Satzmodus zwischen Grammatik und Pragmatik: Referate anläßlich der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Heidelberg 1986 [Reprint 2016 ed.] 9783111560588, 9783484301801


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German Pages 294 [296] Year 1987

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Probleme einer Theorie des Satzmodus
Zur Problematik der Konstitution von Satzmodi als Formtypen
Verbaler Modus oder Satztyp? Zur grammatischen Einordnung des deutschen Imperativs
Zu einer Randgrammatik des Deutschen
Konjunktiv II und Sprechereinstellung
Modus zwischen Verb und Satz
Entscheidungsfragesätze im Finnischen. Mit einem Exkurs ins Deutsche
Gibt es Exklamativsätze?
Aussagesätze im Deutschen
Über den Deklarativmodus
Konfliktäre Sprachhandlungen und ihre sprachliche Realisierung
Wunschsätze im Deutschen - formale und funktionale Beschreibung
Satztypen, Satzarten, Satzmodi - Was Konditionale (auch) mit Interrogativen zu tun haben
Sachregister
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Satzmodus zwischen Grammatik und Pragmatik: Referate anläßlich der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Heidelberg 1986 [Reprint 2016 ed.]
 9783111560588, 9783484301801

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Linguistische Arbeiten

180

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Satzmodus zwischen Grammatik und Pragmatik Referate anläßlich der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Heidelberg 1986 Herausgegeben von Jörg Meibauer

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1987

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Satzmodus zwischen Grammatik und Pragmatik : Heidelberg 1986 / hrsg. von Jörg Meibauer. — Tübingen : Niemeyer, 1987. (Referate anlässlich der . . . Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft ; 8) (Linguistische Arbeiten ; 180) NE: Meibauer, Jörg [Hrsg.]; Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft: Referate anlässlich . . . ; 2. G T ISBN 3-484-30180-5

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1987 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck G m b H , Darmstadt.

INHALT

VII

VORWORT Jörg Meibauer

Probleme einer Theorie des Satzmodus

1

Hans Altmann

Zur Problematik der Konstitution von Satzmodi als Formtypen

22

Karin Donhauser

Verbaler Modus oder Satztyp? Zur grammatischen Einordnung des deutschen Imperativs

57

Norbert Fries

Zu einer Randgrammatik des Deutschen

75

Walter Kasper

Konjunktiv II und Sprechereinstellung

96

Wilfried Kürschner

Modus zwischen Verb und Satz

Leila Luukko-Vinchenzo

Entscheidungsfragesätze im Finnischen.

114

Mit einem Exkurs ins Deutsche

125

Gibt es Exklamativsätze?

140

Aussagesätze im Deutschen

161

Über den Deklarativmodus

190

Konfliktäre Sprachhandlungen und ihre sprachliche Realisierung

207

Ulrike Scholz

Wunschsätze im Deutschen - formale und funktionale Beschreibung

234

Dietmar Zaefferer

Satztypen, Satzarten, Satzmodi Was Konditionale (auch) mit Interrogativen zu tun haben

259

Anton Näf Wilhelm Oppenrieder Eckard Rolf Inger Rosengren

SACHREGISTER

286

VORWORT

Der vorliegende Sammelband enthält die größtenteils überarbeiteten Fassungen von acht Vorträgen, die in der Arbeitsgruppe "Satzmodus zwischen Graimnatik und Pragmatik" aus Anlaß der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) in Heidelberg , 26.-28. Februar 1986, gehalten wurden. Es sind dies die Beiträge von Altmann, Fries, Kürschner, Luukko-Vinchenzo, Näf, Cppenrieder, Folf und Rosengren. Die Aufsätze vcn Donhauser, Kasper, Scholz und Zaefferer sind neu hinzugekommen - diese Autoren kennten sich aus verschiedenen beruf liehen Gründen nicht aktiv an der Heidelberger Arbeitsgruppe beteiligen. Meinen Beitrag habe ich für diesen Sairmelband angefertigt - er ist als eine Art Einleitung gedacht, und er steht aus diesem Grund vor den (ansonsten alphabetisch geordneten) anderen Beiträgen. Allen, die zum Gelingen der Heidelberger Arbeitsgruppe und des vorliegenden Sammelbands beigetragen haben, sei hiermit gedankt. Be senderer Dank gebührt Bettina Kümmerling, die die Hauptlast der Schreibarbeiten übernaimen hat. Köln, im November 1986

Jörg Mgibauer

PROBLEME EINER THEORIE DES SATZMODUS* Jörg Meibauer

Der Begriff 1 Satzmodus'

1.

In zeitgenössischen deutschen Granmatiken kennt der Begriff 'Satzmodus' nicht vor; man spricht, wenn man die Unterscheidung zwischen verschiedenen Klassen deutscher Hauptsätze im Auge hat, eher von 'Satzarten1 oder 'Satztypen1. So werden im Duden(Drosdcwski (Hg.) (1984^:560f) ) die Satzarten Aussagesatz, Ausrufesatz, Wunschsatz, Aufforderungssatz und Fragesatz voneinander abgegrenzt. Als formale Unterscheidungskriterien Verden "die Stellung des Finitums", "charakteristische Wörter (z.B. Fragewörter)11 und "die Stinmführung" genannt. In funktionaler Hinsicht sind diese Satzarten auf "bestimnte Absichten", die sprachlichen Äußerungen zugrundeliegen, zu beziehen; so dient etwa der Wunschsatz dam Ausdruck eines Wunsches. Weil die Gefahr besteht, daß nicht klar ist, was man meint, wenn man z.B. von "Aussage" oder "Frage" redet - die Form oder die Funktion - ist es ratsam, diesen Unterschied terminologisch zu markieren. Ich bezeichne daher Satztypen mit lateinischen Namen, so daß ich von Deklarativsätzen, Interrogativsätzen, Imperativsätzen, Exklamativsätzen usw. spreche. Nun besteht offenbar ein Zusammenhang zwischen den Satztypen und dem Modus des finiten Verbs einerseits, und den Satztypen und der sogenannten Modalität andererseits. Wir würden nämlich folgende Zuordnung vornehmen: (1)

a.

Du kommst zu mir.

DEKLARATIVSATZ

b.

Komm zu mir!

IMPERATIVSATZ

c.

Wenn du zu mir kämestI

OPTATIVSATZ

Man kennte aufgrund solcher Daten zu dem Schluß kennen, daß Satztypen durch Verfcmodi gekennzeichnet sind. Dies erweist sich jedoch als Trugschluß, denn in Deklarativsätzen kennen auch Konjunktivformen vor, in Imperativsätzen keinmal - aufgrund des defekten Imperativparadigiras - ebenfalls Konjunktivformen vor, und in Optativsätzen kann auch der Konjunktiv I vorliegen. Interrogativsätze weisen gleichermaßen Indikativ- und Konjunktivformen auf. Nur der Imperativsatz verfügt also im Deutschen über einen eigenen Verfcmodus, und dies

2 ι auch nur für die 2.Ps.Sg. Während der Verbmodus eine morphologisch-syntaktische Kategorie des Verbs ist, wird die Modalität als eine semantische Größe aufgefaßt, "die die Stellungnahme des Sprechers zur Geltung des Sachverhalts, auf den sich die Aussage bezieht, ausdrückt." (Bußmann (1983:324)) Als Ausdrucksmittel der Modalität gelten u.a. Satztypen, Modalverben, Modalwörter und -partikeln und natürlich die Verbmodi. Nun ist der Begriff der Modalität linguistisch nicht unumstritten. Grammatiker in der Tradition von Hey se beziehen die Modalität von Sätzen auf die komnunikativen Ziele, die nan mit ihnen erreichen kann; andere, wie z.B. Admo4 ni (1982 ) , beziehen die Modalität auf die Positivität vs. Negativität von Sätzen. Friedmann (1965:290) hat diese Auffassungen kritisiert und selbst zwischen der Modalität der Wirklichkeit, der Möglichkeit/Annahme und der Aufforderung unterschieden. Cb aber Aufforderung eine eigene Modalität darstellt, ist sehr fraglich; man würde heute wohl eher dazu neigen, vcxi einem bestimmten Sprechakttyp zu reden, der unter anderem mit Hilfe des Verbmodus Imperativ realisiert werden kann. Vieles von dem, was man früher unter dem Stichwort 'Modalität' diskutierte, 2 wird heute im Zusammenhang einer Theorie der Einstellungen erforscht. Exnstellungstypen selbst sind sicherlich abzugrenzen von Sprechakttypen wie Behauptung, Aufforderung, Befehl usw. Es ist dabei strittig, welchen semantischen Status Einstellungstypen und Sprechakttypen haben, und in welcher Weise sie aufeinander bezogen sind. Unstrittig sollte sein, daß die Identifizierung entsprechender Größen und der Versuch, systeiratisch ihren Zusammenhang zu beschreiben, einen Fortschritt in der neueren Sprachwissenschaft darstellt; davon kann sich der wissenschaftshistorisch Interessierte ansatzweise bei Naurrann (1986:296ff) überzeugen, der bezüglich der Darstellung von Modus vs. Modalität in deutschen Grammatiken des 18. und 19. Jahrhunderts ein recht diffuses Bild zeichnet. Daß man neuerdings von Satzmodus redet und sich dadurch begrifflich von dem traditionellen Terminus Satzart distanziert, ist meinem Eindruck nach gerade auf die Erkenntnis zurückzuführen, daß der Zusammenhang von Satzarten, Verbmodus und anderen Trägern von Modalität (als Ausdrucksmittel) mit den durch sie ausgedrückten Einstellungstypen und Sprechakttypen nur zu erforschen ist, indem man versucht, zwischen den verschiedenen grammatischen und pragmatischen Beschreibungsebenen scharf zu trennen. Wir haben gerade an den Beispielen unter (1) gesehen, daß Satztypen nicht eindeutig durch Verbmodi fixierbar sind. Ein aufmerksamer Betrachter mag beobachtet haben, daß in diesen Beispielen ja auch der Verbstellungstyp variiert.

3

Aber auch hier geht es uns so wie mit dem Vertmodus-Merkmal : Nur aufgrund des Merkrrals Verbzweitstellung kennte man z.B. nicht zwischen Deklarativsätzen und W-Interrogativsätzen unterscheiden. Solche Beobachtungen legen die Vermutung nahe, daß nur die Korrelation formaler Merkmale eine saubere und erschöpfende Identifizierung von Satztypen erlaubt. Während Satztypen durch formale Merkmale wie Stellung des finiten Verbs, Verbmodus, Vorkamen von Frageausdrücken, Akzent und Intonation, Selektion bestimmter Ausdrücke etc. definiert werden, kamtt, wenn man von Satzirodi spricht, noch ein; Weiteres hinzu, nämlich die Ebene der semantischen Repräsentation. Eine typische Frage ist in diesem Zusammenhang: Was berechtigt uns eigentlich, zwei formal so unterschiedliche Satztypen wie den E-Interrogativsatz (Entscheidungsfragesatz) und den W-Interrogativsatz (Ergänzungsfragesatz) als "dem Interrogativmodus zugehörig" zu beschreiben? Doch wohl nur eine einheitliche semantische Repräsentation, die es der wörtlichen Bedeutung dieser Satztypen zuschreibt, daß man mit ihnen Fragen stellen kann. Nach dieser Auffassung sind Satzmodi semantisch fundiert, Satztypen phenologisch, morphologisch und 3

syntaktisch. Ein Satzmodus kann mehrere Satztypen umfassen. Cb und inwiefern die semantische Einheitlichkeit formal unterschiedlicher Satztypen - und damit die Existenz von Satzmodi - nachgewiesen werden kann, ist eine offene Frage. Unterschiedliche Zielgrößen kommen in Betracht. So heißt es bei Wunderlich (1976:135), daß der illokutive Typ im Rahmen eines Satzes durch den grammatischen Modus (z.B. Interrogativmodus, Deklarativmodus, Imperativrrodus) ausgedrückt (angezeigt, markiert) werde. 'Illokutiver Typ' ist dabei für Wunderlich eine rein serranti sehe Größe. Wahrheitsbedingungen-Semantiker denken eher an die mit den verschiedenen Propositionstypen verbundenen Bedingungstypen (Wahrheitsbedingungen, Beantwortungsbedingungen, Erfüllungsbedingungen etc.), andere sehen kognitive Einstellungen als semantisch verankerte, sat^modusdeterminierende Größen an (vgl. Bierwisch (1979a), (1980)). Eine andere Terminologie verwenden Grewendorf/Zaefferer (demn.), die zwischen syntaktischen Modi (Satzmodi, Satzarten) und semantischen Modi (Funktionstypen) unterscheiden und schließlich ναι pragmatischen Modi (illokutionären Akten/Ty4 pen) als "Spezialisierungen der semantischen Modi" reden. So unterschiedlich die begrifflichen und theoretischen Konzeptionen im einzelnen auch sind, es wird doch deutlich, daß Satztypen und Satzmodi in den verschiedenen Komponenten der Grarrrratik und Pragmatik zu beschreiben sind. Welche Arten von systematischen Bezügen sich dabei ergeben, ist die Darstellungsaufgabe einer Theorie des Satzmodus. Eine solche Theorie ist auch zugleich die Antwort auf die Frage nach dem linguistischen Nutzen des Satzmodus-Begriffs."'

4 2.

Satzmodus und Modularität

Traditionell unterscheidet man zwischen verschiedenen Ebenen der Sprachbeschreibung. Innerhalb der Granmatik differenziert man die phcnologische, die syntaktische und die lexikologisch-semantische Ebene voneinander, und dieser Aufgliederung wird oft eine verhältnismäßig weniger differenzierte Pragmatik gegenübergestellt.6 Bierwisch (1979a:120f) hält die Einteilung in Syntax vs. Semantik vs. Pragmatik "eher für fragwürdig" und schlägt eine Einteilung in eine Theorie der Sprache, die "die lautliche, irorphologisch-syntaktische und die logische Struktur der Sprache" erfaßt, eine Theorie der Alltagskenntnis und eine Theorie der sozialen Interaktion vor. Jede dieser Theorien müsse eine Performanztheorie und eine Kcnpetenztheorie enthalten. Dabei sei die Angemessenheit eines solchen Theoriengefüges eine empirisch zu entscheidende Frage. Probleme des Aufbaus einzelner Komponenten und ihr Zusammenhang mit anderen 7 Kctrpcnenten werden neuerdings unter dem Stichwort 'Modularität' diskutiert. Da nicht inner Einigkeit darüber zu erzielen ist, was darunter zu verstehen ist, seien hier einige literaturgängige Begriffsoppositionen - bezogen auf die Organisation des Gesamtsystems - aufgeführt: (a)

modular (autonom) vs. dependent: Wenn ein linguistisches Teilsystem als ein Modul etikettiert wird, wird oft mitbehauptet oder -verstanden, daß dieses Modul 'autonom1 sei, d.h. in keiner Weise abhängig von anderen Teilsystemen. Auf der anderen Seite ist gelegentlich davon die Rede, daß Module "interagieren", d.h. Informationen erhalten oder weitergeben können. Dies kann natürlich als eine Art Abhängigkeit interpretiert werden.

(b)

modular vs. homogen (global): Der inneren Strukturiertheit oder Gegliedertheit eines Teilsystems wird die Nichtstrukturiertheit oder Homogenität gegenübergestellt. Anhänger der Homogenitätsauffassung (in bezug auf ein Teilsystem) betonen die Gradualität oder Prototypizität des betreffenden Gegenstandsbereichs.

(c)

modular vs. funktional: Dieser besonders von Reis (1986) hervorgehobene Gegensatz betrifft weniger den Aufbau von Teilsystemen, sondern eher Hypothesen über deren gegenseitige Fundierung. So gelten für den funktionalen Ansatz nach Reis (1986) grammatische Strukturen und Kategorien als pragmatisch determiniert bzw. kommunikativ-funktional ableitbar; der modulare Ansatz dagegen sieht eine wechselseitige Unabhängigkeit der Module vor.

Weiter ist zu beachten, daß die jeweils akzeptierten Module verschiedene Größenordnungen und Analysetiefen aufweisen: Während Bierwisch (1979a) eine auf das Gesamtspektrum von Sprache und Kommunikation bezogene Modularisierung vornimmt, beschränkt sich Chcmskys (1981) Modulbildung auf die Subsysteme (Regelsystem und Prinzipiensystem) der Granmatiktheorie. Fodor (1983) ninmt als Module des menschlichen Geistes das Modul 1 sensory transducers1, der 'input systems' (die auch das Sprachsystem enthalten) und der 'central systems' an. Rosengren (1986) unterscheidet zwischen dan Sprachsystem und dem Sprachhandlungssystem, die beide aber "autonom und interdependent" zugleich seien.

5 Bezüglich des Aufbaus der Teilsysteme ist die Unterscheidung zwischen externer und interner ffodularität zu beachten. Man vergleiche dazu die Definition von Hamish/Farmer ( 1984:257) : "(1) a system is externally modular when it operates only on a specific domain of information, and has principles of operation that do not reach outside that system, even though useful information might be available there; (2) a system is internally modular when it is analysable into distinct, but interacting subsystems."

So kann etwa Syntax als extern modular betrachtet Verden, insofern sie nicht auf semantische Informationen angewiesen ist und über eigene Gesetzmäßigkeiten verfügt; sie braucht aber nicht zugleich auch als intern nodular analysiert zu werden. Pragmatik auf der anderen Seite kann als intern nodular, aber extern hatogen gesehen werden. Insgesamt ergeben sich, wenn man die Oppositionen extern vs. intern und nodular vs. hcrrogen ansetzt, die folgenden Kctibinationen ναι Eigenschaften: (2)

Ein System kann sein:

a. b. c. d.

Extern Extern Extern Intern

modular homogen modular modular

und und und land

intern intern intern extern

modular. homogen. homogen. homogen.

Damit ist auch deutlich, daß die eher "harten" Positionen (2a) und (2b) nicht zwangsläufig gegeben sind, sondern ein reichhaltiges Spektrum von Strukturiertheitsgraden - vor allem im Spannungsfeld von Systemen und Teilsystemen, die jeweils postuliert werden - denkbar ist. Als Maßstab für die Überprüfung der jeweils vorgenommenen Modulbildung sollte gelten, ob die in dem jeweiligen Modul zu beschreibenden Bezugsgrößen eigenen Gesetzen folgen. Satzmodi sind nun insofern eine hervorragende Möglichkeit, mehr über die Modularität von Graintatik und Pragmatik zu erfahren, als sie offenbar in die verschiedenen Beschreibungsébenen eingebunden sind, so daß eine Theorie des Satzmodus "transmodular" und integrativ verfahren muß. Dies soll im folgenden an einigen wichtigen Punkten gezeigt werden. Zunächst betrachten wir die definierenden Merkmale von Satztypen. Bei oberflächlicher Betrachtungsweise lassen sich einige von ihnen bestinntten Beschreig bungsebenen bzw. Modulen zuordnen: So gehören Intonation, Akzent und Fokus zur Phcnologie (Intcnatorik, Prosodie) , der Verbrtodus zur Morphologie und die Verbstellung zur Syntax (Topologie). Aber schal was die lexikalische Füllung veti Sätzen angeht, ist eine solche grobe Zuordnung nicht einfach: Frageausdrücke, Modalpartikeln,gModalwörter (und bei komplexen Sätzen die Wahl der zulässigen Nebensatztypen ) sind offenbar nur syntaktisch, semantisch und pragmatisch zu behandeln. Und selbstverständlich lassen sich Intonationsphänomene, Verbmodus und -Stellung als (auch) semantisch, oder sogar pragmatisch relevante

Größen auffassen. In jedem Fall kararrt: es also bei der Identifizierung von Satztypen darauf an, das Beziehungsgeflecht der verschiedenen involvierten Merlanale und die jeweils relevante Beschreibungsebene im Auge zu behalten. Problemialle kennen dies besonders deutlich machen: (3)

a.

Wir gehen.

DEKLARATIVSATZ

b.

Wir gehen?

DEKLARATIVSATZ oder INTERROGATIVSATZ?

c.

Gehen wir?

INTERROGATIVSATZ

d.

Gehen wir!

IMPERATIVSATZ (ADHORTATIV)

e.

Wir gehen!

DEKLARATIVSATZ oder IMPERATIVSATZ (ADHORTATIV) ?

Wir konzentrieren uns hier auf die beiden Merkmale Verbstellung und Intonation (Punkt und Ausrufezeichen stehen für das fallende, das Fragezeichen für das steigende Itmmuster) . Der erste Prcblemfall ist der Satz (3b) : Vtenn wir Verbzweitstellung als Kriterium für den Deklarativsatz ansehen, tragen wir offenbar dan Fragecharakter dieses Satzes nicht Rechnung. Der zweite Prcblemfall ist der Satz (3e) : Imperativsätze brauchen nicht unbedingt Verberststellung zu haben wie E-Interrogativsätze; beim Adhortativ (der etwa von Wunderlich (1984) zu den Aufforderungssätzen gerechnet wird) , kennt typischerweise der Subjektausdruck vor, der wiederum durch Verlagerung ins Vorfeld hervorgeheben werden kann. Handelt es sich nun um einen Deklarativsatz (mit "Aufforderungscharakter"?) oder um einen Imperativsatz? Diese Fragen scheinen eine plausible Antwort zu haben: Man muß ganz einfach die Semantik mit zu Hilfe nehmen, um eine Entscheidung über die Satzmoduszugehörigkeit der betreffenden Beispiele fällen zu kennen. So erhält (3b) die Se10

mantik eines Interrogativsatzes, (3e) die Semantik eines Irtperativsatzes. Bei einem solchen Vorgehen sind wir auf eine Hypothese über die semantische Verwandtschaft der einzelnen Satztypen, d.h. über die Einheitlichkeit des fraglichen Satzmodus, angewiesen. Man betrachte die folgenden Sätze: (4)

a.

Wählst du mich?

b.

Wer wählt mich?

c.

Wählst du mich oder sie?

d.

Wer wählt wen?

e.

Ob er mich wählt?

f.

Du wählst wen?



Wen wählst du?

h.

Du wählst mich?

i.

Ich und dich wählen?

j · Dich wählen?

7 Obgleich diese Sätze sehr unterschiedliche fornale Eigenschaften aufweisen, also von verschiedenem Typ sind, werden sie doch als Interrogativsätze betrachtet. Man nimnt im allgemeinen an, daß E-lnterrogativsätze wie (4a) und W-Interrogativsätze wie (4b) gleichermaßen zum Interrogativmodus gehören. Theoretisch wäre es denkbar, etwa für disjunktive Interrogativsätze (Alternativfragesätze) wie (4c), oder selbständige ob-eingeleitete Interrogativsätze mit Endstellung des finiten Verbs (4e), oder Echofragesätze wie in (4f-h) 12

einen eigenen Satzmodus zu postulieren.

