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German Pages 288 [311] Year 2019
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 412 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann
Marlene Brosch
Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung im internationalen Familien- und Erbrecht der EU
Mohr Siebeck
Marlene Brosch, geboren 1992; Studium der Rechtswissenschaften und der Romanistik in Graz und Bologna; Praktikum bei UNIDROIT in Rom; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht der Karl-FranzensUniversität Graz; 2018 Promotion und Gerichtspraxis am Oberlandesgericht Graz; seit Februar 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law.
Publiziert mit Unterstützung der Universität Graz. ISBN 978-3-16-156273-0 / eISBN 978-3-16-156274-7 DOI 10.1628/978-3-16-156274-7 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Times gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jänner 2018 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im November 2017 abgeschlossen; nach diesem Zeitpunkt veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung konnten mehrheitlich bis Ende Juni 2018 berücksichtigt werden. Großen Dank möchte ich an all jene richten, die mich bei der Erarbeitung und Fertigstellung dieser Arbeit in verschiedener Weise unterstützt haben. Allen voran bedanke ich mich bei meiner Erstbetreuerin Univ.-Prof. Dr. Brigitta Lurger, LL.M. (Harvard) für den Anstoß zum Dissertationsthema sowie die lehrreiche und persönlich äußerst angenehme Tätigkeit als Universitätsassistentin an ihrem Lehrstuhl. Ihr habe ich es zu verdanken, dass mein Forschungsinteresse am internationalen Privat- und Verfahrensrecht geweckt und gefördert wurde. Für die Übernahme der Zweitbetreuung danke ich em. Univ.-Prof. MMag. Dr. Daphne-Ariane Simotta. Mit ihren kritischen und wertvollen Anmerkungen hat sie die Entstehung dieser Arbeit vom Exposé bis zur vorliegenden Endfassung begleitet. Für die hilfreichen Denkanstöße danke ich besonders auch Ass. Prof. Dr. Martina Melcher, MJur (Oxon). Den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg danke ich für die Aufnahme meiner Dissertation in die Schriftenreihe sowie für die Ermöglichung eines Forschungsaufenthaltes am Institut von Oktober 2016 bis Juni 2017. Für die Finanzierung dieses Forschungsaufenthalts mit einem Marietta-Blau-Stipendium (aus Mitteln des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) danke ich der OeaD-GmbH sowie der Heinrich Graf Hardegg’schen Stiftung für die Zuerkennung eines Dissertationsförderpreises. Weiters danke ich dem Land Steiermark und der Universität Graz für die großzügige Beteiligung an den Druckkosten. Meinen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Zivilrecht, ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Graz, von denen ich in freundschaftlicher Verbundenheit Valentina Köllich, Bianca Merz und Jessica Moser hervorheben möchte, danke ich für die immer in Erinnerung bleibende Zeit inner- und außerhalb des Instituts. Mein herzlicher Dank geht auch an Thomas für den Zuspruch und die moralische Unterstützung während der herausfordernden Forschungszeit; an
VI
Vorwort
rmanno für die gegenseitige Motivation und geschwisterliche Verbundenheit; E und natürlich an meine Eltern, die mich immer gefördert und unterstützt haben. Ihnen möchte ich die vorliegende Dissertation widmen. Graz, September 2018
Marlene Brosch
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Themenstellung und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Forschungsfragen und methodischer Gang der Untersuchung . . . . . . . . 2
§ 2 Warum Parteiautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Rechtsdogmatische Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Funktionen und Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung im europäischen internationalen Familien- und Erbrecht . . . . . . . 15 A. Unterhaltsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rom III‑Verordnung und Brüssel IIa-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Güterrechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Erbrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 57 86 120
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung in den untersuchten Rechtsakten . . . 153 A. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Zulässigkeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die formelle Gültigkeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die materielle Gültigkeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zentrale Erkenntnisse der kontrastiven Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153 153 175 181 185
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Inhaltsübersicht
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR: Reformdiskussion de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 A. Einführung zum Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 B. Mögliche Lösungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
§ 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick . . 257 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Judikaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Themenstellung und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Forschungsfragen und methodischer Gang der Untersuchung . . . . . . . . 2
§ 2 Warum Parteiautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Rechtsdogmatische Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Savigny und das Prinzip der engsten Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Mancini und die materiellrechtliche Begründung der Parteiautonomie . . . . 7 III. Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
B. Funktionen und Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I. Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit, Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz der schwächeren Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gleichlauf von forum und ius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 10 11 11
C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung im europäischen internationalen Familien- und Erbrecht . . . . . . . 15 A. Unterhaltsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Räumlich-zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Familienverhältnis bzw. eherechtliches Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 16 16 17
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Inhaltsverzeichnis
c) Weitere Abgrenzungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 4 UntVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Überblick über das Zuständigkeitssystem der UntVO . . . . . . . . . . . . . 21 b) Zuständigkeit für den Ehegattenunterhalt (Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO) . 21 c) Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 d) Zuständigkeit des Heimatstaates (Art. 4 Abs. 1 lit. b UntVO) . . . . . . . 25 e) Prorogationsverbot für den Kindesunterhalt (Art. 4 Abs. 3 UntVO) . . . 27 f) Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Rechtswahl (Art. 15 UntVO i. V. m. HUP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Rechtswahl für ein einzelnes Verfahren (Art. 7 HUP) . . . . . . . . . . . . . 31 c) „Generelle“ Rechtswahl (Art. 8 HUP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 d) Rechtswahlverbote (Art. 8 Abs. 3 HUP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Koordinierung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . 35 b) Abgrenzung und Wertungsunterschiede zwischen Art. 7 und Art. 8 HUP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Formelle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Form der Rechtswahl und anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Strengere Formvorschriften im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Materielle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Autonom bestimmbare materielle Gültigkeitsvoraussetzungen . . . . . . 42 b) Weitere materielle Wirksamkeitsaspekte und anzuwendendes Recht . . 43 c) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Angemessenheits- bzw. Missbrauchskontrolle der Gerichtsstandsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Rechtswahl als selbstständiger Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 d) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Rechtswahl . . . . . . . . . . . 52 e) Kollisionsrechtliche Inhaltskontrolle der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . 53 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
B. Rom III‑Verordnung und Brüssel IIa-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Räumlich-zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Inhaltsverzeichnis
XI
2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Fehlen einer Gerichtsstandsvereinbarung in Ehesachen in der Brüssel IIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Klägerwahlrecht (Art. 3 Brüssel IIa-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Kritische Würdigung der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Rechtswahl (Art. 5 Rom III‑VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Rechtswahl und gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 5 Abs. 1 lit. a und b Rom III‑VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Rechtswahl und Staatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III‑VO) 67 d) Wahl der lex fori (Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO) . . . . . . . . . . . . . . . . 68 e) Abschlusszeitpunkt der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Vergleich zwischen Art. 5 Rom III‑VO und Art. 3 Brüssel IIa-VO . . . . . . 71 III. Formelle Gültigkeit der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Rechtswahl vor Gerichtsanrufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Rechtswahl nach Gerichtsanrufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Materielle Gültigkeit der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Materielle Gültigkeit und anzuwendendes Recht (Art. 6 Rom III‑VO) . . 77 2. Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswah? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. „Informierte“ Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Inhaltskontrolle der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
C. Güterrechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Räumlich-zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wählbare Rechtsordnungen in der EheGüVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wählbare Rechtsordnungen in der PaGüVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschlusszeitpunkt der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wirkung der Rechtswahl gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkungen zum Zuständigkeitssystem der EheGüVO und PaGüVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wählbare Gerichtsstände nach Art. 7 EheGüVO . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wählbare Gerichtsstände nach Art. 7 PaGüVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abschlusszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
3. Koordinierung der Rechtswahl und der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . III. Formelle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Materielle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Informierte“ Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inhaltskontrolle der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . b) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Angemessenheits- bzw. Missbrauchskontrolle der Gerichtsstandsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106 108 108 110 110 110 110 112 114 116 116 116 117 118 119
D. Erbrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Räumlicher und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl (Art. 22, Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 ErbVO) . . . . . . . . a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Große“ Rechtswahl (Art. 22 ErbVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Kleine“ Rechtswahl (Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 ErbVO) . . . . . d) Abschlusszeitpunkt der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtswahl und Drittinteressen (insbesonders der Pflichtteilsberechtigten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 5 ErbVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über das Zuständigkeitssystem der ErbVO . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich des Art. 5 ErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die „betroffenen Parteien“ und die Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschlusszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritische Würdigung zur Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kritische Würdigung zur Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Gerichtsstandswahl des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Alternative Gestaltungsmöglichkeiten de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . III. Formelle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl (Art. 22 Abs. 2 ErbVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 5 Abs. 2 ErbVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120 120 121 122 123 123 123 125 127 129 129 131 131 132 134 136 137 138 138 141 143 143 144
Inhaltsverzeichnis
IV. Materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur der erbrechtlichen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkludente Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Widerruf und Änderung der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . b) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
145 145 145 146 147 148 150 150 151 151
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung in den untersuchten Rechtsakten . . . 153 A. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Die Zulässigkeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Welche Anknüpfungspunkte gelten für die Rechtswahl und die Gerichtsstandsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einseitige Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweiseitige Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nichtpersonenbezogene Anknüpfung und Annexanknüpfungen . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Von (relativ) liberalen Wahlmöglichkeiten … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) … über uneinheitliche Regelungen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) … bis hin zu stark restriktiver oder gänzlich fehlender verfahrensrechtlicher Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstandsvereinbarung und Annexzuständigkeiten . . . . . . . . . . . 3. Gleichlauf von forum und ius als Förderung oder Einschränkung der Parteiautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beispiele der rechtsaktübergreifenden Koppelung und Koordinierung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Welche Zeitpunkte sind für die Anknüpfung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bis zu welchem Zeitpunkt ist der Abschluss einer Rechtswahl oder Gerichtsstandsvereinbarung möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153 153 153 157 158 158 159 159 160 161 162 162 165 167 167 168 169 169 170
XIV
Inhaltsverzeichnis
IV. Bedingung und Befristung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 170 172 173
C. Die formelle Gültigkeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweisungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweisungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176 176 178 179 179 180 180
D. Die materielle Gültigkeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalts- bzw. Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181 183 183 184
E. Zentrale Erkenntnisse der kontrastiven Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR: Reformdiskussion de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 A. Einführung zum Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 B. Mögliche Lösungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Kodifizierung allgemeiner Regeln: Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung als Regelungsgegenstand eines „Allgemeinen Teils“ des EU‑IPR/-IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Getrennte oder gemeinsame Regelung von rechtswahl- und prorogationsbezogenen Fragen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansätze und Praktikabilität allgemeiner Regelungen für die Rechtswahl und die Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsmöglichkeiten für die Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parteiautonomie und Drittschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zustandekommen und materielle Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Konkludente Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191 191 193 195 195 201 203 205 210 212
Inhaltsverzeichnis
II. Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung in einer Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Eckpunkte und Grundüberlegungen für eine Gesamtkodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sektorielle Vereinheitlichung und Kohärenz: Reformvorschläge für die familien- und erbrechtlichen EU‑VO de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) HUP: Aufhebung des Rechtswahlverbots in Bezug auf geschäftsunfähige Erwachsene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) UntVO: Novellierung des Ehegattengerichtsstands in Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rom III‑VO: Erweiterung der Wahlmöglichkeiten in Art. 5 Rom III‑VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Brüssel IIa-VO: Novellierung des Gerichtsstandskatalogs und Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit . . . . . . . . . . . e) Güterrechtsverordnungen: Punktuelle Anpassungen im Kollisionsund Zuständigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) ErbVO: Reform der Rechtswahlmöglichkeit in Art. 22 ErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) ErbVO: Novellierung des Art. 5 ErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formelle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) HUP: Abstimmung der Formregelungen mit jenen der EU‑VO . . . . . . b) UntVO: Erweiterung der verordnungsautonomen Formerfordernisse . c) Brüssel IIa-VO: Einführung von Formerfordernissen für die Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen: Aufhebung der Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) PaGüVO: Feinjustierung der verordnungsautonomen Formerfordernisse für die Vereinbarung der Annexzuständigkeit . . . . f) ErbVO: Formelle Gültigkeit der Gerichtsstandswahl des Erblassers . . 4. Materielle Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) HUP: Einführung einer Regelung des auf die materielle Gültigkeit der Rechtswahl anzuwendenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rom III‑VO und Güterrechtsverordnungen: Einführung einer Regelung zur konkludenten Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einheitliche Regelung des auf die materielle Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anzuwendenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . d) Beratungserfordernis zur Sicherstellung einer informierten Wahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV
213 213 216 218 219 219 220 220 220 221 223 229 231 233 237 237 238 238 239 240 241 241 241 242 243 244 246
XVI
Inhaltsverzeichnis
IV. Kodifikation des familienrechtlichen EU‑IPR/-IZVR: Ein „EU Code on International Family Law“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
§ 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick . . 257 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Judikaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) ABl. Amtsblatt der Europäischen Union abl. ablehnend Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen arg. argumentum, Argument Art. Artikel Aufl. Auflage AußStrG Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Österreich) BeckOGK Beck‘scher Online Großkommentar zum Zivilrecht BeckOK Beck‘scher Online Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch belg. IPRG Internationales Privatrechtsgesetz vom 16.7.2004 (Belgien) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof Brüssel I‑VO siehe EuGVVO a. F. Brüssel Ia-VO siehe EuGVVO n. F. Brüssel IIa-VO Verordnung (EG) 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) 1347/2000 BVerfG Bundesverfassungsgericht bzw. beziehungsweise dBGBl. deutsches Bundesgesetzblatt ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe DNotI Deutsches Notarinstitut DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht EF‑Z Zeitschrift für Familien- und Erbrecht EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EG‑UntVO siehe UntVO EGV Vertrag über die Europäische Gemeinschaft EheGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit,
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands Einl. Einleitung ELF The European Legal Forum endg. endgültig EPG Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (Österreich) ErbVO Verordnung (EU) 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ERPL European Review of Private Law ErwGr. Erwägungsgrund EU Europäische Union EuEheKind-VO siehe Brüssel IIa-VO EuErbVO siehe ErbVO EuGH Europäischer Gerichtshof EuGVÜ Übereinkommen von Brüssel vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVVO a. F. Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVVO n. F. Verordnung (EU) 1215/2010 des europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuIPR europäisches internationales Privatrecht EuUntVO siehe UntVO EuUVO siehe UntVO EUV Vertrag über die Europäische Union EU‑VO Verordnung/en der EU EuZPR europäisches Zivilprozessrecht EuZVR europäisches Zivilverfahrensrecht EVÜ Übereinkommen 80/934/EWG vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f./ff. und die folgende/n FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamFR Familienrecht und Familienverfahrensrecht (Zeitschrift) FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fn. Fußnote FPR Familie, Partnerschaft, Recht (Zeitschrift) FS Festschrift FuR Familie und Recht (Zeitschrift) GA Generalanwalt/Generalanwältin des EuGH GEDIP Groupe européen de droit international privé/Europäische Gruppe für internationales Privatrecht GedS Gedenkschrift GesRZ Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht
Abkürzungsverzeichnis
XIX
gew. A. gewöhnlicher Aufenthalt GP Gesetzgebungsperiode GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GV Gerichtsstandsvereinbarung/en h. A. herrschende Ansicht HKUntÜ Haager Übereinkommen vom 24.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht h. M. herrschende Meinung HPUnt siehe HUP Hrsg. Herausgeber HUntGÜ Übereinkommen vom 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen HUntStProt siehe HUP HUntÜ Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht HUP Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht ICLQ International and Comparative Law Quarterly i. d. F. in der Fassung iFamZ Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht IFL International Family Law (Zeitschrift) IHR Internationales Handelsrecht (Zeitschrift) IJLPF International Journal of Law, Policy and the Family IJPL International Journal of Procedural Law IPR internationales Privatrecht IPRax Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) ital. IPRG Internationales Privatrechtsgesetz vom 31.5.1995 (Italien) i. V. m. in Verbindung mit IZVR internationales Zivilverfahrensrecht JBl Juristische Blätter JEV Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge JGS Justizgesetzsammlung JN Gesetz vom 1.8.1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Österreich) JPIL Journal of Private International Law Kap. Kapitel KG Kammergericht KOM Kommission der Europäischen Union krit. kritisch leg. cit. legis citatae, die zitierte Gesetzesstelle Lfg. Lieferung lit. littera, Buchstabe LPG Lebenspartnerschaftsgesetz m. E. meines Erachtens MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern MüKommBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MüKommFamFG Münchener Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
XX
Abkürzungsverzeichnis
MüKommZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung m. w. N. mit weiteren Nennungen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NK‑BGB Nomos-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nl. IPRG Internationales Privatrechtsgesetz vom 19.5.2011 (Niederlande) NotAktsG Notariatsaktsgesetz (Österreich) Nr. Nummer NZ Notariats-Zeitung (Österreich) OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OLG Oberlandesgericht ÖBA Österreichisches Bankarchiv/Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen ÖJZ Österreichische Juristenzeitung österr. BGBl. Bundesgesetzblatt (Österreich) österr. IPRG Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (Österreich) österr. ZPO Zivilprozessordnung (Österreich) PaGüVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften pol. IPRG Internationales Privatrechtsgesetz vom 4.2.2011 (Polen) RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RDIPP Rivista di diritto internazionale privato e processuale RdW Recht der Wirtschaft (Zeitschrift) RGBl. Reichsgesetzblatt RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift Rom I‑VO Verordnung (EG) 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom II‑VO Verordnung (EG) 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom III‑VO Verordnung (EU) 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Rspr. Rechtsprechung RW Rechtswahl/en s. siehe S. Seite SA Schlussanträge schweiz. IPRG Internationales Privatrechtsgesetz vom 18.12.1987 (Schweiz) StA. Staatsangehörigkeit StAZ Zeitschrift für Standesamtwesen, Familienrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Personenstandsrecht, internationales Privatrecht des In- und Auslands Str. Spiegelstrich
sublit. SZ u. a. UntProt UntVO
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sublittera, Unterbuchstabe Sammlung Zivilrecht und andere siehe HUP Verordnung (EU) 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen usw. und so weiter VfGH Verfassungsgerichtshof (Österreich) vgl. vergleiche VO Verordnung(en) Vorbem. Vorbemerkungen wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter (Zeitschrift) Z. Ziffer z. B. zum Beispiel Zak Zivilrecht aktuell ZER Zeitschrift für Europarecht ZErb Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuS Zeitschrift für Europarechtliche Studien ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung ZPO Zivilprozessordnung ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht zust. zustimmend ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess
§ 1 Einführung A. Themenstellung und Untersuchungsgegenstand In den letzten Jahren haben die Rechtswahl (RW) und die Gerichtsstandsvereinbarung (GV) das internationale Privatrecht (IPR) und das internationale Zivilverfahrensrecht (IZVR) grundlegend geprägt. Diese Tendenz, den Willen der Parteien für die Feststellung des anzuwendenden Rechts und des Gerichtsstands im Wege der sogenannten Parteiautonomie1 zu berücksichtigen, ist in jüngster Zeit insbesonders im Familien- und Erbrecht zu beobachten, d. h. in Rechtsmaterien, die traditionell eher von eingeschränkter Entscheidungs- und Dispositionsfreiheit der Privatrechtssubjekte geprägt sind. Dies korreliert mit einer steigenden praktischen Relevanz dieser parteiautonomen Gestaltungsmöglichkeiten: Aufgrund der hohen Personenmobilität im Binnenmarkt und der Zunahme „internationaler“ Familien und Paare wächst die Zahl der grenzüberschreitenden familien- und erbrechtlichen Sachverhalte in der EU2 und folglich auch das Interesse an der parteiautonomen Bestimmung des anzuwendenden Rechts (durch eine RW) und der gerichtlichen Zuständigkeit (durch eine GV) in diesen Rechtsmaterien. Die konkrete Ausgestaltung der Regeln zur RW und zur GV gerät zunehmend in das Blickfeld des wissenschaftlichen Diskurses. Dies trifft insbesonders auf die Parteiautonomie im internationalen Familien- und Erbrecht zu, die in jüngster Zeit von internationalprivat- und verfahrensrechtlichen Verordnungen (VO) der EU – der Rom III‑VO3, Brüssel IIa-VO (=EuEheKind-VO)4, Un1 Die anfängliche Skepsis hinsichtlich des Gebrauchs des Begriffs „Parteiautonomie“ im Zuständigkeitsrecht ist nunmehr überwunden; siehe Coester-Waltjen, Parteiautonomie in der internationalen Zuständigkeit, in: FS Heldrich (2005), S. 549 (S. 549 f.). 2 Laut einer von der Kommission veröffentlichten Statistik wiesen bereits vor zehn Jahren 13 % der Ehen und 19 % der eingetragenen Partnerschaften in der EU einen grenzüberschreitenden Bezug bzw. einen Bezug zu mehr als einem Mitgliedstaat auf; siehe SEK(2011) 328 endg. 3. 3 VO (EU) 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABl. L 2010/343, 10. 4 VO (EG) 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) 1347/2000, ABl. L 2004/367, 1.
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§ 1 Einführung
terhaltsverordnung (UntVO)5, Erbrechtsverordnung (ErbVO)6 sowie der VO zum Ehegüterrecht (EheGüVO)7 und zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften (PaGüVO)8 – deutlich gestärkt wurde.9 Die vorliegende Dissertation soll einen fundierten Beitrag zur Diskussion über die Parteiautonomie im internationalen Familien- und Erbrecht leisten und sich dabei nicht auf eine einzelne VO beschränken, sondern den Schwerpunkt auf eine Analyse des Gesamtbildes der genannten EU‑VO legen. Im Folgenden werden die konkreten Forschungsfragen erläutert und der Aufbau der Arbeit dargestellt.
B. Forschungsfragen und methodischer Gang der Untersuchung Den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Dissertation bilden die Bestimmungen zur RW und zur GV in den oben erwähnten EU‑Rechtsakten im internationalen Familien- und Erbrecht. Die Arbeit basiert auf folgenden drei Kernfragen: 1. Was ist der Status quo der Parteiautonomie in den genannten EU‑Rechtsakten und inwiefern sind die entsprechenden Bestimmungen der RW und der GV miteinander verknüpft? Hier ist anzumerken, dass für die Zwecke der vorliegenden Arbeit unter der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie primär nur die GV, nicht aber die Möglichkeit der rügelosen Einlassung – die in fast allen hier untersuchten verfahrensrechtlichen Rechtsakten geregelt ist10 – thematisiert wird. Im Rahmen der RW wird hingegen nicht auf das Konzept bzw.
5 VO
(EG) 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABl. L 2009/7, 1. 6 VO (EU) 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl. L 2012/201, 107. 7 VO (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, ABl. L 2016/183, 1. 8 VO (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften, ABl. L 2016/183, 30. 9 Der Grundbaustein für die legislative Tätigkeit der EU in diesen Rechtsmaterien wurde bereits im Aktionsplan der EU im Jahre 1998 zum Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gelegt; siehe ABl. C 1999/19, 1 (10). 10 Siehe Art. 5 UntVO, Art. 9 ErbVO und Art. 26 EuGVVO n. F. Die Brüssel IIa-VO kennt in Ehesachen keine rügelose Einlassung, sondern nur im Zusammenhang mit Entscheidungen über das Umgangsrecht (Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO).
B. Forschungsfragen und methodischer Gang der Untersuchung
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die Möglichkeiten einer „indirekten“11 RW eingegangen, die sich durch eine faktische Einflussnahme auf den jeweiligen Anknüpfungspunkt ergeben. 2. Bestehen de lege lata Inkohärenzen oder Rechtslücken in den einzelnen VO und im Vergleich der VO zueinander? Wenn ja, sind diese durch die Spezifika der verschiedenen Regelungsmaterien zu rechtfertigen oder vielmehr als unsachlich und nicht nachvollziehbar zu betrachten? 3. Können diese Rechtsregeln de lege ferenda im Streben nach größerer Kohärenz und Konsistenz zusammengefasst bzw. vereinheitlicht werden? Welche Methoden und Lösungswege kommen hierfür in Betracht? Zu Beginn der Arbeit (§ 2) werden grundlegende Fragestellungen behandelt, die die RW und die GV im Gesamten und nicht nur die familien- und erbrechtlichen EU‑VO betreffen. Zunächst ist zu klären, wie die Parteiautonomie aus rechtsdogmatischer Sicht zu begründen ist. Hierfür werden die wichtigsten theoretischen Begründungsansätze im Überblick erläutert. Sodann ist herauszuarbeiten, welche Funktionen und privaten bzw. öffentlichen Interessen der Parteiautonomie allgemein zugrunde liegen und diese rechtfertigen bzw. beschränken (z. B. die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit in der Feststellung des anzuwendenden Rechts und der internationalen Zuständigkeit oder der Schutz der schwächeren Partei). Anschließend widmet sich § 3 der ersten oben genannten Forschungsfrage, d. h. wie das Parteiautonomieprinzip im internationalen Familien- und Erbrecht der EU konkretisiert wird und wie die verschiedenen Interessenspositionen rechtlich miteinander in Einklang gebracht werden. Hier werden die Regeln zur RW und zur GV getrennt nach den einzelnen Rechtsakten in die Themenbereiche Zulässigkeit, formelle Gültigkeit und materielle Gültigkeit unterteilt und ausführlich unter Aufarbeitung der einschlägigen Literatur und Judikatur erläutert. Dabei wird untersucht, welche spezifischen Grenzen der Parteiautonomie gesetzt werden. Punktuell wird auf gleiche oder vergleichbare Bestimmungen in anderen unionalen und völkerrechtlichen Rechtsakten – insbesonders der EuGVVO (= Brüssel I‑VO)12, der Rom I‑VO13 und der Rom II‑VO14 sowie verschiedenen Übereinkommen der Haager Konferenz – Bezug genommen.
11 Dazu unten § 2 A. I. 12 VO (EG) 44/2001 des
Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 2001/12, 1 („EuGVVO a. F.“), abgelöst von VO (EU) 1215/2010 des europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 2012/351, 1 („EuGVVO n. F.“). 13 VO (EG) 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. L 2009/309, 87. 14 VO (EG) 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. L 2007/199, 40.
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§ 1 Einführung
Ausgehend von den Darstellungen in § 3 widmet sich der darauf folgende Abschnitt § 4 der zweiten zentralen Forschungsfrage dieser Arbeit, d. h. es wird ein umfassender Vergleich de lege lata zwischen den Regelungen der einzelnen Rechtsakte gezogen. Diese kontrastive Analyse wird wiederum in drei Fragengruppen unterteilt (Zulässigkeit, formelle Gültigkeit und materielle Gültigkeit). Im Zusammenhang mit diesen rechtsaktübergreifenden Fragen werden die RW und die GV hinsichtlich kritischer Punkte in Verbindung zueinander behandelt, weil die RW und die GV als Rechtsinstitute in Theorie und Praxis eine starke Verbundenheit aufweisen. Die betreffenden Bestimmungen werden hierbei als vom Gesetzgeber eingesetzte Mittel zur Verwirklichung der verschiedenen kollisionsrechtlichen Interessen auf ihre Eignung und Angemessenheit hin geprüft. Ziel dieses umfassenden Vergleichs ist es, Unvollständigkeiten, Koordinierungsdefizite und Lücken sowie sachliche Fehler in den Rechtsakten aufzuzeigen. Hierbei wird insbesonders auf das Zusammenspiel der verschiedenen Anknüpfungspunkte eingegangen, die für die RW und die GV eingesetzt werden (primär der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit). Auch ist zu untersuchen, inwieweit die Rechtspflege und die Parteien in bestimmten Konstellationen durch inkohärente Regeln und unsachliche Differenzierungen belastet werden. Näher eingegangen wird auch auf die Rolle des Gleichlaufs von forum und ius, d. h. der Übereinstimmung von anzuwendendem Recht und Gerichtsstand,15 in der Ausgestaltung und der Reichweite der Wahlfreiheit. Auf Basis der Untersuchungen und vergleichenden Analysen in § 4 widmet sich § 5 der dritten Kernfrage der Arbeit, sohin Reform- und Verbesserungsvorschlägen de lege ferenda für die untersuchten Rechtsakte. Es wird dabei die Annahme, dass mittlerweile die Regeln zur RW und zur GV in den verschiedenen EU‑VO vielgestaltig, uneinheitlich und unübersichtlich sind und daher im Streben nach größerer Kohärenz einer EU-weiten Harmonisierung unterzogen werden könnten, auf ihre Haltbarkeit und Realisierbarkeit hin untersucht. Es werden sowohl bestehende Lösungsansätze in Bezug auf die Parteiautonomie diskutiert und bewertet (die Kodifizierung allgemeiner Prinzipien in einer „Rom 0-VO“ bzw. einer „Brüssel 0-VO“, die Gesamtkodifikation des EU‑ IPR/-IZVR und die sektorielle Vereinheitlichung) als auch eigene konkrete Vorschläge für Reformen der untersuchten EU‑Rechtsakte erarbeitet. Den Abschluss der Arbeit bilden eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse und damit verbunden ein thematischer Ausblick (§ 6).
15 Für einen Überblick über die Entwicklung des Gleichlaufprinzips siehe Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969) 8 ff.; T. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995) 91 ff.
§ 2 Warum Parteiautonomie? A. Rechtsdogmatische Begründungsansätze Die dogmatische Legitimation der Parteiautonomie war seit dem 19. Jahrhundert Gegenstand zahlreicher internationalprivatrechtlicher Abhandlungen und Diskussionen.1 Im Folgenden werden die wichtigsten Rechtfertigungsansätze im Überblick dargestellt.
I. Savigny und das Prinzip der engsten Verbindung Die moderne Theorie des Kollisionsrechts wurde insbesonders von Savigny maßgebend geprägt. Nach Savignys Kollisionsrechtstheorie soll bei jedem Rechtsverhältnis jenes Recht gesucht werden, dem dieses Rechtsverhältnis angehört oder unterworfen ist bzw. in dem das Rechtsverhältnis seinen „Sitz“ hat.2 Unter gewissen Beschränkungen war es den von einem Rechtsverhältnis betroffenen Personen gestattet, im Sinne einer „freien Unterwerfung“ den Gerichtsstand und die Rechtsordnung selbst zu bestimmen.3 In dieser Theorie hatte die RW aber keinen eigenständigen Charakter: Der Parteiwille wirkte vielmehr indirekt auf die Wahl des Rechts, indem auf den jeweiligen Anknüpfungspunkt Einfluss genommen wurde (z. B. durch die Wahl eines bestimmten Wohnsitzes).4 Savigny berücksichtigte den Parteiwillen somit nur auf mittelbare Weise.5 Das 1 Grundlegend zur modernen Theorie der Parteiautonomie Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Erbrecht (1965) 31 ff.; Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht (1973) 23 ff.; Püls, Parteiautonomie: Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts (1995) 98 ff.; Leible, Parteiautonomie im IPR – Allgemeines Anknüpfungsprinzip oder Verlegenheitslösung?, in: FS Jayme (2004), S. 485 (S. 485 ff.); Maire, Die Quelle der Parteiautonomie und das Statut der Rechtswahlvereinbarung im internationalen Vertragsrecht (2011) 9 ff.; Rühl, Statut und Effizienz: Ökonomische Grundlagen des Internationalen Privatrechts (2011) 430 ff. 2 Savigny, System des heutigen römischen Rechts VIII (1849) 108. 3 Savigny, System VIII 110 ff., 206, 214 f. 4 Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie 32 f.; Bratvogel, Rechtswahlfreiheit (2016) 86 ff. 5 Jüngst hierzu auch Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht (2017) 41 ff.
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§ 2 Warum Parteiautonomie?
Konzept bzw. die Möglichkeiten einer indirekten6 Wahl im Sinne der faktischen Begründung des einschlägigen Anknüpfungspunkts werden in der vorliegenden Arbeit aber nicht analysiert. Den Parteien steht es zwar frei, ihren gewöhnlichen Aufenthalt bewusst in einen bestimmten Staat zu verlegen oder eine bestimmte Staatsangehörigkeit zu erwerben, um folglich das Recht dieses Staates zur Anwendung zu bringen bzw. die Zuständigkeit dieses Staates zu begründen. Das anzuwendende Recht bzw. die Zuständigkeit folgt aber aus der maßgeblichen objektiven Kollisionsnorm bzw. gesetzlichen Zuständigkeitsnorm, die sich der Parteiendisposition entzieht und auf die Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen ist, den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für diesen Fall vorzusehen.7 In Savignys Theorie zum Sitz des Rechtsverhältnisses liegt jedoch das dem heutigen IPR zugrundeliegende Prinzip der „engsten Verbindung“8: Demnach soll anhand der IPR‑Regeln jenes Recht bestimmt werden, das zu einem bestimmten rechtlichen Sachverhalt die stärkste bzw. engste Beziehung aufweist.9 Die strikte Anwendung dieses Grundsatzes als Leitmaxime für die Begründung der Parteiautonomie führt dazu, dass die Wahlfreiheit stark beschränkt bleibt: Entweder ist eine RW oder eine GV zur Gänze ausgeschlossen, sodass stets an der objektiven Kollisionsnorm anzuknüpfen bzw. auf den gesetzlichen Gerichtsstand abzustellen ist, oder es können nur bestimmte Rechtsordnungen und Gerichtsstände gewählt werden, zu denen die Parteien einen bestimmten Nahebezug haben. Diese Verbundenheit bzw. dieser Nahebezug wird in der Regel durch das Abstellen auf bestimmte, aus staatlicher Sicht angemessene Anknüpfungspunkte (z. B. die Staatsangehörigkeit oder den gewöhnlichen Aufenthalt einer oder sämtlicher Parteien) konkretisiert.10 Umgekehrt sind die Wahlmöglichkeiten umso weitgehender, je weniger die Parteiautonomie als Konkretisie6 Siehe dazu Kropholler, Internationales Privatrecht6 (2006) 293; C. Kohler, L’autonomie de la volonté en droit international privé: un principe universel entre libéralisme et étatisme (2013) 48, 168; als „rechtsgeschäftsähnliche Parteiautonomie“ bezeichnet von M.‑P. Weller u. a., Rechtsgeschäftsähnliche Parteiautonomie, ZEuP 2017, 250 (253 ff., 259 ff.). 7 Vgl. C. Kohler, L’autonomie de la volonté 49. 8 Ausdrücklich normiert in z. B. § 1 Abs. 1 österr. IPRG; vgl. auch Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO und Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO. 9 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht: Allgemeine Lehren2 (2003) § 6 Rn. 55 und § 7 Rn. 92. 10 Grundlegend zur Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bzw. an den gewöhnlichen Aufenthalt siehe Rauscher, Heimatlos in Europa? – Gedanken gegen die Aufgabe des Staatsangehörigkeitsprinzips im IPR, in: FS Jayme (2004), S. 719 (S. 719 ff.); Basedow, Das Staatsangehörigkeitsprinzip in der Europäischen Union, IPRax 2011, 109 (109 ff.); Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht (2013) 339 ff.; Lurger, Die Verortung natürlicher Personen im europäischen IPR und IZVR: Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsangehörigkeit, in: von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015), S. 202 (S. 202 ff.); Dutta, Der gewöhnliche Aufenthalt – Bewährung und Perspektiven eines Anknüpfungsmoments im Lichte der Europäisierung des Kollisionsrechts, IPRax 2017, 139 (139 ff.); Mankowski, Das Staatsangehörigkeitsprinzip – gestern und heute, IPRax 2017, 130 (130 ff.).
A. Rechtsdogmatische Begründungsansätze
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rung des Prinzips der engsten Beziehung konzipiert ist. Die Parteiautonomie kann daher in Bereichen, in denen sie uneingeschränkt gewährt wird, zu einer Durchbrechung dieses Prinzips führen, z. B. indem ein „neutrales“ Recht oder ein „neutraler“ Gerichtsstand gewählt wird, zu dem keine Partei eine enge objektive Verbindung aufweist. Inwieweit das Prinzip der engsten Verbindung die Ausgestaltung der Rechtswahl- und der Gerichtsstandswahlmöglichkeiten in den familien- und erbrechtlichen EU‑VO determiniert, wird in § 3 im Detail ausgeführt.
II. Mancini und die materiellrechtliche Begründung der Parteiautonomie Mancini gilt als „Initiator und Hauptverfechter der Parteiautonomie im 19. Jahrhundert“.11 Er führte die freie RW als Begriff und Konzept in die internationalprivatrechtliche Lehre und in das italienische IPR‑Gesetz ein und begründete damit die Parteiautonomie als kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit.12 Eine freie RW war in seiner Theorie primär im Schuldrecht und in engen Grenzen auch im Erbrecht möglich.13 Das Familienrecht hingegen war nach Mancinis Auffassung von der Parteiautonomie ausgenommen, weil diese Materie strikt an die Staatsangehörigkeit gebunden ist und die Parteien darüber nicht disponieren dürfen.14 Dieser Ansatz unterscheidet sich grundlegend von den hier untersuchten EU‑VO, die – wie sich im Zuge der Arbeit zeigen wird – die Parteiautonomie im internationalen Familien- und Erbrecht gerade gestärkt haben und unter Einhaltung bestimmter Grenzen eine RW und eine GV zulassen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die zwingende und starre Bindung an die Staatsangehörigkeit der zunehmenden Mobilität der Bürger15 und der Personenfreizügigkeit im Binnenmarkt nicht gerecht werden kann.16 11 Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht 24. 12 Mancini, De l’utilité de rendre obligatoires pour tous les États,
sous la forme d’un ou de plusieurs traités internationaux, un certain nombre de règles générales du Droit international privé pour assurer la décision uniforme des conflits entre les différentes législations civiles et criminelles, Journal du droit international privé 1874, 221 (294, 301). Zu seiner Lehre und seinen umfangreichen Schriften siehe ausführlich Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie 33 ff. sowie insbesondere Nishitani, Mancini und die Parteiautonomie im internationalen Privatrecht (2000). 13 Mancini, Journal du droit international privé 1874, 294 f., 299. 14 Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie 33 f.; Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht 24; Jayme, Pasquale Stanislao Mancini (1980) 3. 15 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden bei Personenbezeichnungen überwiegend die männliche Form verwendet. Es sei aber festgehalten, dass dadurch keinerlei Ausschluss oder Diskriminierung weiblicher Personen intendiert ist. Die Personenbezeichnungen schließen in diesem Sinn die männliche und weibliche Form gleichermaßen ein. 16 Statt vieler Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 214, S. 217; Mankowski, IPRax 2017, 133 f. m. w. N.; siehe auch ErwGr. 23 ErbVO: „In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung […] als allgemeinen Anknüpfungspunkt […] den gewöhnlichen
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§ 2 Warum Parteiautonomie?
Der Grundgedanke in Mancinis Theorie, wonach die Reichweite der Parteiautonomie mit den Gestaltungsfreiheiten im materiellen Recht zu begründen ist,17 hat sich aber in der internationalprivatrechtlichen Lehre durchgesetzt. Somit sieht der vorherrschende Begründungsansatz die Parteiautonomie als Verlängerung der materiellrechtlichen Privatautonomie bzw. des Rechts auf Selbstbestimmung, die im materiellen Recht verankert sind.18 Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie soll folglich den Wahl- und Gestaltungsfreiheiten im materiellen Recht entsprechen: Analog zur sachrechtlichen Vertragsfreiheit haben die Parteien auch auf Ebene des IPR und des IZVR im liberalen Schuldvertragsrecht entsprechend weitgehende Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlmöglichkeiten. Im Erbrecht ergibt sich eine Wahlfreiheit aus der im materiellen Recht verankerten Wertung, dass der Erblasser (innerhalb der gesetzlichen Grenzen) über seine Rechtsnachfolge disponieren kann und sein letzter Wille daher Priorität hat (Testierfreiheit). Des Weiteren folgen aus der Zulässigkeit von materiellrechtlichen Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen entsprechende Dispositionsmöglichkeiten im internationalen Ehe-, Güter- und Unterhaltsrecht.19 Hingegen gibt es in Rechtsmaterien, in denen Publizitäts- und Ordnungsprinzipien den Parteien keine oder nur sehr geringe materiellrechtliche Dispositionen ermöglichen, in der Regel auch keine RW bzw. keine GV (z. B. im Sachenrecht20).
Aufenthalt […] vorsehen“; ferner ErwGr. 32 EheGüVO: „Um der zunehmenden Mobilität von Paaren während ihres Ehelebens Rechnung zu tragen […]“. 17 Nishitani, Mancini und die Parteiautonomie im internationalen Privatrecht 220 ff., 317. 18 Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts (1975) Rn. 5. 5. 1. 4., Rn. 5. 5. 2. 3.; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts2 (1976) 253; Jayme, Die Parteiautonomie im internationalen Vertragsrecht auf dem Prüfstand – 65. Sitzung des Institut de Droit International in Basel, IPRax 1991, 429 (429); C. Kohler, L’autonomie de la volonté 88 ff., 406 ff.; Spickhoff, Die Rechtswahl und ihre Grenzen unter der Rom I‑VO, in: Kieninger/Remien (Hrsg.), Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung (2012), S. 117 (S. 117) bezeichnet die Parteiautonomie als „internationalprivatrechtliche Verwandte“ der Privatautonomie; Hau, Zur Maßgeblichkeit der lex fori in internationalen Ehesachen, in: FS Stürner (2013), S. 1237 (S. 1241): „kollisionsrechtliche Flankierung der Privatautonomie“; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 171 f., 184; Mansel, Parteiautonomie, Rechtsgeschäftslehre der Rechtswahl und Allgemeinen Teil des europäischen Kollisionsrechts, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 241 (S. 263). 19 Siehe Siehr, Die Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, in: FS Keller (1989), S. 485 (S. 488); Mansel, in: Leible/Unberath, S. 263; Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht unter europäischem Einfluss (2013) 210 f. 20 Siehe im Überblick Kieninger, Rechtswahlfreiheit im Sachenrecht?, in: FS Martiny (2014), S. 391 (S. 391 ff.).
A. Rechtsdogmatische Begründungsansätze
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III. Ökonomische Analyse Der Kerngedanke der Privat- und Parteiautonomie ist, dass die Parteien selbst wissen, was für sie und ihre Interessen am besten ist, und ihr Wille daher entsprechend zu berücksichtigen ist.21 Dies bringt ein Grundprinzip der ökonomischen Analyse zum Ausdruck, wonach die Parteien selbst ihre subjektiven Präferenzen am besten kennen und nicht der Staat (sogenanntes Effizienzprinzip). Internationalprivatrechtliche Sachverhalte seien zu komplex, um vom Gesetzgeber im Sinne der „engsten Verbindung“ nach Savigny in einer fixen Anknüpfungsregel im Vornhinein festgeschrieben bzw. abgebildet zu werden.22 Im Unterschied zur einst von Kegel vertretenen und nunmehr zu Recht überwiegend abgelehnten Auffassung der Parteiautonomie als „Verlegenheitslösung“23 sollen die Parteien nicht bloß dann wählen können, wenn der Gesetzgeber keine bestimmte Anknüpfung vorschreibt („in dubio libertas“24), sondern sie sollen primär selbst mittels RW und GV das ihrer Einschätzung nach für sie „beste“ (günstigste, liberalste usw.) Recht bzw. den „besten“ Gerichtsstand (z. B. mit kurzer Verfahrensdauer, geringen Verfahrenskosten usw.) bestimmen. Dabei können sie auch einen „neutralen“ Gerichtsstand oder eine „neutrale“ Rechtsordnung wählen, zu denen keiner der Beteiligten einen engeren Bezug hat.25 Denn regelmäßig ist aus Parteiensicht primär der Inhalt eines Rechts und weniger eine strenge enge Verbindung relevant.26 Das Effizienzprinzip führt mithin zu einer Abkehr vom strikten Prinzip der engsten Verbindung und zu einer Ausweitung der parteiautonomen Wahlmöglichkeiten, wie sich anhand der Rechtswahl- und Prorogationsfreiheit im Schuldvertragsrecht zeigt, die für die RW und die GV als Grundsatz keine bestimmten Anknüpfungen vorsieht.
21 Vgl.
Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts2 257. Rühl, Statut und Effizienz 347; näher zur ökonomischen Analyse der RW Kirchner, An Economic Analysis of Choice-of-Law and Choice-of-Forum Clauses, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), S. 33 (S. 33 ff.); Rühl, Die Kosten der Rechtswahlfreiheit, RabelsZ 71 (2007), 559 (559 ff.); dies., Party Autonomy in the Private International Law of Contracts: Transatlantic Convergence and Economic Efficiency, in: Gottschalk u. a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007), S. 153 (S. 153 ff.); dies., Statut und Effizienz 348 ff., 435 ff., 443 ff. 23 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9 (2004) 653. 24 Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts2 257. 25 Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht (2002) 36; Mankowski, Überlegungen zur sach- und interessengerechten Rechtswahl für Verträge des internationalen Wirtschaftsverkehrs, RIW 2003, 2 (4 f.); ders., Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung im Lichte der Spieltheorie, in: FS Schäfer (2008), S. 369 (S. 374 f.); Simotta, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen V/12 (2008) Art. 23 EuGVVO Rn. 24 m. w. N. 26 Fulli-Lemaire, L’autonomie de la volonté en droit international privé européen de la famille, in: Parra Lucán/Gaspar Lera (Hrsg.), Derecho y autonomía privada: una visión comparada e interdisciplinar (2017), S. 435 (S. 441). 22
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§ 2 Warum Parteiautonomie?
B. Funktionen und Interessen Im Folgenden ist herauszuarbeiten, welche Funktionen und privaten oder öffentlichen Interessen der Parteiautonomie in Form der RW und der GV zugrunde liegen bzw. diese einerseits rechtfertigen, andererseits beschränken.
I. Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit, Flexibilität Als wichtigste funktionelle Rechtfertigungsgründe für die Zulässigkeit der RW und der GV sind die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im IPR und im IZVR zu nennen. Die RW und die GV tragen zur Erreichung dieser Ziele bei, indem sie schon im Vorfeld eines Rechtsstreits Klarheit darüber schaffen, welches Recht anzuwenden ist und welches Gericht zuständig ist bzw. die Gerichte welchen Staates zuständig sind.27 Dies ist vor allem in komplexen Fällen entscheidend, die Berührungspunkte zu mehreren Staaten aufweisen. Die RW und die GV ermöglichen es den Parteien außerdem, ihre Rechtsverhältnisse verlässlich, flexibel und zukunftsorientiert zu planen und zu gestalten.
II. Öffentliche Interessen Allerdings sind nicht nur die unmittelbaren Interessen der an der RW und der GV beteiligten Parteien zu beachten. Öffentliche Interessen können der schrankenlosen Ausübung der Parteiautonomie entgegenstehen. Die Anwendung fremden Rechts in Folge einer RW bedeutet grundsätzlich einen Eingriff in die staatliche Souveränität, weil die innerstaatliche Rechtsordnung als Ausdruck der souveränen Gesetzgebung des betreffenden Staates verdrängt wird.28 Dies gilt ebenso für den Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit, weil der Staat über die Gerichtsbarkeit hoheitliche Handlungsmacht ausübt.29 Die Einschränkung der Parteiautonomie knüpft an weitere staatliche Interessenspositionen an, die auch die Allgemeinheit geschützt sehen will, etwa die Wahrung der rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung, die Vermeidung einer unnötigen Belastung der Rechtspflege und des Gerichtssystems30, die Vermeidung von forum shopping 27 Vgl.
Püls, Parteiautonomie 157 f.; Nishitani, Mancini und die Parteiautonomie im internationalen Privatrecht 320; Mankowski, RIW 2003, 2 m. w. N.; Leible, in: FS Jayme, S. 502; Coester-Waltjen/Coester, Rechtswahlmöglichkeiten im Europäischen Kollisionsrecht, in: FS Schurig (2012), S. 33 (S. 41). 28 Basedow, Theorie der Rechtswahl oder Parteiautonomie als Grundlage des Internationalen Privatrechts, RabelsZ 75 (2011), 32 (41); ders., The Law of Open Societies Rn. 205. 29 Vgl. Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen (1995) 43; Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht 43; C. Kohler, L’autonomie de la volonté 112. 30 Kirchner, in: Basedow/Kono, S. 43 f., S. 51; Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 46; C. Kohler, L’autonomie de la volonté 125 f. („bonne administration de la justice“);
B. Funktionen und Interessen
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sowie die Regelung und der Schutz grundlegender privatrechtlicher Institutionen, die den Kern der Gesellschaft bilden (Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft, Elternschaft und Kindschaft, Erbenstellung usw.).31
III. Schutz der schwächeren Partei Ist die Parteiautonomie in der Selbstbestimmung auf sachrechtlicher Ebene (Privatautonomie) begründet, fließen in die Ausgestaltung der Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlmöglichkeiten auch materiellrechtliche Interessenspositionen ein, aus denen sich Einschränkungen der Wahlfreiheit ergeben. So gilt es, schwächere Parteien in Situationen zu schützen, in denen aufgrund von Machtmissverhältnissen oder wirtschaftlichen bzw. sozialen Abhängigkeitsverhältnissen die stärkere Partei ihre Interessen besser durchsetzen und die schwächere Partei zu übereilten Entscheidungen veranlassen kann.32 Dieser Schutz bestimmter Rechtspositionen liegt auch im öffentlichen Interesse. Ein häufig anzutreffender Mechanismus, um die Parteiautonomie einzuschränken und Missbrauchssituationen zu vermeiden, ist die Begrenzung der Wahlmöglichkeiten durch typisierte Anknüpfungspunkte, die wiederum auf das Prinzip der engsten Verbindung abstellen.33
IV. Gleichlauf von forum und ius Bei Vorliegen eines Gleichlaufs zwischen dem anzuwendenden Recht (ius) und dem Gerichtsstand (forum) entspricht das nach den IPR‑Regeln bestimmte, in der Sache maßgebliche Recht (lex causae) dem Recht am Gerichtsort (lex fori). Dieser Gleichlauf ist aus prozessökonomischer Sicht allgemein von großem Vorteil, weil das Verfahren regelmäßig zügiger und kostengünstiger abläuft als bei Anwendung und Ermittlung ausländischen Rechts. Dem Richter werden Zeit und Mühen erspart, wenn für den Streitfall das Recht am Gerichtsort und damit das ihm vertraute Recht maßgeblich ist. Der Gleichlauf verhindert insofern zusätzliche Belastungen der Rechtspflege und erleichtert die Arbeit der Gerichte. Dies steht nicht nur im Interesse der Verfahrensparteien, die eine rasche Entscheidung erzielen wollen, sondern generell im öffentlichen34 Interesse. vgl. auch EuGH 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, eDate Advertising GmbH u. a. Rn. 40 ECLI:EU:C:2011:685. 31 Vgl. Flessner, Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht (1990) 54. 32 Vgl. EuGH 14.3.2013, C-419/11, Česká spořitelna, a. s. ECLI:EU:C:2013:165; KrollLudwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 449; Rühl, The Protection of Weaker Parties in the Private International Law of the European Union: A Portrait of Inconsistency and Conceptual Truancy, JPIL 10 (2014), 335 (343 ff.). 33 Vgl. Maultzsch, Party Autonomy in European Private International Law: Uniform Principle or Context-Dependent Instrument?, JPIL 12 (2016), 466 (485 f.). 34 Flessner, Interessenjurisprudenz 118.
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§ 2 Warum Parteiautonomie?
Führen die objektiven Kollisionsregeln bzw. gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmungen zu einem Auseinanderfallen von forum und ius, kann der Abschluss einer RW bzw. einer GV eine Übereinstimmung (wieder-)herstellen. Die Gewährung von Parteiautonomie führt in dieser Konstellation zur Realisierung des Gleichlaufs. Umgekehrt kann gerade der Abschluss einer RW oder einer GV den Gleichlauf von forum und ius stören. Hier kann das Gleichlaufprinzip die Möglichkeiten zum Abschluss einer RW oder einer GV einschränken, sodass nur bestimmte Rechtsordnungen oder Gerichtsstände gewählt bzw. vereinbart werden können. Das Gleichlaufprinzip kann daher grundsätzlich weder als ausschließlich fördernder noch als ausschließlich einschränkender Faktor für die Parteiautonomie gewertet werden. Auf die konkrete Realisierung dieses Prinzips im familien- und erbrechtlichen EU‑IPR/-IZVR wird in den nächsten Kapiteln sowohl verordnungsspezifisch35 als auch verordnungsübergreifend36 näher eingegangen.
C. Zwischenergebnis 1. Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich zusammenfassend festhalten, dass der vorherrschende Begründungsansatz die kollisionsrechtliche Parteiautonomie über die materiellrechtlichen Wahlfreiheiten im Sachrecht (Privatautonomie) rechtfertigt. Davon ausgehend können unterschiedliche Prinzipien die Reichweite der Parteiautonomie determinieren. Während etwa das klassische Prinzip der engsten Verbindung die Wahlmöglichkeiten tendenziell einschränkt, um nur die Wahl eines Rechts oder eines Gerichtsstands zu ermöglichen, zu dem die Parteien bzw. die Rechtssache einen engen Bezug aufweisen, spricht das Effizienzprinzip aus der ökonomischen Analyse hingegen für eine Ausweitung der Wahlmöglichkeiten. 2. Aus funktionaler Sicht sind die RW und die GV als parteiautonome Gestaltungsmittel dazu geeignet, die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im IPR und im IZVR zu fördern. Zugleich stellen sie flexible und effiziente Mechanismen zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts und der internationalen Zuständigkeit dar. 3. Interessenspositionen, die aus der materiellrechtlich orientierten Begründung der Parteiautonomie fließen, können die Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des anzuwendenden Rechts und des Gerichtsstands einschränken. Diese Beschränkungen dienen in erster Linie der Wahrung öffentlicher Interessen sowie dem Schutz schwächerer Parteien. 35 Siehe unten § 3 A. II. 3. (UntVO und HUP), § 3 B. II. 3. (Brüssel IIa-VO und Rom III‑ VO), § 3 C. II. 3. (EheGüVO/PaGüVO) und § 3 D. II. 4. (ErbVO). 36 Siehe unten § 4 B. I. 3. und 4.
C. Zwischenergebnis
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3. Wie der Unionsgesetzgeber das Autonomieprinzip und die miteinander verstrickten Interessenspositionen im Rahmen der familien- und erbrechtlichen VO de lege lata konkretisiert, ist Gegenstand der folgenden Abschnitte § 3 (Analyse der einzelnen Rechtsakte) und § 4 (Vergleich der untersuchten Rechtsakte). Die Frage, welche Legitimationstheorie dem Unionsgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Parteiautonomie im EU‑IPR/-IZVR de lege ferenda als Orientierung dienen sollte, wird am Ende der Arbeit (§ 6) erörtert.
§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung im europäischen internationalen Familien- und Erbrecht A. Unterhaltsverordnung I. Einführung 1. Räumlich-zeitlicher Anwendungsbereich Als Motor und Vorreiter der IPR‑Vereinheitlichung im Bereich des internationalen Unterhaltsrechts hat sich seit Jahrzehnten die Haager Konferenz für IPR erwiesen.1 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist eines ihrer jüngeren unterhaltsrechtlichen Regelungswerke einschlägig: das Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (im Folgenden: HUP).2 Parallel zu diesem Völkerrechtsakt erließ der Unionsgesetzgeber mit der UntVO erstmals ein eigenes Regelungswerk in Unterhaltssachen.3 Diese VO regelt nur verfahrensrechtliche Fragen in Bezug auf internationale Unterhaltsangelegenheiten, d. h. die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen. Für das anzuwendende Recht hat sich der Unionsgesetzgeber entschieden, keine eigenen Kollisionsnormen abzubilden, sondern auf das HUP zu verweisen (Art. 15 UntVO).4 Diesem Rechtsakt ist die EU in der Folge selber beigetreten, wodurch die Mit-
1 Siehe das Übereinkommen vom 24.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (HKUntÜ), das Übereinkommen vom 2.10.1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUntÜ) sowie das Übereinkommen vom 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen (HUntGÜ 2007), alle abrufbar unter (abgefragt am 13.9.2018). 2 Zur authentischen englischen bzw. französischen Fassung und zur deutschen Übersetzung siehe (abgefragt am 13.9.2018). 3 Vgl. ErwGr. 6 ff. UntVO. 4 Der Kommissionsvorschlag (KOM(2005) 649 endg.) enthielt noch eigene Kollisionsregeln; siehe R. Wagner, Der Wettstreit um neue kollisionsrechtliche Vorschriften im Unterhaltsrecht, FamRZ 2006, 979 (982 ff.).
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
gliedstaaten der EU – mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs5 – an das HUP gebunden sind.6 Die UntVO gilt gemäß Art. 76 UntVO ab dem 18.6.2011 in allen Mitgliedstaaten.7 In Dänemark findet die UntVO nur in Teilen (insbesonders in Bezug auf das Zuständigkeitsrecht) Anwendung; wie bereits erwähnt sind das HUP und damit das Kapitel zum anwendbaren Recht in der UntVO im Verhältnis zu Dänemark nicht anzuwenden.8 Die geplante Koordinierung der UntVO und des HUP ist folglich nicht unionsweit einheitlich vollzogen, weil für Dänemark zwar teilweise die UntVO, aber eben nicht das HUP gilt.
2. Sachlicher Anwendungsbereich Um zu ermitteln, welche Reichweite einer RW nach dem HUP bzw. einer GV nach der UntVO zukommt, soll im Überblick auf den sachlichen Anwendungsbereich der beiden Rechtsakte näher eingegangen werden.
a) Unterhaltspflichten Gemäß Art. 1 UntVO und Art. 1 HUP beziehen sich diese Rechtsakte auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis9 oder auf Schwägerschaft beruhen. Die sachlichen Anwendungsbereiche der beiden Regelungswerke sind somit deckungsgleich und sollten in Einklang mit Erwägungsgrund 8 UntVO, wonach im Rahmen der UntVO dem HUntGÜ 2007 und dem HUP „Rechnung zu tragen“ ist, möglichst einheitlich 17.
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Siehe ErwGr. 10 ff. des Ratsbeschlusses 2009/941/EG vom 30.11.2009, ABl. L 2009/331,
Siehe ErwGr. 20 UntVO. Die Geltung der UntVO ab diesem Datum stand gemäß Art. 76 unter der Bedingung, dass zu jenem Zeitpunkt auch das HUP für die EU galt. Da das HUP mangels zweiter Urkundenhinterlegung noch nicht in Kraft getreten war, wurde per Ratsbeschluss 2009/941/EG (siehe oben Fn. 5) eine vorläufige Anwendung des HUP herbeigeführt, um die UntVO in Geltung treten zu lassen; siehe zum Ganzen Andrae, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 (2016) Art. 15 EG‑UntVO Rn. 17. Durch die Ratifikation seitens Serbiens als weiterer Vertragsstaat ist das HUP am 1.8.2013 als völkerrechtlicher Vertrag in Kraft getreten. Im März 2016 hat des Weiteren die Ukraine das Protokoll unterzeichnet; siehe die Statustabelle unter (abgefragt am 13.9.2018). 7 Siehe ErwGr. 46 UntVO zu Irland sowie ABl. L 2009/149, 73 zum nachträglichen optin des Vereinigten Königreichs. Inwiefern die UntVO im Vereinigten Königreich nach dessen Austritt gelten wird, steht noch nicht endgültig fest. Mit Ablauf der Austrittsübergangsfrist tritt die UntVO grundsätzlich für das Vereinigte Königreich ipso iure außer Kraft, welches fortan als Drittstaat zu werten ist; siehe Hess, Back to the Past: BREXIT und das europäische internationale Privat- und Verfahrensrecht, IPRax 2016, 409 (417); Boele-Woelki, What Family Law for Europe?, RabelsZ 82 (2018), 1 (29). 8 Siehe ABl. L 2009/149, 80. 9 Darunter fallen Ansprüche während aufrechter Ehe sowie bei Auflösung (Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung) der Ehe; siehe Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 EG‑ UntVO Rn. 3.
A. Unterhaltsverordnung
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ausgelegt werden.10 Eine einheitliche Auslegung ist deshalb sinnvoll, weil fast alle Mitgliedstaaten über Art. 15 UntVO sowohl an die UntVO als auch das HUP gebunden sind.11 Der Terminus „Unterhaltspflichten“ ist hierbei weit und gemäß Erwägungsgrund 11 UntVO verordnungsrechtlich autonom, d. h. unabhängig von Qualifikationen nach nationalem Recht, zu verstehen. Dies bestätigte auch GA Jäskinnen in den Schlussanträgen zur EuGH‑Entscheidung Sanders und Huber12: Demnach sollen die Grundsätze des EuGVÜ13 und der EuGVVO zur unionsautonomen Auslegung14 auch im Rahmen der UntVO gelten, um zu gewährleisten, „dass sich aus diesem Rechtsakt für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben“15. Da die UntVO die früheren unterhaltsrechtlichen Bestimmungen aus der EuGVVO a. F. und dem EuGVÜ ersetzt,16 ist die Heranziehung ihrer Auslegungsgrundsätze nur konsequent. Das HUP definiert den Begriff der Unterhaltspflicht nicht näher, doch ist dieser ebenso vertragsautonom, einheitlich und weit auszulegen.17
b) Familienverhältnis bzw. eherechtliches Verhältnis Schwierigkeiten im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereiches bereitet die Frage, inwiefern eingetragene Partnerschaften und homosexuelle Ehepaare aus zuständigkeitsrechtlicher und kollisionsrechtlicher Sicht erfasst werden. Art. 1 UntVO und Art. 1 HUP enthalten selbst keine nähere Definition des Begriffs „Familienverhältnis“ (im HUP „Beziehung der Familie“). Art. 1 Abs. 2 lit. e EuGVVO n. F. nimmt in Übereinstimmung mit der Definition aus Art. 1 UntVO Unterhaltspflichten aus seinem Anwendungsbereich völlig aus; ebenso 10 Andrae, Zum Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Haager Protokoll über das Unterhaltskollisionsrecht, GPR 2010, 196 (200); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht (2013) Rn. C 468 und 480; Andrae, Internationales Familienrecht3 (2014) § 8 Rn. 13; wohl auch Hilbig, Der Begriff des Familienverhältnisses in Art. 1 HPUnt 2007 und Art. 1 EuUntVO, GPR 2011, 310 (313): „Ein Auseinanderfallen […] kann nicht gewollt sein“. 11 Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 EG‑UntVO Rn. 2. 12 EuGH 18.12.2014, C-400/13 und C-408/13, Sanders und Huber ECLI:EU:C:2014:2461. 13 Übereinkommen von Brüssel vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. C 1998/27, 1. 14 Siehe zu Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ EuGH 20.3.1997, C‑295/95, Farrell/Long Rn. 12 ff. ECLI: EU:C:1997:168; 25.2.2004, C‑433/01, Blijdenstein Rn. 24 ECLI:EU:C:2004:21. 15 GA Jääskinen SA 4.9.2014, C-400/13 und C-408/13, Sanders und Huber Rn. 39 ECLI: EU:C:2014:2171. 16 Siehe Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Einl. EG‑UntVO Rn. 2 und Rn. 4 ff. 17 Bonomi, Preliminary draft protocol on the law applicable to maintenance obligations – Explanatory Report (2007) Rn. 10 ff.; Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 469 ff.; siehe auch Art. 20 HUP: „Bei der Auslegung dieses Protokolls ist […] der Notwendigkeit, seine einheitliche Anwendung zu fördern, Rechnung zu tragen“.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
sind Unterhaltssachen aus der PaGüVO gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. c ausgenommen bzw. werden in Erwägungsgrund 22 PaGüVO explizit der UntVO zugewiesen.18 Eingetragene Partnerschaften fallen daher klar unter die Zuständigkeitsbestimmungen der UntVO als „Familienverhältnis“.19 Gleichfalls spricht die Systematik des EU‑Kollisionsrechts für eine Einbeziehung eingetragener Partnerschaften in das HUP aus Sicht der Mitgliedstaaten. Die Rom I‑VO und die Rom II‑VO schließen „Familienverhältnisse“ explizit von ihrem Anwendungsbereich aus;20 auch die Kollisionsregeln der PaGüVO erfassen keine Unterhaltssachen. Das HUP ist daher im Sinne einer Erfassung eingetragener Partnerschaften auszulegen, um Regelungslücken zu vermeiden.21 Zudem können in den Güterrechtsverordnungen sowohl Ehegatten als auch eingetragene Partner eine RW treffen,22 sodass es inkonsequent wäre, letzteren im Güterrecht, aber nicht im Unterhaltsrecht eine RW zu ermöglichen. Hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Ehen ist zwar unumstritten, dass diese von der UntVO und vom HUP erfasst werden; unklar ist aber, ob sie im Konkreten unter „Ehe“ oder „Familienverhältnisse“ fallen. Nach überwiegender Ansicht23 erfasst der Begriff „eherechtliches Verhältnis“ nur verschiedengeschlechtliche Ehen. Subsumiert man daher gleichgeschlechtliche Ehepaare unter „Familienverhältnis“ als Auffangtatbestand,24 stellt sich das Problem, dass in der UntVO und im HUP für Unterhaltsansprüche zwischen Ehegatten besondere Bestimmungen zur Anwendung kommen, die bei anderen Unterhaltsansprüchen nicht zur Verfügung stehen.25 Nimmt man gleichgeschlechtliche Ehepaare von diesen Regelungen aus, kommen die besonderen Regeln, mit denen teilweise großzügigere Wahlmöglichkeiten einhergehen, nur auf verschiedengeschlechtliche Ehepaare zur Anwendung. Diese Diskriminierung auf18 Siehe ErwGr. 22 PaGüVO: „Die Unterhaltspflichten im Verhältnis der Partner untereinander sind Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates und sollten daher vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden“. 19 Gruber, Die neue EG‑Unterhaltsverordnung, IPRax 2010, 128 (130) weist dazu auf den weit gefassten ErwGr. 11 UntVO hin („Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten“); Nademleinsky, Die neue EU‑Unterhaltsverordnung samt dem neuen Haager Unterhaltsprotokoll, EF‑Z 2011, 130 (130); M. Weber, Der sachliche Anwendungsbereich der EU‑Unterhaltsverordnung, ÖJZ 2011, 947 (954); Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 EG‑UntVO Rn. 15. 20 Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. b Rom I‑VO und Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom II‑VO. 21 Vgl. Gruber, in: NK‑BGB2 (2015) Art. 1 HUP Rn. 2; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 1 HUntStProt Rn. 7. 22 Dazu unten § 3 C. II. 1. 23 So etwa M. Weber, ÖJZ 2011, 952; Ganz, in: P. Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht10 (2015) Kap. 15 Rn. 172; Reuß, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt 52. Lfg. 2016) Art. 4 VO Nr. 4/2009 Rn. 36; hingegen für eine einheitliche Erfassung gleichgeschlechtlicher Ehen Gruber, in: NK‑BGB2 Art. 1 HUP Rn. 11. 24 Siehe Hilbig, GPR 2011, 313. 25 Dazu unten § 3 A. II. 1. d) und II. 2. c).
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grund der Geschlechterverteilung ist m. E. ungerechtfertigt. Dem offiziellen Bericht zum HUP von Bonomi26 ist jedoch zu entnehmen, dass eine genaue Definition von familiärer oder ehelicher Beziehung bewusst gemieden wurde („this omission is intentional“). Die Vertragsstaaten sollen zur Wahrung der eigenen Rechts- und Werteordnung selbstständig entscheiden, ob hetero- und homosexuelle Paare gleichermaßen einbezogen werden.27 Im Gegenzug kann damit aber keine einheitliche Auslegung des Protokolls in den Vertragsstaaten gewährleistet werden. Zumindest für die EU‑Mitgliedstaaten könnte aufgrund der Sonderrolle der EU als HUP‑Vertragsstaat über eine Auslegung des EuGH ein einheitliches Verständnis erzielt werden.28
c) Weitere Abgrenzungsfälle Unterhaltsansprüche gegen den Nachlass oder die Erben nach dem Tod des Unterhaltsverpflichteten fallen nicht in den Anwendungsbereich der UntVO, sondern der ErbVO, wenn sie als Erbgangsschulden qualifiziert werden,29 d. h. wenn sie mit dem Tod des Erblassers entstehen. Art. 1 Abs. 2 lit. e ErbVO nimmt nur jene Unterhaltsansprüche von der ErbVO aus, die nicht mit dem Tod entstehen. Verstirbt der Unterhaltsberechtigte, fallen folglich jene Unterhaltsansprüche, die schon zu dessen Lebzeiten entstanden sind, unter die UntVO.30 Hinsichtlich der Abgrenzung der UntVO zum Güterrecht kann die ältere Rechtsprechung des EuGH31 zum EuGVÜ, das bereits die Zuständigkeit in Unterhaltssachen regelte, herangezogen werden: Demnach sind Leistungen zur Sicherung des Unterhalts eines Ehegatten im Zusammenhang mit der Eheauflösung unter die UntVO zu subsumieren, während Leistungen in Zusammenhang mit der Aufteilung des ehelichen Vermögens unter die EheGüVO fallen.32
3. Regelungsziele Grund für die Ausgliederung der Unterhaltsmaterie aus der EuGVVO a. F. in die UntVO als separater Rechtsakt war es, den Schutz des Unterhaltsberechtig26 Bonomi, Protocol of 23 November 2007 on the law applicable to maintenance obligations – Explanatory Report (2009) Rn. 31. 27 Bonomi, Explanatory Report Rn. 31. 28 Vgl. Beaumont, International Family Law in Europe – the Maintenance Project, the Hague Conference and the EC: A Triumph of Reverse Subsidiarity, RabelsZ 73 (2009), 509 (542 Fn. 65); Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 488; Gruber, in: NK‑BGB2 Art. 1 HUP Rn. 11. 29 So bereits Henrich, Zur Qualifikation von Unterhaltsansprüchen gegen den Nachlaß, in: FS Gernhuber (1993), S. 667 (S. 675 und S. 678 f.). 30 Dutta, in: MüKommBGB7 (2018) Art. 1 EuErbVO Rn. 20 ff. 31 EuGH 27.2.1997, C-220/95, van den Boogard/Laumen Rn. 22 ECLI:EU:C:1997:91; 6.3.1980, 120/79, De Cavel Rn. 5 ECLI:EU:C:1980:70. 32 Näher dazu M. Weber, ÖJZ 2011, 949.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
ten und seiner Interessen besser zu verwirklichen.33 So ist das Ziel der Zuständigkeitsvorschriften der UntVO, dem Unterhaltsberechtigten als regelmäßig „schwächere Partei“ besonderen Schutz zu gewähren.34 Dieser materiellrechtlich geprägter Schutzgedanke ist auf die Interessenskollisionen zurückzuführen, die im Unterhaltsrecht regelmäßig auftreten: Der Unterhaltsberechtigte ist meist wirtschaftlich und – vor allem beim Kindesunterhalt – auch sozial vom Unterhaltsverpflichteten abhängig, der eventuell seiner Zahlungsverpflichtung entkommen will.35 Auch hinter dem HUP steht als Leitgedanke der Schutz des Unterhaltsberechtigten (favor creditoris36): Es sollen ein enger Bezug zwischen anzuwendendem Recht und der Unterhaltssache gewährleistet und nur beschränkte Rechtswahlmöglichkeiten eröffnet werden.37 Parallel dazu soll im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeit die Sachnähe des Gerichts sichergestellt werden. Zudem soll durch beschränkte Rechtswahl- und Prorogationsmöglichkeiten die Parteiautonomie im internationalen Unterhaltsrecht gefördert werden.38 Blickt man in das materielle Unterhaltsrecht, so können Ehegatten regelmäßig auch nur im beschränkten Rahmen Vereinbarungen über den Unterhalt während der Ehe bzw. für die Zeit nach der Scheidung treffen.39 Die Parteiautonomie ist hier insofern mit den privatautonomen Dispositionsmöglichkeiten auf materieller Ebene vergleichbar.
33 KOM(2005) 649 endg. 4 ff.; siehe auch ErwGr. 15 UntVO: „Um die Interessen der Unterhaltsberechtigten zu wahren […]“. 34 Siehe bereits zum EuGVÜ EuGH C-295/95 Rn. 19; C-433/01 Rn. 29 f.; zuletzt C-400/13 und C-408/13 Rn. 28. 35 Zu den unterhaltsrechtlichen Interessen im IPR siehe Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht unter europäischem Einfluss (2013) 202; Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 149; Rühl, JPIL 10 (2014), 344 f. 36 Vgl. Hook, The Choice of Law Contract (2016) 54. 37 Siehe im Grünbuch der Kommission zu den Unterhaltspflichten KOM(2004) 254 endg. 34; KOM(2005) 649 endg. 5 f. 38 Vgl. ErwGr. 19 UntVO: „Im Hinblick auf eine größere Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Eigenständigkeit der Vertragsparteien sollte diese Verordnung es den Parteien ermöglichen, den Gerichtsstand anhand bestimmter Anknüpfungspunkte einvernehmlich zu bestimmen“. 39 Siehe rechtsvergleichend zur privatautonomen Gestaltung von Unterhaltsverhältnissen die Habilitationsschrift von Hilbig-Lugani, Staat – Familie – Individuum. Eine rechtsvergleichende Betrachtung zu Unterhaltsverhältnissen und ihrer privatautonomen Gestaltbarkeit in Deutschland, England und Wales, Frankreich und Schweden (2014) 338 ff.
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II. Zulässigkeit 1. Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 4 UntVO) a) Überblick über das Zuständigkeitssystem der UntVO Nach Art. 3 UntVO kann der Kläger aus verschiedenen Foren wählen: Neben dem bereits aus der EuGVVO bekannten Beklagtengerichtsstand (lit. a) steht zur Begünstigung des Unterhaltsberechtigten ein Gerichtsstand an seinem gewöhnlichen Aufenthalt offen (lit. b). Weiters möglich ist eine Annexzuständigkeit zu einem Personenstandsverfahren (lit. c) oder einem Verfahren über die elterliche Verantwortung (lit. d). In Anschluss an diese allgemeine Zuständigkeitsregel stellt Art. 4 Abs. 1 UntVO dem Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten mehrere Gerichtsstände zur Wahl, die Gegenstand einer GV sein können. Im Vergleich zu Art. 23 EuGVVO a. F., der vor Inkrafttreten der UntVO auch für Unterhaltssachen galt und in diesem Bereich eine uneingeschränkte GV ermöglichte, ist die Bestimmung zur GV in der UntVO deutlich eingeschränkt; ein „neutrales“ Forum kann nicht gewählt werden.40 Es stehen nur vier – bzw. wenn die Parteien unterschiedliche Staatsangehörigkeiten und unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte haben bis zu sechs – Gerichtsstände zur Wahl, wobei zwei davon nur Ehegatten zugänglich sind. Hinter der beschränkten Parteiautonomie steht in erster Linie die Wertung, dass die Zuständigkeitsbestimmungen der UntVO eine Sachnähe bzw. enge Verbindung zwischen berechtigter Person und zuständigem Gericht sicherstellen sowie die Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit garantieren sollen.41 Im Folgenden werden die einzelnen Wahlmöglichkeiten näher erläutert.
b) Zuständigkeit für den Ehegattenunterhalt (Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO) Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO betrifft speziell den Unterhalt zwischen Ehegatten bzw. früheren Ehegatten. Ihnen stehen zwei Gerichtsstände zur Wahl: Zunächst regelt Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO die Annexzuständigkeit am Gerichtsstand des „in Ehesachen“ zuständigen Gerichts für Unterhaltsstreitigkeiten zwischen den Ehegatten. Darunter fallen vor allem Scheidungs- und Eheauflösungsverfahren, die zuständigkeitsrechtlich von der Brüssel IIa-VO42 geregelt werden. Ziel dieser wählbaren Annexzuständigkeit ist die Konzentration des Unterhalts- und Eheverfahrens an einem Gericht, die aus Sicht der Verfahrens40 Gruber, IPRax 2010, 129; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht (2010) 523 f. 41 Vgl. EuGH C-400/13 und C-408/13 Rn. 28 f.; ebenso GA Jääskinen SA C-400/13 und C-408/13 Rn. 49 („Ziel einer garantierten Nähe zwischen berechtigter Person und angerufenem Gericht […]“, „doppelte[s] Ziel von Schutz und Nähe“) und Rn. 69 („Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit dank einer engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit“). 42 Zum Zuständigkeitssystem der Brüssel IIa-VO unten § 3 B. II. 1.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
ökonomie grundsätzlich zu begrüßen ist.43 Denn im Verfahren in Ehesachen wird das zuständige Gericht regelmäßig die für eine Unterhaltsstreitigkeit relevanten Umstände, insbesonders zur vermögensrechtlichen Situation der Ehegatten, eruieren. Die Verbindung in Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO ist auch deshalb sinnvoll, weil Vereinbarungen zwischen Ehegatten eine GV enthalten können, die sich auf mehrere Ansprüche (z. B. Scheidung, Unterhalt und güterrechtliche Folgen) erstrecken sollen. Eine GV nach Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO ist nicht erst dann zulässig, wenn bereits ein Verfahren in Ehesachen anhängig ist und das zuständige Gericht feststeht:44 Der Wortlaut („das Gericht“) ist dahingehend zu verstehen, dass zugleich immer die örtliche Zuständigkeit bestimmt und damit eine echte Zuständigkeitskonzentration an einem Gericht erzielt wird, und nicht als Ausschluss einer „vorsorgenden“ GV. Die anderen Sprachfassungen deuten ebenso nicht darauf hin, dass Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO im Sinne von „das angerufene Gericht“ zu verstehen sei.45 Der Zweck der GV, im Voraus über die Zuständigkeit Klarheit zu verschaffen, würde konterkariert werden, wenn die Ehegatten die Anhängigkeit des Eheverfahrens erst abwarten müssten, um überhaupt eine unterhaltsrechtliche GV treffen zu können. Trotz der verfahrensökonomischen Vorteile der Zuständigkeitskonzentration ist zu bedenken, dass durch eine solche GV der Unterhaltsanspruch nicht mehr unabhängig vom Eheverfahren geltend gemacht werden kann,46 sofern die Ehegatten nicht ausdrücklich vereinbaren, dass es sich gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 UntVO bei der vereinbarten Zuständigkeit um eine Wahlzuständigkeit handelt.47 Weiters eröffnet Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) UntVO die Wahl eines Gerichts oder der Gerichte am letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten, sofern dieser zumindest einjährig war. Die vorgegebene Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthalts kann als Sicherstellung der Sachnähe des Gerichts zu rechtfertigen sein, etwa dadurch, dass aufgrund der räumlichen Nähe zum Lebensmittelpunkt der Ehegatten eine leichtere Beweisaufnahme stattfinden und eine Verbindung zu einer zumindest einjährigen Lebenswirklichkeit der Ehegatten sichergestellt werden kann.48 Diese zeitliche Grenze ist jedoch 43 Befürwortend auch Boele-Woelki/Mom, Vereinheitlichung des internationalen Unterhaltsrechts in der Europäischen Union – ein historischer Schritt, FPR 2010, 485 (486); Simotta, Zur Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen nach Art. 4 EuUnterhaltsVO, in: GedS Koussoulis (2012), S. 527 (S. 528); Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff? (2014) 159. 44 So aber de lege lata Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 526; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 45. 45 Vgl. „the court which has jurisdiction“ und nicht etwa „the court seized“ oder „la juridiction compétente“ und nicht etwa „le tribunal saisi“. 46 Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 528. 47 Zu den Wirkungen der GV nach Art. 4 UntVO siehe unten § 3 A. II. 1. f). 48 Vgl. allgemein zu Art. 4 Abs. 1 UntVO Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑ UntVO Rn. 28.
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unangemessen, wenn etwa Ehegatten viele Jahre an einem Ort leben, ein späterer Aufenthalt aber als faktisch „letzter“ weniger als ein Jahr dauert und eine Prorogation nach Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) nun an diesem letzten Aufenthaltsort unzulässig wäre.49 Ein früherer, d. h. bei Gerichtsanrufung nicht mehr vorliegender (zumindest einjähriger) gewöhnlicher Aufenthalt ist nur dann maßgeblich, wenn er im Abschlusszeitpunkt der GV gegeben war.50 Um Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) zu entsprechen, müssen die Ehegatten relativ weit vorausschauend eine zuständigkeitsrechtliche Planung vornehmen, die in vielen Fällen nicht möglich sein wird. Die Voraussetzung des mindestens einjährigen gewöhnlichen Aufenthalts wird daher zu Recht im Schrifttum kritisiert.51 Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) UntVO ist umso mehr zu hinterfragen, als lit. c eine lex specialis für den Bereich des Ehegattenunterhalts darstellt und die weiteren Wahlmöglichkeiten in lit. a und lit. b im Gesamten verdrängt werden.52 Ehegatten werden damit gegenüber anderen Parteien eines Unterhaltsstreits erheblich benachteiligt: Zum einen ist ihnen eine Anknüpfung an ihre Staatsangehörigkeit (lit. b) völlig verwehrt, zum anderen sind sie bei einem Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt nach lit. c an deutlich strengere Voraussetzungen (einjährige Dauer) als bei lit. a gebunden. Haben die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, könnten sie nur über lit. c sublit. i) eine GV über die Annexzuständigkeit schließen. Die überwiegende Ansicht will diesem Irrweg durch eine extensive Auslegung entkommen, sodass lit. c zwei zusätzliche Gerichtsstände für den Ehegattenunterhalt bereitstellt.53 Ihr Hauptargument, dass der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO Ehegatten von lit. a und lit. b nicht explizit ausschließt,54 muss dem Gegenargument weichen, dass bei 49 Krit. zu diesen Beschränkungen Bartl, Die neuen Rechtsinstrumente zum IPR des Unterhalts auf internationaler und europäischer Ebene (2012) 70. 50 Rauscher, Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen mit Auslandsberührung, FamFR 2013, 25 (28). Zu den alternativen Zeitpunkten für die Beurteilung der Gültigkeit der GV siehe unten § 3 A. III. 1. b). 51 Siehe etwa Fucik, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen V/22 (2010) Art. 4 EuUVO Rn. 8: „zweifelhaft“; „relativ plumpe äußerliche Anknüpfungspunkte“. 52 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2010) § 7 Rn. 102; Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 531; ebenso Bartl, Die neuen Rechtsinstrumente zum IPR des Unterhalts auf internationaler und europäischer Ebene 70 f., aber mit krit. Hinweis auf die dadurch entstehende Benachteiligung der (ehemaligen) Ehegatten. 53 Gruber, IPRax 2010, 133; Carruthers, Party autonomy in the legal regulation of adult relationship: What place for party choice in private international law?, ICLQ 2012, 881 (897); Lipp, Parteiautonomie im internationalen Unterhaltsrecht, in: FS Pintens (2012), S. 847 (S. 863); Rauscher, FamFR 2013, 28; Abendroth, Choice of Court in Matters Relating to Maintenance Obligations, in: Beaumont u. a. (Hrsg.), The Recovery of Maintenance in the EU and Worldwide (2014), S. 459 (S. 467); Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 61; Dose, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis9 (2015) § 9 Rn. 652; Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht (2016) 313 f. m. w. N.; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 42; Reuß, in: Geimer/Schütze Art. 4 VO Nr. 4/2009 Rn. 26. 54 Gruber, IPRax 2010, 133, schließt sogar nach dem eigentlich offenen Wortlaut des
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der kumulierenden Lesart lit. c sublit. ii) keine Relevanz zukommt und überflüssig ist: Welcher Sinn bestünde in den strengen Voraussetzungen von lit. c sublit. ii), wenn die Ehegatten diese Voraussetzungen über lit. a einfach vermeiden könnten? De lege lata bleiben Ehegatten mithin auf die sehr restriktiven Prorogationsmöglichkeiten des Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO beschränkt. Es ist aber nicht ersichtlich, wieso Ehegatten derart beschränkte Prorogationsmöglichkeiten haben sollten, zumal GV am ehesten im Ehegattenunterhalt praxisrelevant sind.55 Diese starke Benachteiligung der Ehegatten stellt einen starken Rückschritt der Parteiautonomie im Vergleich zur Vorgängerregelung in der EuGVVO dar.56
c) Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO) Für alle anderen Unterhaltsberechtigten außer Ehegatten bzw. früheren Ehegatten gelten die Wahlmöglichkeiten in Art. 4 Abs. 1 lit. a und lit. b UntVO. Gemäß lit. a können der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaltsverpflichtete die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbaren, in dem eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Insofern genügt ein einseitiger Bezug des Gerichtsstands zur Rechtsstreitigkeit.57 Die Einseitigkeit des Anknüpfungspunktes wird dadurch ausgeglichen, dass Berechtigter und Verpflichteter im Rahmen der GV eine Willenseinigung erzielen müssen.58 Im Größenschluss (argumentum a minore ad maius) muss es aber auch zulässig sein, die GV auf die Gerichte bzw. ein Gericht des Staates zu beziehen, in dem beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine GV abzuschließen bringt klare Vorteile mit sich, insbesonders die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit in Bezug auf die gerichtliche Zuständigkeit.59 Hat der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat, stehen ihm als Kläger im Sinne eines Klägerwahlrechts bereits die Foren aus Art. 3 UntVO – vor allem die Zuständigkeit an seinem gewöhnlichen Aufenthalt gemäß Art. 3 lit. a – zur Verfügung, die für ihn auch Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 („Die in den Buchstaben a, b oder c genannten Voraussetzungen […]“) auf eine Kumulierung von lit. a, b und c; auch auf den Wortlaut abstellend Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 42. 55 Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 42; vgl. zur unterhaltsrechtlichen RW Hausmann, Schranken der Rechtswahl im internationalen Unterhaltsrecht, in: FS Martiny (2014), S. 345 (S. 346). 56 Zu Reformvorschlägen de lege ferenda siehe unten § 5 B. III. 2. a). 57 Bei Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt beider Parteien könnte ein „enger Bezug“ des prorogierten Gerichtsstandes zu dem Unterhaltsberechtigten und dem Verpflichteten sichergestellt werden, doch wäre die Reichweite des Art. 4 Abs. 1 lit. a damit deutlich eingeschränkt: GV, bei denen eine Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat, wären nicht umfasst. 58 Zum Zustandekommen der GV siehe unten § 3 A. IV. 1. a). 59 Siehe allgemein oben § 2 B. I.
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vorhersehbar sind. Der Abschluss einer GV hätte aus dieser Perspektive keinen Mehrwert.60 Hat der Unterhaltsberechtigte hingegen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, ist mangels gewöhnlichen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat weder Art. 3 lit. b noch Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO eröffnet.61 Diesfalls wird der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsverpflichteten für eine GV relevant. Hier muss der Unterhaltsberechtigte aber damit rechnen, in einem Staat verklagt zu werden, zu dem er selbst eventuell keine enge Verbindung hat.62 Eine solche GV wird den (kollisionsrechtlichen) Interessen des Unterhaltsberechtigten daher regelmäßig entgegenstehen.63 Zweck dieser liberalen Regelung, wonach gleichermaßen der gewöhnliche Aufenthalt des Berechtigten oder des Verpflichteten als einseitiger Anknüpfungspunkt genügt, ist somit primär die Sicherung einer (einseitigen) Sachnähe des befassten Gerichts und nicht der Schutz des Unterhaltsberechtigten.64 Wird der Unterhaltsberechtigte als Beklagter bzw. Antragsgegner auf Grundlage einer GV gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO in Anspruch genommen, entspricht der prorogierte Gerichtsstand Art. 3 lit. a UntVO, sofern die GV an seinen gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft. In diesem Fall besteht zwischen prorogiertem und gesetzlichem Gerichtsstand kein Unterschied; die GV benachteiligt den Unterhaltsberechtigten nicht. Der Vorteil einer GV nach Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO im Vergleich zu Art. 3 UntVO besteht aber darin, dass ein späteres Wegfallen oder ein späterer Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts keine Auswirkung auf die GV hat, wenn auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Abschlusszeitpunkt abgestellt wird.65 Möchte eine Partei somit verhindern, dass die andere Partei durch eine Aufenthaltsverlegung die gerichtliche Zuständigkeit beeinflusst, so empfiehlt sich der Abschluss einer GV.66
d) Zuständigkeit des Heimatstaates (Art. 4 Abs. 1 lit. b UntVO) Die Parteien eines Unterhaltsstreits (sofern sie nicht Ehegatten bzw. frühere Ehegatten sind) können sich des Weiteren gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b UntVO auf die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats einigen, dessen Staatsangehörigkeit eine der Parteien besitzt. Im Größenschluss ist ein Abstellen auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit allerdings nicht aus60 Vgl. Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 532 f. 61 Ist er Beklagter, kann auch nicht Art. 3 Abs. 1
lit. a UntVO greifen. Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 532 f. 63 Gruber, Der Schutz schwächerer Personen im Familien- und Erbrecht, in: von Hein/ Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015), S. 336 (S. 349). 64 Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 60; dies., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 28. 65 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 524; Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 532. 66 Vgl. Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 532. 62
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geschlossen. Auch bei der Vereinbarung der Zuständigkeit des Heimatstaates einer Partei ist zu bedenken, dass eine Partei bei Abstellen auf die Staatsangehörigkeit der anderen Partei in einem Staat verklagt werden kann, zu dem sie eventuell keine Beziehung hat. Wie bereits erwähnt, beruht die GV aber auf einem Konsens der Parteien,67 sodass die Einseitigkeit des Anknüpfungspunktes vom Willen beider Parteien getragen werden muss und insoweit legitimiert wird.68 Auch kann die betreffende Zuständigkeit aus verfahrensökonomischen Gründen vorteilhaft sein, weil z. B. die Verfahrensdauer in dem betreffenden Staat besonders kurz ist und dadurch ein Unterhaltstitel rasch erlangt werden kann.69 Im Heimatstaat zu prozessieren, hat außerdem den Vorteil, dass Sprache, Recht und Justizsystem bekannt sind.70 Art. 4 Abs. 1 lit. b wird indes dahingehend kritisiert, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nur einer Partei keine enge Verbindung zur Lebenswirklichkeit der Betroffenen und keine Sachnähe des Gerichts garantieren könne.71 Diese Kritik ist kein Spezifikum im Rahmen der UntVO, sondern wird generell zur Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im IPR und im IZVR geäußert.72 Art. 3 UntVO knüpft keinen Gerichtsstand an die Staatsangehörigkeit nur einer Partei an. Dementsprechend mag es verwunderlich sein, dass Art. 4 Abs. 1 lit. b darauf als einseitiges Anknüpfungskriterium abstellt. Damit könnte aber den nationalen IZVR‑Regeln Rechnung getragen worden sein, die traditionell auf die Staatsangehörigkeit abstellen und keine Entsprechung in Art. 3 UntVO haben (Art. 3 lit. a und lit. b UntVO stellen nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt, nicht auf die Staatsangehörigkeit ab).73 Vor allem aber wird dadurch 67 Siehe näher dazu unten § 3 A. IV. 1. a). 68 Vgl. Basedow, Le rattachement à la nationalité
et les conflits de nationalité en droit de l’Union européenne, Revue critique de droit international privé 2010, 427 (442 f.): „La base de compétence dans ce cas n’est cependant pas la nationalité mais l’accord des parties. […] la nationalité sert de critère indiquant un lien de proximité qui rend cet accord admissible“. 69 Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 536. 70 Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht 34. 71 So etwa Hau, Die Zuständigkeitsgründe der Europäischen Unterhaltsverordnung, FamRZ 2010, 516 (517); Lipp, in: FS Pintens, S. 864 m. w. N.; krit. zur generellen Beschränkung der GV durch die Anknüpfungskriterien in Art. 4 UntVO Andrae, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 29 f. 72 Siehe z. B. Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, ABl. C 1998/221, 27 Rn. 33: „Einige Mitgliedstaaten waren dafür, auch die Möglichkeit zuzulassen, dass nur einer der Ehegatten diese Bedingung erfüllt. Davon wurde jedoch Abstand genommen, da auf diese Weise ein reiner forum actoris begründet worden wäre, bei dem in vielen Fällen keinerlei faktische Bindung zu dem betreffenden Staat bestanden hätte […]“; Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 47; Raiteri, Citizenship as a connecting factor in private international law for family matters, JPIL 10 (2014), 309 (315). 73 Vgl. in diesem Sinn Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 213 zur Staatsangehörigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zum „domicile“: „[…] stoßen auch heute noch die divergierenden
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jenen Parteien eine Prorogationsmöglichkeit eröffnet, die keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat haben und eine GV daher nur auf ihre Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats stützen können, weil sie weder gemäß Art. 3 noch gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO einen Gerichtsstand an ihrem drittstaatlichen Aufenthaltsort begründen können.74 Drittstaatsangehörige mit gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat können über Art. 4 Abs. 1 lit. a eine GV treffen, sodass sie im Vergleich zu Unionsbürgern nicht benachteiligt werden; ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV75) ist mithin nicht gegeben.76
e) Prorogationsverbot für den Kindesunterhalt (Art. 4 Abs. 3 UntVO) In Unterhaltssachen minderjähriger Kinder – d. h. Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben – ist eine GV gemäß Art. 4 Abs. 3 UntVO ausgeschlossen. Minderjährige Kinder sind nicht voll geschäftsfähig und bedürfen somit zum Abschluss einer GV des Tätigwerdens ihrer gesetzlichen Vertreter. Da diese aber regelmäßig dem Kind gegenüber selbst unterhaltspflichtig sind, für ihre Ausbildung finanziell aufkommen usw., können Interessenskollisionen vorliegen.77 Gemäß Erwägungsgrund 19 Satz 2 UntVO ist dementsprechend der Zweck des Prorogationsverbots, Minderjährige als strukturell schwächere Parteien besonders zu schützen. Somit führen hier materiellrechtliche Einflüsse zu einer Einschränkung der Parteiautonomie. Ein solches Prorogationsverbot gab es indes bei der Vorgängerregelung in der EuGVVO a. F. nicht.78 Es entspricht aber den engen Voraussetzungen für Verfahren der elterlichen Verantwortung in Art. 12 Abs. 1 und Abs. 3 Brüssel IIa-VO, die das betroffene Kind vor nachteiligen Gerichtsständen schützen sollen.79 Die genauen Konturen dieses Prorogationsverbotes sind indes umstritten. Einer Ansicht nach stellt Art. 4 Abs. 3 UntVO zunächst eine Altersgrenze in Bezug auf den Unterhaltsberechtigten auf: Jede GV, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Unterhaltsberechtigten getroffen wurde, sei unwirksam, sodass sich weder der Unterhaltsverpflichtete noch der gesetzliche Vertreter des Kindes auf die Prorogation stützen können. Ab dem vollendeten 18. Lebensjahr spreche der auf die Minderjährigkeit bezogene Schutzzweck des Art. 4 Abs. 3 Anknüpfungstraditionen der einzelnen Staaten […] aufeinander. Dementsprechend sind in den […] EU‑Rechtsquellen meist beide bzw. alle drei Anknüpfungspunkte gleichzeitig vertreten“. 74 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 525; Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 535. 75 Vertrag über die Arbeitsweise der EU vom 9.5.2008, ABl. C 2008/115, 47. 76 Anders Hess, Europäisches Zivilprozessrecht § 7 Rn. 102 Fn. 365 noch zu Art. 12 EGV. 77 Vgl. Beaumont, RabelsZ 73 (2009), 533. 78 Daher krit. zum Prorogationsverbot Gottwald, Prozessuale Zweifelsfragen der geplanten EU‑Verordnung in Unterhaltssachen, in: FS Lindacher (2007), S. 13 (S. 15), der keine Schutzwürdigkeit sieht. 79 Siehe zur Kindeswohlerwägung im Rahmen der Brüssel IIa-VO unten § 5 B. III. 2. c).
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UntVO nicht mehr gegen die Gültigkeit der GV, sodass sich der nunmehr erwachsene Unterhaltsberechtigte, nicht aber der Verpflichtete auf eine früher getroffene GV berufen könne.80 Nach anderer Ansicht ist darauf abzustellen, auf welchen Zeitraum sich der betroffene Unterhaltsanspruch bezieht: Betrifft die GV den Kindesunterhalt bis zum 18. Lebensjahr, sei die Prorogation unwirksam; betrifft sie hingegen die Zeit danach, sei die GV wirksam, selbst wenn sie noch bei Minderjährigkeit des Kindes getroffen wurde.81 Diese Ansichten können aber nicht überzeugen. Eine GV mit Minderjährigen soll nach Art. 4 Abs. 3 UntVO vielmehr generell unzulässig sein, wenn sie vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes getroffen wird, sodass auf den Abschlusszeitpunkt der GV abzustellen ist. Der Verordnungsgesetzgeber wird hier grundsätzlich eine Manipulations- oder Übereilungsgefahr befürchtet haben und daher die Einhaltung einer zwingenden Zuständigkeit erreichen wollen.82 Wie Simotta83 zutreffend ausführt, kann nur eine strenge Auslegung des Art. 4 Abs. 3 UntVO die Interessen des unterhaltsberechtigten Kindes vor übereilten oder nachteiligen Entscheidungen seines gesetzlichen Vertreters schützen, die von den allgemeinen Gerichtsständen in Art. 3 UntVO abweichen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung kommt Art. 4 in toto nicht zur Anwendung,84 weshalb auch nicht Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 1 UntVO gilt, der als Gültigkeitszeitpunkt alternativ den Abschlusszeitpunkt und den Gerichtsanrufungszeitpunkt nennt;85 daher ist die GV auch dann unwirksam, wenn bei Anrufung des Gerichts das Kind bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat.86 Beruft sich der Minderjährige selbst ab seinem 18. Lebensjahr auf die GV, darf dies nicht gleich als eine nachträgliche Genehmigung gewertet werden, weil ihm die eigentliche Unwirksamkeit der GV oft wohl gar nicht bekannt sein wird.87 Eine weitere Auslegungsfrage zum Prorogationsverbot betrifft den personellen Anwendungsbereich. Nach dem Wortlaut88 scheint sich Art. 4 Abs. 3 UntVO nur auf minderjährige Unterhaltsberechtigte, nicht aber auf minderjährige Un80 Fucik, in: Fasching/Konecny2 Art. 4 EuUntVO Rn. 4 f. verweist hierzu auf „allgemeine rechtsgeschäftliche Grundsätze“; ihm folgend Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 532. 81 Lipp, in: FS Pintens, S. 861 f.; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 49 ff.; abl. Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 532. 82 Vgl. auch zum Verordnungsvorschlag die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 12.5.2006, KOM(2006) 206 endg. 3: „In diesem Bereich erscheint ein wirksamerer Schutz der ‚schwächeren Partei‘ in der Tat wünschenswert“. 83 Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 540 f.; ebenso Abendroth, in: Beaumont u. a., S. 469. 84 Art. 4 Abs. 3 UntVO: „Dieser Artikel gilt nicht […]“. 85 Näher dazu unten § 3 A. IV. 1. c). 86 Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 541. 87 Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 541. 88 Siehe „maintenance obligation towards a child“, „obligation alimentaire à l’égard d’un enfant“, „Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind“ und „un’obbligazione alimentare nei confronti di un minore“.
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terhaltsverpflichtete zu beziehen. Einerseits entspricht dies dem Schutz des Unterhaltsberechtigten als primäres Ziel der Zuständigkeitsbestimmungen der UntVO, andererseits erwachsen dem Unterhaltsverpflichteten weniger Nachteile, wenn er sich nicht mehr auf Art. 3 UntVO stützen kann. Art. 3 sieht in lit. b nämlich nur für den Unterhaltsberechtigten einen eigenen Gerichtsstand an seinem gewöhnlichen Aufenthalt vor, nicht hingegen am gewöhnlichen Aufenthalt des Verpflichteten.89 Bei minderjährigen Unterhaltsverpflichteten besteht aber genauso die Gefahr, dass der gesetzliche Vertreter eine uninformierte oder übereilte GV trifft.90 Die Interessenslage deckt sich hier mit jener bei minderjährigen Unterhaltsberechtigten. Im Gesetzgebungsverfahren wurde dieser Umstand offenbar nicht angesprochen.91 Um eine Rechtsschutzlücke zu vermeiden, sollte das Prorogationsverbot daher sowohl auf minderjährige Unterhaltsberechtigte als auch minderjährige Verpflichtete anzuwenden sein. Schließlich ist umstritten, ob Art. 4 Abs. 3 UntVO analog auf geschäftsunfähige Erwachsene anzuwenden ist. Einen eigenen Ausschlusstatbestand kennt die UntVO – anders als das HUP92 und das HUntGÜ 200793 – nicht. Der Schutzgedanke der Regelung sowie das primärrechtliche Diskriminierungsverbot aus Art. 10 AEUV sprechen mit Simotta94 zwar für eine Ausweitung. Aus dem Gesetzgebungsprozess der UntVO ergibt sich jedoch, dass eine solche Ausweitung mangels Einigung der Mitgliedstaaten nicht Einzug in den endgültigen Verordnungstext gefunden hat und daher nicht gewollt ist.95 Im Unterschied zu den Fällen minderjähriger Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter kann hier kein Analogieschluss gezogen werden, weil die zugrundeliegende Entscheidung des Unionsgesetzgebers gegen die Ausweitung spricht. Ein ausdrückliches Prorogationsverbot für geschäftsunfähige Erwachsene ist auch nicht notwendig, weil auf Schutzbestimmungen im materiellen Recht zurückgegriffen werden kann. 89 Dieser wird aber ohnehin meistens Beklagter sein und kann damit am allgemeinen Beklagtengerichtsstand nach Art. 3 lit. a UntVO verklagt werden. 90 Siehe Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 539, wobei dies in der Praxis häufiger Fälle des Kindesunterhalts, und weniger des Ehegattenunterhalts betreffen wird. 91 Der VO‑Vorschlag enthielt in Art. 4 Z. 4 der deutschen Fassung eine offenere Formulierung („Unterhaltsstreit, der ein Kind von unter 18 Jahren betrifft“), im Englischen und Französischen hingegen bereits den jetzt engeren Wortlaut („maintenance obligation towards a child“; „obligation alimentaire à l’égard d’un enfant“); siehe KOM(2005) 649 endg. 17. 92 Zum HUP im Folgenden unter § 3 A. II. 2. d). 93 Art. 3 lit. f. HUntGÜ 2007 stützt sich dazu auf den Begriff der „vulnerable person“ als „a person who, by reason of an impairment or insufficiency of his or her personal faculties, is not able to support him or herself“. 94 Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 540 f.; siehe auch Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts9 (2017) Rn. 223. 95 Gruber, IPRax 2010, 133; ihm folgend Fucik, in: Fasching/Konecny2 Art. 4 UntVO Rn. 7. Der Textvorschlag des Rates vom 20.12.2006 enthielt noch eine Ausweitung auf „unterstützungsbedürftige Erwachsene“; siehe (abgefragt am 13.9.2018).
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So ist z. B. zu prüfen, ob eine Stellvertretung für den Abschluss der GV wirksam ist.96
f) Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung Gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 begründet die GV mangels gegenteiliger Parteienvereinbarung grundsätzlich eine ausschließliche Zuständigkeit und verdrängt die GV diesfalls die Gerichtsstände nach Art. 3 und 6 ff. UntVO.97 Beim Abschluss einer GV ist daher zu bedenken, dass bei Ausschließlichkeit der Prorogation dem Unterhaltsberechtigten als Kläger bzw. Antragsteller die freie Wahl zwischen den Klägergerichtsständen des Art. 3 UntVO verwehrt bleibt.98 Eine GV nach Art. 4 Abs. 1 lit. a, lit. b und lit. c sublit. ii) UntVO kann sich auf ein bestimmtes Gericht oder allgemein auf die Gerichte des betreffenden Aufenthalts- bzw. Heimatstaates beziehen. Die Parteien können daher wahlweise die internationale Zuständigkeit (arg. „die Gerichte des Mitgliedstaats“) oder auch zugleich die örtliche Zuständigkeit (arg. „ein Gericht des Mitgliedstaats“) bestimmen.99 Im Unterschied dazu bezieht sich Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) nur auf das in Ehesachen zuständige Gericht, sodass eine solche GV immer auch die örtliche Zuständigkeit regelt.
