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German Pages 754 [760] Year 1861
Sammlung der
neuem deutschen Gesetze über
Gerichtsverfassung und Strafverfahren
herausgegeben Ton
P. S u n d e l i t t .
Berlin, 1861. V e r l a s von. G e o r g H e i m e r .
Vorwort, D i e Sammlung der geltenden Particulargesetze ist für die Arbeit der vergleichenden Rechtswissenschaft, die nächstnothwendige Vorarbeit zur vielersehnten Rechtseinigung des Vaterlandes, unentbehrlich. Denn nicht ein erdachtes neues System, nur der vorhandene, sorgsam zu vergleichende und zu sichtende, Rechtsstoff kann Gegenstand der Einigung werden. Von thätiger Anerkennung dieser Wahrheit hängt jeder praktische Fortschritt des Einigungswerks nach meiner Ueberzeugung ab. Die Erörterung allgemeiner Grundsätze und Theorien fördert dies Werk nicht ohne nüchterne Bearbeitung des thatsächlich vorhandenen Materials, das bisher allzu stiefmütterlich behandelt ist. Zu seiner vollständigen Kenntniss führt, ohne ein Sammelwerk, nur die, Wenigen mögliche, ja auf buchhändlerischem WTege nicht zu beschaffende, Durchmusterang der zahlreichen Gesetz-, Regierungs-, Verordnungsblätter in vielen Jahrgängen. Ehrerbietigsten Dank erstatte ich den deutschen JustizChefs, welche, sämmtlicli bis auf Zwei, meine Bitte um Uebermittlung der geltenden Gesetze gütigst gewährend, mich in Stand gesetzt haben, die Bürgschaft der Vollständigkeit darzubieten. Die Sammlung: scliliesst sich ergänzend an die frühere des O O Herrn Professor Häberlin (Greifswald, Verlag von C. A. Koch, 1852) an. Ich habe mich auf reihenfolgliche Zusammenstellung der Gesetze beschränkt und nur, wo dies offenbar einfacher
war, und ein geschichtliches Interesse nicht entgegenstand!, unter Angabe der abändernden Gesetze den endgültigen Texit aufgenommen. Die Beschränkung auf allgemeine Gerichts^verfassungs- und Strafprocessgesetze, ferner auf die das öffenttlichmttndliche Anklageverfahren betreffenden, verstand sich voun selbst- Weggelassen sind also Specialgesetze (z. B. über Zoll--, Forst- etc. Strafverfahren), sowie instructive Verordnungen unod solche Gesetze, die nur den gemeinen Untersuchungsprocesss regeln oder verbessern. Sorgsamste Einschränkung war ohne-ihin geboten, um diese Sammlung und die bereitwilligst inm Preise ermässigte ältere möglichst allgemein zugänglich ztu machen. Zur Benutzung der Sammlung neben der Häberlin'schem sind dieselben Zahlen für die verschiedenen Länder beibehaltem. Eine Aufnahme französischer Gesetze ausser dem Code lag nichit in meinem Plane. Daher beginnt diese Sammlung mit Oesterreich unter IL Anclam, im Januar 1861.
Sundelin.
Inhalts - Verzeichniss. Seite
II.
Oesterreich. 1. Strafprozessordnung mit Einführungs-Patent vom 29. Juli 1853 2. Verordnung vom 3. Mai 1858, Abänderungen der Strafprozessordnung betreffend 3. Verordnung vom 20. Juni 1858, das Verfahren wegen Uebertretungen vor den» politischen Behörden betreffend
1 93 99
III.
Preussen. 1. Gesetz vom 12. Februar 1850 zum Schutz der persönlichen Freiheit 2. Gesetz vom 21. Mai 1852, Abänderung der Art. 94 und 95 der VerfassungsUrkunde betreffend 3. Gesetz vom 22. Mai 1852, Ergänzungen des Kinführungs-Gesetzes zum Strafgesetzbuche betreffend 4. Gesetz vom 6. Marz 1854, Competenz der Gerichte für politische und Pressverbrechen betreffend 5. Gesetz vom 14. April 1856, Ergänzung und Abänderung des Einfllhrnngs-Gesetzcs zum Strafgesetzbuch betreffend 6. Gesetz vom 25. April 1853, Competenz des Kaaimergerichts für Staatsverbrechen und das Verfahren betreffend
103 104 104 105 105 106
IV.
Bayern. 1. Erläuterung des Gesetzes vom 10. November 1848 Art. 31. Vom 9. Februar 1849 2. Verordnungen, betreffend die Befugnisse der Staatsanwälte vom 11. Februar 1849 vom 10. Juli 1849 vom 17. Marz 1852 3. Gesetz vom 30. Marz 1850, den Staatsgerichtshof und das Verfahren bei Ministeranklagen betreffend 4. Verordnung vom 20. August 1853. betreffend den Vollzug der Erkenntnisse, auch Einstellung des Verfahrens 5. Gesetz vom 1. Juli 1856, einige Bestimmungen über die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren in den Landcstheilen diesseits des Rheines betreffend 6. Verordnung vom 12. August 1857. zum Vollzüge des Gesetzes vom 1. Juli 1856
108 108 109 109 110 113 114 116
n
Inhalts-Verzeichnis». Seit«
V.
Hannover. Revidirte Strafprozessordnung vom 5. April 1859
1 17
VI.
Baden. V e r o r d n u n g vom 7. Marz 1851. betreffend die B i l d u n g der Geschwornenlisten
.
.
VII.
Kurliessen
188
191
VIII.
Württemberg. 1.
Verordnung vom 25. J u l i
1848. betreffend ein mündliches und
öffentliches A n -
klageverfahrcn in Prozesssnchen 2.
191
Gesetz vom 13. August 1859, betreffend die Abänderungen oiuiger Bestimmungen de« Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung
3.
194
Gesetz Tom 1. April 1852. betreffend die fortdauernde W i r k s a m k e i t der provisorischen Strafprozessordnung vom 22. J u n i 1 8 4 3 .
196
IX.
Grossherzogthum Hessen. 1. Gesetz vom 27. März 1852. betreffend das öffentliche und mündliche
Verfahren
bei den vor die Provinzial-Strafgerichte gehörigen Sachen in den Provinzen Staekenburg und Oberhessen
.
2. Entwurf einer Strafprozessordnung, von 186(1.
. . . .
.
.
.
196 204
IXa.
Nassau. 1. Gesetz vom 28. Dezember 1850. betreffend die Zusammensetzung; der Hofgorichtc und deren Abthcilung in Seuate
268
Gesetz vom 23. Dezember 1851. betreffend Conipetenz f ü r einige politische Verbrechen
270
3.
Gesetz vom 16. J u l i 1853, l>etrcffend Oompetenz der Gerichte
270
4.
V e r o r d n u n g vom 4. N o v e m b e r 1853. betreffend das V e r f a h r e n in den vor den
2.
Oriminalgcrichtcn zu führenden Untersuchungen
275
5. Verordnung vom 4. J a n u a r 1855. betreffend das Verführen bei Polizeivergelieii
276
X.
Braunschweig. 1. Die Abänderungen der Strafprozessordnung vom 22. A u g u s t 1849 2. Die Abänderungen der neuen
Kcduc.tion der Strafprozessordnung, durch
277 Gesetz
vom 22. November 1859
287
3.
Die Abänderungen des Gcriehtsvcrfiissungsgcsetzes vom 21. A u g u s t 1849
4.
Gesetz vom 19. März 1 8 5 0 .
.
288
betreffend die gerichtliche Polizei und die mit deren
Ausübung beauftragten Beamten
->89
5.
Gesetz vom 9. Februar 1855. betreffend die gerichtliche Conipetenz bei politischen
6.
Gesetz vom 4. Mai
Verbrochen
292 1858. betreffend die Zuständigkeit
Obergerichts in Strafsachen und der Schwurgerichte
des Criminalsenats
des 293
bkiWFmtiMH.
m Seit«
X I a. fln and X I b. Sohwanburgisdhe
FärstenthtLmer.
Gesetz vom 9. Dezember 1854, betreffend die Abänderung der Strafprozessordnung
294
X I c. Saohsen-Meiningen., 1. Gesetz vom 22. Juni 1850, betreffend die für die Rechtspflege bestellten Behörden
312
2. Gesetz vom 30. Mai 1856, betreffend Abänderungen und Zusitze zur Strafprozeßordnung X I d. Herzogthtimer
Anhalt.
1. Verordnung vom 26. Juli 1850, betreffend die Organisation der Gerichtsbehörden 2. Gesetz vom 28. November 1853, betreffend die Umgestaltung des Oberlandesgerichts 3. Verordnung vom 26. Juli 1850, betreffend das Ressort und die Gesch&ftsverwaltung der Beamten der Staatsanwaltschaft 4. Gesetz vom 10. September 1853, betreffend Abänderungen der Strafprozessordnung
388 325 326 328
XII. Sachsen-Coburg-Gotha. 1. Gesetz vom 21. September 1857, betreffend die Organisation der Gerichtsbehörden 2. Gesetz vom 21. September 1857, betreffend die Einführung einer neuen Strafprozessordnung 3. Die Strafprozessordnung in ihren Abweichungen von der Weimarisehcn . . . .
355 3 5 6
358
XIII. Sachsen-Altenburg. Strafprozessordnung mit EinfOhrungs-Patent. vom 27. Februar 1854
389
XIV. Landgraftohaft
Hessen.
1. Gesetz vom 15. Oktober 1850, betreffend die Einfahrung von Geschworncngcrichten 2. Gesetz vom 21. Mlrz 1851, betreffend die Erkennung der Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der AssiscnhOfc 3. Gesetz vom 1. April 1853, betreffend die Schwurgerichte 4. Gesetz vom 22. Marz 1859, betreffend die Competenz der Gerichte und das Verfuhren in Strafsachen
459 491 491 492
XV. Oldenburg. 1. Strafprozessordnung vom 2. November 1857 2. Gesetz vom 29. August 1857, betreffend die Gerichtsverfassung 3. Verordnung vom 6. Oktober 1858, betreffend die Einfahrung verschiedener, die Rechtspflege betreffender Gesetze
494 573 578
IV
Inhalts-Verteidiiiiw. Seit«
XVI. Waldeok. ). Gecctzvom 4. Juni 1850, betreffend die Gerichtsverfassung 2. Anthetische Interpretation vom 31. Januar 1857, betreffend den §. 17 des Gerichts^rfasBiings-GesetEeg 3. Anthetische Interpretation vom 99. M i n 1855, betreffend $. 135 des Gesetzes *o>n l. Juni 1850 4. Gesetz vom 15. Dezember 1855, betreffend Abänderungen des Gesetzes vom Jni 1850
581 58« 583 583
XVII. Frankfurt. Gesetz VQ, 15. Mai 1856, betreffend das Verfahren in Strafsachen
58*
XVIII. Meokletnburg-Sohwerin. 1. Vcrofnung vom 1. Januar 1856, betreffend das Verfahren wegen der zur Competenzdes Criminalcollegiums gehörenden Verbrechen 2. Vcrotnung vom 29. Januar 1859, betreffend die Abänderung des Art. 17 der Verolnung vom 1. Jannar 1856
626 637
XIX. Sachsen. 1. Straffozessordnung mit Einffthrungs-Gesetz vom 13. Angust 1855 2. G«set: vom 26. Juli 1858, betreffend die Zahl der Richter bei Entscheidungen in sttfgerichtlichen Untersuchungen 3. G«zet vom 11. August 1855, betreffend die Einrichtung der Behörden erstar Instafc ftr Rechtspflege und Verwaltung
637 741
n.
Oesterreich. Kaiserliche« Patent vom 29. Juli 1853, womit für dem ganzen Umfiug de« Reiche«, mit Ausnahme der Militftrgr&nse, eine nene Str&fproceu-Ordniftg er" lassen wird. A r t I. Die beigeschlossene allgemeine Strafprocess- Ordnung hat f t r die Zukunft im ganzen Umfange Unseres Reiches, mit Ausnahme der Militärgfänze, bei allen Strafgerichten des Civilstandes als alleinige Vorschrift für das Strafverfahren über Verbrechen, Vergehen und über die der Strafgerichtsbarkät der Gerichte unterliegenden Uebertretungen zu gelten. D e r T a g , a n welchem ihre W i r k s a m k e i t in den einzelnen Kronländein b e g i n n e n hat, wird nachträglich b e k a n n t g e m a c h t werden.
zu
A r t 13. Von diesem Tage angefangen haben alle über das Strafverfehren und Aber die Gerichtszuständigkeit hinsichtlich der gedachten strafbaren Handlungen in den verschiedenen Ländern Unseres Reiches bisher bestandenen Vorschriften ausser Kraft zu treten. A r t ELI. Die Vorschriften der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung sild in der Segel auch auf die vor dem obigen Tage begangenen strafbaren Handlungen in Anwendung zu bringen, in soferne nicht einer der in den n a c h f o l genden Artikeln 4, 5 und 6 bezeichneten Ausnahmsfälle eintritt Art. IV. Auf d i e zur Z e i t der beginnenden Wirksamkeit der g e g e n w ä r t i g e n Strafprocess-Ordnung bereits anhängigen strafgerichtlichen Untersuchungen hat dieselbe keine Anwendung zu finden, wenn von der zuständigen Strafbekörde bereits vor jenem Tage wider eine bestimmte Person ein Beschluss zur Einleitung der Untersuchung (Verweisungs-Erkenntniss — Versetzung in den Anklagestand) gefasst und späterhin nicht aufgehoben worden ist In diesem Falle ist das Strafverfahren von denjenigen Behörden, bei welchen dasselbe bereits anhängig ist, oder welche in Gemässheit der neuen Organisation der Justisbehörden als Strafgerichte an deren Stelle treten, auf die bisher dafür vorgeschriebene Art fortzusetzen. Ist aber ein solcher Beschluss durch spätere Verfügung eines höheren Gerichtes aufgehoben worden, so ist das weitere Verfahren über diesen Sti*ffrll nach der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung fortzusetzen. Ist zur Zeit, als die gegenwärtige Strafprocess-Ordnung in W i r k s a m k e i t tritt, in einer solchen anhängigen Untersuchung ein Rechtszug in höherer Initanz (Vorlage der Acten von Amtswegen bei einer höheren Behörde, Beschwirde, RecurB, Berufung, Nichtigkeitsbeschwerde) anhängig, oder der von dem früheren Gesetze hierzu eingeräumte Termin noch nicht abgelaufen, dieser höhere Reehtszug selbst aber innerhalb der erwähnten Frist angebracht worden, so ist hierüber von den höheren Gerichten in soweit nach der gegenwärtigen Strafprozessordnung vorzugehen und zu entscheiden, als nach derselben sich für den Beschuldigten eine günstigere Behandlung, als aus dem früher bestandenen Gesetze ergiebt Sammlnng der o. d. Gesetze. 1
2
Oesterreich.
Rücksichtlich solcher anhängigen Straffälle sind übrigens diejenigen Bernfangen, für welche nach den in mehreren Kronländern bisher bestandenen Gesetzen als Berufungsbehörden die Landesgerichte einzuschreiten hatten, bei den an deren Stelle getretenen Gerichtshöfen erster Instanz zu verhandeln und zu entscheiden. In denjenigen Kronländern endlich, wo bisher die Strafprocess- Ordnung vom 17. Jänner 1850 bestand, soll die dem Oberlandesgerichte als Berufangsbehörde eingeräumte Wirksamkeit in Ansehung der schon anhängigen Straffälle auch in Zukunft dem in Folge der neuen Organisation der Justizbehörden an dessen Stelle berufenen Oberlandesgerichte zukommen. Art. V. Ist wegen einer von mehreren Personen begangenen strafbaren Handlung zur Zeit der eintretenden Wirksamkeit der gegenwärtigen StrafprocessOrdnung auch nur gegen Einen der Mitschuldigen oder Theilnehmer von eil)er Strafbehörde des Civilstandes bereits eine Verfügung der im Art. IV. erwähnten Art ergangen, aber noch kein End-Erkenntniss erster Instanz gegen ihn erfolgt, so ist das Strafverfahren auch wider die übrigen Mitschuldigen und Theilnehmer nach den früheren Gesetzen zu pflegen. Gegen diejenigen Mitschuldigen und Theilnehmer aber, wider welche zur Zeit, als ein solches End-Erkeuntniss gegen Einen derselben erfolgte, noch kein Beschluss zur Einleitung der Untersuchung (Verweisungs-Erkenntniss — Versetzung in den Anklagestand) geschöpft war, ist das Verfahren nach der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung zu pflegen. Art. VI. Ist bei Beginn der Wirksamkeit der gegenwärtigen StrafprocessOrdnung wider Jemanden von einer Strafbehörde des Civilstandes eine strafgerichtliche Untersuchung auf die im ersten Absätze des Art. IV bezeichnete Art eingeleitet, so ist das Verfahren, wenn es ein Verbrechen betrifft, auch rücksiohtlich aller anderen von dieser Person begangenen strafbaren Handlungen, welche im Laufe des Verfahrens zur Erkenntniss des Strafgerichtes gelangen; — wen» aber die Untersuchung nur wegen eines Vergehens anhängig ist, rücksichtlich aller anderen von dieser Person begangenen Vergehen und Uebertretungen; — und wenn die Untersuchung nur wegen einer Uebertretung geführt wird, auch rücksichtlich aller anderen der Gerichtsbarkeit der Strafgerichte unterliegenden Uebertretungen nach den früheren Gesetzen zu pflegen. Art. VII. War aber die Untersuchung bisher nur wegen eines Vergehen» oder einer Uebertretung anhängig, und ergiebt sich später gegen den Untersuchten auch die Beschuldigung eines Verbrechens; — oder wird die bisher nur wegen einer Uebertretung in Untersuchung stehende Person auch eines Vergehens beschuldiget, so ist die anhängige Untersuchung an das, im ersten Falle über das Verbrechen, und im zweiten Falle über das Vergehen, nach der gegenwärtigen Strafprozessordnung zuständige Strafgericht, zur Fortsetzung des Verfahrens nach Vorschrift der letzteren abzutreten. Nur wenn in der anhängigen Untersuchung bereits ein End-Urtheil erster Instanz ergangen war, ist das weitere Verfahren darüber abgesondert von der Untersuchung über die neu hervorgekommene That zu Ende zu führen, und auf die darüber etwa erkannte Strafe bei dem Erkenntnisse über die neu hervorgekommene That die angemessene Rücksicht zu nehmen. Art. VIII. Die Erfordernisse zur Bewilligung der Wiederaufnahme einer nach den früher bestandenen Gesetzen beendigten strafgerichtlichen Untersuchung sind, sowohl in Bezug auf diejenigen strafbaren Handlungen, worüber das frühere Erkenntniss ergangen ist, als auch in Bezug auf neu entdeckte, aber vor diesem Erkenntnisse begangene strafbare Handlungen, in der Regel nach dqn früheren Gesetzen zu beurtheilen. — Sind jedoch die in der gegenwärtigen StrafprocessOrdnung hierüber enthaltenen Vorschriften dem Beschuldigten günstiger, so iat die Wiederaufnahme der Untersuchung nur dann zu bewilligen, wenn aneb die in diesem Gesetze vorgezeichneten Bedingungen eintreten.
Strafproeeu-Ordonng.
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Alt. DL In Ansehong de« Strafverfahren«, der Würdig u»g der Beweise, des ra fttllcnden Erkenntnisses and der Rechtsmittel dagegen, ist aber bei einer wiederaufgagnommenen Untersuchung, wenn deren Wiederaufnahme erst nach dem obige» Tfage beschlossen wird, in Gemässheit der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung voorxugehen. — Wäre nach dem Ergebnisse einer solchen wiederaufgenommenen Untersuchung auf Todesstrafe zu erkennen, so ist statt derselben in dem Falle, mann schon durch das frühere Urtheil auf eine Strafe erkannt, und dieselbe gfiwr oder auch nur zum Theile rollstreckt war, auf lebenslange schwere Kerkeerstrafe zu erkennen. Art. X. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme der naach den früheren Gesetzen beendigten strafgerichtlichen Untersuchungen, sowie daas Verfahren hierüber, steht denjenigen Gerichten zu, welche als Strafgerichte aan die Stelle der früher hierzu berufenen Behörden treten. Die Entscheidung über die in Folge einer solchen Wiederaufnahme neuerlicfeh gepflogene Untersuchung kommt aber auch in jenen Ländern, wo bisher die Sttxafprocess-Ordnung vom 17. Jänner 1850 in Wirksamkeit stand, nicht dem Obberlandesgerichte, sondern dem nach der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung hieerzu berufenen Gerichtshofe erster Instanz zu. Art. XI. Unser Minister der Justiz ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes beeauftragt. Derselbe hat die hierzu erforderlichen Verordnungen zu erlassen, unnd den Tag zu bestimmen, an welchem die gegenwärtige Strafprocess-Ordnung mitit Bücksicht auf die bestehenden Verhältnisse, in jedem Kronlande in Wirksamk e i t zu treten hat.
Strafprooeu-Ordnung für das Kaiserthum Oesterreich. E r s t e s Hauptstflek. Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Niemand kann wegen Verbrechen, Vergehen oder wegen der in dem allgemeinen Strafgesetze bezeichneten oder durch besondere Verordnungen dem Veerfahren der Strafgerichte zugewiesenen Uebertretungen mit einer Strafe belegt weerden, ausser nach vorgängigem Strafverfahren in Gemässheit dieser Strafprcocess - Ordnung und in Folge eines von dem zuständigen Richter gefällten Uittheiles. §. 2. Die strafgerichtliche Verfolgung findet von Amtswegen Statt, mit Ausnahme denjenigen Fälle, in welchen das Gesetz sie insbesondere von dem Verlangen einnes Betheiligten abhängig macht. §. 3. Die in dem Strafverfahren thätigen Behörden haben bei allen Nachforschungen, Erhebungen und Entscheidungen mit gleicher Sorgfalt sowohl die «uir Ueberfuhrung, als auch die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände au berücksichtigen. §. 4. Die strafgerichtliche Untersuchung erstreckt sich auch auf jene privattrechtlichen Vorfragen, ohne deren Beurtheilung die Strafsache nicht entschieden! werden kann. Ist hierüber von dem Civilrichter ein Erkenntniss geschöpft worden, so ist derr Strafrichter hieran nicht gebunden, in soweit es sich um die Beurtheilung derr Strafbarkeit des Beschuldigten handelt. Ebenso wenig hat der Strafrichter Thatumstände, welche einem civilrichterlichhen Erkenntnisse zur Grundlage dienen, in soweit sie auf die strafgerichtliche Entscheidung von Einfluss sein können, für wahr zu halten, wenn aus der strafgerrichtlichen Untersuchung das Gegeirtheil derselben hervorkommt, oder ihre Glaubwürdigkeit erschüttert wird. l*
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Oesterreich.
Hängt aber der Thatbestand einer strafbaren Handlung von der F r a g e über die Giltigkeit einer Ehe ab, worüber bereits vor, oder im Lanfe des Strafverfahrens bei dem zuständigen Civil- oder geistlichen Gerichte eine Verhandlung anhängig wurde, so ist der Ausgang derselben abzuwarten, und nöthigen Falles im geeigneten Wege auf Beschleunigung zu dringen. Wenn jedoch das Ebehinderniss bloss vor dem Strafrichter rege gemacht wird, und die Unrichtigkeit der Thatumstände, auf welche sich das angegebene Ehehinderniss gründen soll, erkannt wird, oder die Unstatthaftigkeit der Einwendung des vorgeschützten Ebehindemisses keinem Zweifel unterliegt, so ist das Strafverfahren fortzusetzen; im entgegengesetzten Falle aber von dem Strafrichter die vorläufige Untersuchung und Entscheidung dem hierzu berufenen Civil- oder geistlichen Gerichte zu überlassen. Das Erkenntniss des Ehegerichtes ist zwar auch für den Strafrichter in Hinsicht auf die Frage der Giltigkeit der Ehe bindend; allein dies hindert ihn nicht, alle jene Umstände und Verhältnisse zu erheben und zu würdigen, welche die Strafbarkeit des Beschuldigten aufheben. §. 5. Die in diesem Gesetze anberaumten Fristen sind, wenn das Gegentheil nicht ausdrücklich verfügt ist, als ausschliessende (Fall-, Präklusiv- oder peremtorische) Fristen anzusehen, und können nicht verlängert werden. Wenn dieselben von einem bestimmten Tage an zu laufen haben, sind sie so zu berechnen, dass dieser Tag nicht mitgezählt wird. Erweiterte Fristen nehmen ihren Anfang nach dem letzten Tage der vorhergehenden Frist, deren Verlängerung bewirkt worden ist. Sonn- und Feiertage, gleichwie diejenigen Tage, während welcher eine binnen einer bestimmten Frist bei der Strafbehörde zu überreichende Schrift auf der Post gelaufen, oder sonst aufgehalten worden ist, werden eingerechnet. §. 6. Die in der gegenwärtigen Slrafprocess-Ordnung festgesetzten Geldstrafen sind in Conventions-Münze nach dem Zwanzig-Guldenfusse zu verstehen; sie verfallen dem Armenfonde des Aufenthaltsortes desjenigen, dem die Geldstrafe auferlegt wird, und sind in dem Falle, wenn sie von dem Straffälligen nicht eingebracht werden können, oder den Vermögens-UmBtänden oder dem Nahrungsbetriebe des zu Verurtheilenden oder seiner Familie zum empfindlichen Abbruche gereichen würden, in Arreststrafen von je Einem Tage für fünf Gulden zu verwandeln.
Zweites HaupMOck. Von den Gerichtsbehörden in Strafsachen und deren Wirkungskreise im Allgemeinen. 7. Die Gerichtsbarkeit erster Instanz in Strafsachen ist auszuüben: a) von den Bezirksämtern (Stuhlrichter-Aemtern) als Bezirksgerichten, und von den für sich bestehenden Bezirksgerichten (Präturen); b) von den Gerichtshöfen erster Instanz (Landes-, Kreis- und Comitats-Gerichten). 8. 8. Die Bezirksgerichte haben die ihnen obliegenden strafgerichtlichen Amtshandlungen durch Einzelnrichter, die Gerichtshöfe aber, in soweit das Gesetz keine Ausnahme macht, als Collegialgerichte auszuüben. §. 9. Dem Bezirksgerichte steht das gesammte Strafverfahren, d. L die Untersuchung, Entscheidung und Vollstreckung ihrer Erkenntnisse hinsichtlieh derjenigen Uebertretungen zu, welche in dem allgemeinen Strafgesetze als solche bezeichnet, oder durch besondere Vorschriften zur Untersuchung und Bestrafung den Gerichten zugewiesen sind. Besondere Verordnungen werden bestimmen, über welche von den im zweiten Theile des Strafgesetzes vorkommenden Uebertretungen im Polizei-Rayon der
Btndproooa Orfnmg«
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HanptctKdte und anderer Orte, die Strafgerichtsbarkeit in erster In(tanz Ton der daselbst bestellten Sicherheitsbehörde statt des Bezirksgerichtes anszu&ben sein wird. Ueber diese Arten von Uebertretongen haben aber die Sicherheitsbehörden, als stellvertretende Behörden der Strafgerichte, nach den Vorschriften dieser StnJprocess-Ordnung zu verfahren, und der Rechtszug von deren Entscheidung geht in zweiter Instanz an das Oberlandesgericht, und in dritter Instanz an den obersten Gerichtshof (§§. 18 und 19). §. 10. Untersuchungsgerichte zur Führung des Untersuchungsverfahrens über Verbrechen und Vergehen sind: a) hinsichtlich der Verbrechen des Hochverrates, der Majestäts-Beleidigung, der Beleidigung der Mitglieder des kaiserlichen Hauses und der Störung der öffentlichen Buhe (§§. 58—66 des Strafgesetzes) in jedem Kronlande das Landesgericht desjenigen Ortes, wo die politische Landesbehörde (St&tthalterei, Landesregierung oder Statthalterei-Abtheilung) ihren Sitz hat; b) hinsichtlich aller übrigen Verbrechen und Vergehen jedes Landes- und Kreis- (Comitats-) Gericht für einen eigens zu bestimmenden Umkreis; ausser diesem Umkreise aber c) diejenigen Bezirksgerichte (§. 7, 1 it. a), welche durch besondere Bestimmungen in jedem Kronlande, nach Massgabe der Ortsverhältnisse und der für ein Untersuchungsgericht erforderlichen Gebäude, für einen eigens zu bestimmenden, regelmässig die Bezirke mehrerer Bezirksgerichte umfassenden Umkreis als Untersuchungsgerichte über Verbrechen und Vergehen bestellt werden. §. 11. Das Untersuchungsverfahren ist bei den Landes- und Kreis- (Comitats-) Gerichten (§. 10, lit. a und b) durch einen oder mehrere von dem Vorsteher des Gerichtshofes aus der Mitte desselben zu bestellende Untersuchungsrichter, welche die ihnen nach der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung zustehenden Amtshandlungen und Ausfertigungen im Namen des Untersuchungsgerichtes vorzunehmen haben; — bei den Bezirksgerichten aber (§. 10, lit. c) von dem Vorsteher der gerichtlichen Geschäftsführung oder von einem anderen, von ihm hierzu bestimmten und für das Richteramt geprüften Beamten des Bezirksgerichtes als Untersuchungsrichter zu pflegen. §. 12. Jedes Untersuchungsgericht ist befugt, um die Vornahme eineeiner Acte des Untersuchungsverfahrens, welche ausser dem Orte seines Sitzes vorzunehmen sind, das zum Untersuchungsverfahren über Verbrechen und Vergehen berufene Untersuchungsgericht des Ortes zu ersuchen, wo die gerichtliche Handlung vorzunehmen ist. Auch haben alle Bezirksgerichte, als Hilfsbehörden in Beziehung auf die Strafrechtspflege über Verbrechen und Vergehen, jeder Aufforderung der Untersuchungsgerichte zu entsprechen. §. 13. Kommt die Anzeige eines Verbrechens oder Vergehens bei einem solchen Bezirksgerichte vor, welchem nach dem §. 10, lit. c das Untersuchungsverfahren darüber nicht zusteht, so hat es dieselbe in der Regel an das zuständige Untersuchungsgericht zu leiten. Sollten aber vermöge der besonderen Umstände des Falles die ThatbestandsErhebung oder andere dringende Amtshandlungen nicht mit der erforderlichen Beschleunigung von dem Untersuchungsgerichte selbst eingeleitet werden können, so liegt auch einem solchen Bezirksgerichte die Verbindlichkeit ob, die nöthigen Einleitungen einstweilen im Namen des Untersuchungsgerichtes zu treffen, und die gepflogenen Erhebungen unverzüglich an dasselbe zu leiten. §. 14. In Beziehung auf das Untersuchungsverfahren, welches von den Bezirksgerichten zu führen ist (§. 10, lit. c), kommt dem zur mündlichen Schlussverhandlung berufenen Gerichtshofe (§. 16) die Aufsicht und Leitung, daher insbesondere auch das Befugniss zu, den zum Sprengel des Gerichtshofes gehö-
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Oesterreich.
rigen Bezirksgerichten Weisungen darüber zu ertheilen, und das Untersuchmig»yerfehren oder einzelne Acte desselben jederzeit an sich zu ziehen, nnd durch einen anderen Untersuchungsrichter vornehmen zu lassen, sobald er dies wegen der Wichtigkeit des Falles, oder aus anderen erheblichen Gründen für n o t wendig findet. f. 15. Dem zur mündlichen Schlussverhandlung berufenen Gerichtshofe (§. 16) stehen ferner folgende Amtshandlungen zu: a) Die Beschlussfassung über diejenigen Anzeigen wegen Verbrechen und Vergehen, welche der Untersuchungsrichter zu keinem Strafverfohren geeignet findet; b) die Entscheidung in erster Instanz über die im Laufe des Untersachungsverfahrens entstehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Untersuchungsrichter nnd dem Staatsanwalte, sowie über alle Beschwerden gegen Verfügungen oder Verzögerungen des Untersuchungsrichters; c) die Entscheidung über das abgeschlossene Untersuchungsverfahren. f. 16. Jeder Gerichtshof erster Instanz ist endlich in seinem Gerichtssprengel hinsichtlich aller Verbrechen und Vergehen zur mündlichen SchluBsverhandlung und zur Entscheidung über dieselbe berufen. Nur rücksichtlich der Verbrechen des Hochverrates, der Majestäts-Beleidigung, der Beleidigung von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses und der Störung der öffentlichen Ruhe gehören auch die im §. 15 aufgezählten Amtshandlungen, sowie die mündliche Schluss Verhandlung und Entscheidung über dieselbe zu dem Landesgerichte desjenigen Ortes, wo die politische Landesbehörde ihren Sitz hat ($. 10, lit. a). 17. Die Gerichtshöfe e r s t e r Instanz verhandeln und entscheiden in Strafsachen in der Regel in Versammlungen von einem Vorsitzenden, zwei Richtern nnd einem Protokollführer; Schlussverhandlungen aber, wobei es sich um ein Verbrechen handelt, auf welches im Gesetze die Todesstrafe oder eine mehr als fünfjährige Kerkerstrafe verhängt ist, sowie die Entscheidung darüber, haben sie in Versammlungen von einem Vorsitzenden, vier Richtern und einem Protokollführer vorzunehmen. f. 18. In z w e i t e r Instanz wird die' Strafgerielitsbarkeit über Verbrechen, Vergehen und die im §. 9 bezeichneten Uebertretungen von den Oberlandesgerichten (Obergerichten, Banaltafel) ausgeübt. Dieselben fassen ihre Beschlüsse in der Regel in Versammlungen von einem Vorsitzenden, vier Richtern und einem Protokollführer. Entscheidungen über Schlussverhandlungen aber, wobei es sich um das Verbrechen des Hochverrathes oder um solche Verbrechen handelt, worauf im Gesetze die Todesstrafe verhängt ist, hat das Oberlandesgericht in Versammlungen von einem ' Vorsitzenden, acht Richtern und einem Protokollführer vorzunehmen. Sollte es zu Berathungen der letzteren Art nicht mit der nöthigen Zahl von Rathen besetzt sein, so hat es die zur Ergänzung erforderliche Anzahl aus Mitgliedern der ihm unterstehenden Gerichte zu berufen (§. 53). §. 19. In d r i t t e r Instanz steht die Strafgeriehtsbarkeit über Verbrechen, Vergehen und die im §. 9 bezeichneten Uebertretungen dem obersten Gerichtshofe zu. Er fasst seine Beschlüsse über Strafsachen in der Regel in Versammlungen von einem Vorsitzenden, sechs Richtern und einem Protokollführer; wenn es sich aber um die Entscheidung über die Schlussverhandlung hinsichtlich eines der im dritten Absätze des § . 1 8 bezeichneten Verbrechen handelt, in Versammlungen von einem Vorsitzenden, zehn Richtern und einem Protokollführer. §. 20. Bei Entscheidungen in Strafsachen darf die Zahl der Stimmführer weder grösser noch geringer sein, als sie in den §§. 17, 18 und 19 festgesetzt ist. §. 21. Bei allen Gerichten erfolgt die Beschlussfassung nach vorausgegangener Berathung (Discussion) durch absolute Stimmenmehrheit. Die dem Dienst-
Btrafjprooeaa-Ordnuag.
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rage nach älteren Mitglieder des Gerichtes geben ihre Stimmen vor den jüngere« ab. Immer giebt aber der Vortragende (Referent) seine Stimme zuerst ab. Dar Vorsitzende ist in allen Fällen berechtigt, seine Stimme zu Protokoll sta geben. Dies darf aber immer nur nach erfolgter Abstimmung der übrigen Beisitzer geschehen. Wenn nnter mehreren Meinungen eine die Hälfte der sämmtlichen Stimmen für sich hat, so kann der Vorsitzende durch seinen Beitritt für dieselbe den Ausschlag geben. Sind die Stimmen zwischen zwei Meinungen gleich getheilt, so ist der Vorsitzende verpflichtet, auch seine Stimme abzugeben. Tritt er der einen oder anderen dieser beiden Meinungen bei, so ist hiernach der Beschluss zu fassen. $. 22. Aenssert aber der Vorsitzende bei gleichgetheilten Stimmen eine dritte Meinung; oder sind die Stimmen der übrigen Stimmführer in mehr als zwei verschiedene Meinungen getheilt, so dass keine dieser Meinungen die absolute Stimmenmehrheit (d. i. mehr als die Hälfte sämmtiicher Stimmen) für sich hat, so ist die Umfrage zu wiederholen. Ergiebt sich auch bei der neuerlichen Umfrage keine absolute Stimmenmehrheit für eine der verschiedenen Meinungen, so werden die dem Beschuldigten nachtheiligsten Stimmen den zunächst minder nachtheiligen so lange zugezählt, bin sich eine absolute Stimmenmehrheit ergiebt. Entsteht darüber eine Verschiedenheit der Ansichten, welche von zwei Meinungen für den Beschuldigten minder nachtheilig sei, so ist darüber als über eine Vorfrage besonders abzustimmen. §. 23. Ueber die Zuständigkeit des Gerichtes, über die Nothwendigkeit von Ergänzungen des Verfahrens und andere Vorfragen muss immer zuerst abgestimmt werden. Entscheidet sich die Mehrheit der Stimmen dahin, dass ungeachtet der über die Vorfrage erhobenen Zweifel zur Hauptentscheidung zu schreiten sei, so sind auch die in der Minderheit gebliebenen Richter verpflichtet, über die Hauptsache ihre Stimme abzugeben. §. 24. Zur Erleichterung der Bescblussfassung kann bei der Abstimmung über das abgeschlossene Untersuchungsverfahren die Frage: „ob der Beschluss überhaupt auf Einstellung, Ablassung oder Anklage zu fassen sei? (§. 196)" von der Frage: „nach welcher Gesetzesstelle die Anklage stattzufinden hätte (§. 200, lit. b und c)"; bei der Berathung über die gepflogene Schlussverhandlung aber die Frage über die Schuld von der Frage über die Bemessung der Strafe getrennt werden. Liegen dem Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last, so muss über die Schuld hinsichtlich jeder einzelnen That ein eigener Beschluss, und dann über die Bestrafung für alle strafbaren Handlungen, die dem Beschuldigten zur Last fallen, ein Gesammtbescliluss gefasst werden. Bei der Abstimmung über die Strafe steht es den Richtern, welche den Beschuldigten nicht schuldig beftinden haben, frei, ob sie auf Grund des über die Schuldfrage gefassten Beschlusses ihre Stimme über die Strafe abgeben, oder ob sie sich der Abstimmung enthalten wollen. Im letzteren Falle sind ihre Stimmen so zu zählen, als ob sie der für den Beschuldigten günstigsten unter den von den übrigen Stimmführern ausgesprochenen Meinungen beigetreten wären. §. 25. Die Gerichtsbarkeit eines jeden Strafgerichtes erstreckt sich auf dessen ganzen Bezirk. Es soll also keine Ausnahme einzelner, in dem Umfange desselben befindlicher Personen weiter Statt haben, als in dem gegenwärtigen Gesetze ausdrücklich bestimmt ist. Jedermann ist schuldig, auf die an ihn ergangene Vorforderung vor dem Strafgerichte zu erscheinen, demselben Rede und Antwort zu geben, und seinen Verfügungen zu gehorchen. Diejenigen Personen jedoch, welche sich ausser dem Umkreise des Untersuchungsgerichtes (§. 10) in einer Entfernung von mehr als zwei Meilen von dem Sitze desselben befinden, sind in der Regel durch das Bezirksgericht, in dessen Bezirke sie sich befinden, zu vernehmen (§. 116).
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§. 26. Die Strafgerichte sind in Allem, was zu ihrem Verfahren gehört, berechtiget, mit allen inländischen Staats- und Gemeindebehörden unmittelbares Vernehmen durch Ersuchschreiben zu pflegen. Eben dies gilt im Verhältnisse su ausländischen Behörden, in soferne darüber nicht durch besondere Vorschriften etwas Abweichendes festgesetzt ist. Alle inländischen Staats- und Gemeindebehörden sind verbunden, den Strafgerichten hilfreiche Hand zu bieten, und den an sie gelangten Ersuchen derselben mit möglichster Beschleunigung zu entsprechen, oder den Strafgerichten die entgegenstehenden Hindernisse sogleich anzuzeigen. §. 27. Bemerkt ein Strafgericht Nachlässigkeit oder Verzögerung in Erfüllung eines von ihm an eine andere Behörde gerichteten Ersuchens, so hat es diesen Umstand entweder zur Kenntniss der zunächst vorgesetzten Behörde der letzteren zu bringen, oder dem Oberlandesgerichte, zu dessen Sprengel es gehört, die Anzeige zu erstatten, damit im geeigneten Wege Abhilfe verschafft werde. Sollte das Strafgericht diese Pflicht ausser Acht lassen, so kann ihm die Saumseligkeit einer anderen Behörde zu keiner Entschuldigung dienen. $. 28. Die Gerichtsbehörden sind befugt, erforderlichen Falles die bewaffnete Macht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde, zum Beistande aufzufordern.
Drittes Hauptstadt. Von dem Wirkungskreise der Staatsanwaltschaft und ihrem Verhältnisse zu den Gerichten im Allgemeinen. §. 29. Bei jedem Landes- und Kreisgerichte hat ein Staatsanwalt, und bei jedem Oberlandesgerichte ein Ober-Staatsanwalt mit dem nöthigen Hilfspersonale zu bestehen. Das letztere ¡6t, wo es für den Staatsanwalt oder Ober-Staatsanwalt auftritt, zu allen demselben zukommenden Amtshandlungen berechtiget. §. 30. Die Verrichtungen des Staatsanwaltes haben in Folgendem zu bestehen: Er hat a) von jedem ihm bekannt gewordenen Verbrechen und Vergehen sogleich das Untersuchungsgericht in Keniftniss zu setzen, und darüber das Untersuchungsverfahren zu veranlassen; b) auf das Untersuchungsverfahren den im siebenten Hauptstücke näher bestimmten Einfluss zu nehmen, und bei Gefahr am Verzuge diejenigen Vorkehrungen selbst einzuleiten, welche der Staatsanwalt in derlei Fällen, vermöge besonderer Bestimmungen dieses Gesetzes, erforderlichen Falles auch durch andere Behörden oder Organe veranlassen kann; c) nach dem Schlüsse des Untersuchungsverfahrens über Verbrechen oder Vergehen die geeigneten Anträge wegen Versetzung in den Anklagestand, wegen Einstellung oder wegen Ablassung von dem weiteren Verfahren an den Gerichtshof zu stellen; d) bei allen mündlichen Schlussverhandlungen Uber Verbrechen und Vergehen liegen ihm die Verrichtungen des öffentlichen Anklägers im Interesse der öffentlichen Sicherheit und des Gesetzes ob; — ferner hat er e) in den nach dem Gesetze zulässigen Fällen wider die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, welche er dem Gesetze nicht gemäss findet, die Berufung oder Beschwerde an die höheren Gerichtsbehörden zu ergreifen; und f) überhaupt im ganzen Laufe des Strafverfahrens für die Handhabung des Gesetzes und die Hintanhaltung jeder Verzögerung Sorge zu tragen. Der Staatsanwalt hat ferner g) das Befugniss, von den Untersuchungen wegen Uebertretungen, welche bei den im Sprengel des Gerichtshofes gelegenen Bezirksgerichten zu führen
Strafluoeuss Ortung.
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sind, Einsicht so nehmen ($. 417), and gegen die Erkenntnisse derselben die Berufung su ergreifen, so wie überhaupt seine Wahrnehmungen darüber zur Kenntnis« der höheren Behörden zu bringen (§. 427). Er ist überdies verpflichtet h) die dem Justizministerium zukommende Mit-Aufiicht über die Straf-Anstalten in dessen Namen und nach dessen Weisungen auszuüben; i) die statistischen Ausweise und periodischen Berichte über den Gang der Strafreehtspflege und den Zustand der Straf-Anstalten zu verfassen, und dieselben an den Ober-Staatsanwalt abzugeben; endlich steht ihm k) die Leitung nnd Disciplinar-Aufsicht über das ihm zugewiesene Hilfspersonale nach den dafür bestehenden besonderen Vorschriften zu. %. 31. Die Staatsanwälte sind dem Ober-Staatsanwalte, und dieser dem Justizminister untergeordnet und verantwortlich. §. 32. Dem Ober-Staatsanwalte kommen folgende Befugnisse zu: a) die Aufsicht und Oberleitung über alle im Sprengel des Oberlandesgerichtes befindlichen Staatsanwaltschaften, wonach er denselben in Beziehung auf alle im §. 30 aufgezählten Verrichtungen Weisungen ertheilen, sich an ihrer Stelle an den strafgerichtlichen Verhandlungen oder anderen dem Staatsanwalte obliegenden Verrichtungen selbst betheiligen, oder aus wichtigen Gründen zu einzelnen Acten einen anderen, als den dazu berufenen staatsanwaltschaftlichen Beamten seines Sprengeis abordnen kann; b) die Disciplinar - Gewalt über alle staatsanwaltschaftlichen Beamten und Diener seines Sprengeis innerhalb der hiefiir insbesondere bestehenden Vorschriften; c) er kann von allen in Strafsachen bei dem Oberlandesgerichte einlangenden Acten Einsicht nehmen, und bei den hierüber bei dem letzteren stattfindenden Verhandlungen, nicht aber bei der Abstimmung anwesend sein; so wie hierbei d) in den im Gesetze ausdrücklich vorgesehenen Fällen auch Anträge stellen (§§. 46, 49, 308, 330, 430); endlich hat er e) aus den ihm nach Vorschrift der (lit i.) des §. 30 vorgelegten statistischen Ausweisen der Staatsanwaltschaften die Gesammt-Uebersicht über die'Strafreehtspflege und den Zustand der Straf-AnBtalten in dem ganzen Obergerichtssprengel zu verfassen, und dieselbe sowohl als die erforderlichen periodischen Berichte an den Jnstizminister einzusenden. f. 33. Die in den §§. 26, 27, und 28 enthaltenen Vorschriften gelten auch für die Staatsanwaltschaften. {. 34. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaften sind von einander unabhängig. J. 35. Die Gerichte hfben in allen Fällen, wo dies von dem Gesetze insbesondere vorgeschrieben ist, vor ihrer Beschlussfassung die Staatsanwaltschaft mit ihren Anträgen zu vernehmen. Mit Ausnahme der Berathung über die Schlussverhandlung (§. 256) steht dem Vertreter der Staatsanwaltschaft frei, in der ersten Instanz auch bei der Berathschlagung und Abstimmung des Gerichtes, jedoch nicht mit entscheidender Stimme, gegenwärtig zu sein. |. 36. Die Anträge der Staatsanwaltschaft sind, in soferne es das Gesetz nicht in einzelnen Fällen insbesondere vorschreibt, für den Untersuchungsrichter und für die erkennenden Gerichte in keiner Weise bindend. Viertes Hanptstflek. Von dem Privat-Anklfiger. {. 37. Bei Vergehen, welche nach dem Gesetze nur auf Verlangen eines Betheiligten strafgerichtlich verfolgt werden können, hat sich dieser vorläufig an
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den Staatsanwalt zu wenden, dessen Ermessen es überlassen ist, ob er selbst dem Verlangen des Betheiligten gemäss auf die Einleitung des Strafverfahrens antragen wolle oder nicht. Im ersten Falle steht dem Privat-Ankläger frei, im Einverständnisse mit dem Staatsanwalte; — im zweiten Falle aber für sich allein oder durch einen Bevollmächtigten das Strafverfahren anhängig zu machen. Steht der Staatsanwalt im Laufe des Strafverfahrens von seiner Mitwirkung ab, so kann der Privat-Ankläger dasselbe allein fortführen. Demselben steht ausser den ihm vom Gesetze an einzelnen Stellen insbesondere zugestandenen Rechten auch das Befugniss zu, während des Untersuchungsverfahrens dem Gerichte alle Mittel an die Hand zu geben, welche seine Anklage unterstützen können, und die Einsicht der Untersuchungsacten zu begehren, bei der Schlussverhandlung aber zur Begründung seiner Anklage alle sonst dem Staatsanwalte zukommenden Rechte geltend zu machen. FQnfles Hauptstflek. Von der Zuständigkeit der Strafgerichte. §. 38. In der Regel steht das Untersuchungsverfahren über Verbrechen und Vergehen hinsichtlich aller Personen, die daran Theil genommen haben, demjenigen Untersuchungsgerichte, und die mündliche Schlussverhandlung und Entscheidung darüber demjenigen Gerichtshöfe zu, in dessen Sprengel die strafbare Handlung begangen wurde. §. 39. Ist ein Verbrechen oder Vergehen von einer oder von mehreren Personen an der Gränze mehrerer Gerichtsbezirke begangen worden, so ist der Thatbestand von demjenigen Untersuchungsgerichte zu erheben, welches sich zuerst dazu in der Lage befindet. Die Thatbestands-Erhebung rücksichtlich derjenigen Verbrechen und Vergehen, die in mehreren Gerichtsbezirken begangen worden sind, ist von jedem Untersuchungsgerichte in soweit vorzunehmen, als es in seinem Bezirke geschehen kann. Zu dem weiteren Verfahren ist in beiden Fällen dasjenige Gericht berufen, welches dem anderen dadurch zuvorgekommen ist, dass es zuerst gegen einen Beschuldigten eine Vorladung, einen Vorführnngs-, Verhaftungs-Befehl oder Steckbrief erlassen, oder die gerichtliche Nacheile angeordnet hat. §. 40. Das Strafgericht, bei welchem bereits ein Verfahren wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens gegen einen Beschuldigten anhängig ist, hat seine Gerichtsbarkeit auch auf alle anderen von demselben Beschuldigten begangenen Verbrechen, Vergehen und dem gerichtlichen Verfahren zugewiesenen Uebertretungen auszudehnen, wenn auch diese strafbaren Handlungen in anderen Gerichtssprengeln, oder erst während der Untersachung über die ersteren begangen worden sind. §. 41. Hat Jemand in verschiedenen Gerichtssprengeln entweder mehrere Verbrechen oder mehrere Vergehen, oder Verbrechen und Vergehen begangen, so ist unter den verschiedenen zum Strafverfahren in diesen Fällen berufenen Gerichten rücksichtlich aller von dem Beschuldigten begangenen Verbrechen und Vergehen dasjenige als ausschliesslich zuständig anzusehen, welches den anderen zuvorgekommen ist (§. 39). An dieses Gericht sind daher auch die etwa bei anderen Strafgerichten später wider den Beschuldigten wegen Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen anhängig gewordenen Untersuchungen zur Fortsetzung abzutreten. §. 42. Ist aber Jemand eines der in dem §. 10, lit. a genannten Verbrechen, und nehstbei noch anderer dem Verfahren der Strafgerichte unterliegender strafbarer Handlungen beschuldiget, so stehen dem nach eben diesem Paragraphen zum Verfahren über die genannten Verbrechen berufenen Landesgerichte Sowohl das Untersuchungsverfahren, als auch die im §. 15 bezeichneten Anita-
Strstyroom-Ortiunig.
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kandhmgen, die ScMuMreifcandlung und das Erkenntnis § darüber anch rtick«•chtüch aller anderen dem Beschuldigten zur Last fallenden strafbaren Handh n g f n zu. §. 43. Wenn die Anzeige gegen den Beschuldigten wegen eines Verbrechens oder Vergehens bei demjenigen Strafgerichte geschieht, in dessen Sprengel der Beschuldigte betreten worden ist, so hat dieses Gericht zu verfahren, wenn nicht das Gericht des Sprengeis der begangenen That bereits zuvorgekommen ist (5§. 38 nnd 41), oder wenn nicht der Staatsanwalt des einen oder anderen Sprengel«, oder der Beschuldigte selbst, oder in dem Falle, wenn deren Mehrere sind, auch nur Einer derselben verlangt, dass die Sache dahin abgegeben werde* §. 44. Ist ein Verbrechen oder Vergehen im Auslande begangen worden, dessen Bestrafung nach den Vorschriften des Strafgesetzes im Inlande stattfinden kann, so ist jenes inländische Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat Wenn er weder Wohnsitz, noch Aufenthaltsort im Inlande hat, so ist dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirke er ergriffen wird. §. 45. Wird aber der eines Verbrechens oder Vergehens Beschuldigte erst ans dem Auslande eingeliefert, so ist dasjenige inländische Strafgericht zuständig, welches die Einlieferung veranlasst hat. — Wird hingegen die Einlieferung desselben vom Auslande selbst angeboten, so ist zur Annahme derselben die Genehmigung des Oberlandesgerichtes einzuholen, welches zugleich zu bestimmen hat, welchem inländischen Strafgerichte in diesem Falle die Gerichtsbarkeit zukommen soll. 46. Wenn die Auslieferung eines Fremden, welcher sich im Kaiserthume Oesterreich aufhält, wegen eines im Auslande begangenen Verbrechens, das nicht unter die Vorschrift des §. 38 des Strafgesetzes fällt, von einem auswärtigen Staate verlangt wird, oder nach Vorschrift des Gesetzes einem auswärtigen Staate anzubieten ist, so steht die Verhandlung mit der fremden Behörde dem Landes- oder Kreisgerichte zu, in dessen Bezirke der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, oder in dessen Bezirke er ergriffen wird. Auf das Verlangen der Auslieferung oder über erlassene Steckbriefe, VerhaÄB- oder andere strafgerichtliche Verfolgungs-Befehle, ist zwar gegen die Entweichüng des fremden Beschuldigten die nöthige Vorkehrung zu treffen, auf seine Auslieferung aber nach Vernehmung des Staatsanwaltes, bei dem Oberlandesgerichte nur dann anzutragen, wenn von der auswärtigen Behörde sogleich oder in einem angemessenen Zeiträume solche Beweise oder rechtliche Verdachts gründe beigebracht werden, worüber sich der hier vernommene Fremde nicht auf der Stelle auszuweisen vermag. Das Oberlandesgericht hat seinen, nach Anhörung des OberStaatsanwaltes zu fassenden Beschluss jederzeit vorläufig dem Justizministerium aar Genehmigung vorzulegen. §. 47. Das Strafverfahren gegen Personen, die nach besonderen Vorschriften in Straffällen der Militärgerichtsbarkeit unterstehen, bleibt auch fernerhin den Militärgerichten vorbehalten. Die Erhebung des Thatbestandes rücksichtlich solcher strafbaren Handlungen, welche nach den allgemeinen Strafgesetzen zu behandeln sind, steht jedoch den Militärgerichten nur dann zu, wenn der Beschuldigte offenbar der Militärgerichtsbarkeit untersteht. Ergiebt sich dies erst im Laufe einer von dem Civil-Strafgerichte vorgenommenen Untersuchung, so ist die Verhandlung von demselben abzubrechen und dem Militärgerichte zu übergeben. f. 48. Die auswärtigen Gesandten, deren Familien und das eigentliche Gesandtschafts-Personale derselben, stehen nicht unter der Gerichtsbarkeit der iniindischen Gerichte. Auch die Haus- und Dienstleute fremder Souveräne oder Gesandten, welche zugleich Unterthanen des fremden Souveräns, oder des Staates sind, welchem der Gesandte angehört, unterstehen den österreichischen Gerichten
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nicht. Hätte daher mit solchen Personen eine Amtshandlung wegen eines Verbrechens oder Vergehens einzutreten, so ist sich zwar nach Umständen der Person des Beschuldigten zu versichern, jedoch sogleich die Anzeige davon an das Obersthofmarschallamt zu machen. §. 49. Die Oberlandesgerichte sind befugt, aus Rücksichten der öffentlichen Sicherheit, der Befangenheit des Gerichtsstandes, sowie auch zur Erleichterung oder Beschleunigung des Verfahrens, zur Vermeidung unnöthiger Kosten, wegen Mangels hinreichender Gefängnisse, oder aus anderen wichtigen Gründen, nach Anhörung des Ober-Staatsanwaltes, oder auf dessen Antrag eine Strafverhandlung dem zuständigen Gerichte abzunehmen, und einem anderen Gerichte derselben Art in ihrem Sprengel zuzuweisen. Gegen solche Beschlüsse steht dem Beschuldigten sowohl, als auch dem Ober-Staatsanwalte das Recht zu, binnen drei Tagen von der Eröffnung derselben die Beschwerdeführung an den obersten Gerichtshof zu ergreifen. Aus eben diesen Gründen kann auch der oberste Gerichtshof die Uebertragung einer Strafverhandlung ans einein Oberlandesgerichts-Sprengel in einen anderen verfügen. In den Fällen des §. 10, lit. a) kann eine Delegation nur von dem obersten Gerichtshofe verfügt werden. §. 50. Jedes Gericht hat die Gränzen seiner Gerichtsbarkeit von Amtswegen zu beobachten. Hält es sich in einer ihm vorkommenden Strafsache nicht für zuständig, 60 hat es dieselbe zur Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens an die von ihm für competent erkannte Behörde zu leiten. Ist die Gerichtszuständigkeit wegen eines Untersuchungsverfahrens zwischen mehreren Untersuchungsgerichtcn streitig, welche in dem Sprengel des nämlichen Gerichtshofes liegen, so entscheidet darüber der letztere nach Anhörung des Staatsanwaltes. Gehören aber die streitenden Untersuchungsgerichte unter verschiedene Gerichtshöfe, und können sich die letzteren nicht einigen; — oder entsteht zwischen mehreren Gerichtshöfen erster Instanz selbst ein Streit, so entscheidet, wenn die streitenden Gerichte unter demselben Oberlandesgerichte stehen, das Oberlandesgericht. Unterstehen aber die streitenden Gerichte verschiedenen Oberlandesgerichten, und können sich auch diese letzteren über den Gegenstand des Streites nicht einigen; oder entsteht zwischen den Oberlandesgerichten selbst ein Streit, so entscheidet der oberste Gerichtshof. Bis zur Entscheidung eines Streites über die Zuständigkeit zwischen unteren Gerichten hat jedes derselben die zur Einleitung der Untersuchung und Herstellung des Thatbestandes in seinem Bezirke nöthigen Handlungen, und insbesondere alle jene Untersuchungsschritte vorzunehmen, bei welchen Gefahr am Verzuge haftet. §. 51. Amtshandlungen des Untersuchungsverfahrens, welche von einem unzuständigen Gerichte vorgenommen wurden, sind desshalh allein noch nicht ungiltig, sondern von dem zuständigen Gerichte zu benutzen. Doch hat dieses erforderlichen Falles die Ergänzung, Berichtigung oder Wiederholung dieser Amtshandlungen einzuleiten. S e c h s t e s Hauptstflek. Von der Ausschliessung und Ablehnung von Gerichtspersonen und Staatsanwälten. §. 52. Jeder Richter und Protokollführer ist von der Vornahme gerichtlicher Handlungen im Strafverfahren ausgeschlossen, wenn er selbst der durch die strafbare That Beschädigte ist, oder wenn die beschuldigte oder beschädigte Person mit ihm durch das Band der Ehe verbunden ist, oder wenn der Beschnldigte, der Beschädigte, der Staatsanwalt, der Privat-Ankläger oder der Verthei-
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diger a h Ihm in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert, «ein Geschwisterkind, oder noch näher mit ihm verwandt, oder in gleichem Grade verschwägert ist, oder zu ihm in dem Verhältnisse von Wahl- oder Pflege-AeKern oder Kindern, eines Vormundes oder Mündels, oder endlich eines Gläubigers oder Schuldner» steht. |. 5 3 . Aasgeschlossen als Bichter oder Protokollführer in allen Instanten ist ferner deijenige, welcher: a) ausserhalb seiner Dienstverrichtongen Zeuge der in Frage stehenden strafbaren Handlang gewesen, oder in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist; b) welcher in dieser Sache als Yertheidiger, oder als Staatsanwalt mitgewirkt hatte. Von der Mitwirkung und Entscheidung bei der Schlussverhandlung ist derjenige ausgeschlossen, welcher in derselben Sache als Untersuchungsrichter thfttig gewesen war. Mitglieder von Gerichten höherer Instanzen aber sind insbesondere ausgeschlossen: 1. von der Berathung über alle Strafsachen, bei welchen sie als Untersuchungsrichter thätig gewesen waren; 2. von der Berathung über die Berufung gegen alle diejenigen Entscheidungen, bei welchen sie selbst in einer unteren Instanz an der Abstimmung Theil genommen haben; 8. von der Führung des Referates und von dem Vorsitze bei einer Verhandlung in Strafsachen, rücksichtlich welcher der Untersuchungsrichter oder der Referent bei einem untergeordneten Gerichte mit ihnen in einem der im §. 52 bezeichneten Verwandtschafts- oder Schwägerschafts-Verhältnisse steht Dagegen ist kein Richter von der Mitwirkung bei der Schlussverhandlung, und bei den in erster oder höherer Instanz über Schlussverhandlungen vorkommenden Entscheidungen desshalb ausgeschlossen, weil er in derselben Strafsache friiher bei der Entscheidung über das abgeschlossene Untersuchungsverfahren oder über ZwiseheniTagen des Untersuchnngsverfahrens mitgewirkt hatte. §. 5 4 . Der Richter ist schuldig, das Verhältniss, welches den Grund seiner Auschliessnng bildet, unverzüglich dem Vorsteher des Gerichtes, dessen Mitglied er ist; wenn er aber selbst der Vorsteher der gerichtlichen Geschäftsführung eines Bezirksgerichtes ist, demjenigen Gerichtshofe, dem die Schlussverhandhing zusteht, anzuzeigen, damit von demselben ein anderer Richter zu den vorzunehmenden Amtshandlungen berufen werde. Der Protokollführer hat diese Anzeige dem Richter zu machen, bei welchem er das Protokoll fahren soll. 8. 56. Jede Gerichtsperson hat sieb von dem Zeitpunkte an, in welchem ihr ein Anaschliessongsgrand bekannt geworden, aller gerichtlichen Handlungen in dieser Sache zu enthalten. Wenn in Fällen, wo ein Untersuchungsrichter einzuschreiten verhindert ist, Gefahr am Verzuge haftet, und die Bestellung eines anderen Untersuchungsrichters durch den nach §. 54 hiezu berufenen Gerichtsvorsteher oder Gerichtshof nicht schleunig genug vollzogen werden kann, so hat eine solche Gerichtsperson in den Fällen, wo die beschuldigte Person mit ihr durch das Band der Ehe verbunden, oder in dem im §. 52 bezeichneten Verhältnisse der Verwandtschaft oder Schwägerschaft steht, zugleich die Anzeige hiervon dem nächsten Bezirksgerichte zu machen, damit dieses einstweilen die dringend nöthigen Amtshandlungen vornehmen könne, in allen übrigen Fällen aber diese Amtshandlungen selbst vorzunehmen. §. 56. Sowohl der Staatsanwalt, als auch der Beschuldigte, der Beschädigte, und bei Vergehen, die nur auf Verlangen eines ßetheiligten untersucht werden, auch dieser, können Mitglieder des Gerichtes und Protokollführer ablehnen, wenn sie ausser den in den •§§. 52 und 53 bezeichneten Fällen andere Gründe anzo-
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geben, und darzuthun vermögen, welche geeignet sind, die rolle Unbefangenkeit des Abzulehnenden in Zweifel zn setzen. §. 57. Ueber die Znlässigkeit der Ablehnung einer Gerichtsperoon entscheidet in der Regel der Vorsteher des Gerichtes, zu welchem sie gehört; und wenn ein Untersuchungsgericht abgelehnt wird, der Gerichtshof, dem es untersteht. Wird aber der Vorsteher eines Gerichtshofes selbst abgelehnt, so entscheidet darüber das Oberlandesgericht, und in soferne der Präsident des letzteren verbeten werden sollte, der oberste Gerichtshof. Bei eben jener Behörde, welcher die Entscheidung zusteht, ist auch das Gesuch um die Ablehnung, mit genauer Angabe, und so weit es thunlich ist, auch mit Bescheinigung der Ablehnungsgründe einzureichen. Gegen die hierüber erfolgte Entscheidung steht, in soferne dieselbe nicht von dem obersten Gerichtshofe erfolgt ist, demjenigen, der sich dadurch beschwert erachtet, die Berufung an das höhere Gericht offen, ohne dass jedoch dieselbe eine aufschiebende Wirkung haben soll. Die Behörde, welche Uber die Ablehnung entscheidet, hat zugleich, falls derselben Statt gegeben wird, diejenige Gerichtsperson oder dasjenige Gericht zu bezeichnen, die an die Stelle der abgelehnten zu treten haben. Wird aber das Gesuch um Ablehnung einer Geriehtsperson zurückgewiesen, so soll, wenn dasselbe offenbar muthwillig befunden wird, von jedem höheren Gerichte auf die im §. 315 bezeichnete Geldbusse erkannt werden. §. 58. Von dem Einschreiten in einer Strafsache ausgeschlossen sind diejenigen Mitglieder der Staatsanwaltschaft, mit welchen die beschuldigte oder die beschädigte Person durch das Band der Ehe verbunden, oder mit welchen eine dieser Personen oder der Vertheidiger in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert ist, oder in dem Verhältnisse eines Geschwisterkindes, oder eines noch näheren Verwandten oder in gleichem Grade Verschwägerten, eines Vormundes oder Mündels, von Wahl- oder Pflege-Aeltern oder Kindern, oder endlich von Gläubiger oder Schuldner steht. Ausgeschlossen sind ferner diejenigen, welche ausser ihren Dienstverrichtungen Zeugen der in Frage stehenden strafbaren Handlung gewesen; welche in der Sache als Zeugen oder Sachverständige vernommen worden, oder als Vertheidiger thätig gewesen sind. §. 59. Jedes Mitglied der Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, sich von dem Zeitpunkte an, in welchem ihm ein Ausschliessungsgrund bekannt geworden, des Einschreitens in der Sache, rücksichtlich deren es als ausgeschlossen erscheint, zu enthalten, dieselbe seinem Stellvertreter zu überlassen, und davon seinem unmittelbaren Vorgesetzten die Anzeige zu erstatten. Beschwerden von Parteien gegen das Einschreiten eines Staatsanwaltes, welcher sich nach dem Gesetze des Einschreitens hätte enthalten sollen, sind an den Ober-Staatsanwalt, und falls sie gegen dessen Entscheidung oder gegen dessen eigenes Einschreiten ergriffen werden, an das Justizministerium zu richten, ohne dass jedoch dadurch das Verfahren aufgehalten werden, oder dessen Einschreiten die Ungiltigkeit der von ihm vorgenommenen Amtshandlungen nach sich ziehen soll. Siebentes Hanptstflek. Von dem Untersuchungsverfahren über Verbrechen und Vergehen.
Allgemeine
I. Bestimmungen.
§. 60. Das Untersuchungsverfahren hat den Zweck, den Thatbestand au erheben, den Thäter, die Mitschuldigen und Theilnehmer zu erforschen, die Verdachtsgriinde und Beweise Uber die Schuld einerseits, und die Mittel zur Becht-
8tr»fproo«M-Ordnung.
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M g u i g des Beschuldigten andererseits zu sammeln, and überhaupt Alle« • d u Klare n setzen, was aar Schöpfung eines Einstellung*-, AbUasanga- oder Anklage-Beschlusses erforderlich ist (§. 196). 8. 61. Sobald das Untersachungsgericht (§§. 10, 11 and 14) ron einem Verbrechen oder von einem von Amtswegen an untersuchenden Vergehen durch Kuf, Anzeige oder eigene Entdeckung Kenntniss erlangt, hat es das Untersachnngsverfahren aogleich einzuleiten, und auch alle weiteren Schritte in demselben von Amtswegen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen (§. 12), ohne die Anträge des Staatsanwaltes abzuwarten. Kommt dem Untersuchnngsgerichte die Anzeige des Verbrechens des Hochverrathes, der Störung der öffentlichen Ruhe, einer Creditspapier- oder Münavetfälschling, oder anderer Verbrechen oder Vergehen zu, rücksichtlich welcher weitere polizeiliche Nachforschungen oder Vorkehrungen im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich sein können, so hat das Untersuchungsgericht gleichzeitig mit der Einleitung des Untersuchungsverfahrens auch die angemessene Mfytheilung an die nächste unmittelbar zur Aufrechthaltuug der öffentlichen Sicherheit und Ordnung berufene Behörde (Sicherheitsbehörde) zu machen. §. 62. Bei den Bezirksgerichten (§. 10, lit. c) ist das Untersuchungsverfahren in der Regel ohne Betheiligung der Staatsanwaltschaft zu führen; jedoch hat das Untersuchungsgericht von jedem Falle, der nach §. 61 Veranlassung zu einer Amtshandlung giebt, gleichzeitig mit dieser, auch eine kurze Anzeige hiervon an den Gerichtshof zu erstatten, welcher zur Schlussverhandlung und Entscheidung darüber berufen sein würde. Hält aber das Untersuchungsgericht die Anzeige eines Verbrechens oder Vergehens wegen Mangel des Thatbestandes einer strafbaren Handlung, oder wegen Unerheblichkeit der Verdachtsgründe, zu einem Strafverfahren nicht für geeignet, 60 hat es die ihm zugekommene Anzeige selbst dem Gerichtshofe vorzulegen, und dessen Entscheidung darüber abzuwarten. Nebstdem haben die zur Untersuchung berufenen Bezirksgerichte zu Ende eines jeden Monates dem Gerichtshofe eine kurze Uebersicht über den Stand aller bei ihnen wegen Verbrechen oder Vergehen anhängigen Untersuchungen vorzulegen, und bei dieser Gelegenheit, oder wenn sie es aus erheblichen Gründen für angemessen erachten, auch abgesondert, wichtige Vorfälle in den bei ihnen geführten Untersuchungen zur Kenntniss des Gerichtshofes zu bringen. Von diesen Anzeigen und Berichten hat der Staatsanwalt bei dem Gerichtshofe fortlaufend Einsicht zu nehmen, und die ihm geeignet scheinenden Anträge entweder dem Untersuchungsgerichte zu eröffnen, oder unmittelbar an den Gerichtshof zn stellen. Zur Berathung über derlei Anzeigen, Berichte und Anfragen der Untersuchungsgerichte hat der Gerichtshof immer den Staatsanwalt beizuziehen. §. 63. In jenen Fällen hingegen, wo das Untersuchungsverfahren bei dem Gerichtshöfe selbst geführt wird (§. 10, lit. a und b), hat der Untersuchungsrichter dabei nach Thunlichkeit im Einvernehmen mit dem Staatsanwalte vorangehen, and daher, in soferne nicht Gefahr am Verzuge haftet, keinen wichtigen Aet desselben ohne vorläufige Verständigung des Staatsanwaltes vorzunehmen. Zu diesen wichtigen Acten gehören insbesondere die in den §§. 77, 104, 110, 145, 148, 150, 151, 153, 156, 186 und 190 bezeichneten Amtshandlungen und Beschlüsse. Dieser stete Verkehr zwischen dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalte ist jedoch im kurzen Wege, und mit Ausschliessung jedes Schrifitenwechsels zu pflegen, und desshalb die Untersuchung in keiner Weise zu verzögern. Uebrigens ist von jedem der bei den Gerichtshöfen befindlichen Untersuchungsrichter von vierzehn zu vierzehn Tagen sowohl über die anhängigen Untersuchungen, als auch über diejenigen Anzeigen wegen Verbrechen oder Vergehen, welche er zu einem Strafverfahren nicht fiir geeignet erkennet, dem Gerichtshöfe
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mündlicher Vortrag zu erstatten, nnd von diesem darüber Beschluss zu fassen. Bei diesen Berathangen hat der Staatsanwalt gegenwärtig su sein, nnd seine Erinnerungen nnd Anträge voranbringen. §. 64. Ergiebt sich zwischen einem Untersuchungsrichter (§§. 62 und 63) nnd dem Staats anwalte in Beziehung auf die Untersuchung oder einzelne Amtshandlungen in derselben eine Meinungs-Verschiedenheit; so hat der entere die Entscheidung des Gerichtshofes einzuholen. Ebenso steht Jedermann, der sich durch eine Verfügung oder Verzögerung des Untersuchungsrichters besehwert erachtet, das Befngniss zu, darüber die Entscheidung des Gerichtshofes zu verlangen, ohne dass jedoch desshalb der Vollzug der Verfügung des Untersuchungsrichters gehemmt werden darf. Zu den Berathangen des Gerichtshofes über derlei bei ihm angesucht» Entscheidungen ist auch der Staatsanwalt beizuziehen. §. 65. Von jeder solchen Entscheidung des Gerichtshofes ist der Staatsanwalt durch Mittheilung des Beschlusses zur Einsicht-, und die Partei, welche um die Entscheidung eingeschritten, oder sonst dabei betheiliget ist, durch Zustellung einer amtlichen Abschrift zu verständigen. Gegen alle in Beziehung auf die Untersuchung, oder im Laufe derselben erfolgenden Beschlüsse und Verfügungen des Gerichtshofes steht, in soweit dadurch nicht bloss Erhebungen oder Ergänzungen derselben angeordnet werden, sowohl dem Staatsanwalte als auch jedem Betheiligten eine Beschwerde an das Oberlandesgericht, und wenn es sich um eine der in den §§. 145 und 157 erwähnten Verfügungen handelt, gegen abändernde Entscheidungen des Oberlandesgerichtes auch an den obersten Gerichtshof offen. Eine solche Beschwerde hat nur in soferne aufschiebende Wirkung, als nicht Gefahr am Verzuge haftet. Gegen jene Entscheidungen des Gerichtshofes, von welchen eine besondere Verständigung an die Betheiligten auszufertigen ist, muss diese Beschwerde binnen acht Tagen vom Tage der erfolgten Verständigung entweder bei dem Gerichtshofe selbst, oder bei dem Untersuchungsrichter, schriftlich überreicht oder zu Protokoll gegeben werden. Auch von den über derlei Beschwerden erfolgten Entscheidungen des Oberlandesgerichtes und des obersten Gerichtshofes hat die obige Verständigung zu erfolgen. IL V o n der V o r u n t e r s u c h u n g . L Absolmitt Von der Erhebung des Thatbestandes überhaupt. §. 66. Der Zweck der Erhebung des Thatbestandes besteht darin, m erheben, ob eine zur Kenntniss des Gerichtes gelangte strafbare Handlung wirklich stattgefunden habe, und deren Beschaffenheit nach allen Umständen und Wirkungen zu erforschen. Insbesondere ist hierbei auch zu erheben, in witferne die That mit bösem Vorsatze oder aus Fahrlässigkeit begangen worden; mit welchen erschwerenden oder mildernden Umständen sie begleitet gewesen; welche Personen davon Kenntniss haben können; und wie gross der durch die stnfbare Handlung zugefügte Schade ist §. 67. Die Erhebung des Thatbestandes ist von dem Untersuchungsiwhter oder dem statt desselben einschreitenden Gerichte (§§. 11 und 13), mit Zuziehung «ines beeideten Protokollführers, und, in soweit es insbesondere verordnet ist (§§. 77 und 108), in Gegenwart zweier Gerichtszeugen vorzunehmen, und drüber j ein umständliches Protokoll aufzunehmen, welches von allen Anwesendem zu j unterzeichnen ist. I
Btrefprocett-Ordnung.