Denkbar ist auch, daß die Einheit-

lichkeit dieser Interrogativsatztypen auch semantisch nicht gegeben ist, was ein weiterer Anhaltspunkt für die notwendige Ausdifferenzierung der Satznodi ware.13 Daß Satzmodi nur adäquat zu analysieren sind, wenn man sich um die Spezifizierung ihrer Eigenschaften auf den verschiedenen Ebenen von Gramratik und Pragmatik bemüht, ist besonders an jenen linguistischen Ansätzen deutlich geworden, die aus unterschiedlichen grammatiktheoretischen Erwägungen ein satztypenkennzeichnendes Element gefordert haben. So haben etwa Katz/Postal (1964) angenommen, daß in der Tiefenstruktur von Interrogativsätzen die abstrakten Morpheme 'Q' bzw. 'WH' vorhanden sein müssen, in der Tiefenstruktur von Imperativsätzen das abstrakte Morphem 111. Zu solchen Annahmen fühlte man sich unter anderen deshalb gezwungen, weil Transformationen Bedeutungen nicht verändern sollten. Legt iran aber in der Tiefenstruktur die Struktur eines Deklarativsatzes zugrunde, würde sich durch eine entsprechende Umstellungstransformation auf dem Weg der Erzeugung eines E-Interrogativsatzes zweifellos eine Bedeutungsveränderung ergeben. Abstrakte Morpheme haben also eine doppelte Aufgabe: Sie steuern die zulässigen Transformationsprozesse und werden zugleich semantisch interpretiert. Das Q-Morphem etwa "indicates semantically only that the sentence is a question, i.e., a paraphrase of an appropriate sentence of the form I request that you answer..." (Katz/Postal (1964:89) Wie man an der semantischen Deutung des Q-Morphems durch eine entsprechende Paraphrase sehen kann, bewegen sich auch die später unter dem Namen 'performative Hypothese/Analyse' bekannt gewordenen Ansätze von Ross (1970) oder Sadock (1974) in der durch Katz/Postal begründeten Tradition. Das einhellige Moment in der Kritik an diesen Ansätzen war denn auch, daß hier eine unzulässige Vermischung der syntaktischen, semantischen 14 und pragmatischen Beschreibungsebenen stattfinde. Natürlich kann ein solches Symbol bzw. die Paraphrase, die es repräsentiert, als ein naiver Versuch interpretiert werden, die intuitiv gefühlte Einheitlichkeit der jeweiligen Satznodi wiederzugeben. Auch in moderneren Ansätzen, in denen vergleichbaren Elementen eher ein technischer Sinn gegeben wird, ist noch

8

manchmal ein solches Bemühen zu spüren. So nimmt Wunderlich (1985) , der Echofragen in ihrer Eigenschaft als Form der indirekten Rede als Instanzen eines 'sekundären Satzmodus1 begreift, in ihrer Oberflächenstruktur ein "syntaktisches Ε-Merkmal" an, "das sowohl für die geeignete semantische Interpretation und kcntextuelle Angemessenheit wie auch für die intonatorische Realisierung der Äußerung verantwortlich ist." Obwohl der Ausgangspunkt ein modularisiertes Grairmatikmodell ist, scheint es doch, als würde in einer solchen Konzeption die 15 Kontextbezogenheit der Echofrage gleichsam syntaktisch vorgemerkt. Während der Gesichtspunkt der Einheitlichkeit die Beziehungen von Satztypen innerhalb eines aufgrund semantischer Argumente postulierten Satzmodus hervorhebt, sind die Beziehungen zwischen einmal etablierten Satzmodi unter dem Aspekt der Markiertheit/Unmarkiertheit zu analysieren. Eine oft geäußerte, aber selten begründete Meinung besagt hier, daß dan Deklarativmodus (genauer gesagt: dem affirmativen Deklarativsatz mit dan finiten Verb im Indikativ Aktiv) der unmarkierte Status zukäme, während alle anderen Satzmodi ihm gegenüber markiert 16 seien. Givón (1979:45ff) hat einige systesninteme sung zusammengestellt:

Argumente für diese Auffas-

(a)

Das Vollständigkeitsargument besagt, daß die Distribution und die Selektion von Ausdrucksmitteln in Deklarativsätzen nicht so beschränkt ist wie in anderen Satztypen. Daher muß eine vollständige syntaktische Analyse gerade diesen Satztyp zugrundelegen.

(b)

Das Ökonomieargument besagt, daß eine einfache Theorie einer vorzuziehen ist, wenn es keine besonderen empirischen Gründe gibt. Wenn die Annahme, daß die Grammatik den Deklarativsatz betrachtet, die linguistische Theorie vereinfacht, ist diese rechtfertigt.

(c)

Das Abhängigkeitsargument besagt, daß diejenige Struktur A als die grundlegendere (neutrale, unmarkierte) zu gelten hat, die keine Funktion anderer Strukturen B, C, D etc. ist, während diese umgekehrt eine Funktion von A sind bzw. von A abhängig sind.

(d)

Das Markiertheitsargument besagt, daß diejenige Struktur A gegenüber der Struktur Β als markiert gilt, die ein zusätzliches Merkmal C gegenüber Β aufweist, während sonst A und Β alle Merkmale teilen.

komplexeren für letztere als unmarkiert Annahme ge-

Givón macht selbst darauf aufmerksam, daß sich Argument (a) - vas die größere Freiheit in der Selektion von Ausdrucksmitteln angeht - in einem Widerspruch zu (d) - was das Mehr an Merkmalen bei dem markierten Typ betrifft - befinden kann. Außerdem ist problematisch, wie über die "Zusätzlichkeit" eines Merkmals entschieden werden kann; so kann das (steigende vs. fallende) Intonationsmuster bei einer Deklarativsatzstruktur nur im Hinblick auf Alternativität beurteilt werden. Als Argument für die Unmarkiertheit des Deklarativsatzes nag schließlieh gelten, daß Propositionen durch Deklarativsätze ausgedrückt werden.17 Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, wenn man von einer Theorie des Satz-

9 modus erwartet, - daß sie Auskunft über die satztypen- und satzmodikonstituierenden sprachlichen Mittel und deren Beziehungen gibt, und - daß sie über eine bloße Auflistung der zu unterscheidenden Formtypen hinaus Hypothesen über die Einheitlichkeit dieser Typen, d.h. ihren Verwandtschaftsgrad innerhalb eines Satzmodus, scwie über die Markiertheit von Satztypen und Satzmodi vorlegt. Und es ist zu vermuten, daß eine solche Theorie des Satzmodus insofern einen Beitrag zur Frage des modularen Aufbaus vcn Granmatik und Pragmatik (bzw. zu einer Theorie der sprachlichen Kompetenz und Performanz) beisteuert, als Probiene der Einheitlichkeit oder der Markiertheit nicht nur ein Modul betreffen, sondern alle Beschreibungsebenen der Graimatik und Pragmatik gleichermaßen. 3.

Semantik der Satzmodi

Eine knappe Darstellung der verschiedenen philosophischen und logisch-semantischen Ansätze zu einer Theorie des Satzmodus bieten Grewendorf/Zaefferer (denn.). Ich möchte hier nur auf einige vre saitliche Punkte aufmerksam machen. Gehen wir zunächst von dsn bekannten Beispiel Searles (1971:39) aus: (5)

a.

Sam raucht gewohnheitsmäßig.

b.

Raucht Sam gewohnheitsmäßig?

c.

Sam, rauch gewohnheitsmäßig!

d.

Würde Sam doch gewohnheitsmäßig rauchen!

Bei allen diesai Sätzen, so lautet Searles Hypothese, ist der propositionale Gehalt ('daß Sam gewohnheitsmäßig raucht') gleich, während die Illokution variiert. Ist 'Illokution' nun eine semantische oder eine pragmatische Größe? Die heute wohl allgemein akzeptierte Antwort lautet: Sie ist eine sowohl semantisch als auch pragmatisch zu repräsentierende Einheit. Eine semantische deshalb, weil die mit den Sätzen (5a-d) realisierbaren Sprechakttypen (also etwa Behauptung, Frage, Aufforderung, Wunsch) offenbar an die ihnen zugrundeliegenden Satztypen "gebunden" sind, oder anders ausgedrückt: Es gehört zu dem illakuticnären Potential dieser Satztypen, daß man mit ihnen normalerweise einen bestimmten Sprechakttyp realisiert. Eine solche Gegenüberstellung von Sprechakttypen und Satztypen hat das Problem zu gewärtigen, daß es sehr viel mehr Sprechakttypen zu geben scheint als Satztypen. Selbst wenn man eine sehr feine Satztypenklassifikation vomimnt, wie es wohl möglich ist, wenn man sämtliche relevanten Merkmale berücksichtigt, wird man nicht zu einer 1:1-Zuordnung zwischen Formtyp und Funkticnstyp gelangen.

10

Eine offene Frage ist, wie die grairmatisch determinierte Illokuticnsbedeutung seirantisch zu repräsentieren ist. Wunderlich (1976:67ff) hat in bezug auf die Bedeutung einer Satzform den jeweiligen propositicnalen Gehalt (mit einer bestimmten propositicnalen Struktur), den Positionstyp und den illokutiven Typ unterschieden. Illckutive Typen sind z.B. der Direktiv-Typ, der durch den Imperativmodus ausgedrückt wird, und der erotetische Typ, der durch den Interrogativrtodus ausgedrückt wird. Man kann sagen, daß diese illokutiven Typen semantische Abstraktionen aus der pragnatisch zu definierenden Klasse der Sprechakttypen sind, deren Klassennamen sie tragen; so gehören zum Direktiv-Typ die Sprechakttypen Aufforderung, Befehl, Bitte, Anweisung, Anordnving, Instruktion und Normsetzung. Zaefferer (1979) niimtt für die Ebene der illakutionären Bedeutung (IL-Bedeutung) eine Zuordnung von Sätzen zu logischen Repräsentationen vor, die für die normalerweise mit jenen ausgeführten illokutionären Akte stehen, und auch Bierwisch (1979a:134) läßt als illokutionäre Indikatoren, also "sprachliche Mittel, die kraft ihrer Bedeutung Interaktionsstrukturen determinieren können", die Frage- und Inperativsatzform zu. Bierwisch (1979b, 1980) interpretiert Satztypen als sprachliche Mittel, die eine kognitive Einstellung ausdrücken. Die semantische Struktur eines Interrogativsatzes wird als eine geordnete Menge aus den Elementen Qu und pc angesehen, wobei Qu auf der Ebene der Äußerungsbedeutung eine kognitive Einstellung Q determiniert, vrährend pc für den propositionalen Gehalt steht, dem wiederum auf der Ebene der Äußerungsbedeutung der Inhalt der Äußerungsbedeutung m' ent18 spricht. Der Hauptunterschied zu Wunderlichs Ansatz liegt wohl darin, daß Einstelimgen Größen der Äußerungsbedeutung sind und scmit nicht zur semantischen Struktur im engeren Sinn gehören. Was allerdings Qu ist (außer daß es eben die Einstellung bestürmt), bleibt bei Bierwisch unklar, obwohl man natürlich eine Parallele zu Wunderlichs erotetischem Typ vermuten kann. lang (1983) vertritt die Auffassung, daß der illokutionären Kraft als Bestandteil der Satzbedeutung der Status eines Operators zukamt; als Operand fungiert der propositicnale Gehalt eines Satzes. Da Satztypen zugleich Ein- 19 Stellungen ausdrücken, werden sie auch als Einstellungsoperatoren behandelt. Pasch (1982:126) spricht in diesem Zusaitmenhang auch von 'semantischen Satztypen1. Wie bei Bierwisch ist in dieser Konzeption der Versuch einer mentalen Anbindung der Semantik zu sehen; während Bierwisch und Lang kognitive Korrelate semantischer Größen suchen, wird durch die Einführung des Konstrukts 'neutraler Kontext' bei Wunderlich (1976) eine eher interaktionsbezogene Anbindung erwägen. Einen Schritt weiter geht nun Doherty (1985). Sie sieht die "affirmative

11 Satzform, die Negation, die Aussage- und Frageform eines Satzes als positianale Ausdrucksmittel"(35) an. Solche Ausdrucksmittel drücken die Einstellung eines Sprechers χ zu einem Sachverhalt ρ aus; während die affirmative Satzform und die Negation die Einstellung zu dem durch die Bedeutung des Restsatzes identifizierten Sachverhalt ausdrücken, drücken Frageform und Aussageform die Einstellung zu dieser Einstellung in der Dimension assertiv/nicht-assertiv aus. Diese Beziehungsart wird als 'Einstellungsmodus' gekennzeichnet. Epistemisch werden diese Bedeutungsweisen deshalb genannt, weil es immer um die Einstellung zu einem als bestehend oder nicht-bestehend bewerteten Sachverhalt geht. Die Kernthese dieses Ansatzes liegt darin, die Existenz nicht-propositionaler (gleichwohl wörtlicher) Bedeutung nachzuweisen. Zu diesem Zweck werden auch weitere sprachliche Elemente wie Satzadverbien (Modalwörter), Modalverben, Einstellungspartikeln (Modalpartikeln), Kontrastakzent, also vieles von dem, was in der sprechakttheoretischen Literatur als 'illokutionärer Indikator' firmiert, behandelt. Einen neuartigen Versuch, die Wahrheitsbedingungen-Semantik mit der 'Illokutionssemantik1 (verstanden als die Senantik des illokutionären Potentials von Sätzen) zu verbinden, hat Zaefferer (1984) vorgelegt. Der Ansatz der Wahr20 heitsbedingungen-Semantik ist bekannt : Die wörtliche Bedeutung eines Deklarativsatzes wird identifiziert mit der Menge der möglichen Situationen, in denen er wahr ist. Man versteht den Satz Sam raucht Pfeife, genau dann, wenn man in bezug auf eine gegebene Situation beurteilen kann, ab er wahr ist (in dieser Situation zutrifft) oder falsch ist (in dieser Situation nicht zutrifft). Plausibel ist eine solche Konzeption für Deklarativsätze, die nach Wunderlich (1976:70) eine Preposition aufweisen. Interrogativsätze haben nach Wunderlich andere Arten propositionaler Gehalte, nämlich Prädikatsbegriff (bei W-Interrogativsätzen) und Prcpositionsbegriff (bei E-mterrogativsätzen) ; Imperativsätze weisen offene Propositionen auf. Man kann schlecht über die Wahrheit oder Falschheit einer irrperativischen Äußerung wie Komm pünktlich nach Hause! urteilen. Was man aber kann, ist, zu prüfen, ob zu einem späteren Zeitpunkt der Angesprochene nach Hause gekommen ist oder nicht. Man beurteilt also, ob er die Aufforderung erfüllt hat oder nicht. Und entsprechend für E-Interrogativsätze und W-Interrogativsätze: Man guckt, ob der Antwortende eine wahre Antwort gegeben hat. Auf die Schwierigkeiten, das hier nur angedeutete Prograxtm einer Währheitsbedingungen-Semantik

auszuführen, kann an dieser Stelle nicht weiter eingegan-

gen werden. Sicherlich ist ein problematischer Punkt, wie viele Arten von Bedingungen (also Wahrheits-, Erfüllungs-, Beantwortungsbedingungen...) eigentlich angenaimen werden sollen. Hat jeder Satztyp einen eigenen Bedingungstyp, sind die Bedingungen auf Satzmodi beschränkt? Gibt es Satzmodi, die nicht in

12 Termini bestimrrter semantischer Bedingungen analysierbar sind? Zaefferer (1984:11) entwickelt in diesem Zusarrmenhang das folgende Programil: Die "satzartengerechte Bewertung" - d.h. die Zuordnung ναι Wahrheitsund anderen Bedingungen zu Satzarten - sei durch eine "illokuticnstypengerechte Bewertung" - also die Zuordnung dieser Bedingungstypen zu IIlokutionstypen zu ersetzen. Dabei werden Illokutionstypen nur dann angesetzt, wenn sich diese durch eindeutige illokutionäre Indikatoren fixieren lassen. Als ein solcher Indikator gilt beispielsweise die Modalpartikel schon bei rhetorischen Fragen - so daß diese einen eigenen Illokutionstyp bilden - und bezüglich ex21 plizit performativer Deklarativsätze das tokenreflexive hiermit. Zaefferer (1984:24f) erläutert sein Vorgehen am kritischen Fall der explizit performativen Bitten: (6)

a.

Ich bitte dich, nicht zu lachen,

b.

Lach nicht!

(6b) bekannt die logische Kaistante DIR zugewiesen, die die direktive Lesart repräsentiert und die Zuweisung der Erfüllungsbedingungen garantiert. Da für Zaefferer alle explizit performativen Ausdrücke wie in (6a) Deklarationen im Sinne der Sprechakttypenklassifikation Searles (1975a) sind, kann (6a) wie folgt zweifach bewertet werden: (7)

a.

In seiner deklarierenden Lesart ist (6a) genau dann erfolgreich, wenn der Sprecher den Adressaten bittet, nicht zu lachen.

b.

In seiner deklarierenden Lesart ist (6a) genau dann erfüllt, wenn (6b) in seiner direktiven Lesart erfüllt ist.

Vieil (6a) auch eine assertive Lesart hat, muß die Illokutionssemantik auch für diese Lesart Vorsorgen, indem sie entsprechende Wahrheitsbedingungen definiert. Zwar ist die Illdkutiaissemantik nach Zaefferer eine Art von Pragmatik, nämlich die "Semantik der illokutionären Indikatoren", aber nicht die Pragmatik, die sich als "Theorie des tatsächlichen Gebrauchs von Sätzen" versteht. Daher findet sich in Zaefferers Ansatz kaum ein Hinweis darauf, wie ein Hörer die situatiansadäquate Interpretation eines illokutionsambigen Ausdrucks vornimnt. Die Existenz vcn Sprechakttypen wird zwar angenommen (z.B. Befehlen, Bitten, Auffordern als direktive Typen), aber nicht spezifiziert. Und schließlich kann man Zweifel anmelden an der These, daß alle explizit performativen Sprechakte 22 Deklarationen seien.

Möglicherweise kann eine Theorie der sprachlichen Indi-

rektheit eine angemessenere Arbeitsteilung zwischen Granmatik und Pragmatik vornehmen. Allerdings ist eine Voraussetzung dafür, daß das komplizierte Verhältnis zwischen positicnalen, propositionalen und illokutionären Ausdrucksmitteln besser

13

durchschaut wird. Eines dürfte jedoch klar sein: Der Begriff des Satzmodus ist für alle diese Zuordnungen von zentraler Bedeutung. 4.

Pragratik der Satzmodi

Vieles von dem, vas in einer linguistischen Pragmatik zu behandeln wäre, cb Präsuppositicnen, Inplikaturen, Diskursorganisaticn oder Ihema-Rhena"Gliederung, ist auf die Beschreibungsgröße Satz bezogen; eine Theorie des Satzmodus ist für alle diese Phänomene relevant. So hat Jacobs (1984) auf der Basis von Zaefferers illokuticnsserrantischem Ansatz Vorschläge für eine verallgemeinerte relative Fokuskonzepticn gemacht; Fokussierung ist aber der semantisch-intonatorisch gegebene Ausdruck von Diskursbedingungen, insbesondere der Differenzierung in "alte" und "neue" Information. Wunderlich (1985) hat die These vertreten, daß Echofragen einem 'sekundären Satzmodus' zugehören, da sie ein Fall indirekter Rede sind. Tatsächlich kopieren sie bestürmte Eigenschaften ihrer Vorgänger23 äußerungen, so daß man Echofragen nicht diskursunabhängig erfassen kann. Ferner kann vermutet werden, daß es pragmatische Bedingungen für die Kombination von Satzmodi g i b t . Akzeptieren wir einmal, daß die Definition und Klassifikation von Sprechakttypen zumindest teilweise eine Aufgabe der linguistischen Pragmatik ist, dann wird sofort klar, daß eine Theorie des Satzmodus auch hier Vorbedingung ist. Sprechakttypen wie Behauptung, Frage und Aufforderung sind offensichtlich wesentlich durch den ihnen zugrundeliegenden Satzmodus gekennzeichnet. In jede Definitiai des Sprechakttyps Befehl gehört z.B. die Angabe, daß eine zukünftige Handlung des Adressaten verlangt wird. Entsprechend darf in Imperativsätzen 25 das (Handlungs-)Verb in der Regel keine Vergangenheitsmarkierung aufweisen. Nun wäre eine Sprechakttypenklassif ikaticn, die gerade drei Sprechakttypen umfaßt, die durch die drei wichtigsten Satzmodi formal granmatisch markiert sind, sicherlich inadäquat. Auf der anderen Seite ist es sicherlich übertrieben, so viele Sprechakttypen in einer Sprache einzunehmen, wie es sprechaktbezeichnende Ausdrücke gibt. Das Problem läßt sich anhand der explizit performativen Sprechakte verdeutlichen: Diese weisen nicht nur den Sprechakttyp auf, der durch das explizit performative Verb benannt wird, sondern unter bestimmten Situaticnsumständen den Sprechakttyp, der durch den zugrundeliegenden Satzmodus indiziert wird: (8)

a.

Ich weigere mich, das länger hinzunehmen.

DEKLARATIVSATZ

b.

Darf ich Sie um die Erlaubnis bitten?