2. Rechtswahl (Art. 15 UntVO i. V. m. HUP) a) Vorbemerkungen Im nationalen Unterhaltskollisionsrecht spielte die Parteiautonomie bislang kaum eine Rolle. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten kannte gar keine RW.100 Die objektiven Anknüpfungen variierten zwischen dem gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten,101 dem gemeinsamen Personalstatut beim ehelichen Unterhalt102 und dem Personalstatut des Kindes beim Kindesunterhalt.103 Vereinzelt gab es beschränkte Dispositionsmöglichkeiten.104 Das HUP 96 97
Fucik, in: Fasching/Konecny2 Art. 4 UntVO Rn. 7. Rauscher, FamFR 2013, 28. 98 Vgl. Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 533, S. 538. 99 Siehe Art. 4 Abs. 1 UntVO: „Die Parteien können vereinbaren, dass das folgende Gericht oder die folgenden Gerichte eines Mitgliedstaats […] zuständig ist bzw. sind“. 100 Teilweise sprach sich das Schrifttum für eine Rechtswahlmöglichkeit aus; siehe Boele-Woelki, Artikel 8 Haager Unterhaltsübereinkommen steht einer Rechtswahl nicht entgegen, IPRax 1998, 492 (495); Hohloch, Unterhaltsstatut und Rechtswahl, in: FS Sonnenberger (2004), S. 401 (S. 411 f.); Kropholler, Internationales Privatrecht6 282. 101 So z. B. Art. 18 Abs. 1 (und subsidiär gemeinsames Personalstatut) EGBGB (dBGBl. I 1994, 2494 i. d. F. vor dBGBl. I 2011, 898). 102 So z. B. § 18 Abs. 1 österr. IPRG (subsidiär das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsstaates) und Art. 29 ital. IPRG (subsidiär das Recht des Staates, in dem das eheliche Leben überwiegend zu verorten ist). 103 So z. B. § 24 und § 25 Abs. 2 österr. IPRG und Art. 36 ital. IPRG. 104 Gemäß Art. 74 Abs. 2 belg. IPRG ist in Abweichung von der Grundanknüpfung am
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eröffnet somit überwiegend erstmals die Möglichkeit, das Unterhaltsstatut zu wählen. Auch auf völkerrechtlicher Ebene sind die Rechtswahlregelungen des HUP ein absolutes Novum, zumal das HKUntÜ 1956 und das HUntÜ 1973 noch keine (explizite105) Rechtswahlmöglichkeit kannten. Wie später vergleichend dargestellt wird106, weist das HUP im Vergleich zu den familienrechtlichen EU‑VO besondere Regelungen auf. Hierbei sollte man sich vor Augen halten, dass das HUP kein Unionsrechtsakt, sondern ein völkerrechtlicher Akt ist, bei dessen Verhandlungen in der Haager Konferenz viel mehr Staaten mit unterschiedlicheren Rechtsordnungen beteiligt waren als im Gesetzgebungsverfahren der EU.107 Daher enthält das HUP anders als die Kollisionsnormen der EU‑VO einen eigenen Artikel für die Wahl der lex fori, der als Zugeständnis an jene Staaten zu sehen ist, die insbesonders im Familienrecht traditionell auf die lex fori abstellen und die daher der generellen Rechtswahlnorm des Art. 8 HUP skeptisch gegenüberstanden.108 Im Folgenden werden diese zwei klar zu trennenden Rechtswahlregelungen näher erläutert.
b) Rechtswahl für ein einzelnes Verfahren (Art. 7 HUP) Art. 7 HUP ermöglicht den Parteien ausschließlich für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens die Wahl der lex fori („the law of that state“). Für spätere Prozesse greift die RW nicht, weder für Verfahren vor demselben Gericht noch vor allen anderen Gerichten.109 Der Zweck des Art. 7 HUP liegt primär in der Herstellung eines Gleichlaufs außerhalb der allgemeinen Kollisionsnormen der Art. 3 f. HUP, wodurch das befasste Gericht das eigene Unterhaltsrecht anwendet.110 Allerdings ist für diese RW ein Bestimmtheitserfordernis zu beachten: Die RW muss sich auf ein Unterhaltsverfahren in einem bestimmten Staat beziehen („in a given state“, „un état donné“).111 Denn nur so kann die RW auf eine konkrete Rechtsordnung abzielen und für Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts – und damit der Rechte und Pflichten der Parteien – sorgen. Ein gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten eine Berufung auf das gemeinsame Aufenthaltsrecht möglich, wenn der Unterhaltsberechtigte in diesem Staat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 105 In den Niederlanden hielt der Hoge Raad in einer viel diskutierten Entscheidung aus 1997 zum HUntÜ die Wahl der lex fori für zulässig, obwohl das HUntÜ keine eigene Rechtswahlmöglichkeit vorsieht; siehe hierzu Boele-Woelki, IPRax 1998, 492 ff.; Hohloch, in: FS Sonnenberger, S. 407 f. 106 Siehe unten § 4 B. I. 1. c). und D. III. 107 Vgl. etwa die Berichte von den Verhandlungen zum HUntGÜ 2007 bei R. Wagner, Ein neues unterhaltsrechtliches Übereinkommen aus Den Haag, FamRZ 2005, 410 (415 f.). 108 Vgl. Bach, in: NK‑BGB2 Art. 7 HUP Rn. 2; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 1. 109 Andrae, Zum Verhältnis der Haager Unterhaltskonvention 2007 und des Haager Protokolls zur geplanten EU‑Unterhaltsverordnung, FPR 2008, 196 (199). 110 Hausmann, in: FS Martiny, S. 347. 111 Bonomi, Explanatory Report Rn. 120; Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 557.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
Verweis auf „das Recht des Gerichts“ kann nur bei einer RW im bereits eingeleiteten Verfahren genügen, weil hier die lex fori bereits feststeht.112 Wenn aber gemäß Art. 7 Abs. 2 HUP eine RW im Vorfeld getroffen wird, kann hingegen nicht bloß abstrakt das „Recht des zuständigen Gerichts“ gewählt werden, denn zu diesem Zeitpunkt wurde noch kein Gericht angerufen und die lex fori ist daher noch nicht „konkretisiert“. Es muss das Gericht, vor dem das Unterhaltsverfahren stattfinden soll, bezeichnet oder eine bestimmte Rechtsordnung genannt werden, wobei letztere RW nur dann wirksam ist, wenn im Staat dieser Rechtsordnung das Unterhaltsverfahren dann tatsächlich stattfindet.113 Es muss in der RW nach Art. 7 HUP erkennbar sein, für welches konkrete Verfahren sie bestimmt ist. Dies wird dann problemlos zu bejahen sein, wenn eine GV (nach der UntVO) getroffen wird und die Parteien daran die Wahl der lex fori koppeln.114
c) „Generelle“ Rechtswahl (Art. 8 HUP) Art. 8 HUP ermöglicht eine RW, die nicht von einem konkreten Verfahren abhängt und insofern jederzeit („at any time“) getroffen werden kann. Wie Art. 7 HUP normiert auch Art. 8 HUP keine freie RW, sondern schränkt die Wahlmöglichkeiten auf bestimmte Rechtsordnungen ein. Zunächst kann das Recht des Staates der Staatsangehörigkeit115 (lit. a) oder das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts (lit. b) einer Partei gewählt werden. Auch hier handelt es sich wie bei Art. 4 UntVO um einseitige Anknüpfungspunkte, die oft nur die kollisionsrechtlichen Interessen einer Partei wahrnehmen.116 Diese Einseitigkeit wird aber als genügend erachtet, weil die RW auf einer Einigung117 der Parteien beruhen muss.118 Freilich kann wie bei Art. 4 UntVO im Größenschluss auch das Recht des Staates gewählt werden, dessen Staatsangehörigkeit beide Parteien besitzen bzw. in dem beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. 112 Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 7. 113 Bonomi, Explanatory Report Rn. 120. Diese
Rn. 152; dies., in: Rauscher, EuZPR/
RW könnte andernfalls aber nach Art. 8 HUP gültig sein. 114 Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 557; Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 154; dies., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 8. 115 Doppel- und Mehrfachstaatsbürger haben die freie Wahl zwischen ihren Staatsangehörigkeiten (arg. „the law of any State of which either party is a national“); siehe Bonomi, Explanatory Report Rn. 131. 116 Diese Interessen liegen regelmäßig in der Maßgeblichkeit des Rechts am eigenen gewöhnlichen Aufenthalt und somit am persönlichen Lebensmittelpunkt; siehe R. Wagner, FamRZ 2005, 415 f. 117 Zum Zustandekommen der RW näher unten § 3 A. IV. 2. a). 118 Siehe Lipp, in: FS Pintens, S. 857 zu den einseitigen Anknüpfungspunkten: „Sie werden durch den Parteiwillen gewissermaßen ‚aufgewertet‘. Ihre Einseitigkeit wird durch die Zustimmung der anderen Partei ausgeglichen“.
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Für Ehegatten stehen zusätzlich119 das Güterrechtsstatut (lit. c) und das Scheidungs- bzw. Trennungsstatut (lit. d), welches im Vorfeld gewählt oder tatsächlich angewandt wurde, zur Auswahl. Das HUP regelt jedoch nicht die Zulässigkeit einer RW in diesen zwei Materien; die Zulässigkeit unterliegt dem Kollisionsrecht des jeweiligen Vertragsstaates.120 Hierzu ist aus Sicht der EU‑ Mitgliedstaaten auf die Kollisionsregeln bzw. die Rechtswahlbestimmungen der Rom III‑VO und der EheGüVO zu verweisen, die in den nächsten Kapiteln besprochen werden.121 Art. 8 Abs. 1 lit. c HUP wird daher mit Inkrafttreten der EheGüVO für die Gestaltungspraxis noch interessanter werden. Diese Verbindungsmöglichkeiten sind insofern sinnvoll, als für zusammenhängende Verfahren bzw. Ansprüche ein und dasselbe Recht zur Anwendung kommt. Da die RW in Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Ehegatten bzw. geschiedenen Ehegatten aus praktischer Sicht am relevantesten ist, sind die zusätzlichen Wahlmöglichkeiten in Art. 8 HUP gerechtfertigt.122
d) Rechtswahlverbote (Art. 8 Abs. 3 HUP) Im Gegensatz zur RW nach Art. 7 HUP, die einen engen Anwendungsbereich hat, findet Art. 8 HUP grundsätzlich allgemein auf Unterhaltsangelegenheiten Anwendung. Diese weitgehende Parteiautonomie wird in mehrfacher Hinsicht wieder beschränkt, um Manipulations- oder Missbrauchssituationen zu vermeiden.123 So schließt Art. 8 Abs. 3 1. Fall HUP – parallel zu Art. 4 Abs. 3 UntVO – eine RW bezüglich Unterhaltspflichten aus, die eine Person betreffen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Auch hier geht es in erster Linie um den Schutz des minderjährigen Unterhaltsberechtigen, der der Wertung des materiellen Rechts entspricht, dass minderjährige Personen im Rechtsverkehr besonders zu schützen sind.124 Da hier regelmäßig Interessenskonflikte zwischen dem unterhaltsverpflichteten gesetzlichen Vertreter und dem unterhaltsberechtigten Kind entstehen, soll der Rechtswahlausschluss eine Übervorteilung des Verpflichteten vermeiden.125
119 Bonomi, Explanatory Report Rn. 135: 120 Bonomi, Explanatory Report Rn. 135. 121
„further options“, „additional options“.
Siehe unten § 3 B. (Rom III‑VO) und § 3 C. (Güterrechtsverordnungen). Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 150; Hausmann, in: FS Martiny,
122 Vgl.
S. 346. 123 Hausmann, in: FS Martiny, S. 347. 124 Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 343; vgl. auch Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 469 f. 125 Vgl. Bonomi, Explanatory Report 128: „admitting the choice of applicable law involves an excessive risk of conflicts of interest in such cases“; selbst eine sehr günstige RW soll nicht zulässig sein, siehe Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 8 UnthProt Rn. 20; anders M. Lehmann, Das neue Unterhaltskollisionsrecht – im Irrgarten zwischen Brüssel und Den Haag, GPR 2014, 342 (348).
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Wie schon beim Prorogationsverbot des Art. 4 Abs. 3 UntVO sind auch bei Art. 8 Abs. 3 HUP bestimmte Auslegungskonturen strittig. Da die Kollisionsnormen des HUP auf den Schutz des Unterhaltsberechtigten abzielen, ist einer Ansicht nach der Wortlaut der Bestimmung („Unterhaltspflichten betreffend“126) als „Unterhaltspflichten gegenüber“ zu lesen und nur auf minderjährige Unterhaltsberechtigte anzuwenden.127 Eine derart restriktive Auslegung übersieht jedoch die Schutzbedürftigkeit des minderjährigen Unterhaltsverpflichteten.128 Richtigerweise erfasst Art. 8 Abs. 3 HUP sowohl unterhaltsberechtigte als auch unterhaltsverpflichtete Minderjährige.129 Das Rechtswahlverbot gilt für jede RW, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres der betroffenen Person geschlossen wird, und dies unabhängig vom Zeitraum, auf den sich die Unterhaltspflicht bezieht, d. h. auch für den Zeitraum nach Vollendung des 18. Lebensjahres.130 Nur so kann dem Schutzzweck des Rechtswahlausschlusses in vollem Umfang Rechnung getragen und damit der nicht voll geschäftsfähige Minderjährige geschützt werden.131 Wird dennoch eine RW getroffen, ist diese im Gesamten ungültig und führt zur objektiven Anknüpfung nach Art. 3 f. HUP.132 Eine Wahl der lex fori nach den Vorgaben des Art. 7 HUP kann aber vorgenommen werden; diese unterliegt keinen personellen Einschränkungen.133 Art. 8 Abs. 3 2. Fall HUP schließt weiters eine RW bei Unterhaltspflichten in Bezug auf Erwachsene aus, die infolge einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeit nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen. Diese Definition der nicht voll geschäftsfähigen Erwachsenen wurde Art. 1 Abs. 1 des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens134 entnommen.135 Abgestellt wird aber nicht auf die mangelnde Geschäftsfähig126 In der authentischen Fassung „maintenance obligations in respect of“ bzw. „obligations alimentaires concernant“. 127 So M. Weber, Das anwendbare Recht im Unterhaltsstreit, Zak 2011, 267 (270): „Unterhaltsansprüche von Personen“; Lipp, in: FS Pintens, S. 858: „Unterhalt für Personen“; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 18; auch Bonomi, Explanatory Report Rn. 128, scheint von dieser Auslegung auszugehen: „maintenance obligations towards minors“. 128 Siehe die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 3 UntVO oben § 3 A. II. 1. e). 129 Fucik, Rechtswahl und Geschäftsunfähigkeit im Haager Unterhaltsprotokoll, Zak 2011, 287 (288); Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 4. 130 Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 5. 131 Hausmann, in: FS Martiny, S. 367; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 19; ebenso Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 470. 132 Vgl. Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 8 UntProt Rn. 20. 133 Bonomi, Explanatory Report Rn. 118. 134 Übereinkommen vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen, abrufbar unter (abgefragt am 13.9.2018). 135 Siehe Bonomi, Explanatory Report Rn. 127.
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keit des Betroffenen, die im HUP selbst nicht geregelt ist, sondern auf den Abschluss der RW durch einen gesetzlichen Vertreter.136 Dies ist nach Art. 8 Abs. 3 2. Fall HUP eben verboten. Die Einführung einer RW für diese „vulnerable adults“ ist am fehlenden Konsens im Verhandlungsstadium gescheitert, weil von einigen Delegationen Missbrauchsgefahren befürchtet wurden.137 Auch die unterschiedlichen Regelungen der Sachwalterschaft bzw. der Erwachsenenvertretung in den nationalen Rechtsordnungen waren maßgebend dafür, dass keine Einigung hinsichtlich einer Rechtswahlmöglichkeit erzielt werden konnte.138 Hinter diesem Verbot steht – wie bei Art. 8 Abs. 3 1. Fall HUP – die Vermeidung von potentiellen Interessenskollisionen.139 Im Unterschied zum Ausschluss bei Minderjährigen ist eine sachliche Rechtfertigung aber hier nicht in allen Fällen ersichtlich: Solche Personen könnten etwa von einem Sachwalter oder einer anderen Person vertreten sein, der bzw. die nicht mit ihnen verwandt und somit keinem Interessenskonflikt ausgesetzt ist.140 Fucik141 wertet dies als einen Fall der Behindertendiskriminierung, sieht aber zugleich im Wortlaut des Art. 8 Abs. 3 2. Fall HUP („nicht in der Lage […], seine Interessen zu schützen“) einen gewissen Auslegungsspielraum: Enthält eine Unterhaltsvereinbarung, die von einem tauglichen, nicht Interessenskollisionen ausgesetzten Vertreter geschlossen und gerichtlich genehmigt wurde, eine RW bzw. Rechtswahlklausel, sollte diese zulässig sein.142 Diese vermittelnde Ansicht ist m. E. ein angemessener Ansatz de lege lata, um im Einzelfall eine nicht benachteiligende RW zuzulassen.
3. Kritische Würdigung a) Koordinierung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung Inhaltlich stimmen Art. 4 UntVO und Art. 8 HUP weitgehend überein, woran sich auch das parallele Tätigwerden des Unionsgesetzgebers und der Haager Konferenz zeigt. Die Parallelität der Anknüpfungspunkte in den beiden Rechtsakten fungiert als Mechanismus zur Erzielung eines Gleichlaufs von forum und 136 137
Fucik, Zak 2011, 288. Siehe näher Fucik, Das neue Haager Unterhaltsprotokoll, iFamZ 2008, 90 (95); Beaumont, RabelsZ 73 (2009), 521 Fn. 26: „Several attempts had been made to find a compromise whereby vulnerable adults could be given party autonomy if safeguards were put in place to avoid their representatives entering into an agreement on their behalf if they had a conflict of interest. However none of these compromises achieved consensus“; Bonomi, Explanatory Report Rn. 127: „the Diplomatic Session eventually excluded the choice of applicable law to maintenance obligations for these persons, in order to avoid any risk of abuse“. 138 Fucik, in: Fasching/Konecny2 Art. 15 EuUVO Rn. 40. 139 Beaumont, RabelsZ 73 (2009), 521 Fn. 26; Fucik, Zak 2011, 288. 140 Fucik, iFamZ 2008, 95; ders., Zak 2011, 288; a. A. M. Weber, Zak 2011, 270 f., der hier eine gerechtfertigte Gleichbehandlung Minderjähriger und nicht geschäftsfähiger Erwachsener sieht. 141 Fucik, iFamz 2008, 95; ders., in: Fasching/Konecny2 Art. 15 EuUVO Rn. 40. 142 Abl. M. Weber, Zak 2011, 270; Lipp, in: FS Pintens, S. 859.
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ius, der aus prozessökonomischer Sicht für die Parteien regelmäßig von Vorteil ist.143 Gültig ist eine RW im Rahmen des HUP aber nur dann, wenn ein Gericht eines Vertragsstaates – somit eines Mitgliedstaats der EU (mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs) oder von Serbien – mit dem Unterhaltsverfahren befasst ist. Dies kann weitgehend mit einer GV nach der UntVO sichergestellt werden.144 Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO und Art. 8 Abs. 1 lit. b HUP knüpfen die GV bzw. die RW an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei an; Art. 4 Abs. 1 lit. b UntVO und Art. 8 Abs. 1 lit. a HUP stellen beide auf die Staatsangehörigkeit einer Partei ab. Die Reihenfolge der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Staatsangehörigkeit ist lediglich umgekehrt. Durch diese Verschränkung zwischen RW und GV kann die lex fori als gewähltes Recht zur Anwendung kommen. Ein Gleichlauf muss aber nicht zwingend vorliegen; so können die Parteien theoretisch die RW an den gewöhnlichen Aufenthalt im Staat X und die GV an die Staatsangehörigkeit zum Staat Y anknüpfen. Dass Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO die Gerichtsstände in lit. a und lit. b ausschließt, ist im Hinblick auf Art. 8 HUP, der für Ehegatten zusätzliche Rechtswahlmöglichkeiten eröffnet, systemwidrig.145 Teilweise stimmen diese besonderen Wahlmöglichkeiten aber überein: So wie Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO eine GV zum in Ehesachen zuständigen Gericht eröffnet, gestattet Art. 8 Abs. 1 lit. d HUP die Wahl des Scheidungs- bzw. Trennungsstatuts. Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) UntVO normiert die Wahl des Gerichts am letzten gemeinsamen, zumindest einjährigen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten. Ein Pendant dazu kennt das HUP nicht, sondern enthält mit Art. 8 Abs. 1 lit. b eine allen Parteien zugängliche Wahlmöglichkeit des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei, die durch das Fehlen eines zeitlichen Kriteriums umfassender ist als Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO. Eine für Ehegatten ausschließliche und restriktivere Regelung wie Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO wurde nicht als notwendig erachtet.146 Die daraus folgenden Probleme im Zusammenhang mit der Koppelung der RW und der GV seien auch an folgendem Kurzbeispiel veranschaulicht: A, deutsche Staatsbürgerin, und ihr Ehegatte B, italienischer Staatsbürger, wohnten 10 Monate in Paris, danach 10 Monate in Wien, bevor B zurück nach Paris zog. Im Zuge eines während des Pariser gewöhnlichen Aufenthalts geschlossenen Ehevertrages vor einem Pariser Notar einigten sie sich auf die Anwendung französischen Rechts sowie die Zuständigkeit französischer Gerichte für aus 143 Siehe
Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht 204. Henrich, Internationales Scheidungsrecht3 (2012) Rn. 133. Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 UntVO Rn. 42. 146 Im Zuge der Verhandlungen wurde diskutiert, ob es überhaupt besonderer Wahlmöglichkeiten für Ehegatten bedarf oder ob nicht schon die allgemeinen Wahlmöglichkeiten zum gewöhnlichen Aufenthalt bzw. zur Staatsangehörigkeit einer Partei genügen; siehe Bonomi, Explanatory Report 135. 144 145
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der Ehe entstehende Unterhaltsstreitigkeiten. Da A und B im Zeitpunkt des Abschlusses der RW ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatten, ist die RW gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. b HUP gültig. Die GV ist nach Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) UntVO aber ungültig, weil der gewöhnliche Aufenthalt in Paris nicht mindestens ein Jahr dauerte. Nach dem allgemeinen Wahltatbestand des Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO (gewöhnlicher Aufenthalt einer Partei bzw. hier sogar beider Parteien in Frankreich) wäre die GV gültig, dieser steht den Ehegatten de lege lata aber nicht offen. Die Wahl des Güterrechtsstatuts für Unterhaltssachen (Art. 8 Abs. 1 lit. c HUP) hat in der UntVO kein eigenes Gegenstück, kann aber in der GV zugunsten des – im weiteren Sinn – in Ehesachen zuständigen Gerichts (Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) Deckung finden. Hinsichtlich Unterhaltspflichten, die minderjährige Personen betreffen, schließen Art. 4 Abs. 3 UntVO und Art. 8 Abs. 3 HUP eine GV bzw. eine RW aus. Auch in Bezug auf nicht voll geschäftsfähige Erwachsene schließt Art. 8 Abs. 3 HUP eine RW aus. Nach Art. 4 UntVO ist eine GV für geschäftsunfähige Erwachsene hingegen zulässig. Die Tragweite einer GV nach der UntVO zeigt sich vor allem in Verbindung mit den Bestimmungen des HUP, welche die lex fori als objektives Unterhaltsstatut zur Anwendung bringen. Einer GV kommt hier große Bedeutung für das anzuwendende Recht zu, wenn keine anderslautende RW im Sinne des HUP getroffen wird, weil durch die Wahl eines Gerichtsstandes auch das materielle Recht mitbestimmt wird. In Kombination mit der begünstigten Wahl der lex fori im HUP könnte der großzügige Gerichtsstandskatalog in Art. 3 und Art. 4 UntVO zu forum shopping verleiten. Durch den begrenzten Kreis der wählbaren Gerichtsstände, die einen Bezug zur Unterhaltssache herstellen, wird die Gefahr des forum shopping aber eingedämmt.
b) Abgrenzung und Wertungsunterschiede zwischen Art. 7 und Art. 8 HUP Die Abgrenzung zwischen Art. 8 und Art. 7 Abs. 2 HUP, die eine vorsorgende RW vor Verfahrenseinleitung ermöglichen, ist nicht immer eindeutig. Eine Abgrenzung ist aber wichtig, weil der Schutzniveau und die Reichweite dieser Rechtswahltatbestände verschieden sind: Art. 7 HUP kennt im Gegensatz zu Art. 8 HUP keine besonderen Schutzbestimmungen für den Unterhaltsberechtigten bzw. für schwächere Personengruppen wie Minderjährige oder geschäftsunfähige Erwachsene.147 Angesichts des wesentlichen Ziels des HUP, den Unterhaltsberechtigen zu schützen, stellt sich daher die Frage, ob diese Wertungsunterschiede nachvollziehbar und gerechtfertigt sind. Für eine Abgrenzung zwischen Art. 7 und Art. 8 HUP ist zunächst auf den Inhalt der RW und die Absicht der Parteien abzustellen148: Haben die Parteien 147
Krit. zum Fehlen von Schutzklauseln in Art. 7 HUP Andrae, FPR 2008, 199. Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 29 ff.
148 Ebenso
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nicht die lex fori gewählt, sind die Zulässigkeit sowie die materielle und formelle Gültigkeit der RW nach Art. 8 HUP zu beurteilen; stimmt die lex fori mit einer der Rechtsordnungen nach Art. 8 HUP überein, bestimmt der Parteiwille, ob eine Begrenzung auf das konkrete Verfahren oder eine allgemeine RW intendiert ist.149 Wurden die Formerfordernisse nach Art. 8 nicht eingehalten, ist im Zweifel eine RW nach Art. 7 HUP anzunehmen.150 Eine zeitliche Abgrenzung, wonach vor oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nur eine Art der RW zulässig ist, zieht das HUP – mit Ausnahme des Hinweises in Art. 8 HUP, dass die RW „jederzeit“ getroffen werden kann – nicht. Bis zu welchem Zeitpunkt im bereits eingeleiteten Verfahren die lex fori spätestens gewählt werden kann, bestimmt sich als verfahrensrechtliche Frage nach der lex fori, d. h. dem gewählten Recht selbst.151 Ab welchem Zeitpunkt die lex fori gewählt werden kann, geht aus Art. 7 Abs. 2 HUP nicht hervor; dieser geht grundsätzlich davon aus, dass auch für zukünftige Unterhaltsverfahren (arg. „before the institution of such proceedings“) die lex fori gewählt werden kann.152 Im Schrifttum wird vertreten, dass nur eine kurze Zeitspanne zwischen Vereinbarungszeitpunkt und Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs im Verfahren bleiben soll, sodass z. B. in einem Ehevertrag die lex fori nicht vorsorgend gewählt werden kann.153 Die lex fori könne demnach nur für ein Verfahren gewählt werden, das bereits eingeleitet wurde oder zumindest kurz vor der Einleitung steht.154 Gegen diese Ansicht spricht zunächst, dass sie den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 HUP erheblich einschränkt. Dies wurde in den Verhandlungen zum HUP aber nicht intendiert: Dem Bericht von Bonomi ist zu entnehmen, dass auf die Festlegung einer strikten zeitlichen Grenze bewusst verzichtet wurde, sodass die Parteien die lex fori auch dann wählen können, wenn zwischen Rechtswahlabschluss und Verfahrenseinleitung sogar Jahre vergehen („even if a fairly long time has elapsed between those two events“).155 Denn eine solche RW ist ohnehin nur dann wirksam, wenn im Staat des gewählten Rechts das Unterhaltsverfahren stattfindet. Außerdem können die Unterhaltsparteien vom Gestaltungsspielraum, der sich aus der Konkretisierung 149 150
Bonomi, Explanatory Report 117. Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 10. 151 Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 560; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 11. 152 Hilbig, in: Geimer/Schütze Art. 15 VO Nr. 4/2009 Rn. 41. 153 Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 7 UnthProt Rn. 8; siehe auch Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht 225 f., wonach Art. 7 HUP erst ab einem „das familiäre Verhältnis schädigende[n] Ereignis“ – etwa einer Scheidung – oder hilfsweise ab Verfahrenseinleitung zum Zug kommen sollte. 154 Vgl. Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 7 UnthProt Rn. 3; vgl. hingegen Fucik, in: Fasching/ Konecny2 Art. 15 EuUVO Rn. 35, wonach ein „Konflikt“ über den Unterhaltsanspruch genüge; ihm folgend M. Weber, Zak 2011, 270. 155 Siehe Bonomi, Explanatory Report Rn. 121; zust. Lipp, in: FS Pintens, S. 856.
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einer lex fori-Wahl durch den Abschluss einer GV nach Art. 4 UntVO ergibt, z. B. in einem Ehevertrag Gebrauch machen. Zu dieser weiten Auslegung des Art. 7 HUP bestehen aber andererseits erhebliche Bedenken: Behandelt man Art. 7 und Art. 8 HUP in ihrer zeitlichen Reichweite gleichwertig, könnten die Rechtswahlverbote und die später zu erläuternde Inhaltskontrolle des Art. 8 Abs. 5 HUP leicht umgangen werden. Diese Unterschiede sind auf die spezifische Funktion der beiden Rechtswahlarten zurückzuführen, die nicht vermischt werden sollten. Art. 8 HUP schränkt die Parteiautonomie in mehrfacher Hinsicht ein, weil die RW nach Art. 8 HUP für eine unbestimmte Anzahl von Verfahren und für weit in der Zukunft liegende Streitigkeiten getroffen werden kann. Eine unüberlegte Wahlentscheidung könnte hier bei Art. 8 HUP eher zu erwarten sein als bei einer nach oder kurz vor Verfahrenseinleitung getroffenen und nur auf ein Verfahren beschränkten RW nach Art. 7 HUP. Es ist gut denkbar, dass sich die Parteien bei unmittelbar bevorstehenden Verfahren der Konsequenzen der RW eher bewusst sind bzw. eine Wahlentscheidung nach eingeholter rechtlicher Beratung und Informierung treffen.156 Diese Überlegung könnte der Grund dafür sein, dass Art. 7 HUP – abgesehen vom Schriftlichkeitserfordernis, das aber keine hohe Hürde darstellt – keine besonderen Korrektive wie Art. 8 HUP kennt. Das Fehlen von Rechtswahlverboten und Inhaltskontrollen in Art. 7 HUP kann nicht durch die verfahrensökonomischen Vorteile, die mit der Wahl der lex fori verbunden sind, als ausgeglichen gewertet werden.157 Art. 7 führt zwar dazu, dass das angerufene Gericht immer das eigene Recht anwendet und damit tendenziell rascher eine Entscheidung fällen kann.158 Durch die weitgehende Parallelität der Gerichtsstände des Art. 4 UntVO und der wählbaren Rechtsordnungen in Art. 8 HUP wird aber auch bei dieser RW ein Gleichlauf häufig zu erzielen sein bzw. wird eine RW über Art. 7 HUP zu denselben Rechtsordnungen führen wie Art. 8 HUP.159 Interessenskollisionen können selbst bei einer auf ein einzelnes Verfahren beschränkten RW bestehen. Um die Schutzdefizite in Art. 7 HUP auszugleichen, sollte diese Bestimmung m. E. restriktiv ausgelegt werden: Entgegen der oben ausgeführten Ansicht von Bonomi sollte die lex fori erst dann gewählt werden können, wenn ein Verfahren kurz vor der Einleitung steht.160 Da ein 156
Bonomi, Explanatory Report Rn. 115. aber Bonomi, Explanatory Report Rn. 114; Hirsch, Das neue Haager Unterhaltsübereinkommen und das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, in: Coester-Waltjen u. a. (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht (2010), S. 17 (S. 35). 158 Siehe allgemein zum Gleichlauf oben § 2 B. IV. 159 Anzumerken bleibt aber, dass diese Verbindung lediglich einseitig sein kann, sodass der Unterhaltsberechtigte eventuell keinen persönlichen Bezug – sei es der gewöhnliche Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit – zum als lex fori gewählten Recht hat; siehe bereits oben § 3 A. II. 1. b). 160 Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 7 UnthProt Rn. 3 und 8. 157 So
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Verfahren noch nicht eingeleitet sein muss, können die Parteien auch von Art. 4 UntVO Gebrauch machen und die Wahl der lex fori an eine GV nach Art. 4 UntVO knüpfen.
III. Formelle Gültigkeit 1. Gerichtsstandsvereinbarung Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 UntVO bedarf die GV zu ihrem gültigen Abschluss der Schriftform. Ihr gleichgestellt sind nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 elektronische Übermittlungen, sofern diese eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen. Dies entspricht der Formulierung in Art. 23 Abs. 1 lit. a EuGVVO a. F. und Art. 25 Abs. 1 lit. a EuGVVO n. F., die aber auch eine mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung genügen lassen.161 Art. 4 Abs. 2 UntVO ist insofern restriktiver als die Vorgängerregelung in der EuGVVO. Es kann dennoch hinterfragt werden, ob das Schriftlichkeitserfordernis als doch relativ geringe „formale Hürde“ sicherstellen kann, dass sich die Parteien der Konsequenzen der GV – unter anderem der Derogation des Gerichtsstandskatalogs in Art. 3 UntVO – bewusst werden.162 Eine Unterzeichnung und Datierung der GV werden von Art. 4 UntVO nicht verlangt, obgleich zu Beweiszwecken deren Vornahme zu empfehlen ist.163 Dieser Beweiszweck erlangt vor allem im Rahmen des Prorogationsverbots in Bezug auf den Kindesunterhalt wesentliche Bedeutung. Ist die GV datiert, kann leichter festgestellt werden, ob die betreffende Person im Zeitpunkt des Abschlusses der GV minderjährig war.
2. Rechtswahl a) Form der Rechtswahl und anzuwendendes Recht Art. 7 Abs. 2 HUP verlangt für vor Verfahrenseinleitung getroffene Rechtswahlvereinbarungen die Schriftform oder die Erfassung auf einem Datenträger, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist, sowie die Unterzeichnung durch die Parteien. Eine Datierung sieht Art. 7 HUP nicht vor. Art. 8 Abs. 2 HUP verlangt ebenso neben der Schriftlichkeit bzw. der Erfassung auf einem 161 Die weiteren Formalternativen in Art. 25 EuGVVO n. F., die Art. 4 UntVO nicht kennt (Art. 25 Abs. 1 lit. c EuGVVO n. F.: Handelsbräuche des internationalen Handels; Art. 25 Abs. 1 lit. b: Gepflogenheiten, die zwischen den Parteien entstanden sein können), scheiden bereits aus der Natur der rechtlichen Beziehung zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Verpflichteten aus; vgl. Gottwald, in: FS Lindacher, S. 15. 162 Bejahend Abendroth, in: Beaumont u. a., S. 46; allgemein zu den Zwecken der Formerfordernisse Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 44; Mansel, Parteiautonomie, Rechtsgeschäftslehre der Rechtswahl und Allgemeiner Teil des europäischen Kollisionsrechts, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 241 (S. 283). 163 Vgl. zur Unterschrift Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 62.
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Datenträger und der Unterzeichnung der RW keine Datierung. Letztere ist wie bei der GV ratsam, kann aber mangels ausdrücklicher Normierung nicht als zwingendes Gültigkeitserfordernis der RW gewertet werden. Eine nicht datierte schriftliche RW ist daher gemäß Art. 7 f. HUP formal gültig. Für eine im Verfahren getroffene Wahl stellt Art. 7 HUP keine formellen Gültigkeitsbedingungen auf. Das heißt aber nicht, dass die RW generell formfrei möglich ist;164 nach zutreffender Ansicht165 richtet sich die formelle Gültigkeit der RW im Verfahren nach der lex fori.
b) Strengere Formvorschriften im nationalen Recht Art. 7 und Art. 8 HUP ist die Frage gemeinsam, ob strengere nationale Formvorschriften, die über die Vorgaben des HUP hinausgehen, zu beachten sind.166 Das HUP selbst lässt diese Frage offen. Eine „Öffnungsklausel“ hinsichtlich strengerer nationaler Formvorschriften, wie sie in manchen Unionsrechtsakten geregelt ist,167 kennt das HUP nicht. Für eine abschließende Regelung würde die Harmonisierung der Kollisionsnormen als Ziel des HUP sprechen. Wie aber Bonomi in seinem erläuternden Bericht ausführt, enthält das HUP nach Absicht der an den Verhandlungen beteiligten Delegierten nur Mindestvorgaben,168 sodass die Vertragsstaaten weitergehende formale Gültigkeitskriterien169 für die RW regeln können.170 Die Bedeutung dieser Diskussion wird aus Sicht der EU‑Mitgliedstaaten aber weitgehend entschärft: Die Mitgliedstaaten gelten gemäß Art. 24 Abs. 5 Satz 2 HUP zwar auch als „Vertragsstaaten“ im Sinne des Protokolls, doch sind 164 So aber Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 12: „unterliegt keinen Formerfordernissen“. 165 Bonomi, Explanatory Report Rn. 122; Fucik, in: Fasching/Konecny2 Art. 4 EuUVO Rn. 36; Bach, in: NK‑BGB2 Art. 7 HUP Rn. 14 m. w. N.; Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 7 UnthProt Rn. 7. 166 Für eine abschließende Regelung Lipp, in: FS Pintens, S. 856; Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 563; ders., in: FS Martiny, S. 350 f.; Bach, in: NK‑BGB2 Art. 7 HUP Rn. 17; Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 345 f.; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 13 und Art. 8 HUntStProt Rn. 16; für die Beachtung zusätzlicher nationaler Formvorschriften Fucik, iFamZ 2008, 94; Weber, Zak 2011, 270; Bartl, Die neuen Rechtsinstrumente zum IPR des Unterhalts 103; Eßer, Der Erlass weitergehender Formvorschriften im Rahmen des Haager Unterhaltsprotokolls durch die Mitgliedstaaten der EU, IPRax 2013, 399 (401); Hilbig, in: Geimer/Schütze Art. 15 VO Nr. 4/2009 Rn. 45. 167 Siehe zu Art. 7 Rom III‑VO unten § 3 B. III. und zu Art. 23 EheGüVO/PaGüVO unten § 3 C. III. 1. 168 Bonomi, Explanatory Report Rn. 119: „In the minds of the delegates to the Diplomatic Session, this provision contains only minimal formal requirements“. 169 Über die bloße Schriftform hinausgehende Voraussetzungen können insbesonders für materiellrechtliche Unterhaltsvereinbarungen zwischen Ehegatten bestehen, z. B. die notarielle Beurkundung gemäß § 1585c Satz 2 BGB. 170 Siehe Bonomi, Explanatory Report Rn. 119: „to ensure that the parties’ consent is freely given and sufficiently informed“.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
sie an das HUP durch den Beitritt der EU zur Haager Konferenz gebunden.171 Wie auch ausdrücklich aus dem Ratsbeschluss zum Beitritt hervorgeht, kommt nur der EU eine Kompetenz zur Einführung strengerer Formvorschriften zu.172 Die EU hat im Zuge der Ratifikation des HUP aber darauf verzichtet, weitergehende Formvorschriften einzuführen: Art. 15 UntVO verweist pauschal auf das HUP. Somit besteht aus unionsrechtlicher Sicht kein Spielraum mehr für mitgliedstaatliche Formvorschriften hinsichtlich der RW.173
IV. Materielle Gültigkeit 1. Gerichtsstandsvereinbarung a) Autonom bestimmbare materielle Gültigkeitsvoraussetzungen Art. 4 Abs. 1 UntVO spricht von einer „Vereinbarung“ der Parteien („Die Parteien können vereinbaren“),174 definiert dieses Element aber nicht näher. Zur parallelen Regelung im EuGVÜ bzw. in der EuGVVO175 hat der EuGH176 judiziert, dass darunter eine tatsächliche Willenseinigung der Parteien zu verstehen ist.177 Diese Konsensvoraussetzung für das Zustandekommen der GV ist unionsrechtlich autonom und ohne Rückgriff auf nationales Recht auszulegen.178 Ein verordnungsautonomes Kriterium dafür ist die Einhaltung der (verordnungsautonom geregelten) Formvoraussetzungen, die die Willenseinigung indiziert.179 Bezogen auf die UntVO bedeutet dies, dass bei einer schriftlichen GV gemäß Art. 4 Abs. 2 die Willenseinigung vermutet wird.180 171 172
Eßer, IPRax 2013, 401. Siehe ErwGr. 5 des Ratsbeschlusses 2009/941/EG: „Die Gemeinschaft besitzt in allen Fragen, die durch das Protokoll geregelt werden, die ausschließliche Zuständigkeit“. 173 Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht unter europäischem Einfluss 246; abzulehnen ist daher die Ansicht von Eßer, IPRax 2013, 402, wonach die Mitgliedstaaten selbst strengere Formvorgaben erlassen können. 174 In anderen Sprachfassungen „peuvent convenir“, „possono convenire“ und „may agree“. 175 Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n. F. bzw. Art. 23 Abs. 1 EuGVVO a. F.: „Haben die Parteien […] vereinbart […]“. 176 EuGH 14.12.1976, 24/76, Estasis Salotti/RÜWA ECLI:EU:C:1976:177; ferner 16.3.1999, C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizione International Spa/Hugo Trumpy SA Rn. 17 ff. ECLI:EU:C:1999:142; zuletzt etwa 20.4.2016, C-366/13, Profit Investment SIM SpA/Ossi u. a. Rn. 24 ECLI:EU:C:2016:282; 7.7.2016, C-222/15, Höszig Kft./Alstom Power Thermal Services Rn. 37 ECLI:EU:C:2016:525. 177 Ebenso der OGH (RIS‑Justiz RS0117156, zuletzt 8.7.2016, 4 Nc 12/16a) zur EuGVVO: „übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung“. 178 EuGH C-159/97 Rn. 17 ff.; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 (2011) Art. 23 EuGVO Rn. 23 m. w. N.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 135 f. 179 Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 63 ff.; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3 (2010) Art. 23 EuGVVO Rn. 75 f. m. w. N.; Kropholler/von Hein, Zivilprozessrecht9 Art. 23 EuGVO Rn. 23 m. w. N. 180 Siehe Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 20.
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b) Weitere materielle Wirksamkeitsaspekte und anzuwendendes Recht Hinsichtlich sonstiger Aspekte bzw. Teilfragen des Zustandekommens und der materiellen Wirksamkeit der GV, die nicht dem Erfordernis einer tatsächlichen Willenseinigung entnommen werden können, enthält Art. 4 UntVO keine eigene Regel.181 Zur EuGVVO, der „Mutter“ aller EU‑VO im Bereich des IZVR, stellten vor ihrer Revidierung der EuGH182 und der überwiegende Teil der Lehre183 hinsichtlich jener Voraussetzungen, die weder unter die verordnungsautonomen Formerfordernisse noch unter die materielle „Einigung“ fallen, auf die lex causae ab. Damit wurde die durch Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I‑VO entstehende Regelungslücke geschlossen, wonach Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen von der Rom I‑VO ausgenommen werden.184 Außerdem wurde dadurch dasselbe Recht für die GV und den zugrundeliegenden materiellrechtlichen Vertrag angewendet.185 Nunmehr enthält Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n. F. eine eigene Kollisionsnorm, wonach hinsichtlich jener Aspekte, die nicht unmittelbar in Art. 25 geregelt sind, die materielle Nichtigkeit nach dem Recht des forum prorogatum zu beurteilen ist186: Die prorogierte Zuständigkeit greift, „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig“. Die materielle Gültigkeit wird folglich bei Einhaltung der Form und Vorliegen der Willenseinigung vermutet.187 Dafür diente Art. 5 Abs. 1 Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ)188 als Vorbild.189 Gemäß Erwägungsgrund 20 EuGVVO n. F. handelt es sich dabei um eine Gesamtver181 Vgl. zum EuGVÜ C. Kohler, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen: Liberalität und Rigorismus im EuGVÜ, IPRax 1983, 265 (268). 182 EuGH 19.6.1984, 71/83, Russ/Nova ECLI:EU:C:1984:217; 10.3.1992, C-214/89, Powell Duffryn/Petereit ECLI:EU:C:1992:115. 183 Statt vieler Simotta, in: Fasching/Konecny² Art. 23 EuGVVO Rn. 70 f. m. w. N.; Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 82. 184 Dieser Ausnahmetatbestand ist weniger auf eine konkrete Einordnung der prozessualen oder materiellrechtlichen Rechtsnatur der GV als auf die grundlegende Systematik des IPR und des IZVR zurückzuführen: Die Rom I‑VO regelt ihrem Zweck nach nur das IPR und damit die RW. Fragen des Verfahrensrechts und der Zuständigkeit sind hingegen im IZVR zu regeln. Es hat daher die EuGVVO die mit der Prorogation verbundenen Fragen zu bestimmen; siehe zum Verordnungsvorschlag der Rom I‑VO KOM(2005) 650 endg. 5: „[…] für die Frage des auf Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwendenden Rechts letztlich die Verordnung ‚Brüssel I‘ maßgebend sein sollte“. 185 Simotta, Die Gerichtsstandsvereinbarung nach der neuen EuGVVO, IJPL 2013, 58 (67 f.). 186 Daher ist die Kritik an der Regelungslücke in der Rom I‑VO (Ausnahme der GV) – etwa bei Gottwald, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, in: FS Henckel (1995), S. 295 (S. 309); Lando/Nielsen, The Rome I Regulation, Common Market Law Review 2008, 1687 (1692 ff.) – im Kontext der alten EuGVVO zu sehen, die keine Regel zur materiellen Gültigkeit der GV kannte. 187 M. Weller, Der Kommissionsentwurf zur Reform der Brüssel I‑VO, GPR 2012, 34 (41). 188 Abrufbar unter (abgefragt am 13.9.2018). Das HGÜ ist am 1.12.2015 in Kraft getreten. 189 Siehe bereits den Vorschlag von Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I‑Regulation (EC) No 44/2001 (2008) Rn. 327.
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weisung, d. h. es kommt nicht unmittelbar materielles Recht des Gerichtsortes zur Anwendung, sondern vorerst ist zu prüfen, welches Recht nach der lex fori prorogati und ihren (nationalen) Kollisionsnormen für die materielle Wirksamkeit der Prorogation maßgeblich ist. Der wesentliche Nachteil dieser Gesamtverweisung ist,190 dass mangels einer unionsweit einheitlichen Kollisionsregel – die Rom I‑VO nimmt GV aus ihrem Anwendungsbereich ja aus – das auf die Gültigkeit der GV anzuwendende Recht je nach nationaler Auffassung (lex fori, lex causae oder lex fori prorogati191) variiert. Auch fehlt im nationalen Recht regelmäßig eine eigene Kollisionsnorm für das Prorogationsstatut. Wie insbesonders im deutschen Schrifttum192 vertreten wird, ist die Anknüpfung des Prorogationsstatuts an die lex fori prorogati über eine analoge Anwendung von Art. 4 Abs. 4 Rom I‑VO (Prinzip der engsten Verbindung193) vorzugswürdig. Unter die Aspekte, die die materielle Nichtigkeit betreffen, fallen z. B. Fälle der Sitten- und Gesetzeswidrigkeit, die Geltendmachung von Willensmängeln (Irrtum, Täuschung usw.), Fragen der subjektiven Fähigkeit zum Abschluss der GV und der Stellvertretung.194 Für die beiden letzten Fragegruppen bestehen meist gesonderte Anknüpfungen (z. B. regelmäßig das Personalstatut für Fragen der Geschäftsfähigkeit).195 Darüber hinaus kann es Gründe oder Umstände geben, die die materielle Wirksamkeit einer GV betreffen, aber keine materielle Nichtigkeit nach sich ziehen und somit nicht der Verweisungsregel des Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n. F. unterliegen. In Fortführung der Rspr. des EuGH196 ist wohl weiterhin die lex 190 Ausführlich zur Kritik an der Gesamtverweisung Geimer, Bemerkungen zur Brüssel I‑ Reform, in: FS Simotta (2012), S. 163 (S. 183 f.); Simotta, IJPL 2013, 71; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 35 m. w. N.; Antomo, Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung? (2017) 73 f., 384. 191 Siehe im Überblick Antomo, Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung? 388 f. 192 Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 1 Rom I‑VO Rn. 64 m. w. N.; Maultzsch, Parteiautonomie im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht, in: von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015), S. 153 (S. 177); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 36 m. w. N. zur herrschenden deutschen Meinung; von Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 Rom I‑VO Rn. 39 m. w. N.; Antomo, Schadensersatz wegen der Verletzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung? 391 f. 193 Vgl. auch für Österreich Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 (2015) Art. 25 EuGVVO Rn. 30, der über das in § 1 österr. IPRG verankerte Prinzip der engsten Verbindung zur lex fori prorogati gelangt. 194 U. Magnus, Gerichtsstandsvereinbarungen im Vorschlag zur Reform der EuGVO, in: FS von Hoffmann (2011), S. 664 (S. 673); Simotta, Zur materiellen Nichtigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen, in: FS Schütze (2014), S. 541 (S. 543). 195 So § 12 i. V. m. § 9 österr. IPRG oder Art. 7 und Art. 12 EGBGB; zur Stellvertretung siehe im rechtsvergleichenden Überblick Schwarz, Das Internationale Stellvertretungsrecht im Spiegel nationaler und supranationaler Kodifikationen, RabelsZ 71 (2007), 729 (744 ff.). 196 Siehe EuGH 11.11.1986, 313/85, SpA Iveco Fiat/Van Hool NV Rn. 7 f. ECLI:EU: C:1986:423; C-269/95 Rn. 25.
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causae des Forums auf diese Fragen (z. B. die Auswirkung der Verlängerung eines befristeten Vertrages auf die GV) anzuwenden.197 Das von Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n. F. vorgegebene System führt somit in Summe zu einer Dreiteilung198: Erstens sind die Einigung und die formelle Gültigkeit der GV verordnungsautonom zu beurteilen. Zweitens unterliegen jene Aspekte, die zur materiellen Nichtigkeit der GV führen, dem nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n. F. bestimmten Prorogationsstatut, das nach hier vertretener Ansicht die lex fori prorogati ist. Drittens sind weitere Aspekte, die nicht unter die erste oder zweite Kategorie fallen, überwiegend nach der lex causae des Forums zu beurteilen. Obwohl die Stärkung der Parteiautonomie und die Verbesserung der Regeln zur Prorogation zentrale Zielsetzungen der Revidierung der EuGVVO waren, ist die Neuregelung in Summe nicht zufriedenstellend und führt zu einer für die Praxis umständlichen Zersplitterung und uneinheitlichen Beurteilung des auf die Prorogation anzuwendenden Rechts.199 Bei prozessrechtlicher Einordnung der Prorogation führt die Anknüpfung an die lex fori für nicht in den EU‑VO autonom geregelte Aspekte außerdem zu einer Spaltung des auf die Prorogation und den Hauptvertrag bzw. die zugrunde liegenden Rechtssache anzuwendenden Rechts. Daraus können ein Mehraufwand in der Rechtsberatung und erhöhte Kosten resultieren. Für Art. 4 UntVO, in dem die früher in der EuGVVO a. F. integrierten unterhaltsrechtlichen Bestimmungen umgesetzt wurden und der an Art. 23 EuGVVO a. F. angelehnt ist, ist fraglich, ob weiterhin wie nach der früheren Rechtslage zu Art. 23 EuGVVO a. F. auf die lex causae abzustellen oder nunmehr der neue Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n. F. analog anzuwenden ist. Letzteres ist m. E. vorzuziehen, weil ansonsten eine GV je nach der auf sie anzuwendenden VO unterschiedlich beurteilt würde und damit eine unsachliche Diskrepanz im EU‑IZVR geschaffen würde. Für die GV nach Art. 4 UntVO gilt daher in Analogie zu Art. 25 EuGVVO n. F. ebenso das oben beschriebene dreiteilige System der Anknüpfung der materiellen Wirksamkeit der GV.200
c) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung Der einschlägige Anknüpfungspunkt (gewöhnlicher Aufenthalt bzw. Staatsangehörigkeit) muss gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 1 UntVO entweder zum Abschlusszeitpunkt der GV oder zum Zeitpunkt der Gerichtsanrufung gegeben sein. Diese zwei alternativen Gültigkeitszeitpunkte stehen in Widerspruch zur 197 198
Simotta, in: FS Schütze, S. 550. Simotta, in: FS Schütze, S. 550. 199 Siehe Simotta, IJPL 2013, 71; Nunner-Krautgasser, ZZP 127 (2014), 477; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht7 (2015) Rn. 1874. 200 Siehe auch Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 178; a. A. Abendroth, in: Beaumont u. a., S. 464 (Weitergeltung der lex causae-Anknüpfung nach der alten Rechtslage).
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Rspr. des EuGH201 zur EuGVVO, wonach nur der Zeitpunkt der Klagserhebung für die Beurteilung der Gültigkeit der GV maßgeblich sei. Denn der EuGH wertet die Prorogation als „Zuständigkeitsoption“, die ihre Wirkungen erst bei Klagserhebung zeige. Mit der großzügigeren Regelung in der UntVO wird aber dem Problem begegnet, dass eine GV, die zu einem früheren Zeitpunkt gültig geschlossen wurde, im Zeitpunkt der Klagserhebung hingegen ungültig ist, nach der Auffassung des EuGH keine Wirkung hat. Diese Regel dient auch dem Vertrauensschutz, weil die Parteien mit der Wirksamkeit einer einmal gültig geschlossenen GV rechnen.202 So bleibt eine gültig geschlossene GV durch eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts oder einen Wechsel der Staatsangehörigkeit nach Abschluss der Vereinbarung aufrecht. Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 1 UntVO ermöglicht aber eben auch, dass sich eine GV auf einen zukünftigen – zum späteren Zeitpunkt der Gerichtsanrufung vorliegenden – Anknüpfungspunkt (gewöhnlicher Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit) bezieht und daher erst zu dem späteren Zeitpunkt wirksam wird.203 Die Bedeutung dieser Regelung zeigt sich vor allem im Falle einer GV zwischen Ehegatten nach Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) UntVO, der auf den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der (früheren) Ehegatten abstellt. Leben die Ehepartner z. B. 14 Monate in Italien und vereinbaren daher die Zuständigkeit eines italienischen Gerichts, ziehen danach aber nach Österreich, wo 10 Monate später ein Ehegatte Klage einbringt, wäre bei Abstellen auf den Zeitpunkt der Klagserhebung der Anknüpfungspunkt des Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. ii) UntVO nicht gegeben: Der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist nicht mindestens einjährig, und der ausreichend lange Aufenthalt in Österreich war nicht der letzte.204 Durch das alternative Abstellen auf den Abschlusszeitpunkt der GV wird diese Problematik beseitigt; die Zuständigkeit (im obigen Fall des italienischen Gerichts) bleibt trotz des Aufenthaltswechsels aufrecht.205 In die Neufassung der EuGVVO und in die Güterrechtsverordnungen wurde die Regelung aus der UntVO allerdings nicht übernommen.206 Diese Diskrepanz wird in weiterer Folge noch genauer untersucht.207 201 EuGH 13.11.1979, 25/79, Sanicentral GmbH/René Collin Rn. 6 ECLI:EU:C. 1979:255; siehe auch vereinzelt in der österreichischen Rspr. OGH 5.6.2007, 10 Ob 40/07s ecolex 2008, 404 = IHR 2008, 40 = JBl 2008, 389. 202 Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 27; Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 537; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 UntVO Rn. 32. 203 Angesichts der damit verbundenen Rechtsunsicherheit sind solche GV kaum praxisrelevant; siehe Simotta, in: GedS Koussoulis, S. 531. 204 Siehe Fucik, Die neue Unterhaltsverordnung, in: König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II (2009), S. 105 (S. 115). 205 Rauscher, FamFR 2013, 28. 206 Entgegen der Vorbildhaftigkeit, die den Regelungen der UntVO mithin zugeschrieben wurde; so etwa bei Gruber, IPRax 2010, 139. 207 Hierzu unten § 3 C. IV. 2. b), § 3 D. IV. 2. b) sowie § 4 B. II. 2.
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d) Angemessenheits- bzw. Missbrauchskontrolle der Gerichtsstandsvereinbarung? Die UntVO kennt keine Bestimmung zu einer Angemessenheits- bzw. Missbrauchskontrolle der GV. Im Bereich der allgemeinen Zivil- und Handelssachen hat der EuGH eine nachträgliche Kontrolle im Sinne einer Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit der GV aus Gründen der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit klar abgelehnt.208 Dem schließt sich auch die überwiegende Lehre an.209 Dem Gericht steht es folglich nicht zu, im Rahmen der Prüfung der Prorogation Ermessensabwägungen hinsichtlich der Geeignetheit des prorogierten Gerichtsstandes zu treffen, die über die allgemeinen Erfordernisse (z. B. Auslandsbezug oder Bestimmtheitserfordernis) hinausgehen,210 weil die EU‑VO die Zulässigkeit der GV abschließend vorgeben. Eine Kontrolle der inhaltlichen Angemessenheit einer GV, so wie sie im materiellen Recht als Inhaltskontrolle für vertragliche Vereinbarungen existiert, würde diese Grenze überschreiten.211 Dementsprechend wurde eine ältere Rspr. des OGH212 in der Lehre zu Recht abgelehnt,213 weil sie die Wirksamkeit der GV an zusätzlichen, über Art. 23 EuGVVO a. F. hinausgehenden Erwägungen beurteilte und damit gerade die vom EuGH verpönten Angemessenheitsüberlegungen vornahm.214 Diese Ablehnung einer Missbrauchskontrolle gilt vor allem für jene Bestimmungen, die – wie Art. 4 UntVO – den Parteien ohnehin nur einen eng begrenzten Kreis an prorogablen Gerichtsständen zur Verfügung stellen und damit bereits ex ante einen engen „Prüfungsmaßstab“ für die GV vorgeben.215 Der 208
EuGH C-159/97 Rn. 51. EuGVVO Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56 (65 ff.); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht7 Rn. 1600 ff.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 68 ff.; siehe auch bereits Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen 92. Für eine Überprüfung der GV anhand unionsrechtlich autonomer Kriterien Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht 357 ff.; Basedow, Exclusive Choice-of-Court Agreements as a Derogation from Imperative Norms, in: Lindskoug u. a. (Hrsg.), Essays in Honour of Michael Bogdan (2013), S. 15 (S. 22 f.); ders., Zuständigkeitsderogation, Eingriffsnormen und ordre public, in: FS Magnus (2014), S. 337 (S. 344 f.). 210 Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 25 f., 246 m. w. N. 211 Zum EuGVÜ Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht 358; zur EuGVVO Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 71 f.; siehe auch GA Tesauro SA 20.11.1991, C-214/89, Powell Duffryn/Petereit Rn. 12 ECLI:EU:C:1991:431. 212 OGH 1.8.2003, 1 Ob 240/02d JBL 2004, 187 (abl. Klicka) = wbl 2004, 458 (krit. Czernich). 213 Siehe nur Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 37 m. w. N. 214 Der OGH hat diese Rechtsansicht in der späteren Entscheidung 10 Ob 40/07s (siehe oben Fn. 201) geändert und eine GV unter denselben Umständen (die Parteien mit Wohnsitz im Deutschland vereinbaren die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts) für wirksam erachtet. 215 Vgl. Lipp, in: FS Pintens, S. 864; Abendroth, in: Beaumont u. a., S. 466 spricht von 209 Zur
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Inhalt einer GV ist daher von einer Angemessenheits- bzw. Missbräuchlichkeitsprüfung ausgeschlossen.216 Dies gilt auch für die UntVO. Zum alten, die Unterhaltssachen noch umfassenden Art. 23 EuGVVO a. F. wurde zwar teilweise217 eine Missbrauchskontrolle für GV in Unterhaltssachen postuliert. Dies lässt sich aber damit begründen, dass Art. 23 EuGVVO a. F. die zahlreichen Beschränkungen des Art. 4 UntVO nicht kannte. Für den Bereich des Kindesunterhalts, in dem eine Missbrauchsgefahr bzw. Übervorteilung einer Partei besonders zu vermuten ist, schließt Art. 4 Abs. 3 UntVO eine Prorogation nun ohnehin vollkommen aus. Eine Missbrauchs- bzw. Angemessenheitskontrolle der GV im oben beschriebenen Sinne ist daher abzulehnen.218 Eine andere Frage betrifft die Überprüfung des Zustandekommens der GV. Hierfür wird teilweise eine – mitunter auch als „Missbrauchskontrolle“ bezeichnete – Abschlusskontrolle in Hinblick auf missbräuchliche Umstände beim Abschluss der GV vertreten,219 die in Art. 25 EuGVVO n. F. nicht direkt zum Ausdruck kommt. So soll etwa nach Heinig220 „insbesondere festgestellt werden, ob sie [die GV] frei von unzulässigem Druck oder Täuschung zustande gekommen“ sei. Für das Zustandekommen bildet bereits das oben erläuterte Erfordernis einer tatsächlichen Willenseinigung der Parteien, dessen Vorliegen bei Einhaltung der Schriftform (so im Fall des Art. 4 UntVO) vermutet wird, eine verordnungsautonome Vorgabe.221 Für komplexere Fragen, die nicht verordnungsautonom geregelt werden, wird gemäß Art. 25 EuGVVO n. F. auf die lex fori prorogati verwiesen, sodass die Beurteilung von z. B. Willensmängeln, Täuschung, Drohung oder Zwang dem nationalen Recht überlassen wird. Den Autoren, die eine Abschluss- bzw. Missbrauchskontrolle befürworten, ist aber einer „institutionalised control of abuse“; siehe auch ders., Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 309; zur EuGVVO Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 68: „institutionalisierte Missbrauchskontrolle“. 216 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 371 f. 217 Siehe Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 Art. 23 EuGVVO Rn. 79 und 89; R. Magnus, in: U. Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation (2007) Art. 23 Rn. 74. 218 Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 70 ff., 80; Nordmeier, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO n. F., RIW 2016, 331 (336); a. A. Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 64 sowie dies., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 UntVO Rn. 52 ff., die eine GV in Analogie zu Art. 8 Abs. 5 HUP einer „zurückhaltend angewandten Missbrauchskontrolle“ unterwerfen will; ähnlich Reuß, in: Geimer/Schütze VO Nr. 4/2009 Rn. 33 ff. für die Heranziehung eines „allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots“. Diese Mindermeinung wird zu Recht abgelehnt; siehe nur Lipp, in: FS Pintens, S. 864 f. m. w. N.; Geimer, in: Zöller, ZPO32 (2018) Art. 4 UntVO Rn. 2. 219 C. Kohler, IPRax 1983, 270 zum EuGVÜ; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 374, 394 ff. m. w. N. („Missbrauchskontrolle“). 220 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 403. 221 Siehe Rauscher, FamFR 2013, 28.
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insofern beizupflichten, als statt der Verweisung auf nationale Beurteilungsmaßstäbe unionsrechtsautonome Kriterien entwickelt werden könnten, um die GV unionsweit einheitlich zu beurteilen.222 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Nichtigkeit des Hauptvertrages die auf ihn bezogene GV grundsätzlich unberührt lässt: Wäre auch die GV nichtig, dürfte das (prorogierte) befasste Gericht nicht weiter über die Ungültigkeit des Hauptvertrages entscheiden.223 So stellt nunmehr Art. 25 Abs. 5 EuGVVO n. F. ausdrücklich klar, dass die GV vom Hauptvertrag unabhängig ist, selbst wenn sie nur der Praktikabilität halber als Klausel im Vertrag inkorporiert ist.224 Die den Vertrag betreffenden Nichtigkeits- oder Anfechtbarkeitsgründe berühren die Prorogation nur, wenn diese Gründe auch auf sie zutreffen.225 Diese Regelung ist auch für das Unterhaltsrecht beachtlich. Eine Unterhaltsvereinbarung und eine darin enthaltene GV sind als getrennte Vereinbarungen zu betrachten; ist die materiellrechtliche Unterhaltsvereinbarung nichtig (z. B. aufgrund einer richterlichen Inhaltskontrolle), so führt dies nicht auch automatisch zur Ungültigkeit der GV.
2. Rechtswahl a) Rechtswahl als selbstständiger Vertrag Art. 7 und Art. 8 HUP sprechen in der deutschen Übersetzung davon, dass der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaltsverpflichtete das anzuwendende Unterhaltsrecht „bestimmen“ können (in den authentischen Fassungen „peuvent désigner“ und „may designate“). Bei einer vor Verfahrenseinleitung getroffenen Wahl der lex fori verlangt Art. 7 Abs. 2 HUP außerdem eine Vereinbrung (agreement bzw. accord) der Parteien.226 Es muss folglich eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltsverpflich222 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 Art. 23 EuGVVO Rn. 89; Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 409; siehe zur Diskussion um verordnungsautonome Gültigkeitsvoraussetzungen unten § 5 B. I. 2. d). 223 Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr Art. 25 EuGVVO Rn. 17. 224 Diese „Trennungsthese“ (doctrine of separability) entspricht der Rspr. des EuGH und der h. M.; siehe nur EuGH 3.7.1997, C-269/95, Benincasa/Dentalkit ECLI:EU:C:1997:337; OGH 28.3.2018, 6 Ob 19/18i; Jayme, Gerichtsstand und abgelaufener Hauptvertrag in Art. 17 EuGVÜ, IPRax 1989, 361 (362); Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 94. 225 So bleibt eine Prorogation etwa durch eine nur die Hauptleistungen betreffende Vertragsanfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB) unberührt; siehe Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr4 Art. 25 EuGVVO Rn. 18. 226 Art. 7 Abs. 1 HUP erwähnt für die Wahl der lex fori im bereits eingeleiteten Verfahren nicht den Terminus „agreement“; nach Bonomi, Explanatory Report Rn. 20, 112 f. sei darunter vielmehr ein „procedural agreement on the applicable law“ zu verstehen. Dies erinnert stark an den „accord procédural“ französischer Prägung als prozessuale Abrede über die lex fori, die einen Verzicht auf die Kollisionsnormen beinhaltet; vgl. hierzu Fauvarque-Cosson, L’accord procédural à l’épreuve du temps, in: Jobard-Bachellier/Mayer/Lagarde (Hrsg.), Le droit international privé: esprit et méthodes (2005), S. 263 (S. 263 ff.).
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
teten vorliegen;227 eine einseitige RW ist ausgeschlossen. Es entspricht dabei der einstimmigen Auffassung im IPR, dass die kollisionsrechtliche RW als eigenständiger Vertrag der Rechtswahlparteien zu verstehen ist und – wie jeder Vertrag – auf einer Willenseinigung der Parteien beruht.228 Die dogmatische Begründung dieses Rechtswahlvertrages liegt in der Parteiautonomie: So wie die Parteien auf Ebene des materiellen Rechts Rechtsgeschäfte frei abschließen können, steht es ihnen auf Ebene des IPR frei, über das für ihre rechtlichen Beziehungen maßgebliche Recht zu disponieren.229 Aus der Anerkennung der Parteiautonomie ergibt sich des Weiteren die Selbstständigkeit des Rechtswahlvertrages, selbst wenn die RW formal gesehen eine Klausel des Hauptvertrages darstellt.230 Das Recht, welches die Wirksamkeit des Hauptvertrages bestimmen soll, kann nicht dem Hauptvertrag selbst entnommen werden, weil dies einen leerlaufenden Zirkelschluss darstellen würde. Dieses Recht ist Gegenstand eines eigenen „Verweisungsvertrages“.231 Wie die GV ist die kollisionsrechtliche RW daher vom Hauptvertrag, dessen Recht sie regelt, unabhängig und insbesonders hinsichtlich Zustandekommen und Wirksamkeit selbstständig zu beurteilen.232 Dahinter stehen auch praktische Erwägungen: Ein nach dem gewählten Recht unwirksamer Hauptvertrag würde ansonsten auch die an sich gültige RW vernichten, und umgekehrt wäre bei Unwirksamkeit der Rechtswahlklausel der gesamte Vertrag ungültig.233 Dies stünde der Absicht der Parteien und ihrer Erwartungshaltung, einen stabilen Rahmen für ihr internationales Rechtsverhältnis zu schaffen, entgegen. Verstößt eine materiellrechtliche Unterhaltsvereinbarung z. B. gegen zwingendes Recht und ist sie dadurch ungültig, so bleibt die RW davon grundsätzlich unberührt.234
b) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht Abgesehen von dem der Rechtswahlregel selbst zu entnehmenden Vereinbarungserfordernis regelt das HUP keine weiteren materiellen Wirksamkeits227 Vgl. Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 159. 228 von Bar, Internationales Privatrecht: Besonderer Teil (1991) Rn. 460 f.; Ferrari, Ferrari u. a., Internationales Vertragsrecht2 (2012) Art. 3 Rom I‑VO Rn. 6 m. w. N. 229 Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 8; siehe auch oben § 2 A. 230
in:
Ferrari, in: Ferrari u. a., Internationales Vertragsrecht2 Art. 10 Rom I‑VO Rn. 4; Thiede, Anmerkung zu OGH 13.12.2012, 1 Ob 48/12t, ÖBA 2013, 506 (513 m. w. N.); Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 5. 231 H. Stoll, Das Statut der Rechtswahlvereinbarung – eine irreführende Konstruktion, in: FS Heini (1995), S. 429 (S. 434 ff.). 232 Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 105; von Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Rom I Rn. 39 m. w. N. 233 Vgl. von Bar, Internationales Privatrecht: Besonderer Teil Rn. 421. 234 Es ist auf den konkreten Unwirksamkeitsgrund abzustellen und zu prüfen, ob dieser sich auch auf den anderen Vertrag erstreckt; siehe Czernich, Die Rechtswahl im österreichischen internationalen Vertragsrecht, ZfRV 2013, 157 (161).
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aspekte der RW oder das darauf anzuwendende Recht. Im Schuldvertragsrecht235 wurde als erstes die Regelung entwickelt, dass die Wirksamkeit und das Zustandekommen der RW nach dem Recht des Hauptvertrages, d. h. nach dem gewählten Recht, zu beurteilen sind. Trotz der materiellen Trennung der beiden selbstständigen Verträge kann dadurch eine – für die praktische Anwendung sinnvolle – einheitliche Beurteilung des Hauptvertrages und der RW nach demselben Recht sichergestellt werden.236 Konsequenterweise stellt die herrschende Ansicht auch für die materielle Wirksamkeit der RW nach Art. 7 und Art. 8 HUP einheitlich auf das von den Parteien gewählte Recht (d. h. die lex causae, die bei der RW nach Art. 7 HUP der lex fori entspricht) ab.237 Unter die materielle Wirksamkeit fallen insbesonders die Beurteilung von Willensmängeln sowie die Anwendung von Sittenwidrigkeits- und Gesetzeswidrigkeitsregeln.238 Die Rechts- und Geschäftsfähigkeit ist hingegen selbstständig anzuknüpfen und wird nach dem autonomen nationalen Kollisionsrecht meist dem Personalstatut unterstellt.239
c) Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl? Das HUP normiert nur für die Wahl der lex fori nach Art. 7 HUP die Ausdrücklichkeit der RW (Art. 7 Abs. 2 HUP), eine schlüssig erklärte RW genügt demnach nicht.240 Anderes gilt für die RW nach Art. 8 HUP, für die das Protokoll nicht die Ausdrücklichkeit der RW verlangt. Eine konkludente RW ist daher nach überwiegender Ansicht241 grundsätzlich zulässig. Dennoch ist der Maßstab für die Schlüssigkeit hoch anzusetzen, um keine bloße „Rechtsgeltungsannahme“ als RW zu qualifizieren, bei der die Parteien von der Anwendbar235 Siehe Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Rom I‑VO. 236 Statt vieler Ferrari, in: Ferrari u. a., Internationales Vertragsrecht2 Art. 10 Rom I‑VO Rn. 4; Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 5. Die einheitliche Beurteilung ent-
spricht außerdem in der Regel der Erwartungshaltung der Parteien; siehe Thiede, ÖBA 2013, 514. 237 Andrae, FPR 2008, 200; Bonomi, Explanatory Report Rn. 151; Hausmann, in: FS Martiny, S. 349; Siehr, in: MüKommBGB7 Art. 7 UnthProt Rn. 4; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 5; insofern wohl auch übereinstimmend mit der Anknüpfung an das Recht der stärksten Beziehung, etwa vertreten von Fucik, iFamZ 2008, 95. 238 Siehe nur Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 105; Spellenberg, in: MüKommBGB7 Art. 10 Rom I‑VO Rn. 6, 123 f. 239 So z. B. Art. 7 EGBGB und § 12 österr. IPRG; siehe im Überblick Hausmann, in: J. v. Staudinger, Kommentar zum BGB (2013) Art. 7 EGBGB Rn. 6 f. 240 Henrich, Rechtswahl im Unterhaltsrecht nach dem Haager Protokoll, in: Roth (Hrsg.), Die Wahl ausländischen Rechts im Familien- und Erbrecht (2013), S. 53 (S. 54). 241 Andrae, GPR 2010, 201; dies., Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 159; Gruber, Die konkludente Rechtswahl im Familienrecht, IPRax 2014, 53 (56); Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 22; Heiderhoff, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB42 (Stand 1.5.2015) Art. 18 EGBGB Rn. 84; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 6; Mankowski, in: J. v. Staudinger, Kommentar zum BGB (2016) Art. 8 HUP Rn. 16.
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keit eines bestimmten Rechts schlichtweg ausgehen.242 Für das Vorliegen eines Rechtswahlwillens und damit einer konkludenten RW kann insbesonders eine GV nach Art. 4 UntVO, die – wie Art. 4 Abs. 1 Satz 3 UntVO vermutet – ausschließlichen Charakter hat, als ein bedeutendes Indiz gewertet werden,243 wie es der h. A.244 im Vertragsrecht entspricht und auch in vertragsrechtlichen Regelungswerken anerkannt ist.245 Daneben können bei Betrachtung des Einzelfalls etwa die Bezugnahme auf Rechtsinstitute oder Normen einer bestimmten Rechtsordnung in einer Unterhaltsvereinbarung herangezogen werden.246
d) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Rechtswahl Ein wesentlicher Vorteil der RW ist, dass durch sie ein Statutenwechsel verhindert wird: Da gemäß Art. 8 HUP die relevanten Anknüpfungspunkte (Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher Aufenthalt) im Abschlusszeitpunkt der RW gegeben sein müssen,247 berührt eine spätere Verlegung bzw. Änderung des Anknüpfungspunktes die Gültigkeit der RW nicht.248 Das Statut ist bei einer RW daher unwandelbar. Dies fördert die Rechtssicherheit und schützt das Vertrauen der Parteien: Der Unterhaltsverpflichtete wird sich auf seine Unterhaltspflichten nach dem gewählten Recht einstellen (oder umgekehrt auf das eventuelle Fehlen einer Unterhaltspflicht), und andererseits vertraut der Unterhaltsberechtigte auf die Stabilität seines Unterhaltsanspruches nach jenem Recht. Liegt hingegen bei Abschluss der RW der Anknüpfungspunkt nicht vor, wird die RW – anders als eine GV249 – nicht dadurch gültig, dass der Anknüpfungspunkt zu einem späteren Zeitpunkt, z. B. bei Gerichtsanrufung, vorliegt. Die Parteien können freilich unter Einhaltung der Vorgaben in Art. 8 HUP jederzeit eine neue RW treffen.250
242
Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 6. Mankowski, in: J. v. Staudinger, Kommentar zum BGB Art. 8 HUP Rn. 16. 244 Siehe nur Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 57; Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 174; zurückhaltend Czernich, ZfRV 2013, 164 f. 245 Siehe ErwGr. 12 Rom I‑VO sowie Art. 4 Satz 2 der Haager Prinzipien über die Rechtswahl in internationalen kommerziellen Verträgen, abrufbar unter (abgefragt am 13.9.2018). Der Vorschlag im Kommissionsentwurf zur Rom I‑VO, die Indizwirkung wie im EVÜ explizit als Vermutung zu normieren, wurde als zu starr verworfen, sodass nunmehr bloß ErwGr. 12 Rom I‑VO auf die Indizwirkung verweist; siehe U. Magnus, in: J. v. Staudinger, Kommentar zum BGB Art. 3 Rom I‑VO Rn. 75 f.; von Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 20 f. 246 Süß, in: Münch, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis2 (2016) § 20 Rn. 61. 247 Siehe Art. 8 Abs. 1 lit. a und lit. b HUP: „at the time of the designation“. 248 Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 149; Bonomi, Explanatory Report Rn. 125 f.; vgl. auch Art. 19 Abs. 3 Rom I‑VO. 249 Siehe oben § 3 A. IV. 1. c). 250 Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 4. 243
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e) Kollisionsrechtliche Inhaltskontrolle der Rechtswahl Anders als Art. 7 HUP enthält Art. 8 HUP spezifische Mechanismen zum Schutz der schwächeren Partei, weil bei einer vorsorgenden RW, die nicht an ein konkretes Verfahren gebunden ist, wie bereits ausgeführt eine höhere Missbrauchsgefahr zu vermuten ist.251 Neben Art. 8 Abs. 4 HUP, der eine Sonderanknüpfung für den Unterhaltsverzicht enthält,252 normiert Art. 8 Abs. 5 HUP eine kollisionsrechtliche253 Inhaltskontrolle der RW.254 Demnach steht es dem Richter zu, das gewählte Recht zugunsten des objektiven Unterhaltsstatuts dann nicht anzuwenden, wenn das gewählte Recht für eine der Parteien zu „offensichtlich unbilligen oder unangemessenen Folgen“ führt.255 Die richterliche Prüfung ist somit auf das materiellrechtliche Ergebnis der RW gerichtet. Art. 8 Abs. 5 HUP spiegelt damit die nationalen (richterlichen) Kontrollmechanismen für materiellrechtliche Unterhaltsvereinbarungen wider bzw. fusioniert diese auf Ebene des Kollisionsrechts.256 Auffallend dabei ist, dass Art. 8 Abs. 5 HUP keine Partei als „die schwächere“ typisiert, d. h. nicht zwischen Unterhaltsverpflichteten und Unterhaltsberechtigten differenziert (arg. „für eine der Parteien“). Üblicherweise gilt jedoch der Unterhaltsberechtigte als die schwächere und damit schutzwürdigere Partei. Die Schranken des Art. 8 Abs. 5 HUP können somit grundsätzlich sowohl dem Unterhaltsberechtigten als auch dem Unterhaltsverpflichteten zu Gute kommen. Nach vorherrschender Ansicht257 ist im Rahmen des Art. 8 Abs. 5 HUP der bereits aus dem EU‑IPR bzw. der Rom I‑VO258 bekannte kollisionsrechtliche Kontrollmechanismus des Günstigkeitsvergleichs vorzunehmen: Der Richter 251
Bonomi, Explanatory Report Rn. 111. Demnach bestimmt das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten über die Zulässigkeit und Reichweite eines Unterhaltsverzichts; näher hierzu Bach, in: NK‑ BGB2 Art. 8 HUP Rn. 33 ff.; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 20 ff. 253 Zum Teil unpräzise als „materiellrechtliche“ Kontrolle bezeichnet, etwa von Andrae, GPR 2010, 201 und von Dethloff, in: FS Martiny, S. 48 f. 254 In der deutschen Lehre ist man sich begriffstechnisch nicht einig; siehe etwa Lipp, in: FS Pintens, S. 858: „Inhaltskontrolle“; Eßer, IPRax 2013, 399: „Angemessenheitskontrolle“; Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 594: „Billigkeitskontrolle“; Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 478 und 484: „Inhaltskontrolle“, „Angemessenheitskontrolle“ und „Billigkeitskontrolle“; Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 161: „Missbrauchskontrolle“. Trotz begrifflicher Nuancen sind die verschiedenen Termini in ihrer Bedeutung hier gleichzusetzen; der Einheitlichkeit halber wird im Folgenden von „Inhaltskontrolle“ gesprochen. 255 Bonomi, Explanatory Report Rn. 150. 256 Bonomi, Explanatory Report Rn. 150. Aus rechtsvergleichender Perspektive bestehen zur materiellrechtlichen Kontrolle im Unterhaltsrecht freilich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen; siehe die zahlreichen Hinweise bei Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 477. 257 Hausmann, Scheidungsrecht Rn. C 594; Dethloff, in: FS Martiny, S. 48 f.; Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 161; Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 39; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 25. 258 Siehe Art. 6 Abs. 2 Rom I‑VO und Art. 8 Abs. 1 Rom I‑VO. 252
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hat das Ergebnis bei Anwendung des gewählten Rechts mit dem bei Anwendung des objektiv bestimmten Rechts zu vergleichen. Das mangels RW regulär anzuwendende Unterhaltsstatut fungiert somit als Grundlage für die Beurteilung der Unangemessenheit und Unbilligkeit der Rechtswahlfolgen. Einen protokollautonomen Prüfungsmaßstab, der nach anderer Ansicht259 für die Inhaltskontrolle maßgeblich sein soll, legt das HUP hingegen nicht fest. Dem offiziellen Bericht von Bonomi260 ist aber zu entnehmen, dass die Sonderanknüpfung des Art. 8 Abs. 4 HUP auch dann greift, wenn zwar auf den Unterhaltsverzicht nicht förmlich verzichtet wurde, aber nach dem gewählten Recht gar kein Unterhaltsanspruch besteht, sodass dies einem Unterhaltsverzicht gleichkommt.261 Art. 8 Abs. 5 HUP würde damit voraussetzen, dass ein Unterhaltsanspruch nach dem gewählten Recht zusteht.262 Damit ist der Anwendungsbereich der Missbrauchskontrolle letztlich relativ beschränkt: Für den Unterhaltsberechtigten könnte z. B. ein Unterhaltsanspruch in deutlich geringerer Höhe und für den Unterhaltsverpflichteten eine wesentlich höhere Zahlungsverpflichtung nach dem gewählten Recht nachteilig sein. Im Ergebnis ist eine Beurteilung im Einzelfall ausschlaggebend,263 wobei die vorgegebene Schwelle („des conséquences manifestement inéquitables ou déraisonnables“; „manifestly unfair or unreasonable consequences“) wahrscheinlich nur selten vorliegen wird.264 Bei Bejahung der Unangemessenheit bzw. Unbilligkeit ist das objektive Unterhaltsstatut (Art. 3–5 HUP) statt des gewählten Rechts anzuwenden.265 Das gewählte Recht kommt außerdem trotzdem zum Zug, wenn die Parteien im Zeitpunkt der RW „umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren“. Hintergrund dieser Ausnahme waren die Bedenken von manchen Delegierten der Haager Konferenz gegen einen allzu weiten Ermessens- und Kontrollspielraum der Richter.266 Denn im Vergleich zu a priori-Beschränkungen der Parteiautonomie (z. B. Begrenzung der Wahlmöglichkeiten) ist eine nachträgliche Kontrolle der RW aus Sicht der Rechtssicherheit 259
Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht 244; vgl. auch Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 480, die eine „echte Angemessenheitskontrolle“ einem Günstigkeitsvergleich vorzieht. 260 Bonomi, Explanatory Report Rn. 149; ebenso Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht 238. 261 Hingegen einen Anwendungsfall des Art. 8 Abs. 5 HUP sehend Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 37; Lurger/Melcher, Internationales Privatrecht2 (2017) Rn. 2/119. 262 Heiderhoff, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB42 (Stand 1.5.2015) Art. 18 EGBGB Rn. 90. 263 Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 480; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 25. 264 Lipp, in: FS Pintens, S. 858; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 481. 265 Siehe Art. 8 Abs. 5 2. Halbsatz („the law designated […] shall not apply“) sowie Bonomi, Explanatory Report Rn. 150; ebenso Prinz, Das neue Internationale Unterhaltsrecht 245 f. 266 Bonomi, Explanatory Report Rn. 150.
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nicht unbedenklich.267 Die angesprochene Informiertheit bezieht sich wiederum auf beide Parteien. Da die Folgen aber nur für eine Partei unangemessen oder unbillig sein müssen, wird es vor allem darauf ankommen, dass diese Partei aufgeklärt wurde.268 Es müsste daher nicht schaden, wenn die andere, nicht benachteiligte Partei nicht umfassend unterrichtet wurde. Die authentischen Protokollfassungen269 verlangen eine besonders hohe Informiertheit der Parteien hinsichtlich der Folgen der RW, die auch den Inhalt des gewählten Rechts und dessen Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch zu umfassen scheint.270 Diese hohe Informationsschwelle wird praktisch gesehen nicht die Regel sein, insbesonders nicht bei Vorliegen der vom HUP aufgestellten relativ geringen Formanforderungen für die RW (bloße Schriftform).271 Die anwaltliche Vertretung oder notarielle Beratung der Parteien im Zuge des Rechtswahlabschlusses ist ein bedeutendes Indiz dafür, dass die RW in voller Informiertheit getroffen wurde. Es ist aber im Einzelfall zu prüfen, worüber die Parteien tatsächlich Informationen erhalten und ob sie diese auch verstanden haben.272 Es müssen somit gegebenenfalls sehr viele Nachweise erbracht werden, sodass die freie Wahlentscheidung der Parteien und der Kerngedanke der Parteiautonomie im Gegenzug relativ stark einschränkt werden. Überhaupt erscheinen Fälle, in denen alle Kriterien des Art. 8 Abs. 5 HUP erfüllt sind, auf den ersten Blick widersprüchlich: Eine umfassend aufgeklärte und informierte Partei wird in eine für sie mit erheblich nachteiligen Folgen verbundene RW wohl kaum einwilligen. Denkbar wäre, dass diese Partei unter Druck der anderen Partei stand und deshalb trotz umfassender Aufklärung in die nachteilige RW einwilligte.273 Da aufgrund der erfolgten Aufklärung Art. 8 Abs. 5 HUP nicht mehr eingreifen kann, sind diese Umstände im Zuge der Beurteilung des Zustandekommens und der materiellen Wirksamkeit der RW nach dem gewählten Recht zu untersuchen. Festzuhalten bleibt, dass Art. 8 Abs. 5 HUP bereits die Funktion einer materiellrechtlichen Inhaltskontrolle erfüllt, sodass weitere Kontrollmechanismen des gewählten Rechts nicht zusätzlich möglich sind. Allerdings ist es dem Richter im Rahmen der Beurteilung der Unangemessenheit bzw. Unbilligkeit 267 Vgl.
R. Wagner, FamRZ 2006, 984.
268 Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 41. 269 Siehe „Unless […] the parties were fully
informed and aware of the consequences of their designation […]“ und „À moins que les parties n’aient été pleinement informées et conscientes des conséquences de leur choix […]“. 270 Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 42. 271 Dethloff, in: FS Martiny, S. 49; Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 161; dies., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 26. 272 Fucik, iFamZ 2008, 95 Fn. 20; Bonomi, Explanatory Report Rn. 150; Andrae, Internationales Familienrecht3 § 8 Rn. 161; dies., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 HUntStProt Rn. 26. 273 M. Lehmann, GPR 2014, 349.
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im Wege des Günstigkeitsvergleichs nicht verwehrt, auf materiellrechtliche Grundsätze des gewählten Rechts zurückzugreifen.274
V. Zwischenergebnis 1. Sowohl die UntVO als auch das HUP geben der Parteiautonomie weitgehend Raum. Während aber das HUP auf völkerrechtlicher und unionsrechtlicher Ebene erstmals eine ausdrückliche Rechtswahlmöglichkeit im Unterhaltskollisionsrecht einführte, schränkte die UntVO die Prorogationsmöglichkeiten im Unterschied zur Vorgängerreglung in der EuGVVO ein. Positiv zu bewerten ist aber, dass durch das parallele Tätigwerden des Unionsgesetzgebers und der Haager Konferenz die Regeln zur Parteiautonomie in der UntVO und dem HUP weitgehend übereinstimmen und dadurch besonders leicht ein Gleichlauf zwischen forum und ius erzielt werden kann. 2. Die Einschränkungen der RW im HUP und der GV in der UntVO beruhen auf der Sicherstellung eines engen, wenn auch regelmäßig einseitigen Bezuges zwischen gewählter Rechtsordnung bzw. gewähltem Gerichtsstand und der Unterhaltssache. Eine Diskrepanz zwischen UntVO und HUP besteht bei der Parteiautonomie nicht geschäftsfähiger Erwachsene, wobei der Rechtswahlausschluss in Art. 8 Abs. 3 HUP nach der hier vertretenen Auffassung sachlich ungerechtfertigt ist. Einen weiteren Kritikpunkt stellt die Beschränkung der GV für Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Ehegatten in Art. 4 Abs. 1 lit. c dar, weil Ehegatten dadurch in ihren Wahlmöglichkeiten stark beschnitten werden, ohne dass es einen sachlichen Grund dafür gäbe. 3. Hinsichtlich der formellen Gültigkeit sind die UntVO und das HUP auf einer Linie, punktuell bestehen aber Unterschiede (z. B. hinsichtlich der Unterzeichnung der RW bzw. der GV). Hinsichtlich der materiellen Gültigkeit ist in beiden Rechtsakten eine Lücke festzustellen: Es fehlt eine explizite Regelung hinsichtlich des auf das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung anzuwendenden Rechts. 4. Trotz der aufgezeigten Kritikpunkte verwirklichen die Regelungen zur RW und zur GV in der UntVO und dem HUP überwiegend einen gerechten Ausgleich zwischen den kollisionsrechtlichen Interessen der Parteien.275
274 Hausmann, in: FS 275 Insbesondere der
Martiny, S. 361 f. UntVO wird mitunter ein Modellcharakter zugesprochen; siehe etwa Abendroth, in: Beaumont u. a., S. 471: „the Maintenance Regulation could […] become the model for other Union legislation within European civil procedure law“; Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 159: „[…] die liberalen Regelungen vorbildhaft wirken könnten, die Art. 4 Abs. 1 EuUntVO für Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen vorsieht“.
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B. Rom III‑Verordnung und Brüssel IIa-Verordnung I. Einführung 1. Räumlich-zeitlicher Anwendungsbereich Die ersten familienrechtlichen Rechtsmaterien, die unionsrechtlich geregelt wurden, sind die internationalverfahrensrechtlichen Aspekte in Ehesachen und in Sachen der elterlichen Verantwortung, welche bereits im Jahr 2000 Gegenstand der Brüssel II‑VO276 wurden. Diese VO wurde von der derzeit in Geltung stehenden Brüssel IIa-VO abgelöst. Die Brüssel IIa-VO ist in allen Mitgliedstaaten außer Dänemark277 anzuwenden und gilt für nach dem 1.3.2005 eingeleitete Verfahren. Geplant war, dass diese IZVR‑Regeln durch Kollisionsnormen in Ehesachen flankiert werden, worauf ein Reformentwurf278 der Brüssel IIa-VO aus dem Jahre 2006 abzielte. Dieses Gesamtregelungswerk scheiterte aber an den Vorbehalten einiger Mitgliedstaaten – des Vereinigten Königreichs, Irlands und auch der skandinavischen Länder –, die im Familienrecht traditionell dem lex fori-Prinzip279 folgen und deshalb die zur Anwendung fremden Scheidungsrechts führenden Kollisionsregeln ablehnten.280 Da das Einstimmigkeitsprinzip im Rat für Gesetzgebungsmaßnahmen zum grenzüberschreitenden Familienrecht gemäß Art. 81 Abs. 3 AEUV nicht erzielt werden konnte, bildeten die „willigen“ Mitgliedstaaten eine Verstärkte Zusammenarbeit gemäß Art. 326 ff. AEUV281 zur Durchsetzung der Kollisionsnormen. Dies mündete im Erlass der Rom III‑VO, die nunmehr in 17 sich an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligenden Mitgliedstaaten gilt (Belgien, Bulgarien, Deutsch276 VO
(EG) 1347/2000 vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. L 2000/160, 19. 277 Siehe ErwGr. 31 Brüssel IIaVO; näher hierzu Althammer, in: Althammer, Brüssel IIa – Rom III (2014), Vorbem. Brüssel IIa Rn. 3. Inwiefern die Brüssel IIa-VO im Vereinigten Königreich nach dessen Austritt gelten wird, ist noch nicht genau absehbar. Mit Ablauf der Austrittsübergangsfrist tritt die Brüssel IIa-VO grundsätzlich für das Vereinigte Königreich ipso iure außer Kraft, welches fortan als Drittstaat zu werten ist; siehe Hess, IPRax 2016, 416; Boele-Woelki, RabelsZ 82 (2018), 29. 278 KOM(2006) 399 endg. 279 Siehe die einzelnen Länderberichte in Süß/Ring, Eherecht in Europa3 (2017) 460 (Dänemark), 528 (Finnland), 646 (Vereinigtes Königreich) und 1150 (Schweden). 280 Vgl. Jänterä-Jareborg, Jurisdiction and Applicable Law in Cross-border Divorce Cases in Europe, in: Basedow/Baum/Nishitani (Hrsg.), Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective (2008), S. 317 (S. 339 f.); C. Kohler, Einheitliche Kollisionsnormen für Ehesachen in der Europäischen Union: Vorschläge und Vorbehalte, FPR 2008, 193 (195 m. w. N.); siehe auch KOM(2010) 104 endg. Rn. 4. 281 Zu den Hintergründen dieses erstmaligen Anwendungsfalles einer Verstärkten Zusammenarbeit siehe nur Andrae, Kollisionsrecht nach dem Lissabonner Vertrag, FPR 2010, 505 (505 f.); Lignier/Geier, Die Verstärkte Zusammenarbeit in der Europäischen Union, RabelsZ 79 (2015), 546 (571 f.).
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land, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn). Die Rom III‑VO ist – mit Ausnahme der später hinzugetretenen teilnehmenden Mitgliedstaaten282 – ab dem 21.6.2012 anwendbar.283 Somit ist festzuhalten, dass sich die inhaltlich eng miteinander verbundenen Brüssel IIa-VO und Rom III‑ VO sowohl hinsichtlich ihrer räumlichen als auch zeitlichen Anwendbarkeit unterscheiden.
2. Sachlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 1 Abs. 2 umfasst der sachliche Anwendungsbereich der Rom III‑ VO die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und regelt somit nur das Scheidungs- bzw. Trennungsstatut. Art. 1 Abs. 1 Brüssel IIa-VO ist weiter gefasst und erfasst neben der Ehescheidung und der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zusätzlich die Ungültigerklärung der Ehe (lit. a) sowie als zweite Regelungsmaterie die Zuweisung, Ausübung, Übertragung sowie Entziehung der elterlichen Verantwortung (lit. b), welche aber nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind. Weder der Brüssel IIa-VO noch der Rom III‑VO unterliegt die Auflösung eingetragener Partnerschaften.284 Sonstige Scheidungsfolgen (insbesonders güterrechtlicher und unterhaltsrechtlicher Natur) unterliegen eigenen Rechtsakten (der UntVO und dem HUP bzw. der EheGüVO). Der Begriff der „Ehe“ wird weder in der Brüssel IIa-VO noch in der Rom III‑ VO legaldefiniert. Nach der überwiegenden Ansicht285 gehen die Brüssel IIaVO und die Rom III‑VO von einem heterosexuellen Eheverständnis aus, sodass gleichgeschlechtliche Ehen nicht erfasst sind. Diese Auffassung erscheint aber angesichts der rezenten Entwicklung in vielen Mitgliedstaaten, das Rechtsinstitut der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, zu restriktiv.286 Insbesondere angesichts der Fälle, in denen eine gleichgeschlechtliche Ehe nach nationalem Recht wie eine verschiedengeschlechtliche Ehe nur durch ein ge282 Das sind Litauen (ab 22.5.2014), Griechenland (ab 29.7.2015) und zuletzt Estland (ab 11.2.2018), siehe ABl. L 2016/216, 23. 283 Siehe Art. 21 Rom III‑VO. 284 Zur Rom III‑VO Andrae, FPR 2010, 506; Traar, Rom III – EU‑Verordnung zum Kollisionsrecht für Ehescheidungen, ÖJZ 2011, 805 (808); ebenso zur Brüssel IIa-VO, aber de lege lata krit. Garber, Sind eingetragene Partnerschaften vom Anwendungsbereich der VO Brüssel IIa erfasst?, iFamZ 2012, 204 (206). 285 Siehe zur Rom III‑VO Helms, Reform des internationalen Scheidungsrechts durch die Rom III‑Verordnung, FamRZ 2011, 1765 (1766); Hau, Zur Durchführung der Rom III‑Verordnung in Deutschland, FamRZ 2013, 249 (251); zur Brüssel IIa-VO Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 1 EuEheKindVO Rn. 31 m. w. N.; Arnold, in: Althammer, Art. 1 Brüssel IIa Rn. 6 m. w. N.; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 6. 286 Siehe jüngst das Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH 4.12.2017, G 258–259/2017–9), der die Beschränkung des Rechtsinstituts der Ehe auf verschiedengeschlechtliche Paare als verfassungswidrig gewertet hat.
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richtliches Verfahren im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO aufgelöst werden kann, wäre es sinnvoll, den Anwendungsbereich der VO auf gleichgeschlechtliche Ehen in Zukunft zu erstrecken.287 Eine unionsrechtliche, geschlechtsneutrale Definition der Ehe wird von einigen Autoren de lege ferenda verlangt.288 Eine entsprechende Normierung im Zuge der bevorstehenden Revision289 der Brüssel IIa-VO ist aber wohl weniger zu erwarten, zumal das Einstimmigkeitsprinzip für Familienrechtssachen in Art. 81 Abs. 3 AEUV hohe Anforderungen an die politische Konsensfindung zwischen den Mitgliedstaaten stellt und eine Definition auch nicht jüngst in die EheGüVO290 Eingang gefunden hat. Unterhaltsrechtliche bzw. güterrechtliche Scheidungsfolgen werden von der Rom III‑VO bzw. der Brüssel IIa-VO nicht erfasst,291 sondern sind Gegenstand eigener unionsrechtlicher (UntVO, EheGüVO) bzw. völkerrechtlicher Rechtsakte (HUP).
3. Regelungsziele Die Rom III‑VO und die Brüssel IIa-VO sind in ihrem Kollisionsrechts- und Zuständigkeitssystem vom materiellrechtlichen Gedanken der Scheidungsfreiheit (favor divortii) geprägt und sollen grenzüberschreitende Scheidungen bzw. Trennungen erleichtern.292 Daran schließt auch die Parteiautonomie an, die in den Kollisionsnormen der Rom III‑VO eine zentrale Stellung einnimmt. Diese Dispositionsmöglichkeiten können mit der Zulässigkeit von Scheidungsvereinbarungen und Eheverträgen im materiellen Recht verglichen werden. Weiters sollen die beiden VO mehr Rechtssicherheit und Flexibilität für die Bürger bieten sowie forum shopping eindämmen.293 Insbesonders soll verhin287 In diesem Sinne eine Ausdehnung erwägend Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 1 EuEheKindVO Rn. 31; für die grundsätzliche Erfassung gleichgeschlechtlicher Ehen in der Rom III‑VO Traar, ÖJZ 2011, 80 f.; Gruber, Scheidung auf Europäisch – die Rom III‑Verordnung, IPRax 2012, 381 (382 m. w. N.); Lurger/Melcher, Internationales Privatrecht2 Rn. 2/69. 288 Vgl. zur Brüssel IIa-VO C. Kohler/Pintens, Entwicklungen im europäischen Personenund Familienrecht 2015–2016, FamRZ 2016, 1509 (1515): Klarstellung in den Erwägungsgründen; M.‑P. Weller, Die Reform der EuEheVO, IPRax 2017, 222 (230): Klarstellende Definition in den Begriffsbestimmugnen des Art. 2 Brüssel IIa-VO. 289 Dazu näher unten § 3 B. II. 1. b). 290 Zum sachlichen Anwendungsbereich der EheGüVO siehe unten § 3 C. I. 2. 291 Vgl. ErwGr. 8 Brüssel IIa-VO und ErwGr. 10 Rom III‑VO. 292 Ancel/Muir Watt, La désunion européenne: le Règlement dit „Bruxelles II“, Revue critique de droit international privé 2001, 403 (416 f.); Fiorini, Rome III – Choice of law in divorce: Is the Europeanization of family law going too far?, IJLPF 2008, 178 (193); C. Kohler, Zur Gestaltung des europäischen Kollisionsrechts für Ehesachen: Der steinige Weg zu einheitlichen Vorschriften über das anwendbare Recht für Scheidung und Trennung, FamRZ 2008, 1673 (1680); krit. zum Einfluss materiellrechtlicher Wertungen Lardeux, La révision du règlement Bruxelles II bis: perspectives communautaires sur les désunions internationales, Recueil Dalloz 2008, 795 (796). 293 Zur Rom III‑VO KOM(2010) 104 endg. Rn. 27 f.; ErwGr. 9, 15 und 29 Rom III‑VO;
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dert werden, dass im Sinne eines „Wettlaufs zu den Gerichten“ ein Ehegatte zuerst Klage einbringt, um dadurch die Anwendung eines für ihn günstigen Rechts sicherzustellen.294 Diesem Regelungsziel wird nach derzeitiger Rechtslage aber nicht vollends entsprochen: Durch die unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereiche der Brüssel IIa-VO und der Rom III‑VO kann forum shopping nicht gänzlich vermieden werden, weil die Kollisionsnormen der Rom III‑VO nur in 17 Mitgliedstaaten gelten und im Übrigen die unterschiedlichen nationalen Kollisionsregeln anzuwenden sind. Dem Schwächerenschutz kommt in der Rom III‑VO eine geringere Bedeutung zu als im HUP, dessen Kollisionsnormen den Unterhaltsberechtigten als typischerweise schwächere Partei begünstigen. Die Rom III‑VO differenziert nicht zwischen einem typisch „stärkeren“ und typisch „schwächeren“ Ehegatten, sondern geht vielmehr von einer strukturellen Parität der Ehegatten aus.295 Der Schutzgedanke ist jedoch nicht völlig abwesend, wie im Folgenden im Rahmen der Regeln zur Parteiautonomie aufgezeigt wird.
II. Zulässigkeit 1. Fehlen einer Gerichtsstandsvereinbarung in Ehesachen in der Brüssel IIa-VO a) Klägerwahlrecht (Art. 3 Brüssel IIa-VO) In der geltenden Fassung erlaubt die Brüssel IIa-VO im Bereich der Zuständigkeit in Ehesachen keine GV.296 Dies spiegelt die Rechtslage in den nationalen Verfahrensrechten wider, in denen Ehesachen bzw. ganz allgemein Statussachen nicht der (verfahrensrechtlichen) Parteiendisposition unterliegen, weil öffentliche Interessen an der Einhaltung der gesetzlich normierten Zuständigkeitsregeln dominieren.297 Dispositionsmöglichkeiten gibt es in diesem Rechtszur Brüssel IIa-VO Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen Rn. 27; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (2004) Rn. 183. 294 So ausdrücklich ErwGr. 9 Rom III‑VO. 295 Vgl. zur strukturellen Parität und situativen Ungleichheit Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 472 f. und 483. 296 Statt vieler OGH 28.4.2011, 1 Ob 77/11z EF‑Z 2011, 196 (Nademleinsky) = JBl 2012, 194; Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 8 m. w. N. 297 Siehe für Deutschland Grandel/Borth, in: Musielak/Borth, FamFG5 (2015) § 98 Rn. 22; für Italien siehe Art. 3 f. und Art. 32 ital. IPRG. Die Unzulässigkeit von GV in Statussachen wurde jüngst vom italienischen Kassationgsgerichtshof bestätigt, siehe Cassazione civile I sezione, 12.3.2015, 5710/14: „la giurisdizione italiana nella specie è inderogabile […]. Nell’ordinamento italiano, le condizioni normative dell’attribuzione dello status di divorziato
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bereich regelmäßig nur in geringem Ausmaß.298 Art. 3 Brüssel IIa-VO als zentrale Zuständigkeitsnorm in Ehesachen normiert vielmehr einen Katalog von alternativen Gerichtsständen, aus denen der antragstellende Ehegatte299 bei Vorliegen der entsprechenden Kriterien frei wählen kann.300 Es besteht insofern keine Rangordnung zwischen den Gerichtsständen.301 Insgesamt werden sieben Gerichtsstände eröffnet, die entweder auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit (bzw. den „domicile“ für Irland und das Vereinigte Königreich) eines Ehegatten, beider Ehegatten bzw. des Antragsgegners oder Antragstellers abstellen. Als gemeinsamer Anknüpfungspunkt gilt der gewöhnliche Aufenthalt beider Ehegatten in einem Mitgliedstaat (lit. a 1. Str.) und die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten (lit. b). Der klassische Beklagtengerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners wird in lit. a 3. Str. eröffnet. Weiters kann am letzten gewöhnlichen Aufenthalt beider Ehegatten in einem Mitgliedstaat Klage erhoben werden, sofern der gewöhnliche Aufenthalt von einem Ehegatten (Antragsteller oder Antragsgegner) noch aufrechterhalten wird (lit. a 2. Str.), sowie bei gemeinsamer Antragstellung auch am gewöhnlichen Aufenthalt nur eines Ehegatten (lit. a 4. Str.). Der Antragsteller kann zudem noch an seinem mindestens einjährigen gewöhnlichen Aufenthalt (lit. a 5. Str.) oder am mindestens sechsmonatigen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (lit. a 6. Str.), klagen. Der gewöhnliche Aufenthalt nimmt für die Zuständigkeit folglich eine tragende Rolle ein. Die Staatsangehörigkeit wirkt hingegen nur dann zuständigkeitsbegründend, wenn sie durch einen weiteren Faktor „verstärkt“ wird: Die Staatsangehörigkeit muss entweder die gemeinsame Staatsangehörigkeit beider Ehegatten sein oder, wenn nur auf die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten abgestellt wird, non sono disponibili. […] la disponibilità, essendo relativa alla facoltà di scegliere il regime giuridico applicabile ad uno status, deve essere radicalmente esclusa“. 298 In Österreich ist sowohl in streitigen Ehesachen (§ 76 JN) als auch in Ehesachen, die im Außerstreitverfahren durchgeführt werden (§ 114a), nur eine GV hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 104 JN erlaubt; ausführlich hierzu Simotta, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen I3 (2013) § 76 JN Rn. 4 und § 114a JN Rn. 44 f. Ähnlich kann in Frankreich gemäß Art. 1070 Code de procédure civile bei einer „demande conjointe“ (einvernehmlichen Scheidung) die Zuständigkeit am Wohnsitz des einen oder des anderen Ehegatten gewählt werden. 299 Der EuGH hat jüngst klargestellt, dass im Sinne des Begriffs „Antragsteller“ in Art. 3 Brüssel IIa-VO sich keine anderen Personen als die Ehegatten auf die Gerichtsstände stützen können; siehe EuGH 13.10.2016, C-294/15, Edyta Mikołajczyk/Marie Louise Czarnecka und Stefan Czarnecki Rn. 52 f. ECLI:EU:C:2016:772. 300 Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen Rn. 29; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 14 m. w. N. 301 Ganz, in: P. Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht10 Kap. 15 Rn. 50; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 14 m. w. N.
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in Kombination mit dem gewöhnlichen Aufenthalt im betreffenden Heimatstaat vorliegen. Dieses Sammelsurium an Gerichtsständen ist als Kompromisslösung zwischen den unterschiedlichen Auffassungen zu den Zuständigkeitskriterien, die Gegenstand der intensiven Verhandlungen zur Brüssel IIa-VO waren, zu sehen.302 Art. 3 Brüssel IIa-VO stellt zwar ein flexibles und großzügiges Zuständigkeitssystem dar,303 wird aber schon seit Inkrafttreten der VO aus mehrfachen Gründen kritisiert. Auf diese Kritik wird im Folgenden näher eingegangen.
b) Kritische Würdigung der geltenden Rechtslage Ganz allgemein können die vielen alternativen Zuständigkeiten des Art. 3 Brüssel IIa-VO insbesonders aus Sicht des Beklagten nur in geringem Maße Orientierungssicherheit und Vorhersehbarkeit bieten.304 Im Detail werden vor allem Art. 3 lit. a 5. Str.305 und 6. Str.306 kritisiert, weil diese Gerichtsstände durch das Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers letzteren begünstigen würden. Zudem verstärkt das Fehlen einer Rangordnung in Art. 3 Brüssel IIa-VO die Gefahr von forum shopping.307 In den Mitgliedstaaten, die aufgrund ihrer lex fori-Tradition nicht an der Rom III‑VO teilnehmen, führt dies dazu, dass der Kläger durch das Einbringen der Klage auch das anzuwendende Recht mitbestimmt, weil die Kollisionsregeln der Rom III‑VO eben nicht zur Anwendung kommen.308 Damit kann der Kläger die Zuständigkeit und das anzuwendende Scheidungsrecht einseitig festlegen. Dem Antragsgegner kommen kaum 302 Vgl. 303 Vgl.
Bórras, Erläuternder Bericht Rn. 27 und Rn. 30. EuGH C-294/15 Rn. 47 und Rn. 50. 304 Vgl. Kruger/Samyn, Brussels II bis: successes and suggested improvements, JPIL 12 (2016), 132 (142 f.). 305 Statt vieler Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 140 m. w. N. Da zeitliche Voraussetzungen einzuhalten sind, wird eine Aufenthaltsverlegung zum Zwecke der Zuständigkeitssteuerung zumindest in einem gewissen Maß verhindert; vgl. Boele-Woelki, Brüssel II: Die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRV 2001, 121 (123 m. w. N.): „gemäßigte Klägergerichtsstände“. 306 Einer Ansicht nach verstößt diese Regelung gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV), weil die kürzere 6-Monatsfrist in Kombination mit der Staatsangehörigkeit nur für Inländer gilt; siehe Hau, Das System der internationalen Entscheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2000, 1333 (1336 f.); Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 153; Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 14 m. w. N.; a. A. Basedow, IPRax 2011, 114, der die differenzierte Aufenthaltsdauer darin begründet und gerechtfertigt sieht, dass bei einer Rückverlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Heimatstaat eine gewisse Beziehung bereits bestehe (6. Str.) und nicht erst begründet werden müsse (5. Str.); ihm folgend Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff? 151 f.; Rauscher, in: Rauscher EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 47. 307 Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 2 m. w. N.; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 15 m. w. N. 308 Somit führt das forum shopping zum law shopping; siehe Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 15.