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§. 6g. Als Gerichtsxeugen dürfen nur volljährige, unbescholtene and bei der Sache unbetheiligte Männer verwendet werden, welche entweder allgemein oder für den einzelnen Fall mittelst Handschlages dahin zn verpflichten sind, dass sie auf Alles, was vor ihnen vorgenommen oder ausgesagt werden wird, •olle Aufmerksamkeit verwenden, über die getreue ProtokoUirung desselben wachen, and bis rar Schlassverhandlang über Alles, was ihnen im Laufe der Untersuchung bekannt geworden, Stillschweigen beobachten werden. §. 69. Die Verbindlichkeit, sich bei Untersnchongshandlnngen als Gerichtszeuge verwenden zu lassen, ist eine allgemeine Bürgerpflicht, und nur die Seelsorger aller gesetzlich anerkannten Kirchen und Seligionsgesellschaften, öffentliche noch wirklich dienende Beamte und Diener, in activer Dienstleistung stehende Militairpersonen, Volksschullehrer, ferner die ihren Beruf wirklich ausübenden Sanitätspersonen, sowie überhaupt alle jene Personen, deren Berufsdienst, wie z. B. bei Angestellten von Eisenbahnen, Dampfschiffahrten u. dgl. im öffentlichen Interesse nicht leicht unterbrochen werden kann, endlich alle jene Personen, welche vom Tag- oder Wochenlohne leben, sind von derselben befreit. Sie ist unentgeltlich zu leisten, und trifft zunächst die Bewohner jener Gemeinden, wo die Untersuchungshandlung vorgenommen wird. Es liegt den Gemeindevorstehern ob, den Untersuchungsgerichten eine hinlängliche Anzahl von, zu dem Amte eines Gerichtszeugen tauglichen Männern bekannt zu geben, welche dann von dem Untersuchungsgerichte allgemein auf die im §. 68 bezeichnete Art verpflichtet werden können. §. 70. Gelangt daB Untersuchungsgericht zur Kenntnis» eines Verbrechens oder Vergehens durch einen Ruf oder ein Gerücht, so ist es verpflichtet, die Personen, durch welche der Ruf an dasselbe gelangte, zu vernehmen, dem Rufe unter Mitwirkung der Sicherheitsbehörden von Mund zu Mund bis zu dessen Ursprung nachzuforschen, und sich so viel möglich von dessen Grunde oder Ungrunde zu überzeugen. §. 71. Alle öffentlichen Behörden und Aemter sind verpflichtet, die entweder von ihnen selbst wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntniss gelangten strafbaren Handlungen, welche nicht bloss auf Verlangen des Betheiligten zu untersuchen sind, ohne Verzug zur Kenntniss des Untersuchungsgerichtes zu bringen, in dessen Sprengel sie sich befinden. In wieferne andere Personen zur Anzeige strafbarer Handlungen verpflichtet sind, wird durch das Strafgesetz bestimmt. §. 72. Uebrigens ist Jedermann, der von einem Verbrechen oder von einem von Amtswegen zu verfolgenden Vergehen Kenntniss erlangt, berechtigt, dasselbe entweder bei dem Strafgerichte, dem Bezirksgerichte, dem Staatsanwalte oder der nächsten Sicherheitsbehörde anzuzeigen. - Diese Behörden sind verpflichtet, jede solche Anzeige anzunehmen und an das Untersuchungsgericht zu leiten. §. 73. In der Regel muss die Anzeige eine bestimmte Nachricht von der That, wie auch den Namen, Stand und Aufenthaltsort des Anzeigers enthalten. §. 74. Allein auch über eine namenlose oder von einer unbekannten Person herrührende Anzeige ist, in soferne sie bestimmte, die strafbare Handlung glaubwürdig bezeichnende Umstände enthält, zur Erhebung dieser Umstünde zu schreiten. §. 75. Der Untersuchungsrichter hat alle Personen, von denen sich mit Wahrscheinlichkeit eine Auskunft über die Umstände der That, oder über die Person von dabei Betheiligten und deren Verhältnis» zur That erwarten lässt, und insbesondere auch den durch die strafbare Handlung Beschädigten zu vernehmen. Aach bereits vernommeue Personen können von dem Untersuchungsrichter neuerlich vernommen werden, in soferne dies zur Ergänzung oder Aufklärung ihrer früheren Aussagen erheblich erscheint. §. 76. Kann der durch ein Verbrechen oder Vergehen verursachte Schade Sammlung dei u. d. Gesetze. 2
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oder der dadurch entgangene Gewinn durch die Aussage des Beschädigten nicht zuverlässig erhoben werden, oder ist mit Grund zu vermuthen, dass derselbe seinen Schaden zu hoch angebe, so ist die Grösse desselben, in soweit dieselbe auf die Zurechnung der That als strafbare Handlung, auf die Bemessung der Strafe oder auf die Zuerkennung einer Entschädigung von Einfluss sein kann, durch Vernehmung solcher Personen, welchen die Sache, woran der Schade geschehen, bekannt ist, oder soweit es die Umstände zulassen, durch Sachverständige zu ermitteln. §. 77. Hat eine strafbare Handlung an einem Orte oder an einer Person Spuren zurückgelassen, so sind dieselben mit Zuziehung zweier Gerichtszeugen (§. 67) durch einen gerichtlichen Augenschein zu erheben, und es ist dafür zu sorgen, dass solche Spuren bis zu dieser Erhebung, soweit dies ohne grösseren Schaden geschehen kann, in unverändertem Stande erhalten werden. Zur Vornahme des Augenscheines kann auch der Beschuldigte zugezogen werden, wenn sich hiervon wegen Anerkennung der zu besichtigenden Gegenstände, oder wegen anderer von dem Beschuldigten zu ertheilender Aufklärungen für die Untersuchung ein Erfolg erwarten lässt §. 78. Setzt die Erforschung eines zu untersuchenden Gegenstandes besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten voraus, so sind der Erhebung der That Sachverständige, und zwar in der Regel zwei beizuziehen. Ist Gefahr am Verzuge, oder handelt es sich um einen Fall von geringerer Wichtigkeit, so genügt auch die Beiziehung Eines Sachverständigen. §. 79. Die Wahl der Sachverständigen steht dem Untersuchungsrichter zu. Sind dergleichen bei dem Gerichte bleibend angestellt, so soll er andere nur dann zuziehen, wenn Gefahr am Verzuge haftet, oder wenn jene durch besondere Verhältnisse abgehalten sind, oder in dem einzelnen Falle als bedenklich erscheinen. Wenn ein Sachverständiger der an ihn ergangenen Vorladung nicht Folge leistet, oder die Abgabe eines Gutachtens verweigert, so unterliegt er den in den §§. 118 und 230 ausgesprochenen Geldstrafen. §. 80. Personen, welche bei einem Straffalle als Zeugen nicht vernommen oder nicht beeidiget werden dürfen, sind der Untersuchung dieses Straffalles bei sonstiger Rechtsunwirksamkcit ihres Befundes auch als Sachverständige nicht beizuziehen. §. 81. Diejenigen Sachverständigen, welche vermöge ihrer bleibenden Anstellung schon im Allgemeinen beeidiget sind, hat der Untersuchungsrichter vor dem Beginne der Amtshandlung an die Heiligkeit des von ihnen abgelegten Eides zu erinnern. Andere Sachverständige müssen vor der Vornahme des Augenscheines eidlich verpflichtet werden, dass sie den Gegenstand desselben sorgfältig untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst abgeben wollen. §. 82. Die Gegenstände des Augenscheines sind von den Sachverständigen in Gegenwart der Gerichtspersonen zu besichtigen und zu untersuchen, ausser wenn letztere aus Rücksichten des sittlichen Anstandes sich zu entfernen für angemessen erachten, oder wenn die erforderlichen Wahrnehmungen, wie z. B. bei der Untersuchung von Giften, nur durch fortgesetzte Beobachtung oder länger dauernde Versuche gemacht werden können. Bei jeder solchen Entfernung der Gerichtspersonen von dem Orte des Augenscheines ist aber die geeignete -Vorsorge zu treffen, damit die Glaubwürdigkeit der von den Sachverständigen zu pflegenden Erhebungen sichergestellt werde. §. 83. Der Untersuchungsrichter leitet den Augenschein durch Sachverständige. Er bezeichnet die Gegenstände, auf welche sie ihre Beobachtung zu richten haben, und stellt die Fragen, deren Beantwortung er für erforderlich hält
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Die Sachverständigen können verlangen, dass ihnen MM den Acten oder durch Vernehmung von Zeugen jene Aufklärungen über von Outen bestimmt zu bezeichnende Punkte gegeben werden, welche sie für das abzugebende Gutachten für erforderlich erachten. In jenen Fällen, wo den Sachverständigen zur Abgabe eines gründlichen Gutachtens die eigene Einsicht der Untersuchungs-Acten unerlässlich erscheint, können ihnen, wenn nicht besondere Bedenken dagegen obwalten, auch die Acten selbst mitgetheilt werden. §. 84. Die von den Sachverständigen gemachten Wahrnehmungen sind von dem Protokollführer sogleich aufzuzeichnen. Das Gutachten sammt dessen Gründen können sie entweder sogleich zu Protokoll geben, oder sich die Abgabe eines schriftlichen Gutachtens vorbehalten, wozu ihnen eine angemessene Frist zu bestimmen ist. §. 85. Finden der Untersuchungsrichter, der Staatsanwalt oder der Gerichtshof, dass das Gutachten der Sachverständigen dunkel, unvollständig, unbestimmt, dass es im Widerspruche mit sich selbst oder mit erhobenen Thatumständen sei, oder dass die aus den angegebenen Vordersätzen gezogenen Schlüsse nicht folgerichtig seien, oder weichen die Angaben der Sachverständigen in Beziehung auf die von ihnen wahrgenommenen Thatsachen erheblich von einander ab, so sind dieselben von dem Untersuchungsrichter darüber zu vernehmen, und wenn sich dadurch die Zweifel nicht beheben, ist der Augenschein, soweit es möglich ist, mit Zuziehung derselben oder anderer Sachverständigen zu wiederholen. Sind aber die Sachverständigen in Bezug auf das Gutachten verschiedener Meinung, so kann der Untersuchungsrichter nach Umständen sie entweder nochmals vernehmen oder einen dritten Sachverständigen beiziehen, oder ein Gutachten von anderen Sachverständigen einholen. Sind die Sachverständigen Aerste oder Chemiker, so ist in solchen Fällen (las Gutachten der medicinischen Facultät der nächst gelegenen Universität einzuholen. Letzteres kann auch dann geschehen, wenn der Gerichtshof wegen der Wichtigkeit des Verbrechens die Einholung eines Facultäts-Gutachtens für die Erforschung der Wahrheit für nöthig findet §. 86. Wenn sich bei einem Todesfalle Verdacht ergiebt, dass derselbe durch ein Verbrechen oder Vergehen verursacht worden sei, so muss vor der Beerdigung die Leichenschau und Leichenöffnung vorgenommen werden. Ist die Leiche bereits beerdiget, so muss sie zu diesem Behufe wieder ausgegraben werden, wenn nach den Umständen noch ein erhebliches Ergebniss davon erwartet werden kann. §. 87. Ehe zur Oefihung der Leiche geschritten wird, ist dieselbe genau zu beschreiben, und deren Identität durch Vernehmung von Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, und des etwa schon bekannten Beschuldigten ausser Zweifel zu setzen. Diesen Personen ist nötigenfalls vor der Anerkennung eine genaue Beschreibung des Verstorbenen abzufordern. Ist aber der letztere ganz unbekannt, so ist eine genaue Beschreibung der Leiche durch öffentliche Blätter bekannt zu machen. §. 88. Die Leichenschau und Leichenöffnung ist durch zwei Aerzte, wovon dar eine auch bloss ein Wundarzt sein kann, nach den dafür gegebenen besonderen Vorschriften vorzunehmen. Der Arzt, welcher den Verstorbenen in der seinem Tode allenfalls vorhergegangenen Krankheit behandelt hat, ist, wenn es ohne Verzögerung geschehen kann, zur Gegenwart bei der Leichenschau aufzufordern. 89. Das Gutachten hat sich darüber auszusprechen, was in dem vorliegenden Falle die den eingetretenen Tod z u n ä c h s t bewirkende U r s a c h e gewesen, und w o d u r c h dieselbe e r z e u g t worden ist Nach Beschaffenheit deB Falles ist daher insbesondere zu erörtern: 1. ob nach den vorhandenen Umständen als gewiss oder wahrscheinlich anzunehmen sei, dass der Tod 2*
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a) in Folge der wahrgenommenen Verletzungen, oder b) Bchon vor diesen Verletzungen, oder e) in Folge, oder durch Mitwirkung einer zu der Verletzung hinzugekommenen und von ihr unabhängigen Ursache eingetreten sei. Wenn die wahrgenommenen Verletzungen als die Todesursache erklärt werden, so ist weiter zu bestimmen, ob 2. die den Beschuldigten zur Last gelegte Handlung schon ihrer allgemeinen Natur nach, oder wegen der eigentümlichen Leibesbeschaffenheit oder eines besonderen Zustandes des Verletzten, oder wegen zufälliger äusserer Umstände die Todesursache geworden sei. In Bofeme sich das Gutachten nicht über alle für die Entscheidung erheblichen Umstände verbreitet, sind hierüber von dem Untersuchungsrichter besondere Fragen an die Sachverständigen zu stellen. §. 90. Bei Verdacht einer Kindestödtung ist nebst den nach den vorstehenden Vorschriften zu pflegenden Erhebungen auch zu erforschen, ob das Kind lebendig geboren, und sein Leben ausserhalb der Mutter fortzusetzen fähig gewesen sei. §. 91. Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so sind der Erhebung des Thatbestandes nebst den Aerzten (§. 88) nach Thunlichkeit noch zwei Chemiker beizuziehen. Die Untersuchung der Gifte selbst aber kann nach Umständen auch von den Chemikern allein, in einem hiezit insbesondere geeigneten Locale vorgenommen werden (§. 82). §. 92. Auch bei körperlichen Beschädigungen ist die Besichtigung des Verletzten durch zwei Sachverständige (§. 88) vorzunehmen, welche sich nach genauer Beschreibung der Verletzungen insbesondere auch darüber auszusprechen haben, welche von den vorhandenen Verletzungen an und für sich, oder in ihrem Zusammenwirken, unbedingt oder unter den besonderen Umständen des Falles, als leichte, schwere, oder lebensgefährliche anzusehen seien; welche Wirkungen dieselben gewöhnlich nach sieh zu ziehen pflegen, und welche in dem vorliegenden einzelnen Falle daraus hervorgegangen sind, sowie, durch welche Mittel oder Werkzeuge, oder auf welche Weise dieselben zugefügt worden seien. §. 93. Zur Erhebung des Thatbestandes von körperlichen Beschädigungen oder Tödtungen, welche den Finanz- oder anderen öffentlichen Wachen aus Anlass der Ausübung ihres Dienstes zur Last gelegt werden, soll jederzeit, in BOferne es ohne nachtheilige Verzögerung ausführbar ist, auch der denselben «unächst vorgesetzte Beamte beigezogen werden, um dabei die etwa erforderlichen Aufklärungen über die Dienstesverhältnisse und Dienstesvorschriften der Wache zu geben. Er darf jedoch die Schritte des Untersuchungsrichters weder hemmen noch beirren, sondern es sind seine Bemerkungen und Anträge, in soferne der Untersuchungsrichter den letzteren nicht entsprechen zu können glaubt, bloss zu Protokoll zu nehmen. §. 94. Ist die körperliche Besichtigung einer Frauensperson nöthig, so können nach Umständen auch Geburtshelfer, oder in minder wichtigen Fällen Geburtshelferinnen statt der Aerzte oder Wundärzte damit beauftragt werden. §. 95. Entstehen Zweifel darüber, ob der Beschuldigte den Gebrauch seiner Vernunft besitze, oder ob er an einer Krankheit des Geistes oder Gemüthes leide, wodurch die Zurechnungsfähigkeit desselben aufgehoben oder vermindert sein könnte, so ist die Untersuchimg des Geistes- und Gemüthszustandes des Beschuldigten in der Regel durch zwei Aerzte zu veranlassen. Dieselben haben über das Krgebniss ihrer Beobachtungen Bericht zu erstatten, alle auf die Beurtheilung des Geistes- und Gemüthszustandes des Beschuldigten Einfluss nehmenden Thatsnchen zusammenzustellen, sie nach ihrer Bedeutung sowohl einzeln als im Zusammenhange zu prüfen, und falls sie eine Seelenstörung als vorhanden betrachten, die Natur der Krankheit, die Art und den Grad derselben zu bestimmen, und sich sowohl nach den Acten als nach ihrer eigenen.
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Beobachtung Aber den Einfluss auszusprechen, welchen die Krankheit ununterbrochen oder zeitweise auf die Vorstellungen, Triebe, Entschlüsse und Handlungen des Beschuldigten geäussert habe und noch äussere; und ob dieser getrabt« Seelenzu stand schon zur Zeit der begangenen That, und in welchem Masse bestanden habe. §. 96. Zur Herstellung des Beweises der Echtheit von Urkunden, insbesondere wenn der Beschuldigte deren Anerkennung verweigert, kann eine Vergleichung mit anderen unzweifelhaft echten Urkunden durch Sachverständige vorgenommen werden. Auch kann der Beschuldigte veranlasst werden, einige Worte oder Sätze vor Gericht niederzuschreiben. §. 97. Schriften, die in einer nicht gerichtsüblichen Sprache geschrieben und für die Untersuchung erheblich sind, hat der Untersuchungsrichter durch einen beeideten Dolmetscher abersetzen zu lassen, und sammt der Uebersetzung zu den Acten zu bringen. §. 98. In Fällen der Nachmachung oder Verfälschung öffentlicher Creditspapiere hat sich der Untersuchungsrichter durch den Gerichtsvorsteher unter Anschluss der beanstandeten Crcditspapierc an das Finanzministerium, und wenn es sich um Verfälschung von Creditspapieren der k. k. privilegirten Nationalbank handelt, an diese zu wenden, tim den Befand aber ihre Echtheit oder Unechtheit und die Auskunft zu erhalten, in welcher Art und durch welche Werkzeuge die Nachmachung oder Verfälschung geschehen sei, und ob bereits derlei verfälschte oder nachgemachte Creditspapiere vorgekommen seien. An eben diese Behörden sind auch nach gänzlich beendigtem strafgerichtlichen Verfahren die Falsificate sammt allen von der strafbaren Handlung herrührenden Werkzeugen, Materialien und anderen Gegenständen einzuschicken, und von ihnen auch wieder unmittelbar zurückzuverlangen, sobald diese Gegenstände zu einer neuerlichen strafgerichtlichen Amtshandlung nöthig sind. §. 99. Dieses Verfahren ist auch bei Münzverfälschungen zu beobachten; doch haben sich in solchen Fällen die Untersuchungsrichter durch den Gerichtsvorsteher unmittelbar an das far daB Kronland bestehende k. k. Münzamt (Landes-Mflnzprobiramt; — im 1. v. Königreiche: Direzione della Zecca) zu wenden. §. 100. Bei Brandlegungen ist insbesondere zu t-rmitteln, auf welche Weise der Brand gelegt, ob dazu ein Zündstoff, und welcher verwendet worden; ferner der Ort, wo, und die Zeit zu erforschen, wann die Brandlegung, ob bei T a g oder Nacht, oder ob sie unter solchen Umständen geschehen, dass daraus eine grössere oder kleinere Gefahr für Leben von Menschen oder für Eigenthum vorhergesehen werden konnte, oder dass das Feuer bei dem Ausbruche sich leicht hätte verbreiten können; endlich bei einem wirklich ausgebrochenen Brande die Grösse des dadurch verursachten Schadens zu erheben. §. 101. Bei Verbrechen oder Vergehen, durch welche auf andere, als die eben (§. 100) erwähnte Weise ein Schade oder eine Gefahr an Vermögen herbeigeführt wurde, ist durch den Augenschein vorzüglich die Beschaffenheit der angewandten Gewalt oder List, der gebrauchten Mittel oder Werkzeuge und die Grösse des verursachten oder beabsichtigten Schadens und entgangenen Gewinne«, oder der Gefahr für das Eigenthum, oder auch für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen zu erheben. §. 102. Alles, was bei der Erhebung der That von Werkzeugen und Gegenständen gefunden wird, mit oder an welchen die strafbare Handlung verübt worden, oder welche von ihr herrühren oder an dem Orte der That zurückgelassen wurden, sowie auch diejenigen Gegenstände, welche von dem Beschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sein werden, oder zu einem Beweise dienen könnten, sind in ein Verzcichniss zu bringen, genau zu beschreiben und in gerichtliche Verwahrung oder soweit dies nicht thunlich ist, wenigstens nach Möglichkeit unter gerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen. Die in gerichtliche Verwahrung oder Obhut zu nehmenden Gegenstände sind entweder selbst, wo dies, wie z. B.
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bei Schriften leicht geschehen kann, oder doch auf Zetteln, welche mittelst dea Gerich tssiegels daran zu befestigen sind, mit fortlaufenden Zahlen in der Art zu bezeichnen, dass dadurch nicht bloss die Untersuchung und das Protokoll, wozu sie gehören, ersichtlich wird, sondern auch künftighin Aber die Identität dieser Gegenstände kein Zweifel erhoben, sowie jeder etwaige Abgang und jede Aenderang daran sogleich bemerkt werden kann, und dass auch die wiederholte Untersuchung und Beschreibung dieser Gegenstände zu jeder Zeit ungehindert bleibt. Bei Gegenständen, welche ihrer Natur nach oder vermöge ihrer sehr grossen Anzahl in Behältnissen oder Umschlägen verwahrt werden müssen, ist das Behältnis« oder der Umschlag mit dem Gerichtssiegel zu verschliessen, in der eben erwähnten Weise zu bezeichnen, und von allen Anwesenden mit ihrer Namensfertigung su •ersehen. Dem bei der Erhebung anwesenden Inhaber dieser Gegenstände ist auf •ein Verlangen zu gestatten, den vorstehenden Bezeichnungen auch seine Fertigung beizusetzen und der Versehliessung sein eigenes Siegel beizudrücken. Dieser Vorgang ist insbesondere auch dann zu beobachten, wenn es sich um Druckschriften strafbaren Inhaltes, auf welche sich eine strafgerichtliche Untersuchung bezieht, und um diu zu ihrer Vervielfältigung dienlichen Zurichtungen handelt Befinden sich unter den vorgefundenen Gegenständen consecrirte Hostien oder zum Gottesdienste geweihte Sachen, so hat das Gericht für deren Absonderung von allen übrigen Gegenständen, und für die Aufbewahrung in einer der Heiligkeit der Sachen entsprechenden Weise zu sorgen, den Augenschein derselben aber immer nur in Anwesenheit des Ortsseelsorgers oder eines anderen Priesters, und mit Beobachtung der kirchlichen Vorschriften vorzunehmen. — Sobald die Aufbewahrung •on solchen geweihten Sachen bei dem Strafgerichte zum Behufe weiterer Erhebungen nicht mehr nothwendig erscheint, sind dieselben dem Ortsseelsorger su übergeben. §. 103. Kommt es nach der Beschaffenheit der strafbaren Handlung nicht auf einen Augenschein an, so kann die Erforschung der That an dem gewöhnlichen Gerichteorte vorgenommen werden. Es sind aber auch in diesem Falle alle einschlagenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu erheben, und dasjenige, was oben (§. 67) von der Führung des Protokolles, und von der Vernehmung der in den §§. 75 und 76 bezeichneten Personen angeordnet ist, ebenfalls genau zu beobachten. H. Absohmtt. Von der Hausdurchsuchung, Personsdurchsuchung, der Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen und anderen Schriften.
§. 104. Wenn gegründeter Verdacht vorliegt, dass sich in einem Hause oder in einer anderen Räumlichkeit eine eines Verbrechens oder Vergehens verdächtige Person verborgen halte, oder Gegenstände befinden, welche für eine strafgerichtliche Untersuchung von Bedeutung sein können, so ist die Hausdurchsuchung, und gegen solche Personen, gegen welche gegründeter Verdacht vorliegt, dass aie den Besitz solcher ihnen abgeforderten Gegenstände verleugnen, oder welche deren Herausgabe verweigern, auch die Durchsuchung ihrer Kleidung und Person gestattet. §. 105. In der Regel soll die Hausdurchsuchung von dem Untersuchungsrichter durch einen mit Gründen versehenen Befehl, welcher dein Betheiligten gleichzeitig mit dem Acte, oder innerhalb der nächsten 24 Stunden zuzustellen ist, angeordnet werden. Von Hausdurchsuchungen wegen Verbrechen oder Vergehen, rücksichtlich welcher weitere polizeiliche Nachforschungen oder Vorkehrungen im Interesse der Öffentlichen Sicherheit erforderlich sein können, insbesondere bei Hochverrat!»,
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Störung der öffentlichen Bube, Creditspapier- und Mönzverfklschnngen, ist, in soferne dies ohne Verzögerang geschehen kann, die nächste Sicherheitebehörde ((. 61) Torifadig in Kenntniss n setzen, damit ein Abgeordneter derselben hierbei anwesend sein and ohne anf den Untersuchungs-Act Einfhus zu nehmen, sich die n&thigen Kenntnisse zu den weiter erforderlichen Vorkehrungen verschaffen könne. §. 106. Auch ohne Befehl des Untersuchungsrichters kann die Hausdurchsaehnng, wenn Gefahr am Verzuge haftet, von jedem Bezirksgerichte (§. 13), sowie in Folge einer Aufforderung des Staatsanwaltes, oder auch von Amtswegen von Beamten der Sicherheitebehörde oder von Gemeindevorstehern angeordnet werden. Auch in Fällen dieser Art sind die zur Vornahme der Hausdurchsuchung Abgeordneten, wo möglich, mit einer schriftlichen Legitimation von Seite der Behörde zu versehen. Wenn jedoch der Beschuldigte auf frischer That betreten, oder gleich nach der That durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf als eines Verbrechens oder Vergehens verdächtig bezeichnet oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, welche von dem Verbrechen oder Vergehen herrühren, oder auf seine Betheiligung an demselben hinweisen, können selbst Gensd'armen und andere Sicherheits-Organe, ohne dazu besonders aufgefordert oder beauftragt zu sein, eine Hausdurchsuchung zur Auffindung des Verfolgten oder von Gegenständen des Verbrechens oder Vergehens vornehmen. Dieselbe Befugniss steht ihnen zu, wenn eine Person, wider welche bereits ein VorftthrungB- oder Verhaftsbefehl erlassen ist, sich vor ihren Augen in ein Haus oder einen anderen Raum geflüchtet hat. §. 107. Haus- und Personsdurchsuchungen sind stete mit Vermeidung alles unnöthigen Aufsehens und aller nicht unumgänglich nöthigen Störung der häuslichen Ruhe, mit möglichster Schonung für den Ruf der Person, bei welcher sie vorgenommen werden, und mit Beachtung der Schicklichkeit und des Anstandes vorzunehmen. Zur Nachtzeit kann eine Hausdurchsuchung nur in sehr dringenden Fällen stattfinden. Der Hausdurchsuchung soll nach Thunlichkeit der Inhaber der zu durchsuchenden Räume, oder ein Mitglied seiner Familie, oder ein anderer Hausbewohner oder Nachbar beigezogen werden, und es ist über dieselbe immer ein Protokoll aufzunehmen, das von allen dabei Anwesenden zu unterzeichnen ist Alle bei derlei Durchsuchungen vorgefundenen verdächtigen Gegenstände sind in gerichtlichc Verwahrung oder doch unter gerichtliche Obhut, oder in Beschlag zu nehmen (§. 102). §. 108. Die für Haus- und Personsdurchsuchungen gegebenen Vorschriften gelten auch hinsichtlich der Durchsuchung von Briefen oder anderen Schriften und Papieren. In Beziehung auf die gerichtliche Verwahrung derjenigen dieser Papiere, welche für die Untersuchung erheblich erkannt werden, sind die in dem §. 102 gegebenen Vorschriften zu beobachten. Die Entsiegelung und Durchsuchung solcher Papiere ist von dem Untersucbnngsrichter in Gegenwart eines Protokollführers und zweier Gerichtezeugen vorzunehmen, und, wenn nicht Gefahr am Verzuge haftet, der Betheiligte aufzufordern, derselben beizuwohnen. Erscheint er auf eine solche Aufforderung nicht, oder kann ihm dieselbe wegen seiner Abwesenheit nicht zugestellt werden, so ist die Entsiegelung dennoch, aber in der Art vorzunehmen, dass dabei das Siegel selbst unverletzt bleibe. §. 109. Urkunden oder Schriften, welche für die Untersuchung eines Verbrechens oder Vergehens erheblich sein können, müssen von Jedermann auf Begehren herausgegeben werden. Verweigert der hierzu Aufgeforderte die Herausgabe einer solchen Schrift, so ist in dem Falle, wenn der Beweis oder doch gegründeter Verdacht vorliegt, dass er sich im Besitz derselben befinde, mit der Haus-, und nach Umständen auch mit der Personsdurchsuchung wider ihn vorzugehen. Führt auch diese nicht zu dem erwünschten Erfolge, so kann der Untersuchungs-
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richter, wenn der Besitz erwiesen ist, die Heransgabe unter Androhung einer angemessenen Geld- oder Arreststrafe fordern. §. 110. Wenn die Untersuchung bereits gegen eine bestimmte Person eingeleitet (§. 145), oder wenn der Beschuldigte wegen eines Verbrechens oder Vergehens schon verhaftet, oder wenn gegen ihn bereits ein Vorführungs- oder Verhaftebefehl erlassen ist, so können Briefe, welche an denselben gerichtet sind, oder welche er an andere abgesendet hat, von dem Untersuchungsrichter, oder von dem statt desselben eingeschrittenen Bezirksgerichte (§. 13), unmittelbar, oder anf Verlangen des Staatsanwaltes in Beschlag genommen, und deren Auslieferung an den Untersuchungsrichter, oder an das Bezirksgericht, von den Postämtern verlangt werden. Die Postämter und Postbediensteten sind ferner verpflichtet, auch Ober unmittelbare Aufforderung des Staatsanwaltes solche Briefe bis zum Eintreffen einer weiteren gerichtlichen Verfügung zurückzuhalten; erfolgt jedoch eine Verfügung hierüber von Seiten des Untersuchungsrichters nicht binnen drei Tagen, so hat das Postamt die Beförderung der zurückgehaltenen Briefe nicht weiter aufzuhalten. Uebrigens ist jede Beschlagnahme von Briefen dem Beschuldigten, oder wenn er abwesend ist, einem seiner Angehörigen sogleich bekannt zu machen. §. 111. Die Eröffnung der mit Beschlag belegten Briefe darf nur von dem Untersuchungsrichter vorgenommen werden. Die Siegel dürfen dabei nicht verletzt und die Umschläge und Adressen müssen aufbewahrt werden. Auch ist über die Eröffnung ein Protokoll aufzunehmen. Nach Eröffnung der Briefe sind dieselben, soferne von der Mittheilung ihres Inhaltes kein nachtheiliger Einfluss für die Untersuchung zu besorgen ist, dem Beschuldigten oder demjenigen, an welchen sie gerichtet sind, in Urschrift oder Abschrift, ganz oder auszugsweise mitzutheilen. Ist der Beschuldigte abwesend, so geschieht die Mittheilung an einen seiner Angehörigen. Sind keine Angehörigen des Beschuldigten vorhanden, so ist der Brief, wenn es nach dem Ermessen des Richters im Interesse des Absenders liegt, diesem zurückzuschicken, oder dcmselhen, falls der Brief bei den Acten bleiben muss, die erfolgte Beschlagnahme anzuzeigen. In Beschlag genommene Briefe, deren Eröffnung nicht für nöthig erachtet wird, sind ohne Verzug denjenigen, an welche sie gerichtet sind, auszufolgen oder der Post zurückzugeben. m . Abschnitt. Von der Vernehmung der Zeugen. §. 112. Als Zeugen dürfen bei sonstiger Recht«-Unwirksamkeit ihrer Aussage nie vernommen werden: a) Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde; b) Staatsbeamte, wenn sie durch ihr Zeugniss das ihnen obliegende Amtsgeheimniss verletzen würden, in soferne sie dieser Pflicht nicht durch ihre vorgesetzte Dienstbehörde entbunden worden sind. Auch diejenigen Personen sind nicht als Zeugen abzuhören, welche zur Zeit, als sie das Zeugniss ablegen sollen, wegen Leibes- oder Gemüthsbeschaffenheit ausser Stande sind, die Wahrheit anzugeben. §. 113. Von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses im Strafverfahren sind befreit: a) die Verwandten und Verschwägerten des Beschuldigten in auf- und absteigender Linie, dessen Ehegatte, Geschwister und deren Ehegatten, Oheime und Muhmen, Neffen und Nichten, Geschwisterkinder, Adoptiv- und PflegeEltern oder -Kinder, der Vormund oder Mündel desselben; b) Vertheidiger in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser Eigenschaft von dem Beschuldigten anvertraut worden ist.
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Der Untersuchungsri chter hat dies« Personen, wenn sie ab Zeugen vorgerufen werden, über ihr Hecht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, zu belehren und ihre darüber erfolgte Erklärung in das Protokoll aufzunehmen. Eine ohne ihre ausdrückliche Verzichtleistang auf das Recht, die Aussage zu verweigern, aufgenommene Aussage darf bei der Würdigung des rechtlichen Beweises nicht berücksichtiget werden, wenn sie nicht nachträglich auf diese Bechtswohlthat Verzicht leisten. §. 114. In der Regel ist jeder Zeuge vor dem Richter zu erscheinen verbunden, doch können Personen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht zu erscheinen verhindert sind, in ihrer Wohnung vernommen werden. §. 115. Mitglieder des kaiserlichen Hauses werden als Zeugen in Wien durch den k. k. Obersthofmarschall, und ausser Wien durch den Präsidenten des Gerichtshofes ihres Aufenthaltsortes in ihren Wohnungen vernommen. §. 116. Ist der Aufenthaltsort eines Zeugen aber zwei Meilen von dem Sitze des Untersuchungsgerichtes entfernt, so hat der Untersuchungsrichter dessen Vernehmung in der Regel durch das Bezirksgericht, in dessen Bezirke sich der Zeuge befindet, zu veranlassen (§. 25). Sollte jedoch der Untersuchungsrichter die eigene Vernehmung des Zeugen zur Erlangung einer erschöpfenden Aussage, oder zur Beschleunigung der Sache fOr nothwendig halten, so kann er denselben, wenn er seiner Gerichtsbarkeit untersteht, unmittelbar, ausser diesem Falle aber durch das Bezirksgericht, welchem der Zeuge untersteht, zum persönlichen Erscheinen vorladen. Ist die Stellung des Zeugen vor dem Untersuchungsrichter mit zu grossen Schwierigkeiten oder Kosten verbunden, so kann er denselben, unter gleichzeitiger Benachrichtigung des zuständigen Untersuchungsgerichtes, auch an dessen Aufenthaltsorte selbst vernehmen. Sind Zeugen zu vernehmen, die sich im Auslande befinden, so ist in der Regel um deren Vernehmung der zuständige ausländische Richter zu ersuchen. Demselben sind die Gegenstände und Fragen mitzutheilen, worüber die Vernehmung stattzufinden hat, und zugleich das Ersuchen zu stellen, nach Beschaffenheit der Umstände die Vernehmung auch auf solche Fragepuncte auszudehnen, die sich aus dem Inhalte der von dem Zeugen abgelegten Aussage selbst ergeben werden. Stellt sich aber das persönliche Erscheinen eines solchen Zeugen vor dem inländischen Strafgerichte als nothwendig dar, so ist sich, wenn derselbe über das an den ausländischen Richter gestellte Ersuchen nicht freiwillig erscheint, durch den zur Schlussverhandlung berufenen Gerichtshof an das Oberlandesgericht zu wenden, um dessen Stellung vor dem inländischen Gerichte durch das Justizministerium zu erwirken. §. 117. Vorladungen in Strafsachen, welche an untergeordnete Beamte und Diener der Bezirksämter oder der Sicherheitsbehörden, an Zoll-, Cassen- und Stcuerbeamte, an Beamte und Angestellte der Finanzwache, an Beamte und Diener der Staats- und Privat-Eisenbahnen,. des Staats-Telegraphen- und Postwesens, oder an Berg-, Hatten-, Hammer- und Walzwerks-Arbeiter zu geschehen haben, sind durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten zuzustellen, ohne dass es jedoch der Ausfertigung besonderer Zuschriften an letztere bedürfte. Haftet aber Gefahr am Verzuge, so können auch diese Beamten und Diener, unter gleichzeitiger Anzeige an ihre Vorgesetzten, unmittelbar vorgeladen werden. §. 118. Wenn ein Zeuge der an ihn ergangenen Vorladung nicht Folge leistet, so geschieht seine neuerliche Vorladung unter Androhung einer angemessenen Geldstrafe für den Fall des Nichterscheinens, und unter der ferneren Drohung, dass ein Vorftthrungsbefehl gegen ihn werde erlassen werden. Bleibt der Zeuge ohne giltige Entschuldigungsgründe dennoch aus, so hat der Untersuchungsrichter die Geldstrafe wider ihn zu verhängen und den Vorführungsbefehl auszufertigen. In dringenden Fällen kann der Untersuchungsrichter schon nach dem ersten nicht gerechtfertigten Ausbleiben einen Vorftthrungsbefehl gegen den nicht erschienenen Zeugen erlassen. Die Kosten einer solchen gerichtlichen Vorführung hat der Zeuge zu vergüten (§. 333).
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§. 119. Verweigert ein Zeuge die Ablegung eines Zeugnisses, r n dem er •erpflichtet ist, so kann ihn der Untersuchungsrichter durch eine angemessene Geld- oder Arreststrafe dazu anhalten. §. 120. Im Laufe des Untersuchungsverfahrens sind Zeugen, welche de» Militärgerichtsbarkeit unterstehen, an solchen Orten, wo sich ein Militärgericht befindet, durch die Militärbehörden, an anderen Orten aber durch den Untersuchungsrichter, jedoch unter gleichzeitiger Benachrichtigung des Militärgerichtes, zu vernehmen. Der Untersuchungsrichter hat sich in solchen Fällen wegen Zustellung der Vorladung an den unmittelbaren Vorgesetzten des Zeugen zu wenden, und die Abhörung des Letzteren im Beisein des hierzu abgeordneten Officiers vorzunehmen. Zur Schlussverhandlung sind Officiere und die im activen Dienste stehende Mannschaft in der Regel nicht vorzuladen, sondern das Gericht hat sich mit der Vorlesung der von denselben in dem Untersuchungsverfahren gemachten Aussagen zu begnügen. In jenen Fällen aber, in welchen die Aussage solcher Zeugen für den Anschuldigungs- oder Entschuldigungsbeweis von entscheidender Wichtigkeit ist, steht es dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichtes zu, das persönliche Erscheinen der Officiere oder der Mannschaft bei dem betreffenden Militärgerichtsherrn zu erwirken. Militärpersonen aus der Classe der Mannschaft, vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts, sind, wenn sie bei einer Schlussverhandlung vor einem CivilStrafgerichte zu erscheinen haben, jederzeit von einem Officier zu begleiten, welchem von dem Gerichte an einem geeigneten Platze ein Sitz anzuweisen ist. §. 121. Die Mitglieder der Gensd'armerie, Militär-Polizeiwache und Sicherheitswache, vom Wachtmeister oder Feldwebel abwärts, sind, rücksichtlich ihrer Vernehmung als Zeugen, sowohl im Untersuchungsverfahren als bei der Schlussverhandlung, gleich Zeugen aus dem Civilstande zu behandeln. Die Vorladungen an dieselben sind jedoch nur den selbstständigen Sections-, Corporalschafte- oder Posten-Commandanten unmittelbar, den übrigen Mitgliedern dieser Körper aber immer durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten zuzustellen, welchen es obliegt, das Erscheinen des Vorgeladenen vor der Civilbehörde anzuordnen. Wenn es ohne Verzögerung der Rechtspflege, ohne Auslagen für den Staatsschatz und ohne Nachtheil für den Dienst dieser Wachkörper geschehen kann, so soll auch dea Vernehmungen dieser Personen ein Officier beigezogen werden. Rücksichtlich der Vernehmung der Officiere dieser Wachkörper haben die im §. 120 bestimmten Vorschriften zu gelten. Uebrigens haben die Mitglieder dieser Wachkörper, wenn sie als Ziagen wegen eines Verbrechens oder Vergehens von der Civilbehörde vernomme» werden, bei derselben auch den vorschriftsmässigen Zeugen-Eid abzulegen. Alle übrigen der Militärgerichtsbarkeit unterstehenden Personen sini bei der Schlussvcrhandlung wie Zeugen aus dem Civilstande zu behandeln. Sollte aber eine der vorgenannten Personen sich weigern, vor der Civilbehörde zu erscheinen, oder die abgeforderte Aussage oder den Zeugen-Eid abzulegen, so hat sich die Civilbehörde unmittelbar an deren nächsten Vorgesetzten zu wenden, welchem es obliegt, den Ungehorsamen zur Befolgung des Gtsetzes zu verhalten. §. 122. Jeder Zeuge wird von dem Untersuchungsrichter mit Zuzieiung eines Protokollführers, jedoch ohne Beisein des Beschuldigten oder anderer Zeigen, vernommen. Vor der Vernehmung ist er zu crmahnen, dass er über alle Umstände über die er befragt werden wird, nach seinem besten Wissen und Gevissen die reine Wahrheit anzugeben, Nichts zu verschweigen und seine Aussage so abiulegen habe, dass er sie erforderlichen Falles eidlich bekräftigen könne. §. 123. Ist ein Zeuge der Gerichtssprache nicht kundig, so kann die Vernehmung des Zeugen ohne Dolmetscher nur dann geschehen, wenn »wohl der Untersuchungsrichter, als der Protokollführer der Sprache des Zeugen ¡ureichen
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kundig sind. In diesem Falle ist den Acten eine beglaubigte Uebeiaetnmg des Protokolle« in der Gerichtssprache beizulegen. — Ausser diesem Falle aber hat die Vernehmung mit Zuziehung eines beeidigten Dolmetschen stattzufinden, und es n|nss jede Frage und Antwort sowohl in der Sprache, in welcher der Zeuge vernommen wird, als auch in der Uebersetzung in die Gerichtssprache zu Protokoll gebracht werden. Der Dolmetscher kann auch selbst als Protokollfahrer verwendet werden. §. 124. Wenn ein Zeuge stamm ist, aber schreiben kann, ist jede Frage mfindlich oder schriftlich an ihn zu stellen, nnd darauf die schriftliche Beantwortung von ihm zu fordern. Einem Tauben, der aber lesen nnd reden kann, ist die Frage schriftlich vorzulegen, damit er sie selbst lese nnd die Beantwortung darauf gebe. Ist diese Vernehmungsweise nicht möglich, oder der Zeuge zugleich taub nnd stumm, so muss dessen Vernehmung unter Zuziehung einer oder mehrerer Personen geschehen, welche der Zeichensprache desselben kundig sind, oder sonst die Geschicklichkeit besitzen, sich mit Taubstummen zu verständigen, und welche vorher als Dolmetscher zu beeidigen sind. $. 125. Nach erfolgter Ermahnung zur Wahrhaftigkeit (§. 122) ist der Zeuge um seinen Vor- und Zunamen, Geburts- und Wohnort, Stand, Gewerbe oder Beschäftigung, sein Alter, seine Religion, und, in soweit es zum Zwecke der Untersuchung erforderlich erscheint, auch Ober seine Familien- und Vermögens-Verhältnisse, seinen Lebenslauf, sein Verhältaiss zu den Beschuldigten oder zu anderen bei der Untersuchung betheiligten Personen, sowie Oberhaupt um Alles zu befragen, was sonst nach der Beschaffenheit der Umstände von seiner Person zu wissen nöthig ist f. 126. Bei der Vernehmung aber die Sache selbst ist der Zeuge zuvörderst zu einer zusammenhängenden Erzählung derjenigen Thatsachen, welche den Gegenstand der Erhebung ausmachen, sodann aber zur Ergänzung derselben und zur Hebung aller Dunkelheiten und Widersprache zu veranlassen. Der Zeuge ist insbesondere aufzufordern, den Grund seines Wissens anzugeben. Fragen, dnrch welche ihm Thatumstftnde vorgehalten werden, welche erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, sind zu vermeiden. §. 127. Der durch die strafbare Handlung Beschädigte ist insbesondere darüber zu vernehmen: a) worin der Gegenstand und der wahre Betrag des erlittenen Schadens und entgangenen Gewinnes bestehe; b) auf welche Art die Beschädigung zugefügt worden; c) was er von seiner Seite zur Verhütung des Schadens angewendet habe; d) welche Entschädigung er nach den Bestimmungen des bOrgerlichen Rechtes (§§. 1323—1332 des allgemeinen bOrgerlichen Gesetzbuches) zu fordern habe, und was er etwa zur Erlangung derselben anzugeben wisse. Auch ist er aufmerksam zu machen, dass er die Grösse des erlittenen Schadens nnd des entgangenen Gewinnes, sowie der ihm dafür gebührenden Entschädigung zu beschwören habe (§. 76). §. 128. Sollen dem Zeugen zum Behufe der Anerkennung (Recognition) Personen vorgestellt oder Sachen vorgelegt werden, so ist er vorher zur genauen Beschreibung und Angabe der unterscheidenden Kennzeichen derselben aufzufordern. Uebrigens hängt es von dem Ermessen des Untersuchungsrichters ab, ob er die Anerkennung einer Person durch Zeugen auf eine für die anzuerkennende Person sichtbare oder verborgene Weise und allenfalls auch durch Vorstellung des Anzuerkennenden zugleich mit mehreren anderen Personen vornehmen wolle. §. 129. Stimmen die Zeugen in ihren Aussagen Ober erhebliche Umstände nicht Aberein, so sind sie einander entgegen zu stellen (zu confrontiren), und in Beziehung auf jeden Umstand, über welchen sie von einander abweichend ausge-
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sagt haben, einzeln gegen einander abzuhören, und ihre Aussagen in dem Protokolle nebeneinander niederzuschreiben. Eine gleichzeitige Gegenstellmig von mehr als zwei Personen soll nur dann stattfinden, wenn sie der Untersuchungsrichter zur Aufklärung für unumgänglich nothwendig erkennt. §. 130. Ueber jede Vernehmung eines Zeugen ist ein Protokoll zu führen und dem abgehörten Zeugen seine Aussage, so wie sie in das Protokoll aufgenommen worden ist, deutlich vorzulesen. Die von ihm hierbei etwa gemachten Bemerkungen sind in dem Protokolle nachzutragen, ohne an dem Texte der früheren Aussage eine Aenderung vorzunehmen, und das Protokoll am Schlüsse von allen Anwesenden, von dem Vernommenen selbst aber am Ende jedes Bogens zn unterfertigen. Ist der vernommene Zeuge des Schreibens unkundig, so hat er in Gegenwart zweier eigens hierzu vorzurufenden Zeugen, statt der Unterschrift sein Handzeichen beizufügen, welches von den beiden Zeugen mit ihrer Unterschrift zu bestätigen ist. §. 131. Nach geschlossener Aussage hat jeder Zeuge, der etwas f ü r die Sache Erhebliches ausgesagt hat, oder rücksichtlich dessen der Untersuchungsrichter die Beeidigung für nöthig hält, um sich volle Gewissheit zu verschaffen, das« ihm nichts Näheres bekannt sei, sowie auch der Beschädigte, seine Aussage zu beschwören. Jedoch ist die Beeidigung zu unterlassen, oder bis zur weiteren Aufklärung zu verschieben, wenn derselben ein gegründetes Bedenken entgegensteht. Vor der Beeidigung ist der Zeuge nochmals zu befragen, ob er seiner Aussage noch Etwas beizusetzen, oder daran Etwa« zu ändern habe, und vor Begehung eines Meineides zu warnen. Der Zeuge hat sohin zu beschwören, dass er aufrichtig und ohne Gunst, Haas oder Furcht die reine und volle Wahrheit, und Nichts, als die Wahrheit ausgesagt habe. Die Bekräftigung lautet: r S o wahr mir Gott helfe!" Rücksichtlich der besonderen Förmlichkeiten, welche bei der Eidesabiegung nach Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses zu beobachten sind, bleiben die bestehenden Vorschriften in Kraft. Wenn der Zeuge einer Religionsgesellschaft angehört, welcher die Ablehnung eines förmlichen Eides gesetzlich gestattet ist, so hat er eine feierliche Versicherung an Eidesstatt abzulegen. §. 132. Folgende Personen dürfen nicht beeidiget werden: a) welche selbst in Verdacht stehen, dass sie die strafbare Handlung, wegen welcher sie abgehört werden, begangen oder daran Theil genommen haben; b) die sich wegen eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht begangenen Vergehens, oder wegen einer solchen Uebertretung in Untersuchung oder Strafe befinden; c) diejenigen, welche schon einmal wegen eines falschen Zeugnisses oder falschen Eides bestraft worden sind; d) die zur Zeit ihrer Abhörung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben; . Verhandlung der Sache, a. Allgemeine Vorschriften. Die Mitglieder des Gerichts sitzen während der V e r h a n d l u n g ; j e d e andere vor Gericht erscheinende Person rnuss, falls nicht der Vorsitzende aus besonderen G r ü n d e n das Gegcntheil gestattet, nachdem sie vorgetreten ist, stehen. Geschwome, Staatsanwalt, Vertheidiger und Beschuldigter müssen, um a n das erkennende Gericht eine F r a g e , einen A n t r a g oder ein Gesuch zu richten, sich erheben. Die L e i t u n g d e r Verhandlung in den Sitzungen steht dem Vorsitzenden d e s Gerichts z u ; er bestimmt die Reihenfolge der vorzunehmenden Handlungen und, falls mehrere Beschuldigte gleichzeitig vor Gerieht erscheinen, die Reihenfolge ihrer V e r n e h m u n g ; auch kann er, weun es zweckmässig erscheint, die einstweilige E n t f e r n u n g eines oder mehrerer Beschuldigten verfügen. E r muss j e d o c h , nachdem sie zurückgekehrt, Bio sofort von dem wesentlichen I n h a l t e der in ihrer Abwesenheit vorgenommenen Verhandlungen in Kcnntniss setzen. Der Vorsitzende des Gerichts ist b e f u g t , während des Laufs der V e r h a n d lung Alles vorzunehmen, was er seinem pflichtmässigen Ermessen nach zur Ermittelung der W a h r h e i t für diensam erachtet. E r kann durch Vorführungsbefehl Jeden vorfordern und vernehmen, auch alle neueren Beweismittel zur Stelle schaffen, von welchen er nach den bisherigen Verhandlungen eine A u f k l ä r u n g der Sache hofft; er kann bestimmen, ob die von ihm vorgeforderten Zeugen beeidigt werden sollen oder nicht (s. g. discretionäre Gewalt). J e d e Vernehmung in der Sitzung geschieht durch den Vorsitzenden; Beisitzer u n d Geschworne können, nachdem der Vorsitzende Erlaubniss ertheilt, au die zu vernehmende P e r s o n selbst Fragen richten; der Staatsanwalt, der Vertheidiger und auch der Beschuldigte müssen den Vorsitzenden ersuchen, die von ihnen gewünschten F r a g e n zu stellen. Fragen, welche von der Staatsanwaltschaft oder dem Beschuldigten beantragt, von dem Vorsitzenden aber, oder nach verlangter Entscheidung des Gerichts, von dein Letzteren für unzulässig erklärt sind, dürfen Beisitzer und Geschworne au die zu vernehmende Person nicht richten. D e r Vorsitzende des Gerichts ist b e f u g t , die Leitung der I l a u p t v e r h a n d l u n g in einzelnen Untersuchungen einem Beisitzer zu übertragen. Geschieht die Begründung der Anklage oder die Ausführung der V e r t e i d i gung in einer der W ü r d e des Gerieht« nicht entsprechenden Weise, so kann der Vorsitzende nach zuvoriger W a r n u n g das W o r t entziehen. Dieselbe Befugniss h a t der Vorsitzende, wenn Dinge zur Sprache gebracht w e r d e n , die mit den zu entscheidenden F r a g e n in keinem Zusammenhang
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stehen, oder wenn in Schwurgerichtssachen in den an die Geschworenen gerichteten Vortragen Fragen behandelt werden, welche, der tatsächlichen Benrtheilung fremd, in das Gebiet der rechtlichen Prüfung gehören. In den beiden letzten der vorerwähnten Fälle und bei allen Maesregeln, welche daa Gesetz nicht ausdrücklich in die Hand des Vorsitzenden gelegt hat, kann jede Partei, falls sie mit der yon dem Vorsitzenden getroffenen Verfügung unzufrieden, die Entscheidung des Gerichts verlangen. §. 144. b. Vortrage der Parteien. Nach Aufruf der Sache und nachdem der Beschuldigte sich über seine persönlichen Verhältnisse und frflher etwa erlittenen Verurtheilungen erklärt hat oder befragt ist, werden die Zeugen in das Wartezimmer entlassen. Nachdem sodann der Staatsanwalt die Beschuldigung entwickelt, werden die Beschuldigten darüber und später auch die Zeugen, jeder einzeln, vernommen. So oft eine der Parteien einen Zwischenantrag stellt, ist vor der Entscheidung dem Gegner das Wort zu gestatten. Am Schlüsse der Verhandlung erhält der Staatsanwalt das Wort, um das Ergebniss derselben zu prüfen und um seinen Antrag hinsichtlich der zu erlassenden Entscheidung zu stellen; lautet derselbe auf Verurtheilung, BO ist das anzuwendende Strafgesetz anzuführen. Hierauf wird der Beschuldigte und sein Rechtsbeistand mit der Verteidigung gehört. Der Staatsanwaltschaft steht es frei, ihre Erwiderung vorzutragen; stets muss jedoch dem Beschuldigten oder seinem Rechtsbeistande das letzte Wort gegeben werden. Nachdem der Vorsitzende des Gerichts an den Beschuldigten die Frage gestellt hat, ob er noch irgend etwas zu seiner Vertheidigung vorzutragen habe, erklärt er die Verhandlungen für geschlossen und das Gericht spricht das Urtheil. §. 145. c. Gleichzeitige Verhandlung mehrerer Sachen. Ist eine Person wegen mehrerer StraffiÜle, oder sind mehrere Personen wegen desselben oder auch wegen verschiedener Straffälle vor dasselbe erkennende Gericht verwiesen, so kann der Vorsitzende die gleichzeitige Verhandlung verfügen ; nicht minder, wenn eine oder mehrere Personen wegen verschiedener, n i c h t zusammenhängender Strafiälle durch e i n e n Beschluss vor dasselbe Strafgericht verwiesen sind, eine getrennte Verhandlung anordnen. Eine Trennung bei z u s a m m e n h ä n g e n d e n Straffällen, welche durch denselben Beschluss vor dasselbe Strafgericht gewiesen sind, kann nur durch Beschluss des Gericht« erfolgen. §. 146. d. Unterbrechung und Aussetzung einer begonnenen Sitzung. Die Verhandlung einer Strafsache darf nur in soweit unterbrochen werden, als die Erholung der dabei mitwirkenden Personen es erfordert. Sowohl auf Antrag, als auch von Amtswegen kann das Gericht mittelst eines die Grflnde dieser Massregel enthaltenden Beschlusses die Aussetzung der Verhandlung auf einen späteren Tag verfügen; beträgt der Zwischenraum zwischen der Aussetzung und dem Wiederbeginn des Verfahrens mehr als drei Tage, so muss das gesammte Verfahren wiederholt, bei Schwurgerichtssachen auch ein neues Schwurgericht gebildet werden. §. 147. e. Nachinstruction. Das Gericht ist berechtigt, eine Nachinstruction zu verfügen, falls dasselbe vor Abgabe des Urtheils die weitere Aufklärung der Sache im Wege der Voruntersuchung für nöthwendig hält. War der Beschuldigte, ohne dass eine Voruntersu-
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chung vorhergegangen, unmittelbar zur Hauptverhandluug geladen, so kann das Gericht die Einleitung einer Voruntersuchung beschlossen. In diesem Falle muss dasselbe entweder die Vornahme der erforderlichen Untersuchungshandlungen durch den zuständigen Untersuchungsrichter verordnen, oder der Staatsanwaltschaft überlassen, die Bestellung eines Untersuchungsrichters bei dem Präsidenten des Gerichts oder bezieh, bei dem Vorsitzenden des Strafsenats zu erwirken. Nach beschaffter Vervollständigung geht die Sache durch Verniittelung der Staatsanwaltschaft in der Regel sofort an das erkennende Gericht zurück; ausnahmsweise, namentlich dann, wenn eine Abänderung der erhobenen Beschuldigung stattfinden soll, kann der Staatsanwalt die Sache vor die Rathskammer des betreffenden Gerichts bringen. Das erkennende Gericht kann gleichfalls verfügen, dass zu einer späteren Verhandlung gewisse, von ihm zu bezeichnende Zeugen und Sachverständige vorgeladen werden. §• U 8 . 6. Von den Zeugen und Sachverständigen, a. Vorladung der Zeugen. In der Regel liegt es dem Staatsanwalts ob, die Zeugen in die Sitzung laden zu lassen, und nur die von ihm vorgeladenen Zeugen haben einen Anspruch auf Entschädigung aus Staatsmitteln. Bei der Auswahl der vorzuladenden Zeugen darf der Staatsanwalt nur die unparteiische Ermittelung der Wahrheit im Auge haben. Wünscht der Beschuldigte die Vorladung bestimmter Zeugen, so nmss er den Staatsanwalt um dieselbe ersuchen; gegen dessen Weigerung ist eine Berufung an den Gerichtsvorsitzenden gestattet. Auch der Beschuldigte kann unmittelbar Zeugen vorladen lassen; diese sind zu erscheinen jedoch nur dann verbunden, wenn ihnen schon bei der Vorladung die Entschädigung f ü r Reisekosten und Versäumniss haar dargeboten wird. Staatsanwalt sowohl, wie Beschuldigter können auch ohne vorgängige V o r l a dung ihre Zeugen sofort in die Sitzung mitbringen. In den vor den Straf- und Berufungskammern zu verhandelnden Sachen bedarf es eines Zustellung der Zeugenliste n i c h t (vergl. §§. 183 und 184). §. 149. b. Vorladung der Sachverständigen. Sowohl der Staatsanwalt, als auch der Beschuldigte können die während der Voruntersuchung zugezogenen Sachverständigen zur Sitzung vorladen lassen. Geschieht diese Vorladung durch den Beschuldigten, so gelten dieselben Bestimmungen, wie sie im §. 148 für den Fall der Zeugenvorladung gegeben sind. Andere, als die in der Voruntersuchung bereits vernommenen Sachverständigen können nur auf Anordnung des Gerichtsvorsitzenden zugezogen werden. §. 150. c. Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen. Ueber das Beweisverfahren durch Zeugen und Sachverständige gelten im Allgemeinen die schon früher über diesen Gegenstand gegebenen Vorschriften (vergl. §§. 9 5 — 1 0 2 , 1 0 4 — 1 0 9 ) ; daneben finden jedoch folgende Bestimmungen Anwendung : 1. Bleibt ein Zeuge oder ein Sachverständiger aus oder verweigert der Erschienene die Ablegung seines Zeugnisses bezieh, die Abgabe seines Gutachtens, nnd wird hierdurch die Aussetzung der Sitzung veranlasst, so kann der Zeuge oder Sachverständige auf Antrag der Staatsanwaltschaft, ausser in die in den §§. 9G, 97 und 104 a. E. erwähnten Strafen auch zum Ersatz der durch die Erneuerung des Verfahrens veranlassten Kosten verurtheilt werden. Gegen dieses Erkenntniss findet, wenn Entschuldigungsgründe vorliegen, innerhalb 10 Tagen nach der durch den Staatsanwalt zu bewirkenden Zustellung des-
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selben Einsprach statt, aber welchen dasselbe Gericht, welches rerartheilte, entscheidet. 2) Die Zeugen und Sachverständigen werden, sofern ihre Beeidigung nicht an sich gesetzlich unzulässig ist, oder aus besonderen Gründen, namentlich wegen der Persönlichkeit des Zeugen oder Sachverständigen oder wegen des Interesses, welches dieselben an dem Ausgange der Untersuchung haben, nach dem Ermessen des Gerichts für unthunlich erachtet wird, unter Hinweisung auf die Wichtigkeit de« Eides und auf die Strafen des Meineides einzeln und in Abwesenheit der später zu Vernehmenden von dem Vorsitzenden des Gerichts mit dem im Anhange II. lit. A und B vorgeschriebenen Eide belegt und sodann vernommen (vergl. jedoch No. 3 und 4). Das SitzuDgsprotokoll muss der Vereidung oder des Grandes, weshalb die Vernehmung ohne Beeidigung geschehen, Erwähnung thun. Eine Hinweisung auf einen bereits in der Voruntersuchung abgelegten Eid oder auf einen Diensteid ist unzulässig (vergl. jedoch No. 3). 3. Bei öffentlich angestellten und als solchen eidlich verpflichteten Sachverständigen, bei ein für allemal Vereideten Schätzern, sowie bei Sachverständigen und Schätzern, welche bereits in der Voruntersuchung eidlich vernommen sind, genügt statt der Beeidigung die Erinnerung an den Diensteid bezieh, an den von ihnen ein für allemal oder in der Voruntersuchung geleisteten Eid. 4. In leichten Straffällen darf die Beeidigung eines Zeugen in Folge Beschlusses des Gerichts dann unterbleiben, wenn nach bereits stattgehabtem Verhöre des Beschuldigten (vergl. g. 144 Abs. 2) dieser und die Staatsanwaltschaft mit der unbeeidigten Vernehmung des Zeugen sich einverstanden erklären. Hält das Gericht nach Anhörung der Aussage des Zeugen dessen Beeidigung für erforderlich, so ist der Zeuge zu beeidigen und die Vernehmung zu wiederholen. Die Bestimmung des vorstehenden Absatzes findet auf das Verfahren vor dem Schwurgerichtshofe keine Anwendung. 5. Der dem Strafverfahren sich anschliessende Beschädigte soll nie eidlich vernommen werden. 6. Die Ablehnung eines Zeugen oder Sachverständigen ist nur zulässig, so lange derselbe seine Aussage zur Sache noch nicht begonnen h a t 7. Es ist dem Zeugen nicht gestattet, eine vorher verfasste Schrift zu verlesen, er darf bei seiner Aussage von keiner Partei unterbrochen werden. 8. Der etwa zuzuziehende Dollmctscher darf, b e i S t r a f e d e r N i c h t i g k e i t , nicht aus der Zahl der in der Sache mitwirkenden Bichter, Geschwornen, Staatsanwälte, Gerichtschreiber und Zeugen genommen werden. Er leistet vor Beginn seiner Thätigkeit den im Anhange II. lit. C vorgeschriebenen Eid. Er kann von jeder Partei aus denselben Gründen wie ein Zeuge abgelehnt werden. 9. Nach der Vernehmung bleibt jeder Vernommene bis zur Beendigung der Sache im Sitzungszimmer, falls nicht das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten und des Staatsanwaltes die Entfernung gestattet oder von Amtswegen verfügt §. 151. 7. Vorlesung einzelner Actenstücke. Nur die auf das fragliche Vergehen bezßglichen Urkunden, die Uber deh sachlichen Thatbestand, über Ortsbesichtigungen, Haussuchungen und Beschlagnahmen aufgenommenen Verhandlungen, die während der Voruntersuchung von den Sachverständigen abgegebenen Gutachten, endlich alle von öffentlichen Behörden ausgestellten Bescheinigungen, namentlich alle beglaubigte Abschriften früherer, wider den Beschuldigten ergangenen Straferkenntnisse, sowie Auszüge aus ihnen, können auf Antrag einer der Parteien oder auf Gerichtsbeschluss in der Sitzung verlesen werden; ebenso schriftliche, von einem Geistlichen oder einer obrigkeitlichen Behörde oder von einem amtlichen Vorgesetzten ausgestellte Sittenzeugnisse.
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Verlesung eines schriftlichen Gutachtens von einem in der Voruntersuchung nicht vernommenen Sachverständigen ist unzulässig. §• 152. 8. Vorlesung von Zeugenaussagen. Die Aussage eines in der Voruntersuchung vernommenen Zeugen darf auf Antrag einer der Parteien oder ohne einen solchen vermöge Gerichtebeschlusses in der Sitzung verlesen werden, wenn die Raths- oder Anklagekammer dies gestattet hat (vergl. §§. 1 2 9 , 1 3 1 a. E ), oder wenn der nicht erschienene Zeuge inmittelst verstorben oder sein Aufenthalt unbekannt ist, oder seiner mündlichen Vernehmung nach der Ansicht des Gerichts erhebliche Hindernisse überhaupt, oder doch für längere Zeit entgegenstehen. E s bedarf in diesen Fällen, mit Ausnahme des zuerst gedachten, stets eines die Vorlesung anordnenden, mit Gründen versehenen Gerichtsbeschlusses; immer aber muss den Geschwornen eröffnet werden, ob der Zeuge, dessen Aussage verlesen wird, eidlich vernommen ist. Die discretionäre Gewalt des GerichtBvorsitzeuden soll durch die in diesem und dem vorhergehenden Paragraphen enthaltenen Bestimmungen in keiner Weise beschränkt werden. §. 153. 9. Besondere Vorschriften über das Erscheinen der Mitglieder des Königl. Hauses. Mitglieder des königlichen Hauses sollen nie in die Sitzung eines Strafgerichts geladen, sondern statt dessen ihre zu Protokoll genommene Erklärung vorgelesen werden. §. 154. 10. Einwendungen des Beschuldigten. Der Beschuldigte darf, ohne Rücksicht darauf, ob dieselbe F r a g e bereits durch die Raths- oder Anklagekammer entschieden ist, alle gegen die Zulässigkeit der erhobenen Klage sprechenden Gründe vor dem erkennenden Gerichte geltend machen. Auch ohne Antrag hat das erkennende Gericht diese Frage stets seiner Prüfung zu unterziehen. §. 155. 11. Dolhnetscher. Geschieht die Zuziehung eines Dollmetschers mit Rücksicht auf den Beschuldigten, so gelten in Bezug auf seine Beeidigung die früher ertheilten Vorschriften. E s genügt, wenn dem Beschuldigten das Verweisungsurtheil bezieh, -beschluss, die etwa verfasste Anklage- bezieh. Beschuldigungsschrift, die Protokolle über den sachlichen Thatbestand und die Aussagen der vernommenen Mitschuldigen, Zeugen und Sachverständigen vollständig übertragen werden; hinsichtlich der übrigen Verhandlungen bedarf es dessen nicht; namentlich ist es in Bezug auf die Anträge des Staatsauwaltes hinreichend, wenn der Beschuldigte im Allgemeinen von der Richtung derselben in Kcnntniss gesetzt wird. §. 156. B e r a t s c h l a g u n g und Abstimmung der Richter, a. Allgemeine Bestimmungen. Die B e r a t s c h l a g u n g und Abstimmung der Richter geschieht nicht öffentlich. In die zu verkündende Entscheidung darf das Zahlenverhältniss der Stimmen nicht aufgenommen werden. Das von den Richtern abzugebende Endurtheil darf, falls das Gericht sich für zuständig hält, nur verurtheilen oder freisprechen. In allen Fällen, in welchen der Richter über die Thatfrage zu entscheiden berufen ist, muss in dem entscheidenden Theile des verurtheilenden Erkenntnisses die That, deren der Beschuldigte für überwiesen angenommen ist, ausdrücklich hervorgehoben werden. Dasselbe gilt, wenn der Richter die als erwiesen angenommene T h a t für nicht strafbar hält. 12.
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Der Richter ist bei der von ihm abzugebenden Entscheidung an juristische Beweisregeln nicht gebunden; er hat vielmehr bei Prüfung der Frage, ob ein Umstand für bewiesen zu halten oder nicht, lediglich seiner inneren Ueberzeugung zu folgen. Ein Erkenntnis« auf den Reinigungseid oder auf Entbindung von der Instanz findet nicht statt. §. 157. b. Besondere Vorschrift über Abstimmung und Stimmenz&hlung. Bei der Abstimmung in Strafsachen entscheidet stets die absolute Stimmenmehrheit (auch darüber, ob der Beschuldigte der T h a t für fiberfahrt zu halten sei). Bilden sich in Beziehung auf die nämliche Frage mehr als zwei verschiedene Ansichten, deren keine die Mehrheit fQr sich hat, so sind die dem Beschuldigten nachtheiligsten Stimmen den ihnen am nächsten kommenden minder nacht e i l i g e n so lange hinzuzuzählen, bis sich eine Mehrheit ergiebt. Bei Stimmengleichheit soll die dem Beschuldigten günstigere Meinung den Vorzug haben und, wenn in Beziehung auf die Frage, welches die ihm günstigere Meinung sei, abermals Stimmengleichheit entsteht, so entscheidet hierüber die Stimme des Vorsitzenden. Betrifft die Verschiedenheit der Meinungen nicht blos die Hauptentscheidung des eigentlichen Straffalles, z. B. die Verurtheilung oder Freisprechung oder das Strafmass, sondern zugleich die Entscheidung gewisser Vorfragen, so ist über die letzteren zuvor, einzeln nach der vom Vorsitzenden zu bestimmenden Reihenfolge, abzustimmen. Entscheidet sodann die Mehrheit der Stimmen sich dahin, dass, ungeachtet der über die Frage erhobenen Zweifel, mit der Hauptentscheidung vorzuschreiten sei, so sind die in der Minderheit gebliebenen Richter gehalten, auch über die Hauptsache mit abzustimmen. Zu diesen Vorfragen gehören namentlich die Fragen über Zuständigkeit des Gerichts, über etwaige Aussetzung oder weitere Aufklärung der Sache, über die Förmlichkeiten des bisherigen Verfahrens oder des eingelegten Rechtsmittels etc. Sollte dennoch eine Stimmenmehrheit aber eine Frage sich nicht ergeben, so ist durch Herbeiziehung eines oder mehrerer anderer Richter die Entscheidung herbeizufahren. §. 158. 13. Prüfung der Zuständigkeit. Jedes erkennende Gericht muss seine Zuständigkeit selbst prüfen. Eine Unzuständigkeitserklärung darf nie aus dem Grunde erfolgen, weil die Handlung zur Zuständigkeit eines Gerichts niederen Ranges gehört. Spricht das höhere Gericht die Zuständigkeit eines erkennenden Gerichts aus, so hat das für zuständig erkannte Gericht diesem Spruche unbedingt Folge zu leisten. Hält die Strafkammer, an welche die Sache gelangt, sich um deswillen für unzuständig, weil eine schwere Strafe verwirkt sei, so hat sie die Sache an die Anklagekammer zu verweisen. §. 159. 14. Formvorschriften für die Verkündigung des verurtheilenden Erkenntnisses. Bei Verkündigung eines verurtheilenden Erkenntnisses sind die zur Anwendung gebrachten strafgesetzlichen Bestimmungen ihrem wesentlichen Inhalte nach anzugeben. §. 160. 15. Freisprechung. Erfolgt die Freisprechung eines verhafteten Beschuldigten, so kann der Vorsitzende des Gerichts, wenn im Laufe der Verhandlung Anzeigen vorgekommen sind, dass der Beschuldigte einen ihm bislang n i c h t Schuld gegebenen leichten oder schweren Straffall begangen habe, auf Antrag des Staatsanwaltes einen Haft-
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befehl gegen den Beschuldigten erlassen und die Sache an den Untersuchungsrichter verweisen. Auf Grund dieses Befehls wird die Haftentlassung beanstandet, im Uebrigen aber so verfahren, als habe der Untersuchungsrichter jenen Befehl ertheilt. Tritt dieser Fall bei einem Amtsgerichte ein, so verfährt der Amtsrichter nach Massgabe der §§. 66 und 67. §. 161. 16. Richterlicher Begnadigungsantrag. Tritt der durch Art. 97 des Criminalgesetzbuches vorgesehene Fall ein, so ist darüber ein besonderer, nicht mitzuverkündender Beschluss zu fassen. Derselbe ist vom Staatsanwalte mittelst gutachtlichen Berichts nebst deu Acten* an den Justizminister einzusenden. §. 162. 17. Verurtheilung in die Kosten. Dem verurtheilten Beschuldigten legt das Gericht die gesammten Kosten des Verfahrens zur Last. Mehrere derselben strafbaren Handlung wegen Verurtheilte tragen — mit Ausnahme der Urtheilsgebühr — diese Kosten solidarisch. Hatte eine Verbindung mehrerer gegen verschiedene Personen geführten Untersuchungen in derselben Hauptverhandlung stattgefunden, so können jedem nur d i e Kosten, welche durch die wider ihn geführte Untersuchung erwachsen sind, und nur in soweit ihn überhaupt eine Verurtheilung trifft, zur Last gelegt werden. In Betreff der Kosten der Schlussverhandlung muss das Gericht sodann eine angemessene Vcrtheilung vornehmen. §. 163. 18. Formvorschriften für die Urschrift des Endurtheils. Die Urschrift des Endurtheils soll enthalten: das Datum; die Namen der Richter, des Staatsanwaltes und des Gerichtschreibers; die Bemerkung, ob das Verfahren öffentlich war oder nicht, und in jedem Falle den Umstand besonders hervorheben, dass die Verkündung des Urtheils in öffentlicher Sitzung geschehen ist; die genaue Bezeichnung des Beschuldigten, wo möglich Namen, Vornamen, Alter, Stand und Wohnort, Namen der Eltern und Tag und Ort seiner Geburt; die Schlussanträgc des Staatsanwaltes und des Beschuldigten, sowie des etwa aufgetretenen Beschädigten; die Entscheidungsgründe unter Anführung des angewandten Strafgesetzes; die Entscheidung über Strafe und Kosten. Ein von einem Schwurgerichtahofe gesprochenes Urtheil muss auch die an die Geschworenen gerichteten Fragen und die von ihnen ertheilten Antworten enthalten, insoweit auf ihnen die verhängte Strafe beruht. Der Ausspruch des Gerichtsvorsitzenden, durch welchen er einen von den Geschworenen für nicht schuldig befundenen Angeklagten freispricht, braucht nur im Sitzungsprotokolle bemerkt zu werden. §• 164. 19. Vorschrift, falls in e i n e m Urtheile über verschiedene Thatsachen oder Personen entschieden wird. Umfasst e i n Urtheil die Entscheidungen rücksichtlich verschiedener Thstsachen oder verschiedener Personen, so ist jede derselben so zu behandeln, als sei sie durch ein für sich bestehendes Urtheil ergangen. §. 165. 20. Zustellung der Endurtheile. Die auf Ausbleiben ergangenen Endurtheile, mit Ausnahme der auf Verweis, Widerruf, Abbitte und Ehrenerklärung, auf Geldbusse nicht über 10 Thh>., auf
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Confiscation einzelner Sachen nicht Ober 10 Thlr. an Werth, oder auf Gefängnis» nicht über 8 Tage lautenden Urtheile in Polizeistrafsachen, müssen dem Verartheilten in beglaubigter Abschrift behändigt werden. Hinsichtlich der auf Widerspruch ergangenen Urtheile bedarf es einer solchen BehSndigung nicht. Der Beschuldigte und der Beschädigte kann gegen Ersatz der Kosten eine Abschrift des Urtheils verlangen. §. 166. 21. Vom Verfahren auf Ausbleiben, a. Znlässigkeit. Erscheint weder der rechtzeitig und in rechtsförmlicher Weise geladene Beschnldigte, noch in den Fällen, in welchen es gestattet ist, ein Vertreter desselben, so wird auf Ausbleiben gegen ihn verfahren. War dagegen die Ladung weder rechtsförmlich erlassen, noch rechtzeitig zugestellt, so vernichtet das Gericht die Ladung und überlässt dem Staatsanwalte die Wiederholung derselben. §. 167. b. Haftbefehl gegen den ausbleibenden Beschuldigten. In allen Fällen des Verfahrens auf Ausbleiben hat der Schwurgerichtshof, die Strafkammer und der Strafsenat die Befugnis«, gegen den gehörig Geladenen aber Ausgebliebenen einen Haftsbefehl zu erlassen; der in Folge dessen Verhaftete muss innerhalb 24 Stunden nach seinem Eintreffen in den Gefängnissen des Gerichtes, welches die Verhaftung verfügte, durch den Gerichtsvorsitzenden, oder ein von ihm beauftragtes Gerichtsmitglied vernommen werden. Der betreffende Beamte hat in Bezug auf die Fortdauer der Haft ebenso zu verfahren, wie der Untersuchungsrichter. §. 168. c. Entfernung des Beschuldigten während der Verhandlung. Ist der Beschuldigte persönlich oder, wo es gestattet, sein Vertreter erschienen, und hat eine Vernehmung über die Beschuldigung stattgefunden, so ist, auch wenn eine Entfernung während der Sitzung stattfinden sollte, das ergehende Urtheil dennoch kein auf Ausbleiben, sondern ein auf Widerspruch ergangenes. In den Fällen, in welchen eine Vertretung unstatthaft, darf der Vertheidiger nur in Anwesenheit des Beschuldigten das Wort ergreifen. §. 169. d. Vorschriften für das Verfahren auf Ausbleiben. Das anf Ausbleiben eintretende Verfahren ist im Allgemeinen dem im Erscheinungsfalle stattfindenden gleich, jedoch mit folgenden besonderen Bestimmungen : 1. War eine Voruntersuchung voraufgegangen, oder die Ladung dem Beschuldigten p e r s ö n l i c h bebändigt, so tritt das Verfahren sofort ein; im entgegengesetzten Falle muss der Beschuldigte zuvörderst entweder durch eine ihm p e r s ö n l i c h zu behändigende Ladung oder öffentlich geladen werden, vergl. jedoch rücksichtlich der Polizeiübertretungen §. 209. 2. Gegen das auf Ausbleiben ergangene Erkenntniss kann der Verurtheilte innerhalb 3 Tagen Einspruch erheben, wenn erweislich die Ladung ohne seine Schuld ihm unbekannt geblieben ist, oder seinem Erscheinen unüberwindliche Hindernisse im Wege standen. Diese dreitägige Frist läuft vom Tage der Behändigung des Erkenntnisses, bei den im §. 165 gedachten Erkenntnissen in Polizeistrafsachen aber erst von dem Tage, an welchem dem Bezüchtigten wegen Vollstreckung des Erkenntnisses Eröffnung gemacht ist. Der Einspruch hindert die Vollstreckung des Erkenntnisses; jedoch kann beim Fluchtverdachte, oder falls bereits im Laufe der Voruntersuchung ein Haftbefehl ergangen war, sofortige Verhaftung eintreten. Sammlung der n. d. Gesetze. ]1
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§. 170. e. Verfahren bei Geltendmachung des Einspruchs. Die Erhebung des Einspruches geschieht durch Erklärung zu Protokoll des Gerichtschreibers oder durch schriftliche Eingabe an das Gericht. Auf erfolgten Einspruch lässt der Staatsanwalt den Verurtheilten in eine der nächsten Sitzungen des Gerichts, von welchem die Verurtheilung ausging, und, falls dies ein Schwurgerichtshof, vor die Berufungskammer des Obergerichts, bei welchem das Schwurgericht gehalten worden, vorladen. Das Gericht entscheidet nach Anhörung des Beschuldigten, ob das Ausbleiben genügend entschuldigt ist. Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt. Das Verfahren ist hierbei das für das betreffende Gericht im Allgemeinen vorgeschriebene. Findet eine Aussetzung der Sache oder eine nähere Voruntersuchung über die Entschuldigung«gründe statt, so kann das Gericht verfügen, dass der verhaftete Beschuldigte einstweilen in Haft bleibe. Erkennt das Gericht die vorgebrachten Eutschuldigungsgründe für genügend, so hebt es die frühere Verurtheilung auf und verordnet die Wiederaufnahme des früheren Strafverfahrens. Auf Grund dieser Entschuldung wird der verhaftete Beschuldigte seiner Hall entlassen, falls nicht das Gericht — wozu es befugt — das Gegen theil ausdrücklich verordnet, oder ein anderweiter Haftbefehl gegen den Beschuldigten vorliegt. Bei Entlassung aus der Haft ist die im §. 73 a lin. 3 enthaltenen Bestimmung zu berücksichtigen. §• 171. f. Vom zweiten Erkenntnisse auf Ausbleiben. Ergeht demnächst zum zweiten Male gegen den Beschuldigten ein Erkenn tniss auf Ausbleiben, so findet gegen dieses Urtheil das Rechtsmittel des Einspruchs nicht ferner statt. §• 172. g. Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde Seitens der Staatsanwaltschaft. Ergreift der Staatsanwalt gegen ein auf Ausbleiben ergangenes Urtheil die Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde, so wird, falls der Beschuldigte, ehe noch über diese Rechtsmittel entschieden ist, Einspruch erhebt, jenes Verfahren vorläufig ausgesetzt und zunächst über den Einspruch entschieden. Wird diesem statt gegeben, so sind damit die Rechtsmittel des Staatsanwaltes erledigt. Hat jedoch das Berufungsgericht vor Kenutmssnahme des Einspruchs si-inc Entscheidung bereits erlassen, so begründet dies für die Entscheidung über den Einspruch in keiner Weise eine ausnahmsweise Zuständigkeit. §. 173. 22. Verzögertes Erscheinen des Vertheidigers in der Sitzung. Erscheint der Vertheidiger des Beschuldigten nicht rechtzeitig in der Sitzung, oder entfernt er sich unzeitig aus derselben, so kaim das Gericht, unbeschadet einer daneben auszusprechenden Disciplinarstrafe, nach dem Antrage des Beschuldigten entweder die Sache vertagen, oder einen anderen Vertheidiger beiordnen, welcher sich dem ihm gewordenen Auftrage sofort zu unterziehen hat, oder auch in Fällen, in denen der Beschuldigte keines Vertheidigers bedarf (§. 80), die Verhandlung der Sache ohne einen solchen fortsetzen. §. 174. 23. Störung der Verhandlung durch den Beschuldigten. Stört der Beschuldigte die Verhandlung durch ungebührliches Betragen, so kann das Gericht, unbeschadet der sonst etwa verwirkten Strafe, die sofortige Abführung desselben in da9 Untersuchungsgefängniss und die dortige Aufbewahrung bis zur Beendigung des Verfahrens verfügen.