INTERROGATIVSATZ

Nach traditioneller Ansicht hat (8a) den Sprechakttyp Weigerung, (8b) ist eine

14 Bitte. Kontexte für die assertive und die interrogative Lesart sind aber auch denkbar. Wir kennen ins z.B. vorstellen, daß jemand hinter einer Glasscheibe grirtmig den Kopf schüttelt. Befragt, was er da mache, kann er (8a) entgegnen. Und (8b) kann tatsächlich eine Informa tionsf rage sein, denn man kann etwa entgegnen: Ja, kommen Sie morgen wieder. Man hat nun die These aufgestellt, daß alle explizit performativen Sprechakte (genauer gesagt, diejenigen im Deklara26 tivrrodus) konstativ bzw. Feststellungen seien. Kenn dies so wäre, wären sie 27 als indirekte Sprechakte analysierbar, und (8a) hätte als sekundäre Illokuticn Feststellung, als primäre Weigerung - im Falle der Performativität. Bei der assertiven Lesart würde es sich jedoch nicht urn einan indirekten, sondern um einen direkten Sprechakt handeln. Es ist noch nicht allgemein akzeptiert, daß man eine Theorie der Indirektheit veil sprachlichen Handlungen braucht. Wenn man allerdings der Uberzeugung ist, daß die Zuordnung von Satztypen bzw. Satzmodi zu Sprechakttypen bzw. Sprechakttypenklassen ein Bindeglied zwischen Grarrtnatik und Pragmatik ist, sollte eine solche Indirektheitstheorie nicht länger tabu sein, denn eine 1:1-Zuordnung zwischen Formtyp und Funktionstyp scheint es - jedenfalls auf der Ebene der Satztypendistinktion - nicht zu geben. Möglicherweise sind bei Einbeziehung auch lexikalischer Elemente und bei der Deutung grammatischer Sachverhalte vor einem weiteren theoretischen Hintergrund beträchtliche Annäherungen zu erzielen, aber es ist doch zu vermuten, daß es sehr viel mehr Funktionstypen gibt als Formtypen, vrabei ein Formtyp unter Umständen mehreren Funktionstypen zugeordnet werden kann. Eine Subklassifizierung ist dabei nicht nur auf der Formseite angezeigt, sondern auch auf der Funktionsseite, d.h. bei der Sprechakttypenklassifikati28 on. Unter dem linguistischen Gesichtspunkt erscheint es ratsam, die Sprechakttypenklassifikation, die ja die Definition der Sprechakttypen nach Glückensbedingungen voraussetzt, möglichst eng an granmatischen Kriterien zu orientieren. Natürlich mag es auch andere, wissenschaftlich zu rechtfertigende, Klassifikationen geben, die sich etwa eher handlungs-, konversations-, oder kognitionsorientiert verstehen. Unter den zuletzt vorgelegten Klassifikationen ist sicherlich diejenige von Matsch/Pasch (1984) insofern interessant, als in ihr die Satzmodusorientiertheit am genauesten ausgedrückt wird: Mitteilungen

Fe ststellungen

I

(Repräsentative)

ι

(Direktive)

I

(¡Commissive)

1

(Erotetische)

I

Aufforderungen (Direktive) Festlegungen

(Expressive)

„i

:

EPF-Äußerung

f

(Kommissive)

Fragen (Erotetische)

1

(Deklarative)

1

(Repräsentative)

1

(Expressive)

15

In diese Klassifikation gehen die Bezeichnungen für die Searleschen Sprechakt29 typenkLassen ein.

Die drei Hauptklassen entsprechen dai drei wichtigsten Satz-

modi. Aufgefächert wird die Klasse der Mitteilungen in Feststellungen vs. Festlegungen. Erstere sind nach Motsch/Pasch (1984:485) solche Mitteilungen, "die Sachverhalte betreffen, die außerhalb der Sprecherhandlung bestehen", letztere sind solche Mitteilungen, "die mit der Sprecherhandlung einen sozialen Sachverhalt schaffen". Aber auch diese Klassifikation hat ihre Tücken: Ein Gruß wie Grüß Gott! - ein typischer expressiver Sprechakt - müßte zugleich eine Feststellung sein; um eine EPF-Äußerung handelt es sich sicher nicht. Eine Äußerung wie Hiermit erkläre iah die Sitzung für eröffnet, ist sowohl eine EPF-Äußerung als auch eine Deklaration - eine entsprechende Rubrik kamttt nicht vor. Rosengren (1986:343) kritisiert an dieser Typologie, daß "die performativen Sprachhandlungen Asserticnen der beschriebenen Sprachhandlungen sind" und daß in ihr "Äußerungen, die intuitiv als illckutiv verwandt aufgefaßt werden, wie nicht-perfornative und performative Sprachhandlungen desselben Typs auseinandergerissen und ganz unterschiedlichen Illokutionstypen zugewiesen werden." Ich denke, daß diese Klassifikation eine Theorie der Indirektheit von Sprechakten nicht ersetzen kann (und wohl auch nicht soll). Insofern können etwa der Äußerung loh frage dich, wer das kaufen soll, durchaus zwei Klassen entsprechen: die der repräsentativen Feststellungen und der erotetischen EFF-Äußerung, und zwar jeweils in wörtlicher Bedeutung. Keinesfalls gehört sie zu der Klasse der Fragen (Erotetische) und ausdrückbar ist auch nicht die mögliche indirekte Behauptung 'Niemand will das kaufen.1 (Es würde sich ja inner um eine repräsentative Feststellung handeln.) Die mit dieser Klassifikation aufgeworfene grundsätzliche Frage ist, inwiefern eine "durch die Integration der Grammatik in das Karmunikaticnswissen bedingte Klassenbildung11 (Motsch/Pasch (1984:484)) wie diese überhaupt sinnvoll ist. Auch hier dürfte klargeworden sein, daß für die skizzierten Probleme der Sprechakttypendefinition, -klassifikation und -Zuweisung (d.h. dan Problem der Auswahl der richtigen Lesart bei potentieller illokuticnärer Mehrdeutigkeit) eine Theorie des Satzmodus nötig ist. 5.

Weitere Probleme

Zweifellos ist mit diesem knappen Überblick die Fülle der Satzmodus-Probleme nicht erschöpft. Auf zwei Fragen möchte ich hier abschließend hinweisen. Eine sehr einfache, aber keineswegs leicht zu beantwortende Frage ist, wie viele Satztypen bzw. Satzmodi es in einer Sprache gibt. So ist es noch nicht allgemein anerkannt, daß es im Deutschen einen Exklamativmodus oder einen Optativmodus gibt.30 Auf der anderen Seite zeigen Uberblicke wie die von Sadock/Zwicky

16

(1985) , daß es vielfältig markierte Satzmodi in den verschiedenen Sprachen der Welt gibt, so daß man eine Theorie möglicher Satzmodi bzw. an eine Theorie universaler Satzmodi denken kennte. Es scheint so zu sein, daß jede Sprache der Welt über einen Deklarativmodus, einen Interrogativmodus und einen Imperativmodus verfügt: "It is in seme respects a surprising fact that most languages are similar in presenting three basic sentence types with similar functions and often strikingly similar forms. These are the declarative, interrogative, and imperative." (Sadock/Zwicky (1985:160)) Es ist die Frage erlaubt, was der Grund dafür ist, und warum andere Funktionen nicht in dieser Weise sprachlich verankert worden sind. Eine andere Frage betrifft den Ubergang zwischen Satzmodi. So hat Altmann (1984) darauf aufmerksam genacht, daß 'Mischtypen1 wie der assertiven Frage eine entscheidende Rolle zukommt, wenn man die definierenden Merkmale eines Satzmodus in eine hierarchische Ordnung bringen will. Demzufolge sollen die Kemmsrkmale (als Merkmale, die auf die Ausgangstypen zurückgeführt werden können) vcn den Randmerkmalen (bei denen eine solche Zurückführung nicht möglich ist) unterschieden werden. Givón (1984:249) hat an Beispielgruppen wie der folgenden gezeigt, daß "there is indeed a continuum space between each of the major prototypical speech acts - declarative, interrogative and imperative": (9)

FROM IMPERATIVE TO YES/NO QUESTION a.

Pass the salti

b.

Please pass the salt.

c.

Pass the salt, would you please?

d.

Would you please pass the salt?

e.

Could you please pass the salt?

f.

Can you pass the salt?

g.

Do you see the salt?

h.

Is there any salt?

(most prototypical IMPERATIVE)

(most prototypical INTERROGATIVE)

Die Idee, die Givón nur andeutet, ist, daß einem "Sprechaktkontinuum", das offensichtlich an Dimensionen wie Höflichkeit, Intensität etc. gebunden ist, ein "Satzmoduskentinuum" entsprechen kennte. Man kann vermuten, daß es zum sprachlichen und kemnunikativen Wissen von Sprechern und Hörern gehört, nicht nur die Unterschiede zwischen den einzelnen Satzmodi wahrzunehmen, sondern auch die Übergänge. Vielleicht liegt hier ein Ansatz zur Deutung des Formenreichtums und der Vielfalt an Funktionen in einer Sprache.

17 ANMERKUNGEN

* 1

2 3 4 5

6 7 8 9 10 11

12

13 14 15 16

17 18 19 20

Für kritische Lektüre und Verbesserungsvorschläge danke ich Anton Näf, Marga Reis und Eckard Rolf. Vgl. zum Verhältnis vom Verbmodus Imperativ zum Satzmodus Imperativ Wunderlich (1984) und Donhauser (1986), sowie die Beiträge von Altmann, Donhauser, Kasper, Kürschner und Scholz in diesem Band. Zur Einordnung von Adhortativ und Sie-Imperativ siehe Matzel/Ulvestad (1978). Vgl. Bierwisch (1979b), (1980), Lang (1983a), Doherty (1985), sowie die Kontroverse zwischen Pasch (1985) und Rosengren (1985). Vgl. Meibauer (1986a). Vgl. Zaefferers terminologischen Vorschlag in diesem Band. Ein linguistischer Nutzen entsteht natürlich auch, insofern eine Satzmodustheorie für die Beschreibung und Erklärung bestimmter sprachlicher Phänomene benötigt wird. Man denke etwa an die Distribution von Modalpartikeln und Modalwörtern, die ohne Bezugnahme auf eine solche Theorie nicht zu beschreiben ist. Auch eine phonologische Größe wie "Exklamativakzent" kann nicht ohne Bezugnahme auf formale und funktionale Aspekte von Exklamativsätzen definiert werden. Ein linguistisch begründetes Satzmodussystem ist relevant im Hinblick auf alle Merkmalsgruppen, die bei der Bestimmung von Satztypen/Satzmodi eine Rolle spielen. Vgl. hierzu insbesondere den Beitrag von Altmann in diesem Band. Vgl. aber die Darstellung von Levinson (1983). Vgl. Wiese (1982), Harnish/Farmer (1984) und Reis (1986). Vgl. zu Akzent und Intonation den detaillierten Überblick von Altmann (1984), sowie seinen Beitrag in diesem Band. Zu Fokusproblemen siehe Jacobs (1984) . Vgl. zu indirekten Fragesätzen Heibig (1974) und Zaefferer (1984). Vgl. auch die von Wunderlich (1984) vorgelegte Liste von Kandidaten für den Status eines Aufforderungssatzes. Man beachte aber die augenscheinliche Formgleichheit zwischen (3a) und (3e). Bei einer tiefergehenden Untersuchung würden sich möglicherweise auch intonatorische Anhaltspunkte für die Satzmoduszugehörigkeit finden lassen. Daß etwa die steigende Intonation eine "fragende" Bedeutung habe und schon von daher der interrogative Satzmodus indiziert sei, ist nicht haltbar. Auch W-Interrogativsätze gehören zum Interrogativmodus, weisen jedoch normalerweise ein fallendes Intonationsmuster auf. Es ist zu bedenken, daß auch ein 'Echo-Interrogativmodus1 E-Interrogativsätze und W-Interrogativsätze umfassen würde. Einiges spricht auch dafür, (4i-j) zu den Echo-Interrogativsätzen zu zählen. Vgl. zu Echofragen Janda (1985), Wunderlich (1985) und Meibauer (1986c). Vgl. den instruktiven Überblick bei Bäuerle (1979). Vgl. Meibauer (1986a) zu einer resümierenden Kritik der Q-Morphem-Hypothese, Downes (1977) und Fries (1983) zur I-Morphem-Hypothese. Vgl. Meibauer (1986c). Givôn fügt diesen Argumenten noch zwei systemexterne Argumente hinzu: Erstens sei der Präsuppositionalitätsgrad im Vergleich zu den anderen Satztypen bei Deklarativsätzen am niedrigsten, zweitens sei die Häufigkeit ihres Vorkommens in Texten am größten. Genauer gesagt, Propositionen sind Intensionen von Deklarativsätzen. Vgl. Wunderlich (1976:70ff). Vgl. Meibauer (1986a) zur detaillierten Auseinandersetzung mit Bierwischs Konzeption. Vgl. Pasch (1982:15f) und Motsch/Pasch (1984). Vgl. Vennemann/Jacobs (1982:110ff) und Lang (1983b) zur kritischen Einführung.

18 21

Vgl. Meibauer (1986a:108f) zur Kritik an Zaefferers Deutung der rhetorischen Frage. 22 Vgl. Grätsch (1986). 23 Vgl. Janda (1985) und Meibauer (1986c). 24 Vgl in diesem Zusammenhang die präzise Studie von Pasch (1983) . 25 Imperativsätze wie Hab du mal nur drei Stunden geschlafen! (Hinweis Marga Reis), in denen das Verb eine Vergangenheitsmarkierung aufweist, kommen vor, dienen aber m.E. nicht zur Realisierung von Befehlen. Sie sind wohl eher als rhetorische Aufforderungen zu deuten (vgl. Meibauer (1986b)). In Imperativsätzen können natürlich auch Nicht-Handlungsverben auftreten, aber auch hier liegt meist entweder eine rhetorische Aufforderung vor, oder die Verben werden so aufgefaßt, daß der Adressat bewirken soll, daß ein bestimmter Zustand besteht.- Vgl. zu diesen Fragen auch Donhauser (1986). 26 Vgl. Bach/Harnish (1979:203ff) ; zur Kritik siehe Grewendorf (1979). 27 Vgl. Searle (1975b), Sökeland (1980) und Meibauer (1986a). 28 Vgl. Searle (1975a), Meibauer (1986a) und Ulkan (1986). 29 Vgl. Searle (1975a) und Searle/Vanderveken (1985). 30 Vgl. die Beiträge von Altmann, Näf und Scholz in diesem Band.

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20 Mötsch, W./Pasch, R. 1984. Bedeutung und illokutive Funktion sprachlicher Äußerungen. Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 37. 471-489 Naumann, B. 1986. Grammatik der deutschen Sprache zwischen 1781 und 1856. Die Kategorien der deutschen Grammatik in der Tradition von Johann Werner Meiner und Johann Christoph Adelung. (Philologische Studien und Quellen 114). Berlin. Pasch, R. 1982. Illokutionäre Kraft von Äußerungen und semantischer Satztyp. Linguistische Studien 91/11. 112-154 Pasch, R. 1983. Untersuchungen zu den Gebrauchsbedingungen der deutschen Kausalkonjunktionen da, denn und weil. Linguistische Studien 104. Reihe A. Arbeitsberichte. Untersuchungen zu Funktionswörtern (Adverbien, Konjunktionen, Partikeln). 41-243 Pasch, R. 1985. Typen von Einstellungsbekundungen. Zeitschrift für Germanistik 6. 53-63 Reis, M. 1986. Die Stellung der Verbargumente im Deutschen. Stilübungen zum Grammatik:Pragmatik-Verhältnis. Rosengren, I. (Hg.) 1986. Sprache und Pragmatik. Lunder Symposium 1986. Lund. Rosengren, I. 1985. Die Beziehung zwischen Sprachhandlungssystem und Sprachsystem am Beispiel der Einstellungsbekundung. Zeitschrift für Germanistik 6. 322-337 Rosengren, I. 1986. Syntaktisch-semantische Struktur - illokutive Funktion: zwei interdependente Seiten einer Äußerung. Weiss, W./Wiegand, H.E./Reis, M. (Hgg.) 1986. Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen Germanistenkongresses Göttingen 1985. Band 3. Textlinguistik contra Stilistik? - Wortschatz und Wörterbuch - Grammatische oder pragmatische Organisation von Rede? Tübingen. 340-353 Ross, J.R. 1970. On declarative sentences. Jacobs, R.Α./Rosenbaum, P.S. (Hgg.) 1970. Readings in English Transformational Grammar. Waltham, Mass. 222-277 Sadock, J.M. 1974. Towards a Linguistic Theory of Speech Acts. New York. Sadock, J.M./Zwicky, A.M. 1985. Speech act distinction in syntax. Shopen, T. (Hg.) 1985. Language typology and syntactic description I. Clause structure. Cambridge. 155-196 Searle, J.R. 1971. Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt/M. Searle, J.R. 1975a. A Taxonomy of Illocutionary Acts. Gunderson, Κ. (Hg.) 1975. Language, Mind, and Knowledge. Minnesota Studies in the Philosophy of Science. Vol. VII. Minneapolis. 344-369 Searle, J.R. 1975b. Indirect Speech Acts. Cole, P./Morgan, J.L. (Hgg.) 1975. Syntax and Semantics 3. Speech Acts. New York/San Francisco/London. 59-82 Searle, J.R./Vanderveken, D. 1985. Foundations of Illocutionary Logic. Cambridge/London . Sökeland, W. 1980. Indirektheit von Sprechhandlungen. Eine linguistische.Untersuchung . Tübingen. Ulkan, M. 1986. Zur Klassifikation von Sprechakten. Eine grundlagentheoretische Fallstudie. Tübingen. Vennemann, T./Jacobs, J. 1982. Sprache und Grammatik (Erträge der Forschung 176). Darmstadt.

21 Wiese, R. 1982. Remarks on modularity in cognitive theories of language. Linguistische Berichte 80. 18-31 Wunderlich, D. 1976. Studien zur Sprechakttheorie. Frankfurt/M. Wunderlich, D. 1984. Was sind Aufforderungssätze? Stickel, G. (Hg.) 1984. Pragmatik in der Grammatik. Jahrbuch 1983 des IdS. Düsseldorf. 92-117 Wunderlich, D. 1985. Echofragen - Eine Skizze. Ms. Düsseldorf. Unveröffentlicht. (Erscheint in Studium Linguistik 20) Zaefferer, D. 1979. Sprechakttypen in einer Montague-Grammatik. Ein modelltheoretischer Ansatz zur Behandlung illokutionärer Rollen. Grewendorf, G. (Hg.) 1979. Sprechakttheorie und Semantik. Frankfurt/M. 386-417 Zaefferer, D. 1984. Frageausdrücke und Fragen im Deutschen. Zu ihrer Syntax, Semantik und Pragmatik. München.

ZUR PROBLEMATIK DER KCNSTIIUTICN VCN SATZMODI ALS FORMTYPEN * Hans Altmann

0.

Zum Satzrnodusbegriff

Unter "Satzrrcdus" oder auch "Satzart (en) " wsrden in der traditionellen Grarrmatik Einheiten wie Aussage(satz) , Frage(satz), Imperativ(satz), manchmal auch Wunsch(satz) und Exclamativ(satz) verstanden, wabei für einen Großteil der mit dieser Thematik befaßten Literatur die Vermischung von Form- und Funkticnsaspekten schon in der Benennung der einzelnen Satzarten/Satzmodi offenkundig ist.^ Gemeint ist allgemein der Beitrag graimatischer Formen zur Funktion des entsprechenden Ausdrucks in einem konkreten Handlungszusamnenhang, wobei unterstellt wird, daß bestürmte Typen von Sätzen für einen Sprecher dazu geeignet oder bestimnt sind, Aussagen, Fragen, Befehle, evtl. auch Wünsche oder Ausrufe zu äußern. Die folgenden Ausführungen ordnen sich durchaus in diese Tradition ein, versuchen sie aber zu restrukturieren. Satzmodus als der grundlegende Begriff soll im folgenden die regelmäßige Zuordnung eines Satztyps (oder einer Gruppe veri Satztypen) mit angebbaren formalen Eigenschaften zu einer bestiinnten Art ven Funktion (oder zu einer Gruppe ναι Funktionen) im sprachlichen Handeln, die ich Funkticnstyp nennen will, bezeichnen. "Satzmodus" bezeichnet also ein komplexes sprachliches Zeichen mit einem Form- und einem Funktionsaspekt. Beide Aspekte kennen nur im engen Bezug aufeinander untersucht vrerden, für mich als Sprachwissenschaftler besitzt allerdings die Formseite Vorrang. Damit soll Spekulationen über mögliche Typen sprachlicher Handlungen ohne Rücksicht auf ihre sprachliche Realisierung vorgebeugt werden - dem größten Manko der sprachphilosophisch orientierten Sprechakttheorie. 1.

2 Furiktionstypen im Satzmodussystem

Der Terminus "Modus" ist forschungsgeschichtlich natürlich belastet. Nicht gemeint ist in diesem Zusairmenhang die Verbmodalität, obwohl die Imperativmorphologie und Konjunktiv II (bei Wunschsätzen) eine Rolle im Satznodussystem spielen. Ebensowenig ist der Bereich der Modaladverbiale oder der Modalitätsadverbiale (sonst auch "Satzadverbiale") gemeint.

23

Man muß wähl davon ausgehen, daß einem bestimmten Formtyp im Satzmodussystem ein Funktionstyp regelmäßig zugeordnet ist. Daß darunter nicht ein bestimmter Handlungstyp verstanden werden kann, ist offenkundig; damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß es regelhafte Zuordnungen zwischen Satzmodi und Typen vcn sprachlichen Handlungen, in denen diese Satzmodi verwendet werden, gibt. - Betrachtet man etwa den noch relativ einfach gelagerten Fall des Irtperativmodus, so zeigen selbst die "normalen" Verwendungsweisen der folgenden Imperativsätze eine Variationsbreite, die nicht mehr unter einem wenn auch noch so abstrakt gefaßten Handlungstyp vereinigt werden kann: (1)

Sei kein Frosch! Geh zu Fröschl!

(2)

Fahr zur Hölle! (Verwünschung)

(Ratschlag)

(3)

Gehab dich wohl und bleib gesund! (guter Wunsch)

(4)

Halt's Maul! (beleidigende Zurechtweisung)

(5)

Ach leck mich doch am Arsch! (Beleidigung)

(6)

Bring doch bitte ein paar Zigaretten mit! (Bitte)

(7)

Laß mich in Ruh! (Zurückweisung)

Man muß also eine relativ große Distanz zwischen der Funktion von Satzmodi und sprachlichen Handlungstypen annehmen. In diesem Sinne wird hier ein dreistufi3

ges Modell vertreten: a) Die Funktionstypen im Satzmodussystem repräsentieren die rein strukturelle Funktion der entsprechenden Satztypen. Dabei ist völlig abzusehen vcn der jeweiligen lexikalischen Füllung und von pragmatischen Faktoren der Interpretation in einer konkreten Vervrendungssituaticn. Hier wird die Funktion der Satzarten vorläufig bestimnt als Mittel zum Ausdruck einer propositionalen Grundeinstellung, die durch Verwendungsregeln zu kennzeichnen ist. Diese beziehen sich auf Voraussetzungen für die Verwendung eines entsprechenden Ausdruckstyps (z.B. der Fall sein - nicht der Fall sein - vorausgesetzt sein; wissen - nicht wissen, daß/ob etwas der Fall ist; wollen nicht wollen, daß etwas der Fall gewesen wäre/sein wird) und sollen für alle "geraden" Verwendungsweisen eines Formtyps gelten. In "ungeraden" Verwendungen kennen allerdings auch diese Verwendungsregeln Spielmaterial sein. b) Diese propositionale Grundeinstellung kann modifiziert oder auch verdeckt werden durch propositicnal ausgedrückte Einstellungen, etwa mit Hilfe von performativ verwendeten Verben, oder auch durch prepositional bezeugte Einstellungen, z.B. mit Hilfe von geeigneten Satzadverbialen: (8)

Ich verspreche dir hiermit hoch und heilig, daß ich nie mehr in meinem Leben einen Tropfen Alkohol anrühren werde. (Aussagesatz, durch den performativ verwendeten Matrixsatz ein Versprechen.)