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Verteidigungsmöglichkeiten zu; insbesonders kann einer Entscheidung nach Art. 25 Brüssel IIa-VO die Anerkennung nicht aus dem Grund versagt werden, dass nach dem Recht des Anerkennungsstaates die Entscheidung gar nicht oder nicht in der bestehenden Form ergangen wäre.309 Außerdem – bzw. gerade wegen der oben genannten Gründe – werden die geringe Berücksichtigung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie310 und das Fehlen einer Prorogationsmöglichkeit für Ehegatten kritisiert.311 Der gemeinsame (beidseitige) Parteiwille der Ehegatten wird de lege lata nur in geringem Maße in Art. 3 Abs. 1 lit. a 4. Str. Brüssel IIa-VO beachtet:312 Dieser eröffnet im Fall eines „gemeinsamen Antrages“ einen Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten. Hierbei sind im Unterschied zu lit. a 5. und 6. Str., die nicht auf einem gemeinsamen Willen der Ehegatten basieren, keine zusätzlichen Voraussetzungen zu erfüllen (weder die Staatsangehörigkeit noch die Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthalts). Unter dem „gemeinsamen Antrag“ ist allerdings nicht das formalisierte Rechtsinstitut der GV zu verstehen.313 Es handelt sich im schlichteren Sinne um ein einvernehmliches Vorgehen im selben Verfahren (z. B. bei einer einvernehmlichen Scheidung), bei dem ein übereinstimmender Wille der Ehegatten zum Ausdruck kommt: Die Eheauflösung an dem betreffenden Gerichtsstand kann in einem gemeinsamen Antrag oder in zwei getrennten Anträgen verlangt werden, aber auch die Zu309 Vgl. Ancel/Muir Watt, Revue critique de droit international privé 2001, 416; C. Kohler, FamRZ 2008, 1680: „Dem an Statuswahrung interessierten Ehegatten wird weder im Zuständigkeits- noch im Verweisungsrecht entgegengekommen, und überhaupt nicht im Anerkennungsrecht“. 310 Wenn sich der Kläger bzw. Antragsteller für das Einbringen der Klage an einem der in Frage kommenden Gerichtsstände entscheidet, entspricht dies einer einseitigen Gerichtsstandswahl und stellt damit freilich auch einen Akt der Parteiautonomie dar; vgl. Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, S. 550 f. 311 Siehe Boele-Woelki, ZfRV 2001, 123; Nademleinsky, Scheidungstouristen aus Bayern in Salzburg, EF‑Z 2011, 196 (196); Carruthers, ICLQ 2012, 894 ff.; Althammer, in: Althammer, Vorbem. Rom III Rn. 16; Queirolo/Carpaneto, Party autonomy under the Rome III Regulation: an unsatisfactory compromise. Which possible way out?, ELF 2014, 29 (36); Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 234; Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 289 f.; Kruger/Samyn, JPIL 12 (2016), 143 f.; M.‑P. Weller, IPRax 2017, 229 f. Auch die GEDIP (Groupe européen de droit international privé, Europäische Gruppe für Internationales Privatrecht) sprach sich in ihrem Vorschlag zur Zusammenführung der Rom III‑VO und der Brüssel IIa-VO für die (beschränkte) Zulässigkeit von vorprozessualen GV aus; siehe den Bericht von C. Kohler, Auf dem Weg zu einer europäischen Verordnung über das Internationale Privat- und Verfahrensrecht der Ehescheidung, IPRax 2016, 401 (402). 312 Vgl. auch Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen Rn. 31: „[…] in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß [sic] – wiederum im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 – der Wille der Ehegatten eine geringe Rolle spielt und nur in dieser begrenzten Form Berücksichtigung findet“. 313 Gottwald, in: MüKommFamFG2 (2013) Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 15; Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 341 f.
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stimmung des einen Ehegatten zum Antrag des anderen Ehegatten genügt.314 Dieser Gerichtsstand ist auch im nationalen Zuständigkeitsrecht bekannt.315 Dementsprechend fand diese Regelung in den Verhandlungen zur Brüssel IIaVO starken Konsens.316 Das kann einerseits als Bestätigung der zurückhaltenden Position des Gesetzgebers gegenüber der GV in Ehesachen gesehen werden, zumal eben keine echte Prorogationsmöglichkeit eingeführt wurde.317 Eine solche war im Reformvorschlag der Brüssel IIa-VO aus 2006318 enthalten, der aber an mangelnder Konsensfindung scheiterte.319 Andererseits steht die gemeinsame Antragstellung in ihrem Ergebnis der GV nahe, sodass diese Regelung ein Ausgangspunkt für mehr Parteiautonomie in der Brüssel IIa-VO sein kann. Ob sich die Hoffnung auf eine GV in Eheauflösungssachen als realistisch erweisen wird, ist derzeit noch offen: Ende Juni 2016 wurde ein neuer Vorschlag zur Reform der Brüssel IIa-VO veröffentlicht, der weder eine GV noch Änderungen des Art. 3 vorsieht,320 sondern am Status quo des Zuständigkeitssystems in Ehesachen festhält.321 Im Gesetzgebungsverfahren wird der Reformbedarf des Art. 3 Brüssel IIa-VO derzeit nicht thematisiert.322 Durch das Beiseitelassen der Zuständigkeitsregeln in Ehesachen im aktuellen Reformdiskurs ist aber nicht gleich auf eine ablehnende Haltung gegenüber einer GV in Ehesachen zu schließen. Denn das Hauptaugenmerk der Reform liegt dezidiert auf den Regelungen zur elterlichen Verantwortung, weil hier akute Probleme, insbesonders in internationalen Kindesentführungsfällen, festgestellt wurden, deren 314 Näher hierzu Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 24; Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 128 ff. m. w. N.; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 36. 315 Für Österreich siehe § 114a Abs. 4 JN. Angelehnt ist der Gerichtsstand in Art. 3 Abs. 1 lit. a 4. Str. Brüssel IIa-VO an die französische Regelung der einvernehmlichen Scheidung gemäß Art. 230 Abs. 1 Code civil und Art. 1089 ff. Code de procédure civile; siehe Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Rn. 235 Fn. 163. 316 Siehe Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen Rn. 31. 317 Vgl. Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Rn. 238. 318 KOM(2006) 399 endg. 15 f.; siehe hierzu Salerno, I criteri di giurisdizione comunitari in materia matrimoniale, RDIPP 2007, 63 (75 ff.); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 499 ff. 319 Siehe KOM(2010) 104 endg. 2 f.; KOM(2010) 105/2 endg. 3 f. 320 KOM(2016) 411 endg. 19; anders noch der Bericht KOM(2014) 225 endg. 6, in dem die Kommission eine GV in Scheidungssachen befürwortete. 321 Zum Reformvorschlag siehe allgemein C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1516; M.‑P. Weller, IPRax 2017, 222 ff. 322 Siehe insbesondere die in erster Lesung gebilligte Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18.1.2018 (COM(2016)0411 – C8-0322/2016 – 2016/0190(CNS)).
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Lösung vorzuziehen sei.323 Denkbar ist allerdings, dass die Befürchtung, eine Prorogationsmöglichkeit in Ehesachen könnte den durch die Reform gestärkten Kinderschutz „durch die Hintertür“ gefährden, rechtspolitisch der Einführung einer GV entgegensteht. Angesichts des Einstimmigkeitsprinzips im Rat liegt aber auch die Vermutung nahe, dass Ehesachen von der Reform weitgehend ausgenommen werden, um eine Verstärkte Zusammenarbeit – wie sie schon den Gesetzgebungsprozess der Güterrechtsverordnungen und der Rom III‑VO gebrandmarkt hat – zu verhindern und eine rasche Einigung zur dringenden Reform der Regeln zur elterlichen Verantwortung zu erzielen.324 Ein Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten, die für weniger Flexibilität plädieren, und jenen, die Alternativlösungen (z. B. einen hierarchischen Gerichtsstandskatalog) als nachteiliger erachten, sei offenbar nicht rasch zu erzielen.325 Das Bedürfnis nach einer Regelung zur GV in Eheauflösungssachen besteht aber nach wie vor. Ein Regelungsvorschlag wird im Abschnitt § 5 der Arbeit diskutiert.326
2. Rechtswahl (Art. 5 Rom III‑VO) a) Vorbemerkungen Bislang gestattete die Mehrheit der Mitgliedstaaten keine RW im internationalen Scheidungsrecht. Beschränkte Rechtswahlmöglichkeiten gab es nur in wenigen Mitgliedstaaten, etwa in Deutschland327 zum Heimatrecht eines Ehegatten, in Belgien328 zum gemeinsamen Heimatrecht oder zum belgischen Recht, und in den Niederlanden329 zum gemeinsamen Heimatrecht. Die Rom III‑VO hat insofern einen bedeutenden Schritt zur Stärkung der Parteiautonomie in diesem Rechtsbereich gesetzt330: Ihre Kollisionsvorschriften (Art. 5–16 Rom III‑ VO) stellen primär auf die RW der Ehegatten und subsidiär auf die objektive Anknüpfung ab.331 323 Siehe im Bericht des Rechtsausschusses (oben Fn. 320) 18: „Among the two areas covered by the Regulation, the matrimonial and parental responsibility matters, the latter were identified in the European Commission’s consultation of stakeholders and in a number of studies conducted, as having caused acute problems and as being in need of urgent solution“. 324 Mansel/Thorn/R. Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2016: Brexit ante portas!, IPRax 2017, 1 (8 ff.). 325 Vgl. KOM(2016) 411 endg. 10. 326 Siehe unten § 5 B. III. 2. c). 327 Eine gemäß Art. 14 EGBGB getroffene RW des Ehewirkungsstatuts führte indirekt auch zur Wahl des Scheidungsstatuts nach Art. 17 EGBGB a. F., das an Art. 14 anknüpfte; siehe Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom II Rn. 2. 328 Art. 55 Abs. 2 belg. IPRG. 329 Art. 56 Abs. 1 und 2 10. Buch des nlBGB, abgedruckt in deutscher Übersetzung in: RabelsZ 78 (2014), 615 (630). 330 Vgl. Henrich, Internationales Scheidungsrecht3 Rn. 74; Helms, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 1; siehe auch ErwGr. 14 f. Rom III‑VO. 331 Vgl. die Überschrift von Art. 8 Rom III‑VO: „in Ermangelung einer Rechtswahl anzuwendendes Recht“.
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Eine RW kann gerade im Scheidungsrecht aufgrund der teilweise großen Unterschiede in den nationalen materiellen Scheidungsrechten sehr bedeutend sein, etwa bei der Relevanz eines Verschuldens oder hinsichtlich gesetzlicher Trennungsfristen. In aller Regel liegt das Rechtswahlinteresse von scheidungswilligen Ehegatten darin, ein Recht zu wählen, das ihnen eine möglichst rasche und einfache Scheidung bzw. Trennung ermöglicht.332 Dieses Prinzip des favor divortii spiegelt sich im Kreis der wählbaren Rechtsordnungen der Rom III‑VO wider, der relativ großzügig gefasst ist und neben der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 5 Abs. 1 lit. a und b) bzw. die Staatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. c) auch die Wahl der lex fori (Art. 5 Abs. 1 lit. d) ermöglicht. Von einer völlig freien RW wurde jedoch abgesehen, um die Wahl eines Rechts zu verhindern, das zum Lebenssachverhalt der Ehegatten keinerlei Bezüge aufweist.333 Es besteht keine Rangordnung zwischen den vier zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen, sodass die Ehegatten darunter frei wählen können, sofern die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind.334 Im Folgenden werden die einzelnen Anknüpfungspunkte näher erläutert.
b) Rechtswahl und gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 5 Abs. 1 lit. a und b Rom III‑VO) Die Ehegatten können zunächst gemäß Art. 5 Abs. 1 Rom III‑VO das Recht ihres Aufenthaltsstaates im Zeitpunkt der RW wählen (lit. a). Haben die Ehegatten im Zeitpunkt der RW keinen gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat mehr, können sie auch das Recht des Staates ihres letzten gewöhnlichen Aufenthalts (lit. b) wählen, sofern dieser im Zeitpunkt der RW von einem Ehegatten noch aufrechterhalten wird.335 Damit soll bereits getrennten Ehegat332 So wurde in Italien vor der Reform des Scheidungsrechts im Jahr 2015, das verkürzte Trennungsfristen einführte, bei ausländischen oder gemischtnationalen Ehepaaren meist das ausländische scheidungsfreundlichere Heimatrecht gewählt; siehe mit Hinweisen zur Rspr. Viarengo, Rapporto sull’applicazione in Italia del regolamento (UE) N. 1259/2010 del 20 dicembre 2010 relativo all’attuazione di una cooperazione rafforzata nel settore della legge applicabile al divorzio e alla separazione personale („Roma III“), in: Bariatti u. a. (Hrsg.), La giurisprudenza italiana sui regolamenti europei in materia civile e commerciale e di famiglia (2016), S. 397 (S. 398 f.). Auch in der Entscheidung vom OLG Nürnberg, 31.1.2013, 7 WF 1710/12 FamRZ 2013, 1321 bot das gewählte (kasachische) Scheidungsrecht im Vergleich zum objektiv anzuwendenden (deutschen) Recht günstigere Scheidungsbedingungen. 333 Finger, Verstärkte Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten der europ. Gesetzgebung für das Kollisionsrecht der Ehescheidung, FuR 2011, 61 (65); ders., Verstärkte Zusammenarbeit im Scheidungskollisionsrecht, FuR 2011, 313 (313); Helms, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 8 und Rn. 21. 334 Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 9; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 21. 335 Krit. zur Anknüpfung an eine frühere Verbundenheit Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 38; ihnen folgend Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 43. Rechtfertigung findet die Anknüpfung aber darin, dass die Wahl vom beidseitigen Parteiwillen getragen
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ten der Rückgriff auf eine frühere Verbundenheit für die RW ermöglicht werden. Für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gilt ausdrücklich der Zeitpunkt der RW. Somit wird ein Statutenwechsel durch eine spätere Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat verhindert.336 Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III‑VO entspricht der objektiven Anknüpfung nach Art. 8 lit. a. Bei einem früheren gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ist bei der objektiven Anknüpfung im Vergleich zu Art. 5 Abs. 1 lit. b Rom III‑VO eine zusätzliche Einschränkung zu beachten: Der frühere gewöhnliche Aufenthalt darf gemäß Art. 8 lit. b vor maximal einem Jahr geendet sein. Bei der RW gibt es kein solches zeitliches Limit; Bedenken diesbezüglich stellen sich angesichts des übereinstimmenden Willens der Parteien nicht. Lebt etwa ein österreichisches Ehepaar zunächst in Deutschland und zieht dann ein Ehegatte nach Italien, während der andere Ehegatte in Deutschland bleibt, könnte das Paar gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b auch z. B. drei Jahre später eine RW zum deutschen Recht treffen. Mangels RW könnte das deutsche Recht gemäß Art. 8 lit. b nicht zur Anwendung kommen.337
c) Rechtswahl und Staatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III‑VO) Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III‑VO können die Ehegatten das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Rechtswahlzeitpunkt besitzt. Es handelt sich wie bei lit. a und lit. b um ein fixes Statut: Ändert sich die für die RW herangezogene Staatsangehörigkeit eines Ehegatten zu einem späteren Zeitpunkt, ist dies für die Gültigkeit der Wahl unerheblich. Bei doppelter oder mehrfacher Staatsangehörigkeit besteht eine freie Wahl zwischen diesen.338 Mangels RW kommt die Staatsangehörigkeit bei der objektiven Anknüpfung erst als dritte Alternative, d. h. mangels Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, zum Zug (Art. 8 Abs. 1 lit. c Rom III‑VO).339 Außerdem kann hier nur an die gemeinsame Staatsangehörigkeit angeknüpft werden; Art. 5 Abs. 1 lit. c ist insofern großzügiger. Dass für die RW die Staatsangehörigkeit auch wird; siehe treffend Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug in der Europäischen Union (2014) 164. 336 Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 25. 337 Einerseits kann damit die Anwendung eines Rechts verhindert werden, zu dem der vor Jahren weggezogene Ehegatte keinen oder nur mehr einen schwachen Bezug hat. Andererseits wird dabei das Interesse des zurückgebliebenen Ehegatten nur gering gewahrt; siehe zu Recht krit. Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 8 Rom III Rn. 15 m. w. N. 338 Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 34, sowie bereits zur UntVO oben § 3 A. II. 1. c). 339 Die Hierarchie der lit. a–c in Art. 8 Rom III‑VO wird dadurch definiert, dass die nächstfolgende Alternative immer nur „andernfalls“ zum Zug kommt; vgl. nur Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 8 Rom III‑VO Rn. 6.
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nur eines Ehegatten genügt, wird teilweise kritisiert,340 weil dadurch nur ein einseitiger Nahebezug gewahrt wird. Das einseitige Abstellen auf die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten ist aber vor dem Hintergrund, dass die RW von einer Willenseinigung der Parteien getragen werden muss,341 akzeptabel.342 Bei der objektiven Anknüpfung entscheidet der Kläger alleine über die Einbringung einer Klage bzw. eines Antrages. Dies rechtfertigt m. E. die stärkere Einschränkung auf das Recht des Staates der gemeinsamen Staatsangehörigkeit.
d) Wahl der lex fori (Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO) Als letzte Alternative ermöglicht Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO die Wahl des Rechts des „angerufenen Gerichts“, d. h. der lex fori. Diese Regel ist für das kontinentaleuropäische IPR eher unüblich und ist als Eingeständnis an jene Mitgliedstaaten zu sehen, die im Familienrecht und insbesonders im Scheidungsrecht dem lex fori-Prinzip des Common Law folgen (letztendlich aber nicht an der Verstärkten Zusammenarbeit teilgenommen haben). Im Rahmen der objektiven Anknüpfung kommt die lex fori gemäß Art. 8 lit. d nur als letzte Alternative zum Zug, wenn die anderen Anknüpfungstatbestände nicht greifen. Der wesentliche Vorteil der Wahl der lex fori ist die Herstellung eines Gleichlaufs zwischen dem Scheidungsstatut und der in der Brüssel IIa-VO geregelten Zuständigkeit, sodass der Richter sein eigenes Recht anwendet.343 Aus dem Wortlaut der deutschen Formulierung („Wahl des Rechts des angerufenen Gerichts“) könnte abgeleitet werden, dass die lex fori erst nach erfolgter Anrufung des Gerichts gewählt werden kann.344 Andere Sprachfassungen345 sind hingegen nicht derart beschränkt formuliert.346 Die Wortinterpretation liefert wegen der unterschiedlichen Übersetzungen somit kein eindeutiges Ergebnis. Aus der Systematik des Art. 5 ergibt sich aber, dass auch vor Verfahrenseinleitung die lex fori-Wahl möglich ist: Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Rom III‑VO regeln, dass eine RW „jederzeit“ und nach Maßgabe des nationalen Verfahrensrechts auch noch im laufenden Verfahren getroffen werden kann. Die beiden Absätze beziehen sich ohne Differenzierung auf den gesamten Abs. 1. Um
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Siehe etwa Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 38; Gruber, IPRax 2012, 385. Näher dazu unten § 3 B. IV. 1. 342 Vgl. Franzina, The law applicable to divorce and legal separation under Regulation (EU) No 1259/2010 of 20 december 2010, Cuadernos de Derecho Transnacional 2011, 85 (99 Fn. 64); Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 164. Siehe auch die Ausführungen zum Unterhaltsrecht oben § 3 A. II. 1. b) und c). 343 Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 23. 344 Zur Fragestellung siehe Gruber, IPRax 2012, 386. 345 Vgl. z. B. „law of the forum“, „loi du for“ und „legge del foro“. 346 Vgl. Basedow, Das internationale Scheidungsrecht der EU, in: FS Posch (2011), S. 17 (S. 22); Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 49.
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keine Normwidersprüche zu erzeugen, ist diese Regelung genauso auf Art. 5 Abs. 1 lit. d anzuwenden.347 Kann die lex fori somit vor Verfahrenseinleitung gewählt werden, stellt sich die Frage, ob die Parteien auch eine „offene“ Wahl ohne nähere Bestimmung der gewählten Rechtsordnung treffen und diese in späterer Folge durch Einbringen des Scheidungs- oder Trennungsbegehrens in einem bestimmten Staat als lex fori konkretisieren können („floating choice of law“348). Einer Ansicht nach ist diese Art der RW zulässig349: Die Ehegatten könnten statt einer starren Wahl eine flexible RW im Hinblick auf zukünftige Änderungen ihres Lebensmittelpunktes treffen.350 In der Tat ist oft nicht voraussehbar, wo der zukünftige Lebensmittelpunkt sein wird, sodass eine genaue Planbarkeit nicht immer möglich ist. Der offene Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO spricht grundsätzlich nicht gegen eine solche RW. Meines Erachtens stehen dieser RW aber die Grundwertungen und Regelungsziele der Rom III‑VO entgegen. Insbesonders die Erwägungsgründe 15, 17 und 18 Rom III‑VO, die eine „informierte“ Wahlentscheidung der Ehegatten postulieren und damit als Zielorientierung des Gesetzgebers bei der Verordnungsauslegung zu beachten sind,351 schränken die Zulässigkeit einer völlig offenen Wahl ein.352 Der Ausschluss einer floating choice of law entspricht auch der vorherrschenden Ansicht im Rahmen von Art. 7 f. HUP,353 der zwar kein Unionsrechtsakt ist,354 aber vergleichbare familienrechtliche Interessenslagen betrifft und im Vergleich berücksichtigt werden kann.355 Die mit einer offenen Wahl verbundenen Unsicherheiten sind zudem nicht mit den primären Zielsetzungen der VO – die Schaffung von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts – vereinbar. 347
Gruber, IPRax 2012, 386; Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 169. Zum Begriff siehe Siehr, in: FS Keller, S. 500. 349 Basedow, in: FS Posch, S. 23; ders., Comments on the Rome III Regulation, in: FS Pintens (2012), S. 135 (S. 142 f.); Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 27; Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 169 ff.; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 49 ff. m. w. N. 350 Basedow, in: FS Posch, S. 23; ders., in: FS Pintens, S. 142 f. 351 Vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5 (2016) Art. 19 EUV Rn. 16 m. w. N. 352 Ebenso Helms, FamRZ 2011, 1767 f.; Gruber, IPRax 2012, 386; Mörsdorf-Schulte, Europäisches Internationales Scheidungsrecht (Rom III), RabelsZ 77 (2013), 786 (814); Rösler, Rechtswahlfreiheit im Internationalen Scheidungsrecht der Rom III‑Verordnung, RabelsZ 78 (2014), 155 (169); Schall/J. Weber, Die vorsorgende Wahl des Scheidungsstatuts nach der Rom III‑VO, IPRax 2014, 381 (384); Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 41; Thorn, in: Palandt, BGB77 (2018) Art. 5 Rom III Rn. 5; a. A. Hilbig-Lugani, in: NK‑ BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 49a f.: Die Erwägungsgründe seien nur „Lippenbekenntnisse“; ähnlich Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 26. 353 Siehe oben § 3 A. IV. 2. c). 354 Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 49b misst dem HUP daher keine tragende Bedeutung zu. 355 So auch Helms, FamRZ 2011, 1768 Fn. 28; Gruber, IPRax 2012, 386. 348
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Auch ist zu berücksichtigen, dass Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO als Ergänzung zur Prorogationsmöglichkeit im gescheiterten Reformvorschlag aus 2006 gedacht war,356 wodurch eine vorsorgliche RW an die prorogierte Zuständigkeit zu koppeln und die lex fori vorab eindeutig zu bestimmen gewesen wäre.357 Da diese Konkretisierungsmöglichkeit einer ex ante-Wahl de lege lata ausscheidet, ist eine Eingrenzung auf andere Weise zu erzielen: Eine vorsorgend getroffene RW ist m. E. nach Art. 5 Abs. 1 lit. d durch die Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 zwar zulässig, muss aber ein Bestimmtheitserfordernis erfüllen. Sie muss entweder auf eine konkrete Rechtsordnung oder auf die Durchführung eines Verfahrens in einem bestimmten Staat Bezug nehmen.358 Bei tatsächlicher Anrufung des entsprechenden Gerichts entfaltet die vorzeitige Wahl dann ihre Wirksamkeit.359
e) Abschlusszeitpunkt der Rechtswahl Der mögliche Zeitpunkt für den Abschluss einer RW wird zum einen verordnungsautonom, zum anderen durch Verweis auf nationales Recht geregelt.360 Art. 5 Abs. 2 Rom III‑VO stellt zunächst verordnungsautonome Grenzen für den Rechtswahlzeitpunkt auf. Demnach kann eine RW „jederzeit, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts“ geschlossen oder geändert werden. Eine Relativierung dieser Grenze erfolgt durch Art. 5 Abs. 3 Rom III‑ VO: Eine RW ist während des Verfahrens nach Maßgabe der lex fori zulässig.361 Für den spätesten Abschlusszeitpunkt der RW wird somit auf nationales Recht abgestellt. Bedeutsam ist diese Regelung etwa dann, wenn Ehegatten von der Anwendbarkeit ihres Heimatrechts ausgingen und erst im Verfahren auf die entsprechende Rechtswahlmöglichkeit hingewiesen werden, oder in Fällen, in denen sich erst im Verfahren herausstellt, dass ausländisches Recht anzuwenden ist und die Parteien sich daher auf die lex fori einigen wollen.362 Es ist auch möglich, dass die Ehegatten erst im Verfahren das objektiv anzuwendende Recht als für sie ungünstig feststellen und daher mittels RW auf ein günstige-
356 Helms, FamRZ 2011, 1767 Fn. 27; 357 Vgl. Hau, in: FS Stürner, S. 1242. 358
Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 167.
Helms, FamRZ 2011, 1767 f.; Gruber, IPRax 2012, 386; Andrae, Internationales Familienrecht33 § 4 Rn. 16; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 41. 359 Gruber, IPRax 2012, 386. 360 Siehe ErwGr. 20 Rom III‑VO. 361 So kann etwa in Deutschland gemäß Art. 46d Abs. 2 EGBGB eine RW bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz abgeschlossen bzw. geändert werden, ebenso in Österreich nach wohl h. M. zu § 11 Abs. 2 IPRG (siehe Verschraegen, in: Rummel, ABGB3 (2004) § 11 IPRG Rn. 5). In Italien ist nach der Rspr. eine RW im Verfahren solange zulässig, als die Ehegatten noch Änderungen zum Scheidungs- bzw. Trennungsantrag vornehmen können; siehe Viarengo, in: Bariatti u. a., S. 399 ff. 362 Dethloff, in: FS Martiny, S. 51.
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res, wählbares Recht „ausweichen“ möchten.363 In der Tat hat sich Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO bislang als sehr praxisrelevant erwiesen,364 sodass die Beschränkung des Art. 5 Abs. 2 durchaus zu bemängeln ist. Neben Art. 5 Abs. 2 Rom III‑VO deuten auch Art. 5 Abs. 1 lit. a–d auf mögliche Zeitpunkte der durch sie zulässigen RW hin. Lit. a (gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten) und lit. c (Staatsangehörigkeit eines der Ehegatten) werden sinnvollerweise sowohl als vorsorgende RW als auch als RW im Verfahren zum Tragen kommen. Bei lit. b sind bei Abstellen auf den Wortlaut auch beide Zeitpunkte denkbar, doch scheint lit. b eher als RW im laufenden Verfahren relevant zu sein, weil die Ehegatten in diesem Fall ihre Wahl retrospektiv – zu ihrem letzten gewöhnlichen Aufenthalt – anknüpfen.365
3. Vergleich zwischen Art. 5 Rom III‑VO und Art. 3 Brüssel IIa-VO Die Rom III‑VO bildet im System des EU‑IPR/-IZVR das kollisionsrechtliche Pendant zur Brüssel IIa-VO. Es ist daher zu untersuchen, wie gelungen das Zusammenspiel366 zwischen den hier besprochenen Rechtswahl- und Zuständigkeitsnormen der beiden VO ist. Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III‑VO und Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. Str. Brüssel IIa-VO (gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten) sowie Art. 5 Abs. 1 lit. b Rom III‑ VO und Art. 3 Abs. 1 lit. a 2. Str. Brüssel IIa-VO (früherer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten bei Beibehaltung durch einen Ehegatten) sind sowohl aus systematischer als auch inhaltlicher Sicht kongruent: Sie knüpfen an denselben Tatbestand an und stehen in der betreffenden Norm jeweils an erster bzw. zweiter Stelle. Weder bei Art. 3 Brüssel IIa-VO noch bei Art. 5 Rom III‑VO besteht eine Rangordnung zwischen den einzelnen Gerichtsständen bzw. Rechtsordnungen. Art. 3 Abs. 1 lit. a 3. Str. Brüssel IIa-VO (gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners), lit. a 4. Str. (gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten bei gemeinsamer Antragstellung), lit. a 5. Str. (mindestens einjähriger gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers) und lit. a 6. Str. (mindestens sechsmonatiger gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers, der zugleich Staatsangehöriger des Forumstaates ist) haben in der Rom III‑VO hingegen kein kollisionsrechtliches Gegenüber. Zum einen handelt es sich bei diesen Gerichtsständen um zuständigkeitsspezifische Tatbestände (insbesonders der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners als der klassische forum rei); zum anderen zeigt sich daran – 363
C. Kohler, L’autonomie de la volonté 199; Dethloff, in: FS Martiny, S. 51. Siehe zur italienischen Rspr. Viarengo, in: Bariatti u. a., S. 399 ff.; zur deutschen Rspr. Winkler von Mohrenfels, Die Rom III- und Brüssel IIa-Verordnungen in der deutschen Rechtspraxis, ZVglRWiss 115 (2016), 650 (652 ff.). 365 Basedow, in: FS Posch, S. 22. 366 Vgl. ErwGr. 10 Rom III‑VO: „[…] die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 2202/2003 im Einklang stehen. […]“. 364
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
vor allem in Bezug auf den gewöhnlichen Aufenthalt – wie opulent Art. 3 Brüssel IIa-VO im Unterschied zu Art. 5 Rom III‑VO ist.367 Nach Art. 5 Rom III‑VO können die Ehegatten nicht das Recht des Staates wählen, in dem nur einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; angeknüpft wird in Abs. 1 lit. a und lit. b Rom III‑VO an den gewöhnlichen Aufenthalt beider Ehegatten, während Art. 3 Brüssel IIa-VO auch nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten – vor allem des antragstellenden Ehegatten – abstellt. Im Vergleich zu Art. 3 Abs. 1 lit. a 4. Str. Brüssel IIa-VO, der es den Ehegatten ermöglicht, durch „gemeinsame Antragstellung“ die Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt nur eines Ehegatten zu begründen, ist die Rom III‑VO restriktiver. Hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass in Art. 3 Abs. 1 lit. a 4. Str. Brüssel IIa-VO zuständigkeitsrechtliche Prinzipien verwirklicht sind, die für das IPR keine Rolle spielen.368 Es ist aber dennoch verwunderlich, dass die dezidiert auf die Stärkung der Parteiautonomie abzielende Rom III‑VO selbst bei einer RW, d. h. bei einer Vereinbarung der Parteien, nicht die Möglichkeit eröffnet, für das anzuwendende Recht am einseitigen gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen. Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit ist die Rom III‑VO bei der subjektiven Anknüpfung großzügiger369: Art. 5 Abs. 1 lit. c ermöglicht die Wahl des Heimatstaates eines Ehegatten, während Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO nur auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit abstellt.370 Der Zweck dahinter ist, dass der Antragsteller bei seiner einseitigen Gerichtsstandswahl nur auf einen „gemeinsamen“ Tatbestand abstellen soll. Diese Überlegung spiegelt sich auch bei der objektiven Anknüpfung nach Art. 8 lit. d Rom III‑VO wider.371 Bei den übrigen Gerichtsständen des Art. 3 Brüssel IIa-VO spielt die Staatsangehörigkeit als einseitiger Anknüpfungspunkt nicht alleine, sondern nur als Qualifizierung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Rolle (lit. a 6. Str).372 Dabei handelt es sich um die Staatsangehörigkeit des Antragstellers; die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners spielt für die Zuständigkeitsbegründung gar keine Rolle.373 Das Zusammenspiel zwischen den Kollisionsregeln der Rom III‑VO und den Zuständigkeitsnormen der Brüssel IIa-VO zeigt sich vor allem bei der Wahl 367 Vgl.
Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 157. bei diesem Gerichtsstand wird dem Grundsatz „actor sequitur forum rei“ Rechnung getragen: Da aufgrund der gemeinsamen Antragstellung nicht auf den Antragsgegner wie in Art. 3 Abs. 1 lit. a 3. Str. Brüssel IIa-VO abgestellt werden kann, wird hier am gewöhnlichen Aufenthalt einer der Parteien angeknüpft. Krit. zu dieser Differenzierung aber Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 35. 369 Vgl. Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 157; ders., JPIL 12 (2016), 471 f. 370 Siehe bereits Henrich, Zur Parteiautonomie im europäisierten internationalen Familienrecht, in: FS Pintens (2012), S. 701 (S. 706 f.). 371 Siehe oben § 3 B. II. 2. c). 372 Hau, FamRZ 2000, 1335. 373 Hau, FamRZ 2000, 1335. 368 Auch
B. Rom III‑Verordnung und Brüssel IIa-Verordnung
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der lex fori gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO, die in Kombination mit Art. 3 Brüssel IIa-VO zu einem Gleichlauf zwischen forum und ius führt. Zudem entspricht – wie soeben aufgezeigt – der gesamte Art. 5 Abs. 1 Rom III‑VO inhaltlich großteils den Zuständigkeitsregeln des Art. 3 Brüssel IIa-VO, sodass die Parteien bei Bedarf nicht nur bei einer Wahl der lex fori einen Gleichlauf erzielen können. Die Wahl der lex fori eröffnet einen relativ weiten kollisionsrechtlichen Gestaltungspielraum: Durch das Klägerwahlrecht in Art. 3 Brüssel IIa-VO kann der Kläger bzw. Antragsteller über die Gerichtsanrufung auch auf das anzuwendende Recht Einfluss nehmen. Damit dehnen sich erstens die im Zusammenhang mit Art. 3 Brüssel IIa-VO geäußerten Bedenken auf die Ebene der RW aus.374 Zweitens können durch diese zuständigkeitsrechtliche Hintertür mehr Rechtsordnungen gewählt werden, als Art. 5 Rom III‑VO auf den ersten Blick zur Verfügung stellen scheint: Art. 5 stellt überwiegend – mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten in Art. 5 Abs. 1 lit. c – auf gemeinsame Anknüpfungspunkte ab;375 kein Ehegatte wird unmittelbar bevorzugt.376 In Art. 3 Brüssel IIa-VO hingegen wird der antragstellende bzw. scheidungswillige Ehegatte durch das Klägerwahlrecht und die oft einseitigen Anknüpfungspunkte begünstigt.377 Daraus können Manipulationsmöglichkeiten und eine Benachteiligung des Beklagten resultieren, insbesondere wenn dieser in einem Staat gerichtspflichtig wird, zu dem er keinerlei Bezug hat.378 In Summe wurden die in Art. 5 Rom III‑VO wählbaren Rechtsordnungen positiv aufgenommen.379 Art. 3 Brüssel IIa-VO hingegen wird in Lehre und Rspr. aus den dargestellten Gründen kritisiert. Der wünschenswerte Einklang zwischen den beiden VO ist im Hinblick auf die unterschiedliche Stellung der Parteiautonomie sowie den divergierenden räumlichen Anwendungsbereichen nicht realisiert. Trotz der relativ weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung zwischen Art. 3 Brüssel IIa-VO und Art. 5 Rom III‑VO kann es wegen des Fehlens einer Prorogationsmöglichkeit bei Vorliegen einer RW zu einem Auseinanderfallen von forum und ius kommen.380 Eine nach Art. 5 Rom III‑VO getroffene RW könnte im Verfahren vor einem Mitgliedstaat, der nicht an der VO 374 Vgl.
Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 39. Vgl. ErwGr. 16 Rom III‑VO: „[…] Die Ehegatten sollten […] das Recht eines Landes wählen können, zu dem sie einen besonderen Bezug haben, […]“ (eigene Hervorhebungen). 376 Vgl. ErwGr. 18 Rom III‑VO: „[…] und die Chancengleichheit der beiden Ehegatten dürfen durch die Möglichkeit einer einvernehmlichen Rechtswahl nicht beeinträchtigt werden […]“ (eigene Hervorhebungen). 377 Siehe nur C. Kohler, FamRZ 2008, 1680; Rösler, RabelsZ 78 (2014), 172. 378 Vgl. Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 151 m. w. N.; Gottwald, in: MüKommFamFG2 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 19. 379 Siehe Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 3 m. w. N. 380 Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 157; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 5. 375
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
teilgenommen hat, nicht anerkannt werden und damit ins Leere gehen.381 Um dies zu vermeiden, sollten die Parteien bei einer vorzeitigen RW genau eruieren, welche Gerichte für das Scheidungs- oder Trennungsverfahren zuständig werden bzw. in welchem Staat sie einen entsprechenden Antrag einbringen.382
III. Formelle Gültigkeit der Rechtswahl 1. Rechtswahl vor Gerichtsanrufung Art. 7 Rom III‑VO regelt für eine vor Gerichtsanrufung getroffene RW deren formelle Gültigkeit und kombiniert dabei verordnungsautonome und nationale Formvorschriften. Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO verlangt zunächst als verordnungsautonome Mindestvoraussetzungen383 die Schriftform, die Datierung sowie die Unterzeichnung durch beide Parteien. Die Schriftform erfüllen gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Rom III‑VO auch elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen. Das Erfordernis der Datierung und Unterzeichnung384 der RW kann hingegen nicht ersetzt werden. Bei Nichteinhaltung der Formerfordernisse ist die RW unwirksam und das objektiv angeknüpfte Scheidungsstatut ist anzuwenden. Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO wird als unzureichend kritisiert,385 weil diese Mindestanforderungen einem relativ niedrigen Formniveau entsprechen und primär nur der Nachweisbarkeit dienen bzw. nur eine sehr geringe Warnfunktion erfüllen können.386 Ein darüber hinausgehender Schutz wird von der VO selbst nicht direkt vorgegeben, sondern bleibt den nationalen Gesetzgebern überlassen: Nach Art. 7 Abs. 2–4 Rom III‑VO („Öffnungsklausel“) sind nationale Formvorschriften für Rechtswahlvereinbarungen in Abhängigkeit des gewöhn381 Gruber, IPRax 2012, 384 f.; Henrich, in: FS Pintens, S. 710 f.; Queirolo/Carpaneto, ELF 2014, 32. 382 Gruber, IPRax 2012, 384 f. 383 ErwGr. 19 Satz 3 Rom III‑VO: „Die Vereinbarung über die RW sollte zumindest der Schriftform bedürfen […]“ (eigene Hervorhebung); siehe auch C. Kohler, Le choix de la loi applicable au divorce – Interrogations sur le règlement „Rome III“ de l’Union européenne, in: FS von Hoffmann (2011), S. 208 (S. 213): „conditions minimales autonomes“; Winkler von Mohrenfels, Die Rom III‑VO, ZEuP 2013, 697 (711). 384 Zum Erfordernis der Unterschrift im elektronischen Rechtsvekehr siehe unten § 4 C. I. 1. 385 Siehe Lardeux, Recueil Dalloz 2008, 799; C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 214; Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 46; Hau, FamRZ 2013, 252: „allzu lasche Anforderungen“; Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 27; Rösler, RabelsZ 78 (2014), 169 f.; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 7 Rom III Rn. 11 m. w. N. 386 C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 214; Nitsch, Scheidungsrecht – International: Die Rom III‑VO, ZfRV 2012, 264 (266); Rauscher, Schutzinstrumente bei vorsorgender Rechtswahl nach der Rom III‑Verordnung, in: FS Schütze (2014), S. 463 (S. 465 m. w. N.); Andrae, Zur Form der Rechtswahl für eheliche Beziehungen, in: FS Martiny (2014), S. 3 (S. 13); Dethloff, Denn sie wissen nicht, was sie tun: Parteiautonomie im Internationalen Familienrecht, in: FS Martiny (2014), S. 41 (S. 64); Mayer, in: Althammer, Art. 7 Rom III Rn. 1 und 7.
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lichen Aufenthalts der Ehegatten zu beachten. Gemäß Art. 7 Abs. 2 sind über die Vorgaben des Abs. 1 hinausgehende Formvorschriften zu beachten, die sich aus dem Recht des zum Rechtswahlzeitpunkt gemeinsamen (teilnehmenden) Aufenthaltsstaates der Ehegatten ergeben. Bei unterschiedlichen (teilnehmenden) Aufenthaltsstaaten der Ehegatten genügt die Einhaltung der Formvorschriften eines dieser Staaten (Abs. 3); hat zum Rechtswahlzeitpunkt nur ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem (teilnehmenden) Mitgliedstaat, so sind dessen Formvorschriften zu beachten (Abs. 4). Den Mitgliedstaaten steht es somit frei, restriktivere Formerfordernisse für die RW einzuführen bzw. beizubehalten.387 Zum einen bieten qualifizierte Formvorschriften im Vergleich zur bloßen Schriftlichkeit als Minimalerfordernis eine stärkere Publizität im Rechtsverkehr und haben eine höhere Warnfunktion für die Parteien.388 Insbesonders wenn juristische Beratungspersonen einbezogen werden, wird allgemein ein besserer Schutz für potentiell „schwächere“ oder uninformierte Parteien in qualifizierten Formvoraussetzungen gesehen. Dies bringt auch Erwägungsgrund 19 Satz 2 Rom III‑VO zum Ausdruck: Hinsichtlich der Formgültigkeit der RW sollten „bestimmte Schutzvorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Rechtswahl bewusst sind“. Qualifizierte Formvorschriften können die Informiertheit der Parteien regelmäßig besser sichern als eine bloße Schriftform bzw. regen die vorherige Einholung von Informationen zumindest an.389 Zum anderen können strengere Formerfordernisse, insbesonders wenn sie mit hohen Kosten verbunden sind, für die Parteien eine Hürde darstellen und diese davon abhalten, eine RW zu treffen.390 Damit würde die Stärkung der Parteiautonomie in Ehesachen als wesentliches Ziel der Rom III‑VO konterkariert werden.391 Zu kritisieren ist jedenfalls die Kombination aus unionsrechtsautonomen und nationalen Formvorschriften in Art. 7 Rom III‑VO: Die fragmentierte Verweisungsregel in Abs. 2–4 sorgt bei mehreren einschlägigen Foren für Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Formgültigkeit.392 Je nach Aufenthaltsstaat der 387 ErwGr. 19 Rom III‑VO nennt als Beispiel den Fall, dass eine im Rahmen eines Ehevertrages getroffene RW der für Eheverträge regelmäßig vorgesehenen qualifizierten Form (z. B. notarielle Beurkundung) unterliegt. 388 Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 46; Mayer, in: Althammer, Art. 7 Rom III Rn. 1. 389 Vgl. Flessner, Interessenjurisprudenz 110. 390 Nitsch, ZfRV 2012, 266; Helms, Neues Europäisches Familienkollisionsrecht, in: FS Pintens (2012), S. 681 (S. 692); ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 Rom III‑VO Rn. 24. 391 Bittmann, Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, in: M. Weller (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2016), S. 241 (S. 263, Rn. 469); vgl. auch Andrae, in: FS Martiny, S. 16 zu Art. 46d Abs. 1 EGBGB. 392 Krit. Andrae, FPR 2010, 506; Hau, FamRZ 2013, 252: „reichlich kompliziert und
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Ehegatten können unterschiedliche Wirksamkeitsmaßstäbe gelten. Dies ist aus Sicht der Rechtsanwendung schwer nachvollziehbar. Paradoxerweise haben die Mitgliedstaaten393 von der Möglichkeit der Einführung strengerer Formvorschriften bisher kaum Gebrauch gemacht,394 obwohl die Öffnungsklausel gerade auf Einwirken der Mitgliedstaaten hin eingeführt wurde.395 Letztlich ist auch nicht gesichert, dass stets die strengere Formvorschrift greift: Wenn die Ehegatten getrennt leben und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen teilnehmenden Mitgliedstaaten haben, genügt gemäß Art. 7 Abs. 3 Rom III‑VO die Einhaltung der geringeren Form.396 In Summe ist die Öffnungsklausel mit bedeutenden Unsicherheiten und Nachteilen für die Praxis verbunden. Die als Regelungsziel der VO postulierte Rechtssicherheit und Berechenbarkeit sowie die Vereinheitlichung der nationalen Kollisionsnormen werden im Rahmen der RW daher nur bedingt erreicht.397 Hinsichtlich der Form einer Änderung oder einer Aufhebung der RW enthält der Wortlaut des Art. 7 Rom III‑VO keine Angaben. Zur Schließung dieser Regelungslücke ist eine verordnungsautonome Lösung zu bevorzugen.398 Gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III‑VO kann eine RW zu jeder Zeit, spätestens bei Gerichtsanrufung „geschlossen oder geändert werden“. Die Zulässigkeit einer Änderung oder Aufhebung einer RW regelt die VO mithin selbst. Die RW hat daher durch Abschluss einer neuen Vereinbarung gemäß Art. 5 ff. Rom III‑VO zu erfolgen, für die dementsprechend auch die Formvorgaben des Art. 7 einzuhalten sind.399
2. Rechtswahl nach Gerichtsanrufung Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO bezieht sich explizit nur auf „die Rechtswahlvereinbarung nach Artikel 5 Absätze 1 und 2“. Eine nach Maßgabe der lex fori im Laufe des Verfahrens getroffene RW (Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO) unterliegt daher weder den Mindestanforderungen des Art. 7 Rom III‑VO noch strengesachlich fragwürdig“; Queirolo/Carpaneto, ELF 2014, 33: „clearly lacks uniformity […] and predictability“. 393 In Deutschland wurde in Art. 46d Abs. 1 EGBGB die notarielle Beurkundung der RW eingeführt; anders hingegen in Italien, wo keine qualifizierte Form normiert wurde und nach der Rspr. die einfache Schriftform genügt; siehe Viarengo, in: Bariatti u. a., S. 402 m. w. N. zur Rspr. 394 Dies ist – wie Andrae (in: FS Martiny, S. 4) anmerkt – darauf zurückzuführen, dass die meisten teilnehmenden Mitgliedstaaten bisher keine Rechtswahlmöglichkeit kannten; vgl. oben § 3 B. II. 2. a). 395 Art. 20a Abs. 2 des Kommissionsvorschlages normierte abschließend nur die Schriftform und die Unterzeichnung der RW; siehe KOM(2006) 399 endg. 17. 396 Rauscher, in: FS Schütze, S. 466. 397 Vgl. Franzina, Cuadernos de Derecho Transnacional 2011, 114 f. 398 Vgl. zur Lückenschließung im EU‑IPR Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts (2012) 93. 399 Mayer, in: Althammer, Art. 7 Rom III Rn. 1; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 46.
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ren nationalen Formerfordernissen,400 sondern ist nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 vom Gericht gemäß den eigenen Verfahrensregeln zu Protokoll zu nehmen.401 Auch hier besteht die Formregelung somit aus einer verordnungsautonomen Entscheidungsnorm (Gerichtsprotokoll) und einer zusätzlichen Verweisungsnorm (konkrete Ausgestaltung der Protokollierung nach der lex fori).402
IV. Materielle Gültigkeit der Rechtswahl 1. Materielle Gültigkeit und anzuwendendes Recht (Art. 6 Rom III‑VO) Art. 5 Rom III‑VO verlangt, dass die Ehegatten durch Vereinbarung403 das anzuwendende Recht bestimmen. Damit wird – wie in Art. 4 UntVO und Art. 25 EuGVVO n. F. zur GV – ein verordnungsautonomes Kriterium der Willenseinigung normiert, sodass auf die entsprechenden Ausführungen zu diesen VO zu verweisen ist.404 Weitere verordnungsautonome Voraussetzungen für das Zustandekommen oder die materielle Wirksamkeit enthält Art. 5 Rom III‑VO nicht.405 Stattdessen unterstellt Art. 6 Rom III‑VO – wie die beinahe wortgleiche Verweisungsnorm des Art. 10 Rom I‑VO406 – das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung dem Recht, welches bei Wirksamkeit der RW anzuwenden wäre, d. h. dem gewählten Scheidungsstatut.407 Dieses Recht regelt die Beurteilung von Willensmängeln sowie von praktisch kaum denkbaren Fällen der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit der RW.408 Auch die Zulässigkeit einer Stellvertretung für den Abschluss der RW unterliegt nach Art. 6 Abs. 1 Rom III‑VO dem gewählten Recht;409 andere Fragen der Stellvertretung sind selbstständig nach den Kollisionsregeln der lex fori
400 Helms, FamRZ 2011, 1769; ihm folgend Andrae, in: FS Martiny, S. 20 f.; Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 178; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 7 Rom III Rn. 12. 401 Siehe auch ErwGr. 20 Satz 2 Rom III‑VO: „In diesem Fall sollte es genügen, wenn die Rechtswahl vom Gericht im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll genommen wird“. 402 Andrae, in: FS Martiny, S. 20 oben; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 7 Rom III Rn. 2. 403 Vgl. „designare di comune accordo“, „peuvent convenir de désigner“ und „may agree to designate“. 404 Siehe oben § 3 A. IV. 1. 405 Vgl. Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 6 Rom III Rn. 7 m. w. N. 406 Zu den Unterschieden zwischen Art. 6 Rom III‑VO und Art. 10 Rom I‑VO siehe Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft (2016) 82 f. 407 Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 6 Rom III Rn. 1; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 83 zieht die Formulierung „das Recht, für das der Anschein der Rechtswahl besteht“ vor. 408 Mayer, in: Althammer, Art. 6 Rom III Rn. 3; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 6 Rom III‑VO Rn. 6 f. 409 Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 Rom III‑VO Rn. 8 m. w. N.; a. A. Andrae, FPR 2010, 506 und Winkler von Mohrenfels, in: MüKommBGB7 Art. 7 Rom III Rn. 3, wonach eine Stellvertretung unzulässig sei.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
anzuknüpfen.410 Ausgenommen sind auch die Rechts-, Handlungs- und Geschäftsfähigkeit; zwar nimmt Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom III‑VO nur die ersten beiden explizit vom Anwendungsbereich der VO aus, doch handelt es sich bei der Nichterwähnung der Geschäftsfähigkeit um einen Übersetzungsfehler der deutschen Sprachfassung,411 sodass auch die Geschäftsfähigkeit vom Ausnahmetatbestand erfasst und selbstständig anzuknüpfen ist.412 Davon werden auch besondere Formen der Geschäftsfähigkeit erfasst, die gegebenenfalls für eine scheidungsrechtliche RW zu beachten sind.413 Ergänzt wird dieser Verweis auf das gewählte Recht durch die Sonderanknüpfung des Art. 6 Abs. 2 Rom III‑VO. Demnach kann sich ein Ehegatte auf das Recht seines Aufenthaltsstaates im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung berufen, um einzuwenden, dass sein Verhalten – anders als nach dem gewählten Recht – nicht als Zustimmung zur RW gewertet werden kann. Dabei handelt es sich um die Übernahme des Art. 10 Abs. 2 Rom I‑VO, der als typischen Anwendungsfall die stillschweigende Einbeziehung von AGB (z. B. in Form des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben) vor Augen hat. Diese auf den vertragsrechtlichen Rechtsverkehr zugeschnittene Regelung ist für das Familienrecht unpassend, weil hier AGB naturgemäß keine Rolle spielen. Die praktische Relevanz des Art. 6 Abs. 2 Rom III‑VO wird daher von einigen Autoren zu Recht in Frage gestellt.414 Entsprechend der Auslegung des Art. 10 Abs. 2 Rom I‑VO hat diese Einwendung nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich: Sie bezieht sich auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Willenserklärung einer Partei.415 Diese liegt bei Einhaltung der Formvoraussetzungen des Art. 7 Rom III‑VO – insbesonders bei der Unterschrift, die ein Schweigen als Zustimmung ausschließt – in aller Regel vor.416 Ein denkbarer Anwen-
410 Mansel, in: Leible/Unberath 278; Arnold, in: Althammer, Art. 1 Rom III Rn. 16; siehe auch ErwGr. 10 Rom III‑VO. 411 Siehe Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 148 f. im Vergleich zu Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom I‑VO; vgl. auch Art. 1 Abs. 2 lit. a EheGüVO bzw. PaGüVO, der alle drei rechtlichen Fähigkeiten erwähnt. 412 Vgl. Traar, ÖJZ 2011, 811. 413 Siehe Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 150 in Bezug auf ErwGr. 10 Rom III‑VO, wonach der Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom III‑VO auch „mögliche Nebenaspekte“ der genannten Fähigkeiten umfasst. 414 Basedow, in: FS Pintens, S. 143: „less reasonable (but harmless)“; Andrae, Internationales Familienrecht33 § 4 Rn. 22; Mayer, in: Althammer, Art. 6 Rom III Rn. 6; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 6 Rom III Rn. 2; einen Anwendungsbereich sehend Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 77 (2013), 819 (allerdings krit. zum Anknüpfungspunkt). 415 Mayer, in: Althammer, Art. 6 Rom III Rn. 5; Freitag, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 10 Rom I‑VO Rn. 14 m. w. N. 416 C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 215; Gruber, IPRax 2012, 387; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 6 Rom III‑VO Rn. 14; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 6 Rom III Rn. 2.
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dungsbereich des Art. 6 Abs. 2 Rom III‑VO bliebe allenfalls im Zusammenhang mit einer konkludenten RW,417 auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
2. Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswah? Ob die Rom III‑VO nur eine ausdrückliche RW gestattet oder ob eine RW auch konkludent zustande kommen kann, gilt als umstritten.418 Diese Frage ist jedenfalls verordnungsautonom und nicht nach dem gewählten419 Recht zu beurteilen,420 um die einheitliche Auslegung der VO zu wahren. Eine ausdrückliche RW wird in Art. 5 ff. Rom III‑VO nicht explizit verlangt. Zum anderen ist dem Wortlaut dieser Bestimmungen – anders als in anderen EU‑VO421 – kein Hinweis auf die Möglichkeit einer konkludenten RW zu entnehmen.422 E contrario eine konkludente RW auszuschließen423 ist ein vorschneller Schluss: Regelmäßig werden bestimmte Fragen in den EU‑VO aus Zeitmangel in den Verhandlungen424 oder aus mangelndem Bewusstsein dieser Fragestellung bzw. aus Versehen425 nicht thematisiert, sodass nicht automatisch von einer durchdachten Entscheidung des Unionsgesetzgebers ausgegangen werden kann. Vielmehr spricht die Ausgestaltung der Rechtswahlregelungen der Rom III‑VO nicht a priori gegen die Zulässigkeit einer konkludenten RW. Eine solche wird durch die Schriftform, die die Rom III‑VO als Mindestvorgabe für die vor Gerichts417 Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 6 Rom III‑VO EuIPR4 Art. 6 Rom III‑VO Rn. 14. 418 Dafür Gruber, IPRax 2012, 387 Fn. 83; Andrae,
Rn. 10; Helms, in: Rauscher, EuZPR/
in: FS Martiny, S. 11; Ganz, in: Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein Kap. 15 Rn. 80; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 143 ff.; dagegen C. Kohler, in: FS Hoffmann, S. 215 Fn. 29; Pfütze, Die Inhaltskontrolle von Rechtswahlvereinbarungen im Rahmen der Verordnungen ROM I bis III, ZEuS 2011, 35 (52); Mayer, in: Althammer, Art. 7 Rom III Rn. 5 m. w. N.; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 64 m. w. N.; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 6 Rom III Rn. 2. 419 So aber die im österreichischen Schrifttum vertretene Ansicht; siehe Traar, ÖJZ 2011, 811; Nitsch, ZfRV 2012, 266; Rudolf, Europäisches Kollisionsrecht für Ehescheidungen – Rom III‑VO, EF‑Z 2012, 101 (104); Verschraegen, Internationales Privatrecht (2012) Rn. 130. 420 Helms, Konkludente Wahl des auf die Ehescheidung anwendbaren Rechts?, IPRax 2014, 334 (334); Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 11. 421 Art. 3 Abs. 1 Rom I‑VO, Art. 14 Abs. 1 Rom II‑VO, Art. 22 Abs. 2 ErbVO; zur ErbVO siehe unten § 3 D. IV. 1. c). 422 Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 180 f. 423 So die überwiegende Ansicht; siehe nur C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 215; Mayer, in: Althammer, Art. 7 Rom III Rn. 5 m. w. N.; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 64. 424 Vgl. etwa zur Rom I‑VO Lando/Nielsen, Common Market Law Review 2008, 1693 (betreffend den Ausnahmetatbestand der Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen) und zur Reform der EuGVVO Symeonides, Choice of Law (2016) 447 (betreffend die Kollisionsnorm für die materielle Gültigkeit der GV). 425 Vgl. zur ErbVO Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 159 (in Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich der GV).
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
anrufung getroffene RW regelt, nicht ausgeschlossen426: Es ist denkbar, dass die Ehegatten in einer schriftlichen Vereinbarung schlüssig eine Rechtsordnung bestimmen und damit auch das Kriterium der Schriftform erfüllt ist.427 Qualifizierte Formerfordernisse werden zwar einer konkludenten RW regelmäßig kaum Raum lassen, etwa wenn ein Notar die RW im Rahmen eines Ehevertrages beurkundet. Das ist aber nicht mit der Unzulässigkeit einer konkludenten RW gleichzusetzen. Ob eine solche ausgeschlossen wird oder ob für sie nur ein geringer Anwendungsbereich besteht, ist getrennt zu beurteilen. Eine konkludente Wahl des Scheidungsrechts ist in der Rom III‑VO mithin nicht ausgeschlossen. Wie bereits zu Art. 8 HUP ausgeführt, muss ein tatsächlicher Rechtswahlwillen vorliegen.428 Fehlt dieser, so liegt gar keine RW vor. Eine GV als Indiz scheidet de lege lata aus, weil die Brüssel IIa-VO derzeit keine GV vorsieht. Ein mögliches Indiz ist aber, dass in einem Ehevertrag z. B. Scheidungsgründe genannt werden, die einer bestimmten Rechtsordnung zugeordnet werden können.429 Dementsprechend kann eine konkludente RW nur als „vorsorgende“ RW vor Verfahrenseinleitung in Frage kommen. Im laufenden Verfahren ist eine konkludente RW ausgeschlossen, weil das Protokollerfordernis in Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO eine ausdrückliche Erklärung fordert.430 Da in vielen Fällen das Scheidungsrecht oft erst im Zuge des Scheidungsverfahrens für die Ehegatten relevant wird, spielt die konkludente RW in der Rom III‑VO vermutlich eine geringe praktische Rolle.
3. „Informierte“ Rechtswahl Dass die Parteien immer wissen, was für sie und ihre Interessen am besten ist, kann freilich nicht allgemein behauptet werden. Welches Bild hat der (EU-) Gesetzgeber vor Augen? Sind es Parteien, die ausreichende Informationen und Rechtsberatung einholen und keine voreiligen Entscheidungen treffen431? Nach Erwägungsgrund 18 der Rom III‑VO ist ein „wesentlicher Grundsatz“ der VO, dass die Ehegatten eine RW „in voller Sachkenntnis treffen“ und sich dabei 426 So aber C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 215; Henrich, Internationales Scheidungsrecht3 Rn. 80; Mayer, in: Althammer, Art. 7 Rom III Rn. 5. 427 Gruber, IPRax 2014, 54. 428 Vgl. zur Rom I‑VO Leible, in: NK‑BGB2 Art. 3 Rom I Rn. 49 m. w. N.; von Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 12. 429 So etwa in OLG Hamm 7.5.2013, II-3 UF 267/12 FamRZ 2014, 349. Diese Entscheidung wurde im Schrifttum teils krit. aufgenommen; siehe Helms, IPRax 2014, 334 f.; Winkler von Mohrenfels, ZVglRWiss 115 (2016), 655; zust. hingegen Ganz, in: Gerhardt/HeintschelHeinegg/Klein Kap. 15 Rn. 80. 430 Andrae, in: FS Martiny, S. 19. 431 Vgl. Martiny, Auf dem Weg zu einem europäischen Internationalen Ehegüterrecht, in: FS Kropholler (2008), S. 373 (S. 380): „Eine sinnvolle Rechtswahl ist freilich ohne ausreichende Information der Parteien kaum denkbar“; Dethloff, in: FS Martiny, S. 64: „Nicht nur die Ausübung der Rechtswahl, sondern auch der Verzicht auf eine solche muss in Kenntnis ihrer Konsequenzen erfolgen“.
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„genau über die rechtlichen und sozialen Folgen der Rechtswahl im Klaren“ sind. Erwägungsgrund 19 Satz 1 und Satz 2 Rom III‑VO erwähnen zudem „die von den Ehegatten in voller Sachkenntnis zu treffende Rechtswahl“ sowie den Umstand, „[…] dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Rechtswahl bewusst sind“. Nach dem Wortlaut scheint sich die geforderte Kenntnis auch auf das materielle Scheidungsrecht zu beziehen (arg. „Sachkenntnis“ und „rechtliche Folgen“ der RW).432 Erwägungsgrund 18 richtet sich insbesonders an die Richter der teilnehmenden Mitgliedstaaten, die wissen sollten, „dass es darauf ankommt, dass die Ehegatten ihre Rechtswahlvereinbarung in voller Kenntnis der Rechtsfolgen schließen“.433 Diese Erwägungen werden in den Verordnungsregeln aber nicht weiter konkretisiert. So wird nicht beantwortet, ob im Konkreten die „volle Sachkenntnis“ zu überprüfen ist und ob ihr Fehlen Konsequenzen für die Gültigkeit der RW hat. Aus den Erwägungsgründen 18 und 19 zur informierten RW sind jedenfalls keine verordnungsautonomen materiellen Wirksamkeitserfordernisse für die RW abzuleiten.434 Diese Erwägungsgründe sind rein deklaratorisch und haben keine den Artikeln der VO entsprechende Normkraft, sondern geben lediglich über die Intentionen des Gesetzgebers Auskunft und dienen als Anhaltspunkte bei der Auslegung der VO.435 Insbesonders kann keine Belehrungspflicht436 der in Erwägungsgrund 19 Rom III‑VO angesprochenen Richter konstruiert werden.437 Dazu kann auch auf Art. 26 EuGVVO n. F. verwiesen werden, der in Verbraucher-, Versicherungs- und Arbeitnehmersachen eine ähnliche Regelung zum Schutz des schwächeren Beklagten enthält. Gemäß Art. 26 Abs. 2 EuGVVO n. F. stellt das Gericht vor Zuständigkeitserklärung kraft rügeloser Einlassung sicher, dass der Beklagte über das Recht zur Geltendmachung der Unzuständigkeit sowie über die Folgen der Einlassung bzw. Nichteinlassung belehrt wird.438 Diese im Verordnungstext normierte Belehrungspflicht439 des 432 Gruber, Rechtswahl in der Rom III‑Verordnung, in: Roth (Hrsg.), Die Wahl ausländischen Rechts im Familien- und Erbrecht (2013), S. 33 (S. 39); Dethloff, in: FS Martiny, S. 56. 433 Siehe ErwGr. 18 Satz 4 Rom III‑VO. 434 Gruber, IPRax 2012, 386 f.; ders., in: Roth, S. 39 f.; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 19; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 6 Rom III Rn. 1; hingegen eine Grundlage der Inhaltskontrolle sehend Becker, Die Vereinheitlichung von Kollisionsnormen im europäischen Familienrecht – Rom III, NJW 2011, 1543 (1545); Rauscher, in: FS Schütze, S. 468. 435 Vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert5 Art. 19 EUV Rn. 16 m. w. N. 436 Im Sinne einer Belehrungspflicht, die über die gewöhnliche Manuduktionspflicht des Richters gegenüber rechtsunkundiger bzw. unvertretener Parteien hinausgeht. 437 Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 476 Fn. 1121; Mayer, in: Althammer, Art. 6 Rom III Rn. 4; Schall/J. Weber, IPRax 2014, 385; a. A. Becker, NJW 2011, 1545. 438 Diese Regelung lässt allerdings viele Fragen offen; siehe näher und krit. Mankowski, Neues beim europäischen Gerichtsstand der rügelosen Einlassung durch Art. 26 Abs. 2 EuGVVO n. F., RIW 2016, 245 (245 ff.); Simotta, Zur Heilung der Unzuständigkeit in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen (Art. 26 EuGVVO), ZVglRWiss 115 (2016), 95 (95 ff.). 439 So die überwiegende Ansicht; vgl. Simotta, ZVglRWiss 115 (2016), 110 m. w. N.
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angerufenen Gerichts spricht auch dafür, aus den schlichten Hinweisen in den Erwägungsgründen 18 und 19 der Rom III‑VO keine Pflicht der Gerichte abzuleiten, die Sachkenntnis der Ehegatten sicherzustellen. Sehr wohl aber betont Erwägungsgrund 18 als Aufruf an die Richter, dass die Parteien auf die Rechtswahlmöglichkeiten hingewiesen werden sollten,440 wie es z. B. die Rspr. in Italien441 wahrnimmt. Zugleich können die Erwägungsgründe 18 und 19 angesichts der Öffnungsklausel in Art. 7 Abs. 2–4 Rom III‑ VO als rechtspolitischer Appell442 an jene Mitgliedstaaten gesehen werden, die qualifizierte Formvoraussetzungen, welche eine Beratung und Informierung der Ehegatten unterstützen, nicht kennen. In den meisten Mitgliedstaaten wird im Zuge des Abschlusses eines Ehevertrages eine neutrale Mittelsperson (Notar oder Anwalt) eingeschaltet, die rechtsberatende Funktionen ausübt und den Ehegatten auch die Tragweite der Entscheidungen bzw. Vereinbarungen bewusst machen soll.443 Eine eigens eingerichtete EU‑Webseite444, die den Ehegatten vor Rechtswahlabschluss den Zugriff auf „aktuelle Informationen über die wesentlichen Aspekte sowohl des innerstaatlichen Rechts als auch des Unionsrechts“ gewähren und ihnen die entsprechenden „sachdienlichen, qualitativ hochwertigen“ Informationen zur Verfügung stellen soll,445 kann nur eine erste Anlaufstelle sein. Die auf Überblicksdarstellungen beschränkten Inhalte können Einzelfragen und Details nicht beantworten und eine Rechtsberatung nicht erübrigen.446
4. Inhaltskontrolle der Rechtswahl Die kollisionsrechtliche Inhaltskontrolle des Art. 8 Abs. 5 HUP findet zwar für die Wahl des Scheidungsrechts Anwendung, wenn dieses gemäß Art. 8 lit. d HUP als Unterhaltsstatut gewählt wurde; im Übrigen kennt die Rom III‑VO 440 Vgl. zur deutschen Rspr. 441 Nach der vom Tribunale
Winkler von Mohrenfels, ZVglRWiss 115 (2016), 652 ff. di Milano begründeten Rspr. müssen ausgehend von ErwGr. 18 Rom III‑VO die Ehegatten über die Rechtswahlmöglichkeit informiert werden; siehe z. B. Tribunale di Milano 11.12.2012 RDIPP 2013, 768; ausführlich dazu Viarengo, in: Bariatti u. a., S. 400. 442 Vgl. Gruber, IPRax 2012, 386: „rechtspolitisches Desiderat“; Hau, in: FS Stürner, S. 1242: „rechtspolitisch beschwichtigende Rhetorik ohne hinreichende interpretatorische Leitfunktion“. 443 Siehe im Überblick Pintens, Formerfordernisse in dem Vorschlag für eine EU‑Verordnung im Bereich des Ehegüterrechts, in: FS Hahne (2012), S. 99 (S. 103). 444 Ursprünglich die Webseite des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen, das mittlerweile in das Europäische Justizportal integriert wurde; siehe zum Scheidungsrecht (abgefragt am 13.9.2018). 445 Siehe ErwGr. 17 Rom III‑VO. 446 Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 17; vgl. zur Brüssel IIa-VO Kruger/ Samyn, JPIL 12 (2016), 145; ausführlich zu Beratungsmöglichkeiten Dethloff, in: FS Martiny, S. 59 ff. und 62 f.
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keine entsprechende Regelung. Die oben erwähnten Erwägungsgründe zur informierten RW – vor allem Erwägungsgrund 18 Rom III‑VO, der an die Richter der teilnehmenden Mitgliedstaaten appelliert – normieren wie ausgeführt keine verordnungsautonome Rechtswahlkontrolle. Allerdings kennt die Rom III‑VO andere Mechanismen: Art. 10 Rom III‑VO sieht statt des gewählten Rechts die Anwendung der lex fori vor, wenn das gewählte Recht keine Scheidung kennt (Abs. 1) oder den Ehegatten keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung gewährt (Abs. 2). Des Weiteren regelt Art. 12 Rom III‑VO einen allgemeinen ordre public-Vorbehalt. Diese Instrumentarien sind zwar nicht speziell auf die RW zugeschnitten, sondern können sowohl bei der objektiven als auch subjektiven Anknüpfung zum Zug kommen.447 Sie stellen aber zweifellos Formen der Kontrolle bzw. Korrektur der RW dar.448 Eine häufig vertretene Auffassung449 will dennoch eine Inhaltskontrolle der RW als Teil der materiellen Wirksamkeit dem gewählten Recht unterstellen und damit innerstaatliche Kontrollmechanismen450 zur Anwendung bringen. Abgesehen davon, dass über Art. 10 und Art. 12 Rom III‑VO hinaus wenig bis kaum Raum für eine Inhaltskontrolle bleibt,451 ist schwerlich denkbar, wie das Ergebnis einer RW – die Anwendung eines bestimmten Rechts – anhand z. B. des Sittenwidrigkeitsmaßstabes452 zu prüfen ist, zumal Art. 5 Rom III‑VO die Zulässigkeit der RW abschließend regelt. Das System der Einbeziehungs-, Gel447
Vgl. ErwGr. 25 Rom III‑VO. Henrich, Internationales Scheidungsrecht3 Rn. 81; krit. zu diesen „doppelten“ Kontrollbestimmungen C. Kohler, L’autonomie de la volonté 197. 449 Mayer, in: Althammer, Art. 6 Rom III Rn. 4; Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug 174; Rösler, RabelsZ 78 (2014), 180 spricht sich sogar für eine „unionsrechtlich verpflichtende“ Inhaltskontrolle aus; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 6 Rom III Rn. 4a; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 6 Rom III‑VO Rn. 9. Zur analogen Frage in der Rom I‑VO siehe Stoll, in: FS Heini, S. 439 f.; Martiny, in: MüKommBGB7 Art. 3 Rom I‑VO Rn. 13 m. w. N. 450 So verfolgt der BGH (zuletzt 29.1.2014, XII ZB 303/13 FamRZ 2014, 629 = NJW 2014, 1101 = DNotZ 2014, 361) auf Grundlage der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts eine relativ weitgehende richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen; vgl. dazu krit. Bergschneider, Ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch zeitgemäß?, in: FS Hahne (2012), S. 113 (S. 113 ff.); siehe im Einzelnen zu den nationalen Kontroll- und Korrekturmöglichkeiten die zahlreichen Länderberichte in Hofer/Schwab/Henrich, From Status to Contract? – Die Bedeutung des Vertrages im europäischen Familienrecht (2005) und in Boele-Woelki/Braat/Sumner-Curry, European Family Law in Action IV: Property Relations between Spouses (2009) 1227 ff. 451 Jayme, Die Kodifikationsidee am Beispiel der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union (2008), S. 63 (S. 72); Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑VO Rn. 62 und Art. 6 Rom III‑ VO Rn. 10 f.; Schall/J. Weber, IPRax 2014, 386 nennen erhebliche Scheidungserschwerungen (z. B. Scheidungsstrafen) als Beispiel für jene Anwendungsfälle, die nicht unter Art. 10 oder Art. 12 Rom III‑VO fallen. 452 Z. B. nach § 138 BGB oder § 879 ABGB; zum italienischen Recht siehe Cubeddu Wiedemann, Privatautonomie versus Inhaltskontrolle, in: FS Pintens (2012), S. 339 (S. 344 f.). 448 Vgl.
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tungs- und Inhaltskontrolle nach deutscher und österreichischer Tradition ist auf vorformulierte bzw. zur mehrfachen Verwendung gedachte Klauseln im Vertragsrecht bzw. in AGB zugeschnitten und für individuelle Rechtswahlvereinbarungen nach der Rom III‑VO jedenfalls unpassend.453 Die wesentlichen Ziele der Rom III‑VO – die Stärkung der Parteiautonomie, die Schaffung von Rechtssicherheit und die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts – würden torpediert werden, wenn es dem nationalen Recht gestattet wäre, eine nach Art. 5 Rom III‑VO zulässige RW für ungültig zu erklären.454 Außerdem würde ein Richter – ganz pragmatisch gesehen – eine inhaltliche Kontrolle der RW wohl dann nicht durchführen, wenn es sich bei dem gewählten Recht um die lex fori handelt,455 weil er ansonsten die Anwendung „seines“ Rechts ablehnen würde. Da die Zuständigkeits- und Kollisionsregeln der Brüssel IIa-VO und der Rom III‑VO weitgehend auf einen Gleichlauf von forum und ius abzielen, würden sich solche Kontrollen der RW folglich in Grenzen halten. Es kann auch nicht auf das objektiv anzuwendende Güterrechtsstatut als Vergleichsmaßstab für eine nachträgliche Korrektur abgestellt werden,456 weil dies einem Günstigkeitsvergleich gleich käme, der in der Rom III‑VO gerade nicht geregelt ist. Der Unionsgesetzgeber hat sich vielmehr für andere Mechanismen (beschränkte Wahlmöglichkeiten und Art. 10 bzw. Art. 12 Rom III‑VO) entschieden, sodass keine Regelungslücke vorliegt, die durch nationales Recht zu schließen wäre.457 Eine nachträgliche Inhaltskontrolle der RW nach dem gewählten Recht ist daher ausgeschlossen.458
V. Zwischenergebnis 1. Die Rechtswahlmöglichkeiten der Rom III‑VO sind im Vergleich zu den früheren Kollisionsrechten der EU‑Mitgliedstaaten weitgehend liberaler und werden auch überwiegend positiv bewertet. Dennoch wird bemängelt, dass sich einige wichtige Fragen nach dem nationalen Recht richten, statt einer einheitlichen verordnungsautonomen Regelung zu unterliegen. Dieser Umstand beschneidet in der Tat die von der VO anvisierte Rechtssicherheit und Vorherseh453 So nimmt § 310 Abs. 4 BGB Verträge im Familien- und Erbrecht ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Abschnittes zu den AGB (§ 305–§ 310 BGB) aus. 454 Vgl. von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht: Allgemeine Lehren2 § 7 Rn. 85; Jayme, in: Jud/Rechberger/Reichelt, S. 72 f.; C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 216; Pfütze, ZEuS 2011, 69; Bittmann, in: M. Weller, Rn. 464. 455 So gilt auch die Angemessenheitskontrolle des Art. 8 Abs. 5 HUP nur für die „generelle“ RW und nicht für die Wahl der lex fori nach Art. 7 HUP. 456 Siehe Rauscher, in: FS Schütze, S. 471 f. (Analogie zum Günstigkeitsvergleich nach Art. 6 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 Rom I‑VO). 457 Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 221. 458 Hau, FamRZ 2013, 252; ihm folgend Bittmann, in: M. Weller, Rn. 463; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 221 f.; generell eine nationale Inhaltskontrolle im EU‑IPR abl. Pfütze, ZEuS 2011, 68 f.
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barkeit des anzuwendenden Rechts. Die „Achillessehne“459 der VO ist nach wie vor ihr begrenzter, durch die Verstärkte Zusammenarbeit bedingter territorialer Anwendungsbereich, der angesichts der umfassenden territorialen Geltung der Brüssel IIa-VO zu einer Fragmentierung zwischen IPR und IZVR in Ehesachen führt. 2. Hinsichtlich der Brüssel IIa-VO ist Art. 3 und dessen System konkurrierender Zuständigkeiten Gegenstand starker Kritik. Die Gefahr von forum shopping wird trotz der vereinheitlichten Kollisionsregeln der Rom III‑VO nicht beseitigt, zumal diese nur für 17 Mitgliedstaaten gelten. Insbesonders wird die Einführung einer Prorogationsmöglichkeit in Ehesachen befürwortet, die das Zusammenspiel mit den Rechtswahlmöglichkeiten der Rom III‑VO optimieren und die Parteiautonomie in Ehesachen in Einklang mit den jüngsten Entwicklungen im EU‑IPR/-IZVR stärken würde. Hier besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, wobei sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Reformbestreben zu Art. 3 Brüssel IIa-VO abzeichnen. 3. Trotz der hohen und fast idealistischen Zielvorstellungen, die die Erwägungsgründe der Rom III‑VO hinsichtlich der „informierten Rechtswahl“ zum Ausdruck bringen, lassen diese eine zu befürwortende460 Tendenz erkennen: War die „informierte Rechtswahl“ in der Rom I‑VO (an die sich Art. 6 Rom III‑ VO hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit der RW anlehnt) noch unbekannt, ist sie nunmehr auch in den – im nächsten Kapitel zu besprechenden – Güterrechtsverordnungen verankert.461 4. Im konfliktträchtigen Scheidungsrecht sind konsensuale Entscheidungen zwischen Ehegatten oft schwer zu erzielen. Das betrifft auch die RW und die GV, deren praktische Relevanz daher zum Teil bezweifelt wird462: Bei mitten im Trennungsstreit befindlichen Ehegatten ist eine Einigung über das anzuwendende Recht weniger zu erwarten,463 sodass eher eine RW im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung bzw. eine vorsorglich getroffene RW zu Beginn der Ehe in Betracht kommt.464 Der kohärente Ausbau von Wahlmöglichkeiten 459
C. Kohler, L’autonomie de la volonté 207. González-Beilfuss, Art. 5 Rom III, in: Corneloup (Hrsg.), Droit européen du divorce (2013), S. 545; Dethloff, in: FS Martiny,S. 65. 461 Vgl. zur Vorbildwirkung der Rom III‑VO Boele-Woelki, For better or for worse: the Europeanization of international divorce law, Yearbook of Private International Law 12 (2010), 1 (2): „sets the tone for future international family law instruments“. 462 Siehe etwa Bonomi, Il diritto applicabile alla separazione e al divorzio nella recente proposta di regolamento comunitario, in: Bariatti/Ricci (Hrsg.), Lo scioglimento del matrimonio nei regolamenti europei: da Bruxelles II a Roma III (2007), S. 91 (S. 99); Henrich, Internationales Scheidungsrecht3 Rn. 74; Verhellen, Real-Life International Family Law: Belgian Empirical Research on Cross-Border Family Law, in: Boele-Woelki/Dethloff/Gephart (Hrsg.), Family Law and Culture in Europe (2014), S. 323 (S. 331 f.), mit Belegen zu in Belgien durchgeführten empirischen Untersuchungen. 463 Vgl. C. Kohler, FamRZ 2008, 1679; Lardeux, Recueil Dalloz 2008, 800. 464 Andrae, Internationales Familienrecht33 § 4 Rn. 15. 460 Vgl.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
ist aber wichtig, weil er zur Schaffung eines Rechtsraumes beiträgt, in dem die Parteien zu konsensualen Entscheidungen angeregt werden.465
C. Güterrechtsverordnungen I. Einführung 1. Räumlich-zeitlicher Anwendungsbereich Die ersten Verordnungsvorschläge zum Ehegüterrecht466 und zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften467 wurden nach jahrelangen Vorarbeiten468 im März 2011 veröffentlicht. Diesen widerfuhr allerdings ein der Rom III‑VO entsprechendes Schicksal: Aufgrund des vehementen Widerstandes von Ungarn und Polen und der folglich unerreichbaren Einstimmigkeit im Rat der EU konnten die Vorschläge nicht im besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 81 Abs. 3 AEUV durchgesetzt werden.469 Prognosen im Schrifttum entsprechend470 mündeten diese Schwierigkeiten im Juni 2016 in einer Verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art. 328 Abs. 1 AEUV,471 der sich letztendlich 18 Mitgliedstaaten anschlossen (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Zypern). Die zum Teil inhaltlich modifizierten Verordnungsvorschläge der Verstärkten Zusammenarbeit wurden anschließend im Juli 2016 – somit fünf Jahre 465 Pertegás, Beyond nationality and habitual residence: other connecting factors in European private international law in family matters, in: Meeusen u. a. (Hrsg.), International family law for the European Union (2007), S. 319 (S. 328 f.). 466 KOM(2011) 126/2 endg. 467 KOM(2011) 127/2 endg. 468 Dazu näher R. Wagner, Konturen eines Gemeinschaftsinstruments zum internationalen Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung des Grünbuchs der Europäischen Kommission, FamRZ 2009, 269 (273 ff.). 469 C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509; Mankowski, Das Verhältnis zwischen der EuErbVO und den neuen Verordnungen zum Internationalen Güterrecht, ZEV 2016, 479 (480). 470 Boele-Woelki, Yearbook of Private International Law 12 (2010), 25; Buschbaum/ Simon, Die Vorschläge der EU‑Kommission zur Harmonisierung des Güterkollisionsrechts für Ehen und eingetragene Partnerschaften – eine erste kritische Analyse. Erster Teil, GPR 2011, 262 (263); González-Beilfuss, The Proposal for a Council Regulation on the Property Consequences of Registered Partnerships, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 183 (188); Coester-Waltjen, Neues aus dem Bereich des europäischen internationalen Ehegüterrechts, ZEuP 2012, 225 (228); Melcher, Private International Law and Registered Partnerships: An EU Perspective, ERPL 2012, 1075 (1087); Mansel/Thorn/R. Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2014: Jahr des Umbruchs, IPRax 2015, 1 (7); Dutta, Entwicklungen im internationalen Familien- und Erbrecht der Europäischen Union bis Gogova, ZEuP 2016, 427, 433. 471 Siehe Beschluss (EU) 2016/954 des Rates vom 9.6.2016 zur Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit, ABl. L 2016/159, 16.
C. Güterrechtsverordnungen
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nach der Veröffentlichung der ersten Kommissionsvorschläge – in ihrer endgültigen Fassung beschlossen. Die EheGüVO und die PaGüVO sind nun ab 29.1.2019 in den genannten Mitgliedstaaten anzuwenden (Art. 70).472 Ob sich der Kreis der teilnehmenden Mitgliedstaaten in Zukunft erweitern wird, bleibt abzuwarten.473 Eine Beteiligung Irlands und des Vereinigten Königreichs – für das ein opt-in aufgrund des EU‑Austrittes ohnehin nicht mehr in Frage kommen wird – scheint angesichts des dortigen materiellen Rechts, das keinen Güterstand im kontinentaleuropäischen Sinne kennt,474 unwahrscheinlich.475 Festzuhalten ist, dass die Verstärkte Zusammenarbeit der Güterrechtsverordnungen nicht jener der Rom III‑VO entspricht: Estland, Lettland, Litauen, Rumänien und Ungarn haben nur an der Rom III‑VO und Finnland, Kroatien, die Niederlande, Schweden, Tschechische Republik und Zypern nur an den Güterrechtsverordnungen teilgenommen. Somit gelten derzeit nur in zwölf Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Slowenien und Spanien) alle drei VO. Die Fragmentierung des familienrechtlichen EU‑IPR nimmt folglich weiterhin ihren Lauf.
2. Sachlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 lit. a erfasst die EheGüVO mit „ehelichen Güterständen“ vermögensrechtliche Regelungen, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder der Auflösung der Ehe gelten. Analog dazu erfasst die PaGüVO gemäß Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 lit. b die vermögensrechtlichen Regelungen, die im Verhältnis der Partner untereinander und ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund des mit der Eintragung der Partnerschaft bzw. ihrer Auflösung begründeten Rechts472 Gemäß Art. 62 EheGüVO/PaGüVO sind weiterhin internationale Abkommen der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu beachten, die im Verhältnis zu Drittstaaten bzw. nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten bestehen, für welche die Güterrechtsverordnungen nicht gelten und die insofern als „Drittstaaten“ anzusehen sind; siehe im Überblick C. Kohler, Drittstaaten und die vorrangigen Staatsverträge der Mitgliedstaaten, in: Dutta/J. Weber (Hrsg.), Die Europäischen Güterrechtsverordnungen (2017), S. 163 (S. 166 ff.). 473 Estland hat bekanntgegeben, zukünftig an der Verstärkten Zusammenarbeit zu den Güterrechtsverordnungen teilnehmen zu wollen; siehe die Pressemitteilung des Rates der EU unter (abgefragt am 13.9.2018). 474 Stattdessen findet bei Beendigung des Familienverhältnisses eine Vermögensaufteilung nach richterlichem Ermessen statt; siehe Matrimonial Causes Act 1973 Section 24 f. und Family Law (Divorce) Act 1996 Section 14 f. sowie die Länderberichte in Boele-Woelki/Braat/ Sumner-Curry, Property Relations between Spouses 10 f. (Vereinigtes Königreich) und 19 f. (Irland). 475 Näher dazu González-Beilfuss, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 190; siehe auch R. Wagner, FamRZ 2009, 276 f.; Coester-Waltjen, ZEuP 2012, 228.
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verhältnisses gelten.476 Dieser weite477 sachliche Anwendungsbereich der beiden VO füllt die bisher bestehenden Lücken in den anderen IPR- und IZVR‑ VO, die güterrechtliche Beziehungen bzw. vermögensrechtliche Ehefolgen nicht umfassen.478 Im Detail ist der Anwendungsbereich der Güterrechtsverordnungen im Vergleich zu anderen VO knapp und unpräzise geregelt,479 sodass Raum für Unklarheiten und Abgrenzungsprobleme bleibt.480 So ist etwa fraglich, wie sich die Abgrenzung zur ErbVO vollzieht: Art. 1 Abs. 2 lit. d EheGüVO/PaGüVO nimmt Fragen der Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten oder Partners von den VO aus und weist sie der ErbVO zu,481 während Erwägungsgrund 18 EheGüVO/PaGüVO den Anwendungsbereich der VO auf güterrechtliche Auseinandersetzungen in Folge des Todes eines Partners bzw. eines Ehegatten erstreckt. Mankowski482 folgend sind als Leitlinie jene Rechtsnormen, die sich auf den Erblasserwillen beziehen und den überlebenden Ehegatten aufgrund des Naheverhältnisses zum Erblasser berücksichtigen, dem Erbrecht zuzuordnen; hingegen fallen Rechtsnormen, die einen Ausgleich für während der Ehe erfolgte Leistungen bezwecken oder aus einer Vermögensverschmelzung der Ehegatten resultieren, dem Güterrecht zu.483 Einen kritischen Punkt des sachlichen Anwendungsbereiches der EheGüVO stellen insbesonders auch die Definition der Ehe und die Einordnung gleichgeschlechtlicher Ehen dar. Von einer verordnungsautonomen Klarstellung, die 476 Siehe auch Art. 27 EheGüVO/PaGüVO, der eine demonstrative Aufzählung („regelt unter anderem“) der vom Güterstatut erfassten Aspekte enthält. 477 R. Wagner, FamRZ 2009, 277. Dies steht im Einklang mit der weiten Auslegung des Begriffs „eheliche Güterstände“ in Art. 1 Abs. 2 lit. a EuGVVO (n. F. und a. F.) durch den EuGH; siehe dazu Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 1 EuGVVO Rn. 94. 478 Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. c Rom I‑VO, Art. 1 Abs. 2 lit. b Rom II‑VO, Art. 1 Abs. 2 lit. a EuGVVO, Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom III‑VO, ErwGr. 8 Brüssel IIa-VO. 479 Buschbaum/Simon, GPR 2011, 263; Finger, Güterrechtliche Beziehungen mit Auslandsbezug, FuR 2012, 10 (13). 480 So ist in Bezug zu Dritten (z. B. bei Haftungsfällen oder in Bezug auf die gesetzliche Vertretungsmacht) fraglich, wie sich die Abgrenzung zur EuGVVO vollzieht. Der Ausnahmetatbestand zum Güterrecht in Art. 1 Abs. 2 lit. a EuGVVO n. F. wird überwiegend dahingehend ausgelegt, dass schuldrechtliche Streitigkeiten, bei denen güterrechtliche Aspekte nur Vorfragen darstellen – wie es in Verfahren mit Dritten regelmäßig der Fall ist –, nicht erfasst sind und diese daher den Zuständigkeitsregeln der EuGVVO unterliegen. Die Güterrechtsverordnungen kämen in Verfahren mit Dritten dementsprechend nur dann zum Tragen, wenn güterrechtliche Streitpunkte die Hauptfrage bilden; siehe Lagarde, Familienvermögens- und Erbrecht in Europa, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004), S. 1 (S. 5); Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 1 EuGVVO Rn. 108; Dutta/Wedemann, Die Europäisierung des internationalen Zuständigkeitsrechts in Gütersachen, in: FS Kaissis (2012), S. 133 (S. 145 f.); Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 Brüssel Ia-VO Rn. 43. 481 So auch ErwGr. 22 EheGüVO/PaGüVO. 482 Mankowski, ZEV 2016, 482. 483 Ebenso J. Weber, Interdependenzen zwischen Europäischer Erbrechtsverordnung und Ehegüterrecht – de lege lata und de lege ferenda, DNotZ 2016, 424 (430 m. w. N.); ders., in: Dutta/J. Weber, Internationales Erbrecht (2016), Einl. Rn. 60.
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im Interesse einer einheitlichen Auslegung zu bevorzugen ist,484 hat der Unionsgesetzgeber abgesehen: Erwägungsgrund 17 EheGüVO hält fest, dass der Begriff „Ehe“ in der VO nicht definiert wird, sondern sich nach nationalem Recht bestimmt. Diese Kompromisslösung entspricht auch der Rechtslage im HUP.485 Zwar spricht sich ein Großteil der Lehre in Bezug auf die UntVO, die Rom III‑VO und die Brüssel IIa-VO für einen verschiedengeschlechtlichen486 Ansatz aus und betonen die Vorarbeiten zu den Güterrechtsverordnungen, dass diese Rechtsakte keineswegs die nationale Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Ehe modifizieren sollen.487 Angesichts der geschlechtsneutralen Formulierung der EheGüVO ist es m. E. aber nicht ausgeschlossen, dass diese sowohl auf verschieden- als auch gleichgeschlechtliche Ehen angewendet werden kann.488 Es bestimmt aber im konkreten Fall das nationale Recht, welche Paarverbindungen unter das Rechtsinstitut der Ehe fallen.489 In Einklang mit dem Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. b EheGüVO, wonach die Vorfragen zum Bestehen, zur Gültigkeit und Anerkennung einer Ehe dem innerstaatlichen Recht und dessen Kollisionsregeln unterliegen, ist dafür die lex causae, nicht die lex fori maßgeblich.490 Dasselbe gilt gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b PaGüVO für die eingetragene Partnerschaft. Art. 3 Abs. 1 lit. a PaGüVO enthält zwar eine geschlechtsneutrale und verordnungsautonome Definition der eingetragenen Partnerschaft („Lebensgemeinschaft zweier Personen“), die sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften erfasst, doch soll dieser Begriff „nur für die Zwecke dieser Verordnung“491 gelten und kann daher nicht auf andere VO übertragen werden. Im Konkreten entscheidet über diese Vorfrage 484 Dethloff, Güterrecht in Europa – Perspektiven für eine Angleichung auf kollisions- und materiellrechtlicher Ebene, in: FS von Hoffmann (2011), S. 73 (S. 77); Martiny, Die Kommissionsvorschläge für das internationale Ehegüterrecht sowie für das internationale Güterrecht eingetragener Partnerschaften, IPRax 2011, 437 (440); Dutta/Wedemann, in: FS Kaissis, S. 138 ff. werten den Verweis auf nationales Recht aufgrund der bestehenden Divergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Rechten als unvermeidlich. 485 Siehe oben § 3 A. I. 1. 486 Siehe oben § 3 A. I. 1. (UntVO) sowie § 3 B. I. 1. (Brüssel IIa-VO und Rom III‑VO). 487 Ratsdokument 16171/14 JUSTCIV 313, 3. 488 Für eine Anwendung auf gleichgeschlechtliche Ehen Döbereiner, Der Kommissionsvorschlag für das internationale Ehegüterrecht, MittBayNot 2011, 463 (464); Rudolf, Vereinheitlichtes internationales Güterrecht, EF‑Z 2011, 214 (214); C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1510. 489 Auf die daraus resultierenden Probleme und Widersprüche, insbesonders die von einem Staat zum anderen abweichende Qualifikation, kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden; dazu sei auf die ausführliche Diskussion bei Dutta/Wedemann, in: FS Kaissis, S. 139 f. verwiesen. 490 Simotta, Die internationale Zuständigkeit nach den geplanten Europäischen Güterrechtsverordnungen, in: König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), S. 77 (S. 84); dies., Die internationale Zuständigkeit nach den neuen Europäischen Güterrechtsverordnungen, ZVglRWiss 116 (2017), 44 (47); siehe auch ErwGr. 21 EheGüVO. 491 Siehe ErwGr. 17 PaGüVO.
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das nationale Kollisionsrecht.492 Ob eine gleichgeschlechtliche Ehe als „Ehe“ nach der EheGüVO oder als „eingetragene Partnerschaft“ nach der PaGüVO zu behandeln ist, obliegt somit dem mitgliedstaatlichen (Kollisions-)Recht. Außerdem ist es den mitgliedstaatlichen Gerichten erlaubt, ihre Zuständigkeit abzulehnen,493 wenn gemäß Art. 9 EheGüVO nach ihrem IPR die betreffende Ehe nicht anerkannt werden würde bzw. wenn gemäß Art. 9 PaGüVO ihrem Sachrecht die eingetragene Partnerschaft fremd ist, wobei letzteres von den teilnehmenden Mitgliedstaaten nur auf Bulgarien zutrifft.494 Diese rechtspolitischen Kompromissregelungen, die im Detail viele klärungsbedürftige Fragen offen lassen, bringen zum Ausdruck, wie sehr auf die Integrität der nationalen Rechtsordnungen und ihre gegebenenfalls ablehnende Haltung gegenüber eingetragener Partnerschaften und gleichgeschlechtlicher Ehen Rücksicht genommen wurde, um eine – letztendlich nur im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit erreichte – Einigung zu den Verordnungstexten zu erzielen.495
3. Regelungsziele Im Einklang mit den anderen EU‑VO betonen auch die Erwägungsgründe 15 und 43 EheGüVO bzw. die Erwägungsgründe 15 und 42 PaGüVO, dass die Kollisions- und Zuständigkeitsregeln zu größerer Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Flexibilität führen sollen. Aus diesen Gründen wird auch die Entscheidungsfreiheit der Parteien durch den Abschluss einer RW bzw. einer GV gestärkt.496 Als Grundprinzip wird das gesamte497 bewegliche und unbewegliche Vermögen der Ehegatten bzw. Partner unabhängig vom Belegenheitsort einer einzigen Rechtsordnung unterstellt.498 Damit soll eine Rechtsspaltung 492
Siehe ErwGr. 21 PaGüVO sowie Martiny, IPRax 2011, 454 f.; C. Kohler/Pintens, Entwicklungen im europäischen Personen- und Familienrecht 2013–2014, FamRZ 2014, 1498 (1499 f.); dies., FamRZ 2016, 1512. 493 Zu den Problemen dieser – im EU‑IZVR ein Unikum darstellenden – „alternativen Zuständigkeit“, insbesonders zum Fehlen von Entscheidungskriterien, siehe Bonomi, The Interaction among the future EU Instruments on Matrimonial Property, Registered Partnerships and Successions, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 217 (225 ff.); Dutta/Wedemann, in: FS Kaissis, S. 149 f.; Simotta, ZVglRWiss 116 (2017), 77 ff. 494 Siehe Jessel-Holst, in: Bergmann/Ferid/Henrich (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (Loseblatt 219. Lfg. 2016) Länderbericht Bulgarien, S. 26a f. 495 Krit. dazu Martiny, IPRax 2011, 455; Simotta, in: König/Mayr, S. 101; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 77. 496 ErwGr. 36 und 45 EheGüVO; ErwGr. 37 und 44 PaGüVO. 497 Damit wurde die Sonderanknüpfung am Belegenheitsort für unbewegliches Vermögen (siehe z. B. Art. 15 Abs. 2 Z. 3 EGBGB) abgelehnt, was im Schrifttum auf gemischte Resonanz gestoßen ist: zust. etwa Kroll-Ludwigs, Vereinheitlichung des Güterkollisionsrechts in Europa, GPR 2016, 231 (235); Nordmeier, Güterrecht, in: M. Weller (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2016), Rn. 411; krit. hingegen Martiny, in: FS Kropholler, S. 382 m. w. N.; Viarengo, The EU Proposal on Matrimonial Property Regimes, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 199 (212). 498 Allerdings kann es im Fall der subsidiären Zuständigkeit nach Art. 10 EheGüVO/Pa-
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(dépeçage) bzw. eine Teilrechtswahl ausgeschlossen werden, die zu Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung führen kann.499 Auch auf Ebene der Zuständigkeit ist ein wesentliches Ziel der VO, eine Aufspaltung der gerichtlichen Zuständigkeit zu verhindern und eine Konzentration der mit dem Güterrecht zusammenhängenden Verfahren zu erreichen.500 Die beiden Güterrechtsverordnungen wurden in ihrem Entstehungsprozess stets parallel beraten. Einzelne Abweichungen sollen durch die Unterschiede der Rechtsinstitute der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft bedingt sein; überwiegend sind die Regelungen aber deckungsgleich, um Ehegatten und eingetragene Partner gleich zu behandeln.501 Aus diesem Grund werden die beiden VO in diesem Kapitel gemeinsam untersucht. Anders als bei der UntVO und dem HUP bzw. der Brüssel IIa-VO und der Rom II‑VO werden im Folgenden zuerst die Rechtswahlmöglichkeiten und danach die Gerichtsstandswahlmöglichkeiten erläutert, weil die EheGüVO und die PaGüVO – wie sogleich erläutert wird – die GV an das anzuwendende Recht koppeln.
II. Zulässigkeit 1. Rechtswahl a) Vorbemerkungen Die RW ist im internationalen Güterrecht kein Novum. Im Vergleich zu den anderen Bereichen des Familienrechts, insbesonders zum Ehe- und Scheidungsrecht, gab es im Ehegüterrecht in den nationalen Kollisionsrechten schon sehr früh Regelungen zur Parteiautonomie.502 Mittlerweile kennen die meisten MitGüVO zu einer Rechtsspaltung kommen, weil das Gericht in diesem Fall nur über das im Gerichtsstaat befindliche unbewegliche Vermögen entscheiden kann; siehe Simotta, in: König/ Mayr, S. 84 f.; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 84. 499 KOM(2016) 106 endg. 9 f. und KOM(2016) 107 endg. 10. Dies ist bei genauerer Betrachtung aber nicht durchgehend realisiert: Eine Durchbrechung der Einheit des Güterstatuts ist bei Anwendung des Art. 30 (Eingriffsnormen), Art. 31 (ordre public-Vorbehalt), Art. 28 (Wirkung des Güterstatuts gegenüber Dritte) und Art. 13 (Ausschluss von in Drittstaat belegenem Vermögen von der Entscheidung) EheGüVO/PaGüVO möglich; siehe Coester-Waltjen, Die objektive Anknüpfung des Ehegüterstatuts, in: Dutta/J. Weber (Hrsg.), Die Europäischen Güterrechtsverordnungen (2017), S. 46 (S. 58 ff.). 500 Siehe KOM(2016) 106 endg. 8 und KOM(2016) 107 endg. 8. 501 Ratsdokument 16171/14 JUSTCIV 313, 3. 502 Eine RW im Güterrecht wurde bereits eingeführt z. B. 1889 in Spanien (Art. 9 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1 Código civil), 1978 in Österreich (§ 19 österr. IPRG), 1984 in Luxemburg durch den Beitritt zum Haager Übereinkommen über das auf eheliche Güterstände anzuwendende Recht von 1978, das eine beschränkte RW zulässt, und 1986 in Deutschland (Art. 15 EGBGB). In Frankreich gewährte die Rspr. bereits vor dem Beitritt im Jahr 1992 zum Haager Übereinkommen eine Rechtswahlmöglichkeit im Güterrecht, die auf ein Rechtsgutachten von Dumoulin im 16. Jahrhundert zurückgehen soll; vgl. dazu Meisters, Die Bedeutung der Parteiautonomie für das französische und deutsche internationale Ehegüterrecht (1964) 33 ff.; Wicki,
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gliedstaaten in ihren nationalen Kollisionsrechten eine RW im Güterrecht.503 Blickt man auf das materielle Recht, so zeigt sich hierbei eine Parallele zur Privatautonomie und materiellrechtlichen Wahlfreiheit,504 die im Güterrecht im europäischen Vergleich traditionell eine größere Rolle spielt als etwa im Scheidungsrecht.505 So gestatten die meisten mitgliedstaatlichen Güterrechte eine Wahl zwischen verschiedenen Güterständen oder den Abschluss von Eheverträgen.506 Dieser Umstand offenbart zudem die vertragsrechtliche Prägung des Güterrechts. Bei güterrechtlichen Verhältnissen spielen die Vertragsfreiheit und der Vertrag als Mittel parteiautonomer Gestaltung in Form von Eheverträgen bzw. Ehepakten eine wesentliche Rolle. Diese Nähe zum Vertragsrecht, dem „Geburtsort“ der Parteiautonomie, erklärt mithin die seit langem etablierte und zum Teil auffallend weitgehende507 Parteiautonomie im internationalen Ehegüterrecht. Demgegenüber gibt es für die eingetragene Partnerschaft, die im Unterschied zur Ehe ein relativ junges Rechtsinstitut darstellt, keine vergleichbare Rechtswahltradition in den nationalen Kollisionsrechten. So sah auch der Entwurf zur PaGüVO aus 2011 keine RW vor; begründet wurde dies damit, dass angesichts der Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen zur eingetragenen Partnerschaft bzw. des Fehlens entsprechender Regelungen in einigen Mitgliedstaaten eine starre Anknüpfung am Recht des Eintragungsstaates gerechtfertigt sei und die nationalen Kollisionsrechte508 generell keine RW vorsehen.509 Dieser Rechtswahlausschluss wurde im Schrifttum510 und in den Stellungnahmen Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie 15 ff.; Basedow, The Law of Open Societies Rn. 385 ff. 503 Einzelne Nachweise bei Dengel, Die europäische Vereinheitlichung des Internationalen Ehegüterrechts und des Internationalen Güterrechts für eingetragene Partnerschaften (2014) 273. 504 Siehe Siehr, in: FS Keller, S. 488; Mansel, in: Leible/Unberath, S. 263. 505 Vgl. Henrich, Die Privatautonomie im Eherecht und ihre Grenzen im europäischen Vergleich, in: Hofer/Schwab/Henrich (Hrsg.), From Status to Contract? – Die Bedeutung des Vertrages im europäischen Familienrecht (2005), S. 321 (S. 330). 506 Vgl. die zahlreichen Länderberichte in Boele-Woelki/Braat/Sumner-Curry, Property Relations between Spouses 249 ff. 507 Siehe § 19 österr. IPRG, wonach eine RW im Ehegüterrecht nicht auf bestimmte Rechtsordnungen beschränkt, sondern völlig frei möglich ist. Fritz Schwind, der für die Ausarbeitung des österr. IPRG federführend war, bezieht sich für die weitgehende Rechtswahlfreiheit auf den dispositiven Charakter und die vertragsrechtliche Prägung des Güterrechts; siehe Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts Rn. 5.5.1.4., Rn. 5.5.2.3. 508 Siehe etwa Art. 17b Abs. 1 EGBGB; weitere Nachweise bei Martiny, IPRax 2011, 456 Fn. 291. Hingegen ermöglicht § 27c österr. IPRG für das Güterrecht eingetragener Partnerschaften eine völlig freie RW, weil auch für das Ehegüterrecht eine umfassende Rechtswahlfreiheit besteht; siehe oben Fn. 507. 509 KOM(2011) 127/2, 8. 510 Bonomi, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 230; Buschbaum/Simon, GPR 2011, 266; Martiny, IPRax 2011, 456; Melcher, Ein einheitliches Güterkollisionsrecht der EU, iFamZ 2011, 221 (223); Henrich, in: FS Pintens, S. 712; Dengel, Die europäische Ver-
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aus den Mitgliedstaaten511 zu Recht kritisiert, weil dies eine ungerechtfertigte Diskriminierung eingetragener Partner im Vergleich zu Ehegatten darstellte. Ausgehend von diesen negativen Reaktionen wurde der Kompromisstext aus 2013 um die nunmehr bestehende beschränkte Rechtswahlmöglichkeit ergänzt,512 womit die EheGüVO und PaGüVO hinsichtlich der Parteiautonomie weitgehend gleichgestellt wurden und nun beide für das anzuwendende Recht vorrangig513 auf die RW abstellen. Auf diese Rechtswahlmöglichkeiten wird im Folgenden im Einzelnen näher eingegangen.
b) Wählbare Rechtsordnungen in der EheGüVO Art. 22 EheGüVO stellt für die RW sowohl auf den gewöhnlichen Aufenthalt als auch auf die Staatsangehörigkeit der Ehegatten ab. Zunächst kann gemäß Abs. 1 lit. a das Recht des Staates gewählt werden, in dem beide Ehegatten oder nur ein Ehegatte zum Rechtswahlzeitpunkt ihren/seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben/hat. Aus der zweiten Alternative – die Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt nur eines Ehegatten – erschließt sich bereits auch die erste Alternative, d. h. die Wahl des Rechts des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese Nennung des gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten hat zwar eine klarstellende Funktion, ist im Grunde aber überflüssig.514 Diese Redundanz zeigt sich auch im Vergleich zu Art. 22 Abs. 1 lit. b EheGüVO, wonach das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit ein Ehegatte im Rechtswahlzeitpunkt besitzt, gewählt werden kann. Lit. b bezieht sich damit zwar lediglich auf die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten, doch kann dies im Größenschluss (argumentum a minore ad maius) nur so verstanden werden, dass umso mehr auch das Recht eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit
einheitlichung des Internationalen Ehegüterrechts und des Internationalen Güterrechts für eingetragene Partnerschaften 295 f. 511 Siehe für Österreich die Mitteilung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der EU des Hauptausschusses des Nationalrats vom 4.7.2011, 12/MTEU XXIV.GP 2 f.; für Deutschland siehe die Stellungnahme des Deutschen Rates für IPR aus 2006 (noch zum Grünbuch der Kommission) und dessen Vorschlag zur Einführung einer RW für eingetragene Partnerschaften unter (abgefragt am 13.9.2018). 512 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, (COM(2011) 127 – C7–0094/2011 – 2011/0060 (CNS)); vgl. zu den Hintergründen der Abänderung Buschbaum, Vom Königsweg der Kollisionsrechtsharmonisierung als Leitlinie für das Mehrjahresprogramm für die EU‑Ziviljustiz 2015–2020, GPR 2014, 4 (5). 513 Die objektive Anknüpfung kommt „mangels Rechtswahl“ zum Zug; siehe Art. 26 EheGüVO/PaGüVO. 514 Nordmeier, in: M. Weller, Rn. 407.