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Diese Verfügung kann jeden Augenblick zurückgenomm en und dem Beschädigten die Anwesenheit in der Sitzung gestattet werden. Tritt eine solche Verhaftung ein, »o wird die Verhandlung selbst mit dem Vertheidiger fortgesetzt. War der Beschuldigte früher nicht verhaftet und tritt die Verhaftung auf Grund jenes Urtheils ein, so ist dem Beschuldigten diese Verfügung des Gerichts innerhalb 24 Stunden nach ihrem Erlass abschriftlich zuzustellen. Erfolgt die Entscheidung in der Sache selbst während seiner Abwesenheit, so ist sie dem Verhafteten innerhalb 24 Stunden nach Erlass durch den Secretär zu Protokoll zu eröffnen, und derselbe, falls er nicht schon früher in Haft sich befand, aus ihr zu entlassen. Das Urtheil ist in diesem Falle stets als ein auf Widerspruch ergangenes anzusehen. Die Fristen für etwa zulässige Rechtsmittel beginnen vom Tage der Verkündigung des Urtheils zu laufen. §. 175. 24. Rechtsmittel. Fälle der Zulässigkeit. Einlegung derselben. Nur gegen Endentscheidungen sind Rechtsmittel zulässig. Zwischenurtheile, selbst die, durch welche eine vorgeschützte Unzustftndigkeitseinrede verworfen wird, können nar nach erfolgter Endentscheidung and nur gleichzeitig mit dieser durch ein Rechtsmittel angegriffen werden. Will der Beschuldigte durch eine dritte Person Rechtsmittel einlegen lassen, so bedarf dieselbe einer besonderen Vollmacht, doch können Ehegatten für einander, sowie Eltern und Vormünder für ihre Kinder und Mündel auch ohne Vollmacht Rechtsmittel einlegen. Befindet sich derjenige, der gegen eine Entscheidung Rechtsmittel einlegen will, in d e in Obergcriclitsbezirke des Gerichts, welches jene Entscheidung abgab, so muss die Einlegung bei diesem Gerichte stattfinden; ist er jedoch in einem fremden Obergerichtsbezirke, so kann die Einlegung des Rechtemittels bei dem nächsten Amtsgerichte geschehen. Dieses hat dann dafür zu sorgen, dass die bei ihm geschehene Einlegung binnen kürzester Frist dem betreffenden Gerichte bekannt wird, und hat auf Verlangen, dass sie geschehen, zu bescheinigen. §• 176. 25. Zurücknahme eingelegter Rechtsmittel. Jede Partei kann ein von ihr eingelegtes Rechtsmittel zurücknehmen. Geschieht dies von Seiten des Beschuldigten, so hat er die durch die Einlegung erwachsenen Kosten zu tragen; im Uebrigen wird verfahren, als habe die Einlegung des Rechtsmittels nie stattgefunden. §. 177. 26. Allgemeine Bestimmung über die Anwendung der obigen Vorschriften auf die Anklage und den Angeklagten. Alle in diesem Abschnitte rücksichtlich des Beschuldigten gegebenen Vorschriften gelten auch, insoweit nicht ein Anderes bestimmt ist, fQr den Angeklagten und die gegen ihn 'erhobene Anklage. Das Verfahren vor dem Strafsenate des Oberappellationsgerichts richtet sich nach den über das Verfahren vor der Strafkammer gegebenen Vorschriften. II. Absohnitt. Von dem Verfahren vor dem Schwurgerichtshofe. A. V o r b e r e i t e n d e M a s s r e g e l n . §. 178. 1. Einleitung des schwurgerichtlichen Verfahrens. Der Oberstaatsanwalt muss, sobald die Anklageschrift verfasst ist, diese, das Verweisungsurtheil der Anklagekammer und die übrigen Actenstücke binnen kür11*
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zester Frist dem Staatsanwalte das zur scfawurgerichtlichen Entscheidung berufenen Obergerichts zugehen lassen. §• 179. 2. Schiuss der schwurgerichtlichen Sitzungen. Die schwurgerichtlichen Sitzungen werden nicht eher geschlossen, als bis alle Strafsachen, welche bei der Eröffnung in der Lage waren, abgeurtheilt zu werden, vor dieselben gebracht sind. §. 180. 3. Verspätetes Eintreffen des Angeklagten oder der Acten. Treffen der Angeklagte oder die Acten erst nach der Eröffnung der Sitzung des Schwurgerichtshofes ein, so kann demungeachtet der Vorsitzende des Gerichts, mit Einwilligung des Staatsanwaltes und des Angeklagten, die Verhandlung vor diesem Schwurgerichtehofe noch eintreten lassen. §. 181. 4. Vorläufige Vernehmung des Angeklagten durch den Präsidenten. Sobald die Anklageschrift vollendet und der Angeklagte in die Gefängnisse des Ortes der schwurgerichtlichen Sitzungen abgeliefert ist, müssen ihm — falls dies nicht schon früher geschah — Verweisungsurtheil und Anklageschrift zugestellt werden. Binnen 24 Stunden nach dieser Zustellung befragt der Vorsitzende des Schwurgerichtehofes den Angeklagten, ob er einen Vertheidiger benennen wolle, und bestellt ihm im Verneinungsfalle einen solchen sofort von Amtswegen. Er kann auch, falls er dies für angemessen erachtet, den Angeklagten über andere Puñete vernehmen. Der Schwurgerichtssecretär hat über diesen Vorgang ein Protokoll aufzunehmen. §. 182. 5. Abschrift von Actenstücken. Auf Verlangen werden dem Angeklagten Abschriften der den sachlichen Thatbestand des Verbrechens betreffenden Protokolle und der Gutachten der Sachverständigen vorläufig unentgeltlich ertheilt. Sind mehreren Angeklagten verschiedene Vertheidiger in einer Strafsache bestellt, so kann Jeder eine u n e n t g e l t l i c h e A b s c h r i f t verlangen. Abschriften sonstiger Actenstücke erhält der Angeklagte nur gegen Bezahlung der Gebühren. §. 183. 6. Mittheilung der Liste der Geschworenen und der Zeugen. Die Liste der für die betreffende Sitzungsperiode ausgelooseten Haupt- und Ergänzungsgeschworenen ist den v e r h a f t e t e n Augeklagten spätestens am Vormittage des Tages, welcher dem Beginne der Verhandlungen über die gegen ihn erhobene Anklage unmittelbar vorhergeht, zuzustellen. Ebenso sind beide Parteien verpflichtet, einander ein Verzeichniss aller auf ihren Antrag in der Sitzung zu vernehmenden Zeugen, welches Namen und Wohnort derselben enthält, wenigstens 24 Stunden vor Beginn der Sitzung zuzustellen. Ist diese Vorschrift unbeachtet geblieben, so kann der Gegner sich der Vernehmung der ihm zu spät oder so ungenau, dass die Ermittelung der Person unthunlich, angegebenen Zeugen widersetzen. §. 184. 7. Bestimmungen, wenn der Angeklagte nicht verhaftet. Ist der vor das Schwurgericht Verwiesene nicht verhaftet, so gelten zwar im Uebrigen die Bestimmungen des §. 183, doch bedarf es einer Zustellung der Geschworenen- und Zeugenliste von Seiten der Staatsanwaltschaft an ihn nicht, vielmehr kann er und sein Vertheidiger am Tage vor der Verhandlung Einsicht der Liste der Geschworenen und der Zeugen im Gerichtslocale verlangen. Ausserdem ist in leichten Straffällen seine Verteidigung lediglich ihm zu überlassen.
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§. 185. 8. Folgen der Unterlassung einzelner Vorschriften. Ist die Bestimmung, welche §. 183 a lin. 1 zu Giipsten des Angeklagten ertheilt, unbeachtet geblieben, so berechtigt dies denselben nur nach dem Beginne der öffentlichen Sitzung und bevor zur Loosziehung der Geschworenen geschritten ist, auf Grund jener Rechtsverletzung einen Antrag auf Aussetzung der Verhandlung zu «teilen, über welchen die Schwurrichter zu entscheiden haben. B. V e r f a h r e n v o r d e m S c h w u r g e r i c h t s h o f e s e l b s t §. 186. 1. Eröffnung des Vorsitzenden. Der Vorsitzende des Gerichts erklärt dem Angeklagten zuvörderst, dass nunmehr mit der Verhandlung und Aburtheilung der gegen ihn erhobenen Anklage beziehw. Beschuldigung verfahren werden soll; er befragt ihn daneben b e i S t r a f e d e r N i c h t i g k e i t des Verfahrens, ob er Grande habe, die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen. §• 187. 2. Bildung des Schwurgerichts. Es wird sodann in Gemässheit der §§. 26, 27 des provisorischen Gesetzes (Iber die Bildung der Schwurgerichte, zur Verlesung und Ziehung der Namen der Geschworenen und zu der Vereidung derselben geschritten. Unmittelbar nach dieser Vereidung ist die Verhandlung zu beginnen. §. 188. 3. Vorführung der Zeugen. Der Gerichtsvorsitzende befragt zunächst beide Parteien über die Zeugen, (leren Vorführung sie beabsichtigen, und lässt das ihm überreichte Verzeichnis» durch den Schwurgerichtssecretär vorlesen. Der Vorsitzende des Gerichts erinnert die Zeugen an ihre Pflicht, die Wahrheit zu reden, belehrt sie Ober die Bedeutung des Eides und die Folgen des Meineides, unterlagt ihnen, mit ihren Mitzeugen oder dritten Personen über den Angeklagten oder das Verbrechen zu reden, und befiehlt ihnen, in das für sie bestimmte Zimmer sich zu begeben und dort zu bleiben, bis ihre Vorrufung zur Vernehmung erfolgen werde. §. 189. 4. Verlesung des Verweisungsbeschlusses, der Anklageschrift. Hierauf lässt der Vorsitzende das VcrweisungBurtheil, sowie die Anklageschrift durch den Schwurgerichtssecretär vorlesen, nachdem er zuvor den Angeklagten aufgefordert hat, dieser Vorlesung, so wie überhaupt dem Gange der Verhandlung mit Aufmerksamkeit zu folgen. §. 190. 5. Begründung der Anklage. Nach dieser Verlesung hat die Staatsanwaltschaft die Anklage näher zu erläutern, und die f ü r die Beurtheilung der Geschworenen erheblichen Puncte, sowie die im Laufe der Verhandlung vorzubringenden Beweise hervorzuheben. §. 191. 6. Vernehmung des Angeklagten. Der Vorsitzende des Gerichts vernimmt sodann den Angeklagten über die ihm Schuld gegebene That, auch, wenn er es für angemessen hält, über seinen früheren Lebenslauf. Er muss ihm hierbei Gelegenheit geben, sich über alle Einzelheiten der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung und alle dieselbe begleitenden Umstände auszusprechen. Das Sitzungsprotokoll muss Auskunft darüber geben, ob der Angeklagte die That mit den einzelnen Umständen eingestanden oder geleugnet hat oder endlich, ob von ihm eine die Strafbarkeit ausschliessende Thatsache behauptet ist. Im Uebrigen bedarf es keiner Aufzeichnung der Erklärungen des Angeklagten.
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§. 192. 7. Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen. Hierauf geschieht die Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen, und dürfen die in den §§. 151 und 152 bezeichneten Verhandlungen vorgelesen werden. Die Aussage selbst bedarf nur dann protokollarischer Verzeichnung, wenn der Zeuge oder Sachverständige in der Voruntersuchung keine Erklärung abgegeben hat, oder seine jetzige Aussage von der früheren bedeutend abweicht. In jedem Falle beschränkt sich die Verzeichnung auf den wesentlichen Inhalt. D a s fernere Verfahren entspricht den Vorschriften von §. 150. §. 193. 8. Schlussvortrag de6 Vorsitzenden. Nach dem Vortrage des Staatsanwaltes und der V e r t e i d i g u n g des Angeklagten (vergl. §. 144) fasst sodann der Vorsitzende die ganze Sache in gedrängter Darstellung zusammen, entwickelt in einfachen Sätzen, ohne Andeutung seiner persönlichen Ansicht, das Ergebnis!- der aufgenommenen Beweise sowohl f ü r als w i d e r den Angeklagten und erklärt schliesslich, soweit dies erforderlich, die Merkmale, welche das Gesetz zu der den Gegenstand der Anklage oder Beschuldigung bildenden Gesetzübertretung fordert. Dieser Vortrag des Vorsitzenden darf unter keiner Bedingung von einer der Parteien unterbrochen und ebenso wenig die Art desselben zum Gegenstande einer späteren Verhandlung oder eines späteren Antrages gemacht werden. Sollte der Vorsitzende bei der Darstellung des Sachverhalts sich nicht an da» halten, was bei der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist, sondern neue Thatgachen anführen, so hat jede der Parteien das Recht, an das Gerieht den Antrag zu stellen, rücksichtlich dieser Thatsachen die Verhandlung wieder zu eröffnen. §• 194. 9. Fragestellung. Ist die Verhandlung bis hierher vorgeschritten, so verliest der Vorsitzende die von ihm aufgestellten, an die Geschworenen zu richtenden Fragen. Jede P a r t e i darf Abänderung derselben oder die Hinzufügung anderer Fragen beantragen. Will der Vorsitzende auf diesen Antrag nicht eingehen, oder widerspricht eine der Parteien der von ihm vorgeschlagenen Fassung, so kann die Entscheidung des Gerichtshofes erwirkt werden. Die an die Geschworenen zu richtenden Fragen müssen b e i V e r m e i d u n g d e r N i c h t i g k e i t alle in dem Verweisungsurtheile enthaltenen, wesentlichen t a t sächlichen Verhältnisse, sowie die in der mündlichen Verhandlung hervorgetretenen neuen Thatumstände, welche die Strafe entweder erhöhen oder mildern oder gänzlich aufheben, erschöpfen und sich darauf beschränken. Die Geschworenen können auf etwaige Mängel der F r a g e n aufmerksam machen. Die Hauptfrage ist dahin zu richten, ob der Angeklagte der ihm zur Last gelegten T h a t schuldig sei. Sie schliesst sich unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung neu hervorgetretenen Umstände möglichst an die in dem Verweisungsurtheile enthaltene Anklageformel oder die erhobene Beschuldigung an. Hierbei sind diejenigen Merkmale des Verbrechens, welche einen Rechtsbegriff enthalten, thunlichst auf das entsprechende t a t s ä c h l i c h e Verhältnis« zurückzuführen. Umstände einer That, welche die Strafe entweder erhöhen oder mildern oder gänzlich aufheben, sind zum Gegenstande besonderer Fragen zu machen. Wenn durch das Hinzutreten oder Wegfallen des einen oder anderen Thatumstandes eine den Gegenstand der Anklage oder Beschuldigung bildende strafbare Handlung unter den Begriff eines verschiedenen Verbrechens fällt, so kann der Vorsitzende des Gerichts, selbst wenn die Anklage nicht auf sämmtliche Verbrechen gerichtet sein sollte, eventuelle Fragen stellen.
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Dieses gilt insbesondere in Betreff des Verhältnisses des vollendeten zu dem versuchten Verbrechen, der Urheberschaft zur Beihülfe oder Begünstigung, der vorsätzlichen zur fahrlässigen Gesetzesübertretung. Ueber Strafzumessungsgründe, sowie die indem Strafgesetze nicht b e s o n d e r s hervorgehobenen erschwerenden oder mildernden Umstände (schweren oder leichten Fälle), unter deren Voraussetzung dem Richter geboten oder gestattet ist, die Strafe über den regelmässigen Strafgrad zu erhöhen oder sie unter denselben herabzusetzen, hat das Gericht zu entscheiden. Ein Gleiches gilt rücksichtlich der in den Art. 86 bis 90 des Criminalgesetzbuches aufgeführten allgemeinen Tilgungsgründe der Strafbarkeit, sowie der Voraussetzungen des Rückfalles. §. 195. 10. Berathung der Geschworenen. Der Vorsitzende des Gerichts überreicht sodann die von ihm aufgestellten and unterschriebenen Fragen, nebst den über den sachlichen Thatbestand des Verbrechens aufgenommenen Protokollen den Geschworenen und verordnet, dass dieselben sich in ihr Berathungszimmer zurückziehen. Daneben eröffnet er ihnen: Dass es um den Angeklagten für schuldig zu halten, nicht einer bestimmten Anzahl oder besonderer Beschaffenheit von Beweismitteln bedürfe, sondern lediglich einer auf eine gewissenhafte Prüfung aller für und gegen den Angeklagten vorgebrachten Beweise gestützten festen Ueberzeugung; dass es nicht der Beruf der Geschworenen sei, über die Strafgesetze zu richten und Gnade zu üben, dass sie vielmehr gegen Eid und Pflicht handeln würden, wenn sie bei der Beantwortung der ihnen gestellten Fragen durch ihr Meinen oder ihre Ueberzeugung von der Recht- oder Zweckmässigkeit des Strafgesetzes oder durch die Härte der zu erkennenden Strafe sich irgendwie bestimmen liessen; dass es endlich ihre Pflicht sei, über den Gang ihrer Berathung und die Abstimmung ein unverbrüchliches Stillschweigen zu beobachten. Gleichzeitig verordnet er die einstweilige Abführung des Angeklagten und die Bewachung der Eingänge des Gcschwornenzimmers und befiehlt, dass bis nach Fällung des Wahrspruchs ohne seine schriftliche Erlaubniss weder einem der Geschworenen der Austritt, noch einem der Fremden der Eintritt gestattet werde. Das Uebertreten dieses Verbotes wird an dem Geschwornen mit einer Ordnungsstrafe bis 50 Thlr., an einer dritten Person und dem nachlässigen Wachtposten, vorbehaltlich einer etwa sonst verwirkten Strafe, mit 24 stündiger Gefängnissstrafe geahndet. Das Gericht erkennt diese Strafe nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Die Geschwornen schreiten im Berathungszimmer zunächst unter Leitung desjenigen, dessen Käme zuerst aus der Urne hervorgegangen ist, zur Wahl eines Obmannes; es genügt zu dieser Wahl relative Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet das höhere Lebensalter. Die Berathung und Abstimmung geht unter Leitung dieses Obmannes vor sich. Nach geschlossener Berathung erfolgt mündliche Abstimmung über die einzelnen Fragen in der von dem Vorsitzenden des Gerichts festgestellten Reihenfolge. Der Obmann befragt seine Mitgeschwornen nach der Ordnung, in welcher ihre Namen aus der Urne gezogen wurden. Er selbst giebt seine Stimme zuletzt ab. Die Entscheidung der Geschwornen wird sowohl für als gegen den Angeklagten nach Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit hat die dem Angeklagten günstige Meinung den Vorzug. Die Stimme eines Geschwornen, welcher eine Hauptfrage verneint, wird rücksichtlich der auf jene Hauptfrage sich beziehenden besonderen Fragen zu Gunsten des Angeklagten gerechnet. Wird die Frage nach der Hauptthat verneint, so bedürfen die be-
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sonderen Fragen nach den sie begleitenden Umständen keiner Beantwortung mehr. Der Obmann zählt die Stimmen, welche sich für und gegen die Bejahung einer Frage ergeben und schreibt nach dem Ergebnisse dieser Zählung; neben die Frage „ja" oder „nein". Tritt Bejahung einer Frage nur theilweise ein, so ist die Beschränkung mit kurzen Worten beizufügen. Der Wahrspruch wird vom Obmann und zwei anderen Geschworenen unterzeichnet. §. 196. 11. BefugniBS der Geschworenen, den Gcrichtsvorsitzenden um Erläuterungen anzugehen. Entstehen bei den Geschworenen über das von ihnen zu beobachtende Verfahren, oder über Sinn und Bedeutung der gestellten Fragen oder über Fassung der Antwort Zweifel, so können sie die Gegenwart des Vorsitzenden des Gerichts und von ihm Auskunft erbitten. Findet der Vorsitzende, dass die Zweifel der Geschworenen sich auf thatsächliche Puncto beziehen, so muss er sich im Berathungszimmer jeder Aeusserung enthalten. Er kann jedoch, um die angeregten Zweifel zu beseitigen, die Wiedereröffnung der Sitzung veranlassen; beide Parteien können sodann das Wort verlangen. So oft die Geschworenen von der ihnen im Anfang dieses Paragraphen crtheilten Befugniss Gebrauch machcn, ist eine allgemeine Bemerkung darüber in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. §. 197. 12. Abgabe des Wahrspruchs. Nach beendigter Abstimmung kehren die Geschworenen in den Sitzungssaal zurück und nehmen ihre Plätze ein. Auf die in Abwesenheit des Angeklagten von Seiten des Vorsitzenden an den Obmann der Geschworenen zu richtende Frage, welches der Wahrspruch der Geschworenen sei, liest derselbe stehend, die Hand aufs Herz gelegt, mit der Einleitung : „Ich bezeuge auf Ehre und Gewibsen vor Gott und den Menschen, die Geschworenen haben die an sie gestellten Fragen beantwortet, wie folgt: die einzelnen Fragen und die darauf ertheilten Antworten ab. Den Fragebogen überreicht er sodann dem Vorsitzenden des Gerichts; dieser und der Gerichtssecretär unterzeichnen denselben. §. 198. 13. Formwidrigkeit, Dunkelheit, Widerspruch oder Unvollständigkeit des Wahrspruchs. Findet das Gericht wegen Formwidrigkeit, Dunkelheit, inneren Widerspruchs oder Unvollständigkeit des Wahrspruchs einen Anstand rücksichtlich der Beantwortung einzelner Fragen, so sind die Geschworenen zu veranlassen, sich wieder in das Berathungszimmer zurückzuziehen und die nöthige Verbesserung eintreten zu lassen. §. 199. 14. Einstimmig abweichende Ansicht des Geriehtshofes. Ist das Gericht einstimmig der Ansicht, dass die Geschworenen den Angeklagten mit Unrecht für schuldig erkannt haben, so ist ein Strafurtheil nicht abzugeben; es sind vielmehr die Verhandlungen an die Anklagekammer einzusenden, damit diese einen anderen Schwurgerichtshof mit der Wiederholung des Verfahrens beauftrage. Findet das Gericht, dass nur in Ansehung eines von mehreren Angeklagten der Wahrspruch der Geschworenen irrig sei, so ist nur in Beziehung iuf diesen das eben erwähnte Verfahren zu beobachten.
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Das ergehende zweite Urtheil hat jedoch durchaus keinen Einfluss auf die übrigen Mitangeklagten. Wird bei der zweiten Verhandlung im gleichen Sinne wie bei der ersteren entschieden, so muss das Gericht sofort zum Urtheile schreiten.
§. 200. 15. Eröffnung des Wahlspruchs. Nachdem die Geschworenen ihre Erklärung vollständig abgegeben haben, lässt der Vorsitzende des Gerichts den Angeklagten vorfahren und ihm dnrch den Gerichtssecrettr jene Erklärung vorlesen.
§. 201. 16. Weiteres Verfahren. Lautete der Wahrspruch der Geschworenen „nicht schuldig!", so verkündet der Gfirichtsvorsitzende sofort die Freisprechung des Angeklagten und verordnet, falls nicht andere Gründe dem entgegenstehen, nötigenfalls seine Haftentlassung. Vergl. jedoch §. 248. Wurde der Angeklagte für schuldig erklärt, so stellt die Staatsanwaltschaft ihre Anträge, welche, wenn sie überhaupt Strafverhängung bezielen, auf eine bestimmte Strafe zu richten sind. B e i V e r m e i d u n g d e r N i c h t i g k e i t hat der Vorsitzende sodann dem Angeklagten das Wort zu ertheilen, um auf die Anträge des Staatsanwaltes seine Verteidigung zu verhandeln; dieselbe darf jedoch nur darauf gerichtet werden, dass die That, wie sie der Ausspruch der Geschworenen feststellt, entweder Oberhaupt nicht strafbar sei, oder einer geringeren, als der beantragten Strafe unterliege. Nach beendigter Verhandlung begiebt sich das Gericht in das Berathungszimmer, um auf den Grund des Wahrspruchs der Geschworenen sein Endurtheil abzugeben. Ist das Gericht der Ansicht, dass die That, deren der Angeklagte durch den Wahrspruch der Geschworenen für schuldig erklärt worden ist, keine gesetzlich strafbare sei, so erlässt es ein freisprechendes Erkenntniss; im entgegengesetzten Falle spricht es die verwirkte gesetzliche Strafe aus, ohne in dieser Beziehung an die Anträge der Staatsanwaltschaft irgendwie gebunden zu sein.
§. 202. 17. Eröffnung des verurtheilenden Erkenntnisses. Wird durch das gesprochene Urtheil irgend eine Strafe gegen den Angeklagten verhängt, so muss Bofort nach der Verkündigung der Präsident ihm eröffnen, dass das Gesetz ihm zwar keine Rechtsmittel gegen diese Entscheidung, wohl aber die binnen drei Tagen einzulegende Nichtigkeitsbeschwerde gestattet §. 203. 18. Zolissigkeit des Einspruchs bei Erkenntnissen auf Ausbleiben. Ist das verortheilende Erkenntniss auf Ausbleiben ergangen, so findet ausser der Nichtigkeitsbeschwerde auch Einspruch gegen dasselbe statt. §. 204. 19. Allgemeine Bestimmung. Alles, was in diesem Abschnitte von der Anklage und dem Angeklagten gesagt ist, gilt, falls nicht eine Beschränkung besonders ausgesprochen ist, in gleicher Weise für die Beschuldigung und den vor den Schwurgerichtshof gestellten Beschuldigten.
Viertes Buch. V o n d e r U n t e r s u c h u n g und B e s t r a f u n g d e r P o l i z e i ü b e r t r e t u n g e n v o r den A m t s g e r i c h t e n . A. I m
Allgemeinen.
§. 205. Im Allgemeinen finden die Vorschriften über Untersuchung schwerer und leichter Straffalle auch auf FolizeiQbertretungen Anwendung. Der Amtsrichter hat die Befugnisse und Verpflichtungen des Untersuchungsrichters.
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Insbesondere. §. 206. 1. Voruntersuchung. In der Regel bedarf es keiner besonderen Voruntersuchung, vielmehr beginnt das richterliche Verfahren sofort mit der Hauptvcrhandlung. Zu diesem Zwecke h a t die Staatsanwaltschaft jeden Straffall durch ihre Ermittelungen und Verhandlungen möglichst soweit aufzuklären, dass eine sofortige Vorladung des Bczüchtigten vor das zuständige Amtsgericht erfolgen kann. Hält jedoch der Staatsanwalt eine Voruntersuchung für erforderlich, so muss er diese bei dem zuständigen Amtsrichter beantragen; verweigert der Amtsrichter die Einleitung, so muss der Staatsanwalt den Beschuldigten zur Hauptverhandlung vorladen lassen, und es findet ein Rechtsmittel gegen jenen Bescheid nur in Verbindung mit dem, gegen die in der Sache selbst abgegebene Entscheidung zur Hand genommenen Rechtsmittel statt. Hat derselbe jedoch die Voruntersuchung eingeleitet, so bann er nur durch einen ausdrücklichen, mit Gründen versehenen Besehluss sich derselben entledigen. §. 207. 2. Ladung zur Hauptverhandlung. Die Ladung des Bezüchtigten zur Hauptverhandlung erfolgt nach Vorschrift des §. 139 Abs. 2 und unter Androhung des Rechtsnachtheils des anzunehmenden Geständnisses. Bei Uebertretungen, welche mit Verweis, mit Widerruf, Abbitte und Ehrenerklärung, mit Geldbusse nicht über 10 Thlr., mit Confiscation einzelner Sachen nicht über 10 Thlr. an Werth, oder mit Gefängnissstrafe nicht über 8 T a g e bedroht sind, kann die Ladung des Bezüchtigten unter Androhung des im vorstehenden Absätze erwähnten Rechtsnachtheils mittelst mündlichcr Eröffnung des Geriehtsunterbedienten erfolgen. Hierbei ist, wo die Zumcssung der Strafe innerhalb bestimmter Grenzen erfolgen muss, das angedrohte höchste Strafmass entscheidend. Die Ausführung der Ladung richtet sich nach den im §. 209 unter No. 5. für die Ladung der Zeugen und Sachverständigen gegebenen Vorschriften. §. 208. 3. Vorläufige Verwahrung und Verhaftung. Eine vorläufige Verwahrung bezieh. Verhaftung ist nur zulässig, wenn der eines Vergehens Verdächtige ein Landstreicher oder der Flucht verdächtig ist, oder auf frischer T h a t betroffen wird, und im letzteren Falle die vorläufige Verwahrung bezieh. Verhaftung zur Sicherung der Ruhe oder des Beweises erforderlich ist. Die Erlassung eines Haftbefehls ist durch vorgiingige Erhebung der öffentlichen Klage nicht bedingt. In dem Haftbefehle ist der Zeitpunct, bis zu welchem die H a f t dauern soll, bestimmt anzugeben. Eine Verlängerung der Haft durch Erneuerung des Haftbefehls ist auf Alitrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft zulässig, wenn entweder die Hauptverhandlung vor Ablauf der bestimmten Zeit nicht stattfinden k a n n , oder der Haftbefehl im Fall der Verurtheilung des Verhafteten zwar n a c h der Hauptverhandhuig, aber v o r Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses abläuft. §- 209. 4. Sonstige Abkürzungen. 1. In das Protokoll der Hauptverhandlung ist nur das Wesentliche aufzunehmen ; vergl. §. 141 und §. 15 und 22 des Anhanges I. Das Protokoll muss namentlich ergeben, ob die Sitzung eine öffentliche gewesen, und dass die abgegebenen Urtheile in ö f f e n t l i c h e r Sitzung verkündet seien. 2. D e r Bezüchtigte darf sich durch einen besonders Bevollmächtigten vertreten lassen; der Amtsrichter ist jedoch das persönliche Erscheinen des Ersteren
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zu verlangen befugt, wenn besondere im Protokolle ausdrücklich anzuführende Gründe solches als zweckmässig erscheinen lassen. 3. Der Befragung des BezQchtigten über persönliche und sonstige allgemeine Verhältnisse, sowie über froher erlittene Bestrafungen bedarf es nur, wenu diese Umstände bei der Entscheidung in Betracht kommen können. 4. Verweigert der Bezflchtigte ohne genügende Grande die Antwort, so ist er, nach vorgängiger fruchtloser Androhung dieser Folge, als der in Frage stehenden Thatsache g e s t ä n d i g zu behandeln. 5. Die Ladung der Zeugen und Sachverständigen zur Hauptverhaudlung kann nach einem Verzeichnisse derselben, welches zugleich den Zweck der Ladung und die Folge des Ausbleibens ergiebt, durch den betreffenden Beamten mündlich erfolgen. Jedem Vorzuladenden ist aus dem Verzeichnisse das ihn Betreffende mündlich zu eröffnen und suf Verlangen ein Auszug gegen Entrichtung der Schreibgebühr zu ertheilen; ist die Ladung an den zu Ladenden nicht persönlich auszurichten, so muss dieselbe durch Behändigung eines Auszuges aus dem betreffenden Register erfolgen. Vergl. auch §. 52. 6. Die Zeugen sind Aber ihre persönlichen Verhältnisse und Beziehungen nur soweit, als dieses für die Würdigung ihrer Aussage erheblich sein kann, zu vernehmen. Eine Beeidigung findet nur statt, wenn sie von dem Bezttchtigtcn, von dem Vertreter der Staatsanwaltschaft oder von dem aufgetretenen Beschädigten auf Befragen verlangt, odor von dem Gerichte für erforderlich erachtet wird. 7. Bei dem Beweise durch Sachverständige ist nach der Wichtigkeit des Gegenstandes, nach der Persönlichkeit der Sachverständigen und nach den übrigen Umständen zu ermessen, ob einer oder mehrere zuzuziehen, und ob eine Beeidigung oder eine Versicherung au Eidesstatt, oder keins von beiden zu erfordern sei. 8. Wird eine Nachinstruction angeordnet, so hat der Amtsrichter dieselbe als Untersuchungsrichter vorzunehmen, zum Schiasse den Bezüchtigten von dem durch die Nachinstruction Ermittelten im Allgemeinen in Kenntniss zu setzen und sodann die ergangenen Verhandlungen dem Vertreter der Staatsanwaltschaft vorlegen zu lassen. 9. Die Einnahme des Augenscheines kann dem Auditor oder dem Actuar, in unwichtigeren Fällen auch einem Gerichtsunterbedienten aufgetragen werden. 10. Die Zuordnung eines Verthcidigers abseiten des Gerichte findet nicht statt. 11. Auf die Urtheile finden die Fonnvorschriften des §. 163 keine Anwendung; auch bedarf es keiner besonderen Ausfertigung derselben. Es genügt, dass die Urtheile in's Protokoll aufgenommen werden und dass sie enthalten: die Entscheidungsgründe, die zur Anwendung gebrachte Strafbestimmung und die Entscheidung über Strafe und Kosten, sowie über den Anspruch des etwa aufgetretenen Beschädigten. Eine Unterzeichnung der Protokolle und Urtheilsausfertigungen Seitens der Schöffen findet nicht statt. Die als erwiesen angenommene That, mag das Gericht sie für strafbar oder straflos halten, ist nach Vorschrift des §. 156 in dem e n t s c h e i d e n d e n Theile des Urtheils ausdrücklich hervorzuheben, es wäre denn, dass der Thatbestand im Urtheile durch Bezugnahme auf die schon im Sitzungsprotokolle enthaltene Beschuldigung mit gehöriger Deutlichkeit und Vollständigkeit bezeichnet werden könnte. 12. Erscheint der Bezüchtigte im Verhandlungstermine nicht, so kann die Verhandlung der Sache nach Anhörung des Vertreters der Staatsanwaltschaft auf eine spätere, sofort zu bestimmende Gerichtssitzung vertagt werden, wenn spätestens beim Aufruf der Sache ein genügender Behinderungpgrund für den Bezüchtigten angezeigt und wahrscheinlich gemacht wird. 13. Wird gegen den Bezüchtigten auf Ausbleiben verfahren, so bedarf es einer Beweisaufnahme nicht, wenn das anzunehmende Zugeständnis zur Fesstellung der That- und Schuldfrage genügt.
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Ucber die Behändigung des mündlich zu verkündenden Urtheils und die Befugnis» des Verurtheilten, eine Ausfertigung des Urtheils zu verlangen, vergl. §• 165. Als Urtheilsausfertigung gilt ein Auszug aus dem Sitzungsprotokolle, welcher die Beobachtung der vorgeschriebenen Formen, und ausser dem Urtheile die erhobene Beschuldigung enthalten muss. 14. In allen auf Geldstrafe lautenden Urtheilen ist die f ü r den Fall des Unvermögens des Verurtheilten statt derselben eintretende Gefängniss- oder Arbeitestrafe sofort festzustellen, wenn das Gericht das Zahlungsvermögen des Verurtheilten f ü r zweifelhaft hält Die Urtheile, in welchen statt der verwirkten Geldstrafe sofort wegen Unvermögens des Beschuldigten eine entsprechende Gefängnis»- oder Arbeitsstrafe erkannt wird, müssen die verwirkt« Geldstrafe ergeben. §. 210. 5. Verhältniss des Beschädigten. Jeder, welcher sich durch eine Polizeiübertretung in seinen Vermögensrechten oder seiner Ehre verletzt hält, kann seinen Anspruch, sofern derselbe den Werth von 2 5 Thlr. nicht übersteigt, oder auf Privatgenugthuung gerichtet ist, als „ B e s c h ä d i g t e r " in dem gegen den Bezüchtigten eingeleiteten Strafverfahren geltend machen und demselben zu dem Ende nach Massgabe der folgenden Bestimmungen sich anschliessen. D e r Beschädigte hat seine Anträge in der Hauptverhandlung vor dem Schlüsse der Verhandlung zu stellen. H a t derselbe gegen den Vertreter der Staatsanwaltschaft spätestens 8 T a g e vor der angesetzton Sitzung die Absicht zu erkennen gegeben, seine Ansprüche im Strafverfahren geltend zu machen, so ist er von der Ansetzung des Verhandlungstermins zu benachrichtigen. E r ist befugt, Zeugen und Sachverständige vorladen zu lassen oder dem Gerichte vorzuführen und deren Vernehmung zu beantragen; die von ihm denselben zu zahlende Entschädigung wird nötigenfalls nach Vorschrift der bürgerlichen Processordnung vom Richter festgesetzt. Ueber die Vertretung des Beschädigten durch einen Bevollmächtigten, namentlich deren Zulässigkeit und Kosten, entscheiden die Bestimmungen der bürgerlichen Processordnung. Das Gericht erkennt zugleich über die öffentliche Klage und den Anspruch des Beschädigten. Letzterer ist in's Civilverfahrcn zu verweisen, wenn das Gericht e n t w e d e r den Bezüchtigten von Strafe freispricht, oder den Anspruch des Beschädigten für unbegründet, o d e r denselben in dem Zeitpuncte, wo die Entscheidung über die öffentliche Klage erfolgen kann, f ü r nicht spruchreif hält. Sind von dem Beschädigten v e r s c h i e d e n e Ansprüche erhoben, so ist eine theilweise Verweisung derselben in's Civilverfahrcn neben theilweiser Verurtheilung des Bezüchtigten zulässig. Im Falle der Verweisung sind die durch Geltendmachung des betreffenden Anspruchs veranlassten besonderen Kosten, sofern ein Civilverfahrcn nachfolgt, von dessen Ausgange abhängig. Dem Beschädigten fallen die etwa vor der Hauptverhandlung durch Geltendmachung seines Anspruchs veranlassten Kosten zur Last, wenn er in der Hauptverhandlung ausbleibt oder keine Anträge in derselben stellt. Wenn der Bezüchtigte dein Beschädigten gegenüber verurtheilt wird, ist zugleich über die durch das Auftreten des Letzteren veranlassten Kosten nach den für das Civilverfahrcn geltenden Bestimmungen zu entscheiden. Dem Beschädigten steht es übrigens frei, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit des ergangenen Erkenntnisses von der Verfolgung seiner Ansprüche im Strafverfahren zurückzutreten und dieselben im Civilverfahren zu verfolgen; in diesem Falle h a t er die durch sein Auftreten veranlassten besonderen Kosten zu tragen.
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§. 211. 6. Verfahren bei Unzuständigkeit Erklärt das Gericht sich für unzuständig, weil ein leichter oder schwerer Straffall vorliege, so muss es die Uebermittelung der Verhandlungen an die zuständige Staatsanwaltschaft verfügen. In diesem Falle ist der etwa aufgetretene Beschädigte in's Civilverfahren zu verweisen. C. V e r f a h r e n d u r c h S t r a f b e f e h l . §. 212.
1. Bei allen Polizeiflbertretungen, durch welche eine Geldstrafe nicht Ober 25 Thlr. verwirkt ist, kann auf schriftlichen Strafantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft eine vorläufige Verurtheilung des Verdächtigen, ohne dass er zuvor gehört wird, durch schriftlichen S t r a f b e f e h l erfolgen. Der Strafbefehl kann sich auf den Anspruch des durch die Uebertretung Beschädigten erstrecken, wenn derselbe nach Grund und Umfang bei dem Vertreter der Staatsanwaltschaft angegeben und von diesem in den Strafantrag aufgenommen ist. 2. Der Strafantrag muss die zur Strafe zu ziehende That und die in Anwendung zu bringende Strafbestimmung anfQhren, sowie einen bestimmten Antrag in Betreff des Strafmasses bezieh, des Anspruchs des etwa vorhandenen Beschädigten enthalten. 3. Der Amtsrichter ist befugt, den geltend gemachten Anspruch des Beschädigten in dem Strafbefehle ganz oder theilweise unberücksichtigt zu lassen und die Verurtheilung auf Strafe und Kosten zu beschränken, wenn und soweit er den ersteren für unbegründet oder für zweifelhaft hält. 4. Der eine Verurtheilung des Bezüchtigten enthaltende Strafbefehl ist demselben in schriftlicher Ausfertigung zu behändigen. Eine mit der Behändigungsurkunde versehene Abschrift der Ausfertigung erhält der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der etwa aufgetretene Beschädigte, sowie die etwa für Strafe und Schaden haftende dritte Person (vergl. §. 234 des Polizeistrafgesetzes vom 25. Mai 1847). Von den die Verurtheilung ablehnenden Verfügungen ist nur dem Vertreter der Staatsanwaltschaft bezieh, dem Beschädigten Kenntniss zu geben. 5. Die auf den Strafantrag erfolgende Verfügung des Amtsrichters steht in Ansehung des Inhalts unter den Vorschriften des §. 209 No. 11 und 14. Der eine V e r u r t h e i l u n g enthaltende Strafbefehl soll überdies die Auflage an den Verurtheilten enthalten, e n t w e d e r die erkannte Strafe u. s. w. binnen zu bestimmender Frist bei dem zu bezeichnenden Empfangsberechtigten einzuzahlen, o d e r binnen zweiwöchiger Frist, von Behändigung des Befehls an gerechnet, unter Rücklieferung desselben, gegen die Verurtheilung auf der Gerichtschreiberei oder mittelst schriftlicher Eingabe Widerspruch anzumelden. In dem Befehle soll zugleich für den Fall des erfolgenden Widerspruchs zur Aburtheilung der Sache eine Gerichtssitzung bestimmt und der Bezüchtigte zu derselben unter dem Rechtsnachtheile' des Zugeständnisses geladen werden. Die Sitzung ist soweit hinauszusetzen, dass vom Ablaufe der Widerspruchsfrist an bis zum Sitzungstage ein Zeitraum von etwa 14 Tagen freibleibt. 6. Gegen die Verfügung des Amtsrichters, sei sie verurtheilend oder die beantragte Verurtheilung ganz oder theilweise ablehnend, findet ein Rechtsmittel nicht statt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft ist aber bei gänzlicher oder theilweiser Ablehnung befugt, zur Aburtheilung des Straffalls das regelmässige Verfahren einzuleiten. Der Strafbefehl tritt in diesem Falle auch rücksichtlich des etwa aufgetretenen Beschädigten ausser Kraft. Von der Einleitung des regelmässigen Verfahrens ist der Bezüchtigte vor
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Zahlung der Strafe u. s. w., eintretenden Falles auch der Beschädigte zeitig zu benachrichtigen. Auch dem Beschädigten bleibt es, im Falle der nur theilweisen Verurtheilung des Bezichtigten hinsichtlich seines Anspruchs freigestellt, aus dem Strafverfahren unter Uebernahme der durch sein Auftreten etwa veranlassteu Kosten zurückzutreten. 7. Zur Anmeldung des Widerspruchs bedarf ein Vertreter des Verurtheilten keine Vollmacht. 8. Dem Verurtheilten ist gestattet, gegen den Strafbefehl, soweit er den Anspruch des Beschädigten bezielt, a l l e i n Widerspruch anzumelden. Ein ohne ausdrückliche Beschränkung angemeldeter Widerspruch gilt als Widerspruch gegen den ganzen Inhalt des Strafbefehls. 9. Soweit Widerspruch rechtzeitig angemeldet wird, tritt der Strafbefehl ausser Kraft. Die vom Verurtheilten zurückgelieferte Ausfertigung desselben ist mit einem Vermerke über den angemeldeten Widerspruch zu versehen und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, für den Fall a b e r , dass der Widerspruch nur den Anspruch des Beschädigten betrifft, dem Letzteren, unter Verweisung der Sache in das Civilverfahren, zuzufertigen. Wird bei Anmeldung des Widerspruchs die Ausfertigung von dem Bezüchtigten nicht zurüokgeliefert. so ist auf seine Kosten zu dem im vorhergehenden Absatz erwähnten Zwecke ein neues Exemplar auszufertigen. Tritt das regelmässige Verfahren ein, so ist der Beschädigte von der Einleitung desselben zeitig durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen. 10. Folgt dem Mandatsverfahren das regelmässige Straf- oder Civilverfahren, so sind die Kosten des ersteren von dem Ausgange des letzteren abhängig. 11. Der verurtheilende Strafbefehl steht in seinen Wirkungen dem im regelmässigen Verfahren ergangenen Urtheile gleich (vergl. auch §. 46), und ist wie dieses vollstreckbar, wenn innerhalb der gestatteten Frist von dem vorläufig Verurtheilten Widerspruch nicht angemeldet wird. Der Verurtheilte ist jedoch b e f u g t , innerhalb dreitägiger Frist, augerechnet von dem Tage, an welchem ihm wegen Vollstreckung des Strafbefehls Eröffnung gemacht ist, Einspruch zu erheben, wenn erweislich der Strafbefehl ohne seine Schuld ihm unbekannt geblieben ist, oder der Anmeldung des Widerspruchs unüberwindliche Hindernisse im Wege gestanden haben. 12. Die Vollstreckung erfolgt nach Massgabe der Vorschriften über die Vollstreckung von Strafurtheilen. FDnrtes B u c h . Von
dem R e c h t s m i t t e l der B e r u f u n g g e g e n U r t h e i l e S t r a f k a m m e r und der Amtsgerichte.
der
§• 213. 1. Allgemeine Bestimmungen. Jedes von einer Strafkammer oder einem Amtsgerichte abgegebene Urtheil kann, falls nicht das Gegentheil ausdrücklich ausgesprochen ist, sowohl von dem Beschuldigten als auch von der Staatsanwaltschaft durch das Rechtsmittel der B e r u f u n g angegriffen werden; diese Bestimmung gilt auch hinsichtlich derjenigen Urtheile, durch welchen eins der genannten Gerichte sich für unzuständig erklärt. Doch sollen die Polizeistrafurtheile, welche nur auf Geldbusse von einem Thaler oder weniger lauten, von dem Verurtheilten n i c h t angefochten werden können. Durch die Berufung kann nur eine Abänderung zum Vortheile des Berufenden herbeigeführt werden; der unangefochtene Theil des Urtheils erster Instanz tritt in Vollstreckbarkeit. Vergl. jedoch §. 218.
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Es ist der Staatsanwaltschaft n i c h t gestattet, von diesem Rechtsmittel zum Besten des Angeschuldigten Gebrauch zu machen. Gegen eine lediglich die Kosten des Verfahrens bezielende Entscheidung findet keine Berufung statt. §. 214. 2. Einlegung. Die Berufung muss bei Strafe des Verlustes innerhalb zehn Tagen nach der VerkQndigung des Urtheils entweder zu Protokoll des Gerichtschreibers oder in schriftlicher Eingabe eingelegt werden. Bei den auf Ausbleiben gegen den Beschuldigten ergangenen Urtheilen läuft diese Frist vom Tage der Zustellung des Urtheils (vergl. §. 52), bei den im §. 165 erwähnten, einer Behändigung nicht bedürfenden Urtheilen in Polizeistrafsachen jedoch vom Tage der Verkündigung. Ausnahmsweise sollen jedoch die auf Ausbleiben ergangenen Entscheidungen, durch welche der Angeschuldigte zu einer Geldstrafe verurtheilt ist, ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit eines Rechtsmittels sofort nach ihrer Abgabe einstweilen vollstreckbar sein; diese einstweilige Vollstreckung geht in eine definitive über, wenn entweder die Frist für die Geltendmachung des etwa zulässigen Rechtsmittels unbenutzt verstrichen, oder wenn das zur Hand genommene Rechtsmittel von dem zuständigen Gerichte als unbegründet verworfen ist (vergl. §. 169). §. 215. 3. Besondere Vorschriften für den Fall des Vorhandenseins eines Beschädigten. Dem Beschädigten steht das Rechtsmittel der Berufung nicht zu; rücksichtlich der Anschliessungsbefugniss desselben, vergl. jedoch §. 218. Der Bezüchtigte hat die Berufung gegen die über den Anspruch des Beschädigten ergangene Entscheidung nur in dem Falle, wenn er gleichzeitig wegen des über die öffentliche Klage ergangenen Urtheils Berufung verfolgt. Gegeil die Verweisung des Beschädigten in's Civilverfahren steht ihm die Berufung nicht zu. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft kann rücksichtlich der Entscheidung über den Anspruch des Beschädigten die Berufung nicht verfolgen. Der Zutritt eines Beschädigten, welcher in erster Instanz nicht aufgetreten war, zu dem bereits in zweiter Instanz sich befindenden Verfahren ist unstatthaft §• 216. 4. Verfahren nach der Einlegung bis zur Verhandlung. Nach Ergreifung der Berufung hat der Verurtheilte eine achttägige Frist, innerhalb welcher er Einsicht der Acten fordern darf. Nach Ablauf dieser Frist hat der Gerichtschreiber die Acten der Staatsanwaltschaft vorzulegen, und diese lässt sie innerhalb 24 Stunden an den bei dem Berufungsgerichte angestellten Staatsanwalt gelangen. Letzterer lässt zu der auf seinen Antrag von dem Gerichtsvorsitzenden bestimmten Sitzung den Beschuldigten und den in erster Instanz etwa aufgetretenen Beschädigten vorladen. §. 217. 5. Verfahren vor dem Berufungsgerichte. Nach Eröffnung der Sitzung hat der Berufende zunächst seine Beschwerden aufzustellen, falls solchcs nicht bereits bei der Einlegung geschehen sein sollte. Unterlägst es derselbe, bestimmte Beschwerdepuncte zu bezeichnen, so ist die Berufung als gegen alle ihm nachtheilige Theile des Urtheils gerichtet anzusehen. Der Gerichtschreiber hat die in dem vorstehenden Absätze erwähnte Erklärung des Berufenden in dem Sitzungsprotokolle zu vermerken. Nachdem sodann der Beschuldigte Uber seine persönlichen Verhältnisse vernommen ist, hält der vom Vorsitzenden ernannte Berichterstatter einen den Stand der Sache darlegenden Vortrag. Es können hierbei ausser dem Urtheile erster Instanz, dessen Verlesung stets
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geschehen soll, verschiedene andere ActenstQcke verlesen werden, z. B. Erklärungen des Beschuldigten, Zeugenaussagen, Gutachten der Sachverständigen u. d. m. Hierauf findet die Vernehmung des Beschuldigten und die Beweisaufnahme statt, insoweit solche vom Gericht« fQr erforderlich erachtet wird. Die Parteien sind befugt, auch in dieser Instanz Zeugen vorzuführen. Hiemächst werden die Parteien, und zwar zunächst die berufende, mit ihren Antrügen gehört; dem Beschuldigten gebührt das letzte Wort. Sind von dem Berufenden gegen das Urtheil erster Instanz bestimmte Beschwerden aufgestellt, so ist das Gericht bei der abzugebenden Entscheidung an dieselben gebunden. Das vom Amtsgerichte im Polizeiverfahren gegen den entbliebenen Bezüchtigten angenommene Geständniss (vergl. §. 209 Nr. 13) bleibt auch für die Berufungsinstanz in Kraft, wenn der Rechtsnachtheil des anzunehmenden Geständnisses mit Recht ausgesprochen war. Hat der Beschuldigte die Berufung zur Hand genommen und erscheint derselbe genügender Ladung unerachtet in der anberaumten Sitzung weder persönlich, noch in den Fällen, wo solches zulässig, dessen Vertreter, so ist die Berufung unter Verurtheilung des Beschuldigten in die Kosten des Verfahrens sofort zu verwerfen. Gegen dieses Erkenntniss findet der Einspruch statt nach Massgabe der §§. 169 und folgende. Im Uebrigen kommen für das Verfahren vor dem Berufungsgerichte die Vorschriften über (Ins Verfahren vor der Strafkammer zur Anwendung. §. 218. 6. Adhäsion. Der von dem Beschuldigten beziehw. der Staatsanwaltschaft verfolgten Berufung kann die Gegenpartei bis zur Abgabe des Bcrufungsurtheils sich anschliessen. Eine gleiche Befugniss steht dem in erster Instanz aufgetretenen Beschädigten zu rücksichtlieh der über seinen Anspruch ergangenen Entscheidung. §. 219. 7. Vernichtung des früheren Urtheils. Findet das Berufungsgericht, dass das Erkenntniss erster Instanz oder das ihm vorhergegangene Verfahren an einem Fehler leidet, welcher gegen ein in letzter Instanz ergangenes Urtheil die Nichtigkeitsbeschwerde begründen würde, so vernichtet es die frühere Entscheidung und ist befugt, sofort in der Sache selbst die endliche Entscheidung abzugeben. §. 220.
8. Anrechnung der Haft auf die Strafe. Befindet der Beschuldigte sich während der Verhandlung in Haft, so kann, falls diese Haft ohne sein Verschulden verlängert wurde, das Berufungsgericht ihm dieselbe ganz oder zum Theil auf die abzubüssende Freiheitsstrafe in Abrechnung bringen.
Sechstes Buch. V o n dem R e c h t s m i t t e l
der
Nichtigkeitsbeschwerde.
§. 221. 1. Zulässigkeit. Gegen alle in l e t z t e r I n s t a n z ergangene Urtheile e r k e n n e n d e r Strafgerichte findet die N i c h t i g k e i t s b e s c h w e r d e an das vorgesetzte Gericht in folgenden Fällen statt: 1. wenn in dem seit Beendigung der Voruntersuchung stattgehabten Verfahren oder bei Fällung des Urtheils Formen oder Vorschriften, deren Beobachtung bei Strafe der Nichtigkeit vorgeschrieben ist, unbeachtet geblieben sind; Der Staatsanwalt kann seine Nichtigkeitsbeschwerde nicht auf die Nicht-
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beobachtung derjenigen Formen stützen, welche lediglich das Interesse der Vertheidigung bezwecken, 2. wenn das Gericht, von welchem die angegriffene Entscheidung aasging, unzuständig war; Die ursprügliche Unzuständigkeit eines Gerichts wird jedoch beseitigt durch den die Zuständigkeit aussprechenden Beschluss eines vorgesetzten Gericht«, und die auf die örtliche Begrenzung der Gerichtsbezirke gestatzte Unzuständigkeit kann nur von demjenigen als ein Nichtigkcitsgrund geltend gemacht werden, welcher diesen Unzuständigkeitsgrund bereits vor dem erkennenden Gerichte zur Geltung zu bringen gesucht hat; 3. wenn mit Unrecht eine Unzuständigkeitserklärung des zur Entscheidung berufenen Gerichts erfolgt ist; 4. wenn das dem Angeschuldigten gebührende Recht auf Verteidigung entweder gänzlich abgeschnitten oder wesentlich beschränkt ist; 5. wenn das erkennende Gericht es versäumt oder sich geweigert hat, über eineu von irgend einer Partei gestellten Antrag, dessen Zweck die Geltendmachung einer vom Gesetze ertheilten Befugniss war, zu entscheiden, eine Nachholung dieser Entscheidung aber durch Angehung jenes Gerichts nicht zu erreichen steht; Diesen Nichtigkeitsgrund ist nur der Antragsteller geltend zu machen befugt, und der Angeschuldigte niemals, so oft seine Freisprechung erfolgte; 6. wenn die über die Zulässigkeit der öffentlichen Klage im §. 40 gegebenen Vorschriften verletzt sind, und in Folge dessen eine Verurtheilung des Angeschuldigten stattgefunden hat; 7. wenn gegen den Angeschuldigten wegen einer Handlung, welche das Gesetz nicht mit Strafe bedroht, eine Strafe verhängt ist, oder wenn der Richter auf eine von dem Gesetze für das Verbrechen nicht angedrohte Strafe erkannt, oder bei Zumessung der Strafe das höchste Mass der fUr jenes in den Criminalgesetzen angedrohten Strafe überschritten hat; 8. wenn das Gericht den Angeschuldigten freisprach, weil es mit Unrecht die als erwiesen angenommene That für eine straflose hielt, oder bei Zumessung der Strafe unter das geringste Mass der für das fragliche Verbrechen in den Criminalgesctzen angedrohten Strafe hinabging; Der Angeschuldigte selbst kann sich über diese Entscheidung niemals beschweren; 9. wenn das Gericht eine verurtheilende oder freisprechende Entscheidung abgegeben hat hinsichtlich einer That, welche gar nicht Gegenstand der öffentlichen Klage war; Der Angeschuldigte kann sich über eine solche Entscheidung nur beschweren, falls sie ihn verurtheilt; 10. wenn das Gericht bei Zuerkennung des Anspruchs des Beschädigten über dessen Antrag hinausgegangen ist; Diesen Nichtigkeitsgrund kann nur der Bezüchtigte geltend machen; 11. wenn das Gericht eine Verfügung erliess, zu deren Erlass das Richteramt überhaupt die Befugniss nicht ertheilt; Der Angeschuldigte kann sich dieses Nichtigkeitsgrundes nur bedienen, falls die Verfügung gegen ihn selbst gerichtet ist; 12. wenn gegen dieselbe Person wegen derselben Handlung zwei Erkenntnisse abgegeben sind; Das zuletzt abgegebene ist durch die Nichtigkeitsbeschwerde zu beseitigen. Ist das erste Erkenntnis» von einem a u s l ä n d i s c h e n Gerichte abgegeben, so findet der angeführte Nichtigkcitsgrund unter der Voraussetzung statt: dass der Staat, dessen Gericht das Urtlieil abgegeben hat, kraft öffentlich bekannt gemachter Staatsverträge berechtigt war, die Auslieferung des Beschuldigten zur Aburthcilung zu verlangen; oder dass die Auslieferung des Beschuldigten, bezichw. die Vollstreckung des Strafurtheils in Folge besonderer Vereinbarung verfügt oder zugesagt ist; oder Sammlung (li-r 11. d. Gi'Si'tzr.
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dass diu von dem ausländischen Gerichte erkannte S t r a f e rollständig verbüsst ist. Leidet eine in e r s t e r Instanz abgegebene Entscheidung an einem d e r in diesem P a r a g r a p h e n angeführten Mängel, so ist dieser Nichtigkeitsgrund bei S t r a f e des V e r l u s t e s durch das Rechtsmittel der Berufung geltend zu machen, darf a b e r zur Begründung einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das in z w e i t e r Instanz erg a n g e n e Urtheil niemals benutzt werden. Ausnahmsweise ist diese Benutzung gestattet, wenn der B e s c h w e r d e f ü h r e r nachzuweisen vermag, dass ihm j e n e r Nichtigkeitsgrund nicht zeitig genug b e k a n n t war, um ihn in der Berufungsinstanz geltend machen zu k ö n n e n . D e m B e s c h ä d i g t e n ist nur gestattet, um eine günstigere Entscheidung über seinen Entschädigungsanspruch herbeizuführen, der von dem Bezüchtigten o d e r von der Staatsanwaltschaft verfolgten Nichtigkeitsbeschwerde sich a n z u s c h l i e s s e n in dem F a l l e der Nr. 1, wenn nicht die unbeachtet gebliebene F o r m lediglich das Interesse der V e r t e i d i g u n g bezweckt, ferner in den Fällen der Nr. 3 , 5 und 8 , so wie der Nr. 11, falls die Verfügung des Gerichts gegen den Beschädigten selbst gerichtet ist. §. 2 2 2 . 2 . Einlegung und Ausführung. Die Nichtigkeitsbeschwerde muss innerhalb 3 T a g e n unter bestimmter Ang a b e des einzelnen Nichtigkeitsgriindes mündlich zu P r o t o k o l l des Gericht schreibers oder schriftlich eingelegt und innerhalb fernerer 7 T a g e gerechtfertigt werden. Diese F r i s t beginnt zu laufen vom T a g e der Verkündigung des beschwerenden Urtheil»; ist dasselbe j e d o c h auf Ausbleiben ergangen, so beginnt der L a u f der F r i s t vom T a g e der Behändigung, bei den im §. 1C5 erwähnten, einer B e händigung nicht bedürfenden Urtheilen in Polizeistrafsachen a b e r vom T a g e der erfolgten Verkündigung des Urtheil». E r f o l g t die Kinlegung Seitens des Beschuldigten mittelst einer Schrift, so muss dieselbe von einem Advocaten unterschrieben sein. D e r Vertheidiger und V e r treter des Beschuldigten bedarf zur Einlegung und Verfolgung der N i c h t i g k e i t s beschwerde einer besonderen Vollmacht. P e r Staatsanwalt muss, falls er die Nichtigkeitsbeschwerde zur Ilatnl nimmt. dein anwesenden Angeschuldigten innerhall) 24 Stunden, nachdem die Einlegung geschah, eine Abschrift der Einlegungsschrift. oder des über den A c t der Einlegung aufgenommenen P r o t o k o l l s , und binnen ."> T a g e n nach Einreichung der R c c h t fertigungsschrift eine Abschrift auch dieses ActenstiUkcs einhändigen. 22:5. ;!. Ferneres Verfahren. Innerhalb 2 1 Stunden nach Eingang der Kechtfcrligungsschrift hat der G c riehtsehreiber die A d e n dem Staatsanwalt«* vorzulegen und dieser übersendet dieselben an den Staatsanwalt des für die Entscheidung der erhobenen Beschwerde zuständigen Gerichts. Sind die in dem ij. 2 2 2 Abs. 1 3 erwähnten F r i s t e n und F o r m e n nicht beobachtet, oder hat der Beschwerdeführer gar keinen Nichtigkeitsgrund angeführt, oder die Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein U r t h e i l erhoben, welches der Anfechtung im W e g e der Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt nicht unterliegt, so ist das Gericht befugt, die Nichtigkeitsbeschwerde in b e r a t h e n d e r Sitzung a u f V o r t r a g eines von dem Vorsitzenden ernannten Berichterstatters zurückzuweisen, w e n n die Staatsanwaltschaft solches beantragt. §. 2 2 4 . F i n d e t die im letzten Absatz des §. 2 2 3 erwähnte V o r s c h r i f t keine Anwendung, so hat der Vorsitzende des Gerichts zur Verhandlung der S a c h e auf A n t r a g der Staatsanwaltschaft eine vorher öffentlich b e k a n n t zu machende Sitzung zu bestimmen.
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Der Vorladung des Beschuldigten oder des Beschädigten bedarf es nicht. Der vom Vorsitzenden ernannte Berichterstatter entwickelt den Stand der S a c h e ; es steht sodann dem freiwillig erschienenen Beschuldigten oder dem Beschädigten oder deren Rechtsbeiständen frei, sachdienliche Bemerkungen zu machen, worauf der Staatsanwalt seinen Antrag stellt, stets gebohrt dem Angeschuldigten das letzte Wort. Die Beiordnung eines Vertheidigers zur mündlichen Ausfahrung der Nichtigkeitsbeschwerde findet nicht statt. §. 225. 4 . Entscheidung des Gerichts. D a s Gericht darf bei der sofort abzugebenden Entscheidung nur die bei der Einlegung beziehw. die von dem Beschädigten im Verhandlungstermine geltend gemachten Niehtigkeitsgründe berücksichtigen. Hält das Gericht die erhobene Beschwerde für begründet, so vernichtet es die ergangene Entscheidung. Liegt der Grund der Vernichtung nicht in Mängeln des Verfahrens, sondern in dem Erkenntnisse selbst, so hat das Gericht unter Vernichtung desselben die nunmehr nothwendig werdende Entscheidung über die Sache selbst abzugeben. Liegt dagegen der Niehtigkeitsgrund in Mängeln des Verfahrens, so beschränkt sich das Erkenntniss darauf, das Verfahren von Zeit des eingetretenen Nichtigkeitsgrundes an bis zu dem abgegebenen Erkenntnisse einschliesslich zu vernichten und dessen Erneuerung, soweit solche möglich und nothwendig, vor dem erkennenden Gerichte zu verordnen. In diesem Falle, oder wenn die in der Sache selbst abzugebende Entscheidung zuvor einer Nachinstniction bedarf, soll die Sache in der Regel an das frühere oder ein anderes Gericht gleichen Ranges zurückgewiesen werden. Findet eine solche Zurückweisung statt, so muss das Gericht, dem die Sache zugewiesen ist, nicht allein sich für zuständig erkennen, sondern es ist auch gehalten, diejenigen rechtlichen Grundsätze, welche das über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidende Gericht anerkannt und der ausgesprochenen Vernichtung zum Grunde gelegt hat, als massgebend anzuerkennen und der von ihm abzugebenden Entscheidung gleichfalls zum Grunde zu legen. Eine Verletzung dieser Regel begründet, sowie das Vorhandensein eines der im §. 2 2 1 aufgeführten Gründe, auch gegen diese Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde. Rücksichtlicli des Anspruchs des Beschädigten kann eine Zurückweisung an das frühere, oder an ein anderes Strafgericht nicht erfolgen. Statt derselben findet vielmehr die Verweisung des Anspruchs in das Civilverfahren statt. §. 226. Wird die vom Angeschuldigten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verworfen, so ist er in die Kosten des Verfahrens zu verurtheilen. Die durch die Anschliessung des Beschädigten erwachsenen Kosten fallen dem Letzteren zur Lust, falls er mit seinen Anträgen zurückgewiesen wird. §. 227. 5. Nichtigkeitserklärung eines Schwurgerichtsurtheils. Wird ein schwurgerichtliehes Urtheil vernichtet, so treten, wenn mit der richterlichen Beurtheilung auch die thatsächliche Entscheidung vernichtet wird, die Bestimmungen des vorhergehenden Paragraphen ein. Bleibt jedoch der Wahrspruch der Geschworenen bestehen, so ist die Sache, falls nicht der Strafsenat sie an sich nimmt, an die Berufungskammer eines Obergerichts zu verweisen. Tritt eine erneuerte Verhandlung ein, so muss in allen Fällen, in welchen bei der Verhandlung vor dem Schwurgerichtshofe dem Angeklagten ein Vertheidiger von Aintswegen zu bestellen war, dies auch hier geschehen. 12*
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§. 228. G. Nichtigkeitsbeschwerde im Interesse des Gesetzes. Der Oberstaatsanwalt darf in allen Fällen, in welchen ein Strafgericht, der Vorsitzende desselben oder ein Untersuchungsrichter durch ein l'rtheil, eine Verfügung oder eine sonstige Amtshandlung eine gesetzliche Vorschrift verletzt oder falsch angewandt oder die Grenzen seiner Befugnisse übersehritten hat, falls nicht bereit* von den Parteien oder dem bei dein betreffenden Gerichte angestellten Staataanwaltc innerhalb der gesetzlichen Frist ein Rechtsmittel zur liand genommen ist, die N i c h t i g k e i t s b e s c h w e r d e z u r W a h r u n g d e s Gesetzes erheben. Diese Beschwerde ist an keine Frist gebunden; sie darf jedoch erst nach Ablauf derjenigen Frist benutzt werden, innerhalb welcher den Parteien selbst ein Rechtsmittel zu ergreifen gestattet war. Die Erhebung erfolgt mittelst eines dem Vorsitzenden des Cassationssenats zu überreichenden schriftlichen und begründeten Antrages. Die nähere Ausführung kann schriftlieh oder mündlich in einer anzuberaumenden öffentlichen Sitzung geschehen. Der G'assationssenat entscheidet nach Anhörung eines Berichterstatters in berathender Sitzung, ohne dass abschriftliche Zustellung des Antrages an den Angeschuldigten nothwendig, oder das Auftreten eines Anwaltes für ihn zulässig wäre. Wird die Vernichtung zur Wahrung des Gesetzes ausgesprochen, so ist zugleich der Antrag des Oberstaatsanwaltes und das vernichtende Urtheil dem betreffenden Gerichte zuzustellen. Die Entscheidung wird dem Oberstaatsanwälte in beglaubigter Ausfertigung mitgetheilt, bleibt aber ohne allen Einflnss für den Angeschuldigten oder den Beschädigten. Wird ein verurtheilendes Erkenntniss aus dem Grunde zur Wahrung des Gesetzes vernichtet, weil entweder die Verhängung einer Strafe überhaupt unzulässig, oder weil eine für den vorliegenden Fall zu hohe Strafe verhängt ist, so hat der Cassationssenat .sofort die gänzliche oder theilweise Begnadigung des Vcrurtheilten zu beantragen. S i e b e u t e s Blich. Von der W i e d e r a u f n a h m e des S t r a f v e r f a h r e n s . §. 229. 1. Fälle der Zulässigkeit. Hat ein erkennendes Gerieht ein Strafverfahren durch eine Entscheidung beendet, gegen welche weder das Rechtsmittel der Berufung, noch die Nichtigkeitsbeschwerde fernerweit zulässig ist, so darf dieses Verfahren dennoch wiederum aufgenommen werden: 1. wenn zwei Personen wegen einer und derselben verbrecherischen Handlung durch zwei verschiedene Erkenntnisse verurtheilt worden, welche mit einander unvereinbar sind, indem aus der Vergleiehung derselben die Unschuld einer der verurtlieilten Personen hervorgeht; 2. wenn Jemand wegen Tödtung verurtheilt worden ist, später aber durch neue Beweismittel wahrscheinlich gemacht wird, dass die angeblieh getodtete Person noch lebt oder doch nach der Zeit der angeblieh erfolgten Tödtung noch gelebt hat; 3. wenn ein oder mehrere Zeugen, welche bei den gerichtlichen Verhandlungen über einen bestimmten Straffall vernommen wurden, wegen ihres in Beziehung auf diesen Straffall abgeleisteten falschen Zeugnisses verurtheilt worden sind; oder auch, wenn wegen Fälschung oder wissentlich rechtswidrigen Gebrauches einer falschen Urkunde, welche bei den gerichtlichen Verhandlungen als Beweisstück diente, eine Verurthcilung, sei es des Angeschuldigten, sei es einer dritten Person erfolgt ist;
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Strafprocess-OrdnuDg vom 5. April 1859.
