recht 323 ff. – Vergleich mit Prozessführungsverboten 496 ff., 526 ff., 614 ff., 623 ff. – Vertretenmüssen 485 ff. Schadensersatz wegen der Verletzung einer Rechtswahlvereinbarung 457 ff. Schadensminderungsobliegenheit 517 ff., 650 f. Schiedsvereinbarungen – EuGVVO 114 ff. – Motive für den Abschluss 48 ff. – ordre public-Kontrolle 61 f. – Schadensersatz wegen ihrer Verletzung 19 ff., 303 ff., 331, 459 ff. – USA 185 ff. Schutzgesetze 562 ff.

Register Schutzmechanismen gegen Klagen im forum derogatum 197 ff. schweizerisches Recht 353 ff. separability-Doktrin 57, 66 f. spanisches Recht 342 ff. Spiegelbildprinzip 34 ff., 131 ff., 264 ff., 372 ff. Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp. (USA) 171 Strafschadensersatz, siehe punitive damages subject matter jurisdiction 152 ff. Sunrock Aircraft Corporation Ltd v. Scandinavian Airlines System Den­ mark-Norway-Sweden (England) 298 f. The Eleftheria (England) 279 The Tatry (EuGH) 83 ff. Torpedo-Klagen 55, 83 ff., 130 ff. transient-presence rule 32 f., 156 Trasporti Castelletti Spedizioni Internazio­ nali SpA/Hugo Trumpy SpA (EuGH) 78 f. treble damages 145 f. Turner (EuGH) 223 ff. Umfang des Schadens 503 ff., 620 ff. umgekehrte Torpedo-Klagen 98 ff. Union Discount Co. Ltd. v. Robert Zoller and others (England) 289 ff. Unterliegensprinzip 108 ff. US-amerikanisches Recht 129 ff., 323 ff.

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venue 159 Vergleich als Verfahrensbeendigung – Rechtsschutzbedürfnis für die Schadens­ ersatzklage 381 – res iudicata-Einwand 375 f. – Vergleichsquote in den USA 139 f. Verpflichtungswirkungen von Gerichts­ standsvereinbarungen 281 ff., 402 ff., siehe auch right not to be sued abroad vertragliche Absicherung von Gerichts­ standsvereinbarungen 325, 400 ff. Vertrauensgrundsatz 90 ff., 223 ff., 602 ff., 614 ff., 623 ff. Vertretenmüssen der Klage im derogierten Forum 485 ff. Verweigerung der Anerkennung 262 ff. Verzögerungstaktik, siehe Torpedo-Klagen vorsätzliche sittenwidrige Schädigung 564 ff. Vorteilsausgleichung 515 ff. West Tankers-Rechtsprechung (England und EuGH) 117 f., 226 ff., 308 ff. Zuständigkeit für das Schadensersatzver­ fahren wegen der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung 366 ff., 544 ff. Zuständigkeitsrüge 204 ff. Zuständigkeitssystem der USA 150 ff. Zustellungsverhinderung 203 ff.