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beide Ehegatten besitzen, wählbar ist.515 Diese Diskrepanz im Wortlaut zwischen lit. a und lit. b ist nicht nachvollziehbar. Art. 22 EheGüVO ermöglicht nicht die Wahl der lex fori.516 Eine solche war auch in keinem Vorentwurf der VO enthalten. Der Ausschluss der Wahl der lex fori lässt sich zum einen als logische Folge des gewählten Zuständigkeitssystems erklären: Die EheGüVO (wie auch die PaGüVO) koppelt nicht das anzuwendende Recht an die Zuständigkeit – worauf die Wahl der lex fori abzielt –, sondern knüpft umgekehrt in bestimmten Fällen die Zuständigkeit an das Güterstatut.517 Da dadurch ein Gleichlauf von forum und ius erzielt wird, erübrigt sich die Regelung, das Recht des Gerichtsortes zu wählen.518 Der Ausschluss der Wahl der lex fori ist zum anderen angesichts der komplizierten Verschränkungen der Zuständigkeitsregeln der EheGüVO mit den Zuständigkeitssystemen der anderen familien- und erbrechtlichen EU‑VO gerechtfertigt. Dazu kommt, dass eine güterrechtliche Regelung nicht zwangsläufig mit einem Gerichtsverfahren (z. B. Scheidungsverfahren) verbunden sein muss; das Güterrecht umfasst ja vor allem die vermögensrechtliche Beziehung der Ehegatten während aufrechter Ehe.519 Es wäre daher in vielen Fällen problematisch, wenn das maßgebliche Güterrecht erst bei Gerichtsanrufung feststünde, zumal das Güterrecht nicht auf einen einmaligen Rechtsakt (wie etwa eine Scheidung), sondern auf die Regelung eines grundsätzlich auf Dauer ausgelegten Rechtsverhältnisses bzw. auf dessen retrospektive Beurteilung abzielt.520 Mangels RW knüpft Art. 26 Abs. 1 EheGüVO in hierarchischer Reihenfolge521 an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten nach der Eheschließung (lit. a), an die gemeinsame Staatsangehörigkeit zum Eheschließungszeitpunkt (lit. b) und an die engste Verbindung beider Ehegatten im Eheschließungszeitpunkt (lit. c) an. Im Unterschied zu den anderen hier untersuchten Rechtsakten522 stellt die objektive Anknüpfung der EheGüVO in Art. 26 Abs. 1 lit. a und lit. b ein unwandelbares Statut dar, sodass ein späterer Wechsel 515 Eindeutiger noch KOM(2016) 106 endg. 10: „Bei dem gewählten Recht muss es sich demnach um das Recht des Staates handeln, […] dessen Staatsangehörigkeit die Ehegatten bzw. künftigen Ehegatten haben oder einer von ihnen hat“. 516 Den Ausschluss befürwortend Martiny, in: FS Kropholler, S. 382; ders., IPRax 2011, 449; Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 39 f.; krit. wegen der Diskrepanz zur Rom III‑ VO C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1512. 517 Zu den verschiedenen Mechanismen, um die RW und die GV im IPR/IZVR aneinander zu koppeln, siehe unten § 4 B. I. 3. 518 Vgl. Dengel, Die europäische Vereinheitlichung des Internationalen Ehegüterrechts und des Internationalen Güterrechts für eingetragene Partnerschaften 282. 519 Vgl. Martiny, in: FS Kropholler, S. 377; ders., IPRax 2011, 449. 520 Heiderhoff, Die EU‑Güterrechtsverordnungen, IPRax 2018, 1 (7). 521 Die objektiven Anknüpfungen des Art. 26 Abs. 1 lit. a–c kommen expressis verbis jeweils „oder andernfalls“ zum Zug. 522 Siehe oben § 3 A. II. 1. c) und § 3 A. IV. 2. d) zur UntVO bzw. zum HUP.
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des Anknüpfungspunktes unbeachtet bleibt.523 Der Vorteil einer RW liegt hier nicht in der Verhinderung eines Statutenwechsels, sondern in der Gewährung von Flexibilität als Ausgleich zur starren unwandelbaren objektiven Anknüpfung.524 Des Weiteren reicht ein einseitiger Anknüpfungspunkt für die objektive Anknüpfung nicht aus, während mittels RW an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten angeknüpft werden kann. Die Rechtswahlmöglichkeiten sind insofern liberaler als die objektiven Anknüpfungen. Anders als Art. 26 ist Art. 22 Abs. 1 zudem nicht hierarchisch konstruiert: Die Wahlmöglichkeiten in Art. 22 Abs. 1 lit. a und lit. b EheGüVO sind nicht wie Art. 26 Abs. 1 lit. a–c durch „oder andernfalls“525, sondern nur durch „oder“ verbunden und stehen damit den Ehegatten alternativ zur Verfügung.526
c) Wählbare Rechtsordnungen in der PaGüVO Art. 22 PaGüVO und Art. 22 EheGüVO sind fast identisch. Art. 22 PaGüVO ermöglicht ebenso die Wahl des Rechts des Aufenthaltsstaates eines Partners oder beider Partner (Abs. 1 lit. a) bzw. die Wahl des Rechts des Heimatstaates eines Partners (Abs. 1 lit. b). Auch hier liegt ein nicht nachvollziehbarer unterschiedlicher Bezug der Anknüpfungspunkte auf beide bzw. einen Partner vor, sodass auf die entsprechenden Ausführungen zu Art. 22 EheGüVO verwiesen werden kann. Gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. c PaGüVO ist des Weiteren das Recht des Begründungsstaates der eingetragenen Partnerschaft wählbar. Diese dritte Wahlmöglichkeit ist deshalb sinnvoll, weil nicht alle Rechtsordnungen das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft kennen und eine RW zum Begründungsstaat für die Partner insofern die größte Sicherheit bietet.527 Um den Leerlauf einer 523 Der erstmals begründete gewöhnliche Aufenthalt bleibt stets der „erste“ und kann nicht zum „zweiten“ werden; die Staatsangehörigkeit wird im Eheschließungszeitpunkt determiniert. Mit dem somit objektiv bestimmten Güterstatut werden die Ehegatten aber keine enge Beziehung mehr haben, wenn sie in der Folge in einem anderen Staat für viele Jahre oder Jahrzehnte ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder kurze Zeit nach der Eheschließung ihre Staatsangehörigkeit wechseln; vgl. krit. Bonomi, The Proposal for a Regulation on Matrimonial Property: A Critique of the Proposed Rule on the Immutability of the Applicable Law, in: Boele-Woelki/Dethloff/Gephart (Hrsg.), Family Law and Culture in Europe (2014), S. 231 (S. 234 ff.). Als begrenzter Korrekturmechanismus kann gemäß Art. 26 Abs. 3 EheGüVO in Ausnahmefällen das Recht am letzten gemeinsamen „erheblich langen“ gewöhnlichen Aufenthalt auf Antrag angewendet werden (vgl. ErwGr. 52), doch ist diese im Detail unklare Ausweichklausel kritisch zu sehen; siehe nur Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 238. 524 Siehe zum EGBGB V. Stoll, Die Rechtswahl im Namens-, Ehe- und Erbrecht (1991) 84. 525 Vgl. zur Rangfolge der objektiven Anknüpfung auch KOM(2016) 106 endg. 10. 526 Diesen entscheidenden Unterschied verkennt offenbar Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 235, die die Wahl des Heimatrechts der Ehegatten (Art. 22 Abs. 1 lit. b) als „nur noch subsidiär“ bezeichnet. 527 Siehe C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1513.
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RW zum Recht des Heimat- oder Aufenthaltsstaates (lit. a und lit. b) zu verhindern, stehen diese Optionen unter dem Vorbehalt, dass das gewählte Recht „güterrechtliche Wirkungen“ an das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft „knüpft“.528 Dafür müsste es genügen, dass das gewählte Recht das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft an sich kennt, selbst wenn es keine eigenen, dem Ehegüterrecht vergleichbaren vermögensrechtlichen Bestimmungen für die eingetragene Partnerschaft vorsieht.529 Da dieses Rechtsinstitut in den nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt ist, sollte der Vorbehalt für die RW nicht zu streng angesetzt werden. Die Anknüpfung an die Begründung der Partnerschaft entspricht im Übrigen auch der einzigen objektiven Grundanknüpfung nach Art. 26 Abs. 1 PaGüVO. Der Mehrwert einer RW zum Begründungsstaat im Vergleich zur gleichlautenden objektiven Anknüpfung liegt darin, dass mit einer RW die Ausweichklausel530 des Art. 26 Abs. 2, die bereits auf Antrag eines Partners herangezogen werden kann, ausgeschlossen wird. Im Vergleich zu Art. 26 EheGüVO, der drei Wahlmöglichkeiten eröffnet, ist Art. 26 PaGüVO somit restriktiver, sodass in der PaGüVO nur über die RW ein direkter531 kollisionsrechtlicher Spielraum besteht.
d) Abschlusszeitpunkt der Rechtswahl Art. 22 EheGüVO/PaGüVO gestattet es „Ehegatten oder künftigen Ehegatten“ bzw. „Partnern oder künftigen Partnern“ eine RW zu treffen; eine solche ist daher nicht nur während der Ehe bzw. Partnerschaft, sondern auch vor und bei Eingehung der Ehe bzw. vor und bei Eintragung der Partnerschaft möglich.532 Hinsichtlich der Ehe spiegelt dies die Zulässigkeit vorehelicher Vereinbarungen auf materiellrechtlicher Ebene wieder.533 Auf „ehemalige“ Ehegatten oder Partner bezieht sich Art. 22 EheGüVO/PaGüVO hingegen nicht. Zwar finden die Güterrechtsverordnungen auch auf güterrechtliche Auseinandersetzungen 528
Vgl. in diesem Sinn ErwGr. 44 PaGüVO. Dutta, Das neue internationale Güterrecht der Europäischen Union – ein Abriss der Europäischen Güterrechtsverordnungen, FamRZ 2016, 1973 (1981); ebenso Rudolf, Vereinheitlichtes Güterkollisionsrecht für Ehegatten und eingetragene Partner, ZfRV 2017, 171 (176). 530 Art. 26 Abs. 2 PaGüVO ermöglicht wie Art. 26 Abs. 3 EheGüVO unter engen Voraussetzungen die Anwendung des Rechts am letzten gemeinsamen „erheblich langen“ gewöhnlichen Aufenthalt der Partner; vgl. dazu ErwGr. 50 PaGüVO. 531 Einen indirekten Spielraum gibt es dahingehend, dass die Partner im Sinne eines „law shopping“ den Anreiz haben, ihre Partnerschaft nach Belieben in einem Staat zu begründen, der im Vergleich zu ihrem Aufenthalts- oder Heimatstaat liberalere Regelungen für die EP kennt; vgl. im Zusammenhang mit der Statusbegründung Melcher, ERPL 2012, 1092. 532 Martiny, IPRax 2011, 448; so auch ausdrücklich ErwGr. 45 EheGüVO und ErwGr. 44 PaGüVO. 533 Siehe die zahlreichen Länderberichte in Boele-Woelki/Braat/Sumner-Curry, Property Relations between Spouses 1131 ff. 529
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im Zusammenhang mit der Auflösung der Ehe bzw. der eingetragenen Partnerschaft Anwendung, doch ist für eine RW bei bereits geschiedenen Ehegatten bzw. getrennten Partnern kein sinnvoller Nutzen ersichtlich.534 Güterrechtliche Verhältnisse erstrecken sich im Allgemeinen über einen langen Zeitraum. Im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte können daher Änderungen des Güterstatuts relevant bzw. notwendig werden. Insbesonders kann das Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Staatsangehörigkeit im Rechtswahlzeitpunkt dazu führen, dass bei einem späteren Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit die Ehegatten eventuell keine enge Verbindung mehr zum Recht des früheren Aufenthalts- bzw. Heimatstaates haben. Der Wechsel des relevanten Anknüpfungspunktes hat aber keine Auswirkung auf die RW; vielmehr muss diese durch eine neue Vereinbarung ersetzt oder modifiziert werden. Art. 22 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO stellt dazu klar, dass eine Rechtswahländerung während der Ehe bzw. der Partnerschaft grundsätzlich nur ex nunc wirkt. Den Ehegatten bzw. Partnern steht es aber frei, eine ex tunc-Wirkung der Rechtswahländerung zu vereinbaren. Zur Frage, bis wann eine RW nach Art. 22 EheGüVO/PaGüVO getroffen oder geändert werden kann, äußern sich die VO an keiner Stelle. Nach den Erläuterungen zu den Verordnungsvorschlägen sollen Ehegatten bzw. Partner das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht nicht nur zum Zeitpunkt der Eheschließung bzw. Partnerschaftseintragung, sondern auch zu einem „späteren Zeitpunkt“ wählen können.535 Eine auf das innerstaatliche Recht536 verweisende Bestimmung wie Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO537 enthalten die EheGüVO und PaGüVO zwar nicht, doch wird auch für die güterrechtliche RW auf das nationale Recht für diese Frage abzustellen sein, wie es die Güterrechtsverordnungen für die GV regeln.538 Eine RW nach Gerichtsanrufung wird im Güterrecht aber anders als im Ehescheidungs- und Trennungsrecht eine untergeordnetere Rolle spielen, weil allgemein schon zu Beginn der Ehe bzw. der Partnerschaft ein Regelungsinteresse dafür besteht, die güterrechtlichen Aspekte auf lange Sicht einem bestimmten Recht entsprechend zu gestalten und auszurichten.
534 Eine solche Rechtswahlmöglichkeit de lege lata ausschließend Corneloup, Rechtsermittlung im Internationalen Privatrecht der EU: Überlegungen aus Frankreich, RabelsZ 78 (2014), 844 (859 f.). 535 KOM(2016) 106 endg. 10 und KOM(2016) 107 endg. 10. 536 So kann etwa nach § 19 österr. IPRG eine RW im Ehegüterrecht bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung der letzten Tatsacheninstanz getroffen werden; siehe Verschraegen, in: Rummel, ABGB3 § 19 IPRG Rn. 4. 537 Vgl. oben § 3 B. II. 2. e). 538 Dazu unten § 3 C. II. 2. e).
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
e) Wirkung der Rechtswahl gegenüber Dritten Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz539 des IPR, dass die RW nur die an der Wahl beteiligten Personen erfasst und sich grundsätzlich nicht auf Rechtspositionen Dritter erstreckt. In vermögens- bzw. güterrechtlichen Angelegenheiten der Ehegatten oder Partner können regelmäßig Dritte in ihren Rechten betroffen sein (z. B. Kreditgeber, Lebensversicherungen usw.).540 Daher stellt Art. 22 Abs. 3 EheGüVO/PaGüVO klar, dass bei einer rückwirkenden Änderung der RW die nach diesem Recht bestehenden Ansprüche Dritter nicht beeinträchtigt werden dürfen. Dass eine RW prinzipiell nur zwischen den Ehegatten bzw. Partnern wirkt, bringt auch Art. 28 EheGüVO/PaGüVO zum Ausdruck: Demnach kann das nach den VO maßgebliche Güterstatut einem Dritten nur dann entgegengehalten werden, wenn dieser Kenntnis von jenem Recht hatte oder hätte haben müssen.541 Geschützt werden Dritte folglich nur, wenn sie gutgläubig sind.542
2. Gerichtsstandsvereinbarung a) Vorbemerkungen zum Zuständigkeitssystem der EheGüVO und PaGüVO Auch wenn die Möglichkeit einer GV im Güterrecht in den Vorarbeiten und Stellungnahmen zu den Güterrechtsverordnungen überwiegend positiv aufgenommen wurde,543 nimmt in den Endfassungen der VO die Parteiautonomie auf Ebene der Zuständigkeit eine deutlich geringere Stellung ein als auf Ebene des anzuwendenden Rechts. Anders als Art. 22 EheGüVO/PaGüVO, der die RW als primäre Anknüpfung zu Beginn des Abschnittes über das anzuwendende Recht stellt, wird die GV in Art. 7 EheGüVO/PaGüVO im Anschluss an eine Reihe von vorrangigen Gerichtsständen geregelt. Diese stellen komplexe Konzentrationszuständigkeiten dar, die auf eine Verschränkung der güterrechtlichen Zuständigkeit mit den Zuständigkeitsregeln der anderen familien- und erbrechtlichen EU‑VO abzielen. Der verfahrensökonomische Zweck dieser Zuständigkeitskonzentrationen ist die Vermeidung von Parallelverfahren und von 539 Siehe Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Rom I‑VO („[…] Rechte Dritter werden durch eine nach Vertragsschluss erfolgende Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht berührt“) und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Rom II‑VO („Die Rechtswahl […] lässt Rechte Dritter unberührt“); näher dazu Rühl, Statut und Effizienz 463. 540 Vgl. KOM(2016) 106 endg. 10 f. und KOM(2016) 107 endg. 10 f. 541 Siehe dazu KOM(2016) 106 endg. 10 f. und KOM(2016) 107 endg. 11; für eine solche Regelung plädierte bereits Martiny, in: FS Kropholler, S. 389 f. 542 Allerdings zählt Art. 28 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO Fälle auf, in denen vermutet wird, dass der Dritte Kenntnis von dem anzuwendenden Güterrecht hat. In diesen Fällen muss der Dritte, sofern er die Vermutung nicht widerlegen kann, das gewählte bzw. objektiv anzuwendende Recht gegen sich gelten lassen; siehe näher Viarengo, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 213; Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 239; Weber, DNotZ 2016, 686. 543 Siehe Martiny, in: FS Kropholler, S. 394 Fn. 134; R. Wagner, FamRZ 2009, 280.
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widersprüchlichen Entscheidungen in zusammenhängenden Streitigkeiten.544 In diesem System ist eine GV aber, wie sich zeigen wird, nur subsidiär und in genau bestimmten Fällen möglich. Zunächst sind gemäß Art. 4 EheGüVO/PaGüVO in dem Fall, dass ein mitgliedstaatliches Gericht nach der ErbVO angerufen wurde, die Gerichte dieses Staates ex lege auch für güterrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Todesfall eines Ehegatten oder Partners ausschließlich zuständig. Weiters normiert Art. 5 Abs. 1 EheGüVO in den Fällen, in denen ein Gericht eines Mitgliedstaats nach der Brüssel IIa-VO hinsichtlich einer Scheidung, Trennung oder Ungültigerklärung der Ehe angerufen wurde, dass die Gerichte dieses Mitgliedstaats auch für güterrechtliche Fragen zuständig sind. Diese Annexzuständigkeit bedarf gemäß Art. 5 Abs. 2 EheGüVO in bestimmten Fällen einer „Vereinbarung“ der Ehegatten, unter anderem wenn sich die Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. Str. oder 6. Str. Brüssel IIa-VO richtet.545 Zu diesen Bestimmungen wurde bereits erläutert, dass es der Antragsteller in der Hand hat, eine Zuständigkeit zu begründen, weil sie einseitig auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seine Staatsangehörigkeit abstellen.546 Diese Bedenken gesteht der Unionsgesetzgeber durch das Vereinbarungserfordernis offenbar selbst ein. Dieses Erfordernis dient dem Schutz des Antragsgegners bzw. des beklagten Ehegatten,547 weil eine Annexzuständigkeit nur dann besteht, wenn der Antragsgegner dem zustimmt. Können die Ehegatten keine Vereinbarung schließen, dann greift die Annexzuständigkeit nicht, sondern die Regeln in Art. 6 f. EheGüVO kommen zum Zug.548 Einerseits könnte eine Zustimmung aufgrund der Vorteile einer Verfahrensverbindung regelmäßig zu erwarten sein; andererseits könnte der Antragsgegner seine Zustimmung vor allem deshalb verweigern, weil die Annexzuständigkeit auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers abstellt und diesen damit begünstigt, während die Gerichtsstände des Art. 6 EheGüVO, die mangels Vereinbarung zur Anwendung gelangen, entweder gar keinen Ehegatten (lit. a, b, d) oder nur den Antragsgegner (lit. c) 544 Weitere zuständigsrechtliche Sonderregelungen im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge enthält Art. 13 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO: Demnach kann das in der Güterrechtssache angerufene Gericht unter bestimmten Voraussetzungen die in einem Drittstaat belegenen Vermögenswerte des unter die ErbVO fallenden Nachlasses von seiner Entscheidung ausschließen; siehe näher und krit. zur Beschränkung auf Erbverfahren Simotta, in: König/Mayr, S. 123 f.; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 88. 545 Weiters ist eine Vereinbarung bei einer Gerichtsanrufung nach Art. 5 Brüssel IIa-VO (Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebands in eine Scheidung) und Art. 7 Brüssel IIa-VO (Restzuständigkeit) erforderlich. 546 Vgl. oben § 3 B. II. 1. a). 547 Simotta, in: König/Mayr, S. 84; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 55. 548 Dies geht aus dem Verordnungstext in Art. 6 EheGüVO hervor (arg. „kein Gericht eines Mitgliedstaats gemäß Art. 4 oder Art. 5 zuständig“); siehe noch zu den Kompromisstexten der Verordnungsvorschläge Simotta, in: König/Mayr, S. 97.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
begünstigen.549 In den übrigen Fällen des Art. 3 Abs. 1 Brüssel IIa-VO (lit. a 1.–4. Str. und lit. b) folgt die güterrechtliche Annexzuständigkeit ex lege aus Art. 5 Abs. 1 EheGüVO.550 Für Verfahren zur Auflösung oder Ungültigerklärung eingetragener Partnerschaften normiert Art. 5 PaGüVO ebenso eine Annexzuständigkeit für in Zusammenhang stehende güterrechtliche Fragen.551 Anders als bei Art. 5 EheGüVO wird hier aber nicht auf die Brüssel IIa-VO verwiesen,552 sodass das autonome Zuständigkeitsrecht der Mitgliedstaaten maßgeblich ist. Dieses enthält regelmäßig exorbitante, auf die Staatsangehörigkeit nur eines Partners abstellende Gerichtsstände, weshalb die Annexzuständigkeit – wie in Art. 5 EheGüVO – einer Vereinbarung der Partner bedarf.553 Allen genannten Verfahrenskonzentrationsregelungen ist gemeinsam, dass sich die Annexzuständigkeit nicht auf das konkrete, bereits angerufene mitgliedstaatliche Gericht, sondern allgemein auf die „Gerichte dieses Staates“ bezieht. Damit wird auf Verordnungsebene nur die internationale, nicht aber auch örtliche Zuständigkeit festgelegt.554 Es richtet sich folglich nach dem nationalen Verfahrensrecht, ob eine echte Konzentration an ein und demselben Gericht stattfindet.555 Dies bedeutet einerseits einen geringeren Eingriff in die innerstaatlichen Zuständigkeitsrechte der Mitgliedstaaten, die nicht alle einem starken Verbundprinzip folgen. Andererseits wird dadurch der Verfahrensökonomie weniger entsprochen. Außerhalb der in Art. 4 und Art. 5 EheGüVO/PaGüVO geregelten Fälle (bzw. wenn nach diesen Bestimmungen kein mitgliedstaatliches Gericht zuständig ist) richtet sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 6 EheGüVO/ PaGüVO. Dabei wird es sich um die wenigen Verfahren handeln, in denen gü549 Es wäre aber auch eine GV nach Art. 7 EheGüVO möglich; dazu gleich unten § 3 C. II. 2. b). 550 Wie Simotta, in: König/Mayr, S. 93 f. treffend ausführt, wird hier eine Vereinbarung der Ehegatten wohl deshalb nicht verlangt, weil diese Gerichtsstände mit den gesetzlichen Gerichtsständen des Art. 6 EheGüVO ident und damit aus Sicht des Gesetzgebers „unbedenklich“ sind. Die genannten Gerichtsstände stellen auf gemeinsame Anknüpfungspunkte bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners ab, sodass hier kein besonderer Beklagtenschutz notwendig ist. Insbesonders verlangt Art. 3 Abs. 1 lit. a 4. Str. Brüssel IIa-VO bereits eine Willensübereinstimmung der Ehegatten hinsichtlich der gemeisamen Antragsstellung, sodass kein Bedarf für eine (zusätzliche) Vereinbarung nach Art. 5 Abs. 2 EheGüVO besteht. 551 Vgl. auch ErwGr. 34 PaGüVO. 552 Damit wird die überwiegende Ansicht im Schrifttum bestätigt, wonach die Auflösung eingetragener Partnerschaften nicht von der Brüssel IIa-VO erfasst wird; siehe Dutta/Wedemann, in: FS Kaissis, S. 135; Finger, FuR 2012, 16; sowie oben § 3 B. I. 2. 553 Simotta, Zu den Gerichtsstandsvereinbarungen nach den neuen Europäischen Güterrechtsverordnungen, in: FS Geimer (2017), S. 671 (S. 683). 554 Simotta, in: König/Mayr, S. 87 und S. 92; Mankowski, ZEV 2016, 485; anders noch zu den Kommissionsvorschlägen aus 2011 Dutta/Wedemann, in: FS Kaissis, S. 134. 555 Mankowski, ZEV 2016, 485 m. w. N.
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terrechtliche Auseinandersetzungen isoliert stattfinden.556 Solche isolierten Verfahren können etwa die Änderung des Güterstands oder eine Aufteilung nach bereits geschiedener bzw. aufgelöster Ehe betreffen.557 Wie erwähnt ist Art. 6 EheGüVO/PaGüVO außerdem in jenen Fällen anzuwenden, in denen die Parteien sich nicht gemäß Art. 5 einigen können, oder in Fällen, in denen sich ein Gericht nach Art. 9 EheGüVO für unzuständig erklärt.558 Art. 6 EheGüVO eröffnet vier Gerichtsstände (lit. a–d), die im Sinne einer hierarchisch gegliederten Anknüpfungsleiter durch „oder andernfalls“ verbunden sind und damit jeweils subsidiär zum Zug kommen559: Zuständig sind demnach die Gerichte des Aufenthaltsstaates beider Ehegatten (lit. a), andernfalls die Gerichte des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, sofern ein Ehegatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch aufrecht hält (lit. b), andernfalls die Gerichte des Aufenthaltsstaates des Antragsgegners (forum actoris in lit. c) und zuletzt die Gerichte des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen (lit. d). Art. 6 PaGüVO eröffnet in lit. a–d dieselben hierarchisch geordneten Gerichtsstände wie Art. 6 EheGüVO; zusätzlich sind als letzte Möglichkeit die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, nach dessen Recht die eingetragene Partnerschaft begründet wurde (lit. e). Dieser Gerichtstand kommt bei Ausscheiden der anderen Gerichtsstände zum Zug und ist – wie Art. 22 Abs. 1 lit. c und Art. 26 Abs. 1 PaGüVO, die zur Anwendung des Rechts des Begründungsstaates führen – vor allem in jenen Fällen sinnvoll, in denen sich die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten gemäß Art. 9 Abs. 1 PaGüVO für unzuständig erklären, weil ihr Recht die eingetragene Partnerschaft nicht kennt.560 Die Gerichtsstände des Art. 6 EheGüVO/PaGüVO entsprechen Art. 3 lit. a 1.–3. Str. und lit. b Brüssel IIa. Zu begrüßen ist, dass Art. 6 EheGüVO/PaGüVO anders als Art. 3 Brüssel IIa-VO nicht als alternativer Wahlkatalog konzipiert wurde, sondern eine Rangordnung561 enthält.562 Diese Rangordnung sorgt für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständig556 557
KOM(2016) 106 endg. 9. Ein solches isoliertes Aufteilungsverfahren nach bereits geschiedener Ehe lag dem Urteil des EuGH 14.6.2017, C-67/17, Todor Iliev/Blagovesta Ilieva ECLI:EU:C:2017:459 zugrunde, in dem der EuGH den ehegüterrechtlichen Ausnahmetatbestand in Art. 1 Abs. 2 lit. a EuGVVO n. F. bejahte. Der Sachverhalt ereignete sich aber noch vor Ingeltungtreten der EheGüVO, weshalb sich die Zuständigkeit für das Aufteilungsverfahren nach innerstaatlichem Zuständigkeitsrecht richtete. 558 Martiny, IPRax 2011, 446; Simotta, in: König/Mayr, S. 99 f.; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 60 f. 559 Vgl. ErwGr. 35 EheGüVO („Rangfolge“); KOM(2016) 106 endg. 9. 560 González-Beilfuss, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 193; Martiny, IPRax 2011, 455; wie Simotta, in: König/Mayr, S. 101 zutreffend anmerkt, kommt diese Möglichkeit der Unzuständigkeitserklärung den Gerichten des Eintragungsstaates logischerweise nicht zu, weil das Recht dieses Staates die eingetragene Partnerschaft ja gerade kennt. 561 Vgl. ErwGr. 35 PaGüVO. 562 C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1511; für eine Rangfolge sprach sich auch Viarengo, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 208 aus.
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keit – insbesonders für von der güterrechtlichen Auseinandersetzung betroffene Dritte563 – und trägt zur Vermeidung von forum shopping bei.564 Andererseits stellt die Anknüpfungsleiter in Art. 6 der Güterrechtsverordnungen ein weniger flexibles System dar.565 Diese Einbuße an Flexibilität wird aber zumindest in einem gewissen Ausmaß durch die beschränkte Prorogationsmöglichkeit ausgeglichen, auf die nun näher eingegangen wird.
b) Wählbare Gerichtsstände nach Art. 7 EheGüVO Ehegatten können gemäß Art. 7 Abs. 1 EheGüVO nur in den von Art. 6 erfassten Fällen eine GV treffen. Die Annexzuständigkeiten nach Art. 4 und Art. 5 Abs. 1 sind somit vorrangig und derogationsfest.566 Bedenkt man, dass güterrechtliche Streitigkeiten in Verbindung mit einem Erbrechts- oder Eheauflösungsverfahren sehr häufig sind,567 ist der praktische Anwendungsbereich der GV letztlich gering und umfasst vor allem die seltenen isolierten güterrechtlichen Verfahren während aufrechter Ehe sowie Aufteilungsverfahren nach bereits rechtskräftiger Ehebeendigung.568 Den Ehegatten stehen zwei Wahlmöglichkeiten offen: Sie können die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats vereinbaren, dessen Recht nach Art. 22 oder Art. 26 Abs. 1 lit. a–b EheGüVO anzuwenden ist (1. Fall) oder in dem ihre Ehe geschlossen wurde (2. Fall). Im zweiten Fall ist eine GV vor allem dann denkbar, wenn das zunächst angerufene Gericht gemäß Art. 9 EheGüVO seine Zuständigkeit ablehnt, weil es keine gleichgeschlechtliche Ehe kennt.569 Im ersten Fall folgt die GV dem anzuwendenden Recht, welches sich aus einer RW bzw. aus der objektiven Anknüpfung ergibt. Diese Koppelung der gerichtlichen Zuständigkeit an das Kollisionsrecht lässt sich damit begründen, dass im Güterrecht das anzuwendende Recht grundsätzlich von Beginn der Paarbeziehung an eine wichtige Rolle spielt, während die gerichtliche Zuständigkeit meist erst viele Jahre später, etwa im Zuge einer Scheidung, relevant wird. Folglich kommt der RW eine gewichtigere Rolle zu als einer GV. Konkret können die Ehegatten nach Art. 7 EheGüVO folgende Gerichtsstände wählen: Abhängig davon, welches anzuwendende Recht vereinbart wurde, kann die Zuständigkeit der Gerichte des Aufenthaltsstaates eines oder beider Ehegatten (Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO) bzw. der Gerichte des Staates, dessen 563
Viarengo, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 208. Zu den diesbezüglichen Kritikpunkten des Art. 3 Brüssel IIa-VO siehe oben § 3 A. II. 1. Martiny, IPRax 2011, 447; Melcher, iFamZ 2011, 223. 566 Simotta, in: König/Mayr, S. 102; Mankowski, ZEV 2016, 486. 567 Viarengo, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 208. 568 Vgl. Simotta, in: König/Mayr, S. 100. 569 Simotta, ZVglRWiss 116 (2017), 64 f. Die Prorogation der Gerichte des forum loci actus, wo die gleichgeschlechtliche Ehe anerkannt bzw. geregelt ist, stellt somit eine Auffanglösung dar. 564 565
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Staatsangehörigkeit ein Ehegatte besitzt oder beide Ehegatten besitzen (lit. b), vereinbart werden. Haben die Ehegatten verschiedene Staatsangehörigkeiten und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten, ergeben sich über Art. 22 EheGüVO bis zu vier Wahlmöglichkeiten.570 Bei objektiver Anknüpfung kann die GV auf die Gerichte des Staates des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten (Art. 26 lit. a EheGüVO) oder andernfalls des gemeinsamen Heimatstaates (lit. b) lauten. Anzumerken ist, dass nach Art. 22 und Art. 26 auch das Recht eines Drittstaates gewählt werden bzw. zur Anwendung kommen kann. Diesfalls ist eine daran gekoppelte GV aber nicht möglich, weil nach Art. 7 nur die Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte vereinbart werden kann.571 Die GV hat im System der EheGüVO somit einen stark begrenzten Anwendungsbereich.
c) Wählbare Gerichtsstände nach Art. 7 PaGüVO Wie die EheGüVO ermöglicht auch die PaGüVO in den Fällen des Art. 6 den Abschluss einer GV. Zunächst knüpft Art. 7 Abs. 1 1. Fall PaGüVO an das durch subjektive (Art. 22) oder objektive Anknüpfung (Art. 26 Abs. 1) bestimmte anzuwendende Recht an. Dadurch stehen den Partnern bis zu fünf Wahlmöglichkeiten offen: Eine GV kann zugunsten der Gerichte des Aufenthaltsstaates eines oder beider Partner (Art. 22 Abs. 1 lit. a PaGüVO), der Gerichte des Staates, dessen Staatsangehörigkeit ein oder beide Partner besitzen (Art. 22 Abs. 1 lit. b), oder der Gerichte des Staates, nach dessen Recht die eingetragene Partnerschaft begründet wurde (Art. 22 Abs. 1 lit. c bzw. Art. 26 Abs. 1), getroffen werden. Abgesehen von dieser Koppelung an das anzuwendende Recht können die Partner auch die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, „in dem die eingetragene Partnerschaft begründet wurde“, vereinbaren. Diese zweite Variante resultiert wohl aus der Übernahme des Wortlautes des Art. 7 EheGüVO, der ausdrücklich die Wahl der Gerichte des Eheschließungsstaates ermöglicht. Diese Wahlmöglichkeit wird in der EheGüVO deshalb ausdrücklich normiert, weil sie sich – anders als bei Art. 22 PaGüVO – nicht schon aus der Koppelung an das anzuwendende Recht ergibt (weder Art. 22 noch Art. 26 Abs. 1 lit. a und lit. b572 EheGüVO knüpfen an das Recht des Eheschließungsortes an). Die 570 571
Simotta, in: König/Mayr, S. 104; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 65. Siehe Art. 7 Abs. 1 EheGüVO: „[…] können die Parteien vereinbaren, dass die Gerichte des Mitgliedstaats […] zuständig sind.“ Der Unionsgesetzgeber kann in Ausübung seiner Rechtssetzungskompetenz nach Art. 81 Abs. 2 lit. f. AEUV nicht die drittstaatliche Zuständigkeit bindend regulieren; vgl. zur EuGVVO Schlosser, in: Schlosser/Hess, EU‑Zivilprozessrecht4 (2015) Art. 1 Rn. 2 EuGVVO. 572 Eine – zwar denkbare – Anknüpfung an den Eheschließungsort als Ausdruck der „engsten Verbindung“ (so noch ausdrücklich Art. 17 Abs. 1 lit. c des Kommissionsvorschlages aus 2011; siehe KOM(2011) 126/2 endg.) gemäß Art. 26 Abs. 1 lit. c EheGüVO bleibt insofern ausgeschlossen, als Art. 7 EheGüVO nur auf Art. 26 Abs. 1 lit. a und b verweist. Damit soll wohl verhindert werden, dass sich die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Auslegung
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deutsche Sprachfassung des Art. 7 Abs. 1 2. Fall PaGüVO ist allerdings missverständlich: Nach dem Wortlaut bezieht sich Art. 7 Abs. 1 2. Fall PaGüVO auf den Begründungsstaat der Partnerschaft, nicht aber wie in anderen Sprachfassungen573 auf den Staat, nach dessen Recht die Partnerschaft begründet wurde. Zwar stimmen das Begründungsstatut und der Begründungsstaat (bzw. dessen Recht) regelmäßig überein, doch ist ein solcher Gleichlauf mangels unionsweit harmonisierter Kollisionsregeln zur Eintragung bzw. Begründung der Partnerschaft nicht zwingend gegeben; ein Paar könnte durchaus in einem Staat unter Anwendung fremden Partnerschaftsrechts als Partnerschaft eingetragen werden. Diese Differenzierung kann nicht gewollt sein, sodass es sich in der deutschen Sprachfassung des Art. 7 Abs. 1 2. Fall PaGüVO wohl um eine Übersetzungsungenauigkeit handelt. Das bedeutet aber, dass Art. 7 Abs. 1 2. Fall PaGüVO bei dieser Lesart – der Staat, nach dessen Recht die Partnerschaft begründet wurde – obsolet ist, weil bereits in der ersten Alternative über Art. 22 Abs. 1 lit. c PaGüVO die Zuständigkeit dieses Staates begründet werden kann.
d) Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung Die Gerichtsstandsvereinbarung wird nach Art. 7 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO zwischen den Ehegatten bzw. Partnern getroffen und entfaltet damit – in Einklang mit der Rspr. des EuGH574 zur analogen Regelung der EuGVVO – ihre zuständigkeitsrechtlichen Wirkungen grundsätzlich nur zwischen diesen als Parteien. Dieser Umstand ist im Güterrecht besonders relevant, weil hier regelmäßig auch die Rechte Dritter, die einen Anspruch gegen eine oder beide Ehegatten bzw. Partner haben, betroffen sind (z. B. Vermieter, Kreditgeber usw.). Eine GV erstreckt sich aufgrund der oben erwähnten inter partes-Wirkung aber nur dann auf Dritte, wenn diese der Prorogation zustimmen.575 Die Güterrechtsverordnungen gehen auf diesen Aspekt nur in Bezug auf die RW ein, wonach gemäß Art. 28 EheGüVO/PaGüVO einem Dritten das Güterstatut nur unter bestimmten Voraussetzungen entgegen gehalten werden kann und Dritte in ihrem Vertrauen auf die Anwendung eines anderen Rechts geschützt werden.576 Diese der „engsten Verbindung“ auf die Zuständigkeit bzw. die GV ausdehnen; siehe Dutta, FamRZ 2016, 1977. 573 Vgl. etwa „Stato membro ai sensi della cui legge l’unione registrata è stata costituita“, „l’État membre en vertu de la loi duquel le partenariat enregistré a été créé“ und „the Member State under whose law the registered partnership was created“. 574 Siehe zu Art. 23 EuGVVO a. F. (Art. 25 EuGVVO n. F.) EuGH 7.2.2013, C-543/10, Refcomp SpA/Axa Corporation Solutions Assurance SpA u. a. Rn. 29 ECLI:EU:C:2013:62. 575 EuGH C‑543/10 Rn. 29; 15.5.2015, C‑352/13, Cartel Damage Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA/Akzo Nobel NV u. a. Rn. 64 ff. ECLI:EU:C:2015:335; 28.6.2017, C-436/16, Georgios Leventis, Nikolaos Vafeias/Malcon Navigation Co ltd u. a. Rn. 35 ff. ECLI:EU:C:2017:497; 13.7.2017, C-368/16, Assens Havn/Navigators Management (UK) Limited Rn. 35, 39 f. ECLI:EU:C:2017:546. 576 Siehe oben § 3 C. II 1. e).
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Regelung spricht dafür, dass auch die GV grundsätzlich nicht gegenüber Dritten wirkt.577 Dasselbe gilt für eine Vereinbarung nach Art. 5 EheGüVO/PaGüVO, die wie erwähnt funktionell einer GV entspricht.578 Art. 7 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO bezieht sich nicht auf ein konkretes Gericht, sondern auf die „Gerichte des Mitgliedstaats“. Die GV nach Art. 7 EheGüVO/PaGüVO erfasst daher nur die internationale Zuständigkeit.579 Über die Zulässigkeit einer Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit äußert sich der Verordnungstext nicht explizit. Richtigerweise richtet sich diese Frage nach dem nationalen Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten.580 Des Weiteren kommt einer GV nach den genannten Bestimmungen ausdrücklich eine ausschließliche Wirkung zu.581
e) Abschlusszeitpunkt Art. 7 EheGüVO/PaGüVO bezieht sich nicht wie Art. 22 (für die RW) auf „Ehegatten oder künftige Ehegatten“ bzw. „Ehepartner oder künftige Partner“, sondern verwendet den für verfahrensrechtliche Bestimmungen üblichen582 Begriff der „Parteien“. Angesichts dieser unterschiedlichen Formulierungen ist fraglich, ab wann eine GV getroffen werden kann. Die dahingehende Deutung von „Parteien“, dass eine GV nur im Zusammenhang mit einem Verfahren getroffen werden kann, greift freilich zu kurz: Wie bei der RW ausgeführt, besteht schon während bzw. vor Beginn der güterrechtlichen Verhältnisse ein Regelungsbedarf. Ehegatten bzw. Partner haben daher nicht nur erst im Zuge der Eheschließung bzw. Partnerschaftseintragung, sondern auch schon davor Interesse an einer Festlegung des Gerichtsstands. Art. 7 EheGüVO/PaGüVO ermöglicht ja gerade die Wahl der Gerichte des Staates der Eheschließung bzw. der Partnerschaftsbegründung. Eine darauf lautende GV ist daher sinnvollerweise schon vor dem Entstehen einer güterrechtlichen Auseinandersetzung (z. B. in einem Ehevertrag) möglich.583 Als Argument kann auch Art. 5 EheGüVO/PaGüVO herangezogen werden, wonach eine Vereinbarung der Annexzuständigkeit auch vor Verfahrenseinleitung getroffen werden kann. Diese flexible Regelung sollte auch für eine GV nach Art. 7 gelten.584 Außerdem spricht die Verschränkung der RW und der Gerichtsstandswahl dafür, den Abschlusszeitpunkt beider Ver577 578
Simotta, in: König/Mayr, S. 95 f. und 106; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 69 f. Simotta, in: König/Mayr, S. 95 f.; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 57. 579 Zur Kritik an dieser Regelung siehe unten § 4 B. I. 2. b). 580 Simotta, in: FS Geimer, S. 685. 581 Siehe Art. 7 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO: „vereinbaren, dass die Gerichte […] ausschließlich zuständig sind“. 582 Auch Art. 25 EuGVVO n. F. und Art. 4 UntVO beziehen sich für den personellen Anwendungsbereich der Gerichtsstandswahlregelung auf die „Parteien“. 583 Vgl. Viarengo, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 208. 584 Siehe auch Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 233; dies., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Einf. EU‑EheGüterVO‑E Rn. 25; C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1511.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
einbarungen zu koordinieren. Bei einer an die RW gekoppelten GV ist aber zu beachten, dass diese nur nach oder gleichzeitig mit einer RW getroffen werden kann, nicht aber davor, weil Voraussetzung für die Wirksamkeit der GV eine gültige RW ist.585
3. Koordinierung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung Aus den obigen Darstellungen geht hervor, dass in den Güterrechtsverordnungen eine besonders enge Verschränkung zwischen IPR und IZVR angestrebt wurde. Dieses Streben nach einem Zusammenspiel zwischen forum und ius hat zu einer Koppelung der GV und der RW geführt, deren praktische Umsetzung sich als umständlich und schwierig erweisen wird.586 Dies betrifft primär die Anknüpfung der GV nach Art. 7 EheGüVO/PaGüVO an eine RW nach Art. 22.587 Legen die Parteien einem Gericht eine auf seine Zuständigkeit lautende GV vor, muss das angerufene Gericht – neben der Frage, ob überhaupt ein Fall vorliegt, in dem eine GV nach den Güterrechtsverordnungen zulässig ist – zunächst die Gültigkeit der RW prüfen, um überhaupt zu wissen, ob eine wirksame GV vorliegt und das Gericht folglich zuständig ist. Das impliziert in Bezug auf die RW die umfassende Prüfung, ob das von den Parteien gewählte Recht wählbar ist, ob dem komplizierten Formvorschriftensystem gefolgt wurde (und ob gegebenenfalls auch nationale Formerfordernisse588 eingehalten wurden) und ob eine Willenseinigung der Parteien bezüglich der RW vorliegt.589 Ist die RW der Parteien unwirksam, ist folglich auch die GV ungültig. Bezieht sich diese zufällig auf das objektiv anzuwendende Recht nach Art. 26 EheGüVO/PaGüVO, das auch dem Recht des Gerichtsstaates entspricht, ist die GV hingegen „gerettet“. Wie sinnvoll diese Beschränkung der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie ist, kann man zu Recht hinterfragen. Eine gültige, an das Güterstatut geknüpfte GV nach Art. 7 EheGüVO/PaGüVO führt zwar stets zu einem Gleichlauf von forum und ius (anders formuliert, ist die Übereinstimmung von forum und ius geradezu die Voraussetzung für die Gültigkeit der auf das Güterstatut abstellenden GV); doch abgesehen von dieser durchaus vorteilhaften „automatischen“ Konsequenz – auf die der Verordnungsgesetzgeber offensichtlich primär abgezielt hat590 – ist diese Koppelung der prorogierten Zuständigkeit an das Kollisionsrecht aus prozessualer Sicht äußert kritisch zu betrachten. Das damit verbundene umständliche Prüfungsverfahren führt zu bedeutender 585 586
Simotta, in: König/Mayr, S. 103 Fn. 71. Simotta, in: König/Mayr, S. 105 und 124 ff.; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 67 f.; dies., in: FS Geimer, S. 686 ff. 587 Die zweite Prorogationsmöglichkeit (die Vereinbarung der Zuständigkeit der Gerichte des Eheschließungs- bzw. Eintragungsstaates) ist von der folgenden Kritik nicht betroffen. 588 Zur formellen Gültigkeit der RW siehe unten § 3 C. III. 1. 589 Simotta, in: König/Mayr, S. 105; dies., in: FS Geimer, S. 688 ff. 590 Vgl. Simotta, ZVglRWiss 116 (2017), 67 f.
C. Güterrechtsverordnungen
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Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, in welchem Mitgliedstaat das güterrechtliche Verfahren durchzuführen ist. Im Rahmen der Annexzuständigkeiten nach Art. 4 und Art. 5 EheGüVO/PaGüVO ist der Gedanke des Gleichlaufs von forum und ius nur sekundär; primäres Ziel dieser Regelungen ist die Konzentration zusammenhängender Verfahren.591 Eine RW wird hier nicht immer zu einer Übereinstimmung von gewähltem Recht und zuständigem Gericht führen können.592 Ein Gleichlauf liegt außerdem dann nicht vor, wenn einerseits eine Prorogation zu den Gerichten des Staates vorliegt, nach dessen Recht die Ehe geschlossen bzw. die Partnerschaft begründet wurde (Art. 7 Abs. 1 2. Fall EheGüVO/ PaGüVO), andererseits sich das anzuwendende Recht nach einer RW zum Heimat- oder Aufenthaltsstaat (Art. 22 Abs. 1 lit. a und b EheGüVO/PaGüVO) oder – im Fall von Ehegatten – nach dem objektiven Güterstatut des Art. 26 Abs. 1 EheGüVO richtet. Nur eingetragene Partner können bei einer solchen GV eine Übereinstimmung von forum und ius erzielen, indem sie eine RW nach Art. 22 Abs. 1 lit. c PaGüVO zur lex registrationis abschließen oder wenn die gleichlautende objektive Anknüpfung nach Art. 26 Abs. 1 PaGüVO greift. Eine analoge, auf das Recht des Eheschließungsstaates lautende Rechtswahlmöglichkeit steht Ehegatten nicht explizit offen.593 Im Ergebnis erweist sich das Zusammenspiel zwischen IPR und IZVR als kompliziert und führt primär dann zu einem Gleichlauf von forum und ius, wenn eine GV getroffen wird, für die aber im Zuständigkeitssystem der Güterrechtsverordnungen nur ein geringer Anwendungsbereich besteht. Treffen die Ehegatten weder eine RW noch eine GV und handelt es sich nicht um einen Fall der Annexzuständigkeit, so kann es durchaus häufig zu einem Auseinanderfallen von forum und ius kommen. Die Zuständigkeit richtet sich hier zunächst nach dem aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung in einem Mitgliedstaat (Art. 6 lit. a EheGüVO), das Güterstatut aber nach dem ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach der Eheschließung (Art. 26 Abs. 1 lit. a EheGüVO). Haben die Ehegatten zwischen Eheschließung und dem güterrechtlichen Verfahren ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gewechselt, so ist für die Zuständigkeit und das Güterstatut auf zwei unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte abzustellen. Dasselbe 591 592
Simotta, in: König/Mayr, S. 85. Die Koordinierung zwischen den Rechtswahlmöglichkeiten und den Annexzuständigkeiten wird im nächsten Abschnitt (§ 4 B. I. 4.) genauer diskutiert, weil dazu ein Vergleich über die Güterrechtsverordnungen hinaus mit den Zuständigkeitsregeln der anderen VO notwendig ist. 593 Zu beachten ist, dass bei der Anknüpfungsleiter des Art. 26 Abs. 1 EheGüVO vorrangig das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsstaates (Art. 26 Abs. 1 lit. a), andernfalls das Recht des gemeinsamen Heimatstaates (lit. b) zur Anwendung berufen wird. Eine Anknüpfung an den Eheschließungsort als Ausdruck der „engsten Verbindung“ gemäß lit. c ist zwar denkbar, um einen Gleichlauf zu erreichen, könnte aber ohnehin nur als letzte Möglichkeit greifen.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
gilt, wenn die Ehegatten von ihrem gemeinsamen Aufenthaltsstaat weggezogen und im Zeitpunkt der Streitigkeit in verschiedenen Staaten ansässig sind: Für das Güterstatut gilt nach wie vor der erste, aber mittlerweile eben aufgegebene gewöhnliche Aufenthalt nach der Eheschließung, während sich die Zuständigkeit gemäß Art. 6 lit. c EheGüVO nach dem (neuen) gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners richtet.594 Ist dieser in einem Drittstaat aufhältig, so greift als Gerichtsstand Art. 6 lit. d EheGüVO in Bezug auf den gemeinsamen Heimatstaat. Auch hier gibt es keine Übereinstimmung mit dem objektiven Güterstatut, weil nach wie vor der erste gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich ist. Da Ehegatten meistens unmittelbar nach der Eheschließung gemeinsam wohnen und sich getrennte gewöhnliche Aufenthalte oft erst zu einem späteren Zeitpunkt ergeben, wird sich das objektive Güterstatut wohl in den meisten Fällen nach Art. 6 Abs. 1 lit. a EheGüVO richten. Die Ausweichklausel in Art. 26 Abs. 3 könnte einen Ausweg darstellen, mit dem allerdings einige Auslegungsunsicherheiten verbunden sind.595 In Summe scheint das System der gesetzlichen Gerichtsstände und der objektiven Kollisionsregeln nicht klar miteinander zu korrelieren. Für eingetragene Partner gestaltet sich die Rechtslage zwar insofern leichter, als grundsätzlich nur am Recht des Begründungsortes objektiv angeknüpft wird; doch ist genauso wenig gesichert, dass dieses Recht mit den gesetzlichen Gerichtsständen übereinstimmt. Möchten die Ehegatten oder Partner im Voraus für Rechtssicherheit sorgen, so sind sie gut daran beraten, eine RW und parallel dazu eine GV zu treffen; insbesonders kann über die RW den Schwächen der objektiven Anknüpfung ausgewichen werden.
III. Formelle Gültigkeit 1. Rechtswahl Art. 23 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO statuiert für die RW als verordnungsautonome Formerfordernisse die Schriftform, die Datierung und die Unterzeichnung durch beide Parteien. Elektronische Übermittlungen, die die RW dauerhaft aufzeichnen, erfüllen gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 ebenso das Schriftformerfordernis; die Datierung und Unterzeichnung können hingegen nicht substituiert werden. Art. 23 Abs. 2–4 verlangen darüber hinaus die Einhaltung strengerer innerstaatlicher Formvorschriften für (materiellrechtliche) Vereinbarungen über den ehelichen Güterstand, die sich aus dem bzw. den mitgliedstaatlichen Aufenthaltsstaat(en) der Ehegatten ergeben. Dabei kann es sich zunächst um das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsstaates der Ehegatten im Rechtswahlzeitpunkt (Abs. 2) handeln. Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten in 594 Art. 6 lit. b EheGüVO würde in diesem Beispiel ausscheiden, weil keiner der Ehegatten den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechterhalten hat. 595 Dazu näher Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 238.
C. Güterrechtsverordnungen
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unterschiedlichen Mitgliedstaaten gilt das Günstigkeitsprinzip: Sieht das Recht dieser zwei Mitgliedstaaten verschiedene Formerfordernisse vor, so genügt die Einhaltung der Bestimmungen nur eines Rechts (Abs. 3). Hat nur ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat, sind dessen qualifizierte Formvorschriften einzuhalten (Abs. 4). Die Beachtung der Abs. 2–4 wird die Regel sein,596 weil die teilnehmenden Mitgliedstaaten überwiegend strengere Formvorschriften für Eheverträge, insbesonders die notarielle Beurkundung bzw. Beglaubigung,597 vorsehen. In Finnland und Schweden, wo das Notariat nach romanischer Rechtstradition nicht existiert, wird statt der notariellen Beurkundung eine Registereintragung verlangt.598 Mit dieser Kombination aus minimaler Entscheidungsnorm und kollisionsrechtlicher Verweisungsregel hat sich der Unionsgesetzgeber für eine Regelung entschieden, die Art. 13 des Haager Übereinkommens über das auf Güterstände anwendbare Recht von 1978599 ähnelt.600 Dieses Formvorschriftensystem gilt auch für die Änderung einer RW: Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO bestimmt, dass die Ehegatten und Partner das anzuwendende Recht „bestimmen oder ändern“ können. Da Art. 23 EheGüVO/PaGüVO die Formvorgaben auf „eine Vereinbarung nach Artikel 22“ bezieht, umfasst dies auch eine Änderung der RW durch Abschluss einer neuen RW. Wie erwähnt kennen beinahe alle teilnehmenden Mitgliedstaaten strengere Formvorschriften. Die Öffnungsklausel in Art. 7 EheGüVO/PaGüVO ist daher als logisches Ergebnis des Einigungsprozesses zu sehen, zumal diese Staaten ein besonderes Interesse an der Wahrung ihrer strengeren nationalen Formvorschriften haben.601 Aus Sicht der Praxis kann das zusätzliche Abstellen auf den/ die Aufenthaltsstaat/en für die Formgültigkeit aber zu Schwierigkeiten führen: Schließt ein schwedisch-finnisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Wien einen Ehevertrag in Stockholm ab und wählt es dabei gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. b EheGüVO schwedisches Recht als Güterrecht, so ist fraglich, wie 596
C. Kohler/Pintens, FamRZ 2014, 1499. Z. B. in Österreich § 1 Abs. 1 lit. a NotAktsG, in Deutschland § 1410 BGB, in Frankreich Art. 1397 Code civil, in Italien Art. 162 i. V. m. Art. 2699 Codice civile und in Belgien Art. 1392 Code civil; siehe die Länderberichte in Boele-Woelki/Braat/Sumner-Curry, European Family Law in Action IV: Property Relations between Spouses 1151 ff.; Pintens, in: FS Hahne, S. 104. 598 Siehe Boele-Woelki/Braat/Sumner-Curry, European Family Law in Action IV: Property Relations between Spouses 1154 und 1159 f.; Döbereiner, Rechtswahlfreiheit im Ehegüterrecht, in: Dutta/J. Weber (Hrsg.), Die Europäischen Güterrechtsverordnungen (2017), S. 63 (S. 71 f.). 599 Abrufbar unter (abgefragt am 13.9.2018). 600 Vgl. noch zum Verordnungsentwurf der EheGüVO Andrae, in: FS Martiny, S. 8. 601 Vgl. Dengel, Die europäische Vereinheitlichung des Internationalen Ehegüterrechts und des Internationalen Güterrechts für eingetragene Partnerschaften 292. 597
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
die RW gemäß Art. 22 Abs. 2 die nach österreichischem Recht geforderte Form des in Schweden unbekannten Notariatsaktes erfüllen soll.
2. Gerichtsstandsvereinbarung Parallel zu Art. 23 EheGüVO/PaGüVO normiert Art. 7 Abs. 2 als verordnungsautonome Formvorschriften für die GV die Schriftform bzw. alternativ eine elektronische Übermittlung, ferner die Datierung und die Unterzeichnung durch beide Parteien. Die übereinstimmenden Formvorgaben für die RW und die GV erleichtern es grundsätzlich, beide Vereinbarungen gemeinsam zu treffen. Allerdings ist zu beachten, dass für die Gültigkeit einer GV zugunsten der Gerichte des Staates, dessen Recht gewählt wurde, bereits eine gültige RW vorliegen oder zumindest gleichzeitig getroffen werden muss, sodass der Datierung der Prorogation eine entscheidende Bedeutung zukommt.602 Auch für die Vereinbarung der Annexzuständigkeit in Art. 5 EheGüVO/PaGüVO sind verordnungsautonome Formvorschriften zu beachten, wenn es sich um eine vorprozessuale Vereinbarung handelt. Art. 5 Abs. 3 EheGüVO verweist dazu auf Art. 7 Abs. 2 EheGüVO. Art. 5 Abs. 3 PaGüVO verweist hingegen als kosmetische Ungenauigkeit pauschal auf „Artikel 7“ und nicht spezifisch auf dessen Abs. 2, der die Formvoraussetzungen regelt.
IV. Materielle Gültigkeit 1. Rechtswahl a) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht Nach dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO können die Ehegatten bzw. Partner das Güterstatut „durch Vereinbarung bestimmen“.603 Damit wird für die materielle Wirksamkeit der RW ein verordnungsautonomes Erfordernis einer tatsächlichen Willenseinigung normiert.604 Im Übrigen605 verweisen die Güterrechtsverordnungen für das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der RW gemäß Art. 24 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO auf das Recht, welches nach Art. 22 bei Wirksamkeit der RW anzuwenden wäre. Damit hat der Gesetzgeber kohärenterweise die bereits aus den anderen kollisionsrechtlichen VO (Art. 10 Rom I‑VO, Art. 6 Rom III‑VO) bekannte Vorgriffswirkung des gewählten Rechts in die Endfassung606 der EheGüVO und der PaGüVO übernommen. 602
Simotta, in: König/Mayr, S. 103 Fn. 71. Vgl. „may agree to designate“, „designare […] di comune accordo“ und „peuvent convenir de désigner“. 604 Siehe oben zur Rom III‑VO § 3 B. IV. 1. 605 Siehe für den Begriffsumfang zur analogen Regelung der Rom III‑VO oben § 3 B. IV. 1. 606 Die ersten Verordnungsvorschläge aus 2011 enthielten gar keine Regelung zur materiellen Wirksamkeit; vgl. Martiny, IPRax 2011, 449; C. Kohler, L’autonomie de la volonté 231. 603
C. Güterrechtsverordnungen
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Aus der Rom I‑VO und der Rom III‑VO wurde zudem die Regelung für Art. 24 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO übernommen607: Nach dieser Bestimmung kann sich ein Ehegatte oder Partner auf das Recht des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung berufen, wenn es für die Behauptung, er habe der RW nicht zugestimmt, in Anbetracht der Umstände unangemessen wäre, die Wirkung seines Verhaltens nach dem gewählten Recht zu bestimmen. Bedenkt man, dass bereits die Übernahme der Vorbildregelung aus Art. 10 Abs. 2 Rom I‑VO in die Rom III‑VO als unpassend und praktisch irrelevant kritisiert wurde,608 ist die Übernahme dieser auf das Vertragsrecht bzw. auf Rechtswahlklauseln in AGB zugeschnittenen und zudem umständlich formulierten Einredemöglichkeit in die Güterrechtsverordnungen umso weniger nachvollziehbar. Wie schon zur Rom III‑VO ausgeführt,609 ist für diese Regelung im Familienrecht kaum ein praktischer Anwendungsbereich ersichtlich. Außerdem ist sie speziell im Rahmen der Güterrechtsverordnungen, die an die RW grundsätzlich auch die Gültigkeit der GV koppeln, aus prozessualer Sicht besonders problematisch610: Die Einredemöglichkeit führt dazu, dass im Vorhinein nicht klar vorhersehbar ist, nach welchem Recht sich die Einigung der Ehegatten bzw. Partner beurteilt und ob folglich die RW wirksam getroffen wurde oder nicht. Da die Wirksamkeit der RW aber wiederum Auswirkungen auf die Gültigkeit der GV haben kann, wird auch die Zuständigkeit weniger vorhersehbar.611 Wie zu Beginn der Arbeit ausgeführt,612 ist Sinn und Zweck einer GV, im Rahmen der Zuständigkeit für Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit zu sorgen. Art. 24 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO widerspricht im Ergebnis dem Ziel, parteiautonome Entscheidungen zu stärken und zu fördern. Die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Ehegatten bzw. Partner sind vom Anwendungsbereich der Güterrechtsverordnungen ausdrücklich ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. a EheGüVO/PaGüVO) und daher selbstständig nach den Kollisionsregeln der lex fori anzuknüpfen.613 Erwägungsgrund 20 EheGüVO/PaGüVO bestimmt allerdings, dass sich diese Bereichsausnahme nicht auf die im Zusammenhang mit dem Vermögen stehenden „spezifischen Befugnisse und Rechte“ der Ehegatten bzw. Partner untereinander und gegenüber Dritten erstreckt;614 diese sollen in den Anwendungsbereich der VO und damit unter das Güterstatut fallen. Auch wenn dadurch ein Widerspruch zur 607
Zur prognostizierten Vorbildwirkung der Rom III‑VO vgl. oben § 3 B. V. Vgl. oben § 3 B. IV. 1. 609 Siehe oben § 3 B. IV. 1. 610 Ausführlich dazu Simotta, in: FS Geimer, S. 690 f. 611 Simotta, in: FS Geimer, S. 691. 612 Siehe oben § 2 B. I. 613 Vgl. zur Rom III‑VO Traar, ÖJZ 2011, 811. 614 Zu denken ist etwa die Vertretungsbefugnis gegenüber Dritten („Schlüsselgewalt“) nach § 96 ABGB und § 10 EPG; für Deutschland siehe § 1357 BGB und § 8 Abs. 2 LPG; näher hierzu Henrich, Zur EU‑Güterrechtsverordnung: Handlungsbedarf für die nationalen Gesetz608
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
Rom III‑VO entsteht,615 erscheint die Zuordnung besonderer Teilaspekte der Geschäftsfähigkeit aufgrund ihrer Nähe zum Güterrecht sachgerecht, wobei eine genaue Abgrenzung an der Schnittstelle zu den Ehe- bzw. Partnerschaftswirkungen und dem Schuldrecht – auch angesichts der geringen Vorgaben in den Güterrechtsverordnungen – nicht immer klar zu ziehen sein wird.
b) Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl? Art. 22 ff. EheGüVO/PaGüVO bestimmen nicht explizit, ob eine RW nur ausdrücklich getroffen werden kann;616 auch die Erwägungsgründe der VO schweigen dazu. Diese Problematik wurde bereits in Bezug auf Art. 5 Rom III‑ VO untersucht.617 Obwohl seit etlichen Jahren – die Rom III‑VO ist grundsätzlich ab 2012 anzuwenden – Meinungsstreitigkeiten zur (Un-)Zulässigkeit einer konkludenten RW bestehen und im Schrifttum für eine Klarstellung in den VO plädiert wird, wurde in den Endfassungen der Güterrechtsverordnungen keine klarstellende Regelung eingeführt. Wie bei der Rom III‑VO stützt sich eine Ansicht618 auf die zeitlich gesehen zwischen der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen liegende ErbVO, die eine schlüssige RW explizit zulässt.619 Im Umkehrschluss würde in den Güterrechtsverordnungen eine ausdrückliche RW erforderlich sein. Der Entstehungsprozess der VO spricht für eine andere Lösung: In den Vorarbeiten war ursprünglich die Normierung einer ausdrücklichen Rechtswahl intendiert,620 doch wurde der Änderungsvorschlag der Kommission zu Art. 19 EheGüVO‑ Entwurf, wonach die RW „zumindest ausdrücklich“ erfolgen muss, letztlich nicht übernommen.621 Diese Nichtübernahme wird häufig als Argument für die Zulässigkeit einer konkludenten RW herangezogen.622
geber, ZfRV 2016, 171 (174); J. Weber, Die Europäischen Güterrechtsverordnungen: Eine erste Annäherung, DNotZ 2016, 659 (685). 615 In der Rom III‑VO werden „Nebenaspekte“ der Rechts- und Geschäftsfähigkeit vom Geltungsbereich der VO ausgenommen; siehe oben § 3 B. IV. 1. 616 Siehe etwa § 27c österr. IPRG für das Güterrecht eingetragener Partnerschaften: „[…] nach dem Recht zu beurteilen, das die Parteien ausdrücklich bestimmen“. 617 Siehe oben § 3 B. IV. 2. 618 Andrae, in: FS Martiny, S. 8; C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1512; unklar Dethloff, in: FS Martiny, S. 53. 619 Dazu unten § 3 D. IV. 1. c). 620 Siehe KOM(2011) 126/2, 9: „Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen“. 621 Siehe Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften (COM(2011) 127 – C7-0094/2011 – 2011/0060 (CNS)) 109. 622 Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 236; J. Weber, DNotZ 2016, 680 f.; Hilbig-Lugani, Parteiautonomie im Zusammenspiel des neueren Europäischen Kollisionsrechts, DNotZ 2017, 739 (745).
C. Güterrechtsverordnungen
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Aus Sicht der Praxis sind konkludente RW im Güterrecht jedenfalls nicht unbedeutend.623 Es ist gut denkbar, dass die Schwelle der Ausdrücklichkeit der RW nicht erreicht wird, sodass der Ausschluss einer konkludenten RW problematisch wäre. Anders als im Kontext der Rom III‑VO, wo sich die Ehegatten meist erst bei Entstehung einer Ehekrise oder bei Konkretisierung eines Verfahrens Gedanken über das Scheidungsrecht machen, ist der Güterstand von Beginn der Paarbeziehung an relevant. Dies betrifft auch das anzuwendende Güterrecht, das oft Teil eines Ehevertrages ist,624 woraus sich ein bedeutender Anwendungsbereich für die konkludente RW ergibt.625 Denn bei Eheverträgen ist meist gut erkennbar, nach welchem Recht diese ausgerichtet sind.626 Für das Vorliegen einer konkludenten RW ist jedenfalls ein gemeinsamer kollisionsrechtlicher Wille zur Anwendung eines bestimmten Güterrechts notwendig.627 Die Anforderungen dafür sollten nicht zu niedrig angesetzt werden, da bloße Rechtsgeltungsannahmen – bei der die Ehegatten von der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts „ausgehen“ – mangels Rechtswahlbewusstseins keine wirksame RW darstellen.628 Wollen etwa deutsch-französische Ehegatten, die keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, in Deutschland einen Grundstücksvertrag abschließen und einigen sie sich als Güterstand auf die deutsche Zugewinngemeinschaft, so könnte eine konkludente RW zum deutschen Recht als Güterstatut vorliegen.629 Zu beachten ist, dass die materiellrechtliche Güterstandsvereinbarung, aus der sich die RW schlüssig ergibt, den Formanforderungen des Art. 23 EheGüVO/PaGüVO gerecht werden muss. Dies wird in der Regel keine Probleme bereiten, da die Formvorschriften für materiellrechtliche Güterstandsvereinbarungen in Art. 25 EheGüVO/PaGüVO mit jenen des Art. 23 weitestgehend übereinstimmen. Ein Auseinanderfallen der Formvoraussetzungen für die RW und die zugrundeliegenden Güterstandsvereinbarung ist aber möglich, wenn gemäß Art. 25 Abs. 3 EheGüVO/PaGüVO zusätzliche, im gewählten Güterstatut für die materiellrechtliche Vereinbarung vorgesehene Formvorschriften anzuwenden sind. Diese Diskrepanz ist aus Sicht der Rechtsanwendung nicht 623
Siehe bereits V. Stoll, Die Rechtswahl im Namens-, Ehe- und Erbrecht 205 f. Vgl. Art. 11 des Haager Übereinkommens über das auf Güterstände anwendbare Recht, der sich für die schlüssige RW auf Eheverträge bezieht: „by necessary implication from the provisions of a marriage contract“. 625 Kroll-Ludwigs, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Einf. EU‑EheGüterVO‑E Rn. 58; vgl. auch Andrae, in: FS Martiny, S. 8. 626 V. Stoll, Die Rechtswahl im Namens-, Ehe- und Erbrecht 206. 627 Lichtenberger, Zum Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, DNotZ 1986, 644 (672); V. Stoll, Die Rechtswahl im Namens-, Ehe- und Erbrecht 203. 628 Vgl. zur Übergangsregelung des Art. 220 Abs. 3 Z. 2 EGBGB Lorenz, Das intertemporale internationale Ehegüterrecht nach Art. 220 III EGBGB und die Folgen eines Statutenwechsels (1991) 70 und 82. 629 Siehe mit einem ähnlichen Beispiel Henrich, Internationales Familienrecht2 (2000) 110. 624
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
nachvollziehbar und kann im Einzelfall dazu führen, dass die RW formgültig, die Güterstandsvereinbarung hingegen formunwirksam ist.630
c) „Informierte“ Rechtswahl Das bereits aus der Rom III‑VO bekannte Konzept der „informierten Rechtswahl“ hat auch in die Güterrechtsverordnungen Eingang gefunden: Erwägungsgrund 47 EheGüVO und Erwägungsgrund 46 PaGüVO statuieren, dass die Ehegatten bzw. Partner die RW „einvernehmlich“ und in „voller Sachkenntnis“ treffen sollten. Die Einvernehmlichkeit kommt ohnehin in der notwendigen Einigung zwischen den Parteien zum Ausdruck. Die „volle Sachkenntnis“ hingegen soll nach den Erwägungsgründen durch die Festlegung von Regelungen zur materiellen und formellen Gültigkeit der RW erleichtert werden.631 Somit wird wie in der Rom III‑VO eine Verbindung zwischen den Formvorschriften und dem Sicherstellen einer informierten Wahlentscheidung gezogen632: So sollen hinsichtlich der Formgültigkeit der RW „bestimmte Schutzvorkehrungen getroffen werden“, um sicherzustellen, dass sich die Ehegatten und Partner „der Tragweite ihrer Rechtswahl bewusst sind“.633 Im Vergleich zur Rom III‑VO statuieren die Erwägungsgründe in den Güterrechtsverordnungen eine ähnlich hohe Schwelle der Informiertheit („volle Sachkenntnis“), allerdings mit weniger Nachdruck. So fehlt etwa ein Appell an die Richter der Mitgliedstaaten. Damit ist umso fraglicher, an wen sich das Konzept der informierten RW richtet und welche Tragweite diesen Erwägungsgründen zukommt. Jedenfalls ergeben sich daraus – wie schon im Rahmen der Rom III‑VO erörtert634 – weder besondere materielle Gültigkeitsvoraussetzungen für die RW noch eine Belehrungspflicht635 oder eine zwingende Kontrolle der RW seitens der Richter. Auch wird zur Erreichung der Informiertheit aus Sicht der Parteien nicht explizit auf die EU‑Webseite des Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen verwiesen. Erwägungsgrund 67 EheGüVO und Erwägungsgrund 65 PaGüVO beziehen sich darauf lediglich in allgemeiner Weise und auch nur aus Sicht der Mitglied630 Baldovini, Die europäischen Güterrechtsverordnungen – Anwendungsbereich, Abgrenzung und Kollisionsrecht, iFamZ 2018, 39 (44). 631 Siehe ErwGr. 46 EheGüVO und ErwGr. 47 PaGüVO: „Es sollten Regeln zur materiellen Wirksamkeit und zur formellen Gültigkeit einer Vereinbarung über die Rechtswahl festgelegt werden, die es […] erleichtern, ihre Rechtswahl in voller Sachkenntnis zu treffen [….]“. 632 Vgl. im Kontext der konkludenten RW J. Weber, DNotZ 2016, 680. 633 ErwGr. 47 Satz 2 EheGüVO und ErwGr. 46 Satz 2 PaGüVO. 634 Siehe oben § 3 B. IV. 3. 635 Eine solche ist hingegen in Art. 8 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO im Zusammenhang mit der rügelosen Einlassung vorgesehen: Demnach muss das Gericht die Belehrung des Beklagten über sein Recht, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen der Einlassung bzw. Nichteinlassung auf das Verfahren sicherstellen, bevor es sich aufgrund der rügelosen Einlassung für zuständig erklärt; vgl. zur Vorbildregelung des Art. 24 EuGVVO n. F. oben § 3 B. IV. 3.
C. Güterrechtsverordnungen
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staaten: Letztere sollen auf der Webseite Informationen zu ihrem Güterrecht zur Verfügung stellen, um „die Anwendung der VO zu erleichtern“. Erwägungsgrund 47 EheGüVO und Erwägungsgrund 46 PaGüVO gehen aber explizit auf die strengeren Formerfordernisse nach nationalem Recht ein, die gegebenenfalls gemäß Art. 23 EheGüVO/PaGüVO zu beachten sind. Der Verweis spricht dafür, dass die „volle Sachkenntnis“ vor allem durch qualifizierte Formvoraussetzungen, die eine Rechtsberatung bieten (z. B. notarielle oder anwaltliche Beurkundung), erreicht werden soll,636 zumal mit der bloßen Schriftform kaum eine Warn- und Informationsfunktion verbunden ist. In vielen Mitgliedstaaten sind Notare oder Anwälte bei Eheverträgen und güterrechtlichen Vereinbarungen involviert.637 Dies ist angesichts der Tragweite der grundsätzlich auf Dauer angelegten güterrechtlichen Vereinbarungen eine sachgerechte Entscheidung. In der Tat können die Erwägungsgründe der Güterrechtsverordnungen als Relikt des gescheiterten Versuches betrachtet werden, eine echte Beratungspflicht638 im Zusammenhang mit der RW einzuführen. In einem Verordnungsentwurf zur PaGüVO639 war in Art. 15b Abs. 3 als Bedingung für die Gültigkeit der RW eine verpflichtende Beratung der Partner vorgesehen.640 In die Endfassung der PaGüVO wurde diese Bestimmung aber nicht übernommen. Für die EheGüVO wurde im Rahmen der Verhandlungen ebenso ein Beratungserfordernis vorgeschlagen, doch konnte sich dieser Vorschlag nicht einmal im Kompromisstext der VO durchsetzen.641 Beibehalten wurde nur die in Art. 22 Abs. 1 PaGüVO erfasste Regelung, wonach die Zulässigkeit der RW unter dem Vorbehalt steht, dass das gewählte Recht das Institut der eingetragenen Partnerschaft kennt. Im Ergebnis ist somit keine Weiterentwicklung bzw. Konkretisierung des Konzepts der informierten Wahlentscheidung aus der Rom III‑VO in den Güterrechtsverordnungen festzustellen; vielmehr sind die Erwägungsgründe im Vergleich zur Rom III‑VO deutlich zurückhaltend. Sie können aber als Appell an jene Mitgliedstaaten, die nur die schlichte Schriftform für die RW verlangen, gesehen werden, um die Einführung entsprechender Formregelungen zur Einschaltung einer beratenden und informierenden Mittelsperson anzuregen. 636
Vgl. auch Viarengo, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 212 f.
637 Siehe oben § 3 C. III. 1. 638 So kommt etwa im Vereinigten
Königreich hinsichtlich der Wirksamkeit von güterrechtlichen Vereinbarungen der unabhängigen Rechtsberatung beider Ehegatten entscheidener Bedeutung zu; vgl. die Leitentscheidung des Supreme Court 20.10.2010, UKSC 42, Radmacher/Granatino FamRZ 2011, 1474 (Karsten) = IFL 2011, 215 (Verburgt/Bruce/Kühne); näher dazu Scherpe, Das vorläufig letzte Wort zu Eheverträgen in England und Wales, FamRZ 2011, 1471 (1473). 639 Siehe Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 (COM(2011) 127 – C7–0094/2011 – 2011/0060 (CNS)) 42. 640 Vgl. dazu Buschbaum, GPR 2014, 4; Dethloff, in: FS Martiny, S. 53 f. 641 Siehe Dethloff, in: FS Martiny, S. 54.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
d) Inhaltskontrolle der Rechtswahl Hinsichtlich einer Inhaltskontrolle der RW kann im Wesentlichen auf das bereits zur Rom III‑VO Ausgeführte verwiesen werden.642 Eine inhaltliche Kontrolle der RW anhand des gewählten Rechts sollte auch in den Güterrechtsverordnungen ausgeschlossen sein; eine Ausdehnung der materiellrechtlichen Kontrollmaßstäbe würde die bereits begrenzte Rechtswahlfreiheit weiter einschränken. Praktisch gesehen würde eine Inhaltskontrolle ohnehin kaum schlagend werden.643 Außerdem kennen die Güterrechtsverordnungen bereits verordnungsautonome Kontrollmechanismen: Über den ordre public-Vorbehalt in Art. 31 EheGüVO/PaGüVO kann dem gewählten Recht in Ausnahmefällen644 – z. B. bei gleichheitswidrigen güterrechtlichen Bestimmungen, die bei der Vermögensaufteilung nach dem Geschlecht differenzieren645 – eine Grenze gezogen werden.
2. Gerichtsstandsvereinbarung a) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht Gemäß Art. 5 und Art. 7 EheGüVO/PaGüVO können die Parteien die gerichtliche Zuständigkeit „vereinbaren“.646 Damit wird für die GV bzw. für die Vereinbarung der Annexzuständigkeit647 analog zu Art. 4 UntVO als verordnungsautonom bestimmbare Voraussetzung des Zustandekommens der GV das Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen normiert.648 Dazu kann auf die h. A.649 zur EuGVVO verwiesen werden, wonach diese Willenseinigung durch die Einhaltung der (Schrift-)Formerfordernisse – hier gemäß Art. 7 EheGüVO/PaGüVO – indiziert wird. Weitere materielle Wirksamkeitsaspekte werden nicht geregelt. Insbesonders fehlt eine Regelung, die das auf die materielle Wirksamkeit der GV anzuwendende Recht bestimmt. Diese Lücke ist nicht nachvollziehbar, zumal Art. 24 EheGüVO/PaGüVO eine entsprechende Regelung für die RW enthält. Art. 25 EuGVVO n. F., wonach das Recht des forum prorogatum die materielle Nichtigkeit der GV regelt,650 wurde nicht eigens in die Güterrechtsverordnungen übernommen. Meines Erachtens ist Art. 25 zur 642
Siehe oben § 3 B. IV. 4. J. Weber, DNotZ 2016, 679 f. Wie schon zur Rom III‑VO ausgeführt, wird ein Richter die RW nicht ablehnen wollen, wenn es sich bei dem gewählten Recht um die lex fori handelt. 644 Einen geringen praktischen Anwendungsbereich des ordre public-Vorbehalts sieht Finger, FuR 2012, 18. 645 Weber, DNotZ 2016, 689. 646 Vgl. „peuvent convenir“, „possono concordare“, „may agree“. 647 Funktionell entspricht die „Vereinbarung“ nach Art. 5 EheGüVO/PaGüVO einer GV und ist in ihrer Rechtsnatur als solche zu behandeln; siehe Simotta, in: König/Mayr, S. 95. 648 Vgl. die entsprechenden Ausführungen zu Art. 4 UntVO oben § 3 A. IV. 1. a). 649 Siehe nur Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 63 ff. 650 Zu Art. 25 EuGVVO n. F. siehe oben § 3 A. IV. 1. b). 643
C. Güterrechtsverordnungen
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Lückenfüllung analog in den Güterrechtsverordnungen heranzuziehen. Da bei einer GV nach Art. 7 EheGüVO/PaGüVO stets ein Gleichlauf von forum und ius gegeben ist und daher die lex fori prorogati nach Art. 25 EuGVVO n. F. dem gewählten Güterrechtsstatut (lex causae) entspricht, kann das Gericht das eigene Recht für die materielle Wirksamkeit der GV heranziehen. Im Falle einer an die RW geknüpften GV werden beide Vereinbarungen hinsichtlich ihrer materiellen Wirksamkeit grundsätzlich nach dem gleichen Recht beurteilt, weil auch die Gültigkeit der RW gemäß Art. 24 EheGüVO/PaGüVO ausdrücklich dem gewählten Güterstatut unterliegt. Diese einheitliche Anknüpfung der materiellen Gültigkeit der GV und RW erscheint angesichts der engen Verbindung der beiden Vereinbarungen besonders sinnvoll. Die Anwendung des eigenen Rechts auf die Frage der materiellen Gültigkeit der GV gilt freilich unter der Voraussetzung, dass das Verfahren am forum prorogatum eingeleitet worden ist.
b) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung In den Güterrechtsverordnungen fehlt eine Regelung dafür, welcher Zeitpunkt für die Gültigkeit der GV maßgeblich ist. Wie zu Art. 4 UntVO ausgeführt,651 kommen dafür aus prozessualer Sicht grundsätzlich zwei Zeitpunkte in Betracht: der Zeitpunkt des Abschlusses der GV und der Zeitpunkt der Gerichtsanrufung. Stellt man auf den Abschlusszeitpunkt ab, ergibt sich bei einer GV, die gemäß Art. 7 Abs. 1 1. Fall EheGüVO/PaGüVO auf die Gerichte des Staates des gewählten Rechts lautet, folgendes Szenario: War zum Abschlusszeitpunkt die RW wirksam, bleibt die GV aufgrund des Abstellens auf den Abschlusszeitpunkt aufrecht, wenn die RW – wie in Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO ausdrücklich ermöglicht wird – nachträglich geändert oder aufgehoben wird, die GV aber unverändert bleibt. Allerdings stimmen das (nunmehr geänderte) Güterstatut und die durch die GV begründete Zuständigkeit nicht mehr überein, sodass dem eigentlichen Zweck der GV nach Art. 7 EheGüVO/PaGüVO – der Erzielung eines Gleichlaufs zwischen forum und ius – widersprochen wird. Der Abschlusszeitpunkt kann daher, anders als es die Regelung des Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 UntVO vorsieht, im Rahmen der Güterrechtsverordnungen nicht genügen.652 Stellt man hingegen auf den späteren Zeitpunkt der Gerichtsanrufung ab, wäre die rechtswahlakzessorische GV im oben geschilderten Fall unwirksam, wenn zwischen dem Abschluss der GV und der Gerichtsanrufung die RW geändert oder aufgehoben wird. In Anbetracht des Art. 7 EheGüVO/PaGüVO, der für die GV (als eine Möglichkeit) die Anwendung des Rechts des Staates der vereinbarten Gerichte voraussetzt, ist diese Unwirksamkeit nur konsequent. 651
Siehe oben § 3 A. IV. 1. c). Simotta, ZVglRWiss 116 (2017), 68 Fn. 55.
652 Ebenso
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob die GV an eine gültige RW anknüpft, sollte daher der Zeitpunkt der Gerichtsanrufung sein.653 Ferner ist auch möglich, dass bei Gerichtsanrufung (und auch schon im Abschlusszeitpunkt der GV) wirksame und gleichlautende Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarungen vorliegen, aber im Verfahren – nach Maßgabe des nationalen Rechts654 – nur die RW abgeändert oder aufgehoben wird. Hier gilt allerdings schon nach dem Grundsatz der perpetuatio iurisdictionis,655 dass die durch die GV begründete internationale Zuständigkeit aufrecht bleibt, weil im Zeitpunkt der Gerichtsanhängigkeit die GV gültig war und folglich die Voraussetzungen für die Begründung der Zuständigkeit gegeben waren. Zwar kommt es hier wiederum zu einem Auseinanderfallen von forum und ius, doch überwiegen die Interessen an der Wahrung der einmal rechtmäßig begründeten Zuständigkeit. Umgekehrt ist auch der Fall denkbar, dass im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung die RW unwirksam ist (und folglich keine gültige GV vorliegt, die die Zuständigkeit der Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats begründet), und erst später eine wirksame RW getroffen wird. Für diesen Fall sieht Art. 8 EheGüVO/PaGüVO vor, dass das Gericht des betreffenden Mitgliedstaats durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zuständig wird.656 Dieser Mechanismus bezweckt nicht nur die Heilung der Unzuständigkeit, sondern vor allem auch die Wiederherstellung des Gleichlaufs, weil Art. 8 EheGüVO/PaGüVO nur dann zur Anwendung kommt, wenn das angerufene Gericht sein eigenes Recht anwendet (entweder aufgrund einer RW oder aufgrund objektiver Anknüpfung des Güterstatuts). Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass im Rahmen von Art. 7 EheGüVO/ PaGüVO für die Beurteilung der Gültigkeit der GV auf den Zeitpunkt der Gerichtsanrufung abzustellen ist. Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 UntVO, der alternativ auf den Abschlusszeitpunkt der GV abstellt, ist auf die Güterrechtsverordnungen nicht zu übertragen.
c) Angemessenheits- bzw. Missbrauchskontrolle der Gerichtsstandsvereinbarung? Die Erwägungsgründe der Güterrechtsverordnungen sprechen im Zusammenhang mit der GV nicht von einer „informierten Gerichtsstandswahl“. Das Kon653 Simotta, in: König/Mayr, S. 103 Fn. 71; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 68 Fn. 55. Dies entspricht auch der Ansicht des EuGH (siehe oben Fn. 201), der generell für die Gültigkeit der GV auf den Zeitpunkt der Gerichtsanrufung abstellt. 654 Dazu näher oben § 3 C. II. 1. d). 655 Allgemein hierzu Scheuer, in: Fasching/Konecny3 § 29 JN Rn. 18. 656 Gemäß Art. 8 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO ist aber eine Belehrung des Beklagten durch das Gericht Voraussetzung für die Zuständigkeitsbegründung; ausführlich hierzu Simotta, ZVglRWiss 116 (2017), 72 ff. Zur entsprechenden Regelung in der EuGVVO n. F. siehe oben § 3 B. IV. 3.
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zept der bewussten und in voller Sachkenntnis getroffenen Wahlentscheidung bleibt auf die RW beschränkt. Doch auch bei einer GV stellen sich viele relevante Fragen, zu denen die Parteien im Idealfall ausreichend Informationen erhalten haben (z. B. zur grundsätzlich ausschließlichen Wirkung der GV, zur etwaigen Anwaltspflicht, zum Verfahrensablauf oder zu den Prozesskosten), sodass die Forderung einer „vollen Sachkenntnis“ grundsätzlich auch auf die Prorogation erstreckbar ist. Wie schon in Bezug auf Art. 4 UntVO ausgeführt,657 ist eine Angemessenheitskontrolle der GV auszuschließen. Zwar kennen die EheGüVO und PaGüVO keine Prorogationsverbote wie die UntVO, doch ist zwischen Ehegatten bzw. Partnern keine Partei als typisch unterlegen oder „schwächer“ zu charakterisieren und damit auch keine Situation zu typisieren,658 in der eine GV in Gütersachen ausnahmsweise nicht zulässig sein sollte. Die Prorogationsmöglichkeiten sind in den Güterrechtsverordnungen ohnehin schon zugunsten der Zuständigkeitskonzentration deutlich reduziert, sodass für eine Missbrauchsbzw. Angemessenheitskontrolle kein Raum besteht.659
V. Zwischenergebnis 1. Die Güterrechtsverordnungen stellen trotz ihres Zustandekommens im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit und des damit einhergehenden stark eingeschränkten territorialen Wirkungsbereiches einen wichtigen Schritt zur Harmonisierung des familienrechtlichen Kollisions- und Zuständigkeitsrechts sowie zur Erleichterung der privatrechtlichen Angelegenheiten „internationaler“ Paare dar. Sie schließen bisherige inhaltliche Lücken der anderen EU‑Rechtsakte und ergänzen damit den unionsrechtlichen Rahmen der UntVO, der Brüssel IIa-VO und der ErbVO. Insbesonders die Regelungen im Bereich der eingetragenen Partnerschaft, in dem erhebliche Unterschiede in den materiellen Rechten der Mitgliedstaaten bestehen,660 sind als bedeutende Errungenschaft zu würdigen. 2. Zu begrüßen sind die Abstimmung bzw. die Verknüpfung der Zuständigkeitsvorschriften der Güterrechtsverordnungen mit jenen der ErbVO und der Brüssel IIa-VO. Damit werden Parallelverfahren und widersprüchliche Entscheidungen in inhaltlich miteinander verbundenen Rechtsstreitigkeiten sowie eine unnötige Zersplitterung der Zuständigkeitsregelungen vermieden. Das Gerichtsstandssystem der Güterrechtsverordnungen zielt damit primär auf eine 657
Siehe oben § 3 A. IV. 1. d). Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 471 ff.; Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 341; die Ausführungen in KOM(2011) 126/2, 9 (die Einschränkungen „[…] dienen darüber hinaus dem Schutz der schwächeren Partei; bei einem Ehepaar ist dies häufig die Frau“) sind zu generalisierend. 659 Vgl. zur EuGVVO Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 72 ff. 660 Vgl. Martiny, IPRax 2011, 440. 658
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Verfahrensverbindung ab,661 statt einen Gleichlauf zwischen forum und ius zu realisieren. Kritisch zu betrachten ist aus praktischer Sicht die Koppelung der GV an das Vorliegen einer gültigen RW, weil sich daraus umständliche Prüfungsverfahren für die Gerichte ergeben. 3. Einige Fragen wurden in den Endfassungen der VO offen gelassen, etwa hinsichtlich der Zulässigkeit einer konkludenten RW sowie des Zeitpunktes, zu dem eine RW spätestens getroffen werden kann. Positiv zu bewerten ist allerdings, dass in den Güterrechtsverordnungen die Parteiautonomie im IPR und im IZVR weitgehend parallel ausgestaltet ist: Abgesehen von der kritisch zu betrachtenden Verknüpfung zwischen RW und GV sehen die EheGüVO und die PaGüVO hinsichtlich der formellen Gültigkeit dieselben Mindestformvorschriften für die RW und die GV vor. Die materielle Gültigkeit der RW und der GV unterliegt nach hier vertretener Ansicht demselben Recht, wenn die GV an die RW gekoppelt ist. Im Lichte der Kohärenz des EU‑IPR und -IZVR ist diese Abstimmung innerhalb der beiden VO zu begrüßen.
D. Erbrechtsverordnung I. Einführung 1. Räumlicher und zeitlicher Anwendungsbereich Die bisher besprochenen familienrechtlichen EU‑VO werden für das internationale Erbrecht von der ErbVO flankiert, die auf eine relativ lange Entstehungsgeschichte zurückblicken kann. Der inhaltliche Startpunkt der ErbVO lag im Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht aus 2005,662 das auf eine rechtsvergleichende Studie663 des Deutschen Notarinstituts basierte. 2009 veröffentlichte die Kommission den ersten Verordnungsvorschlag,664 der im Jahr 2012 nach intensiven Diskussionen und Überarbeitungen in seiner endgültigen Fassung beschlossen wurde.665 Gemäß Art. 83 Abs. 1 ErbVO ist die VO allerdings auf die Rechtsnachfolge von Personen anzuwenden, die erst ab dem 17.8.2015 verstorben sind.666 661 Vgl. Bonomi, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 231: „[…] the need for
coordination has been a key concern of the drafters […]“. 662 KOM(2005) 650 endg. 663 DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (2002). 664 KOM(2009) 154 endg. 665 ABl. L 2012/201, 107. Näher zur Entstehungsgeschichte der ErbVO J. Weber, in: Dutta/J. Weber, Internationales Erbrecht (2016), Einl. Rn. 9 ff. 666 Zu den Sonderregelungen für die RW im Zusammenhang mit der zeitlichen Geltung der ErbVO siehe unten § 3 D. II. 1. a).
D. Erbrechtsverordnung
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Anders als die zum Familienrecht zählenden EU‑VO (Rom III‑VO, EheGüVO und PaGüVO) wurde die ErbVO nicht im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit, sondern im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage des Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV erlassen. Durch die Abgrenzung des Erbrechts vom Familienrecht war das besondere Gesetzgebungsverfahren nach Art. 81 Abs. 3 AEUV und dessen Einstimmigkeitsprinzip nicht nötig,667 die – wie es sich bei der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen gezeigt hat – als „Bremsklotz“668 die Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene tendenziell erschweren. Dennoch ist trotz des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens auch die Rechtslage im internationalen Erbrecht aus territorialer Sicht zum Teil zersplittert, weil die ErbVO nicht in allen Mitgliedstaaten gilt669: Irland und das Vereinigte Königreich, die nicht von ihrem opt in-Recht Gebrauch gemacht haben, sowie Dänemark sind nicht an die ErbVO gebunden.670
2. Sachlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 1 Abs. 1 ErbVO ist die VO auf „die Rechtsnachfolge von Todes wegen“ anzuwenden. Dieser autonom671 auszulegende Begriff wird in der VO noch weiter konkretisiert: Art. 3 Abs. 1 lit. a ErbVO definiert ihn als „jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen“ sowohl im Wege der gewillkürten als auch der gesetzlichen Erbfolge. Dieses äußerst weite672 Verständnis wird auch von Erwägungsgrund 9 ErbVO betont, wonach der Anwendungsbereich der VO „alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen“ erfassen soll. Angesichts dieser großen Reichweite des nach der ErbVO bestimmten Erbstatuts stellt sich die Frage der Abgrenzung zu anderen, dem Erbrecht nahe stehenden Statuten. Art. 1 Abs. 2 ErbVO enthält unter anderem Ausnahmen zum Anwendungsbereich, welche die von den bisher besprochenen VO geregelten Rechtsmaterien (Unterhalt, Personenstand, Güterrecht) betreffen. Erwägungsgrund 11 stellt dazu klar, dass diese potentiell mit dem Erbrecht zusammenhängenden Rechtsfragen nicht von der ErbVO geregelt werden sollen. So sind gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. e ErbVO alle Unterhaltspflichten, die nicht erst mit dem Tod des Erblassers entstehen, von der ErbVO ausgenommen und unterliegen 667 Siehe
KOM(2009) 154 endg. 3 f.; Lagarde, Présentation de la proposition de règlement sur les successions, in: Bonomi/Schmid (Hrsg.), Successions internationales (2010), S. 11 (S. 13); J. Weber, in: Dutta/J. Weber, Einl. Rn. 25. 668 R. Wagner, Das Europäische Kollisionsrecht im Spiegel der Rechtspolitik, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen des Europäischen Kollisionsrechts (2016), S. 105 (S. 118). 669 Krit. Dutta, Das neue internationale Erbrecht der Europäischen Union – Eine erste Lektüre der Erbrechtsverordnung, FamRZ 2013, 4 (4). 670 Vgl. ErwGr. 82 f. ErbVO. 671 Dörner, EuErbVO: Die Verordnung zum Internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht ist in Kraft! ZEV 2012, 505 (507); J. Weber, in: Dutta/J. Weber, Einl. Rn. 41. 672 Looschelders, in: NK‑BGB2 Art. 1 EuErbVO Rn. 9 und Art. 3 EuErbVO Rn. 4.
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§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
der UntVO bzw. dem HUP.673 Ebenso gilt die VO nicht für Fragen des Personenstandes (Art. 1 Abs. 2 lit. a ErbVO) und damit auch nicht für die Eheauflösung, welche der Rom III‑VO und Brüssel IIa-VO unterliegt.674 Hinsichtlich des Ausnahmetatbestandes des Güterrechts (Art. 1 Abs. 2 lit. d ErbVO) ist die Abgrenzung in Bezug auf die internationale Zuständigkeit kaum problematisch, weil Art. 4 EheGüVO/PaGüVO eine Annexzuständigkeit des in Erbsachen befassten Gerichts für güterrechtliche Fragen normiert.675 Unklarer ist jedoch die Abgrenzung des Erbstatuts vom Güterrechtsstatut, weil weder die Güterrechtsverordnungen noch die ErbVO eine eindeutige Grenze zwischen diesen Statuten ziehen.676 Die einschlägigen Hinweise in der ErbVO stiften zum Teil mehr Verwirrung statt eine klare Antwort zu geben.677 Um Qualifikationsprobleme zu lösen, sind verordnungsautonome Abgrenzungskriterien nötig, wie sie etwa Mankowski678 vorschlägt oder auch jüngst vom EuGH679 judiziert wurden.
3. Regelungsziele Im materiellen Erbrecht kommt dem Willen des Erblassers, über sein Vermögen selbst zu disponieren, oberste Priorität zu (Testierfreiheit). In dieser freien Vermögensdisposition liegen die überwiegend ökonomische Dimension und die privatautonome Prägung des Erbrechts.680 Gleichsam soll auf kollisionsrechtlicher Ebene die Entscheidungsfreiheit des Erblassers berücksichtigt und 673 Daher fallen auch Unterhaltspflichten, die auf die Erben übergehen, nicht unter die ErbVO; siehe nur J. Schmidt, in: Dutta/J. Weber, Art. 1 EuErbVO Rn. 55 sowie bereits oben § 3 A. I. 2. 674 Vgl. Looschelders, in: NK‑BGB2 Art. 1 EuErbVO Rn. 13. 675 Looschelders, in: NK‑BGB2 Art. 1 EuErbVO Rn. 28. 676 Art. 23 Abs. 2 lit. b ErbVO nennt hinsichtlich der Reichweite des Erbstatuts explizit auch „Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners“. Erbrechtlich zu qualifizierende Regelungen zur Beendigung des ehelichen Güterstandes fallen damit unter die ErbVO; siehe Looschelders, in: NK‑BGB2 Art. 23 Eu-Erb-VO Rn. 11. 677 So hält ErwGr. 12 Satz 1 ErbVO fest, dass die ErbVO „nicht für Fragen des ehelichen Güterrechts […] und des Güterrechts aufgrund von Verhältnissen, die mit der Ehe vergleichbare Wirkungen haben“, gelten sollte. In Kontrast zu diesem Ausschluss führt ErwGr. 12 Satz 2 allerdings aus, dass die mit der Erbsache befassten Behörden „nach den Umständen des Einzelfalls die Beendigung des ehelichen oder sonstigen Güterstands des Erblassers bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der Berechtigten berücksichtigen“ sollten. Am grundsätzlichen Ausschluss des Güterrechts ändert ErwGr. 12 Satz 2 m. E. nichts, sondern weist eher programmatisch auf die gegebenenfalls notwendige Beachtung güterrechtlicher Vorfragen hin; vgl. Dörner, ZEV 2012, 507; krit. zum schleierhaften Erwägungsgrund auch Mankowski, ZEV 2016, 482. 678 Mankowski, ZEV 2016, 482; siehe bereits oben § 3 C. I. 2. 679 Siehe EuGH 1.3.2018, C-558/16 Mahnkopf Rn. 40 f. ECLI:EU:C:2018:138 zur Anwendung der ErbVO auf die – erbrechtlich zu qualifizierende – Regelung des § 1371 BGB zum Zugewinnausgleich des überlebenden Ehegatten. 680 Vgl. KOM(2009) 154 endg. 3 f.
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damit der Parteiautonomie Raum gegeben werden,681 um eine Vorabregelung des anzuwendenden Erbrechts zu gestatten. Dementsprechend lässt die ErbVO eine beschränkte Wahl des Erbstatuts durch den Erblasser zu (Art. 22 ErbVO), die schon im Voraus Klarheit und Sicherheit über das anzuwendende Erbrecht schaffen soll.682 Wie im Rahmen der RW ein Ausgleich zwischen der Dispositionsfreiheit des Erblassers und den Interessen Dritter am Nachlass (insbesonders Pflichtteilsberechtigter) erzielt werden soll, wird in der Folge erörtert.683 Ein weiteres, wesentliches Prinzip der ErbVO ist die Nachlasseinheit: Das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des Erblassers soll unabhängig vom Belegenheitsort einer einzigen Rechtsordnung unterliegen, sodass eine gespaltene Rechtsanwendung nicht vorgesehen ist.684 Diese Entscheidung ist angesichts der auf nationaler Kollisionsrechtsebene bestehenden Unterschiede bedeutend. Während ein Großteil der nationalen Erbkollisionsrechte bereits dem Prinzip der Nachlasseinheit folgte,685 ermöglichten andere Rechtsordnungen durch die gesonderte Anwendung der lex rei sitae auf unbewegliches Vermögen eine Nachlassspaltung.686 Die ErbVO regelt wie die Güterrechtsverordnungen sowohl das anzuwendende Recht als auch die internationale Zuständigkeit. Dabei sollen das anzuwendende Erbrecht und die Zuständigkeit verschränkt werden (Gleichlaufprinzip), um der befassten Behörde die Anwendung ihres eigenen Rechts zu sichern und dadurch die Nachlassabwicklung in internationalen Erbfällen zu erleichtern.687 Zu diesem Zwecke ist die GV im System der ErbVO rechtswahlakzessorisch. Im Folgenden werden daher die Bestimmungen zur RW jeweils vor den Regeln zur GV erläutert.
II. Zulässigkeit 1. Rechtswahl (Art. 22, Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 ErbVO) a) Vorbemerkungen Im internationalen Erbrecht hat die Parteiautonomie auf nationaler Ebene zwar überwiegend nur mit Zurückhaltung, aber dennoch mit sicherem Schritt Ein681 Vgl.
Dutta, Succession and Wills in the Conflict of Laws on the Eve of Europeanisation, RabelsZ 73 (2009), 547 (574). 682 Vgl. Lagarde, in: Bonomi/Schmid, S. 17 sowie ErwGr. 37 f. ErbVO. 683 Siehe unten § 3 D. II. 1. e). 684 Siehe Art. 23 Abs. 1 sowie ErwGr. 37 Satz 4 ErbVO. 685 So z. B. Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien und Schweden; weitere Nennungen bei Lagarde, in: Bonomi/Schmid, S. 16. 686 Etwa in Frankreich, Belgien, Bulgarien und Litauen; Beispiele und Nachweise bei Dutta, RabelsZ 73 (2009), 555; Bonomi, Successions internationales, Recueil des Cours 350 (2010), 71 (100 ff.). 687 Vgl. ErwGr. 27 ErbVO.
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gang gefunden.688 Die RW ist dabei in der Regel durch die Anknüpfung an bestimmte Kriterien (gewöhnlicher Aufenthalt bzw. Wohnsitz und/oder Staatsangehörigkeit) auf eine oder wenige Rechtsordnungen beschränkt, sodass keine freie RW gestattet wird. Bei einer rechtsvergleichenden Umschau zeigen sich nicht nur bei den Anknüpfungspunkten, sondern auch beim relevanten Anknüpfungszeitpunkt und der Reichweite der RW erhebliche Divergenzen.689 Eine Rechtswahlmöglichkeit nur zum Recht des Heimatstaates kannten bisher etwa Bulgarien, Rumänien und Estland.690 Das italienische IPRG691 hingegen knüpfte die RW an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Rechtswahlzeitpunkt, wobei zur Wirksamkeit der Wahl der Aufenthalt im betreffenden Staat auch im Todeszeitpunkt gegeben sein musste. Demgegenüber normierte das belgische692 Kollisionsrecht eine RW zum Recht des Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaates oder des Heimatstaates, wobei alternativ auf den Rechtswahl- oder Todeszeitpunkt abgestellt wurde. Noch großzügiger erweist sich das finnische Kollisionsrecht mit Rechtswahlmöglichkeiten zum Recht des Heimatstaates, des aktuellen oder eines beliebigen früheren Aufenthaltsstaates sowie zum Güterrechtsstatut.693 Diese autonomen Rechtswahlregelungen sind durch die Geltung der ErbVO nicht völlig redundant geworden. Wurde eine RW vor dem Stichtag (17.8.2015) getroffen, so ist diese im Sinne des favor testamenti gemäß Art. 83 Abs. 2 ErbVO gültig, wenn sie den Anforderungen der ErbVO, des IPR des Aufenthaltsstaates oder des Heimatstaates entspricht.694 Andererseits sahen einige autonome Kollisionsrechte gar keine RW in Erbsachen vor.695 Dies war etwa der Fall in Griechenland, Österreich,696 Portugal, Schweden und Spanien, wo objektiv an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft wurde.697 Im deutschen Recht eröffnete Art. 25 Abs. 2 EGBGB nur die Wahl, in Deutschland befindliches unbewegliches Vermögen deutschem Recht zu unterstellen. In Summe ist daher festzuhalten, dass die Rechtswahlmöglichkeit der ErbVO im Vergleich zum nationalen IPR in vielen Mitgliedstaaten eine entscheidende Neuerung darstellt. Auf völkerrechtlicher Ebene hat die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht lange vor der ErbVO Einzug genommen. Das Haager Erbrechtsüberein688 Siehe im Überblick Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht 34 ff.; Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 134 f. 689 Siehe Rudolf, EU‑Erbrechtsverordnung – Übergangsvorschriften für die Wirksamkeit einer Rechtswahl und letztwilliger Verfügungen, ZfRV 2015, 212 (215 f.). 690 Nachweise bei Dutta, RabelsZ 73 (2009), 569; Rudolf, ZfRV 2015, 216 f. 691 Art. 46 Abs. 2 ital. IPRG. 692 Art. 79 belg. IPRG. 693 Dazu Dutta, RabelsZ 73 (2009), 570; von Knorre/Mincke, in: Süß, Erbrecht in Europa3 (2015), S. 474. 694 Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 83 Rn. 5 EU‑ErbVO. 695 Vgl. die Übersicht bei Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 22 Rn. 47 EU‑ErbVO. 696 Siehe § 28 österr. IPRG (aufgehoben durch österr. BGBl. I 2015/87). 697 Lagarde, in: Bonomi/Schmid, S. 16; weitere Nennungen bei Rudolf, ZfRV 2015, 215.