4 ) wenn einer der Richter, welche an der oben bezeichneten Entscheidung Thvil genommen haben, wegen rechtewidriger Zuerkennung der verhängten Strafe, oder wegen einer bei dieser Gelegenheit verübten Beugung des Rechtes, oder wenn der Angeschuldigte oder ein Dritter als Anstifter zu den eben gedachten pflichtwidrigen Handlungen des erkennenden Richters rechtskräftig vcrurtheilt ist. §. 2 3 0 . 2. V o n den Personen,
welche die Wiederaufnahme ferneren Verfahren.
beantragen
dürfen,
und dem
D i e Wiederaufnahme eines Strafverfahrens wird durch die Vollstreckung des Erkenntnisses nicht gehindert. Selbst nach dem Tode des Angeschuldigten kann sie gegen ein verurtheilcndes Erkenntniss nicht allein Von der Staatsanwaltschaft, sondern auch von jeder dritten Person zum Zwecke der Nichtigkeitserklärung jenes Erkenntnisses nachgesucht werden. Dagegen ist die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen ein freisprechendes Erkenntniss nur in den Fällen zulässig, in welchen der Freigesprochene die verbrecherische Handlung, durch welche seine Freisprechung bewirkt wurde, selbst begangen oder angestiftet hat, und seit der Verkündigung jenes Erkenntnisses die Verjährungsfrist noch nicht verstrichen ist. D a s Gesuch um Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist durch Vermittelung der Oberstaatsanwaltschaft an den Strafsenat, sofern aber gegen ein Urtheil des Letzteren die Wiederaufnahme des Verfahrens nachgesucht wird, an den Cassationssenat des Oberappellationsgerichts zu richten. Die Oberstaatsanwaltschaft hat das Gesuch unter Anschluss der Acten au den Vorsitzenden des betreffenden Senate mit dem Antrage gelangen zu lassen, entweder das Gesuch in berathender Sitzung sofort zurückzuweisen oder zur weiteren Verhandlung eine öffentliche Sitzung anzuberaumen. Die Zurückweisung des Gesuchs in berathender Sitzung nach Anhörnng eines von dem Vorsitzenden zu ernennenden Berichterstatters kann stattfinden, wenn ein zur Wiederaufnahme des Verfahrens geeigneter Grund (§. 2 2 9 ) überall nicht angeführt ist. Leidet das Gesuch an dem in dem vorhergehenden Absätze erwähnten Mangel nicht, so ist eine öffentliche Sitzung anzuberaumen. Zu derselben kann nach dem Ermessen das Gerichts der Angeschuldigte geladen werden. Bedarf es, um die Entscheidung abzugeben, der zuvorigen Vornahme von Untersuchungshandlungen, so kann der betreffende Senat, falls er jene Handlungen nicht selbst vornehmen will, mit ihrer Vornahme ein anderes, von ihm zu erwählendes Gericht beauftragen. Hält das Gericht die gestellten Anträge für begründet, so vernichtet es die ergangene Entscheidung und verweist, falls es nicht diese Entscheidung selbst abzugeben vorzieht, die Sache zur abermaligen Aburtheilung an ein anderes Gericht. Dieses Gericht muss dem, welches die vernichtete Entscheidung abgab, im Range gleich stehen. Findet das Gericht in dem unter Nr. 1 des §. 2 2 9 gedachten Falle, dass die beiden Erkenntnisse mit einander unvereinbar sind, so vernichtet es dieselben und verweist die Angeschuldigten vor ein anderes Gericht, als dasjenige, welches die früheren Erkenntnisse, oder eins derselben erlassen hat, damit vor jenem auf Grund der vorhandenen Verweisungsurthcile, Beschlüsse oder Beschuldigungen in e i n e r Verhandlung verfahren werde. Wird der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen ein Urtheil des Strafsenats für begründet erkannt, so muss der Cassationssenat unter Vernichtung des Urtheils dio erforderliche weitere Entscheidung, und zwar nötigenfalls nach abermaliger Verhandlung der Sache, stets selbst abgeben.
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Hannover.
Von
A r h l e s Bueli. der V o l l s t r e c k u n g der Straf urtheile. A. A l l g e m e i n e
Vorschriften.
t 231. 1. Vollstreekbarkeit. Alle Urtheile inländischer Strafgerichte f-iiul im ganzen Lande vollstreekbar, sobald wider dieselben kein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkling mehr stattfindet. Legt der Verurtheilte Rechtsmittel nicht zeitig ein, oder führt er bei Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde keinen bestimmten gesetzlichen Nichtigkeitsgrund ausdrücklich an, so kann die Staatsanwaltschaft die wider ihn erkannte Strafe in Vollzug setzen. Dem Verurtheilten steht es jedoch frei, eine sofortige Entscheidung des Gerichts, welches das Erkenntnis^ abgegeben hat, über die einstweilige Beanstandung dieser vorläufigen Vollstreckung zu beantragen. Das Verfahren ist dabei dasselbe wie im §. 236. Inwiefern eine Vollstreckung von Strafnrtheilen ausländischer Gerichte, oder eine Auslieferung von In- oder Ausländern an fremdländische Behörden stattfindet, richtet sich, in Ermangelung allgemein verbindlicher Gesetze oder besonderer Staatsverträge, nach der Bestimmung des Justizministeriums. An dieses ist daher von der Staatsanwaltschaft in den geeigneten Fällen zu berichten. §. 232. 2. Personen, denen die Vollstreckung obliegt. Die Sorge f ü r die Vollstreckung der Strafurthcile, sowie geeignetenfalls f ü r die Veröffentlichung der letzteren liegt dem Staatsanwälte des Gerichts ob, welches das Erkenntniss in erster Instanz abgegeben bat. Soll ein Urtheil in einem anderen Bezirke, als in dem des erkennenden Gerichte vollstreckt werden, so hat der Staatsanwalt des Letzteren den Staatsanwalt in jenem Bezirke zu ersuchen. Der Staatsanwalt erlässt zum Zwecke der Vollstreckung Anweisungen an die Geriehtsvoigte, die Folizeiofficianten und die Vorsteller der Gefängnisse, oder ersucht die Verwaltungsbehörde und die Direetionen der öffentlichen Strafanstalten; er ¡6t befugt, n ö t i g e n f a l l s die bewaffnete Macht um lliilfeleistung zu ersuchen. E r darf die rechtskräftig zu einer öffentlichen ArbciUstrafe verurtheilten Beschuldigten behuf Sicherung der Strafvollstreckung verhaften und nötigenfalls das Amtsgericht mit Ausführung der Verhaftung beauftragen. §. 233. 3. Hülfeleistung dritter Personen. So oft zur Vollstreckung eines Strafurtheils oder eines strafriehterlichen Befehls, oder zur Bewirkung einer von einem Richter oder einem Beamten der gerichtlichen Polizei vorzunehmenden Untersuchungshandlung die Zuziehung dritter Personen in unvorhergesehenen Nothfällen erforderlieh ist, kann der Richter, Staatsanwalt und auch der beauftragte Polizcibeamte Jeden, welcher ihm seiner berufsmässigen Beschäftigung gemäss den erforderlichen Beistand zu leisten geeignet erscheint, mündlich oder schriftlieh zu dieser Leistung auffordern. Jeder, der einem solchcn Befehle nicht unbedingt Folge leistet, kann von dem Staatsanwalte vor das betreffende Amtsgericht geladen und von diesem zu einer Geldstrafe bis 50 Thlr. oder zu einer entsprechenden Gefängnissstrafe verurtheilt werden. Hinsichtlich des Beweises gelten die allgemeinen Grundsätze. §• 234. 4. Vollstreckung. Die Strafvollstreckung erfolgt auf Grund des vom Gerichtschreiber zu ortheilendcn und von ihm zu beglaubigenden Auszuges aus dem ergangenen Urtheile;
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in diesen Auszug ist die möglichst genaue Bezeichnung des Verurtheilten aufzunehmen und ¡im Schluss desselben die eingetretene Rechtskraft des Urtheils zu bescheinigen. Ist ein Strafurtheil vor seiner Vollstreckung abbanden gekommen, so kann, wenn eine von dem Gerichtsschreiber beglaubigte und mit der Bemerkung der eingetretenen Rechtskraft versehene Abschrift oder Ausfertigung desselben oder ein alle Verurteilungen umfassender, den eben erwähnten Anforderungen entsprechender Auszug aus demselben vorhanden ist, auf Grund dieser Urkunden die Vollstreckung der erkannten Strafe geschehen. Ist eine derartige Urkunde nicht vorhanden, so muss, soweit es zur Herstellung des abhanden gekommenen Strafurthcils erforderlich, eine Wiederholung des Verfahrens eintreten. Der Angeschuldigte kann in diesem Falle die Einrede der entschiedenen Sache nicht geltend machen. Jeder mit der Vollstreckung eines richterlichen Befehls oder Urtheils beauftragte Beamte kann zu diesem Zwecke unter Vorzeigung des ihm gewordenen Befehls nicht allein in jede Wohnung eindringen, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Erfolg vorhanden ist, sondern ist auch geeignetenfalls die Hülfe von Civil- oder Militärbehörden in Anspruch zu nehmen befugt. §. 235. 5. Vereinigung mehrerer wider e i n e n Verurtheilten erkannten Freiheitsstrafen. Sind gegen einen Verurtheilten wegen mehrerer Gesetzübertretungen durch verschiedene Strafurtheile v e r s c h i e d e n a r t i g e zeitliche Freiheitsstrafen erkannt, so »oll eine Verwandlung der erkannten geringeren in die erkannte höhere Freiheitsstrafe erfolgen. Diese Verwandlung geschieht nach eingetretener Vollstreckbarkcit der verschiedenen Strafurthcile auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft in berat e n d e r Sitzung durch die Strafkammer desjenigen Obergerichts, bei welchem die zuletzt erledigte Sache abgeurtheilt wurde, in der Art, dass die geringere Freiheitsstrafe zwei Drittheilen der zunächst höheren Freiheitsstrafe rQcksichtlich der Dauer gleich zu achten ist. Bruchtheile eines Tages, welche die Verwandlung ergiebt, sind unberücksichtigt zu lassen, ebenso Schärfungen der zu verwandelnden geringeren Freiheitsstrafe. Ergiebt die Verhandlung ein das gesetzliche Maximum der bestimmten Freiheitsstrafe übersteigendes Strafmass, so ist dieses, jedoch nur mit Einwilligung des Verurtheilten, nach gleichen Grundsätzen in die zunächst höhere Freiheitsstrafe zu verwandeln. Diese Verwandlung kann auch dann erfolgen, wenn eine der mehreren Strafen zum Theil schon sollte abgebüsst sein, immer jedoch nur rücksichtlich des noch nicht abgebüssten Theils derselben. In gleicher Weise kann, jedoch nur mit Einwilligung des Verurtheilten, eine Strafverwandlung eintreten, wenn durch die verschiedenen Strafurtheile g l e i c h a r t i g e zeitliche Freiheitsstrafen erkannt worden sind, welche in ihrer Verbindung das höchste gesetzliche Mass der bestimmten Strafart übersteigen würden. Der Verurtheilte kann die erforderliche Einwilligung auf der Gerichtschreiberci, sowie vor jedem Amtsgerichte zu Protokoll abgeben. Die hierüber aufgenommene Verhandlung ist der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Letztere ist aueh berechtigt, den Verurtheilten durch das Amtsgericht zur Abgabe seiner Erklärung auffordern zu lassen. Gegen die Entscheidung der Strafkammer, welche vor ihrer Vollstreckung stet« dem Verurtheilten abschriftlich zuzustellen ist, kann Letzterer, wie auch der Staatsanwalt die Berufung zur Hand nehmen.
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§. 236. 6. Streitigkeiten über die Vollstreckung. Streitigkeiten über den Sinn eines Erkenntnisses oder über die Dauer der durch dasselbe verhängten Freiheitsstrafe zwischen dem Verurtheilten und dem die Strafvollstreckung verfügenden Staatsanwälte entscheidet, jedoch ohne Aussetzung der einstweiligen Vollstreckung, das Gericht, welches die betreffende Entscheidung abgegeben h a t und zwar, falls es ein Obergericht, nach Anhörung eines Berichterstatter». Das bei der Abgabe dieser Entscheidung anzuwendende Verfahren ist dem für die Verhandlung der Nichtigkeitsklage vorgeschriebenen durchaus gleich. Betrifft der Streit das Urtheil eines Schwurgerichtshofes, so entscheidet die Berufungf-kammer des Obergerichts, bei welchem das Schwurgericht gehalten wird. §. 237. 7. Kosten. Die durch die Vollstreckung der Strafe erwachsenen Kosten fallen dein Verurtheilten zur Last. Der zu einer Freiheitsstrafe Verurtheilte muss, soweit er dazu im Stande ist, seine Unterhaltungskosten selbst bestreiten. §. 238. 8. Vollstreckung zuin Besten eines Beschädigten. Die zum Besten des Beschädigten von einem Strafgerichte abgegebenen Entscheidungen werden in derselben Weise wie die Urtheile der Civilgerichte zur Vollstreckung gebracht. Ueber die Vollstreckung der auf Widerruf, Abbitte und Ehrenerklärung lautenden Urtheile vcrgl. jedoch §. 247. §. 239. 9. Begnadigungs- und Befristungsgesuche. Begnadigungsgesuche sind bei d e m Staatsanwälte einzureichen, dem die Strafvollstreckung obliegt. Bis zum Eingänge der Entscheidung über da» Gnadengesuch ist die Strafvollstreckung auszusetzen. Die Einreichung eines Begnadigungsgesuchs bewirkt Haftentlassung des bereits verhafteten Verurtheilten nicht; ebensowenig Erneuerung des Gesuchs nach einmal erfolgtem Abschlage ferneren Aufschub der Strafvollstreckung, Geringe Befristungen mit Antretung der Strafe ist der Staatsanwalt zu ertheilen befugt. §• 240. 10. Hinderung der Strafvollstreckung. Verfallt der Verurtheilte vor der Strafvollstreckung in eine Geisteskrankheit, so ist die Vollziehung aller gegen seine P e r s o n in Ausführung zu bringenden Strafen, mit Ausnahme der Dienstentsetzung, Dienstentlassung, Suspension, Landesverweisung und des Verlustes gewerblicher Befugnisse, bis zu seiner Wiederherstellung zu beanstanden. B.
Besondere
Vorschriften.
§• 241. 1. Vollstreckung von Todesurtheilen. Todesurtheile dürfen erst dann in Vollzug gesetzt werden, wenn der Staatsanwaltschaft von dem Justizministerium die Eröffnung zugegangen ist, dass der König von dem ihm zustehenden Kechte der Begnadigung keinen Gebrauch machen wolle. Die Erwirkung der Königliehen Entsehliessung liegt, dem Justizministerium ob, an welches das Todesurtheil nach bcschrittencr Rechtskraft unter Anschluss der Untersuchuiigsacten einzusenden ist. Zugleich hat der Vorsitzende des Gerichts (Schwurgerichtshofes, Strafsenats) und der Staatsanwalt in getrennten Be-
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richten gutachtlich sich darüber zu lugaern, ob Gründe für einen begnadigungsw eisen Erlass der Todesstrafe vorhanden sein. §. 242. 2. Vollstreckung von Freiheitsstrafen. Zur Vollstreckung einer öffentlichen Arbeitsstrafe hat der betreffende Staatsanwalt die Ausfertigung der erforderlichen Aufnahmeanweisung zu erwirken, nnd die Fortschaffung des Verurtheilten in die Strafanstalt zu veranlassen. Handelt es sich um die Vollstreckung einer Gefängnissstrafe, so kann der Staatsanwalt, statt in den Amtsgefängnissen des betreffenden Bezirks, dieselbe auch in dem am Sitze des Obergerichts befindlichen Gefängnissen, sowie in jedem Amtsgefängnisse seines Bezirks abbüssen lassen. Ist in einem auf Geldbusse lautenden Urtheile für den Fall der Nichtbezahlung eine Verwandlung in Freiheitsstrafe nicht vorgenommen, oder enthält das Gesetz nicht bestimmte Grundsätze dieser Verwandlung, so muss der Staatsanwalt, sobald ihm die Zahlungsunfähigkeit des Verurtheilten bekannt wird, denselben vor das Gericht laden, von welchem das zu vollstreckende Urtheil ausging, und dieses in öffentlicher Sitzung die Verwandlung vornehmen. Kosten, welche dem Verurtheilten zur Last gelegt sind, können nie in eine Freiheitsstrafe verwandelt werden. §. 243. 3. Vermögensstrafen. Die Einziehung erkannter Geldstrafen, für verfallen erklärter Gegenstände und der Kosten veranlasst die Staatsanwaltschaft. §• 244. 4. Landesverweisung. Zur Ausführung einer erkannten Landesverweisung ersucht der Staatsanwalt unter Bezugnahme, auf das ergangene Erkenntnis» die Polizeibehörde des Aufenthaltsorts des Verurtheilten oder, falls zuvor eine Freiheitsstrafe an ihm zu vollziehen ist, den Vorstand der betreffenden Strafanstalt. §. 245. 5. Dienstentlassung und Suspension. Lautet ein Urtheil auf Dienstentlassung oder Suspension, so lässt der Staatsanwalt eine vollständige mit der Bescheinigung der eingetretenen Rechtskraft versehene Ausfertigung desselben an die dem betreffenden Beamten vorgesetzte Behörde und, falls das Urtheil gegen ein Mitglied einer Oberbehörde ergangen war, an das vorgesetzte Ministerium gelangen, welche dann ihrerseits für die Ausführung der ergangenen Entscheidung Sorge zu tragen haben. §• 246. 6. Polizeiliche Strafarbeit und Verlust gewerblicher Befugnisse. Lautet ein Urtheil auf polizeiliche Strafarbeit oder auf Verlust gewerblicher Befugnisse, so geschieht die Vollstreckung desselben auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft durch die Polizeibehörde des Wohnorts des Verurtheilten, oder des Orts, an welchem das Untersuchungsgericht seinen Sitz hat. §. 247. 7. Abbitte, Ehrenerklärung, Widerruf, Verweis. Lautet ein Urtheil auf Widerruf oder Ehrenerklärung oder Abbitte vor verHanuneltem Gerichte oder auf gerichtlichen Verweis, so lässt der Staatsanwalt den Verurtheilten und in den ersteren Fällen auch denjenigen, dem ,die Abbitte, der Widerruf oder die Ehrenerklärung geleistet werden soll, vor das Gericht vorladen, welches die betreffende Entscheidung erliess. Das Urtheil wird sodann in Vollzug gesetzt nnd, dass dies geschehen, im Sitzungsprotokoll bemerkt. Erscheint der geladene Verurtheilt« nicht oder weigert sich der erschienene, dem Urtheile Folge zu leisten, so finden die geeigneten Zwangsmassregeln wider ihn ßtatt.
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Hannover.
Erscheint dagegen derjenige, gegen welchen die Abbitte oder der Widerruf ausgesprochen, oder dem diu Ehrenerklärung geleistet werden »oll, nicht, so spricht der Verurtheilte liichtdestoweniger die ihm auferlegte Erklärung aus. §. 248. 8. Freisprechende Erkenntnisse. Wird ein v e r h a f t e t e r Angeschuldigter freigesprochen, so tritt Haftentlassung nicht sofort, sondern erst dann ein, wenn nicht der Staatsanwalt binnen 24 Stunden von Verkündigung des Erkenntnisses Rechtsmittel wider dasselbe eingelegt, und die» dein Verhafteten mitgetheilt hat. Das erkennende Gericht kann jedoch im Erkenntnisse selbst s o f o r t i g e Haftentlassung verordnen. Auch ohne eine solche Anordnung kann der Staatsanwalt den freigesprochenen Angeschuldigten seiner Haft entlassen; er wird jedoch dadurch an der Verfolgung eines zulässigen Rechtsmittels nicht behindert.
Neuntes Buch. V o n den U n t e r s u c h u n g s g e f ä n g n i s s e n
und
den
Strafanstalten.
§• 249. 1. Aufsicht. Das gesammte Gefängnisswesen gehört zum Geschäftskreise der Justizverwaltungsbehörden (Justizministerium, Staatsanwaltschaft etc.) und der Amtsgerichte. Das nachgesetzte Gefängnisspersonal stellt unter dem Befehle dieser Behörden (vergl. §. 33 des Gesetzes vom 24. Junius 1858, die Verhältnisse der Königlichen Diener betreffend). §. 250. 2. Aufnahme und Entlassung. Die Aufnahme einer Person in ein Gefangenhaus findet nur auf Grund einer schriftlichen Anweisung oder offenen Requisition der zuständigen Behörde oder des zuständigen Beamten statt. Ist jedoch der schriftliehe Befehl augenblicklich nicht herbeizuschaffen, so muss derselbe binnen spätestens 24 Stunden nachfolgen, und der Gefängnissvorsteher hat bei eigener Verantwortlichkeit den Fall u n v e r z ü g l i c h gehörigen Orts zu melden. Ergiebt sich die Dauer der Gefangenhaltung aus der Aufnahmeverfügung nicht mit Bestimmtheit, so darf die Entlassung gleichfalls nur auf schriftliche Anweisung der zuständigen Behörde erfolgen. 251. 3. Untersuchung der Gefängnisse. In Ansehung derjenigen Angeschuldigten, über welche, noch nicht rechtskräftig entschieden ist, sind die Untersuchungsrichter und Gerichtsvorsitzenden zur Untersuchung der Gefängnisse befugt. Die von denselben im Interesse der Untersuchung für erforderlich oder angemessen erachteten Massnahmen hinsichtlich der Behandlung der Gefangenen (Erleichterungen und Verschärfungen der Haft-Annahme von Besuchen, Corrcspondenz u. s. w.) sind zur Ausführung zu bringen, ohne dass diese Anordnungen von den Gcfängnissbehördcn zu vertreten oder zu beanstanden wären. Dagegen bleibt den Letzteren die Art der Ausführung allein überlassen. Das untere Gefangnisspcrsonal empfängt die dcsfallsigen Anweisungen regelmässig nur von den ihm vorgesetzten Behörden und Beamten. §. 252. 4. Haushalt und innere Ordnung. Der Haushalt und die innere Ordnung der Gefangenhäuser richtet sich nach reglementarischen Vorschriften. Dabei soll der Unterschied zwischen Untersuchungsund Strafgefangenen (vergl. §. 71) Beachtung finden. Es ist jedoch auch den Untersuchungggefangenen zu einer angemessenen Beschäftigung thunlichst Gelegenheit zu geben.
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§. 253. 5. Disciplinargewalt Die Disciplinargewalt aber die Gefangenen steht den im §. 249 bezeichneten Behörden zu. Vergl. jedoch §. 85 Abs. 4 und §. 174 Abs. 1. Ueber jede disciplinarische Bestrafung eines Gefangenen ist eine Verhandlung aufzunehmen und, in soweit es sich um Untersuchungsgefangene handelt, zu den Untersuchungsacten zu bringen. Das untere Dienstpersonal (Gefangenwärter u. s. w.) ist nur in Nothfilllcn zur Ausübung eines körperlichen Zwanges, niemals aber zur Verhängung von Strafen gegen die Gefangenen befugt. Scblussbestimmungen. §. 254. 1. Ordnungsstrafen gegen richterliche und sonstige Beamte. Verstösse wider die Vorschriften dieses Gesetzes durcli die betreffenden richterlichen Beamten, Gerichtschreiber, Gerichtsvoigte und sonstigen Subalternen der Gerichtsbehörden können, falls nicht besondere Strafbestimmungen dieserhalb zur Anwendung zu bringen sind, mit einer Geldbusse von einem bis zehn Thaler , in Wiederholungsfällen bis zu dreissig Thalern bestraft werden. Die Verhängung aller zu den Ordnungsstrafen nicht gehörenden Gcldbussen erfolgt im Wege des Disciplinarverfahrens. §. 255. 2. Aufhebung entgegenstehender und vorübergehender Bestimmungen. Dieses Gesetz tritt mit dein 16. Mai 1859 in K r a f t Das Gesetz vom 22. December 1855, die Beschränkung der Zuständigkeit der Schwurgerichtshöfe betreffend, und die Bekanntmachung des Justizministeriums vom 25. September 1852, betreffend die Ausführung der Strafprocess-Ordnung, sind aufgehoben. Diejenigen Strafsachen, in welchen vor dem 16. i.lai 1859 von einem erkennenden Strafgerichte ein Urtheil bereits erlassen ist, werden nach den bisherigen Vorschriften erledigt. Unser Justizministerium wird ermächtigt, die zur Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes erforderlichen Bekanntmachungen und Anordnungen zu erlassen.
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Baden.
VI.
Baden. Bemerkung: Das Gesetz vom (i. März 1845 über Geriehtsverfassung ist nieht in Vollzug gesetzt worden.
Verordnung, die Bildung der Geschwornenlisten betreffend, vom 7. März 1851. Zum Vollzüge wird verordnet:
des Gesetzes vom 5. Februar 1. J . (Regierungsblatt No. IX.)
I . B e s t i m m u n g e n f ü r die r e g e l m ä s s i g e B i l d u n g d e r L i s t e n . §. 1. Die Bürgermeister (oder bei etwaiger Verhinderung ihre Stellvertreter) haben alljährlich im Monat September eine Liste über alle O r t s e i n w o h n e r aufzustellen, welche nach den folgenden Bestimmungen zu dem Amte von Geschwornen befähigt sind. §. 2. In diese Liste werden auch die zu Geschwornen befähigten Einwohner derjenigen abgesonderten Hofgüter (Geineindeordnung §. 154) eingetragen, welche der Gemeinde zur Führung der Grund- und Unterpfandsbüeher zugewiesen sind. Befinden sich auf solchen Hofgütern Stabhalter, so haben diese den» Bürgermeister das Verzeiehniss der Einwohner zuzustellen und die erforderliche Auskunft zu ertheilen. §. 3. In diese Liste sind alle b a d i s c h e n S t a a t s b ü r g e r aufzunehmen, welchc das dreissigste Lebensjahr zurückgelegt und in dem Orte ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, ohne Rücksicht darauf, ob sie in einer Gemeinde des Grossherzogthums auch das Ortsbürgerrecht haben oder nieht, sofern sie 1. entweder zur Zeit der Aufstellung der Liste das Amt eines Mitglieds der Ständeversammlung, eines Bürgermeisters oder eines Gemeinderathsmitglieds bekleiden; oder 2. auf einer Hochschule die Doctorwürde erlangt oder die Staatsprüfung als: Theologen, Juristen, Mediciner, Cameralisten, Philosophen, Philologen (Lchramtspraeticanten), Notare oder Notariatspracticantcn (nach d i r Verordnung vom 18. September 1849, Regbl. No. L X I I . S. 4 9 5 ) : oder ferner als: Arcliitecten, Ingenieure, Forstpracticanten, Berg- und Hüttenpracticanten oder I'ostpractikantcn bestanden haben, ohne Rücksieht darauf, ob sie ein Staatsaint bekleiden oder nieht; — oder sofern sie 3. zwar nicht in eine der beiden ersten Klassen fallen, aber einen jährliehen Betrag von wenigstens z w a n z i g G u l d e n an direeter ordentlicher Staatssteuer (d. h. Grund-, Häuser- und Gefällsteuer, Gewerbsteuer, Klassensteuer oder Capitalsteuer) entrichten. §. 4. In die Liste sind folgende Personen n i c h t aufzunehmen, auch wenn sie sonst die im §. 3 bezeichneten Eigenschaften besitzen sollten: 1. Dienstboten; 2. Entmündigte oder Mundtodte; 3. Diejenigen, gegen welche die Gant eröffnet und noch nieht wieder beendigt ist; 4. Diejenigen, welche a) wegen irgend eines Verbrechens zu eine r peinlichen Strafe (d. h. zur Todesstrafe, Zuchthausstrafe oder Dienstentsetzung) oder zu einer Arbeitshausstrafe verurtheilt, oder
Verordnung Tom 7. Marz 1851.
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b) wegen eines die Öffentliche Achtung ihnen entziehenden Verbrechens (z. B. wegen Diebstahls, Unterschlagung, Betrugs oder Zahlungsflüchtigkeit) mit irgend einer Freiheitsstrafe belegt wurden, so lange sie nicht Wiederbefohigung erlangt haben; 5. Diejenigen, welche wegen körperlicher Gebrechen (Taube, Stumme, Blinde), oder wegen geistiger Gebrechen zu den Verrichtungen von Geschwornen untauglich sind. §. 5. Ferner sind in die Liste n i c h t aufzunehmen: Personen, welche ein ständiges Richteramt bekleiden; die Mitglieder des Staatsministeriums oder der Ministerien; die politischen Vorsteher der Kreise oder Bezirke (d. h. die Vorsteher der Kreisregierungen und der Bezirksämter); Staatsanwälte und deren Stellvertreter; vom Staate ernannte Polizeibeamte; Gensd'armen; alle diese Personen jedoch nur so lange, als ihr bezeichneter Dienst dauert. §. 6. Der Bürgermeister hat den Steuerbetrag derjenigen Ortseinwohner, welche nicht in die erste oder zweite Klasse des §. 3 gehören, aus den neuesten Steuerregistern des Ortes zu entnehmen, von welchen ihm zu diesem Zwecke Einsicht zu nehmen zusteht. Der Klassensteuerbetrag derjenigen Personen, welche eine Besoldung oder einen Gehalt aus einer der im §. 10 der Verordnung des Grossh. Finanzministeriums vom 2. Juni 1838 (Regbl. No. X X I V ) benannten öffentlichen Cassen beziehen, ist von der Casse, welche die Besoldung u. s. w. auszahlt, zu erheben. Sollte bei einem Standes- oder Grundherrn der gesetzliche Steuerbetrag nicht aus den Steuerregistern des Ortes zu entnehmen sein, so hat der Bürgermeister die nöthige Auskunft bei der Obereinnehmerei zu erheben. §. 7. Der Bürgermeister hat beim Beginne des Geschäfts einen öffentlichen Aufruf (§. 11) zu erlassen, worin alle Ortseinwohner, welche zum Amte von Geschwornen befähigt sind und deren Steuer nur durch Zusammenrechnung der in verschiedenen Gemeinden des Grossherzogthums zu entrichtenden Steuerbetrige die Summe von zwanzig Gulden erreicht, aufgefordert werden, binnen acht Tagen die Nachweisung hierüber durch Vorlage der Steuerforderungszettel bezieh. Quittungen zu liefern, widrigenfalls sie bei Aufstellung der Ortsliste der Geschwornen ttbergangen würden. Diejenigen, welche die Anmeldung und Nachweisung innerhalb dieser acht Tage unterlassen, können das Versäumte auch noch innerhalb der im §. 11 bestimmten Frist nachholen, und ebenso kann dann jeder andere zum Geschwornenamte befähigte Ortsbewohner die nachträgliche Aufnahme eines solchen mit Unrecht übergangenen Staatsbürgers in die Liste durch Nachweisung der gesetzlichen Eigenschaften desselben veranlassen. Dem Bürgermeister ist überlassen, v o n A m t s w e g e n über einzelne Ortseinwohner Erkundigung einzuziehen, ob sie nach der in anderen Gemeinden zu entrichtenden Steuer zur Aufnahme in die Geschwornenliste berechtigt und verpflichtet sind. §• 8. Die Ermittelung des Steuerbetrags beschränkt sich in allen Fällen darauf, ob dieser die Summe von wenigstens zwanzig Gulden beträgt. In der Liste wird nur bemerkt, ob dies der Fall ist, ohne Angabe des etwaigen höheren Betrags. §. 9. Wenn der Bürgermeister darüber in Zweifel ist, ob Jemand, der sonst die gesetzlichen Eigenschaften (§. 3) hat, entmündigt, mundtodt, vergantet oder durch eine Bestrafung unfähig zum Amte eines Geschwornen geworden sei, oder ob einer dieser Unfiihigkeitsgründe später wieder aufgehört habe, so hat er die nöthige Auskunft bei dein betreffenden Amte zu erheben.
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Baden.
§. 10. Die Ortsliste (Urliste) enthält nach beifolgendem Formular folgende Felder: 1. Vor- und Zunamen des Geschworenen; 2. Alter; 3. Beruf; 4. Angabe, o b e r ilen gesetzlichen Steuerbetrag entrichte; 5. andere Gründe der Aufnahme; G. Bemerkungen. Die Namen sind in alphabetischer Ordnung aufzuführen. §. 11. Sobald die Urliste fertig ist, wird sie vierzehn Tage lang zu J e d e r manns Einsicht auf dem Rathhause aufgelegt. Durch Anschlag am liathhause, durch die Schelle und durch das etwa im Ort erscheinende Blatt wird bekannt gemacht: dass die Urliste der Geschwomen während vierzehn Tagen zu Jedermanns Einsicht auf dem liathhause bereit liege, und dass jedem Ortseinwohner, welcher zu dem Amte eines Geschwomen befähigt sei, frei stehe, innerhalb dieser Frist bei dem Gemeinderath Beschwerde zu erheben, wenn ein zum Amte eines Geschworenen gesetzlich befähigter Ortseinwohner Ubergangen oder ein Unbefäliigter eingetragen worden sein sollte. §. 12. Nach Ablauf der vierzehn T a g e und Erledigung der etwa vorgebrachten Beschwerden hat der Gemeinderath darüber Berathung zu pflegen, welche der in die Urliste eingetragenen Personen nach ihrer geistigen Fälligkeit, Ehrenhaftigkeit und Charakterfestigkeit zum Amte von Geschwonien besonders befalligt zu erachten seien. Auf den Grund dieser Berathung ist im sechsten Felde der Urliste entweder der Beisatz „besonders befähigt' 1 zu machen, oder andernfalls der leer bleibende Kaum zu durchstreichen. Die Liste ist, von dem Bürgermeister und den zwei dienstältesten Gemeinderäthen unterzeichnet, dem Bezirksamte vorzulegen. §. 13. Die Bezirksämter haben darüber zu wachen, dass die Fertigung und Berichtigung der Listen in der gesetzlich bestimmten Zeit vorgenommen wird; so dass ihnen säinmtlichc Listen ihres Bezirks spätestens in der zweiten Hälfte des Monats October zukommen. §. 14. Sobald das Bezirksamt im Besitze aller Urlisten i s t , hat der Amtsvorstand die im §. 5 5 des Gesetzes bezeichnete Versammlung zu berufen und mit ihr die Geschwomen f ü r das nächste J a h r auszuwählen. Die Zahl der zu wählenden Geschwomen richtet sich nach der bei der letzten (vom Ministerium des Innern geprüften) ordentlichen Volkszählung ermittelten Seelenzahl des g a n z e n A m t s b e z i r k s , ohne dass gerade aus j e d e r Gemeinde eine verhiiltnissmiissige Zahl von Geschwomen genommen werden müsste. §. 15. Die bürgerlichen Mitglieder der Versammlung (§. 14) erhalten aus «ler Amtseasse die Gebühr eines Gemeinderaths, wenn sie nicht vermöge ihres Amts eine höhere anzusprechen haben. §. 16. Die Bezirksliste führt die zum Geschwornenaint Ausgewählten nach den einzelnen Gemeinden und bei jeder Gemeinde in alphabetischer Ordnung auf; sie h a t die, nämlichen Felder, wie die Urliste (§. 10). Sämmtliche Bezirkslisten und die Liste der Ersatzgesehworenen (§. 57 des Gesetzes) müssen am 15. November dem Hofgeriehtspräsidenten eingesendet sein. §. 17. Die genaue Einhaltung der vorgeschriebenen Termine (§§. 13 und lti) wird allen hierbei betheiligten Behörden zur strengsten Pflicht gemacht. Die Säumigen sind nöthigcnfalls durch Geldstrafen oder durch Absendung von Wartboten zur ungesäumten Pflichterfüllung anzuhalten. C a r l s r u h e , den 7. März 1851. Grosshcrzoglichcs Justizministerium. S t a b el.
Verordnung vom 86. Juli 1848.
191
vn.
Kurhessen. Seit dem Gesetz vom 22. Juli 1851 keine Acnderungcn.
VIII.
Württemberg. i.
Verordnung,
betreffend ein mündliches und öffentliches Anklagererfahren in Pressprocesssachen, vom 25. Juli 1848.
A r t . 1. Das in gegenwärtiger Verordnung vorgeschriebene Verfahren findet bei den im Strafgesetzbuche verpönten Verbrechen oder Vergehen statt, welche durch Ausgeben von Druckschriften oder von bildlichen auf mechanischem W e g e vervielfältigten Darstellungen begangen werden. A r t. 2. Auf Pressvergehen linden die Vorschriften über den Zusammenfluß von Verbrechen (Strafgesetzbuch A r t 1 1 5 — 1 2 1 , Strafprocess-Ordnung A r t 29) keine Anwendung. Jedes Pressvergehen wird für sich abgeurtheilt und bestraft. A r t . 3. Die Voruntersuchung wird von dein zuständigen Bezirksgerichte auf K l a g e des Beleidigten, oder bei den von Amtswegen zu verfolgenden Pressvergehen auf Klage des Staatsauwaltes eingeleitet. Letzterer kann auch wegen des in seiner amtlichen Stellung angegriffenen öffentlichen Dieners oder dessen vorgesetzter Stelle (Strafgesetzbuch Art. 166) klagend auftreten, wenn sie ihn dazu auffordern. A r t . 4. Der Staatsanwalt ist verpflichtet, den Erzeugnissen der Presse seine ununterbrochene Aufmerksamkeit zuzuwenden, auch einer auf Erhebung oder Fortsetzung der Klage gerichteten Weisung des k. Justizministeriums unbedingt Folge zu leisten. Die Polizeibehörden haben von den Pressvergehen, wclche zu ihrer Kenntnis« gelangen, dem Stnatsanwalte unverweilt Anzeige zu machen. A r t . 5. Der Staatsanwalt ist berechtigt, im Laufe der Voruntersuchung Antrage zu stellen, weswegen das Bezirksgericht gehalten ist, ihn von der Anbringung der Privatklage zu benachrichtigen. Die Voruntersuchung ist möglichst zu beschleunigen und nicht (Iber ihren Zweck auszudehnen. Sie wird von dem Bezirksgerichte dein Staatsanwalte vorgelegt und hierauf von diesem die Ergänzung derselben, oder die Einstellung des
192
Württemberg.
Verfahrens oder die Versetzung in den Anklagestand bei dem Kreisgerichte beantragt. A r t . C. Bcschlicsst das Kreisgericht die Einstellung des Verfahrens, so kann der klagende Beleidigte binnen 15 Tagen, gerechnet von dem Tage der gestatteten Einsicht der Verhandlungen an, Besehwerde bei dem k. Obertribunal erheben. A r t . 7. ßeschlicsst das Kreisgericht die Versetzung in den Anklagestand, so hat der Staatsanwalt binnen acht Tagen die Anklageschrift einzureichen, in welcher die vorzuführenden Beweismittel, insbesondere die zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen, bezeichnet sein müssen. Das Rechtsmittel des Recurses gegen den obigen Beschlugs findet nicht statt. A r t . 8. Die Anklageschrift wird dem klagenden Beleidigten und dem Angeklagten in Abschrift mitgetheilt und denselben unter Gestattung der Einsicht der Voruntcrsuchungsacten eine kurze Frist zur Bezeichnung derjenigen Zeugen und Sachverständigen, welche sie für sich und auf ihre Kosten abgehört wünschen, anberaumt. A r t . 9. Ist diese Frist verstrichen, so wird von dem Kreisgerichte die Tagfahrt zu dem Hauptverfahren anberaumt und es werden dazu die Parteien, deren vorher benannte Rechtsfreunde, sowie die bezeichneten oder von dem Kreisgerichte sonst f ü r erforderlich erachteten Zeugen vorgeladen. Letztere müssen dem Angeklagten und dem Staatsanwalt mit der Vorladung namhaft gemacht werden. A r t . 10. Bleibt der klagende Beleidigte oder dessen Bevollmächtigter an der Tagfahrt unentschuldigt aus, so gilt die Klage für verzichtet und jener wird in sämmtliche Processkosten verurtlieilt. A r t . 11. Bleibt der Angeklagte unentschuldigt aus, oder verweigert er die Vernehmung, so findet die Verhandlung, Entscheidung und Urtheilsverkündung gleichwohl statt. A r t . 12. Der Gerichtsvorstand leitet die Verhandlung, insbesondere die Vernehmung des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen. E r hat jedoch auf die Vorschläge der beisitzenden Richter, auf die Anträge des Staatsanwaltes, der Parteien und deren Rechtsfreunde Rücksicht zu nehmen. A r t . 13. Der Geriohtsvorstand handhabt die Ordnung bei der Verhandlung. E r kann Alles anordnen, was er nach Massgabe der Gesetze zur Erforschung der Wahrheit f ü r dienlich erachtet. Insbesondere kann er nicht vorgeladene, aber in der Nähe befindliche Zeugen sogleich vorfordern lassen und vernehmen, die Aussagen vernommener, aber nicht erschienener oder wegen unabwendbarer Hindernisse nicht geladener Zeugen, verlesen lassen. A r t . 14. Die Verhandlung ist öffentlich, wenn nicht da« Kreisgericht die Entfernung der Zuhörer wegen der Gefahr f ü r die Sittlichkeit anordnet. Selbst in diesem Falle können die Rechtsanwälte des Kreises und die männlichen erwachsenen Verwandten der Partei, deren Anwesenheit sie verlangt, nicht ausgeschlossen werden. A r t . 15. Die Verhandlung beginnt mit der Verlesung der Anklageschrift, worauf zur Vernehmung des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen und zur Verlesung der nöthigen Urkunden geschritten wird. Der Staatsanwalt und der klagende Beleidigte werden mit ihren Anträgen und der Angeklagte mit der Vertheidigung gehört, und nachdem der Staatsanwalt die Sache kurz zusammengefasst und der Angeklagte erwidert h a t , wird das Urtheil in geheimer Beschlussnahnie von dem Gerichte gefällt und in öffentlicher Sitzung verkündigt, ohne dass eine Recursbelehrung stattfindet. A r t . 16. Das Kreisgericht ist befugt, wenn es noch weitere Aufklärung, insbesondere die weitere Aufnahme von Beweisen für erforderlich hält, die Urtheilsfällung auszusetzen und eine neue T a g f a h r t zur Fortsetzung des Verfahrens anzuberaumen. A r t . 17. Die Zeugen sind vor ihrer Vernehmung in Abstand zu verweisen.
Verordnung vom 25. Joli 1848.
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Die Beeidigung geschieht vor Anfang des Verhörs. Diejenigen Zeugen, welche ausnahmsweise schon in der Voruntersuchung, und Sachverständige, welche vorher schon beeidigt sind, werden blos auf den geleisteten Eid verwiesen. A r t . 18. Zeugen und Sachverständige, welche ohne Entschuldigung ausgeblieben sind, können neben der Ungehorsamsstrafe in sämmtliche Kosten der neuen T a g f a h r t verurtheilt werden, welche das Gericht anzuberaumen f ü r nöthig findet. A r t . 19. Das Kreisgericht hat sein Urtheil nur aus dem Inbegriff des vor ihm Vorgegangenen zu schöpfen. Auf Entbindung von der Instanz soll nicht mehr erkannt werden. A r t . 20. In dem über die Verhandlung zu führenden Protokoll werden nur der wesentliche Inhalt . über die Strafprocesskosten, im Art. 3 1 6 ; 7. über die gerichtliche Verfolgung der Civilentsehädigungs-Ansprüche aus Verbrechen und Vergehen, im Art. 3 1 7 ; finden auch bei den zur Competenz der Provinzialstrafgcrichte gehörenden Verbrechen und Vergehen Anwendung. A r t . 48. Gegenwärtiges Gesetz gilt als ein provisorisches bis zur Einführung einer neuen Strafprocess-Ordnung. Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden jedoch keine Anwendung auf die dermalen anhängigen Untersuchungssachen, in welchen der Beschuldigte bereits durch Urtheil des Criininalsenats vor die Assisen verwiesen ist. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels. D a r m s t a d t , am 27. März 1852. LUDWIG.
204
Grossherzogtlium Hessen.
Entwurf einer Strafprocess-Ordnung, von 1860. E r s t e r Titel. Allgemeine
Bestimmungen.
A r t . 1. Die strafgcrichtliche V e r f o l g u n g findet von Amtswegen statt, mit Ausnahme derjenigen F ä l l e , in welchen nach ausdrücklichen gesetzlichen V o r schriften das V e r f a h r e n von der Klage oder Anzeige des Betheiligteu abhängig g e m a c h t ¡6t. A r t . 2. Alle in dem Strafverfahren thätige B e h ö r d e n und B e a m t e haben die Pflicht, mit gleicher Sorgfalt die zur Ueberführung und die zur V e r t h e i d i g u n g des Beschuldigenden dienenden Umstände zu erörtern und zu b e r ü c k s i c h t i g e n . A r t . 3. D i e mit der Strafrechtspflege beauftragten Behörden haben bei Untersuchung und Aburtheilung der Straflalle auch deren privatrechtliche M e r k male und Voraussetzungen zu untersuchen und zu beurtheilen, und sich hierbei nach den ü b e r das Verfahren und den Beweis in S t r a f s a c h e n b e s t e h e n d e n V o r schriften zu richten, insofern das Gesetz nicht ein anderes verfügt. A r t . 4. D i e Untersuchung zerfallt in der K e g e l in die Voruntersuchung ( T i t . 1H) und die Ilaiiptvcrhaiidlung ( T i t . 2 0 bis 2 2 ) . Letztere ist mündlich und, sofern das Gesetz nicht Ausnahmen zulässt, öffentlich. — In dieser Hauptverhandlung soll die Beweisaufnahme erfolgen und die Staatsanwaltschaft, sowie der Beschuldigte, welcher sich dabei des Beistandes eines V e r t h e i d i g e r s bedienen kann, gehört werden. D i e E i g e n t ü m l i c h k e i t e n des V e r f a h r e n s bezüglich der vor die L a n d g e r i c h t e gehörigen Straffälle enthält der T i t . 2 3 des gegenwärtigen Gesetzbuchs. A r t . 5. Die Gerichte sind in Strafsachen an positive B e w e i s r e g e l n nicht gebunden; sie haben tinter genauer P r ü f u n g aller v o r g e b r a c h t e n Beweise nach ihrer aus diesen Beweisen geschöpften Ueberzeugung zu entscheiden. A r t . 6. B e i Geriehtseollegien wird die Entscheidung nach Stimmenmehrheit gefasst (Art. 3 1 6 ) . Bei der aus einer mündliehen Verhandlung zu schöpfenden Entscheidung können nur Gerichtsinitglicdcr mitwirken, welche bei dieser V e r h a n d l u n g anwesend waren.
Zweiter Titel Von I.
Organisation
Art.
der
den
(¡ericliten
in
Strafsachen.
G e r i c h t e , insbesondere (Strafgerichte).
der
erkennenden
Gerichte
7. Mit der Strafrechtspflege sind b e a u f t r a g t : 1. die L a n d g e r i c h t e ; 2. die Bezirksstrafgerichte; 3. die Ilnfgericlite; 1. die Srhwurgerichtshöfc; und ."). das Oberappellation sgericht. Landgerichte.
A r t . 8. D i e L a n d g e r i c h t e haben in erster Instanz a b z u u r t h e i l c n : A. die in nachstehenden Artikeln des Strafgesetzbuchs bezeichneten V e r g e h e n : 1. Uebertretung der zur Vollziehung der p o l i z e i 1 i e h eil A u f s i e h t nach Art. 3 6 Nr. 1 ( T i t . I I . ) von der Polizeibehörde gegebenen Vorschriften; 2 . G e w a l t t ä t i g k e i t im F a l l e des Art. 1 4 7 ( T i t . X V I I . ) ; 3 . U n g e h o r s a m g e g e n d i e O b r i g k e i t in den Fällen der A r t . 178, 1 7 9 und 1 8 0 ( T i t . X V I I I . ) ;
Entwarf einer Strafprocess-Ordnung.
205
4. die im Tit. X I X . „von s t r a f b a r e n V e r e i n e n a n d V e r b i n d u n g e n " in den A r t 182, 183 and 184 aufgeführten Vergehen; 5. die im Tit. X X . „von V e r l e t z u n g d e r A m t s - u n d D i e n s t e h r e " im Art. 189 Nr. 2 und 3 und in den Art. 191 und 192 aufgeführten Vergehen; 6. S t ö r u n g r e l i g i ö s e r H a n d l u n g e n nach Art. 193 (Tit. X X I . ) ; 7. das im A r t 214 (Tit. X X I V . ) bezeichnete A u s g e b e n n a c h g e m a c h t e r o d e r v e r r u f e n e r M ü n z e n , und das im Art. 226 (Tit. X X V . ) bezeichnete A b g e b e n o d e r V e r w e n d e n n a c h g e m a c h t e n o d e r verfälschten Stempelpapiers; 8. die im T i t X X V I . von „ u n b e f u g t e r V e r f e r t i g u n g d e r ö f f e n t l i c h e n S i e g e l und S t e m p e l " bezeichneten Vergehen (Art. 228 bis 2 3 0 ) ; 9. L a n d s t r e i c h e r e i und B e t t e l e i , nach Art. 244 bis 250, mit Ausnahme der im Art. 245 unter Ziffer 3 bezeichneten Landstreicherei (Tit. X X V I I I . ) ; 10. K ö r p e r v e r l e t z u n g e n mit Vorbedacht oder im Affecte oder aus Fahrlässigkeit begangen, in den im Art. 2 6 2 Nr. 4, Art. 263 Nr. 3 und Art. 264 Nr. 3 (Tit. X X X . ) angegebenen Fällen. R a u f h ä n d e l , insofern dieselben in Gemässheit des Art. 274 Nr. 1 (Tit. X X X I . ) nach den Bestimmungen der Art. 263 Nr. 3 oder Art. 264 Ziffer 3 bestraft werden; 11. V e r l e u m d u n g im Falle des Art. 305 und E h r e n k r ä n k u n g e n in Fallen des Art. 309, wenn die Ehrenkränkung dieser Art keine thätliche ist, und in Fällen des Art. 3 1 2 (Tit. X X X V I I . ) ; 12. V e r l e t z u n g der Schamhaftigkeit nach Art. 341 (Tit. X X X I X . §. V I . ) ; 13. d e n k l e i n e n D i e b s t a h l (Tit. X L I I . ) nach Art. 362, die k l e i n e U n t e r s c h l a g u n g (Tit. XL1II.) nach Art. 382, und den k l e i n e n B e t r u g (Tit. X L I V . ) nach Art. 393, mit Ausnahme des, nach A r t 373 und nach den auf diesen Artikel verweisenden Art. 384 und 396, zu bestrafenden Rückfalls, 14. F ä l s c h u n g und V e r f ä l s c h u n g von R e i s e p ä s s e n , W a n d e r b Q c h e r n , K u n d s c h a f t e n , H e i m a t h s c h e i n e n und M a r s c h z e t t c l n , und andere in Bezug auf diese Gegenstände verübte, im A r t 389 ( T i t XLIV.) erwähnte Handlungen; 15. W u c h e r und V e r v o r t h e i l u n g e i n e r u n t e r f r e m d e r G e w a l t b e f i n d l i c h e n P e r s o n (Tit. X L V . ) in Fällen des Art. 4 0 0 Nr. 1 und 2, und des Art. 401, vorausgesetzt, dass die Vervortheilung nicht gewerbsmässig betrieben wurde; 16. die B e n a c h t h e i l i g u n g d u r c h V o r m ü n d e r etc. (Tit. X L V I I . ) im Falle des Art. 407 Nr. 2 ; 17. die V e r l e t z u n g f r e m d e r G e h e i m n i s s e (Tit. X L I X . ) nach A r t 4 1 0 ; 18. E i g e n t h u m s b e s c h ä d i g u n g d u r c h B r a n d o d e r U e b e r s c h w e m mung aus F a h r l ä s s i g k e i t im Falle des A r t 4 1 8 ersten Absatzes und Art. 421 (Tit. L. und L I . ) ; 19. a n d e r e B e s c h ä d i g u n g e n f r e m d e n E i g e n t h u m s im Falle des A r t 424 ersten Absatzes, und in denjenigen Fällen des Art. 425, in welchen der Betrag des angerichteten Schadens die Summe von zehn Gulden nicht übersteigt (Tit. LH.); 20. V e r ä n d e r u n g d e r G r e n z z e i c h e n nach Art. 430 (Tit LIII.); 21. V e r b r e i t u n g e i n e r V i e h s e u c h e aus F a h r l ä s s i g k e i t nach A r t 438 (Tit. LV.); B. diejenigen Straff&lle, welche gegenwärtig nach Gesetzen und Verordnungen, die neben dem Strafgesetzbuche bestehen, von den Landgerichten abgeurtheilt werden.
206
Grossherzogthum Hessen.
A r t . 9. Die Landgerichte üben ihre Gerichtsbarkeit durch Einzelrichter aus. Dieser Einzelrichter übt bei der Verhandlung auch die Rechte aus, welche nach gegenwärtigem Gesetzbuche dem Vorsitzenden de« Bezirksstrafgerichts zustehen. Bezirksstrafgerichte. A r t . 10. Die Bezirksstrafgerichte haben in erster Instanz alle die Stra(Tülle abzuurtheileii, über welche weder den Landgerichten noch den Hofgerichten, noeli den Sehwurgeriehtshöfen die Entscheidung zusteht. A r t . 11. Jedes Bezirksstrafgericht besteht aus dem Vorstände und der erforderlichen Zahl von Richtern und Ergiinzungsriehtern. A r t . 12. Vorstand des Bezirksstrafgerichts ist, insoweit der Grossherzog nicht einen besonderen Vorstand ernennt, der Landrichter desjenigen Orts, wo jenes Gerieht seinen Sitz hat. A r t . 13. Die Assessoren desjenigen Landgerichts, welches sich an dem gedachten Orte befindet, sind zugleich Richter am Bezirksstrafgerichtc. Die bei den übrigen dem Sprengel des Bezirksstrafgerichts angehörigen Landgerichten angestellten Landrichter und Assessoren sind Ergänzungsrichter dieses Bezirksstrafgerichts. Auch sind die bei dem Hofgerichte angestellten Untersuchungsrichter (Art. 31) Richter des Bezirksstrafgerichts des Orts, wo das Ilofgericht seinen Sitz hat; sie gehen den Landgerichtsassessoren vor. A r t . 14. In Verhinderung des Vorstandes (Art. 12) führt, wenn als Ergänzungsrichter ein Landrichter anwesend ist, dieser, sonst der dem Dienstrange nach älteste Hofgeriehts-Untersuehungsrichter oder Landgerichtsassessor den Vorsitz im Bezirksstrafgerichte, insofern nicht das Ministerium der Justiz f ü r den Verllinderten einen anderen Vertreter bestellt. A r t . 1;"). Die Bezirksstrafgerichtc erlassen ihre Entsehliessungen in Anwesenheit von drei Mitgliedern. Hofgericlite. A r t . I ß . Vor die Hofgerichte A. als Strafgerichte erster Instanz gehören die in den Titeln XII. bis XVI., Tit. XXIV., XXV., XXXV., Tit. X X X V I I I . Art. 3 2 2 — 3 2 5 , und Tit. L V I . bis L V I I I . des Strafgesetzbuchs vorgesehenen Verbrechen und Vergehen, insoweit nicht über dieselben nach Vorschrift des Art. 18 des gegenwärtigen Gesetzbuchs die Schwurgerichtshöfe, und im Falle des Art. 8 Nr. 7 die Landgerichte zu erkennen haben. 1$. Ferner erkennen die Hofgerichte über die Rechtsmittel, welche gegen Entscheidungen der Bezirksstrafgerichtc und der Landgerichte zulässig sind. Art.. 17. Die Hofgerichte als Strafgerichte erkennen in Anwesenheit von fünf Mitgliedern. Die Art der Zusammensetzung der Senate sowohl der Hofgerichte als auch des Oberappellationsgerichts wird durch Verordnung bestimmt werden. Schwurgerichtshöfe. A r t . 18. Vor die Schwurgerichtshöfe gehören alle diejenigen Verbrechen, welche: a) mit Todesstrafe; b) mit lebenslänglicher oder zeitlicher Zuchthausstrafe allein, ohne alternativ angedrohte Correctionshausstrafe; c) mit einer zeitlichen Zuchthausstrafe und gleichzeitig alternativ mit Correctionshausstrafe, oder mit Correctionshausstrafe allein, insofern die eine oder die andere dieser Strafen im Maximum das Mass von fünf Jahren übersteigt; oder d) mit Dienstentsetzung bedroht sind.
Entwarf einer Btrafprocess-Ordmwg.
207
Die Zuständigkeit der Schwurgerichtehöfe bleibt ausgeschlossen, wenn den Schuldigen des Rückfalls wegen eine Strafe treffen kann, welche das Mass von fünf Jahren Zuchthaus oder Correctionshaus, womit das Verbrechen an und für sich im Maximum bedroht ist, übersteigt. A r t . 19. Personen, welche zur Zeit der That das eechszehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, sollen jedoch nicht vor den Schwurgerichtshof, sondern statt dessen vor das Bezirksstrafgericht gestellt werden, insofern nicht zugleich über Mitschuldige zu erkennen ist, welche zur Zeit der That das sechszehnte Lebensjahr aberschritten hatten. A r t . 20. Die Sitzungen der Schwurgerichtshöfe werden in jeder Provinz am Sitze des Hofgerichts gehalten. Sie bestehen einschliesslich des Präsidenten ¡ms fünf Mitgliedern. A r t . 21. Zum Präsidenten des Schwurgerichtshofs ist ein Mitglied des einschlägigen Hofgerichts zu ernennen. Wenn das Ministerium der Justiz während der Sitzungsperiode des Schwurnerichtshofe den Präsidenton für (He nächstfolgende Sitzungsperiode nicht ernannt haben wird, so hat der Vorsitzende des Hofgerichts diese Ernennung vorzunehmen, und zwar innerhalb vierzehn Tage nach dem Schlüsse jener Schwurgerichtssitzung. A r t . 22. Die vier Richter des Schwurgerichtshofs und zwei Ergänzungsrichter werden vor dem Beginn der Sitzungsperiode von dem Vorsitzenden des Hofgerichts aus den Mitgliedern dieses CollegB bestimmt. Sollte es in dem betreffenden Hofgerichte an der genügenden Anzahl von Mitgliedern fehlen, so hat das Hofgericht einen oder mehrere Landrichter der Provinz zur Ergänzung des Schwurgerichtshofs einzuberufen. A r t . 23. So oft zur Verhandlung einer Sache vor dem Schwurgerichtshofe voraussichtlich mehrere Tage erfordert werden, hat dieser Gerichtshof einen oder beide nach Art. 22 bereits bestimmte Ergänzungsrichter, und insoweit diese verhindert oder schon in den Schwurgerichtshof eingetreten wären, ein Mitglied oder zwei Mitglieder des Hofgerichts, oder in deren Ermangelung einen oder zwei Landrichter zuzuziehen, um bei diesen Verhandlungen anwesend zu sein und im Falle der Verhinderung eines oder zweier Mitglieder des Schwurgeriehtsliofs den Verhinderten zu ersetzen. In einer jeden dieser drei Kategorien von Ergänzungsrichtern bestimmt sich die Reihenfolge des Eintritts in jenen Gerichtshof nach dem Dienstalter. Concurrirt ein Mitglied des Hofgerichts als Ergänzungsrichter mit einem Landrichter, so tritt Ersterps zunächst ein. A r t . 24. Wird der Präsident des Schwurgerichtshofs verhindert, sein Amt zu versehen, so tritt der Vorsitzende des Hofgerichts oder das von diesem Vorsitzenden bestellte Mitglied des Hofgerichts an die Stelle des Verhinderten. Wird aber der Präsident des Schwurgerichtshofes während einer bereits begonnenen Hauptverhandlung an der Fortführung seines Amtes verhindert, so ernennt er, falls nach seinem Wegfallen der Gerichtshof noch gehörig besetzt ist, seinen Stellvertreter. Ist er dazu nicht im Stande, so tritt für ihn der dem Dienstalter mich Aelteste der beisitzenden Hofgerichtsmitglieder ein, welcher sich indes.« durch eines dieser Mitglieder kann vertreten lassen. A r t . 25. Bei der Wahl der Geschworenen und bei Bildung der Geschworenenbank wird nach dem darüber bestehenden besonderen Gesetze verfahren. A r t . 26. Die Sitzungen der Schwurgerichtshöfe werden im Laufe eines jeden Vierteljahrs gehalten. Sie können auch öfter gehalten werden, wenn es erforderlich erscheint, worüber das Hofgcricht auf den Antrag der Staatsanwaltschaft in einer Plcnarversummlung zu bestimmen hat. Wird eine solche ausserordentliche Schwurgerichtshofs-Sitzung beschlossen, so ist der Beschluss alsbald dem Ministerium der Justiz mitzutheilen. Wenn Letzteres nicht in den acht auf diese Mittheilung folgenden Tagen den Präsidenten
208
Grossherzogthum Hessen.
des Schwurgerichtshofs ernennt, so hat der Vorsitzende des H o f g e r i c h t s diese E r nennung vorzunehmen. A r t . 27. T a g und Stunde der Eröffnung sowie d e » ausserordentliche!) Schwurgerichtahofs des Hofgcrichte bestimmt.
der Sitzungen werden durch
des den
ordentlichen, Vorsitzenden
Diese V e r f ü g u n g enthält gleichzeitig die von dem Justizministerium oder von dem Vorsitzenden des I l o f g c r i c h t s erfolgte Ernennung des SchwurgerichtshofsPriisidenten. D i e Staatsanwaltschaft am Hofgerichte hat diese V e r f ü g u n g alsbald durch die Zeitung, sowie durch Anschlag an dem Gebäude des betreffenden H o f gerichts bekannt zu machen. Oberappellationsgericht. A r t . 28. Das Oberappellationsgericht erkennt über die Rechtsmittel, welche gegen Entscheidungen der H o f g e r i c h t e und der Schwurgerichtshöfe zulässig sind. Ausserdem erledigt es die iu, Gemässheit des gegenwärtigen Gesetzbuchs anderweitig an dasselbe gelangenden Sachen. A r t . 29. Das Oberappellationsgericht wesenheit von sieben Mitgliedern. II.
erlässt
seine Entscheidungen
in A n -
Voruntersuchung.
A rt. 30. I n der gerichtlichen Voruntersuchung, insoweit findet. wirken m i t : der Untersuchungsrichter ( T i t . 1 8 ) ; und das Hofgericht als A n k l a g e k a m m e r ( T i t . 19).
eine
solche statt-
Untersuchungsrichter. A r t . 31. D i e Voruntersuchung wird in der l l e g e l von dem zuständigen Landgerichte geführt. In den v o r ein Gerichtscolleg (Bezirksstrafgericht, Hofgerieht, Sehwurgerichtshof) gehörigen Strafsachen ( A r t . 10, l(i, 1 8 ) kann das Hofgericht die Voruntersuchung auch einem bei diesem Colleg angestellten Untersuchungsrichter auftragen. Anklagekammer. A r t . 32. Das Ilofgcricht. in seiner Eigenschaft als Anklagekanuner fasst seine Beschlüsse in Anwesenheit von dre i Mitgliedern in nicht öffentlicher Sitzung auf den V o r t r a g eines aus seiner Mitte von dem Vorsitzenden der Anklagekanuner ernannten Referenten. III.
Protokollführer.
A r t . 33. In den Sitzungen der G e r i c h t e , sowie bei allen gerichtlieh aufzunehmenden Verhandlungen muss ein vereideter Protokollführer zugezogen werden. D i e Geschäfte desselben können von einein nommen werden. Dritter Von
der
vereideten
Stellvertreter
wahrge-
Titel.
Staatsanwaltschaft.
Organisation der Staatsanwaltschaft. A r t . 34. D i e Staatsanwaltschaft ist in Gerichten unabhängig. Sie hat in dein ihr öffentliche Interesse zu wahren.
ihren Amtsverrichtungen von den angewiesenen W i r k u n g s k r e i s e das
A r t . 35. D i e Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden wahrgenommen: 1. bei dem Oberappellationsgerichte durch den Generalstaatsamvalt oder dessen Stellvertreter;
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Entwurf einer Stratyroeeas-Ordcang.
2. bei den Hofgerichten and den Schwurgerichtehöfen durch den Staatsanwalt oder dessen Stellvertreter; 3. bei den Bezirksstrafgerichten durch einen Vertreter des Staatsanwalts, sofern nicht der Staatsanwalt selbst die Verrichtung Obernimmt. A r t . 36. Bei den Landgerichten bezüglich der zu ihrer Zuständigkeit gehörigen Vergehen ( A r t 8) beschränkt sich die Wirksamkeit der Staatsanwaltschaft auf Verfolgung der zuständigen Rechtsmittel (Art. 418). A r t . 37. Wenn ein Beamter der Staatsanwaltschaft verhindert ist und durch einen anderen Beamten derselben nicht vertreten werden kann, so muss der Vorstand des Gerichts einen der Richter mit der Vertretung beauftragen, insofern nicht das Ministerium der Justiz für den Verhinderten einen Vertreter bestellt. Stellung und Amtoverrichtungen der Staatsanwaltschaft A r t 38. Ueber alle Beamte der Staatsanwaltschaft steht die obere Aufsicht dem Ministerium der Justiz zu; sie sind in ihren Dienstverrichtungen der Leitung desselben untergeben. Der Staatsanwalt bei dem Hofgerichte hat die Aufsicht und Leitung über die ihm beigegebenen Vertreter, und dieselbe Befugniss steht dem Generalstaatsanwalt am Oberappellationsgerichte zu, in Beziehung auf die ihm beigegebenen Vertreter. A r t 39. Die Gerichtscollegien können in der Sache, selbst bezüglich der Voruntersuchung, erst Beschluss fassen, nachdem sie die Staatsanwaltschaft über den Gegenstand des zu fassenden Beschlusses mit ihren Anträgen gehört haben. A r t . 40. Die Staatsanwaltschaft kann wegen Verbrechen und Vergehen bei dem zuständigen Gerichte auf Untersuchung und Bestrafung antragen, ausgenommen in denjenigen Fällen, welche nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift nur auf Klage oder Anzeige des Betheiligten untersucht werden. Auf jeden Antrag der Staatsanwaltschaft hat der Richter Entschliessung zu fassen. A r t . 41. Die Amtsverrichtungen, mit wclchen die Staatsanwaltschaft ausserdem betraut ist, sind bei den einzelnen Abschnitten des Verfahrens angegeben. A r t 42. Die Staatsanwaltschaft kann nötigenfalls den Beistand der Polizeibeamten, sowie der bewaffneten Macht unmittelbar in Anspruch nehmen, und von allen sonstigen Personen Halfeleistung verlangen. In wichtigen und dringenden Fällen kann sie selbst die den Polizeibehörden zustehenden Befugnisse ausüben. A r t 43. Sie wohnt den Verhandlungen vor den Gerichtscollegien bei. Den Berathungen und Abstimmungen derselben soll sie nicht beiwohnen.
Vierter Titel. Von den Polizeibehörden in Beziehung auf die Verfolgung der Verbrechen und Vergehen. Befugnisse der Polizeibehörden. A r t . 44- Die mit der Polizei beauftragten Behörden haben, sobald sie Kenntniss von einer strafbaren, ihre Thfttigkeit in Anspruch nehmenden Handlung erhalten, die keinen Aufschub gestattenden, vorbereitenden Anordnungen zur Aufklärung der Sache, zur Verhütung der Flucht der Thäter, und zur Erhaltung der Gegenstände und der Spuren der That zu treffen. Insbesondere können sie den Bezüchtigten und Personen, von welchen sie Aufklärungen zu erwarten haben, vorläufig, jedoch ohne Vereidung, abhören, Ersteren auch bewachen lassen, oder in Verwahrung nehmen, und zu diesem Behufe Nacheile verfügen. Auch können von ihnen die Legitimationspapiere des Bezüchtigten in Beschlag genommen oder inne behalten werden. Sammlung der n. >1. Gesetze.
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Grosahercogthnm Heuen.
A r t . 45. Ebenso köDnen die Polizeibehörden in dringenden Fällen Haussuchung und Durchsuchungen, sowie Beschlagnahme von Papieren und anderen Gegenständen vornehmen und verfügen. Es sind jedoch hierbei die im 9. Tit. für den Richter ertheilten Vorschriften zu beobachten. Ferner können die Polizeibehörden Briefe und Pakete wegnehmen, die ein Bcziichtigter empfängt oder absendet; sie haben jedoch dieselben, wenn nicht Gefahr auf dem Verzuge beruht, uneröffnet an das Gericht abzugeben. A r t . 46. Bei den nur auf Klage der Betheiligten zu untersuchenden Vergehen finden die vorstehenden Art. 44 und 45 nicht eher Anwendung, als nachdem der zur Klage Berechtigte die Untersuchung verlangt hat. Benachrichtigung des Gerichts. A r t . 47. Die Polizeibehörden haben von den eingegangenen Anzeigen und ihren etwa getroffenen, vorbereitenden Anordnungen ungesäumt das zuständige Gericht in Kenntniss zu setzen. Auch haben die Polizeibehörden dafür Sorge zu tragen, dass bis zum Eintreffen des Gerichts keine Veränderungen am Orte der That oder mit den Gegenständen und Spuren der That vorgenommen werden. Art. 48. Die Localpolizeibehörden als Hülfsbeamte der Justiz 6tehen bezüglich der Verfolgung von Verbrechen und Vergehen unter der Aufsicht der Gerichte, und haben die ihnen von den Gerichten ertheilten Weisungen zu befolgen. Art. 49. Inwieweit die Polizeidiener und Gensd'armen die den Polizeibehörden zustehenden Befugnisse, ohne besondere -Anweisung der Letzteren, im einzelnen Falle ausüben dürfen, ist in den Dienstvorschriften derselben bestimmt. Fünfter Titel. Von dem Gerichtsstände. Gerichtsstand mit Rücksicht auf die örtliche Begrenzung der Gerichtsbezirke. A r t . 50. Der allgemeine Gerichtsstand für die im Inlande begangenen strafbaren Handlungen ist bei dem Gerichte, in dessen Sprengel die That begangen worden ist. A r t . 51. Als Ort der begangenen That igt derjenige anzusehen, an welchem die Handlung, welche das Wesen des Verbrechens ausmacht, vorgenommen worden ist; ohne Unterschied, ob das Verbrechen in den Grenzen des Versuchs stehen geblieben, oder ob es vollendet, und wo solchenfalls der etwa nach dem Gesetze zur Annahme der Vollendung nöthige Erfolg eingetreten ist. War die das Wesen des Verbrechens ausmachende Handlung noch nicht vorgenommen worden, so entscheidet der Ort, woselbst der Beschuldigte zuletzt für Ausführung des Verbrechens tliätig gewesen ist. A r t . 52. Ist der Ort der That ungewiss, oder ist es streitig, zu welchem Gerichtsbezirke derselbe gehöre, oder ist die That auf der Grenze mehrerer Gerichtsbezirke begangen worden, so ist unter den in Frage kommenden Gerichten dasjenige zuständig und als Gericht der begangenen That anzusehen, welches dem anderen zuvorgekommen ist. Als zuvorkommend wird das Gericht betrachtet, welches zuerst eine auf Feststellung des sachlichen Tliatbcstandes oder eine gegen einen bestimmten Beschuldigten gerichtete Untersuchungshandlung vorgenommen hat. A r t . 53. Ist im Auslände eine strafbare Handlung begangen worden, deren Bestrafung nach dem Strafgesetzbuche im Inlande stattfinden kann, so ist der Gerichtsstand bei dem Gerichte des Wohnsitzes des Beschuldigten begründet, oder wenn dieser im Inlande keinen Wohnsitz hat, bei dem Gerichte, in dessen Bezirk der Ort seines Aufenthaltes liegt, und wenn er weder Wohnsitz noch Aufenthaltsort im Inlande hat, bei demjenigen, in dessen Bezirk er ergriffen wird.
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A r t . 5 4 . Wenn der Beschädigte eine strafbare Handlung, deren Untersuchung von seiner Klage oder Anzeige abhängt, bei dem Gerichte anzeigt, in dessen Bezirk der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, so wird dieses Gericht zoständig, insofern nicht das Gericht des Sprengeis der begangenen That bereits zuvorgekommen ist. Begründung des Gerichtsstandes durch Connexität. A r t . 55. Das Gericht, bei welchem die Untersuchung wegen einer strafbaren Handlung anhängig ist, ist gleichzeitig für die Untersuchung aller strafbaren Handlungen desselben Beschuldigten zust&ndig, deren er im Laufe der Untersuchung verdächtig wird. Ebenso bezieht sich die Zuständigkeit des mit der Untersuchung befassten Gerichte, wenn mehrere Personen an der VerÜbung der That Theil genommen haben, nicht blos auf den einen, sondern auch auf die übrigen Theilnehmer und die Begünstiger, wenn auch deren Handlungen in anderen Gerichtsbezirken verübt worden sind, selbst dann, wenn gegen den eigentlichen Urheber der That die Untersuchung noch nicht eingeleitet ist. A r t . 56. Die Bestimmungen des vorhergehenden Artikels gelten auch f&r die erkennenden Gerichte; diese sind für alle strafbare Handlungen zuständig, über welche die Voruntersuchung in ihrem Sprengel statt hatte. Jedoch kann daB Landgericht seine Gerichtsbarkeit nicht auf die Entscheidung der vor ein Gerichtscolleg gehörigen Sachen ausdehnen; und weder das Bezirksstrafgericht kann über Verbrechen, die vor das Hofgericht oder den Schwurgerichtshof, noch kann das Hofgericht über Verbrechen, die vor den Schwurgerichtshof gehören, erkennen. Bestimmung des zuständigen Gerichts durch ein höheres Gericht. A r t . 57. In allen Flllen, in welchen mehrere Gerichtsstande begründet sind, die Sache mag in einem derselben bereits anhängig sein oder nicht, kann, solange nicht in erster Instanz erkannt ist, das zunächst höhere Gericht die Sache an dasjenige derselben zur Untersuchung und Entscheidung verweisen, welches wegen der überwiegenden Wichtigkeit oder der Zahl der in dessen Sprengel begangenen strafbaren Handlungen, wegen der Zahl der über dieselben zu vernehmenden Zeugen oder sonst zur Erleichterung des Verfahrens als das geeignetste erscheint. A r t . 58. Hilgen verschiedene Gerichte durch nicht angegriffene Beschlüsse oder Urtheile ihre Unzuständigkeit ausgesprochen, sei es, weil der Gerichtsstand bei ihnen nicht begrfindet sei, oder weil die Sache vor ein Gericht höheren Ranges gehöre, BO wird das zuständige Gericht durch das höhere Gericht bestimmt. Dasselbe gilt in dem Falle, wenn das Gericht, an welches eine Sache durch einen Beschluss des Hofgerichts zur Hauptverhandlung verwiesen ist, durch ein nicht angegriffenes Urtheil seine Unzuständigkeit ausgesprochen hat. Beruht jedoch die UnzuständigkeitBerklärung auf Thatsachen, welche erst nach Erlassung des Verweisungsbeschlusses ermittelt sind, so ist die Voruntersuchung wieder aufzunehmen, und nach deren Beendigung ein neuer Verweisungsbeschluss zu erlassen. A r t . 59. Wenn wegen irgend eines Hindernisses eine Sache bei dem an sich zuständigen Gerichte nicht erledigt werden kann, so wird dieselbe an ein anderes möglichst nahe gelegenes Gericht verwiesen. Auch diese Verweisung geschieht durch das höhere Gericht. A r t . 60. Unter dem höheren Gerichte ist das Oberappellationsgericht verstanden, wenn die verschiedenen in Frage stehenden Gerichte den Sprengeln verschiedener Hofgerichte angehören, oder wenn die Sache von einem Hofgerichte an das andere oder von einem Schwurgerichtshofe an den anderen zu verweisen ist; dagegen in anderen Fällen der gedachten Art vom Hofgerichte das zustandige Gericht zu bezeichnen ist. 14»
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Heuen.