24 (9)

Hoffentlich gewinne ich diesmal im Lotto. (Wunsch)

(10) Bedauerlicherweise kann ich Ihnen keine bessere Auskunft geben. (Bedauern)

c) In Korrelation zu einer bestimmten Verwendungssituation kann ein Formtyp je nach lexikalischer Füllung entvreder "gerade" (also entsprechend dem jeweiligen Satzmodus und der jeweiligen lexikalischen Füllung) interpretiert werden oder aber auch "ungerade" (in der Sprechakttheorie auch "indirekter Sprechakt" genannt), wann Satzmodus und propositionale Füllung nicht zur Verwendungssituation passen. Die indirekte Interpretation entspricht clan Grice1 sehen Konzept der partikularen konversationeilen Inplikatur, die über 4 ein Raisonnement des Hörers erreicht wird: (11)

A zu B: Ich komme morgen (bestimmt). (Aussagesatz) - Neutrale Interpretation: Prognose über eine zukünftige Handlung von A. - Bevorzugte Interpretation (aufgrund des propositionalen Gehalts): A gibt Β ein Versprechen (Selbstverpflichtung), soweit die Bedingungen für ein Versprechen vorliegen - "gerade" Interpretation. - A ist Β nicht willkommen, und A weiß das. A weiß auch, daß Β weiß, daß A weiß, daß A dem Β nicht willkommen ist. Entsprechend Β. Β bezieht das in seine Überlegungen ein und interpretiert (11) als Drohung - "ungerade" Interpretation.

(Vgl. Schema FUNKTICNSTYPKCNSTITUTION S. 25.) 2.

Formtypen

Wie oben bereits festgestellt soll im Satzmodussystem nur der rein strukturellgranmatische Beitrag zur Verwendungsbedeutung eines Formtyps beschrieben werden. In die Beschreibung von Formtypen im Rahmen des Satzmodussystems dürfen damit nur grammatische Merkmale eingehen, keinesfalls lexikalische. Damit ist aber noch keineswegs geklärt, welche Ausdruckstypen (konstituiert unabhängig von Satzmodussystem) überhaupt zum Beschreibungsbereich gehören. Eine weitgehend funktional bestirnnte Abgrenzung ist schnell zur Hand: in den Beschreibungsbereich fällt jeder Ausdruck als Realisierung eines Formtyps, dem ein Furikticnstyp zuzuordnen ist, der also geeignet ist zum Ausdruck einer der propositionalen Grundeinstellungen, die den Funktionstypen entsprechen. Dazu müßte man aber erst einmal diese propositionalen Grundeinstellungen bzw. Funkticnstypen kennen: die jedoch kann man, bei dem eben postulierten formorientierten Vorgehen, erst dann kennen, vrenn man die Formtypen hinlänglich fixiert hat, ein Dilenma also. Man kann aber dieses Postulat in einige operationale Grundprinzipien aufspalten: geht man davon aus, daß die propositionale Grundeinstellung, die einem Formtyp entspricht, unter allen Bedingungen konstant bleibt,

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, kann ich die schon gar nicht leiden? *Die Brigitte -> , daß ich die nicht leiden kann, weißt du schon.

Bei den letzten beiden Varianten ist allerdings die Interpretation als Freies Thema möglich, wenn entsprechende intonatorische Merkmale vorliegen. - Zusammengenommen erlauben entsprechende Merkmale eine sichere Trennung der Verbstellungstypen , wobei grairriatische und funktionale Kriterien zum gleichen Ergebnis führen, nämlich daß man genau die genannten drei Verbstellungstypen benötigt. Ein zweites stellungsrelevantes Madusmerkmal tritt bei fragend verwendeten ω-Ausdrücken auf: - die obligatorische Vorfeldposition des ω-Frageausdrucks. Sie ist typisch für den ω-ν-2-Fragesatz sowie die Rückfrage darauf : (50)

A:

Wer hat den ganzen Krempel hier wieder eingekauft? ( = iv-V-2-Fragesatz)

B:

Wer hat den ganzen Krempel hier wieder eingekauft?! Wie kannst du das fragen? (= Rückfrage auf U-V-2-Fragesatz)

- die freie Position des w-Frageausdrucks in der Versicherungsfrage, also das Auftreten sowohl im Vorfeld als auch im Mittelfeld, aber nicht im Nachfeld, selbst

35

wenn sich die erfragte Konstituente in der - nicht obligatorischen - Vorgängeräußerung in diesai Positionen befindet: (51)

Ar

Die Schlacht bei Xssos war drei-drei-drei.

B:

Die Schlacht bei Issos war wann?/Wann war die Schlacht bei Issos?

3.3 Morphologische Merkmale In die satzmodustypischen Merkmalsmengen gehen nur wenige Kategorien der Verb20

morphologie ein. Sie warden hier, dem Beschreibungsziel entsprechend, in sonst nicht übliche Oppositionspaare zerlegt: [+IMP] beim V-1-/V-2-Inperativsatz gegenüber [-IMP] bei den meisten anderen Satzmodi. Dieses Merkmal [-IMP] umfaßt [+IND] und [-IND] . Mit dieser Merkmalsdistinktion kann man wiederum den V-1-/V-L-Wunschsatz mit Konjunktiv II als [-IND] (52)

Wäre ich doch ein Königssohn I Ach daß ich doch ein Königssohn war! Oh wenn ich doch ein Königssohn war!

von den übrigen Satzmodi unterscheiden, die hierin nicht beschränkt sind, also [+/-IND] haben können. Ein Merkmal wie [-IND], das voll im Variationsbereich eines anderen Merkmals, nämlich [-IMP] = [+/-IND], liegt, kann natürlich nicht als differenzierendes Merkmal fungieren. - Dabei darf man nicht verkennen, daß die hier vorgenommenen Klassifikationen natürlich sehr grcb sind und damit weit ναι der morphologischen Realität entfernt. Betrachten wir etwa die Formen, die dem Merkmal [+IMP] entsprechen! - Für die I.Ps.Sg. gibt es keine Imperativform. - Die Imperativform der 2.Ps.Sg. entspricht in den meisten Fällen dem Verbstamm. Ausnahmen bilden u.a. Verben, deren Starrm auf eine Konscnantenhäufung endet. Diese hängen obligatorisch -e an: atme, finde, segle etc. - In der Umgangssprache entspricht damit diese Form der der I.Ps.Sg. (außer bei Verbal mit "Brechung": sehen, seh(e), sieh). Unterscheiden kann hier also nicht die Verbmorphologie allein, sondern das Auftreten des entsprechenden Subjektsprcncmens bzw. das Nichtauf treten in der Imperativversion: (53)

(Ich) Geh (ja) schon. (Aussagesatz)

(54)

(Nun) Geh (du) schon!/Du geh (nun) schon! (Imperativsatz)

- Die heute noch möglichen Formen eines Imperativs der 3.Ps.Sg. sind rigoros beschränkt auf Formen mit einem indefiniten Subjektsprcnomen, wobei Verb21

Erst obligatorisch ist: (55)

Sag(e) mir keiner, er hätte nichts gewußt!

36 (56)

Sei einer so freundlich und ...

Dabei handelte es sich ursprünglich um zweifelsfreie Konjunktiv-I-Formen; diese werden aber, jedenfalls in der gesprochenen Umgangssprache, veitgehend durch Formen ersetzt, die dem Imp.2.Ps.Sg. entsprechen. Das Subjektsprcncmen ist in allen Fällen obligatorisch. Auch hier zeigt sich also wieder der enge Zusantnenhang von Verfcrnorphologie, Auftreten und Position eines Subjektsprancmens und Verbstellung bei der Identifizierung des "morphologi22

sehen" Merkmals [+IMP]. - Ganz ähnlich ist die Lage bei der sogenannten Adhortativ-Form der I.Ps.Pl. (vgl. Matzel/Ulvestad (1978)) . Die reine Verbendung ist in diesem Fall die Form der 1.Ps.Pl.Ind.Präsens, abgesehen von der Konjunktiv-I-Form seien, die aber oft sehen durch die entsprechende Indikativform sind ersetzt wird. Diese völlig unspezifische Verbmorphologie erzwingt das Auftreten des Subjektsprancmens wir sewie die Verb-Erst-Stellung. Aber erst die Intonation unterscheidet gegenüber einem segmental identischen V-1-Fragesatz. (57)

Seien/Sind wir doch ehrlich!

(58)

Geben wir uns doch keinen Illusionen hin!

- Auch die "Imperativ"-Form der 2.PS.P1. ist völlig identisch mit der der 2.Ps.PI.Ind.Präsens. Unterscheidend ist das Auftreten des Subjektspronomens ihr in den Nicht-Imperativsätzen (Ellipse kennt kaum vor) , während es im Imperativsatz fakultativ (!) ist, die Verb-Erst-Stellung, sewie die Intonation: (59)

?(Ihr) Redet

(60)

Redet (halt/doch/nur) (Imperativsatz)

(ja) lauter Unsinn.

(Aussagesatz)

lauter Unsinni/Redet ihr halt lauter Unsinn!

- Eine Imperativform mit der Bedeutung 3.PS.P1. gibt es nicht. Die Form der 3.Ps.PI.Ind.Präs. (abgesehen von seien) wird in der höflichen Anrede mit dem obligatorischen Subjektspranamen Sie und der Verb-Erst-Stellung verwendet. Der hier skizzierte Sachverhalt zeigt, daß das morphologische Merkmal nicht stabil ist, sondern in den meisten Fällen "neutralisiert" ist. Identifizierbar wird die Form meist erst durch die Kontoination mit anderen Merkmalen.. Die folgende tabellarische Übersicht soll die Variabilität der Merkmale an einem punktuellen Beispiel verdeutlichen. Völlig normale Indikativ-Präsens-Formen gelten für die V-L-Imperativsätze : (61)

Daß du mir ja keinen Unsinn redest!/Daß ihr mir ja keinen Unsinn redet!/ Daß mir der ja keinen Unsinn redet!

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a • s 01 H n 1 φ φ "H έτχε L ) . Sie neigt oder wendet sich nämlich zu dem Bestimmten ( ό ρ ί σ α ι ) oder dem Befehlen ( τ ι ρ ο σ τ ά ξ α l ) oder dem Wünschen ( ε ΰ χ α σ θ α ι ) oder dem Zweifeln ( δ ι σ τ ά σ α ι ) . (ibid.)

Damit i s t δ γ κ λ ι σ ι ς neu gedeutet, und zwar als Kategorie des Inhalts. Eine Koppelung ans Formale ergibt sich insofern, als bei Choircboskos nur vier Seelenneigungen anerkannt werden, was der Zahl und Art der vier am Verb formal unterscheidbaren Modi entspricht (den I n f i n i t i v führt er hier nicht an, dem Kcnjunktiv weist er eine feste Funktion, die des Zweifeins, zu). Daß die Form entscheidet, wird auch dadurch belegt, daß er es ausdrücklich ablehnt, einen Modus interrogativus anzusetzen, und zwar mit der Begründung: " . . . weil er keine eigene Lautung hat" ( έ π ε ι δ ή ούκ έ χ ε ι

ι δ ί α ς φωνάς) (Uhlig (1910:349))

Mit Choircboskos gelangt die griechische Granmatikschreibung an ihr Ende. Nachdem seit Varrò parallel zu ihr und in starker Abhängigkeit von ihr die lateinische Granmatikschreibung existierte, übernahm diese seit Priscianus (5./6. Jahrhundert n. Chr.) vollends die Vormacht. Die Moduslehre blieb weitgehend ans Verb gebunden. Uber lange Zeit hin bleibt ja Grammatik noch Wortoder Wörtartengrairmatik. Die gleichberechtigte Untersuchung der Kategorie Satz i s t bekanntlich neueren Datums. Und in ihr wird noch irrmer vieles von der wortartbezogenen Granmatikschreibung mitbestimmt. Um am Ende noch einmal auf die Satzmodi zurückzukönnen: Wenn sie etwas mit den traditionellen Satzarten zu tun haben, so i s t das antike Erbe hier mit

123

Händen greifbar. Horst Si tta nennt in der jüngsten Auflage der Duden-Grammatik von 1984 drei (oder vier?) Satzarten: den Aussagesatz, den Wunsch- und Aufforderungssatz, den Fragesatz. Diese Satzarten seien den "drei Grundformen menschlicher Pede [

], Aussage, Aufforderung und Frage", zugeordnet (560). Wir kennen

das von Protagoras her: Seine Redesäulen sind Gebet/Bitte (je nach Ubersetzung)Sittas Wunschsatz, Befehl - Sittas Aufforderungssatz, Frage - Sittas Fragesatz, und wenig Mühe macht es, in Sittas Aussagesatz die Redesäule 'Antwort' des Protagoras zu sehen. Das korreliert auch weitgehend mit den Verbnodi der griechischen Grammatiker: Aussagesatz - Indikativ, Aufforderungssatz - Imperativ, Wunschsatz - nun nicht Optativ, den wir im Deutschen im Gegensatz zum Griechischen nicht haben, wir behelfen uns mit dan Konjunktiv (Könntet Ihr doch noch bleiben!, Gott helfe -ihm!, Wenn sie doch zusagen würde! sind Sittas Beispiele). Nur die Frage war umstritten, weil sie nicht ins Modusschema paßte: ihr war ja kein eigener Verbmodus zuzuordnen. Man kann in der fraglosen Annahme des Fragesatzes als Satzart einen späten Sieg der Philosophen über die Grammatiker sehen.

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124

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1-20

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ENTSCHEIDUNGEFRAGESSTZE IM FINNISCHEN. MIT EINEM EXKURS INS DEUTSCHE Leila Luükko-Vinchenzo

0.

Einleitendes

In der einschlägigen Literatur werden die Fragesätze sowohl des Finnischen als auch des Deutschen gewöhnlich in zwei große Gruppen eingeteilt: in die eine, in der ein Frageausdruck vorkamt - im Deutschen ein ω-Ausdruck (wer, was, auf welche Weise etc.) und im Finnischen ein m/fc-Ausdruck (mikä 'was', kuka 'wer', millä tavalla 'auf welche Weise' etc.) - und in die andere, die keinen Frageausdruck aufweist. Die Termini 'Wörtfragesatz1 und 'Satzfragesatz' geben diese Dichotomie wieder. Ich werde mich mit der Gruppe der Fragesätze auseinandersetzen, die nicht durch einen Frageausdruck im Sinne der traditionellen Graitmatik gekennzeichnet ist. Die Untertypen dieser Kategorie erschöpfen sich in der Literatur zu beiden der hier behandelten Sprachen in den meisten Fällen in den Benennungen 'Entscheidungsfragesatz ' oder "j'a/rceirz-Fragesatz ' bzw. 'Altemativfragesatz ' oder 'disjunktiver Fragesatz'. Auf die Behandlung des letzteren Typs soll hier ganz verzichtet werden, also auf die Behandlung ναι Sätzen wie Fährst du naah Hamburg oder bleibst du in München?. Hingegen wird versucht zu zeigen, daß im Bereich der Satzfragesätze der Entscheidungsfragesatz einerseits nicht der einzige Typ der Nicht-Altemativfragesätze ist und daß andererseits alle hier besprochenen Fragesätze dadurch gekennzeichnet sind, daß der Sprecher mit ihnen seine Frageeinstellung nichtpropositianal "zu erkennen geben" kann (vgl. Lang ((1981:299) und (1983:315)). Im "System kognitiver Einstellung" (Bierwisch (1979:195)) Bierwischs findet sich speziell für die semantische Beschreibung der Sprechereinstellung in diesen Sätzen der Operator: 0: der Äußerer wünscht zu wissen, ob ...

(ebd.,196).

In Anlehnung an das von Hans Altmann koizipierte Satzmodus-System (vgl. Altmann (1982/83); (1984); in diesem Band) werden hier als Satzfragesätze genau die Sätze bezeichnet, mit denen der Sprecher kraft ihrer granina tischen Struktur die propositionale Einstellung 'wissen wollen, ob etwas der Fall ist' aus-

126

drücken kann. Aus welchen Merkmalen diese gramtatische Struktur besteht, soll im folgenden für den Satzmodus 'Entscheidungsfrage-Satz' teilweise kontrastiv finnisch-deutsch untersucht werden (zum Finnischen vgl. Matihaldi (1979)). Mit dieser Fragestellung hängt naturgemäß eng zusairmen, wie sich dieser Satzmodus von anderen formal ähnlichen Satzmodi abgrenzen läßt. 1.

Partikeln

Im Inventar und in der Verwendung der formalen Merkmale zur Konstituierung der Entscheidungsfragesätze unterscheiden sich das Finnische und das Deutsche teilweise. Einen entscheidenden Unterschied zum Deutschen stellt das wohl wichtigste Merkmal eines Entscheidungsfragesatzes im Finnischen dar, nämlich das Morphem -kO, das an das erste Stellungsglied enklitisch angehängt wird. Nach den Regeln der Vokalharmonie -, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll lautet es im Einzelfall entweder -ko oder -kö. Hierzu die Beispiele (1) und (2) (Das Fragemorphem -kO wird in allai Beispielen mit einem Fragezeichen "übersetzt".) : (1)

Tuleeko Pekka? 1

komm-? Pekka'

"Kommt (2)

Pekka?"

Meneekö Pekka? 'geh-?

Pekka'

"Geht

Pekka?"

-kO kann mit Modalpartikeln^ kontoiniert werden. Diese weisen im Finnischen dem Deutschen gegenüber den Unterschied auf, daß sie sich einteilen lassen in eine Gruppe mit enklitischen Morphemen und in eine andere mit selbständigen Lexemen (vgl. Kämä (1983:85) ) . Modalpartikeln beider Gruppen können in ein und demselben Satz auftreten. Die wichtigsten enklitischen und selbständigen Modalpartikeln in finnischen Satzfragesätzen werden im folgenden in dieser Reihenfolge besprochen. Diese Abhandlung beansprucht keine Vollständigkeit der einbezogenen Modalpartikeln, sondern sie soll vielmehr zumindest an einigen Stellen zeigen, daß die Modalpartikeln innerhalb des Modus 'Satzfragesatz' auf der formalen Ebene dazu beitragen, diesen Grundtyp in speziellere Modi mit durchaus differenzierten Sprechereinstellungen zu untergliedern. Die Modalpartikel -s wird im Satzfragesatz an -kO enklitisch angehängt. Diese Partikel verleiht der Frage zusätzliche Freundlichkeit, die Antwortobligation bleibt dabei jedoch unabgeschwächt bestehen: "(...) the emission of an expected -s makes a sentence sound brusque and unfriendly rather than merely

127 neutral." (Karttunen (1975a:235)). Insbesondere die enklitischen Modalpartikeln sind sehr schwer ins Deutsche zu übersetzen. Diese mit -s ausgedrückte Freundlichkeit habe ich in den Beispielen (3) und (4) durch na wiederzugeben versucht: (3)

Tuleekos

Pekka?

'komm-? na Pekka1 "Na, kommt Pekka?" (4)

Omenistako£ Matti piti? 'Apfel ? na Matti mög-' "Mochte Matti ÄPFEL gern?"

-kO ist in Kombination mit der Modalpartikel -s - und nur in dieser Kombination 2 jedoch auch in Satzexklamativ-Sätzen möglich. Zur Verstärkung der Exklamativität kann die Modalpartikel vasta 'erst1 fakultativ hinzugefügt Verden: (5)

Omenistakos

Matti (vasta) piti!

'Apfel ? aber Matti

erst

mög-'

"Hatte Matti aber ÄPFEL (erst) gernl"

Die Funktion eines Satzes wie in (4) oder (5) wird im Kontext vom Hörer nonralerwsise richtig interpretiert. Zur richtigen Interpretation trägt - wie später gezeigt wird - die Intonation wesentlich bei. Von den weiteren Enklitika kann -kin in der Modalpartikelfunktion in Entscheidungsfragesätzen nur dann verwendet werden, wenn das finite Verb das Verneinungsverb ei ist. Auf die Verneinung in den Ehtscheidungsfragesätzen wird später noch eingegangen werden, hier sei jedoch bereits das Beispiel (6) kurz erläutert: (6)

Eikö

Pekka tulekiri?

'nicht? Pekka komm- doch' "Pekka kommt doch?"

Diese Modalpartikel zeigt die Antworterwartung des Fragenden: durch die Verwendung ναι -kin - im Deutschen hier 'doch' - deutet der Sprecher an, daß er eine positive Antwort erwartet. Die Verwendung der enklitischen Modalpartikel -hAn in Satzfragesätzen zeigt deutlich, daß eine Unterteilung dieses "Obermodus" sinnvoll ist: (7)

Tuleekohan

Pekka?

'komm-? wohl Pekka' "Ob Pekka wohl kommt?"

128 Anders als bei der Verwendung eines Qitscheidungsfragesatzes, wie etwa im Beispiel (4), besteht im Beispiel (7) für den Hörer keine Antwortverpflichtung. Der hier verwendete Fragesatztyp - ein deliberativer Fragesatz - kann auch als Selbst-Frage gestellt werden, d.h. als eine Frage vera Sprecher an sich selbst. Das Ausbleiben von Sanktionen bei Nicht-Beantwortung der Frage ist auf den kryptischen Aussagesatz des Typs Iah frage mich im Vor-Text zurückzuführen. Typisch für den deliberativen Fragesatz ist im Finnischen das obligatorische Vorhandensein des an -kO angehängten -hAn·. "The sequence -kohan (

) is (

)

a way of softening a direct question to one that does not insist upen an answer." (Karttunen (1975b:6)). Diese Kombination ist stets ein modusunterscheidendes Merkmal im Finnischen, denn sie ist in den mit Antworterwartung verbundenen Qitscheidungsfragesätzen ausgeschlossen bis auf den Sondertyp der "höflichen Kundenfrage". Im Deutschen wird diese Höflichkeit durch bitte und steigendes Tonmuster ausgedrückt: (8)

Onkohan

Teillä nauloja?