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kommen aus 1989698 ermöglicht in Art. 5 Abs. 1 die Wahl des Rechts des Heimatstaates oder des Rechts des Aufenthaltsstaates und stellt dabei alternativ auf den Rechtswahl- oder Todeszeitpunkt ab. Im Detail sind die Bestimmungen zur RW aber kompliziert geraten, worauf wohl der Misserfolg des Übereinkommens zurückzuführen ist699: Unter den teilnehmenden Staaten (Argentinien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz) wurde es bislang nur von den Niederlanden700 ratifiziert.701 Allerdings ist die ErbVO teilweise an die Regelungen des Übereinkommens angelehnt,702 etwa in Bezug auf die Rechtswahlmöglichkeiten, die im Folgenden erläutert werden.
b) „Große“ Rechtswahl (Art. 22 ErbVO) Der Erblasser kann gemäß Art. 22 Abs. 1 ErbVO eine RW für seine gesamte703 Rechtsnachfolge von Todes wegen treffen („große Rechtswahl“704 oder „umfassende Rechtswahl“705). Dabei kann er nur das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er im Zeitpunkt der RW oder des Todes besitzt. Die zweite Alternative ist indes verwunderlich: Welcher Sinn liegt im Abstellen auf eine Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt im Sinne einer zukünftigen Staatsangehörigkeit, die im Rechtswahlzeitpunkt noch nicht vorliegt? Zum einen kann diese Möglichkeit als Flexibilitätsventil gesehen werden, um dem Erblasser vorausschauende Dispositionen zu ermöglichen. Zum anderen ist damit erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Erbstatuts verbunden, zumal es gut möglich ist, dass zwischen einer solchen RW und dem Todesfall Jahrzehnte liegen. Das Abstellen auf einen derart fern in der Zukunft liegenden Zeitpunkt für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit erscheint in der Regel wenig opportun.706 Umso praxisferner erscheint die Möglichkeit einer „abstrakten“ Wahl des Erbstatuts im Sinne des Rechts des – nicht näher bezeichneten – Staa698 Haager Übereinkommen vom 1.8.1989 über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht, (abgefragt am 13.9.2018). 699 Lagarde, in: Bonomi/Schmid, S. 17. 700 Art. 145 nl. IPRG (abgedruckt in RabelsZ 78 (2014), 615 ff.) übernimmt die Regelungen des Übereinkommens. 701 Vgl. die Statustabelle unter (abgefragt am 13.9.2018). 702 Lagarde, in: Bonomi/Schmid, S. 17; Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 130 f. 703 Siehe Art. 23 Abs. 1 ErbVO: „Dem nach Artikel 21 oder Artikel 22 bezeichneten Recht unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen“. 704 Zur Begriffsunterscheidung zwischen „großer“ und „kleiner“ RW siehe Lurger/Melcher, Handbuch Internationales Privatrecht (2017) Rn. 3/84. 705 Zur Differenzierung zwischen „umfassender“ und „beschränkter“ RW siehe Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 22 EU‑ErbVO Rn. 1. 706 Wilke, Das internationale Erbrecht nach der neuen EU‑Erbrechtsverordnung, RIW 2012, 601 (605); Süß, in: ders., S. 49.
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tes, dem der Erblasser im Todeszeitpunkt angehören wird („Hiermit wähle ich für meine gesamte Rechtsnachfolge das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit ich im Zeitpunkt meines Todes besitze“). Es ist nicht einleuchtend, wieso diese RW nach der ErbVO zulässig sein soll,707 denn der Wortlaut des Art. 22 ErbVO entspricht dem Wortlaut der Rechtswahlregelungen der anderen EU‑VO, bei denen eine abstrakte RW (floating choice of law) nach überwiegender und zutreffender Ansicht dem Bestimmtheitserfordernis widerspricht und daher unzulässig ist.708 Zwar kommt dem Erblasserwillen und der Testierfreiheit oberste Priorität zu, doch mit einer solchen abstrakten RW sind erhebliche Unsicherheiten für die Rechtsanwendung verbunden.709 Die RW sollte daher zu ihrer Gültigkeit einen Bezug zu einer konkreten Rechtsordnung zum Ausdruck bringen.710 Somit eröffnet die ErbVO – wie die meisten nationalen Erbkollisionsrechte – keine grenzenlose Rechtswahlfreiheit. Begründet wird die Beschränkung damit, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit eine enge Verbindung des Erblassers zum anzuwendenden Erbstatut sicherstellt.711 Eine Wahl zwischen verschiedenen Rechtsordnungen ist nur möglich, wenn der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt: Doppel- bzw. Mehrstaater haben gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 2 ErbVO die freie Wahl zwischen diesen Staatsangehörigkeiten, die insofern gleichrangig sind.712 Ob es sich bei dem gewählten Erbrechtsstatut um das Recht eines Mitgliedstaats oder Drittstaates (arg. „das Recht des Staates“) handelt, ist unerheblich.713 Kennt das gewählte drittstaatliche Recht keine RW, so ist eine den Vorgaben der ErbVO entsprechende RW aus Sicht der Mitgliedstaaten dennoch gültig.714 Die Wahlmöglichkeit zum Recht des Heimatstaates ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die objektive Anknüpfung in Art. 21 ErbVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Todeszeitpunkt abstellt.715 Diese Kombination be707 So aber Fischer-Czermak, Anwendbares Recht, in: Schauer/Scheuba (Hrsg.), Europäische Erbrechtsverordnung (2012), S. 43 (S. 47); Nordmeier, Grundfragen der Rechtswahl in der neuen EU‑Erbrechtsverordnung – eine Untersuchung des Art. 22 ErbRVO, GPR 2013, 148 (151); J. Schmidt, in: BeckOGK (Stand 7.8.2017) Art. 22 EuErbVO Rn. 19; Süß, in: ders., S. 49; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 22 EuErbVO Rn. 11. 708 Siehe oben § 3 A. II. 2. b) zum HUP und C. II. 2. d) zum Rom III‑VO. 709 Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 22 EuErbVO Rn. 2. 710 Eine abstrakte Wahl ebenso abl. Dörner, ZEV 2012, 511; Janzen, Die EU‑Erbrechtsverordnung, DNotZ 2012, 484 (486); Döbereiner, (Bindende?) Rechtswahlen nach der EU‑Erbrechtsverordnung, DNotZ 2014, 323 (324); Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 22 EuErbVO Rn. 3. 711 Siehe ErwGr. 38 Satz 2 ErbVO. 712 Damit besteht für die Doktrin der „effektiven“ Staatsangehörigkeit kein Raum; vgl. Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 22 Rn. 5 EuErbVO. 713 Döbereiner, DNotZ 2014, 323; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 22 Rn. 9 EU‑ ErbVO. 714 Siehe ErwGr. 40 Satz 1 ErbVO. 715 Zur Diskussion zwischen Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt als Anknüpfungspunkt siehe statt vieler Dutta, RabelsZ 73 (2009), 560 ff.
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deutet für vielen Mitgliedstaaten, die keine RW kannten oder objektiv an die Staatsangehörigkeit anknüpften, ein regelrechter Systemwechsel.716 Aus Sicht des Erblassers bringt die subjektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit aber Stabilität für das anzuwendende Recht zurück und vermeidet die mit der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts717 verbundenen Unsicherheiten.718 Freilich ist denkbar, dass zwischen Rechtswahlverfassung und Todesfall der Erblasser eine neue Staatsangehörigkeit erwirbt. Ein solcher Wechsel hat aber keine Auswirkung auf die Gültigkeit der RW, wenn diese auf die Staatsangehörigkeit im Rechtswahlzeitpunkt abstellt und damit „fixiert“ ist.719
c) „Kleine“ Rechtswahl (Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 ErbVO) Von der „großen“ RW nach Art. 22 ErbVO ist die „kleine“720 RW zu unterscheiden, die sich lediglich auf die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit von einseitigen letztwilligen Verfügungen (Art. 24 Abs. 2 ErbVO) bzw. Erbverträgen721 (Art. 25 Abs. 3 ErbVO) bezieht, wobei bei letzteren auch die Bindungswirkung und die Voraussetzungen ihrer Auflösung von der RW erfasst werden.722 In Abweichung von Art. 22 ErbVO kann das Recht des Heimatstaates auf das Errichtungsstatut beschränkt werden. Gemäß Erwägungsgrund 51 ist allerdings nur auf die Staatsangehörigkeit im Errichtungszeitpunkt der Verfügung abzustellen – und nicht auf zwei alternative Zeitpunkte wie bei der „großen“ RW –, um die Stabilität des Errichtungsstatuts und damit der Gültigkeit der Verfügung sicherzustellen. Für Doppel- oder Mehrfachstaatsangehörige ist es nicht ausgeschlossen, insofern eine zweifache RW zu treffen, als sie für die Wahl des Errichtungs716 Eine ähnliche Regel enthält das finnische Erbkollisionsrecht, welches objektiv auf den letzten Wohnsitz und bei der RW auf die Staatsangehörigkeit abstellt; siehe Bergmann/Saber, in: Süß, S. 450. 717 Vgl. etwa jüngst OLG Hamburg 16.11.2016, 2 W 85/16 IPRax 2017, XII (Doyen): „[…] eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes […] muss eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen“. 718 Vgl. Dutta, RabelsZ 73 (2009), 571 f.; Mansel, in: Leible/Unberath, S. 263; Rudolf, Die Erbrechtsverordnung der Europäischen Union, NZ 2013, 225 (235); M. Pfeiffer, Legal certainty and predictability in international succession law, JPIL 12 (2016), 566 (578). 719 Anders hingegen nach estnischem Recht, wonach die Staatsangehörigkeit auch im Todeszeitpunkt gegeben sein muss; siehe Rudolf, ZfRV 2015, 216. 720 Zum Begriff siehe Lurger/Melcher, Handbuch Internationales Privatrecht Rn. 3/84. 721 Der deutsche Terminus „Erbvertrag“ in Art. 25 ErbVO ist insofern missverständlich, als dieser nach Art. 3 Abs. 1 lit. b („eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht“) nicht nur den Erbvertrag im engeren Sinn nach § 2254 ff. BGB oder § 1249 ff. ABGB, sondern auch gegenseitige Testamente und Erb- bzw. Pflichtteilsverzichte umfasst; siehe Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 25 EuErbVO Rn. 2 m. w. N.; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 EU‑ErbVO Rn. 5. 722 Siehe ErwGr. 49 Satz 2 ErbVO.
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statuts auf eine Staatsangehörigkeit und im Übrigen für die Wahl des Erbstatuts auf eine andere Staatsangehörigkeit abstellen.723 Außerdem ist bemerkenswert, dass für Erbverträge, die den Nachlass mehrerer Personen regeln (Art. 25 Abs. 2 ErbVO724) – z. B. ein Erbvertrag zwischen Ehegatten –, nach dem Wortlaut des Art. 25 Abs. 3 ErbVO den beteiligten Erblassern die Wahl zwischen den Heimatrechten aller involvierten Erblasser offen steht.725 Dies stellt eine bedeutende Ausnahme zu Art. 22 dar, wonach ein Erblasser eigentlich nur das Recht des Staates seiner eigenen Staatsangehörigkeit wählen kann. Die „kleine“ RW ist eine entscheidende Neuerung im Vergleich zu den familienrechtlichen EU‑VO, die keine gespaltenen Rechtswahlmöglichkeiten kennen. Praktisch bedeutsam werden vor allem die Gestaltungsmöglichkeiten i. V. m. Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten sein, weil diese in den vom römischen Recht geprägten Rechtsordnungen726 verboten bzw. nicht bekannt sind und die Wahl eines günstigen Rechts als Errichtungsstatut deren Wirksamkeit sichern kann.727 Die Abgrenzung zwischen der „großen“ und der „kleinen“ RW erfolgt primär nach dem Wortlaut der vom Erblasser verfassten RW. Lässt sich anhand dessen der Umfang der RW nicht ermitteln, wird im Zweifel eine „große“ RW anzunehmen sein, die damit auch das Errichtungsstatut erfasst.728 Wie zu Beginn dieses Abschnittes erläutert, folgt die ErbVO dem Prinzip der Nachlasseinheit, wonach die gesamte Erbfolge nur einer Rechtsordnung unterliegen soll. Eine Teilrechtswahl, die zu einer Rechtsspaltung führt, stünde diesem Grundsatz daher entgegen. Aus diesem Grund verwundert auch die Möglichkeit, eine beschränkte „kleine“ RW treffen zu können, die gerade eine Teilrechtswahl darstellt und zu einer Spaltung des anzuwendenden Rechts führt.729 Wie die im Schrifttum dargestellten Beispiele zeigen,730 kann eine 723 Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 (2016), Art. 24 Rn. 43. 724 Zur Qualifikation dieses Erbvertrags vgl. Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 25 EuErbVO Rn. 17. 725 Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 25 EuErbVO Rn. 21; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 25 EuErbVO Rn. 11. 726 Etwa in Italien (Art. 458 Codice civile) und Belgien (Art. 1130 Code civil); näher dazu DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie 238; Bonomi, Les pactes successoraux en droit international privé – Remarques comparatives à la lumière des droits français, italien, espagnol et suisse, in: Bonomi/Steiner (Hrsg.), Les pactes successoraux en droit comparé et en droit international privé (2008), S. 11 (S. 11 ff.). 727 Bonomi, in: Bonomi/Steiner, S. 15; Soutier, Verbindliche Rechtswahlen im Erbrecht, ZEV 2015, 515 (516); Süß, in: ders., S. 56. 728 Döbereiner, DNotZ 2014, 327; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 24 EuErbVO Rn. 14; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 22 EU‑ErbVO Rn. 1 f. 729 Vgl. krit. Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 24 Rn. 48. 730 Siehe z. B. Soutier, ZEV 2015, 516 f.; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 24 EU‑ ErbVO Rn. 17.
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Teilrechtswahl durchaus von – auch bewusst taktischem – Interesse sein, um die Gültigkeit eines Erbvertrags nach einem bestimmten Errichtungsstatut zu sichern und per Erbstatut z. B. Pflichtteilsrechte zu umgehen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die in den Erwägungsgründen731 besonders hervorgehobene Nachlasseinheit als Zielsetzung der ErbVO bei Ausschöpfung der kollisionsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht durchgängig garantiert ist.
d) Abschlusszeitpunkt der Rechtswahl Aus der Zulässigkeit der RW nur durch den bzw. die Erblasser folgt der logische Schluss, dass die RW vor dem Todesfall zu erfolgen hat. Eine nachträgliche RW durch etwa die Erben ist nicht möglich;732 schließlich sollen die Parteien des Verlassenschaftsverfahrens die Nachlassplanung des Erblassers nicht im Nachhinein (zu ihren Gunsten) ändern können.733
e) Rechtswahl und Drittinteressen (insbesonders der Pflichtteilsberechtigten) Das Erbrecht ist nicht nur von den ökonomischen Erblasserinteressen geprägt. Auch soziale Interessen im Sinne der Versorgung bzw. Existenzsicherung der Nachkommen sind relevant.734 Ausdruck dessen ist auch der Schutz der Pflichtteilsberechtigten, d. h. jener nahen Angehörigen, denen der Erblasser durch eigene Dispositionen nicht jegliche Nachlassteilhabe entziehen kann. Dies spielt auch bei der erbrechtlichen RW eine Rolle, die sich auf Dritte auswirkt, die an der Wahl gar nicht beteiligt sind: So könnte der Erblasser mittels RW etwa bewusst eine Rechtsordnung wählen, die keinerlei Pflichtteilsansprüche oder andere Schutzmechanismen für seine Kinder kennt.735 Diese Problematik wurde in den Vorarbeiten zur ErbVO zwar diskutiert, doch wurde der Interessensausgleich und der Schutz der Pflichtteilsberechtigten mit der Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit des Erblassers auf sein Heimatrecht als ausreichend erachtet,736 auch weil sich gezielte Manipulationsabsichten des Erblassers bislang eher selten abgezeichnet haben und auch weiterhin wohl nur 731 732
Siehe ErwGr. 37 Satz 4 ErbVO. Dutta, RabelsZ 73 (2009), 575. 733 Vgl. Kieninger, Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 479 (S. 498 f.). 734 Ausführlich zu den Versorgungsfunktionen des Erbrechts Dutta, Warum Erbrecht? (2014) 399 ff. 735 Insbesonders aus diesem Grund standen einige Rechtsordnungen der erbrechtlichen RW ablehnend gegenüber; siehe DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie 242; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 22 Rn. 15. 736 Siehe KOM(2009) 154 endg. 7 sowie nun ausdrücklich ErwGr. 38 Satz 2 ErbVO: „Diese Rechtswahl sollte […] beschränkt sein, damit […] vermieden wird, dass ein Recht mit der Absicht gewählt wird, die berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten zu vereiteln“.
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in wenigen Fällen für eine RW (oder Aufenthaltsverlegung) ausschlaggebend sein werden.737 Einerseits kann die Maßgeblichkeit des Heimatrechts des Erblassers durchaus der Erwartungshaltung seiner Abkömmlinge entsprechen. Andererseits können die Erben keinerlei Verbindung zum Heimatrecht des Erblassers haben, sodass lediglich die Beschränkung auf das Heimatrecht kein tragbares Argument für einen Missbrauchsschutz ist.738 Denn Manipulationsabsichten des Erblassers könnten genauso bei der objektiven Anknüpfung durch eine taktische Aufenthaltsverlegung vorliegen. Im Allgemeinen scheint die ErbVO von einer geringen Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Erb- bzw. Pflichtteilsberechtigten auszugehen, was auch die Möglichkeit einer RW zur Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt bezeugt, die für Drittinteressen kaum Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit hinsichtlich des Erbstatuts bietet. Ob als Ausgleich die Rechte Pflichtteilsberechtigter über den international-privatrechtlichen ordre publicVorbehalt des Art. 35 ErbVO gewahrt werden können, ist im Schrifttum heftig umstritten. Konkret ist zu fragen, ob gemäß Art. 35 ErbVO eine „offensichtliche Unvereinbarkeit“ mit der öffentlichen Ordnung des Forums vorliegt. Es muss ein wesentlicher Verstoß gegen die jeweilige Rechtsordnung gegeben sein. Die spezielle ordre public-Regelung in Art. 27 Abs. 2 des VO‑Vorschlages, wonach eine Norm des nach der ErbVO bestimmten Erbrechts, die im Vergleich zur lex fori den Pflichtteilsanspruch anders regelt, nicht als ordre public-widrig gelten kann,739 wurde nicht in die Endfassung der ErbVO übernommen. Diese Nichtaufnahme ist wohl auf eine fehlende Konsensfindung zwischen den Mitgliedstaaten zurückzuführen, weil die Bedeutung und die konkrete Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts (bzw. zweckähnlicher Rechtsinstitute) stark von den nationalen Rechtstraditionen geprägt sind und folglich in den materiellen Erbrechten erheblich variieren.740 Im Falle der RW würde ein Durchgriff des Pflicht737 Siehe DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie 269; Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni (2014) 64 Fn. 53 und 67 Fn. 63 mit Beispielen aus der Rspr. 738 Vgl. Dutta, RabelsZ 73 (2009), 574; Wilke, RIW 2012, 606; Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 504 f. 739 Siehe KOM(2009) 154 endg. 24. 740 Nach einer im deutschen Schrifttum stark vertretenen Ansicht spricht die Nichtaufnahme der genannten Regelung dafür, das Pflichtteilsrecht über den ordre public in Einzelfällen durchgreifen zu lassen; so Dutta, RabelsZ 73 (2009), 582; Wilke, RIW 2012, 607; KrollLudwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 515; Lagarde, in: Bergquist u. a., EU Regulation on Succession and Wills (2015), Art. 35 Rn. 7; Looschelders, in: NK‑BGB2 Art. 35 EuErbVO Rn. 22 f.; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 35 Rn. 19 EU‑ErbVO. Hierbei ist anzumerken, dass nach der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts das Pflichtteilsrecht unter verfassungsrechtlicher Gewährleistung steht; siehe BVerfG 19.4.2005, 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03 FamRZ 2005, 872 = NJW 2005, 2122. Hingegen hat der französische Kassationsgerichtshof (Cour de cassation chambre civile 1, 27.9.2017, 16-17198 und 16-13151) jüngst entschieden, dass das bloße Fehlen des Pflichtteilsrechts im ausländischen Recht grundsätzlich keinen ordre public-Verstoß darstellt, aber nach den Umständen des Einzelfalls ein Verstoß
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teilsrechts über den ordre public dazu führen, dass die ohnehin schon geringe Parteiautonomie des Erblassers (nur eine Wahlmöglichkeit!) noch weiter eingeschränkt würde. Beschneidungen von Pflichtteilsrechten, die sich im Vergleich zum objektiven Erbstatut durch die Wahl des Heimatrechts ergeben, sollten m. E. daher nicht über den ordre public-Vorbehalt berücksichtigt werden.
2. Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 5 ErbVO) a) Überblick über das Zuständigkeitssystem der ErbVO Die Grundregel für die internationale Zuständigkeit in Erbsachen stellt Art. 4 ErbVO dar. Demnach sind für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Erblasser im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Nach diesem Grundsatz soll es für ein Erbverfahren nur eine einzige, ausschließliche internationale741 Zuständigkeit geben.742 Art. 4 ErbVO steht damit im Einklang mit der objektiven Anknüpfung nach Art. 21 Abs. 1, die ebenfalls an den gewöhnlichen Aufenthalt im Todeszeitpunkt anknüpft. Zweck dieser Übereinstimmung ist die Erzielung eines Gleichlaufs zwischen anzuwendendem Erbrecht und internationaler Zuständigkeit.743 In der Tat kann der Ursprung des Gleichlaufs zwischen IPR und IZVR aus deutscher Sicht im Erbrecht verortet werden,744 wo materielles Recht und Prozessrecht regelmäßig eng miteinander verbunden sind und daher eine Koppelung des anzuwendenden Rechts und der Zuständigkeit zur Vereinfachung des Verfahrens besonders sinnvoll ist. Trifft der Erblasser aber eine RW zum Recht seines Heimatstaates nach Art. 22 ErbVO, ist dieser Gleichlauf in aller Regel745 gestört. Um die Zuständigkeit an die RW anzupassen, sieht die ErbVO Mechanismen vor, die nachträglich einen Gleichlauf wiederherstellen.746 Einer dieser Mechanismen ist die im Folgenden erläuterte GV nach Art. 5 ErbVO. nicht ausgeschlossen ist, womit er die starke Verankerung des Pflichtteils im französischen Erbrecht hervorhebt; siehe hierzu Pintens, Die französische réserve und der ordre public international, FamRZ 2018, 294 (294). 741 Die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit bestimmt sich weiterhin nach den autonomen Zuständigkeitsvorschriften der lex fori; siehe Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 16 m. w. N. 742 Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 Rn. 1 EU‑ErbVO. 743 Siehe ErwGr. 23 und 27 Satz 1 ErbVO. 744 Vgl. Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht 200 ff.; von Bar, Internationales Privatrecht: Allgemeine Lehren (1987) Rn. 407 m. w. N. 745 Wie Simotta, Die internationale Zuständigkeit in Erbsachen im Fall einer Rechtswahl des Erblassers (Art. 5–9 EuErbVO), in: FS Gottwald (2014), S. 597 (S. 598) anmerkt, ist freilich auch denkbar, dass der zuständige Mitgliedstaat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zufällig dem Heimatstaat entspricht, sodass der Gleichlauf erhalten bleibt (z. B. wenn ein bulgarischer Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine RW zum bulgarischen Recht trifft, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ruhestand nach Bulgarien zurückverlegt und dort verstirbt). 746 Vgl. ErwGr. 27 Satz 2 ErbVO.
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b) Anwendungsbereich des Art. 5 ErbVO Anders als der Kommissionsvorschlag747 eröffnet die geltende Fassung der ErbVO in Art. 5 eine Prorogationsmöglichkeit mit ausschließlicher Wirkung zu den Gerichten oder zu einem bestimmten Gericht des Heimatstaates des Erblassers. Es kann folglich sowohl die internationale („die Gerichte“) als auch die örtliche Zuständigkeit („ein Gericht“) – die im Rahmen von Art. 4 ErbVO nicht mitgeregelt wird – festgelegt werden. Dabei differenziert die ErbVO nicht zwischen streitigen Verfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.748 Dies ist schlicht darauf zurückzuführen, dass nicht alle Mitgliedstaaten diese Unterscheidung kennen.749 Art. 5 ErbVO ist nur dann eröffnet, wenn der Erblasser gemäß Art. 22 das Recht seines Heimatstaates gewählt hat und es sich dabei um das Recht eines Mitgliedstaats handelt. Die GV ist somit rechtswahlakzessorisch. Anders als bei der RW ist aber nicht der Erblasser selbst involviert, sondern „die betroffenen Parteien“750 des Verfahrens in Erbsachen können die GV nach Art. 5 abschließen. Die Parteiautonomie in der ErbVO verteilt sich im IPR und im IZVR mithin auf unterschiedliche Personen. Die Koppelung der GV an die RW dient der Verfahrensökonomie,751 indem sie den durch die RW durchbrochenen Gleichlauf wiederherstellt und damit die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens sowie die Rechtsanwendung erleichtert. Dadurch wird regelmäßig auch den Interessen der Erbprätendenten entsprochen: Verstirbt etwa eine niederländische Erblasserin mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien und hat sie für ihren Nachlass niederländisches Recht gewählt, können die niederländischen Erbprätendenten die Zuständigkeit eines niederländischen Gerichts oder der niederländischen Gerichte vereinbaren und müssen folglich nicht vor spanischen Gerichten über die Erbbeteiligung streiten. Festzuhalten ist damit, dass die GV nach Art. 5 ErbVO einen sehr engen Anwendungsbereich hat.752 War der Erblasser Drittstaatsangehöriger und trifft dieser nach Art. 22 zulässigerweise eine RW zum Recht seines Heimatstaates, ist eine GV zu den drittstaatlichen Gerichten des Heimatstaates nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht möglich. War etwa im obigen Beispiel die Erblasserin russische Staatsbürgerin, steht Art. 5 ErbVO nicht offen. Der Rechtsstreit würde gemäß Art. 4 vor spanischen Gerichten unter Anwendung russischen Erbrechts durchgeführt werden. Denn dem Unionsgesetzgeber kommt keine Kompetenz zu, die drittstaatliche Zuständigkeit bindend zu regulieren.753 Über die Zuläs747
Vgl. KOM(2009) 154 endg. 5 f. Lein, in: Dutta/J. Weber (Hrsg.),Vor Art. 4 ff. EuErbVO Rn. 33. Vgl. ErwGr. 59 ErbVO. 750 Zur Frage, wer zu den „betroffenen Parteien“ zählt, siehe im Folgenden § 3 D. II. 2. c). 751 Siehe Rühl, JPIL 10 (2014), 251. 752 Vgl. Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 1. 753 Vgl. R. Magnus, Gerichtsstandsvereinbarungen im Erbrecht?, IPRax 2013, 393 (395); 748 749
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sigkeit einer etwaigen Prorogation der drittstaatlichen Heimatgerichte durch die Erben des drittstaatlichen Erblassers entscheidet daher das Prozessrecht des betreffenden Drittstaates.754 Die Herstellung eines vollständigen Gleichlaufs ist in diesen Fällen über keine Zuständigkeitsvorschrift der ErbVO möglich, weil Art. 6 ff. auf die Wahl des Rechts eines Mitgliedstaats abstellen. Allerdings kann eine Partei gemäß den Voraussetzungen des Art. 12 beantragen, in einem Drittstaat belegenes Vermögen von der Entscheidung des mitgliedstaatlichen Gerichts auszuschließen. Art. 5 Abs. 1 ErbVO bezieht sich nach dem Wortlaut nur auf die „große“ RW nach Art. 22. Auf die beschränkte Wahl des Errichtungsstatuts gemäß Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 bezieht sich die Prorogationsmöglichkeit nicht, obwohl es auch durch diese RW zu einem Auseinanderfallen von forum und ius kommt. In den Erwägungsgründen der VO und den Materialien finden sich keinerlei Erklärungen für diese Diskrepanz, sodass der Eindruck entsteht, dass diese Lücke in Art. 5 ErbVO nicht bedacht wurde. Wie im Schrifttum zu Recht gefordert wird, sollte Art. 5 teleologisch erweitert werden und auch bei der „kleinen“ RW den Verfahrensparteien eine GV ermöglichen; dafür spricht auch die Erzielung eines zumindest teilweisen Gleichlaufs.755 Auch bei der – wohlgemerkt als Ausnahme heranzuziehenden756 – Ausweichklausel gemäß Art. 21 Abs. 2 ErbVO erscheint eine analoge Anwendung des Art. 5 ErbVO757 geboten,758 um eine Angleichung der internationalen ZuHertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 Rn. 7 EU‑ErbVO; siehe auch oben zu Art. 7 EheGüVO § 3 C. II. 2. b). 754 R. Magnus, IPRax 2013, 395; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 12. 755 Dutta, FamRZ 2013, 6; ders., in: MüKommBGB7 Vor Art. 4 EuErbVO Rn. 10 und Art. 5 EuErbVO Rn. 5 m. w. N.; ihm folgend Hess, Die internationale Zuständigkeit nach der Erbrechtsverordnung, in: Dutta/Herrler (Hrsg.), Die Europäische Erbrechtsverordnung (2014), S. 131 (S. 139 Rn. 22); siehe auch Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 366 f.; Maultzsch, Party autonomy in European private international law: uniform principle or context-dependent instrument?, JPIL 12 (2016), 466 (473 f.). Gegen eine GV im Zusammenhang mit der „kleinen“ RW Janzen, Die EU‑Erbrechtsverordnung, DNotZ 2012, 484 (491 Fn. 22); Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 207; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 7 und Art. 6 Rn. 18; Traar, in: Burgstaller u. a., Die EU‑Erbrechtsverordnung (2016), Art. 5 Rn. 5. 756 Zur Kritik im Zusammenhang mit der Ausweichklausel siehe etwa D. Lehmann, Die EU‑Erbrechtsverordnung zur Abwicklung grenzüberschreitender Nachlässe, DStR 2012, 2085 (2086); M. Pfeiffer, JPIL 12 (2016), 575 ff. 757 Mutatis mutandis auch des Art. 6 lit. a ErbVO; siehe Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 47. 758 Schauer, Die neue Erbrechts-VO der Europäischen Union – eine Annäherung, JEV 2012, 78 (81); ihm folgend Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 46 und Rn. 76; abl. Bajons, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht in Erbsachen, in: Schauer/Scheuba (Hrsg.), Europäische Erbrechtsverordnung (2012), S. 29 (S. 32 Fn. 9); Dutta, Die europäische Erbrechtsverordnung vor ihrem Anwendungsbeginn: Zehn ausgewählte Streitstandsminiaturen, IPRax 2015, 32 (36).
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ständigkeit und des Erbstatuts zu erzielen. Sowohl die Wahl des Heimatrechts als Erbstatut als auch die objektive Anwendung des Heimatrechts als Erbstatut über Art. 21 Abs. 2 führen zu einem Auseinanderfallen von forum und ius, sodass in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen diesen Anknüpfungen besteht. Eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Anwendung des Art. 5 ist insofern sachlich gerechtfertigt. Konsequenterweise kann eine GV aber nur dann nach Art. 5 analog zulässig sein, wenn es sich um das Recht eines Mitgliedstaats handelt.759
c) Die „betroffenen Parteien“ und die Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung Der persönliche Anwendungsbereich der GV nach Art. 5 ErbVO umfasst die „betroffenen Parteien“. Eine Klarstellung zur Frage, wer dazu zählt und damit auf wen sich die GV erstreckt, wurde in der VO verabsäumt. Erwägungsgrund 28 ErbVO bezieht sich nur vage auf die „vom Nachlass betroffenen Parteien“.760 Aus Art. 6 lit. b, Art. 7 lit. b und Art. 9 ErbVO ist aber abzuleiten, dass darunter die Verfahrensparteien zu verstehen sind.761 Eine verordnungsautonome Definition der Verfahrensparteien wurde jedoch nicht angestrebt und erscheint auch angesichts der erheblichen Unterschiede762 in den nationalen Erb- und Erbverfahrensrechten schwierig.763 Es bestimmt sich daher nach der lex fori des Mitgliedstaats des gewählten Rechts, wem eine Parteistellung im streitigen764 und im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit765 statt759
Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 46. Vgl. in anderen Sprachfassungen „the parties concerned“, „les parties concernées“, „le parti interessate“. 761 Dutta, FamRZ 2013, 6; Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 82; dies., in: FS Gottwald, S. 599; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 9. 762 So variiert vor allem die Rechtsposition von Vermächtnisnehmern, denen nur ein schuldrechtlicher Anspruch (siehe § 2174 BGB und § 535 ABGB) oder ein direkter Eigentumserwerb des Vermächtnisses (siehe Art. 649 Codice civile und Art. 882 Código civil) zustehen kann. 763 Vgl. Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 83; dies., in: FS Gottwald, S. 599. 764 Hier zählen aufgrund des Zweiparteiensystems jedenfalls Kläger und Beklagter zu den „betroffenen Parteien“; siehe Schauer, JEV 2012, 81; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 6 f.; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 EU‑ErbVO Rn. 6. 765 Hier ist eine Eingrenzung der Verfahrensparteien schwieriger: Parteistellung genießen jedenfalls Erben sowie – aus österreichischer Sicht nur eingeschränkt – Pflichtteilsberechtigte und Vermächtsnisnehmer (siehe Kodek, in: Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG (2013) § 2 Rn. 133 ff. und Rn. 143 ff.); aus deutscher Sicht sind Pflichtteilsberechtigte wie gesetzliche Erben zu beteiligen, Vermächtnisnehmer hingegen nicht (siehe Bumiller/Harders/Schwamb, in: dies., FamFG11 (2015) § 345 Rn. 6 f.). Für Nachlassgläubiger ist eine Parteistellung überwiegend zu verneinen (siehe für Österreich RIS‑Justiz RS0006611, zuletzt OGH 26.6.2014, 6 Ob 100/14w Zak 2014, 293 = NZ 2014, 359; Kodek, in: Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 Rn. 155; für Deutschland Bumiller/Harders/Schwamb, in: dies., FamFG11 § 345 Rn. 7). Da für deren Ansprüche in der Regel nicht das Erbstatut, sondern das Statut der jeweiligen Forderung 760
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findenden Erbverfahren zukommt und wer folglich die GV unterzeichnen muss.766 Die Heilungsmöglichkeit in Art. 9 ErbVO spricht grundsätzlich für ein weites Verständnis der Verfahrenspartei767: Fehlen Unterzeichnungen und waren damit nicht alle in Frage kommenden Personen beim Abschluss der GV beteiligt, so muss sich das Gericht für unzuständig erklären, wenn die betreffenden Personen sich nicht gemäß Art. 9 ErbVO rügelos auf das Verfahren einlassen und dadurch die Unzuständigkeit heilen. Art. 9 dient damit auch dem Schutz Dritter,768 die eine ohne ihr Mitwirken prorogierte Zuständigkeit nicht hinnehmen müssen. Diese Fallkonstellation wird in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit häufig zu erwarten sein, weil hier dem Gericht oft erst nach Verfahrenseinleitung am Verfahren zu beteiligende Personen bekannt werden (z. B. ein erbberechtigtes uneheliches Kind, dessen Existenz vom Erblasser verschwiegen wurde).769 Es sollte daher genügen, dass alle bei Verfahrenseinleitung in Betracht kommenden Verfahrensparteien der GV zustimmen und „übergangene“ Parteien nachträglich von der Heilungsmöglichkeit des Art. 9 Gebrauch machen.770 Das Erfordernis, dass „alle betroffenen Parteien“ an der GV teilnehmen bzw. dieser zustimmen müssen, führt zur Frage, welche Reichweite der GV zukommt. Art. 5 Abs. 1 ErbVO bezieht die GV allgemein auf „Entscheidungen in Erbsachen“. Wirkt die GV nun für sämtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge des betreffenden Erblassers?771 Oder ist eine GV auch nur für einzelne, auf spezifische erbrechtliche Fragen bezogene Verfahren möglich, sodass es im Übrigen bei der Zuständigkeit nach Art. 4 bzw. Art. 10 bleibt?772 gilt, ist Art. 5 ErbVO nicht auf sie anzuwenden; siehe Schauer, JEV 2012, 82; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 10; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 15. 766 Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 83; dies., in: FS Gottwald, S. 599; ebenso auf das gewählte Recht abstellend Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO (2015) Art. 5 Rn. 10. 767 Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 8. 768 Meyer, Die Gerichtsstände der Erbrechtsverordnung unter besonderer Berücksichtigung des Forum Shopping (2013) 86. 769 Vgl. Dutta, FamRZ 2013, 7; R. Magnus, IPRax 2013, 395 f.; Simotta, in: Fasching/ Konecny3 § 77 JN Rn. 88 f.; Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 12. 770 Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 88. 771 D. Lehmann, DStR 2012, 2088; wohl auch Hess, in: Dutta/Herrler, S. 137 Rn. 18; in diese Richtung würde auch die französische Sprachfassung („toute succession“) deuten. 772 Heinig, Rechtswahlen in Verfügungen von Todes wegen nach der EU‑Erbrechts-Verordnung, RNotZ 2014, 197 (226); ebenso, aber im Ergebnis krit. Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 23; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 13; vgl. auch die italienische („qualsiasi questione legata alla successione“), spanische („cualquier causa en materia de sucesiones“) und englische („any succession matter“) Sprachfassung.
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Für Letzteres würde Erwägungsgrund 28 ErbVO sprechen773: Demnach müsse im Einzelfall und insbesonders abhängig vom Gegenstand der GV bestimmt werden, ob diese „zwischen sämtlichen von dem Nachlass betroffenen Parteien“ geschlossen werden müsste oder ob auch nur einige der Parteien hinsichtlich einer spezifischen Frage eine GV treffen können, sofern die betreffende Gerichtsentscheidung „die Rechte der anderen Parteien am Nachlass“ nicht berühre. Einer solchen Spaltung ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie der Wahrung der Nachlasseinheit und der in der ErbVO angestrebten Zuständigkeitskonzentration (ein Gericht – ein Recht) widerspricht.774 Diesen Prinzipien wird in der ErbVO zwar nicht durchgehend gefolgt,775 doch sollten gerade deshalb weitere Nachlassspaltungen und miteinander unvereinbare Entscheidungen vermieden werden.776 Dafür spricht auch die in Art. 5 niedergelegte ausschließliche Wirkung der GV, die zum gänzlichen Ausschluss der Zuständigkeiten nach Art. 4 und Art. 10 ErbVO führt. Eine auf einzelne Fragen beschränkte GV sollte daher unzulässig sein.
d) Abschlusszeitpunkt Die ErbVO regelt nicht ausdrücklich, ab welchem bzw. bis zu welchem Zeitpunkt eine GV nach Art. 5 ErbVO getroffen werden kann. Da eine GV aufgrund ihrer Rechtswahlakzessorietät erst dann möglich ist, wenn eine gültige RW des Erblassers vorliegt, ist der Abschluss der RW die verordnungsautonom vorgegebene Grenze für den frühestmöglichen Zeitpunkt des Abschlusses einer GV. Die voraussichtlichen Erbprätendenten müssten daher auch bereits zu Lebzeiten des Erblassers eine GV abschließen können, wenn eine gültige RW vorliegt,777 obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Personen, die als Verfahrensparteien zu beteiligen sind, bekannt sind. Die zeitliche Grenze für den Abschluss einer GV ist die Anrufung778 eines Gerichts im Mitgliedstaat des gewählten Heimatrechts, wie es sich aus einer Betrachtung des Art. 7 lit. b und lit. c ErbVO ergibt: Liegt keine GV vor und wurde – etwa von nur einer der Verfahrensparteien – unmittelbar ein Gericht im Heimatstaat des Erblassers ange773 Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 23. 774 Vgl. auch Lübcke, EuErbVO: Problemfelder im Rahmen der internationalen Zustän-
digkeit bei Vorliegen einer Rechtswahl durch den Erblasser, GPR 2015, 111 (113). 775 Siehe insbesonders zur Möglichkeit einer Teilrechtsrechtswahl oben § 3 D. II. 1. c). 776 Siehe ErwGr. 34 Satz 1; vgl. Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 93 und 96. 777 So auch Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 14; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 16; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 19; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 31; Traar, in: Burgstaller u. a., EuErbVO Art. 5 Rn. 26. 778 Die Rechtsanhängigkeit bestimmt sich für Verfahren, die durch Klage oder Antrag eingeleitet werden, nach Art. 14 lit. a und lit. b ErbVO und für von Amts wegen eingeleitete Verfahren nach Art. 14 lit. c; siehe näher Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 14 EU‑ErbVO Rn. 3 f.
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rufen (arg. „des angerufenen Gerichts“), so müssen für die Begründung bzw. „Wahl“ der Zuständigkeit alle anderen Verfahrensparteien gemäß Art. 7 lit. c die Zuständigkeit anerkennen.779 Wurde hingegen noch kein Gericht im Heimatstaat angerufen bzw. wurden zunächst die Gerichte im Aufenthaltsstaat nach Art. 4 oder – im Fall eines in einem Drittstaat aufhältigen Erblassers – im Belegenheitsstaat des Nachlassvermögens nach Art. 10 ErbVO angerufen,780 erfolgt die Zuständigkeitsbegründung des späteren angerufenen Heimatgerichts über eine GV nach Art. 5 i. V. m. Art. 7 lit. b781 ErbVO.782
3. Kritische Würdigung zur Rechtswahl Positiv zu bewerten ist zunächst die im Vergleich zum bisherigen nationalen IPR bedeutsame Stellung, die die Parteiautonomie im Kollisionsrecht der ErbVO einnimmt: Der Erblasser kann nicht nur eine umfassende RW, sondern auch eine Teilrechtswahl treffen und damit verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten ausschöpfen. Allerdings ist der in Art. 21 und Art. 22 gewählte rechtspolitische Kompromiss783 zwischen subjektiver Staatsangehörigkeitsanknüpfung und objektiver Aufenthaltsanknüpfung im europäischen Schrifttum nicht durchgehend auf Zustimmung gestoßen.784 So sei die Rechtswahlbeschränkung auf die Staatsangehörigkeit zu restriktiv und könne Probleme bei der Koordinierung der erbrechtlichen RW mit einer RW nach den anderen EU‑VO hervorrufen.785 Diese Kritik ist m. E. berechtigt: Die Begrenzung auf eine einzige Wahloption erscheint vor allem im Vergleich zu den großzügigeren Wahlmöglichkeiten der familienrechtlichen EU‑VO zu eng und verwirklicht nur das Erb779 Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 19; vgl. auch Simotta, in: FS Gottwald, S. 603; a. A. Traar, in: Burgstaller u. a., EuErbVO Art. 5 Rn. 25 (eine GV sei auch nach Gerichtsanrufung möglich). 780 Dies wird vor allem dann eintreten, wenn das Erstgericht seinem Erbverfahrensrecht entsprechend das Verfahren von Amts wegen einleitet. 781 Art. 7 lit. b ErbVO ist rein deklaratorisch, weil die Prorogationswirkung ohenhin aus der gültigen GV folgt; siehe Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 7 EuErbVO Rn. 4. 782 Das nach Art. 4 oder Art. 10 ErbVO zuerst angerufene Gericht hat die GV auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, um sich dann gemäß Art. 6 lit. b für unzuständig zu erklären; siehe Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 6 Rn. 17; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 6 EuErbVO Rn. 16. 783 Vgl. Nordmeier, GPR 2013, 148 m. w. N. 784 Siehe z. B. D. Lehmann, DStR 2012, 2088; Wilke, RIW 2012, 606; Nordmeier, GPR 2013, 149; Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 65 f.; Basedow, The Law of Open Societies Rn. 430; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 22 Rn. 33. 785 Dutta, RabelsZ 73 (2009), 579; Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction, applicable law, recognition and enforcement of decisions and authentic instruments in matters of succession and the creation of a European Certificate of Succession, RabelsZ 74 (2010), 522 (606 ff.); Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 47; J. Weber, DNotZ 2016, 429 f.; ders., in: Dutta/J. Weber, Einl. Rn. 37.
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lasserinteresse der Nachlassverbindung zum Heimatstaat. Es können aber auch andere Absichten und Rechtswahlinteressen gegeben sein.786 Soll die RW die Erblasserinteressen weitestgehend verwirklichen und nicht bloß eine Kompromisslösung als Ausgleich zur objektiven Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt darstellen, dann erscheint eine großzügigere Parteiautonomie des Erblassers geboten.787
4. Kritische Würdigung zur Gerichtsstandsvereinbarung a) Keine Gerichtsstandswahl des Erblassers Im Vergleich zur RW spielt die GV als parteiautonome Gestaltungsmöglichkeit in der ErbVO eine geringere Rolle. Zweck des Art. 5 ist, wie bereits erwähnt, die ex post-Herstellung des Gleichlaufs zwischen forum und ius.788 Es ist hingegen nicht ein deklariertes Ziel der ErbVO, per GV die Parteiautonomie zu fördern.789 Aus dieser Zweckbestimmung folgt auch der besonders enge Anwendungsbereich des Art. 5 ErbVO. Bei Vorliegen einer RW könnte ein Gleichlauf aber auch bereits ex ante dadurch erzielt werden, dass der Erblasser gemeinsam mit der RW die Zuständigkeit eines Gerichts bzw. der Gerichte seines Heimatstaates festlegt790: Es erscheint in der Tat inkonsequent, dem Erblasser eine RW zu gestatten, aber auf Ebene der Zuständigkeit eine parteiautonome Disposition völlig zu verwehren.791 Schließlich besteht in internationalen Erbfällen auch das Interesse, hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit die Erb786 Zu den Interessen bei Vornahme einer erbrechtlichen RW siehe Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 440 ff. 787 Auf eine Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeiten de lege ferenda wird in § 5 B. III. 2. e) eingegangen. 788 Vgl. Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 6 und Rn. 8. 789 Simon/Buschbaum, Die neue EU‑Erbrechtsverordnung, NJW 2012, 2393 (2394); Dutta, FamRZ 2013, 6; Hess, in: Dutta/Herrler, S. 138 f. Rn. 22; Dutta, Gemeinsame oder getrennte Kodifikation von IPR und IZVR auf europäischer Ebene, in: von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015), S. 27 (S. 41): „auf ein reines Hilfsmittel reduziert“; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 6. 790 Für eine Gerichtsstandswahl durch den Erblasser sprach sich bereits der Deutsche Rat für IPR aus, siehe Bauer, Neues europäisches Kollisions- und Verfahrensrecht auf dem Weg: Stellungnahme des deutschen Rates für IPR zum internationalen Erb- und Scheidungsrecht, IPRax 2006, 202 (203); ebenso Lurger, Der Europäische Erbschein – ein neues Rechtsinstrument für Notare und Rechtspraktiker in Europa, in: Rechberger (Hrsg.), Brücken im europäischen Rechtsraum (2010), S. 45 (S. 57); Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, RabelsZ 74 (2010), 585 ff.; R. Magnus, IPRax 2013, 398; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 19. 791 Ebenso krit. Remien, La validité et les effets des actes à cause de mort, in: Bonomi/ Schmid (Hrsg.), Successions internationales (2010), S. 57 (S. 67); Dutta, FamRZ 2013, 7; Rudolf, NZ 2013, 229; Feraci, Party Autonomy and Conflict of Jurisdictions in the EU Private International Law on Family and Succession Matters, Yearbook of Private International Law 16 (2014/2015), 105 (126); Hess, in: Dutta/Herrler, S. 137 Rn. 17; Deixler-Hübner, in: Deixler-
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regelung absichern zu können und vorhersehbare Streitigkeiten zwischen den Erbprätendenten zuständigkeitsrechtlich zu kanalisieren, um im Voraus Klarheit über die Zuständigkeit zu schaffen. Mit einer Zuständigkeitsfestlegung durch den Erblasser können insbesonders die Schwierigkeiten zur Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts für die internationale Zuständigkeit vermieden und damit mehr Rechtssicherheit in Bezug auf das Erbverfahren erlangt werden. Eine solche GV wäre somit durchaus der Verfahrensökonomie dienlich.792 Dass dem Erblasser diese Dispositions- und Steuerungsmöglichkeit genommen wird, ist m. E. zu restriktiv. De lege lata kann der Erblasser nach der ErbVO nur indirekt Einfluss auf die Zuständigkeit nehmen: Zum einen kann er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen bestimmten Staat verlegen und damit dessen Zuständigkeit über Art. 4 herbeiführen; zum anderen kann er eine RW treffen und damit den Erbprätendenten die Möglichkeit eröffnen, eine GV zu einem Gericht oder den Gerichten seines Heimatstaates abzuschließen. Er kann eine solche Vereinbarung aber nicht sicherstellen, weil es an den Erbprätendenten liegt, eine Einigung zu erzielen. Daher wird der GV nach Art. 5 ErbVO eine geringe praktische Relevanz prognostiziert.793 Sofern es die Erben bzw. Verfahrensparteien verabsäumen, eine GV zu treffen, oder sie sich diesbezüglich nicht einigen können (dies dürfte bei Vorliegen eines großen Personenkreises zu erwarten sein), müsste abgewartet werden, bis ein Verlassenschaftsverfahren in einem Mitgliedstaat nach Art. 4 oder Art. 10 ErbVO eingeleitet wird und ob über Antrag einer Partei gemäß Art. 6 lit. a eine Verweisung der Erbsache an die zu ihrer Entscheidung besser geeigneten Gerichte des Mitgliedstaats des gemäß Art. 22 gewählten Rechts erfolgt, deren Zuständigkeit aus Art. 7 lit. a resultiert.794 Zu dieser Konstellation wird es vor allem deshalb kommen, weil der Kreis der zu beteiligenden Parteien im Vornhinein oft nicht feststellbar ist. Dieser Umweg wird auch in jenen Mitgliedstaaten zu erwarten sein, in denen Verlassenschaftsverfahren von Amts wegen einzuleiten sind und folglich ein Gericht, welches aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zuständig ist, meist erst dann von einer GV nach Art. 5 ErbVO erfährt, wenn es bereits ein Verfahren eingeleitet hat. Die geschilderten Umstände bedeuten nicht nur eine mangelnde Vorhersehbarkeit der internationalen Zuständigkeit, sondern führen auch für die Praxis zu umHübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 13; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 18 ff.; M. Pfeiffer, JPIL 12 (2016), 580 f. 792 R. Magnus, IPRax 2013, 396; Rechberger/Frodl, Die Internationale Zuständigkeit, in: Rechberger/Zöchling-Jud (Hrsg.), Die EU‑Erbrechtsverordnung in Österreich (2015), S. 45 (S. 65 Rn. 38); Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 20. 793 Siehe Feraci, Yearbook of Private International Law 16 (2014/2015), 125; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 32. 794 Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 109 ff.; dies., in: FS Gottwald, S. 600; dabei muss die Antragstellung vor der Einlassung auf das Verfahren erfolgen.
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ständlichen, mit unnötigen Verzögerungen und erhöhten Kosten verbundenen Verfahren.795 Eine vorsorgende Zuständigkeitsregelung durch den Erblasser könnte diese Nachteile vermeiden.796 Im europäischen Vergleich kennt indes lediglich die Schweiz eine Prorogationsmöglichkeit des Erblassers: Gemäß Art. 87 Abs. 2 Schweizer IPRG sind die Schweizer Gerichte zuständig, wenn ein zuletzt im Ausland wohnhafter Schweizer „sein in der Schweiz gelegenes Vermögen oder seinen gesamten Nachlass durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag der schweizerischen Zuständigkeit oder dem schweizerischen Recht unterstellt hat“.797 Zum einen kann damit unmittelbar die Nachlasszuständigkeit der Schweizer Gerichte prorogiert werden, und zum anderen folgt bei einer RW zum Schweizer Heimatrecht ex lege die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte, um den Gleichlauf zu sichern.798 In anderen europäischen Rechtsordnungen ist zwar teilweise eine gewisse Flexibilität der Zuständigkeitsvorschriften in Erbsachen festzustellen, von denen die Parteien eines Erbstreits Gebrauch machen können,799 doch eine Art. 87 Abs. 2 Schweizer IPRG entsprechende Prorogationsmöglichkeit des Erblassers ist den EU‑Mitgliedstaaten fremd. Dies ist aus deutscher und österreichischer Sicht vor allem darauf zurückzuführen, dass die meisten Erbverfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchzuführen sind, in der die Parteiendisposition eingeschränkt800 und eine GV grundsätzlich ausgeschlossen ist.801 Außerdem würde eine vom Erblasser einseitig getroffene Gerichtsstandswahl gegenüber Dritten – den Verfahrensparteien der künftigen Erbstreitigkei795 Lurger, in: Rechberger, S. 57; D. Lehmann, DStR 2012, 2088; krit. auch R. Magnus, IPRax 2013, 397 Fn. 41; krit. zum Einzug der im EU‑IZVR grundsätzlich abgelehnten forum non conveniens-Doktrin Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 113 ff.; dies., in: FS Gottwald, S. 601 ff. 796 Hess, in: Dutta/Herrler, S. 137. 797 Näher hierzu Bonomi, Le choix de la loi applicable à la succession dans la proposition de règlement européen, in: Bonomi/Schmid (Hrsg.), Successions internationales (2010), S. 23 (S. 48). 798 Vgl. zu weiteren Verfügungsmöglichkeiten im Schweizer Erbverfahrensrecht Schnyder/Liatowitsch, in: Honsell u. a., Basler Kommentar IPRG3 (2013) Art. 86 Rn. 19. 799 So sind GV in internationalen Erbrechtsstreitigkeiten nach § 27 i. V. m. § 38 Abs. 2 ZPO (siehe R. Magnus, IPRax 2013, 394; Bendtsen, in: Saenger, ZPO7 (2017) § 27 ZPO Rn. 1) bzw. nach § 77 JN (siehe Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 8 und § 104 Rn. 155; Mayr, in: Rechberger, ZPO4 § 77 JN Rn. 4) in internationalen Erbrechtsstreitigkeiten nach § 27 i. V. m. § 38 Abs 2 dt ZPO (siehe Bendtsen in I. Saenger, ZPO7 § 27 ZPO Rz 1; Magnus, IPRax 2013, 394) nicht ausgeschlossen. 800 Vgl. den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 FamFG. 801 Siehe für Deutschland Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9 (2004) 1052 m. w. N.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht7 Rn. 1789 m. w. N.; für Österreich Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 104 JN Rn. 167 m. w. N. Dementsprechend wird die Anwendung des Art. 5 ErbVO in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kritisch bewertet; siehe R. Magnus, IPRax 2013, 396; Heinig, RNotZ 2014, 226; Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 12; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 8.
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ten – wirken, zumal der Erblasser am Erbverfahren ja nicht beteiligt ist. Dem könnte die Rspr. des EuGH802 zur EuGVVO entgegenstehen, wonach eine vertraglich getroffene GV grundsätzlich nur dann gegenüber einem Dritten wirkt, wenn dieser der Klausel zugestimmt hat.803 Diesem Gedanken entspricht auch die ErbVO mit der Rüge- bzw. Heilungsmöglichkeit des Art. 9 ErbVO in Bezug auf „übergangene“ Parteien, die im Hinblick auf die GV als „Dritte“ zu betrachten sind. Wie Hess804 aber zutreffend ausführt, müssen die Bedenken vor einem „Aufzwingen“ der Zuständigkeit am spezifisch erbrechtlichen Kontext der persönlichen Nachlassplanung gemessen werden. Das Argument, Erbberechtigte wären durch eine einseitige Prorogation benachteiligt, kann nicht stärker bewertet werden als im Rahmen des Kollisionsrechts,805 wo dem Erblasser eine einseitige Disposition ermöglicht wird, die sich auf die Rechtspositionen der Erbberechtigten auswirkt. Ein Erblasser kann ein berechtigtes Interesse daran haben, auch hinsichtlich der Zuständigkeit in Bezug auf seine Rechtsnachfolge direkt vorsorgende Dispositionen zu treffen. Die unmittelbare Wahrnehmung des verfahrensrechtlichen Dispositionsinteresses ist dem Erblasser in der ErbVO, wie ausgeführt, verwehrt. Es ist daher überlegenswert, welche Möglichkeiten dem Erblasser de lege lata zur Verfügung stehen, um dennoch auf die Zuständigkeit hinsichtlich seiner Rechtsnachfolge einzuwirken.
b) Alternative Gestaltungsmöglichkeiten de lege lata Im Schrifttum wird teilweise vorgeschlagen, dass der Erblasser mit den voraussichtlichen Verfahrensparteien im Sinne des Art. 5 ErbVO, insbesonders den Erben, z. B. im Rahmen eines Erbvertrags eine GV abschließt.806 Wie erläutert, schließt die ErbVO die Möglichkeit nicht aus, bereits zu Lebzeiten des Erblassers eine GV zu treffen, sofern eine gültige RW vorliegt.807 Richtigerweise muss eine solche Vereinbarung zwischen Erblasser und Erben gleichwohl als GV der Verfahrensparteien im Sinne des Art. 5 – zu denen der Erblasser aber nicht zählt – gewertet werden, weil die ErbVO de lege lata keine anderweitige Prorogationsmöglichkeit kennt. Prozessualtechnisch kann der Erblasser selbst über eine solche „gemeinsame“ Vereinbarung die Zuständigkeit nicht bindend 802 803
EuGH C-543/10 Rn. 29 und 41; C-352/13 Rn. 6; C-436/16 Rn. 35 ff. Dazu bereits oben § 3 C. II. 2. d). 804 Hess, in: Dutta/Herrler, S. 137. 805 Vgl. Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 13. 806 Dutta, FamRZ 2013, 7; Lübcke, GPR 2015, 117 f.; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 17; vgl. auch Pawlytta/Pfeiffer, in: Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4 (2014) § 33 Rn. 155 f. 807 Stellt sich in der Folge heraus, dass nicht alle Verfahrensparteien an dieser GV beteiligt waren, kann diese wiederum durch die Heilungsmöglichkeit in Art. 9 ErbVO „gerettet“ werden.
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regeln und nicht verhindern, dass die Verfahrensparteien die GV später aufheben.808 Denkbar wäre allenfalls, in materiellrechtlichen Verfügungen einen Abschluss der GV durch die Erben als Potestativbedingung oder Auflage zu gestalten,809 sofern dies nach dem anzuwendenden Erbstatut ein gültiger Inhalt solcher Verfügungen ist. Abgesehen von der daraus folgenden unsicheren Wirksamkeit der materiellrechtlichen Verfügung bestünde nach wie vor die Gefahr, dass sich nicht alle Verfahrensparteien an der GV beteiligen und diese somit ungültig ist. Als eine weitere Möglichkeit wird die Aufnahme von einseitigen Schiedsklauseln in letztwillige Verfügungen diskutiert.810 Die ErbVO nimmt anders als die EuGVVO811 und die Rom I‑VO812 die Schiedsgerichtsbarkeit bzw. Schiedsvereinbarungen nicht explizit von ihrem Anwendungsbereich heraus. Erläuterungen dazu finden sich in den Erwägungsgründen nicht; ein solcher Ausnahmetatbestand wurde auch in keinem Verhandlungsstadium der ErbVO diskutiert. Es liegt eher die Vermutung nahe, dass über die Einführung einer der Rom I‑VO und der EuGVVO entsprechenden Bestimmung gar nicht diskutiert wurde, zumal die praktische Rolle letztwilliger Schiedsklauseln bisweilen als gering zu verzeichnen ist.813 Die Zuständigkeitsvorschriften der ErbVO finden auf die Schiedsgerichtsbarkeit jedenfalls keine Anwendung.814 Letztwillige Schiedsklauseln sind nur in wenigen Mitgliedstaaten ausdrücklich gesetzlich verankert815 und auch nur beschränkt zulässig.816 Das Schattendasein letztwilliger Schiedsklauseln könnte sich aber mit der ErbVO angesichts der fehlenden Prorogationsmöglichkeit des Erblassers ändern. Zumindest im Schrifttum wird 808 Dutta, FamRZ 2013, 7; Keim, Rechtswahl nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO), in: Roth (Hrsg.), Die Wahl ausländischen Rechts im Familien- und Erbrecht (2013), S. 67 (S. 77); Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 14; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 5 EuErbVO Rn. 9. 809 Siehe Dutta, FamRZ 2013, 7; Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 14; Müller-Lukoschek, Die neue EU‑Erbrechtsverordnung2 (2015) § 4 Rn. 22 ff. 810 Siehe etwa R. Magnus, IPRax 2013, 397 f.; Lübcke, GPR 2015, 116 f. 811 Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGVVO n. F. bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGVVO a. F. 812 Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I‑VO. 813 Vgl. etwa für Österreich Zöchling-Jud/Kogler, Letztwillige Schiedsklauseln, GesRZ 2012, 79 (79); für Deutschland Münch, in: MüKommZPO4 (2013) § 1066 Rn. 4; für Bulgarien Ivanova, in: Süß, S. 324; für Norwegen Sedlmayer, in: Süß, S. 954. 814 Vgl. Mankowski, Erbrechtliche Schiedsgerichte in Fällen mit Auslandsbezug und die EuErbVO, ZEV 2014, 395 (398 f.). 815 Siehe z. B. § 1066 ZPO und § 581 Abs. 2 österr. ZPO. 816 So seien insbesondere Pflichtteilsansprüche von letztwilligen Schiedsklauseln ausgenommen; für Deutschland siehe in der jüngsten Rspr. BGH 16.3.2017, I ZB 49/16 und I ZB 50/16 FamRZ 2017, 1295 (zust. Reimann) = ZEV 2017, 416 (krit. Geimer); für Spanien siehe ausdrücklich Art. 10 Schiedsgerichtsbarkeitsgesetz (Ley de Arbitraje 60/2003, 23.12.2003): „También será válido el arbitraje instituido por disposición testamentaria para solucionar diferencias entre herederos no forzosos o legatarios […]“ (eigene Hervorhebung). Die Entlassung eines Testamentsvollstreckers könne auch nicht von einer letztwilligen Schiedsklausel erfasst werden; siehe OLG Stuttgart 7.11.2016, 8 W 166/16 ZEV 2017, 269.
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die letztwillige Schiedsklausel in jüngster Zeit vermehrt behandelt und für die Kautelarpraxis teilweise auch beworben.817 Als Nachteil ist aber die beschränkte Reichweite solcher Klauseln zu nennen, da der Erblasser keine umfassende Zuständigkeit des Schiedsgerichts für seine Rechtsnachfolge begründen kann. Im Ergebnis sind die dargestellten Optionen somit nur bedingt geeignet, dem Erblasser eine adäquate Zuständigkeitsfestlegung zu ermöglichen.818
III. Formelle Gültigkeit 1. Rechtswahl (Art. 22 Abs. 2 ErbVO) Gemäß Art. 22 Abs. 2 ErbVO muss die RW – und gemäß Art. 22 Abs. 4 auch der Widerruf bzw. die Änderung einer RW – in der Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. Diese verordnungsautonom festgelegte „Rahmenform“ der RW wird durch Art. 27 ergänzt, der das Formstatut für materiellrechtliche Verfügungen von Todes wegen regelt und somit in Einklang mit Art. 22 Abs. 2 bzw. Abs. 4 auch für die RW heranzuziehen ist.819 Art. 27 Abs. 1 lit. a–e enthalten jeweils alternative Anknüpfungen für die formelle Gültigkeit, konkret das Recht am Errichtungsort (lit. a), das Recht des Heimatstaates (lit. b), das Recht des Wohnsitzstaates (lit. c), das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts (lit. d) und das Recht des Belegenheitsstaates im Fall von unbeweglichem Vermögen (lit. e). Die Regelung des Art. 27 ist somit großzügig ausgestaltet und soll im Sinne des favor testamenti die Formgültigkeit der Verfügungen von Todes wegen weitestgehend sichern.820 Allerdings ist durch die alternativen Anknüpfungen in Kauf zu nehmen, dass das Formstatut nicht zwingend mit dem gewählten (Heimat-)Recht übereinstimmt.821 Für die Vertragsstaaten des Haager Testamentsformübereinkommens822 ist zu beachten, dass Art. 27 ErbVO vom Übereinkommen in seinem Anwendungsbereich verdrängt wird,823 dessen Bestimmungen aber ohnehin weitestgehend in Art. 27 übernommen wurden, um einen Gleichlauf zwischen den beiden Regelungswerken zu sichern.824 Dem Übereinkommen und Art. 27 ErbVO ist 817 Siehe Mankowski, ZEV 2014, 397; Lange, Letztwillige Schiedsklauseln in der jüngsten Rechtsprechung, ZEV 2017, 1 (1 ff.). 818 Ebenso R. Magnus, IPRax 2013, 398; Lübcke, GPR 2015, 117–118. 819 Dörner, ZEV 2012, 511; Dutta, FamRZ 2013, 8; ders., in: MüKommBGB7 Art. 22 EuErbVO Rn. 15. 820 Vgl. Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2396; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 27 EU‑ErbVO Rn. 12. 821 Vgl. Leitzen, Die Rechtswahl nach der EuErbVO, ZEV 2013, 128 (129). 822 Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961, österr. BGBl. 1963/295 i. d. F. österr. BGBl. III 2014/14. 823 Siehe Art. 75 Abs. 1 Satz 2 ErbVO. 824 Siehe die Gegenüberstellung bei Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 27 EU‑ErbVO Rn. 1 ff.
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somit gemeinsam, dass sie für die konkrete Ausgestaltung der Form der RW auf das nationale Recht verweisen und keine vollständige autonome Regelung enthalten.825 Der Verweis auf die Formgültigkeit einer Verfügung von Todes wegen gemäß Art. 27 ErbVO bedeutet aber nicht, dass eine RW stets gemeinsam mit einer materiellrechtlichen Disposition getroffen werden muss. Es handelt sich bei Art. 22 Abs. 2 nur um eine formbezogene Klarstellung, sodass nach zutreffender Ansicht826 eine ausdrückliche RW auch isoliert, d. h. als alleiniger Gegenstand einer eigenen Verfügung von Todes wegen möglich ist.827
2. Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 5 Abs. 2 ErbVO) Anders als bei der RW legt die ErbVO für die GV in Art. 5 Abs. 2 verordnungsautonome Formerfordernisse fest. Die GV hat schriftlich zu erfolgen und ist zu datieren und von allen beteiligten Parteien zu unterschreiben. Eine elektronische Übermittlung entspricht gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 ErbVO ebenso der Schriftform, ersetzt aber nicht die Unterschriften und die Datierung.828 Diese zwei Voraussetzungen sind im Rahmen des Art. 5 ErbVO besonders wichtig: Fehlt die Unterschrift einer betroffenen Partei und hat diese damit nicht an der GV teilgenommen, dann ist die GV unwirksam, sofern keine Heilung gemäß Art. 9 eintritt. Die Datierung ist als Wirksamkeitsvoraussetzung deshalb bedeutsam, weil die rechtswahlakzessorische GV erst bei Vorliegen einer RW des Erblassers zulässig ist.829 Eine Öffnungsklausel zugunsten strengerer Formvorschriften nach nationalem Recht, wie sie andere EU‑VO für die RW kennen, enthält Art. 5 Abs. 2 ErbVO nicht. Die genannten Formvoraussetzungen sind damit abschließend, sodass weitere Formerfordernisse in der lex fori unbeachtlich sind.830
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Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 22 EuErbVO Rn. 15. Dutta, FamRZ 2013, 8; Leitzen, ZEV 2013, 129; Rudolf, NZ 2013, 235; Heinig, RNotZ 2014, 203; Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 22 Rn. 23 EuErbVO. A. A. Kunz, Die neue Europäische Erbrechtsverordnung – ein Überblick (Teil I), GPR 2012, 208 (208) sowie Kroll-Kudwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 142, die eine isolierte RW ausschließen; offenbar auch Schauer, JEV 2012, 86: „Die Rechtswahl erfolgt in der letztwilligen Verfügung“. 827 Eine konkludente RW (dazu unten § 3 D. IV. 1. c) ergibt sich aus einer materiellrechtlichen Verfügung von Todes wegen und ist daher zwangsweise mit einer solchen verbunden; siehe Mansel, in: Leible/Unberath, S. 276; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 22 EuErbVO Rn. 6. 828 Odersky, in: Bergquist u. a., EU Regulation on Succession and Wills, Art. 5 Rn. 15. 829 Simotta, in: FS Gottwald, S. 598; diesen Zweck übersieht Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 372, der eine Datierung nicht als notwendig erachtet. 830 Odersky, in: Bergquist u. a., EU Regulation on Succession and Wills, Art. 5 Rn. 14; Traar, in: Burgstaller u. a., EuErbVO Art. 5 Rn. 29. 826
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IV. Materielle Wirksamkeit 1. Rechtswahl a) Rechtsnatur der erbrechtlichen Rechtswahl Während die Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlregeln der anderen EU‑VO in Bezug auf die materielle Wirksamkeit von einer „Einigung“ der Parteien sprechen und damit ein verordnungsautonomes Kriterium der Willenseinigung statuieren,831 sprechen Art. 22 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 2 ErbVO davon, dass „eine Person […] wählen“ kann. Daraus kann ebenso ein verordnungsautonomes Kriterium für die RW abgeleitet werden, und zwar insofern, als eine Willenserklärung des Erblassers hinsichtlich der Bestimmung des anzuwendenden Rechts vorliegen muss. Die RW nach Art. 22 und Art. 24 Abs. 2 ist daher stets eine einseitige832 RW und kann nur vom Erblasser in Bezug auf seine eigene Staatsangehörigkeit getroffen werden.833 Für die „kleine“ RW in Bezug auf Erbverträge gemäß Art. 25 Abs. 3 ErbVO spricht der Verordnungstext hingegen davon, dass „die Parteien […] das Recht wählen“834 können, das die Person oder – im Fall eines den Nachlass mehrerer Personen betreffenden Erbvertrags – eine der Personen, deren Nachlass im Erbvertrag geregelt wird, nach Art. 22 wählen könnte. Obgleich diese Formulierung in Art. 25 Abs. 3 ErbVO nicht dem Wortlaut der Bestimmungen zur Rechtswahlvereinbarung in anderen EU‑VO entspricht, wonach die Parteien – wie soeben erwähnt – das anzuwendende Recht „durch Vereinbarung bestimmen“835 und woraus das Erfordernis einer Willenseinigung abgeleitet wird, ergibt sich aus Art. 25 Abs. 3 ErbVO dennoch die verordnungsautonome Einstufung dieser „gemeinsamen“ RW als zwei- oder mehrseitige und damit vertragliche Rechtswahlvereinbarung.836 Diese Sonderstellung der RW nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO wird auch durch die eigene Anknüpfung des Erbvertrages – auf den sich die RW 831 Siehe oben § 3 A. IV. 1. a) (UntVO und EuGVVO), § 3 B. IV. 1. (Rom III‑VO), § 3 C. IV. 1. a) und 2. a) (EheGüVO und PaGüVO). 832 Eine einseitige RW liegt auch bei der Vollmacht vor: Gemäß § 49 Abs. 1 öster. IPRG und Art. 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (i. d. F. dBGBl. I 2017, 1607) kann der Geschäftsherr einseitig das Vollmachtsstatut bestimmen. 833 Vgl. Nordmeier, Erbverträge in der neuen EU‑Erbrechtsverordnung: zur Ermittlung des hypothetischen Erbstatuts nach Art. 25 ErbRVO, ZErb 2013, 112 (116); Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 76 Fn. 83; Soutier, ZEV 2015, 517; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 90. 834 Vgl. in anderen Sprachfassungen „the Parties may choose“, „les parties peuvent choisir“ oder „le parti possono scegliere“. 835 Siehe Art. 5 Abs. 1 Rom III‑VO sowie Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO. 836 Ebenso Nordmeier, ZErb 2013, 116; Mansel, in: Leible/Unberath, S. 259; Heinig, RNotZ 2014, 212; Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 118; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 25 EuErbVO Rn. 6; Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 25 Rn. 14 EuErbVO; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 25 Rn. 37; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 22 Rn. 1.
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bezieht – im Kollisionsrechtssystem der ErbVO betont. Denn der Erbvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass eine andere Interessenslage als bei einseitigen Verfügungen des Erblassers vorliegt: Der Erblasser soll sich aufgrund der vertraglichen Bindung und zum Schutz der anderen Vertragspartei(en) schwerer davon lösen können.837 Zwar ist der materiellrechtliche Erbvertrag von der kollisionsrechtlichen RW zu trennen, doch gelten die beschriebenen Eigenschaften mutatis mutandis auch für die RW nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO, bei der – anders als bei Art. 22 und Art. 24 Abs. 2 – mehrere Parteien beteiligt sind. Diese vertragliche Natur der RW nach Art. 25 Abs. 3 führt zu Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Widerruf und der Änderung der RW, worauf in der Folge eingegangen wird.
b) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht Auf die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der eine RW vorgenommen wird, ist gemäß Art. 22 Abs. 3 ErbVO das gewählte Recht, d. h. das Erbstatut, anzuwenden.838 Dies gilt sowohl für die „große“ als auch für die „kleine“ RW: Art. 24 Abs. 2 bzw. Art. 25 Abs. 3 ErbVO verweisen zwar nicht explizit auf Art. 22 Abs. 3 für die materielle Wirksamkeit, aber allgemein auf die in Art. 22 „genannten Bedingungen“, woraus abzuleiten ist, dass die Regeln zur „großen“ RW und damit auch Art. 22 Abs. 3 entsprechende Anwendung finden.839 Wie Ömür840 zu Recht aufzeigt, müsste Art. 22 Abs. 3 für die RW in Bezug auf einen Erbvertrag nach Art. 25 Abs. 3 in Anlehnung an die Regeln für zweiseitige Rechtswahlvereinbarungen in der Rom III‑VO und Rom I‑VO dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass neben der materiellen Wirksamkeit auch das Zustandekommen der Rechtswahlvereinbarung (und nicht bloß der einseitigen „Rechtshandlung“) erfasst werden. Der Begriffsumfang der „materiellen Wirksamkeit“ der RW wird in Art. 22 ErbVO nicht näher definiert. Blickt man in die Erwägungsgründe, so findet sich in Erwägungsgrund 40 Satz 2 nur der knappe und pauschale Hinweis darauf, ob „die Person, die die Rechtswahl trifft, verstanden hat, was dies bedeutet und dem zustimmt“. Als konkreterer Anhaltspunkt kann aber Art. 26 Abs. 1 ErbVO zur materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen herangezogen werden,841 der sich zwar nach dem Wortlaut nur auf die materielle Wirksamkeit für letztwillige Verfügungen und Erbverträge nach Art. 24 und Art. 25 bezieht, 837 Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 25 EuErbVO Rn. 2. 838 Vgl. ErwGr. 40 Satz 2 ErbVO; ebenso Art. 5 Abs. 2
Satz 2 Haager Erbrechtsübereinkommen. 839 Siehe Heinig, RNotZ 2014, 209; vgl. auch ErwGr. 40 Satz 2 ErbVO, der nicht zwischen den verschiedenen Rechtswahlbestimmungen differenziert. 840 Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 92 f., 94 f. 841 Nordmeier, GPR 2013, 153; Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 78 f.; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 22 EuErbVO Rn. 16; Schau-
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aber einen Katalog von Aspekten enthält, die – der h. A.842 zur RW nach den anderen VO entsprechend – überwiegend auch die materielle Wirksamkeit der RW betreffen (Testierfähigkeit als besondere erbrechtliche Rechtswahlfähigkeit,843 Zulässigkeit einer Stellvertretung, Willensmängel). Kennt das gewählte Recht keine speziellen Regeln für die Wirksamkeit der RW, so sind die materiellrechtlichen Bestimmungen für die letztwilligen Verfügungen entsprechend analog anzuwenden.844
c) Konkludente Rechtswahl Gemäß Art. 22 Abs. 2 ErbVO kann die RW nicht nur explizit in einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, sondern sich auch „aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben“. Damit wird die Zulässigkeit einer konkludenten RW statuiert, die in Art. 17 Abs. 2 des Kommissionsvorschlages845 noch nicht vorgesehen und auch in anderen erbrechtlichen Kollisionsregeln846 aufgrund der mit ihr verbundenen Unsicherheiten bislang nicht bekannt war.847 Erwägungsgrund 39 ErbVO nennt als Beispiel die Bezugnahme auf Bestimmungen des Heimatrechts oder die Erwähnung des Heimatrechts in sonstiger Weise. Konkret ist auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung im Einzelfall abzustellen.848 Hierbei ist zu beachten, dass anders als nach Art. 3 Abs. 1 Rom I‑VO und Art. 14 Abs. 1 Rom II‑VO, wonach sich eine konkludente RW „eindeutig“ aus dem Vertrag bzw. mit „hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles“ ergeben muss, Art. 22 Abs. 2 ErbVO keine besonders hohe Schwelle für die Schlüssigkeit verlangt.849 Diese Differenzierung ist vor dem Hintergrund er, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 22 Rn. 13 f.; J. Schmidt, in: BeckOGK (Stand 7.8.2017) Art. 22 EuErbVO Rn. 29. 842 Siehe oben § 3 B. IV. 1. und § 3 C. IV. 1. a). 843 J. Schmidt, in: BeckOGK (Stand 7.8.2017) Art. 22 EuErbVO Rn. 31; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 15 ff., 158. Die allgemeine Rechts- und Geschäftsfähigkeit ist hingegen gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b ErbVO von der VO ausgenommen und daher – in Einklang mit den anderen VO – nach dem autonomen nationalen IPR anzuknüpfen; siehe Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 1 EuErbVO Rn. 16; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 1 EU‑ErbVO Rn. 14. 844 Döbereiner, DNotZ 2014, 325; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 22 Rn. 6. 845 KOM(2009) 154 endg. 21; siehe dazu Buschbaum/M. Kohler, Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts in Europa. Eine kritische Würdigung des Kommissionsvorschlags zur Erbrechtsverordnung, GPR 2010, 106 (112). 846 Vgl. Art. 5 Abs. 2 des Haager Erbrechtsübereinkommens, Art. 79 Unterabsatz 2 belg. IPRG sowie Art. 46 Abs. 2 ital. IPRG. 847 Krit. zur Zulässigkeit einer konkludenten RW Bonomi, Recueil des Cours 350 (2010), 248 f.; Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 70; M. Pfeiffer, JPIL 12 (2016), 579; hingegen zust. C. Kohler, L’autonomie de la volonté 254; Dörner, ZEV 2012, 511. 848 Nordmeier, GPR 2013, 152. 849 Ebenso Nordmeier, GPR 2013, 152.
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zu betrachten, dass die Rechtswahlsituation im Vertragsrecht völlig anders ist als im Erbrecht. Die Grenzziehung zwischen einem schlüssig erklärten Rechtswahlwillen und der bloßen Rechtsgeltungsannahme ist im Erbrecht dadurch erschwert, dass der Erblasser im Nachhinein nicht mehr befragt werden kann, ob er im Sinne einer Rechtsgeltungsannahme schlichtweg von der Anwendbarkeit seines Heimatrechts ausging. Bei Vorliegen stichhaltiger Indizien – neben der erwähnten Bezugnahme auf gesetzliche Bestimmungen etwa die Verwendung erbrechtsspezifischer Termini850 – sollte im Sinne des favor testamenti kein strenger Maßstab für die Annahme einer konkludenten RW angesetzt werden,851 um die Gültigkeit der RW möglichst zu erhalten.
d) Widerruf und Änderung der Rechtswahl Ob ein Widerruf oder eine Änderung einer RW zulässig sind, regelt die ErbVO nicht ausdrücklich. Bedeutsam ist diese Frage vor allem dann, wenn eine RW gemäß Art. 25 Abs. 3 ErbVO im Rahmen eines Erbvertrags (z. B. eines Pflichtteilsverzichtsvertrags) erfolgt. Im Schrifttum852 ist diesbezüglich umstritten, ob der Erblasser an die RW gebunden ist oder ob er sie einseitig widerrufen bzw. ändern kann. Art. 22 Abs. 4 ErbVO stellt lediglich hinsichtlich der formellen Gültigkeit des Widerrufs und der Änderung einer RW klar, dass sich diese – analog zur „ersten“ Rechtswahlhandlung – nach Art. 22 Abs. 2 bzw. Art. 27 richtet. Erwägungsgrund 40 Satz 3 ErbVO erwähnt des Weiteren, dass auf die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, „mit der die Rechtswahl geändert oder widerrufen wird“, auch das „gewählte“ Recht angewendet werden soll. Beim bloßen Widerruf ist dies das durch die erste Rechtswahlhandlung gewählte Recht. Bei der Änderung der RW wird hingegen eine neue RW getroffen, sodass konsequenterweise auf Art. 22 Abs. 3 ErbVO abzustellen ist und damit das neu gewählte Recht für die materielle Wirksamkeit der „Änderung“ der RW gilt.853 Im Ergebnis folgt die Beurteilung der formellen und materiellen Gültigkeit der Widerrufs- bzw. Änderungshandlung dem System der „Ersthandlung“. Führt man dieses Argument konsequent weiter, so muss dies auch für die Frage der Zulässigkeit der Widerrufs- bzw. Änderungshandlung gelten. Meines Erachtens ist aus den genannten Bestimmungen der ErbVO die grundsätzliche Zulässigkeit der Änderung und des Widerrufs der großen RW nach Art. 22 ErbVO und der 850 Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, RabelsZ 74 (2010), 613 f. 851 Vgl. Dutta, FamRZ 2013, 8; J. Schmidt, in: BeckOGK (Stand 7.8.2017) Art. 22 EuErbVO Rn. 20; Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 22 EuErbVO Rn. 6. 852 Siehe etwa Nordmeier, ZErb 2013, 117 f.; Döbereiner, DNotZ 2014, 323 ff.; Dutta, IPRax 2015, 37; Soutier, ZEV 2015, 515 ff. 853 Döbereiner, DNotZ 2014, 326. Anders hinsichtlich der Änderung einer RW Nordmeier, GPR 2013, 154 (das zuvor gewählte Recht bestimmt die materielle Wirksamkeit).
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kleinen RW nach Art. 24 Abs. 2854 verordnungsautonom abzuleiten.855 Diese stellen jeweils einseitige RW dar und können damit auch einseitig widerrufen und geändert werden. Dies schließt aber nicht aus, dass nach Maßgabe des nationalen Rechts die nach der ErbVO einseitigen RW bindend (und damit nicht einseitig widerrufbar) gestaltet werden können.856 Die Wahl des Wirkungsstatuts eines Erbvertrags nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO stellt, wie oben ausgeführt, anders als Art. 22 und Art. 24 Abs. 2 keine einseitige RW, sondern eine Rechtswahlvereinbarung dar. Diese RW nimmt insofern eine Sonderstellung im Rechtswahlsystem der ErbVO ein. Hier steht der Wahrung des Erblasserwillens der Vertrauensschutz der anderen Partei(en) hinsichtlich ihrer Rechtsposition(en), z. B. des Verzichtenden im Fall eines Pflichtteilsverzichtsvertrags, gegenüber.857 Zur Modifikation einer solchen zwei- oder auch mehrseitigen RW äußert sich die ErbVO nicht explizit. Diese Regelungslücke ist aber durch einen Vergleich zu anderen EU‑VO zu schließen, die nur zweiseitige RW kennen und damit konsequenterweise auch für Widerruf und Änderung der RW eine Vereinbarung der Parteien verlangen.858 Dementsprechend entfaltet die Wahl des Errichtungsstatuts des Erbvertrags gemäß Art. 25 Abs. 3 ErbVO eine verordnungsautonome Bindungswirkung zwischen den Parteien,859 sodasss eine Änderung oder ein Widerruf der RW durch eine Vereinbarung der Parteien, aber nicht einseitig möglich ist.860
854 Einen Widerruf bei Art. 24 Abs. 2 ErbVO abl. Döbereiner, DNotZ 2014, 327; Soutier, ZEV 2015, 516. 855 Ebenso Bonomi, Recueil des Cours 350 (2010), 250; Nordmeier, ZErb 2013, 117; Davì/ Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 81; Heinig, RNotZ 2014, 212; Soutier, ZEV 2015, 516 und 518; auf Art. 22 Abs. 4 ErbVO abstellend J. Schmidt, in: BeckOGK (Stand 7.8.2017) Art. 22 EuErbVO Rn. 38; a. A. Döbereiner, DNotZ 2014, 332 sowie Dutta, IPRax 2015, 37, wonach die Widerruflichkeit und Abänderbarkeit als Teil der materiellen Wirksamkeit dem gewählten Recht unterliege; ebenso Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 22 EuErbVO Rn. 29. Auch über diese Lösung ist eine Widerruflich- bzw. Abänderbarkeit der RW aber regelmäßig zu bejahen, wenn die materiellrechtlichen Regeln für letztwillige Verfügungen analog angewendet werden, weil letztwillige Verfügungen nach nationalem Recht überwiegend vom Erblasser aufgehoben oder geändert werden können; siehe Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 22 Rn. 70 f. 856 So ist es nach § 2270 BGB (insbesonders Abs. 3) und § 2278 Abs. 2 BGB z. B. für Ehegatten möglich, ihre jeweilige RW nach Art. 22 ErbVO wechselbezüglich in einem Testament oder erbvertraglich bindend anzuordnen; siehe Soutier, ZEV 2015, 518. 857 Vgl. Bauer, in: Dutta/J. Weber, Art. 25 EuErbVO Rn. 2. 858 Gemäß Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO können die Ehegatten bzw. Partner das Güterrecht „durch Vereinbarung bestimmen oder ändern“; siehe oben § 3 C. IV. 1. a). 859 Ebenso Soutier, ZEV 2015, 517. 860 Bonomi, Recueil des Cours 350 (2010), 253; Nordmeier, ZErb 2013, 116 f.; Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato europeo delle successioni 118 f.; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 25 EuErbVO Rn. 6; Soutier, ZEV 2015, 517; einen Widerruf oder eine Änderung a priori ausschließend Heinig, RNotZ 2014, 212.
150
§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
2. Gerichtsstandsvereinbarung a) Materielle Wirksamkeit und anzuwendendes Recht Gemäß Art. 5 ErbVO können die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte des Heimatstaates des Erblassers „vereinbaren“.861 Wie bereits zu den anderen EU‑VO ausgeführt wurde, liegt in dieser „Vereinbarung“ ein verordnungsautonom zu bestimmendes Kriterium der Willenseinigung.862 Darüber hinaus fehlt in der ErbVO inkonsequenterweise eine – Art. 22 Abs. 3 für die RW entsprechende – Regelung zum auf das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der GV anzuwendenden Recht. Diese Lücke ist umso mehr zu kritisieren, als die ErbVO und die Neufassung der EuGVVO, die für diese Frage in Art. 25 Abs. 1 auf das (Kollisions-)Recht der lex fori prorogati verweist, ungefähr zur selben Zeit verhandelt wurden.863 Bedauerlicherweise beziehen sich die ErbVO und die Materialien an keiner Stelle auf die EuGVVO. Meines Erachtens sollte Art. 25 EuGVVO n. F. aber zur Lückenfüllung in Art. 5 ErbVO herangezogen werden, sodass die lex fori prorogati maßgeblich ist.864 Aufgrund der Rechtswahlakzessorietät der GV entspricht dabei die lex fori prorogati dem gewählten Erbstatut. Diese Rechtsordnung entscheidet inklusive ihrer Kollisionsnormen über das auf die GV anzuwendende Recht. Bei der – nach hier vertretenen Ansicht zu bevorzugenden – analogen Anknüpfung an Art. 4 Abs. 4 Rom I‑VO führt die engste Verbindung zum gewählten Erbstatut. Es wird daher keinen Unterschied zu der Ansicht geben, die direkt auf das gewählte Erbstatut und damit die lex causae abstellt.865 Das Ergebnis ist gleich; das Gericht wendet für die Prüfung der erbrechtlichen GV sein eigenes Recht an. Im dogmatisch richtigen Ansatz ist aber der Umweg über die Gesamtverweisung und die lex fori prorogati zu beachten. Hinsichtlich einer Inhalts- bzw. Angemessenheitskontrolle der GV gilt das bereits zu den Güterrechtsverordnungen und der UntVO Gesagte; eine solche ex post-Kontrolle ist im EU‑IZVR ausgeschlossen und im Rahmen der ErbVO ohnehin undenkbar, weil die Beschränkung auf die RW und den Heimatstaat 861 Vgl. „peuvent convenir“, „possono convenire“ und „may agree“. 862 Siehe § 3 A. IV. 1. a) zur UntVO und EuGVVO und § 3 C. IV. 2. a)
zur EheGüVO und PaGüVO. 863 Die ErbVO wurde im Juli 2012 und die EuGVVO n. F. im Dezember 2012 verabschiedet. 864 Deixler-Hübner, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art. 5 Rn. 18; Bruylant, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 5 Rn. 8; nicht explizit auf Art. 25 EuGVVO n. F., aber auf die lex fori prorogati verweisend Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 178; Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 373; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 EU‑ErbVO Rn. 16. 865 Kunz, GPR 2012, 210; Dutta, FamRZ 2013, 6; Lübcke, GPR 2015, 113; Müller-Lukoschek, Die neue EU‑Erbrechtsverordnung2 § 2 Rn. 262; Lein, in: Dutta/J. Weber, Art. 5 EuErbVO Rn. 33; Traar, in: Burgstaller u. a., Die EU‑Erbrechtsverordnung Art. 5 Rn. 31.
D. Erbrechtsverordnung
151
des Erblassers der GV bereits erhebliche Schranken setzen und einen „missbräuchlichen“ Spielraum ausschließen.
b) Anknüpfungs- und Gültigkeitszeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung Die ErbVO schweigt auch zur Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit der GV maßgeblich ist. Bei einer Rundschau im EU‑IZVR zeigt sich, dass diesbezüglich grundsätzlich zwei Momente in Frage kommen: Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 UntVO stellt alternativ auf den Zeitpunkt des Abschlusses der GV oder auf den Zeitpunkt der Gerichtsanrufung ab; bei Art. 25 EuGVVO n. F., der keine ausdrückliche Regelung vorsieht, ist diese Auslegung umstritten.866 Indes ist die Regelung des Art. 4 UntVO auf die ErbVO nicht zugeschnitten. Während bei den GV nach Art. 4 UntVO bzw. Art. 25 EuGVVO n. F. Kläger und Beklagter im Vorhinein feststehen und diese GV in der Regel vor Verfahrenseinleitung bzw. bereits vor Entstehung einer Streitigkeit getroffen werden, zeichnen sich erbrechtliche Verfahren regelmäßig dadurch aus, dass sie amtswegig eingeleitet und – in Mitgliedstaaten, die diese Unterscheidung kennen – im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit durchgeführt werden, wo anders als im streitigen Verfahren oft nicht alle Verfahrensparteien im Vorhinein bekannt sind. Da gemäß Art. 9 ErbVO die GV ungültig ist, wenn etwaige übergangene Parteien sich nicht rügelos auf das Verfahren einlassen, kann im Zusammenhang mit Art. 5 ErbVO der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung für die Gültigkeit der GV nicht ausschlaggebend sein. Auch das Abstellen auf den früheren Zeitpunkt des Abschlusses der GV nach Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 UntVO passt nicht in die Systematik der ErbVO: Mit dieser Regelung wird ein Vertrauensschutz bezweckt,867 welcher bei Art. 5 ErbVO aufgrund der Regelung des Art. 9 ErbVO, der eine nachträgliche Unwirksamkeit ja gerade ermöglicht, nicht greifen kann. Es erscheint daher sinnvoll, für die Beurteilung der Gültigkeit der GV zusätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit abzustellen.868
V. Zwischenergebnis 1. Die ErbVO stellt mit ihrem umfassenden Anwendungs- und Regelungsbereich einen Meilenstein im EU‑IPR/EU‑IZVR dar und komplettiert den von den familienrechtlichen EU‑VO konstituierten Regelungsrahmen. Zu Recht ist 866 Vgl. Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 54 f. m. w. N.; siehe oben § 3 A. IV. 1. c). 867 Siehe oben § 3 A. IV. 1. c). 868 Zu dieser in der österreichischen und deutschen Rspr. verbreiteten Ansicht siehe Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 23 EuGVVO Rn. 55.
152
§ 3 Status quo der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
sie im Wesentlichen auf positive Resonanz gestoßen.869 Die Einführung harmonisierter Kollisions- und Zuständigkeitsregeln setzt der bislang vorherrschenden Diskrepanz zwischen dem Prinzip der Nachlasseinheit und der Nachlassspaltung in den nationalen Regeln ein Ende und erhöht damit die Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Erbrechtsfällen.870 2. Im Detail ist die ErbVO aber nicht kritikfrei. Neben ihrer klaren Grundstruktur sind zahlreiche offene Fragen sowie Inkohärenzen und Lücken festzustellen. So offenbaren sich im Vergleich zwischen der RW und der GV erhebliche Divergenzen; unter anderem fehlt in Art. 5 ErbVO eine Art. 22 Abs. 3 entsprechende Regelung zur materiellen Wirksamkeit der GV. 3. Positiv zu bewerten ist, dass die Kollisionsregeln der ErbVO zu einer Stärkung der Parteiautonomie im internationalen Erbrecht geführt haben. Die Rechtswahlmöglichkeiten in Art. 22, Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 ErbVO stellen im Vergleich zur früheren autonomen Rechtslage einen bedeutenden Fortschritt dar und eröffnen interessante Gestaltungsmöglichkeiten für die Praxis. 4. Auf zuständigkeitsrechtlicher Ebene steht die ErbVO der Parteiautonomie hingegen deutlich zurückhaltend gegenüber871 und gewährt dem Erblasser keine direkten Dispositionsmöglichkeiten. Das Zuständigkeitssystem erweist sich vielmehr aus praktischer Sicht umständlich und entspricht nicht der Rechtssicherheit und der vorhersehbaren Nachlassplanung als Ziele der ErbVO.872 Hier sollen in weiterer Folge Reformüberlegungen angestellt werden.873
869 Vgl. nur Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2398; Geimer, Die europäische Erbrechtsverordnung im Überblick, in: Hager (Hrsg.), Die neue europäische Erbrechtsverordnung (2013) S. 9 (S. 35). 870 Statt vieler C. Kohler, L’autonomie de la volonté 250. 871 Resümierend Dutta, FamRZ 2013, 6: „[…] verfahrensrechtliche Parteiautonomie scheint dem europäischen Gesetzgeber […] ein Fremdwort gewesen zu sein“. 872 Vgl. Dutta, in: von Hein/Rühl, S. 37: „[…] nicht gerade das Glanzstück dieses Rechtsakts“. 873 Dazu unten § 5 B. III. 2. g).
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung in den untersuchten Rechtsakten A. Vorbemerkungen Nach der Analyse der einzelnen Teilbereiche (Unterhaltsrecht, Eheauflösung, Güterrecht und Erbrecht) in § 3 wird im Folgenden das Zusammenspiel der einzelnen Rechtsakte untersucht. Es werden alle bisher separat analysierten Bestimmungen zur Rechtswahl und zur Gerichtsstandsvereinbarung – unterteilt in Zulässigkeit, formelle Gültigkeit und materielle Gültigkeit – miteinander verglichen. Werden Lücken und Inkohärenzen in den VO‑Regeln festgestellt, welche die gleichen oder vergleichbare Fragen betreffen, ist zu erläutern, ob diese durch die Spezifika der verschiedenen Regelungsmaterien zu rechtfertigen oder vielmehr unsachlich sind und daher behoben werden sollten. Es wird untersucht, ob die Bestimmungen zur RW und zur GV für die Interessen der Parteien einen gerechten Ausgleich vorsehen und ob sie aus der Sicht der Rechtsanwendung systematisch, praktikabel und zur Erreichung der Regelungsziele der VO geeignet sind.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich I. Welche Anknüpfungspunkte gelten für die Rechtswahl und die Gerichtsstandsvereinbarung? Zur Veranschaulichung der nachstehenden Ausführungen werden auf den nächsten Seiten zunächst die in § 3 erläuterten Regeln zur RW und zur GV hinsichtlich ihrer Anknüpfungspunkte im Überblick nochmals dargestellt.
1. Rechtswahl a) Einseitige Anknüpfungspunkte Obwohl weitgehend der Trend zum Aufstieg des gewöhnlichen Aufenthalts als primärer Anknüpfungspunkt und zum Bedeutungsverlust der Staatsangehörig-
Art. 8 Abs. 1 lit. b
Art. 8 Abs. 1 lit. a (arg. a minore ad maius)
Art. 8 Abs. 1 lit. a
Art. 7
Art. 8 Abs. 1 lit. c und d: Güterrechts- oder Scheidungsstatut
Art. 4 Abs. 1 lit. a (arg. a minore ad maius)
Art. 4 Abs. 1 lit. a
RW: gew.A. einer Partei
RW: gemeinsame StA
RW: StA. einer Partei
RW: lex fori
RW: Sonstiges
GV: gew.A. beider Parteien
GV: gew.A. einer Partei
–
Art. 8 Abs. 1 lit. b (arg. a minore ad maius)
RW: gew.A. beider Parteien
RW: früherer gew.A. beider Parteien, wenn von einem noch aufrecht erhalten
UntVO/HUP
Anknüpfungspunkt
PaGüVO
–
Art. 7 Abs. 1 (über die RW)
–
–
Art. 7 Abs. 1 (über die RW)
Art. 7 Abs. 1 (über die RW)
Art. 22 Abs. 1 lit. c lex registrationis
–
Art. 22 Abs. 1 lit. b Art. 22 Abs. 1 lit. b
Art. 22 Abs. 1 lit. b Art. 22 Abs. 1 lit. b (arg. a minore (arg. a minore ad maius) ad maius)
Art. 22 Abs. 1 lit. a Art. 22 Abs. 1 lit. a
–
Art. 22 Abs. 1 lit. a Art. 22 Abs. 1 lit. a
EheGüVO
Keine GV: Wahlrecht des An- Art. 7 Abs. 1 (über die RW) tragstellers Art. 3 Abs. 1 lit. a – forum rei – gew.A. eines Ehegatten, gemeinsame Antragstellung
Keine GV: Wahlrecht des Antragstellers Art. 3 Abs. 1 lit. a
–
Art. 5 Abs. 1 lit. d
Art. 5 Abs. 1 lit. c
Art. 5 Abs. 1 lit. c (arg. a minore ad maius)
–
Art. 5 Abs. 1 lit. b
Art. 5 Abs. 1 lit. a
Brüssel IIa/Rom III
–
–
–
–
Art. 22
–
–
–
–
ErbVO
154 § 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
Art. 4 Abs. 1 lit. c: GV zum in Ehesachen zuständigen Gericht oder zum letzten gemeinsamen mindestens einjährigen gew.A.
–
GV: forum loci actus
GV: Sonstiges
–
Art. 4 Abs. 1 lit. b
GV: StA. einer Partei
GV: akzessorisch zur RW
Art. 4 Abs. 1 lit. b (arg. a minore ad maius)
–
UntVO/HUP
GV: StA. beider Parteien
GV: letzter gew.A. beider Ehegatten, wenn von einem noch aufrecht erhalten
Anknüpfungspunkt
Art. 7 Abs. 1 (über die RW)
–
EheGüVO
–
–
–
–
Eheschließung Art. 7 Abs. 1
und zum objektiv anzuwendenden Güterrecht, Art. 7 Abs. 1
Art. 7 Abs. 1 (über Keine GV: die RW) Art. 3 Abs. 1 lit. a Wahlrecht des Antragstellers + sechsmonatiger gew.A.
–
Keine GV: Wahlrecht des Antragstellers Art. 3 Abs. 1 lit. a
– forum actoris (gew.A. mindestens einjährig oder sechsmonatiger gew.A. + StA.)
Brüssel IIa/Rom III
–
Begründung der Partnerschaft Art. 7 Abs. 1
und zum objektiv anzuwendenden Güterrecht, Art. 7 Abs. 1
Art. 7 Abs. 1 (über die RW)
Art. 7 Abs. 1 (über die RW)
–
PaGüVO
–
–
Art. 5
Art. 5 (über die RW)
–
–
ErbVO
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
155
156
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
keit zu beobachten ist,1 kann im Rahmen der RW eine eher gegenläufige Tendenz festgestellt werden2: Die Staatsangehörigkeit einer Partei ist der einzige Anknüpfungspunkt für die RW, der in jedem der hier untersuchten Rechtsakte vorgegeben wird. Es ist insofern noch eine Spur von Mancinis Doktrin festzustellen, der im Familienrecht eine strikte Bindung an die Staatsangehörigkeit vertrat (allerdings sah seine Theorie hier keine Dispositionsbefugnis der Parteien vor und schloss eine RW somit aus).3 Eine RW zum Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts einer Partei ist nur gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO/PaGüVO sowie Art. 8 Abs. 1 lit. b HUP, nicht aber nach Art. 5 Rom III‑VO und Art. 22 ErbVO möglich. Dass in Art. 5 Abs. 1 lit. a und b Rom III‑VO nur auf den beiderseitigen gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt wird, resultiert offenbar aus der Übernahme von Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. und 2. Str. Brüssel IIa-VO, um einen Gleichlauf mit dem Zuständigkeitssystem zu erzielen. Der zweiseitige Anknüpfungspunkt in Art. 3 Brüssel IIa-VO ist darauf zurückzuführen, dass dem Kläger ein Gerichtsstandswahlrecht zukommt und kein Konsens der Ehegatten zur Begründung der Zuständigkeit verlangt wird. Bei einer RW muss aber zwingend eine Willenseinigung der Ehegatten vorliegen.4 In Anbetracht dieses Konsenserfordernisses sollte Art. 5 Rom III‑VO liberaler sein und – wie in den übrigen Rechtsakten – als Anknüpfungspunkt den gewöhnlichen Aufenthalt nur einer Partei genügen lassen. Die dargestellte Diskrepanz hinsichtlich des einseitigen gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt kann insbesonders in zwei Konstellationen für die Gestaltungspraxis nachteilig sein: Wenn die Ehegatten bzw. die Partner nach den Güterrechtsverordnungen eine RW zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten bzw. Partners treffen, ist kein Zusammenspiel mit einer RW nach der ErbVO möglich, die nur die Wahl des Heimatrechts des Erblassers zulässt. Das Auseinanderfallen zwischen Erb- und Güterstatut und damit die Anwendung verschiedener Rechtsordnungen kann zu Unstimmigkeiten führen, wenn in einer Rechtsordnung güter- und erbrechtliche Aspekte eng miteinander 1 Eine gute Bestandsaufnahme bietet Mankowski, IPRax 2017, 136 ff.; vgl. auch Henrich, ZfRV 2016, 172: „Über den Übergang von der primären Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit auf […] den gewöhnlichen Aufenthalt braucht […] nicht weiter diskutiert zu werden“. 2 So berichtete Jayme zu einer Tagung der GEDIP im Jahre 2011, dass in der Diskussion eine „eigentümliche Renaissance des Staatsangehörigkeitsprinzips […], sei es auch nur als positives Kriterium einer sonst beschränkten Rechtswahl“ angesprochen wurde; siehe Jayme, Zur Kodifikation des Allgemeinen Teils des Europäischen Internationalen Privatrechts, IPRax 2012, 103 (103); vgl. auch schon zu den Verordnungsvorschlägen der Rom III‑VO und der ErbVO Basedow, Revue critique de droit international privé 2010, 447: „Tandis qu’il est indéniable que la nationalité a reculé comme facteur de rattachement […], elle est toutefois utilisée […] dans plusieurs actes portant sur les conflits de jurisdiction. En matière de conflit de lois, d’autres actes employant ce critère sont en voie de preparation“. 3 Siehe oben § 2 A. II. 4 Vgl. oben § 3 B. IV. 1.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
157
verknüpft bzw. aufeinander abgestimmt sind.5 Hier zeigt sich, wie restriktiv die ErbVO hinsichtlich der subjektiven Anknüpfung im Vergleich zu den familienrechtlichen EU‑VO ist. Lediglich für Doppel- oder Mehrfachstaatsangehörige besteht ein größeres Gestaltungsspektrum. Im Verhältnis zwischen Güterrecht, Unterhaltsrecht und Eheauflösung ist auch zu bedenken, dass eine alle drei Rechtsgebiete umfassende RW zum Recht des gewöhnlichen Aufenthalts einer Partei nicht möglich ist, weil die Rom III‑ VO eine solche Anknüpfung eben nicht kennt.6 Haben die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und hatten sie auch nie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat, so bleibt ihnen lediglich die Wahl der lex fori übrig, die aber – wie ausgeführt – durch die Bindung an die problematischen Gerichtsstände des Art. 3 Brüssel IIa-VO auch kritisch zu sehen ist. Bei genauerer Betrachtung ist die Rom III‑VO, deren Ziel gerade auch die Stärkung der Parteiautonomie ist, hinsichtlich der RW relativ restriktiv und nicht so großzügig wie z. B. das HUP; unbestritten stellt die Rom III‑VO aber im Vergleich zu den früheren nationalen Kollisionsregeln, denen die Parteiautonomie weitgehend fremd war, einen bedeutenden Fortschritt dar. Die Diskrepanz zwischen Unterhaltsrecht und Scheidungsrecht besteht im Übrigen nicht nur auf IPR‑Ebene, sondern auch im IZVR, worauf später eingegangen wird.7 In einer Zusammenschau des Güterrechts, Unterhaltsrechts und Eheauflösungsrechts ist die Möglichkeit des Art. 8 Abs. 1 lit. c und lit. d HUP, das Scheidungs- oder Güterrechtsstatut auch als Unterhaltsstatut zu wählen, besonders positiv zu bewerten. Da unterhaltsrechtliche Aspekte oft im Zuge einer Scheidung und/oder güterrechtlichen Auseinandersetzung mitbehandelt werden, ist diese Koppelungsmöglichkeit praktisch äußerst sinnvoll.8
b) Zweiseitige Anknüpfungspunkte Hinsichtlich der zweiseitigen Anknüpfungspunkte ist festzustellen, dass kein Rechtsakt explizit auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien für die RW abstellt. Denn typischerweise stellen die objektiven Anknüpfungen auf zweiseitige Kriterien ab, während sich die Parteien mittels RW über die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit nur einer Partei einigen können. Eine zweiseitige Anknüpfung der RW ist – mit Ausnahme der einseitigen RW nach Art. 22 ErbVO – aber im Größenschluss möglich: Wenn die RW an die Staatsangehörigkeit nur einer Partei angeknüpft werden kann, schadet es freilich nicht, wenn die Parteien sich auf ihre gemein5
C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1511; Mankowski, ZEV 2016, 480; J. Weber, DNotZ 2016, 424. 6 Vgl. Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 157; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 33. 7 Siehe unten § 4 B. I. 2. c). 8 Coester-Waljen/Coester, in: FS Schurig, S. 40.