A r t . 61. Der Beschluss, welcher in den Fällen der Art. 5 7 — 6 0 das zuständige Gericht bezeichnet, wird durch das daselbst bezeichnete Gericht in dem für Beschwerdesachen vorgeschriebenen Verfahren erlassen. A r t . 62. Gegen einen solchen Beschluss des Hofgerichts (Art. 6 1 ) findet nur das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde statt. Dasselbe ist nur innerhalb fünf Tage nach Bekanntmachung des Beschlusses und nur in dem Falle zulässig, wo die Unzuständigkeit des Gerichts behauptet wird, welchem die Sache zugewiesen ist (Art. 436). A r t 63. Das Oberappellationsgericht kann auf den schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft bei demselben aus Gründen der öffentlichen Sicherheit die Verweisung einer Sache von dem an sich zuständigen Gerichte an ein anderes Gericht gleichen Ranges aussprechen. Das Verfahren richtet sich nach den für Beschwerdesachen geltenden Vorschriften. A r t . 64. Durch den rechtskräftigen Beschluss, welcher nach Massgabe der Art. 57 — 62 das zuständige Gericht bestimmt, oder nach Art. 63 die Verweisung an ein anderes Gericht ausspricht, wird die Zuständigkeit des in dem Beschlüsse bezeichneten Gerichts endgültig festgestellt Untersuchungsverhandlungen eines nicht zuständigen Gerichts. A r t . 65. Die schriftlichen Untersuchungsverhandlungen, welche von einem nicht zuständigen Gerichte aufgenommen werden, sind aus diesem Grunde allein nicht ungültig, vorbehaltlich der Befugniss des zuständigen Gerichts, die Wiederholung oder Ergänzung derselben zu veranlassen.
Sechster Titel. Von
der Unfähigkeit zur Ausübung des Amtes einer Gerichtsperson von der Ablehnung eines Richters oder Protokollführers.
und
Verhältnisse: 1) des Richters. A rt. 66. Unfähig zur Ausübung des Richteramtes ist der Richter in allen Sachen, in welchen er selbst durch das Verbrechen verletzt ist, oder seine wirkliche oder geschiedene Ehefrau, seine Verlobte, seine Pflegebefohlenen, oder solche Personen angeschuldigt oder verletzt sind, welche mit ihm oaer seiner wirklichen oder geschiedenen Ehefrau in gerader Abstammung ohne Rücksicht auf den Grad und mit Einschluss der Adoptiveltern und Adoptivkinder, in der Seitenlinie aber bis zum zweiten Grad einschliesslich verwandt oder verschwägert sind, ohne Unterschied, ob die Ehe, durch welche die Schwägerschaft entstand, noch besteht oder nicht. Unfähig ist ferner derjenige Richter, welcher ausserhalb seiner Dienstverrichtungen Zeuge der in Frage stehenden strafbaren That gewesen und hierüber als Zeuge abgehört worden ist. A r t . 07. Wer als Untersuchungsrichter in einer Sache thätig war, ist unfähig, als Mitglied des Hofgerichts oder des Schwurgerichtehofes an einer diese Sache betreffenden Verhandlung oder Entscheidung Theil zu nehmen. Die Mitglieder des Hofgerichts, welche zu dem Anklagebeschlusse (Art. 2 9 5 ) mitgewirkt haben, können in der nämlichen Sache nicht Mitglieder des Schwurgerichtshofes sein. Der Richter, welcher in einer früheren Instanz zu einer Entscheidung mitgewirkt hat, ist unfähig, sein Amt in einer höheren Instanz in der nämlichen Sache auszuüben. A r t . 68. Richter, welche nach Art. 66, 67 zur Ausübung des Richteramtes unfähig sind, haben die Verpflichtung, die Verhältnisse, welche ihre Unfähig-
Entwarf einer Strafprocess-Ordnung.
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keit begründen, ungesäumt dem Gerichte, zu welchem sie gehören, anzuzeigen. Der Landrichter hat diese Anzeige an die Anklagekammer des Hofgericht« so richten. Art. 69. Die von einem unfähigen Richter vorgenommenen Handhingen sind nichtig. Er darf jedoch, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet und die Vertretung durch einen anderen Sichter nicht sogleich bewirkt werden kann, die dringend nöthigen Untersuchungshandlungen vornehmen. A r t . 70. Sowohl die Staateanwaltschaft als der Beschuldigte kann, auch ausser den Hillen der Unfähigkeit, den Richter ablehnen, wenn Gründe angegeben und bescheinigt werden, wegen deren dem Ablehnenden ungeschwächtes Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters nicht zugemuthet werden kann. Gründe solcher Art sind namentlich folgende: 1. wenn der Richter mit dem Beschuldigten oder mit dem durch die strafbare Handlung Verletzten bis zum vierten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist (vergl. Art. 66); 2. wenn Freundschaft oder Feindschaft mit dem Beschuldigten fQr seine Unbefangenheit fürchten lässt; 3. wenn durch den Ausgang der Untersuchung sein Privatinteresse berührt wird; 4. wenn der Richter ein schriftliches Gutachten über die Sache abgegeben hat, oder wenn er als Beamter der Staatsanwaltschaft, oder als Vertheidiger oder Anwalt oder als Geschäftsführer in der Sache thfitig gewesen; 5. wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vorgeladen ist; 6. wenn er im Laufe des Verfahrens Ordnungswidrigkeiten gegen den Beschuldigten begangen hat, welche auf seine Befangenheit schliessen lassen. A r t . 71. Das Ablehnungsgesuch muss schriftlich überreicht oder mündlich zu Protokoll erklärt werden. Eidliche Erhärtung des Ablehnungsgrundes genügt nicht; wenn aber der Abgelehnte selbst die Wahrheit des Ablehnungsgrundes auf seinen Diensteid bestätigt, so bedarf es keiner weiteren Bescheinigung. A r t . 72. Handelt es sich um die Ablehnung eines Richters in der Hauptverhandlung, so ist auf das Gesuch keine Rücksicht zu nehmen, wenn es nicht vor dem Beginne der Verhandlung angebracht ist Wer ein Mitglied des Landgerichts ablehnen will, muss das Gesuch bei diesem Gerichte vor dem Schlüsse der Untersuchung (Art. 410) bezieh, vor dem Beginne der im Art. 414 gedachten mündlichen Beweisaufnahme vorbringen. Art. 73. Ueber die Ablehnung entscheidet, nachdem der Abgelehnte sich über dieselbe erklärt hat, das Gerichtscolleg, bezieh, die Gerichtsabtheilung oder der Schwurgerichtshof, dem der Abgelehnte angehört Die Anklagekammer des Hofgerichts hat zu entscheiden, wenn es sich von der Ablehnung eines Untersuchungsrichters oder eines Mitgliedes des Landgerichte als solchen handelt und auch in dem Falle, wenn so viele Mitglieder eines Bezirksstrafgerichts abgelehnt werden, dass dieses nicht mehr bis zu der gesetzlich erforderlichen Zahl der Mitglieder ergänzt werden kann. Wird die Mehrheit der Mitglieder des Hofgerichts oder das ganze Hofgericht abgelehnt, so entscheidet das Oberappellationsgericht; wird die Mehrheit der Mitglieder des Oberappellationsgerichts oder dieser ganze Gerichtshof abgelehnt, so entscheidet das Ministerium der Justiz. Das Verfahren richtet sich nach den für Beschwerdesachen geltenden Vorschriften. Art. 74. Bis zu der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hat der Abgelehnte sich aller Mitwirkung in der Sache zu enthalten. Nur wenn Gefahr im Verzuge obwaltet und die Vertretung durch einen anderen Richter nicht sogleich bewirkt werden kann, hat er sich den dringend nöthigcn Untersuchungshandlungen zu unterziehen. Art. 75. Wird in Folge eines für begründet erachteten Ablehnungsgesuchs die Verweisung der Sache an ein anderes Gericht erforderlich, so wird letzteres von dem entscheidenden Gerichte zugleich bestimmt.
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Grossherzogthum Hessen.
A r t 76. Wird der Ablehnung des Oberappellationsgerichts Btatt gegeben, so sind aus demjenigen Hofgerichte, welches nicht bereits mit der Sache befasst war, so viele Mitglieder, als zur Bildung, bezieh, zur Ergänzung der erforderlichen Zahl nothwendig sind, zu berufen. A r t . 77. Gegen ilie Entscheidung über das Ablehnungsgesuch findet ein Rechtsmittel nicht statt. und des Protokollführers. A r t 78. Die Vorschriften der Art. 66, 6 8 , 69 über die Unfähigkeit zum Richteramte und die Vorschriften über Ablehnung des Richters finden auch auf den Protokollführer Anwendung. Jedoch ist, wenn der Protokollführer eines Landgerichts abgelehnt wird, das Gesuch bei diesem Gerichte anzubringen, welches darüber zu entscheiden hat, vorbehaltlich der Beschwerdeführung bei der Anklagekammer des Hofgerichts. In den Fälleu der Unfähigkeit des Protokollführers (Art. 66) hat der Richter einen anderen Protokollführer von Amtswegen beizuziehen. 2) der Beamten der Staatsanwaltschaft A r t 79. Die Beamten der Staatsanwaltschaft werden aus denselben Gründen unfähig, welche einen Richter nach Art. 66 unfähig machen. Desgleichen kann derjenige, welcher früher als Vertheidiger thätig gewesen ist, in derselben Sache nicht die Geschäfte der Staatsanwaltschaft besorgen. A r t . 80. Zur Ablehnung von Beamten der Staatsanwaltschaft ist der Beschuldigte nicht berechtigt. Befindet sich ein Beamter der Staatsanwaltschaft in einem Verhältnisse, welches die Ablehnung eines Richters begründen würde, so wird geeigneten Falls durch die ihm vorgesetzte Behörde wegen seiner Stellvertretung das Nöthige veranlasst. Siebenter Titel. Von der Anzeige s t r a f b a r e r H a n d l u n g e n und von deren V e r f o l g u n g im Allgemeinen. A r t . 81. Die Anzeige strafbarer Handlungen geschieht bei den Polizeibehörden oder bei den Gerichten. Sie kann schriftlich oder mündlich geschehen; in letzterem Falle muss darüber ein Protokoll aufgenommen werden. A r t . 82. Die Polizeibehörden haben die ihnen überreichten Anzeigen und die von ihnen aufgenommenen Protokolle ohne Verzug an das zuständige Gericht zu übersenden. A r t . 83. Alle öffentliche Behörden und Beamten sind verpflichtet, von strafbaren Handlungen, welche amtlich zu ihrer Kenntniss kommen, dem zuständigen Gerichte sogleich Mittheilung zu machen und demselben alle darauf bezügliche Verhandlungen zu übersenden. A r t . 84. Die Gerichte haben die Untersuchung, sofern nicht das Gesetz eine Ausnahme begründet, von Amtswegen einzuleiten, das Sachvcrhältniss durch alle gesetzliche Mittel aufzuklären, auf die Thatsachen, welche sich aus der Untersuchung ergeben, das Strafgesetz anzuwenden lind die Art und Höhe der Strafe lediglich nach dem Gesetze zu ermessen. Achter Titel. Von d e r V e r h a f t u n g und Freilassung, insbesondere von d e r gegen Abw e s e n d e oder Flüchtige statthaften Sequestration des V e r m ö g e n s . A r t 85. Die Verhaftung son kann in der Regel nur auf ständigen Richters stattfinden. zu verhindern und zu verhüten,
Verhaftung. der einer strafbaren Handlung verdächtigen Pervorausgegangene schriftliche Anordnung des zuSie hat zum Zweck, die Flucht des Verdächtigen dass er den Fortgang der Untersuchung erschwere
Entwarf einer Strafprooesa-Ordnang.
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oder vereitle, and ist demnach dann zu verhangen, wenn das Eine oder das Andere zu befürchten steht. Der Richter hat hierbei zu sehen aof die Schwere der Beschuldigung, den bisherigen Leamnnd und die sonstigen persönlichen Verhältnisse des Verdächtigen, insbesondere darauf, ob derselbe ein Inlinder oder ein Ausländer ist, sowie auf die Lage, in welcher sich die Untersuchung befindet. A r t 86. Der Untersuchungsrichter verfügt die Verhaftung in den hierzu geeigneten Fällen, nachdem er den Beschuldigten summarisch vernommen hat, wenn es diesem nicht gelungen ist, durch seine Erklärungen den gegen ihn entstandenen Verdacht zu beseitigen. Der Richter kann jedoch, w.enn es der Zweck der Untersuchung erheischt, die Verhaftung des Verdächtigen schon vor dessen Vernehmung verordnen. In diesem Falle wird er denselben in möglichst kurzer Zeit einem Verhöre unterziehen und nach dem Verhöre ihn entweder in Freiheit setzen oder die Fortdauer der Haft beschliessen. A r t . 87. Ausnahmsweise können auch ohne vorausgegangenen richterlichen Befehl die Polizeibeamten, die Gensd'armen und jeder Diener der öffentlichen Sicherheit die vorläufige Festnahme einer Person verfügen und vollziehen: 1. wenn diese Person auf frischer That betroffen oder verfolgt wird; 2. wenn sie der Thäterschaft so verdächtig ist, oder wenn die Gefahr, dass sie die Untersuchung vereiteln oder erschweren werde, insbesondere die Gefahr der Flucht so gross ist, dass bei vorerstiger Einholung eines richterlichen Befehls Gefahr auf dem Verzuge haftet Im Falle No. 1 ist selbst jede Privatperson ermächtigt, den Thäter zu ergreifen ; der Ergriffene muss aber in solchem Falle sofort einem der oben bezeichneten Beamten behufs Bestimmung über die vorläufige Festnahme oder einer Wachtmannschaft zugeführt werden. A r t 88. Der ohne richterlichen Befehl Ergriffene muss möglichst bald dem zuständigen Untersuchungsrichter vorgeführt werden, der alsdann so zu verfahren hat, wie es im A r t 86 Abs. 2 vorgeschrieben ist A r t 89. Ist die That, deren der Beschuldigte verdächtig ist, mit Zuchthausstrafe im Maximum über zehn Jahre oder mit noch schwererer Strafe bedroht, so muss die Haft gegen ihn verhängt werden. A r t . 90. Der Haftbefehl, wie auch der Vorführungsbefehl (Art 240) muss den Namen und die Beschreibung des Verdächtigen, und den Gegenstand der Beschuldigung im Allgemeinen angeben. Dieser Befehl muss ihm entweder sofort bei der Verhaftung, bezieh. Vorführung, oder innerhalb vierundzwanzig Stunden nach derselben zugestellt werden. A r t 91. Dem Verhafteten sollen keine grösseren Beschränkungen auferlegt werden, als welche die Sicherung seiner Person, der Untersuchungszweck und die Gefängnisspolizei nöthig machen. In der Regel ist der Beschuldigte in einem öffentlichen Gefängnisse zu verwahren; es kann aber auf sein Verlangen und seine Kosten die Bewachung in seiner oder in einer anderen Privatwohnung angeordnet werden, wenn diese Bewachung ausführbar erscheint und der Zweck der Haft dadurch ebenfalls mit Sicherheit erreicht wird. A r t 92. Der Untersuchungsrichter kann während der Dauer der Voruntersuchung die von ihm verordnete Haft wieder aufheben, sobald die Gründe wegfallen, wegen deren sie verordnet wurde oder fortdauern könnte. A r t 93. Andere Gerichte können gleichfalls, sobald die Sache bei ihnen anhingig wird, die Verhaftung unter den dieselbe rechtfertigenden Voraussetzungen entweder auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder auch von Amtswegen verordnen. Dieser Beschluss ist, wenn er von einem erkennenden Gerichte gefasst wird, besonders abzufassen, selbst wenn die Verhaftung bei Gelegenheit der Hauptvcrhandlung angeordnet wird.
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Auf dieselbe Weise können auch diese Gerichte eine bestehende Haft aufheben und verordnen, dass der Verhaftete in Freiheit gesetzt werde. A r t . 94. Ist der zu Verhaftende flüchtig oder nicht aufzufinden, so kann der Untersuchungsrichter Steckbriefe erlassen, wenn er die Verhaftung angeordnet h a t Wurde die Verhaftung durch ein Gerichtscolleg verfügt, so werden die Steckbriefe vom Vorsitzenden desselben erlassen. A r t . 95. Der Beschluss, durch welchen ein Beschuldigter ausser Verfolgung gesetzt wird, muss zugleich den Befehl zu dessen Freilassung enthalten. J e d e s freisprechende Urtheil muss zugleich die Freilassung des Beschuldigten befehlen. Freilassung gegen Sicherheitsstellung. A r t 96. Wer eines nicht unter Art. 8 9 fallenden Verbrechens beschuldigt ist, kann auf seinen Antrag nach Befund der Umstände in Freiheit gesetzt oder belassen werden, wenn er mit einer bestimmten Geldsumme hinreichende Sicherheit dafür stellt, dass er sich auf die an ihn ergehende Aufforderung bei jeder Verhandlung und zur Vollstreckung des Urtheils einfinden werde. A r t 97. Die Grösse der Sicherheitssumme ist mit Rücksicht auf die Höhe der zu erwartenden Strafe und auf den wahrscheinlichen Betrag der Untersuchungskosten und des zu leistenden Schadenersatzes, wie auch mit Rücksicht auf die Vermögens- und sonstigen Verhältnisse des Beschuldigten zu bestimmen. A r t 98. Die Sicherheitssumme muss entweder in baarem Gelde oder in inländischen Staatspapieren, welche nach dem Tagescurse, jedoch nicht über den Nennwerth berechnet werden, iD die dazu bestimmte öffentliche Casse eingezahlt oder durch Pfandbestcllung gewährt werden. A r t . 99. Die Anordnung wegen Freilassung oder Nichtverhaftung des B e schuldigten ( A r t 9 6 ) tritt nicht eher in Wirksamkeit, als bis derselbe an dem Sitze des mit der Sache befassten Gerichts zu Protokoll eine Wohnung bezeichnet hat, in welcher alle Zustellungen an ihn erfolgen können. A r t . 100. Wenn der Beschuldigte sich auf eine an ihn ergangene Vorladung ohne hinlängliche Entschuldigung nicht stellt, oder wenn neue Umstände eintreten, welche die Verhaftung erfordern, so ist die Haft ungeachtet der Sicherheitsstellung zu verhängen. A r t . 101. Ist die Verhaftung erfolgt (Art. 1 0 0 ) , so wird die Sicherheitssumme frei, soweit sie nicht zur Deckung der Untersuchungskosten, einer etwaigen Geldstrafe oder des Schadenersatzes erforderlich ist Mit der nämlichen Beschränkung wird dieselbe frei, sobald der Beschuldigte entweder rechtskräftig freigesprochen ist, oder die Vollstreckung der gegen ihn zu vollziehenden Freiheitsstrafe begonnen hat. A r t . 102. Eine noch nicht wieder frei gewordene Sicherheitssumme wird für verfallen erklärt, wenn der Beschuldigte nicht binnen acht Tagen von der Zeit an, wo er erscheinen sollte, sieh zum Zwecke der Untersuchung oder Vollstreckung der Strafe freiwillig stellt oder nachweist, dass es ihm ohne sein Verschulden unmöglich ist, sich zu stellen. Die Sicherheitssumme verfällt der Staatscasse; doch hat der durch die strafbare Handlung Beschädigte das Recht, zu verlangen, dass seine Entschädigungsansprüche, gegen Uebcrtragung derselben an den Staat, aus jener Summe befriedigt werden. A r t 103. Ueber den Antrag auf Freilassung gegen Sicherheitsstellung, über die Höhe der zu stellenden Sicherheit und über den Verfall der Sicherheitssumme entscheidet das mit der Sachc befasste Gericht und zwar in Fällen der Art. 1 0 . 16 und 18 während der Voruntersuchung das Hofgericht als Anklagekammer. Sequestration des Vermögens. A r t 104. Ist der eines unter A r t 1 8 fallenden Verbrechens Verdächtige abwesend oder flüchtig, so kann, nachdem Steckbriefe gegen ihn ohne Erfolg er-
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lassen sind, Ton der Staatsanwahshaft die Sequestration seines Vermögens bei dem Hofgerichte (Anklagekammer) beantragt werden. Das Gericht kann die Sequestration sogleich beschlieasen oder verordnen, dass der Beschuldigte vordersamat öffentlich vorgeladen werde, sich binnen einer zu bestimmenden Frist vor Gericht zu gestehen, widrigenfalls die Sequestration seines Vermögens verfügt werden solle. A r t . 105. Den Beschluss, welcher die Sequestration oder die öffentliche Vorladung verfügt, lässt das Hofgericht durch die von ihm zu bestimmenden öffentlichen Blätter, sowie in der inländischen Gemeinde, in welcher der Beschuldigte seinen Wohnsitz hatte, bekannt machen. A r t . 106. Die Sequestration und die Verzeichnung des Vermögens wird durch das Landgericht des Wohnorte des Beschuldigten vollzogen. Das Landgericht ernennt einen Güterpfleger, der noch besonders dahin zu verpflichten ist, dass er weder unmittelbar noch mittelbar dem Beschuldigten etwas aus dem von ihm zu verwaltenden Vermögen zuwende, jedoch nnbeschadet der Alimente, welche der Beschuldigte aus diesem Vermögen gewissen Personen schuldet. Im Allgemeinen treten die Grundsätze der gerichtlichen Vermögensverwaltung ein. A r t 107. Wenn der Beschuldigte ausser Verfolgung gesetzt oder wenn er zur Abqrtheilung vor ein anderes Gericht als den Schwurgerichtshof verwiesen wird, so hebt das Gericht, welches mit der Sache befasst ist, die Sequestration wieder auf; der desfallsige Beschluss wird dem Landgerichte des Wohnortes des Beschuldigten bekannt gemacht. Die Folgen der Sequestration hören von Rechtswegen auf, sobald der sich freiwillig stellende oder zur Haft gebrachte Beschuldigte in dem Gefängnisse ankommt, welches für die bei dem zuständigen Gerichte in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten bestimmt ist.
Neunter Titel. Von der Haussuchung, Durchsuchung und Beschlagnahme. Haussuchung und Durchsuchung. A r t . 108. Der Untersuchungsrichter ist befugt, Durchsuchungen in der Wohnung und den sonstigen Räumlichkeiten des Beschuldigten vorzunehmen, wenn zu vermuthen ist, dass in der zu durchsuchenden Räumlichkeit der Beschuldigte sich verborgen halte, oder dass Gegenstände darin zu finden seien, die zum Beweise des Thatbestandes oder zur Ueberführung des Beschuldigten dienen können. Unter den nämlichen Voraussetzungen ist die Durchsuchung einer Räumlichkeit, die anderen Personen als dem Beschuldigten gehört, auch ohne Zustimmung derselben gestattet, wenn der Inhaber der Räumlichkeit über das Vorhandensein der fraglichen Person oder der fraglichen Gegenstände befragt, solches verneint, und hierdurch die Vermuthung des Gegentheils nicht beseitigt wird, oder wenn er die Herausgabe derselben verweigert oder nur einige der gesuchten Gegenstände herausgiebt Gleiches gilt von den Durchsuchungen an dem Beschuldigten und anderen Personen. A r t . 109. Zu einer gewaltsamen Eröffnung verschlossener Thflren, Fenster oder Behältnisse darf erst dann geschritten werden, wenn eine gütliche Aufforderung zu deren Erö&ung ohne Erfolg geblieben, oder Niemand anwesend ist, an welchen die Aufforderung gerichtet werden kann. Beschlagnahme und Durchsuchung von Papieren. A r t . 110. Eine Beschlagnahme oder Durchsuchung der Papiere des Beschuldigten, gleichviel ob er oder ein Dritter sie in Verwahrung hat, kann vertagt werden, wenn Gründe zu der Annahme vorhanden sind, dass dadurch Be-
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weise für den Thatbestand oder fOr die Ueberführung des Beschuldigten gefunden, oder die Entdeckung Mitschuldiger herbeigeführt werden könne. A r t . 111. Die Beschlagnahme oder Durchsuchung von Papieren, welche dritten Personen gehdren, kann verfugt werden, wenn gleich« Gründe, oder Gründe zu der Annahme, dass durch die Beschlagnahme oder Durchsuchung die Entdeckung des Schuldigen herbeigeführt werden könne, vorhanden sind und diese Gründe nach einer vorgingigen Befragung der dritten Person oder des Inhabers der Papiere nicht beseitigt sind. A r t . 112. Die Correspondenz, welche der Beschuldigte mit seinem Beichtvater oder Vertheidiger (Art. 125) geführt hat, ist, wenn sie sich noch in den Händen dieser Personen befindet, von der Beschlagnahme ausgenommen. Gemeinsame Bestimmungen. A r t . 113. Der Richter kann die Vornahme einer Haussuchung, Durchsuchung oder Beschlagnahme, der Localpolizeibehörde oder dem Ortsgerichtsvorsteher, oder in minder wichtigen Fällen einer bei Gericht in Pflicht stehenden Person übertragen. Alsdann muss aber eine Urkundsperson beigezogen werden. A r t . 114. Die in Art. 108, 111 angeordnete Befragung kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzuge ist und die Befragung mit Aufenthalt verbunden sein würde, sowie wenn allgemeine Haussuchung im ganzen Orte oder in einer Abtheilung desselben, oder wenn eine Haussuchung in den dem Publicum offen stehenden Häusern oder bei Personen, die unter besonderer polizeilicher Aufsicht stehen, vorgenommen wird. A r t . 115. Der Inhaber der Räumlichkeit oder der Gegenstände, welche durchsucht oder in Beschlag genommen werden sollen, ist aufzufordern, der Durchsuchung beizuwohnen; ist derselbe verhindert oder nicht anwesend, so muss die Aufforderung an ein erwachsenes Mitglied seiner Familie, oder in dessen Ermangelung an einen Hausgenossen oder einen Nachbar ergehen. Der Richter kann bei der Haussuchung oder Beschlagnahme und Durchsuchung auch den Verletzten zuziehen. A r t . 116. Ist bei einer Haussuchung nichts Verdächtiges ermittelt worden, so kann der Betheiligte verlangen, dass eine Bescheinigung hierüber ihm unentgeltlich ausgestellt werde. A r t . 117. Gegenstände, welche bei der Haussuchung oder Durchsuchung vorgefunden worden sind und für die Untersuchung von Wichtigkeit sein können, sind geeigneten Falls dem Beschuldigten, sowie demjenigen, welcher sie in Gewahrsam hat, sofern sie anwesend sind, zur Anerkennung vorzuzeigen. Von den in Beschlag genommenen Gegenständen muss ein genaues Verzeichniss angefertigt werden; auch sind sie möglichst mit amtlichen Zeichen so zu versehen, dass für den Beweis iher Identität gesorgt ist. Jedenfalls sind sie in Verwahrung zu nehmen oder bis auf Weiteres zu bewachen oder einstweilen unter Siegel zu legen. A r t . 118. Vor der Entsiegelung, wenn solche nöthig wird, ist der Betheiligte aufzufordern, ihr beizuwohnen. In dem Falle, dass derselbe hierzu nicht sogleich zu erlangen sein oder er der Aufforderung nicht Folge leisten oder dass Gefahr im Verzuge sein sollte, ist die Entsiegelung unter Zuziehung einer Urkundsperson vorzunehmen. A r t 119. Die Haussuchung, Durchsuchung und Beschlagnahme ist nicht weiter auszudehnen, als der Zweck der Untersuchung es erfordert. Insbesondere ist jede Beschlagnahme und Durchsuchung vou Schriften mit möglichster Schonung der Privatgehcimnisse vorzunehmen. Von solchen Schriften, die zugleich andere, zur Sache nicht gehörige Nachrichten enthalten, ist, soweit möglich, nur das Erforderliche in der Urschrift oder in beglaubigter Abschrift zu den Acten zu nehmen, überhaupt aber Sorge zu tragen, dass die Schriften gegen die Einsicht Unberufener und gegen Missbrauch gesichert sind.
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Entwarf einer StnfprooeM-Ordnung.
A r t . 120. Widerspricht der Eigenthämer oder dessen Stellvertreter der Durchsicht der Papiere, so sind dieselben, insofern nicht Gefahr auf dem Verzage beruht, bis zur Beseitigung des Widersprach« in einem mit dem Siegel der Behörde zu verschli essenden Umschlage in Verwahrung zu nehmen. Dem bei der Beschlagnahme anwesenden Betheiligten ist die Beidrückung eines Siegels zu gestatten. Uebrigens gilt auch hier die Vorschrift des Art. 118. A r t . 121. Werden bei Gelegenheit einer Untersuchung Gegenstände gefanden, welche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schliessen lassen, so können sie mit Beschlag belegt werden, es muss jedoch sofort ein besonderes Protokoll darüber aufgenommen werden. Liegt kein genügender Grund vor, in Bezog auf jene Gegenstände gerichtliche Untersuchung einzuleiten, so sind solche unverzüglich zurückzugeben. Beschlagnahme von Briefen. A r t . 122. Briefe, Pakete und andere Sendungen, welche an einen Beschuldigten eingehen, nachdem bereits ein VorfQhrungs- oder Haftbefehl gegen ihn erlassen, oder nachdem er verhaftet oder vorl&ufig festgenommen worden ist, kann der Untersuchungsrichter in Beschlag nehmen, auch deren Ausantwortung von den Polizeibehörden und anderen mit der Briefbeförderung beschäftigten oder beauftragten Anstalten und Personen verlangen. Die gleichen Bestimmungen gelten, wenn der Verdacht vorhanden ist, dass von Dritten an Dritte gerichtete Sendungen von dem Beschuldigten herrühren oder in dessen Auftrage abgesendet, oder dass sie für denselben bestimmt sind und auf den Gegenstand der Untersuchung Bezug haben. Die Eröffnung der in Beschlag genommenen Gegenstände erfolgt durch den Untersuchungsrichter, und zwar, wenn es fttglich geschehen kann, in Gegenwart des Beschuldigten. Eine von Dritten an Dritte gerichtete Sendung darf jedoch, wenn derjenige, an den sie gerichtet ist, oder der Absender nicht zustimmt, nur nach eingeholter Genehmigung des Hofgerichts (Anklagekammer) eröffnet werden, es sei denn, dass Gefahr auf dem Verzug beruhe. A r t . 123. Die Beschlagnahme von solchen Sendungen ist denjenigen, an welche sie gerichtet, oder von welchen sie abgesendet sind, thunlichst bald bekannt zu machen. Auch hat der Richter Sorge zu tragen, dass die Sendungen, deren Beschlagnahme, nicht aber Eröffnung verfügt worden ist, sowie solche, bei deren Eröffnung keine Beziehung zur Untersuchung sich ergeben hat, an die Betheiligten abgeliefert werden, oder doch wenigstens der unverfängliche Theil ihres Inhalte, da nöthig in Abschrift, zur Kenntniss der Betheiligten gelange. Der Bichter kann aber mit Ausführung der Vorschriften dieses Artikels so lange, als sie nach dem Stande der Untersuchung bedenklich erscheint, Anstand nehmen.
Zehnter Titel. Von
dem Zeugenbeweise
und von
der Verpflichtung zur
Herausgabe
von
Beweismitteln. Verpflichtung zur Ablegung des Zeugnisses. A r t . 124. Zur Ablegung eines gerichtlichen Zeugnisses ist ein Jeder verpflichtet, vorbehaltlich der in dem Gesetze bestimmten Ausnahmen. Ausnahmen. A r t 125. Als Zeugen dürfen nicht vernommen werden: 1. Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut ist;
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Grouherzogthnm Hessen.
2. Staatsbeamte und andere im öffentlichen Dienste stehende Personen in Ansehung solcher Gegenstände, welche zu verschweigen sie kraft ihres Amtes verpflichtet sind. Sie sollen jedoch von der zuständigen Behörde zur Ablegnng des Zeugnisses ermächtigt werden, insofern nicht das Gegentheil durch ein überwiegendes öffentliches Interesse geboten wird. Die Gerichte sind nicht befugt, die Versagung dieser Ermächtigung ihrer Beurtheilung zu unterziehen ; 3. Vertheidiger in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser Eigenschaft von dem Beschuldigten anvertraut ist Das Gericht ist eintretenden Falls befugt, von den vorstehend genannten Personen (Nr. 1—3) eine eidliche Versicherung des Inhalts, dass sie von dem Gegenstande ihrer Befragung ausserhalb ihrer oben gedachten Stellung keine Kenntniss erlangt haben, zu fordern. A r t . 126. Die Ablegung eines Zeugnisses können ablehnen: Verwandte und Verschwägerte des Beschuldigten in auf- und absteigender Linie, dessen Geschwister und Verschwägerte des nämlichen Grades, dessen Adoptiveltern oder Adoptivkinder, dessen Ehegatte, selbst nach getrennter Ehe. Welche Personen nicht als Zeugen vereidet werden dürfen. Art. 127. Es dttrfen nicht als Zeugen vereidet werden: 1. Personen, welche das sechszehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben; 2. die in dem Art 126 bezeichneten Personen; 3. wer wegen Meineids rechtskräftig verurtheilt ist (Art. 235 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs). Verfahren gegen nicht erschienene Zeugen. A r t 128. Wer als Zeuge vorgeladen ist, selbst in den Ausnahmsfällen der Art. 125 und 126, ist verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten. Wenn er nicht erscheint, so kann entweder die Wiederholung der Vorladung verordnet, oder sofort ein Vorführungsbefehl gegen ihn erlassen werden. Art. 129. Gegen den ungehorsam Ausgebliebenen wird ausserdem in dem Vorverfahren durch den Richter und bei der Hauptvcrhandlung durch das Gericht eine Geldbusse bis zu dreissig Gulden oder eine Gefängnissstrafe bis zu vierzehn Tagen verhängt, ynd es werden ihm die Kosten der wiederholten Vorladung oder der Vorführung zur Last gelegt. Wird die Vertagung der Hauptverhandlung durch das Ausbleiben des Zeugen veranlasst, so kann derselbe ausser der Strafe in den Ersatz der durch die Erneuerung des Verfahrens verursachten Kosten verurtheilt werden. Art. 130. Entschuldigt der im Vorverfahren ausgebliebene Zeuge im Laufe desselben sein Ausbleiben genügend, so wird er durch den Richter von Strafe und Kosten entbunden. A r t . 131. Der iu Gemässheit des Art. 129 wegen seines Ausbleibens bei der Hauptverhandlung verurthciltc Zeuge kann seine Entschuldigungsgründc bei der demnächstigen Verhandlung der Sache geltend machen. Hat eine Vertagung nicht stattgefunden, so kann er einen Einspruch gegen das Urtheil nur innerhalb zehn Tage nach Bekanntmachung desselben schriftlich oder zu Protokoll bei dem Gerichte erheben. Das Gericht entscheidet in einer der nächsten Sitzungen, ohne dass Appellation zulässig ist. Verfahren gegen Zeugen, welche die Ablegung des Zeugnisses oder die Eidesleistung verweigern. A r t 132. Verweigert ein Zeuge ohne gesetzlichen Grund die Ablegung des Zeugnisses oder die Ableistung des Eides in dem Vorverfahren, so kann der Rieh-
Entwurf slner glnl|iiiiwii Ordnung.
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ter ¡ha darch Geldbusse bis su dreissig Golden rar Erfüllung »einer Pflicht anhalten oder die Verhaftung desselben verfttgen. Die Halt hört auf, sobald das Zeugniss abgelegt oder der Eid geleistet wird; bei fortgesetzter Weigerung kann die Haft bis znr Erledigung der Hauptsache fortdauern. Wird der Beschuldigte vor ein erkennendes Gericht gestellt, so wird der Zeuge als solcher ebenfalls vorgeladen oder, falls er verhaftet ist, vorgeführt; bei fortgesetzter Weigerung kann er in eine Gefkngnissstrafe bis zu drei Monaten oder in eine Geldbusse bis zu neunzig Gulden verurtheilt werden. Hat die Weigerung des Zeugen in einer zur Competenz eines Gerichtscollegs gehörigen Strafsache stattgefunden, so kann statt der Gefängnissstrafe auf Correctionshausstrafe bis zu sechs Monaten erkannt werden. Findet eine Hauptverhandlung in Ansehung des Beschuldigten nicht statt, so wird der Zeuge vor das Landgericht gestellt, welches die obige Strafe gegen ihn erkennen kann. Art. 133. Verweigert ein zur Hauptverhandlung vorgeladener Zeuge die Ablegung des Zeugnisses oder die Ableistung des Eides ohne gesetzlichen Grund, so -verurtheilt das Gericht ihn in die durch den Art. 132 Abs. 3 bestimmte Strafe, oder verfügt, falls es eine Vertagung der Sache für angemessen erachtet, vorbehaltlich späterer Verurtheilung, die Verhaftung desselben, welche bis zur Erledigung der Hauptsache fortdauern kann. Im Falle der durch die Weigerung des Zeugen veranlassten Vertagung kommt die Schlussbestimmung des Art. 129 zur Anwendung. Vernehmung eines Zeugen in seiner Wohnung. A r t 134. Zeugen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit am Erscheinen vor Gericht verhindert sind, können in ihrer Wohnung vernommen werden. Auch in anderen Fällen kann der Richter aus besonderen Granden die Vernehmung eines Zeugen ausserhalb des Gerichtslocals bewirken. Verfahren bei Vernehmung der Zeugen. A r t . 185. Die Zeugen werden vor ihrer Vernehmung an die Heiligkeit des Eides und an die Strafen des falschen Zeugnisses erinnert. Art. 136. Jeder Zeuge wird einzeln vernommen. Im Vorverfahren wird jeder Zeuge abgesondert von den ttbrigen Zeugen vernommen; der Beschuldigte soll dabei nicht zugegen sein. Art. 137. Der Zeuge wird zuerst aber seine Vor- und Zunamen, seinen Wohnort oder Aufenthaltsort, Stand, Gewerbe oder Beschäftigung, sein Alter und seine Beligion vernommen, sowie darüber, ob er mit dem Beschuldigten verwandt oder verschwägert sei, und in welchem Grade. Geeigneten Falles werden dem Zeugen auch Ober andere Umstände, welche auf seine Glaubwürdigkeit von Einfiuss sein können, insbesondere über seine sonstigen persönlichen Verhältnisse zu dem Beschuldigten oder zu einem in der Untersuchung Beteiligten, Fragen gestellt Art. 138. Bei der Vernehmung Ober die Sache selbst ist der Zeuge zu einer zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Thatsachen aufzufordern. Sind Dunkelheiten oder Widersprache in seiner Aussage, so ist er zur Hebung derselben zu veranlassen. Aus der Aussage muss sich llberall der Grund ergeben, worauf das Wissen des Zeugen beruht. Der Zeuge kann die Beantwortung einer Frage ablehnen, wenn aus der Frage selbst erhellt, oder sonst von dem Zeugen glaubhaft gemacht wird, dass eine Erklärung darauf zu seiner eigenen Schande oder zur Schande eines seiner im Art 126 bezeichneten Angehörigen gereiche. Fragen, durch welche dem Zeugen Thatumstände vorgehalten werden, die durch seine Aussage erst festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden.
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Groashersogthum Hessen.
Sollen dem Zeugen zum Behufe der Anerkennung Personen vorgestellt oder Sachen vorgelegt werden, so ist er vorher zur genauen Beschreibung und Angabe aller unterscheidenden Kennzeichen derselben zu veranlassen. A r t . 139. Der Zeuge darf sich bei Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen keiner schriftlichen Aufzeichnung bedienen, und erst nachdem er Alles, dessen er sich zu erinnern vermochte, angegeben hat, kann ihm gestattet werden, Schriftstacke einzusehen und darnach seine Aussage zu vervollständigen. Kur wenn durch seine Aussage Zahlenverhältnisse festgestellt werden sollen, darf er sofort seine schriftliche Aufzeichnung der Zahlen benutzen. Jedenfalls ist in dem Protokoll der auf diese Weise hinzugetretene Theil der Aussage als solcher zu bezeichnen. A r t . 140. Eine Gegenüberstellung von Zeugen unter sich, oder mit dem Beschuldigten, soll in dem Vorverfahren nur dann stattfinden, wenn sie nicht ohne Nachtheil für den Zweck desselben bis zur Hauptverhandlung verschoben werden kann. Vereidung der Zeugen. A r t 141. Die Vernehmung der Zeugen soll eine eidliche sein, vorbehaltlich der in dem Art. 127 bestimmten Ausnahmen. Liegen Grande zu der Annahme vor, dass ein Zeuge sich an der den Gegenstand der Untersuchung bildenden strafbaren Handlung betheiligt habe, oder dass ein persönliches Interesse an dem Ausfalle der Untersuchung auf die Aussage desselben von Einfluss sein möge, so wird er nicht vereidet. A r t . 142. In dem Vorverfahren werden die Zeugen in der Regel erst nach geschlossener Vernehmung vereidet, nachdem sie nochmals befragt sind, ob sie ihrer Aussage noch etwas beizusetzen, oder etwas daran zu ändern haben, und nachdem sie vor Begehung eines Meineids verwarnt sind. Die Vereidung darf im Vorverfahren nur dann, wenn gar kein Grund sie auszusetzen vorliegt, der Vernehmung des Zeugen vorangehen. A r 1.143. Ist die Vernehmung derVereidung vorhergegangen, so schwört der Zeuge: dass er ohne Haas, Gunst oder Ansehen der Person die Wahrheit ausgesagt, und nichts, was zur Sache gehört, wissentlich verschwiegen habe. Der Zeuge, welcher vor der Vernehmung vereidet wird, schwört: dass er ohne Hass, Gunst oder Ansehen der Person die Wahrheit aussagen, und nichts, was zur Sache gehört, wissentlich verschweigen werde. A r t . 144. Die Ableistung des Eides muss von jedem Zeugen besonders und mündlich geschehen. Stumme müssen die ihnen vorzulegende Eidesformel durchlesen und unterzeichnen ; Taube müssen dieselbe ablesen, insofern diese Personen dazu im Stande sind (Art. 181). A r t . 145. Beamte, welche über Gegenstände, die ihr Amt betreffen, Zeugniss ablegen, werden auf den von ihnen geleisteten Amtseid verwiesen. A r t . 146. Bei der Hauptverhandlung werden die in dem Vorverfahren v o r ihrer damaligen Vernehmung eidlich vernommenen Zeugen (Art. 142) auf ihren geleisteten Eid verwiesen. Entschädigung der Zeugen. A r t . 147. Jedem, der als Zeuge vorgeladen und seiner Verbindlichkeit nachgekommen ist, muss auf sein Verlangen die taxmässige Entschädigung angewiesen und dies zu den Acten vermerkt werden. Vernehmung von Mitgliedern des Grossherzoglichen Hauses. A r t . 148. Mitglieder des Grossherzoglichen Hauses werden in ihrer Wohnung vernommen. Die Eidesformel wird ihnen von dem mit der Vernehmung beauftragten Richter vorgelesen und zur eigenhändigen Unterschrift vorgelegt.
Entwurf einer Strafprooeaa-Ordnung.
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Zur Hauptverhandlung werden sie nicht vorgeladen, sondern es soll statt dessen ihre protokollarische Aussage verlesen werden, and diese Verlesung der Aussage hat die Wirkung eines mündlich abgelegten Zeugnisses. Vernehmung von Militärpersonen. A r t 149. Sind Milittrpersonen des Dienststandes zu vernehmen, so ist der ihnen vorgesetzte Befehlshaber um deren Gestellung zu ersuchen. Die Vernehmung der Officiere im Vorverfahren soll jedoch vor dem Militärgerichte erfolgen, wenn nicht nach dem Ermessen des mit der Sache befassten Richters besondere Umstände es als nothwendig oder dienlich erscheinen lassen, dass die Vernehmung vor ihm geschehe. A r t . 150. Wenn in Ansehung von Milittrpersonen der ihnen vorgesetzte Befehlshaber die Erklärung abgiebt, dass sie durch dienstliche Hinderungsgrflnde abgehalten sind, bei der Hauptverhandlung zu erscheinen, so muss von ihrer mündlichen Vernehmung bei derselben Abstand genommen, und statt dessen ihre protokollarische Aussage verlesen werden, was die Wirkung eines mündlich abgelegten Zeugnisses h a t Verpflichtung zur Herausgabe von Urkunden und anderen Beweismitteln. A r t 151. Urkunden und andere Gegenstände, welche als Beweismittel fflr die Untersuchung von Bedeutung sein können, müssen von dritten Personen, welche dieselben in ihrem Gewahrsam haben, auf richterliches Erfordern vorgelegt und nötigenfalls zu den Untersuchungsacten abgeliefert werden. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht auf die durch den Art. 112 von der Beschlagnahme befreite Correspondenz. A r t . 152. Verweigert der Inhaber die Vorlegung oder Ablieferung, so können gegen ihn die in den Art. 132 und 133 erwähnten Zwangsmittel zur Anwendung gebracht werden. Ausgenommen hiervon sind die in dem Art. 126 bezeichneten Personen; eine Beschlagnahme ist jedoch auch bei" ihnen zulässig. A r t 153. Amtliche Acten und Urkunden müssen von den Beamten oder der Behörde, in deren Gewahrsam sich dieselben befinden, auf richterliches Ersuchen mitgetheilt werden. Insoweit jedoch die Acten oder Urkunden Gegenstände enthalten, deren Geheimhaltung durch ein Oberwiegendes Interesse des Staates geboten wird, ist die Mittheilung zu verweigern. Die Gerichte sind nicht befugt, diese Verweigerung ihrer Beurtheilung zu unterziehen. A r t 154. Muss eine amtliche Urkunde zu den Untersuchungsacten abgeliefert werden, so lässt der Verwahrer jener Urkunde, insoweit dazu ein Bedflrfniss vorliegt, eine Abschrift derselben anfertigen, und diese Abschrift behält er zurück. Letztere vertritt, nachdem sie von dem Landrichter, in dessen Bezirk der Verwahrer der Urkunde wohnt, als mit dem Originale gleichlautend bescheinigt worden, in jeder Beziehung die Stelle des Originals.
Ellfler Titel. Von dem Augenscheine und von Sachverständigen. Augenschein Oberhaupt A r t . 155. Eine gerichtliche Einnehmung des Augenscheins findet statt, wenn dieselbe zur Aufklärung eines fOr die Untersuchung erheblichen Umstände«, insbesondere zur Feststellung des Thatbestandes sich als nothwendig oder zweckmässig darstellt Mit minder wichtigen Ortsbesichtigungen und Bcaugenscheinigungen kann der Richter die Localpolizeibehörden oder den Ortsgerichtsvorsteher oder eine bei dem Gerichte in Pflicht stehende Person beauftragen; alsdann musB aber eine Urkundsperson beigezogen werden.
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GroMhenogthum Heuen.
A r t . 156. DM über die Einnehmung des Augenscheins nnd die Ergebnisse derselben aufzunehmende Protokoll ist so abzufassen, dass es eine vollständige und treue Anschauung des besichtigten Gegenstandes gewährt, iusoweit dieselbe für die Untersuchung von Erheblichkeit sein kann. Es sind zu diesem Zwecke, wenn es erforderlich ist, Handzeichnungen, Pläne oder Risse, nötigenfalls durch Sachverständige beizufügen. Zuziehung von Sachverständigen. A r t . 157. Wenn es sich bei Einnehmung des Augenscheins oder sonst um Thatsachen handelt, deren Ermittelung oder Feststellung besondere Kenntnisse voraussetzt, so werden einer oder mehrere Sachverständige zugezogen. A r t 158. Sind Sachverständige bleibend angestellt, so sind andere nur dann zuzuziehen, wenn Gefahr im Verzuge ist, oder wenn sonstige besondere Umstände die Zuziehung anderer Sachverständigen als geeignet erscheinen lassen. Diese Bestimmung ist auch in den Fällen der Art. 168, 173, 175, 192 anwendbar. Vereidung der Sachverständigen. A r t . 159. Die Sachverständigen müssen, bevor sie ihr Geschäft beginnen, schwören: dass sie die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und das von ihnen erforderte Gutachten, ihrer Kenntniss und Erfahrung gemäss, nach sorgfältiger Prüfung unparteiisch und gewissenhaft abgeben wollen. Sachverständige, welche als solche bleibend angestellt und für die bei den betreffenden Gerichten zu erstattende Gutachten ein für allemal vereidet sind, werden auf diesen geleisteten Eid verwiesen. Verfahren bei Vernehmung der Sachverständigen. A r t . 160. Der Richter hat die Sachverständigen, insoweit dies erforderlich ist, in ihrer Thätigkeit zu leiten, und geeigneten Falles die Gegenstände, auf welche die Beobachtung besonders zu richten ist, zu bezeichnen. Zugleich stellt er ihnen specielle Fragen, deren gutachtliche Beantwortung er für erforderlich hält. A r t . 161. In allen Fällen, in welchen der zu untersuchende Gegenstand durch die von den Sachverständigen vorzunehmenden Versuche zerstört oder verändert wird, ist denselben, soweit dies thunlich ist, nur ein Theil dieses Gegenstandes zu überlassen. Das Uebrige, was denselben nicht übergeben wird, ist mit gehöriger Bezeichnung und Sicherung in gerichtlichem Verwahrsam zu behalten. Gutachten. A r t . 162. Die bei einer gerichtlichen Einnehmung des Augenscheins zugezogenen Sachverständigen können das Gutachten und dessen Gründe entweder sofort zu Protokoll geben, oder sich die Abgabe eines schriftlichen Gutachtens vorbehalten, wozu von dem Richter eine angemessene Frist zu bestimmen ist. In allen Fällen, wo der Richter dies erfordert, muss das Gutachten mit den Gründen schriftlich zu den Acten gereicht werden. A r t . 163. Stehen in Beziehung auf die Thatsachen, welche dem Gutachten zum Grunde liegen, die Angaben der Sachverständigen mit dem Inhalte des über den Augenschein aufgenommenen gerichtlichen Protokolls oder unter sich in Widerspruch, oder sind diese Angaben dunkel, unvollständig oder unbestimmt, so hat der Richter die Sachverständigen noch einmal zu befragen, und wenn das Bedenken dadurch nicht gehoben wird, die Besichtigung, sofern es möglich ist, durch die nämlichen oder andere Sachverständige wiederholen zu lassen.
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Entwarf einer Btamfprocw Ordnung.
A r t . 164. Ist das Gutachten der Sachverständigen danke), unvollständig, unbestimmt, sich widersprechend oder nicht schiaasig, so sind die Sachverständigen noch einmal zu befragen and, wenn dadurch das Bedenken nicht gehoben wird, ein oder mehrere andere Sachverständige zuzuziehen. Weichen die Sachverständigen in ihrer gutachtlichen Ansicht von einander ab, so kann das Gutachten anderer Sachverständiger oder, falls die Wichtigkeit des Falles dies als angemessen erscheinen lässt, das Gutachten einer von dem Staate bestellten wissenschaftlichen oder technischen Behörde eingeholt werden. Verfahren bei Tödtungen. A r t . 165. Wenn bei einem Todesfalle Verdacht vorliegt, dass derselbe durch eine strafbare Handlung verursacht worden sei, so mass vor der Beerdigung die gerichtliche Leichenschau und nötigenfalls die Leichenöffnung vorgenommen werden. Ist die Leiche bereits beerdigt, so kann sie zu diesem Behufe wieder ausgegraben werden. A r t 166. Ehe zur Oefihung der Leiche geschritten wird, ist dieselbe solchen Personen, welche den Verstorbenen gekannt haben, und, wenn nicht besondere Hindernisse entgegenstehen, demjenigen, welcher der That beschuldigt oder verdächtig ist, zur Anerkennung vorzuzeigen. A r t . 167. Wenn Niemand am Orte der Untersuchung den Verstorbenen erkennt, so muss eine genaue Beschreibung der Leiche aufgenommen und in den öffentlichen Blättern bekannt gemacht werden. A r t . 168. Die Leichenöffnung geschieht in Gegenwart des Gerichts durch den Gerichtsarzt und den Gerichtswuudarzt; zwei Urkundspersonen sind beizuziehen. Ist der Verstorbene in der seinem Tode etwa vorhergegangenen Krankheit von einem anderen Arzte oder Wundarzte behandelt worden, so ist, insofern es ohne Verzögerung geschehen kann, auch dieser zur Aufklärung der Sache bei der Leichenöffnung zuzuziehen. A r t 169. Bei der Leichenschau und Leichenöffnung hat der Richter darauf zu sehen, dass die Lage und Beschaffenheit des Leichnams, der Ort, wo, und die Kleidung, in welcher er gefunden wurde, sowie Alles, was nach den Umständen fOr die Untersuchung von Bedeutung sein könnte, sorgfältig beachtet und festgestellt werde. Insbesondere sind die vorgefundenen Wunden und sonstigen Sparen von Gewalttätigkeit nach ihrer Zahl und Beschaffenheit genau zu verzeichnen, die Mittel und Werkzeuge, durch welche, und die Umstände, unter welchen sie wahrscheinlich verursacht wurden, genau anzugeben, und die etwa vorgefundenen, möglicherweise gebrauchten Werkzeuge mit den vorhandenen Verletzungen zn vergleichen. A r t 170. Wird der Verdacht, dass der Tod durch eine strafbare Handlung verursacht worden sei, durch die Leichenschau beseitigt, so behält es bei dieser Hein Bewenden. Entgegengesetzten Falles wird zur Leichenöffnung geschritten. A r t 171. Die Leichenöffnung ist in der Art vorzunehmen, dass die Kopf-, Brust- und Unterleibshöhle und die in derselben liegenden Eingeweide geöffnet werden. Dies muss auch dann geschehen, wenn eine Ursache des Todes bereits in einem Theile des Körpers aufgefunden worden ist. Bei Tödtung eines neugebornun Kindes. A r t . 172. Liegt der Verdacht der Tödtung eines neugebornen Kindes vor, BO ist neben der Beschaffenheit und Tödtlichkeit der Verletzungen vorzflglich zu untersuchen, ob das Kind lebendig geboren, reif oder mindestens fähig gewesen sei, sein Leben ausserhalb der Mutter fortzusetzen. Alle dahin gehörigen Erscheinungen und die zu jenem Behufe angestellten Proben, namentlich die vorgenommene Lungen- und Athemprobe, sollen nebst der übrigen körperlichen Beschaffenheit des Kindes umstündlich zu Protokoll beschrieben werden. Sammlung der n. d. Gesetze.
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Grossherzogthnin Hessen.
Bei Vergiftungen. A r t . 1 7 3 . Ergiebt sich der Verdacht einer Vergiftung, so muss die Untersuchung der verdächtigen Stoffe durch einen Apotheker oder anderen Chemiker unter Aufsicht und Mitwirkung des Gerichtsarztes stattfinden. A r t . 174. In allen Fällen der Tödtung muss sich das Gutachten Ober die Ursache des Todes des Verstorbenen und darüber aussprechen, ob etwa besondere Umstände und welche zu dessen Herbeiführung mitgewirkt haben. Bei erheblichen Körperverletzungen. A r t 175. Bei erheblichen Körperverletzungen ist die Besichtigung des Beschädigten und die Erstattung des Gutachtens dem Gerichtsarzte oder Gerichtswundarzte, oder beiden zu übertragen. I s t es wahrscheinlich, dass eine unter Art. 1 8 fallende, vor die Schwurgerichtshöfe gehörende Körperverletzung vorhanden sei, so muss dies in dem Gutachten der Sachverständigen angeführt, und nöthigenfalls die Wiederholung der Besichtigung von dem Bichter angeordnet werden. A r t . 176. Die körperliche Besichtigung einer Frauensperson soll, wenn Rücksichten des sittlichen Anstandes es erfordern, in Abwesenheit aller anderen Personen, allein durch den gerichtlichen Arzt oder Wundarzt unter Zuziehung einer ehrbaren Frau, nach Befinden einer verpflichteten Hebamme, oder auch durch die letztere allein geschehen. Bei Brandstiftungen. A r t . 1 7 7 . Bei Brandstiftungen ist der Ort, wo der Zündstoff gelegt und das Feuer zuerst ausgebrochen ist, nebst den Umständen, welche auf die Entstehungsart desselben schliessen lassen, die Ausdehnung des Brandes, die Entfernung der Brandstätte von anderen Gebäuden, und überhaupt die Grösse der Gefahr für Leben oder Eigenthum, sowie das Mass des wirklich entstandenen Schadens auszumitteln. B e i Nachmachung
oder Verfälschung von Münzen, öffentlichen papieren etc.
Credit-
A r t . 1 7 8 . Handelt es sich um die Nachmachung oder Verfälschung von Metallgeld, Papiergeld, Staatsschuldscheinen oder anderen öffentlichen Creditpapieren, so ist die Behörde, durch welche dieselben in Umlauf gesetzt werden, um Abgabe eines Gutachten» über die Falschheit oder Aechtheit der Münzen oder Papiere, sowie darüber, in welcher Art die Verfälschung oder Nachmachung geschehen sei, zu ersuchen. Bei Cassenverbrechen. A r t . 179. Bei Cassenverl >reclien ist die Erklärung der vorgesetzten behörde über den Betrag des Defectes zu den Acten zu briugen.
Cassen-
Zuziehung von Dolmetschern. A r t . 180. Sind Personen zu vernehmen, welche der deutschen Sprache nicht kundig sind, HO muss ein Dolmetscher zugezogen werden. Dolmetscher, welche nicht ein für allemal vereidet sind (Art. 159), leisten den Eid dahin, dass sie die ihnen aufgetragenen Verrichtungen treu und gewissenhaft vornehmen wollen. A r t . 181. Wenn taube oder stumme Personen oder Taubstumme zu vernehmen sind, so wird nöthigenfalls aus der Zahl der Personen, welche sich am besten mit ihnen verständigen können, ein Dolmetscher ernannt. Derselbe schwört, dass er die ihm übertragene Verrichtung treu und gewissenhaft ausführen wolle. I n der Voruntersuchung weiden den tauben Personen die Fragen schriftlich
Entwarf einer Stnfprocess-Ordnung.
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vorgelegt, und stamme Personen werden aufgefordert, schriftlieh zu antworten, insofern bei denselben oder bei Taubstammen die eiue oder andere Art der Vernehmung möglich ist (Art 144). Art. 182. Schriften, welche in einer anderen als der deutschen Sprache geschrieben, und für die Untersuchung erheblich sind, müssen durch einen vereideten Dolmetscher übersetzt und mit der Uebersetzong zu den Acten genommen werden. Sachverständige bei Schriften. A r t . 183. Wenn es sich darum handelt, die Aechtheit oder Unächtheit einer Schrift, oder deren Urheber zu ermitteln, so hat der Richter für die Herbeischafiung von Vergleichungsstückcn Sorge zu tragen und sie den etwa zugezogenen Sachverständigen vorzulegen. A r t . 184. Zu Vergleichungsstacken dienen öffentliche Urkunden, oder solche Privatschriften, deren Aechtheit ausser Zweifel gestellt ist. Wegen Herbeischaffung von Vergleichungsstacken kommen die A r t 151 bis 154 zur Anwendung. A r t 185. Der Beschuldigte kann aufgefordert werden, einige Worte oder Sätze, welche als Vergleichungsstücke dienen sollen, in Gegenwart des Richters und des Gerichtschreibers zu schreiben und zu den Acten zu geben. Wenn der Beschuldigte sich dessen weigert, so ist dies in dem Protokolle zu erwähnen. Allgemeine Bestimmungen. A r t 186. Die Bestimmungen der A r t 126, 127, 134, 135, 147 bis 160 finden auch in Ansehung der Sachverständigen Anwendung. Nöthigenfalls können auch die Bestimmungen der A r t 128 bis 138 gegen sie zur Anwendung gebracht werden. ZwAlfler Titel. Von der Vernehmung des Beschuldigten. Art. 187. Der Beschuldigte ist über seine Vor- und Zunamen, sein Alter, seine Religion, seinen Geburts- und Wohnort, seinen Stand, sein Gewerbe oder seine Beschäftigung, und soweit es zum Zwecke der Untersuchung erforderlich erscheint, aber seine Familien- und Vermögensverhältnisse, seinen Lebenslauf und daraber, ob und weshalb er bereits in Untersuchimg gewesen und bestraft worden sei, zu befragen. Geeigneten Falls sind ihm auch darüber Fragen vorzulegen, ob und in welchen Militärverhältnissen er stehe, und wo sich seine Militärpapiere befinden. Art. 188. Dem Beschuldigten ist die strafbare Handlung, deren er beschuldigt ist, im Allgemeinen zu bezeichnen; er ist zu veranlassen, dass er sich über die den Gegenstand der Beschuldigung bildenden Thatsachen in einer zusammenhängenden Erzählung äussere. Die weitere Befragung ist auf die Ergänzung der Erzählung und auf die Beseitigung etwaiger Dunkelheiten und Widersprüche zu richten. A r t . 189. Die an den Beschuldigten zu stellenden Fragen dürfen nicht unbestimmt, dunkel oder mehrdeutig sein. Insbesondere ist auch die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, in welchen eine von dem Beschuldigten geläugnetc, oder wenigstens noch nicht zugestandene TL a t sa che als bereits zugestanden angenommen wird. Fragen, wodurch dem Beschuldigten Thatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden. Art. 190. Weichen frühere und spätere Angaben des Beschuldigten von einander ab, widerruft er insbesondere frühere Geständnisse, so ist er über die Veranlassung zu den Abweichungen und die Gründe seines Widerrufs zu befragen. 16*
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Art. 191. Eine Gegenüberstellung von Beschuldigten unter sieh, oder eines Beschuldigten mit Zeugen, soll im Vorverfahren nur dann stattfinden, wenn dieselbe nicht ohne Nachtheil für den Zweck der Voruntersuchung bis zur Hauptverhandlung verschoben werden kann. A r t . 192. Entstehen Zweifel, ob der Beschuldigte seiner Vernunft mächtig sei, oder ob er zur Zeit der That seiner Vernunft mächtig gewesen sei, so ist. darüber von dem Gerichtsarzte oder auch, falls der Beschuldigte verhaftet ist, von dem Gefängnissarzte ein Gutachten einzuholen. In dem Gutachten sind die Beobachtungen des Sachverständigen und die sonstigen actenmässigen Thatsachen, auf welche sich dasselbe stützt, zusammenzustellen, und einzeln und in ihrer Gesammtheit zu würdigen. A r t . 193. Der Beschuldigte soll bei der Vernehmung und während der ganzen Hauptverhandlung ungefesselt sein. Der Richter oder das Gericht kann jedoch die Anlegung von Fesseln verordnen, wenn dies wegen besonderer Gefährlichkeit des Beschuldigten oder wegen Gefahr der Flucht als nothwendig erscheint. A r t . 194. Um den Beschuldigten zu Geständnissen und anderen Angaben zu bewegen, dürfen weder Versprechungen oder Vorspiegelungen, noch Drohungen oder andere Zwangsmittel angewendet werden. A r t . 195. Verweigert der Beschuldigte überhaupt oder auf bestimmte Fragen zu antworten, oder stellt er sich taub, stumm, wahn- oder blödsinnig, und überzeugt sich der Untersuchungsrichter in den letzteren Fällen entweder durch seine eigenen Wahrnehmungen, oder durch Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen von der Verstellung des Beschuldigten, so ist Letzterer darauf auf-merksam zu machen, dass sein Verhalten die Untersuchung nicht hemmen, sondern nur verlängern, einen für ihn nachtheiligen Einfluss auf die Beurtheilung seiner Verschuldung äussern, und dass er sich dadurch möglicherweise etwaiger Vertheidigungsgründe berauben könne. Der Untersuchungsrichter kann ihn, wenn dieser Vorbehalt fruchtlos bleibt, in Haft nehmen. Dreizehnter Titel. Von der V e r t e i d i g u n g des Beschuldigten und von seiner Vertretung. Verteidigung des Beschuldigten A r t . 19ß. Die Zuziehung eines Verteidigers findet während der Voruntersuchung nicht statt. Bei der Ilnuptverhandlung kann sich der Beschuldigte des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Er kann mehrere Verteidiger bestellen, vorbehaltlich der Befugniss des Gerichts, dieses Recht im Falle des Missbrauchs zu beschränken. A r t . 197. Dem vor den Schwurgerichtshof Verwiesenen (dem Angeklagten) muss ein Verteidiger von Aintswegen bestellt werden, wenn er nicht selbst einen Verteidiger gewählt hat, welcher zur Uebernahme der Verteidigung bereit ist. A r t . 198. Findet das Hofgericht, dass ein Beschuldigter, den es nicht vor den Schwurgerichtshof verweist, nach Beschaffenheit des Falls doch Zuchthausstrafe zu gewärtigen habe, so verordnet es sofort bei Verweisung des Beschuldigten vor das Strafgericht, dass ihm auf sein Verlangen der Vorsitzende dieses Gerichts von Aintswegen einen Verteidiger zu bestellen habe. A r t . 199. Dem in erster Instanz zu Zuchthausstrafe Verurteilten ist auf sein Verlangen in der Appellationsinstanz von dem Vorsitzendeu ein Vertheididiger zu bestellen. A r t . 200. Als Verteidiger können nur im Grossherzogthum angestellte Advocaten auftreten, vorbehaltlich der Bestimmung de* Art. 201 Abs. 2.
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Der Gerichtsvorsitzende kann dem Beschuldigten jedoch gestatten, sich des Beistandes seines Ehegatten oder eines Verwandten oder Verschwägerten als Vert e i d i g e r s zu bedienen. A r t . 201. Der von Amtswegen zuzuordnende Vertheidiger wird aus der Zahl der am Sitze des Gerichts wohnenden Advocaten genommen. Hat am Sitze eines Bezirksstrafgerichts kein Advocat seinen Wohnsitz, so wird der von diesem Gerichte zuzuordnende Vertheidiger aus den an einem anderen Orte derselben Provinz wohnenden Advocaten, oder aus denjenigen Gerichtsaccessisten bestellt, welchen das Justizministerium die Erlaubniss zur Uebernahme solcher Verteidigungen ertheilt hat. A r t 202. Dem Vertheidiger ist nach der Vorladung des Beschuldigten znr Hauptverhandlung, oder, wo die Bestellung eines Vertheidiger« von Amtswegen stattfindet, nach erfolgter Bestellung, die Einsicht der Acten zu gestatten. Von dem nämlichen Zeitpuncte an kann sich der verhaftete Beschuldigte mit seinem Vertheidiger besprechen, und zwar ohne Beisein einer Gerichtsperson, wenn der Vertheidiger aus der Zahl der Advocaten oder Gerichtsaccessisten genommen ist A r t . 203. Sind dem Beschuldigten während der Hauptverhandlung Fragen vorgelegt worden, so darf er sich vor deren Beantwortung mit dem Vertheidiger nicht besprechen. A r t . 204. Die Gültigkeit der Hauptverhandlung ist selbst in Fällen, wo dem Beschuldigten ein Vertheidiger von Amtswegen bestellt werden muss, nicht dadurch bedingt, dass die V e r t e i d i g u n g des Beschuldigten durch den gewählten oder zugeordneten Vertheidiger wirklich geführt werde, sofern nur in jener Beziehung von Gerichtswegen den gesetzlichen Vorschriften genügt worden ist. Hat sich der Vertheidiger nicht gehörig vorbereitet, erscheint er nicht, oder nicht zur rechten Zeit, verweigert er die V e r t e i d i g u n g zu führen, oder entfernt er sich vor dem Schlüsse der Verhandlung, so kann dieselbe, wenn das Gericht nicht eine Vertagung anzuordnen für angemessen erachtet, gleichwohl zu Ende geführt werden. Doch muss der Vorsitzende, soweit es den Umständen nach möglich ist, dafür Sorge tragen, dass in einem solchen Falle ein anderer Vertheidiger zugezogen werde. Gegen den pflichtvergessenen V e r t e i d i g e r ist disciplinarisch einzuschreiten. Im Falle der Vertagung kann er in den Ersatz der durch die Erneuerung des Verfahrens verursachten Kosten v e r u r t e i l t werden. A r t 205. Vor dem Oberappellationsgericht kann der Beschuldigte nur mit Genehmigung des Gerichtshofes seine V e r t e i d i g u n g persönlich führen. Die im Grossherzogthume angestellten Advocaten haben das Recht, bei diesem Gerichtshöfe als Vertheidiger aufzutreten. Die Beiordnung eines V e r t e i d i g e r s von Amtswegen findet bei dem Oberappellationsgericht nicht statt, ausser in der Appellationsinstanz nach Art. 199. Vertretung des Beschuldigten. A r t 206. Eine Vertretung des Beschuldigten durch einen Dritten ist in der Voruntersuchung nicht zulässig. A r t . 207. Bei solchen Vergehen, welche blos mit Geldbusse bedroht sind, kann der nicht verhaftete Beschuldigte in der Hauptverhandlung sich durch einen Specialbevollmächtigten vertreten lassen. Dessen Zugeständnisse und Erklärungen werden hier so angesehen, als habe der Beschuldigte selbst sie abgegeben. Das Gericht ist jedoch befugt, das persönliche Erscheinen des Beschuldigten zu verordnen, und zu diesem Zwecke nötigenfalls einen Vorführungsbefehl zu erlassen. Allgemeine Bestimmungen. Art 208. Die durch die V e r t e i d i g u n g oder Vertretung erwachsenden Kosten fallen allemal dem Beschuldigten zur Last. Die durch eine von Amtswegen verfügte Verteidigung oder Vertretung entstehenden Kosten legt jedoch der Staat vor.
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A r t . 209. In allen Fällen, wo eine Vertretung des Beschuldigten nicht zulässig, oder wo dessen persönliches Erscheinen verordnet ist, kann für den nicht erschienenen Beschuldigten ein Vertreter oder Vertheidiger nur zu dem Zwecke auftreten, um über die Gründe des Nichterscheinens Aufklärung zu geben.
Vierzehnter Titel. Von der Aufrechthaltung clor Ordnung bei den gerichtlichen Verhandlungen. A r t . 210. Wenn in der Sitzung eines erkennenden Gerichts einer der Anwesenden öffentlich Zeichen des Beifalls oder der Missbilligung giebt, oder auf sonstige Weise Lärm oder Störung veranlasst, oder sich sonst unanständig beträgt, so kann der Richter oder Gerichtsvorsitzende dessen sofortige Entfernung aus dem Sitzungszimmer befehlen (Art. 292). Leistet der Ruhestörer dem Befehle nicht sofort Folge, oder kehrt er ohne Erlaubniss zurück, so kann der Richter oder Gerichtsvorsitzende ihn vermittelst eines schriftlichen Befehles sofort in das Gefängniss abführen und ihn daselbst auf eine in dem Befehle zu bestimmende Zeit, welche vieruudzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, verwahren lassen. Von dieser Massregel muss in dem Protokolle Erwähnung geschehen. A r t . 211. Wird in der Gerichtssitzung (Art. 210) entweder: 1. ein im Strafgesetzbuch Tit. XVII. „von Gewalttätigkeiten und Drohungen" oder Tit. XVTII. „von der Widersetzung und von dem Ungehorsam gegen gewisse obrigkeitliche Verfügungen" bezeichnetes Vergehen; oder 2. gegen Staatsbeamte die nach Art. 186, oder gegen in Dienstverrichtungcn begriffene öffentliche Beamte oder Diener, oder Gcnsd'armen oder Militärpersonen eine nach Art. 187 oder 189 des Strafgesetzbuches (Tit. XX.) strafbare Verletzung der Amts- und Dienstehre begangen, so ist das Gericht befugt, sofort mittelst Unterbrechung der begonnenen Sache, oder unmittelbar nach Beendigung derselben, zur Vernehmung der Zeugen, in sofern solche erforderlich ist, und zu der sonstigen Verhandlung und zur Aburtheilung zu schreiten. Gegen keinen der Mitwirkenden kann ein Ablehnungsgrund daraus hergenommen werden, dass die strafbare Handlung gegen seine Person gerichtet war. Die Geschwornen nehmen an der Entscheidung keinen Theil. Ueber die Verhandlung wird ein besonderes Protokoll aufgenommen. A r t . 212. Der vorstehende Artikel findet bei den Landgerichten nicht blos dann Anwendung, wenn das Landgericht als solches, sondern auch dann, wenn es als Polizei- oder Forstgericht Sitzung hält, jedoch immer nur in Beziehung auf solche in der Sitzung begangene Handlungen, welche nach Art. 8 des gegenwärtigen Gesetzbuchs der Gerichtsbarkeit der Landgerichte angehören. A r t . 213. Gegen das Urtheil (Art. 212 und 213) finden nur diejenigen Rechtsmittel statt, welche gegen die Urtheile des betreffenden Gerichts überhaupt zulässig sind. A r t . 214. Kommt irgend eine in der Gerichtssitzung begangene strafbare Handlung, die nicht unter die Art. 210 und 211 fällt, während dieser Sitzung zur Kenntniss des Gerichts, so kann letzteres augenblicklich die Verhaftung des Thäters verordnen, indem es die Sache an das zuständige Gericht verweist. A r t . 215. Wenn die in den Art. 210 und 211 erwähnten Handlungen nicht in der Sitzung eines erkennenden Gerichts, sondern an einem anderen Orte vorkommen, wo ein gerichtlicher oder Polizeibeamte Amtshandlungen vornimmt, so hat der betreffende Beamte die Befugniss, den Thäter verhaften zu lassen, worauf er diese Sache an da6 zuständige Gericht abgiebt. Hinsichtlich des, den Landrichtern, Landgerichtsassessoren und Actuaren bei Ausübung ihres Amtes nicht blos in, .sondern auch ausser der Gerichtssitzung gewährten Schutzes gegen Kränkungen und Beleidigungen, bleibt die Bestimmung
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der Landrichterinstruction vom 8. December 1821, §. 8 auch ferner in K r a f t Der Art. 213 findet auch bei einem solchen Urtheile Anwendung. A r t . 216. Bei Haussuchungen und anderen an Ort und Stelle vorzunehmenden Untersuchungshandlungen kann der Beamte, welcher die Handlung leitet, diejenigen Personen, welche seinen, für die Wirksamkeit der Handlungen notwendigen Anordnungen entgegenhandeln, ergreifen und bis cur Beendigung seiner Verrichtungen festhalten lassen.