'hab-? wohl Sie

Nägel'

"Bitte, haben Sie Nägel?"

Außer den enklitisch angehängten Morphemen existieren im Finnischen auch nichtgebundene Morpheme, die in der Modalpartikelfunktion auftreten kämen. Von diesen kennen sitten 'denn' und oikeastaan 'eigentlich' in den Entscheidungsfragesätzen des Finnischen vor. Das finite Verb kann dabei das Negationsverb oder jedes andere Verb sein: (9)

(10)

Tuleeko Pekka sitten huomenna? 'komm-? Pekka denn

morgen'

"Kommt

Pekka denn

morgen?"

Eikö

Pekka Sitten tule?

'nicht? Pekka denn "Kommt (11)

komm- 1

Pekka denn nicht?"

Aikooko Pekka oikeastaan tulla? 'woll-? Pekka eigentlich komm- 1 "Will

Pekka eigentlich kommen?

Wie im Deutschen, sind auch im Finnischen die Beispiele (9) und (11) relativ neutral im Hinblick auf die erwartete Antwort. Hingegen bringt der Sprecher mit dem Satz (10) zum Ausdruck, daß er eine positive oder bejahende Antwort zwar bevorzugen würde, sich jedoch veranlaßt fühlt, eine negative Antwort zu erwarten.

129

Auch die selbständigen Lexeme dienen dazu, EntscheidungsfrageSätze fontal gegenüber anderen Modi abzugrenzen: (12)

Tulisiko Pekka nyt muka huomenna? 'komm-?

Pekka nun etwa morgen'

"Käme (13)

Eikö

Pekka

etwa morgen?"

Pekka nyt muka tulisi?

'nicht? Pekka nun etwa komm-' "Würde

Pekka etwa nicht kommen?"

Auf diese Satzfragesätze, deren Rhetorizität durch nyt muka 'nun etwa' (auch mit muka 'etwa' allein akzeptabel) angezeigt wird, wäre jeweils eine, aber nur eine Antwort zulässig (vgl. Grésillan (1980:275)): Auf Satz (12) Nein und auf Satz (13) Doch. Es besteht jedoch keine Antworterwartung, geschweige denn Antwortverpflichtung für den Hörer, ja eine Antwort wäre aufgrund der expressivsuggestiven Sprechereinstellung unangebracht; es wird lediglich eine zustiitinende Reaktion des Hörers erwartet. Eine Konbinatian der eben besprochenen selbständigen Lexeme mit -s ist stets möglich und semit nicht-modusunterscheidend. So bleibt der Modus eines Entscheidungsfragesatzes in (14) und der rhetorischen Satzfragesatzes im Satz (15) unberührt: (14)

(15)

Tuleekos^

Pekka Sitten huomenna?

'komm-? na Pekka denn

morgen'

"Na, kommt Pekka denn

morgen?"

Tulistikos^ Pekka nyt muka huomenna? 'komm-? na Pekka nun etwa morgen' "Na, käme

Pekka

etwa morgen?"

Auch wain die für das Finnische bisher erst wenig untersuchten Partikeln hier nur knapp umrissen werden körnen, läßt sich doch feststellen, daß die enklitischen Partikeln, die an sich bereits einen Unterschied zum Deutschen darstellen, sich in den finnischen Entscheidungsfragesätzen insbesondere dadurch auszeichnen, daß zumindest eine von ihnen inner obligatorisch ist, nämlich -kO. Die übrigen verhalten sich wie beispielsweise das deutsche denn bzw. wohl·. Sie sind zwar typisch für die Entscheidungsfragesätze, aber ihr Vorkamen ist fakultativ (vgl. sitten 'denn'), bzw. sie sind in den Qitscheidungsfragesätzen ausgeschlossen (vgl. -kohan 'wohl') .

130

2.

Das finite Verb

Den nächsten Untersuchungsbereich bietet das Verb, insbesondere das finite Verb, an das das eben besprochene -ko angehängt wird. Der MDdus des Verbs kann weder in einen finnischen noch in einem deutschen Qitscheidungsfragesatz Imperativisch sein. Diese Eigenschaft teilen die beiden Sprachen also, jedoch gibt es im Finnischen eine Klasse von Verben, die homonyme Formen für Indikativ in der 3.Ps.Sg. und Inperativ in der 2.Ps.Sg. aufweist. Bei diesen Formen kann nur das Fragemorphem -kO die funktionale Abgrenzung sichern, wann man die Intonaticn, auf die ich zum Schluß zu sprechen kenne, außer Betracht läßt. Eines von den Verben dieser Klasse ist juoda 'trinken'. An den folgenden vier Beispielen ((16) - (19)) möchte ich die modusunterscheidende - oder zumindest die mitunterscheidende - Funktion von -kO zeigen: (16)

Juoko

Matti teetä?

- Entscheidungsfragesatz im Indikativ

'trink-? Matti Tee' "Trinkt (17)

Juo

Matti Tee?" Matti teetä!

'trink- Matti Tee'

- Befehlssatz im Imperativ mit ausgedrücktem Subjekt

"Trink Tee, Matti!" (18)

Juopa

Matti teetä!

- Exklamativsatz im Indikativ

'trink-aber Matti Tee' "Trinkt Matti aber (viel) Tee!" (19) (A.

Matti ei taida juoda mitään. "Matti trinkt wohl nichts.")

B.

Juo

Matti teetä.

- Antwort-Assertion im Indikativ

'trink- Matti Tee 1 "Tee trinkt Matti schon."

Daß das Auftreten der Modalpart ikeln - wie zu erwarten - nicht auf den Modus 'Entscheidungsfrage-Satz' beschränkt ist, kann man an dem Satz unter (18) sehen. Die Modalpartikel -pA kann u.a. - wie hier - in einem Exklamativsatz auftreten, jedoch nicht in einem Entscheidungsfragesatz, dessen Partikel -kO in den übrigen hier aufgeführten Sätzen wiederum ausgeschlossen ist. Für die Kategorien 'Tempus' und 'Genus' des Verbs gelten für den Entscheidungsfragesatz weder im Deutschen noch im Finnischen irgendwelche Beschränkungen. Die beiden Sprachen unterscheiden sich aber bei der Füllung des konjugierten Verbs, denn im Finnischen kann an erster Stelle im Satz auch das Vemeinungsverb ei stehen. Dies stellt einen Gegensatz zum Deutschen dar, νιο am Anfang

131

des Entscheidungsfragesatzes keine explizite Satznegaticn stehen kann: (20)

Eikö

Pekka tule?

- 3.Ps.Sg.

'nicht? Pekka komm-'

(21)

"Kommt

Pekka nicht?"

Etkö

sinä tule?

'nicht? du

- 2.Ps.Sg.

komm-'

"Kommst du nicht?"

3.

Wortstellung

Als letztes nicht-intonatorisches Merkmal soll noch die Wortstellung erwähnt werden. Die deutschen Qvtscheidungsfragesätze weisen stets Erst-Stellung des finiten Verbs auf; daraus folgt eine - vergleichsweise - feste Wortstellung in diesen Satzmodus des Deutschen. Im Finnischen ist die Wortstellung in den Entscheidungsfragesätzen nicht auf Verb-Erst beschränkt, sondern sie ist vielmehr eines der elementaren Mittel zur Kennzeichnung des fokussierten Ausdrucks oder der fokussierten Ausdrücke. Ist der gesamte Fragesatz rhematisch, so steht das finite Verb am Satzanfang. An das finite Verb wird dann als erstes Stellungsglied - wie zu Beginn dargestellt - das Fragemorphern -kO angehängt. Die Anfangsstellung des finiten Verbs haben die beiden Sprachen also bei dieser speziellen Ihema-Rhema-Struktur gemeinsam. Zur Fokussierung eines Ausdrucks innerhalb des Entscheidungsfragesatzes verfügt das Deutsche vor alian über intonatorische Mittel, d.h. in erster Linie Hervorhebung durch Akzentuierung, über Spaltsatz-Konstruktionen oder über fokussierende Partikeln. Das Finnische verwendet zum gleichen Zwack bevorzugt die Möglichkeit, den Ausdruck, der fokussiert Verden soll, an den Satzanfang zu transportieren und daran das Fragemorphern -kO anzuhängen: (22)

Pitikö Matti omenista?

- maximaler Fokus

'mög-? Matti Apfel' "Mochte Matti Äpfel gern?" (23)

OMENISTAKO Matti piti? •Apfel?

- Objekt im Fokus

Matti mög-'

"Mochte Matti SPFEL gern?" (24)

MATTIKO piti omenista?

- Subjekt im Fokus

'Matti? mög- Apfel' "Mochte MATTI Äpfel gern?"

Außerdan können als Fokussierungsmittel auch im Finnischen Hervorhebung durch

132

Akzentuierung (vgl. (25) - (27)) und Spaltsatz-Konstruktionen (vgl. (28)) in Frage, jedoch handelt es sich hier um im Finnischen relativ selten verwendete Erscheinungsformen. Diese Möglichkeiten sind als 'stärker' anzusehen als die oben besprochene 'Erst-Stellung+fcO'-Fokussierung: die an den Satzanfang gebundene Fokussierung wird durch die beiden hier behandelten Alternativen aufgehoben (vgl. (26) und (27)). Als zusätzliche Fdkussierungsmittel wird die Akzentuierung obligatorisch lediglich dann herangezogen, wenn das finite Verb am Satzanfang im Fokus steht (vgl. (25)) oder mehrteiliger Fckus vorliegt (vgl. (29)) ; hieraus folgt eine sehr markierte, starke Akzentuierung, die eine insistierende Prägung bewirkt: (25)

PITIKÖ Matti omenista?

- fin. Verb im Fokus

'mög-? Matti Apfel' "MOCHTE Matti Äpfel gern?" (26)

Pitikö MATTI omenista?

- Subjekt im Fokus

'mög-? Matti Apfel' "Mochte MATTI Äpfel gern?" (27)

Pitikö Matti OMENISTA?

- Objekt im Fokus

'mög-? Matti Apfel' "Mochte Matti ÄPFEL gern?" (28)

Oliko

se

MATTI, joka piti omenista?

'sei-? das Matti "War (29)

es

der

- Subjekt im Fokus

mög- Apfel'

MATTI, der die Äpfel gern mochte?"

Pitikö MATTI OMENISTA?

- Subj . und Obj. im Fokus

'mög-? Matti Apfel' "Mochte MATTI ÄPFEL gern?"

Die Gradpartikeln sind hingegen ein deutliches Beispiel für fokusbindende Elemente auch im Finnischen. Wie in der Gruppe der Modalpartikeln, so kann man auch bei den Gradpartikeln selbständige Lexeme und an den Fokusausdruck enklitisch angehängte Morpheme unterscheiden. Als Beispiele seien hier die Entsprechungen des deutschen auch in der Gradpartikelfunktion aufgeführt: (30)

Pitikö Matti OMENISTAkin? 'mög-? Matti Apfel

auch'

"Mochte Matti auch ÄPFEL gern?" (31)

Pitikö Matti myös OMENISTA? 'mög-? Matti auch Apfel' "Mochte Matti auch ÄPFEL gern?"

Am Satzanfang lautet die Reihenfolge der Biklitika: Die Gradpartikel geht stets

133 der Fragepartikel -ko voran. Treffen beide Fdkussierungsarten zusairmen, die an die Satzspitze transportierte Konstituente und die Erscheinung der Gradpartikelfakussierung, so fällt auf die Konstituente auch eine emphatische Betonung: (32)

OMENISTAkinko Matti piti? 'Apfel

auch? Matti mög-'

"Mochte Matti auch ÄPFEL gern?" (33)

MATTIkinko

piti omenista?

'Matti auch? mög- Apfel' "Mochte auch MATTI Äpfel gern?"

4.

Intonation

Einen weiteren Bereich, in dan sich die beiden Sprachen in bezug auf die Entscheidungsfragesätze grundlegend unterscheiden, ist die Art und Weise, in welcher die Intaiatian als Merkmal des Modus 'Brtscheidungsfrage-Satz1 verwandet wird. Daß die Intonation auch im Finnischen zur Unterscheidung der Satztypen mitherangezogen wird, dürfte außer Zweifel stehen, obwohl die enklitischen Partikeln - insbesondere -kO - oft als bereits ausreichende Merkmale bezeichnet werden: [...] Finnish is something of a monotonous language with regard to the kind of intonational features known from e.g. English, in the sense that some of these intonational functions could be handled by clitics in Finnish. (Östaann (1977:180))

Ita zu demonstrieren, daß das Finnische keineswegs einen monotonen Melodieverlauf hat und daß man etwa nur durch diese Partikeln Satzmodi unterscheiden würde, werde ich Abbildungen vorstellen und kommentieren, die auf Arbeiten im ναι Η. Altmann geleiteten Münchner EPG-Projèkt 'Modus - Fokus - Intonation' basieren. Sie sind bereinigte Aufzeichnungen von Grundfrequenzverläufen, die vcn einem Oszillanink ausgeschrieben wurden. Ich werde auf das technische Verfahren nicht näher eingehen und mich mit der allgemeinen Erläuterung begnügen, daß die Abbildungen den Grundfrequenzverlauf in den stiirmhaften Segmenten einer Äußerung wiedergeben und die akustische Korrelate des mit dem Ohr wahrnehmbaren Tcnhöhenverlaufs darstellen. Die senkrechte Achse entspricht der Grundfrequenz in Hz und die waagerechte der Zeit in msec. Die durch Hörtests mit jeweils 8 Versuchspersonen ermittelten am stärksten betonten Silben sind unterstrichen. In der Abbildung 1 ist der Grundfrequenzverlauf des finnischen Entscheidungsfragesatzes Tuleeko Pekka? 'Kaimt Pekka?' zu sehen:

134

Abbildung 1

Abbildung 2

Hz

h 450400 — 350300 — 250-

400 — 350300 — 250 200 H

200 —

150

150 100

100 —



kk

50-

50

w 'c Tuleeko Pekka? - Entscheidungs'komm-? Pekka' fragesatz Kommt Pekka?

g e hen w ir •msec W Gehen wir? - Entscheidungs•o

fragesatz

Vergleicht man die aufgezeichnete Kontur mit der in der Abbildung 2, die den Grundfrequenzverlauf des deutschen Entscheidungsfragesatzes Gehen wir? darstellt, so fällt auf, daß die beiden Konturen fast spiegelbildlich aussehen. Im Finnischen befinden sich die modus typischen Grundfrequenzverläufe nicht am Satzende wie im Deutschen, wo u.a. die Höhe des Offsets (= der Grundfrequenzwert am Äußerungsende) eines der Unterscheidungsmerkmale ist. Die OszillauinkaufZeichnungen finnischer Ehtscheidungsfragesätze, wie aller anderen Satzmodi auch, zeigen tiefen Offset, hingegen variiert die Höhe des Onsets und insbesondere der Umfang der satzinitialen Grundfrequenzbewegung. Dem Äußerungsanfang wird in der einschlägigen finnischen Literatur wohl das größte Augenmerk gewidmet. Hirvcnen untersucht in seiner Arbeit "Finnish and Qiglish Ccmnunicative Interation" (Hirvonen (1970)) Aussagen, Fragen und Aufforderungen. Er beurteilt Sätze u.a. nach ihrer Appell-Funktion, d.h. je nach dem, wie sehr mit dem jeweiligen Satz das Interesse des Hörers auf das Gesagte gelenkt werden soll. Die Fragen, die eine ausgeprägte Appell-Funktion aufweisen, sind laut Hirvonen mit einem hohen initialen Fg-Maximum verbunden (vgl. Hirvonen (1970:44)) . Diesem FQ-Maximum schreibt Hirvonen die folgenden hörer- bzw. sprecherspezifischen Funktionen zu: 1)

It is identified with an appeal to the listener by native Finnish listeners;

2)

It is consistently used in sentences containing an appeal to the listener by native Finnish speakers, (s.o.)

Wie sich der Satzanfang im einzelnen gestaltet, scheint vcm Gesamtverlauf der

135

Grundfrequenz abzuhängen: Nouns, questions and shouted utterances yielded higher beginnings than verbs, statements and non-shouted utterances, respectively, but the conclusion was drawn that, at a more general level, raising and lowering the initial FQ curve both depend on the total accentual pattern of the sentence concerned. (Iivonen (1983:21)) (Hervorhebung L.L.)

In der Abbildung 3 sind die zeitlich aufeinander abgestimnten Konturen des Entscheidungsfragesatzes Omenistako Matti piti? 'Waren es Äpfel, die Matti so gern mochte?1 und des Exklamativsatzes Omenistakos Matti piti! 'Hatte Matti aber Äpfel gern! ' aufgezeichnet. Die durchgezogene Kontur bildet die Frage- und die gepunktete Kontur die Exklamativvariante ab: Abbildung 3

t akosm a tt i

w~w~w

piti —,

,

msec

ftnenistako Matti piti? Entscheidungsfragesatz 'War es Matti, der gern Äpfel mochte?' Omenistakos Matti piti! Exklamativsatz 'Äpfel mochte Matti aber gern!' In diesem Beispiel kamiL der Intonation eine besonders differenzierende Rolle zu, weil in dem Exklamativ eine mit dan Fragemorphem -ko fontal identische Modalpartikel enthalten ist. Die hier vorhandene doppelte Eïiklitisierung kann ja auch in einem Qitscheidungsfragesatz vorkamen, wie etwa am Beispiel (3) gezeigt. Beobachtet man hier die Satzmodus-unterscheidende Leistung der Intonation, so zeigt sich, daß der Grundfrequenzverlauf in der Fragevariante höher ansetzt, einen höheren Gipfel (ca. 360 Hz) erreicht und satzinitial auf den ersten drei Silben insgesamt einen größeren Umfang (Differenz: Maximum Minimum) aufweist als die Exklamatiwariante. Der Exklamativ scheint jedoch im späteren Verlauf insgesamt höhere Grundfrequenzwerte und -Bewegungen aufzuweisen als der Fragesatz.

136

Die Abbildung 4 bezieht sich schließlich auf die unter (16) - (19) besprochenen Beispiele; sie soll das bereits zur Funktiai der Intonation im Finnischen Gesagte bestätigen: Die Stanmsilbe juo 'trink-1 ist hier aufgezeichnet für die Satztypen Entscheidungsfragesatz, Antwort-Asserticn und Inperativsatz. Die Kcntur für juo in dem üitscheidungsfragesatz unter (16) Juoko Matti teetä? "Trinkt Matti Tee?' ist mit einer durchgezogenen Linie, juo '(Ja, er) trinkt.' in der Antwortasserticn (19) unter (B) ist mit einer gepunkteten Linie, und schließlich juo 'Trink!' im Imperativsatz unter (17) mit einer gestrichelten Linie gezogen. Abbildung 4

Hz 300—

250200— 150100—

Λ

^ \.\

\

•Λ

50- j u o

juo? Entscheidungsfragesatz juo. — Antwort-Assertion juo! Imperativsatz 'trink-' Es zeigt sich, daß deutliche intonatorische, ircdusspezifische Unterschiede festzustellen sind: Die Dauer ist am kürzesten in der Fragevariante (genauer: in dem mit den anderen Satzmodi identischen Teil der Fragevariante, d.h. in juo) , am längsten in der Imperatiwar iante. Der Fragesatz vßist den höchsten Onset (= der Grundfrequenzwert am Äußerungsanfang) auf. Die Assertion und die Aufforderung haben zwar am Cnset beinahe den gleichen Grundfrequenzwert, im Verlauf der Konturmitte ist der Gipfel in der Aufforderung jedoch etwa doppelt so hoch wie in der Assertion. Betrachtet nan die Abbildungen 3 und 4, so werden Beobachtungen Hirvonens (s.o.) bestätigt, daß diejenigen Satzmodi in einem intonatorischen Miniraipaar höheren Onset bzw. größere Grundfrequenzbewegung am Satzanfang aufweisen, mit denen der Sprecher an den Hörer appelliert, sei es, um eine Antworthandlung wie mit Omenistako Matti piti? 'Waren es Äpfel, die Matti so gern mochte?1 oder eine faktive Handlung wie mit juo! 'Trink!1 zu bezwecken.

137

Zum Schluß möchte ich einen weiteren Typ der Nicht-AItemativsatzfragesätze kurz charakterisieren, um zu zeigen: erstens, daß der Qitscheidungsfragesatz keineswegs der einzige Typ dieser großen Klasse der Satzfragesätze ist - weder im Finnischen noch im Deutschen -, und zweitens, daß vor allem die Intonation hier in der gleichen Art und Weise wie bei den Qitscheidungsfragesätzen die Zuordnung zu der Funktionsklasse 'Frage' mitentscheidet. Auf der Abbildung 5 ist der Grundfrequenzverlauf der finnischen Assertion Kai Matti tunnetaan. 'Matti dürfte bekannt sein.' mit der gepunkteten Linie und der der finnischen assertiven Frage Kai Matti tunnetaan? 'Matti dürfte bekannt sein?' mit der durchgezogenen Linie wiedergegeben. Auf der Abbildung 6 sind hierzu parallel die FQ-Verläufe der deutschen Assertion Du kommst, und dazu der assertiven Frage Du kommst? aufgezeichnet: Abbildung 5

Abbildung 6

300 250 200 — 150100 — 50

\ \

q (19)

Wenn die Sonne scheint oder nicht, geht Max spazieren.

Da (18) mit (20) äquivalent ist, sollte auch (21) eine Paraphrase von (17) sein, und das scheint ja auch wohl ebenfalls richtig:"^ (20) P (21)

>q &1 ρ

>q

Wenn die Sonne scheint, geht Max spazieren, und wenn die Sonne nicht scheint, auch.

Der aligare ine Fall, aus einem Konstituenten interrogativneben satz abgeleitet, verhält sich nach Kenig und Eisenberg ganz analog - (22) hat die logische Form (23) und ist daher durch (24) paraphrasierbar: (22)

Was ich Max auch erzähle, er hört mir nicht zu.

(23)

(χ) (p[x] — > q)

(24)

Wenn ich Max etwas erzähle, hört er mir nicht zu.

Kenig und Eisenberg erwähnen nicht den Fall der nicht-exhaustiven Menge von Alternativen. (25) scheint aber gleichfalls genau analog zu (17) interpretiert zu werdai: (25)

Ob es regnet oder schneit, Max geht spazieren.