158
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
same Staatsangehörigkeit beziehen. Das Recht des Staates, in dem beide Parteien den gewöhnlichen Aufenthalt haben, kann hingegen explizit in den meisten Rechtsakten gewählt werden (lediglich bei Art. 8 Abs. 1 lit. b HUP fehlt eine ausdrückliche Regelung, wobei wiederum im Größenschluss eine solche RW möglich ist). Dieser Unterschied zwischen der zweiseitigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und an den gewöhnlichen Aufenthalt ist nicht nachvollziehbar und sollte im Wortlaut der VO ausgebessert werden. Zusätzlich sieht Art. 5 Abs. 1 lit. b Rom III‑VO in Anlehnung an Art. 3 Brüssel IIa-VO die Anknüpfung an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt vor, sofern dieser von einem Ehegatten noch aufrechterhalten wird. Diese Anknüpfung findet in keinem anderen kollisionsrechtlichen Teil der besprochenen Rechtsakte eine Entsprechung.
c) Lex fori Die lex fori kann in der Rom III‑VO (Art. 5 Abs. 1 lit. d) und im HUP (Art. 7), nicht aber in den Güterrechtsverordnungen gewählt werden. Das Fehlen einer solchen Wahlmöglichkeit in der EheGüVO und PaGüVO ist rechtsgebietsspezifisch zu rechtfertigen.9 Art. 7 HUP ist als Kompromisslösung vor allem für jene Vertragsstaaten konzipiert, die traditionell dem lex fori-Prinzip folgen.10 Betrachtet man die in der Brüssel IIa-VO und der UntVO zur Verfügung stehenden Foren, so wird die Wahl der lex fori in einem relativ großzügigen Rahmen gestattet. Auf die Koordinierung von scheidungs- und unterhaltsrechtlicher Zuständigkeit wird später eingegangen.
d) Nichtpersonenbezogene Anknüpfung und Annexanknüpfungen Schließlich lassen sich noch zwei weitere Kategorisierungen im Zusammenhang mit der Anknüpfung der RW feststellen: nichtpersonenbezogene11 Anknüpfungen und Annexanknüpfungen. Die oben beschriebenen Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Staatsangehörigkeit als personenbezogene Elemente stellen in den untersuchten Rechtsakten die Regel dar. Eine Wahlmöglichkeit, die auf nichtpersonenbezogene Elemente abstellt, ist für die RW lediglich in der PaGüVO gegeben: Art. 22 Abs. 1 lit. c PaGüVO ermöglicht die Wahl der lex registrationis für das partnerschaftliche Güterrecht. Dabei han-
9 Siehe oben § 3 C. II. 1. b); hingegen krit. zur mangelnden Koordinierung zwischen EheGüVO und Rom III‑VO C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1512: „Es wäre nützlich gewesen, in beiden Verordnungen die gleiche Lösung zu wählen“. 10 Bach, in: NK‑BGB2 Art. 7 HUP Rn. 2. 11 Zur Unterscheidung zwischen personenbezogenen und nichtpersonenbezogenen Elementen zur Verortung natürlicher Personen im IPR und IZVR siehe Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 203.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
159
delt es sich um eine rechtsgebietsspezifische Auffanglösung,12 für die in den anderen Rechtsakten kein Bedarf ersichtlich ist. Auch Annexanknüpfungen spielen in den untersuchten Rechtsakten nur eine geringe Rolle. Lediglich das HUP ermöglicht in Art. 8 Abs. 1 lit. c und lit. d HUP eine akzessorische Wahl des Unterhaltsstatuts zum Güterrechts- und Scheidungsstatut. Damit verweist ein nichtunionaler Rechtsakt auf die Wahlmöglichkeiten in den EU‑VO. In diesen hat der Unionsgesetzgeber darauf verzichtet, Verweisungen innerhalb „seiner“ Rechtsakte vorzunehmen. Ein Zusammenspiel der EU‑VO ergibt sich meistens durch die Abstimmung der einzelnen Wahltatbestände, doch ist diese Koordinierung – wie in der Arbeit bisher aufgezeigt – nicht immer optimal vollzogen.
2. Gerichtsstandsvereinbarung a) Von (relativ) liberalen Wahlmöglichkeiten … Unter den familien- und erbrechtlichen EU‑VO nimmt die GV die stärkste Position in Art. 4 UntVO ein, weil hier die GV für fast alle Unterhaltsstreitigkeiten ermöglicht wird, vor den gesetzlichen Gerichtsständen zu berücksichtigen ist und sich gegebenenfalls nur auf einseitige Anknüpfungspunkte (gewöhnlicher Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit) bezieht. Die GV nach Art. 7 EheGüVO/PaGüVO hat hingegen nur einen sehr engen Anwendungsbereich. Dennoch stellt Art. 7 EheGüVO/PaGüVO einen relativ großen Kreis an Gerichtsständen zur Wahl: Neben der Prorogation der Gerichte des Staates des gewählten bzw. objektiv anzuwendenden Rechts kann sich die GV auch auf den Mitgliedstaat beziehen, in dem die Ehe geschlossen bzw. die eingetragene Partnerschaft begründet worden ist. Dieser forum loci actus steht hingegen bei Art. 4 UntVO nicht zur Verfügung. Dieser Unterschied ist damit zu rechtfertigen, dass es sich beim Unterhaltsrecht um keine Statussache handelt und daher auch kein eigener Begründungsort eines Personenstatus gegeben ist. Wie bei der RW stellen die nichtpersonenbezogenen Elemente in den Wahlmöglichkeiten zur GV nach den Güterrechtsverordnungen eine Ausnahme dar. Sie sind als rechtsgebietsspezifisch zu betrachten und dienen – wie ausgeführt13 – primär als Auffanglösung und der Vermeidung von Rechtsschutzlücken für gleichgeschlechtliche Ehepaare bzw. eingetragene Partnerschaften. Art. 4 UntVO ermöglicht für Ehegatten eine GV zum Recht des Staates des letzten gemeinsamen mindestens einjährigen gewöhnlichen Aufenthalts. Im Übrigen stimmt Art. 4 UntVO mit den Güterrechtsverordnungen überein. Doch während Art. 7 EheGüVO/PaGüVO sich durch den Verweis auf das Güterstatut (Art. 22 und Art. 26) auf die Staatsangehörigkeit bzw. den gewöhnlichen Auf12
13
Siehe oben § 3 C. II. 1. c). Siehe oben § 3 C. II. 2. b) und c).
160
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
enthalt einer oder beider Parteien bezieht, stellt Art. 4 UntVO nach dem Wortlaut nur auf die Staatsangehörigkeit bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei ab. Im Größenschluss ist freilich ein Anknüpfen an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die gemeinsame Staatsangehörigkeit mit Art. 4 UntVO vereinbar, wenn die Parteien eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen. Eine Ausnahme der beschriebenen großzügigen Prorogationsmöglichkeiten in Art. 4 UntVO stellt Art. 4 Abs. 1 lit. c dar. Dieser beschränkt Ehegatten auf zwei Wahlmöglichkeiten, die im Vergleich zur EheGüVO und auch zum HUP, das in Art. 8 lit. c und lit. d zusätzliche Rechtswahltatbestände für Ehegatten aufstellt, sehr restriktiv sind.14
b) … über uneinheitliche Regelungen … Hinsichtlich des letzten gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt für die GV verweist Art. 4 Abs. 1 lit. sublit. ii) UntVO auf den „letzten gemeinsamen“ gewöhnlichen Aufenthalt. Art. 5 Abs. 1 lit. b EheGüVO/PaGüVO und Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. und 2. Str. Brüssel IIa-VO sprechen hingegen nur vom „letzten“ gewöhnlichen Aufenthalt;15 dieser ist nach zutreffender Ansicht16 nicht als „gemeinsamer“ gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne eines Zusammenlebens zu verstehen. Diese Auslegung gilt auch für die UntVO; Unterhaltsberechtigter und Unterhaltsverpflichteter müssen im selben Staat, aber nicht am selben Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.17 Hier wäre es sinnvoll, eine einheitliche und klarstellende Regelung zu schaffen. Interessant ist auch ein Vergleich über den Umfang der GV. Nach Art. 4 UntVO und Art. 5 ErbVO kann die GV sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit regeln. Dies entspricht einer allgemeinen Regel des IZVR, wie sie auch die EuGVVO (Art. 25 Abs. 1 n. F. bzw. Art. 23 Abs. 1 a. F.) – die „Mutter“ aller europäischen IZVR‑VO – zum Ausdruck bringt. Hingegen bezieht sich Art. 7 EheGüVO/PaGüVO nur auf die internationale Zuständigkeit. Diese Beschränkung erscheint im Vergleich zur rügelosen Einlassung nach Art. 8 EheGüVO/PaGüVO sowie zu den Prorogationsmöglichkeiten der anderen EU‑VO, die allesamt auch die Prorogation der örtlichen Zuständigkeit ermöglichen, unsachlich und nicht nachvollziehbar.18 Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, wieso es Ehegatten und Partnern verwehrt bleiben soll14
Vgl. oben § 3 A. II. 1. d).
15 Ebenso für die RW Art. 5 Abs. 1 lit. a und lit. b Rom III‑VO. 16 Siehe jeweils mit zahlreichen Hinweisen zum Schrifttum Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 115; Helms, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 5 Rom III‑
VO Rn. 24. 17 Vgl. Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 47. 18 Zu Recht krit. Simotta, ZVglRWiss 116 (2017), 63 f.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
161
te, die Zuständigkeit eines konkreten Gerichts sowohl für einen Unterhaltsstreit als auch einen Güterrechtsstreit zu vereinbaren.
c) … bis hin zu stark restriktiver oder gänzlich fehlender verfahrensrechtlicher Parteiautonomie Im Unterhalts- und Güterrecht ist die verfahrensrechtliche Parteiautonomie wie aufgezeigt unterschiedlich ausgeprägt. Sie ist im Zuständigkeitssystem der betreffenden VO aber jedenfalls verankert. Anders verhält es sich im Bereich der Eheauflösung: Die Brüssel IIa-VO steht der verfahrensrechtlichen Parteiautonomie insofern sehr restriktiv gegenüber, als sie gar keine GV in Ehesachen kennt.19 Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil nach Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO per GV die Annexzuständigkeit des in Ehesachen zuständigen Gerichts begründet werden kann. Damit wird für Eheauflösungsverfahren auf das problematische Klägerwahlrecht in Art. 3 Brüssel IIa-VO verwiesen, sodass sich das Ungleichgewicht zwischen den Ehegatten bei der einseitigen Gerichtsstandsfestlegung nach Art. 3 Brüssel IIa-VO auf die unterhaltsrechtliche Zuständigkeit ausdehnen kann.20 Bedenklich ist insbesonders die Verbindung zum Klägergerichtsstand in Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. und 6. Str. Brüssel IIa-VO, weil hier im Unterschied zu Art. 4 Abs. 1 lit. a UntVO, der ebenso einseitig auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, keine Einigung der Parteien für die Begründung der Zuständigkeit erforderlich ist. Die in Art. 3 Brüssel IIa-VO vorgesehene Mindestdauer für den gewöhnlichen Aufenthalt (ein Jahr bzw. 6 Monate in Kombination mit der Staatsangehörigkeit) kann das mangelnde Konsenserfordernis nicht ausgleichen. Die Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthalts soll lediglich dazu dienen, im Aufenthaltsstaat eines Ehegatten einen Nahebezug und damit einen Gerichtsstand zu rechtfertigen. Die Begründung des Gerichtsstandes erfolgt aber einseitig und alleine auf Grundlage des Willens des antragstellenden Ehegatten. Art. 3 Abs. 1 lit. a 1.–4. Str. und lit. b Brüssel IIa-VO sind hingegen eher unbedenklich, weil sie entweder auf einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt (lit. a 1. und 2. Str. sowie lit. b) oder eine Einigung der Ehegatten (lit. a 4. Str) abstellen bzw. den Beklagten begünstigen (lit. a 3. Str). Praktisch relevanter wäre Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO jedenfalls dann, wenn eine GV nach der Brüssel IIa-VO und nach der UntVO gemeinsam geschlossen werden könnte.21 Das Fehlen einer GV in Ehesachen ist auch insofern inkohärent und zu restriktiv, als in Unterhaltssachen nach der UntVO eine GV in allen (!) Mitgliedstaaten zulässig ist. 19 20
Zu dieser Diskrepanz bereits Maultzsch, JPIL 12 (2016), 472. Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 157 f.; ders., JPIL 12 (2016), 472 f. 21 Vgl. Campuzano Diaz, The Coordination of the EU Regulations on Divorce and Legal Separation with the Proposal on Matrimonial Property Regimes, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 233 (240); Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 4 EG‑UntVO Rn. 44.
162
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
Ähnlich unterrepräsentiert ist die verfahrensrechtliche Parteiautonomie in der ErbVO, in der die GV von einer RW des Erblassers abhängig ist. Bedenkt man, dass es sich dabei nur um das – zudem mitgliedstaatliche – Heimatrecht handeln kann und somit die Koppelungsmöglichkeiten gering sind, ist unter den besprochenen Rechtsakten, die eine GV kennen, die GV in der ErbVO am restriktivsten geregelt. Zudem birgt die Regelung erhebliche Unsicherheiten und Komplikationen für die Rechtsanwendung in sich und wird sich daher wahrscheinlich als wenig praktizierbar erweisen. Außerdem kann der Erblasser selbst keine GV treffen; alternative Wege zur Festlegung der Zuständigkeit bieten keinen adäquaten Ersatz für die fehlende Gerichtsstandswahlmöglichkeit.22 Für die Regelung des Art. 5 ErbVO soll daher im nächsten Kapitel ein Reformvorschlag ausgearbeitet werden.23
d) Gerichtsstandsvereinbarung und Annexzuständigkeiten Als letzte Möglichkeit in der Ausgestaltung der Wahlmöglichkeiten für die GV sind die Annexzuständigkeiten zu nennen. Davon machen die EU‑VO im Zuständigkeitsrecht stärker Gebrauch als im IPR, wo Annexanknüpfungen für die RW im genuin unionsrechtlichen IPR nicht anzutreffen sind (sondern nur im HUP). Im IZVR kennen drei EU‑VO Annexzuständigkeiten im Zusammenhang mit der Prorogation: Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO (unterhaltsrechtliche GV zum in Ehesachen zuständigen Gericht), Art. 5 PaGüVO (Vereinbarung der güterrechtlichen Zuständigkeit der für die Auflösung oder Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft zuständigen Gerichte) und Art. 5 Abs. 2 EheGüVO (Vereinbarung der güterrechtlichen Zuständigkeit der nach Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. und 6. Str., Art. 5 oder Art. 7 Brüssel IIa-VO zuständigen Gerichte). Dass die GV in diesen Fällen als Vehikel zur Verfahrensverbindung fungiert, dient der Prozessökonomie und kann für die Gestaltungspraxis besonders relevant sein, wenn Ehegatten in einem Ehevertrag oder einer Unterhalts- bzw. Scheidungsvereinbarung die Zuständigkeit für aus der Ehe entstehende Streitigkeiten umfassend regeln möchten.24
3. Gleichlauf von forum und ius als Förderung oder Einschränkung der Parteiautonomie? Weiters ist zu untersuchen, durch welche Techniken und in welchem Ausmaß die analysierten Rechtsakte eine Übereinstimmung von forum und ius erzielen 22
Zum Ganzen oben § 3 D. II. 4.
23 Siehe unten § 5 B. III. 2. f.). 24 Allerdings ist anzumerken,
dass es vom nationalen Verfahrensrecht des betreffenden Mitgliedstaats abhängt, ob eine echte Verfahrenskonzentration am Gericht stattfindet, an dem die Ehesache anhängig ist; siehe dazu bereits oben § 3 C. II. 2. a).
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
163
und wie sich die Realisierung des Gleichlaufprinzips25 zur Verwirklichung der Parteiautonomie verhält. Zum einen sollte von einer „Gleichlaufseuphorie“ im Sinne eines strikten Gleichlaufprinzips, das im Ergebnis eine Verdrängung der Kollisionsnormen zugunsten des lex fori-Prinzips bedeuten würde,26 im EU‑ IPR/-IZVR Abstand genommen werden. Denn trotz der Nachteile im Zusammenhang mit der Rechtsermittlung kann die Anwendung ausländischen Rechts für die Parteien gerade von Vorteil sein. Zum anderen erscheint der Gleichlauf gerade im Familien- und Erbrecht besonders sinnvoll, wo das materielle Recht und das Verfahrensrecht oft sehr eng miteinander verknüpft sind.27 Im Wesentlichen lassen sich in den untersuchten EU‑VO drei Mechanismen zur Erzielung des Gleichlaufs feststellen: 1. das anzuwendende Recht folgt der Zuständigkeit (ius sequitur forum) 2. die Zuständigkeit folgt dem anzuwendenden Recht (forum sequitur ius) 3. die Parallelität der Anknüpfungspunkte. Der erste Mechanismus ist wohl der klassischste im IPR und entspricht dem lex fori-Grundsatz, wie ihn insbesonders die Rechtsordnungen des Common Law verfolgen. Im kontinentaleuropäisch geprägten EU‑IPR ist das lex fori-Prinzip wie bereits erwähnt nur an zwei Stellen anzutreffen, nämlich neben Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO als genuin unionsrechtliches EU‑IPR nur in Art. 7 HUP. Das HUP ist somit der einzige Rechtsakt, der als einziger Rechtsakt eine eigene Rechtswahlnorm für die Wahl der lex fori enthält. Diese Besonderheit ist auf die Genese des HUP in der Haager Konferenz zurückzuführen, der im Vergleich zur EU weitaus mehr Staaten angehören, die dem lex fori-Prinzip folgen. Dieser Grundsatz schränkt die Wahlmöglichkeiten auf IPR‑Ebene zwar erheblich ein, indem lediglich eine Wahloption (lex fori) gewährt wird; durch die Koppelung an meist sehr großzügige Gerichtsstandskataloge (so insbesondere Art. 3 Brüssel IIa-VO) ergibt sich allerdings ein weiter Spielraum in der Bestimmung des anzuwendenden Rechts. Der zweite Mechanismus ist das Gegenstück zur Wahl der lex fori.28 Hier wird die GV an die RW bzw. das objektiv anzuwendende Recht gekoppelt.29 Diese Technik ist für das EU‑IZVR eher unüblich und nur in Art. 7 EheGüVO/ PaGüVO sowie Art. 5 ErbVO geregelt, somit in jenen EU‑VO, die sowohl IPRals auch IZVR‑Regeln enthalten. Die GV ist in diesen Rechtsakten offensichtlich primär als „Mittel zum Zweck“ konzipiert, um einen Gleichlauf zwischen 25 Zum Gleichlaufprinzip siehe allgemein oben § 2 B. IV. 26 Auch Dutta, ZEuP 2016, 435, sieht in der Koppelung des anzuwendenden Rechts an die
Zuständigkeitsregeln eine Abschwächung der kollisionsrechtlichen Wertungen. 27 Vgl. Franzina, Cuadernos de Derecho Transnacional 2011, 95 Rn. 14. 28 Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 36 Fn. 33 bezeichnen dies als „umgekehrten“ Gleichlauf. 29 Zur Abhängigkeit der Gerichtszuständigkeit von der Maßgeblichkeit des „eigenen“ Rechts siehe allgemein Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht 57 ff.
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§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
forum und ius herzustellen. Die Gewährung verfahrensrechtlicher Parteiautonomie liegt kaum in der ratio legis oder spielt nur sekundär eine Rolle. Der Gleichlauf als Leitprinzip wirkt sich hier vielmehr einschränkend auf die verfahrensrechtliche Parteiautonomie aus, weil nur bestimmte, an das IPR gebundene Gerichtsstände gewählt bzw. vereinbart werden können. Die Koppelung der GV an das jeweilige Statut erweist sich außerdem – anders als die einfach zu handhabende Wahl der lex fori – als wenig praxistauglich. Die Probleme und Unsicherheiten, die aus der Abhängigkeit der Zuständigkeit von der Prüfung bzw. Gültigkeit der RW folgen, wurden bereits aufgezeigt. Aus Sicht der Rechtsanwendung ist diese Koppelung der Zuständigkeit an das anzuwendende Recht suboptimal. Praktizierbarer ist demgegenüber der dritte Gleichlaufmechanismus, bei dem die Anknüpfungspunkte der GV und der RW parallel ausgestaltet sind.30 Die GV und die RW sind voneinander unabhängig zu betrachten, d. h. dass sich die (Un-)Gültigkeit der RW nicht auf die GV auswirkt und damit die Zuständigkeit nicht beeinträchtigt wird.31 Der Prototyp für diese Technik ist das Zusammenspiel zwischen Art. 4 UntVO und Art. 8 HUP, bei denen zu erkennen ist, dass durch die weitgehend parallele Ausgestaltung der Anknüpfungspunkte implizit eine Koordinierung der gewählten unterhaltsrechtlichen Zuständigkeit (Unionsrecht) und des Unterhaltsstatuts (völkerrechtlicher Akt der Haager Konferenz) erreicht werden soll. Die Beschränkung der RW und der GV auf einen Katalog wählbarer Rechtsordnungen bzw. Gerichtsstände basiert auf inhaltlichen Gründen, nämlich der Sicherstellung eines „engen Bezugs“ zum gewählten Recht und zur gewählten Zuständigkeit, und nicht auf der Erzielung eines Gleichlaufs per se. Der Gleichlauf wird hier anders als beim ersten und zweiten Mechanismus indirekt und auch nicht immer erzielt. Denn die Parteien können theoretisch eine RW nach dem HUP und eine GV nach der UntVO treffen, die nicht miteinander korrelieren, weil auf unterschiedliche Anknüpfungspunkte abgestellt wird.32 Damit wird auch den regelmäßigen Parteiinteressen entsprochen, die für ihre Ansprüche und deren Durchsetzung in erster Linie am Inhalt eines bestimmten Rechts interessiert sind und weniger an einem strikten Gleichlauf. Das Gleichlaufprinzip wirkt sich in diesem dritten Mechanismus somit nicht als einschränkender Faktor auf die Parteiautonomie aus. Im Gegenteil werden hier – wie am Beispiel des Unterhaltsrechts gezeigt – die großzügigsten Wahlmöglichkeiten gewährt. Nachdem in diesem Abschnitt die Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlmöglichkeiten jeweils getrennt einem rechtsaktübergreifenden Vergleich un30 Grundlegend zu diesem Gleichlaufmechanismus Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht 60 ff. 31 Vgl. zur UntVO und zum HUP Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 7 HUntStProt Rn. 9. 32 Siehe oben § 3 A. II. 3. a).
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
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terzogen wurden, sollen im Folgenden die rechtsinstitutsübergreifenden Koppelungsmöglichkeiten zwischen der RW und der GV untersucht werden. Dies wird beispielhaft anhand der Güterrechtsverordnungen – deren Zuständigkeitssystem mit den anderen VO eng verwoben ist –, der ErbVO und der Brüssel IIa-VO erläutert.
4. Beispiele der rechtsaktübergreifenden Koppelung und Koordinierung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung Näher zu betrachten sind zunächst die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten zwischen einer RW, den Annexzuständigkeiten nach Art. 4 und Art. 5 EheGüVO/PaGüVO sowie der ErbVO. Kommt eine Annexzuständigkeit nach Art. 4 EheGüVO/PaGüVO zum Tragen, muss das Erbverfahrensgericht gegebenenfalls zwei verschiedene Rechtsordnungen – eine für die erbrechtlichen, eine andere für die güterrechtlichen Aspekte – anwenden: Hat der Verstorbene das Recht seines Heimatstaates nach der ErbVO gewählt, aber mit seinem Ehegatten eine RW nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO (gewöhnlicher Aufenthalt eines oder beider Ehegatten) bzw. mit seinem Partner eine RW nach Art. 22 Abs. 1 lit. a (gewöhnlicher Aufenthalt eines Partners oder beider Partner) oder lit. c PaGüVO (Begründungsort der Partnerschaft) getroffen, stimmen Erb- und Güterstatut nicht überein. Dazu müsste eine RW nach Art. 22 Abs. 1 lit. b EheGüVO/PaGüVO getroffen werden, die auf die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten bzw. Partners oder beider Ehegatten bzw. Partner abstellt. Bei einer solchen RW ist aber kein Gleichlauf zwischen forum und ius gegeben, wenn das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen nach Art. 4 ErbVO zuständig ist. Um einen Gleichlauf zu erreichen, müssten die Verfahrensparteien eine GV nach Art. 5 ErbVO treffen, mit der aber, wie ausgeführt, erhebliche Unsicherheiten verbunden sind. Andernfalls könnten die Partner oder Ehegatten als Güterstatut das Recht an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt wählen und für das Erbstatut es bei der objektiven Anknüpfung belassen.33 Damit geht jedoch die Gefahr eines Statutenwechsels einher, weil Art. 21 ErbVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Todeszeitpunkt abstellt, der im Zeitpunkt der güterrechtlichen RW ungewiss ist. Die Beschränkung der erbrechtlichen RW auf das Heimatrecht kann daher den rechtsgebietsübergreifenden Gestaltungs- und Planungsinteressen der Parteien nicht gerecht werden. Als nächstes soll die praktisch bedeutsame Annexzuständigkeit nach Art. 5 Abs. 2 EheGüVO zu einem Eheauflösungsverfahren untersucht werden, die eine Vereinbarung der Ehegatten voraussetzt. Im Fall der Zuständigkeit der Gerichte des Staates des mindestens sechsmonatigen gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller zugleich besitzt 33 Meise, Rechtswahl in vorsorgenden Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen – Teil 1, RNotZ 2016, 485 (494).
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§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
(Art. 3 Abs. 1 lit. a 6. Str. Brüssel IIa-VO), ist ein Gleichlauf zwischen Güterstatut und güterrechtlicher (Annex-)Zuständigkeit grundsätzlich immer gegeben, wenn sich die RW gemäß Art. 22 EheGüVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt (lit. a) oder die Staatsangehörigkeit des Antragstellers (lit. b) bezieht, weil beim Gerichtsstand des Art. 3 Abs. 1 lit. a 6. Str. Brüssel IIa-VO beide Anknüpfungspunkte an denselben Staat gebunden sind. Zusätzlich kann eine Übereinstimmung mit dem gewählten Scheidungsstatut durch eine Wahl der lex fori nach Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO oder durch eine RW zum Recht des Heimatstaates des Antragstellers nach lit. c leg. cit. erzielt werden. Bei Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt ist zu beachten, dass ein einseitiger gewöhnlicher Aufenthalt bei Art. 5 Abs. 1 lit. a und lit. b Rom III‑VO nicht genügt, sodass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder die Wahl der lex fori günstiger ist. Bei Abstellen auf den mindestens einjährigen gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers in Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. Str. Brüssel IIa-VO kann ein Gleichlauf zwischen Güterrecht und Annexzuständigkeit nur durch eine RW nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO zum Recht desselben Aufenthaltsstaates erzielt werden (dabei kann es sich freilich auch um den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten handeln). Knüpft die RW an die Staatsangehörigkeit gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO an, kann der Gleichlauf durchbrochen sein. Ein Gleichlauf mit der Rom III‑VO kann hier am einfachsten über die Wahl der lex fori (Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO) erzielt werden; haben bzw. hatten beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im selben Staat, scheiden die Rechtswahlalternativen in lit. a und lit. b zur Erzielung eines Gleichlaufs aus. Die übrigen Fälle des Art. 5 Abs. 1 EheGüVO, bei denen die Annexzuständigkeit ohne Vereinbarung der Ehegatten gegeben ist, stellen alle auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab, sodass im Falle einer RW zum Heimatstaat gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. b EheGüVO der Gleichlauf fehlen kann. Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. Str. Brüssel IIa-VO (gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten) entspricht der Rechtswahlmöglichkeit in Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO (und auch in Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III‑VO). Stützt sich die Annexzuständigkeit für ein güterrechtliches Verfahren im Zusammenhang mit einem Eheauflösungsverfahren gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a 2. Str. Brüssel IIa-VO auf den letzten „gemeinsamen“ gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten, der von einem Ehegatten noch aufrecht erhalten wird, ist zu beachten, dass es einen entsprechenden Rechtswahltatbestand in der EheGüVO nicht gibt, sondern gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO nur die Wahl des Rechts am aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt eines oder beider Ehegatten möglich ist. Da es sich aber ohnehin um denselben Staat handelt, schadet eine entsprechende, vor dem Wegzug eines Ehegatten getroffene RW hinsichtlich des Gleichlaufs in diesem Fall nicht.34 Bei Art. 3 Abs. 1 34 Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Gültigkeit siehe im Folgenden § 4 B. II. 1.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
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lit. a 3. Str. Brüssel IIa-VO (gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners) ist ein Gleichlauf mit einer RW nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO zu erzielen, wenn der Antragsgegner der Ehegatte ist, dessen gewöhnlicher Aufenthalt für die RW maßgeblich ist. Diese beispielhaft genannten Koppelungs- und Koordinierungsmöglichkeiten zwischen RW und GV zeigen, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen der familien- und erbrechtlichen EU‑VO ein Zusammenspiel dieser Rechtsakte nicht völlig missachtet hat. Diese stehen in bestimmten Konstellationen nicht lose nebeneinander, sondern sind – wie auch auf materiellrechtlicher Ebene das Güterrecht und das Eheauflösungsrecht bzw. das Güterrecht und das Erbrecht – miteinander verbunden. Dennoch bestehen vereinzelte Koordinierungsprobleme, die auf die unterschiedliche Beschränkung der Parteiautonomie auf bestimmte Anknüpfungspunkte oder Kombinationen derselben zurückzuführen sind.
II. Welche Zeitpunkte sind für die Anknüpfung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich? Bei der Zulässigkeit der RW und der GV sind zwei Zeitpunkte zu unterscheiden35: Erstens ist zu fragen, wann eine RW oder eine GV vorgenommen werden können, d. h. zu welchen Zeitpunkten der Abschluss einer RW oder einer GV frühestens bzw. spätestens möglich ist.36 Zweitens ist zu ermitteln, wann der jeweilige Anknüpfungstatbestand objektiv vorliegen muss, d. h. zu welchem Zeitpunkt auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit abgestellt wird; diese Frage wird im Folgenden zuerst untersucht.
1. Rechtswahl Bei der RW beziehen sich alle Rechtsakte für das Vorliegen der Anknüpfungspunkte einheitlich auf den Rechtswahlzeitpunkt (z. B. den Staat, dessen Staatsangehörigkeit eine Partei im Zeitpunkt der RW besitzt). Durch die „Fixierung“ auf den Rechtswahlzeitpunkt wird ein Statutenwechsel ausgeschlossen. Dieser Zeitpunkt ist damit zu rechtfertigen, dass die RW der im Abschlusszeitpunkt aktuellen Verbundenheit der Parteien zu einer bestimmten Rechtsordnung entsprechen soll.37 Nur die ErbVO sieht alternativ auch noch den Zeitpunkt des Todes des Erblassers vor, wobei diese Wahlmöglichkeit im spezifisch erbrechtlichen Kontext zu betrachten ist.38
35 Siehe V. Stoll, Die Rechtswahl 36 Dazu unten § 4 B. III. 37 38
im Namens-, Ehe- und Erbrecht 77 f.
Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 38. Siehe oben § 3 D. II. 1. b).
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§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
2. Gerichtsstandsvereinbarung Bei der GV werden die Anknüpfungspunkte in den einzelnen Wahltatbeständen nicht auf bestimmte Zeitpunkte fixiert. Lediglich Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 1 UntVO enthält eine ausdrückliche Regelung, wonach zur Gültigkeit der GV die Anknüpfungspunkte alternativ im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung oder im Zeitpunkt des Abschlusses der GV gegeben sein müssen. Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. und 6. Str. Brüssel IIa-VO bestimmen nur, dass die einjährige bzw. sechsmonatige Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts (retrospektiv) ab dem Zeitpunkt der Antragstellung berechnet wird. Im Übrigen fehlen in der ErbVO, den Güterrechtsverordnungen39 und der Brüssel IIa-VO die maßgeblichen Zeitpunkte für das Vorliegen der Anknüpfungspunkte. Für die ErbVO und die Güterrechtsverordnungen ist die Regelung des Art. 4 UntVO, wie ausgeführt,40 nicht zugeschnitten und sollte im Rahmen dieser Rechtsakte daher nicht analog angewendet werden. In der Brüssel IIa-VO müssen nach h. A.41 die relevanten Anknüpfungspunkte für die Zuständigkeit im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung, d. h. der Antragstellung, gegeben sein, um – wie schon erwähnt – insbesonders die Fristen in Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. und 6. Str. einzuhalten. Bei der RW und der GV sind daher mitunter unterschiedliche Zeitpunkte für das Vorliegen der Anknüpfungsvoraussetzungen zu beachten. Während bei der GV auf einen späteren Zeitpunkt (Gerichtsanrufung) abgestellt werden kann, ist für die RW immer nur (mit Ausnahme der ErbVO) der Rechtswahlzeitpunkt entscheidend. Liegt bei Abschluss der RW der relevante Anknüpfungspunkt nicht vor, wird die RW nicht dadurch gültig, dass der Anknüpfungstatbestand zu einem späteren Zeitpunkt, z. B. bei Gerichtsanrufung, gegeben ist. Im Rahmen der RW ist es somit nicht möglich, im Sinne einer floating choice of law auf das zukünftige Vorliegen des Anknüpfungspunktes abzustellen und so in Hinblick auf zukünftige Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. der Staatsangehörigkeit vorausschauend zu disponieren. Bei der GV hingegen sind solche Dispositionen unter Beachtung des Bestimmtheitserfordernisses möglich.42 Wie bei der RW wird auch eine ursprünglich wirksame GV aber durch die Änderung der relevanten Umstände nicht ungültig.43 39 Nur die gesetzlichen Gerichtsstände in Art. 6 EheGüVO/PaGüVO beziehen sich auf den Zeitpunkt der Gerichtsanrufung. Zwar verweist Art. 7 EheGüVO/PaGüVO auf Art. 6 („In den Fällen des Artikels 6“), doch ist damit nur der sachliche Anwendungsbereich dieser Regelung gemeint. Für die GV sind die (zeitlich früheren) Zeitpunkte in den Kollisionsregeln relevant (arg. „nach Artikel 22 oder Artikel 26“). Daher weist Meise, RNotZ 2016, 496 zu Recht darauf hin, dass aufgrund dieser unterschiedlichen Zeitpunkte die Gerichtsstände des Art. 6 und Art. 7 EheGüVO/PaGüVO auseinanderfallen können. 40 Siehe oben § 3 C. IV. 2. b). und § 3 D. IV. 2. b). 41 Vgl. nur Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 115 m. w. N.; Dörner, in: Saenger, ZPO7 Art. 3 EuEheVO Rn. 13. 42 Maultzsch, JPIL 12 (2016), 473. 43 Schlosser/Hess, EU‑Zivilprozessrecht4 Art. 25 EuGVVO Rn. 9.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
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III. Bis zu welchem Zeitpunkt ist der Abschluss einer Rechtswahl oder Gerichtsstandsvereinbarung möglich? 1. Rechtswahl Im HUP ist eine RW grundsätzlich jederzeit und nach Maßgabe der lex fori auch noch im Verfahren möglich, wie es auch der Rechtslage in Art. 3 Abs. 2 Rom I‑VO44 entspricht. Die Rom III‑VO ist demgegenüber restriktiver: Gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III‑VO kann die RW zwar jederzeit, aber spätestens bis zur Gerichtsanrufung getroffen bzw. geändert werden. Die Möglichkeit in Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO, wonach je nach nationalem Recht auch während des Verfahrens eine RW getroffen werden kann, hat sich indes als sehr praxisrelevant erwiesen. Die Beschränkung in Art. 5 Abs. 2 Rom III‑VO auf den Zeitpunkt der Gerichtsanrufung erscheint daher zu eng und ist auch inkohärent mit der Rechtslage im HUP und in der Rom I‑VO.45 Inkohärent ist des Weiteren, dass sich Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO anders als Abs. 2 nur auf die (erstmalige) Vornahme der RW, nicht aber auf ihre Änderung bezieht, obwohl kein sachlicher Grund für diese Differenzierung ersichtlich ist.46 Es handelt sich dabei wohl um ein Redaktionsversehen, welches ausgebessert werden kann. Im Güterrecht, das typischerweise langfristige Vermögensregelungen betrifft, ist die Änderung oder das erstmalige Treffen einer RW im Verfahren zwar weniger relevant, doch spricht nichts dagegen,47 auch in den Güterrechtsverordnungen eine klarstellende Regelung zum Abschlusszeitpunkt einzuführen, zumal der Drittschutz ausdrücklich normiert wird.48 In der ErbVO kann die RW zu Lebzeiten des Erblassers jederzeit vorgenommen werden. Da nur der Erblasser eine RW treffen kann, stellt der Todeszeitpunkt logischerweise die Zäsur für das späteste Treffen (oder für die späteste Änderung) einer RW dar.49 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die analysierten Rechtsakte überwiegend nicht ausdrücklich regeln, bis zu welchem Zeitpunkt eine RW getroffen oder geändert werden kann. Während die Rom III‑VO in Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 konkrete Regelungen dazu enthält, äußern sich die Güterrechtsverordnungen und das HUP hierzu nicht. Auch ist aus praktischer Sicht das Bedürfnis nach einer RW im laufenden Verfahren unterschiedlich zu beurteilen. Anpassungsbedarf besteht primär in der Rom III‑VO, in der es nicht dem 44
Siehe nur von Hein, in: Rauscher Art. 3 Rom I‑VO Rn. 139 m. w. N. Basedow, Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union, in: von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015), S. 3 (S. 12). 46 Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 105 f. 47 Vgl. oben § 3 C. II. 1. e). 48 Siehe Art. 22 Abs. 3 EheGüVO/PaGüVO. 49 Etwas unpräzise Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 177, wonach „aus der Natur der Sache“ folgt, dass „keine zeitliche Beschränkung“ besteht. 45
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§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
nationalen Recht überlassen sein sollte, eine RW im laufenden Verfahren zuzulassen.
2. Gerichtsstandsvereinbarung Eine GV kann von den Parteien grundsätzlich jederzeit getroffen und auch aufgehoben bzw. geändert werden.50 Die bei der RW erörterte Frage, ob eine solche auch im Prozess aufgehoben oder geändert werden kann, stellt sich bei der GV nicht in vergleichbarer Weise. Denn mit der Rechtsfigur der rügelosen Einlassung51 wird im Zuständigkeitsrecht bereits die Funktion erfüllt, die der Änderung einer RW im laufenden Verfahren entspricht: Ruft eine Partei ein eigentlich derogiertes Gericht an und lässt sich die andere Partei auf das Verfahren ein, ohne die Unzuständigkeit zu rügen, kommt dies einer parteiautonomen Begründung der Zuständigkeit bzw. faktischen Aufhebung der GV gleich.52 Im Übrigen bestimmt sich der späteste Zeitpunkt, zu dem eine GV getroffen werden kann, nach nationalem Recht.53
IV. Bedingung und Befristung der Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung Mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt der jeweilige Anknüpfungspunkt vorliegen muss und bis zu welchem Zeitpunkt eine RW bzw. eine GV getroffen werden kann, ist auch die Frage der Zulässigkeit einer Bedingung oder Befristung verbunden.
1. Rechtswahl Ob eine RW auch bedingt oder befristet sein kann, wird von den Rechtsakten nicht ausdrücklich geregelt. Den Parteien steht es grundsätzlich frei, eine getroffene RW aufzuheben oder zu ändern, z. B. wenn sich in der Zwischenzeit nach dem ersten Rechtswahlabschluss die relevanten Umstände (gewöhnlicher Aufenthalt usw.) geändert haben. Sie können auch eine an sich wirksame RW
50
Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 127; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/ Brüssel Ia-VO Rn. 195. 51 Die rügelose Einlassung gilt bislang sogar als tendenziell praxisrelevanter als die GV; siehe zur UntVO Hohloch, in: FS Sonnenberger, S. 409; Gottwald, in: FS Lindacher, S. 15; Hau, Die Europäische Unterhaltsverordnung und das Haager Unterhaltsprotokoll in der deutschen Rechtspraxis, ZVglRWiss 115 (2016), 672 (678). 52 Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 128. Hervorzuheben ist, dass die Brüssel IIa-VO als einzige der hier untersuchten Rechtsakte keine Heilung der Zuständigkeit durch rügelose Einlassung vorsieht; siehe Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 6 EuEheKindVO Rn. 39. 53 Siehe Simotta, in: König/Mayr, S. 94 f.; dies., ZVglRWiss 116 (2017), 56 f.
EuIPR4 Art. 25
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
171
widerrufen.54 Da sie insofern über das Wirkungsende der RW disponieren können, sollte auch eine Befristung der RW in diesem Rahmen möglich sein.55 Im Unterhaltsrecht ist ein praktisches Bedürfnis nach einer befristeten RW kaum ersichtlich, weil die Parteien in aller Regel ein Interesse an langfristigen und stabilen Regelungen haben, auf die sich insbesonders der Unterhaltsverpflichtete hinsichtlich seiner Zahlungsverpflichtung einstellen kann. Auch im Rahmen der Spezialregelung des Art. 7 HUP ist eine Befristung der RW irrelevant, vor allem wenn eine RW im Laufe des Verfahrens getroffen wird, weil sie ohnehin auf ein bestimmtes Verfahren beschränkt ist. Ebenso besteht im Güterrecht in aller Regel ein Interesse an dauerhaften Regelungen, dem eine Befristung der RW entgegenstehen würde. Dem Erblasser steht es genauso frei, eine RW zu befristen,56 weil sie im System der ErbVO jederzeit widerrufen und geändert werden kann.57 Im Rahmen der Rom III‑VO sind bedingte oder befristete RW hingegen von geringer praktischer Bedeutung, weil das anzuwendende Scheidungsrecht meist erst im Zuge der Scheidung relevant wird und Bedingungen oder Befristungen eher als Gestaltungsmittel einer „vorsorgend“ getroffenen RW Anwendung finden. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Bedingungen ist zu beachten, dass eine RW, die sich auf das Vorliegen eines späteren gewöhnlichen Aufenthalts oder einer späteren Staatsangehörigkeit als Bedingung bezieht (z. B. eine aufschiebend bedingte RW zum Recht des Staates der späteren Staatsangehörigkeit bei einem laufenden Einbürgerungsverfahren), nicht zulässig sein kann, wenn der gewöhnliche Aufenthalt bzw. die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt in den untersuchten VO wie oben erwähnt im Zeitpunkt der RW gegeben sein muss.58 Ein impliziter Bezug auf eine aufschiebend bedingte RW ist hingegen in der ErbVO zu erkennen: Die Möglichkeit, die RW nach Art. 22 ErbVO nicht nur an die Staatsangehörigkeit im Rechtswahlzeitpunkt, sondern auch an die Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt anzuknüpfen, spricht m. E. für die Zulässigkeit einer aufschiebend bedingten RW in Bezug auf eine zukünftige Staatsangehörigkeit, die der Erblasser im Rechtswahlzeitpunkt noch nicht besitzt. Da das Eintreten oder Nichteintreten der Bedingung – d. h. das Vorliegen oder Nichtvorliegen der betreffenden zukünftigen Staatsangehörigkeit – im Todeszeit54 Siehe Art. 5 Abs. 2 Rom III‑VO („geschlossen oder geändert werden“), Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO („bestimmen oder ändern“) und Art. 22 Abs. 4 ErbVO („Die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl“). 55 V. Stoll, Die Rechtswahl im Namens-, Ehe- und Erbrecht 83 m. w. N., 215. 56 So auch Leitzen, ZEV 2013, 129: „entsprechend allgemeinen Grundsätzen“; Heinig, RNotZ 2014, 202; Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 22 EuErbVO Rn. 12. 57 Nordmeier, GPR 2013, 153. 58 Döbereiner, in: Dutta/J. Weber, S. 66 f.; siehe aber zur Gegenansicht Schall/J. Weber, IPRax 2014, 383 f., die im Kontext der Rom III‑VO die Wählbarkeit des Rechts des zukünftigen gewöhnlichen Aufenthalts oder der zukünftigen Staatsangehörigkeit bejahen.
172
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
punkt als Anknüpfungszeitpunkt der RW ermittelt werden kann, ist die Rechtssicherheit gewahrt.59 Die Änderbarkeit bzw. Aufhebbarkeit der RW spricht auch für die Zulässigkeit von auflösenden Bedingungen, wenn diese klar und eindeutig formuliert sind und somit die Rechtssicherheit nicht beeinträchtigen.60 So könnten die Parteien eine RW unter der Bedingung treffen, dass diese gültig sein soll, solange z. B. der gewöhnliche Aufenthalt als relevanter Anknüpfungspunkt gleich bleibt. Bei Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts verliert die RW ihre Gültigkeit, ohne dass die Parteien durch einen actus contrarius die RW erst aufheben müssten. Anders als bei einer aufschiebend bedingten RW ist bei auflösenden Bedingungen der Anknüpfungspunkt im Zeitpunkt des Rechtswahlabschlusses gegeben, sodass die oben unter III. erläuterten Anknüpfungsvoraussetzungen gewahrt werden.
2. Gerichtsstandsvereinbarung Ob eine bedingte oder befristete GV zulässig ist, wird von den EU‑VO nicht beantwortet, sondern hängt wesentlich von der Rechtsnatur der GV ab, die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt wird. Nach derzeitiger Rechtslage ergibt sich kein klares Bild, welches Modell – das materiellrechtliche oder das prozessuale Verständnis der GV – den EU‑VO inhärent ist. Die materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Willenseinigung spricht für eine Tendenz zum materiellrechtlichen61 Verständnis oder zumindest für eine nicht rein prozessrechtliche Einordnung der GV im Anwendungsbereich der EU‑VO.62 Wird die GV rein prozessual als Prozessvertrag qualifiziert, seien Bedingungen unzulässig, weil die Zuständigkeit nur auf eindeutige Kompetenztatbestände zu gründen 59 Vgl. Ludwig, Die Wahl zwischen zwei Rechtsordnungen durch bedingte Rechtswahl nach Art. 22 der EU‑Erbrechtsverordnung, DNotZ 2014, 12 (15), der eine bedingte RW für zulässig hält, wenn das die Bedingung auslösende Ereignis spätestens im Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt werden kann; ebenso Heinig, RNotZ 2014, 202; a. A. Dutta, in: MüKommBGB7 Art. 22 EuErbVO Rn. 12; vgl. zu weiteren Bedingungen J. Schmidt, in: BeckOGK (Stand 7.8.2017) Art. 22 EuErbVO Rn. 5. 60 Franzina, Cuadernos de Derecho Transnacional 2011, 110 f. 61 Siehe Anzenberger, Zur Wirksamkeit fremdsprachiger Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 104 JN und Art. 23 EuGVVO, in: Clavora/Garber (Hrsg.), Sprache und Zivilverfahrensrecht (2013), S. 71 (S. 83); vgl. auch Queirolo, Choice of court agreements in the new Brussels I-bis Regulation: a critical appraisal, Yearbook of Private International Law 15 (2013/2014), 113 (125): „substantive in nature with prodecural effects“. 62 Zur EuGVVO Czernich, in: Czernich/Kodek/Mayr4 Art. 25 EuGVVO Rn. 16: „Die Gerichtsstandsvereinbarung ist ein Vertrag. Die in Österreich immer wieder bemühte Qualifikation als ‚Prozessrechtsvertrag‘ sollte für den Bereich der EuGVVO fallengelassen werden […] Der Inhalt des Vertrages ist zwar prozessrechtlicher Natur, die Voraussetzungen und die Wirksamkeit […] sind dagegen dem Vertragsrecht zuzuordnen“; siehe ferner ders., Reform des Rechts der Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zuständigkeitsrecht, in: Fucik u. a. (Hrsg.), Jahrbuch Zivilverfahrensrecht 2010, S. 97 (S. 100); Queirolo, Yearbook of Private International Law 15 (2013/2014), 135.
B. Die Zulässigkeit im Vergleich
173
sei.63 Befristungen seien zumindest dann zulässig, wenn sie die Bestimmtheit der GV nicht beeinträchtigen, insbesonders bei Festlegung eines genauen Datums.64 Da es keine unionsrechtsautonome allgemeine Prorogationslehre gibt, ist für die Beurteilung komplexer Fragen in Bezug auf bedingte oder befristete GV auf nationale Regelungen zurückzugreifen. In den hier untersuchten VO kann sich ein konkreter Anwendungsfall bedingter GV dadurch ergeben, dass der Erblasser nach Art. 22 ErbVO wie oben erwähnt eine aufschiebend bedingte RW zum Recht der Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt trifft, die er allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt erlangen wird. Die Verfahrensparteien können schon zu Lebzeiten des Erblassers eine GV treffen, die im geschilderten Fall an die aufschiebende Bedingung anknüpfen würde. Ein verordnungsautonomer Ausschluss einer solchen Konstellation ist nicht ersichtlich.
V. Zwischenergebnis 1. Der kontrastive Vergleich hat gezeigt, dass die Zulässigkeitsbestimmungen der RW und der GV de lege lata nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Diese Diskrepanzen resultieren aus der unterschiedlichen Beschränkung der Parteiautonomie auf bestimmte Anknüpfungspunkte oder Kombinationen derselben. Eine umfassende Rechtswahl- oder Prorogationsfreiheit ist den untersuchten Rechtsakten fremd; Wahlfreiheit besteht nur insofern, als unter bestimmten, vom Gesetzgeber vorgegebenen typisierten Optionen gewählt werden kann. Dadurch soll eine aus staatlicher Sicht angemessene enge Beziehung zwischen dem anzuwendenden Recht und dem Gerichtsstand, den Parteien und der Rechtssache sichergestellt werden. Die RW und die GV sollen im Familienund Erbrecht mithin das Prinzip der „engsten Verbindung“65 konkretisieren.66 Dadurch werden primär öffentliche Interessen verwirklicht, die aber auch mit dem Schutz schwächerer Parteien korrelieren.67 63 OGH 24.11.1964, 8 Ob 331/64 SZ 37/170; Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 104 JN Rn. 103 f. m. w. N.; a. A. Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß (1957) 226; siehe auch Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 139. 64 Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozeßrecht (1967) 55; Mayr, in: Rechberger, ZPO4 § 104 JN Rn. 3. 65 Vgl. dazu oben § 2 A. I. 66 Martiny, Objectives and values of (private) international law in family law, in: Meeusen u. a. (Hrsg.), International family law for the European Union (2007), S. 69 (S. 85, S. 98); ebenso Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 344; die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf bestimmte Anknüpfungspunkte grundsätzlich positiv bewertend Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 627 f. 67 Die Beschränkung der Parteiautonomie aus Sicht des Schwächerenschutzes als nicht gerechtfertigt wertend Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht 483 f.; Rühl, JPIL 10 (2014), 350 f.; nur eine sekundäre Rolle sehend Maultzsch, JPIL 12 (2016), 85 f.
174
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
2. Es ist dabei zu beobachten, dass bei den objektiven Kollisionsnormen meist oder überwiegend eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt68 stattfindet, die vor allem als integrationsfördernder Mechanismus in der EU betrachtet werden kann.69 Gleichzeitig ist als Manko zu konstatieren, dass dieser wesentliche Anknüpfungspunkt in den VO nicht definiert wird.70 Die subjektive Anknüpfung betont zusätzlich oder stärker die Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit wird dementsprechend vor allem dann als Anknüpfungspunkt relevant, wenn es darum geht, dass die Parteien autonom über das auf ihr Rechtsverhältnis anzuwendende Recht entscheiden. Aber auch der gewöhnliche Aufenthalt fungiert als Anknüpfungspunkt der RW; insofern stellen der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit im Rahmen der Parteiautonomie überwiegend gleichberechtigte Alternativen dar.71 Oft handelt es sich jedoch um eine Kompromiss- bzw. Ausgleichslösung, um jenen Mitgliedstaaten entgegen zu kommen, die durch die neuen, am gewöhnlichen Aufenthalt orientierten objektiven Anknüpfungen das Staatsangehörigkeitsprinzip aufgeben mussten. Die subjektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit fungiert außerdem regelmäßig als (notwendiges) Korrektiv zur objektiven und wandelbaren Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. 3. Auch im IZVR überwiegt bei den gesetzlichen Gerichtsständen der gewöhnliche Aufenthalt in unterschiedlichen Kombinationen,72 während dem Heimatgerichtsstand kaum oder nur wenig Bedeutung zukommt;73 dieser steht in erster Linie als wählbarer Gerichtsstand zur Verfügung. Nur punktuell werden zusätzliche Wahlmöglichkeiten eröffnet, die auf nichtpersonenbezogene Elemente der Streitigkeit bzw. des Lebenssachverhalts abstellen. 4. Der Vergleich hat auch eine Tendenz zur Verschränkung der Parteiautonomie zwischen IPR und IZVR offenbart. Mit Ausnahme des Unterhaltsrechts zeigt sich aber eine eher mangelhafte Abstimmung und teilweise inkohärente Begrenzung der Wahlmöglichkeiten in den Unionsrechtsakten; insofern kommt hier der UntVO und ihrer Abstimmung zum HUP Modellcharakter zu.74 Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass sich der Unionsgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Zuständigkeitsregeln in der UntVO bewusst nach dem HUP gerichtet 68 Siehe Art. 3 HUP und Art. 21 Abs. 1 ErbVO; bei Art. 8 Rom III‑VO und Art. 26 EheGüVO ist die objektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit subsidiär zum gewöhnlichen Aufenthalt. 69 Vgl. Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 214, S. 217. 70 Der EuGH hat sich lediglich im Rahmen von Art. 8 Brüssel IIa-VO zum Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts geäußert; siehe EuGH 2.4.2009, C-523/07, A Rn. 27 ff. ECLI:EU:C:2009:225. 71 Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 214. 72 Siehe Art. 4 ErbVO, Art. 3 UntVO, Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO, Art. 6 lit. a–c EheGüVO/PaGüVO. 73 So kommt die gemeinsame Staatsangehörigkeit bei Art. 6 Abs. 1 lit. d EheGüVO/PaGüVO nur als allerletzte Alternative zum Zug. 74 Siehe Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 179.
175
C. Die formelle Gültigkeit im Vergleich
hat, um ein Zusammenspiel dieser Rechtsakte zu ermöglichen, das HUP aber spezifische Regeln aufweist, welche dem unionsrechtlichen IPR fremd sind. 5. Ferner ist das Bestreben zu beobachten, einen Gleichlauf zwischen forum und ius herzustellen, wofür verschiedene Mechanismen zum Einsatz kommen. Hier hat sich gezeigt, dass für die Verwirklichung der Parteiautonomie der Mechanismus am günstigsten ist, bei dem die RW und die GV voneinander unabhängig sind, aber parallele Anknüpfungspunkte dazu führen, dass die Parteien auf einfache Weise einen Gleichlauf erzielen können, dies aber nicht müssen. 6. In Summe ist der Gedanke der Einheit und der Kohärenz im familien- und erbrechtlichen EU‑IPR und EU‑IZVR durchaus vorhanden, aber derzeit nur lückenhaft realisiert. Dementsprechend muss eine RW bzw. eine GV für jeden Regelungsgegenstand gemäß der Wahlmöglichkeiten des jeweiligen Rechtsaktes getroffen werden. Für umfassende Wahlentscheidungen besteht in der Praxis ein bedeutendes Bedürfnis, weil Ehegatten in Scheidungsvereinbarungen und Eheverträgen oft mehrere Fragen bzw. sämtliche Scheidungsfolgen (Unterhalt, Scheidung, Güterrecht) gemeinsam regeln möchten;75 zudem werden Gerichtsstand und anzuwendendes Recht üblicherweise koordiniert gewählt. Aufeinander abgestimmte Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlregeln würden dementsprechend eine verschiedene Teilbereiche umfassende Wahlentscheidung begünstigen und durch die Ermittlung nur eines (ausländischen) Rechts auch weniger Kosten verursachen.76
C. Die formelle Gültigkeit im Vergleich Wiederum soll zunächst eine kurze Gegenüberstellung der formellen Gültigkeitsregeln die nachfolgenden Ausführungen veranschaulichen: Formelle Gültig- UntVO/ keitsvorausset- HUP zung
Brüssel IIa- EheGüVO VO/ Rom III‑VO
PaGüVO
ErbVO
RW: Schriftform Art. 7 Abs. 2 Art. 7 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 Art. 8 Abs. 2
–
RW: alternativ elektronische Übermittlung
Art. 7 Abs. 2 Art. 7 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 Art. 8 Abs. 2
–
Art. 7 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1
–
RW: Unterzeich- Art. 7 Abs. 2 Art. 7 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 Art. 23 Abs. 1 nung Art. 8 Abs. 2
–
RW: Datierung
75
–
Andrae, in: FS Martiny, S. 4; Maultzsch, JPIL 12 (2016), 474. Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 112, 439.
76 Vgl.
176
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
Formelle Gültig- UntVO/ keitsvorausset- HUP zung
Brüssel IIa- EheGüVO VO/ Rom III‑VO
PaGüVO
RW: strengere nationale Formvorschriften
–
Art. 7 Abs. 2–4
Art. 23 Abs. 2–4
RW: Sonstiges
–
–
Art. 23 Abs. 2–4 –
–
ErbVO
–
Art. 22 Abs. 2 Verweis auf Form einer Verfügung von Todes wegen (RW)
GV: Schriftform Art. 4 Abs. 2
–
Art. 7 Abs. 2
Art. 7 Abs. 2
Art. 5 Abs. 2
GV: alternativ elektronische Übermittlung
Art. 4 Abs. 2
–
Art. 7 Abs. 2
Art. 7 Abs. 2
Art. 5 Abs. 2
GV: Datierung
–
–
Art. 7 Abs. 2
Art. 7 Abs. 2
Art. 5 Abs. 2
GV: Unterzeichnung
–
–
Art. 7 Abs. 2
Art. 7 Abs. 2
Art. 5 Abs. 2
I. Rechtswahl Die obige Gegenüberstellung zeigt, dass zwei Arten von Regelungen für die formelle Gültigkeit in Frage kommen: Entscheidungsnormen („modal choice of law rules“77) und/oder Verweisungsnormen. Während bei ersteren eine verordnungsautonome Regelung vorliegt – d. h. die VO entscheidet eigenständig darüber, welche formellen Voraussetzungen zu beachten sind, und gibt diese selbst vor –, verweist der Verordnungstext bei letzteren auf ein bestimmtes nationales Recht als Formstatut und entspricht damit der klassischen Verweisungstechnik des Kollisionsrechts.78
1. Entscheidungsnormen Die besprochenen Rechtsakte regeln die formelle Gültigkeit der RW überwiegend autonom.79 Solche Entscheidungsnormen finden sich in Art. 7 Abs. 2 HUP, Art. 8 Abs. 2 HUP, Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO und Art. 23 Abs. 1 EheGüVO/Pa77 Siehe Hook, The concept of modal choice of law rules, JPIL 11 (2015), 185 (187 f.); dies., The Choice of Law Contract 118 ff. 78 Vgl. Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl (2003) 4. 79 Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 173.
C. Die formelle Gültigkeit im Vergleich
177
GüVO. Die aufgestellten Formvoraussetzungen sind dabei weitgehend kongruent: Die beinahe wortidenten80 Art. 23 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO und Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO verlangen als Kriterientrias die Schriftform, die Datierung und die Unterzeichnung der Rechtswahlvereinbarung. Aus diesem Rahmen fällt das HUP, welches für die RW gemäß Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 neben der Schriftform nur die Unterzeichnung durch die Parteien, aber keine Datierung verlangt. Eine nicht datierte, unterzeichnete schriftliche RW ist folglich gemäß dem HUP formal gültig, aber gemäß der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen formal ungültig, weil die Datierung ausdrücklich eine Gültigkeitsvoraussetzung ist. Eine einheitliche Regelung ist hier wünschenswert und für Rechtsanwender nachvollziehbarer; zudem dient die Datierung der besseren Nachweisbarkeit. Den besprochenen Rechtswahlregelungen ist gemeinsam, dass sie eine Alternative zur Schriftform vorsehen: Die Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen sprechen von elektronischen Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen.81 In Analogie zu Art. 23 Abs. 2 EuGVVO a. F., der erstmals82 die elektronische Form als Alternative zur Schriftform normierte, kann eine Einigung zur RW auch per E‑Mail erfolgen.83 Zudem sind die betreffenden Bestimmungen „technologieneutral“84 formuliert, sodass sie gegenüber neuen (telekommunikations-)technischen Entwicklungen offen sind.85 Ein elektronischer Schriftwechsel wird auch im Rahmen des HUP ermöglicht,86 das alternativ zur Schriftform die „Erfassung auf einem Datenträger, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist“87. Auch wenn diese Formalternative teilweise kritisiert wird, weil sie kaum Schutz- und Warnfunktionen biete und ihre Beweisbarkeit wegen Manipulierungsgefahren nicht unproblematisch sei,88 entspricht sie praktischen Bedürfnissen im elektronischen Rechts- und Parteienverkehr. Zudem schließt der Abschluss einer RW 80 Während nach Art. 23 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO die RW „zu datieren und von beiden Ehegatten zu unterzeichnen“ ist und elektronische Übermittlungen „der Schriftform gleichgestellt“ sind, spricht Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO davon, dass die RW „der Datierung sowie der Unterzeichnung durch beide Parteien“ bedarf und elektronische Übermittlungen die Schriftform „erfüllen“. 81 Art. 7 Abs. 1 Rom III‑VO und Art. 23 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO. 82 Art. 17 EuGVÜ kannte keine solche Regelung. 83 Statt vieler Geimer/Schütze, EuZVR3 Art. 23 EuGVVO Rn. 105; Hilbig-Lugani, in: NK‑ BGB2 Art. 7 Rom III Rn. 6 m. w. N. So wurde in einem italienischen Urteil (Tribunale di Pordenone 14.10.2014 RDIPP 2014, 1011 = IPRax 2017, 411 (Siehr)) die Formgültigkeit einer durch E‑Mail-Austausch abgeschlossenen RW nach der Rom III‑VO bejaht. 84 Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 126. 85 Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 126. 86 Siehe Bach, in: NK‑BGB2 Art. 8 HUP Rn. 25; abl. Andrae, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 8 HUP Rn. 16. 87 Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 HUP. 88 Krit. z. B. Rauscher, FamFR 2013, 28; ders., in: FS Schütze, S. 464; Andrae, in: FS Martiny, S. 25; Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 151 f.
178
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
per E‑Mail nicht aus, dass die Parteien sich vorab rechtlich informieren und beraten lassen. Die elektronische Alternativform zur Schriftform sollte daher in den familienrechtlichen VO nicht abgeschafft werden; stattdessen sollten die bestehenden Auslegungsunsicherheiten geklärt werden, auch um in Hinblick auf neue technische Möglichkeiten, die mitunter bereits für rechtliche Angelegenheiten genutzt werden,89 Klarheit zu schaffen. Insbesondere bleibt zu klären, wie dem Erfordernis der Unterschriftlichkeit bei Abschluss einer RW im elektronischen Rechtsverkehr entsprochen werden muss. Aus den Verordnungstexten geht nur hervor, dass die elektronische Übermittlung als Alternative zur Schriftform zulässig ist. Um diese Möglichkeit sinnvoll zu nutzen, sollte bei der elektronischen Übermittlung auch dem Erfordernis der Unterschriftlichkeit digital entsprochen werden können, d. h. durch Authentifizierung im Wege der elektronischen Signatur.90 Aus Sicht der Beweiskraft kann es hingegen nicht genügen, im elektronischen Dokument unter dem Text der Vereinbarung schlichtweg die Namen der Erklärenden hinzuzufügen.
2. Verweisungsnormen Neben Entscheidungsnormen kennen die besprochenen Rechtsakte auch Verweisungsnormen. Dies betrifft insbesonders die ErbVO: Art. 22 Abs. 2 ErbVO enthält für die RW keine echte Entscheidungsnorm, sondern nur einen Verweis auf das Formstatut für letztwillige Verfügungen (Art. 27).91 Mit diesem Verweis wird einerseits ein Einklang mit den Formvorschriften des Haager Testamentsformübereinkommens92 erzielt, aber andererseits eine Diskrepanz zu den verordnungsautonomen Rechtswahlregelungen der anderen VO geschaffen. Indes ist zu beachten, dass die zweiseitige RW, wie sie in den anderen EU‑VO geregelt wird, nicht mit der Rechtswahlsituation nach der ErbVO zu vergleichen ist. Da die einseitige erbrechtliche RW meist in eine letztwillige (materiellrechtliche) Verfügung eingebettet ist, ist es sinnvoll, auf die jeweiligen nationalen erbrechtlichen Formbestimmungen für letztwillige Verfügungen abzustellen.93 Dieser Gleichlauf ist für den Erblasser zudem einfacher und nachvollziehbarer als die Beachtung eigener Formvoraussetzungen in der ErbVO. 89
Zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses per Chatapplikation „Whatsapp“ siehe OGH 28.10.2015, 9 ObA 110/15i JBl 2016, 58 = RdW 2016, 123 = wbl 2016/29 = ecolex 2016, 241. 90 Statt vieler Mayer, in: Althammer, Art 7 Rom III Rn. 3 m. w. N.; Hilbig-Lugani, DNotZ 2017, 747. Siehe hierzu die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, Abl. L 2014/257, 73 (eIDAS‑VO). 91 Das gilt auch für die „kleine“ RW über den Verweis auf Art. 22 ErbVO in Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3. 92 Siehe oben § 3 D. III. 1. 93 Siehe zur Verweisungslösung im EGBGB Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 662, 785.
C. Die formelle Gültigkeit im Vergleich
179
Andere Verweisungsnormen betreffen die Anwendung strengerer nationaler Formvorschriften. Diese Öffnungsklauseln in der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen zum Recht des mitgliedstaatlichen Aufenthaltsstaats bzw. der mitgliedstaatlichen Aufenthaltsstaaten sind als rechtspolitisches Eingeständnis an jene Mitgliedstaaten, die auf die Wahrung ihrer strengeren Formvorschriften gedrängt haben, zu sehen. Während Art. 7 Abs. 2–4 Rom III‑VO speziell auf strengere Vorschriften für Rechtswahlvereinbarungen verweisen, beziehen sich Art. 23 Abs. 2–4 EheGüVO/PaGüVO auf Vorschriften für materiellrechtliche Vereinbarungen. Die Lösung in den Güterrechtsverordnungen ist grundsätzlich vorzugswürdig, weil die Mitgliedstaaten kaum spezielle Regelungen für die Form der RW, sehr wohl aber überwiegend besondere Formvoraussetzungen für materiellrechtliche Vereinbarungen kennen. Somit erübrigt sich für diese Mitgliedstaaten der Erlass spezieller Umsetzungsgesetze.94 Im HUP fehlt zwar eine ausdrückliche Öffnungsklausel, aber die Formvorschriften des HUP gelten nach zutreffender Auffassung95 als Mindestvorschriften. Auch die ErbVO kennt keine Regelung, die Art. 7 Abs. 2–4 Rom III‑VO bzw. Art. 23 Abs. 2–4 EheGüVO/PaGüVO entspricht. Art. 22 ErbVO enthält, wie erwähnt, für die formelle Gültigkeit der RW eine umfassende und abschließende Verweisungsnorm, die den speziellen Umständen der erbrechtlichen RW Rechnung trägt.
II. Gerichtsstandsvereinbarung 1. Entscheidungsnormen Hinsichtlich der Formgültigkeit der GV weisen die jüngsten EU‑VO – die Güterrechtsverordnungen und die ErbVO – eine kohärente einheitliche Entscheidungsnorm auf. Gemäß Art. 7 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO hat die GV schriftlich (bzw. durch elektronische Übermittlung) zu erfolgen und ist zu datieren und zu unterzeichnen. Selbiges gilt gemäß Art. 5 Abs. 2 ErbVO, sodass die erbrechtliche GV im Unterschied zur erbrechtlichen RW einer unionsrechtsautonomen Formregelung unterliegt. Die Entscheidungsnorm in Art. 4 Abs. 2 UntVO ist im Vergleich zur ErbVO und den Güterrechtsverordnungen rudimentär, weil die GV weder zu datieren noch zu unterzeichnen ist. Am Fehlen dieser beiden letzteren Kriterien ist der Ursprung des Art. 4 UntVO in der EuGVVO zu erkennen, die weder die Unterschriftlichkeit noch die Datierung für die GV verlangt.96 Diese zwei Kriterien haben in den Güterrechtsverordnungen und der ErbVO besondere Funktionen: Zum einen dient die Datierung der Überprüfung, ob die rechtswahlakzessorische GV zeitlich betrachtet bei Vorliegen einer gül94 Vgl. J. Weber, DNotZ 2016, 95 Dazu oben § 3 A. III. 2. b).
679.
96 Siehe zu den Formvorschriften der EuGVVO Schlosser/Hess, EU‑Zivilprozessrecht4 Art. 25 EuGVVO Rn. 19.
180
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
tigen RW getroffen wurde; zum anderen kommt der Unterzeichnung bei Art. 5 ErbVO aufgrund des potentiell sehr weiten Kreises der Verfahrensparteien eine entscheidende Rolle für die Gültigkeit der GV zu.97 Diese speziellen Zwecke kommen bei einer GV nach der UntVO nicht zum Tragen, zumal diese nur zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltsverpflichteten getroffen wird und von einer RW nach dem HUP unabhängig ist. Freilich sind Datierung und Unterschrift zu Beweiszwecken aber auch hier zu empfehlen. Im Rahmen des Kindesunterhalts dienen sie insbesondere der Feststellung, ob der Unterhaltsberechtigte im Abschlusszeitpunkt der GV minderjährig war und folglich das Prorogationsverbot greift.98
2. Verweisungsnormen Anders als für die RW sieht keine VO für die GV eine Öffnungsklausel zugunsten qualifizierter nationalrechtlicher Formvorschriften vor. Die Erwägungsgründe und die Materialien der VO geben keine Auskunft über diesen Unterschied; die Erwägungen zur „informierten“ RW, die für die Förderung informierter Wahlentscheidungen durch strengere Formregelungen plädieren, beziehen sich nur auf die RW. Die verordnungsautonomen Formvorschriften der VO für die GV sind daher als abschließend zu betrachten, sodass die nationalen Rechtsordnungen keine zusätzlichen Erfordernisse aufstellen dürfen.99
III. Zwischenergebnis Ein weiterer Mechanismus zur Beschränkung der Parteiautonomie ist auf Ebene der formellen Gültigkeit zu verorten. Diese ist in den untersuchten Rechtsakten nicht einheitlich geregelt. Tendenziell enthalten die untersuchten familienrechtlichen Rechtsakte für die formelle Gültigkeit Entscheidungsnormen, d. h. autonome Regelungen. Es besteht unter diesen Bestimmungen aber keine vollständige Kongruenz. Die festgestellten Unterschiede sind nicht immer nachvollziehbar: Während die Verweisungsnorm in der ErbVO durch die Besonderheiten der einseitigen erbrechtlichen RW angemessen erscheint, steht die rudimentäre Regelung der UntVO in Diskrepanz zu den jüngeren VO und sollte daher angepasst werden. Wie schon bei den Anknüpfungspunkten ausgeführt, sind kohärente Formregelungen für den Abschluss von Vereinbarungen, die mehrere Teilbereiche regeln, besonders sinnvoll. In weiterer Folge soll daher geprüft werden, ob eine übergreifende, einheitliche Lösung für die formelle Gültigkeit der RW bzw. der GV möglich ist.100 97 98
Vgl. oben § 3 D. III. 2. Siehe oben § 3 A. III. 1. 99 Vgl. zur EuGVVO Schlosser/Hess, EU‑Zivilprozessrecht4 Art. 25 EuGVVO Rn. 19. 100 Dazu unten § 5 B. I. 2. c).
181
D. Die materielle Gültigkeit im Vergleich
D. Die materielle Gültigkeit im Vergleich Die folgende Tabelle soll die Regelungen zur materiellen Gültigkeit der RW und der GV nochmals im Überblick darstellen: UntVO/HUP Brüssel IIaMaterielle VO/Rom III‑ GültigkeitsVO voraussetzung
EheGüVO
PaGüVO
RW: Einigung Art. 7 Abs. 1 (verordnungs- Art. 8 Abs. 1 „bestimmen“ autonom) „Vereinbarung“
Art. 5 Abs. 1 „durch Vereinbarung bestimmen“
Art. 22 Abs. 1 „durch Vereinbarung bestimmen“
s. – EheGüVO einseitige RW
RW: Gültigkeitsstatut
Art. 6 Abs. 1 „Einigung und materielle Wirksamkeit“ „Zustandekommen und Wirksamkeit“ Vorgriff des gewählten Rechts
Art. 24 Abs. 1 s. „Einigung EheGüVO und materielle Wirksamkeit“ „Zustandekommen und Wirksamkeit“ Vorgriff des gewählten Rechts
–
GV: Einigung Art. 4 Abs. 1 (verordnungs- „vereinbaren“ autonom)
–
Art. 7 Abs. 1 „vereinbaren“
GV: Gültigkeitsstatut
–
–
–
ErbVO
Art. 22 Abs. 3 „materielle Wirksamkeit“ gewähltes Recht
s. Art. 5 EheGüVO Abs. 1 „vereinbaren“ –
–
I. Rechtswahl Wie bei der formellen Gültigkeit sind auch bei der materiellen Gültigkeit der RW sowohl Entscheidungsnormen als auch Verweisungsnormen denkbar.101 In den untersuchten Rechtsakten gibt es keine ausdrücklichen Entscheidungsnormen für die materielle Wirksamkeit. Das verordnungsautonom auszulegende Kriterium der Willenseinigung der Parteien wird nicht explizit als Voraussetzung normiert, sondern wurde vom EuGH judiziert, und kann insofern nicht als echte (positive) Entscheidungsnorm bezeichnet werden. Darüber hinaus werden keine materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen verordnungsautonom ge101 Siehe Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 4.
182
§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
regelt. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang zwar Art. 8 Abs. 5 HUP, der im familienrechtlichen EU‑IPR die einzige kollisionsrechtliche Inhaltskontrolle der RW normiert; das Erfordernis der „umfassenden Informiertheit“ bezieht sich aber nicht allgemein auf die Wirksamkeit der RW, sondern dient als Kriterium bei der Beurteilung, ob trotz unbilliger Ergebnisse das gewählte Recht anzuwenden ist. Art. 6 Rom III‑VO und Art. 24 EheGüVO/PaGüVO tragen die Überschrift „Einigung und materielle Wirksamkeit“102 und bestimmen jeweils in Abs. 1, dass „Zustandekommen und Wirksamkeit“ der RW dem Recht unterliegen, welches anzuwenden wäre, wenn die RW gültig wäre. Darunter ist das Recht zu verstehen, welches von den Parteien als Scheidungsstatut bzw. Güterrechtsstatut (präsumtiv) gewählt wurde. Art. 22 Abs. 3 ErbVO spricht hingegen nur von „materieller Wirksamkeit“ der RW und nicht auch vom „Zustandekommen“. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die RW nach der ErbVO – grundsätzlich103 – eine einseitige RW ist, die insofern keine Willenseinigung benötigt.104 Meines Erachtens kann auch aus der einseitigen RW ein verordnungsautonomes Erfordernis einer (einseitigen) Willenserklärung für den Wahlakt (arg. „kann […] wählen“) abgeleitet werden.105 Letztendlich ist die Verweisungsnorm des Art. 22 Abs. 3 ErbVO systemkohärent, indem sie ebenso – und anders als die Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen sogar ausdrücklich – auf das gewählte Recht verweist. Die Maßgeblichkeit des (präsumptiv) gewählten Rechts für die Beurteilung der materiellen Wirksamkeit der RW ist im EU‑IPR mithin als Grundsatz verankert. Das HUP enthält als nichtunionaler Rechtsakt hingegen weder in Art. 7 noch Art. 8 eine explizite Regelung zur materiellen Wirksamkeit der RW; die Heranziehung des gewählten Rechts (das im Rahmen des Art. 7 HUP der lex fori entspricht) ist aber im Schrifttum allgemein anerkannt. Eine ausdrückliche Regelung wie in den EU‑VO ist im HUP dennoch wünschenswert. Hinsichtlich der Möglichkeit einer konkludenten RW meint Gruber106, dass der Unionsgesetzgeber ihr im Familien- und Erbrecht skeptisch gegenübersteht. Jedenfalls enthalten die hier untersuchten VO überwiegend keine eindeutige Regelung zur Frage, ob eine RW auch konkludent zustandekommen kann. Lediglich die ErbVO enthält eine explizite Regelung. Dies lässt sich zum einen damit erklären, dass die erbrechtliche RW grundsätzlich (mit Ausnahme der RW nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO) einseitig erfolgt und nur der Erblasser daran beteiligt ist; zum anderen entspricht die Möglichkeit der konkludenten RW dem 102 103
Vgl. „consenso e validità sostanziale“ und „consentement et validité matérielle“. Die „kleine“ RW nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO ist als zwei- oder mehrseitige Rechtswahlvereinbarung einzustufen; siehe zum Ganzen oben § 3 D. IV. 1. a). 104 So auch Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 87. 105 Siehe oben § 3 D. IV. 1. a). 106 Gruber, IPRax 2014, 56.
D. Die materielle Gültigkeit im Vergleich
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favor testamenti, weil der Erblasser im Nachhinein nicht mehr zur RW befragt werden kann. Die konkludente RW im Erbrecht ist folglich auf materienspezifische Wertungen zurückzuführen, die nicht mit dem Familienrecht zu vergleichen sind. Dennoch ist das Fehlen einer klaren Regelung in der Rom III‑ VO und den Güterrechtsverordnungen zu kritisieren, weil eine konkludente Wahl – insbesonders im Güterrecht – durchaus praxisrelevant sein kann. Hier sollte eine legislative Klarstellung erwogen werden.107
II. Gerichtsstandsvereinbarung Wie für die RW normieren die untersuchten Rechtsakte auch für die GV durchgehend ein verordnungsautonomes Element der Willenseinigung: Nach den Güterrechtsverordnungen, der UntVO und der ErbVO können die Parteien die Zuständigkeit „vereinbaren“. Dies entspricht auch der Formulierung in den Regeln zur RW („können […] durch Vereinbarung bestimmen“). Hinsichtlich der Frage, welches Recht die materielle Gültigkeit der GV beherrscht, besteht in allen untersuchten VO (Art. 4 UntVO, Art. 5 ErbVO und Art. 7 EheGüVO/PaGüVO) eine wohl nicht intendierte Regelungslücke. Wie ausgeführt, sollte hier – mit Ausnahme der Sonderanknüpfung gewisser Teilfragen – Art. 25 EuGVVO n. F. analog herangezogen werden.108 Die daraus folgende Anknüpfung an die lex fori prorogati deckt sich bei der rechtswahlakzessorischen GV nach der ErbVO und den Güterrechtsverordnungen mit der lex causae, die in diesen Fällen der lex fori prorogati entspricht. Damit wird ein Gleichlauf zur „Vorgriffswirkung“ des gewählten Rechts bei der RW erzielt. Auch bei der UntVO ist nach hier vertretener Ansicht auf die neue Rechtslage in Art. 25 EuGVVO n. F. abzustellen.
III. Inhalts- bzw. Angemessenheitskontrolle Im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse ist als Beschränkung der Parteiautonomie eine auf das materiellrechtliche Ergebnis der RW gerichtete Prüfung verankert: Art. 6 Abs. 2 Rom I‑VO (Verbraucherverträge) und Art. 8 Abs. 1 Rom I‑VO (Individualarbeitsverträge) gestatten eine RW, sofern der schwächeren Partei (dem Verbraucher bzw. Arbeitnehmer) durch das gewählte Recht nicht der zwingende Schutz des bei objektiver Anknüpfung maßgeblichen Rechts entzogen wird („Günstigkeitsvergleich“).109 Im internationalen Fami107 108
Siehe unten § 5 B. III. 4. b). So auch Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 178. 109 Zum Ganzen siehe nur Mankowski, Strukturfragen des internationalen Verbrauchervertragsrechts, RIW 1993, 453 (459); klarstellend zum Hinweis in AGB auf die Rechtswahlgrenze der zwingenden Bestimmungen des Verbraucherheimatrechts jüngst EuGH 28.7.2016, C-191/15, Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU Sàrl ECLI:EU:C:2016:612.
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§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
lien- und Erbrecht sind solche Sonderanknüpfungen bzw. nachträglichen Kontrollmechanismen mit Ausnahme des Art. 8 Abs. 5 HUP unbekannt. Für die familien- und erbrechtlichen EU‑VO hat sich der Unionsgesetzgeber stattdessen für abschließende ex ante-Beschränkungen der Parteiautonomie entschieden (begrenzter Kreis der wählbaren Rechtsordnungen), die eine materiellrechtliche Inhaltskontrolle der RW nach nationalem Recht ausschließen.110 Zwar ist eine kollisionsrechtlich normierte ex post-Kontrolle mit begrenzten Wahlmöglichkeiten nicht unvereinbar, wie es auch Art. 8 Abs. 5 HUP zeigt. Diese Regelung ist aber, soweit ersichtlich, praktisch bislang kaum relevant geworden. Eine nachträgliche Überprüfung der GV anhand inhaltlicher Kriterien oder Angemessenheitserwägungen ist im EU‑IZVR ausgeschlossen.111 Mit der Eingrenzung auf bestimmte festgelegte Gerichtsstände ist den untersuchten EU‑VO bereits ein ex ante-Kontrollmechanismus inhärent, der weitere Eingriffe in die Prorogationsfreiheit erübrigt.
IV. Zwischenergebnis 1. Die Rechtswahlbestimmungen in den analysierten EU‑VO sind hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit kohärent: Es kommt ein Element der Willenseinigung (mit Ausnahme der einseitigen RW in ErbVO) zum Ausdruck und die Maßgeblichkeit des (präsumtiv) gewählten Rechts ist bis auf das HUP ausdrücklich verankert. Die Rechtslage bei der GV ist hingegen weitgehend lückenhaft: Zwar ist in den VO ein Element der Willenseinigung, aber keine Regelung für das auf die materielle Wirksamkeit der GV anzuwendende Recht verankert. Diese Diskrepanz zur RW ist nicht nachvollziehbar und sollte durch die Einführung von entsprechenden einheitlichen Verweisungsnormen behoben werden. 2. Wie es Maultzsch112 festhält, sollte in einem ersten Schritt dieser „kohärente Ausbau von Verweisungslösungen“ angestrebt werden. Alternativ zu den Verweisungsnormen und dem Abstellen auf nationale Regelungen könnte aber auch erwogen werden, auf Verordnungsebene materielle Gültigkeitsvoraussetzungen für die RW und die GV einzuführen, um die Anwendung unterschiedlicher Gültigkeitsmaßstäbe der nationalen Rechtsordnungen einzuschränken113 110 Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 83 f., 87; Jayme, in: Jud/Rechberger/Reichelt, S. 72 f.; siehe auch oben § 3 B. IV. 4. und C. IV. 1. d). 111 Siehe oben § 3 A. IV. 1. d), C. IV. 2. c) und D. IV. 2. a). 112 Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 175. 113 So bereits der Vorschlag von Geimer, Bemerkungen zur Brüssel I‑Reform, in: FS Simotta (2012), S. 163 (S. 184); ebenso Simotta, IJPL 2013, 72; dies., in: FS Schütze, S. 550; Nunner-Krautgasser, Die Neuregelung der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO, ZZP 127 (2014), 461 (477).
E. Zentrale Erkenntnisse der kontrastiven Analyse
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und um sachgerechtere, auf die RW bzw. die GV zugeschnittene Regelungen zu erzielen.114
E. Zentrale Erkenntnisse der kontrastiven Analyse 1. Zum einen sind in den familien- und erbrechtlichen EU‑VO gemeinsame Tendenzen festzustellen: Erstens wird die Parteiautonomie zunehmend für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts und der internationalen Zuständigkeit herangezogen. Zweitens soll bei der RW und der GV der Gleichlauf von forum und ius gefördert werden. 2. Zum anderen mangelt es dem Status quo zur Parteiautonomie bei genauer Betrachtung an Kohärenz, Systematik und Homogenität.115 Die Regeln zur RW und zur GV sind nicht durchgängig aufeinander abgestimmt und bilden kein koordiniertes Gesamtkonzept. 3. So ist festzustellen, dass in den hier untersuchten Rechtsakten von der Zulässigkeit bis zur materiellen Gültigkeit die Relevanz des nationalen Rechts zunimmt: Zunächst ist die Zulässigkeit der RW und der GV in den Rechtsakten abschließend geregelt. Die Kollisions- und Zuständigkeitsregeln bestimmen abschließend, in welchen Situationen welche Rechtsordnungen bzw. welche Gerichtsstände gewählt werden können. Die formelle Gültigkeit wird teilweise verordnungsautonom (bzw. protokollautonom) geregelt und teilweise dem nationalen Recht überlassen; in diesem Teilbereich überwiegen aber noch die Entscheidungsnormen. Bei der materiellen Gültigkeit hingegen sind entweder nur Verweisungsnormen und daher nationales Recht maßgeblich (so bei der RW) oder es fehlen zur Gänze Regelungen (so bei der GV). Der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit, den grundlegenden Zielen des IPR und des IZVR, wird durch die Regeln zur RW und zur GV mithin nicht durchgängig entsprochen. 4. Fest steht auch, dass im Familien- und Erbrecht nicht von einer umfassenden Rechtswahlfreiheit bzw. Prorogationsfreiheit, sondern nur von beschränkter Parteiautonomie gesprochen werden kann. Den Parteien steht meist die Wahl zwischen vorgegebenen Optionen offen, d. h. die „Freiheit“ besteht nur in 114 Siehe zur RW 115 Vgl. Martiny,
Hook, The Choice of Law Contract 120 ff. in: Meeusen u. a., S. 98: „a more systematic approach is necessary“; Jayme, Party autonomy in international family and succession law: New tendencies, Yearbook of Private International Law 11 (2009), 1 (8): „complete lack of coherence“; Coester-Waltjen/ Coester, in: FS Schurig, S. 38: „nicht in vollem Umfang überzeugend“; Mansel, in: Leible/ Unberath, S. 265: „[…] Systematik der Rechtswahl […] de lege lata nicht wirklich bruchfrei erkennbar“; Rühl, JPIL 10 (2014), 356 f.: „absence of a cohesive concept“, „hardly lives up to the requirements of transparency and – what is more – coherence“; Maultzsch, in: von Hein/ Rühl, S. 180: „lückenhaft und unbefriedigend“; ders., JPIL 12 (2016), 41: „substantial room for reform“.
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§ 4 Kontrastive Analyse der Regeln zur RW und zur GV
Form der Wahl zwischen bereits festgelegten Möglichkeiten. In der ErbVO gibt es überhaupt nur eine einzige Rechtswahlmöglichkeit. 5. Im Grundsatz folgt der Unionsgesetzgeber im internationalen Familienund Erbrecht bei der Parteiautonomie dem Prinzip der engsten Verbindung116: Es soll stets eine enge Beziehung zwischen dem gewählten Recht bzw. dem Gerichtsstand und den Parteien sichergestellt werden.117 Mit anderen Worten sollen die RW und die GV in diesem System den Grundsatz der engsten Verbindung in der Anwendung konkretisieren.118 Dementsprechend gilt es, bestimmte Anknüpfungspunkte zu beachten, um die Wahl eines völlig fremden Rechts, das keinerlei Berührungspunkte zum Sachverhalt bzw. zu den Parteien aufweist, zu verhindern. Darin offenbart sich der wesentliche Unterschied zu Art. 3 Rom I‑VO und Art. 25 Brüssel IIa-VO, die im Grundsatz eine unbeschränkte Wahlfreiheit ermöglichen und nicht an die Einhaltung des Prinzips der engsten Verbindung gebunden sind. 6. Aus dieser grundlegend engen Konzeption der Parteiautonomie in den familien- und erbrechtlichen EU‑VO resultieren verschiedene Probleme. So sehen die Regeln zur RW und zur GV de lege lata für die Interessen der Parteien nicht immer einen gerechten Ausgleich vor (z. B. hinsichtlich des Klägerwahlrechts in Art. 3 Brüssel IIa-VO) bzw. berücksichtigen sie die parteiautonomen Interessen oft nicht in angemessener Weise (z. B. bei der stark beschränkten RW in der ErbVO). Manche Regelungen erscheinen zudem wenig praktikabel (z. B. die Rechtswahlakzessorietät der GV in der ErbVO und insbesondere in den Güterrechtsverordnungen). 7. Neben den aufgezeigten Differenzen in der Zulässigkeit, der formellen und materiellen Gültigkeit der RW und der GV tragen auch die unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereiche der untersuchten VO zu einer misslichen Rechtslage bei: Die Verstärkte Zusammenarbeit sowie die Sonderrolle Dänemarks, Irlands und bisweilen auch noch des Vereinigten Königreichs führen zu einer Zersplitterung und Fragmentierung im EU‑IPR/-IZVR.119 An allen hier besprochenen Rechtsakten nehmen lediglich zwölf Mitgliedstaaten teil (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Slowenien und Spanien). Während in fünf Mitgliedstaaten (den baltischen Ländern, Rumänien und Ungarn) nur die Rom III‑ VO nicht anzuwenden ist, sind sechs Mitgliedstaaten (Finnland, Schweden, die Niederlande, Kroatien, die Tschechische Republik und Zypern) nur von den 116 Allgemein
zur Suche nach der engsten Verbindung im Sinne Savignys oben § 2 A. I. Siehe nur ErwGr. 14 Rom III‑VO, ErwGr. 43 und 45 EheGüVO, ErwGr. 42 und 44 PaGüVO sowie ErwGr. 37 ErbVO. 118 Martiny, in: Meeusen u. a., S. 85, S. 98; ebenso Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 344. 119 Vgl. Lignier/Geier, RabelsZ 79 (2015), 574, 586 f.; Mansel/Thorn/R. Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2012: Voranschreiten des Kodifikationsprozesses – Flickenteppich des Einheitsrechts, IPRax 2013, 1 (2) bezeichnen dies – ganz plastisch – als „Flickenteppich“. 117
E. Zentrale Erkenntnisse der kontrastiven Analyse
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Güterrechtsverordnungen ausgenommen. In Irland gelten nur die UntVO, das HUP und die Brüssel IIa-VO. In Dänemark sowie bisweilen noch im Vereinigten Königreich sind keine der besprochenen Kollisionsregeln, sondern nur die rein verfahrensrechtlichen Rechtsakte anzuwenden. 8. Die Auswirkungen dieser zersplitterten Rechtslandschaft können insbesonders bei einer RW nach der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen problematisch sein, weil eine RW nach diesen VO in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten – vor allem in jenen, die dem lex fori-Prinzip folgen – nicht anerkannt werden könnte.120 Diese Unsicherheiten dehnen sich auch auf das Unterhaltsrecht aus, wenn eine RW gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. c und lit. d HUP zum gewählten Scheidungs- bzw. Güterstatut akzessorisch ist.121
120 Vgl.
Henrich, in: FS Pintens, S. 710 f.
121 Vgl. Bonomi, Explanatory Report Rn. 135: „the validity of that choice as far as mainte-
nance is concerned depends in fact on the validity of the choice of law with respect to property regimes/legal separation/divorce. […] This risk is particularly acute with respect to divorce, as party autonomy in such matters is recognised by a small number of States only“.
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR: Reformdiskussion de lege ferenda A. Einführung zum Diskussionsstand Schon seit einigen Jahren sind intensive Diskussionen über eine mögliche Vereinheitlichung und Kodifikation des EU‑IPR und des EU‑IZVR unter dem Stichwort „Kohärenz“ im Gange,1 aus denen teilweise schon europaweite Projekte entsprungen sind.2 Ausgangspunkt für diese Diskussion ist die Kritik, dass der „piece-meal approach“3 des Unionsgesetzgebers durch die Kodifikation von Einzelverordnungen zu einer starken Fragmentierung des IPR und des IZVR und zu Widersprüchen zwischen den einzelnen Rechtsmaterien geführt hat. Indes sind Kohärenzbestrebungen im EU‑Kollisionsrecht und EU‑Zuständigkeitsrecht keine völlig neue Entwicklung. Sie sind bereits im Primärrecht selbst anzutreffen: Art. 7 AEUV normiert, dass die Union „auf die Kohärenz zwischen ihrer Politik und ihren Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen“ achtet. Im Sekundärrecht postulieren Erwägungsgrund 40 Satz 1 Rom I‑VO und Erwägungsgrund 35 Satz 1 Rom II‑VO, dass „die Aufteilung der Kollisionsnormen auf zahlreiche Rechtsakte sowie Unterschiede zwischen diesen Normen […] vermieden werden“ sollten. Ebenso hat die Rspr. des EuGH4 schon hervorgeho1 Siehe jüngst z. B. die vom Europäischen Parlament geförderte Studie von Rühl/von Hein, Towards a European Code on Private International Law, RabelsZ 79 (2015), 701 (701 ff.) sowie die zahlreichen Beiträge im Tagungsband von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015); speziell auf die RW bezogen siehe die Dissertationen von Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 108 ff. und – noch unter Berücksichtigung der Kommissionsvorschläge der Güterrechtsverordnungen – Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht: eine Untersuchung der Hauptkodifikationen auf Kohärenz, Vollständigkeit und rechtstechnische Effizienz (2014) 209 ff. 2 So wurden – teils im Rahmen von universitätsübergreifenden Projekten – spezielle Datenbanken mit Judikatur- und Literatursammlungen zum EU‑IPR und -IZVR aufgebaut; siehe , und (jeweils abgefragt am 13.9.2018). 3 Martiny, in: Meeusen u. a., S. 98; vgl. auch Basedow, Kodifizierung des europäischen Internationalen Privatrechts?, RabelsZ 75 (2011), 671 (671): „am Ende zwar eine Vielzahl von Bäumen gepflanzt […], die aber keinen Wald ergeben“; Rühl, JPIL 10 (2014), 336: „the European legislator thinks sectorally and acts narrowly without a comprehensive conception […]“. 4 EuGH 16.1.2014, C-45/13, Andreas Kainz/Pantherwerke AG Rn. 20 ECLI:EU:C:2014:7; 21.1.2016, C-359/14 und C-475/14, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic Rn. 43
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
ben, dass zwischen thematisch zusammenhängenden Rechtsakten (Rom I‑VO, Rom II‑VO und EuGVVO) eine Auslegungskohärenz angestrebt werden soll, wie es schon Erwägungsgrund 7 Rom I‑VO und Erwägungsgrund 7 Rom II‑VO betonen.5 Der Kohärenzgedanke ist auch auf rechtspolitischer Ebene präsent: So hat das Europäische Parlament im Jahr 2010 in einer Entschließung zur Neufassung der EuGVVO das wünschenswerte Endziel einer umfassenden Kodifizierung des EU‑IPR angedeutet;6 ebenso haben die letzten Programme der EU zur justiziellen Zusammenarbeit das Bedürfnis nach Kohärenz und einem Abbau von Widersprüchen sowie die Möglichkeit einer Zusammenfassung des EU‑IPR thematisiert.7 Die Kohärenz- und Einheitlichkeitsidee kommt mithin im Unionsrecht auf verschiedenen Ebenen zum Ausdruck. Fraglich ist, welche Vorgehensweisen dafür offen stehen. Im Schrifttum werden diverse Methoden erörtert, die im Wesentlichen in drei Großthemen zusammengefasst werden können8: 1. die Kodifizierung grundlegender Prinzipien als „Allgemeiner Teil“ des EU‑IPR/-IZVR; 2. die Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR; 3. die sektorielle Konsolidierung bzw. Vereinheitlichung im unionsrechtlichen Acquis. Im Folgenden soll untersucht werden, ob und wie diese Methoden speziell zur Regelung der RW und der GV geeignet wären. Die Analyse erfolgt dabei mit Fokus auf die im Abschnitt § 4 kritisierten Punkte. Es wird aber auch notwendig sein, die genannten Methoden aus einem breiteren Blickwinkel zu betrachten, um wichtige Fragestellungen aufzugreifen, die sich im Kontext des gesamten EU‑IPR/-IZVR (d. h. unter Einbeziehung der Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlregelungen aus anderen Rechtsakten) bzw. im Kontext des EU‑Primärrechts stellen.
ECLI:EU:C:2016:40: „das Ziel der Anwendungskohärenz, insbesondere der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Rom I‑Verordnung“; ebenso 15.6.2017, C-249/16, Saale Kareda/Stefan Benkö Rn. 32 ECLI:EU:C:2017:472. 5 Demnach sollen „der Anwendungsbereich und die Bestimmungen“ der Rom I‑VO, Rom II‑VO und EuGVVO „im Einklang stehen“. Eine gute Aufarbeitung der einschlägigen Judikatur des EuGH dazu bietet Lüttringhaus, Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht, RabelsZ 77 (2013), 31 (44 ff.). 6 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7.9.2010 zu der Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2009/2140(INI)), P7_TA(2010)0304, 5. 7 Siehe KOM(2010) 171 endg. 24 und KOM(2014) 144 endg. 9. 8 Siehe Basedow, in: von Hein/Rühl, S. 8 ff.; Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 722 ff.
B. Mögliche Lösungswege
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B. Mögliche Lösungswege I. Kodifizierung allgemeiner Regeln: Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung als Regelungsgegenstand eines „Allgemeinen Teils“ des EU‑IPR/-IZVR 1. Vorüberlegungen Als eine erste Möglichkeit zur Förderung der Kohärenz und Uniformität wird diskutiert, ob grundlegende Fragen des IPR und des IZVR systematisch und überschaubar in einem eigenständigen normativen Text als „Allgemeiner Teil“ behandelt werden können. Dieser Allgemeine Teil wäre den vielen materienspezifischen Einzelverordnungen – die insofern den „Besonderen Teil“ bilden – vorangestellt und folglich nicht auf das Familien- und Erbrecht beschränkt, sondern würde sämtliche Rechtsmaterien erfassen. Einige wenige nationale Kollisionsrechte verfügen über ein eigenes Kapitel als „Allgemeiner Teil“,9 der teilweise auch Regeln für die RW oder die GV enthält.10 Dabei handelt es sich aber um Regelungen, die in eine – als nächste Lösungsmöglichkeit zu besprechende11 – Gesamtkodifikation integriert sind, während es in diesem Kapitel um die Auslagerung solcher Regelungen in einen separaten Rechtsakt geht. Die Diskussion um einen Allgemeinen Teil bezieht sich überwiegend auf das Kollisionsrecht unter dem Stichwort „Rom 0-VO“12, d. h. eine VO, die für alle „nachgelagerten“ kollisionsrechtlichen EU‑VO (Rom I‑VO, Rom II‑VO usw.) gelten würde. Es stellt sich aber genauso die Frage, ob allgemeine Aspekte des Zuständigkeits- und Verfahrensrechts in einer „Brüssel 0-VO“13 geregelt werden könnten. Fraglich ist jedenfalls, wie diese Rechtsakte zu den Einzel9 So z. B. Art. 1–31 belg. IPRG, Art. 1–32 schweiz. IPRG, Art. 1–17 nl. IPRG (abgedruckt in RabelsZ 78 (2014), 615 f.) sowie Art. 1–10 pol. IPRG (deutsche Übersetzung in IPRax 2011, 609 ff.); zum portugiesischen IPRG siehe de Lima Pinheiro, The Methodology and the General Part of the Portuguese Private International Law Codification: A Possible Source of Inspiration for the European Legislator?, Yearbook of Private International Law 14 (2012/2013), 153 (153 ff.). 10 Art. 4 pol. IPRG (siehe IPRax 2011, 609); Art. 10 nl. IPRG (siehe RabelsZ 78 (2014), 617); Art. 5 schweiz. IPRG; Art. 6 belg. IPRG. 11 Dazu unten § 5 B. II. 12 Die Abkürzung „Rom 0-VO“ wurde im deutschsprachigen Schrifttum besonders von Leible beeinflusst: siehe Leible/Müller, The Idea of a „Rome 0 Regulation“, Yearbook of Private International Law 14 (2012/2013), 137 (139); Leible, Auf dem Weg zu einer Rom 0-Verordnung?, in: FS Martiny (2014), S. 429 (S. 432 ff.) sowie die zahlreichen Beiträge im Tagungsband Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013). 13 Dieser Begriff wird als Gegenstück zu „Rom 0-VO“ nur selten ausdrücklich verwendet; so etwa von Basedow, in: von Hein/Rühl, S. 10; auf einen „Allgemeinen Teil einer künftigen Europäischen Zivilprozessordnung“ verweist Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 634.
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
verordnungen, die von diesem Allgemeinen Teil modifiziert werden würden, abzugrenzen wären.14 Womöglich müsste der Rahmen für die Legislativkompetenz der EU erst angepasst werden: Fraglich ist insbesonders die Wahl des Gesetzgebungsverfahrens, zumal sich der „Allgemeine Teil“ auch auf das Familienrecht beziehen und damit das besondere Gesetzgebungsverfahren verlangen würde.15 Eine weitere Hürde ist die unterschiedliche Zahl der an den verschiedenen VO teilnehmenden Mitgliedstaaten, die damit unterschiedliche Ausgangspositionen in den Verhandlungen zu einem allgemeinen, alle anderen VO berührenden Rechtsakt einnehmen würden.16 Zusätzlich ist im Zusammenhang mit der UntVO und dem Verweis auf das HUP zu beachten, dass der Unionsgesetzgeber als Vertragsstaat über einen Unionsrechtsakt wie eine Rom 0-VO oder eine Brüssel 0-VO das HUP nicht modifizieren könnte.17 In der vorliegenden Untersuchung soll aber nicht die rechtspolitische Machbarkeit, sondern die rechtliche Sinnhaftigkeit und Praktikabilität eines solchen Projektes im Vordergrund stehen. Als Regelungsgegenstand der „0-VO“-Rechtsakte werden im Wesentlichen Aspekte vorgeschlagen, die 1. in allen IPR‑VO bzw. IZVR‑VO in gleicher Form, 2. bislang überhaupt nicht oder 3. unterschiedlich bzw. nur teilweise geregelt werden. Der ersten Kategorie werden für eine „Rom 0-VO“ etwa die Regelungen zur „universellen Geltung“ der EU‑VO sowie die ordre public-Vorbehalte zugeordnet.18 Für eine „Brüssel 0-VO“ bzw. einen Allgemeinen Teil des IZVR schlägt Lagarde19 eine allgemeine Rechtsanhängigkeitsregelung vor. Bei der zweiten Kategorie ist für das IPR insbesonders an klassische allgemeine Fragen bzw. Rechtsinstitute wie die Qualifikation und die Vorfrage zu denken.20 Für das IZVR ist etwa an eine Normierung des lex fori-Prinzips als Grundregel für nicht in den EU‑VO geregelte Fragen des Verfahrensrechts zu denken.21 14
Wilke, Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, GPR 2012, 334 (339 f.). R. Wagner, Das rechtspolitische Umfeld für eine Rom 0-Verordnung, in: Leible/ Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 52 (S. 67 f.). 16 R. Wagner, in: Leible/Unberath, S. 70 f. 17 R. Wagner, in: Leible/Unberath, S. 65. 18 Siehe Wilke, GPR 2012, 335; Jayme, Kodifikation und Allgemeiner Teil im IPR, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 33 (S. 44 f.); vgl. zum ordre public-Vorbehalt Art. 135 des Regelungsvorschlages von Lagarde, Embryon de Règlement portant Code européen de droit international privé, RabelsZ 75 (2011), 673 (675). 19 Vgl. Art. 125 in Lagarde, RabelsZ 75 (2011), 674; hingegen krit. zu einer pauschalen Rechtsanhängigkeitsregel Dutta, in: von Hein/Rühl, S. 37. 20 Siehe Sonnenberger, Randbemerkungen zum Allgemeinen Teil eines europäisierten IPR, in: FS Kropholler (2008), S. 225 (S. 240 f.); Gössl, Die Vorfrage im Internationalen Privatrecht der EU, ZfRV 2011, 65 (68 ff.); Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts 337 f.; Wilke, GPR 2012, 337 f.; einer allgemeinen Vorfragenregelung eher skeptisch gegenüberstehend Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 738. 21 Siehe im Entwurf von Frankenstein, Projet d’un code européen de droit international privé (1950) 141: „Art. 671: La procédure est réglée par la loi du for, sauf les dispositions contraires de ce Code“. 15 Vgl.
B. Mögliche Lösungswege
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Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind primär die Regeln zur Parteiautonomie, die – wie in § 4 vergleichend dargestellt – in den familien- und erbrechtlichen VO teilweise sehr unterschiedlich bzw. lückenhaft ausgestaltet sind und damit unter die oben beschriebene dritte Kategorie fallen.22 Auf die RW und die GV bezogen geht es in der Vereinheitlichungsdiskussion betreffend einen „Allgemeinen Teil“ folglich darum, ob die Parteiautonomie als Grundprinzip einheitlich geregelt werden sollte. Da aber ein „Allgemeiner Teil“ wie eingangs erwähnt nicht auf das Familien- und Erbrecht beschränkt wäre, sondern sämtliche Rechtsmaterien erfassen würde, sind in die Ausführungen der nächsten Abschnitte auch die Regeln zur Parteiautonomie aus den anderen kollisions- bzw. verfahrensrechtlichen Rechtsakten (Rom I‑VO, Rom II‑VO, EuGVVO) miteinzubeziehen. Bevor auf mögliche Regelungsaspekte für Generalnormen der Parteiautonomie eingegangen wird (3.), ist im Folgenden (2.) als Prämisse zu klären, ob für die RW und die GV gemeinsame oder getrennte Regelungen aufgestellt werden sollten.