FQnftehnter Titel. Von der Beurkundung gerichtlicher H a n d l a n g e n . Aufnahme der Protokolle. A r t . 217. Ueber alle gerichtliche Handlungen muss unter Zuziehung des Protokollführers (Art. 33) ein Protokoll aufgenommen werden. A r t . 218. Jedes Protokoll muss die Bezeichnung des Ortes, Jahres und Tages der Aufnahme und Benennung der Gerichts- und der anderen mitwirkenden Personen enthalten. A r t . 219. In den Protokollen darf nichts ausradirt, verändert, bis zur Unlesbarkeit durchstrichen oder zwischen den Zeilen geschrieben werden. Wird etwas Wesentliches durchstrichen oder zur Seite geschrieben, so muss dies ausdrücklich genehmigt werden. A r t . 220. Die Aussage des zu Vernehmenden muss in der ersten Person und, so viel es geschehen kann, -mit dessen eigenen Worten zu Protokoll genommen werden. A r t 221. Ist ein Dolmetscher (Art. 180, 181) zugezogen, so muss der Inhalt der Vernehmung sowohl in der fremden Sprache als in der Uebersetzung zu Protokoll gebracht werden. Der Dolmetscher kann auch verwendet werden, um den Protokollführer zu vertreten. In diesem Falle ist er zugleich dahin zu vereiden, dass er das Protokoll treu und gewissenhaft aufnehmen wolle. Vorlesung und Genehmigung. A r t 222. Das Protokoll wird den vernommenen und den anderen mitwirkenden Personen, soweit es diese betrifft, vorgelesen. Werden hierbei Aenderungen der Aussagen oder Zusätze gemacht, oder gegen die richtige Aufnahme der Erklärungen Erinnerungen vorgebracht, so wird das Nöthige hinzugefügt Das Protokoll wird von den vernommenen, sowie von den anderen mitwirkenden Personen unterschrieben; diese Unterschrift gilt als Genehmigung. Wird die Unterschrift verweigert, so ist der sich Weigernde Aber die Ursache seiner Weigerung zu befragen, und von den Gründen, weshalb die Unterschrift nicht erfolgt ist, muss im Protokoll Erwähnung geschehen. Am Schlüsse der ganzen Verhandlung wird das Protokoll von dem Richter und dem Protokollfahrer vollzogen. Protokoll über die Hauptverhandlung. A r t 223. Bei der Abfassung des Protokolls über die Hauptverhandlung kommen die Art. 221 und 222 nicht zur Anwendung. In diesem Protokolle ist anzuführen, welche Zeugen und Sachverständige vernommen und welche Actenstücke vorgelesen worden sind. Von dem Inhalte der Erklärungen des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen wird das Wesentliche in das Protokoll aufgenommen, geeigneten Falls durch Bezugnahme auf die Vorverhandlungen (Art. 380). Die Anträge der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten im Laufe der Ver-
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handlang, sowie die dadurch veranlassten Zwischenentscheidangn sind durch das Protokoll zu beurkunden. Von dem Endurtheile wird nur der entscheidende Theil vermerkt. Die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nicht anders, als durch das Protokoll bewiesen werden. Einer Vorlesung, Genehmigung und Unterschrift Seitens der vernommenen Personen bedarf es nicht. Das Protokoll wird nnr von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer unterzeichnet. A r t . 224. Auf den Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten sind einzelne im Laufe der Hauptverhandlung vorkommende Erklärungen oder Aeusserungen oder stattfindende Massrcgeln in dem Protokolle zu bemerken; kommt es dabei auf Feststellung des wörtlichen Inhaltes an, so ist der betreffende Theil des Protokolles vorzulesen, und dass es geschehen ist, zu bemerken. Der Vorsitzende oder das Gericht kann solche Beurkundung auch von Amtswegen verordnen. Fälle, in denen das Protokoll von dem Protokollführer ohne Mitwirkung des Richters aufgenommen werden kann. Art. 225. Wenn es sich um die Einlegung eines Rechtsmittels oder um irgend eine andere Erklärung, welche schriftlich oder zu Protokoll geschehen kann, oder um die Bezeichnung einer Wohnung für die Zustellungen (Art. 98), oder um eine die Zustellung vertretende Vorlesung einer Urkunde (Art. 232) handelt, so kann das Protokoll von dem Protokollführer aufgenommen werden, ohne dass es der Mitwirkung des Richters bedarf. Sechzehnter Titel. Von der Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen, Beschlüsse und Urtheile.. Art. 226. Die Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen, Beschlüsse und Urtheile erfolgt durch Zustellung, sofern diese nicht durch eine Verkündung ersetzt wird. Art. 227. Die Zustellung wird nach den darauf bezüglichen Vorschriften der Art. 255, 256, 259 und 260 der bürgerlichen Processordnung bewirkt. Art. 228. Bei jeder Zustellung muss demjenigen, an den sie geschieht, die zuzustellende Urkunde zurückgelassen werden. A r t . 229. Hat derjenige, an welchen die Zustellung geschehen soll, im Inlande keine bekannte Wohnung, so wird die Zustellung für gehörig bewirkt erachtet, wenn die zuzustellende Urkunde wahrend vierzehn Tagen an der Gerichtsstelle öffentlich angeschlagen war. Ist aber der Aufenthaltsort desselben im Auslände bekannt, und steht daselbst der Zustellung keine Schwierigkeit entgegen, so wird das Gericht zuvor diesen Weg der Zustellung einsehlagen. A r t . 230. Ist eine Vorladung vor ein erkennendes Gerieht dem Vorzuladenden nicht in Person zugestellt worden, so kann das Gericht, wenn Gründe zu der Annahme vorliegen, dass der Vorzuladende von der Vorladung keine Kenntniss erhalten habe, die Wiederholung der Vorladung, geeignetenfalls 'durch die öffentlichen Blätter, unter Bestimmung einer angemessenen Frist anordnen. Art. 231. Die Zustellung der gerichtlichen Verfügungen, Beschlüsse und Urtheile an die Staatsanwaltschaft geschieht mittelst Vorlegung der Urschrift durch den Protokollführer. Die Staatsanwaltschaft setzt auf die ihr vorgelegte Urkunde: „Gesehen1', unter Beifügung des Datums und der Unterschrift. Art. 232. Der Zustellung einer Urkunde an den Beschuldigten steht die Vorlesung derselben zu Protokoll gleich. Es darf jedoch zu diesem Zwecke die
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Vorführung eines nicht verhafteten Beschuldigten nicht verfügt werden. Verlangt der Beschuldigte eine Abschrift der Urkunde, so darf ihm dieselbe nicht verweigert werden.
Siebenzehater Titel. Von der Berechnung der Fristen und von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf einer Nothfrist. Berechnung der Fristen. A r t . 233. Bei Berechnung der Fristen wird der Tag, an welchem die Verfügung oder das Erkenntniss mündlich eröffnet oder schriftlich zugestellt wird, nicht mitgezählt. Ist eine Frist von vierundzwanzig Stunden bestimmt, so ist darunter der ganze folgende T a g zu verstehen. A r t . 234. Läuft die Frist an einem Sonntage oder an einem gebotenen Feiertage ab, so wird der nächste Werktag als der letzte Tag der Frist betrachtet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Ablauf der Nothfristen. A r t . 235. Die fttr die Einlegung eines Rechtsmittels festgesetzten Fristen sind Nothfristen. iBt jedoch der Verurtheilte darch unabwendbare Umstände verhindert worden, die Frist inne zu halten, so kann er bei dem Gerichte, welches über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand antragen, und das Gericht dieselbe gestatten. Das Gesuch ist nicht zulässig, wenn es nicht binnen zehn Tagen , nachdem das Hindernis» aufgehört hat, bei jenem Gerichte, unter Angabe und Bescheinigung der Hinderungsgründe, schriftlich oder zu Protokoll angebracht wird. Das Gesuch an sich hemmt die Strafvollstreckung nicht; das Gericht kann aber die Aussetzung der Vollstreckung verfügen.
Achtzehnter Titel. Von der Voruntersuchung und dem Untersuchungsrichter. In welchen Fällen eine Voruntersuchung stattfindet. A r t 286. Der Hauptverhandlung soll in der Regel eine Voruntersuchung vorausgehen. Bei solchen Vergehen, die vor ein Bezirksstrafgericht gehören, wird jedoch der Untersuchungsrichter die ihm zugekommene Anzeige, sofern er der Meinung ist, dass derselben Folge zu geben, aber eine gerichtliche Voruntersuchung nicht nöthig sei, sofort an die Staatsanwaltschaft einsenden. Wenn Letztere hiernächst auf unmittelbare Vorladung des Beschuldigten zur Hauptverhandlung anträgt, so muss sie die Thatsachen, welche den Gegenstand der Beschuldigung bilden, bezeichnen und das Gesetz anführen, welches die That mit Strafe bedroht. Der Vorsitzende ladet sodann den Beschuldigten zur Hauptverhandlung vor das Bezirksstrafgericht, indem er ihm mit der Vorladung Abschrift jenes Antrages zustellen lässt Das Gericht kann aber, wenn es dies für nöthig hält, vorerst eine weitere Ermittelung anordnen. Zweck der Voruntersuchung. A r t . 237. Die Voruntersuchung hat zum Zwecke, die Existenz, die Natur und die Umstände einer strafbaren Handlung zu erheben, und die Person des Thäters wie auch die zu dessen Ucbcrführung dienenden Beweismittel einerseits, und die Mittel zur Rechtfertigung des Beschuldigten andererseits so weit zu erforschen und
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festzustellen, als dies zur Vorbereitung der Haaptrerhandlung lung der weiteren Verfolgung erforderlich erscheint.
oder zur Einstel-
Verfahren des Untersuchungsrichters. A r t . 238. Der Untersuchungsrichter ersucht, wenn Handlungen der Voruntersuchung in dem Bezirke eines anderen Gerichts vorzunehmen sind, letzteres um Vornahme dieser Handlungen. In dem Ersuchschreiben oder in einer demselben beizufügenden Darstellung des Sachverhältnisses müssen die Thatsachen möglichst vollständig und genau angegeben sein, auf deren Ermittelung oder Feststellung es ankommt, sowie diejenigen, deren Kenntniss erforderlich ist, damit das Ersuchen in einer dem Zwecke entsprechenden Weise erledigt werden kann. Nach Erledigung des Ersuchens sind die aufgenommenen Verhandlungen dem mit der Sache befassten Untersuchungsrichter in Urschrift zu übersenden. A r t . 239. Der Untersuchungsrichter kann jedoch innerhalb der Provinz, in welcher er angestellt ist, die Handlung, wenn Gefahr im Verzuge ist, auch in dem fremden Gerichtsbezirke selbst vornehmen. A r t . 240. Der Beschuldigte wird durch einen Erscheinungsbefehl zum Zwecke seiner Vernehmung vorgeladen, oder es wird in den geeigneten Fällen ein Vorführungsbefehl gegen ihn erlassen, damit er behufs seiner Vernehmung vor den Richter gestellt werde (Art. 85, 86, 8 8 , 90). Ein Vorführungsbefehl kann auch erlassen werden, wenn der Beschuldigte ohne eine dem Richter angezeigte hinreichende Entschuldigungsursache dem Ersclieinungsbefehle nicht Folge geleistet hat. A r t . 241. Der Erscheinungsbefehl muss den Nainen und die Bezeichnung des Beschuldigten enthalten, den Gegenstand der Beschuldigung im Allgemeinen angeben und deu Ort und die Zeit des Verhörs bezeichnen. A r t . 242. Der Untersuchungsrichter hat dafür Sorge zu tragen, (Iftas Auszüge der gegen den Beschuldigten etwa früher ergangenen Strafurtheile, und in Fällen, wo das Alter des Beschuldigten von Wichtigkeit ist, Auszüge aus deu Geburt«- oder Taufurkunden zu den Acten gelangen. Ausgang der Voruntersuchung. A r t . 243. Findet der Untersuchungsrichter in einem vor ein Gerichtscolleg gehörigen Falle, dass der ihm zugekommenen Anzeige keine Folge zu geben oder eine begonnene Untersuchung einzustellen sei, entweder weil die That von keinem Strafgesetze verboten ist, oder weil es an Verdachtsgründen gegen eine bestimmte Person fehlt, oder weil der entstandene Verdacht beseitigt worden ist, so hat er das Geeignete zu beschliessen. Von diesem Ausgange setzt er unter Beischluss der Acten die Staatsanwaltschaft in Kenntniss, welche geeigneten Falls bei dem Hofgerichte (Anklagekammer) eine Aenderung des Beschlusses beantragt, oder wenn sie hierzu keine Veranlassung findet, die Acten unverzüglich an den Untersuchungsrichter zurückschicken wird (Art. 250). Der Mangel an hinreichenden Verdaehtsgründen gegen eine bestimmte Person entbindet indess den Untersuchungsrichter nicht von der Pflicht, die Existenz, die Natur und die Umstände der zur Anzeige gekommenen strafbaren Handlung möglichst festzustellen und alle Spuren zu erforschen, die auf den Thäter hinweisen können. A r t . 244. Wenn eine Voruntersuchung, in welcher ein bestimmter Beschuldigter nicht bezeichnet war, eingestellt worden ist, so kann die Untersuchung jederzeit fortgesetzt werden. A r t . 245. Hat die Voruntersuchung Verdachtsgründe gegen eine bestimmte Person ergeben, so legt der Untersuchungsrichter die Acten dem Hofgerichte vor, auch dann, wenn diese Person sich zur Zeit der That in einem Zustande befunden hat, welcher die Strafbarkeit ausschliesst, oder wenn sie wegen Verjährung oder aus einem anderen Grunde frei von Strafe ist. Der Untersuchungsrichter äussert sich
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zugleich gutachtlich darüber, ob rar Hauptverhandlung Oberzugehen, eventuell auf welches Verbrechen oder Vergehen die Anschuldigung bezieh, die Anklage zu richten, endlich vor welches Gericht der Beschuldigte zu verweisen sei. A r t . 246. Dem Beschuldigten steht es frei, jedoch ohne Einsicht der Acten verlangen zu können, eine schriftliche Ausfahrung dem Hofgerichte zu übergeben, um die Verweisung vor das Strafgericht abzuwenden. Hierdurch darf aber die Sache nicht aufgehalten werden. Insbesondere in schwurgerichtlichen Sachen. A r t . 247. Ist der Untersuchungsrichter der Ansicht, dass der Beschuldigte vor den Schwurgerichtohof verwiesen werden könnte, HO hat er denselben am Schlüsse der Voruntersuchung auf die im vorhergehenden Artikel gedachte Befugniss besonders aufmerksam zu machen, und dass solches geschehen, im Protokoll zu bemerken. Beantragt die Staatsanwaltschaft Jemanden vor den Schwurgerichtshof zu verweisen, dem jene Eröffnung noch nicht gemacht ist, so wird sie darauf antragen, dass ihm sofort die Eröffnung durch das Hofgericht gemacht werde. In keinem Falle darf der Beschuldigte, so lange er nicht in obiger Art bedeutet ist, vor jenen Gerichtshof verwiesen werden, bei Strafe der Nichtigkeit, vorbehaltlich jedoch der Bestimmung des Art. 267. Neunzehnter Titel. Von den Beschlüssen der Hofgerichte als Anklagekammer. Zuständigkeit der Anklagekammer. A r t . 248. Jedes Hofgericht hat die Aufsicht er den Gang der Voruntersuchungen in seinem Sprengel. Es hat darauf zu sehen, dass diese mit gehörigem Fleisse betrieben und jede nicht durch die Umstände gebotene Verzögerung vermieden werde. A r t . 249. Auch hat das Hofgericht die Befugniss, eine jede vor das Hofgericht oder den Schwurgerichtahof gehörige Strafsache zur Einleitung oder Fortsetzung der Untersuchung an sich zu ziehen, und dieselbe einem anderen in der Provinz angestellten Untersuchungsrichter oder selbst einem Mitgliede des Hofgerichts zu. abertragen. Art. 250. Es kann im Falle des Art. 243 auf Antrag der Staatsanwaltschaft den von dem Untersuchungsrichter gefassten Beschluss aufheben und denselben anweisen, die Voruntersuchung einzuleiten oder fortzusetzen. A r t . 251. Ferner entscheidet das Hofgericht: 1. nach beendeter Voruntersuchung zufolge des Art. 245 Ober die Verweisung de« Beschuldigten zur Hauptverhandlung; 2. über die Beschwerde gegen die im Laufe der Voruntersuchung erlassenen Beschlasse des Untersuchungsrichters und gegen das Verfahren desselben. Verfahren. A r t 252. Der Vorsitzende der Anklagekammer des Hofgerichts theilt die vom Untersuchungsrichter eingesandten Acten, unter Bestellung eines Referenten, sofort der Staatsanwaltschaft mit, welche baldthunlichst die Acten nebst den von ihr schriftlich verfassten Anträgen dem Referenten zustellt. Art. 253. Die Staatsanwaltschaft hat nicht blos die Zuständigkeit des Richters, sondern auch zu prüfen, ob noch weitere Handlungen der Voruntersuchung erforderlich oder wünschenswerth seien, und deren Vornahme in Antrag zu bringen. Ist sie der Ansicht, dass der Beschuldigte vor ein Strafgericht zu verweisen sei, so muss der Antrag die wesentlichen Merkmale der den Gegenstand der Be-
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schuldigung bildenden T h a t , sowie das die Tbat mit Strafe bedrohende Gesetz und das Gericht, vor welches die Verweisung erfolgen soll, bezeichnen. Sie hat auch darüber Anträge zu stellen, ob, wenn der Beschuldigte sich in H a f t befindet, diese aufzuheben, nnd ob, falls er sich auf freiem Fusse befindet, die Verhaftung zu beschliessen sei. A r t . 254. Iat die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass der Beschuldigte vor den Schwurgerichtshof zu verweisen sei, so müssen die sich ergebenden, im Gesetze besonders bezeichneten That umstände, wegen deren dem Richter geboten, oder wenigstens gestattet ist, die Strafe über den regelmässigen höchsten Strafgrad hinaus festzusetzen, in den von ihr zu stellenden Antrag aufgenommen werden. A r t . 255. In der Sitzung entwickelt die Staatsanwaltschaft, nach Beendigung des von dein Referenten zu haltenden Vortrags, ihre Ansicht mündlieh. Sind neue Anträge zu stellen, so muss dies schriftlich geschehen. Beschlüsse. A r t . 256. Findet das Hofgericht, dass es oder der Untersuchungsrichter nicht zuständig sei, so spricht es diese Unzuständigkeit aus und verordnet, dass die Acten unverzüglich der seiner Ansicht nach zuständigen Behörde mitgetheilt werden sollen Geeigneten Falls hält es die ergriffenen Untersuchungsmassregeln vorläufig aufrecht und vorfügt die Vorführung des verhafteten Beschuldigten vor die zuständige Behörde. Von diesem Beschlüsse ist dem Beschuldigten sofort Kenntnis» zu geben. A r t . 257. Erachtet das Hofgericht eine Ergänzung der Voruntersuchung für nothwendig, so ordnet es das Erforderliche an. A r t . 258. Ist die T h a t durch kein Strafgesetz verboten, oder hat der Beschuldigte sich zur Zeit der T h a t in einem Zustande befunden, welcher dir Strafbarkeit ausschliesst, oder ist wegen Verjährung oder aus einem sonstigen Grunde eine Verfolgung nicht zulässig, oder liegen gegen den Beschuldigten hinreichende Anzeigen nicht vor, so setzt das Hofgericht den Beschuldigten ausser Verfolgung. Verweisungsbeschlusa. A r t . 259. Findet das Hofgericht, dass gegen den Beschuldigten hinreichende Anzeigen eines vor den Schwurgerichtohof gehörigen Verbrechens vorliegen, so spricht es dessen Versetzung in den Anklagestand aus, und verweist denselben vor den zuständigen Schwurgerichtshof, welchen es bezeichnet. Dieser Verweisungsbeschluss ist dem Beschuldigten sofort bekannt zu machen. Ist er nicht verhaftet, so muss zugleich der Haftbefehl gegen ihn erlassen werden. A r t . 260. In dem Anklagebeschlusse sind die wesentlichen Merkmale jenes Verbrechens, wegen dessen die Anklage erfolgt, anzugebeu und möglichst auf die entsprechenden Thatsachen dergestalt zurückzuführen, dass die den Geschwornen vorzulegenden Frager. wörtlich aus denselben entnommen werden können; zugleich ist das Gesetz zu bezeichnen, welches die T h a t mit Strafe bedroht. Der Anklagebeschluss muss auch die aus den Acten hervorgehenden, in dem Art. 2 5 4 bezeichneten Thatumstände enthalten. Stimmen die Merkmale der Handlung, wegen welcher die Verweisung erfolgt, mit den in der Beschuldigung aufgestellten nicht überein, so muss der Beschluss hervorheben, hinsichtlich welcher der letzteren hinreichende Anzeigen nicht vorhanden sind. A r t . 261. Wird auf den Grund hin, dass mit einem vor den Schwurgerichtshof gehörigen das von einem Anderen begangene Verbrechen geringer Art oder Vergehen connex sei, der dieser letzteren That Beschuldigte zugleich vor den Schwurgerichtshof verwiesen, so wird sowohl wegen Erlassung eines Haftbefehls ( A r t . 259), als in den übrigen Beziehungen gegen ihn so verfahren, wie gegen den jenes schweren Verbrechens Angeklagten.
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A r t . 262. Findet das Hofgericht, dass wegen einer That, welche nicht vor den Scfcwnrgerichtebof gehört, hinreichende Anzeigen gegen eine bestimmte Person vorliegen, so nimmt es die den Gegenstand der Beschuldigung bildenden Thatsachen in den Beschluss auf, bezeichnet das Gesetz, welches die That mit Strafe bedroht, und verweist den Beschuldigten vor das zu bezeichnende zuständige Gericht. A r t . 263. Sobald dieser Verweisungsbeschluss erlassen ist (Art. 262), sind die Acten unverzüglich dem Gerichte zuzusenden, vor welches die Sache zur Aburtheilang verwiesen ist. A r t . 264. Ueber mehrere connexe Sachen (Art 55) kann, wenn auch wegen derselben die Voruntersuchungen getrennt geführt sind, durch Einen Beschluss entschieden werden. Sie werden zur gleichzeitigen Verhandlung ynd Entscheidung vor das nämliche Strafgericht verwiesen, welches geeigneten Falls von dem Hofgerichte zu bezeichnen ist. Wenn aber die mehreren strafbaren Handlungen desselben Beschuldigten (Art. 55 Abs. 1) an und für sich vor Gerichte gehören, die nicht gleichartige Gerichtsbarkeit haben, so muss die 'Verhandlung und Aburtheilung vor das Gericht der höheren Ordnung verwiesen werden ( A r t 56 .Abs. 2). Bei dieser Verweisung kommt, sofern die Zuständigkeit des höheren Strafgerichts sich nach der Grösse der angedrohten Strafe richtet (Art. 18), nicht die wegen Zusammentreffens der mehreren Verbrechen zu erwartende Strafe, sondern nur die auf die schwerste That gesetzte Strafe in Betracht. A r t . 265. Ist gegen einen Beschuldigten wegen mehrerer strafbarer Handlungen eine Voruntersuchung eingeleitet und ist mit Rücksicht auf diejenigen derselben, welche mit einer der im Art. 18 bezeichneten Strafe bedroht sind, zu erwarten, dass die Feststellung der leichteren StrafiUle für die Entscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung seiu werde, so kann das Hofgericht verordnen, dass die Untersuchung wegen der Letzteren einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die schwereren StrafiUle ruhen bleiben solL A r t 266. Wenn wegen derselben strafbaren Handlung gegen verschiedene Beschuldigte eine Voruntersuchung anhängig ist, die gegen Einige derselben schon bis zum Schluss gediehen ist, während ihre Fortsetzung gegen die Uebrigen voraussichtlich noch längere Zeit in Anspruch nimmt, so kann das Hofgericht über jene jetzt schon das Geeignete beschliessen und dieselbe vor das zuständige Gericht verweisen, sollte auch dadurch die Untersuchung gegen die Uebrigen Aufenthalt erleiden. A r t . 267. Der Erlassung eines Beschlusses über das Ergebniss der Voruntersuchung steht es nicht entgegen, wenn die Vernehmung des Beschuldigten nicht zu bewirken war; das Hofgericht kann jedoch auch verordnen, dass die Untersuchung bis dahin ruhen bleibe, dass die Vernehmung des Beschuldigten erfolgen könne. A r t . 268. Auf die Verwoisungsbcscblüsse des Hofgerichts findet, was das Unterschreiben derselben betrifft, der letzte Absatz des A r t 325 Anwendung; und diese Vorschrift muss, bei Verweisung der Sache an den Schwurgerichtsliof binnen vierundzwanzig Stunden nach Eröffnung des Beschlusses erfüllt werden. Wiederaufnahme der Voruntersuchung. A r t . 269. Gegen einen Beschuldigten, welcher wegen Mangels hinreichender Anzeige ausser Verfolgung gesetzt ist ( A r t 258), kann wegen der nämlichen That die Untersuchung nicht wieder aufgenommeil werden, wenn sich nicht neue Anzeigen ergeben. Als neue Anzeigen werden die später hervorgetretenen Beweismittel betrachtet, welche geeignet sind, die zu schwach befundenen Beweise zu verstärken, oder zur Entdeckung der Wahrheit zu führen.
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A r t 2 7 0 . Ueber das Dasein neuer Anzeigen und die Zulässigkeit der Wiederaufnahme der Untersuchung hat dasjenige Gericht zu beschliessen, welches den Beschuldigten ausser Verfolgung gesetzt hatte. E h e dieser Beschluss ergangen ist, kann zur Verhaftung des Beschuldigten nur dann geschritten werden, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet. Beschwerde gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters. A r t . 2 7 1 . Gegen die im Laufe der Voruntersuchung erlassenen Verfügungen des Untersuchungsrichters, sowie gegen das ganze Verfahren desselben steht der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten die Beschwerde offen, vorausgesetzt, dass der Nachtheil, welcher den Gegenstand der Beschwerde bildet, nicht in der Hauptverhandlung gehoben werden kann. Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können unter derselben Voraussetzung gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters, welche eine Strafe gegen sie verhängen oder ihre Rechte verletzen, Beschwerde erheben. A r t . 2 7 2 . Die Beschwerde kann schriftlich eingereicht oder zu Protokoll gegeben werden, und ist an keine F r i s t gebunden. A r t . 2 7 3 . Dem Ermessen des Hofgerichts ¡Bt die Wahl der Mittel anheimgegeben, um die zur Beschlussnahme über die Beschwerde erforderlichen Aufklärungen herbeizuschaffen. Die Acten sind jedoch nur in solchcn Fällen einzufordern, wo ohne Einsicht derselben die Entscheidung nicht erfolgen kann. A r t . 2 7 4 . Frivole oder in der offenbaren Absicht, die Sache in die Länge zu ziehen, geführte Beschwerden kann das Hofgericht mit Geldbussen oder mit Schärfung der bestehenden Haft ahnden. Beschwerde gegen Beschlüsse des Hofgerichts. A r t . 275. Die nach gegenwärtigem Titel von dem Hofgerichte zu fassenden Beschlüsse werden in seiner Eigenschaft als Anklagekammer erlassen. Gegen Beschlüsse dieser Art ist in Fällen des achten, neunten, zehnten und elften Titels und in den sonst in einzelnen Artikeln bezeichneten Fällen der W e g der Beschwerde an das Oberappellationsgericht statthaft, aber nur dann, wenn das Hofgericht selbst die Beschwerde zugefügt hat. Hierbei kommen alsdann die Bestimmungen der Art. 2 7 2 , 2 7 3 , 2 7 4 zur Anwendung. A r t . 2 7 6 . Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss des Hofgerichts, welcher die Haft des Beschuldigten gegen Sicherheitsleistung oder ohne solche, oder aber die erkannte Sequestration dos Vermögens wieder aufhebt, hat aufschiebende Wirkung, sofern diese Beschwerde gleich bei Eröffnung des Beschlusses angezeigt und binnen drei Tagen ausgeführt wird. Im Uebrigen haben die nach Art. 2 7 5 , wie auch die nach Art. 2 7 1 zulässigen Beschwerden an sieh keine aufschiebende Wirkung. Das Hofgericlit beziehungsweise das Oberappellationsgericht kann aber den Richter anweisen, bis zur Entscheidung über die Beschwerde mit dem weiteren Verfahren anzustehen.
Zwanzigster Titel. Von dem Vorfahren
vor den erkennenden Gerichten
überhaupt.
Anträge wegen der Beweismittel. A r t . 2 7 7 . Die Staatsanwaltschaft hat das Verzeichnis* derjenigen Zeugen und Sachverständigen, deren Befragung in der Hauptverhandlung sie für nothwendig erachtet, der Anklagekammer des Hofgerichts vorzulegen. Wenn Letztere die Vorladung noch anderer Zeugen und Sachverständigen für die Hauptverhandlung, namentlich in Rücksicht auf die V e r t e i d i g u n g des Beschuldigten für angemessen erachtet, so hat sie dieselben in das Verzeichniss aufzunehmen und hiervon die Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen.
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Eine Abschrift des Verzeichnisses ist dem Beschuldigtes spätestens mit der Vorladung zuzustellen. Bezieht sich die Vorladung auf mehrere Verbrechen und mehrere Beschuldigte, so ist jedem der Letzteren das Verzeichniss nur insoweit, als es ihn betrifft, zuzustellen. A r t . 278. Wünscht der Beschuldigte die Befragung von Zeugen oder Sachverständigen, welche nicht bereits auf dem Verzeichnisse stehen, so hat er deren Vorladung bei dem Strafgerichte zu beantragen, unter Anführung der Thatsachen, worüber die Zeugen vernommen, oder der Puncte, welche durch das Gutachten von Sachverständigen festgestellt werden sollen. Dieser Antrag muss binnen f&nf Tagen nach Zustellung jenes Verzeichnisses eingereicht werden. Das Gericht entspricht dem Antrage, wenn ihm die Befragung dieser Personen für die bessere Aufklärung der Sache förderlich erscheint. Wird dem Antrage nicht entsprochen, so kann der Beschuldigte noch die Vorladung verlangen, wenn er die Kosten derselben und die Kosten für die Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen erlegt, oder soviel diese Entschädigung anlangt, den Verzicht der Zeugen und Sachverständigen auf dieselbe sofort beibringt. Es wird jedoch in beiden Fällen vorausgesetzt, dass die Vorladung dieser Personen nicht mit einer ungerechtfertigten Verzögerang der Hauptverhandlung verbunden ist Die Entschliessung des Gerichts auf den Antrag ist dem Beschuldigten und, wenn demselben entsprochen wird, auch der Staatsanwaltschaft bekannt zu machen. (Vergl. noch A r t 330.) A r t . 279. In das Verzeichniss können auch solche Zeugen und Sachverständige aufgenommen werden, die in der Voruntersuchung noch nicht abgehört worden sind. Auch der Beschuldigte kann seine Anträge auf Vorladung solcher Zeugen und Sachverständigen richten. Das Gericht kann jedoch, wenn es dies für nöthig erachtet, die Abhörung solcher Zeugen und Sachverständigen durch den Siebter ihres Wohnorts oder einen anderen Richter anordnen, und bis nach der Abhörung, wenn der Antrag vom Staatsanwalte gestellt war, die Zufertigung des Verzeichnisses, wenn der Antrag vom Beschuldigten gestellt war, die Entschliessung auf letzteren verschieben. A r t . 280. Die Bestimmungen der A r t 277, 278, 279 leiden auch auf andere Beweismittel und deren Herbeischaffung Anwendung. Art. 281. Die Abhörung anderer Zeugen und Sachverständigen, sowie der Gebrauch anderer Beweismittel, als welche in dem Verzeichnisse ( A r t 282) oder in dem Antrage des Beschuldigten benannt sind, kann bei der Hauptverhandlung nur von dem Gerichte verfügt werden, vorbehaltlich der dem Vorsitzenden in Art. 293 eingeräumten Befugniss. Sitzung für die Verhandlung. A r t 282. Die Bestimmung der Sitzung, in welcher die Hauptverhandlung stattfinden soll, erfolgt durch den Vorsitzenden des erkennenden Gerichts. So lange die Verhandlung nicht begonnen hat, kann der Vorsitzende auf Antrag oder von Amtswegen die Sache vertagen. Die Vertagung einer bereits begonnenen Verhandlung kann von dem Gerichte auf Antrag oder von Amtswegen verordnet werden, jedoch nur aus wichtigen Gründen, welche in dem Beschlüsse anzuführen sind. A r t . 283. Die das Gericht bildenden Personen sitzen während der Verhandlung; jede andere vor Gericht erscheinende Person muss, falls nicht der Vorsitzende aus besonderen Gründen das Gegentheil gestattet, nachdem sie vorgetreten ist, stehen. Geschworene, Staatsanwalt, Vertheidiger und Beschuldigter müssen, um an
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Grossherzogtham Hessen.
das erkennende Gericht eine Frage, sich erheben.
einen Antrag
oder ein Gesuch
zu
richten,
Vorladung des Beschuldigten, der Zeugen u. s. w. A r t . 284. Der Vorsitzende setzt von dem anberaumten Tage die Staatsanwaltschaft schriftlich in Kenntniss. E r erlässt die Vorladung zur Hauptverhandlung an den Beschuldigten und den Vertheidiger, sowie an die für die H a u p t Verhandlung bestimmten Zeugen und Sachverständigen. Ist der Beschuldigte verhaftet, so genügt eine mündliche Eröffnung an ihn, in Folge deren er vorgeführt wird. Von der Vorladung solcher Zeugen und Sachverständigen, welche sich ausser Landes befinden, kann abgesehen werden, wenn dieselbe mit einem den Verhältnissen nicht entsprechenden Zeitaufwande verbunden sein würde, oder wenn das Erscheinen derselben nicht zu erwarten ist (Art. 305). Verbindung und Trennung der Verhandlung wegen verschiedener Strafsachen. A r t . 286. Wenn dei; nämliche Beschuldigte wegen mehrerer strafbarer Handlungen, oder wenn mehrere Beschuldigte wegen verschiedener strafbarer Handlungen vor das nämliche erkennende Gericht verwiesen sind, so kann die gleichzeitige Verhandlung der verschiedenen Strafsachen, wenn sie nicht bereits verfügt ist, von dem Vorsitzenden verfügt werden. Wenn einer oder mehrere Beschuldigte wegen verschiedener strafbarer Handlungen durch E i n e n Beschluss vor das nämliche erkennende Gericht verwiesen sind, so kann der Vorsitzende die Trennung der Verhandlung verfügen. Diese Verbindung oder Trennung kann nur geschehen, nachdem die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrage gehört worden ist. Ist die Verweisung vor das nämliche Gericht auf Grund der Connexität erfolgt, so kann die Trennung der Verhandlung nur von dem erkennenden Gerichte beschlossen werden. Oeffentlichkeit der Verhandlung. A r t . 287. Die Verhandlung ¡8t öffentlich, bei Strafe der Nichtigkeit, jedoch haben nur Erwachsene Zutritt. A r t . 288. Die Oeffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten Gefahr droht. Der Beschluss des Gerichts über die Ausschliessung der Oeffentlichkeit wird erlassen, nachdem die Staatsanwaltschaft in nicht öffentlicher Sitzung gehört worden ist. Der Vernehmung des Beschuldigten hierüber bedarf es nicht. Der Beschluss inuss öffentlich verkündet werden, bei Strafe der Nichtigkeit. A r t . 289. Die Ausschliessung der Oeffentlichkeit kann auch im Laufe der Ilauptverhandlung stattfinden; sie kann auch auf einen Theil derselben beschränkt werden. Die Verkündung des Endurtheils muss in allen Fällen öffentlich geschehen, bei Strafe der Nichtigkeit. A r t . 290. In Fällen, wo die Oeffentlichkeit ausgeschlossen ist, soll, sofern nicht besondere Gründe entgegenstehen, auf Verlangen des Beschuldigten oder des durch die strafbare Handlung Verletzten, dreien ihrer Verwandten oder Freunde der Zutritt von dem Vorsitzenden gestattet werden. Der Vorsitzende kann auch einzelnen anderen Personen den Zutritt gewähren. Ununterbrochene Gegenwart der Staatsanwaltschaft und des Protokollführers. A r t . 291. Die Staatsanwaltschaft und der Protokollführer müssen der ganzen Verhandlung beiwohnen, bei Strafe der Nichtigkeit. Jedoch können deren
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Verrichtungen durch verschiedene Beamte nacheinander wahrgenommen werden. Es können auch gleichzeitig mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft der Verhandlung beiwohnen und ihre Amtsverrichtungen nach ihrem Ermessen unter sich vertheilen. Amtsverrichtongen des Vorsitzenden im Allgemeinen. A r t 292. Die Leitung der Verhandlung, die Erhaltung der Ordnung und Ruhe und des der Würde des Gerichts entsprechenden Anstände« gebührt dem Vorsitzenden. E r hat die Reihenfolge der vorzunehmenden Handlungen zu bestimmen und den Beschuldigten, so wie alle andere abzuhörende Personen zu vernehmen; Niemand darf das Wort nehmen, bevor er es von dem Vorsitzenden erhalten hat. A r t . 293. Der Vorsitzende hat die Pflicht, mit allen Kräften dahin zu wirken, dass die Wahrheit ans Licht gebracht werde. E r ist ermächtigt, während des Laufes der Verhandlung Alles vorzunehmen, was er nach seinem pflichtmässigen Ermessen zu diesem Ende für dienlich erachtet. Er kann, unbeschadet der Bestimmungen der Art. 148—150, nötigenfalls durch einen Vorftthrungsbefehl, Jeden vorfordern und vernehmen, alle Beweismittel zur Stelle schaffen, und alle Actenstücke verlesen lassen, von welchen er nach den bisherigen Verhandlungen eine Aufklärung der Sache erwartet. Er bestimmt, ob die von ihm vorgeforderten Zeugen oder Sachverständigen, deren Vereidung zulässig ist, zu vereiden sind oder nicht. A r t . 294. Der Vorsitzende muss Alles beseitigen, was die Verhandlungen in die Länge ziehen könnte, ohne eine grössere Zuverlässigkeit in den Ergebnissen zu gewähren. Befugnis» zur Stellung von Fragen an die zu vernehmenden Personen. A r t 296. Sowohl die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Personen, als auch der Beamte der Staatsanwaltschaft sind, nachdem sie dazu das Wort von dem Vorsitzenden erhalten haben, befugt, Fragen an die zu vernehmenden Personen unmittelbar zu stellen. Der Beschuldigte und dessen Vertheidiger müssen, wenn sie die Stellung von Fragen wünschen, den Vorsitzenden darum ersuchen. Dieser weiset Fragen, deren Stellung er für unangemessen erachtet, zurück, vorbehaltlich der Entscheidung des Gerichts im Falle des Widerspruchs. Gang des Verfahrens. A r t 296. Nach Aufruf der Sache wird der Beschuldigte über seine persönlichen Verhältnisse vernommen, die Zeugen werden aufgerufen und ermahnt (Art. 13ö), und werden sodann in das Wartezimmer entlassen. Die Staatsanwaltschaft trägt die Beschuldigung vor. Der Beschuldigte wird darüber vernommen, und es wird zur Beweisaufnahme geschritten. Die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte werden mit ihren Schlussanträgen gehört Nach Beendigung dieser Vorträge erklärt der Vorsitzende die Verhandlung für geschlossen, und das Gericht spricht das Urtheil. A r t 297. Der Vorsitzende kann im Laufe der Verhandlung einen oder mehrere Beschuldigte einstweilen aus dem Sitzungssaale abtreten lassen; er ist ¡iber verpflichtet, sie, nachdem sie wieder eingetreten sind, von dem wesentlichen Inhalte der in ihrer Abwesenheit vorgenommenen Verhandlungen in Kenntniss zu setzen. Art. 298. Die Zeugen werden einzeln aus dem Zeugenzidimer vorgerufen, sie werden einzeln beeidigt, beziehungsweise auf den bereits geleisteten Eid verwiesen, und in Abwesenheit der erst später Abzuhörenden vernommen. Art. 299. Ob die Sachverständigen einzeln, oder Einer in Gegenwart des Alldem zu vernehmen seien, wird von dem Vorsitzenden bestimmt, vorbehaltlich Sammlung der n. d. Gesetz«.
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der Entscheidung des Gerichts, falls von Seiten der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten Widerspruch erhoben wird (Art. 159). A r t . 300. Die Zeugen und Sachverständigen müssen nach ihrer Vernehmung bis zur Beendigung der Sache im Sitzungssaal bleiben, es sei denn, dass da« Gericht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten ihre gänzliche oder einstweilige Entfernung gestattet, oder von Amtswegen verfügt. A r t 301. Nach der Vernehmung eines jeden Zeugen oder Sachverständigen fragt der Vorsitzende den Beschuldigten, ob und was er auf die Aussage zu bemerken habe. A r t 302. In den Fällen der Art. 180, 181, 182muss, bei Strafe der Nichtigkeit, entweder der bleibend bei den Gerichten angestellte oder ein durch den Vorsitzenden zu ernennender Dolmetscher zugezogen werden. Sowohl die Staatsanwaltschaft, als der Beschuldigte können den zugezogenen Dolmetscher, unter Angabe ihrer Gründe, ablehnen; das Gericht hat hierüber zu entscheiden. Die Verrichtungen eines Dolmetschers können, bei Strafe der Nichtigkeit, selbst mit Einwilligung der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten, von keinem Zeugen, auch nicht von einem der zur Entscheidung der Sache berufenen Richter oder Geschworenen versehen werden. A r t . 303. Aus dem Sitzungsprotokolle (Art. 223) muss hervorgehen, dass der Zeuge, Sachverständige oder Dolmetscher vereidet, oder, insoweit dieses gestattet ist (Art. 14f), 146, 159) auf einen früher geleisteten Eid verwiesen sei; lässt das Gesetz eine Vernehmung ohne Eid zu (Art. 127, 141), so muss der Grund, weshalb die Vereidung unterblieben ist, angeführt werden; Alles bei Strafe der Nichtigkeit. Verlesung von Actenstücken. A r t . 304. Die auf die in Rede stehende strafbare Handlung bezüglichen Urkunden, die über den Thatbestand, über Einnahme des Augenscheins, über Haus- oder Durchsuchungen und Beschlagnahmen aufgenommenen Verhandlungen, die während der Voruntersuchung von Sachverständigen abgegebenen Gutachten, alle von öffentlichen Behörden ausgestellten Bescheinigungen, insbesondere frühere wider den Beschuldigten ergangene Strafurtheile oder Auszüge aus denselben sind auf Antrag zu verleseil; das Gericht kann die Verlesung auch von Amtswegen verordnen. Verlesung von Zeugenaussagen. A r t . 305. Die Verlesung der Aussagen gerichtlich vernommener Zeugen muss auf Antrag und kann selbst von Amtswegen von dem Gerichte verordnet werden, wenn der Zeuge verstorben, oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist, oder wenn seinem Erscheinen Krankheit, Alterschwäche, grosse Entfernung, oder andere erhebliche Hindernisse überhaupt, oder auf längere Zeit entgegenstehen. (Vergl. Art. 284 a. E.) Der die Verlesung anordnende Bescliluss muss die Gründe enthalten, mit dem Bemerken, ob die Aussage bereits eidlich bestärkt worden ist oder nicht. A r t . 306. In Ansehung anderer, als der in den Art. 304 und 305 erwähnten Actenstücke, besteht ein Recht der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten, eine Verlesung zu verlangen, und eine B e f u g n i s des Gerichts, sie anzuordnen, nicht. Die durch den Art. 293 dem Vorsitzenden beigelegte Gewalt wird jedoch durch diese Bestimmung nicht beschränkt. Berücksichtigung aller Beweismittel. A r t . 307. Kein erheblicher Umstand und kein Beweismittel darf blos aus dem Grunde unberücksichtigt werden, weil dem Beschuldigten oder der Staatsanwaltschaft davon nicht vor der Verhandlung, oder nicht frühzeitig genug Kennt-
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niss gegeben sei; vorbehaltlich der Befugnis« des Gerichts, eine Vertagung zu verordnen, wenn dieselbe zur besseren Vorbereitung der Verteidigung oder der Ueberführung als nothwendig erscheint. Verzicht auf Beweismittel. A r t . 308. Ein Verzicht auf ein Beweismittel hat keine Wirkung, wenn derselbe nicht flbereinstimmend von der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten erklirt wird; selbst in diesem Falle kann der Verzicht von dem Gerichte unberücksichtigt gelassen werden. Unterbrechung der Verhandlung. A r t . 309. Die Verhandlung darf nicht durch fremdartige Geschäfte unterbrochen werden, vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 211; sie kann nach dem Ermessen des Gerichts auch an einem Sonntage oder einem Feiertage fortgesetzt werden, wenn besondere UmBtände dies nothwendig machen. Zu der den Mitwirkenden nöthigen Erholung kann nach der Vorschrift des Vorsitzenden eine Unterbrechung stattfinden. Störung der Verhandlung durch den Beschuldigten. A r t 310. Wenn der Beschuldigte die Verhandlung durch ungebührliches Betragen stört und, ungeachtet der Ermahnung und Verwarnung des Vorsitzenden, nicht davon absteht, so kann das Gericht, nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, unbeschadet der etwa sonst zu verengenden Strafe, durch einen Beschluss, gegen welchen ein Rechtsmittel nicht stattfindet, anordnen, dass der Beschuldigte aus dem Sitzungssaale entfernt, in das Untersuchungsgefcngniss abgeführt, dort bis zur Beendigung der Verhandlung in Verwahrung gehalten, und das Verfahren in seiner Abwesenheit fortgesetzt werde. Diese Verfügung kann jederzeit zurückgenommen und dem Beschuldigten die Anwesenheit in der Sitzung gestattet werden. Der Vertheidiger wird auch nach Abführung des Beschuldigten gehört, jedoch unbeschadet der Bestimmung des Art. 204. Wird das Urtheil in Abwesenheit des Beschuldigten verkündet, so wird ihm dasselbe spätestens im Laufe des folgenden Tages durch den Protokollführer zu Protokoll bekannt gemacht. Die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels läuft auch in diesem Falle vom Tage der Verkündigung. Verfahren gegen Zeugen, welche des Meineides verdächtig sind. A r t 311. Ergiebt sich aus der Verhandlung mit Wahrscheinlichkeit, dass ein Zeuge sich eines Meineides schuldig gemacht habe, so kann das Gericht gegen denselben einen Haftbefehl erlassen und die Untersuchung wegen des Meineides vor den zuständigen Untersuchungsrichter verweisen. Dem Ermessen des Gerichts bleibt es' überlassen, die Hauptverhandlung entweder unerachtet dieses Zwischenfalls fortzusetzen, oder sie bis dahin, dass die Untersuchung wegen des Meineides beendigt sein wird, zu vertagen. Verfahren, wenn im Laufe der Verhandlung andere strafbare Handlungen des Beschuldigten zur Sprache kommen. A r t . 312. Ergeben sich im Laufe der Verhandlung Anzeigen, dass der Beschuldigte eine andere strafbare Handlung begangen habe, als diejenige ist, welche den Gegenstand der Verhandlung bildete, so kann das Gericht, selbst nachdem er in Betreff dieser Handlung freigesprochen ist, wegen jener That einen Haftbefehl gegen ihn erlassen', indem es die Untersuchung vor den zuständigen Richter verweist. 16*
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Grf)9shcrzogthnm Hessen. Nähcrc Aufklärung der Sache
Augenschein.
A r t . 313. Das Gericht kann, soweit dies zur Aufklärung der Sache erforderlich ist, die Vornahme von Untersuchungshandlungen verordnen, und damit eins seiner Mitglieder oder einen Untersuchungsrichter beauftragen. Das Gericht kann auch verfügen, dass zu einer späteren Verhandlung gewisse, von ihm zu bezeichnende Zeugen oder Sachverständige vorgeladen werden. Insofern es zur Aufklärung der Sache unumgänglich erforderlich ist, so kann das Gericht sich an Ort und Stelle begeben. Vertheidigungsgründe. A r t . 314. Alle zur V e r t e i d i g u n g gegen die erhobene Anschuldigung dienenden Gr finde können von dem Beschuldigten vor dem erkennenden Gerichte geltend gemacht und müssen selbst von Amtswegen berücksichtigt werden, ohne dass ein in der Voruntersuchung ergangener Beschluss entgegensteht. Die Bestimmung des Art. 64 wird hierdurch nicht berührt. Fällung des Urtheils. A r t . 3Ii). Kein Urtheil, selbst keine Zwischenentscheidung, darf erlassen werden, bevor die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte gehört worden sind, bei Strafe der Nichtigkeit. Auf Verlangen des Vorsitzenden h a t die Staatsanwaltschaft mündlich gestellte Anträge schriftlich abzufassen. Der Beschuldigte hat allemal das letzte Wort. A r t . 316. Die Berathung und Abstimmung der Richter geschieht geheim. Wenn ein Gerichtsmitglied als Referent bestellt ist, so hat dieser hinsichtlich des zu erlassenden Urtheils den Antrag zu stellen. Die Übrigen Mitglieder des Gerichts stimmen in der Reihenfolge, dass das dem Dienstrange nach jüngste Mitglied beginnt. Bilden sich in Beziehung auf die nämliche Frage mehr als zwei verschiedene Ansichten, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die dem Beschuldigten nachtheiligsten den zunächst minder nachtheiligen so lange beigezählt, bis sich eine Mehrheit ergiebt. Das Zahlenverhältniss der Stimmen soll nicht in die Entscheidung aufgenommen oder sonst bekannt gemacht werden. A r t . 317. Eine Unzuständigkeitserklärung darf nie aus dem Grunde erfolgen, weil die strafbare Handlung zur Zuständigkeit eines Gerichts niederen Ranges gehört. A r t . 318. Jedes Urtheil muss die Entscheidungsgrönde enthalten, b e i S t r a f e der Nichtigkeit. Auf die zur Anwendung kommenden gesetzlichen Vorschriften ist hinzuweisen. Kosten. A r t . 319. Jedes Strafurthcil muss den Beschuldigten zugleich in alle Kosten des Verfahrens verurtheilen, welches wegen der die Bestrafung desselben begründenden Handlung stattgefunden hat. A r t . 320. Werden wegen einer strafbaren Handlung mehrere Personen als l'rhcber, Theilnohmer oder Gehülfen verurtheilt, so sind ihnen die Kosten des wegen dieser Handlung stattgefundenen Verfahrens solidarisch zur Last zu legen; zugleich sind aber die Kosten nach Massgabe der Verschuldung des Einzelnen angemessen zu vertheilcn. A r t . 321. Der freigesprochene Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens nicht zu tragen. Sind ihm dieselben durch ein Urtheil früherer Instanz auferlegt, so soll er durch das spätere freisprechende Urtheil von dieser Verpflichtung wieder entbunden werden. (Vergl. Art. 208.)
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Der. Beschuldigte kann jedoch, selbst wenn er freigesprochen wird, in diejenigen Kosten vernrtheilt werden, welche durch eine ihm zur Last fallende Versäumnis« verursacht worden sind. A r t . 322. Die Kosten eines von der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels können dem Beschuldigten nicht zur Last gelegt werden. A r t 323. Die Staatsanwaltschaft kann niemals in die Kosten verurtheilt werden. Verkündung des Urtheils. A r t . 3 2 4 . Die Verkündigung eines Urtheils kann erfolgen, ohne dass es vorher schriftlich verfasst worden ist. Kann das Endurtheil nicht am Tage der geschlossenen Verhandlung verkUndet werden, so bestimmt das Gericht zu diesem Zwecke eine der nächsten Sitzungen. Fgrm des Urtheils. A r t . 325. Die Urschrift des Endurtheils soll enthalten: das Datum; die Namen der Richter, des Beamten der Staatsanwaltschaft und des Protokollführers; die Bemerkung, dass die Verhandlung öffentlich, oder dass die Oeffeutlichkeit durch Beschluss des Gerichts ausgeschlossen war, in jedem Falle, dass das Urtheil öffentlich verkündet worden ist; die Bezeichnung des Beschuldigten nach Namen, Vornamen, Alter, Stand und Gewerbe und Wohnort, soweit dies möglich ist; den Gegenstand der Beschuldigung; die Schlussanträge der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten; die Entscheidungsgründe (Art. 3 1 8 ) ; die Entscheidung über Strafe und Kosten. Die Urschrift des Endurtheils wird von allen Mitgliedern des Gerichts, welche dazu mitgewirkt haben, nnd von dem Protokollfahrer unterschrieben. Ist das Unterschreiben einem Mitgliede des Gerichts unmöglich geworden, so genügt, dass von der Verhinderung in einem Anhang zum Urtheil Erwähnung geschieht Zustellung des Urtheils. A r t 326. Das Strafiirtheil muss dem Verurtheilten in beglaubigter Abschrift zugestellt werden, wenn derselbe bei der Hauptverhandlung nicht erschienen war, oder weun das Urtheil an einem anderen Tage, als dem der geschlossenen Hauptverhandlung verkündet worden ist, und der Verurtheilte bei der Verkündigung nicht gegenwärtig war, weshalb im Sitzungsprotokolle das Erforderliche zu vermerken ist. Hinsichtlich der übrigen Endurtheile bedarf es einer solchen Zustellung nicht; doch kann der freigesprochene Beschuldigte kostenfrei eine beglaubigte Abschrift des Urtheils verlangen. A r t . 327. Zugleich mit der Verkündigung des Endurtheils ist dem dadurch Verurtheilten eine Belehrung über das ihm zustehende Rechtsmittel der Appellation (Tit. 24) oder der Nichtigkeitsbeschwerde ( T i t 25), und über die bei deren Anmeldung einzuhaltenden Nothfristen einzuhändigen. Dass dies« Behändigung erfolgt ist, soll zu den Acten beurkundet werden. Rechtsmittel. A r t . 328. Die von den erkennenden Gerichten bei oder auf Grund der Hauptverhandlung erlassenen Vorbescheide oder Zwischenentscheidungen, insbesondere auch diejenigen, durch welche die Einrede der Unzuständigkeit verworfen wird, können nicht vor dem Endurtheile und nur zugleich mit diesem durch Rechtsmittel angegriffen werden.
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A r t . 329. Gegen Verfügungen und Beschlasse, welche von dem erkennenden Gerichte ausserhalb der Hauptverhandlung erlassen werden, eteht der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten der Weg der Beschwerde offen, jedoch nur in sofern, als der Nachtheil, welcher den Gegenstand der Beschwerde bildet, nicht in der Hauptverhandlung, selbst der zweiten Instanz, gehoben werden kann. Ausgeschlossen ist die Beschwerde namentlich, wenn es sich um die Vorladung von Zeugen oder um Herbeischaffung anderer Beweismittel handelt. Die Beschwerde folgt dem Instanzenzuge der Appellation und der Nichtigkeitsbeschwerde, in soweit dieses letztere Rechtsmittel nach den Bestimmungen des 25. Titels zulässig ist. Hinsichtlich des Verfahrens kommen die Bestimmungen der Art. 272, 273, 274 zur Anwendung. A r t . 330. Gegen Verfügungen und Beschlüsse, welche der Vorsitzende des erkennenden Gerichts oder der von jenem beauftragte Richter ausserhalb der Hauptverhandlung erlassen hat, kann bei dem in d«r Hauptverhandlung erkennenden Gerichte Einspruch erhoben werden, aber blos vor dem Beginn der Hauptverhandlung. Ueber diesen Einspruch ist unverweilt von dem Gerichte zu entscheiden, wobei der Vorsitzende bezieh, jener von ihm beauftragte Richter mitzuwirken befugt ist. Dieser Beschluss kann nur aus Nichtigkcitsgründen in Verbindung mit dem gegen das Endurtheil zulässigen Rechtsmittel angegriffen werden. Zurücknahme eines Rechtsmittels. Art. 331. Ein eingelegtes Rechtsmittel kann von demjenigen, welcher es eingelegt hat, zurückgenommen werden; es fallen ihm jedoch, wenn es nicht die Staatsanwaltschaft ist, die dadurch erwachsenen Kosten zur Last. Die Zurücknahme ist nicht mehr zulässig, nachdem in der Sitzung zur Hauptverhandlung der Vortrag de6 Referenten oder der Vortrag der Staatsanwaltschaft begonnen hat.
Ein and zwanzigster Titel. Von der Verhandlung vor dem Schwurgerichtshofe. E r s t e r Absohnltt. Von der Hauptverhandlung gegen anwesende Angeklagte. Vorbereitung des Verfahrens. A r t . 332. Sobald der Anklagebeschluss ergangen ist (Art. 259), hat die Staatsanwaltschaft ohne Verzug die Anklageschrift anzufertigen. A r t . 333. Die Anklageschrift muss enthalten: 1. Vor- und Zunamen des Angeklagten und dessen sonstige persönliche Verhältnisse ; 2. eine gedrängte Darstellung der Thatsachen, auf welchen die Anklage beruht, mit allen Umständen, welche auf die Strafe von Einfluss sein können; 3. eine kurze Angabe der Beweise für den Thatbestand und für die Thäterschaft des Angeklagten; 4. schliesslich die Anklageformel wörtlich so, wie sie in dem Anklagebeschlusse enthalten ist (Art. 260). Art. 334. Die Staatsanwaltschaft hat zu veranlassen, dass der Anklagebeschluss und die Anklageschrift dem Angeklagten zugestellt, und dass Letzterer, wenn er bereits verhaftet ist, sofort in das Gefängnis» des Schwurgcrichtshofes abgeführt werde. Wird der Angeklagte später zur Haft gebracht, so ist er möglichst bald in dieses Gefangniss abzuliefern. A r t . 335. Die Schwurgerichtshöfe werden nicht eher geschlossen, bis alle Verbrechen, welche bei Eröffnung der Sitzungsperiode so weit vorbereitet sind, dass mit der Hauptverhandlung vorgeschritten werden kann, vor dieselben gebracht sind.
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Hat aber die Staatsanwaltschaft oder der Angeklagte Gründe, um zu beantragen, daaa eine Sache in dieser Sitzungsperiode nicht verhandelt werde, so überreicht er dem Präsidenten des Schwurgerichtshofes einen Antrag am Vertagnng. Der Präsident entscheidet, ob die Vertagung der Sache zu gestatten ist; er kann sie auch von Amtswegan verfügen. Art. 336. Treffen die Acten oder der Angeklagte erst nach Eröffnung der Sitzungsperiode ein, so kann der Präsident die Verhandlung der Sache in dieser Sitzungsperiode noch eintreten lassen, wenn die Staatsanwaltschaft darauf anträgt und der Angeklagte einwilligt. A r t 337. Der Angeklagte wird innerhalb vierundzwanzig Stunden nach seiner Ankunft im Gefängnisse des Schwurgerichtshofes von dem Präsidenten dieses Gerichtshofes, oder von dessen Stellvertreter, oder von einem durch den Präsidenten beauftragten Richter vernommen, insbesondere darüber, ob er seinen früheren Verhören etwas beizufügen habe. Bestätigt er bei dieser Gelegenheit sein früher abgelegtes Geständnis», so ist diese Erklärung im Protokoll zu bemerken; widerruft er das frühere Geständnis«, so ist er zu veranlassen, die Gründe seines Widerrufs anzugeben. Zugleich wird er befragt, ob er einen Vertheidiger gewählt habe, welcher die Verteidigung zu übernehmen bereit sei. Hat der Angeklagte noch keinen Vertheidiger und wählt er nicht sofort einen solchen, oder verweigert der gewählte Vertheidiger die Annahme des Auftrages, so muss ihm sofort ein Vertheidiger von Amtswegen bestellt werden bei Strafe der Nichtigkeit (Art 197 ff.); doch bleibt dem Angeklagten das Recht vorbehalten, sich demnächst des Beistandes eines anderen Vertheidigers (Art. 200) zu bedienen, mit dessen Bestellung die Wirkung jener früheren Ernennung erlischt. A r t 338. Bei obiger Vernehmung (Art. 337) wird bei Strafe der Nichtigkeit dem Angeklagten zugleich eröffnet: dass er durch seinen Vertheidiger Einsicht von den Untersuchungsacten in dem Sccretariate des Hofgerichts nehmen, und dass, falls er glaube, die That gehöre nicht vor den Schwurgerichtshof, er in den nächstfolgenden, von der Vernehmung an laufenden fünf Tagen die Nichtigkeitsbeschwerde auf gedachtem Secretariate anmelden könne, widrigenfalls er nicht mehr damit gehört werden würde. Die Befolgung dieser Vorschriften des gegenwärtigen Artikels ist im Protokoll zu beurkunden. Erst nach jener Vernehmung wird dem Vertheidiger die Einsicht der Acten, und dem Angeklagten in Gemässheit des Art. 202 Abs. 2 die Besprechung mit demselben gestattet A r t 338a. Ist zur Zeit der Vernehmung des Angeklagten der T a g schon festgesetzt, an welchem die gegen ihn erhobene Anklage zur mündlichen Verhandlung und zur Aburtheilung kommen soll, so muss dieser Tag nebst der Stunde des Beginns der Verhandlung ihm von dem Präsidenten des Schwurgerichtshofes eröffnet, und dass dies geschehen, in obigem Protokoll beurkundet werden. Konnte diese Mittheilung nicht bei obiger Vernehmung stattfinden, so ist der Tag der Verhandlung nebst der Stunde des Beginns derselben dem Angeklagten später, wenigstens fünf Tage vor der Verhandlung zu eröffnen (Art. 284). A r t 339. Dem Angeklagten wird von den über den Thatbestand aufgenommenen Protokollen und von dem Gutachten der Sachverständigen, sowie von den Aussagen der Zeugen, welche die Staatsanwaltschaft bei der Hauptverhandlung vernehmen zu lassen beabsichtigt, auf sein Verlangen eine Abschrift, und zwar vorläufig unentgeltlich ertheilt Sind mehrere Angeklagte in der Sache, so erhalten alle nur Eine Abschrift unentgeltlich. Gegen Zahlung der Kosten muss dem Angeklagten auch von jedem anderen Theile der Untersuchungsacten, soweit dieselben zu seiner Verteidigung dienen können, eine Abschrift gegeben werden. Art. 340. Der Präsident des Schwurgerichtshofes kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten und selbst von Amtswegen jede Handlung der
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Voruntersuchung vornehmen, welche er zur besseren Vorbereitung der Hawptrerhandlung für nothwendig erachtet. Er hat zu diesem Brhufe alle Befugnisse des Untersuchungsrichters. Mit einzelnen Handlungen der Voruntersuchung kann er ein Mitglied des Landgerichts oder des Bezirksstrafgerichts, in dessen Sprengel sie vorzunehmen sind, beauftragen. A r t . 3 4 1 . Dem Verzeichniss der nach A r t 277 von der Staateanwaltschaft und etwa von der Anklageknmmer bezeichneten, vor dem Schwurgerichtehofe zu vernehmenden Zeugen dürfen auf Anstehen der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten nur noch solche Zeugen beigefügt werden, welche wenigstens vierundzwanzig Stunden vor ihrer Abhör dem Angeklagten von der Staatsanwaltschaft, oder der Letzteren von dem Angeklagten bekannt gemacht worden sind. Ist diese Bekanntmachung zu spät oder so ungenau geschehen, dass über die Identität eines Zeugen gegründete Zweifel entstehen könnten, so ist der Angeklagte und bezieh, die Staatsanwaltschaft befugt, sich der Vernehmung zu widersetzen; jedoch bleibt dem Präsidenten auch in diesem Falle die ihm durch den Artikel 2 9 3 beigelegte Befugniss; geeigneten Falls kann die Vertagung der Sache durch den Gerichtshof angeordnet werden (Art. 2 7 7 a. E.). Gang der Hauptverhandlung. A r t . 3 4 2 . Nachdem das Schwurgericht gebildet ist und die Geschworenen ihre Sitze eingenommen haben, befragt der Präsident den Angeklagten nach seinen persönlichen Verhältnissen (Art. 187). Verweisung der Geschworenen auf den geleisteten Eid. A r t . 3 4 3 . Der Präsident verweist demnächst die Geschworenen bei Strafe der Nichtigkeit auf den v.on ihnen geleisteten Eid (Gesetz vom . . . . Art. 31 und 3 2 ) und fordert sie auf, getreu ihrem Eide den Verhandlungen mit voller Aufmerksamkeit zu folgen und einen gewissenhaften Spruch zu fällen. Aufruf der Zeugen und Sachverständigen. A r t . 3 4 4 . Demnächst werden die zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen aufgerufen, ermahnt und in das Wartezimmer entlassen (Art. 2 9 6 ) . Verlesung der Anklageschrift. A r t . 3 4 5 . Nachdem die Zeugen abgetreten sind, wird die Anklageschrift von dem Protokollführer verlesen. Der Präsident wiederholt nach Befinden den wesentlichen Inhalt derselben. A r t . 3 4 6 . Die Staatsanwaltschaft kann, wenn sie dies für angemessen erachtet, die Anklage näher erläutern und die für die Bcurtheilung der Geschworenen erheblichen Puncte, sowie die im Laufe der Verhandlung vorzubringenden Beweise hervorheben. Mündliche Untersuchung und Ausführungen. A r t . 3 4 7 . Darauf wird zur mündlichen Untersuchung geschritten; die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden gehört. Die Ausführungen haben sich jedoch hier lediglich auf die Darlegung der die Thatfrage betreffenden Ergebnisse der Verhandlung zu beschränken. Vortrag des Präsidenten. A r t . 348. Der Präsident erklärt demnächst die Verhandlung für geschlossen. E r fasst die wesentlichen Ergebnisse derselben in einer gedrängten Darstellung zusammen und hebt in möglichster Kürze die Beweise für und wider den Angeklagten hervor, ohne jedoch seine eigene Ansicht kund zu geben. E r macht die Geschworenen auf die gesetzlich« n Vorschriften aufmerksam, in soweit dies erforderlich erscheint, um ihnen die Erfüllung ihres Berufes zu erleichtern.
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Dieser Vortrag darf anter keiner Bedingung von der Staatsanwaltschaft oder dem Angeklagten unterbrochen, oder mm Qegcnstande irgend eines Antrages oder einer späteren Verhandlung gemacht werden. Fragen an die Geschworenen. A r t . 349. Der President stellt darauf die von den Geschworenen zu beantwortenden Fragen. Sie müssen schriftlich vorgelegt werden und sind von dem Präsidenten zu unterschreiben und zu verlesen, bei Strafe der Nichtigkeit. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte können Abänderungen der Fragen und die HinzufiQgung anderer Fragen beantragen. Wird gegen den Antrag kein Widerspruch erhoben, so kann der Präsident demselben Statt geben. In dem entgegengesetzten Falle, oder wenn der Präsident gegen den Antrag Anstände erhebt, hat der Gerichtshof zu entscheiden. Die Bestimmung des zweiten Absatzes dieses Artikels kommt auch in Ansehung der abgeänderten oder hinzugefügten Fragen zur Anwendung. A r t . 350. In sofern nach der Eigentümlichkeit des Falles, oder nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten dazu Veranlassung vorliegt, sind die Fragen schon vor dem Schlüsse der Verhandlung, jedoch erst nach Beendigung der mündlichen Untersuchung zu einem geeigneten Zeitpuncte zu verlesen und festzustellen (Art. 349). Der Inhalt der festgestellten Fragen bestimmt sodann die Grenzen, innerhalb deren sich die Ausfahrungen zu bewegen haben (Art. 347). A r t . 3 5 1 . Die Fragen sind, soweit es geschehen kann, unter Vermeidung solcher Rechtsbegriffe, welche nicht eine allgemeine bekannte oder in dem gegebenen Falle unbestrittene Bedeutung haben, so zu fassen, dass sie von Männern, welche des Rechts nicht kundig sind, mit Sicherheit beantwortet werden können. A r t 352. Die Fragen müssen bei Strafe der Nichtigkeit alle aus dem Anklagebeschluss hervorgehenden wesentlichen thatsächlichen Merkmale des Verbrechens und im Art. 254 bezeichneten erschwerenden Thatumstftnde erschöpfen. A r t . 353. Der Präsident stellt dem zufolge zunächst die Frage: „Ist der Angeklagte s c h u l d i g , die und die That begangen zu haben?" Ist in den Verhandlungen ein Zustand oder eine Thatsache zur Sprache gekommen, welche, ihre Wahrheit vorausgesetzt, die Strafbarkeit völlig aufheben würden (8t-G.-B. Art 87, 39, 40, 45, 4 6 — 4 9 und 50), so stellt der Präsident auch hierauf eine Frage. In einem solchen Falle hat er die erstere Frage nur dahin zu richten: „Ist der Angeklngte ü b e r f ü h r t , die und die That begangen zu haben?" A r t 354. Ist ein Angeklagter, welcher zur Zeit der That noch nicht das sechszehnte Lebensjahr vollendet hatte, vor den Schwurgerichtshof gestellt (Art 19), so mu8s die Frage, ob er mit Unterscheidungsvermögen gehandelt habe, auch ohne Antrag bei Strafe der Nichtigkeit gestellt werden. Art. 355. Haben sich in der Verhandlung Thatumstände ergeben, welche im Gesetze als solche b e s o n d e r s bezeichnet sind, wegen deren dem Richter geboten oder wenigstens gestattet ist, die Strafe über den regelmässigen höchsten Strafgrad hinaus festzusetzen, so stellt der Präsident über diese Thatsachen die geeignete weitere Frage. A r t . 356. Sind in den Verhandlungen Thatumstände zur Sprache gekommen, welche entweder Straflosigkeit begründen (z. B. in Fällen der A r t 6 9 , 78, 79, 82, 135, 138 des St.-G.-B.) oder wegen deren dem Richtcr geboten und nicht blos gestattet ist, die Strafe unter den regelmässigen geringsten Strafgrad herabzusetzen, so stellt der Präsident eine Frage dahin: ob diese Thatsache erwiesen sei? A r t . 357. Haben die Verbandlungen Anhaltspuncte an die Hand gegeben, wonach ein des vollendeten Verbrechens Angeklagter sich etwa nur eines Versuchs,
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oder ein der Tödtung mit Vorbedacht Angeklagter sich vielleicht nur einer den Tod zur Folge gehabt habenden Körperverletzung mit Vorbedacht schuldig gemacht hat — oder Anhaltspuncte, dass der als Urheber Angeklagte nur Gehülfe oder Begünstiger war, oder, dass statt des in dem Anklagebeschlusse angegebenen vorsätzlichen Verbrechens dasselbe nur aus strafbarer Fahrlässigkeit begangen worden, so muss der Präsident auch hierüber eine besondere Frage an die Geschworenen stellen. Ganz dasselbe tritt ein, wenn die dem Anklagebeschlass zum Grunde liegenden Handlungen schon an und für sich unter den Begriff eines anderen Verbrechens von g e r i n g e r e r Strafbarkeit, als worauf die Anklage gerichtet ist, zu fallen scheinen. A r t . 358. Wenn die Handlungen, welche der Anklage zum Grunde liegen, an und für sich, oder wenn die etwa in den Verhandlungen hinzugetretenen Umstände verbunden oder vereinzelt, unter einen schwereren Gesichtspunct oder unter den Begriff eines anderen Verbrechens von g l e i c h e r oder h ö h e r e r Strafbarkeit zu fallen scheinen, als worauf die Anklage gerichtet war, so ist die Hauptfrage hiernach zu stellen; die aus dem Anklagebeschluss sich ergebende Frage kann geeigneten Falls als Zusatzfrage besonders gestellt werden. Jedoch kann in einein solchen Falle der Schwurgerichtshof auf Antrag oder auch von Amtswegen die Vertagung der Sache auf eine andere Sitzung, oder die Verweisung vor den Untersuchungsrichter beschliessen. A r t 359. Darüber, ob die Voraussetzungen des Rückfalles vorhanden sind, wird den Geschworenen keine Frage gestellt. A r t . 360. Der Präsident überreicht die schriftlich abgefassten Fragen den Geschworenen und übergiebt ihnen zugleich den Anklagebeschluss, die Anklageschrift und die übrigen Actenstückc, mit Ausnahme der Protokolle über die Vernehmung der Zeugen; er fordert die Geschworenen auf, sich in ihr Berathungszimmer zurückzuziehen und befiehlt die Abführung des Angeklagten aus dem Sitzungssaale. Der Präsident bemerkt den Geschworenen zugleich bei Strafe der Nichtigkeit, dass, wenn nur mit sieben gegen fünf Stimmen der Angeklagte der Hauptthat für s c h u l d i g , oder ein in der Frage enthaltener erschwerender Umstand für e r w i e sen bezieh, der Zustand oder die Thatsache, welche entweder die Strafbarkeit völlig aufheben oder Straflosigkeit oder Strafminderung begründen, für n i c h t e r w i e s e n erklärt werden sollte, sie in ihrem Ausspruche davon Erwähnung thun müssten. Berathung der Geschworenen. A r t . 361. Nachdem die Geschworenen sich in ihr Berathungszimmer begeben haben, wird der Eingang zu demselben auf Anordnung des Präsidenten bewacht. Bis der Ausspruch beschlossen ist, darf ohne schriftliche Erlaubniss des Präsidenten kein Geschworener das Berathungszimmer verlassen und kein Fremder in dasselbe eintreten. Geschworene, welche diesem Verbote zuwiderhandeln, haben eine Geldbusse von zehn bis hundert Gulden, und zuwiderhandelnde dritte Personen eine vierundzwanzigstündige Gefilngnissstrafe verwirkt. Die Strafe wird von dem Gerichtshofe ausgesprochen, ohne dass ein Rechtsmittel dagegen zulässig ist. A r t . 362. Die Geschworenen wählen durch Stimmenmehrheit ihren Vorsteher. Derselbe hat die Berathung zu leiten und deren Ergebniss zu verkünden. Der Aufnahme eines Protokolls über die Wahlhandlung hedarf es nicht. Vor der Berathung hat der Vorsteher der Geschworenen Folgendes zu ihrer Richtschnur vorzulesen: „Das Gesetz legt den Geschworenen die durch einen feierlichen Eid geheiligte Pflicht auf, alle für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweise sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, und nach der durch diese Prü-
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fang gewonnenen Ueberzeugung allein ihren Ausspruch über Schuld oder Nichtschuld zu Allen." „Ihre Berathung muss sich auf die Thatsachen beschrinken, welche den Gegenstand der ihnen vorgelegten Fragen bilden. Ueber die Rechtmässigkeit oder Zweckmässigkeit des Strafgesetzes steht ihnen kein Urtheil zu; die Schwere der Strafe, welche den Schuldigen treffen konnte, darf sie bei ihrer Entschliessung nicht bestimmen." A r t 363. Nach geschlossener Berathung beiragt der Vorsteher die Geschworenen in der Reihenfolge, in welcher die Fragen gestellt sind, und jeder Geschworene antwortet in nachstehender Weise: 1. Findet der Geschworene sich aberzeugt, dass die That nicht erwiesen, oder dass der Angeklagte derselben nicht überfahrt sei, so antwortet er: „ K e i n , d e r A n g e k l a g t e i s t n i c h t s c h u l d i g . " In diesem Falle hat der Geschworene etwas Weiteres nicht zu antworten; 2. findet sich dagegen der Geschworene aberzeugt, dass die That erwiesen und der Angeklagte derselben mit allen Umständen überfahrt sei, so antwortet er: „ J a , der A n g e k l a g t e ist s c h u l d i g , das V e r b r e c h e n mit allen U m s t ä n d e n b e g a n g e n zu h a b e n , w e l c h e in d e n g e s t e l l t e n F r a gen enthalten sind;" 3. findet sich aber der Geschworene überzeugt, dass die That erwiesen und der Angeklagte derselben aberfahrt sei, dass jedoch nicht in Ansehung aller Umstände Beweis vorliege, so antwortet er: J a , d e r A n g e k l a g t e i s t s c h u l d i g , d a s V e r b r e c h e n mit dem und dem U m s t ä n d e b e g a n g e n zu h a b e n , a b e r es i s t n i c h t e r w i e s e n , d a s s e r e s m i t d e m und dem w e i t e r e n U m s t ä n d e v e r a b t h a t ; " 4. findet endlich der Geschworene sich aberzeugt, dass die That erwiesen, dass aber keiner der Umstände dargethan sei, so antwortet er: „ J a , d e r A n g e k l a g t e ist schuldig, aber keiner der Umstände ist gegen ihn e r w i e s e n . " Auch in diesem Falle haben die Geschworenen diese Umstände einzeln anzufahren. A r t 864. Ist den Geschworenen auch darüber eine Frage gestellt worden, ob sich ein Zustand oder eine Thatsache ergeben habe, welche die Strafbarkeit völlig aufheben (Art 353), oder ob der Beschuldigte mit Unterscheidungsvermögen gehandelt habe (Art. 364), so antwortet ein Jeder der Geschworenen auf die Fragen des Vorstandes wie folgt: 1. findet sich der Geschworene aberzeugt, dass die That nicht erwiesen, oder dass der Angeklagte derselben nicht überführt sei, so antwortet e r : „ N e i n , der A n g e k l a g t e ist nicht schuldig;" 2. findet sich dagegen der Geschworene überzeugt, dass die That erwiesen und der Angeklagte derselben überfahrt sei, so antwortet er blos: „ J a . " Findet sich nun der Geschworene aberzeugt, dass der Zustand oder die Thatsache, welche die Strafbarkeit völlig aufheben, erwiesen sei, oder dass der Angeklagte nicht mit Unterscheidungsvermögen gehandelt habe, so antwortet er nun: „ D e r u n d d e r Z u s t a n d o d e r d i e u n d d i e T h a t s a c h e i s t e r w i e s e n , oder d e r A n g e k l a g t e h a t n i c h t m i t U n t e r s c h e i dungsvermögen gehandelt, — der Angeklagte istnichtschuldig." Findet sich aber der Geschworene überzeugt, dass der Zustand oder die Thatsache, welche die Strafbarkeit völlig aufheben, nicht erwiesen sei, oder dass der Angeklagte mit Unterscheidungsvermögen gehandelt, so antwortet er: „ D e r u n d d e r Z u s t a n d o d e r d i e u n d d i e T h a t s a c h e i s t n i c h t e r w i e s e n , oder d e r A n g e k l a g t e h a t m i t U n t e r s c h e i d u n g s v e r m ö gen g e h a n d e l t , — der A n g e k l a g t e ist schuldig." A r t 365. Die Geschworenen geben auf die nach Massgabe der Art. 355 bis 358 an sie zu richtenden besonderen Fragen noch besondere Antworten. A r t 366. Die Entscheidung der Geschworenen wird nach Stimmenmehrheit
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für oder gegen den Angeklagten gefaast. Im Falle der Stimmengleichheit hat die dem Angeklagten gönstigere Meinung den Vorzug. A r t . 367. Der Ausspruch der Geschworenen wird auf das die Fragen enthaltende Schriftstück, den Fragen gegenüber, geschrieben nnd von dem Vorsteher unterzeichnet. Es dürfen darin keine Rasaren vorgenommen werden; Ausstreichungen, Randbemerkungen oder Einschaltungen müssen von dem Vorsteher ausdrücklich genehmigt und unterschrieben sein. Alles dieses bei Strafe der Nichtigkeit. A r t . 368. Entstehen bei den Geschworenen Zweifel über das von ihnen zu beobachtende Verfahren, oder über Sinn nnd Bedeutung der gestellten Fragen, oder über Fassung der Antwort, so können sie die Gegenwart des Präsidenten des Gerichtshofes zur Ertheilung einer Auskunft erbitten. Findet der Präsident, dass die Zweifel der Geschworenen sich auf thatsächlichc Puncte beziehen, so muss er sich jeder Aeusserung einer Ansicht darüber enthalten. Wenn die Geschworenen von der ihnen in diesem Artikel ertheiltcn Befugniss Gebrauch machen, so ist dies im Sitzungsprotokolle zu vermerken. Art. 369. Die vorstehenden Art. 361—368, sowie die Art. 370 und 371 sollen in dem Berathungszimmer der Geschworenen in mehreren Exemplaren angeschlagen sein. Ausspruch der Geschworenen. A r t . 370. Nachdem die Geschworenen ihren Ausspruch beschlossen haben und in den Sitzungssaal zurückgekehrt sind, befragt der Präsident des Gerichtshofes sie Dach dem Ergebnisse ihrer Berathung. Der Vorsteher der Geschworenen erhebt sich und sagt: „Vor Gott und den Menschen bezeuge ich, der Ausspruch der Geschworenen ist:" Sodann verliest er die gestellten Fragen und unmittelbar nach jeder Frage die ertheilte Antwort. Hierauf wird der Ausspruch dem Präsidenten übergeben und von diesem und dem Protokollführer bei Strafe der Nichtigkeit unterzeichnet. A r t . 871. Ist der Ausspruch nicht regelmässig in der Form, oder ist er in der Sache undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend, so muss der Gerichtshof auf Antrag oder von Amtswegen verordnen, dass die Geschworenen sich in ihr Berathungszimmer zurückbegeben, um dem Mangel abzuhelfen. Diese Massregel ist zulässig, so lange nicht auf Grund des Ausspruchs ein Urtheil des Gerichtshofes ergangen ist. Die Verbesserung muss in der Art geschehen, dass der ursprüngliche Ausspruch erkennbar bleibt. A r t . 372. Ist nur mit sieben Stimmengegen fünf der Angeklagte der Hauptthat für s c h u l d i g , oder ein in der Frage enthaltener erschwerender Umstand für e r w i e s e n bezieh, der Zustand oder die Thatsache, welche entweder die Strafbarkeit aufheben, oder Straflosigkeit oder Strafmilderung begründen, für n i c h t e r w i e s e n erklärt (Art. 353—357, 360), so hat der Schwurgerichtshof über denselben Gegenstand der Frage ebenfalls zu berathen, und nach Mehrheit der Stimmen ohne Angabe von Gründen zu erklären, ob er der Mehrzahl oder der Minderzahl der Geschworenen beitrete, in dem ersten Falle behält es bei dem Ausspruche der Geschworenen sein Bewenden, in dem letzteren hat die dem Angeklagten günstigere Meinung den Vorzug. A r t . 373. Haben die Geschworenen den Angeklagten für schuldig erklärt, die Richter sind aber einstimmig der Ansicht, dass sich die Geschworenen hierin geirrt haben, so vorweist der Gerichtshof die Sache zu der nächsten Sitzungsperiode des Schwurgerichts, damit sie vor einer neuen Geschworencnbank verhandelt werde; an diesem darf alsdann kein Mitglied der früheren Geschworenenbank Theil nehmen.