Nach Kenig und Eisenberg müßte also (25) die logische Form (26) und damit als mögliche Paraphrase (27) haben: (26)

ρ ν q — >

r.

(27)

Wenn es regnet oder schneit, geht Max spazieren.

Dies scheint aber nicht mehr so offensichtlich auf der Hand zu liegen. Vielleicht ist es nur eine recht ungenaue Paraphrase. Verfolgen wir diese Spur weiter und betrachten wir ein Beispiel, das den vermuteten Unterschied noch stärker hervortreten läßt. Die Spur führt uns in die Wüste. Nehmen Sie an, wir sind dort mit unserem defekten Auto liegengeblieben und ich sage zu Ihnen: (28)

Wenn ein Jeep oder ein Lastwagen kommt, sind wir gerettet.

Sie werden vielleicht mit einem müden Kopfnicken quittieren, aber keinen Grund

265

zur Aufregung haben. Ganz anders, wenn ich sage: (29)

Ob ein Jeep oder ein Lastwagen vorbeikommt, wir sind gerettet.

Weher der Unterschied? Anscheinend transportiert (29) im Gegensatz zu (28) die Information mit, daß wenigstens eine der Alternativen im Antezedens tatsächlich der Fall ist, und dann folgt natürlich das Konsequens, und das ist in unserer Situation mehr als müdes Kopfnicken wert. Das kam im Fall der exhaustiven Alternativmenge in (17) nicht heraus, da dort die Bedingung, daß wenigstens eine der Antezendens-Altemativen der Fall ist, trivialerweise erfüllt ist. Der bisherige Befund scheint also zu ergeben, daß die Paraphrasierung von Gleichsetzungskonditicnalen durch gewöhnliche Konditionale insofern ungenau ist, als sie die Annahme unterschlägt, daß wsnigstens eines der Antezedentien vrahr ist. Nimmt man sie hinzu, so ist die Beobachtung, daß das Konsequens folgt, nicht nur für den Fall des tautologischen Antezedens (exhaustive Altemativmenge) , sondern auch für nicht-exhaustive Altemativmengen und w-Konstruktionen erklärt. Die Feststellung, daß ein Unterschied in der Form einen - wenn auch kleinen Unterschied in der Funktion indizierte, sollte uns vorsichtig gemacht haben und deswegen sollten wir auch gleich einer weiteren Spur nachgehen, die auf eine Ungenauigkeit der Standardparaphrasen hindeutet. Sie besteht darin, daß das nachgestellte Konsequens eine unterschiedliche Wortstellung aufweist, je nachdem, ob das Antezedens ein gewöhnliches oder ein Gleichsetzungskonditicnal ist. Gewöhnliche Konditionale besetzen, wenn sie voranstehen, das Vorfeld des Hauptsatzes und werden deswegen unmittelbar von Finitum gefolgt (vgl. (28)). Gleichsetzungskcnditionale hingegen stehen außerhalb des Hauptsatzes und werden deswegen ven einem vollständigen Verb-Zweit-Satz gefolgt (vgl. (29)). Diese Eigenschaft teilen sie mit den gewöhnlichen Konditionalen, vrenn diese als ein Konditicnaltyp verwendet werden, den ich Illokutionskcnditicnal nennen und im nächsten Abschnitt kurz charakterisieren möchte. Bei dieser inhaltlichen Verwandtschaft und formalen Ähnlichkeit drängt sich natürlich die Frage auf, ob die Gleichsetzungskcnditicnale nicht als ein Spezialfall unter die Illdkutionskonditionale zu subsumieren sind. 2.2.2 Sind Gleichsetzungskcnditicnale Illokuticnskonditionale? Eine Beantwortung dieser Frage setzt voraus, daß klar ist, was Illdkutionskcnditicnale sind. Betrachten wir zunächst ein paar Beispiele. (30) und (31) kennen sich offensichtlich hinsichtlich ihrer Antwortbedingungen unterscheiden, (mit interrogativem Tcnmuster auf dem ersten Teilsatz und terminalem auf dem

266 zweiten ist (31) nur eine Paraphrase von (30) , aber diese Lesart sei jetzt einmal ausgeklanrrert) : (30)

Wenn du an Geisterbeschwörungen teilgenommen hast, hast du jemals einen Geist gesehen?

(31)

Hast du jemals einen Geist gesehen, wenn du an Geisterbeschwörungen teilgenommen hast?

Wenn der Adressat zwar nal einen Geist gesehen hat, aber nie dann, wenn er an einer Geisterbeschwörung teilnahm, dann ist (30) mit "ja" wahrheitsgemäß beantwortet, (31) hingegen mit "nein". Die Intuiticn, daß mit (31) eine einfache Frage nach dem konditionalen Sachverhalt gestellt wird, in (30) hingegen eine bedingte Frage nach dem einfachen Sachverhalt, daß in (30) also der Illokuticnstypindikator im Skqpus des Konditionals steht, hat dem Antezedens in Sätzen des lyps (30) den Namen 'Illdkuticnskonditianal' eingetragen. (32) ist ein weiteres Beispiel, diesmal mit einem Deklarativsatzkcnsequens; der Bedeutungsunterschied zu dem parallel aufgebauten (33) ist wohl schlagend und wird durch die Interpunktion (Doppelpunkt vs. Kenne) unterstrichen: (32)

Wenn du mir eine Bemerkung erlaubst: du bist außergewöhnlich guter Laune.

(33)

Wenn du mir eine Bemerkung erlaubst, bist du außergewöhnlich guter Laune.

(33) wird erst dann falsch, wenn es im thematisierten Bereich einen Fall gibt, wo der Adressat dem Sprecher eine Bemerkung erlaubte, cime außergewöhnlich guter Laune zu sein, (32) hingegen bereits dann, wann der Adressat gerade nicht außergewöhnlich guter Laune ist. Die Frage, ob der Adressat dem Sprecher eine Bemerkung erlaubt, affiziert weder die Wahrheits- noch die Vorzugsbedingungen der Bemerkung, allenfalls die Bedingungen des makellosen Vollzugs, wenn man annimmt, daß es zum makellosen Vollzug einer Bemerkung gehört, daß sie vom Adressaten erlaubt ist. 4 Ähnlich im Fall (30). Die Frage gilt auch dann als gestellt, wenn der Adressat nie an Geisterbeschwörungen teilgenommen hat, allerdings ist er dann kein so guter Auskunftgeber, wie vom Sprecher erwartet, und eine Bedingung des makellosen Vollzugs von Fragehandlungen ist verletzt, wenn man annimnt, daß makellose Fragen an den besten potentiellen Auskunftgeber gestellt werden müssen. Der Unterschied wird besonders deutlich, wenn Antezedens und Konsequens inhaltlich in einer Beziehung stehen, bei der es aus faktischen Gründen ausgeschlossen ist, daß ersteres letzteres bedingt. Dann kann vernünftigerweise das Antezedens nur als Illokuticnskonditional interpretiert warden. Nehmen wir z.B. an, daß die Bedeutungskcnventicnen einer Sprache im allgemeinen davon unabhängig sind, ob eine bestimmte Person diese Sprache beherrscht. Dann ist das

267

Antezedens in (34) nur als Illdkutionskonditicnal zu lesen: (34)

Wenn du Tschechisch kannst, was heißt eigentlich 'hovno'

Illokuticnskcnditionale, so läßt sich jetzt wohl resümieren, formulieren also nicht, wie die gewöhnlichen Konditionale, eine Bedingung für den Inhalt des Konsequens, sie thematisieren vielmehr eine Bedingung des makellosen Vollzugs der Illokuticn, die mit der Äußerung des Konsequens gewöhnlich vollzogen wird, nämlich die Motiviertheitsbedingung, und sie bringen zum Ausdruck, daß der Sprecher diese Illokuticn in der Annahme vollzieht, daß der beinhaltete Sachverhalt Tatsache ist. Anders die Gleichsetzungskonditionale. Sie bringen im allgemeinen Bedingungen für den Inhalt der mit der Äußerung des Konsequens vollzogenen Illokuticn zum Ausdruck, nicht Bedingungen für die Motiviertheit ihres Vollzugs, wie z.B. aus (35) ersichtlich, wo die Witterungsbedingungen offensichtlich auf Hansens Verhalten, und nicht auf die Behauptung des Sprechers bezogen werden: (35)

Ob's regnete oder schneite, Hans fuhr immer mit dem Rad zur Schule.

Die Frage kann also höchstens sein: Können Gleichsetzungskonditionale als Illokuticn skonditicnale fungieren? Und hier scheint die Antwort 'ja' zu lauten. Betrachten wir einen Fall, bei dan die Konditionierung des Inhalts der Kcnsequensillokution durch die Antezedensproposition aus sachlichen Gründen ausgeschlossen werden kann: (36)

Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Ihr Vortrag war einfach langweilig.

Offenbar wird hier das (Nicht-)Gefallen, das der Adressat an der Langweiligkeit seines Vortrags finden kann, nicht als Bedingung für eben diesen Sachverhalt erwogen, sondern als Bedingung für die Mitteilung dieses Sachverhalts. Der interessante Unterschied zu den gewöhnlichen Illokutionskonditicnalen, wo der Sprecher sich das Bestehen der Bedingving als Annahme zu eigen macht, besteht nun darin, daß hier die Bedingungen nur thematisiert werden, der Sprecher aber keine von ihnen als Annahme überniirmt, vielmehr zu verstehen gibt, daß er sich über eine denkbare Forderung nach der Gegebenheit einer der Bedingungen (z.B. daß die Mitteilung dem Adressaten gefällt) hinwegsetzt. Was man dem Sprecher zurechnen kann als eine mit der Äußerung des Antezedens genachte Annahme ist allerdings die Disjunktion der thematisierten Sachverhalte. Ob diese Hypothese richtig ist, läßt sich am Beispielfall schvrer sehen, da es sich um eine Tautologie handelt. Betrachten wir daher eine nicht-exhaustive Alternativmenge und eine ^Konstruktion:

268 (37)

Ob du das Spielzeug verstreut hast oder dein Bruder, räum' es sofort wieder auf!

(38)

Wer auch immer das Spielzeug verstreut hat, räum' es sofort wieder auf!

Hier zeigt es sich, daß die Hypothese in der Tat plausibel ist, denn es ist sehr vrohl denkbar, daß auf den Einwand Niemand hat das Spielzeug verstreut, der Wind hat das Fenster aufgedrückt und die Spielzeugkiste vom Tisch gestoßen., der Sprecher ein Einsehen hat und sagt: Gut, dann brauchst du es nicht aufzuräumen. Die Antwort auf die Titelfrage dieses Abschnitts muß also lauten: Nein, Gleichsetzungskcnditionale sind nicht allgemein Illokutionskcnditionale, sie kennen allenfalls als solche fungieren, und wenn dies der Fall ist, dann drücken sie die Sprecherannahme aus, daß wenigstens eine der thematisierten Alternativen gegeben, und damit die Kcnsequensillakutian motiviert ist. 2.2.3 Sind Gleichsetzungs- als gewöhnliche Konditionale paraphrasierbar? Kennte man bei den Verberstkanditicnalen mit gutem Grund annehmen, daß sie eine Abfolge von Polaritätsfrage und positiver Antwort abkürzen, so ist dies bei den Gleichsetzungskonditicnalen aus dem einfachen Grund nicht möglich, daß die entsprechenden Hauptsatzinterrogative keine ja-Antwort zulassen. Die Paraphrasen mit dem Ganz egal... oder Ganz gleich...-Präfix legen vielmehr nahe, anzunehmen, daß hier nicht eine bestimmte Antwort angencranen wird, sondern vielmehr jegliche Antwort für irrelevant erklärt wird. Ist das richtig? Nicht ganz. Fragen, die nicht-exhaustive Alternativmengen thematisieren, lassen auch völlig negative Antworten zu, die alle diese Alternativen zurückweisen.^ Solche Antworten werden nicht für irrelevant erklärt. Man vergleiche (39) : (39)

Ob man 90 oder 120 Stundenkilometer fährt, dieser Wagen verbraucht nicht mehr als 8 Liter auf 100 Kilometer.

Fährt nan weder 90 noch 120, sondern z.B. 160, so ist dies ein Antezedens, dessen Einflußlosigkeit auf das Konsequens nicht mehr mitbehauptet wird. Entsprechendes gilt für Kcnstituentenfragen: (40)

Wohin du auch fährst, in knapp 10 Minuten bist du an der nächsten Tankstelle .

Fährt der Adressat nirgendwohin, so kann es gut sein, daß er weit länger braucht. Daß eine Antwort wenigstens eine der angebotenen Alternativen bejaht, ist eine Motivation dafür, daß die Frage überhaupt so, d.h. als Alternativ- oder Kcnstituentenfrage, und nicht als Polaritätsfrage gestellt wird, und ist somit eine relativ starke kanversationelle Xmplikatur dieser Fragen. Wir wollen sie

269

die Existenzimplikatur nennen, da sie die Existenz einer positiven Antwort beinhaltet. Eine wsitere kcnversationelle Implikatur dieser Fragen - wir wollen sie Einzigkeitsimplikatur nennen, weil sie besagt, daß höchstens eine der thematisierten Alternativen zutrifft - scheint für die Gleichsetzungskcxiditianale hingegen nicht ναι Belang zu sein, jedenfalls ist (41) wohl als falsch zu bewerten, wenn der Adressat Cbst und Käse zum Nachtisch nimnt und dann enttäuscht ist: (41)

Ob Sie Obst oder Käse zum Nachtisch nehmen, Sie werden nicht enttäuscht sein.

Die Funktion von Gleichsetzungskcnditicnalen läßt sich also wie folgt beschreiben: Sie bringen zum Ausdruck, daß die Antwort auf die Frage, die sie (als Interrogative) ja enkodieren, für die Gültigkeit des Konsequens irrelevant ist, vorausgesetzt, die Existenzimplikatur ist erfüllt. Es erhebt sich jetzt natürlich die Frage, warum man dann nicht gleich diese Existenzinplikatur mit einen wenn-Präfix versehen als normales Konditional formuliert, bzw. ob diese beiden Konstruktionen synonym sind. Vergleichen wir also (42) mit (43) , (39) mit (44) und (40) mit (45) : (42)

Ob Sie ihn sparsam fahren oder nicht, dieser Wagen verbraucht nicht mehr als 10 Liter auf 100 Kilometern.

(43)

Wenn Sie ihn sparsam fahren oder nicht, verbraucht dieser Wagen nicht mehr als 10 Liter auf 100 Kilometern.

(44)

Wenn man 90 oder 120 Stundenkilometer fährt, verbraucht dieser Wagen nicht mehr als 8 Liter auf 100 Kilometern.

(45)

Wenn du irgendwohin fährst, bist du in knapp 10 Minuten an der nächsten Tankstelle.

(39) und (44) sind noch die besten Kandidaten für eine Paraphrasenrelation, aber (42) und (43) , und, wenn auch auf andere Weise, (40) und (45) werden deutlich als bedeutungsverschieden empfunden. (42) ist semantisch völlig normal, (43) hingegen abweichend. Warum? Konditionale bringen eine Einschränkung zum Ausdruck, unter der das Konsequens gültig sein soll. Wenn die Einschränkung eine Tautologie, und scmit keine echte Einschränkung darstellt, wird das Konditional redundant und sein Auftreten wird als merkwürdig empfunden.^ Anders (42). Gleichsetzungskcnditicnale bringen ja gerade keine Einschränkung zum Ausdruck, sondern die durch die thematisierte Alternativmsnge uneingeschränkte Gültigkeit ihres Konsequens. Es sind zwei verschiedene Perspektiven auf den gleichen Sachverhalt, die zwar logisch äquivalent, aber kaimunikativ durchaus verschieden sind: Echte Konditionale relati-

270 vieren die Gültigkeit des Kansequens auf die Gültigkeit des Antezedens, und wenn dann, wie bei einer Tautologie, gar keine echte Relativierung erfolgt, kennt sich der Hörer kamnunikativ irregeführt vor. (Vgl. aber Fußnote 7.) Anders bei den Gleichsetzungskcnditionalen: Sie 'entrelativieren1 das Konseguens von denkbaren Voraussetzungen, und eine Tautologie bedeutet keine Irreführung, sondern eben maximale, weil völlige Unabhängigkeit. Der Bedeutungsunterschied zwischen (40) und (45) läßt sich leicht als Konsequenz einer bereits eben gemachten Beobachtung erklären: Gleichsetzungskcriditionale irrplizieren, daß der Sprecher daven ausgeht, daß wenigstens einer der thematisierten Antezedenssachverhalte Tatsache ist (Existenzimplikatur) , während gewöhnliche Konditionale bezüglich einer solchen Annahme neutral sind. Bleibt zu erklären, wieso (39) und (44) einer echten Paraphraserelatian so nahe können. Der Schlüssel liegt, so scheint mir, in dan generischen Subjekt, das die Existenzimplikatur in (39) fast nichtssagend werden und damit den Unterschied zu (44) fast verschwinden läßt: Daß irgend jemand irgendwann mal 90 oder 120 Stundenkilometer mit diesen Wagen fährt, ist eine fast triviale Annahme. Man lese das du in (40) und (45) auch generisch, und prüfe, ob dann der Bedeutungsunterschied nicht auch gewaltig schrumpft. 2.3

Gleichsetzungskonditionale und Interrogativnebensätze

Im letzten Abschnitt wurde anhand des Vergleichs von Gleichsetzungs- und anderen Konditionalen die Bedeutungsstruktur der ersteren herausgearbeitet, ohne daß ihrer Form besondere Beachtung geschenkt wurde. Dies soll nun im folgenden Abschnitt nachgeholt werden. Daß Gleichsetzungskonditicnale mit Interrogativnebensätzen (fast) formidentisch sind, wurde bereits in der Einleitung festgestellt. Die Einschränkung ist notwendig, da Konstituenten-Interrogativa durch Partikel (auch, immer, auch immer) markiert sein müssen, um als Gleichsetzungskonditionale fungieren zu kennen, vgl. (46) - (48): (46)

*Wer das Bild gemalt hat, es gefällt mir ganz außerordentlich.

(47)

Wer das Bild auch

(48)

Wer immer das Bild gemalt hat, es gefällt mir ganz außerordentlich.

Anders bei den ob—

(immer) gemalt hat, es gefällt mir ganz außerordentlich.

oder-Konstruktionen. Ob diese als Gleichsetzungskonditio-

nale oder als Altemativinterrogativnebensätze fungieren, ist ihnen selbst nicht anzusehen, sondern nur dan Gesamtsatz, in dem sie vorkommen: Sieht dieser eine Argumentstelle für Interrogativa vor, so liegt die Nebensatzlesart vor, andernfalls wird die Konstruktion als Adverbialsatz und damit als Gleichsetzungskon-

271 diticnal gelesen. Haroiymie kann eigentlich nur da auftreten, wo das Matrixprädikat mehrere Valenzitßglichkeiten hat. Ein solcher Fall liegt im Deutschen bei dem Verbkcrrplex wissen wollen vor, das normalerweise zweistellig mit einem Interrogativkarplement konstruiert wird, zu dem es aber auch eine intransitive idicxratische Variante es wissen wollen gibt, die so viel bedeutet wie 'trotz Risiko zur Tat schreiten', 'es darauf ankamen lassen'. Damit lassen sich in der Tat Beispiele konstruieren, die in Abhängigkeit vcn der Lesart, die man dem Matrixsatz gibt, eine interrogative oder eine konditionale Lesart des untergeordneten Satzes erlauben: (49)

Ob das Problem lösbar war oder nicht, Hans wollte es jetzt endlich wissen.

Im Interrogativfall ist der ofe-Satz eine linksversetzte Konstituente, die durch das Prenoten es wieder aufgeneraren wird, im Konditicnalfall hingegen fungiert das es nicht anaphorisch, sondern ist (enklitischer) Teil des Verbkcnplexes. Genau betrachtet liegt der Fall freilich nicht so einfach, wie hier suggeriert, denn auch Gleichsetzungskcnditionale sind zugänglich für den anaphorischen Zugriff, und deswegen hat (49) auch noch eine dritte Lesart, paraphrasierbar durch: 'Ganz gleich ob das Problem lösbar war oder nicht, Hans wollte jetzt endlich wissen, ob es lösbar war oder nicht'. Diese Beobachtung ist wichtig für die Repräsentation von Gleichsetzungskcnditicnalen, denn sie zeigt, daß diese entweder identisch sein muß mit der der formgleichen Interrogativa, oder aber diese enthalten. Die Tatsache, daß Konstituenteninterrogative erst mit zusätzlichen Partikeln versdien werden müssen, bevor sie als Gleichsetzungskcnditicnale fungieren können, spricht für letztere Optical. 2.3.1

Eine erklärungsbedürftige Asynmetrie

Nachdem die Verwandtschaft zwischen Gleichsetzungskcnditicnalen und Interrogativen sich eliso so eng herausgestellt hat, daß man letztere als in ersteren enthalten ansehen muß, stellt sich natürlich die Frage, ob nicht alle Interrogativnebensätze - gegebenenfalls etwas angereichert - als Gleichsetzungskcnditionale fungieren kennen. Schema 2 a. Polaritätsb. Exhaustiver Alternativc. Nicht-exhaustiver Alternativd. Einfacher Konstituentene. Mehrfacher Konstituenten-

-interrogativnebensatz +

-gleichsetzungskonditionalsatz

+

+

+

+

+

+

+

+

272

Die Antwort lautet interessanterweise nein. Wie sich aus Schema 2 ablesen läßt, haben alle Arten von unselbständigen Interrogativa ihre gleichsetzungskanditionalen Gegenstücke, mit der einen Ausnahire der einfachen Polaritätsinterrogativa: (50) und (51) sind gleichermaßen ungrammatisch, während (52) völlig korrekt ist. (50)

*0b du mitkommst, ich gehe ins Kino.

(51)

*Ob du nicht mitkommst, ich gehe ins Kino.

(52)

Ob du mitkommst oder nicht, ich gehe ins Kino.

Das ist ein wenig überraschend, denn (53) - (55) haben die gleichen Wahrheitsbedingungen, und man sollte daher erwarten, daß das eingebettete Interrogativ in ihnen jevreils den gleichen Beitrag zur Bedeutung leistet. (53)

Hans weiß, ob Eva ins Kino mitkommt.

(54)

Hans weiß, ob Eva nicht ins Kino mitkommt.

(55)

Hans weiß, ob Eva ins Kino mitkommt oder nicht.