2. Getrennte oder gemeinsame Regelung von rechtswahl- und prorogationsbezogenen Fragen? Mit dem Überbegriff „internationales Privatrecht“ werden im weiteren Sinn sowohl das IPR als auch das IZVR zusammengefasst. Die spezifischen Bezeichnungen „Rom 0-VO“ und „Brüssel 0-VO“ sollen aber betonen, dass in der Diskussion um einen „Allgemeinen Teil“ das IPR und das IZVR separat betrachtet werden müssen,23 weil sie unterschiedliche Fragen betreffen.24 Zwar erfassen die jüngeren VO (ErbVO, EheGüVO und PaGüVO sowie bereits die EU‑Insolvenzverordnung25) anders als die „älteren“ EU‑VO (Rom III‑VO und UntVO26) sowohl das IPR als auch das IZVR, wodurch der Eindruck entsteht, 22
Die RW ebenso unter diese Kategorie zählend R. Wagner, in: Leible/Unberath, S. 75. Leible/Müller, Yearbook of Private International Law 14 (2012/2013), 140, die folglich eine „B‑Rom 0-VO“ zu Recht ablehnen; a. A. Heiss/Kaufmann-Mohi, „Qualifikation“ Ein Regelungsgegenstand für eine Rom 0-Verordnung?, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 181 (S. 186) im Kontext der Qualifikation; für eine Einbeziehung des Verfahrensrechts auch Kreuzer, Was gehört in den Allgemeinen Teil eines Europäischen Kollisionsrechtes?, in: Jud/Rechberger/Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union (2008), S. 1 (S. 4). 24 Vgl. am Beispiel der RW und der GV von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht: Allgemeine Lehren2 § 5 Rn. 147; Maultzsch, JPIL 12 (2016), 468. 25 VO (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABl. L 2015/141, 19. Bereits die Erstfassung der VO aus dem Jahre 2000 enthielt Regelungen zum IPR und IZVR; siehe VO (EG) 1346/2000 Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), ABl. L 2000/160, 1. 26 Zu den rechtspolitischen Gründen der getrennten Regelung des IPR und IZVR in diesen VO (Scheitern eines Gesamtprojektes bei der Rom III‑VO bzw. Kooperation mit der Haager Konferenz bei der UntVO) siehe Dutta, in: von Hein/Rühl, S. 34 f. 23 Ebenso
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dass die dichotome Trennung27 zwischen Verfahrens- und Kollisionsrecht zu verblassen scheint.28 Doch bei einem Blick über das Familien- und Erbrecht hinaus stellen diese Rechtsakte im gesamten Verordnungsspektrum die Ausnahme dar. Es überwiegen die exklusiv dem IZVR bzw. dem IPR verschriebenen VO.29 Insofern ist die getrennte Erfassung allgemeiner Regeln des Kollisionsrechts in einer „Rom 0-VO“ und zivilverfahrensrechtlicher Fragen in einer „Brüssel 0-VO“ sinnvoller als ein gemeinsames Regelungspaket,30 wenn man den „Allgemeinen Teil“ als separaten, eigenständigen Teil auffasst, der nicht mit anderen EU‑VO in einer Gesamtkodifikation zusammengelegt wird.31 In Bezug auf die RW und die GV ist festzustellen, dass diese Rechtsinstitute wie die zugrundeliegenden Rechtsbereiche des IPR und des IZVR funktionell voneinander zu trennen sind. Es ist zwar richtig, dass teilweise rechtliche Beziehungen zwischen der RW und der GV bestehen (so bei der Rechtswahlakzessorietät der GV in den Güterrechtsverordnungen und der ErbVO sowie bei der Wahl der lex fori in der Rom III‑VO und dem HUP). Die enge Ansicht von Matscher32, wonach die RW und die GV nur faktische bzw. tatsächliche Beziehungen, aber keine rechtlichen Zusammenhänge aufweisen, muss daher im Kontext der hier untersuchten EU‑VO relativiert werden. Bei den genannten Verzahnungen zwischen RW und GV handelt es sich aber um Spezifika einzelner VO (ErbVO, EheGüVO, PaGüVO), die in manchen Rechtsmaterien gar nicht oder nur punktuell vorhanden und daher nicht verallgemeinerungsfähig sind.33 Die RW und die GV sollten daher in Hinblick auf allgemeine Regelungen in einer „Rom 0-VO“ bzw. einer „Brüssel 0-VO“ getrennt behandelt werden. Trotz getrennter Regelung ist darauf zu achten, die betreffenden Normen soweit sachlich erforderlich aufeinander abzustimmen, um unnötige Friktionen 27 Grundlegende Ausführungen hierzu bieten Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht 130; T. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit 109 ff.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht: Allgemeine Lehren2 § 5 Rn. 145 ff. und Rn. 171 f.: Zwischen IPR und IZVR bestehen zwar „Wertungsparallelen“, aber keine Wertungskongruenzen; die beiden Bereiche würden sich voneinander abkoppeln, „wenn die Gerechtigkeitsvorstellungen es erfordern, die einem der beiden Bereiche typisch sind“; siehe auch Mankowski, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht – Parallelen und Divergenzen, in: FS Heldrich (2005), S. 867 ff. 28 Krit. zu dieser Entwicklung McGuire, Kodifikation des Europäischen Zivilprozessrechts?, ecolex 2011, 218 (220 f.). 29 Siehe im Überblick Dutta, in: von Hein/Rühl, S. 29 ff. 30 Ebenso McGuire, ecolex 2011, 220 f. 31 Deshalb ist bei dem Entwurf eines „Allgemeinen Teils“ von Lagarde, RabelsZ 75 (2011), 673 ff. zu beachten, dass dieser zwar getrennte Abschnitte zum IZVR („Chapitre II. – Compétence judiciaire“, „Chapitre IV. – Reconnaissance des décisions et des situations“) und IPR („Chapitre III. – Conflits de lois“) enthält, diese aber gemeinsam im Kontext einer Gesamkodifikation und nicht als separate Einzelverordnungen situiert werden. 32 Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen 112 f. 33 So auch Mansel, in: Leible/Unberath, S. 260; vgl. im Kontext des Schwächerenschutzes Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 352 f.
B. Mögliche Lösungswege
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und Divergenzen zu vermeiden. Denn die hier besprochenen Rechtsakte sind systematisch und inhaltlich miteinander verbunden: So wie sich Scheidungs-, Güter-, Unterhalts- und Erbrecht materiellrechtlich berühren, fügen sich die Kollisions- und Zuständigkeitsnormen der hier untersuchten VO aneinander. Ein harmonisches Zusammenspiel dieser „verschwisterten Rechtsakte“34 liegt daher besonders nahe, auch um eine Belastung der Rechtsanwendung durch die Geltung unterschiedlicher Regelungen zu vermeiden. Ein spürbarer und sinnvoller Mehrwert im Vergleich zur derzeit zersplitterten Rechtslage ist wohl nur dann zu erzielen, wenn die RW bzw. die GV umfassend oder zumindest hinsichtlich zentraler Fragen in einer Rom 0-VO bzw. Brüssel 0-VO geregelt wären. Dafür ist aber Voraussetzung, dass in den einzelnen Rechtsakten Regeln zur Parteiautonomie bestehen, die rechtsgebietsübergreifend einheitlich regelbar sind.35 Mithin geht es darum, ob in den EU‑VO ein einheitlicher Zugang zur Parteiautonomie herrscht.36 Im folgenden Abschnitt ist daher konkret zu prüfen, ob bestimmte Einzelaspekte der RW und der GV einer einheitlichen Regelung unterzogen werden könnten.
3. Ansätze und Praktikabilität allgemeiner Regelungen für die Rechtswahl und die Gerichtsstandsvereinbarung a) Regelungsmöglichkeiten für die Zulässigkeit Ausgehend von § 3 und § 4 ist für das familien- und erbrechtliche EU‑IPR/ -IZVR festzustellen, dass vorgegebene Anknüpfungspunkte, die als angemessen gelten bzw. als Ergebnis von Kompromissen akzeptiert werden, den Kreis der Wahlmöglichkeiten durchgehend eingrenzen. Wie ausgeführt, sind diese Beschränkungen in den einzelnen Rechtsakten teilweise unterschiedlich ausgestaltet. Als gemeinsamer Nenner lässt sich festhalten, dass in diesen Rechtsmaterien keine umfassende Rechtswahl- bzw. Prorogationsfreiheit gewährt wird. Unter 34
Mankowski, in: FS Heldrich, S. 868. zu diesem Verständnis der „Allgemeinrelevanz“ als Prämisse für die Regelung in einem Allgemeinen Teil Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt, S. 3. 36 Maultzsch (in: von Hein/Rühl, S. 163; ders., JPIL 12 (2016), 478 f.) weist in diesem Zusammenhang hingegen darauf hin, dass ErwGr. 11 Rom I‑VO die Rechtswahlfreiheit zu einem der „Ecksteine“ des IPR deklariert, während ErwGr. 31 Rom II‑VO lediglich von einer „Achtung“ und ErwGr. 15 Rom III‑VO von einer „Stärkung“ der Parteiautonomie sprechen. Diese sprachlichen Unterschiede sind m. E. nicht überzubewerten: Denn auf der anderen Seite ist den Erwägungsgründen der EU‑VO gemeinsam, dass sie dieselben Gründe bzw. Vorteile zur Rechtfertigung der Parteiautonomie (Vorhersehbarkeit, Rechtssicherheit, Flexibilität) anführen (siehe ErwGr. 19 UntVO; ErwGr. 37 ErbVO; ErwGr. 5 und 29 Rom III‑VO, ErwGr. 15 EuGVVO n. F.; ErwGr. 31 Rom II‑VO). Siehe auch Gruber, in: von Hein/Rühl, S. 347, wonach die „Grundwertungen im internationalen Familien- und Erbrecht keine wesentlich anderen“ sind als in der Rom I‑VO oder der Rom II‑VO; Rühl, Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht, in: FS Kropholler (2008), S. 187 (S. 208 f.) spricht von einer „grundsätzlich gleichen Stoßrichtung“. 35 Vgl.
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Annahme der Grundentscheidung des Unionsgesetzgebers, die Wahlfreiheit auf bestimmte Anknüpfungspunkte zu beschränken, ist eine Verlagerung der materienspezifischen Zulässigkeitsregeln aus ihrem besonderen Kontext in einen „Allgemeinen Teil“ nicht sinnvoll, weil dieser ja gerade Grundnormen von allgemeiner Relevanz und keine materienspezifischen Regeln aufstellen soll.37 In eine Rom 0-VO bzw. Brüssel 0-VO könnte aber eine Regelung aufgenommen werden, die eine grundsätzliche Rechtswahl- bzw. Prorogationsfreiheit als Grundregel normiert und in der Folge von den einzelnen VO als leges speciales verdrängt wird.38 Ein solches Regel-Ausnahme-Prinzip wäre im EU‑IPR/ -IZVR nicht neu: Art. 3 Rom I‑VO und Art. 14 Rom II‑VO enthalten vergleichbare Regelungen zur generellen (unbeschränkten) Zulässigkeit der RW für vertragliche bzw. außervertragliche Schuldverhältnisse. Ebenso regelt Art. 25 EuGVVO n. F. die generelle Prorogationsmöglichkeit für die allgemeinen Zivilund Handelssachen und fungiert bereits als „Mutterregelung“ der GV,39 indem auf diese Bestimmung per Analogie zurückgegriffen wird, wenn in anderen EU‑VO eine Regelungslücke besteht. Man könnte daher annehmen, es bestehe kein Bedarf für eine Grundnorm der GV in einer Brüssel 0-VO40 bzw. für eine Grundnorm der RW in einer Rom 0-VO, weil Art. 25 EuGVVO n. F. bzw. Art. 3 Rom I‑VO und Art. 14 Rom II‑VO bereits diese Funktion erfüllen. Diese Prämisse gilt aber wohl nicht, wenn man die allgemeinen Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, Rom I‑VO und Rom II‑VO) und das Familien- bzw. Erbrecht strikt trennt. Denn die genannten Bestimmungen zur generellen Rechtswahl- bzw. Prorogationsfreiheit sind in VO geregelt, die mehrere Rechtsmaterien umfassen und für spezielle Teilbereiche Ausnahmen von der Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlfreiheit vorsehen: So regelt die Rom II‑VO für außervertragliche Schuldverhältnisse zwar in Art. 14 als Grundsatz die „freie Rechtswahl“, sieht aber für einzelne Materien ein Rechtswahlverbot vor, z. B. in Art. 6 Abs. 4 Rom II‑VO (unlauterer Wettbewerb) und in Art. 8 Abs. 3 Rom II‑VO (Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums). Ebenso kennt die EuGVVO neben der grundsätzlichen Gerichtsstandswahlfreiheit in Art. 25 EuGVVO n. F. verschiedene materienspezifische Zwangsgerichtsstände, die derogationsfest sind (Art. 24 EuGVVO n. F.). Außerdem schränken die EuGVVO und die Rom I‑VO die Parteiendisposition in Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Versicherungssachen ein (Art. 15, Art. 19 und Art. 23 EuGVVO sowie Art. 6 ff. Rom I‑VO). Die familien- und erbrechtlichen VO, die einen engeren sachlichen Anwen37
Siehe auch Mansel, in: Leible/Unberath, S. 266, S. 268. Wilke, GPR 2012, 335; Leible/Müller, Yearbook of Private International Law 14 (2012/2013), 145; Leible, in: FS Martiny, S. 439. 39 Vgl. zur EuGVVO im Gesamten als Allgemeiner Teil des EU‑IZVR Hess, Neue Rechtsakte und Rechtssetzungsmethoden im Europäischen Justizraum, ZSR 2005 II, 183 (200): „Kern des Europäischen Prozessrechts“. 40 Siehe Leible, in: FS Martiny, S. 433. 38
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dungsbereich aufweisen und jeweils nur eine bestimmte Rechtsmaterie (Unterhalt, Erbrecht, Güterrecht) bzw. höchstens zwei Materien (Eheauflösung und elterliche Verantwortung in der Brüssel IIa-VO) regeln, kennen hingegen keine Grundnorm zur Rechtswahl- und Prorogationsfreiheit, sondern nur beschränkte, spezifische Rechtswahl- bzw. Prorogationsmöglichkeiten. Art. 15 EuGVVO, Art. 3 Rom I‑VO und Art. 14 Rom II‑VO sind daher nur für die jeweilige VO als „Grundregeln“ der Parteiautonomie zu betrachten; sie können aber als Vorbild für eine allgemeine Regelung dienen: Ein Regel-Ausnahme-Prinzip zur Rechtswahl- und Prorogationsfreiheit mit Geltung für alle VO des „Besonderen Teils“ aufzustellen, ist durchaus eine elegante Lösung. So schlägt Nehne41 – allerdings nur unter Zugrundelegung der Rom I‑VO und Rom II‑VO – für eine Rom 0-VO als „freie Rechtswahl“ vor, dass die Parteien das anwendbare Recht wählen können, soweit im europäischen42 Kollisionsrecht nichts anderes bestimmt wird. Analog kann eine Brüssel 0-VO als „freie Gerichtsstandswahl“ normieren, dass die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Staates vereinbaren können, sofern im europäischen internationalen Zivilverfahrensrecht nichts anderes bestimmt wird.43 Wenig überzeugend sind m. E. jene Vorschläge im Schrifttum, wonach eine Rom 0-VO (und mutatis mutandis eine Brüssel 0-VO) normieren könnte, dass eine RW (bzw. eine GV) dann zulässig ist, wenn in den (besonderen) EU‑Verordnungen eine solche explizit geregelt wird.44 Ähnliche Bestimmungen finden sich in nationalen Kollisionsrechten.45 Der Nutzen solcher Regelungen ist fraglich, weil Rechtswahl- und Prorogationsverbote im EU‑IPR/-IZVR die Ausnahme darstellen und es somit aufwändiger wäre, für jede konkrete Materie eine Rechtswahl- bzw. eine Prorogationsmöglichkeit einzuführen, als bei dem oben beschriebenen Regel-Ausnahme-Prinzip lediglich punktuelle Einschränkungen oder Verbote vorzusehen.
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338.
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Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts
Darunter würde im weiteren Sinn auch das HUP fallen. ähnliche Regelung enthält das 1. Kapitel („Gemeinsame Bestimmungen“) des schweiz. IPRG, das in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 eine grundsätzliche Prorogationsfreiheit für vermögensrechtliche Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis normiert. 44 Siehe Mansel, in: Leible/Unberath, S. 267: „In einem Allgemeinen Teil des europäischen Kollisionsrechts sollte aber eine Generalnorm der Rechtswahl hier in dem Sinne Klarheit schaffen, dass eine Rechtswahlbefugnis stets ausdrücklich eingeräumt sein muss“; Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 226: „Die Wahl des anwendbaren Rechts ist zulässig, wenn die Rechtswahl in den Verordnungen eröffnet ist“; noch ohne Einbeziehung der Güterrechtsverordnungen schlägt Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 231 vor: „Ob eine Rechtswahl eröffnet ist, entscheiden die Vorschriften der besonderen Abschnitte (Rom I-, Rom II-, Rom III-und ErbVO).“ 45 Vgl. Art. 4 Z. 1 pol. IPRG (siehe IPRax 2011, 609): „In den im Gesetz vorgesehenen Fällen kann das maßgebliche Recht gewählt werden“. 43 Eine
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Eine Regel zur grundsätzlichen Zulässigkeit der RW bzw. der GV ist zudem geeignet, die Rechtswahl- und Prorogationsfreiheit ausdrücklich als grundlegendes Prinzip des EU‑IPR/-IZVR zu deklarieren, was bislang nur in den Erwägungsgründen der VO (unterschiedlich) zum Ausdruck kommt. Allerdings gäbe es – wenn am Status quo der beschränkten Parteiautonomie im Familien- und Erbrecht festgehalten wird – keinen wirklichen Vorteil für die Rechtsanwendung, weil weiterhin spezielle Rechtsquellen, gegebenenfalls auch mehrere, konsultiert werden müssten, die der RW und der GV materienspezifische Grenzen setzen. Eine Grundnorm zur generellen Rechtswahl- und Prorogationsfreiheit hätte daher für das Familien- und Erbrecht einen rein programmatischen Gehalt.46 Für eine einheitliche Regelung der Zulässigkeit der RW und der GV müsste die beschränkte Parteiautonomie im Familien- und Erbrecht aufgegeben und durch eine allgemeine, gemeinsame Regel der Rechtswahlfreiheit bzw. der Prorogationsfreiheit abgelöst werden. Kritische Einschätzungen zu den – mitunter auch als unnötig paternalistisch47 gewerteten – ex ante-Beschränkungen durch die Staatsangehörigkeit und den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkte erfolgten in jüngster Zeit von Kroll-Ludwigs48, die in ihrer umfassenden Habilitationsschrift zur Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht für eine dem Grunde nach unbeschränkte Rechtswahlfreiheit im Familien- und Erbrecht plädiert.49 In dem von Kroll-Ludwigs vorgeschlagenen Modell könnten Einschränkungen an separater Stelle für bestimmte Materien oder Einzelfälle durch andere Mechanismen und Schutzinstrumente (ordre public-Vorbehalte, Formvorschriften, Günstigkeitsvergleiche, Rechtswahl- bzw. Prorogationsverbote und Zwangsgerichtsstände) erfolgen.50 Bei einer im Ausgangspunkt derart liberalen Lösung wäre das Vorliegen einer engen Verbindung zwischen gewähltem Recht oder gewähltem Gerichtsstand und den Parteien grundsätzlich nicht zwingend bzw. der Wahl der Parteien überlassen. Dieser Vorschlag stellt freilich eine wesentliche Veränderung im Vergleich zur jetzigen Grundsatzentscheidung des Unionsgesetzgebers dar, wonach die Staatsangehörigkeit und der gewöhnliche Aufenthalt im Familien- und Erbrecht als Mittel zur Sicherstellung eines engen Bezugs fungieren sollen.51 46 Vgl. Wilke, GPR 2012, 335: „vor allem symbolischer Wert“; Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 218: „wäre rein deklaratorisch und erscheint daher überflüssig“; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 302 f.: „[…] deklaratorische Hervorhebung der Rechtswahlfreiheit […] von geringem Nutzen“. 47 Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 47; Hook, The Choice of Law Contract 72. 48 Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 483 f., 524. 49 Ebenso krit. zu den Beschränkungen der Wahlbefugnis Yetano, The Constitutionalisation of Party Autonomy in European Family Law, JPIL 6 (2010), 155 (192); Coester-Waltjen/ Coester, in: FS Schurig, S. 47; C. Kohler, L’autonomie de la volonté 261 f.; Basedow, The Law of Open Societies Rn. 396 und Rn. 430. 50 Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 484 ff., 587 ff.; siehe auch Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 47. 51 Siehe oben § 4 V.
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Es ist zwar richtig, dass – wie in der Literatur immer wieder hervorgehoben und bemängelt wird – der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkte wesentliche Schwächen aufweisen und lediglich Typisierungen einer Verbindung der Parteien zu einem bestimmten Recht oder Gerichtsstand darstellen.52 Vor allem bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist zu kritisieren, dass sie oft keine Sachnähe des Gerichts sichert. Trotz dieser Kritiken erscheint eine Abkehr vom derzeitigen System, um sich einer unbegrenzten Parteiautonomie im Familien- und Erbrecht zu nähern, in naher Zukunft unwahrscheinlich53: Die Regeln zur Parteiautonomie in den jüngsten EU‑VO (ErbVO und Güterrechtsverordnungen) bezeugen, dass sich die Tendenz im derzeitigen System zur beschränkten Wahlfreiheit in nächster Zeit nicht radikal ändern wird. Es darf nicht vergessen werden, dass die hier besprochenen Rechtsakte aus Sicht vieler Mitgliedstaaten erstmals Wahlmöglichkeiten für das anzuwendende Recht und die Zuständigkeit im internationalen Familien- und Erbrecht eingeführt haben. In dieser ersten Phase konnte oder wollte man sich offenbar nur über gemeinsame und konsensfähige Nenner gewissermaßen „vortasten“.54 Als Mittellösung wäre für das Familien- und Erbrecht eine allgemeine Regelung der RW bzw. der GV denkbar, die die Verbundenheit der Parteien zum gewählten Recht bzw. zum gewählten Gerichtsstand verlangt, aber keine bestimmten Anknüpfungspunkte enthält.55 Dieser Vorschlag würde sich in seinem Gehalt von der ursprünglichen Konzeption des Prinzips der engsten Verbindung56 entfernen, weil es den Parteien selbst überlassen wäre, das Recht oder den Gerichtstand mit dem – ihrer subjektiven Einschätzung nach – stärksten Nahebezug zu wählen.57 Dieser Regelungsansatz würde damit eher dem ökonomischen Grundgedanken folgen, wonach nicht der Staat, sondern nur der Einzelne seine Präferenzen am besten kennt.58 Es würde mithin nicht auf eine mittels bestimmter objektiver Anknüpfungspunkte typisierte Beziehung, sondern auf die im Einzelfall gegebene, tatsächliche Verbundenheit ankommen. Um missbräuchliche Wahlentscheidungen zu Lasten einer Partei zu verhindern, müsste die sich auf die RW oder die GV berufende Partei im Streitfall 52 Siehe etwa Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 47; Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 339 ff., 379 ff. 53 Vgl. C. Kohler, L’autonomie de la volonté 258 f.: „[…] le temps pour un changement radical du système des conflits des lois qui impliquerait un abandon du principe de proximité […] n’est pas encore venu et ne le sera pas dans un avenir prévisible“. 54 Vgl. zum HUP Beaumont, RabelsZ 73 (2009), 521 Fn. 26: „[…] the whole idea of party autonomy and choice of law on maintenance was new within the EU and therefore it is better to err on the side of the statuts quo rather than on the side of innovation if there is no consensus for the latter“. 55 Vgl. Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 47. 56 Siehe oben § 2 A. I. 57 Vgl. Basedow, The Law of Open Societies Rn. 430. 58 Dazu oben § 2 A. III.
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diese enge Beziehung vor Gericht begründen. Ein solcher Mechanismus ist aber problematisch: Für die GV ist er wenig geeignet, weil damit die Zuständigkeit schwer vorhersehbar wird; zudem steht er in Widerspruch zur Rspr. des EuGH, die eine Missbrauchs- bzw. Angemessenheitskontrolle der GV und forum non conveniens-Erwägungen ausschließt.59 Auch für die RW bestehen Bedenken aus Gründen der Rechtssicherheit, weil es weder für die Parteien noch für den Rechtsverkehr bzw. Dritte die Sicherheit gäbe, dass die RW immer einer richterlichen Prüfung standhält. Um einen gewissen Grad an Sicherheit und Vorhersehbarkeit zu garantieren und um zu verhindern, dass die Gültigkeit einer Vereinbarung von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variiert und die Gerichte dabei willkürlich vorgehen, müssten die Kriterien, anhand derer das Gericht die enge Verbundenheit überprüfen kann, unionsrechtsautonom geregelt werden. Das ist aber im EU‑IPR/-IZVR bislang selten der Fall; meistens fehlen Kriterien zur näheren Eingrenzung von Generalklauseln oder zur Auslegung wichtiger Begriffe. Ein jüngstes Beispiel dafür ist Art. 26 Abs. 1 lit. c EheGüVO, der als letzter objektiver Anknüpfungstatbestand des Güterrechtsstatuts auf das Recht des Staates abstellt, „mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsam am engsten verbunden sind“, aber keine Auskunft darüber gibt, welche Kategorie von Umständen darunter zu verstehen sind.60 In Summe erscheint eine Generalklausel der engsten Verbindung für das Familien- und Erbrecht mit zu großen Unsicherheiten verbunden. Orientiert man sich stärker am derzeitigen System der vorgegebenen Anknüpfungspunkte im Familien- und Erbrecht, kann zumindest für diese Bereiche Kohärenz erzielt werden, indem die Wahlmöglichkeiten bzw. die Anknüpfungen in den betreffenden VO verstärkt angeglichen werden. Als Vorbild dafür ist Art. 4 UntVO zu erwähnen, der wahlweise an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit nur einer Partei anknüpft und damit im Vergleich zu den anderen familien- und erbrechtlichen VO relativ liberal ausgestaltet ist.61 Eine solche Vereinheitlichung der Anknüpfungspunkte ist aber nicht auf die Einführung eines Allgemeinen Teils angewiesen, sondern kann auch durch (Neu-)Regelungen in den einzelnen materienspezifischen VO erzielt werden.62 59
Siehe oben § 3 A. IV. 1. d). die Erwägungsgründe schweigen diesbezüglich; ErwGr. 49 EheGüVO gibt lediglich den Wortlaut der Verordnungsbestimmung wieder. In Umkehrschluss zu Art. 26 Abs. 1 lit. a und lit. b EheGüVO fallen unter lit. c solche Fälle, in denen die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und nach der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in zwei verschiedenen Staaten hatten. Aus dem Wortlaut (Fixierung auf den Zeitpunkt der Eheschließung bzw. Erfordernis der gemeinsamen, engsten Verbindung) ergibt sich zudem eine restriktive Auslegung dieser Anknüpfung. 61 Siehe oben § 4 B. I. 2. a). 62 Dazu näher unten § 5 B. III. 2. 60 Auch
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Bei einer weitgehenden Angleichung der Anknüpfungspunkte stellt sich zugleich das Problem, dass die Parteien für jeweils einzelne Materien unterschiedliche Rechtsordnungen bzw. Gerichtsstände wählen und daraus eine Rechtspaltung bzw. auseinanderfallende Zuständigkeiten resultieren können. So ist es denkbar, dass z. B. für das Scheidungsrecht auf den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und für das Güterrecht auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit abgestellt wird, zumal es de lege lata kein Gebot einer „einheitlichen Rechtswahl“ bzw. einer „einheitlichen Gerichtsstandswahl“ gibt. Für ein solches Gebot sprechen den Parteien übergeordnete Ordnungsinteressen der Rechtspflege (etwa die Vermeidung von Abgrenzungsfragen und Anwendungskonflikten zwischen verschiedenen Statuten), doch prävaliert m. E. in diesem Rahmen der Zweck, den Parteien eine autonome Gestaltung ihres Rechtssacherhalts zu gestatten. Mit der Angleichung der Anknüpfungspunkte geht auch die Frage der Auslegung dieser Anknüpfungspunkte einher. Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit sollte einheitlich die Behandlung von Doppel- bzw. Mehrfachstaatsbürgern geregelt werden. Auch wenn im Schrifttum weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass bei einer Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaft eine freie Wahl zwischen diesen möglich ist,63 bestätigt nur die ErbVO (Art. 22 Abs. 1 Satz 264) ausdrücklich diese Auffassung. Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts ist offen, ob dieser Begriff für sämtliche Rechtsmaterien einheitlich auszulegen oder vielmehr materienspezifisch zu konkretisieren ist. Obwohl der gewöhnliche Aufenthalt als Anknüpfungsprinzip für das anzuwendende Recht und die Zuständigkeit eine enorme Rolle spielt, fehlt bislang eine Legaldefinition im EU‑IPR/-IZVR. Im Schrifttum wurden bereits Untersuchungen zur Systematisierung der zu berücksichtigenden Kriterien und Leitlinien vorgenommen.65 Es wäre wünschenswert, dass der Unionsgesetzgeber hier für eine legislative Klarstellung sorgt.
b) Parteiautonomie und Drittschutz Drittinteressen sind nicht von einer derart übergeordneten Relevanz, dass sie eine RW oder eine GV gänzlich ausschließen.66 Der Schutz von Rechten Dritter bei einer nachträglichen RW entspricht aber einem Grundprinzip des Kollisionsrechts.67 Es könnte daher überlegt werden, eine Generalnorm des Drittschutzes in einer Rom 0-VO einzuführen: Eine RW, die nach dem Abschluss 63 Siehe zum HUP oben § 3 A. II. 2. c) sowie zur Rom III‑VO Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 19. 64 Siehe oben § 3 D. II. 1. b). 65 Siehe etwa M.‑P. Weller, Der „gewöhnliche Aufenthalt“ – Plädoyer für einen willenszentrierten Aufenthaltsbegriff, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013), S. 293 (S. 311 ff.) sowie jüngst die Dissertation von Rentsch, Der gewöhnliche Aufenthalt im System des Europäischen Kollisionsrechts (2017). 66 Vgl. Flessner, Interessenjurisprudenz 112 und 120 f. 67 Siehe oben § 3 C. II. 1. e).
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
eines Rechtsgeschäfts getroffen wird, lässt die Rechte Dritter unberührt.68 Relevant ist eine solche Regelung primär im Bereich der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse sowie im Güterrecht. In diesen Materien kennen die betreffenden VO ohnehin schon Drittschutzregeln (Art. 3 Abs. 2 Rom I‑VO, Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 2 Rom II‑VO, Art. 22 Abs. 3 EheGüVO/ PaGüVO). In der Rom III‑VO und der ErbVO, die keine Drittschutzregelung bei nachträglicher RW kennen, besteht für eine solche Regelung kein Bedarf: Eine Änderung des Scheidungsrechts hat in aller Regel keine Auswirkungen auf Rechte Dritter.69 Die ErbVO ist hingegen nicht darauf ausgerichtet, einen Vertrauensschutz von insbesondere Pflichtteilsberechtigten zu gewähren, der über die Beschränkung auf die Wahl des Heimatrechts hinausgeht.70 Eine allgemeine Drittschutzregelung der RW hätte somit für das Familien- und Erbrecht einen geringen praktischen Anwendungsbereich. Hinsichtlich der GV ist zu berücksichtigen, dass der EuGH71 zur Wirkung der GV gegenüber Dritten bislang keine einheitliche Lösung geschaffen, sondern rechtsgebietsspezifisch entschieden hat.72 Eine Generalnorm könnte sich aber gerade dazu anbieten, die mittlerweile zahlreichen Entscheidungen des EuGH zur Drittwirkung der GV systematisch zu kodifizieren und einheitlich zu definieren, in welchen Fällen ein „Dritter“ im Rahmen einer GV gebunden ist.73 68 Nehne (Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts 339) schlägt in Anlehnung an Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 2 Rom II‑VO nur den Beisatz „Die Rechte Dritter bleiben unberührt“ vor; Mansel (in: Leible/Unberath, S. 255, S. 271 f.) schlägt in Anlehnung an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Rom I‑VO sowie Art. 4 Z. 3 und 4 pol. IPRG (siehe IPRax 2011, 609) eine erweiterte Regelung dahingehend vor, dass „die Rechte Dritter und die Formgültigkeit zuvor abgeschlossener Rechtsgeschäfte durch eine nachträgliche Rechtswahl nicht berührt werden“; hingegen lehnt Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 224, die Berücksichtigung der Formgültigkeit insofern ab, als es sich dabei um ein Spezifikum der Rom I‑VO und der Güterrechtsverordnungen handelt. 69 Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 202 f. 70 Vgl. oben § 3 D. II. 1. e). 71 Siehe oben § 3 C. II. 2. d) und § 3 D. II. 4. a). 72 Vgl. Corneloup, Wirksamkeit und Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen, IPRax 2017, 309 (309) sowie Melcher, Zur Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO n. F., GPR 2017, 246 (247 f.), die aus der bisherigen EuGH‑Rspr. mögliche Drittwirkungskonstellationen ableitet (eigene nachträgliche Zustimmung des „Dritten“, Rechtsnachfolge oder Vertrag zugunsten Dritter). 73 Im Zuge der Neufassung der EuGVVO schlug bereits das Europäische Parlament eine – letztlich unberücksichtigt gebliebene – Regelung der Drittwirkung von GV vor; siehe die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7.9.2010 zu der Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. C 2010/308 E, 36 (41 Rn. 13). Der Vorschlag bezog sich nur auf ausschließliche GV und sah im Detail unklare Voraussetzungen für eine Drittwirkung vor: So soll die (dritte) Person unter anderem „rechtzeitig und in geeigneter Weise“ informiert werden, wo die Klage eingereicht werden muss. Ferner wurde eine Missbrauchsschranke vorgeschlagen: Der Dritte solle an die GV dann nicht gebunden sein, wenn „ein Festhalten an dem vereinbarten Gerichtsstand die Partei grob benachteiligen würde“.
B. Mögliche Lösungswege
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c) Formelle Anforderungen Für die Regelung der formellen Gültigkeit der RW kommen grundsätzlich Verweisungsnormen oder Entscheidungsnormen in Betracht. Hinsichtlich der ersten Möglichkeit könnte in einer Rom 0-VO eine allgemeine Verweisungsnorm aufgenommen werden, die für die formelle Gültigkeit der RW auf das Formstatut der Rechtshandlung bzw. des Rechtsgeschäfts, auf die sich die RW bezieht, verweist. Eine solche allgemeine Verweisungsnorm in einer Rom 0-VO würde aber nichts anderes tun, als auf die besonderen VO zu verweisen, die eben Regelungen für das Formstatut materiellrechtlicher Vereinbarungen bzw. Rechtshandlungen (z. B. letztwilliger Verfügungen, güterrechtlicher Verträge usw.) enthalten. Damit wäre aus Sicht der Einheitlichkeit nichts gewonnen, denn die EU‑VO regeln die Form materiellrechtlicher Handlungen in den verschiedenen Rechtsmaterien auf unterschiedlicher Weise: Sie enthalten teils nur Verweisungsnormen (z. B. Art. 27 ErbVO), teils Verweisungs- und Entscheidungsnormen (z. B. Art. 25 EheGüVO/PaGüVO) oder auch gar keine Regelung (so die Rom III‑VO). Diese uneinheitliche Beurteilung der formellen Gültigkeit der RW widerspricht dem Vereinheitlichungsgedanken des EU‑IPR. Außerdem wäre eine solche Regelung aus praktischer Sicht wenig sinnvoll: Es wären gegebenenfalls zwei Verweisungen (von der Rom 0-VO auf die besonderen VO und weiter auf das nationale Recht) zu beachten und das nationale Recht könnte gar keine Formvorschriften für die betreffende materiellrechtliche Rechtshandlung bzw. das betreffende Rechtsgeschäft vorsehen, sodass die Verweisung für die Zwecke der RW ins Leere ginge. Verordnungsautonome Entscheidungsnormen, die klare und abschließende Formregelungen für die RW aufstellen, sind daher im Gesamten vorzugswürdiger.74 Betrachtet man nur die familienrechtlichen VO, so kann die Kriterientrias (Schriftform bzw. alternativ elektronische Aufzeichnung, Unterzeichnung, Datierung) als einheitliche Entscheidungsnorm für die formelle Gültigkeit der RW festgestellt werden. Bei einer Gesamtschau des EU‑Kollisionsrechts offenbaren sich aber erhebliche Unterschiede in der Regelung der formellen Gültigkeit. Die genannten Kriterien sind den Rechtswahlregelungen der Rom I‑VO (Art. 3) und Rom II‑VO (Art. 14) nicht bekannt: Art. 3 Abs. 5 Rom I‑VO verweist auf das Formstatut (Art. 11 Rom I‑VO), welches nach h. M. analog auch für Art. 14 Rom II‑VO herangezogen wird.75 Aus diesen Anknüpfungen folgt 74 Eine Entscheidungsnorm bevorzugt auch Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 166, die de lege ferenda die verordnungsautonome Festlegung der Formfreiheit der RW in der Rom I‑VO vorschlägt und sich als Vorbild auf die Entscheidungsnorm des Art. 5 Haager Prinzipien über die Rechtswahl in internationalen kommerziellen Verträgen stützt (siehe oben Fn. 245). 75 Zur h. M. siehe etwa Gebauer, in: NK‑BGB2 Art. 14 Rom II Rn. 28; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB42 (Stand 1.5.2015) Art. 14 Rom II Rn. 3.
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meist die Formfreiheit für eine RW nach der Rom I‑VO bzw. Rom II‑VO, weil im nationalen Recht regelmäßig keine Formvoraussetzungen für die schuldvertragsrechtliche RW vorgesehen sind.76 Eine Lösung ist, die Kriterientrias als allgemeine Regelung zu statuieren, die folglich auch für eine RW nach der Rom I‑VO und Rom II‑VO gelten würde. Schriftlichkeit, Unterschrift und Datierung sind keine strengen formalen Voraussetzungen, sondern Minimalanforderungen, die der Beweissicherung dienen und auch zwischen Unternehmen in der Regel erfüllt sind (z. B. bei wirksam einbezogenen Rechtswahlklauseln in AGB), sodass eine solche Entscheidungsnorm nicht allzu strikt oder im Rechtsverkehr hinderlich wäre. Die zwingende Einhaltung von Formanforderungen erscheint aber im liberalen Vertragsrecht unangebracht.77 Auch für die einseitige RW nach der ErbVO ist der Verweis in Art. 22 Abs. 2 auf das Formstatut für letztwillige Verfügungen vorzugswürdig, weil die erbrechtliche RW meist in einer letztwilligen (materiellrechtlichen) Verfügung eingebettet ist. Die Formvorschriften der jeweiligen Wahlhandlung erfüllen somit regelmäßig materienspezifische Funktionen. Dies spricht dafür, die Regelung der formellen Gültigkeit der RW der jeweiligen VO zu überlassen.78 Hinsichtlich der formellen Gültigkeit der GV können die verordnungsautonomen Voraussetzungen (Kriterientrias) in den hier untersuchten VO als Vorbild für eine allgemeine Entscheidungsnorm zur formellen Gültigkeit der GV dienen. Eine solche Regelung wäre aber strenger als Art. 25 EuGVVO n. F., der auch zwischen den Parteien entstandene Gepflogenheiten oder einen Handelsbrauch genügen lässt. Eine einheitliche Entscheidungsnorm für die GV im EU‑IZVR, die sich an den Formvorgaben der familien- und erbrechtlichen VO orientiert, würde den Anforderungen im internationalen Handelsverkehr nicht gerecht werden. Es ist aber denkbar, zumindest die Unterschriftlichkeit als Grundvoraussetzung zu verlangen. Eine einheitliche Verweisungsnorm für die formelle Gültigkeit der GV zum Formstatut ist dem EU‑IZVR bislang unbekannt und auch jedenfalls abzulehnen, weil damit ein umständliches Prüfungsverfahren einhergehen würde: Das Gericht müsste zuerst das Formstatut des Rechtsgeschäfts bzw. der Rechtshandlung ermitteln, um anhand dessen die Gültigkeit der GV und damit die eigene Zuständigkeit zu beurteilen. Wie Mansel79 vorschlägt, könnte in einem „Allgemeinen Teil“ verordnungsautonom geregelt werden, welche Anforderungen an die verordnungsautonom normierten Formkriterien zu stellen sind. Hierbei ist insbesonders an die „elektronische Übermittlung“ zu denken, zu der bislang einige Auslegungsunsicher76 77
Mansel, in: Leible/Unberath, S. 284. Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 166; vgl. auch Hook, The Choice of Law Contract 175 f. 78 Mansel, in: Leible/Unberath, S. 287; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 306; im Ergebnis auch Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 232. 79 Mansel, in: Leible/Unberath, S. 287.
B. Mögliche Lösungswege
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heiten bestehen. Eine entsprechende Definition würde sich aber besser in einen Abschnitt zu Begriffsbestimmungen in einem Allgemeinen Teil fügen, weil sie sowohl für die RW als auch die GV Geltung beanspruchen würde und eine doppelte Normierung in jeweils einer Generalnorm zur RW bzw. zur GV wenig sinnvoll ist.80
d) Zustandekommen und materielle Wirksamkeit Eine allgemeine Rechtswahlnorm könnte dazu dienen, einheitlich den Grundsatz festzulegen, dass sich das Zustandekommen und die materielle Gültigkeit der RW – wie in der Rom I‑VO, der ErbVO, der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen – nach dem (präsumtiv) gewählten Recht richtet.81 Da die RW unabhängig von der jeweiligen Rechtsmaterie (Schuldrecht, Familienrecht, Erbrecht) rechtsgeschäftlicher Natur ist, ist auch die Frage des auf die materielle Gültigkeit anzuwendenden Rechts für die einzelnen EU‑VO gleich zu beurteilen.82 Mitunter wird aber kritisiert, dass in Ermangelung sachrechtlicher Regeln zur Wirksamkeit der RW die sachrechtlichen Regeln für Verträge entsprechend analog anzuwenden sind.83 Denn aufgrund der Unterschiede zwischen den nationalen Maßstäben kann die Gültigkeit ein und derselben RW in den Mitgliedstaaten anders beurteilt werden. Eine Generalnorm zur RW könnte daher auch dazu dienen, Entscheidungsnormen herauszubilden, die unionsrechtsautonome Voraussetzungen für das Zustandekommen und die materielle Gültigkeit der RW vorgeben.84 So könnte etwa in einer Rom 0-VO normiert werden, dass die 80 Ebenso
Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 222. Schrifttum werden unterschiedliche Formulierungen vorgeschlagen, die aber zum selben Ergebnis führen: siehe Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts 339, in Bezug auf eine für die Rom I‑VO und Rom II‑VO gemeinsame Regelung: „das von den Parteien für ihre vertraglichen Beziehungen gewählte Recht“; allgemeiner Mansel, in: Leible/Unberath, S. 273: „die gewählte lex causae“; Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 223, orientiert sich an der Formulierung der Rom I‑VO und Rom III‑VO: „nach dem Recht […], das anzuwenden wäre, wenn die Erklärung oder Vereinbarung über die Rechtswahl wirksam wäre“; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 62 f. m. w. N., 230 schlägt die Formulierung „nach dem Recht, für welches der Anschein einer Rechtswahl besteht“ vor; vgl. auch Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 303: „richtet sich verordnungsübergreifend nach dem mutmaßlich gewählten Recht“. 82 Eine vergleichbare Grundregelung enthält der allgemeine Teil des pol. IPRG, der für das Zustandekommen und die Wirksamkeit der RW auf das allgemeine Wirkungsstatut für Rechtsgeschäfte verweist; siehe Art. 4 Z. 5 i. V. m. Art. 24 pol. IPRG (siehe IPRax 2011, 609 ff.): „das für dieses Rechtsgeschäft maßgebende Recht“. 83 Zur Rom III‑VO C. Kohler, in: FS von Hoffmann, S. 215; ders., L’autonomie de la volonté 202 ff.; Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 6 Rom III Rn. 7; Helms, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR4 Art. 6 Rom III‑VO Rn. 3; positiv bewertend Basedow, in: FS Pintens, S. 143: „a reasonable solution“. 84 Siehe die ausführliche Untersuchung von Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 445 ff. 81 Im
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
Rechtswahlvereinbarung durch eine tatsächliche Willenseinigung der Parteien zustande kommt. Die einseitige RW nach der ErbVO wäre davon logischerweise nicht erfasst. Weiters könnte als Entscheidungsnorm an die Kriterien für das Vorliegen einer konkludenten RW gedacht werden,85 die im nächsten Abschnitt separat betrachtet wird. Eine ausdifferenzierte verordnungsautonome Regelung der Wirksamkeit bzw. des Zustandekommens der RW auszuarbeiten, die sich nicht in den erwähnten Ansatzpunkten erschöpfen, ist freilich eine komplexe Aufgabe. Derartige Regelungen müssten auf rechtsvergleichenden Untersuchungen der mitgliedstaatlichen Privatrechtsordnungen basieren und aus zahlreichen unterschiedlichen Auffassungen eine unionsweit einheitliche Lösung abbilden. Diese könnte als Kompromisslösung zu unbestimmt ausfallen und nicht ausreichend für Rechtssicherheit sorgen.86 Andererseits besteht die Gefahr einer Überfrachtung des IPR, dessen Aufgabe als „Verweisungsrecht“ ja nicht darin liegt, materielles Recht zu duplizieren. Plausibler ist daher eher eine Ergänzung der Verweisungsnormen durch punktuelle Entscheidungsnormen bzw. materielle Mindestvoraussetzungen hinsichtlich jener Aspekte, für die nicht schon im Sachrecht passende Regelungen bereitstehen.87 Daher ist mit Stankewitsch88 eine kollisionsrechtliche Entscheidungsnorm insbesondere zur Geschäftsfähigkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung für die RW abzulehnen, weil die materiellrechtlichen Regelungen zur Geschäftsfähigkeit auf die RW übertragbar sind. Dies trifft auf die familien- und erbrechtliche RW insofern zu, als sie mit den entsprechenden materiellrechtlichen Vereinbarungen zu vergleichen ist und die betreffenden besonderen Geschäftsfähigkeiten in diesen Bereichen auch für die RW zu beachten sind (z. B. die Testierfähigkeit für die erbrechtliche RW oder die Geschäftsfähigkeit zum Abschluss güterrechtlicher Vereinbarungen für die RW nach den Güterrechtsverordnungen usw.).89 Hinsichtlich einer Inhaltskontrolle wurde bereits ausgeführt, dass eine materiellrechtliche Kontrolle der RW nach nationalem Recht für die EU‑VO auszuschließen ist.90 Die materiellrechtlichen Regelungen über die inhaltliche Angemessenheit von Verträgen sind für Rechtswahlvereinbarungen unpassend, weil sie auf die Einschränkung materiellrechtlicher Vertragsinhalte ausgerichtet 85 Vgl. Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 781. 86 Ähnlich äußert Lipp, in: FS Pintens, S. 866, Bedenken gegen nachträgliche und zu unbestimmte Kontrollmechanismen wie Art. 8 Abs. 5 HUP. 87 Hook, The Choice of Law Contract 17, 130 f. 88 Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 189 ff., 767 ff. 89 Stankewitsch, Entscheidungsnormen im IPR als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl 205 ff. 90 Mansel, in: Leible/Unberath, S. 281; siehe oben § 4 D. III.
B. Mögliche Lösungswege
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sind, die auf die RW als Verweisungsvertrag nicht zutreffen können.91 Besser ist es, präventive Lösungen zu erarbeiten und auf Verordnungsebene Regeln zur Sicherstellung einer informierten und paritären Entscheidung herauszubilden.92 Als Startpunkt können Art. 8 Abs. 5 1. Halbsatz HUP („Unless at the time of the designation the parties were fully informed and aware of the consequences of their designation“) sowie die Erwägungsgründe der Rom III‑VO und der Güterrechtsverordnungen zur „informierten Rechtswahl“ berücksichtigt werden.93 Für die GV ist wie bei der RW zunächst an eine einheitliche Verweisungsnorm für die materielle Gültigkeit zu denken. Hierbei könnte die Verweisung auf die lex fori prorogati nach Art. 25 EuGVVO n. F. verallgemeinert werden. Wie ausgeführt, ist die materielle Gültigkeit der GV in den hier untersuchten familien- und erbrechtlichen VO nicht explizit geregelt. Die Aufnahme der Verweisungsregel des Art. 25 EuGVVO n. F. in eine Brüssel 0-VO könnte Klarheit schaffen und diese Regelungslücken schließen. Verallgemeinerungsfähig ist des Weiteren die Trennungsthese in Art. 25 Abs. 5 EuGVVO n. F., wonach eine GV eine vom Hauptvertrag unabhängige Vereinbarung darstellt. Diese Regelung ist nicht nur im Vertragsrecht von Bedeutung, sondern kann auch im Familienrecht relevant werden. So könnte etwa eine unterhalts- oder güterrechtliche Vereinbarung, die auch eine GV enthält, aus materiellrechtlichen Gründen nichtig sein, die die GV aber nicht betreffen. Diese Trennungsthese könnte mutatis mutandis auch in einer Rom 0-VO für die RW normiert werden, zumal nach der einhelligen Auffassung zum Verweisungsvertrag die RW vom zugrundeliegenden Hauptvertrag unabhängig und selbstständig zu beurteilen ist.94 Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 7 der Haager Rechtswahlprinzipien.95 Da die Trennungsthese des Art. 25 Abs. 5 EuGVVO n. F. an Art. 3 lit. d HGÜ angelehnt ist, ist es denkbar, dass in Zukunft auch für die RW die entsprechende Regelung der Haager Rechtswahlprinzipien – die im März 2015 in Kraft getreten sind – im EU‑IPR übernommen wird. Die Verweisungsregel in Art. 25 EuGVVO n. F. eignet sich mithin als Vorbild für andere EU‑VO, weil damit ein begrüßenswerter einheitlicher Anknüpfungspunkt der GV geschaffen wurde.96 Doch angesichts der Gesamtverwei91
Hook, The Choice of Law Contract 113, 204.
92 Vgl. Hilbig-Lugani, in: NK‑BGB2 Art. 5 Rom III Rn. 25 und Art. 6 Rom III Rn. 7; Hook,
The Choice of Law Contract 203 ff.; zu ausführlichen Überlegungen und Ansätzen für eine europäische Inhaltskontrolle siehe Pfütze, ZEuS 2011, 66 ff. und 85. 93 C. Kohler, in: FS Hoffmann, S. 216 f. sieht insbesonders die in ErwGr. 16 Satz 2 Rom III‑VO genannten Grundrechte als Anhaltspunkte; so auch Rösler, RabelsZ 78 (2014), 181; für eine Vorbildwirkung des Art. 8 Abs. 5 HUP: Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 485; Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 178; Hilbig-Lugani, DNotZ 2017, 756. 94 Siehe oben § 3 A. IV. 2. a). 95 Siehe Art. 7 Haager Rechtswahlprinzipien: „A choice of law cannot be contested solely on the ground that the contract to which it applies is not valid“. 96 Vgl. Simotta, IJPL 2013, 70.
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
sung und des Fehlens einer auf EU‑Ebene einheitlichen Kollisionsregel für die Prorogation (Ausschluss der GV aus der Rom I‑VO) können die nationalen Unterschiede in der kollisionsrechtlichen Behandlung und die damit verbundenen Gültigkeitsvorstellungen dazu führen, dass eine Prorogation in einem Mitgliedstaat wirksam und in einem anderen materiell nichtig ist.97 Dogmatische Wertungen des innerstaatlichen Rechts – wie z. B. die Frage der Rechtsnatur der GV und die Unterscheidung zwischen prozessualem und materiellrechtlichem Charakter der Prorogation – sollten auf Ebene der EU‑VO keine entscheidende Rolle spielen. Es stellt sich daher auch für die GV die Frage, ob auf Verordnungsebene sachrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen herausgebildet werden können, um den Einfluss rechtsordnungsspezifischer Wertungen zu begrenzen. Freilich ist die Herausbildung eines unionsweit durchsetzbaren Standards der Wirksamkeitsvoraussetzungen schwierig, weil teilweise erhebliche Divergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Regelungen bestehen. Denkbar ist z. B. die Kodifikation von Kriterien für das Zustandekommen der GV ausgehend von der Rspr. des EuGH (d. h. eine tatsächliche Willenseinigung der Parteien, die durch die Erfüllung der Formvorschriften indiziert wird). Für eine Erweiterung der verordnungsautonomen Voraussetzungen findet sich im Schrifttum98 insbesondere dahingehend Zustimmung, dass sich der Unionsgesetzgeber am HGÜ orientieren könnte. Art. 6 lit. c 1. Fall HGÜ normiert ähnlich zu Art. 8 Abs. 5 HUP eine Angemessenheitskontrolle in Bezug auf die GV: Demnach muss ein derogiertes Gericht das Verfahren unter anderem dann nicht aussetzen, wenn „giving effect to the agreement would lead to a manifest injustice […]“. Nach dem offiziellen erläuternden Bericht von Hartley/Dogauchi99 bezieht sich dieser Tatbestand zwar primär auf die Gewährung eines fairen Verfahrens, aber auch auf missbräuchliche Umstände im Zuge des Zustandekommens der GV wie z. B. Täuschung. Denn der Ursprung des Art. 6 lit. c 1. Fall HGÜ liegt in einem Entwurf der Schweizer Delegation, die eine detaillierte konventionsautonome Regelung der Gültigkeitsvoraussetzungen der GV betreffend Irrtum, Täuschung, Drohung und „Übervorteilung“ („excessive advantage“) vorschlug.100 Ähnlich normiert Art. 5 Abs. 2 Schweizer IPRG einen Missbrauchsvorbehalt, wonach eine GV unwirksam ist, „wenn einer Partei ein Gerichtsstand des schweizerischen 97
Siehe krit. Geimer, in: FS Simotta, S. 183 f.; Simotta, IJPL 2013, 71. T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I‑Regulation (EC) No 44/2001 Rn. 327; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 Art. 23 EuGVVO Rn. 89; so bereits auch C. Kohler, IPRax 1983, 270 zur früheren, nie in Kraft getretenen Hague Convention on the Choice of Court aus 1965, abrufbar unter (abgefragt am 13.9.2018). 99 Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agreements Convention (2013) Rn. 152. 100 Siehe Conférence de La Haye de droit international privé, Actes et documents de la Vingtième session 14 au 30 juin 2005 – Tome III Élection de for (2010) 383 ff. 98
B. Mögliche Lösungswege
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Rechts missbräuchlich entzogen wird“. Dieser Vorbehalt soll auf den Schutz geschäftsunkundiger, sozial oder wirtschaftlich schwächerer Parteien sowie auf einen Übereilungsschutz ausgerichtet sein.101 Gegen derartige, im Detail unbestimmte Generalklauseln bestehen allerdings auch Bedenken,102 weil die Wirksamkeit einer GV – selbst wenn diese Regeln nur restriktiv103 zum Einsatz kommen sollen – im richterlichen Ermessen liegt. Dies ist im Lichte der Kernprinzipien des EU‑IZVR bzw. der mit einer GV verbundenen Regelungsziele (die Schaffung von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit) nicht unproblematisch.104 Wie die Erfahrung zur Schweizer Regelung aber zeigt, wird der Missbrauchsvorbehalt in der Praxis kaum schlagend.105 Solche Regelungen können jedoch für die Herausbildung von Kriterien zur Sicherstellung einer freien Willensbildung, insbesondere des Fehlens von Willensmängeln im Zuge des Abschlusses einer GV, berücksichtigt werden.106 Festzuhalten ist, dass die Haager Konferenz ausdrücklichen Kontrollen der inhaltlichen Angemessenheit von parteiautonomen Entscheidungen offener gegenübersteht als der Unionsgesetzgeber. Angesichts der zunehmenden legislativen Zusammenarbeit mit der Haager Konferenz könnte der Unionsgesetzgeber Regelungsansätze wie Art. 6 lit. c 1. Fall HGÜ als Vorbild für die Erarbeitung von Entscheidungsnormen im EU‑IZVR/-IPR heranziehen. Auch eine Orientierung an den Draft Common Frame of Reference (DCFR)107 betreffend Missbrauchssituationen bei Vertragsabschluss, die auf umfassender rechtsvergleichender Ausarbeitung basieren, könnte in Betracht kommen.108
101 Siehe Grolimund/Bachofner, in: Honsell u. a., Basler Kommentar IPRG3 Art. 5 Rn. 48 m. w. N. 102 Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 79 f. 103 Vgl. Hartley/Dogauchi, Explanatory Report on the 2005 Hague Choice of Court Agreements Convention Rn. 152: „The standard is intended to be high: the provision does not permit a court to disregard a choice of court agreement simply because it would not be binding under domestic law“. 104 Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 73. 105 Grolimund/Bachofner, in: Honsell u. a., Basler Kommentar IPRG3 Art. 5 Rn. 48. 106 Vgl. zu Ansatzpunkten für allgemeine Grundsätze einer unionsrechtsautonomen Missbrauchskontrolle Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 410 ff. 107 Gemäß Art. II. – 7: 207 DCFR („unfair exploitation“) kann eine benachteiligte Partei den Vertrag anfechten, wenn bei Vertragsabschluss eine Missbrauchs- bzw. Übervorteilungssituation vorlag, die unter anderem auf Unerfahrenheit, Abhängigkeit vom Vertragspartner oder Verhandlungsschwäche zurückzuführen ist; näher hierzu von Bar/Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law I (2009) 507 ff. 108 Vgl. bereits T. Pfeiffer, in: Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I‑Regulation (EC) No 44/2001 Rn. 327.
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e) Konkludente Rechtswahl Wie im Zuge der vorliegenden Untersuchung erläutert, schließen die familienrechtlichen EU‑VO eine konkludente RW nicht aus; die ErbVO, die Rom I‑VO und die Rom II‑VO regeln die Zulässigkeit einer solchen sogar explizit. Die konkludente RW kann insofern als allgemeiner Aspekt der kollisionsrechtlichen RW und damit als möglicher Regelungsgegenstand einer Rom 0-VO betrachtet werden. Dafür kommen grundsätzlich zwei Regelungsmodelle in Betracht: Einerseits könnte in einer Generalnorm nur der Grundsatz aufgenommen werden, dass eine RW im EU‑IPR sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden kann. Diese Regelung könnte dadurch erweitert werden, dass ein Beisatz auf Vorbehalte in den besonderen VO hinweist (etwa „es sei denn, dass die Vorschrift, die die RW zulässt, etwas anderes bestimmt“109), wenn in bestimmten Rechtsbereichen eine konkludente RW ausgeschlossen sein soll.110 In diesem Vorschlag würden die genauen Kriterien zur Bestimmung der Schlüssigkeit als Teil der materiellen Wirksamkeit der RW dem nationalen (gewählten) Recht unterliegen. In einer Rom 0-VO könnte daher andererseits eine detailliertere Regelung zur Schlüssigkeit aufgenommen werden. Konsens besteht jedenfalls darüber, dass grundsätzlich strenge Anforderungen an die Schlüssigkeit zu stellen sind; unstrittig ist wohl auch, dass bei den die konkludente RW vornehmenden Personen ein Rechtswahlbewusstsein vorliegen muss.111 Eine Generalnorm könnte aber kaum einen taxativen Kriterienkatalog aufstellen, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung beinhalten, und muss notwendigerweise flexibel gestaltet sein.112 Vorbilder für eine entsprechende Regelung finden sich zum einen im nationalen Kollisionsrecht und zum anderen im EU‑Kollisionsrecht selbst. So normiert Art. 10 des niederländischen IPRG, dass eine RW, sofern sie zugelassen ist, ausdrücklich erfolgen oder in sonstiger Weise genügend deutlich zum Ausdruck kommen muss.113 Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I‑VO muss sich die RW „eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben“ und nach Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 2 Rom II‑VO „mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben“. Als gemeinsamer Nenner lässt sich aus diesen Bestimmungen ableiten, dass ein bestimmtes Maß an Deutlichkeit für das Vorliegen einer schlüssigen RW gegeben sein muss. Dies spiegelt sich auch in den Regelungen wider, die im Schrifttum vorgeschlagen werden und sich in Nuan109 Siehe Art. 4 Z. 2 pol. IPRG (übersetzt in IPRax 2011, 609). 110 Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht
137 f., 221. Hook, The Choice of Law Contract 134, 149 sowie oben § 3 A. IV. 2. c), § 3 B. IV. 2., § 3 C. IV. 1. b) und § 3 D. IV. 1. c). 112 Bereits zum EVÜ Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zur konkludenten Rechtswahl im europäischen Vertragsrecht, in: FS Sonnenberger (2004), S. 343 (S. 355); Mansel, in: Leible/Unberath, S. 276; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 100 f. 113 Zur deutschen Übersetzung siehe RabelsZ 78 (2014), 617. 111 Siehe
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cen unterscheiden: Während der Vorschlag von Nehne114 („eindeutig aus den Umständen des Falles – insbesondere aus den Bestimmungen eines zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages – ergeben“) eine Fusion der Regelungen aus der Rom I‑VO und der Rom II‑VO darstellt und jener von Ömür115 („eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben“) die Regelung der Rom I‑VO wiedergibt, schränkt Wandt116 den Beurteilungsrahmen dahingehend ein, dass nur innerhalb der schriftlichen Vereinbarung liegende Umstände berücksichtigt werden sollen. Dementsprechend müsse sich die konkludente RW „eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung“ ergeben. Dieser restriktivere Vorschlag erscheint vorzugswürdig, weil er mehr Auslegungssicherheit bietet als der Vorschlag von Nehne, der mit „Umstände des Falles“ eine vage und schwer eingrenzbare Kategorie miteinbezieht. Den genannten Vorschlägen ist aber das Manko gemeinsam, dass sie keine angemessene Lösung für die erbrechtliche RW bieten. Denn nach Art. 22 Abs. 2 ErbVO genügt es, dass sich die RW „aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung [von Todes wegen]“ ergibt; die Anforderungen an die Schlüssigkeit sind somit geringer. Am spezifisch erbrechtlichen Rechtswahlkontext gemessen ist dies auch nicht zu beanstanden.117 Daraus folgt, dass es am sinnvollsten wäre, im Sinne des ersten Regelungsmodells in einer Rom 0-VO nur allgemein klarzustellen, dass eine RW ausdrücklich oder konkludent getroffen werden kann.118 Damit würden die derzeit in den Güterrechtsverordnungen, der Rom III‑VO und dem HUP bestehenden Auslegungsunsicherheiten zur grundsätzlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer konkludenten RW beseitigt werden. Als gemeinsamer Nenner für die konkludente RW ist außerdem festzuhalten, dass die Parteien einen Rechtswahlwillen haben müssen, weil ansonsten überhaupt keine RW, sondern eine bloße Rechtsgeltungsannahme vorliegt.119 Diese wesentliche Voraussetzung sollte mit der generellen Zulässigkeit der konkludenten RW allgemein normiert werden. Die konkreten Indizien für die Schlüssigkeit zu 114 Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts 339; vgl. auch Mansel, in: Leible/Unberath, S. 276. 115 Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 230. 116 Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 137 f. 117 Siehe oben § 3 D. IV. 1. c). 118 Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 221; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 305 überlegt daher die Hinzufügung des Beisatzes „sofern nicht anderweitig geregelt“, konzidiert gleichzeitig aber den daraus folgenden geringen Nutzen einer solchen allgemeinen Regelung; vgl. auch Hook, The Choice of Law Contract 111 f., 161 wonach eine Regelung der Schlüssigkeitskriterien nicht über knappe Anhaltspunkte hinausgehen könnte und nur bedingt für Rechtssicherheit sorgen würde, sodass statt einer Entscheidungsnorm eine Beurteilung nach materiellrechtlichen Grundsätzen zu bevorzugen sei. 119 Zum Rechtswahlbewusstsein siehe oben § 3 A. IV. 2. c), § 3 B. IV. 2. und § 3 C. IV. 1. c).
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generalisieren, würde hingegen nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führen.120 Es sollte den besonderen VO überlassen bleiben, im Sinne des zweiten Regelungsmodells Indizien für die jeweilige Rechtsmaterie zu bestimmen,121 etwa die Bezugnahme auf Normen einer bestimmten Rechtsordnung (z. B. der Bezug auf einen bestimmten Güterstand oder einen bestimmten Scheidungsgrund) oder die Indizwirkung einer GV. Diese Beispiele könnten auch nur in den Erwägungsgründen als Auslegungsleitlinie Erwähnung finden. Die Indizwirkung der GV wird bereits in Erwägungsgrund 12 Rom I‑VO zum Ausdruck gebracht, kann aber z. B. für die ErbVO nicht gelten, weil eine GV nach der ErbVO von der RW abhängig ist und nicht zur Begründung einer solchen beitragen kann.
4. Zusammenfassende Stellungnahme Anhand ausgewählter Fragestellungen wurde erörtert, inwiefern die Regeln zur RW und zur GV in einer Rom 0-VO bzw. einer Brüssel 0-VO einheitlich geregelt werden könnten. Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, sind einige Aspekte der RW und der GV einer Grundnorm zugänglich. Dies betrifft vor allem die Verweisungsregeln für die materielle Gültigkeit der RW und der GV. Des Weiteren ist eine allgemeine, wenn auch nur rudimentäre Regelung zur ausdrücklichen und konkludenten Erklärung der RW denkbar. Hinsichtlich anderer Aspekte ist eine einheitliche und abschließende Regelung unwahrscheinlich: So kommt für die Frage der Zulässigkeit der RW und der GV nur ein RegelAusnahme-Prinzip in Frage, zu dem die materienspezifischen VO verschiedene Vorbehalte vorsehen müssten. Im Vergleich zur jetzigen Rechtslage wäre nur punktuell ein Mehrwert zu erzielen. Meines Erachtens überwiegen daher im Gesamten die Argumente gegen die Abspaltung der Regeln zur RW und zur GV in einer Rom 0-VO bzw. einer Brüssel 0-VO. So lautet auch der Befund im Schrifttum, der sich überwiegend gegen eine Regelung der RW bzw. der GV in einem allgemeinen Teil ausspricht.122 Ein Großteil des festgestellten Regelungsbedarfs (etwa die punktuellen Unterschiede in den Entscheidungsnormen zur formellen Gültigkeit oder das Fehlen einer expliziten Regelung zum Gül120 Vgl. auch Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 305: „Die […] rechtsgebietspezifischen Unterschiede wären aber schwer abzubilden und würden insbesonders im Hinblick auf die konkreten Anforderungen an die konkludente Rechtswahl für Verunsicherung sorgen“. 121 Ebenso Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 221; auch Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 304, wertet die konkreten Kriterien der Schlüssigkeit als materienspezifisch. 122 Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt, S. 4; Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 155, S. 179; ders., JPIL 12 (2016), 468 f.; Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 232; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 314 f.; differenzierend Mansel, in: Leible/ Unberath, S. 291 (nur die rechtsgeschäftlichen Aspekte) und Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 216, 224 f.
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tigkeitsstatut) betrifft bei genauerer Betrachtung die einzelnen materienspezifischen VO und kann durch Verbesserungen dieser VO eher gelöst werden als über eine Rom 0-VO bzw. eine Brüssel 0-VO.123 Obgleich dieser Bedenken zur Abspaltung der Regelungen zur Parteiautonome ist die Idee eines „Allgemeinen Teils“ grundsätzlich zu begrüßen, um andere Grundregeln des EU‑IPR/-IZVR einheitlich und systematisch vor die Klammer zu ziehen (etwa die Regeln zum ordre public oder zur Qualifikation).124 Der genaue Inhalt und Regelungsgegenstand eines Allgemeinen Teils bedarf freilich noch gesonderter und umfassender Untersuchung. Sinnvoll ist ein „Allgemeiner Teil“ statt in einer getrennten „Komplementärverordnung“125 auch als erster Abschnitt in einer Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR.126 Dieser nächste Schritt im Kohärenz- und Vereinheitlichungsdiskurs wird im Folgenden näher erörtert.
II. Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung in einer Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR 1. Vorüberlegungen Als zweite Möglichkeit zur Steigerung der inneren Kohärenz wird die Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR diskutiert.127 Dieses Regelungsmodell ist indes keine Neuheit: Gesamtkodifikationen zum IPR und zum IZVR gibt es in vielen nationalen Rechtsordnungen inner- und außerhalb der EU128 und wissenschaftliche Beiträge hierzu reichen bis in vergangene Jahrhunderte zurück.129 123 So
auch im Ergebnis Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 225 und Ömür, Rechtswahl als Rechtsgeschäft 232; siehe zu Reformvorschlägen für die einzelnen VO unten § 5 B. III. 124 Siehe oben § 5 B. A. 1. 125 R. Wagner, in: Leible/Unberath, S. 67. 126 Wilke, GPR 2012, 341; Leible/Müller, Yearbook of Private International Law 14 (2012/2013), 139: „[…] the first step towards a full-blown conflict of laws codification in the future“; Mansel/Thorn/R. Wagner, IPRax 2013, 2: „Ankerpunkt für die Zusammenführung der Einzelverordnungen in eine Gesamtkodifikation“; Kadner Graziano, Gemeinsame oder getrennte Kodifikation von IPR und IZVR, in: von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (2015), S. 44 (S. 52). 127 Siehe etwa die zahlreichen Beiträge in Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzzetto, Quelle architecture pour un code européen de droit international privé? (2011); Wiedemann, Convergence and Divergence in the EU’s Judicial Cooperation in Civil Matters: Pleading for a Consolidation through a Uniform European Conflict’s Codification, in: de Almeida Ribeiro/de Sequeira (Hrsg.), Católica Graduate Legal Research Conference 2014 – Conference Proceedings (2014), S. 175 (S. 196 ff.). 128 Beispielsweise in Belgien, Italien, Ungarn, Québec und in der Schweiz; siehe im Überblick Kadner Graziano, in: von Hein/Rühl, S. 45 ff. 129 Neben der Antrittsvorlesung von Mancini, Journal du droit international privé 1874, 221 ff. verdient besondere Hervorhebung der 816 Artikel umfassende Entwurf eines Europäi-
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Im Wesentlichen soll das Konzept der Gesamtkodifikation auf die Ausarbeitung eines einzigen, umfassenden Regelungswerkes hinauslaufen.130 Die Vorteile dieses Vorschlags sind offensichtlich: Die Zusammenfassung des zersplitterten Acquis würde zu einer besseren Systematisierung und Übersichtlichkeit des EU‑IPR/-IZVR führen; auch wäre im Vergleich zu der Gemengelage der einzelnen materienspezifischen VO eine stärkere Sichtbarkeit des EU‑IPR/-IZVR in der Praxis und Wissenschaft gegeben.131 Womöglich käme einem solchen Gesamtrechtsakt auch eine Vorbildrolle außerhalb der EU für die Kodifikation von nationalem IPR zu,132 so wie es etwa bei der Schweizer Gesamtkodifikation zu beobachten ist.133 Aus praktischer Sicht wird als Vorteil für die Erfassung des unionalen IPR und IZVR auch die bessere Zugänglichkeit angeführt.134 Schließlich könnte eine höhere Normtransparenz erzielt werden, die die Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung erleichtern würde. Andererseits ist ein solches Großprojekt mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden. Wie schon bei der Diskussion um einen „Allgemeinen Teil“135 ist auch im Hinblick auf eine Gesamtkodifikation fraglich, ob und wie der derzeitige institutionelle Rahmen der EU für einen solchen Rechtsakt tauglich ist. Diese Problematik betrifft insbesondere die Rolle des besonderen Gesetzgebungsverfahrens für familienrechtliche Angelegenheiten sowie die Verstärkte Zusammenarbeit für die Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen.136 Bei aller Einheitseuphorie darf auch nicht übersehen werden, dass völkerrechtliche Rechtsakte wie das HUP und andere Abkommen der Haager Konferenz weiterhin bestehen bleiben, sodass die Rechtsquellenpluralität im IPR/IZVR trotz EU‑Gesamtkodifikation nicht (vollständig) beseitigt wäre. Normenkon-
schen Internationalen Privatrechtsgesetzes von Frankenstein (Projet d’un code européen de droit international privé) aus 1950, der seine Motivation im Vorwort wie folgt erläutert: „La reconstruction européenne exige la coopération de tous, et spécialement celle des juristes internationaux. C’est dann cette conviction que je me suis décidé, en 1939, dans les premières semaines de la guerre, à commencer l’élaboration du présent projet“. 130 Zu den möglichen Auffassungen des Konzepts „Kodifikation“ siehe Fiorini, Qu’y at-il en un nom?, in: Fallon u. a. (Hrsg.), Quelle architecture pour un code européen de droit international privé? (2011), S. 27 (S. 31 ff.); Kramer u. a., Ein europäischer Rahmen für das internationale Privatrecht: gegenwärtige Lücken und Perspektiven für die Zukunft (2012) 101 ff. 131 Kieninger, Das Europäische IPR vor der Kodifikation?, in: FS von Hoffmann (2011), S. 184 (S. 195 f.). 132 Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 727 f.; vgl. auch Fiorini, in: Fallon u. a., S. 40: „valeur symbolique supérieure à tout autre type de législation“. 133 Siehe näher Kadner Graziano, in: von Hein/Rühl, S. 46 f. 134 Kieninger, in: FS von Hoffmann, S. 194; Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 728 f.; vgl. auch zum EU‑IZVR Hess/T. Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I‑Regulation (EC) No 44/2001 Rn. 48: „not to create too many parallel instruments for international settings“. 135 Siehe oben § 5 B. I. 1. 136 Zu den politischen und institutionellen Hindernissen einer Gesamtkodifikation siehe Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 732 ff.
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flikte zwischen Völkerrecht, Unionsrecht und nationalem Recht wären ebenso weiterhin vorhanden.137 Zu bedenken ist schließlich, dass der Begriff „Kodifikation“ im Sinne eines Gesetzbuches primär kontinentaleuropäisch geprägt ist. Daher wird gegen eine Gesamtkodifikation eingewendet, dass sie jene Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnungen vom Common Law geprägt sind und die keine starke Kodifizierungstradition kennen, kaum anspreche würde.138 Ungeachtet dieser Schwierigkeiten wird die Kodifikationsidee im Schrifttum als ein prinzipiell zu begrüßendes „Fernziel“139 aufgenommen, dessen Zeit aber noch nicht reif sei.140 Großteils wird vorgeschlagen, die bisher unionsrechtlich noch nicht erschlossenen Rechtsgebiete zu regeln,141 bevor die Arbeiten an einer Gesamtkodifikation in Angriff genommen werden.142 Für die vorliegende Untersuchung stellt sich im Familien- und Erbrecht das Problem, dass viele Bereiche – nicht zuletzt wegen der besonders eklatanten Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen und den divergierenden rechtspolitischen Ansichten – noch EU-kollisionsrechtlich ungeregelt sind.143 Daher haftet den derzeitigen Überlegungen zur Gesamtkodifikation mangels eines umfassenden Bestands des EU‑IPR/-IZVR eine gewisse Unvollständigkeit an.144 Als weitere familienrechtliche Regelungsbereiche sind etwa das Bestehen des familienrechtlichen Status (Eheschließung, Kindschaft, eingetragene Partnerschaft usw.) und das Namensrecht zu nennen; letzteres ist aber bereits durch richtungsweisende Urteile des EuGH weitgehend unionsrechtlich determiniert worden.145 137 Kieninger, in: FS von Hoffmann, S. 189: die Gesamtkodifikation sei daher „kein Allheilmittel“. 138 Siehe Czepelak, Would We Like to Have a European Code of Private International Law?, ERPL 2010, 705 (725 f.); Fiorini, in: Fallon u. a., S. 41 ff.; krit. auch Basedow, RabelsZ 75 (2011), 672. 139 Wilke, GPR 2012, 340; vgl. auch Campuzano Diaz, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 252 f.: „In the future, when the negotiation of all of the pieces of this fragmentary system is concluded, EU institutions should consider the possible compilation of this system into a single text“. 140 Czepelak, ERPL 2010, 727 f.: „a natural culmination of the recent development“; Kieninger, in: FS von Hoffmann, S. 197: „lohnendes nächstes Ziel“; Basedow, in: von Hein/Rühl, S. 9; Dutta, in: von Hein/Rühl, S. 42 f.: „Streben […] nach einer rechtsgebietsübergreifenden Konsolidierung […] sehr viel bedeutsamer“. 141 Basedow, in: von Hein/Rühl, S. 9; Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 739 ff.; für eine umfassende Aufstellung der bisher ungeregelten Materien im EU‑IPR/-IZVR siehe die vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebenen Studie von Kramer u. a., Ein europäischer Rahmen für das internationale Privatrecht: gegenwärtige Lücken und Perspektiven für die Zukunft 115 ff. 142 Siehe auch Kramer u. a., Ein europäischer Rahmen für das internationale Privatrecht: gegenwärtige Lücken und Perspektiven für die Zukunft 104: „Die Behebung dieser Lücken sollte gegenüber der Frage, ob ein Gesetzbuch nötig ist oder nicht, vorrangig behandelt werden“. 143 Basedow, in: von Hein/Rühl, S. 9. 144 Vgl. bereits Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt, S. 2. 145 EuGH 2.10.2003, C-148/02, Garcia Avello ECLI:EU:C:2003:539; 14.10.2008,
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Sinnvoll ist die Zusammenführung der Teilregelungswerke vor allem dann, wenn zum einen der Bestand im Vorfeld eingehend überprüft wird und zum anderen hinreichende Erfahrung über die praktische Anwendung der VO vorliegt.146 Ansonsten würde sich das kodifizierte Gesamtergebnis nicht als kohärentes Ganzes, sondern als fehlerhafte Gemengelage erweisen, das sachliche und praktische Probleme aus den Teilbereichen übernehmen würde. Insbesonders im Lichte der hier untersuchten familien- und erbrechtlichen EU‑VO ist es daher sinnvoll, die ersten Überprüfungsrunden dieser jungen VO abzuwarten. Im Folgenden sollen dennoch einige ausgewählte, im Schrifttum thematisierte Fragestellungen zu einer Gesamtkodifikation skizziert und durch eigene, freilich nicht abschließende Überlegungen ergänzt werden.
2. Mögliche Eckpunkte und Grundüberlegungen für eine Gesamtkodifikation Zunächst ist aus struktureller Sicht zu überlegen, ob mit „Gesamtkodifikation“ eine gemeinsame oder getrennte Erfassung des IPR und des IZVR zu vollziehen ist. Für eine gemeinsame Erfassung spricht nicht nur die Struktur zahlreicher nationaler Kodifikationen,147 die insofern als Anhaltspunkt berücksichtigt werden können, sondern auch die Tendenz der jüngsten EU‑VO, die kollisions- und verfahrensrechtliche Teile enthalten und somit gewissermaßen bereits Ausdruck einer Gesamtkodifikationsidee sind. Diese müssten folglich nicht in IPR- und IZVR‑Teile zerlegt werden. Zwar stellt die Regelung von IPR- und IZVR‑Aspekten in einem gemeinsamen Rechtsakt im gesamten Spektrum der EU‑VO eine Ausnahme dar, doch könnte eine Aufteilung in zwei getrennte Gesamtrechtsakte unnötige Widersprüche hervorrufen und die Übersichtlichkeit beeinträchtigen. Eine Kodifikation des EU‑IPR und des EU‑IZVR in einem Gesamtrechtsakt erscheint daher grundsätzlich vorzugswürdiger.148
C-353/06, Grunkin Paul ECLI:EU:C:2008:559. Siehe aber die zahlreichen Beiträge und Regelungsvorschläge für ein internationales Europäisches Namensrecht in Dutta/Helms/Pintens, Ein Name in ganz Europa: Vorschläge für ein internationales Namensrecht der Europäischen Union (2016). 146 Vgl. Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 735; auch McGuire, ecolex 2011, 221 bezieht sich im Kontext einer IZVR‑Kodifikation auf „erprobte, teilweise bereits mehrfach revidierte Rechtsakte“, um späteren Änderungsbedarf zu begrenzen. In diesem Kontext ist das universitätsübergreifende und von der Kommission in Auftrag gegebene EUPILLAR‑Projekt anzuführen, welches zum Ziel hat, die wichtigsten EU‑Rechtsinstrumente zum IPR und IZVR hinsichtlich ihrer Bewährung in der Rechtsanwendung zu evaluieren; siehe hierzu von Hein, EUPILLAR – Einführung in ein internationales Forschungsprojekt, ZVglRWiss 115 (2016), 483 (483 ff.). 147 Siehe oben Fn. 128. 148 Kadner Graziano, in: von Hein/Rühl, S. 56 ff., 59, in Anlehnung an die Struktur des schweiz. IPRG; für eine gemeinsame Erfassung des IPR und IZVR auch Wiedemann, in: de Almeida Ribeiro/de Sequeira, S. 195.
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Sodann ist zu untersuchen, welche Gliederungs- und Unterteilungsmöglichkeiten in Frage kommen.149 Auf generelle Zustimmung150 trifft die Aufnahme eines „Allgemeinen Teils“ bzw. „gemeinsamer Bestimmungen“151, wie bereits im Rahmen der Diskussion zur Rom 0-VO und zur Brüssel 0-VO angesprochen wurde. Für diesen Regelungsinhalt kann insofern auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Nach der hier vertretenen Ansicht sollten die RW und die GV nicht in einem solchen „Allgemeinen Teil“ erfasst werden.152 Eine Ausnahme besteht in Bezug auf die formellen Gültigkeitsvoraussetzungen der RW und der GV; hier könnten im Rahmen von Begriffsbestimmungen153 Definitionen z. B. zur Schriftform und elektronischen Übermittlung aufgenommen werden. Hinsichtlich des „Besonderen“ Teils einer Gesamtkodifikation besteht soweit ersichtlich keine Einigkeit darüber, ob zuerst ein verfahrensrechtlicher Abschnitt und danach ein kollisionsrechtlicher Abschnitt normiert werden soll, oder ob eine Aufgliederung nach Rechtsmaterien (Schuldverhältnisse, Familienrecht, Erbrecht usw.) zu bevorzugen ist. In der ersten Variante würde zunächst eine Einteilung in IZVR/IPR und innerhalb dieser zwei Abschnitte eine materienspezifische Unterteilung (Zuständigkeit in allgemeinen Zivil- und Handelssachen, Zuständigkeit in Erbrechtssachen bzw. Kollisionsrecht vertraglicher Schuldverhältnisse, Kollisionsrecht in Ehesachen usw.) vorgenommen werden,154 149 Siehe zu Strukturvorschlägen Corneloup/Nourissat, Quelle structure pour un code européen de droit international privé?, in: Fallon u. a. (Hrsg.), Quelle architecture pour un code européen de droit international privé? (2011), S. 257 (S. 266 ff.). 150 Corneloup/Nourissat, in: Fallon u. a., S. 265 f.; Kadner Graziano, in: von Hein/Rühl, S. 52; einen ersten Abschnitt zu allgemeinen Bestimmungen enthält auch der Entwurf von Frankenstein, Projet d’un code européen de droit international privé 17 ff. 151 So die Bezeichnung des 1. Kapitels im schweiz. IPRG, die mitunter gegenüber „Allgemeiner Teil“ bevorzugt wird; siehe Corneloup/Nourissat, in: Fallon u. a., S. 265: „dispositions communes“. 152 So erfassen auch die verschiedenen Vorschläge von Corneloup/Nourissat (in: Fallon u. a., S. 266 f.) keine Regeln zur RW und zur GV; hingegen schlägt Lagarde (in: Fallon u. a., S. 373; ders., RabelsZ 75 (2011), 675) für den Allgemeinen Teil einer Gesamtkodifikation die Aufnahme einer allgemeinen Rechtswahlnorm vor, die stark am „accord procédural“ des französischen Rechts angelehnt ist und die es den Parteien im Wesentlichen ermöglicht, sich mittels Wahl der lex fori im Prozess über die Kollisionsnormen „hinwegzuwählen“. Dieses Regelungsmodell ist für das EU‑Kollisionsrecht aber abzulehnen; siehe Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 245; Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht und ausländisches Recht im nationalen Zivilverfahren (2011) 420. Zur Ähnlichkeit des Art. 7 Abs. 1 HUP mit dem „accord procédural“ siehe § 3 A. II. 2. b). 153 Vgl. dazu Corneloup/Nourissat, in: Fallon u. a., S. 266 f. 154 So die Vorschläge von Rauscher, Ein „Code of EU‑Conflict Law“?, in: FS Machacek und Matscher (2008), S. 665 (S. 675 ff.); Wiedemann, in: de Almeida Ribeiro/de Sequeira, S. 197 f. Im Entwurf von Frankenstein (Projet d’un code européen de droit international privé 134 ff.) ist das IZVR großteils in einem eigenen Abschnitt geregelt („De la procédure civile“, Art. 629–766); im Übrigen folgt der Entwurf aber einer Gliederung nach Rechtsmaterien, die überwiegend IPR‑Regeln und teilweise auch Zuständigkeitsregeln enthalten (z. B. Art. 109– 123 zum Eheschließungsstatut und Art. 124 zur Zuständigkeit für Ehegültigkeitsfragen).
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wie es etwa dem italienischen IPRG entspricht.155 Die zweite Variante – der z. B. das belgische IPRG folgt – ist genau umgekehrt strukturiert: Zunächst würde eine Unterteilung in Rechtsmaterien (Zivil- und Handelssachen, Familienrecht, Erbrecht usw.) vorgenommen und innerhalb dieser Abschnitte jeweils das IZVR und das IPR geregelt werden,156 wie es auch der Struktur der ErbVO, der InsVO und der Güterrechtsverordnungen entspricht. Somit bestünde der „Besondere Teil“ in dieser Variante gewissermaßen aus einer Aneinanderreihung von materienspezifischen „Teilverordnungen“, allerdings in breiteren Unterteilungen als in den derzeitigen VO. So könnte ein Abschnitt zu den Ehesachen die Rom III‑VO, die Brüssel IIa-VO und die Güterrechtsverordnungen gruppieren.157 Dieses zweite Gliederungsmodell ist m. E. vorzugswürdiger, weil die Strukturierung anhand in sich geschlossener Regelungsbereiche der Kohärenz dienlicher ist als eine primäre Aufteilung in IPR/IZVR, die mitunter auch der Systematik mancher Bereiche nicht gerecht werden würde. Dies trifft besonders auf die familien- und erbrechtlichen EU‑VO zu, denen eine Verknüpfung zwischen IPR und IZVR gemeinsam ist (Wahl der lex fori im HUP im Zusammenspiel mit der UntVO; Wahl der lex fori in der Rom III‑ VO im Zusammenspiel mit der Brüssel IIa-VO; rechtswahlakzessorische GV in den Güterrechtsverordnungen und der ErbVO). Bei einer Gliederung in einen IZVR- und einen IPR‑Block ist eine Voranstellung von Generalnormen zur Parteiautonomie jeweils zu Beginn, d. h. den rechtsgebietsspezifischen IZVR- und IPR‑Teilen vor die Klammer gezogen, nicht sinnvoll, weil solche Generalnormen ausgehend vom derzeitigen Stand der Rechtswahl- und Gerichtsstandsregeln nur mit einem sehr geringen Regelungsumfang möglich sind.158 Folglich ist für die Eingliederung der Regeln zur RW und zur GV, die überwiegend materienspezifisch zu betrachten sind, die Strukturierung nach Rechtsmaterien anstatt einer Aufspaltung in IZVR und IPR im Ergebnis besser.
3. Zusammenfassende Stellungnahme Eine Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR wäre zweifelsohne ein äußerst ambitioniertes Gesetzgebungsprojekt. Bei gegenwärtiger und auch mittelfristiger Einschätzung ist die Verwirklichung eines solchen Großvorhabens jedoch unwahrscheinlich. Neben dem Umstand, dass viele Rechtsmaterien bislang noch nicht unionsrechtlich erschlossen sind, ist auch die herausfordernde politische Konsensfindung zu bedenken. Die Genese der Rom III‑VO und der Güterrechtsverordnungen hat verdeutlicht, wie schwer es sich gestalten kann, 155 In
diesem folgt auf einen „Allgemeinen Teil“ („Disposizioni generali“) ein Abschnitt zum Zuständigkeitsrecht („Giurisdizione italiana“) und zum IPR („Diritto applicabile“). 156 So die Vorschläge von Corneloup/Nourissat, in: Fallon u. a., S. 272 ff. 157 Siehe noch ohne Berücksichtigung der Güterrechtsverordnungen Corneloup/Nourissat, in: Fallon u. a., S. 278. 158 Siehe oben § 5 B. I.
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eine Einigung der Mitgliedstaaten bzw. eine Kompromisslösung zu erzielen. Ein kolossales Werk wie die Gesamtkodifikation wäre dementsprechend mit umso größeren Hürden konfrontiert. Langfristig betrachtet hat dieses Modell trotz unionspolitischer Schwierigkeiten durchaus seine Berechtigung.159 Die Rolle der Parteiautonomie ist freilich nur eine von vielen Fragen, die sich in diesem großen Rahmen stellen. Bei der Eingliederung der Regeln zur RW und zur GV sollte aber vor allem dem Zusammenspiel zwischen IZVR und IPR und den materienspezifischen Besonderheiten Rechnung getragen werden. Wie es McGuire160 abschließend auf den Punkt bringt, ist das Ziel in der Kohärenz- und Vereinheitlichungsdiskussion „nicht absolute Vollständigkeit, aber immerhin Konsistenz“. Ein Mehr an Konsistenz ist indes nicht auf eine Gesamtkodifikation angewiesen, sondern kann – wie schon im Zusammenhang mit einem „Allgemeinen Teil“ des EU‑IPR/-IZVR angemerkt – in bestimmtem Ausmaß auch im Wege von Novellierungen der Teilverordnungen erzielt werden. Dies ist in Bezug auf die familien- und erbrechtlichen EU‑VO Gegenstand der folgenden Ausführungen.
III. Sektorielle Vereinheitlichung und Kohärenz: Reformvorschläge für die familien- und erbrechtlichen EU‑VO de lege ferenda 1. Vorbemerkungen Die dritte Möglichkeit, die im Vereinheitlichungs- und Kohärenzdiskurs vorgeschlagen wird, ist die sektorielle Konsolidierung des EU‑IPR/-IZVR. Hierbei soll durch Abstimmung der einzelnen Rechtsakte untereinander eine „horizontale Kohärenz“161 erzielt werden, wobei es im Unterschied zu den anderen beiden besprochenen Möglichkeiten hier keine eigene (neue) Kodifikation geben soll.162 Diese Anpassungen durch Novellierungen der einzelnen VO sind einer mittelfristig kaum realisierbaren Gesamtkodifikation vorzuziehen. Es sollen Normwidersprüche und Lücken in den VO und im Verhältnis zueinander durch Reformen der einzelnen Rechtsakte beseitigt werden. Hierbei können die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit zu den familien- und erbrechtlichen EU‑VO einfließen. Aus den Erkenntnissen der vorangegangen Abschnitte § 3 159 Vgl.
C. Kohler, Musterhaus oder Luftschloss? Zur Architektur einer Kodifikation des Europäischen Kollisionsrechts, IPRax 2011, 419 (420): „[…] dessen Berechtigung nicht davon abhängt, ob es in der gegenwärtigen politischen Konjuktur innerhalb der Union Chancen auf die Verwirklichung hat“. 160 McGuire, ecolex 2011, 221 f. 161 Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 742 schlagen diesen Schritt („horizontal coherence“) zur Konsolidierung des bestehenden Acquis vor; vgl. auch zu Art. 23 EuGVVO a. F., Art. 4 UntVO und Art. 3a des Reformvorschlages zur Brüssel IIa-VO aus 2006 Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 634: „Durch Änderungen de lege ferenda könnten die Regelungen noch weiter aneinander angenähert werden“. 162 Basedow, in: von Hein/Rühl, S. 8.
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
und § 4 werden im Folgenden konkrete Reformvorschläge im Hinblick auf zukünftige Novellierungen der untersuchten EU‑VO formuliert.
2. Zulässigkeit a) HUP: Aufhebung des Rechtswahlverbots in Bezug auf geschäftsunfähige Erwachsene In der vorliegenden Untersuchung wurde bei den Zulässigkeitsbestimmungen des HUP ein Reformbedarf in Bezug auf den Rechtswahlausschluss des Art. 8 Abs. 3 2. Fall HUP aufgezeigt.163 Diese Bestimmung schließt eine RW bei Unterhaltspflichten in Bezug auf geschäftsunfähige Erwachsene vollkommen aus. Dabei handelt es sich um ein Spezifikum des HUP; kein genuin unionaler IPRoder IZVR‑Rechtsakt kennt einen solchen Rechtswahlausschluss. Eine Übernahme in die UntVO, um einen Gleichlauf mit dem HUP (bzw. dem HUntGÜ 2007) zu erzielen,164 empfiehlt sich m. E. nicht. Die Intentionen der Haager Konferenz können mit den Regelungsabsichten des Unionsgesetzgebers nicht ohne Weiteres gleichgeschaltet werden. Außerdem besteht wie schon ausgeführt165 für ein Rechtswahl- bzw. Prorogationsverbot in Bezug auf geschäftsunfähige Erwachsener kein Bedarf, weil das nationale Recht bereits Schutzmechanismen kennt (insbesondere die Sachwalterschaft und andere Formen der Erwachsenenvertretung) und damit einen Ausgleich zwischen den regelmäßig auftretenden Interessenskollisionen schaffen kann. Dies entspricht auch der Rechtslage in anderen Materien, die kein entsprechendes Rechtswahlverbot kennen und die Frage der ausreichenden Geschäftsfähigkeit bzw. der wirksamen Stellvertretung dem nationalem Recht unterstellen. Der Rechtswahlausschluss in Art. 8 Abs. 3 HUP ist nach der hier vertretenen Auffassung somit überschießend und sollte aufgehoben werden.
b) UntVO: Novellierung des Ehegattengerichtsstands in Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO Wie in § 4 ausgeführt, gewährt die UntVO in Art. 4 Abs. 1 lit. a und lit. b die großzügigsten Prorogationsmöglichkeiten der hier untersuchten Rechtsakte, die zudem effektiv mit den Kollisions- bzw. Rechtswahlregelungen des HUP koordiniert sind. Im Grunde ist die UntVO aus Sicht der Parteiautonomie daher nicht zu beanstanden. Ein wesentlicher Kritikpunkt betrifft aber die Gerichtsstände für den Ehegattenunterhalt in Art. 4 Abs. 1 lit. c UntVO. Insbesonders 163
Siehe oben § 3 A. II. 2. d). den Textvorschlag des Rates vom 20.12.2006, der sich an Art. 3 lit. f. HUntGÜ 2007 orientierte: (abgefragt am 13.9.2018). 165 Siehe oben § 3 A. II. 1. e). 164 Siehe
B. Mögliche Lösungswege
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ist lit. c sublit. ii) zu kritisieren, weil die Voraussetzung des mindestens einjährigen gewöhnlichen Aufenthalts zu streng ist und sich als erschwerend für die Gestaltungspraxis erweist.166 De lege ferenda sollte diese ungerechtfertigte Benachteiligung der Ehegatten behoben werden. Konkret sollte lit. c sublit. ii) gestrichen werden und lit. c nur die zusätzliche Prorogationsmöglichkeit zur Zuständigkeit in Ehesachen normieren. Auch sollte ausdrücklich festgehalten werden, dass lit. a–c kumulative Optionen aufstellen. Art. 4 Abs. 1 UntVO könnte daher wie folgt angepasst werden: „Artikel 4 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) […] c) hinsichtlich Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder früheren Ehegatten außerdem das Gericht, das für Streitigkeiten zwischen den Ehegatten oder früheren Ehegatten in Ehesachen zuständig ist. […]“
c) Rom III‑VO: Erweiterung der Wahlmöglichkeiten in Art. 5 Rom III‑VO Es wurde festgestellt, dass manche Wahltatbestände des Art. 5 Abs. 1 Rom III‑ VO im Vergleich zu den anderen familienrechtlichen Rechtsakten restriktiv sind.167 Insbesondere ist die Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt nur einer Partei derzeit nicht möglich. Diese Beschränkung führt zu praktischen Koordinierungsproblemen mit den Rechtswahlmöglichkeiten der anderen Rechtsakte und sollte daher behoben werden. Konkret sollte eine Anpassung an den liberaleren Entwicklungsstand der jüngeren VO vorgenommen werden. Als Vorbild dienen insofern die nach der Rom III‑VO erlassenen Güterrechtsverordnungen, die der RW liberal gegenüberstehen und in Art. 22 gleichermaßen die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten genügen lassen. Ebenso ist in Art. 4 Abs. 1 lit. a–b UntVO, die gleichsam einseitig auf den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Staatsangehörigkeit einer Partei abstellen, ein Vorbild für eine einheitliche, liberalere Regelung der Parteiautonomie in den familien- und erbrechtlichen VO zu sehen.168 Eine Anpassung des Art. 5 Rom III‑VO kann daher dahingehend lauten, dass Abs. 1 lit. a–b zu einer großzügigeren lit. a (gewöhnlicher Aufenthalt nur einer Partei) fusioniert werden. Des Weiteren wurde im Zusammenhang mit der Wahl der lex fori nach Art. 5 Abs. 1 lit. d Rom III‑VO eine missverständliche Formulierung der deutschen Sprachfassung konstatiert.169 Dem Vorschlag von Wandt170 folgend würde eine 166 167
Zum Ganzen siehe oben § 3 A. II. 1. d) und § 4 B. I. 2. a). Siehe oben § 4 B. I. 1. a). 168 Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 159; ders., JPIL 12 (2016), 490; zur Vorbildwirkung der UntVO siehe auch Gruber, IPRax 2010, 139. 169 Siehe oben § 3 B. II. 2. d). 170 Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 60.
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Korrektur der Formulierung („das Recht eines bestimmten Staates, dessen Gericht angerufen ist oder angerufen wird“) für Klarheit sorgen. Unter Zugrundelegung der bisherigen Ausführungen könnte Art. 5 Rom III‑VO wie folgt novelliert werden: „Artikel 5 – Rechtswahl der Parteien (1) […] a) das Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder c) das Recht eines Staates, dessen Gericht angerufen ist oder angerufen wird. […]“ Ein weiterer Kritikpunkt der Rom III‑VO betrifft die Vornahme einer RW im Verfahren. Die Regelung der Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Rom III‑VO erweist sich für die Praxis als hinderlich und zu restriktiv, weil die Möglichkeit der RW im Verfahren den nationalen Regelungen überlassen ist, die bislang aber nur von wenigen teilnehmenden Mitgliedstaaten eingeführt wurden. Eine verordnungsautonome einheitliche Regelung, wonach die Wahl des Scheidungsrechts auch noch während des Verfahrens zulässig ist, würde diese Unsicherheiten beseitigen. Als Verbesserungsvorschlag, der sich an Art. 3 Abs. 2 Rom I‑VO anlehnt, könnten Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Rom III‑VO dahingehend zusammengeführt werden, dass eine RW jederzeit geschlossen oder geändert werden kann; bis zu welchem Verfahrensstadium eine RW oder eine Änderung derselben spätestens möglich ist, würde sich – als prozessuale Frage – nach dem Recht des angerufenen Gerichts bestimmen.171 Wie ausgeführt,172 ist eine RW im Verfahren gerade im Scheidungsrecht besonders relevant. Für die Rom III‑VO kann ein konkreter Formulierungsvorschlag wie folgt lauten: „Artikel 5 – Rechtswahl der Parteien […] (2) Eine Rechtswahlvereinbarung kann jederzeit geschlossen oder geändert werden. Wird die Rechtswahl vor Gericht im Laufe des Verfahrens geschlossen oder geändert, nimmt das Gericht die Rechtswahl im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll.“ Die Rechtswahlmöglichkeiten des Art. 5 Rom III‑VO sind de lege lata im Kontext der Brüssel IIa-VO zu sehen und an ihr ausgerichtet. Die vorgeschlagene Änderung des Art. 5 Abs. 1 lit. a–b Rom III‑VO würde daher auch eine Ände171 So im Ergebnis auch der Vorschlag von Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 101, 105 f. 172 Siehe oben § 4 B. III. 1.
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rung des Art. 3 Brüssel IIa-VO nach sich ziehen, um einen Gleichlauf von forum und ius zu ermöglichen. Auf entsprechende Reformvorschläge zur Brüssel IIaVO wird im Folgenden eingegangen.
d) Brüssel IIa-VO: Novellierung des Gerichtsstandskatalogs und Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit Dass eine Revision der Zuständigkeitsregeln in Ehesachen der Brüssel IIaVO längst überfällig ist, wurde im Schrifttum bereits konstatiert und auch in der vorliegenden Arbeit mehrfach hervorgehoben. Insbesonders wird die Einführung einer Prorogationsmöglichkeit in Ehesachen befürwortet, die die verfahrensrechtliche Parteiautonomie stärken und in Einklang mit den jüngeren EU‑VO (UntVO, ErbVO, EheGüVO und PaGüVO) stehen würde. Wie Lurger173 zu Recht anmerkt, wird in der Rom III‑VO anders als in der Rom I‑VO und der Rom II‑VO zwar mehrfach auf die lex fori Bezug genommen, doch sind der Gerichtsstandskatalog des Art. 3 Brüssel IIa-VO (Kläger- bzw. Antragstellerwahlrecht) und die objektive Anknüpfung in Art. 8 Rom III‑VO nicht parallel ausgestaltet. Es ist somit festzuhalten, dass für die Brüssel IIa-VO (zumindest) zwei Reformpunkte in Ehesachen in Betracht kommen: die Revision des Art. 3 und die Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit für Ehegatten, die mit den Rechtswahlmöglichkeiten des Art. 5 Rom III‑VO korreliert. Hinsichtlich des Gerichtsstandskataloges in Art. 3 Brüssel IIa-VO ist eine Reduktion der dem Kläger bzw. Antragsteller zur Verfügung stehenden Gerichtsstände sinnvoll. Art. 3 Brüssel IIa-VO sollte in Verbindung zu den objektiven Anknüpfungen des Art. 8 Rom III‑VO angepasst werden. Insbesonders sollten die problematischen Klägergerichtsstände in Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. und 6. Str. Brüssel IIa-VO gestrichen werden. Der Verzicht auf eine Rangordnung der Gerichtsstände sollte überdacht werden, weil mangels hierarchischer Struktur Raum für forum shopping besteht und die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit – und damit die Rechtssicherheit – in geringem Maße gewährleistet ist. Stattdessen könnte ein System an subsidiär zum Zug kommenden Gerichtsständen eingeführt werden, wie es in Art. 3 UntVO und Art. 6 EheGüVO der Fall ist. Eine hierarchische Struktur bietet zwar weniger Flexibilität als ein Katalog mit konkurrierenden Gerichtsständen, doch kann dafür eine Prorogationsmöglichkeit als Ausgleich dienen. Art. 6 EheGüVO würde sich hier als Vorbildregelung für die GV anbieten.174 Folglich sind nur Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. Str. (gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten)175, 2. Str. (letzter gewöhnlicher Aufenthalt 173 174
Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 209. Zum Zuständigkeitssystem der EheGüVO siehe oben § 3 C. II. 2. a). 175 Der Gerichtsstand im gemeinsamen Aufenthaltsmitgliedstaat der Ehegatten (Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. Str. Brüssel IIa-VO) mag neben dem Beklagtengerichtsstand (3. Str.) obsolet er-
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beider Ehegatten, den ein Ehegatte noch aufrecht hält), 3. Str. (forum rei) und 4. Str. (gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten bei gemeinsamer Antragstellung)176 beizubehalten. Art. 3 Abs. 1 lit. b (gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten) bliebe ebenso erhalten,177 sollte aber als letzte Alternative zum Zug kommen; dies entspricht der festgestellten Tendenz, der Staatsangehörigkeit bei der objektiven Anknüpfung bzw. bei den gesetzlichen Gerichtsständen nur eine subsidiäre (Auffang-)Rolle zuzuschreiben.178 Zur Gliederung dieser Gerichtsstände als „Kaskadenanknüpfung“ bietet sich eine Unterteilung in lit. a–e an. Des Weiteren sollte in den einzelnen Gerichtsständen klargestellt werden, dass – der bisherigen Auslegung des Art. 3 Brüssel IIa-VO und nun auch des Art. 6 EheGüVO/PaGüVO entsprechend – die relevanten Anknüpfungspunkte im Zeitpunkt der Gerichtsanrufung gegeben sein müssen.179 Aus den vorangegangenen Überlegungen lässt sich somit folgender Reformvorschlag für Art. 3 Brüssel IIa-VO konzipieren: „Artikel 3 – Allgemeine Zuständigkeit (1) […] a) in dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder andernfalls b) in dem die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder andernfalls c) in dem der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder andernfalls d) im Fall eines gemeinsamen Antrags, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder andernfalls e) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder, im Fall [des Vereinigten Königreichs180 scheinen, weil letzterer bereits den gewöhnlichen Aufenthalt nur eines Ehegatten in einem Mitgliedstaat genügen lässt. Dies trifft aber nur insoweit zu, als Art. 3 Brüssel IIa-VO de lege lata keine hierarchische Ordnung enthält und die genannten Gerichtsstände somit in Konkurrenz zueinander stehen. In der de lege ferenda vorgeschlagenen Fassung des Art. 3 Brüssel IIa-VO ist der Beklagtengerichtsstand (3. Str.) aber subsidiär zur gemeinsamen Aufenthaltszuständigkeit (1. Str.) und kommt somit nur dann zum Zug, wenn die Ehegatten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufhältig sind bzw. nur ein Ehegatte in einem Mitgliedstaat aufhältig ist. 176 Auch dieser Gerichtsstand würde sich durch die Einführung einer Prorogationsmöglichkeit nicht erübrigen; die „gemeinsame Antragstellung“ stellt gerade keine echte GV dar und ist als spezielle Zuständigkeitsregel für die einvernehmliche Scheidung, wie sie im nationalem Recht der Mitgliedstaaten geregelt ist, konzipiert; siehe oben § 3 B. II. 177 So auch Basedow, Revue critique de droit international privé 2010, 440. 178 Siehe oben § 4 B. V. 179 Siehe oben § 4 B. II. 2. 180 Zu den derzeit noch nicht feststehenden Folgen des Austrittsvotums siehe oben § 3 B. I. 1.