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Diese Massregel darf von Niemandem beantragt werden, der Gerichtehof kann sie nur von Amtswegen verordnen, und nur vor der im A r t 374 vorgeschriebenen Vorlesung des Ausspruchs. Nach dem Ausspruche der neuen Geschworenen muss der Gerichtshof das Urtheil sprechen, auch wenn der Aussprach mit dem der ersten Geschworenen übereinstimmt. Sind mehrere Mitangeklagte in der 'Sache, so erfolgt die Verweisung nur in Ansehung derjenigen, bei welchen der Gerichtshof einen Irrthum im Ausspruche der Geschworenen angenommen hat. Verlesung des Ausspruchs in Gegenwart des Angeklagten. A r t . 374. Der Ausspruch der Geschworenen wird, nachdem der Angeklagte in den Sitzungssaal zurückgeführt worden ist, durch den Protokollfahrer verlesen. Im Falle des Art. 372 wird ausserdem die Erklärung des Gerichtshofes vorgelesen. A r t . 375. Lautet der Ausspruch der Geschworenen dahin, dass der Angeklagte nicht schuldig sei, so spricht der Gerichtshof ihn von der Anklage frei. A r t 376. Ist der Angeklagte fflr schuldig erklärt worden, so stellt die Staatsanwaltschaft ihren Antrag wegen Anwendung des Gesetzes. Der Angeklagte wird befragt, ob und was er zu seiner Vertheidigong noch anzuführen habe. Die durch den Ausspruch der Geschworenen festgellten Thatsachen dürfen nicht mehr bestritten oder in Zweifel gezogen werden; nur die aus denselben herzuleitenden gesetzlichen Folgen können Gegenstand der Ausführung sein. Urtheil des Gerichtshofes. A r t . 377. Nach beendigter Verhandlung ziehen sich die Richter in das Berathungszimmer zurück, um über das zu erlassende Urtheil zu beschliessen. A r t . 378. Ist die That, deren der Angeklagte für schuldig erklärt worden ist, durch ein Strafgesetz nicht vorgesehen, so spricht der Gerichtshof den Angeklagten frei; in dem entgegengesetzten Falle erkennt er auf die gesetzliche Strafe. A r t 379. In das Urtheil des Gerichtshofes müssen die den Geschworenen vorgelegten Fragen und die darauf ertheilten Antworten, soweit das Urtheil auf denselben beruht, mit aufgenommen werden. Sitzungsprotokoll. A r t 380. Das Sitzungsprotokoll ( A r t 223, 224), wozu keine voraus gedruckte Formulare benutzt werden dürfen, muss auch die Namen der Geschworenen, die Verweisung derselben auf den geleisteten Eid, die den Geschworenen vorgelegten Fragen und die darauf ertheilten Antworten enthalten. Die Erklärungen des Angeklagten und der in der Voruntersuchung bereits vernommenen Zeugen und Sachverständigen werden nur insofern aufgenommen, als dieselben von den früheren Aussagen in erheblichen Puncten abweichen (Art. 223). Vertagung der Sache. A r t 381. Wird eine bereits begonnene Verhandlung vertagt ( A r t 277), so muss, wenn zwischen dem Tage der Abbrechung und dem der Fortsetzung der Verhandlung mehr, als drei ganze Tage liegen, zur Bildung einer neuen Geschworenenbank geschritten werden, bei Strafe der Nichtigkeit.
Zweiter Absohnitt. Von dem Verfahren gegen abwesende oder flüchtige Angeklagte. A r t . 382. Kann der vor den Schwurgerichtshof Verwiesene nicht zur Haft gebracht werden, oder nachdem er aus der Haft entsprungen ist, nicht wieder er-
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griffen werden, nnd sind schon Steckbriefe gegen ihn erlassen, so ist in der Regel mit dem ferneren Verfahren inne zu halten. Wenn jedoch ein Verbrechen grosses Aufsehen erregt hat, oder die gftnzliche Straflosigkeit weitere nachteilige Folgen besorgen lässt und wenn nicht "blos der Thatbestand ausser Zweifel ist, sondern auch die dringendsten Verdachtsgrttnde gegen den Angeklagten vorliegen, so wird von dem Hofgerichte als Anklagekammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Einleitung des Contumacialverfahres angeordnet und die öffentliche Vorladung des Angeklagten verfügt. Vorladung des Angeklagten. A r t . 383. Die Vorladung muBS enthalten: 1. die genaue Bezeichnung des Vorzuladenden nach Namen, Alter, Wohnort, Stand und Gewerbe, insoweit diese bekannt sind; 2. die Bezeichnung des Verbrechens, dessen der Angeklagte nach Massgabe des Verweisungsbeschlusses angeklagt ist; 3. den T a g und die Stunde, an welchen die Sitzungen des Schwurgerichtehofes werden eröffnet werden, bei dem die Sache zur Hauptverhandlung kommen soll; 4. die Aufforderung an den Angeklagten, vor diesem Gerichte zu erscheinen, und sich wegen der ihm zur Last gelegten That zu verantworten, widrigenfalls gegen ihn als einen Ungehorsamen nach dem Gesetze verfahren und zur Urtheilsfällung in seiner Abwesenheit ohne Zuziehung von Geschworenen geschritten werden würde. A r t . 384. Die Vorladung ist auf die im Art. 105 vorgeschriebene Weise bekannt zu machen. Das Gericht bestimmt, wie oft dieses geschehen soll, jedoch kann die Bekanntmachung höchstens dreimal wiederholt werden. Zwischen der letzten Bekanntmachung und dem Beginn der Sitzungsperiode des Schwurgerichtshofes, vor welchem die Sache zur Verhandlung kommen soll, muss mindestens ein Monat liegen. Verfahren beim Ausbleiben des Angeklagten. A r t . 385. Erscheint der Angeklagte nicht, so wird in einer der Sitzungen des Schwurgerichtshofes, vor welchen er geladen war, zur Verhandlung der Sache geschritten. Die Verhandlung und Aburtheilung geschieht ohne Zuziehung von Geschworenen, bei Strafe der Nichtigkeit. Der Verweisungsbcschluss, sowie die Anklageschrift werden verlesen und die Urkunden über die Beobachtung der in Art. 382, 383 nnd 384 vorgeschriebenen Förmlichkeiten vorgelegt. A r t . 386. Findet das Gericht, dass das Verfahren dem Gesetze nicht entspricht, oder ist es der Ansicht, dass noch andere Massregeln, als die schon ergriffenen, geeignet seien, die Gestellung des Angeklagten vor Gericht zu bewirken, so verordnet es das geeignete. A r t . 387. Wird das Verfahren dem Gesetze entsprechend und zureichend befunden, so erlässt der Gerichtshof auf den Grund der schriftlichen Zeugenaussagen oder sonst vorliegenden Beweise das Urtheil. Findet er jedoch die Beweise der Schuld für unzulänglich, so beschliesst er, dass die Untersuchung auf sich beruhen bleibe, bis dahin, »vo der Angeklagte sich gestellen oder zur Haft gebracht werden wird. Sowohl in den Fällen des gegenwärtigen Artikels, als auch in denen des Art. 389, den Fall der Freisprechung ausgenommen, kann der Gerichtshof die Sequestration des Vermögens verfügen, wenn eine solche noch nicht angeordnet sein sollte.
Entwarf einer Strafprooess-OTdnnng Rechtsmittel A r t . 388. Gegen das in steht nur der Staatsanwaltschaft im Art. 439 Nr. 7 angegebenen
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gegen das Contumacialurtheii Folge des Art. 387 Abs. 1 ergangene Urtheil die Nichtigkeitsbeschwerde zu, nnd nur ans dem Grande.
Bekanntmachung des Urtheils. A r t 389. Ist anf Strafe erkannt, so wird das Urtheil ohne Gründe auf die im Art. 105 bestimmte Weise Öffentlich bekannt gemacht. Die Einrackung in die öffentlichen Blitter erfolgt jedoch nar einmal Vollstreckung des Urtheils. A r t 390. Gestellt sich der Angeklagte nicht innerhalb zehn Tage nach erfolgter öffentlicher Bekanntmachung des Urtheils, so wird dasselbe, soweit es geschehen kann, vollstreckt A r t . 391. Gestellt sich der Angeklagte vor oder nach Ablauf der zehntägigen Frist' (Art 390), oder wird er zur Haft gebracht, so wird die Vollstreckung des Contumacialurtheils, so weit solche noch nicht erfolgt ist, ausgesetzt, und es wird in der gewöhnlichen Weise zu einer neuen Hauptverhandlung geschritten. Die bis zu jenem Tage seit dem Erlass des Contumacialurtheils abgelaufene Zeit begrflndet keine Veijährung der Strafbarkeit. Kosten des Contumacialverfahrens. A r t 392. Die durch das Contumacialverfahren entstandenen Kosten bleiben dem Angeklagten selbst dann zur Last, wenn er auf Grund einer neuen Verhandlung freigesprochen wird. Entschuldigung des Nichterscheinens. A r t 393. In jedem Stande des gegen den abwesenden oder flüchtigen Beschuldigten eingeleiteten Verfahrens können sein Vormund, sein Bevollmächtigter, sein Ehegatte und seine Verwandte die Entschuldigung vorbringen, dass der Entfernung des Beschuldigten eine gerechte Ursache zum Grunde liege, oder aber, wenn eine öffentliche Vorladung in Folge der Art. 105 oder 382 ergangen ist, dass es ihm nicht möglich sei, sich zu gestellen. Ueber diese Entschuldigung erkennt das Gericht, welches mit der Sache befasst i s t Wird die Entschuldigung begrflndet gefunden, so verordnet das Gericht, dass das Verfahren aber die Sequestration des Vermögens, beziehungsweise aber die Anklage, während einer nach Umständen zu bestimmenden Frist ausgesetzt werden soll. Ist der Beschuldigte schon öffentlich vorgeladen und stellt er sich während der verwilligten Frist nicht, so wird das Verfahren ohne neue Vorladung fortgesetzt A r t 394. Wird zu irgend einer Zeit der Nachweis geliefert, dass der Verurtheilte schon, als das Contumacialurtheil erlassen wurde, nicht mehr am Leben war, so muss das Gericht auf Antrag entweder der Staatsanwaltschaft oder der im vorigen A r t bezeichneten Personen dasselbe als nicht erlassen erklären. Die Letzteren können auch binnen fünf Jahren nach Erlass des Contumacialurtheils die Zurücknahme beantragen, und das Gericht hat dieselbe zu erkennen, wenn sie den später erfolgten Tod, und gleichzeitig nachweisen, dass der Entfernung des Verurteilten eine gerechte Ursache zum Grunde lag, und es ihm unmöglich war, auf die an ihn ergangenen öffentlichen Vorladungen zu erscheinen. Das Contumacialurtheil ist gleichfalls zurückzunehmen, wenn der Angeklagte,
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nachdem dessen Gestellung vor Gericht erfolgt ist, (Art. 3 9 1 ) stirbt, bevor das neue Urtheil erlassen ist. Die Beschlasse, welche das Contumacialurtheil für nicht erlassen erklären, beziehungsweise zurücknehmen, werden öffentlich bekannt gemacht. Einfluss des Contumacialverfahrens auf das Verfahren gegen Mitangeklagte. A r t . 3 9 5 . Durch das Nichterscheinen eines oder mehrerer Angeklagten und das dadurch veranlasste Contumacialverfahren darf das Verfahren gegen anwesende Mitangeklagte nicht verzögert werden, es sei denn, dass die Betheiligung der E r steren an dem Verbrechen für die Beurtheilung der Uebrigen von Einfluss und die baldige Gestellung der Ausgebliebenen zu erwarten wäre.
Zwei und zwanzigster Titel. Von der Hauptverhandlung vor den Hofgerichten in erster Instanz und vor den Bezirksstrafgerichten. Vorladung des Beschuldigten zur Verhandlung. A r t . 3 9 6 . Der Vorsitzende des Strafgerichts theilt dem Beschuldigten den wesentlichen Inhalt des Beschlusses mit, wodurch dieser vor das Gerieht verwiesen ist (Art. 2 6 2 ) , und lässt ihn zur Hauptverhandlang vorladen (Art. 2 8 4 ) . A r t . 3 9 7 . Zwischen dem T a g e der Zustellung dieser Ladung und dem darin fflr die Verhandlung bestimmten Sitzungstage müssen wenigstens acht T a g e sein. Doch kann der Vorsitzende aus dringenden Gründen diese Frist abkürzen, indem er in der Ladung die Sache als dringend bezeichnet. A r t . 3 9 8 . Ist die in dem Art. 3 9 7 bestimmte Frist nicht beobachtet, so kann der Beschuldigte auf Vertagung antragen; andere M&ngel der Ladung kann derselbe, wenn er erschienen ist, nicht geltend machen. A r t . 3 9 9 . Das Bezirksstrafgericht wird auch dadurch, dass der Vorsitzende desselben nach Massgabe des Art. 2 3 6 den Beschuldigten zur Hauptverhandlung vorladen lässt, mit der Sache befasst. Urtheil des Gerichts. A r t . 4 0 0 . Stellen die Thatsachen, welche der Beschuldigung zum Grunde liegen, an sich oder in Verbindung mit den etwa hervorgetretenen erschwerenden Umständen eine Handlung dar, welche wegen der Schwere der Strafe oder aus einem anderen Grunde vor ein Gericht höheren Ranges gehört, so spricht das Gericht seine Unzuständigkeit aus (Art. f>(>); doch ist dasselbe befugt, in den geeigneten Fällen einen Haftbefehl zu erlassen. A r t . 4 0 1 . AVenn die Handlungen, welche der Beschuldigung zum Grunde liegen, oder die etwa hervorgetretenen erschwerenden Umstände der strafbaren Handlung, welche den Gegenstand der Beschuldigung bildet, verbunden oder vereinzelt, von einem Gesichtspuncte aus als strafbar erscheinen, unter welchen sie der Verweisungsbeschluss oder der von der Staatsanwaltschaft gestellte Antrag nicht gebracht hat, so ist gleichwohl die gesetzliche Strafe auszusprechen. Geeignetenfalls muss das Gericht die Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten auf den neuen Gesichtspunct aufmerksam inachen, und kann auf einen deshalb gestellten Antrag die Sache vertagen. A r t . 4 0 2 . Wird der Beschuldigte verurtheilt, so muss die Entscheidung die thatsächlichen Merkmale der demselben zur Last fallenden strafbaren Handlung hervorheben, bei Strafe der Nichtigkeit. A r t . 4 0 3 . Ergiebt die Verhandlung, dass der Beweis des Thatbestandes oder der Thäterschaft gegen den Beschuldigten nicht geführt ist, oder dass UmBtäude vorliegen, welche die Strafbarkeit desselben aufheben oder sonst Straf-
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Entwarf einer StrafprooeM-Ordnung.
losigkeit begründen (Art. 353, 356), oder d t t s die Thst durch ein Strafgesetz nickt vorgesehen sei, so spricht das Gericht den Beschuldigten frei. A r t . 404. Wird eine freisprechende Entscheidung darauf begründet, dass die That durch ein Strafgesetz nicht vorgesehen sei, so mute das Urtheil hervorheben, welche in der Beschuldigung aufgestellte Thatsachen erwiesen seien, und welche thatsächliche Merkmale, deren Vorhandensein zur Strafbarkeit der Handlung gehören würde, fehlen, bei Strafe der Nichtigkeit. Verfahren beim Ausbleiben des Beschuldigten. A r t . 405. Ist der Beschuldigte in der Sitzung, wohin er geladen ist, ausgeblieben, ohne dass er die Unmöglichkeit, der Ladung Folge zu leisten, bescheinigte, oder hat er sich vor dem Schlüsse der Verhandlung ohne Genehmigung des Gerichts entfernt, so wird in seiner Abwesenheit zur Beweisaufnahme und ferneren Hauptverhandlung geschritten, vorbehaltlich der dem Gerichte durch den Art. 230 beigelegten Befngniss. Erachtet das Gericht die Gegenwart des Beschuldigten zur Ermittelung der Wahrheit für erforderlich, so kann es die Vorführung desselben befehlen und zu diesem Behnfe nötigenfalls die Sache vertagen. A r t 406. War jedoch der nicht erschienene Beschuldigte nicht gehörig oder nicht rechtzeitig geladen, so kann er innerhalb' zehn Tage, nach der Zustellung des gegen ihn ergangenen Urtheils Einspruch gegen dasselbe schriftlich oder zu Protokoll bei dem Gerichte erheben, welche dasselbe erlassen hat. Dieser Einspruch muss die Unregelmässigkeiten der Vorladung und die Gründe des dadurch veranlassten Nichterscheinens, sowie die Beschwerden in der Hauptsache angeben. Erachtet das Gericht das Ausbleiben für gerechtfertigt, so hobt es das ergangene Urtheil auf, vernichtet geeignetenfalls auch das vorhergegangene Verfahren und bestimmt einen Tag zur nochmaligen Hauptverhandlung, beziehungsweise zur neuen Beweisaufnahme. Drei und z w a n z i g s t e r Titel. Von dem Verfahren bei den Landgerichten. Im Allgemeinen. A r t 407. Bei Untersuchung der vor die Landgerichte gehörigen strafbaren Handhingen (Art 8) üben die Mitglieder dieser Gerichte alle den Untersuchungsrichtern zustehenden Befugnisse aus. Ist eine Untersuchung eingestellt worden, so können sie dieselbe jederzeit wieder aufnehmen; und ist der Beschuldigte wegen Mangels hinreichender VerdachtsgrOnde ausser Verfolgung gesetzt, so verordnen sie die Wiederaufnahme der Untersuchung, falls sich neue Anzeigen ergeben (Art. 269, 270). A r t 408. Findet das Landgericht im Laufe der Untersuchung, dass die Entscheidung der Sache vor das höhere Strafgericht gehört, so hat es als Untersuchungsrichter sich nach Art 243 bis 247 zu bemessen. Wenn aber es sich in jeder Beziehung für unzust&ndig erklart ( A r t 256), oder die Einstellung des Verfahrens verfügt (Art. 243), oder wenn es den Beschuldigten ausser Verfolgung setzt (Art. 258), so hat es eine Abschrift dieses Beschlusses der Staatsanwaltschaft am Hofgerichte einzusenden, welche je nach Befund die Acten vom Landgerichte einfordert, und den Weg der Beschwerde verfolgen kann. Jedoch muss die Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde, falls der Beschuldigte vom Landgerichte ausser Verfolgung gesetzt ist, innerhalb zehn Tage, laufend von dem Tage an, da ihr dieser Beschluss in Abschrift mitgetheilt wurde, anmelden. Sammlang d. o. d. Gesetze.
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Grosaherzogthum Hessen.
A r t . 409. Bezieht sich in Fällen des A r t 275 der Beschluss des Holgerichts auf eine vor die Landgerichte gehörige s t r a f b a r e Handlung, so findet gegen denselben nur die Nichtigkeitsbeschwerde statt, nach Massgabc der Art. 434, 435, 4 3 7 . A r t . 410. Wenn das Landgericht die angestellten Erörterungen für ausreichend erachtet, uin ein Erkenntnis» in der Hauptsache ertheilen zu können, so schliesst es die Untersuchung. Indem es den Beschuldigten hiervon in Kenntniss setzt, hat es demselben das Vergehen, dessen er beschuldigt ist, zu bezeichnen, bei Strafe der Nichtigkeit des verurtheilenden Erkenntnisses; und hierbei weist es auf das Gesetz hin, welches die T h a t mit Strafe bedroht. A r t 411. H a t der Beschuldigte sich einen Vertheidiger gewählt, so kann Letzterer nach Schluss der Untersuchung die Acten einsehen. Ueber Gesuche, die Acten bei dem Gerichte des Orts einzusehen, wo der Vertheidiger wohnt, entscheidet das Landgericht. Nach Schluss der Untersuchung findet die Bestimmung des A r t 202 Abs. 2 Anwendung. A r t . 412. Rücksichtlich der Vergehen, welche gesetzlich nur auf Klage oder Anzeige des Betheiligten verfolgt werden, wird das Landgericht dem, welcher die Anzeige gemacht hat, Veranlassung geben, sich über die vorzuladenden Zeugen oder Sachverständigen zu äussern, und etwa sonstige Beweismittel beizubringen. Letzterer kann Zeugen auch ohne deren vorgängige Ladung auf seine Kosten zur Vernehmung stellen. A r t . 413. Das Landgericht hat bei Erlassung seines Erkenntnisses die Vorschriften der Art. 402, 4 0 3 und 404 zu befolgen. Nachdem es dem Beschuldigten, beziehungsweise in Fällen des Art. 412 auch dem, welcher die Anzeige inachte, das Erkenntniss bekannt gemacht hat, hat es eine Abschrift desselben der Staatsanwaltschaft am Hofgerichte mitzutheilen. Oeffentliche Tagfahrt. A r t . 414. Das Landgericht kann vor Abfassung des Erkenntnisses eine Tagfahrt zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung der Sache ansetzen, wovon der Beschuldigte, beziehungsweise der, von welchem die Anzeige ausging, in Kenntniss zu setzen ist. Wenn hier der Beschuldigte nicht erscheint, so treten die Bestimmungen der Art. 404 und 405 ein. Derselbe ist aber, auch wenn die T h a t mit Gefängnissstrafe bedroht ist, nach Massgabe des Art. 207 befugt, sich durch einen Specialbevollmächtigten vertreten zu lassen. A r t . 415. Das Verfahren in dieser Tagfahrt ist öffentlich, soweit es die Räumlichkeit des Gerichtszimmers gestattet, vorbehaltlich der Ausnahmen der Art. 288 und 289. I n Betreff der Beweisaufnahme verfahrt der Richter nach den Vorschriften über das Verfahren in der Hauptverhandlung, soweit solche bei jener T a g f a h r t Anwendung finden können. Der Beschuldigte kann hier mit einem Vertheidiger erscheinen. In der Tagfahrt ist das Protokoll so, wie bei der Hauptverhandlung vorgeschrieben, aufzunehmen (Art. 223). A r t . 416. Das Landgericht ertheilt das Erkenntniss in der Tagfahrt oder, falls dies unthunlich sein sollte, alsbald darnach. I s t der Beschuldigte oder der, von welchem die Anzeige ausging, in der Tagfahrt nicht erschienen, und von dem Landgerichte in der Tagfahrt ein Erkenntniss ertheilt und verkündet worden, so muss das Strafurtheil dem nicht Erschienenen in beglaubigter Abschrift zugestellt werden (Art. 326 und 327). Kosten. A r t . 417. Bei den vor die Landgerichte gehörigen Verleumdungen und Beleidigungen fallen die Kosten des ganzen Verfahrens, wenn nicht der Beschuldigte
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Entwarf einer Btrafyrooess-Ordnung. za deren Tragung hat, zur Last.
Terurtheilt
werden kann, dem, welcher die Anzeige gemacht
Vier und zwanzignter Titel. Von der Appellation gegen Urtheile der Strafgerichte erster Instanz. Zulässigkeit der Appellation. A r t . 418. Gegen die Urtheile der Landgerichte und Bezirksstrafgerichte, wie auch gegen die von den Hofgerichten in erster Instanz erlassenen Urtheile steht der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten das Rechtsmittel der Appellation zu (Art. 16 B„ Art. 28). A r t . 419. Der Beschuldigte kann jedoch ein landgerichtliches Urtheil, welches ihn zu Geldstrafe von fünf Gulden oder weniger, ein Bezirksgerichtsurtheil, welches ihn zu Geldstrafe von fünfzehn Gulden oder weniger, ein Hofgerichtsurtheil, welches ihn zu irgend einer Geldstrafe Terurtheilt, nur aus den im Art. 439 bezeichneten Nichtigkeitsgründen angreifen. Anmeldung. A r t . 420. Die Appellation muss binnen zehn Tagen von dem Tage der Verkündigung des Urtheils an gerechnet, bei dem Gerichte, welches dasselbe erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll angemeldet werden. Tst das Urtheil an einem anderen Tage als dem der geschlossenen Hauptrerhandlung verkündet worden, oder war der Beschuldigte bei dieser Verhandlung nicht erschienen, so läuft sowohl für ihn als fftr die Staatsanwaltschaft diese Frist erst von dem Tage an, wo das Urtheil an den Ersteren zugestellt worden ist. Bezüglich der landgerichtlichen Urtheile läuft der Staatsanwaltschaft diese zehntägige Frist immer erst von dem Tage an, wo ihr das Landgericht das dem Beschuldigten bereits bekannt gemachte Urtheil in Abschrift mittheilt. A r t . 421. Die Appellation hat aufschiebende Wirkung. Jcdoch wird durch die Appellation der Staatsanwaltschaft gegen ein landgerichtliches Urtheil die in demselben verordnete Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten. Rechtfertigungsschrift. A r t . 422. Bei Anmeldung der Appellation oder innerhalb zehn Tage nach Ablauf der Anmeldungsfrist kann der Beschuldigte bei dem Gerichte, welches das angegriffene Urtheil erlassen hat, seine Beschwerde schriftlich rechtfertigen, was bei diesem Gerichte auch zu Protokoll geschehen kann. Während dieser Zeit bleiben die Acten bei diesem Gerichte zurück. Die Rechtfertigungsschrift muss von einem Advocaten unterzeichnet sein; sie kann aber auch noch bei dem Appellationsgerichte eingereicht werden innerhalb vierzehn Tage, laufend von dem Tage an, wo die Acten bei demselben eingelangt sind. Abscndung der Acten. A r t . 423. Das Gericht, welches das angegriffene Urtheil erlassen hat, fibersendet alsbald nach Ablauf der im vorhergehenden Artikel bezeichneten zehntägigen Frist die Acten mit der vom Beschuldigten etwa eingereichten Rechtfertigungsschrift und mit etwaigen Bemerkungen an das Appellationsgericht Dem Beschuldigten lässt es die Appellationsanmeldung der Staatsanwaltschaft zustellen. Erkenntniss Aber die Unzulässigkeit oder Verspätung. A r t 424. Findet das Appellationsgericht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, dass sich die Sache offenbar nicht zum höheren Rechtszuge eigne, oder dass die Appellationsanmeldung verspätet sei, so verwirft es von Amtswegen die Appellation als unzulässig oder als verspätet. 17«
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Grossherzogthnm Heuen.
Verhandlung der Sache, insbesondere Vernehmung der Zeugen. A rt. 425. In «1er zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung erstattet der Referent Vortrag Ober den Sachverhalt, und es werden die Protokolle Ober die Aussagen der in erster Instanz abgehörten Zeugen verlesen. Eine nochmalige Vernehmung der Zeugen findet in der Regel nicht statt; jedoch hat dag Appellationsgericht die Befugniss, auf Antrag oder selbst von Amtswegen nach Massgabe der Art. 277 bis 279 früher bereits abgehörte oder neue Zeugen vorladen zulassen und sonach zur Beweisaufnahme zu schreiten. Die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte werden mit ihren Erklärungen und Anträgen gehört. A r t . 42G. Die Verhandlung findet statt, wenn auch der geladene Beschuldigte, oder dessen Vertreter für ihn, nicht erscheint; das Gericht kann jedoch das persönliche Erscheinen des Beschuldigten verordnen. Vertretung des Beschuldigten. A r t . 427. Der blos zu Geld- oder Ge&ngnissstrafe Verurtheilte kann, wenn ihm nicht persönliches Erscheinen aufgegeben ist und wenn keine Beweisaufnahme stattfindet, in der zur Verhandlung der Sache bestimmten Sitzung sich nach Massgabe des Art. 207 durch einen Specialbevollmächtigten vertreten lassen, der aber nur aus der Zahl derAdvoeaten genommen werden darf. A r t . 428. Ist der Beschuldigte verhaftet, und zwar nicht an dem Sitze des Gerichts, so kann er verlangen, hingeführt zu werden. Verlangt er dies nicht, worüber er zu Protokoll zu befragen ist, so wird er, wenn das Gericht nicht ausnahmsweise einen Vorführungsbefehl erlassen hat, von der zu der Verhandlung bestimmten Sitzung mit dem Eröffnen in Kenutniss gesetzt, dass er durch einen Vertreter erscheinen könne, der aber aus der Zahl der Advocaten zu nehmen sei, und dass ihm auf seinen Antrag ein Vertreter von Amtswegen werde bestellt werden. Geständnisse und für den Beschuldigten nachtheilige Erklärungen kann dieser Vertreter nur dann abgeben, wenn er hierzu ausdrücklich bevollmächtigt ist. Anschliessung an die Appellation. Art. 429. Die Staatsanwaltschaft kann sich bis zum Schlüsse der Verhandlung der von dem Beschuldigten eingelegten Appellation anschliessen und so dieses Rechtsmittel auch ihrer Seits gebrauchen. Die nämliche Befugniss steht dem Beschuldigten in Ansehung der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Appellation zu, ohne dass er alsdann der Beschränkung des Art. 419 unterworfen ist. Wenn die Appellation für unzulässig erklärt oder verfallen ist, oder wenn die Staatsanwaltschaft oder der Beschuldigte vor dem Beginn des Vortrags des Referenten die Appellation zurücknimmt (Art. 331), so hat eine Anschliessung an dieselbe keine Wirkung. A r t . 430. Auf die Appellation des Beschuldigten, wenn die Staatsanwaltschaft sich derselben nicht angeschlossen hat, kann das Urtheil erster Instanz nicht zum Nachtheile des Beschuldigten abgeändert werden. Urtheil des Gerichts. A r t . 431. Findet das Gericht, dass das Urtheil erster Instanz oder das demselben vorhergegangene Verfahren an einer Nichtigkeit leidet, so vernichtet es das angegriffene Urtheil. Es erkennt, wenn nicht eine Unzuständigkeit ausgesprochen werden muss, in der Sache selbst, geeignetenfalls auf Grund eines neuen Verfahrens; jedoch kann es in einem solchen Falle die Sache an das Gericht, welches das vernichtete Urtheil erlassen hat, oder an ein anderes von ihm zu bezeichnendes Gericht gleicher Kategorie zur weiteren Verhandlung und Ent-
Entwarf einer Strafprocess-Onlniuig.
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Scheidung •erweisen; im enteren Fall ist jenes Gericht, soweit thunlich, aus Bichtern zusammenzusetzen, die bei dem früheren Urtheile nicht mitgewirkt haben. A r t . 432. Soweit dieser Titel nicht abweichende Bestimmungen enthält, kommen die Vorschriften des 22. Titels auch in der Appellationsinstanz zur Anwendung. Fftnf u n d z w a n z i g s t e r Tilel. Von dem Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde. I.
Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde im Allgemeinen.
A r t . 433. Das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde findet gegen diejenigen Verfügungen, Beschlüsse und Urtheile eines Hofgerichts oder Schwurgerichtshofs statt, gegen welche das Gesetz weder ein anderes Rechtsmittel zulässt, noch ausdrücklich jedes Rechtsmittel ausschliesst. Das Oberappellationsgericht hat über jenes Rechtsmittel zu entscheiden. A r t 434. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur auf die Verletzung eines Gesetzes gestüzt werden. Sie steht, wo nicht ausdrücklich »in Anderes verfügt ist, der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten zu, beziehungsweise dem durch die Entsehliessung unmittelbar verletzten Dritten (Zeugen, Sachverständigen u. s. w.). II. Nichtigkeitsbeschwerde gegen Verfügungen und Beschlüsse. A r t . 435. Bei Nichtigkeitsbeschwerden gegen die im Art. 433 bezeichneten Verfügungen und Beschlüsse, sofern dieselben im Wege der Beschwerde angegriffen werden können (Art. 275, 329 und 409) richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften der Art. 272, 273, 274, 276, vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 62 und des nachstehenden Art. 436. A r t . 436. Gegen Beschlüsse des Hofgerichts (Anklagekammcr) wodurch der Beschuldigte vor den Schwurgerichtshof verwiesen ist, kann sowohl von ihm als von der Staatsanwaltschaft die Nichtigkeitsbeschwerde sofort verfolgt werden, wenn die That nicht vor diesen Gerichtshof gehört. Die Frist von fünf Tagen, innerhalb welcher diese Beschwerde angemeldet werdan muss, ist für Beide von dem Tage der nach Art. 338 stattgehabten Vernehmung des Angeklagten zu berechnen. Der Staatsanwaltschaft allein steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn das Hofgericht alB Anklagekammer den Beschuldigten vor ein anderes nicht zuständiges Strafgericht verwiesen oder sich mit Unrecht für unzuständig erklärt hat, oder wenn es den Beschuldigten mit Unrecht ausser Verfolgung gesetzt hat, und in allen solchen Fillen hat sie die Nichtigkeitsbeschwerde binnen fünf Tagen, laufend von dem Tage an, da ihr der Bcschluss bekannt gemacht wurde, anzumelden. Jedenfalls müssen bei Anmeldung, oder innerhalb zehn Tage nach Ablauf der Anmeldungsfrist die Nichtigkeitsgründe bezeichnet werden. Das Rechtsmittel hat aufschiebende Wirkung. A r t . 437. Die von der Staatsanwaltschaft ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde muss dem Beschuldigten bekannt gemacht werden. Letzterer kann dagegen eine Verteidigungsschrift einreichen, was jedoch vor dem zum Vortrage der Sache bestimmten Sitzungstage geschehen muss. A r t . 438. Findet das Oberappellationsgericht, dass die Beschwerde begründet sei, so vernichtet es den angefochtenen Beschluss und beschliesst in der Sache selbst was Rechtens, oder verweiset, insbesondere dann wenn es noch thatsächlichc Ermittelungen für nothwendig erachtet, die Sache vor die Anklagckammer des von ihm zu bezeichnenden Hofgerichts.
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Grossherzugthum Hessen.
Wird die Sache vor die Anklagckaiiiiner zurückverwiesen, welche den vernichteten Beschluss erlassen h a t , so hat das Oberappellationsgericht die Befugniss zu bestimmen, dass (so weit es thunlich) nur solche Mitglieder des Hofgerichts mitwirken sollen, welche keinen Autheil an dem früheren Beschlüsse genommen haben. I I I . Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urtheile etc. A r t . 439. Gegen Urtheile der Schwurgerichtshöfe und gegen die in der Appellationsinstanz erlassenen Hofgcriehtsurtheilc findet die Nichtigkeitsbeschwerde statt: 1. wenn das Urtheil an eitlem wesentlichen Mangel in der Person des Richters leidet, oder wenn das Gericht nicht gesetzinässig besetzt war; Eine Unzuständigkeit wegen nicht begründeten Gerichtsstandes (Art. 50) kann jedoch als Nichtigkeitsgrund nur geltend gemacht werden, wenn die aus derselben hergenommene Einrede vor dem Gerichte, dessen Urtheil angefochten wird, vorgebracht worden ist; Wurde in den Fällen der Art. 13, 14, 22 bis 24 eine Gerichtsperson durch eine andere Gerichtsperson vertreten, so kann darauf, dass im Sitzungsprotokolle weder die Verhinderung, noch die Gründe derselben angegeben sind, ein Niehtigkeitsgrund selbst dann nicht gestützt werden, wenn im Gesetze zunächst ein Anderer, als der Vertretende an die Stelle des Verhinderten berufen ist. Die Anwesenheit des Vertretenden begründet eine durch keinen Gegenbeweis zu entkräftende Vermuthung für die Rechtmässigkeit der Vertretung; 2. wenn das Gericht mit Unrecht eine Unzuständigkeit ausgesprochen h a t ; 3. wenn in den Fällen, in welchen nach den Vorschriften dieses Gesetzbuches dem Beschuldigten ein Vertheidignr oder Vertreter von Amtswegen bestellt werden muss, ein solches unterlassen wurde. 4. wenn dem vom Beschuldigten gewählten oder ihm von Amtswegen bestellten Vertheidigcr die Einsicht der Proeessschriften gesetzwidrig verweigert wurde; 5. wenn Vorschriften verletzt worden sind, deren Beobachtung bei Strafe der Nichtigkeit vorgeschrieben ist; 6. wenn das Gericht es versäumt oder verweigert, über Anträge der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten zu entscheiden, welche den Zweck haben, eine vom Gesetze ertheilte Befugniss geltend zu muchcn. Die Staatsanwaltschaft kann aber bei Xo. 3, 4, 5 und 6 die Verletzung von Vorschriften und F o r m e n , welche bestimmt sind, die Vertheidigung zu sichern, nicht gegen den Beschuldigten geltend inachen; 7. wenn durch ein v e r u r t e i l e n d e s oder freisprechendes Erkenntniss ein Gesetz verletzt oder falsch angewendet ist. Letzteren Grund kann aber weder die Staatsanwaltschaft, noch der Verurtheilte geltend machen, wenn das zur Anwendung gekommene Strafgesetz eine Strafe, in den nämlichen Grenzen und mit denselben Folgen androht, wie das Gesetz, welches hätte zur Anwendung kommen sollen, und der Verurtheilte auch dann nicht, wenn in jenem Gesetze eine geringere Strafe, als in diesem Gesetze angedroht ist. A r t . 440. Gegen Urtheile der Schwurgerichtshöfe kann die Nichtigkeitsbeschwerde auch in nachstehenden Fällen verfolgt werden: 1. wenn bei Bildung der Gesellworenenbank eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz bei Strafe der Nichtigkeit geboten h a t ; 2. wenn in einer Zwischencntscheidung, welche am Schwurgerichtahofe über die an die Geschworenen zu stellenden Fragen ergangen ist, ein Gesetz verletzt wurde; 3. wenn der in Folge des Art. 371 von den Geschworenen nachträglich gegebene Ausspruch den früheren Ausspruch in einem Theile abändert, der vom Schwurgerichtshof nicht als mangelhaft bezeichnet w a r ;
Entwurf einer Strafprocess-Ordnung.
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4. wenn die Antwort der Geschworenen in der Art unvollständig oder in sich widersprechend ist, das« die Anklage nicht erschöpft ist. Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde. A r t . 441. In Fallen der A r t 439 und 440 muss die Nichtigkeitsbeschwerde binnen fünf Tagen, von dem Tage der Verkündigung des Urtheils an gerechnet, bei dem Gerichtehofe, welcher dasselbe erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll angemeldet werden. Wenn der Beschuldigte bei der Hauptverhandlung nicht erschienen, oder wenn das Urtheil an einem anderen Tage, als dem der geschlossenen Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit verkündet ist, so läuft die Frist sowohl für den Beschuldigten, als für die Staatsanwaltschaft von dem Tage der an den E n t e r e n geschehenen Zustellung des Urtheils. Die von der Staatsanwaltschaft angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde ist dem Beschuldigten bekannt zu machen. A r t 442. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat in den Fällen des A r t 441 aufschiebende Wirkung. Rechtfcrtigungsschrift. A r t . 443. Der Verurtheilte kann bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde, oder in den nächsten zehn Tagen nach Ablauf der Anmeldefrist, bei dem Gerichte, welches die angegriffene Entscheidung erlassen h a t , eine Rechtfertigungsschrift übergeben, die aber von einem Advocaten unterzeichnet sein muss. Während dieser Zeit bleiben die Acten bei diesem Gerichte zurück. Es steht ihm frei, jene Schrift später bei dem Obcrappellationsgerichte einzureichen, jedoch muss dies vor dem zur Verhandlung der Sache anberaumten Sitzungstagc geschehen ( A r t 445). Absendung der Acten. A r t . 444. Das Gericht, welches das angegriffene Urtheil erlassen hat, übersendet alsbald nach Ablauf der im A r t 443 bezeichneten zehntägigen Frist die Acten an das Oberappellationsgericht mit der etwa eingelangten Rechtfertignngsschrift und mit etwaigen Bemerkungen. Ist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Schwurgerichtshofes gerichtet, so liegt der Staatsanwaltschaft diese Ucbersendung der Acten ob. Verhandlung der Sache. A r t . 445. Findet das Oberappellationsgericht, dass die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde verspätet ist, so verwirft es das Rechtsmittel als verspätet In allen anderen Fällen wird zur Verhandlung eine Sitzung bestimmt, deren Tag dem Verurtheilten bekannt zu machen ist Letzterer wird zu dieser Sitzung weder vorgeladen noch vorgeführt. A r t 446. In der zur Verhandlung der Sache bestimmten Sitzung giebt der vom Vorsitzenden ernannte Referent eine Darstellung des bisherigen Ganges des Verfahrens. Ist von Seiten des Beschuldigten eine Rechtfertigungsschrift zu den Acten gekommen, so wird diese in ihren wesentlichen Theilen vorgelesen. Der etwa auftretende Vertheidiger des Beschuldigten und dieser selbst, wenn der Gerichtshof ihm gestattet hat, seine Verteidigung persönlich zu führen (Art. 205), werden mit ihren Bemerkungen gehört Zum Schlüsse entwickelt die Staatsanwaltschaft ihre Ansicht. Urtheil des Gerichtshofes. A r t 447. Ist die Nichtigkeitsbeschwerde begründet, so vernichtet der Gerichtshof das angefochtene Urtheil. A r t 448. Liegt der Grund der Vernichtung nicht in den Mängeln des Ver-
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Grossherzogthum Hessen.
fahreng, sondern in der Entscheidung, so erkennt der Gerichtshof in der Sache selbst was Rechtens. Wenn er für zweckmässig hält, dass der Beschuldigte vorerst noch mit seiner Verteidigung gehört werde, oder wenn es noch auf thatsächliche Ermittelungen ankommt, so kann er die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung vor das von ihm zu bezeichnende Gericht zu verweisen. Art. 449. Wird das Urtheil wegen Mängel des Verfahrens vernichtet, so hat der Gerichtshof zugleich die Vernichtung des Verfahrens von der Zeit des eingetretenen Nichtigkeitsgrundes an auszusprechen und die Sache zur anderweiten Verhandlung nnd Entscheidung vor das von ihm zu bezeichnende Gericht zu verweisen. A r t . 450. Im Falle der Vernichtung eines Urtheils des Schwurgericht«hofes kommt die Bestimmung des Art. 448 auch dann zur Anwendung, wenn der Grund der Vernichtung nur in Mängeln desjenigen Verfahrens liegt, welches auf den Ausspruch der Geschworenen gefolgt ist. A r t 451. Hatte die Staatsanwaltschaft die Nichtigkeitsbeschwerde verfolgt, gleichviel, ob die Beschwerde auf das Erkenntniss überhaupt, oder nur auf einzelne Puncte desselben gerichtet ist, so hat das Oberappellationsgericht, obgleich es diese Beschwerde für unbegründet erachtet, wenn es nach Massgabe des Art. 439 No. 7 ein Gesetz zum Nachtheilc des Verurtheilten verletzt oder falsch angewendet findet, eine für Letzteren günstigere Entscheidung zu erlassen. Ist dagegen die Nichtigkeitsbeschwerde blos von dem Verurtheilten ergriffen worden, so kann das Oberappellationsgericht aus dem Grunde, weil es *cin dem Verurtheilten nachtheiligeres Gesetz für anwendbar erachtet, das angefochtene Urtheil nicht vernichten. A r t . 452. Die Vorschrift des Art. 438 Abs. 2 findet so oft Anwendung, als das Oberappellationsgericht nach ausgesprochener Vernichtung die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Gcricht zurück verweist, welches das vernichtende Urtheil erlassen hat. Wird ein Urtheil des Schwurgerichtshofes, einschliesslich des Ausspruchs der Geschworenen, vernichtet, so kann kein Geschworener zur Besetzung der Geschworenenbank zugezogen werden, der bei dem vernichteten Ausspruch mitgewirkt hat, unter Strafe der Nichtigkeit. Dieser Ausschluss gilt auch von den Ergänzungsgeschworenen, welche bei der früheren Verhandlung der Sache zugezogen waren, und zwar selbst dann, wenn sie bei derselben die Verrichtung der Hauptgeschworenen nicht versehen haben. A r t . 453. Die Bestimmung des Art. 274 ist auch auf die gegen Appellationsurtheile eines Hofgcrichts verfolgten Nichtigkeitsbeschwerden (Art. 439) anwendbar. Allgemeine Bestimmung. A r t . 454. In allen Fällen, in welchen in Folge der Bestimmungen des gegenwärtigen Titels eine Sache an ein Gericht zur Entscheidung verwiesen worden ist, muss es seine Zuständigkeit als feststehend annehmen; aucli ist dasselbe gehalten, die Rechtsgrundsätzc, welche das oberste Gericht aufgestellt und der ausgesprochenen Vernichtung zum Grunde gelegt hat, als massgebend anzuerkennen und der Verhandlung und Entscheidung gleichfalls zum Grunde zu legen, bei Strafe der Nichtigkeit. Zu diesem Ende spricht das Oberappellationsgericht in dem decisiven Theile seines Urtheils aus, was in der Sache als Rechts Wahrheit zu betrachten ist. Sechs und zwanzigster Titel. Von der Wiederaufnahme der Untersuchung nach rechtskräftig gewordenem Endurtheilc. Zulässigkeit dieser Wiederaufnahme. A r t 455. Die Staatsanwaltschaft kann die Wiederaufnahme einer durclfrechtskräftiges Endurtheil beendigten Untersuchung gegen den Beschuldigten beantragen:
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1. wenn die erfolgte Freisprechung durch Fälschung einer Urkunde, oder durch falsches Zeugnis«, Bestechung oder ein sonatiges Verbrechen oder Vergehen des Beschuldigten oder einer dritten Person herbeigeführt worden ist; 2. wenn der Freigesprochene später gerichtlich oder -aussergerichtlich ein Gestftndniss der ihm beigemessenen That ablegt, oder wenn andere neue Thatsschen oder Beweismittel sich ergeben, welche schon an sich und ohne dass es eines Zurückgehens auf die Ergebnisse der früheren Beweisaufnahme in Betreff der Thäterschaft des Beschuldigten bedarf, geeignet sind, die Ueberfiihrung des Letzteren bezüglich jener That zu begründen. Dieselben Thatsachen, welche schon Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung waren, können zum Nachtheile des Beschuldigten nicht nochmals Gegenstand der Verhandlung und Aburtheilung werden, und zwar auch dann nicht, wenn Sie That einer anderen rechtlichen Auffassung, als früher geschehen, unterzogen werden könnte. A r t . 456. Der Beschuldigte kann im Falle seiner Verurtheilung die Wiederaufnahme der Untersuchung, und selbst nach vollzogener Strafe, verlangen: 1. wenn seine Verurtheilung durch Fälschung einer Urkunde, oder durch falsches Zeugniss oder Bestechung oder ein sonstiges Verbrechen oder Vergehen einer dritten Person veranlasst worden ist; 2. wenn er neue Thatsachen oder Beweismittel beibringt, welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet sind, seine Freisprechung zu begründen; 3. wenn wegen derselben That zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurtheilt worden sind, und bei der Vergleichung dieser Erkenntnisse, sowie der ihnen unterliegenden Thatsachen, die Unschuld einer oder mehrerer dieser Personen nothwendig anzunehmen ist. Ausser diesen Fullen kann die Wiederaufnahme der durch rechtskräftiges Endurtheil beendigten Untersuchung zu Gunsten des Verurtheilten nur in Folge besonderer Anordnung des Grossherzogs verfügt werden. A r t . 457. Nach dem Tode des Verurtheilten können sein Ehegatte und seine Verwandten in den Fällen des Art. 456 die Wiederaufnahme der Untersuchung zum Zwecke der Wiederherstellung seiner bürgerlichen Ehre beantragen, wenn sie darthun wollen, dass der Verurtheilte hätte freigesprochen werden müssen. A r t . 458. Wird der Antrag auf einen der im Art. 455 No. 1 oder im A r t 456 No. 1 bemerkten Gründe gestützt, so ist zur Wiederaufnahme noch erforderlich, dass der Beweis des Meineides oder des sonstigen Verbrechens, worauf der Antrag gegründet ist, durch Beibringung eines deshalb ergangenen rechtskräftigen Strafurtheils geliefert werde. Dasselbe gilt, wenn in den Fällen des Art. 455 No. 2 und des A r t 456 No. 2 die neue Thatsache darin besteht, dass der Beschuldigte oder eine dritte Person eine falsche Anzeige gemacht oder eine andere strafbare Handlung begangen habe. Ist jedoch derjenige, welchem der Meineid oder das sonstige Verbrechen beigemessen wird, bereits vor Einleitung der Untersuchung oder doch vor Ertheilung des Erkenntnisses gestorben, oder kann aus einem anderen Grunde ein Erkenntniss über dieses Verbrechen nicht erlassen, oder das bereits erlassene Erkenntniss nicht beigebracht werden, so hat das zur Entscheidung über den gedachten Antrag berufene Gericht ( A r t 461), da nöthig, nach vorgängiger Erörterung der Sache zu prüfen, ob das behauptete Verbrechen einigermassen bescheinigt sei, und bejahenden Falls den Antrag für zulässig zu erklären. Handelt es sich um Wiederaufnahme zum Nachtheile des Beschuldigten bezüglich eines Vergehens, welches auf Klage des Betheiligten verfolgt worden ist, so bedarf es zur Wiederaufnahme der Untersuchung eines anderweiten Antrags des Letzteren. A r t 459. Als neue Thatsachen oder Beweismittel gelten nur diejenigen, welche erst, nachdem das rechtskräftige Endurtheil erlassen worden, zur Kenntniss des Antragstellers gekommen sind.
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Grossherzogtbum Hessen-
A r t . 460. Der Antrag zum Nachtheile des Beschuldigten hat nickt Statt, wenn inmittelst ein gesetzlicher Grund, welcher die Bestrafung hindert, eingetreten ist. A r t . 461. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist bei dem O b e r a p p e l l a t i o n s g e r i c h t e anzubringen, welches fiber denselben entscheidet. Mit dem Antrage, ist die Nachweisung über die Zeit der erlangten Kenntnis», oder wenigstens die Angabe der Beweismittel behufs dieser Nachweisung zu verbinden. Auch ist in dem Antrage im Falle des A r t 456 No. 2 auszufahren, wie durch die neu aufgefundenen Thatsachen oder Beweismittel im Zusammenhange mit den schon benutzten die Behauptungen des Nachsuchenden gerechtfertigt, bezieh. die wider ihn vorliegenden Beweise widerlegt werden. A r t . 462. Das Erkenntnis» über den gedachten Anthig erstreckt sich sowohl auf die Frage wegen Zulässigkeit des Antrags an sieh, als auch auf die Frage wegen Erheblichkeit der zu seiner Unterstützung vorgebrachten Gründe. Das Oberappellationsgericht ist befugt, vor Abgabe dieses Erkenntnisses thatsächliche Ermittelungen aufnehmen zu lassen, womit es eines seiner Mitglieder oder ein ihm untergeordnetes Gericht beauftragen kann. Erachtet es den Antrag auf Wiederaufnahme der Untersuchung för begründet, so vernichtet es das früher ergangene Endurtheil. Nach nochmaliger Hauptverhandlung erkennt es was Rechtens, wenn es nicht diese Hauptverhandlung und Aburthcilung vor ein Hofgcricht verwiesen hat. Schwurgerichtliche Sachen siud stets vor einen Schwurgerichtshof zu verweisen. Verfahren. A r t 463. Durch den Antrag auf Wiederaufnahme der Untersuchung wird die Vollstreckung des ergangenen Urtheils nicht gehemmt. Das OberappcUatioiisgericht kann jedoch, wenn dringende Gründe für solchen Antrag vorgelegt sind, die Aussetzung der Vollstreckung verordnen. A r t . 464. Richter, welche bei Ertheilung des Urtheils, in Betreff dessen die Wiederaufnahme beantragt wird, mitgewirkt haben, sind aus diesem Grunde weder von der Entscheidung über den Antrag, noch von der neuen Verhandlung und Aburtheilung ausgeschlossen. Dem Ermessen des anderweit in der Hauptsache erkeimenden Gerichts bleibt es überlassen, ob und in wieweit es neben der Erhebung der neuen Beweismittel und Thatsachen die frühere Beweisaufnahme wiederholen will. A r t . 465. Hat eine wiederaufgenommene Untersuchung die Freisprechung eines Verurtheilten zur Folge, und ist die frühere Verurtheilung öffentlich bekannt gemacht worden, so wird die Bekanntmachung des zweiten Urtheils verordnet. Siebeil und zwanzigster Titel. Von der Vollstreckung der Strafurtheile. Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit. A r t . 466. Ein Strafurtheil darf nicht eher vollstreckt werden, als bis ein Rechtsmittel dagegen nicht mehr zulässig ist; das Gericht kann jedoch die erforderlichen Sicherheitsmassregeln gegen den Verurtheilten treffen. Legt der Verurtheilte ein Rechtsmittel zu spät ein, so kann das Urthcil vollstreckt werden, vorbehaltlich jedoch der Befugniss des Gerichts (Art. 469), die Aufschiebung der Vollstreckung anzuordnen. Anordnung der Strafvollstreckung. A r t . 467. Die Strafvollstreckung wird von der Staatsanwaltschaft angeordnet, vorbehaltlich der bei den Landgerichten eintretenden Ausnahme (Art. 468).
Entwarf einer Strafproccss-Ordnung.
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Diese Anordnung steht der Staatsanwaltschaft des Gericht» zu, welche« nach Massgabe des Art. 469 Ober die etwa sich erhebenden Anstände zu entscheiden h a t Dieselbe erfolgt auf Grund eines mit der Bescheinigung über die Rechtskraft versehenen beglaubigten Auszugs aus dem ergangenen Urtheile. Ist ein Strafurtheil vor seiner Vollstreckung verloren gegangen, und ist weder eine Ausfertigung desselben, noch ein solcher Auszug vorhanden, so muss, in soweit es durch diesen Verlust erforderlich ist, eine Wiederholung des Verfahrens eintreten. Insbesondere bei den Landgerichten. A r t . 468. In den von einem Landgerichte abgeurtheilten Strafsachen wird die Strafvollstreckung von diesem Gerichte angeordnet auf den Grund seiner, die Rechtskraft des zu vollziehenden Urtheils bekundenden Acten. Entscheidung von Anständen bei der Vollstreckung des Urtheils. A r t . 469. Ueber die Auslegung der Strafurtheile, sowie über die Einwendungen des Beschuldigten, in soweit diese zur Competenz der Gerichte gehären, entscheidet das Gericht, welches das Urtheil erster Instanz erlassen hat, in dem für Beschwerdesachen vorgeschriebenen Verfahren. Ist das Urtheil von einem Schwurgerichtshofe erlassen, so entscheidet das Hofgericht (Anklagekammer) der Provinz, in wclcher jener Schwurgcrichtshof seinen Sitz hat. Die von der Staatsanwaltschaft bezieh, vom Landgerichte augeordnete Vollstreckung wird durch die Einwendungen des Vcrurtheilten nicht aufgehalten, vorbehaltlich der Befugniss des Gerichts, eine Aufschiebung anzuordnen. Kosten der Strafvollstreckung. A r t . 470. Die Kosten, welche durch die Vollstreckung der Strafe verursacht werden, fallen dem Verurtheilten zur Last, ausgenommen die durch Vollstreckung der Todesstrafe veranlassten Kosten. Der zu einer Freiheitsstrafe Verurtheilte muss, soweit er dazu im Stande ist, seine Unterhaltungskosten selbst bestreiten. Vollstreckung der Todesstrafe. A r t . 471. Die Todesstrafe darf nicht eher vollstreckt werden, als bis fest fcteht, dass der Grossherzog von seinem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. A r t . 472. An Sonn- und Feiertagen darf ein Todesurtheil nicht vollzogen werden. A r t . 473. Erklärt eine zum Tode verurtheilte Frauensperson, dass sie schwanger sei, und wird dieses richtig befunden, so erleidet sie die Strafe erst nach ihrer Entbindung. A r t . 474. Die Vollstreckung der Todesstrafe geschieht auf Befehl und unter Aufsicht der Beamten der Staatsanwaltschaft. A r t . 475. Ueber die Hinrichtung wird von einem durch den Vorsitzenden des Hofgerichts dazu beauftragten Richter, unter Zuziehung eines Protokollfahrers, ein Protokoll aufgenommen und von dem Beamten der Staatsanwaltschaft mitunterzeichnet. Eine Abschrift des Protokolls wird von dem Protokollfahrer der Urschrift des Urtheils beigefügt und von ihm unterzeichnet.
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Nassau.
IXa.
Nassau. Gesetz, die Znaammeiuetsiing der Hofgeriohte und deren Abtheilong in Senate betreffend, vom 28. December 1890. I)a die bisherige E r f a h r u n g gezeigt hat, das» big ztir vollständigen Regulirung des öffentlichen mündlichen Verfahrens in bürgerlichen und strafrechtlichen Sachen und der damit in Verbindung stehenden neuen Organisation der Justizbehörden eine anderweite provisorische Einrichtung der Geschäftsbehandlung bei den Hof- und AppeUationsgcricliten geboten ist, so verordnen Wir mit Zustimmung Unserer Landstände, wie folgt: §. 1. Das Hof- und Appellationsgericht zu Wiesbaden soll mit einem Präsidenten (Dircctor) und elf Käthen oder Assessoren, jenes zu Dillenburg mit einem Präsidenten (Director) und acht Käthen oder Assessoren besetzt sein. Jedem dieser Gerichte ist ein Staatsanwalt beigegeben. Im Falle des eintretenden Bedürfnisses ist das Justizministerium ermächtigt, einem Amtssecrctär oder Acceseistcn die Stellvertretung des Staatsanwalts aufzutragen oder aber einen Substituten des Staatsauwalts zu ernennen, und erforderlichen Falls eine weitere Stellvertretung durch einen Amtssecretär oder Accessisten anzuordnen. §. 2. Die Mitglieder der Hofgerichte werden in zwei Senate, einen Civilsenat und einen Criminalsenat abgetheilt. §. 3. Der Civilsenat des Hofgerichts zu Wiesbaden soll aus sechs Mitgliedern unter dem Vorsitze des Präsidenten (Direetors) als siebenten Mitgliedes, der Criminalsenat aus vier Mitgliedern unter dem Vorsitze des ältesten Kaths als fünften Mitgliedes bestehen. Bei dem Hofgerichte zu Dillenburg besteht der Civilsenat aus vier Mitgliedern, unter dem Vorsitze des Präsidenten (Direetors) als fünften; der Criminalsenat besteht ebenfalls aus vier Mitgliedern unter dem Vorsitze des ältesten Raths als fünften Mitglieds. Um diese Zahl zu vervollständigen, wird dasjenige Mitglied, welches nach der Vorschrift des §. 4 dieses Gesetzes zuletzt in den Criminalsenat eingetreten ist, stets gleichzeitig in beiden Senaten mitwirken. Im Falle der Verhinderung des Vorsitzenden tritt der älteste Rath des betreffenden Senats an seine Stelle. §. 4. Zum Zwecke der Eintheilung der Mitglieder des Hofgeriehts in diese beiden Senate findet in einer Plenarsitzung des Gerichts ein für allemal eine VerlooBUng statt, wodurch die Reihenfolge des Eintritts der Hofgcrichtamitgliedcr in den Criminalsenat festgesetzt wird. Ist ein Mitglied, wenn die Reihe es trifft, verhindert, in den Criminalsenat einzutreten, worüber das Hofgericht in einer Plenarsitzung zu entscheiden hat, so wird der Verhinderte übersprungen, er tritt in die Reihenfolge wieder ein, sobald die Verhinderung a u f h ö r t Scheidet ein Mitglied aus dem Hofgericht aus, so erhält der Dienstnachfolger die Nummer des Ausgeschiedenen. §. 5. Der regelmässige Wechsel der Mitglieder in den Senaten erfolgt halbjährig in der Art, dass die beiden Mitglieder, welche die ersten Nummern haben,
Gesetz vom 28. Desember 1860. in den Civil«enat zurücktreten, und dafür die beiden anderen an der Reihe befindlichen Nummern in den Criminalsenat eintreten. §. 6. Von dem Civilsenate, welcher zugleich ala vorgesetzte Dienstbehörde die nächste Aufsicht Aber die Geschäftsführung der Justizämter in Civilsachen und der Landoberschultheisen ausübt, werden die Gegenstände der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit verhandelt und entschieden. Mit periodisch dringenden Arbeiten, wie Revision der Vormundschaft«- nnd Concurstabellen, sowie Amtsvisitationen können auch Mitglieder des Criminftlsenats beauftragt werden. §. 7. Dem Criminalsenate, welchcr zugleich die nächste Aufsicht Aber die Dienstführung des Criminalgerichts nnd der Justizämter in Unterauchungssachen ausübt, werden die Functionen des Anklagesenats nach dem Gesetze vom 14. April 1849 a b » das Strafverfahren mit Schwurgerichten, sowie die Entscheidung der nach den §§. 2, 4 und 5 des Gesetzes von demselben Tage aber die Competenz der Gerichte zur Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen, zur hofgerichtlichen Entscheidung gehörigen Verbrechen und Vergehen übertragen. Sollte der Criminalsenat finden, dass eine von einem Justizamte vorgelegte Untersuchung nicht zur Competenz des Hofgerichts, sondern des Justizamts gehört, so weist derselbe diese Untersuchung vermittelst Rescripts an das Justizamt zur Aburtheilung zurück. f. 8. An der zur Bildung des Assisenhofs in Gemässheit des A r t 11 des Gesetzes vom 14. April 1849 vorzunehmenden Verloosung nehmen mit Ausnahme des Präsidenten des Hofgerichta und des Präsidenten des Assisenhofs, falls ein solcher aus der Zahl der Hofgerichtsmitglieder ernannt sein sollte, und des Stellvertreters desselben alle Mitglieder beider Senate TheiL Der Stellvertreter des Präsidenten tritt ebenfalls und zwar vor den Ergänzungsrichtern in den Assisenhof ein, insofern er nicht durch Vorbereitungen zu seinen Präsidialgeschäften verhindert ist. Sollte eines der zufolge der Verloosung an der Reihe befindlichen Mitglieder aber die Versetzung des Angeschuldigten in den Anklagestand mitgestimmt haben, so ist in dieser Sache für Ergänzung des Gerichts nach Art. 12 und 13 des angeführten Gesetzes von dem Assisenpräsidenten zu sorgen. Zur Vervollständigung der Mitglieder des Assisenhofs bei dem Hof- und Appellationsgericht zu Dillenburg werden die Justizbeamten zu Dillenburg und Herborn zn ständigen Ergänzungsrichtern desselben, und zwar jener zu Dillenburg als erster, jener zu Herborn als zweiter, ernannt Die Vorschriften in A r t 12 des Gesetzes vom 14. April 1849 erleiden durch diese Bestimmung keirib Veränderung; die zu ernennenden sechs Ergftnzungsrichter treten aber erst nach den Justizbeamten su Dillenburg und Herborn ein. §. 9. Zur Fassung eines Beschlusses in einem Senate genagt es, wenn bei Verhinderung der abrigen Mitglieder des betreffenden Senats wenigstens drei Mitglieder mitwirken; doch darf kein Endurtheil in Civilsachen, und kein Urtheil in Strafsachen, welches eine höhere Strafe als Correctionshaus von einem Jahre ausspricht, erlassen werden, wenn nicht wenigstens fünf Mitglieder des Gerichts zugezogen sind. §. 10. Zur Herstellung der erforderlichen Zahl von Mitgliedern müssen die beiden Senate einander fortdauernd ergänzen. Es ist hierbei die in §. 4 bestimmte Reihenfolge zu beobachten. Während der Assisensitzungen wirken alle Mitglieder des Criminalsenat» auch im Civilsenate mit; sollte der President (Director) des Hofgerichts in der Periode verhindert sein, so abernimmt der Vorsitzende des Criminalsenats, als ältester Rath des Collegiums, auch im Civilsenate den Vorsitz. § . 1 1 . Es steht dein Präsidenten (Director) frei, bei Fällung von Urtheilen in Civilsachen, wo es sich um Abweichung von der bisherigen Praxis dsr Gerichts oder um schwierige Rechtsfragen handelt, unter Zustimmung der Mehrheit des Civilsenats, beide Senate in vollem Rathe zu versammeln.
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Nassau.
Gleiche» gilt von sonstigen wichtigen Gegenständen, die zur Competenz des Hofgerichts gehören, unter Ausschluss der Entscheidung in Strafglichen. So gegeben zu D e s s a u , den 28. December 1850. Adolph.
2. Gesetz vom 23. Deeember 1851. (Ausschliessung einiger politischen Verbrechen ron der Competenz des Gesohworengerichts.) W i r A d o l p h , v o n G o t t e s G n a d e n H e r z o g z u N a s s a u e t c . e t c . thun kund und zu wissen: Die in dem Gesetz vom 14. April 1849 Ober die Competenz der Gerichte zur Untersuchung und Bestrafung von Verbrechen und Vergehen enthaltenen vorläufigen Competenzbestimmungen haben sich nach den seither gemachten Erfahrungen bei einer fOr die Erhaltung der öffentlichen Ordnung wichtigen Gattung von Vergehen als unzureichend erwiesen. Die nach Massgabc derselben vor die Assisen verwiesenen politischen und durch die Presse verübten Vergehen haben eine dem Strafgesetz entsprechende Aburtheilung nicht zur F o l g e gehabt. W i r haben deshalb, um diesem die Wohlfahrt und Existenz der bürgerlichen Gesellschaft bedrohenden und die Achtung vor dem Gesetz untergrabenden Zustand ein Ziel zu setzen, unter Vorbehalt der Vorlage der in der Berathung befindlichen vollständigen Strafprocess-Ordnung auf dem Landtag beschlossen und verordnen, wie f o l g t : §. 1. Die Zuständigkeit der Assisen zu Aburtheilung der in §. 1, des Gesetzes vom 14. April 1849 bezeichneten Vergehen bleibt künftig ausgeschlossen bei den Verbrechen des Hoch- und Landesverrat!», der Gefährdung der Rechte und Verhältnisse des Herzogthums zu anderen Staaten, der Beleidigung der M a j e stät und der Mitglieder der Herzoglichen Familie, des Aufruhrs, der Verletzung der Amts- und Dienstehre und der von Amtswegen zu verfolgenden Pressvergehen (pos. 1, 2, 3, 4, 6 und 31 in §. 1 des oben allcgirten Gesetzes). 6. 2. Die nach vorstehender Vorschrift künftig nicht mehr zur Verhandlung vor den Assisen gelangenden Verbrechen und Vergehen werden, soweit nicht etwa bereits ein vor die Assisen verweisendes Erkenntniss des Anklagesenats vorliegt, vor dem Plenum der Hofgerichte abgeurteilt, gegen deren Entscheidungen die Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde bei dem Oberappellationsgerichte stattfindet. . Es kommen bei diesen Vergehen die für die correctionelle Justiz dermalen geltenden Processvorschriften zur Anwendung, jedoch mit der Beschränkung, dass die Untersuchung nicht von den Justizämtern, sondern von den Criminalgerichten zu führen ist. S o g e g e b e n W i e s b a d e n , den 23. December 1851. A d o l p h.
3.
Gesetz vom 16. Juli 1853. (Competenz betreffend.) W i r A d o l p h , v o n G o t t e s G n a d e n H e r z o g zu N a s s a u etc. etc. haben, um die mit den bisherigen Bestimmungen über die Competenz der Gerichte zur Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen und Vergehen verbundene Belastung
Gesetz vom 16. Juli 1853.