Als Desideratum für eine befriedigende Theorie der Gleichsetzungskonditionale ergibt sich scmit, daß sie diese Asyirmetrie erklären sollte. 2.3.2

Interrogativ- oder Relativsätze als Quelle?

Eine partielle Erklärung der Asynmetrie ergibt sich, wann nan die Einheit von ob— und ω-Kanstrukticnen aufgibt und letztere mit der Akademiegrarnmatik als g freie Relativsätze auffaßt. Freie Relativsätze haben die gleiche Kategorie wie die Lücke, aus der ihre ω-Konstituente extrahiert ist, also wer-Relativsätze z.B. die Kategorie einer personalen NP. Bei Prädikaten, die sovohl Interrogativa wie perseñale NPs als Subjekt nehmen, treten daher Anbiguitäten auf, die bisweilen (nämlich wenn die Pronomina verschiedene Formen haben) durch Linksversetzung des Subjekts wieder aufgelöst werden können. (56)

Wer diese Skulptur geschaffen hat ist völlig unbedeutend.

(57)

Wer diese Skulptur geschaffen hat, der ist völlig unbedeutend.

(58)

Wer diese Skulptur geschaffen hat, das ist völlig unbedeutend.

Nach der Relativsatztheorie ist (59) nach dem Master von (57) zu analysieren: (59)

Wer auch immer diese Skulptur geschaffen hat, er ist völlig unbedeutend.

Nun fällt aber auf, daß hier das Proncmsn im Hauptsatz nicht mehr der lautet, sondern er. £r-Anaphern können aber auch die ω-Konstituenten von Interrogativa zum Antezedens haben, wie (60) zeigt: (60)

Ich weiß nicht, wer diese Skulptur geschaffen hat, aber ich halte ihn für völlig unbedeutend.

273 Da Interrogativa aber auch noch als Ganze als Anapher-Antezedentien fungieren kennen, haben alle ω-Interrogativa ein doppeltes Antezedenspotential, wie in (61) illustriert: (61)

Ich weiß nicht, wer diese Skulptur geschaffen hat, aber ich will es auch gar nicht wissen, denn ich halte ihn für völlig unbedeutend.

Anders bei ω-Relativa, deren Antezedenspotential einfach ist, weshalb (62) keinen wohlgeformten Satz darstellt: (62)

*Wer diese Skulptur geschaffen hat, ist sicher sehr ehrgeizig, aber ich will es gar nicht wissen, denn ich halte ihn für völlig unbedeutend.

Unterwerfen wir nun die Gleichsetzungskonditicnale diesem Test, so spricht das 9

Resultat eindeutig gegen die Relativsatz- und für eine Interrogativanalyse: (63)

Wer auch immer diese Skulptur geschaffen hat, man sollte es herausbekommen, denn er sollte gefördert werden.

Das macht aber die beobachtete Asyirmetrie istiso erklärungsbedürftiger, haben sich doch die Gleichsetzungskcnditionale als eine spezielle Funktion .aller Mitglieder der Familie der Interrogativnebensätze erwiesen, mit einer einzigen Ausnahme. 2.3.3

Zwei Möglichkeiten der Erklärung

Ich sehe grundsätzlich zwei Möglichkeiten, diese Ausnahme zu erklären, wobei sich diese nicht ausschließen. Die erste hat zu tun mit der wahrscheinlichen Entstehung der Gleichsetzungskonditicnale aus Konstruktionen der Art Egal,..., Ganz gleich,... , Es kommt auf das Gleiche heraus,... , die alle semantisch einen Vergleich implizieren, und ein Vergleich setzt voraus, daß da wenigstens zvrei Dinge zu vergleichen sind, und das ist bei Polaritätsinterrogativen äsen nicht der Fall. Unglücklicherweise (für diesen Erklärungsansatz) ist die einzige der genannten denkbaren Matrixstrukturen, für die dies ohne Einschränkung gälte, mit wInterrogativen schwer korrbinierbar: (64) ist völlig korrekt, (65) hingegen weniger: (64)

Es kommt auf das Gleiche heraus, ob du an Hans oder an Eva schreibst, irgend jemand wird dir schon antworten.

(65)

Es kommst auf das Gleiche heraus, an wen du schreibst, irgend jemand wird dir schon antworten.

Bei dai anderen beiden Konstruktionen hingegen sind die Polaritätsinterrogative wiederum nicht so schlecht wie bei den uneingeleiteten Gleichsetzungskcnditionalen, man vergleiche (66) und (67) mit (68):

274 (66)

?Egal ob dich Hans kennt, er wird dir schon antworten.

(67)

?Ganz gleich ob dich Hans kennt, er wird dir schon antworten.

(68)

*0b dich Hans kennt, er wird dir schon antworten.

Vielleicht befindet sich die 'wirkliche' Tiefermatrixstruktur nur nicht unter den betrachteten, aber es scheint, als sei der ganze Erklärungsansatz doch etwas wacklig, denn solche Strukturen mögen zwar Vergleichscharakter haben, sie scheinen aber nicht unbedingt darauf angewiesen zu sein, daß alle verglichenen Präpositionen explizit zum Ausdruck kamen. Die zweite Erklärungsmöglichkeit ergibt sich aus der Bedeutungsstruktur der fraglichen Kanstrukticnen selbst, wenn man die erarbeitete Analyse mit einer passenden Theorie der Semantik vcn Interrogativen verbindet. Die gemeinte Theorie besagt, daß die Kernbedeutung vcn Interrogativen darin besteht, Prqpositionen im Hinblick auf ihr Der-Fall-Sein zu präsentieren, eine im Falle der Polaritätsinterrogative, η im Falle der n-fachen Altemativinterrogative, und im Falle der Kcnstituenteninterrogative so viele, wie es semantisch nicht äquivalente Einsetzungen für die ω-Konstituente(n) gibt. Sie besagt ferner, daß solche Interrogative, die mehr cil s eine Preposition präsentieren, eine stark generalisierte kanversationelle Inplikatur mit sich führen des Inhalts, daß wenigstens eine der präsentierten Propositicnen der Fall ist. (Wir nannten das Existenzimplikatur.) Sie besagt weiterhin, daß eingebettete Interrogative das Der-Fall-Sein ihrer Propositicn(en) auf den einbettenden Satz beziehen, während nicht-eingebettete Interrogative ihre Proposition (en) thenatisieren. Und sie besagt schließlich, daß Hauptsatz interrogative ihre Preposition(en) adressatenorientiert thematisieren, während dies bei nicht-eingebetteten Nebensatz interrogativen nicht der Fall ist. Daraus folgt für die nicht-eingebetteten Nebensatzinterrogative, und als solche haben wir die Gleichsetzungskonditionale ja bestinmt, erstens, daß sie die ausgedrückten Propositicnen thematisieren, und zweitens, daß sie implizieren, daß wenigstens eine von diesen Propositicnen der Fall ist. thematisieren heißt aber nichts anderes, als daß ein Bezugsrahmen gesetzt wird, in dem der folgende (oder auch unmittelbar, d.h. im gleichen Satz, vorangehende) Diskurs zu sehen ist. Und damit ist der gemeinsame Nenner mit den Konditionalen angesprochen, denn auch diese relativieren ja die Gültigkeit des Konsequens auf die Gültigkeit des mit dem Antezedens gesetzten Kähmens. Die Ähnlichkeit geht so weit, daß sie z.B. John Haiman zu der vielleicht etwas überspitzten These von der Identität der beiden motiviert hat.^ ^ Der Hauptunterschied zwischen Gleichsetzungs- und echten Konditionalen besteht also in der Existenzimplikatur, die letzteren gewöhnlich fehlt. Wenn

275

diese aber vorhanden ist, vas häufig bei präteritalen Konditionalen der Fall ist, und venn unsere Analyse richtig ist, so müßten solche Konditionale durch Gleichsetzungskonditionale echt paraphrasierbar sein. Der Vergleich vcn (69) und (70) liefert die Probe aufs Exerrpel: (69)

Was auch geschah, Hans blieb stets stoisch ruhig.

(70)

Wenn etwas geschah, blieb Hans stets stoisch ruhig.

Der Test verläuft wohl positiv, was die Wahrheitsbedingungen betrifft, ebenso bezüglich der Existenzinplikatur, aber es bleiben zwei Hinsichten, in denen ein Bedeutungsunterschied spürbar ist: Erstens betont (69) die Beliebigkeit der Ereignisse, die Hans nicht aus der Ruhe brachten, und bringt scmit eine skalare Dimension ins Spiel (selbst die ungewöhnlichsten Ereignisse vermochten nicht, das Konsequens falsch zu machen) , und zweitens tritt nur bei (70) das bekannte Phänomen der Tendenz zur Bikonditionalisierung auf (geriet Hans etwa aus der Ruhe, wenn nichts geschah?) . Letztere ist sehen vcn einigen Autoren beobachtet worden11 und läßt sich als konversaticmelle Irrplikatur erklären, die aus dsn Relevanzprinzip folgt: Wenn ein Sprecher die Gültigkeit einer Aussage auf das Vorliegen einer Bedingung relativiert, so wird er tunlichst nicht irgendeine hinreichende Bedingung angeben, sondern die relevanteste, und besonders relevant ist eine hinreichende Bedingung ceteris paribus natürlich dann, wenn sie zugleich notwendig ist. Warum tritt dieser Effekt bei Gleichsetzungskonditicnalen nicht auf? Ist damit die geleistete Analyse nicht in Frage gestellt? Mir scheint, nein, vielmehr ergibt sich aus dem bislang Erarbeiteten die folgende Erklärung: Bei Gleichsetzungskaiditionalen sind ja inner zwei. Arten von Bedingungen im Spiel, die Alternativen selbst und ihre Disjunktion, und für die ersteren wird ja gerade behauptet, daß das Konsequens unabhängig ist von dem Vorliegen einer bestimmten veti ihnen und damit irrplizit geleugnet, daß irgendeine von ihnen auch eine notwendige Bedingung sein kennte, denn wenn alle gleichermaßen hinreichend sind, kann keine einzelne von ihnen notwendig sein. Was allenfalls als Kandidat für eine notwendige Bedingung in Frage kennt, ist die Disjunktion all dieser Alternativen, und die wird ja nur kcnversationell impliziert, aber nicht behauptet. Danach müßte cillerdings der Bikcnditicnalisierungseffekt auch bei Gleichsetzungskonditicnalen auftreten kennen, wenn auch in abgeschwächter Form, nämlich als Iirplikatur einer Irrplikatur. Beispiel (69) scheint keinerlei solchen Effekt zu zeigen, aber man vergleiche (71): (71)

Wen man auch fragt, jeder äußert sich begeistert.

276 Hier wird wohl die Schlußfolgerung nahegelegt, daß, wenn man niemanden fragt, sich auch nicht jeder begeistert äußert. Es bleibt, den ersten oben konstatierten Bedeutungsunterschied zwischen Gleichsetzungs- und parallelen gewöhnlichen Konditionalen zu erklären, den der skalaren Dimension, die nur bei ersteren ins Spiel kcmrtt, und auf den in der bislang geleisteten Analyse noch gar nicht eingegangen wurde. Es wurde oben (2.1) versprochen, auf den Vorschlag der Akademiegrarrtnatik, Gleichsetzungskonditionale als konzessive Relativsätze aufzufassen, noch näher einzugehen. Die Relativsatzanalyse wurde bereits im vorletzten Abschnitt (2.3.2) zurückgewiesen, jetzt geht es um die Konzessivität, denn um nichts anderes handelt es sich bei dan skalaren Phänomen. 2.4

Sind Gleichsetzungskcnditionale Konzessivsätze?

(69)

Was auch geschah, Hans blieb stets stoisch ruhig.

Beispielsatz (69) (er wird hier der Bequemlichkeit halber wiederholt) schien im Vergleich mit seinem gewohnlich-kanditicnalen Gegenstück die Beliebigkeit der denkbaren Vfahl zwischen den Alternativen zu betonen und somit zu der Paraphrase zu führen, daß selbst die ungewöhnlichsten Ereignisse Hans nicht aus der Ruhe brachten. Damit ist eine Skala ins Spiel gebracht, primär zunächst eine Skala der Ungewöhnlichkeitsgrade, aber sekundär, und für unsere Zwecke einzig interessant, dann auch eine Skala der Unverträglichkeit zwischen Antezedens und Konsequens: Je höher die Ungewöhnlichkeit eines Ereignisses, so lautet die involvierte Alltagswissensregel, desto höher die Unverträglichkeit dieses Ereignisses damit, daß man stoisch ruhig bleibt. Das ist also die Quelle der Konzessivitätsintuition: Cbwohl auch Ungewöhnliches geschah, so lautet eine naheliegende Schlußfolgerung aus (69), blieb Hans stets stoisch ruhig. Die Frage ist nun: Hat die geleistete Bedeutungsanalyse da etwas übersehen, oder handelt es sich bei dieser 'Bedeutungskerpenente1 nur um eine kenversationelle Implikatur, eine nahegelegte Schlußfolgerung, die aus der Bedeutung, so wie sie beschrieben ist, unter bestimrtten Umständen abzuleiten ist, aber nicht als ihr Bestandteil angesehen werden sollte. Mir scheint, letzteres ist der Fall, und als Beleg muß natürlich ein Fall. dienen, in dem ein Gleichsetzungskonditional aufgrund der Beispielwahl die Kcaizessivitätsimplikatur nicht enthält. Nehmen wir ein Beispiel axis dem Geennetrieunterricht, WD es um die Winkelsurrme in Dreiecken geht. (72)

Welchen Winkel du auch nimmst, er ist stets gleich 180 Grad minus der Summe der beiden anderen Winkel.

277 Hier kann weder von Skalarität noch van Konzessivität die Rede sein, das einzige was bleibt, ist die Beliebigkeit der Wahl: Eine beliebige Alternative aus der im Gleichsetzungskonditicnal definierten Menge ist hinreichend für die Gültigkeit des Kdisequens, d.h. alle sind gleich hinreichend (was nicht heißen muß, gleich wahrscheinlich). Das Gleiche gilt für Altemativ-Konstruktionen, wie (73) zeigt: (73)

Ob du Alpha, Beta oder Gamma nimmst, der Winkel ist stets gleich 180 Grad minus der Summe der beiden anderen Winkel.

Quirk/Greenbaum (1973:326) sprechen zwar vcn 'alternative conditional-concessive clauses' bzw. 'universal conditional-concessive clauses', aber sie vermerken, m.E. zu Recht, daß das konzessive Bedeutungselement erst sekundär ins Spiel konrnt, und zwar durch die Implikation, daß wenn die gleiche Proposition unter mehreren kontrastierenden Bedingungen Gültigkeit hat, wenigstens eine von diesen etwas überraschendes an sich haben muß. Wie wir gesehen haben, hängt es von der Wähl des Beispiels ab, ob diese Implikatur auftritt. Zuweilen kennen allerdings auch, in Abwesenheit von auf Allgemeinwissen basierten Indizien für die Ansetzung eines Skaleraraximums, sprachliche Indizien ein solches vermuten lassen. Selbst wann nichts über die Ansichten von Max, Eva und Hans bekannt ist, läßt sich aus (74) die Anneihme ableiten, daß von Hans eine solche Einstellung am wenigstens zu erwarten war: (74)

Ob du Max, Eva oder auch Hans fragst, alle sind gegen die Wiederaufbereitungsanlage .

Im Gegensatz zu sogar oder selbst drückt auch allerdings nicht direkt die erwartete Unverträglichkeit aus, sondern impliziert sie nur bisweilen, wie aus dem auch in nicht skalar zu verstehenden ω-Gleichsetzungskonditionalen (z.B. (72) oben) zu ersehen. 3.

Eine Theorie von Interrogativ- und Konditionalsätzen, in der die Gleichsetzungskonditicnale ihren Platz haben

3.1

Grundannahmen

Es ist hier nicht der Platz, die situaticnssemantisch

12

orientierte Theorie,

in der die geleisteten Analysen ausgedrückt Verden sollen, im einzelnen zu 13 präsentieren, aber die Grundgedanken lassen sich auch auf begrenztem Kaum umreißen. Der Grundbereich umfaßt außer den üblichen Individuen Sachverhalte, Wirklichkeitsausschnitte und Korrespondenzen, sowie Sunmen- und Schnitthalbverbände von solchen.14 Ein atomarer Sachverhalt besteht aus einer polarisierten, d.h.

278 positiven oder negativen, Relation, sowie einer (möglicherweise leeren) Anzahl von passenden Argumenten. Komplexe Sachverhalte sind Sunmen- oder Schnitthalbverbände ναι Sachverhalten. Sachverhalte werden auf Wirklichkeitsausschnitte bezogen, für die eine Teilordnung 'S' ('ist enthalten in1) angenommen wird. Modelliert man Wirklichkeitsausschnitte als Mengen von lokalisierten Sachverhalten (lokalisiert, weil der gleiche Sachverhalt durchaus mehrmals, an verschiedenen Stellen vorkamen kann) , so ist diese Teilordnung nichts anderes, als die Mengeninklusioi, und die Elementschaftsrelation modelliert die 'Ist-verwirklicht-in'-Relation. Ein atanarer Sachverhalt ist also in einen gegebenen Wirklichkeitsausschnitt s genau dann verwirklicht, wann er (genauer gesagt, wenigstens eine Lokalisierung von ihm) Element von s (oder seinem Modell) ist. Komplexe Sachverhalte sind genau dann in s verwirklicht, venn alle ihre Glieder (bei Schnitthalbverbänden) bzw. wenigstens eines ihrer Glieder (bei Surnmenhalbverbänden) in s verwirklicht ist. Eine Verstärkung der 'Ist-verwixklicht-in'-Relation ist die

1

Ist-minimal-ver-

wirklicht-in'-Relation. Sie liegt dann vor, wenn der betreffende Sachverhalt genau einmal Element von s ist, und sein Dual (das Resultat der Änderung der Polarität sämtlicher unmittelbar konstituierender Relationen) keinmal. Eine Abschwächung der 'Ist-verwirklicht-in'-Relation schließlich ist die 'Ist-entschieden- in' -Relation. Sie liegt vor, wann der betreffende Sachverhalt oder sein Dual im betreffenden Weltausschnitt verwirklicht ist, aber nicht beide. Den drei genannten Relationen entsprechen die folgenden Reifikaticnen, Korrespondenzen genannt: Zutreffen eines Sachverhalts (Verwirklichung), Entscheidung eines Sachverhalts, und Fall eines Sachverhalts (minimale Verwirklichung). Alle drei lassen sich als Tripel, bestehend aus einem Wirklichkeitsausschnitt, einem Sachverhalt und der betreffenden Relation, auffassen. Wir sagen, eine solche Korrespondenz existiert genau dann, venn die Relation zwischen den Argumenten besteht. Die Beziehungen sind klar: Existiert z.B. ein Fall des Sachverhalts, daß es regnet, dann existiert auch ein Zutreffen und eine Entscheidung dieses Sachverhalts. Diese drei Klassen von Korrespondenzen, so lautet nun die These, sind die Explikantia der Explikanda deklarativer, interrogativer und konditionaler Satzmodus. 3.2

Deklarativsätze

Es fehlt hier der Raum, um auf die Feinheiten der Unterschiede von eingeleitetem (Verb-Letzt-) und ungeleitetem (Verb-Zweit-)Deklarativsatz einzugehen,

279 festzuhalten sei nur zum einen die Ihese, daß allen diesen Satzarten als Bedeutungskern der deklarative Satzmodus gemeinsam ist, der als Zutreffen des betreffenden Sachverhalts aufgefaßt wird, und zum anderen, daß damit die Interpretation der steigeiden Intonation (bei den Verb-Zweit-Deklarativen) als "... ist offen ' und der fallende als '... ist nicht offen ' gut zusairmenpaßt. Wer also einen selbständigen Deklarativsatz mit fallender Intonation äußert, bringt damit im Normalfall (seinen Glauben an) die Existenz eines Zutreffens des betreffenden Sachverhalts als nicht-offen zum Ausdruck. 3.3

Interrogativsätze

Auch bei den Interrogativen kann auf die Satzartenunterschiede von Verb-Erst, Verb-Zweit, Verb-Letzt, selbständig, unselbständig und eingebettet nicht eingegangen werden. Wichtig für den Diskussicnszusammenhang ist eine Konsequenz unserer Annahme, daß allen diesen Satzarten als Bedeutungskern der Interrogativmodus, der als Sachverhaltsentscheidung aufgefaßt wird, zugeordnet ist, nämlich die, daß serien tisch der Haupteinschnitt nicht zwischen den w- und den anderen Interrogativen liegt, sondern zwischen den Interrogativen, die eine einfache Bitscheidung zum Inhalt haben (den Polaritätsinterrogativen also), und denen, wo es um mehr als eine Entscheidung geht (den Alternativ- und Konstituenteninterrogativen) . Nur letztere sind, so hatten wir gesagt, mit einer Existenz implikatur verknüpft, d.h. mit der Annahme, daß wenigstens einer der Sachverhalte positiv entschieden ist. Diese Implikatur erklärt vielleicht, warum bei Alternativfragen alle Alternativen bis auf die letzte steigende Intonation haben und warum ω-Fragen im allgemeinen fallende Intonation aufweisen: Hier kennt ja neben den ganzen Einzelentscheidungen der Alternativen jeweils auch noch die Gesamtentscheidung der Disjunktion in Betracht, und die wird als positiv altschieden, also als nicht-offen angenarmen. Es ergeben sich die folgenden informellen Bedeutungscharakterisierungen: (75)

Ob Max singt, ist unwichtig.

(76)

Ob Max singt oder ob Eva singt, ist unwichtig.

(77)

Wer singt, ist unwichtig.

(75): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede Entscheidung des Sachverhalts, daß Max singt, unwichtig ist. (76): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede Suirme, bestehend aus einer Entscheidung des Sachverhalts, daß Max singt und einer Entscheidung des Sachverhalts, daß Eva singt, unwichtig ist; ein Glied dieser Sunne ist im allgemeinen positiv entschieden, tendenziell genau eines.

280 (77): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede Sunne, bestehend aus Entscheidungen der Sachverhalte, die aus dem Sachverhaltsschema 'χ singt' durch Instan tiierung einer Person(engruppe) für χ entstehen, unwichtig ist; ein Glied dieser Sunme ist im allgemeinen positiv entschieden, tendenziell genau eines.