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und] Irlands, in dem sie zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihr gemeinsames ‚domicile‘ haben. […]“ Mit der vorgeschlagenen Reduktion der gesetzlichen Gerichtsstände in Art. 3 Brüssel IIa-VO sollte die Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit der Ehegatten einhergehen,181 die mit den Rechtswahlmöglichkeiten des Art. 5 Rom III‑VO in der de lege ferenda vorgeschlagenen Fassung übereinstimmt. Dementsprechend sollte sich der sachliche Anwendungsbereich der GV – wie schon im Reformvorschlag aus 2006 geregelt – nur auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, nicht aber auf die Ungültigerklärung der Ehe erstrecken. Denn letztere ist auch von der Rom III‑VO nicht erfasst.182 Durch die Einführung einer GV in einem Bereich, in dem es keine unionsrechtlich harmonisierten Kollisions- bzw. Rechtswahlregeln gibt, würde die Gefahr von forum shopping hervorgerufen werden. Als Vorbild für eine GV in der Brüssel IIa-VO können Art. 4 UntVO und Art. 8 HUP dienen, die hinsichtlich der kollisions- und verfahrensrechtlichen Parteiautonomie gut aufeinander abgestimmt sind und bei denen die parallele Ausgestaltung der Wahlmöglichkeiten den Gleichlauf von forum und ius durch einen vorzugswürdigen Mechanismus fördert.183 Abgesehen von der Möglichkeit, die Wahl der lex fori mit einer GV zu verbinden, sollte aber keine Dependenz zwischen diesen Vereinbarungen dahingehend bestehen, dass eine GV stets an eine RW gebunden ist (oder umgekehrt).184 Daher sind die Vorschläge, die für eine GV ausschließlich in Kombination mit einer Rechtswahlmöglichkeit zur lex fori plädieren,185 m. E. zu restriktiv. Zudem gehen sie von der pauschalen Annahme aus, dass die Parteien bei ihren Wahlentscheidungen stets strikten Gleichlaufserwägungen folgen. Die Anlehnung an Art. 4 UntVO würde bedeuten, dass die Ehegatten für Entscheidungen über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder 181 Ebenso Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen Rn. 31; Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 27; Lurger, in: von Hein/Rühl, S. 234. Auch Art. 3a des Reformvorschlages aus 2006 zur Brüssel IIa-VO sah in Abs. 1 vor, dass die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats nur bei einem „engen Bezug“ zu diesem Mitgliedstaat vereinbart werden könne; siehe KOM(2006) 399 endg. 15. Hingegen krit. zu den Beschränkungen der GV Kruger/Samyn, JPIL 12 (2016), 145; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 2. 182 Zum sachlichen Anwendungsbereich der Rom III‑VO oben § 3 B. I. 2. 183 Siehe oben § 4 B. I. 3. 184 Vgl. auch Raupach, Ehescheidung mit Auslandsbezug in der Europäischen Union 167 f. zum alten Reformvorschlag der Brüssel IIa-VO aus 2006. 185 Hau, Zur Maßgeblichkeit der lex fori in internationalen Ehesachen, in: FS Stürner (2013), S. 1237 (S. 1242); Mayer, in: Althammer, Art. 5 Rom III Rn. 27.
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dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, vereinbaren können. Die Anknüpfung an die mitgliedstaatliche Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten würde gemischtnationalen Ehen den Zugang zu den Gerichten und aufgrund der unterschiedlichen Zerrüttungskonzepte und Trennungsfristen einer rascher Scheidung erleichtern,186 zumal in Art. 3 Brüssel IIa-VO nur die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten zuständigkeitsbegründend wirkt, während die Staatsangehörigkeit eines Ehegahtten nur in Kombination mit dem gewöhnlichen Aufenthalt erwähnt wird. Die vorgeschlagenen einseitigen Anknüpfungen stellen im Vergleich zum Reformvorschlag der Brüssel IIa-VO aus 2006 einen relativ liberalen Vorschlag dar,187 der mit der traditionell restriktiven Haltung der meisten Mitgliedstaaten gegenüber verfahrensrechtlicher Parteiautonomie in Ehesachen brechen würde. Dies betrifft vor allem jene Mitgliedstaaten, die in Statussachen grundsätzlich keine GV für die internationale Zuständigkeit kennen oder für bestimmte Scheidungsverfahren eine amtswegige Verfahrenseinleitung vorsehen.188 Für die Berechtigung eines solchen Umschwungs lassen sich einige Gründe ins Treffen führen: Erstens geht mit einer GV eine höhere Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der internationalen Zuständigkeit einher.189 Insbesonders bei einer vorprozessualen GV kann – anders als de lege lata beim weitgehenden Klägerwahlrecht in Art. 3 Brüssel IIa-VO – im Vorhinein mit einem bestimmten Gerichtsstand gerechnet werden. Auch wenn in Scheidungskonflikten eine Vorabregelung der Zuständigkeit bzw. des anzuwendenden Rechts oft nicht erzielt werden kann,190 eröffnet eine GV zumindest die Möglichkeit einer vorausschauenden Planung.191 Mit einer GV würde die Brüssel IIa-VO den Planungsinteressen der Ehegatten daher besser entsprechen. Zweitens steht die Einführung einer GV mit der rezenten Entwicklung im familienrechtlichen EU‑IPR/-IZVR zur Stärkung parteiautonomer Entscheidungen in Einklang. Drittens spricht für eine GV das Zusammenspiel der anderen EU‑VO mit der Brüssel IIa-VO, auf deren Zuständigkeitsregeln mehrfach 186 Nademleinsky, EF‑Z 2011, 196; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 55. Aus diesem Grund wurde diese Prorogationsmöglichkeit im Reformentwurf zur Brüssel IIa-VO aus 2006 vorgeschlagen; siehe KOM(2006) 399 endg. 9, 16. Zur Kritik an Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO, dass gemischtnationale Ehen diskriminiert werden, siehe Simotta, in: Fasching/Konecny2 Art. 3 EuEheKindVO Rn. 161. 187 Vgl. hingegen den restriktiveren Vorschlag von Kruger/Samyn, JPIL 12 (2016), 163, der sich an den Reformvorschlag der Brüssel IIa-VO aus 2006 anlehnt. 188 Näher dazu oben § 3 B. II. 1. a). 189 Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Einl. Brüssel IIa-VO Rn. 55. 190 Feraci, Yearbook of Private International Law 16 (2014/2015), 114 f. 191 Mostermans, The impact and application of Brussels II bis Regulation in The Netherlands, in: Boele-Woelki/González-Beilfuss (Hrsg.), Brussels II bis: Its impact and Application in the Member States (2007), S. 217 (S. 230); Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht 526.
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Bezug genommen wird. So ermöglicht Art. 4 Abs. 1 lit. c sublit. i) UntVO die Koppelung der unterhaltsrechtlichen Zuständigkeit an jene der Brüssel IIa-VO. De lege lata führt dies dazu, dass die unterhaltsrechtliche Zuständigkeit weitgehend der einseitigen Disposition des Klägers bzw. Antragsstellers über Art. 3 Brüssel IIa-VO überlassen bleibt.192 Mit einer GV in der Brüssel IIa-VO besteht hingegen auch für diese Annexzuständigkeit eine höhere Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit, weil sie nicht der einseitigen Disposition eines Ehegatten unterliegt, sondern einer Einigung der Ehegatten bedarf. Viertens dient eine solche GV in Kombination mit der RW nach der Rom III‑VO der Sicherstellung eines Gleichlaufs von forum und ius. Von den vorgeschlagenen beschränkten Wahlmöglichkeiten würde keine übermäßige Missbrauchs- oder Manipulationsgefahr ausgehen, weil ein Ehegatte dem anderen Ehegatten kein völlig abgelegenes Forum wirksam aufzwingen könnte. Die eventuelle Gefahr der Übervorteilung eines Ehegatten sollte nicht der ausschlaggebende Grund dafür sein, a priori Wahlmöglichkeiten zu verwehren. Auch ist m. E. keine Gefährdung der Kindesinteressen im Wege der Verbundzuständigkeit nach Art. 12 Brüssel IIa-VO zu befürchten, wenn die GV auf einen bestimmten Kreis wählbarer Gerichtsstände begrenzt ist, die eine Sachnähe zur Lebensrealität der Ehegatten herstellen, die regelmäßig auch eine Sachnähe zum Kind bedeutet. Zudem sichert die Brüssel IIa-VO ohnehin, dass die Annexzuständigkeit mit dem Kindeswohl in Einklang steht: Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 Brüssel IIa-VO ermöglichen den Ehegatten zwar eine Disposition über die internationale Zuständigkeit für ein Sorgerechtsverfahren in Verbund zu einem Verfahren der Eheauflösung nach Art. 3,193 doch muss die Verbundzuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. b dem Kindeswohl entsprechen.194 Die Einführung einer GV in Ehesachen würde das Kindeswohl in Obsorgesachen daher bei Beibehaltung dieser Regelung nicht a priori gefährden. Über das Korrektiv des Art. 12 Brüssel IIa-VO wäre im Einzelfall zu prüfen, ob die Annexzuständigkeit, die an die GV für das Eheverfahren geknüpft wird, den zuständigkeitsrechtlichen Interessen des Kindes widerspricht.
192 Vgl.
Gottwald, in: FS Lindacher, S. 14 f. Darunter ist entgegen der irreführenden Überschrift „Vereinbarung der Zuständigkeit“ keine GV im technischen Sinne, sondern eine Form der Zuständigkeitsanerkennung zu verstehen; siehe EuGH 21.10.2015, C-215/15, Gogova/Iliev Rn. 41 ECLI:EU:C:2015:710; Solomon, „Brüssel IIa“ – Die neuen europäischen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409 (1413 Fn. 49); Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art. 12 Brüssel IIa-VO Rn. 45. Dies betont auch der Wortlaut des Art. 12 Brüssel IIa-VO, der nicht von einer „Vereinbarung“ spricht, sondern davon, dass die Parteien die Zuständigkeit „anerkannt haben“ müssen; siehe Abendroth, Parteiautonome Zuständigkeitsbegründung im Europäischen Zivilverfahrensrecht 353 f. 194 Näher zur Kindeswohlgemäßigkeit Coester-Waltjen, Die Berücksichtigung der Kindesinteressen in der neuen EU‑Verordnung „Brüssel IIa“, FamRZ 2005, 241 (243). 193
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Abschließend ist noch der Zeitpunkt für das Vorliegen der relevanten Anknüpfungspunkte zu klären. In Bezug auf die Gerichtsstände des Art. 3 Brüssel IIa-VO ist wie ausgeführt auf den Zeitpunkt der Gerichtsanrufung abzustellen.195 Für die GV sollte neben dem Zeitpunkt der Gerichtsanrufung auch der Abschlusszeitpunkt der Vereinbarung berücksichtigt werden, wie es bereits Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 1 UntVO normiert. Diese auf den Vertrauensschutz der Parteien abzielende Regelung bietet sich insofern als Vorbild an.196 Eine GV in Ehesachen sollte zum Schutz der Ehegatten außerdem eine ausschließliche Wirkung besitzen.197 Ein Formulierungsvorschlag für eine GV in Ehesachen in der Brüssel IIaVO könnte daher wie folgt lauten: „Artikel 3a – Gerichtsstandsvereinbarung (1) Die Ehegatten können vereinbaren, dass für Entscheidungen über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig ist bzw. sind, a) in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt oder, im Fall [des Vereinigten Königreichs198 und] Irlands, in dem einer der Ehegatten seinen ‚domicile‘ hat. Die in den Buchstaben a oder b genannten Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts erfüllt sein. […]“ Im ersten Reformvorschlag zur Brüssel IIa-VO aus 2006 war die Einführung von Kollisionsnormen in Ehesachen geplant, die schließlich in der Rom III‑VO mündeten. Eine solche Zusammenführung des IZVR und IPR könnte in Zukunft erneut in Betracht gezogen werden.199 Mit Ausnahme des internationalen Unterhaltsrechts, in dem die Zusammenarbeit zwischen Haager Konferenz und EU zu einer anderen Lösung (Verweis auf das HUP statt Inkorporierung eigener Kollisionsnormen) geführt hat, würden mit der Zusammenlegung der Brüssel IIa-VO und Rom III‑VO in den hier untersuchten Materien „Gesamtverordnungen“ vorliegen, die sowohl das IZVR als auch das IPR umfassen; in der ErbVO, der EheGüVO und PaGüVO ist dies bereits der Fall. Allerdings bestünde bei einer Hinzuziehung der Rom III‑VO wie beim ersten Reformvorschlag der
195 Siehe oben § 4 B. II. 2. 196 Vgl. Maultzsch, JPIL 12 197 Ebenso 198 Zu den
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(2016), 474. Kruger/Samyn, JPIL 12 (2016), 163. derzeit noch nicht abschätzbaren Folgen des Austrittsvotums siehe oben § 3
Rühl/von Hein, RabelsZ 79 (2015), 744.
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Brüssel IIa-VO wiederum das Risiko einer Verstärkten Zusammenarbeit. Außerdem enthält die Rom III‑VO keine Kollisionsnormen für den Bereich der elterlichen Verantwortung. Die GEDIP hat in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, in der Brüssel IIa-VO einen Verweis auf das Haager Übereinkommen aus 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern200 aufzunehmen.201 Dies würde dem Verweis auf das HUP in Art. 15 UntVO entsprechen.
e) Güterrechtsverordnungen: Punktuelle Anpassungen im Kollisions- und Zuständigkeitsrecht In den Güterrechtsverordnungen wurde ein Korrekturbedarf hinsichtlich vereinzelter Inkohärenzen festgestellt, die sich aus einem Vergleich mit anderen EU‑VO ergeben. Erstens sollte im Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 EheGüVO/PaGüVO die nicht nachvollziehbare Diskrepanz zwischen der ein- und zweiseitigen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt (lit. a) und der einseitigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit (lit. b) korrigiert werden; der zusätzliche Hinweis in Art. 22 Abs. 1 lit. a EheGüVO/PaGüVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt beider Parteien ist zwar harmlos, aber überflüssig und steht in Widerspruch zu lit. b leg. cit. (sowie zu Art. 8 HUP, Art. 4 UntVO und Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III‑VO). Zweitens wurde in Art. 7 EheGüVO/PaGüVO ein unsachlicher Unterschied zu anderen Prorogationsbestimmungen dahingehend festgestellt, dass die Ehegatten bzw. Partner nach dem Wortlaut der Regelung nur die internationale Zuständigkeit, nicht aber die örtliche Zuständigkeit bestimmen können.202 Ehegatten und Partnern sollte es nicht verwehrt bleiben, die Zuständigkeit eines konkreten Gerichts für den Güterrechtsstreit zu vereinbaren. Diese Lücke ist daher zu korrigieren. Drittens wurde festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 2. Fall PaGüVO (Anknüpfung an den Staat, in dem die eingetragene Partnerschaft begründet wurde) obsolet ist, weil bereits über Art. 7 Abs. 1 1. Fall i. V. m. Art. 22 Abs. 1 lit. c PaGüVO die Zuständigkeit des Staates, nach dessen Recht die Partnerschaft begründet wurde, gewählt werden kann.203 Viertens würde Art. 3 Brüssel IIa-VO bei der vorgeschlagenen Revision mit Art. 6 EheGüVO übereinstimmen, sodass Art. 5 EheGüVO, der die An200 Abrufbar
unter (abgefragt am 13.9.2018). 201 Näher dazu C. Kohler, Eine europäische Verordnung über das auf Gesellschaften anzuwendende Recht, IPRax 2017, 323 (324). 202 Siehe oben § 3 C. II. 2. d). 203 Siehe oben § 3 C. II. 2. c).
230
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
nexzuständigkeit zur Brüssel IIa-VO regelt, anzupassen ist. Damit könnte das komplexe Zuständigkeitssystem der EheGüVO teilweise vereinfacht werden: Während Art. 4 EheGüVO (Annexzuständigkeit zum Erbverfahren) und Art. 6 EheGüVO („Zuständigkeit in anderen Fällen“) unverändert blieben, würde in Art. 5 Abs. 2 das Vereinbarungserfordernis der Ehegatten nur hinsichtlich lit. c und lit. d (= Art. 5 und Art. 7 Brüssel IIa-VO) bestehen bleiben, weil die „problematischen“ Gerichtsstände des Art. 3 Brüssel IIa-VO zu streichen wären. Dieser Lösungsweg ist m. E. der derzeitigen Regelung vorzuziehen, in welcher der Unionsgesetzgeber an der Legitimation bestimmter Gerichtsstände der Brüssel IIa-VO Bedenken hegt und dies durch ein besonderes Vereinbarungserfordernis in der EheGüVO ausgleichen will.204 Aus den obigen Ausführungen lassen sich folgende Anpassungsvorschläge de lege ferenda formulieren: „EheGüVO Artikel 5 Zuständigkeit im Fall der Ehescheidung […] (1) […] (2) Die Zuständigkeit für Fragen des ehelichen Güterstands nach Absatz 1 unterliegt der Vereinbarung der Ehegatten, wenn das Gericht […] a) nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Fällen der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebands in eine Ehescheidung angerufen wird oder b) nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Fällen angerufen wird, in denen ihm eine Restzuständigkeit zukommt […]. Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) In den Fällen des Artikels 6 können die Parteien vereinbaren, dass ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Artikel 22 oder Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a oder b anzuwenden ist, oder ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Ehe geschlossen wurde, für Entscheidungen […]. Artikel 22 – Rechtswahl (1) […] a) das Recht des Staates, in dem einer205 der Ehegatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder […].“
204
Siehe zu Art. 6 EheGüVO § 3 C. II. 2. a). Dengel, Die europäische Vereinheitlichung des Internationalen Ehegüterrechts und des Internationalen Güterrechts für eingetragene Partnerschaften 281: „mindestens eines Ehegatten“. 205 Ähnlich
B. Mögliche Lösungswege
231
PaGüVO „Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) In den Fällen des Artikels 6 können die Parteien vereinbaren, dass ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Artikel 22 oder Artikel 26 Absatz 1 anzuwenden ist, für Entscheidungen […]. Art. 22 – Rechtswahl (1) […] a) das Recht des Staates, in dem einer der Partner oder künftigen Partner zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder […].“
f) ErbVO: Reform der Rechtswahlmöglichkeit in Art. 22 ErbVO Der Vergleich in § 4 hat gezeigt, dass in den hier untersuchten VO die Rechtswahlmöglichkeiten der ErbVO am restriktivsten sind.206 Die Beschränkung auf die Wahl des Heimatrechts wurde im Schrifttum207 mehrfach kritisiert und auch in der vorliegenden Arbeit wurde die dichotome (Kompromiss-)Lösung de lege lata – objektive Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt und subjektive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit – aus Sicht der Erblasserinteressen und in Hinblick auf das Zusammenspiel mit den anderen EU‑VO in Frage gestellt. Die im Schrifttum vorgeschlagenen Lösungen befürworten vor allem eine zusätzliche Rechtswahlmöglichkeit zum Staat des gewöhnlichen Aufenthalts und eine Wahl des Güterstatuts als Erbstatut.208 Hinsichtlich der Wahl des Rechts des Aufenthaltsstaates kann das Argument, dass das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt ohnehin schon bei der objektiven Anknüpfung zur Anwendung kommt, nicht überzeugen: Erstens eröffnen auch die Rom III‑VO und das HUP Wahlmöglichkeiten, die bereits der objektiven Anknüpfung entsprechen; diese Übereinstimmung in den beiden Rechtsakten wird auch allgemein akzeptiert. Zweitens schafft die Festlegung des Aufenthaltsrechts als Erbstatut durch die RW mehr Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für die Erbberechtigten und vermeidet außerdem die Heranziehung der Ausweichklausel in Art. 21 Abs. 2 ErbVO. Dabei sollte an den gewöhnlichen Aufenthalt (bzw. die Staatsangehörigkeit) nicht nur im Rechtswahlzeitpunkt, sondern auch im Todeszeitpunkt im Sinne eines zukünftig vorliegenden Anknüpfungspunktes angeknüpft werden 206 207
Siehe oben § 4 B. I. 1. a). Dutta, RabelsZ 73 (2009), 579; Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, RabelsZ 74 (2010), 606 ff.; Bonomi, Yearbook of Private International Law 13 (2011), 230; Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 40, S. 47; C. Kohler, L’autonomie de la volonté 253 f.; Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, Le droit européen des successions2 Art. 33 Rn. 32 ff.; Mankowski, ZEV 2016, 486; J. Weber, DNotZ 2016, 429 f., 440; ders., in: Dutta/J. Weber, Einl. Rn. 37. 208 Siehe oben § 3 D. II. 3.
232
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
können. Zwar sind mit einer solchen RW auch Unsicherheiten verbunden,209 doch ermöglicht sie Dispositionen, die dem Erblasser nicht verwehrt werden sollten. Der Einwand, dass ein Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthalt zu Manipulationsabsichten führen kann, ist nicht haltbar, weil auch bei der objektiven Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt eine Steuerung des Erbstatuts durch einen Aufenthaltswechsel möglich ist.210 Für die Synchronisierung mit dem Güterstatut spricht, dass Qualifikationsprobleme in der oftmals schwierigen Abgrenzung zwischen Erb- und Güterstatut vermieden und eine koordinierte, vorausschauende Vermögensplanung ermöglicht wird. Diese Koppelungsmöglichkeit kann durch eine parallele Ausgestaltung der Wahltatbestände in beiden Materien nicht sinnvoll ersetzt werden: Die güterrechtlichen (unionsrechtlichen und regelmäßig auch nationalen) Kollisionsregeln stellen sowohl bei der – meist schon bei Eheschließung bzw. Partnerschaftsbegründung getroffenen – RW als auch bei der objektiven Anknüpfung (Zeitpunkt der Eheschließung bzw. der Partnerschaftseintragung211) auf sehr frühe Anknüpfungszeitpunkte ab. Die erbrechtliche RW stellt zwar auf den Rechtswahlzeitpunkt ab, doch wird eine erbrechtliche RW bei getrennter Betrachtung regelmäßig erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen und nicht zwingend bei Eheschließung. Es könnten sich folglich Fälle ergeben, in denen ein Paar bei Eheschließung bzw. Partnerschaftsbegründung eine güterrechtliche Wahl des Rechts des aktuellen Aufenthaltsstaats einer Partei trifft,212 später nach einem Aufenthaltswechsel eine erbrechtliche RW zum Recht des früheren Aufenthaltsstaates aber nicht treffen kann, sodass Erb- und Güterstatut auseinander fallen. Eine Koordinierung zwischen Güterrecht und Erbrecht sollte daher über eine ausdrückliche Wahl des Güterstatuts als Erbstatut möglich sein. Diese Rechtswahlmöglichkeit, die nur Ehegatten bzw. eingetragenen Partnern zusätzlich zur Verfügung steht, würde andere Erblasser in der hier vorgeschlagenen Fassung des Art. 22 ErbVO nicht diskriminieren, weil die Anknüpfungen in den Güterrechtsverordnungen (gewöhnlicher Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit auch nur einer Partei) de lege ferenda ebenso in der ErbVO eingeführt werden würden. Lediglich eingetragene Partner hätten eine etwas größere Auswahl bei der Koppelung des Erbstatuts an das Güterstatut, weil Art. 22 Abs. 1 lit. c PaGüVO zusätzlich die Wahl der lex registrationis eröffnet. Diese Sonderregelung ist aber wie ausgeführt sachlich angemessen und auch notwendig, weil 209 Siehe oben § 3 D. II. 2. b) und D. Lehmann, Die Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts im Rahmen der geplanten Brüssel-IV Verordnung (2006) Rn. 277, Rn. 284. 210 Widersprüchlich ist daher die Argumentation von Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 214 ff., indem sie diesen Einwand bei der „vorausschauenden“ RW durch Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthalt im Todeszeitpunkt, aber nicht bei Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthalt im Rechtswahlzeitpunkt ablehnt. 211 Vgl. Art. 26 EheGüVO/PaGüVO. 212 Dasselbe gilt, wenn keine güterrechtliche RW erfolgt, sondern über die objektive Anknüpfung auf den Eheschließungs- bzw. Partnerschaftsbegründungszeitpunkt abgestellt wird.
B. Mögliche Lösungswege
233
das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft nicht überall bekannt ist.213 Mit der Erweiterung der einzigen subjektiven Anknüpfung des Erbstatuts zu einem beschränkten Katalog von wählbaren Rechtsordnungen geht im Ergebnis eine Teilliberalisierung der erbrechtlichen RW, aber keine radikale Veränderung des Status quo der ErbVO im Sinne einer unbeschränkten erbrechtlichen Rechtswahlfreiheit214 einher. Mithin kann eine Revision des Art. 22 ErbVO de lege ferenda wie folgt lauten: „Artikel 22 – Rechtswahl (1) Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, a) dessen Staatsangehörigkeit sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes besitzt, oder b) in dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder c) welches ihre güterrechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Rechtswahl regelt. […]“215
g) ErbVO: Novellierung des Art. 5 ErbVO Neben der stark beschränkten Rechtswahlmöglichkeit ist die – ebenso restriktive – Prorogationsmöglichkeit in Art. 5 ErbVO ein wesentlicher Kritikpunkt der ErbVO. Zu bemängeln ist, dass der Erblasser gemeinsam mit der RW die Zuständigkeit nicht endgültig und bindend festlegen kann, weil es an den Verfahrensparteien liegt, eine GV zu treffen. Auf diesen Personenkreis zur Determinierung der Zuständigkeit abzustellen, führt wie ausgeführt zu Unsicherheiten und praktischen Problemen.216 Alternativ kommen zwei Lösungswege in Betracht: Sieht man die GV primär als „Mittel zum Zweck“ zur Herstellung des Gleichlaufs zwischen dem gewählten Erbstatut und der Zuständigkeit – wovon der Unionsgesetzgeber ausgegangen ist, zumal die Wiederherstellung des Gleichlaufs im Falle einer RW ein wesentliches Ziel der ErbVO und aus praktischer Sicht äußert sinnvoll ist –, dann gestaltet sich eine automatische Zuständigkeitsverschiebung217 zu den 213
Siehe oben § 3 C. II. 1. c). Siehe insbesondere Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 483 f., 524 und Basedow, The Law of Open Societies Rn. 430 ff., die für eine freie RW gepaart mit Mechanismen zum Schutz der Familienangehörigen im Einzelfall plädieren. 215 Vgl. zur Wahl des Güterstatuts den Vorschlag des Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, RabelsZ 74 (2010), 606, der als zusätzliche Voraussetzung regelt, dass das gewählte Güterstatut auch noch im Todeszeitpunkt gilt. 216 Siehe oben § 3 D. II. 4. a). 217 Bereits vorgeschlagen von D. Lehmann, Die Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts im Rahmen der geplanten Brüssel-IV Verordnung Rn. 420 ff.; ders., DStR 2012, 2088; Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 120; dies., in: FS Gottwald, S. 606. 214
234
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
Gerichten des Staates des gewählten Rechts als deutlich einfacher als die Regelung de lege lata in Art. 5 ErbVO; denn der Gleichlauf wäre nach diesem Vorschlag nicht davon abhängig, ob sich die Verfahrensparteien einigen können. Damit würde ein Gleichlauf bei der Wahl eines mitgliedstaatlichen Rechts immer erzielt werden und es ist klar vorhersehbar, welche Gerichte zuständig sind. Auch würde sich das umständliche Prozedere zur Prüfung der Gültigkeit der GV und die Heilung der Zuständigkeit nach Art. 9 ErbVO erübrigen. In diesem Modell hätte die RW mithin zugleich eine automatische Prorogationswirkung, wie sie auch in Art. 87 Abs. 2 2. Fall Schweizer IPRG geregelt ist.218 Der Erblasser würde folglich durch das Treffen einer RW zugleich die erbverfahrensrechtliche Zuständigkeit festlegen.219 Sieht man die GV hingegen auch als Ausdruck bzw. Stärkung der Parteiautonomie, dann liegt es nahe, in Anlehnung an Art. 87 Abs. 2 1. Fall Schweizer IPRG dem Erblasser eine explizite Gerichtsstandswahl zu ermöglichen. Eine solche Vorabfestlegung der Zuständigkeit durch den Erblasser würde wie die automatische Zuständigkeitsverschiebung jene Unsicherheiten vermeiden, die sich bei der Verlagerung der Prorogationsmöglichkeit auf die Verfahrensparteien ergeben, sowie die Vorhersehbarkeit der Nachlassabwicklung erhöhen und die Planungsinteressen des Erblassers besser verwirklichen.220 Eine zuständigkeitsrechtliche Wahl des Erblassers ist freilich wiederum auf die Gerichte bzw. ein Gericht des Aufenthalts- oder Heimatstaates zu beschränken,221 um dem Erblasser eine völlig willkürliche Gerichtsstandswahl zu verwehren. Die de lege lata bestehende Rechtswahlakzessorietät der Prorogation nach Art. 5 ErbVO sollte daher erhalten bleiben. Allerdings müssen in diesem Lösungsweg auch Fälle bedacht werden, in denen es der Erblasser verabsäumt, eine Gerichtsstandswahl zu treffen. Um den Gleichlauf zu erhalten, muss ein Auffangmechanismus greifen, der zur Zuständigkeit der Gerichte des gewählten Rechts führt. Dies könnte nur in einer – dem ersten Lösungsweg entsprechenden – automatischen Zuständigkeitsverschiebung liegen, weil eine GV der Verfahrensparteien wie ausgeführt suboptimal und daher eher abzulehnen ist.222 Eine Gerichtsstandswahl des Erblassers könnte sich erübrigen, wenn die Zuständigkeitsverschiebung ex lege erfolgt. Zwischen den beiden Lösungswegen besteht aber ein nicht unwesentlicher Unterschied: Mittels Gerichtsstandswahl kann der Erblasser – wie de lege lata die Verfahrensparteien nach Art. 5 Abs. 1 ErbVO – entweder ein konkretes Gericht des Staates des gewählten Rechts be218 Aus einer RW zum Schweizer Recht folgt stets die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte; siehe oben § 3 D. II. 4. a). 219 D. Lehmann, Die Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts im Rahmen der geplanten Brüssel-IV Verordnung Rn. 421. 220 R. Magnus, IPRax 2013, 397. 221 R. Magnus, IPRax 2013, 397 m. w. N.; Lübcke, GPR 2015, 116; vgl. auch Lurger, in: Rechberger, S. 57. 222 Siehe oben § 3 D. II. 4. a).
B. Mögliche Lösungswege
235
stimmen und damit zugleich die örtliche Zuständigkeit regeln oder die Gerichte des Staates des gewählten Rechts wählen und damit nur die internationale Zuständigkeit festlegen. Eine automatische Zuständigkeitsverschiebung würde hingegen nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates des gewählten Rechts umfassen und die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit dem nationalen Zuständigkeitsrecht überlassen. Die beiden Lösungswege sind daher nicht deckungsgleich. Es ist auch kein Grund ersichtlich, wieso es dem Erblasser verwehrt bleiben sollte, die örtliche Zuständigkeit festzulegen. Dementsprechend sollte eine Neuregelung des Art. 5 ErbVO eine Kombination beider Lösungswege beinhalten: Zunächst ist es dem Erblasser gestattet, gemeinsam mit einer RW ein Gericht oder die Gerichte des Staates des gewählten Rechts als ausschließlich zuständig zu bestimmen. Mangels einer solchen Gerichtsstandswahl sind automatisch die Gerichte des Staates des gewählten Rechts ausschließlich (international) zuständig. Damit ist der Gleichlauf von forum und ius stets gesichert und gleichzeitig wird den Dispositionsinteressen des Erblassers entsprochen. Auch die Interessen der Erben und der anderen Verfahrensparteien werden durch den Gleichlauf regelmäßig gewahrt: Das Erbverfahren läuft bei Anwendung des forumeigenen Erbrechts rascher und kostengünstiger ab als nach dem Zuständigkeitssystem de lege lata, in dem bei Fehlen einer GV kompliziertere Verfahrensschritte notwendig sind, um einen Gleichlauf zu erzielen. Näher einzugehen ist noch auf das Zusammenspiel zwischen IPR und IZVR im Fall der Wahl des Güterstatuts als Erbstatut in der hier vorgeschlagenen Erweiterung des Art. 22 ErbVO. Art. 4 EheGüVO/PaGüVO sieht eine ex lege Annexzuständigkeit des in Erbsachen angerufenen Gerichts für mit dem Nachlass in Verbindung stehende güterrechtliche Fragen vor. Dies gilt aber nur für die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten. Für die übrigen Mitgliedstaaten bestimmt das nationale Verfahrensrecht, ob eine echte Zuständigkeitskonzentration stattfindet. Schließlich sollte eine Neufassung des Art. 5 ErbVO ausdrücklich sowohl die „große“ RW nach Art. 22 als auch die „kleine“ RW nach Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 umfassen.223 Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich folgender Formulierungsvorschlag für Art. 5 ErbVO konkretisieren: „Artikel 5 – Zuständigkeit bei Rechtswahl (1) Ist das vom Erblasser nach Artikel 22, Artikel 24 Absatz 2 oder Artikel 25 Absatz 3 zur Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählte Recht das Recht eines Mitgliedstaats, so kann der Erblasser bestimmen, dass für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig ist bzw. sind.224 223
Zur diesbezüglichen Regelungslücke de lege lata siehe oben § 3 D. II. 4. a). Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, RabelsZ
224 Vgl.
236
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
(2) [dazu im Folgenden § 5 C. 3. f] (3) Trifft der Erblasser keine Wahl nach Absatz 1, so sind für Entscheidungen in Erbsachen die Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, ausschließlich zuständig.“ Mit der Gerichtsstandswahl des Erblassers bzw. der automatischen Prorogation geht eine Vereinfachung des Zuständigkeitssystems der ErbVO einher. Dementsprechend müssten auch die anderen Zuständigkeitsregeln (Art. 6 ff. ErbVO) angepasst werden. Bei Vorliegen einer RW muss sich ein nach Art. 4 oder Art. 10 ErbVO angerufenes Gericht im Aufenthaltsstaat des Erblassers stets für unzuständig erklären, weil – sofern der Erblasser nicht schon eine Gerichtsstandswahl getroffen hat – ex lege die Zuständigkeitsverschiebung greift. Folglich müsste Art. 6 ErbVO revidiert werden. Dass sich das angerufene Gericht eines Mitgliedstaats bei internationaler Unzuständigkeit von Amts wegen für unzuständig zu erklären hat, folgt aber ohnehin schon aus Art. 15 ErbVO. Art. 6 ErbVO gibt diese Rechtsfolge bloß im speziellen Fall des Vorliegens einer RW wieder und ist in dieser Hinsicht im Ergebnis redundant. Ferner würde im vorgeschlagenen System die Zuständigkeitsbegründung mittels GV der Verfahrensparteien (lit. b) bzw. mittels ausdrücklicher Anerkennung (lit. c) entfallen. Auch Art. 7 lit. a ErbVO wäre obsolet, weil die Unzuständigkeitserklärung eines Gerichts im Aufenthaltsstaat nach Art. 6 die Zuständigkeit des Staates des gewählten Rechts nicht erst begründen würde. Hinsichtlich der Heilungsmöglichkeit durch rügelose Einlassung (Art. 9 ErbVO225) ist zu überlegen, ob im Rahmen der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 5 ErbVO eine Heilungsmöglichkeit durch rügelose Einlassung auch dann möglich sein sollte, wenn bei einer RW des Erblassers zwar die Gerichte des Heimatstaates aufgrund der automatischen Zuständigkeitsverschiebung oder aufgrund einer Gerichtsstandswahl des Erblassers zuständig sind, aber das Verfahren an einem Gericht nach Art. 4 oder Art. 10 ErbVO eröffnet worden ist. Denn lassen sich die Verfahrensparteien rügelos auf das Verfahren ein, muss sich das entgegen Art. 5 angerufene Gericht nicht (gemäß Art. 15 ErbVO) für unzuständig erklären. Dies ist aus verfahrensökonomischer Sicht sinnvoll, weil sich das angerufene Gericht im Aufenthaltsstaat ansonsten für international unzuständig erklären muss und ein neues Verfahren im Heimatstaat des Erblassers einzuleiten wäre. Allerdings führt die rügelose Einlassung zu einem Auseinanderfallen von forum und ius, weil das Gericht im Aufenthaltsstaat nach Maß74 (2010), 585, wonach sich eine GV auch auf nur einen Teil der Verlassenschaft beziehen kann: „A person may by way of a testamentary disposition provide that a court or the courts of a Member State whose law they may choose to govern the succession pursuant to Articles 17, 18(3) or 18a(3) shall have jurisdiction to rule on their succession as a whole or in part. The jurisdiction thus conferred shall be exclusive“. 225 Hierzu und zu einer Ausweitung der Heilungsmöglichkeit ausführlich Simotta, in: Fasching/Konecny3 § 77 JN Rn. 135 f.; dies., in: FS Gottwald, S. 604 f.
B. Mögliche Lösungswege
237
gabe der RW das fremde Heimatrecht des Erblassers anzuwenden hat. Dies steht in Widerspruch zum Grundprinzip des Kollisions- und Zuständigkeitssystems der ErbVO,226 wonach das anzuwendende materielle Erbrecht und die internationale Zuständigkeit möglichst zu verschränken sind. Auch würde die Möglichkeit des Erblassers, eine Gerichtsstandswahl zu treffen, faktisch leerlaufen, wenn sich die späteren Verfahrensparteien ohne Weiteres darüber hinwegsetzen können, indem sie ein Gericht im Aufenthaltsstaat anrufen. Dagegen ist aber wiederum einzuwenden, dass die Begründung der Zuständigkeit durch rügelose Einlassung neben der Zulässigkeit einer GV im EU‑IZVR systemkohärent ist: Auch die UntVO (Art. 5 UntVO), die EuGVVO (Art. 26 EuGVVO n. F.) und die Güterrechtsverordnungen (Art. 8 EheGüVO/PaGüVO) sehen zusätzlich zur GV die Begründung der Zuständigkeit durch rügelose Einlassung vor.
3. Formelle Gültigkeit a) HUP: Abstimmung der Formregelungen mit jenen der EU‑VO Eine einheitliche Lösung für die formelle Gültigkeit der RW und der GV könnte für den familien- und erbrechtlichen Bereich auch ohne Aufnahme einer Generalnorm in einem „Allgemeinen Teil“ des EU‑IPR/-IZVR (im Sinne einer Rom 0-VO bzw. einer Brüssel 0-VO) dadurch erzielt werden, dass die Entscheidungsnormen zu den verordnungsautonomen Erfordernissen in den einzelnen Rechtsakten gleichgeschaltet werden. Hinsichtlich der RW besteht eine – jedoch nur minimale – Diskrepanz des HUP im Vergleich zu den untersuchten EU‑VO, weil das HUP in Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 nur die Schriftform und Unterzeichnung durch die Parteien, aber keine Datierung verlangt. Es ist wünschenswert, dass ein Einklang zwischen dem HUP und dem genuin unionsrechtlichen IPR geschaffen wird. Zudem dient die Datierung, wie sie in den EU‑VO als Formvoraussetzung verlangt wird, der Beweissicherheit. Eine Revidierung des HUP steht aber nicht dem Unionsgesetzgeber, sondern nur der Haager Konferenz zu. Diese könnte die formelle Gültigkeit der RW in Art. 7 f. HUP anpassen und dabei eine Parallele zu anderen Haager Rechtsakten ziehen: Art. 13 Abs. 2 des Übereinkommens über das auf eheliche Güterstände anzuwendende Recht von 1978 verlangt wie die Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen die Schriftform, Unterzeichnung und Datierung. Außerdem könnte für die Wahl der lex fori im Verfahren nach Art. 7 Abs. 1 HUP klargestellt werden, dass sich – wie im Schrifttum überwiegend vertreten wird – die formellen Erfordernisse nach der lex fori richten.227
226 227
Siehe oben § 3 D. I. 3. Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 160 f. schlägt konkret eine Übernahme des Protokollierungserfordernisses nach Art. 5 Abs. 3 Rom III‑VO vor.
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
Ob die aufgestellten Formerfordernisse als Mindestvoraussetzungen oder als abschließend zu qualifizieren sind,228 ist nach wie vor umstritten. Die nationalen Gesetzgeber haben zwar oftmals ein Interesse an der Einhaltung ihrer (strengeren) Formvorschriften, doch die Weiterbeachtung zusätzlicher nationaler Formvorschriften führt zu uneinheitlichen Ergebnissen und ist für die praktische Anwendung komplizierter, weil neben dem Protokoll auch noch nationale Bestimmungen zu berücksichtigen sind bzw. im Streitfall vom Gericht die Einhaltung verschiedener Bestimmungen zu prüfen ist. Die Haager Konferenz sollte daher in Art. 7 f. HUP klarstellen229 bzw. einen Passus aufnehmen, dass strengere Formvorschriften der Vertragsstaaten nicht anzuwenden sind.
b) UntVO: Erweiterung der verordnungsautonomen Formerfordernisse Hinsichtlich der formellen Gültigkeit der GV besteht nur Anpassungsbedarf in der UntVO, wo die rudimentäre Regelung (Schriftform bzw. alternativ elektronische Übermittlung) eine Diskrepanz zu den jüngeren VO darstellt. Letztere verlangen zusätzlich die Datierung und Unterzeichnung der GV, die als Formerfordernisse – wie erwähnt230 – sachdienliche Beweiszwecke erfüllen. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen könnte Art. 4 Abs. 2 UntVO wie folgt lauten: „Artikel 4 – Gerichtsstandsvereinbarung […] (2) Eine Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform und ist zu datieren und von den Parteien zu unterzeichnen. […]“
c) Brüssel IIa-VO: Einführung von Formerfordernissen für die Gerichtsstandsvereinbarung Bei Einführung einer Prorogationsmöglichkeit in Ehesachen in der Brüssel IIa-VO muss neben der Regelung der wählbaren Gerichtsstände auch eine Bestimmung zur formellen Gültigkeit der GV in Korrespondenz zu Art. 5 Abs. 2 ErbVO bzw. Art. 4 Abs. 2 UntVO (in der erweiterten Fassung de lege ferenda) eingeführt werden. Diese sollte die „Kriterientrias“ als verordnungsautonom geregelte Formvorschriften wiedergeben und somit folgendermaßen lauten231: „Artikel 3a – Gerichtsstandsvereinbarungen […] (2) Die Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform und ist zu datieren und von den Parteien zu unterzeichnen. Elektronische Übermittlungen, die 228 229
Siehe oben § 3 A. III. 2. b) und § 4 C. I. 2. Siehe auch Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 162. 230 Siehe oben § 3 A. III. 1. und § 4 C. II. 1. 231 Vgl. bereits Art. 3a Abs. 2 des VO‑Vorschlages aus 2006 in KOM(2006) 399 endg. 16.
B. Mögliche Lösungswege
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eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, erfüllen die Schriftform.“
d) Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen: Aufhebung der Öffnungsklauseln Der Rom III‑VO und den Güterrechtsverordnungen ist gemeinsam, dass sie für die RW neben der verordnungsautonomen Entscheidungsnorm einen ergänzenden Verweis auf qualifizierte Formvorschriften des nationalen Rechts enthalten. Sie unterscheiden sich dadurch, dass die Güterrechtsverordnungen auf die Form materiellrechtlicher Vereinbarungen verweisen und die Rom III‑VO auf strengere Formvorschriften für Rechtswahlvereinbarungen abstellt.232 Diese Diskrepanz ist zu bemängeln, weil bei einem gemeinsamen Abschluss einer RW nach der Rom III‑VO und der EheGüVO gegebenenfalls unterschiedliche Formanforderungen zu beachten sind, die sich aus dem Kollisionsrecht und dem Sachrecht ergeben. Die Verweisungslösungen zugunsten strengerer Formvorschriften der Mitgliedstaaten sind aber bereits dem Grunde nach zu kritisieren.233 Sie führen zu Uneinheitlichkeit und Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Gültigkeit einer RW, weil je nach Aufenthaltsstaat die RW unterschiedlichen Formanforderungen gerecht werden muss. Weiters erweisen sich die Öffnungsklauseln als umständlich und kompliziert in der praktischen Anwendung, weil unabhängig vom gewählten Recht – welches ja das betreffende Rechtsverhältnis bzw. Rechtsgeschäft sowie auch die materielle Gültigkeit der RW regelt – das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt einer oder beider Parteien herangezogen wird und somit gegebenenfalls verschiedene Rechtsordnungen für einen Sachverhalt berücksichtigt werden müssen, sofern das gewählte Recht nicht schon dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt entspricht. Zudem stehen die Öffnungsklauseln in Widerspruch zu den Formregelungen der GV, für die in keiner EU‑VO die Anwendung zusätzlicher nationaler Formvorschriften vorgesehen ist und für die somit abschließend die verordnungsautonomen Voraussetzungen zu beachten sind.234 Letztlich sind die Öffnungsklauseln vor allem als rechtspolitische Einflussnahme der Mitgliedstaaten zu sehen. Denn in diesem Rahmen bleibt im Rahmen der EU‑VO den Mitgliedstaaten ein Mitspracherecht bzw. den nationalen Rechtsordnungen ein Restanwendungsbereich. Das einzige Argument, das für die Öffnungsklauseln bzw. die Berücksichtigung strengerer nationaler Formvorschriften spricht, ist die Sicherstellung einer rechtlichen Beratung und Informierung im Zuge der RW, die von der bloßen Schriftform kaum gewährleistet werden können. Doch gerade dieser Zweck wird von den Bestimmungen der Rom III‑VO de lege lata verfehlt: In der 232 233
Siehe oben § 4 C. I. 2. Zur betreffenden Kritik im Rahmen der Rom III‑VO siehe auch oben § 3 B. III. 1. 234 Dazu oben § 4 C. II. 2.
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
Rom III‑VO geht der Verweis auf strengere Formvoraussetzungen für die RW regelmäßig ins Leere, weil die meisten teilnehmenden Mitgliedstaaten solche Bestimmungen gar nicht kennen bzw. nicht eingeführt haben.235 In den Güterrechtsverordnungen sorgt der Verweis auf materiellrechtliche Formvorschriften zwar für eine bessere Lösung, weil im materiellen Recht überwiegend zusätzliche Voraussetzungen normiert sind, doch können der Beratungseffekt und der Übereilungsschutz für die EU‑VO einheitlicher geregelt werden statt durch den Rückgriff auf nationales Recht. De lege ferenda sollten die Öffnungsklauseln in Art. 7 Abs. 2–4 Rom III‑VO und Art. 23 Abs. 2–3 EheGüVO/PaGüVO zur Gänze gestrichen werden. Diese Streichung hat aber nicht ersatzlos zu bleiben. Als Alternative zu den Öffnungsklauseln als Verweisungsnormen empfiehlt es sich, den Zweck der qualifizierten Formvorschriften (Beratung, Informierung, Übereilungsschutz) in Form einer Entscheidungsnorm sicherzustellen. Insbesonders bietet sich die Normierung eines Beratungserfordernisses an. Ein solches Beratungserfordernis stellt nicht nur rein formal betrachtet eine Gültigkeitsvoraussetzung auf, sondern erfüllt auch die Funktion einer Kontrolle des Abschlusses der RW. Es liegt somit an der Schnittstelle zwischen formeller und materieller Gültigkeit und wird im Folgenden unter 4.) im Rahmen der Reformvorschläge zur materiellen Gültigkeit näher erläutert.
e) PaGüVO: Feinjustierung der verordnungsautonomen Formerfordernisse für die Vereinbarung der Annexzuständigkeit Für die formelle Gültigkeit der Vereinbarung der Ehegatten gemäß Art. 5 Abs. 2 EheGüVO im Falle der Annexzuständigkeit zur Brüssel IIa-VO verweist Art. 5 Abs. 3 EheGüVO (sowohl de lege lata als auch im hier ausgearbeiteten Reformvorschlag de lege ferenda) auf die Regelung zur formellen Gültigkeit für GV in Art. 7 Abs. 2 EheGüVO. In der analogen Regelung für eingetragene Partner verweist Art. 5 Abs. 3 PaGüVO de lege lata aber pauschal auf „Artikel 7“ PaGüVO und nicht spezifisch auf Art. 7 Abs. 2 PaGüVO, der die Formvoraussetzungen regelt.236 Diese kosmetische Ungenauigkeit kann in einer Revision der PaGüVO wie folgt angepasst werden: „Artikel 5 – Zuständigkeit im Fall der Auflösung […] […] (2) Wird eine Vereinbarung nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels geschlossen, […] so muss die Vereinbarung den Anforderungen des Artikels 7 Absatz 2 entsprechen.“
235 236
Siehe oben § 3 B. III. 1. und § 4 C. I. 2. Siehe oben § 3 C. III. 2.
B. Mögliche Lösungswege
241
f) ErbVO: Formelle Gültigkeit der Gerichtsstandswahl des Erblassers Im Reformvorschlag zu Art. 5 ErbVO wird dem Erblasser die Vornahme einer mit der RW synchronisierten GV ermöglicht. Dementsprechend würde der Erblasser im Rahmen einer materiellrechtlichen letztwilligen Verfügung oder auch isoliert davon über das Erbstatut und zugleich über die Zuständigkeit disponieren. Da die RW gemäß Art. 22 Abs. 2 ErbVO i. V. m. Art. 27 ErbVO in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen muss und zu erwarten ist, dass eine Prorogation meist uno actu mit der RW getroffen wird, würde es naheliegen, auch für die Gerichtsstandswahl eine entsprechende Regelung aufzunehmen. Eine solche Verweisungsnorm ist für die Festlegung der Zuständigkeit aber abzulehnen, weil das Gericht zuerst das Formstatut für letztwillige Verfügungen ermitteln müsste, um dann erst die Gültigkeit der GV und damit die eigene Zuständigkeit beurteilen zu können.237 Eine Entscheidungsnorm ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit vorzugswürdig. Somit kann die bisherige Regelung in Art. 5 Abs. 2 ErbVO (Schriftlichkeit, Datierung, Unterschrift) für die Gerichtsstandswahl des Erblassers übernommen werden: „Artikel 5 – Zuständigkeit bei Rechtswahl (1) […] (2) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts bzw. der zuständigen Gerichte des Staates des gewählten Rechts muss schriftlich erfolgen und ist zu datieren und zu unterzeichnen. […]“
4. Materielle Gültigkeit a) HUP: Einführung einer Regelung des auf die materielle Gültigkeit der Rechtswahl anzuwendenden Rechts Das HUP enthält als einziger der hier untersuchten Rechtsakte keine Regelung zur materiellen Wirksamkeit der RW; es entspricht aber der vorherrschenden Ansicht, dass das (präsumtiv) gewählte Recht hierfür maßgeblich ist.238 Wie in den EU‑VO sollte im HUP eine ausdrückliche Verweisungsnorm eingeführt werden. Ein Formulierungsvorschlag für Art. 7 und Art. 8 HUP könnte folgendermaßen lauten: „Article 7 – Designation of the law applicable for the purpose of a particular proceeding […] 2. A designation made before the institution of such proceedings shall be in an agreement, […]. The material validity of such an agreement shall be determined by the law that was purportedly agreed to. 237 238
Siehe bereits oben § 4 B. I. 2. c). Siehe oben § 3 A. IV. 2. b) und § 4 D. I.
242
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
Article 8 – Designation of the applicable law […] 2. Such agreement shall be in writing […].The material validity of the agreement shall be determined by the law that was purportedly agreed to. […]“ Der Wortlaut der vorgeschlagenen Regelung ist an Art. 6 Z. 1 lit. a der Haager Prinzipien zur Rechtwahl in internationalen kommerziellen Verträgen angelehnt, der sich zwar auf die Beurteilung der Einigung der Parteien speziell im Kontext kollidierender Rechtswahlklauseln bezieht, aber dennoch als Vorbild berücksichtigt werden kann.
b) Rom III‑VO und Güterrechtsverordnungen: Einführung einer Regelung zur konkludenten Rechtswahl Nach hier vertretener Ansicht schließen die Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen eine konkludent getroffene RW nicht aus. Um den bisher bestehenden Unsicherheiten ein Ende zu setzen, sollte in diesen VO ausdrücklich klargestellt werden, dass eine konkludente RW zulässig ist.239 Es könnte zumindest normiert werden, dass die RW entweder ausdrücklich erfolgen oder sich „eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung“240 ergeben muss. Mit dem Verweis auf eine schriftliche Vereinbarung ist bereits ein zentrales Kriterium für die Beurteilung der Schlüssigkeit auf Verordnungsebene normiert. Die vorgeschlagene Regelung könnte in Art. 6 Abs. 2 Rom III‑VO bzw. Art. 24 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO anstelle der Einredemöglichkeit eingeführt werden,241 der für die RW im familienrechtlichen Bereich kaum ein praktischer Anwendungsbereich zukommt und die sich außerdem in den Güterrechtsverordnungen negativ auf die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit auswirkt.242 Da die RW von beiden Parteien unterschrieben werden und für die Annahme einer konkludenten RW ein eindeutiger Rechtswahlwillen erkennbar sein muss, kann ein Schweigen als Willenserklärung – der Hauptanwendungsfall der analogen Regelung in der Rom I‑VO – im Rahmen der Rom III‑VO und der Güterrechtsverordnungen kaum relevant werden. Eine Neufassung des Art. 6 Abs. 2 Rom III‑VO bzw. Art. 24 Abs. 2 EheGüVO/PaGüVO könnte folgendermaßen lauten:
239
Siehe oben § 4 D. I. Wandt, Rechtswahlregelungen im europäischen Kollisionsrecht 137 f. 241 Für eine Streichung des Art. 6 Abs. 2 Rom III‑VO ebenso Thorn, in: Palandt, BGB77 Art. 6 Rom III Rn. 2; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 125 f. 242 Siehe oben § 3 B. IV. 2. und C. IV. 1. a). 240
B. Mögliche Lösungswege
243
Rom III‑VO „Artikel 6 – Einigung und materielle Wirksamkeit […] (2) Die Vereinbarung muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung ergeben.“ EheGüVO und PaGüVO „Artikel 24 – Einigung und materielle Wirksamkeit […] (2) Die Vereinbarung muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung ergeben.“
c) Einheitliche Regelung des auf die materielle Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anzuwendenden Rechts Anders als die Bestimmungen zur RW, die – bis auf das HUP – das auf die materielle Gültigkeit der RW anzuwendende Recht regeln, besteht für die GV in den untersuchten Rechtsakten durchgehend eine Regelungslücke zur materiellen Gültigkeit.243 De lege lata kann per Analogie zu Art. 25 EuGVVO n. F. auf die lex fori prorogati abgestellt werden. Im Sinne der Rechtssicherheit und in Anpassung an den Entwicklungsstand der EuGVVO n. F. sollten die UntVO, die ErbVO und die Güterrechtsverordnungen de lege ferenda eine ausdrückliche Regelung der materiellen Wirksamkeit der GV vorsehen. Konkret sollte einheitlich eine Art. 25 EuGVVO n. F. entsprechende Regelung (Gesamtverweisung auf das Recht des prorogierten Gerichts) explizit aufgenommen werden. Dazu kann in Art. 5 ErbVO, Art. 4 UntVO, Art. 7 EheGüVO/PaGüVO sowie im vorgeschlagenen neuen Art. 3a Brüssel IIa-VO jeweils in Abs. 2 ein zweiter Satz hinzugefügt werden. Ein Formulierungsvorschlag könnte folgendermaßen lauten: UntVO „Artikel 4 – Gerichtsstandsvereinbarung […] (2) Ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform […].“ Brüssel IIa-VO „Artikel 3a – Gerichtsstandsvereinbarung […] (2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach 243
Siehe oben § 4 D. II.
244
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform […]“ EheGüVO/PaGüVO „Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung […] (2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform […]“ ErbVO „Artikel 5 – Zuständigkeit bei Rechtswahl […] (2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Gerichte […]“.
d) Beratungserfordernis zur Sicherstellung einer informierten Wahlentscheidung Wie im Rahmen der Reformvorschläge zur formellen Gültigkeit ausgeführt, ist das System der Öffnungsklauseln im Gesamten und nicht nur speziell in Bezug auf die Rom III‑VO und die Güterrechtsverordnungen, die solche Regeln enthalten, zu kritisieren. Insbesonders können Öffnungsklauseln die Beratung der Parteien nicht gewährleisten. Den Zweck strengerer Formregelungen bringen jene Erwägungsgründe der EU‑VO zum Ausdruck, die diese Vorschriften mit der Sicherstellung einer „informierten“ und in Bewusstsein ihrer Folgen getroffenen RW verbinden.244 Diese Überlegungen sind m. E. auch auf die GV zu übertragen, die genauso bedeutende Rechtsfolgen hat, über welche die Parteien aufgeklärt sein sollten. Die genannten Erwägungsgründe zeugen vom Bewusstsein des Unionsgesetzgebers, dass eine Wahl dann wirklich sinnvoll und zweckdienlich ist, wenn die Parteien diese nach rechtlicher Beratung und Information treffen.245 Statt Öffnungsklauseln sollte daher auf Unionsrechtsebene ein Beratungserfordernis für die RW und die GV in Form einer Entscheidungsnorm geregelt werden. Die Einführung eines Beratungserfordernisses trifft im internationalen Schrifttum 244 245
Siehe oben § 3 B. IV. 3. und C. IV. 1. c). Hausmann, in: FS Martiny, S. 362 Fn. 121 spricht sogar von einem „allgemeinen Grundsatz des europäischen Kollisionsrechts“.
B. Mögliche Lösungswege
245
grundsätzlich auf breite Zustimmung246 und wurde unter anderem auch von der Law Society of England and Wales in Bezug auf die GV und RW im Reformvorschlag der Brüssel IIa-VO aus 2006 vorgeschlagen.247 Erste Ansätze für ein Beratungserfordernis finden sich in der kollisionsrechtlichen Inhaltskontrolle des Art. 8 Abs. 5 HUP und in den Erwägungsgründen der Rom III‑VO,248 der EheGüVO und der PaGüVO. Zu erwähnen ist auch die Regelung im Verordnungsvorschlag zur PaGüVO aus 2013,249 wonach eine RW nur dann wirksam sein sollte, wenn die Partner nachweisen können, dass sie über die Rechtswahlfolgen beraten wurden. Um für Rechtssicherheit zu sorgen und Missbrauchsgefahren zu vermeiden, muss das Beratungserfordernis als Entscheidungsnorm genau definiert werden. Eine Formulierung als Generalklausel (etwa „Die Rechtswahl/Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform, muss datiert und von den Parteien unterzeichnet werden. Die Parteien müssen über die Folgen ihrer Wahl beraten worden sein“) kann m. E. nicht genügen. Es muss im Verordnungstext spezifiziert werden, welche Personen oder öffentliche Stellen zur Durchführung der Beratung ermächtigt sind (nur Anwälte, Notare und Richter oder auch z. B. Sachwaltervereine, NGOs oder Studierende der Rechtswissenschaften in sogenannten „Law Clinics“). Diese konkrete Ausgestaltung muss für alle Mitgliedstaaten bzw. deren Rechtssysteme praktikabel sein und kann daher schwerlich einer 246 Für ein Beratungserfordernis Boele-Woelki/Mom, FPR 2010, 488; C. Kohler, in: FS Hoffmann, S. 213; Carruthers, ICLQ 2012, 909; Coester-Waltjen/Coester, in: FS Schurig, S. 45; Corneloup, Grundlagen der Rechtswahl im Familien- und Erbrecht, in: Roth (Hrsg.), Die Wahl ausländischen Rechts im Familien- und Erbrecht (2013), S. 15 (S. 29); Maultzsch, in: von Hein/Rühl, S. 174; Hook, The Choice of Law Contract 121, 190 ff.; Schmitz, Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 169 f., 175 f. Grundsätzlich skeptisch gegen strengere Formregelungen Bartl, Die neuen Rechtsinstrumente zum IPR des Unterhalts 107 f.; Helms, in: FS Pintens, S. 692. Ní Shúilleabháin, Cross-border divorce law (2010) Rn. 4.13 f. möchte die Wirksamkeit einer GV und damit die Begründung der Zuständigkeit hingegen an eine richterliche Ermessensentscheidung über die Angemessenheit bzw. Fairness der Vereinbarung knüpfen. Dem steht aber die allgemeine Ablehnung von Missbrauchskontrollen der GV im EU‑IZVR entgegen; siehe oben § 4 D. III. 247 Siehe House of Lords European Union Committee, Rome III – choice of law in divorce (2006) Minutes of Evidence 17 f.: „This [die Parteiautonomie] is a beneficial development provided there are satisfactory safeguards in place to protect one spouse against undue pressure and coercion from the other. […]. It is imperative therefore that a provision on the requirement for independent legal advice and full financial disclosure is written into the text. […] The Law Society’s Family Law Committee is supportive of the proposals relating to party autonomy and choice of law and believes this would be a beneficial development. Again we would reiterate the need for independent legal advice and full financial disclosure to protect one spouse against undue pressure, coercion and misrepresentation from the other. This needs to be written into the text“. 248 Siehe C. Kohler, in: FS Hoffmann, S. 216 f., der insbesonders die in ErwGr. 16 Satz 2 Rom III‑VO genannten Grundrechte als Anhaltspunkte sieht; ferner ders., L’autonomie de la volonté 203 f.; Rösler, RabelsZ 78 (2014), 181; für eine Vorbildwirkung des Art. 8 Abs. 5 HUP Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 485. 249 Siehe oben § 3 C. IV. 1. c).
246
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
einzigen spezifischen Rechtsordnung entspringen. So wäre etwa eine notarielle Beurkundung als verordnungsautonome Entscheidungsnorm wenig geeignet, weil das Notariat nicht in allen Mitgliedstaaten existiert. Des Weiteren muss geklärt werden, wie umfassend die Rechtsberatung zu sein hat: Einerseits kann von einer Rechtsberatung nicht eine Aufklärung über den genauen Inhalt von sämtlichen in Frage kommenden ausländischen Rechtsordnungen verlangt werden. Andererseits muss ein gewisser Informationsumfang verlangt werden, damit das Erfordernis der Rechtsberatung nicht leerläuft und nicht auf eine reine formale Hürde beschränkt bleibt. Das Beratungserfordernis soll ja gerade eine Form der Inhaltskontrolle darstellen und schwächere Parteien vor Überrumpelung schützen. Die abschließenden Voraussetzungen für die Rechtsberatung als Gültigkeitsvoraussetzung der RW müssen sich aus den Verordnungsbestimmungen klar ergeben. Nur so kann im Vergleich zu den Öffnungsklauseln als Verweisungsnormen eine einheitliche und klare Rechtslage erzielt werden.
5. Zwischenergebnis Abschließend sollen die vorgeschlagenen Änderungen für einen besseren Überblick den derzeitigen Regelungen tabellarisch gegenübergestellt werden. De lege lata
De lege ferenda
UntVO
UntVO
Artikel 4 – Gerichtsstandsvereinbarungen (1) […] c) hinsichtlich Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder früheren Ehegatten i) das Gericht, das für Streitigkeiten zwischen den Ehegatten oder früheren Ehegatten in Ehesachen zuständig ist, oder ii) ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Ehegatten mindestens ein Jahr lang ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. […] (2) Eine Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform. […]
Artikel 4 – Gerichtsstandsvereinbarung250 (1) […] c) hinsichtlich Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder früheren Ehegatten außerdem das Gericht, das für Streitigkeiten zwischen den Ehegatten oder früheren Ehegatten in Ehesachen zuständig ist. […] (2) Ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform und ist zu datieren und von den Parteien zu unterzeichnen. […]
250 Die kosmetische Anpassung der Artikelüberschrift in Art. 4 UntVO von „Gerichtsstandsvereinbarungen“ im Plural zu „Gerichtsstandsvereinbarung“ im Singular entspricht Art. 7 EheGüVO/PaGüVO sowie Art. 25 EuGVVO n. F. („Vereinbarung über die Zuständigkeit“).
B. Mögliche Lösungswege
247
De lege lata
De lege ferenda
HUP
HUP
Article 7 – Designation of the law applicable for the purpose of a particular proceeding […] 2. A designation made before the institution of such proceedings shall be in an agreement, signed by both parties, in writing or recorded in any medium, the information contained in which is accessible so as to be usable for subsequent reference.
Article 7 – Designation of the law applicable for the purpose of a particular proceeding […] 2. A designation made before the institution of such proceedings shall be in an agreement, […]. The material validity of such an agreement shall be determined by the law that was purportedly agreed to.
Article 8 – Designation of the applicable law […] 2. Such agreement shall be in writing or recorded in any medium, the information contained in which is accessible so as to be usable for subsequent reference, and shall be signed by both parties.
Article 8 – Designation of the applicable law […] 2. Such agreement shall be in writing […]. The material validity of the agreement shall be determined by the law that was purportedly agreed to.
Rom III‑VO
Rom III‑VO
Artikel 5 – Rechtswahl der Parteien (1) […] a) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder b) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder c) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder d) das Recht des Staates des angerufenen Gerichts. (2) Unbeschadet des Absatzes 3 kann eine Rechtswahlvereinbarung jederzeit, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, geschlossen oder geändert werden. (3) Sieht das Recht des Staates des angerufenen Gerichts dies vor, so können die Ehegatten die Rechtswahl vor Gericht auch im Laufe des Verfahrens vornehmen. In diesem Fall nimmt das Gericht die Rechtswahl
Artikel 5 – Rechtswahl der Parteien (1) […] a) das Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren/seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder c) das Recht eines Staates, dessen Gericht angerufen ist oder angerufen wird. (2) Eine Rechtswahlvereinbarung kann jederzeit geschlossen oder geändert werden. Wird die Rechtswahl vor Gericht im Laufe des Verfahrens geschlossen oder geändert, nimmt das Gericht die Rechtswahl im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll.
248
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
De lege lata
De lege ferenda
Rom III‑VO
Rom III‑VO
im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll. Artikel 6 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) […] (2) Ergibt sich jedoch aus den Umständen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung des Verhaltens eines Ehegatten nach dem in Absatz 1 bezeichneten Recht zu bestimmen, […].
Artikel 6 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) […] (2) Die Vereinbarung muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung ergeben.
Artikel 7 – Formgültigkeit Artikel 7 – Formgültigkeit […] […] (2) Sieht jedoch das Recht des teilnehmen- Absatz 2 bis 4: aufgehoben den Mitgliedstaats, […] zusätzliche Formvorschriften für solche Vereinbarungen vor […]. (3) […] sieht das Recht beider Staaten unterschiedliche Formvorschriften vor […]. (4) […] sind in diesem Staat zusätzliche Formanforderungen für diese Art der Rechtswahl vorgesehen […]. Brüssel IIa-VO
Brüssel IIa-VO
Artikel 3 – Allgemeine Zuständigkeit (1) […] a) in dessen Hoheitsgebiet – beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder – die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder – der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – im Fall eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder – der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar
Artikel 3 – Allgemeine Zuständigkeit (1) […] a) in dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder andernfalls b) in dem die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder andernfalls c) in dem der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder andernfalls d) im Fall eines gemeinsamen Antrags in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder andernfalls e) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder, im Fall [des
B. Mögliche Lösungswege
249
De lege lata
De lege ferenda
Brüssel IIa-VO
Brüssel IIa-VO
vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein ‚domicile‘ hat; b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames ‚domicile‘ haben. […]
Vereinigten Königreichs und] Irlands, in dem sie zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihr gemeinsames ‚domicile‘ haben. […]
Artikel 3a – Gerichtsstandsvereinbarung (1) Die Ehegatten können vereinbaren, dass für Entscheidungen über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig ist bzw. sind, a) in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt oder, im Fall [des Vereinigten Königreichs und] Irlands, in dem einer der Ehegatten sein ‚domicile‘ hat. Die in den Buchstaben a oder b genannten Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts erfüllt sein. (2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform und ist zu datieren und von den Parteien zu unterzeichnen. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, erfüllen die Schriftform.“
250
§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
De lege lata
De lege ferenda
EheGüVO
EheGüVO
Artikel 5 – Zuständigkeit im Fall der Ehescheidung […] (1) […] (2) Die Zuständigkeit für Fragen des ehelichen Güterstands nach Absatz 1 unterliegt der Vereinbarung der Ehegatten, wenn das Gericht […] EheGüVO
Artikel 5 – Zuständigkeit im Fall der Ehescheidung […] (1) […] (2) Die Zuständigkeit für Fragen des ehelichen Güterstands nach Absatz 1 unterliegt der Vereinbarung der Ehegatten, wenn das Gericht […] EheGüVO
a) das Gericht eines Mitgliedstaats ist, in dem der Antragsteller nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a fünfter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, b) das Gericht eines Mitgliedstaats ist, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a sechster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 besitzt und in dem der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, c) nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Fällen der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebands in eine Ehescheidung angerufen wird oder d) nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Fällen angerufen wird, in denen ihm eine Restzuständigkeit zukommt. […].
a) nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Fällen der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebands in eine Ehescheidung angerufen wird oder b) nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 in Fällen angerufen wird, in denen ihm eine Restzuständigkeit zukommt. […]
Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) In den Fällen des Artikels 6 können die Parteien vereinbaren, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Artikel 22 oder Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a oder b anzuwenden ist, oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Ehe geschlossen wurde, für Entscheidungen über Fragen ihres ehelichen Güterstands ausschließlich zuständig sind.
Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) In den Fällen des Artikels 6 können die Parteien vereinbaren, dass ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Artikel 22 oder Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a oder b anzuwenden ist, oder ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Ehe geschlossen wurde, für Entscheidungen über Fragen ihres ehelichen Güterstands ausschließlich zuständig sind.
B. Mögliche Lösungswege
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De lege lata
De lege ferenda
(2) Die in Absatz 1 genannte Vereinbarung bedarf der Schriftform […].
(2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform […].
EheGüVO
EheGüVO
Artikel 22 – Rechtswahl (1) […] a) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten oder künftigen Ehegatten oder einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren/seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben/hat, oder […].
Artikel 22 – Rechtswahl (1) […] a) das Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder […].
Artikel 23 – Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung (1) […] (2) Sieht das Recht des Mitgliedstaats, in dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zusätzliche Formvorschriften für Vereinbarungen über den ehelichen Güterstand vor, […]. (3) Haben die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Mitgliedstaaten und sieht das Recht beider Staaten unterschiedliche Formvorschriften […]. (4) Hat zum Zeitpunkt der Rechtswahl nur einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und sind in diesem Staat zusätzliche Formvorschriften […].
Artikel 23 – Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung (1) […] Absatz 2 bis 4: aufgehoben
Artikel 24 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) […] (2) Ein Ehegatte kann sich jedoch für die Behauptung, er habe der Vereinbarung nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates berufen, […].
Artikel 24 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) […] (2) Die Vereinbarung muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung ergeben.
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
De lege lata
De lege ferenda
PaGüVO
PaGüVO
Artikel 5 – Zuständigkeit im Fall der Auflösung […] (2) Wird eine Vereinbarung nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels geschlossen, […] so muss die Vereinbarung den Anforderungen des Artikels 7 entsprechen.
Artikel 5 – Zuständigkeit im Fall der Auflösung […] (2) Wird eine Vereinbarung nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels geschlossen, […] so muss die Vereinbarung den Anforderungen des Artikels 7 Absatz 2 entsprechen.
PaGüVO
PaGüVO
Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) In den Fällen des Artikels 6 können die Parteien vereinbaren, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Artikel 22 oder Artikel 26 Absatz 1 anzuwenden ist, oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die eingetragene Partnerschaft begründet wurde, für Entscheidungen […]. (2) Die in Absatz 1 genannte Vereinbarung bedarf der Schriftform […].
Artikel 7 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) In den Fällen des Artikels 6 können die Parteien vereinbaren, dass ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Artikel 22 oder Artikel 26 Absatz 1 anzuwenden ist, für Entscheidungen [….]. (2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform […].
Artikel 22 – Rechtswahl (1) […] a) das Recht des Staates, in dem die Partner oder künftigen Partner oder einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren/ seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben/hat, oder […].
Artikel 22 – Rechtswahl (1) […] a) das Recht des Staates, in dem einer der Partner oder künftigen Partner zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder [….].
Artikel 23 – Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung (1) […] (2) Sieht das Recht des Mitgliedstaats, in dem beide Partner zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zusätzliche Formvorschriften für Vereinbarungen über die güterrechtlichen Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft vor, […]. (3) Haben die Partner zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Mitgliedstaaten und sieht das Recht beider Staaten unterschiedliche Formvorschriften […].
Artikel 23 – Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung (1) […] Absatz 2 bis 4: aufgehoben
B. Mögliche Lösungswege
De lege lata
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De lege ferenda
(4) Hat zum Zeitpunkt der Rechtswahl nur einer der Partner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und sind in diesem Staat zusätzliche Formvorschriften […] Artikel 24 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) […]
Artikel 24 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) […]
PaGüVO
PaGüVO
(2) Ein Partner kann sich jedoch für die Behauptung, er habe der Vereinbarung nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates berufen, […].
(2) Die Vereinbarung muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen einer schriftlichen Vereinbarung ergeben.
ErbVO
ErbVO
Artikel 5 – Gerichtsstandsvereinbarung (1) Ist das vom Erblasser nach Artikel 22 zur Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählte Recht das Recht eines Mitgliedstaats, so können die betroffenen Parteien vereinbaren, dass für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig sein sollen. (2) Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform und ist zu datieren und von den betroffenen Parteien zu unterzeichnen. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt.
Artikel 5 – Zuständigkeit bei Rechtswahl (1) Ist das vom Erblasser nach Artikel 22, Artikel 24 Absatz 2 oder Artikel 25 Absatz 3 zur Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählte Recht das Recht eines Mitgliedstaats, so kann der Erblasser bestimmen, dass für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig ist bzw. sind. (2) Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats ist bzw. sind nach Absatz 1 zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell nichtig. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts bzw. der zuständigen Gerichte des Staates des gewählten Rechts muss schriftlich erfolgen und ist zu datieren und zu unterzeichnen. (3) Trifft der Erblasser keine Wahl nach Absatz 1, so sind für Entscheidungen in Erbsachen die Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, ausschließlich zuständig.
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De lege lata
De lege ferenda
Artikel 22 – Rechtswahl (1) Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.
Artikel 22 – Rechtswahl (1) Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, a) dessen Staatsangehörigkeit sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes besitzt, oder b) in dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder c) welches ihre güterrechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Rechtswahl regelt.
IV. Kodifikation des familienrechtlichen EU‑IPR/-IZVR: Ein „EU Code on International Family Law“? Im obigen Abschnitt III. wurde de lege ferenda vorgeschlagen, die Regeln zur RW und zur GV durch Teilnovellierungen besser aufeinander abzustimmen. Dies betrifft insbesonders die familienrechtlichen VO, während die Parteiautonomie in der ErbVO an vielen Stellen anders zu beurteilen ist und ihre Regeln nicht durchgehend mit der Rechtswahl- bzw. Prorogationssituation in den familienrechtlichen VO gleichgeschaltet werden können. Auf institutioneller Ebene ist ferner zu beachten, dass nur das internationale Familienrecht, nicht aber das internationale Erbrecht dem besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 81 Abs. 3 AEUV unterliegt. Die in dieser Arbeit vorgeschlagenen Reformen zu den familienrechtlichen VO zeigen Perspektiven auf, die zum einen für zukünftige Gesamtkodifikationspläne berücksichtigt werden können, welche – wie ausgeführt251 – sinnvollerweise von einem kohärenten Acquis ausgehen sollten. Eine Gesamtkodifikation könnte in einem eigenen Abschnitt betreffend Ehesachen die Rom III‑VO, die Brüssel IIa-VO und die Güterrechtsverordnungen gruppieren.252 Zum anderen kann eine familienrechtliche Teilkodifikation253 des EU‑IPR/-IZVR in Betracht gezogen werden, wozu die in der Arbeit vorgeschlagenen Anpassungen und die damit einhergehende sektorielle Vereinheitlichung im internationalen Güter-, Eheauflösungs- und Unterhaltsrecht als Grundlage fruchtbar gemacht werden können.254 251
Siehe oben § 5 B. II. Corneloup/Nourissat, in: Fallon u. a., S. 278. auch Kramer u. a., Ein europäischer Rahmen für das internationale Privatrecht: gegenwärtige Lücken und Perspektiven für die Zukunft 115, die in der Kodifikationsdiskussion die familienrechtlichen VO gruppieren, aber die ErbVO zu den allgemeinen Zivil- und Handelsrechtsfällen mit der Rom I‑VO und Rom II‑VO zählen. 254 Auch Martiny, in: FS Kropholler, S. 377 zieht in längerfristiger Perspektive ein „ein252 Vgl. 253 Vgl.
B. Mögliche Lösungswege
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Unter anderem kann eine solche familienrechtliche Teilkodifikation in einem „Allgemeinen Teil“ jene Aspekte der RW und der GV beinhalten, die – wie im Zuge der vorliegenden Arbeit dargelegt wurde – zumindest für die familienrechtlichen Unionsrechteakte einheitlich regelbar sind. Dies betrifft in erster Linie die formelle Gültigkeit der RW und der GV. Eine einheitliche Entscheidungsnorm sollte neben der Schriftform, Datierung und Unterzeichnung ein klar konturiertes Beratungserfordernis normieren. Bei einer (Teil-)Kodifikation des europäischen internationalen Familienrechts – einem „EU Code on International Family Law“ – können die Vorzüge eines thematisch in sich geschlossenen Normpakets (Übersichtlichkeit, Transparenz, Zugänglichkeit) genutzt werden, ohne dass sich Anpassungsprobleme im institutionellen Rahmen stellen, weil nur das besondere Gesetzgebungsverfahren zu beachten ist. Gleichzeitig muss aber das Risiko einer Verstärkten Zusammenarbeit in Kauf genommen werden. Eine solche Kodifikation könnte in weiterer Folge andere Teilbereiche des Familienrechts in sich aufnehmen, die bislang noch nicht unionsrechtlich erfasst sind und für die insofern noch Regelungsbedarf auf EU‑Ebene besteht. So ist an eine Regelung der persönlichen Ehewirkungen255, des Namensrechts256, der Voraussetzungen für die Eheschließung257 bzw. allgemein der Kernfrage des familienrechtlichen Status zu denken. Diese Rechtsbereiche würden die Rom III‑VO, die UntVO bzw. das HUP und die beiden Güterrechtsverordnungen inhaltlich ergänzen und könnten trotz der tendenziell restriktiven Haltung in den nationalen Kollisionsrechten korrelierende Wahlmöglichkeiten vorsehen.258 Die in der vorliegenden Arbeit heitliches europäisches Internationales Familienrecht“ in Erwägung, dessen Zeit aber „wohl noch nicht reif“ sei, und betont, dass die „zunächst einmal zu entwickelnden Einzellösungen in Europa akzeptabel und schlüssig“ sowie miteinander vereinbar sein müssen. 255 Siehe Coester-Waltjen, Fernwirkungen der Europäischen Verordnungen auf die international-familienrechtlichen Regelungen des EGBGB, FamRZ 2013, 170 (175); Lurger/Melcher, Handbuch Internationales Privatrecht Rn. 8/15. Art. 14 Abs. 2 EGBGB sieht für die persönlichen Ehewirkungen beschränkte und subsidiäre Rechtswahlmöglichkeiten vor, während § 18 österr. IPRG diese zwingend objektiv anknüpft; siehe für einen Überblick zu den nationalen Kollisionsregeln der Ehewirkungen Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 527 f. m. w. N. 256 Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie ist im internationalen Namensrecht nicht unbekannt; siehe für nationale Rechtswahlmöglichkeiten C. Kohler, Subjektive Anknüpfung: Kommentar, in: Dutta/Helms/Pintens (Hrsg.), Ein Name in ganz Europa: Vorschläge für ein internationales Namensrecht der Europäischen Union (2016), S. 63 (S. 63 f.). 257 Siehe im Grünbuch der Kommission KOM(2010) 747 endg. 16 zum freien Verkehr öffentlicher Urkunden und zur Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden, ob für Personenstandsangelegenheiten eine RW vorgesehen werden könnte; zum Namensrecht und Eheschließungsstatut befürwortet dies der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten (BDS) in Dutta/Freitag/Helms/Kissner, Der freie Verkehr öffentlicher Urkunden und die gegenseitige Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden in der Europäischen Union, StAZ 2011, 165 (174). 258 Die (relativ liberale) Anknüpfung der RW an den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten bzw. eingetragenen Partners wird auch im Namensrecht
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§ 5 Kohärenz und Einheit im EU‑IPR/-IZVR
erarbeiteten Thesen und Reformvorschläge sollen als Anstoß für entsprechende Diskussionen dienen und als Orientierung für zukünftige unionsgesetzgeberische Pläne zur Vereinheitlichung des familienrechtlichen EU‑IPR/-IZVR Berücksichtigung finden.
in einem Entwurf für eine EU‑VO zum internationalen Namensrecht des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten vorgeschlagen; siehe Freitag, Subjektive Anknüpfung: Vorstellung des Vorschlags, in: Dutta/Helms/Pintens (Hrsg.), Ein Name in ganz Europa: Vorschläge für ein internationales Namensrecht der Europäischen Union (2016), S. 49 (S. 58 f.).
§ 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Status quo der Parteiautonomie im internationalen Familien- und Erbrecht der EU zu analysieren und Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten. Nach einer Einführung in die Themenstellung (§ 1) und einer grundlegenden Ausführung zur rechtstheoretischen Begründung der Parteiautonomie (§ 2) wurde in § 3 anhand der Bestimmungen zur Zulässigkeit, formellen Gültigkeit und materiellen Gültigkeit der GV und der RW in der UntVO, dem HUP, der Rom III‑VO, der Brüssel IIa-VO, den Güterrechtsverordnungen und der ErbVO dargestellt, wie der Unionsgesetzgeber das Parteiautonomieprinzip im Familien- und Erbrecht de lege lata konkretisiert hat. Im nächsten Untersuchungsschritt (§ 4) wurde eine die einzelnen Teilbereiche (Unterhaltsrecht, Eheauflösung, Güterrecht und Erbrecht) gegenüberstellende Analyse der RW und der GV durchgeführt, um das Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsakte im Detail zu betrachten. Im letzten Schritt (§ 5) wurden konkrete Reformvorschläge zu den untersuchten EU‑VO im Lichte der Kohärenz- und Vereinheitlichungsdiskussion des EU‑IPR/-IZVR erarbeitet und diskutiert. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit in Thesenform zusammengefasst. 1. In den untersuchten Rechtsakten besteht keine umfassende Rechtswahlbzw. Prorogationsfreiheit. Den Parteien steht nur die Wahl zwischen vorgegebenen Optionen offen. Diese sind aufgrund der unterschiedlichen Beschränkungen auf bestimmte Anknüpfungspunkte oder Kombinationen derselben de lege lata nicht optimal aufeinander abgestimmt. 2. Die objektive Anknüpfung des anzuwendenden Rechts und die gesetzlichen Gerichtsstände stellen meist oder überwiegend auf den gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Kombinationen ab, während die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt stärker im Rahmen der GV und der RW zum Zug kommt. Die Staatsangehörigkeit fungiert hierbei regelmäßig als (notwendiges) Korrektiv zur objektiven und wandelbaren Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. 3. Oft handelt es sich bei der Festlegung der Anknüpfungskriterien um einen Kompromiss bzw. eine Ausgleichslösung, um jenen Mitgliedstaaten entgegenzukommen, die durch die neuen, am gewöhnlichen Aufenthalt orientierten objektiven Anknüpfungen und gesetzlichen Gerichtsständen Einbußen am Staatsangehörigkeitsprinzip in Kauf nehmen mussten.
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§ 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick
4. Andere Wahlmöglichkeiten, die auf nichtpersonenbezogene Elemente der Streitigkeit bzw. des Lebenssachverhalts abstellen, sind lediglich punktuell vorhanden. 5. Der kontrastive Vergleich der einzelnen Regeln zur RW und zur GV hat eine Tendenz zur Verschränkung der kollisions- und zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie verdeutlicht. So ist das Bestreben zu beobachten, einen Gleichlauf zwischen forum und ius herzustellen, wofür in den untersuchten Rechtsakten verschiedene Mechanismen zum Einsatz kommen (Wahl der lex fori im HUP im Zusammenspiel mit der UntVO; Wahl der lex fori in der Rom III‑VO im Zusammenspiel mit der Brüssel IIa-VO; rechtswahlakzessorische GV in den Güterrechtsverordnungen und der ErbVO). Zur Verwirklichung der Parteiautonomie ist grundsätzlich der Mechanismus am günstigsten, bei dem parallele Anknüpfungspunkte der RW und der GV dazu führen, dass die Parteien auf einfache Weise einen Gleichlauf erzielen können, dies aber nicht müssen. Materienspezifisch ist diese These aber einzuschränken. Dies gilt insbesonders für die ErbVO, weil materielles Erbrecht und Erbverfahrensrecht besonders stark verwoben sind und eine Aufgabe des grundlegenden strengen Gleichlaufprinzips zu erheblichen Problemen führen würde. 6. Von der Zulässigkeit bis zur materiellen Gültigkeit steigt die Relevanz des nationalen Rechts: Die Zulässigkeit der RW und der GV ist auf Ebene der Rechtsakte abschließend geregelt. Die formelle Gültigkeit wird teilweise verordnungs- bzw. protokollautonom normiert und teilweise dem nationalen Recht überlassen. In diesem Teilbereich überwiegen aber noch die Entscheidungsnormen. Bei der materiellen Gültigkeit hingegen sind nur Verweisungsnormen und daher nationales Recht maßgeblich (so bei der RW) oder es fehlen zur Gänze Regelungen (so bei der GV). 7. Neben den Differenzen in der Zulässigkeit, der formellen und materiellen Gültigkeit der RW und der GV tragen auch die unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereiche der untersuchten VO und die verschiedenen Abkommen zu einer Verstärkten Zusammenarbeit zu einer Zersplitterung und Fragmentierung des EU‑IPR-/IZVR bei. 8. Einheit, Systematik und Kohärenz sind im familien- und erbrechtlichen EU‑IPR/-IZVR zwar teilweise vorhanden, aber de lege lata lückenhaft realisiert. 9. Für die Schaffung eines homogenen Gesamtkonzepts de lege ferenda kommen grundsätzlich diverse Methoden in Betracht. Die Aufnahme von Grundnormen zur Parteiautonomie in einer Rom 0-VO bzw. einer Brüssel 0-VO als „allgemeine Teile“ des EU‑IPR/-IZVR ist nach hier vertretener Ansicht nur begrenzt möglich. Im Gesamten scheidet daher eine umfassend vereinheitlichte Regelung der RW und der GV in einer eigenständigen Rom 0-VO bzw. Brüssel 0-VO aus. 10. Für die RW und die GV müssten auch dann zahlreiche Vorbehalte zugunsten der „Besonderen Teile“ vorgesehen werden, wenn ein „Allgemeiner Teil“ in einem – grundsätzlich begrüßenswerten – Konzept einer Gesamtkodi-
§ 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick
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fikation als Fernziel situiert würde. Die Ausarbeitung von Generalnormen zur Parteiautonomie würde sich nicht merklich rentieren. 11. Es empfiehlt sich daher, als mittelfristigen und praktikableren Weg die einzelnen EU‑VO ohne eine neue Kodifikation, d. h. im Wege von Novellierungen, soweit erforderlich und sachlich angemessen aufeinander abzustimmen. Hierfür wurden in der vorliegenden Arbeit konkrete Reformvorschläge für einzelne Regelungen der untersuchten Rechtsakte formuliert und spezifische Lösungen für bestehende Koordinierungsprobleme aufgezeigt. Als Leitprinzip sollen die inhaltlichen und formellen Beschränkungen der Parteiautonomie in den einzelnen Rechtsmaterien so weit wie möglich und sachlich erforderlich aufeinander abgestimmt sein. Diese Rechtseinheit zwischen den einzelnen Teilmaterien verhindert eine Rechtsspaltung zwischen Unterhalts-, Scheidungs-, Güter- und Erbrecht und vermeidet damit schwierige Abgrenzungsfragen, die sich infolge der inneren Verbundenheit dieser Rechtsmaterien stellen. Auch die Formerfordernisse sollten deckungsgleich sein, um den Abschluss einer RW oder einer GV, die mehrere Regelungsbereiche umfasst, zu vereinfachen. Wichtig ist schließlich, dass die materielle Gültigkeit der RW bzw. der GV einheitlich beurteilt wird. 12. Ausgehend von der in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagenen sektoriellen Vereinheitlichung im internationalen Güter-, Eheauflösungs- und Unterhaltsrecht kann in weiterer Folge auch eine familienrechtliche Teilkodifikation des EU‑IPR/-IZVR in Betracht gezogen werden, wenn weitere Teilbereiche des Familienrechts (z. B. familienrechtlicher Status, Namensrecht und persönliche Ehewirkungen) unionsrechtlich erfasst werden. Eine solche familienrechtliche Teilkodifikation könnte in einem Allgemeinen Teil bestimmte Aspekte der RW und der GV für die familienrechtlichen Unionsrechteakte einheitlich regeln. Das internationale Erbrecht sollte hiervon ausgeklammert bleiben, weil es auf institutioneller Ebene nicht dem besonderen Gesetzgebungsverfahren für Familienrechtssachen unterliegt. 13. Die hier untersuchten familien- und erbrechtlichen VO sind sehr junge Rechtsakte und teilweise zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in Geltung getreten (so die Güterrechtsverordnungen). Es gibt folglich wenig oder noch gar keine Rspr. zur RW und zur GV in diesen EU‑VO. Einige der hier angesprochenen Probleme werden sich somit erst in Zukunft ergeben, wenn die Gerichte mit entsprechenden Streitigkeiten konfrontiert werden. Die Regeln zur RW und zur GV aus diesen VO müssen sich in der Praxis folglich erst etablieren. Wie in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagen wurde, sollte als nächster Schritt – auch im Lichte der Revisions- bzw. Überprüfungsklauseln1 – zuerst das bestehende 1 Siehe Art. 74 UntVO (2016), Art. 65 Brüssel IIa-VO (2012), Art. 20 Rom III‑VO (2015), Art. 68 EheGüVO/PaGüVO (2027) und Art. 82 ErbVO (2025). Während die Reform der Brüssel IIa-VO schon im Gange ist, sind Evaluationen zur UntVO und zur Rom III‑VO trotz abgelaufener Frist noch ausständig.
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§ 6 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick
Recht auf Vollständigkeit, Geschlossenheit und Kohärenz hin überarbeitet werden. 14. Im Ergebnis wird in der vorliegenden Arbeit mit den Reformvorschlägen unter § 5 II. C. de lege ferenda eine teilweise und gemäßigte Liberalisierung der Parteiautonomie im internationalen Familien- und Erbrecht vertreten, um die Wahlmöglichkeiten in den einzelnen Rechtsakten besser aufeinander abzustimmen. 15. Eine völlig freie RW oder eine völlig freie GV, wie sie nach geltendem Recht im vertragsrechtlichen Bereich möglich ist, wird für die familien- und erbrechtlichen EU‑VO hingegen nicht vertreten. Dies ist auf die dogmatische Rechtfertigung der Parteiautonomie zurückzuführen: Die Parteiautonomie ist über die materiellrechtliche Wahl- und Dispositionsfreiheit (Privatautonomie) zu rechtfertigen. Dementsprechend beeinflussen materiellrechtliche Wertungen auch die Ausgestaltung der Rechtswahl- und Gerichtsstandswahlmöglichkeiten. Zusätzlich sind die spezifischen Bedürfnisse des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs zu berücksichtigen. Für die familien- und erbrechtlichen EU‑VO gilt es mithin, einen Ausgleich zwischen parteiautonomem Gestaltungsbedürfnis und schutzwürdigen Interessenspositionen zu finden, die eine Einschränkung der Wahlmöglichkeiten rechtfertigen. 16. Wie weit der Unionsgesetzgeber das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Flexibilität im Rahmen der RW und der GV berücksichtigt, ist letztendlich eine rechtspolitische Entscheidung. Es ist aber wichtig, einen kohärenten und klaren Rechtsrahmen zu schaffen, in dem die Parteien dazu angeregt werden, selbstbestimmt und konsensorientiert zu agieren und von den Wahlmöglichkeiten im Eigeninteresse Gebrauch zu machen. 17. Die besprochenen EU‑Rechtsakte haben in Summe zu einem Ausbau der Parteiautonomie in Rechtsbereichen geführt, in denen es im nationalen Kollisions- und Verfahrensrecht regelmäßig nur wenige oder gar keine Wahlmöglichkeiten gab. In Rechtsmaterien, in denen es bislang kein vereinheitlichtes EU‑Kollisionsrecht und EU‑Verfahrensrecht gibt, wird häufig gar keine Parteiautonomie gewährt.2 Abschließend ist daher festzuhalten, dass die Vereinheitlichung des IPR und des IZVR auf Unionsrechtsebene im Gesamten gesehen zu einer klaren Stärkung der Parteiautonomie geführt hat. Dieser m. E. begrüßenswerte Kurs sollte zukünftig aufrechterhalten bleiben, um die Parteiautonomie als einen der „Eckpfeiler“3 bzw. eines der „fundamentalen Prinzipien“4 des europäischen IPR und IZVR weiter zu festigen. 2
Siehe die Bestandsaufnahme bei Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie 527 ff. ErwGr. 11 Rom I‑VO. Siehe die Präambel der Basel-Resolution des Institut de Droit international (abgedruckt in IPRax 1991, 429 ff.): „Considérant que l’autonomie de la volonté des parties est l’un des principes de base du droit international privé […]“. 3 4
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Gesetzesmaterialien Grünbuch Unterhaltspflichten, KOM(2004) 254 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten, KOM(2005) 649 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I), KOM(2005) 650 endg. Erläuterungen zu den Artikeln des Vorschlags für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten, KOM(2006) 206 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM(2006) 399 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM(2009) 154 endg. Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, KOM(2010) 104 endg. Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, KOM(2010) 105/2 endg. Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms, KOM(2010) 171 endg. Grünbuch: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern, KOM(2010) 747 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrecht, KOM(2011) 126/2 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, KOM(2011) 127/2 endg. Zusammenfassung der Folgenabschätzung: Klärung der Vermögensverhältnisse bei internationalen Paaren, SEK(2011) 328 endg. Mitteilung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union des Hauptausschusses des Nationalrats vom 4.7.2011, 12/MTEU XXIV.GP
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Gesetzesmaterialien
Die EU‑Justizagenda für 2020 – Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union, KOM(2014) 144 endg. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, KOM(2014) 225 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, KOM(2016) 106 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des Güterstands eingetragener Partnerschaften, KOM(2016) 107 endg. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung), KOM(2016) 411 endg. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18.1.2018 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung), COM(2016)0411 – C8–0322/2016 – 2016/0190(CNS)
Judikaturverzeichnis EuGH EuGH 14.12.1976, 24/76, Estasis Salotti/RÜWA ECLI:EU:C:1976:177 . . . . . . . . . . 42 EuGH 13.11.1979, 25/79, Sanicentral GmbH/René Collin ECLI:EU:C. 1979:255 . . 46 EuGH 6.3.1980, 120/79, De Cavel ECLI:EU:C:1980:70 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 EuGH 19.6.1984, 71/83, Russ/Nova ECLI:EU:C:1984:217 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 EuGH 11.11.1986, 313/85, SpA Iveco Fiat/Van Hool NV ECLI:EU:C:1986:423 . . . . 44 EuGH 10.3.1992, C-214/89, Powell Duffryn/Petereit ECLI:EU:C:1992:115 . . . . . . 43 EuGH 27.2.1997, C-220/95, van den Boogard/Laumen ECLI:EU:C:1997:91 . . . . . . 19 EuGH 20.3.1997, C‑295/95, Farrell/Long ECLI:EU:C:1997:168 . . . . . . . . . . . . . . . 17 EuGH 3.7.1997, C-269/95, Benincasa/Dentalkit ECLI:EU:C:1997:337 . . . . . . . . 44, 49 EuGH 16.3.1999, C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizione International Spa/ Hugo Trumpy SA ECLI:EU:C:1999:142 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 47 EuGH 2.10.2003, C-148/02, Garcia Avello ECLI:EU:C:2003:539 . . . . . . . . . . . . . . 215 EuGH 25.2.2004, C‑433/01, Blijdenstein ECLI:EU:C:2004:21 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 EuGH 14.10.2008, C-353/06, Grunkin Paul ECLI:EU:C:2008:559 . . . . . . . . . . . . . . 216 EuGH 2.4.2009, C-523/07, A ECLI:EU:C:2009:225 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 EuGH 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, eDate Advertising GmbH u. a. ECLI:EU:C: 2011:685 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 EuGH 7.2.2013, C-543/10, Refcomp SpA/Axa Corporation Solutions Assurance SpA u. a. ECLI:EU:C:2013:62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104, 141 EuGH 14.3.2013, C-419/11, Česká spořitelna, a. s. ECLI:EU:C:2013:165 . . . . . . . . 11 EuGH 16.1.2014, C-45/13, Andreas Kainz/Pantherwerke AG ECLI:EU:C:2014:7 . . 189 EuGH 18.12.2014, C-400/13 und C-408/13, Sanders und Huber ECLI:EU:C:2014:2461 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 20 f. EuGH 15.5.2015, C‑352/13, Cartel Damage Claims Hydrogen Peroxide SA/ Akzo Nobel NV u. a. ECLI:EU:C:2015:335 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 EuGH 21.10.2015, C-215/15, Gogova/Iliev ECLI:EU:C:2015:710 . . . . . . . . . . . . . . 227 EuGH 21.1.2016, C-359/14 und C-475/14, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic ECLI:EU:C:2016:40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 EuGH 20.4.2016, C-366/13, Profit Investment SIM SpA/Ossi u. a. ECLI:EU:C:2016:282 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 EuGH 7.7.2016, C-222/15, Höszig Kft./Alstom Power Thermal Services ECLI:EU:C: 2016:525 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 EuGH 28.7.2016, C-191/15, Verein für Konsumenteninformation/Amazon EU Sàrl ECLI: EU:C:2016:612 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 EuGH 13.10.2016, C-294/15, Edyta Mikołajczyk/Marie Louise Czarnecka und Stefan Czarnecki ECLI:EU:C:2016:772 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 f. EuGH 14.6.2017, C-67/17, Todor Iliev/Blagovesta Ilieva ECLI:EU:C:2017:459 . . . 101
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Judikaturverzeichnis
EuGH 15.6.2017, C-249/16, Saale Kareda/Stefan Benkö ECLI:EU:C:2017:472 . . . . 190 EuGH 28.6.2017, C-436/16, Georgios Leventis und Nikolaos Vafeias/Malcon Navigation Co ltd u. a. ECLI:EU:C:2017:497 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104, 141 EuGH 13.7.2017, C-368/16, Assens Havn/Navigators Management (UK) Limited ECLI: EU:C:2017:546 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 EuGH 1.3.2018, C-558/16 Mahnkopf ECLI:EU:C:2018:138 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Schlussanträge (EuGH) GA Tesauro SA 20.11.1991, C-214/89, Powell Duffryn/Petereit ECLI:EU:C:1991:431 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 GA Jääskinen SA 4.9.2014, C-400/13 und C-408/13, Sanders und Huber ECLI:EU:C: 2014:2171 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 21
OGH OGH 24.11.1964, 8 Ob 331/64 SZ 37/170 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 OGH 1.8.2003, 1 Ob 240/02d JBL 2004, 187 (abl. Klicka) = wbl 2004, 458 (krit. Czernich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 OGH 5.6.2007, 10 Ob 40/07s ecolex 2008, 404 = IHR 2008, 40 = JBl 2008, 389 . . 46 f. OGH 28.4.2011, 1 Ob 77/11z EF‑Z 2011, 196 (Nademleinsky) = JBl 2012, 194 . . . . 60 OGH 26.6.2014, 6 Ob 100/14w Zak 2014, 293 = NZ 2014, 359 . . . . . . . . . . . . . . . . 134 OGH 28.10.2015, 9 ObA 110/15i JBl 2016, 58 = RdW 2016, 123 = wbl 2016/29 = ecolex 2016, 241 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 OGH 8.7.2016, 4 Nc 12/16a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 OGH 28.3.2018, 6 Ob 19/18i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 RIS‑Justiz RS0006611 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 RIS‑Justiz RS0117156 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
BGH BGH 29.1.2014, XII ZB 303/13 FamRZ 2014, 629 = NJW 2014, 1101 = DNotZ 2014, 361 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 BGH 16.3.2017, I ZB 49/16 und I ZB 50/16 FamRZ 2017, 1295 (zust. Reimann) = ZEV 2017, 416 (krit. Geimer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
OLG OLG Nürnberg 31.1.2013, 7 WF 1710/12 FamRZ 2013, 1321 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 OLG Hamm 7.5.2013, II-3 UF 267/12 FamRZ 2014, 349 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 OLG Stuttgart 7.11.2016, 8 W 166/16 ZEV 2017, 269 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 OLG Hamburg 16.11.2016, 2 W 85/16 IPRax 2017, XII (Doyen) . . . . . . . . . . . . . . . 127
Sonstige Entscheidungen BVerfG 19.4.2005, 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03 FamRZ 2005, 872 = NJW 2005, 2122 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Supreme Court 20.10.2010, UKSC 42, Radmacher/Granatino FamRZ 2011, 1474 (Karsten) = IFL 2011, 215 (Verburgt/Bruce/Kühne) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Sonstige Entscheidungen
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Tribunale di Milano 11.12.2012 RDIPP 2013, 768 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 f. Tribunale di Pordenone 14.10.2014 RDIPP 2014, 1011 = IPRax 2017, 411 (Siehr) . 117 Cassazione civile I sezione, 12.3.2015, 5710/14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Cour de cassation chambre civile 1, 27.9.2017, 16-17198 und 16-13151 . . . . . . . . . 130 VfGH 4.12.2017, G 258–259/2017–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Sachverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 78, 84, 111, 204 Allgemeiner Teil des EU‑IPR/-IZVR 190 ff. Angemessenheitskontrolle, siehe Inhaltskontrolle Anknüpfung – objektive – EheGüVO 91 ff., 106 ff. – ErbVO 123 ff., 137 f. – HUP 30 f., 50 f. – PaGüVO 91 ff., 106 f. – Rom III‑VO 65 ff., 83 f. – subjektive – EheGüVO 91 ff., 153 ff. – ErbVO 123 ff., 137, 153 ff., 231 f. – HUP 30 ff., 153 ff., 220 – PaGüVO 91 ff., 153 ff. – Rom III‑VO 65 ff., 153 ff., 221 ff. Annexzuständigkeit 21, 99 f., 102 ff., 116, 122, 161 ff., 165 f., 227 Ausweichklausel 95 f., 108, 133 Bedingung und Befristung 170 ff. Beratungserfordernis 115, 240, 244 ff. Brüssel 0-VO 191 ff., 207, 211 f. Brüssel IIa-VO 57 ff., 223 ff., 238 f. – Reform 57, 64 f., 70, 223 ff. Common Law 68, 163, 215 dépeçage, siehe Rechtsspaltung Diskriminierungsverbot 27, 29, 62 Draft Common Frame of Reference (DCFR) 209 Ehescheidungsrecht, siehe Rom III‑VO Erbrechtsverordnung (ErbVO) 120 ff., 231 ff., 233 ff., 241
Erbvertrag 127 ff., 140 f., 145 ff. EuGVVO 24, 27, 42 ff., 104, 116 f., 141 ff., 183, 196, 207, 243 EUPILLAR 216 favor creditoris 20 favor divortii 59, 66 favor testamenti 124, 143, 148, 183 formelle Gültigkeit – einheitliche Regelung 203 ff. – Gerichtsstandsvereinbarung 40, 110, 144 f., 179 f. – Rechtswahl 40 f., 74 ff., 108 ff., 143 f., 176 ff. – Vergleich zwischen Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung 180 Formvorschriften, siehe formelle Gültigkeit forum non conveniens-Doktrin 140, 200 forum shopping 10, 37, 59 f., 85, 102, 223 Gerichtsstandswahl 138 ff., 234 ff. Gesamtkodifikation des EU‑IPR/-IZVR 190, 213 ff. gewöhnlicher Aufenthalt (Anknüpfungspunkt) 153 ff., 198, 201 Gleichlauf zwischen forum und ius 11 f., 36, 68, 73, 94, 106 ff., 117 f., 131 ff., 162 ff., 233 ff. Gültigkeitszeitpunkt 28, 151, 45 f., 52, 117 f., 151, 168 f. Günstigkeitsvergleich 53, 56, 84, 183, 198 Güterrechtsverordnungen (EheGüVO/ PaGüVO) 86 ff., 229 f., 240 HGÜ 43, 207 ff. HUP 15 ff., 220, 237 f., 241 f.
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Sachverzeichnis
Inhaltskontrolle – Gerichtsstandsvereinbarung 48, 119, 150, 184 – Rechtswahl 53 ff., 82 ff., 116, 182, 206, 245 f. Kegel, Gerhard 9 Klägerwahlrecht 60 ff., 72, 161, 182, 226 Kohärenz im EU‑IPR/-IZVR 189 ff., 219 ff. lex fori (Prinzip) 57, 68, 158, 163, 192 lex fori prorogati, siehe Prorogationsstatut Mancini, Pasquale Stanislao 7 f., 156 materielle Gültigkeit – einheitliche Regelung 205 ff. – Gerichtsstandsvereinbarung, siehe Prorogationsstatut – Rechtswahl 49 ff., 77 ff., 110 ff., 145 ff. – Vergleich zwischen Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung 181 ff. Missbrauchskontrolle, siehe Inhalts kontrolle Nachlasseinheit 123, 128 f., 136 Nachlassspaltung 123, 136 Namensrecht 215, 255 ordre public 83, 116, 130 f., 191, 198, 213 ökonomische Analyse 9, 199 perpetuatio iurisdictionis 118 Pflichtteilsberechtigte 129 ff., 202
Prorogationsstatut 43 ff., 116 ff., 150 f., 183, 243 f. Rechtsspaltung 90 f., 128, 259 Rechtswahl – abstrakte 32, 125 f. – informierte 45 ff., 69 f., 80 ff., 114 ff., 244 ff. – konkludente 51 f., 79 f., 112 ff., 147 f., 210 ff., 242 f. – Widerruf 148 f., 171 Rom 0-VO 191 ff. Rom I‑VO 43 f., 53, 78 f., 190, 196 f., 202 ff., 210 ff. Rom II‑VO 190, 197 f., 202 ff., 210, 223 Rom III‑VO 57 ff., 221 ff., 239 f., 242 f. rügelose Einlassung 2, 81, 118, 160, 180, 236 f. von Savigny, Carl Friedrich 5 ff., 186 Schiedsklausel 142 f. schlüssige Rechtswahl, siehe Rechtswahl, konkludente Staatsangehörigkeit (Anknüpfungspunkt) 153 ff., 195 ff., 201 Staatsbürgerschaft, siehe Staatsangehörigkeit – doppelte 67, 201, 205 Statutenwechsel 52, 67, 95, 165 Unterhalt – Ehegattenunterhalt 21 ff., 220 f. – Kindesunterhalt 27 ff., 33 f. Unterhaltsverordnung (UntVO) 15 ff., 220 f. Willensmängel 44, 51, 77, 147, 209