3.4

Konditionalsätze

Die verschiedenen Satzarten, die man traditionellerweise unter der Rubrik Konditianalsätze zusairmenf aßt, denotieren, so lautet hier die These, den konditionalen Satzmodus, und der bringt einen Fall als Teil einer Korrespondenz zum Ausdruck, in der wenigstens ein weiterer Fall involviert ist. Daher die relative Unselbständigkeit der Sätze, die in diesem Modus stehen.

Konditionalsätze

unterscheiden sich im Numerus: faiZ-s-Kcnditicnale sind singularisch, wennund Verb-Erst-Konditionale sind numerusunspezifisch, und immer we ra-Konditionale sind pluralisch. Dan wird in der Theorie dadurch Rechnving getragen, daß zwar alle Kcnditicnale eine Summe von Fällen bezeichnen, an die aber darüber hinaus die Bedingung gestellt wird, daß ihre Kardinalität gleich eins, beliebig, oder größer als eins ist. Bevor dies durch Beispiele illustriert wird, sei kurz der Begriff 'zu y passende Erweiterung einer Korrepcndenz x 1 charakterisiert. Er setzt eine Distanzrelaticn auf den disjunkten Wirklichkeitsausschnitten voraus und benennt eine mit der Ausgangskorrespcndenz gleichartige Korrespondenz, deren Wirklichkeitsausschnitt zusarrmen mit dem in χ enthaltenen Ausschnitt auch noch entwader den in y oder den in seinem Dual enthaltenen Ausschnitt enthält, je nachdem, welcher näher liegt (im Sinne der Distanzrelation). Dies ergibt die folgenden Bedeutungszuordnungen: (78)

Hans freut sich, falls Max singt.

(79)

Singt Max, so freut sich Hans.

(80)

Immér wenn Max singt, freut sich Hans.

(81)

Wenn Max oder Eva singt, freut sich Hans.

(78): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede passende Erweiterung des Einzelfalls, daß Max singt, einen Fall enthält, daß Hans sich freut. (79): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede passende Erwsiterung eines Einzelfalls, daß Max singt, einen Fall enthält, daß Hans sich freut. (80): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede Erweiterung der Einzelfälle, daß Max singt, einen Fall enthält, daß Hans sich freut. (81): Zutreffen des Sachverhalts, daß jede passende Erweiterung eines Einzel-

281 falls, daß Max oder Eva singt, einen Fall enthält, daß Hans sich freut. 3.5

Gleichsetzungskonditicnale

Die Bedeutung der Gleichsetzungskcnditicnale ergibt sich kanpositional aus dem Interrogativmodus und ihrer spezifischen Art von Unterordnung. Dies ist keine Einbettung (dann wären sie Argumente einer Relation im übergeordneten Satz), sondern sie erweist die Gleichsetzungskonditicnale als Argumente einer Relation, die von keiner Konstituente im Gesamtsatz getragen wird, sondern nur von ihrer abgesetzten Stellung vor oder nach dem Satz, der das andere Argument ausdrückt. Diese Relation wird als (nicht-einbettende) Unterordnung interpretiert, wobei untergeordnet ist, was weniger spezifisch ist, vas das andere in sich schließt, und damit ist die Verbindung zu den Konditionalen hergestellt, die als dem Konsequens untergeordnet, es in sich schließend, interpretiert worden sind. Es ergibt sich also an illustrativen Bedeutungszuordnungen: (82)

Ob Max oder Eva singt, Hans freut sich.

(83)

Wer auch singt, Hans freut sich.

(82): Jede passende Erweiterung einer Sumte, bestehend aus einer Entscheidung des Sachverhalts, daß Max singt und einer Entscheidung des Sachverhalts, daß Eva singt, enthält ein Zutreffen des Sachverhalts, daß Hans sich freut; ein Glied der Summe ist im allgemeinen positiv entschieden, tendenziell genau eines. (83): Jede passende Erweiterung einer Sunne, bestehend aus Entscheidungen der Sachverhalte, die aus dem Sachverhaltsschema 'χ singt' durch Instantiierung einer Perscn(engruppe) für χ entstehen, enthält ein Zutreffen des Sachverhalts, daß Hans sich freut; ein Glied dieser Sunme ist im allgemeinen positiv entschieden, tendenziell genau eines. 4.

Zusammenfassung

Die Untersuchung der auf den ersten Blick keine sdir interessante Einsichten versprechenden Frage, was Konditionale mit Interrogativen zu tun haben, führte nach einem ersten, nicht sehr ermutigenden Ansatz zunächst zu einer terminologischen Vorklärung: Der Terminus Satztyp wurde dan alígate inen Formtyp von Sätzen vorbehalten, Satsart den funktionstypbezogenen Formtypen und Satzmodus deren struktureller Bedeutung. Da Funktionstyp nicht auf Illokuticnstyp beschränkt sein muß, ist damit der Weg offen auch für eine Analyse der Modi vcai Sätzen, die nur unselbständig vorkamen, wie z.B. Konditionalsätze.

282

Dann wurde der UntersuchLmgsgegenstand auf das Phänomen der sogenannten Gleichsetzungskonditionale, Sätzen in konditionaler Funktion, die fontal weitgehend der interrogativen Satzart zuzurechnen sind, eingeschränkt, da sie besonders geeignet erscheinen, den gemeinsamen Nenner veti Konditionalen und Interrogativen aufzudecken. Nach einer kurzen Betrachtung der Literatur und der dort vorgeschlagenen Paraphrasierung von Gleichsetzungskonditionalen durch gewöhnliche Konditionale wurde die Paraphrasierbarkeitshypothese einer genaueren Untersuchung unterzogen und verworfen. Das gemeinsame Merkmal der mangelnden Integration in den übergeordneten Satz führte zu der Hypothese, Gleichsetzungskcnditionale könnten als Illdkuticnskcnditicnale zu analysieren sein, die sich aber nicht erhärten ließ: Gleichsetzungskcnditionale können als Illokutionskcnditionale fungieren, sind diesen aber keineswegs zu subsumieren. Auch eine verfeinerte Version der Paraphrasierbarkeitshypothese mußte verwarfen Verden. Der gemeinsame Nenner ναι Gleichsetzungs- und gewöhnlichen Konditionalen wurde in ihrer Rolle als Formulierungen einer hinreichenden Bedingung für das Konsequens gefunden, der spezifische Unterschied in der Existenzimplikatur (daß wenigstens eine (ter Alternativen zutrifft), die die Gültigkeit des Konsequens bei den ersteren, im Gegensatz zu letzteren, im allgemeinen sichert, und die aus der interrogativen Herkunft der ersteren abgeleitet wurde. Die Anneihme, daß Gleichsetzungskonditionale im Grunde, wie ja auch durch die Form indiziert, Interrogative sind, führt allerdings zu einer Schwierigkeit: Warum kennen dann Polaritätsinterrogative nicht auch als Gleichsetzungskonditionale fungieren? Nachdem eine Analyse von Gleichsetzungskcnditionalen als Relativsätzen trotz der verblüffenden Formähnlichkeit verworfen werden mußte, wurden zwei Erklärungsmöglichkeiten vorgestellt, eine in Termini einer getilgten Matrixstruktur, die mit Polaritätsinterrogativen unverträglich ist, und eine in Termini der Existenzimplikatur, die die Faktivitätsimplikatur des Konsequens trägt, und die nur bei Alternativ- und Konstituenteninterrogativen auftritt. Im letzten Abschnitt des Analyseteils konnte der konzessive Beigeschmack vieler Gleichsetzungskonditicnale als konversationeile Implikatur erwiesen werden. Abschließend wurden diese Befunde in eine Skizze einer situationssemantischen Theorie eingebracht.

283 ANMERKUNGEN *

1 2 3

4

5 6

7

Ich möchte an dieser Stelle Jörg Meibauer dafür danken, daß er mich zu diesem Beitrag eingeladen hat, obwohl ich an der Arbeitsgruppe, aus der der vorliegende Band hervorging, nicht hatte teilnehmen können. Ferner möchte ich Christian Rohrer dafür danken, daß er mir durch seine Einladung nach Stuttgart am 23.6.1986 Gelegenheit gegeben hat, einige Aspekte dieser Arbeit zum erstenmal in der Öffentlichkeit zu diskutieren, und Manfred Pinkal für seine scharfsichtigen Anmerkungen zu diesem Vortrag. Was auch immer noch an Unzulänglichkeiten in der vorliegenden Arbeit steckt, keinen der Vorgenannten trifft daran die geringste Schuld, sondern einzig den Verfasser. "In a great many languages there are dependent clauses with the unmistakable form of information questions (though not necessarily with every formal characteristic of information questions)." (Sadock/Zwicky (1985:186)). Traugott (1985:291). Der logisch Geschulte wird natürlich sofort einsehen, daß (18) ja auch mit q allein oder auch mit r ν i r — > q äquivalent ist, d.h. durch 'Max geht spazieren' oder 'Ob es Eva gefällt oder nicht, Max geht spazieren' paraphrasierbar sein müßte, aber dieses Problem möchte ich erst später anschneiden und bitte daher um ein wenig Geduld. Dies wird bisweilen bezweifelt. Manche nehmen vielmehr an, daß gar keine Frage gestellt wurde, wenn der Adressat nicht an Geisterbeschwörungen teilgenommen hat. Diese Auffassung interpretiert das Konditional als notwendige und nicht als hinreichende Bedingung, was mir inadäquat scheint angesichts der Natürlichkeit von Repliken wie: Ich habe gar nicht an Geisterbeschwörungen teilgenommen; warum fragst du also mich? (vgl. ... du hast mich also gar nichts gefragt.). Wer tatsächlich Tschechisch kann, möge mir das Beispiel verzeihen, aber diese Frage habe ich bei meinem ersten Besuch in der Tschechoslowakei in der Tat ganz naiv gestellt. Manche Autoren wollen in solchen Repliken nicht Antworten, sondern Präsuppositionszurückweisungen sehen. Mir scheinen aber Argumente dafür, hier eine generalisierte konversationeile Implikatur am Werk zu sehen, überzeugender. Vgl. Zaefferer (1984:30, 78f). Was nicht heißen soll, daß es für solche Konstruktionen keine Verwendung gäbe, vielmehr lassen sich aus der gegebenen Beschreibung mögliche Verwendungen leicht vorhersagen, nämlich als eine feine Form von Ironie. (i)

Wenn zwei mal zwei vier ist, ist das mein Buch.

Wenn jemand (i) sagt, so nimmt er mit der Rechten, nämlich dem Inhalt des Konditionals, was er mit der Linken, nämlich der Konjunktion, gibt: die Erwartung, daß das Konsequens nur eingeschränkte Gültigkeit hat, und er erzielt damit den allgemeinen Effekt von Ironie, eine besonders eindringliche Vermittlung des Gemeinten. Man beachte auch, daß für den intendierten stilistischen Effekt eine allgemein bekannte mathematische Wahrheit wie im Beispielfall weit besser geeignet ist als irgendeine Tautologie, vgl. (ii): (ii) 8 9

Wenn es regnet oder nicht regnet, ist das mein Buch.

Das Problem der Homonymie von freien Relativsätzen und Konstituenteninterrogativa ist alt, aber, wie mir scheint, gelöst; vgl. Zaefferer (1984:5461), Eisenberg (1986:340-344). Ein weiteres Indiz für die Verschiedenheit von Relativen und Gleichsetzungskonditionalen ist der 'feine Bedeutungsunterschied' zwischen den beiden bei völliger formaler Identität (einschließlich des -ever-Suffixes im Engli-

284 sehen, oder, so können wir hinzufügen, der Partikeln im Deutschen), auf den Quirk/Greenbaum (1973:326) aufmerksam machen (ich führe einen ihrem Beispiel analogen Satz aus dem Deutschen an): (i) (ii)

Wo immer du auch wohnst, bist du steuerpflichtig. Wo immer du auch wohnst, du bist steuerpflichtig.

(i), der Relativsatzfall, besagt, daß man am Wohnsitz steuerpflichtig ist, (ii), der Fall mit dem Gleichsetzungskonditional hingegen, daß man unabhängig vom Wohnort steuerpflichtig ist, womöglich am Geburtsort, oder wo immer. 10 "Conditionals are Topics" ist die Titelthese von Haiman (1978) . 11 Unter anderen Geis/Zwicky (1971), Comrie (1986), Sweetser (1984). 12 Ein Entwurf einer Situationssemantik findet sich in Barwise/Perry (1983). 13 Sie befindet sich in Ausarbeitung, eine (sehr knappe) Skizze enthält Zaefferer (1986) . 14 Daß eine solche Liberalität zu Zirkularitätsproblemen führt, ist mir klar, kümmert mich aber nicht weiter, da mir dieser Themenkomplex (zirkuläre Mengen, Paradoxien) bei Barwise und Etchemendy (1986) gut aufgehoben zu sein scheint. 15 Als Ausnahme sollte neben der eingangs erwähnten Optativfunktion der Konjunktiv-II-Konditionale die Überschriftfunktion von Konstruktionen wie 'Wenn Jugendliche hinter Gitter kommen' nicht vergessen werden.

LITERA1UR Barwise, J./Etchemendy, J. 1986. The Liar: An Essay on Truth and Circular Propositions. Stanford. CSLI-Report. Barwise, J./Perry, J. 1983. Situations and Attitudes. Cambridge, Mass. Comrie, B. 1986. Conditionals: A Typology. Traugott, E. et al. (Hgg.) 1986. On Conditionals. Cambridge. Eisenberg, P. 1986. Grundriß der deutschen Grammatik. Stuttgart. Geis, M.L./Zwicky, A.M. 1971. On Invited Inferences. Linguistic Inquiry 2. 561-566 Haiman, J. 1978. Conditionals are Topics. Language 54. 564-589 Heidolph, K.E. et al. (Hgg.) 1981. Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin. Huddieston, R. 1984. Introduction to the Grammar of English. Cambridge. König, E./Eisenberg, P. 1984. Zur Pragmatik von Konzessivsätzen. Stickel, G. (Hg.) 1984. Pragmatik in der Grammatik. Jahrbuch 1983 des IdS. Düsseldorf. 313-332 Quirk, R./Greenbaum, S. 1973. A University Grammar of English. London. Sadock, J.J./Zwicky, A.M. 1985. Speech Act Distinctions in Syntax. Shopen, T. (Hg.) 1985. Language Typology and Syntactic Description I. Clause structure. Cambridge. 155-196 Sweetser, E.E. 1984. Semantic Structure and Semantic Change: A Cognitive Linguistic Study of Modality, Perception, Speech Acts, and Logical Relations. Masch. Diss. University of California, Berkeley.

285 Traugott, E.C. 1985. Conditional Markers. Haiman, J. (Hg.) 1985. Xconicity in Syntax. Amsterdam/Philadelphia. 289-307 Zaefferer, D. 1984. Frageausdrücke und Fragen im Deutschen. Zu ihrer Syntax, Semantik und Pragmatik. München. Zaefferer, D. 1986. The Grammar of Clause Type and the Pragmatics of Illocution Type. Papers from the Parasessions on Pragmatics and Grammatical Theory. Chicago Linguistic Society. CLS 22.

SACHREGISTER Adhortativ 36 Füllung, kategoriale 38ff. affirmative Satzform 200ff. Funktionstyp/Funktionstypenkonstitution Akzent/Akzentuierung 4Iff.; 13Iff.;240ff. 22ff.;25 - Exklamativakzent 44;46;lG7f. Assertion 137;200ff. Gleichsetzungskonditional 262ff.;264ff. ; Aufforderung 66ff.; 234 ; 249 Gradpartikeln 132f. Aufforderungssatz -> Imperativsatz Grammatik -> Kerngrammatik, Randgrammatik Aufrichtigkeitsbedingung 195 Grammatikschreibung, antike 114ff. Ausruf 154;156 Grundfrequenz/F„-Verlauf 41ff.;44;133ff.; 165ff. Aussagesatz -> Deklarativmodus, Deklarativsatz aussagesatzähnliche Strukturen 177ff. Hauptsatzstruktur, infinite 27f.;50;75ff. Heischesatz 173ff. Behauptbarkeit, Bedingung der sinnHerrgott, mein Gott 151 vollen 104f. Hierarchie von Satztypen 47ff. Behauptung -> Assertion Höflichkeit 106ff. Bestreiten 223, 227 Homographie 146 ; 148 ; 151 daß-Satz, selbständiger 39f.;41;156 Deklarativmodus -> aussagesatzähnliche Strukuren, Deklarativsatz 190ff.;192 ff. Deklarativsatz/Aussagesatz -> aussagesatzähnliche Strukturen, Deklarativmodus 42;47f.; 161 ;163ff.; 165 ;168f.; 177; 18 Iff.;220ff.;222;278ff. Differenzierungstiefe 41

Ikonismus 91f. Illokutionskonditional 265ff. Illokutionspotential 158 Illokutionssemantik llff. Illokutionstyp 260f. Imperativ 57ff.;62ff. Imperativsatz/Aufforderungssatζ 23 ; 37 ; 57ff; 71 ; 170ff.;220ff.;237ff.; 249 Indikativ 65f.;97f.; 101 ; 104 Indirektheit 13f.;24 Echofrage -> Frage, assertive, Rückfra- Informieren 194;196 Intensitätsangabe 145;155 ge , Versicherungsfrage Interjektionspartikeln 239;244ff. Eigenfunktion 192ff. Interrogativmodus -> Interrogativsatz Einheitlichkeit 6ff. 6f.;198f. Einstellung 214ff. - epistemische 196ff.;200ff. Interrogativsatz/Fragesatz 6f.;34f.;38; - propositionale lOff.;23ff.; 157;234ff; 42f.;47f.;49f.;220ff.;270ff.;279ff. 245ff.;249ff. - deliberativer Fragesatz 39;128 - Aufforderungseinstellung 234;249 - rhetorischer Satzfragesatz 129 - Grundeinstellung, propositionale 23ff. ;- Satzfragesatz 125 157 Intonation -> Satzintonation 41ff.;43; - Sprechereinstellung 162f.; 176;182 133ff. Ellipse 27f.; 33 ;76ff.; 141 ; 147 - intonatorische Form 165ff. Exklamativakzent 44;46;167f. - intonatorisches Minimalpaar 46;146; Exklamativsatz 39f.;43;47f.;50;140f.; 149;152 158 ; 167f.; 169 - Portato-Ritardando-Intonation 146 - segmentierter 149f. Irrealis 98ff. ,-247ff. - im Französischen 153 Irrelevanzkonditional 263ff. - Satz-Exklamativsatz 127;237;240 Kerngrammatik 80ff. Fokussierung 13 Iff. Konditional 259ff. Formtyp/Formtypenkonstitution 24ff.; - Gleichsetzungskonditional 262ff.; 32 ; 162 ; 176f. ; 18 Iff. 264ff.;270ff.; 281 Frage, assertive 43;49;166ff. - Illokutionskonditional 265ff. Fragemorphem 126ff. - Irrelevanzkonditional 263ff. Fragesatz -> Interrogativmodus, InterKombinationstyp 48f. rogativsatz

287 Satz 75ff. Satzadverbiale 25Iff. Satzart 156ff.;260f. Satzintonation -> Intonation 190ff. Satzmodus/Satzmodusbegriff lff.; 22;28ff.; 47ff.;50f.;52;114;260f. Satzmodussystem 47ff.;52 Satztyp 57ff.; 71; 214 ;220ff.;260f. satzwertige Konstruktion 82 Selbständigkeit/Unselbständigkeit 22ff. Sequenzierung 25 Sie-Imperativ 31 Spaltsatz 13lf. Sprachhandlung/Sprachhandlungstyp 214ff. Sprachhandlungssystem 214ff. Markiertheit 8f. Sprachsystem 214ff.;220ff. Markierung Sprechakttypenklassifikation 13ff. - konkurrierende 48 - morphologische -> Merkmal, morphologi- Subjektsersparung 61f. sches, Verbmodus 162;169ff.;237ff. Merkmal Universalität 16 - intonatorisches 4Iff. - morphologisches 35ff. Vagheit/Vagheitsbereich 87ff. - Merkmalskombination 37 Verb/Verform - Merkmalsneutralisierung 31 - finit 63 ; 65 ;130ff. - Reihenfolgemerkmale 3 Iff. - infinit/Infinitiv 63;65 Mischtyp 48f. - semi-finit 63;65 Modalisierung Verb-Letzt-Satz 26f. - epistemische 191;198f. Verbmodus/verbaler Modus -> Markierung, - Modalisierungsindikatoren 191 morphologische, Merkmal, morphologi- Nullmodalisierung 198 sches 57ff.; 71;96ff.;lOOff.;237ff. Modalität Iff.;167f.; 172 ; 175;242ff. - und Präsuppositionen 104ff.;106f. Modalpartikeln 40f.;167f.; 172; 175;242ff. Verbstellung 26ff.;33ff.; 162;163ff.; - denn/eigentlich 146;149 234;239ff. - Verb-Erst-Stellung 47ff.;60ff.; 236 - aber/vielleicht 154f. Modularität 4ff. - Verb-Letzt-Stellung 26ff.;47ff.; 236 Modus 96ff. ; lOOff. ; 114f f. - Verb-Zweit-Stellung 47ff.;191f;202 Versicherungsfrage 34f.;49 Negation 200ff. Nicht-Bereiterklären 223f. Wahrheitsbedingungen-Semantik 11f. Nicht-Erlauben 223f. Wahrheitsbegriff 182f. w-Ausdruck 38 Weigerung 223f.;228f. Optativ 98f. ; 108ff. Widersprechen 223;226 Partikeln -> Gradpartikeln, Interjekti- Wissen 191 Wortstellung 13 Iff. onspartikeln, Modalpartikeln 126ff. Phraseologismen 87ff.;91 Wunschsatz 35;43;50;98f.;108f.;234ff. Potentialis 247ff. - Verb-Erst-Wunschsatz 234; 236 Präsuppositionen und Verbmodus 104ff. - Verb-Letzt-Wunschsatz 234; 236

Konditionalsatz 99ff.;102ff.;108ff.; 259ff.;280ff. konfliktär/konfliktäre Sprachhandlung 207f.;213ff.;225ff. Konjunktiv 65f.;172ff.;237ff. Konjunktiv II - Opposition zum Indikativ 97f. - höflicher 106ff. - als Irrealis 98ff. - und indirekte Rede 99 - und Negation 102;104f. Kontinuum 16 Konzessivsatz 276ff.

quantopere-was 148 quantopere-wie 145 Randgrammatik 80ff. Redesäulen 117ff. Relativsatz, freier 272ff. Rückfrage 49

Zurückweisen 211 ;225;227;229