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der Schwurgerichte, sowie um die Kosten des Strafverfahren» zu vermindern, mit Zustimmung Unserer Landstände beschlossen und verordnen, wie folgt: $. 1. Die nach f. 1 des Competenzgesetzes vom 14. April 1849 den Assisen zur Aburtheilung überwiesenen Verbrechen, soweit dieselben nicht bereits durch das Gesetz vom 23. December 1851 der Competenz derselben provisorisch entzogen sind, sollen in Zukunft nur alsdann von dem Assisenhofe mit Zuziehung von Geschwornen abgeurtheilt werden, wenn dieselben mit einer in ihrem Maximum das Mass von fflnf Jahren übersteigenden Zuchthaus- oder Correctionshausstrafe, und bezüglich der Dienstvergehen der Staats- und öffentlichen Diener, wenn diese mit einer solchen Freiheitsstrafe allein oder neben der Dienstentsetzung bedroht sind. In allen anderen Fällen sind diese Verbrechen von dem Assisenhofe ohne Zuziehung von Geschwornen abzuurtheilen. Insbesondere gehört auch dann, wenn der Angeschuldigte zur Zeit der That das siebzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, in den Fällen des Art. 115 pos. 2, 3, 4, 5 und 6 des Strafgesetzbuchs die Aburtheilung vor den Assisenhof ohne Zuziehung von Geschwornen, sofern nicht wegen desselben Verbrechens über weiter in Anklagestand versetzte Personen, welche das siebzehnte Lebensjahr aberschritten haben, zu erkennen, und deshalb die Aburtheilung der ganzen Sache dem Assisenhofe mit Zuziehung von Geschwornen zu überweisen ist. Meineid und Eidesbruch mit Ausnahme der in A r t 230, 234 und 236 des Strafgesetzbuchs vorgesehenen Fülle sollen jedoch bei den Schwurgerichten verbleiben. Die Fahrung der Voruntersuchung bezüglich derjenigen Vergehen, welche durch vorstehende Bestimmungen den Schwurgerichten entzogen werden, verbleibt den Criminalgerichten. §. 2. Die Sitzungen des Assisenhofs ohne Geschwornc finden in der Segel alle drei Monate unmittelbar nach der Sitzung der Assisen mit Schwurgerichten s t a t t §. 3. Auf das Verfahren zur Untersuchung und Aburtheilung der zur Competenz des Assisenhofs ohne Geschworne gehörenden Verbrechen finden die Bestimmungen des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1849 in T i t I. mit Ausschluss der A r t 27—63, sowie die Bestimmungen in T i t II. Art. 67—161, und Art. 185—234, deren Anwendbarkeit nicht durch die Zuziehung von Geschwornen bedingt ist, mit nachfolgenden Modificationen Anwendung: 1. Die Fertigung eines schriftlichen Anklageactes (Art. 94) unterbleibt. Dem Angeklagten wird statt des Anklageactes eine Abschrift des Verweisungserkenntnisses zugefertigt In den Entscheidungsgründen der Verweisungserkenntnisse müssen die Thatsachen im Allgemeinen hervorgehoben werden, auf welche das Urtheil gegründet wird, jedoch ohne specielle Anführung der einzelnen Beweise. Die Anklage ist von dem Staatsanwalte in der Sitzung des Assisenhofs mündlich zu begründen. 2. Werden Personen, welche noch nicht zu Protokoll vernommen waren, in der öffentlichen Sitzung abgehört, so ist von dem Secrettr ein vollständiges Protokoll über deren Aussagen aufzunehmen. Ebenso sind die in öffentlicher Sitzung abgegebenen von den früheren abweichenden Erklärungen des Angeklagten zu Protokoll zu nehmen. 3. Eine Zusammenstellung des Ergebnisses der Verhandlungen durch den Präsidenten (Resüme) findet nicht s t a t t 4. Sobald das Zeugenverhör geschlossen ist, erhalten der Staatsanwalt und der Angeklagte und dessen Vertheidiger das Wort zur Begründung der Anklage und Verteidigung. Mit diesen Vortrügen sind zugleich die nach A r t 189 und 190 des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1849 zu stellenden Anträge zu verbinden. 5. Nachdem der Staatsanwalt und der Angeklagte und dessen Vertheidiger gehört worden sind, verfügt der Präsident die Abführung des An-
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geschuldigten (Art. 1 7 1 ) und der Agaisenhof schreitet zur Fällung de* Erkenntnisses. 6. Das Urtheil des Assisenhofs hat sich in einemhin sowohl über die Thatfrage als über die Rechtsfrage zu erstrecken. l)er Criminalsenat des Hof- und Appellationsgerichts hat bei der im Verweisungsurtheil erfolgenden Bezeichnung der vorzuladenden Zeugen darauf R ü c k sicht zu nehmen, dass nur solche, in der Voruntersuchung bereits eidlich abgehörte Zeugen zur mfindliehen Schlussverhandlung sistirt werden sollen, deren Aussagen mit Berücksichtigung der Zugeständnisse des Angeklagten in der Voruntersuchung von besonderer Wichtigkeit zur Feststellung des Beweises erscheinen. D a s Gericht hat bei Bestimmung der Sistirung von Ausländern als Zeugen auf den dadurch entstehenden Zeit- und Kostenaufwand Röcksicht zu nehmen; die schriftlichen eidlichen Aussagen der nicht sistirt werdenden Zeugen in der mündlichen Verhandlung können vorgelesen werden. Personen, welche nicht beeidigt werden dürfen, aber abgehört werden müssen, sind in allen Fällen vorzuladen, wenn ihre Aussagen berücksichtigt werden sollen. Der Assisenpräsident behält das Recht, auch noch die Vorladung nicht im Urtheil bezeichneter Zeugen zu beschliessen, sei es von Amtswegen, sei es auf Antrag des Staatsanwalts oder Angeklagten, und beiden steht es frei, solche Zeugen ohne Verfügung des Präsidenten zu sistiren. §. 4. Wenn im Laufe der mündlichen Untersuchung ein neuer, für den Anschuldigungs- oder Entschuldigungsbcweis wichtiger Umstand sich ergiebt, so kann nach Beschluss des Assisenhofs die Sache zum Zwecke der Ergänzung der Untersuchung auf einen anderen Termin vertagt, oder es kann der neue Beweis, insofern das Beweismittel vorhanden, oder seine alsbaldige Herbeischaffung möglich ist, sogleich in der Sitzung erhoben werden. Dem Präsidenten steht es auch frei, die Erhebung vorerst noch während der Verhandlung oder mit kurzer Unterbrechung derselben durch einen Gcrichtsdeputirten vornehmen zu lassen. Der Präsident hat zu bestimmen, ob solche neu entdeckte Zeugen beeidigt werden sollen; wird Einsprache gegen die Abhftr der Zeugen erhoben, so hat der Assisenhof darüber zu entscheiden. §. 5. Wird die Vertagung beschlossen, so muss darüber ein Urtheil erlassen werden, gegen welches kein Rechtsmittel stattfindet. In dem Urtheile ist auszusprechen, welche Zeugen zu dem neuen Termine geladen und insbesondere, welche der schon in dem ersten Termine vernommenen Zeugen nochmals geladen und vernommen werden sollen. §. 6. Gegen die Erkenntnisse, durch welche eine Verweisung zur Aburtheilung vor dem Assisenhofe ohne Geschworne erfolgt ist, findet die Nichtigkeitsbeschwerde statt. Auf das Verfahren hierbei finden die Bestimmungen in Tit. I I . Art. 2 3 5 bis 2 5 3 des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1 8 4 9 Anwendung. §. 7. Gegen die von dem Assisenhofe ohne Zuziehung von Geschwornen erlassenen Erkenntnisse findet die Appellation und die Nichtigkeitsbeschwerde an das Oberappellationsgericht statt. Die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich nach den auf dieses Verfahren in §. 3 für anwendbar erklärten Bestimmungen des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1849. Die Appellation kann sich nur darauf beziehen, dass der Beweis aller der Thatsachen, worüber ein Schwurgericht Fragen hätte beantworten müssen, erbracht oder nicht erbracht sei, und dass auf den Grund des Ergebnisses der Beweisführung der'Angeklagte überhaupt nicht hätte verurtheilt, oder hätte verurtheilt, oder die Strafe nach der Natur des zur Aburtheilung gekommenen Verbrechens anders hätte bestimmt werden müssen. Beiden Theilen steht es in diesem Falle frei, neue Thatsachen und Beweismittel vorzubringen. F ü r das Verfahren bei beiden Rechtsmitteln sind die Vorschriften in T i t . I I . Art. 2 3 5 bis 247 und A r t 2 5 4 bis 2 7 9 des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1 8 4 9
Gesetz Tom 16. Juli 1808.
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massgebend, insoweit deren Anwendbarkeit nicht durch die Zuziehung von Geschwornen bedingt, oder nicht in Nachfolgendem etwas Anderes bestimmt wird. I)a» Justizministerium kann in diesen Sachen dem Staatsprocurator an dem Hof- and Appellationsgerichte zu Wiesbaden die Functionen des Qeneralgtaatsprocurators auftragen. §. 8. Dem Verurtheilten sowie dem Staatsanwalt« läuft vom Tage nach Verkündigung des Endurtheils eine Frist Ton drei Tagen, um die Nichtigkeitsbeschwerde oder Appellation auf dem Secretariate des Criminalsenats zu Protokoll anzuzeigen. Gleichzeitig mit der Anzeige müssen die Grande speciell angegeben werden, auf welche die Beschwerde gestfitzt werden soll. Auf Beschwerden, welche später vorgebracht werden, kann keine Rflcksicht genommen werden. Während dieser drei Tage, und wenn die Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde erhoben worden ist, bis zum Eintreffen des Erkenntnisses des Oberappellationsgerichts bleibt die Vollziehung des Erkenntnisses des Assisenhofes ausgesetzt §. 9. Ist die Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung yon dem Angeklagten eingelegt worden, so ist mittelst Mittheilung einer Abschrift des Protokolles dem Staatsanwalt sofort Kenntniss davon zu geben. Hat der Staatsanwalt die Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt, so ist dies dem Angeklagten längstens binnen acht Tagen von dem Tage der Einwendung des Rechtsmittels an bekannt zu machen. Befindet sich der Angeklagte zur Zeit in Haft, so wird ihm das Protokoll über die Einwendung der Nichtigkeitsbeschwerde oder Appellation von dem Secretar vorgelesen. Er hat dasselbe zu unterzeichnen, und wenn er nicht unterzeichnen kann oder will, so bemerkt dies der Secretär im Protokoll. §. 10. Demjenigen, welcher das Rechtsmittel ergreift, bleibt es überlassen, innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach Ablauf der Frist zur Anzeige eine weitere schriftliche Ausführung der Beschwerde bei dem Secretariate des Criminalsenats des Hof- und Appellationsgerichts oder unmittelbar bei dem des Oberappellationsgerichts einzureichen. Ein gleiches Recht hat der Gegner innerhalb zehn Tage nach der ihm bekannt gemachten Anzeige hinsichtlich einer Ausführung über den Ungrund der erhobenen Beschwerde. Während dieser zehn Tage bleiben die Acten auf dem Secretariate zur Einsicht des Vertheidigers hinterlegt. Neue . Thatsachen oder Beweise, welche bei der Appellation geltend gemacht werden sollen, mflssen in diesen Schriften vorgebracht, insbesondere m&ssen die Puñete, aber welche Zeugen noch vernommen werden sollen, genau angegeben werden. {. 11. Nach Ablauf der gedachten zehn Tage sendet der Staatsanwalt die Acten an den Generalstaatsprocurator. {. 12. Der Generalstaatsprocurator giebt die sämmtlichen Acten mit seinem schriftlichen Antrage ungesänmt an den Presidenten des Gerichts ab, welcher alsbald nach Empfang des Antrages des Generalstaatsprocurators eine nicht Öffentliche Sitzung des Gerichts anzusetzen hat, in welcher darüber Besch!usa zu fassen ist: 1. ob die Erfordernisse zur Appellation nach §. 7 vorliegen und die flbrigen Formalien gewahrt seien; sowie weiter nach Anhörung des Generalstaatsprocurators , 2. welche Untersuchungshandlungen zur Vervollständigung des Verfahrens, oder auf Grund der Anträge des Staatsanwaltes oder des Angeklagten noch vorzunehmen, insbesondere welche Zeugen vorerst noch durch das Untersuchungsgericht, welchem der Auftrag hierzu direct ertheilt wird, zu Protokoll zu vernehmen seien; und endlich 3. wenn keine weiteren Untersuchungshandlungen vorzunehmen sind, in dieser, und wenn sie noch vorzunehmen sind, in einer späteren Sitzung, welche ZeuSunmlung der n. d. Gesetze. Jg
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gen und andere Personen in die öffentliche Sitzung zur mündlichen Vernehmung zu laden seien. Der Termin zur öffentlichen Verhandlung muss bei Vermeidung der Nichtigkeit mindestens zehn Tage vorher dem Angeklagten oder seinem Vertheidiger zugleich mit den Folgen des Ausbleibens bekannt gemacht werden. Der verhaftete Angeklagte kann verlangen, dass er in die Sitzung vorgeführt werde. Das Gericht kann dies auch von Amtswegen anordnen. §. 13. H a t der Angeklagte Zeugen benannt, deren Vorladung nicht verfügt wird, so bleibt es demselben überlassen, diese auf seine Kostun in dem Termine zu sistiren. Zeugen, welche nicht in den §. 10 bemerkten Schriften bezeichnet worden sind, werden nicht zugelassen. §. 14. In der Sitzung erstattet der Referent Vortrag aus den Acten. Hierauf findet die Vernehmung der geladenen und sistirten Zeugen statt, dann wird derjenige gehört, welcher das Rechtsmittel ergriffen hat, und alsdann antwortet der Gegner. Haben beide Theile Beschwerde erhoben, so steht dem Generalstaatsprocurator das erste Wort zu. Es ist eine Replik und Duplik gestattet. Der Angeklagte oder sein Vertheidiger muss stets das letzte Wort haben. Wenn mehrere Angeklagte erschienen sind, so bestimmt der Präsident die Reihenfolge der Vorträge. Auf dieses Verfahren finden übrigens die §. 3 gegebenen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Assisenhofe analoge Anwendung. §. 15. Bleiben der Angeklagte oder sein Vertheidiger ohne genügende E n t schuldigung aus, so wird angenommen, dass der Angeklagte auf das ergriffene Rechtsmittel Verzicht geleistet habe. Derselbe wird alsdann in die Kosten des Verfahrens venirtheilt, insoweit nicht wegen einer von dem Staatsanwalt ergriffenen Beschwerde das Verfahren fortgesetzt wiril und dadurch besondere Kosten entstehen, oder das Gericht wegen Vermögenslosigkeit des Angeschuldigten auf Niederschlagung der Untersuchungskosten erkennt. Wenn der Generalstaatsprocurator die von dem Staatsanwalt vorgebrachte Beschwerde nicht f ü r begründet erachtet, so muss dennoch darüber erkannt werden. §. 16. Nach durchgeführter Verhandlung erlässt das Gericht das Urtheil. Wird in diesem Fall wegen einer f ü r begründet erkannten Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urtheil vernichtet, und liegt der Grund der Vernichtung nicht in den Mirngeln des Verfahrens, sondern in der Entscheidung, so erkennt der Gerichtshof in der Sache, selbst, was Rechtens. Wird das Urtheil wegen Mängel in dem Verfahren vernichtet, so hat der Gerichtshof zugleich die Nichtigkeit des Verfahrens von der Zeit des eingetretenen Nichtigkeitsgrundes an auszusprechen und entweder auf Grand eines neuen Verfahrens in der Sache selbst zu erkennen, oder dieselbe zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung vor das von ihm zu bezeichnende Gerieht zu verweisen. §. 17. Ergiebt sich im Laufe der öffentlichen Verhandlung ein neuer erheblicher Umstand, so kann die Sache auf einen neuen Termin vertagt, oder sonst analog nach §. 4 verfahren werden. §. 18. Das Urtheil wird in öffentlicher Sitzung verkündigt, und dem Angeklagten, falls er nicht anwesend sein sollte, in Abschrift zugestellt. Nach gefälltem Erkcnntniss sind die Acten mit der erforderlichen Urtheilsausfertigung dem Generalstaatsprocurator zur weiteren Verfügung zurückzugeben. §. 19. Im Uebrigen finden in Beziehung auf das Verfahren vor dem Oberappellationsgerichte die Bestimmungen der Art. 280 bis 284, und in Beziehung auf das Verfahren im Allgemeinen die Bestimmungen in Tit. II. Art. 285 bis 302, Tit. III. Art. 3 0 3 und Tit. IV. Art. 304 des Gesetzes vom 14. April 1849 Anwendung. §. 20. Dem Assisenhofe. sowohl als dem Oberappellationsgerichte steht es frei, die Untersuchungskosten, wenn der Verurtheilte vermögenslos ist, niederzu-
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Verordnung vom 4. November 1853.
schlagen. Die gleiche Befugnis» soll mit Aufhebung der entgegenstehenden Bestimmung in Art. 194 des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1849 dem Assiaenhofe in Zuknnft auch dann zustehen, wenn die Verurtheilung auf den Grund des Ausspruchs von Geschwornen erfolgt. §. 21. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Publication desselben in Wirksamkeit, mit der näheren Bestimmung, dass diejenigen Vergehen, bezüglich deren an diesem Tage ein vor die Assisen mit Geschwornen verweisendes Erkenntnis« des Criminalsenats bereits vorliegt, nach den bisherigen Vorschriften Aber Competeoz und Verfahren behandelt werden. So gegeben B i e b r i c h , den 16. Juli 1853. Adolph. 4.
Verordnung vom 4. Hovember 1853, das Verfahren in den Untersuchungen, welche bei den Criminalgerichten geführt werden, betreffend. Da sich das Bedürfniss ergeben hat, die auf den Gang der Voruntersuchung und die Amtsverrichtungen des Staatsanwalts bezüglichen Vorschriften des Strafprocessgesetzes vom 14. April 1849 in einigen Puncten näher zu bestimmen, so wird Höchster Entschliessung gemäss Nachstehendes hiermit verordnet: §. 1. Die Justizämter haben von jeder Anzeige eines zur Competenz des Assisenhofes gehörenden Verbrechens m i t d e r n ä c h s t e n , n a c h d e r e n E i n l a n g u n g a b g e h e n d e n P o s t durch ein den wesentlichen Inhalt der Anzeige enthaltendes Schreiben, oder auch Abschrift des die Anzeige enthaltenden Actenstückes (Berichts oder Protokoll»), mit Beifügung geeigneter Bemerkungen dem Staatsanwalt Mittheilung zu machen, und demnächst die Informativverhandlungen an denselben zur Einsicht und Uebermittelung an das herzogliche Criminalgericht zu übersenden, die etwa verhafteten Personen aber unmittelbar dem Criminalgericht vorführen zu lassen, um solche in das Criminalgefangniss aufzunehmen. In den Transportscheiuen muss ausdrücklich bemerkt werden, dass die Informativacten an den Staatsanwalt abgegeben worden seien. In Beschlag genommene Ueberführungsstücke sind ebenfalls an den Staatsanwalt zu senden, andere Depositen aber, wie namentlich die dem Verhafteten gehörigen Gegenstände, werden an das Criminalgericht unmittelbar gesendet. Die Informativverhandlungen haben B i c h , wenn das herzogliche Justizamt nicht etwa eine Anzeige für geradezu unbegründet und zur Einleitung einer Untersuchung überhaupt nicht geeignet erachtet — in welchem Falle ihm die Beschlussfassung, der Anzeige keine Folge zu geben, zusteht, die Anzeige mit dem amtlichen Beschluss übrigens sofort dem Staatsanwalt zur Einsicht mitzutheilen ist — nicht auf Vernehmung des Beschädigten oder Denuncianten zu beschränken. Sie haben sich vielmehr auf die nächsten, zur Feststellung des Thatbestandes und Ermittelung von Anzeigen des Thiiters vorzunehmenden Untersuchungshandlungen, namentlich, ausser gerichtlichein Augenschein, wo dazu Veranlassung gegeben ist, auf Vernehmung einiger der zu erfragenden Zeugen, und je nach Umständen Veranstaltung von Nachforschungen zum Zwecke weiterer Entdeckungen zu erstrecken. Sie sind bei vorliegenden Verhaftungen längstens am dritten Tage nach deren Vollzug, und in solchen Fällen, in denen kein Angeschuldigter verhaftet ist, der Regel nach binnen zehn Tagen an den Staatsanwalt abzugeben. §. 2. Der Staatsanwalt hat d e r R e g e l n a c h und zwar namentlich alsdann, wenn ein Angeschuldigter verhaftet ist, innerhalb vierundzwanzig Stunden die erhaltenen Acten mit den Ueberführungsstücken an das herzogliche Criminalgericht abzugeben, wobei es demselben überlassen ist, nach seinem Ermessen für zweck18*
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Kassau.
massig erachtete Anträge über dag weiter einzuhaltende Verfahren gleichzeitig, »ei es mündlich oder schriftlich, an daB herzogliche Criminalgericht zu stellen. §. 3. Wenn (in Criminalgericht in Folge einer anhängigen Untersuchung eine Untersuchung gegen eine andere Person einleitet, so hat dasselbe von seinem Beschluss unter Mittheilung der Acten dem Staatsanwalt unverzüglich Nachricht zu geben. Auch hat das Criminalgericht von den von ihm im Laufe einer Untersuchung erfolgenden Verhaftungen unverzüglich dem Staatsanwalte Kenntnis« zu geben. Das Criminalgericht hat ebenso den Beschluss der Entlassung eines Verhafteten dem Staatsanwalt sofort mitzutheilen und erst dann zu vollziehen, nachdem derselbe zugestimmt, oder nachdem in Fällen, in denen derselbe sich zur sofortigen Mittheilung seiner Ansicht ausser Stande erklärt hat, von dem Zeitpuncte der Mittheilung des Beschlusses an vierundzwanzig Stunden abgelaufen sind, ohne dass gegen die Ausführung des Beschlusses Einsprache erhoben worden ist. Bei zeitig erfolgter Einsprache aber sind die Acten sofort an den Criminalsenat des herzoglichen Hof- und Appellationsgerichts einzusenden, und ist bis auf dessen Entscheidung die Entlassung auszusetzen. §. 4. Das Criminalgericht kann mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren in einer Sache einstellen, wenn der Thatbestand eines Verbrechens nicht festgestellt wird, oder Spuren des Thäters nicht ermittelt werden, welche ein Verfahren gegen eine bestimmte Person zur Folge hatten. Der Untersuchungsrichter giebt die Acten mit seinem Beschluss, das Verfahren einzustellen, br. m. an den Staatsanwalt, ab. Ist. dieser damit einverstanden, so bemerkt er dieses unter den Beschluss und giebt die Acten an den Untersuchungsrichter zurück. Ist er anderer Ansicht, so legt der Staatsanwalt die Acten dem Criminalsenat zur Beschlussfassung vor. Ueber die Rückgabe der Depositen in solchen Sachen verfügt unter derselben Modification der Untersuchungsrichter mit Zustimmung des Staatsanwalts. Wenn der Staatsanwalt es für sachgemäss hält, vor Abgabe der Acten an den Criminalsenat den Untersuchungsrichter von seiner abweichenden Ansicht in Kenntnis« zu setzen, um von diesem eine Abänderung seines Beschlusses zu erwirken, so kann er auch dieses Verfahren einhalten. In den Fällen jedoch, wo die Untersuchung gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet war, sind, wie bisher, die Acten dem Criminalsenat des Hof- und Appellationsgerichts zur Beschlussfassung vorzulegen. Auch kann das Criminalgericht mit Zustimmung des Staatsanwalts die Acten solcher Untersuchungen, in welchen es, sei es schon bei dem Empfang der Informativverhandlungen oder nach später erhobener weiterer Aufklärung, seine Competenz zur Fortführung der Untersuchung nicht begründet findet, an das Justizamt zur Fortsetzung der Untersuchung zurückgeben, wobei es übrigens dem J u stizamt überlassen bleibt, im Falle gegentheiliger Ansicht die Acten dem Criminalsenat des herzoglichen Hof- und Appellationsgerichts zur Entscheidung der Competenzfrage vorzulegen. W i e s b a d e n , den 4. November 1853. Herzogliches Staatsministerium, Abtheilung der Justiz.
Verordnung vom 4. Januar 1866, das Verfahren bei Polizeivergehen betreffend. Höchster Entschliessung gemäss wird hiermit verordnet: §. 1. Bei denjenigen Vergehen, welche von den Bürgermeistern nach §. 6 des Competenzgesetzes vom 14. April 1849 mit einer Strafe bis zu drei Gulden
Strafprocess-Ordnung vom 22. Augast 1859.
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u Geld oder sechs Tagen Arbeit geahndet werden können, sowie bei den §. 2 poa. 25 des erwähnten Gesetzes genannten Vergehen, soweit sie nach §. 3 desselben Gesetzes den Aemtern zur Aburtheilung hingewiesen sind, ist ein Eingeständnis« der Beschuldigung anzunehmen und die gesetzliche Strafe auszusprechen, wenn der Angeschuldigte auf die an ihn ergangene Vorladung in dem zum Vortrag seiner Verteidigung anberaumten Termine ausbleibt. Den Aemtern steht es jedoch frei, auch in diesem Falle, sofern sie es nach Lage der Sache für zweckmässig erachten, das Erscheinen des Angeschuldigten vor Gericht zum Zwecke seiner Vernehmung durch die gesetzlichen Zwangsmittel zu bewirken. §. 2. Der in Gemässheit des ersten Absatzes des §. 1 stattgehabte Strafansatz erlischt und es tritt das ordentliche Untersuchungsverfahren ein, wenn der Verurtheilte vor begonnenem Vollzug der Arbeits- oder Gefingnissstrafe oder vor Einleitung des Zwangsverfahrens wegen einer angesetzten Geldstrafe bei dem betreffenden Amte gegen den Strafansatz Einsprache erhebt. Die nach Inhalt des ersten Absatzes des §. 1 stattfindenden Verhandlangen sind stempelfrei. W i e s b a d e n , den 4. Januar 1855. Herzoglich Nassauisches Staatsministerium. Wittgenstein.
X. Braunschweig. i.
Di« Str&tyroceii-Ordnnng Tom 22. August 1849 ist durch Gesetze vom 31. Oetober 1851, 28. Januar 1866 , 4. Mai 1868 und 22. November 1869 in folgenden Ponoten abgeändert: §. 2a. Die im §. 2 der Strafprocess-Ordnung enthaltenen Ausnahmen werden ausgedehnt: 1. auf vorsätzliche Beschädigungen an der Person, welche weder Krankheit poch Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt haben; 2. auf die im Civilgesetzbuche §. 161 Abs. 2 erwähnten Fälle der unvorsätzlichen Beschädigung einer Person, sowie auf die im §. 161 Abs. 1 enthaltenen Fälle, welche mit Gefängnissstrafe bis von 4 Monaten bedroht sind. Rttcksichtlich der Zurücknahme der Anklage und des Erlasses der Strafe gelten in sämmtlichen unter No. 1 und 2 erwähnten Fällen die für Beleidigungen getroffenen gesetzlichen Bestimmungen (§. 274 des Criminalgesetzbuches, §. 49 Abs. 2, §. 184a, §. 184b der Strafprocess-Ordnung). §. 7a. In den der Competenz der Kreisgerichte überwiesenen Fällen, welche mit Zwangsarbeit über 1 Jahr oder mit Gefängniss aber 3 Jahre bedroht sind, ist dem Angeklagten, und zwar wenn er arm ist, auf Kosten des Staats, ein Vertheidiger beizuordnen.
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Braunschweig.
Wenn in den der| Competenz der Kreisgerichte überwiesenen, vorstellend erwähnten ' F ä l l e n Mitschuldige, deren Mitschuld nicht mit Zwangsarbeit über 1 J a h r oder Gefängniss über 3 J a h r e bedroht ist, zugleich abzuurtheilen sind, oder wenn mit den obigen Fällen connexe geringere Straflalle zugleich zur Verhandlung kommen, so sind weder in diesen letzten Sachen den Angeklagten, noch den gedachten Mitschuldigen, Yertheidiger auf Kosten der Staatseasse zu bestellen. §. 11. Die Zuständigkeit der Gerichte in Strafsachen, soweit solche durch das zu erkennende Strafmass bedingt wird, bestimmen das Gesetz über die Gerichtsverfassung vom 2 1 . August 1 8 4 9 No. 35, und das Gesetz, die Zuständigkeit des Criminalsenats des Obergerichts in Strafsachen und der Schwurgerichte betreffend, vom 4. Mai 1 8 5 8 No. 2 5 . Dieselbe richtet sich nach der höchsten, durch das Gesetz angedrohten Strafe. §. 3 9 a . Die Vorladung und Vernehmung der Militärpersonen geschieht nach Vorschrift der §§. 59a. und 5 9 b . §. 59. Zeugen, welche ihren Wohnsitz innerhalb des Kreises haben, in welchem die Hauptvevhancllung stattfindet, ingleichen Zeugen, welche nicht über 5 Meilen vom Sitze des Kreisgerichts entfernt wohneu, vor welchem die Hauptverhandlung vor sich geht, müssen zu derselben vorgeladen werden (Ges. vom 4. Mai 1 8 5 8 No. 2 6 §. 6). In den der Zuständigkeit des Criminalsenats überwiesenen Sachen müssen Zeugen, wclche ihren Wohnort innerhalb des Herzogthums haben, und auswärtige Zeugen, welche nicht über 5 Meilen vom Sitze des Schwurgerichts oder des Kreisgerichts, bei welchem die Voruntersuchung geführt ist, entfernt wohnen, zu der Hauptverhandlung vorgeladen werden. — In den vor die Amts- und Stadtgerichte gehörigen Sachen muss die Vorladung der Zeugen erfolgen, wenn diese in demselben Amts- oder Stadtgerichtsbezirke wohnhaft sind. Die Gerichte sind übrigens befugt, über eine und dieselbe Thatsache, falls zum Beweise derselben eine grössere Anzahl von Zeugen in Vorschlag gebracht ist, nach Befinden der Umstände nicht mehr als fünf Zeugen zuzulassen. Gleichmässig werden Zeugen, welche erweislich nur über unerhebliche Thatsachen aussagen sollen, nicht auf Kosten des Staats vorgeladen. §. 59a. Wenn eine Militärperson — abgesehen von der öffentlich mündlichen Hauptverhandlung — bei einer Criminaluntcrsuehung, welche von einem Civilgerichte an dem Stationsorte der Militärperson, oder auch an einem anderen Orte geführt wird, als Zeuge zu vernehmen ist, so geschieht die Vernehmung durch das ordentliche Civilgerielit des Stationsorts bezieh, den bei demselben fungirenden Untersuchungsrichter. §. 5 9 b . In Betreff der Vernehmung der Militärpersonen als Zeugen in den Hauptverhandlungen vor den Amts-, Stadt-, Kreis- und Schwurgerichten kommen die Vorschriften der Stvafproccss-Ordnung zur Anwendung. Der Stationsort der Militärperson wird als deren Wohnort angesehen. Wenn die oberste Militärbehörde (Art. 17 der Verord., die Militärsachen und Processe betreffend) den Ausschluss der Oeffentlichkeit bei Vernehmung von activen Officieren in der Hauptverhandlung vor den Kreis- und Schwurgerichten aus in den Lasten des Dienstes liegenden Rücksichten für zweckmässig und n o t wendig hält, und einen darauf gerichteten, die Angabe der Gründe enthaltenden Antrag dem betreffenden Gerichte schriftlich überreicht, so ist dieses als ein gesetzlicher Grund anzusehen, aus welchem nach §. 5 2 der Strafprocess - Ordnung die Oeffentlichkeit, rücksichtlich der fragliehen Zeugenvernehmung, ausgeschlossen werden kann, in welcher Beziehung das Gericht die erforderliche Entscheidung ohne vorherige Verhandlung abzugeben hat. Die Bestimmungen des Art. 1 4 2 über die F ä l l e , wo eine Requisition oder eine Benachrichtigung des militärischen Chefs erforderlich i s t , sind bei der Vorladung zu diesen Vernehmungen (Art. 157 und 1 5 8 ) ebenfalls zu beobachten. §. 81a. Das Stadtgericht Braunschweig hat in den im §. 18 des Gesetzes
Strafprocess-Ordnung vom 22. August 1849.
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vom 21. August 1849 No. 35 ihm ausnahmsweise übertragenen Strafsachen collegialisch zu erkennen und ist in diesen Strafsachen das nachstehend bezeichnete Verfahren zur Anwendung zu bringen: 1. mit der etwa erforderlichen Voruntersuchung hat der Vorsitzende des Stadtgerichts in den einzelnen Fällen einen der Richter zu beauftragen; 2. die Vorladungen und die Vollstreckung der Erkenntnisse sind von dem Stadtgerichte selbst zu besorgen; 3. die Functionen des öffentlichen Anklägers liegen dem bei dem Stadtgerichte angestellten Beamten der gerichtlichen Polizei ob; 4. im Uebrigen aber kommen die für das Verfahren bei den Kreisgerichten gegebenen Vorschriften zur Anwendung. §. 92. Das Gericht erkennt nach geheimer Berathung. Es entscheidet nach seiner gewissenhaften Ueberzeugung, behufs Feststellung der Schuld des Angeklagten, zunächst darüber: welche, den Thatbestand des in Rede stehenden Verbrechens bildende, die Strafbarkeit ausschliessende, tilgende, erhöhende oder herabsetzende Thatsachen als erwiesen anzunehmen sind. Dieser Wahrspruch kann nur durch ein einstimmiges Urtheil der Richter zu Stande kommen, und Thatfrugen, über deren Beweis dieselben sich nicht einigen, werden, wenn sie belastende oder strafausschliessende oder strafherabsetzende Thatsachen zum Gegen stände haben, zu Gunsten des Angeklagten beantwortet; straftilgende Thatsachen dagegen, über deren Beweis die Richter sich nicht einigen, gelten für nicht erwiesen. Nach Verkündigung dieses Wahrspruchs und nachdem dem Ankläger, dem Angeklagten und dessen Vertheidiger nochmals Gelegenheit zu etwaigen Bemerkungen Ober den Rechtspunct und die Strafe gegeben ist, entscheidet das Gericht gesondert durch Stimmenmehrheit darüber, welches Vergehen die als erwiesen angenommenen Thatsachen begründen, sowie ferner über das anzuwendende Strafgesetz, die Strafe, Kosten und sonstige Puncte, unter Beifügung der Entscheidungsgründe. Auch wenn das Urtheil ein freisprechendes ist, muss dasselbe die Gründe enthalten, welche die Freisprechung herbeigeführt haben. Der Vorsitzende verkündet das Urtheil. Der Wahrspruch und das Urtheil sind vom Secretär sogleich in das nach Vorschrift des §. 81 der Strafprocess-Ordnung aufzunehmende Sitzungsprotokoll einzutragen und von den Mitgliedern des Gerichts zu unterschreiben oder dem Sitzungsprotokolle als Anlagen, auf gleiche Weise unterschrieben, beizufügen. Das Gericht kann, aus erheblichen Gründen, den Spruch vertagen, der dann spätestens in der nächsten öffentlichen Sitzung erfolgen muss. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 8.) §. 101. Nachdem die Acten eingegangen, beauftragt der Präsident des Criminalsenats des Obergericht«, falls es dies nicht selbst zu thnn vorzieht, den Dircctor oder ein anderes Mitglied des Kreisgerichts, bei welchem die Voruntersuchung geführt ist (§. 3 3 ) , unter Mittheilung der Acten, mit der Vernehmung des unter der Androhung der Vorführung vorzuladenden Angeklagten sowohl Uber den Inhalt der Anklage, als über die von ihm vorzuschlagenden Auskunftspersonen und bezeichnet zugleich die zu der künftigen Sitzung zu deputirenden Richter. Die eben erwähnte Vernehmung muss bei Verhafteten binnen 24 Stunden, bei nicht Verhafteten binnen 8 Tagen nach Eingang der Acten oder des Auftrags dazu erfolgen. Bei dieser Vernehmung, über welche der Secretär des betreffenden Kreisgerichts ein Protokoll aufzunehmen hat, das dem Oberstaatsanwalt mitzutheilen ist, sind dem Angeklagten die Namen der künftigen Richter mit der Aufforderung anzugeben, etwaige Recusationsgründe gegen dieselben binnen 8 Tagen bei Verlust des Recusationsrechts geltend zu machen. Hat der Angeklagte noch keinen Vertheidiger gewählt, so bestellt der Direc-
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Braunschweig.
tor oder das beauftragte Mitglied des Kreisgerichts denselben, nöthigen Falls von Amtswegen, vorzugsweise aus der Zahl der Advocaten des Orts, an welchem die Hauptyerhandlung stattfindet. Zugleich eröffnet er dem Angeklagten, dass er binnen 8 Tagen seine Einwendungen wegen Incompetenz des Criminalsenats des Obergerichts, oder wegen Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens vorbringen könne, später aber damit nicht gehört werden werde. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 9.) §. 102. Ueber solche Einwendungen entscheidet der Cassationshof nach Anhörung des Oberstaatsanwalts binnen 8 Tagen, nachdem sie vorgebracht sind. (Oesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 10.) §. 103. Nach Erlas» einer, diese Einwendungen verwerfenden Verfügung oder nach Ablauf der achttägigen Frist (§§. 101 uud 102) fordert der Director oder das beauftragte Mitglied des betreffenden Kreisgerichts den Angeklagten und den Oberstaatsanwalt oder dessen Stellvertreter auf, binnen 3 Tagen ein Verzeichniss der Zeugen einzureichen, welche sie in den Verhandlungen der öffentlichen Sitzung abhören lassen wollen. Eine solche Aufforderung an den Beschädigten findet nur dann statt, wenn er vorher seine Absicht, dem Strafverfahren wegen seiner Civilansprüche zu adhäriren, dem Gerichte zu erkennen gegeben hat. Diese Verzeichnisse müssen Namen, Vornamen, Alter, Gewerbe und Wohnort der Zeugen enthalten und der Angeklagte, der Oberstaatsanwalt und der Beschädigte haben sie sich gegenseitig mittheilen zu lassen. Der Angeklagte und der Beschädigte haben überdies beizufügen, worüber die vorgeschlagenen Zeugen aussagen solleu. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 11.) §. 104. Nachdem die Acten hierauf wieder dem Criminalsenate eingesandt worden, verweiset dessen Präsident die Sache in die nächste öffentliche Sitzung des betreffenden Kreises, zu welcher die Vorladung des nicht verhafteten Angeklagten, unter den im §. 85, und der Auskunftspersonen, unter den in den §§. 39 und 87 vorgeschriebenen Rechtsnachtheilen erfolgt. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 12.) §. 105. Der nicht verhaftete Angeklagte hat sich spätestens 24 Stunden vor der Sitzung bei dem Director des Kreisgerichts, an dessen Sitze die Hauptverhandlung statt h a t , einzufinden und zu melden , widrigenfalls dessen Vorführung und Verhaftung ohne Weiteres verfügt wird. Titel 2. Von der Zusammensetzung des Gerichts der Geschworenen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, \ o . 26, §. 13.) §. 106. Um das Gericht der Geschworenen zu bilden, soll für das Herzogthum e i n e Liste der Geschworenen aufgestellt werden.
ganze
(Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 14.) §. 107. Zulässig als Geschworener ist jeder männliche Landeseinwohner, welcher zur Zeit der in Kraft tretenden jährlichen Geschworenenliste das 30. Lebensjahr zurückgelegt und der zur Zeit der Aufstellung der Liste 1. nach Universitätsstudien oder nach dem Besuche einer höheren wissenschaftlichen Lehranstalt entweder eine Staatsprüfung bestanden oder den Doctorgrad erlangt h a t ; oder 2. zu den Mitgliedern der Stadtmagistrate oder der Amtsräthe; oder 3. zu den pensionirten Officieren, vom Hauptmann aufwärts; oder
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4 . sn den Pächtern von Landgütern mit mehr als 300 Morgen Ackerland; oder 5. zu den 500 Höchtbesteuerten des Landes gehört. Von den Höchstbestenerten fällt die eine Hälfte auf die ländliche Bevölkerung des Herzogthums. Die Höchstbesteuerten der Städte einerseits und die Höchstbesteuerten der Landgemeinden andererseits werden wieder nach Massgabe der Seelenzahl auf die einzelnen Kreise des Landes, und in diesen nach demselben Massstabe auf die einzelnen Städte nnd Amtsgerichtsbezirke vertheilt Dabei werden die einer der obigen Kategorien unter 1 — 1 angehörigen Höchstbesteuerten nicht den Höchstbesteuerten, sondern einer der genannten Kategorien beigezählt. Bei Ermittelung der Höchstbesteuerten wird in den einzelnen Städten die Communalsteuer, in den Amtsgerichtsbezirken aber das durch Zusammenrechnung der sämmdichen directen Staatssteuera sich ergebende Steuerquantum zum Grunde gelegt Findet sich in einem Stadt- oder Amtegerichtsbezirke eine Mehrzahl von Personen, welche den geringsten Satz der Höchstbesteuerten zahlen, so entscheidet das Alter derselben darttber, welche in die Liste der Geschworenen aufzunehmen sind. Unser herzogliches Staatsministerium wird auf Grund der Volkszählung die Zahl der Höchstbesteuerten für die städtische und ländliche Bevölkerung in den einzelnen Kreisen näher festsetzen und öffentlich bekannt machen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 15.) §. 108. Unzulässig als Geschworene sind geistig oder körperlich Unfähige und solche Personen, welche 1. durch ein Straferkenntniss der politischen Rechte verlustig geworden, oder wegen Meineides, Diebstahls, Hehlerei, Betrugs, Fälschung, betrflglichen Bankerotts oder anderer Verbrechen aus Gewinnsucht rechtskräftig verurtheilt oder noch in Untersuchung sind; 2. wegen ihres Vermögens oder ihrer Person unter Curatel stehen. (Gesetz vom 4. Mai 18S8, No. 26, §. 16.) §. 109. Unzulässig für einzelne Sachen sind: 1. Angehörige des Angeklagten, insbesondere Blutsverwandte, in auf und absteigender Linie und in der Seitenlinie bis zum 4. Grade (civilrechtlicher Berechnung) einschliesslich, Stief- und Schwiegereltern und Kinder, Ehegatten, Schwäger, Verlobte, angenommene Eltern und Kinder, Vormund und Mfindel (Cr.-G.-B. §. 73); 2. diejenigen, welche für sich oder ihre Angehörigen ein Privatinteresse aus der angeschuldigten Handlung herleiten können; 3. diejenigen, welche in der Sache als Denuncianten, Rechtsbeistände, Zeugen oder Sachverständige aufgetreten sind oder auftreten sollen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 17.) §. 110. Behindert sind, so lange ihre Anstellung dauert, Mitglieder des Staatsministeriums, alle bei den Gerichten Angestellte, auch die Staatsanwälte, alle Beamte der Landespolizeiverwaltung, Geistliche aller Glaubensbekenntnisse und Militärpersonen im activen Dienste, auch die Mitglieder des Hoftheaters. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 18.) §. 111. Im October jeden Jahres stellen in den Städten die Magistrate, für die einzelnen Amtsgerichtsbezirke die herzoglichen Kreisdirectionen eine Liste der als Geschworene zulässigen Personen auf, machen solche öffentlich bekannt und
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Braunschweig.
fordern diejenigen auf, welche ein Recht zu haben glauben, noch in «elbige eingetragen zu werden, oder welche Einwendungen gegen dieselben haben, binnen 8 Tagen ihre Beschwerden einzureichen, über welche diese Behörden entscheiden. Ueber Berufungen gegen derartige Entscheidungen, welche binnen 8 Tagen bei dem Kreisgerichte des betreffenden Kreises einzureichen sind, entscheidet dieses in letzter Instanz. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 19.)
§. 112. Sofort nach Erledigung der lleclamationen senden die Stadtmagistrate und Kreisdirectionen die Listen der Geschworenen an den Criminalsenat de» herzoglichen Obergerichts ein. Dieser wird aus den sämmtlichen Listen e i n e Liste bilden, welche als allgemeine Geschworenenliste auf ein J a h r vom 1. Januar an gültig ist. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 20.)
§. 113. Sechs Wochen vor den einzelnen Vierteljalirssitzungen läset der Präsident des Criminalsenat« 30 aus den auf der allgemeinen Liste der Geschworenen stehenden Personen in öffentlicher Sitzung ziehen und in eine erste Liste eintragen. Drei Wochen später werden durch das Loos in öffentlicher Sitzung aus der allgemeinen Liste der Geschworenen so viele Personen gezogen, als von den in die erste Liste aufgenommenen etwa gesetzlich entschuldigt sind, und es wird eine zweite Liste, der 30 Geschworenen aufgestellt Zugleich werden 12 Personen aus der Liste der Geschworenen der Stadt, in welcher die öffentlichen Sitzungen gehalten werden sollen, gezogen und in eine dritte Liste, die der Ergänzungsgeschworenen, aufgenommen. Die erste, zweite und dritte Liste sind drei Tage vor der öffentlichen Gerichtssitzung dem Oberstaatsanwälte oder dessen Vertreter, und jedem Angeklagten, welcher in der Sitzung gerichtet werden soll, oder dessen Vertheidiger, mitzutheilen. Der Präsident des Criminalsenats ladet die 30 Geschworenen der ersten Liste sofort nach deren Aufstellung zu der nächsten öffentlichen Sitzung vor. Die Ladung der erst in die zweite Liste Aufgenommenen ist diesen 6 Tage vor der Eröffnung der Sitzung zu behändigen. Die Ergänzungsgeschworenen sind ebenfalls 6 Tage vor der Sitzung zu benachrichtigen, und ist ihnen aufzugeben, sich am Gerichtstage zum Erscheinen bereit zu halten. Die gesetzlich entschuldigten aus den auf der zweiten Liste stehenden Personen sind durch den Präsidenten des Criminalsenats durch das Loos aus der dritten Liste der Ergänzungsgeschworenen zu ersetzen und diese sofort vorzuladen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 21.)
§. 114. Ist in dem so eben erwähnten Falle die Liste der Ergänzungsgeschworenen erschöpft, so werden die Entschuldigten aus der Liste der Geschworenen der Stadt, in welcher die öffentliche Sitzung stattfinden soll, durch das Loos ersetzt. Der Präsident des Criminalsenats oder des Schwurgericht« hat die A u s g e l ö s ten sofort vorzuladen und in der Ladung zu erwähnen, dass die Liste der Ergänzungsgeschworenen erschöpft sei. Die auf diese Weise Geladenen müssen, falls sie nicht gesetzlich zulässige EIitschuldigungfgründe haben, zur bestimmten Zeit erscheinen, ohne sich darauf berufen zu können, dass ihnen die Ladung nicht zeitig vor Eröffnung der Sitzung beh&ndigt sei. Von den erwähnten Ladungen werden der öffentliche Ankläger und die Angeklagten sogleich nach Eröffnung der Sitzung in Kenntniss gesetzt.
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I)ie vorstehenden Bestimmungen kommen auch in den §. 118 und §. 124 Abs. 1. der Str.-Pr.-Ordn. erwähnten Fällen zur Anwendung, wenn die Liste der Ergänzungsgeschworenen erschöpft ist. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 40.) §. 114a. Den ausserhalb des Schwurgerichtsortes wohnenden Geschworenen werden an Reisekosten f ü r jede Meile sowohl der Hin- als Rückreise 10 Gulden aus Staatemitteln vergütet. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 22.) §. 115. Als Entschuldigungsgründe für die Ablehnung des Amts eines Geschworenen gelten: 1. 70jähriges Alter; 2. ärztliche und wundärztliche P r a x i s ; 3. Ausübung des Apothekergeschäftes ohne Gehülfen; 4. eine öffentliche CassenfUhrung ausserhalb des Ortes des Gerichts; 5. hinsichtlich der im §. 107 unter 1 und 3 aufgeführten Personen, ein nicht 600 Thlr. jährlich erreichendes Einkommen; . Abwesenheit ausserhalb der Grenzen des Herzogthums; 7. Theilnahme an den Sitzungen der Landesversammlung; 8. ärztlich bescheinigte Krankheit; und 9. die Verrichtung des Amtes eines Geschworenen. Dieser Entschuldigungsgrund gilt f ü r das laufende und folgende Calenderjahr. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. .23.) §. 115a. Diejenigen, welche in die Liste der als Geschworene zulässigen Personen eingetragen sind, jedoch folgende gesetzliche Entschuldigungsgründc haben, als: 1. eine öffentliche Cassenführung ausserhalb des Ortes des Gerichts; 2. Theilnahme an den Sitzungen der Landesversammlung; und 3. ärztlich bescheinigte Krankheit; haben nach ihrer Ausloosung für die einzelnen Schwurgcrichtesitzungen den Entschuldigungsgrund unter der sofort zurückzugebenden Ladung zu bemerken. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 24.) §. 115b. Die in die Liste der Geschworenen eingetragenen Personen, welchen folgende gesetzliche Entschuldigungsgründe zustehen, als: 1. 70jähriges Alter; 2. fortdauernde, unheilbare, ärztlich bescheinigte Krankheit; 3. ärztlichc und wundärztliche Praxis; 4. die Ausübung des Apothekergeschäfts ohne Gehülfen; 5. hinsichtlich der im §. 107 unter 1 und 3 bemerkten Personen, ein nicht 600 Thlr. jährlich erreichendes Einkommen; werden von der Verrichtung des Amts eines Geschworenen im Laufe des nächsten Jahres befreit und in der Liste gestrichen, wenn sie innerhalb der im §. 111 vorgeschriebenen Frist den Entschuldigungsgrund bei der zuständigen Verwaltungsbehörde geltend machen, im Falle zu 2 mit der erforderlichen Bescheinigung (§. 115c). Unterlassen sie diese Anzeige, so können sie den Entschuldigungsgrund, mit Ausnahme des unter 2 bemerkten, im Laufe des nächsten Jahres nur dann noch geltend machen, wenn derselbe erst nach Ablauf der im §. 111 bemerkten Frist eingetreten ist. Gegen die von dem Stadtmagistrate, bezüglich der Landcsverwaltungsbehörde abgegebene Entscheidung findet eine Berufung s t a t t , welche binnen 8 Tagen bei dem Kreisgerichte des betreffenden Kreises einzureichen ist. Das Kreisgericht entscheidet darüber in letzter Instanz.
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(Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 25.) §. 115c. Die Bestimmung der §§. 115 nnd 115b, dass ärztlich bescheinigte Krankheit den aU Geschworenen Geladenen entschuldigt, wird dahin näher erläutert, dass die Bescheinigung dahin gehen muse : dass der Gesundheitszustand des Geladenen ihm die Uebemahme des Amtes eines Geschworenen unmöglich mache, und dieselbe muss von dem Physicus des Wohnorts desselben ausgestellt oder doch bestätigt sein. Wer sich wegen Krankheit entschuldigt, wird zwar ohne Weiteres als behindert angesehen, er hat jedoch die obige Bescheinigung spätestens binnen 8 T a gen bei Gericht zu überreichen, widrigenfalls er als ein ohne gesetzliche Entschuldigung Nichterschienener betrachtet und, in GemäsBheit des §. 116, in die daselbst angedrohten Strafen verurtheilt wird. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 26.) §. 115d. Die von den §. 115 unter 5 aufgeführten Personen über ihr Einkommen beizubringende Bescheinigung ist von ihrer Heimathsbehörde, und zwar in den Landgemeinden von den herzoglichen Kreisdirectionen, in den Städten aber von den Stadtmagistraten auszustellen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 27.) §. 115e. Wer die Verrichtung des Amts eines Geschworenen als Entschuldigungsgrund geltend machen will, hat dies entweder dem Vorsitzenden des Schwurgerichts nach Beendigung der Sitzung, in welcher er als Geschworener fungirt hat, oder dem Präsidenten des Criminalsenats vor der folgenden Ausloosung anzuzeigen. Bei der Ausloosung, vor welcher diese Anzeige erfolgt, wird der Entschuldigte als nicht in der Liste der Geschworenen befindlich angesehen und statt seiner, falls sein Käme gezogen würde, sogleich ein anderer Geschworener durch das Loos bestimmt. So lange die Anzeige unterblieben ist, findet eine Berufung auf den erwähnten Entschuldigungsgrund nicht statt. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 28.) §. 116. Wer, als Geschworener vorgeladen, ohne gesetzliche Entschuldigung nicht erscheint, wird auf den Antrag des Staatsanwaltes das erste Mal in eine Strafe von 20 Thlr., das zweite Mal in eine Strafe von 50 Thlr., das dritte Mal in eine Strafe von 100 Thlr. verurtheilt, und das Erkenntniss wird öffentlich bekannt gemacht. Macht sich ein Geschworener zum vierten Male durch sein Nichterscheinen straffällig, so wird er, neben einer Geldstrafe von 100 Thlr., seiner politischen Rechte verlustig erklärt, und das Erkenntniss ebenfalls öffentlich bekannt gemacht Nur der Beweis, dass es dem Geladenen unmöglich war, an dem bestimmten T a g e zu erscheinen, befreit von dieser Strafe; es entscheidet darüber der nach §. 121 zu bildende Gerichtshof, oder, wenn dieser nicht mehr versammelt ist, der Criminalsenat des Obergerichts. Die Ladung eines abwesenden Geschworenen ¡Bt als eine gültige anzusehen, wenn sie auf die im §. 40 Abs. 3 der Strafprocess-Ordnung vorgeschriebene Weise geschehen ist. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 29.) §. 117. Die im §. Geschworener fälschlich hat, und es gebührt die neten Gerichtshofe oder
116 erwähnten Strafen finden auch Anwendung, wenn ein sich eines gesetzlichen Entschuldigungsgrundes bedient Entscheidung hierüber gleichfalls dem im §. 121 bezeichCriminalsenate.
StrafprooeM-Ordnung TOB SS. August 1849.
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(Gesetz Tom 4. Mai 1868, No. 26, §. 30.) §. 118. Erocheinen die Geladenen am T a g e des Gericht« nicht in gehöriger Zahl, so sind die Fehlenden aus der Liste der Ergänzungsgeschworenen, oder, wenn diese erschöpft igt, aus der Liste der Stadt, in welcher die öffentliche Sitzung stattfinde!, durch das Loos zu ersetzen und sofort vorzuladen (§. 114). (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 31.) §. 119. In allen Fällen hat der Präsident des Geschworenengerichts die Befugniss, ungehorsame Geschworene vorfahren zu lassen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 32.) §. 120. Zum Zwecke der Aburtheilung der zur Zuständigkeit des Criminalsenats gehörigen Strafsachen finden, vorbehaltlich der Ausnahmebestimmungen im §. 122, vierteljährlich abwechselnd in Braunschweig und Wolfenbflttel, in sofern Sachen zur Entscheidung vorliegen, oder n ö t i g e n f a l l s , nach dem Ermessen des Criminalsenata des Obergerichts, öfter, öffentliche Sitzungen statt. D e r Criminalsenat des Obergerichts hat solche mit dem Beginne eines jeden J a h r e s fttr die einzelnen Städte öffentlich bekannt zn machen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 33.) §. 121. Der Präsident des Criminalsenats deputirt zu diesen Sitzungen 3 Mitglieder dieses Senats und bestimmt zugleich, ob er selbst, oder welches der übrigen Mitglieder die gesammte Leitung des Hauptverfahrens in den einzelnen Sachen zu abernehmen hat. Die Protokollführung in den öffentlichen Sitzungen liegt einem Secretär des betreffenden Kreisgerichts ob. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 34.) §. 122. I n allen Fällen, wo Störung der öffentlichen Buhe und Ordnung zu besorgen steht, oder wenn aus besonderen Gründen die Aburtheilung eines Straffalls hat vertagt werden mOssen, oder wenn die geringfügige Zahl oder Beschaffenheit der Fälle dies zweckmässig erscheinen lässt und fflr den Angeklagten keine Verlängerung der H a f t damit verbunden ist, oder endlich, wenn die besondere Beschaffenheit des Falles dies zweckmässig erscheinen lässt, kann der Criminalsenat des Obergerichts, mit Zustimmung des Oberstaatsanwalts, die Aburtheilung der Straffälle sowohl auf die nächstfolgende Vierteljahrssitcung verschieben, als auch anordnen, dass die Hanptverhandlung in einer anderen, als der gesetzlich bestimmten Kreisstadt des Herzogthums stattfinde. Titel 3. Oeffentliches mündliches Hauptverfahren. (GeseU vom 4. Mai 1868, No. 26, §. 85.) §. 123. Sind zu der bestimmten Stunde des Gerichtstages, bei gehörig besetztem Gerichte, der Oberstaatsanwalt oder dessen Substitut, wenigstens 24, und falls Ersatzgeschworene erforderlich sind, 28 Geschworene und der Vertheidiger des Angeklagten erschienen, so lässt der Präsident des Gerichtshofes den Angeklagten fesselfrei, jedoch bewacht, vorfahren, erklärt die Sitzung f ü r eröffnet, fordert die Anwesenden auf, die Achtung vor den Gesetzen und dem Gerichte nicht zu verletzen und den Gang der Verhandlungen nicht zu stören, und befragt sodann den Angeklagten um seine persönlichen Verhältnisse. §. 124. Es wird zuvörderst ermittelt, durch Anhörung des öffentlichen Anklägers, Vernehmung des Angeklagten und Befragung der Geschworenen, ob unter ihnen sich solche befinden, die fdr die Sache unzulässig sind. Diese werden
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Braooschweig.
durch Beschluss des Gericht« ausgeschieden und aus der Liste der Ergänzungsgeschworenen ersetzt. Sodann ruft der Secretär nach der Liste die Namen der Geschworenen auf und legt bei d e r Antwort des Geschworenen dessen Namenszettel in eine Urne. Der Präsident oder ein von demselben hiermit zu beauftragender R i c h t e r zieht daraus durch das Loos 12 Geschworene. Diese bilden das Geschworenengericht fflr die betreffende Sache. Ausserdem können nach dem Ermessen des Präsidenten des Gerichtshofes noch zwei Geschworene durch das L o o s auf dieselbe Weise bestimmt werden, um als Ersatzmänner zu dienen. Sie nehmen an der B e r a t h u n g und dem Spruche der Geschworenen nur Theil, wenn im Laufe der Verhandlungen, bis zum Spruche, einem der Geschworenen d e r Dienst unmöglich w i r d , und zwar in der Reihe, in der sie aus der U r n e hervorgegangen sind. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 36.) §. 125. Der öffentliche Ankläger und der Angeklagte können n a c h Ziehung eines Namens den Geschworenen ablehnen, jedoch, bei Verlust dieses Rechts, sof o r t nach der Ziehung. D e r öffentliche A n k l ä g e r erklärt sich zuerst u n d sodann der Angeklagte. Beide können, ein J e d e r sechs, und falls Ersatzgeschworene zu wählen sind, sieben Ablehnungen vornehmen. Sind mehrere Straffällc in einer Sitzung abzuurtheilen, so erfolgt die Bildung der Geschworeneuliste f ü r alle diese Fälle, jedoch f ü r jeden Fall in einem g e s o n derten Acte, vor dem Beginne sonstiger Verhandlungen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 37.) §. 138. Der Präsident fordert nunmehr den Angeklagten a u f , zu erklären, ob er noch etwas vorzubringen habe. Nachdem der Präsident sodann, wenn er dies f ü r nöthig oder zweckmässig findet, oder wenn die Geschworenen einen desfallsigen A n t r a g gestellt haben, den Letzteren die in F r a g e stehenden Gesetze und die rechtliche B e d e u t u n g der gesetzlichen Ausdrücke, nöthigenfalls auch die zum T h a t b e s t a n d e des angeschuldigt e n Verbrechens gehörigen Merkmale, auseinandergesetzt hat, erklärt er die Sache f ü r geschlossen. (Gesetz vom 4. Mai 1858, No. 26, §. 38.) §. 139. Der Präsident entwirft die den Geschworenen vorzulegenden F r a g e n , welche von ihm zu unterschreiben und laut zu verlesen sind. Die Oberstaatsanwaltschaft, sowie der A n g e k l a g t e und dessen Vertheidiger, sind mit ihren Einwendungen gegen die F r a g e n zu hören und berechtigt, die A b änderung derselben und die Stellung anderer F r a g e n zu b e a n t r a g e n . W i r d d e m Antrage nicht widersprochen, so kann der Präsident demselben stattgeben , im entgegengesetzten Falle aber, oder wenn der Präsident den A n t r a g a b l e h n t , entscheidet, falls auf demselben bestanden wird, der Schwurgerichtshof. §. 168a. Wird auf erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, in den Fällen des §. 168 No. 1 und 2 der Strafprocess-Orduung, das Verfahren als nichtig a u f g e hoben, respect. wegen formeller Verstösse im Vor- oder Hauptverfahren auf die Vervollständigung des Vorverfahrens oder Wiederholung des H a u p t v e r f a h r e n s erkannt, so verweist der Cassationshof die Sache, falls die Nichtigkeit in d e r I n competenz des erkennenden Gerichts ihren Grund hatte, an das competente Gericht, anderen Falls aber zur anderweiten Instruirung und respect. E n t s c h e i d u n g entweder an das f r ü h e r e Gericht oder an ein anderes, von ihm zu bezeichnendes Gericht gleichen Ranges. I n den Fällen, in welchen ausnahmsweise dem herzoglichen Stadtgerichte Braunschweig eine erhöhte Competenz beigelegt i s t , wird der Cassationshof die Verweisung an das herzogliche Kreisgericht verfügen, wenn er die wegen formeller Verstösse im Vor- oder Hauptverfahren erforderlich gewordene anderweite I n -
Gesetz vom 32. November 1859.
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strairung und Entscheidung durch das herzogliche Stadtgericht Braunschweig nicht für angemessen erachtet. §. 184a. Die auf Privatanklagen erlassenen Erkenntnisse wird das erkennende Gericht auch ohne den Antrag des Anklägers ungesäumt für vollstreckbar erklären (Strafprocess-Ordnung §. 184). §. 184b. Der Privatankläger verliert das Recht, dem Angeklagten die Strafe ganz oder theilweise zu erlassen, wenn er seine desfaUsige Erklärung nicht innerhalb dreier Tage nach Publication des Erkenntnisses abgiebt §. 192a. In den §. 67 der Strafprocess-Ordnung im dritten Absätze vorgesehenen Fällen richtet sich der zu erhebende Pauschsatz der Kosten nach dem beantragten Strafmasse oder, wenn ein bestimmter Antrag nicht gestellt worden, nach dem geringsten, in die Competenz des Gerichts fallenden Masse. Erfolgt die Zurücknahme der Anklage an dem Termine zur Hauptverhandlung, so wird der Sporteisatz nicht erhoben. §. 192b. Bei Erledigung von Requisitionen nicht braunschweigischer Gerichte sind in Strafsachen die in der Civilprocess-Ordnung vorgeschriebenen Sportein (No. 42 — 46) zu erheben, in sofern die auswärtigen Gerichte solche Requisitionen nicht »portelfrei besorgen. §. 192c. Die Stempelgebühr ist in Strafsachen neben der Sportel zu erheben.
2.
Oesetz, Abänderungen der §§. 160, 161 und 184 der neuen Redaction der Strafprooeaa-Ordnung betreffend, vom 22. November 1859. Wir erlassen zur Ergänzung der durch die Gesetze vom 4. Mai 1858 No. 25 und 26 für die Aburtheilung der schwurgerichtlichen StraffiÜle getroffenen Abänderungen und um in Uebereinstimmung mit diesen Abänderungen das Verfahren bei der Verfolgung von Rechtsmitteln gegen schwurgerichtliche Erkenntnisse und behufs Vollstreckbarkeit derselben — §§. 160, 161 und 184 der StrafprocessOrdnung — zu vereinfachen, mit Zustimmung des Ausschusses der Landesversammlung das nachfolgende Gesetz: §. 1. Das verurtheilende Erkenntniss des Schwurgerichtshofes wird künftig nicht mehr, wie solches die §§. 160 und 184 der Strafprocess-Ordnong vorschreiben, von dem Kreisgerichte, in dessen Kreise das Erkenntniss erfolgt ist, sondern von dem Schwurgerichtshofe selbst, und wenn dieser nach Erledigung der zur Entscheidung vorliegenden Straffelle — § § . 1 2 0 und 121 der neuen Redaction der Strafprocess-Ordnung — nicht mehr versammelt ist, von dem Criminalsenate des Obergerichts näch Massgabe der Bestimmungen im §. 160 und §. 183 der Strafprocess-Ordnung auf Antrag des Anklägers für vollstreckbar erklärt. Bei etwaigem Wechsel der Mitglieder des Schwurgerichtshofes geschieht die Vollstreckbarkeitserklärung durch diejenigen Mitglieder, welche den Schwurgerichtohof zur Zeit des Antrages auf die Vollstreckbarkeitserklärung bilden. §. 2. Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das schwurgerichtliche Erkenntniss und die Ueberreichung der Beschwerdepuucte geschieht in vorschriftsmässiger Weise (§. 160 der Strafprocess-Ordnung) bei dem Secretär des Schwurgerichtshofes, und wenn der Schwurgerichtshof nicht mehr versammelt ist, bei dem Secretariate des Criminalsenats. Der Secretär des Schwurgerichtshofes oder des Criminalsenats hat die Anmeldung und Darstellung der Beschwerdepuncte sammt Acten dem Oberstaatsanwälte zum Zwecke des weiteren Verfahrens nach §. 161 der Strafprocess-Ordnung zu übergeben.
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Brannschweig.
Die Deposition etwaiger vom Schwurgerichtshofe erkannten Geldstrafen (§. 160 Abs. 3 der Strafprvcess-Ordnung) erfolgt bei diesem, und falls derselbe nicht mehr versammelt ist, bei dem Criminalsenate des Obergerichts. Etwa erforderliche Sicherheitsmassregeln werden, so lange das schwurgerichtliche Erkenntnis» noch nicht vollziebar geworden ist (§. 160 Schlusssatz und §. 183 Abs. 1 der Strafprocess-Ordnung) von dem Schwurgerichtshofe und nach dessen Auflösung von dem Criminalsenate des Obergerichts angeordnet. §. 3. Sobald das schwurgerichtliche Erkenntniss für vollstreckbar erklärt ist, werden die Untersnchungsacten von dem Schwurgerichtshofe oder dem Criminalsenate des Obergerichts an den Oberstaatsanwalt abgegeben, welcher dieselben an den Staatsanwalt des Kreises, in welchem die Voruntersuchung geführt ist, behufs Vollziehung des Erkenntnisses zurückgelangen l&sst. §. 4. Soweit die Bestimmungen der §§. 160, 161 und 184 der StrafprocessOrdnung vorstehend nicht abgeändert sind, bleiben dieselben in Kraft. Alle, die es angeht, haben sich hiernach zu achten. Urkundlich Unserer Unterschrift und beigedruckten herzoglichen GeheimeCanzleisiegels. Braunschweig, den 22. November 1859.
3.
Das Geriohtsverfassongsgesetz vom 21. August 1849 ist durch Gesetze vom 31. October 1851 und 30. April 1858 dahin abgeändert: §. 9. Ueber Nichtigkeitsbeschwerden, sowohl in Straf- als Civilsachen, entscheidet ein Cassationshof, welcher gebildet wird aus den drei Präsidenten und den vier dem Dienstalter im herzoglichen Obergerichte nach Ältesten Rithen dieses Gerichts. Als Erg&nzungsrichter fungiren alle übrigen Mitglieder des Obergerichts und werden zugezogen nach dem Dienstalter im herzoglichen Obergerichte. Der Cassationshof ist beschlussfähig, wenn ausser dem Präsidenten noch sechs Mitglieder zugegen sind. §• 21.
1. Die Vorschrift dieses Paragraphen, wonach die Versetzung der Vorsitzenden der Kreisgerichte an ein anderes Kreisgericht, die Versetzung der Kreisrichter an ein anderes Kreisgericht, oder ein Amts- oder Stadtgericht, oder endlich die der Amts- und Stadtrichter an ein Kreisgericht oder an ein anderes Amtsoder Stadtgericht nur zul&ssig ist auf zustimmenden Beschluss des Obergerichts und nachdem der zu Versetzende zuvor gehört worden, wird aufgehoben. 2. In Beziehung auf das im §. 21 bezeichnete Richterpersonal bleibt es der Landesregierung zugleich überlassen, nach freiem Ermessen zu bestimmen, durch welchen anderen Richter die Ersetzung des im Interesse der Rechtspflege zu versetzenden erfolgen solle. Dabei steht es der Landesregierung zugleich zu, dem ersetzenden Richter bis dahin, dass derselbe in eine höhere Gehaltsciasse eintritt, eine besondere Remuneration von 100 Thlr. jährlich zu bewilligen. 3. Die übrigen, die Versetzbarkeit der Richter betreffenden Bestimmungen des §. 21 des Gesetzes über die Gerichtsverfassung, sowie die des §. 31 des Gesetzes über den Civilstaatsdienst vom 12. October 1832 bleiben daneben unverändert in Kraft.
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Gesetz vom 19. M i n 1850. 4.
GeMtx, die gerichtliehe Polizei und die mit deren Aua&bung beauftragten Beamten betreffend, vom 19. K&rx 1850. W i r erlassen mit Zustimmung der Abgeordneten des Landes die folgenden gesetzlichen Bestimmungen: §. 1. Die Aufgabe der gerichtlichen Polizei ist, bei der Entdeckung der Vergehen und Verbrechen, bei der Verfolgung und Ergreifung der Thäter, bei der Erforschung, Sammlung und Sicherstellung der Beweise und Verdachtsgründe, sowie bei der Vollziehung der erkannten Strafen, nach Massgabe der Gesetze mitzuwirken. §. 2. Als Beamte der gerichtlichen Polizei besorgen unter Aufsicht und Leitung der Staatsanwaltschaft die dahin gehörigen Geschäfte: 1. die Ortspolizeibehörden in den Städten und Landgemeinden; 2. die Amtsvoigte; 3. die Officiere und Stationscommandanten des Polizeimilitärs. §. 3. Ferner sind Beamte der gerichtlichen Polizei: a) rücksichtlich der Uebertretungen der Steuer-, Forst- und Jagdgesetze: die mit deren Verfolgung beauftragten Beamten; b) rücksichtlich der Feldwrogen: die Feldhüter. §. 4. Die in den §§. 2 und 3 bezeichneten Beamten haben bei ihren Geschäften die bestehenden Gesetze und Verordnungen, sowie die in deren Gemässheit Ton der herzoglichen Landesregierung zu ertheilenden Instructionen zu befolgen. Sie sind unbeschadet ihrer sonstigen dienstlichen Stellung verpflichtet, den ihnen von dem Staatsanwalte des betreffenden Kreises in Bezug auf die Ausübung der gerichtlichen Polizei ertheilten Anweisungen Folge zu leisten. Gegen den Polizeidirector der Stadt Braunschweig, gegen die Officiere des Polizeimilitärs, sowie gegen die Obersteuer- und Oberforstbeamten hat der betreffende Staatsanwalt die Form der Requisition zu beobachten, er kann aber an die Polizeicommissäre, sowie an die sämmtlichen Stationscommandanten des Polizeimilitärs directe Anweisungen ergehen lassen. Der Oberstaatsanwalt erlässt die erforderlichen Verfügungen an die §§. 2 und 3 genannten Beamten entweder unmittelbar, oder durch den Staatsanwalt des betreffenden Kreises. §. 5. Ausser den richterlichen Behörden und den Staatsanwälten sind bei Betretungen auf frischer That zu Verhaftungen, Haussuchungen, Beschlagnahme von Papieren und Effecten berechtigt und verpflichtet: 1. die Ortspolizeibehörden und die Polizeicommissäre; 2. die Officiere des Polizeimilitärs; 3. die laut §. 12 bei den Amts- und Stadtgerichten bestellten öffentliche« Ankläger. Diese Beamten haben den Verhafteten oder die in Beschlag genommenen Papiere und Effecten binnen 24 Stunden bei der zuständigen richterlichen Behörde zur weiteren Verfügung zu übergeben. Wird von ihnen selbst die Haft- oder Beschlagnahme schon früher aufgehoben, so ist auch in diesem Falle innerhalb 24 Stunden eine Anzeige bei der zuständigen richterlichen Behörde zu machen. Als Betretung auf frischer That ist es im Sinne dieses Gesetzes nicht nur anzusehen, wenn der Thäter bei Ausführung der strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betroffen oder öffentlich verfolgt wird, sondern auch dann, wenn er kurz nach VerÜbung des Vergehens, durch sonstige Verdachtsgründe beschwert, auf der Flucht oder der Flucht verdächtig ist, ferner wenn er kurz nach der That im Besitz von Waffen, Geräthschaften, Schriften oder andern Gegenständen betroffen wird, welche ihn als Urheber oder Theilnehmer verdächtig machen. Sammlung der n. d. Gesetze.
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Braunschweig.
§. 6. Es bleibt unverändert bestehen: a) das Recht zu Verhaftungen auf frischer That, welches den mit der Wahrnehmung der Zoll- und Steuerinteressen beauftragten Beamten in den in den Gesetzen bestimmten Fällen (Zollordnung §. 106, Zollstrafgesctz §. 28) eingeräumt ist; b) das Recht zur Haussuchung bei Verfolgung auf frischer That, welches bei Zoll- und Steuercontraventionen im Grenzgebiete den Stcuerofficianten (Zollgesetz §. 37 und 38), und bei Forst- und Jagdfreveln den Forstbeamten zusteht; c) das Recht der Beschlagnahme, zu dessen Ausübung bei Zoll- und Steuercontraventionen die Steuerofficianten, bei Forst- und Jagdvergehen die Forst- und Jagdbeamten befugt sind; d) das Recht der Feldhüter zu Pfändungen. §. 7. Ferner ist ausnahmsweise das Recht zur Vornahme von Haussuchungen gestattet: a) den Forst- und Jagdbedienten, den Polizeibeamten und dem Polizeimilitär in den in der Verordnung vom 5. Mai 1815 §. 3, in der Verordnung vom 7. Februar 1827 Art. 2, in der Verordnung vom 2. August 1828, 2 und 3, in der Verordnung vom 22. September 1846 Art. 2 und in der Verordnung vom 7. Februar 1831 §. 3 aufgeführten Fällen; b) den Steuerofficianten zufolge der Vorschriften in den §§. 37 und 38 des Zollgesetzes, im Art. 5 des Zollcartells, im §. 48 des Gesetzes über die Maischstcuer, in den §§. 19 und 20 des Gesetzes über die Braumalzsteuer, in den §§. 23 und 24 des unterm 20. November 1845 publicirten Hannoverschen Steuergesetzes; c) den Polizeibehörden nach §. 22 des Criminalgosetzbuches (Gesetz von 1840 p. 244); d) den Feuergeschworenen bei Feuervisitationen sowohl in den Städten als in den Landgemeinden (§. 46 der Feuerordnung für die Landgemeinden vom 15. October 1832); sowie endlich e) dem Polizeimilitär nach §. 18 der Verordnung vom 5. Februar 1816, jedoch nur in den Fällen und Formen, welche die angeführten Gesetze vorschreiben. Die Haussuchung muss, wenn thunlich mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Der besseren Uebersieht wegen sind die im §. G und 7 allegirtcn Gesetzesstellen in der Anlage A beigefügt. §. 8. Abgesehen von den §§. 5—7 bezeichneten Fällen ist die Verhaftung, Haussuchung und Beschlagnahme von Papieren und Effecten nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls zulässig, der auf Verlangen sofort vorgewiesen werden liinss. Bei der Aufhebung sämmtlicher, diesen Bestimmungen entgegenstehender Gesetze und Verordnungen behält es sein Bewenden. §. 9. Bei vorhandenem Verdachte eines begangenen Vergehens oder Verbrechens, desgleichen bei dem Verdachte, dass sich Jemand der erkannten Strafe durch Flucht zu entziehen suche, sind in eiligen Fällen behufs Sicherung der Rechtsverfolgung, a) die Staatsanwälte und b) die §. f> aufgeführten Beamten befugt und verpflichtet, den Verdächtigen dem nächsten zuständigen Gerichte vorführen und bis zu dessen sofort abzugebender Verfügung anhalten zu lassen. Dieselben sind, um diese Vorführung zu bewirken, sowie um den Thatbestand und die Beweismittel zu sichern, berechtigt, unter der obigen Voraussetzung Wohnungen und sonstige Gebäude zu betreten, einem Jeden den Ein- oder Austritt, sowie die Fortschaffung oder sonstige Beseitigung von Papieren und Effecten zu untersagen und zur Aufrechthaltung ihrer Anordnungen die geeigneten Massregeln zu ergreifen.
Gesetz Tom 19. Mfirz 1850. E s ist jedoch ein solches Verbot nicht länger statthaft, als bis die nächste zuständige richterliche Behörde benachrichtigt und deren weitere Verfügung erwirkt werden kann. §. 10. Die im §. 9 erwähnten Befugnisse stehen auch den sämmtlichen übrigen Polizeibeamten, den Unterbeamten der Gerichte und der Polizei, sowie dem Polizeimilitär und den Wachtmannschaften zu, wenn a ) von ihnen ein Verbrecher auf frischer T h a t ergriffen oder verfolgt wird; b ) der Verdacht vorhanden ist, dass Jemand ein Vergehen begangen habe oder sich der erkannten Strafe zu entziehen beabsichtige, und Gefahr im Verzuge ist. Die obigen Officianten haben jedoch in solchem Falle sofort einem der §. 5 bezeichneten Beamten, und zwar dem zunächst wohnenden, Anzeige zu machen, und ihre Anordnungen sind nur so lange zulässig und wirksam, bis einer der bezeichneten Beamten herbeigeholt oder dessen weitere Verfügung erwirkt ist. Dieser Beamte hat eintretenden Falls wegen der erforderlichen richterlichen Verfügung die am Schlüsse der §§. 5 und 9 getroffenen Bestimmungen zu beobachten. §. 11. Die Rechte und Pflichten der Beamten der gerichtlichen Polizei in Bezug auf das Gefängnisswesen werden durch ein besonderes Gesetz bestimmt. §. 12. Bei jedem Amts- nnd Stadtgerichte werden au» den §. 2 unter Nr. 1 — 3 aufgeführten Personen ein oder mehrere öffentliche Ankläger ernannt, die, mit Ausnahme der Zoll- und Steuerdefraudationen sowie der Forst- und Jagdwrogen, in allen zur Competenz der Amts- und Stadtgerichte gehörigen Strafsachen die gerichtliche Verfolgung zu besorgen haben. §. 13. Die Ernennung erfolgt durch die hcrzogl. Landesregierung. In Bchinderungsfällen hat der Staatsanwalt und wenn dieser nicht zeitig mehr benachrichtigt werden kann, das Amtsgericht zur einstweiligen Aushülfe eine andere geeignete Person mit den Geschäften zu beauftragen. §. 14. Die Ortspolizeibeamten sind verpflichtet, das Amt des öffentlichen Anklägers f ü r den Bezirk ihrer Gemeinde zu übernehmen, auch können sie die Aushülfe bei Behinderungsfällen nicht verweigern. §. 15. Ist dem Ortspolizeibeamten das Amt des öffentlichen Anklägers nicht Ubertragen, so hat er auch die Vergehen, welche lediglich gegen die ortspolizeilichen Gesetze, Statuten, Reglements Verstössen, dem öffentlichen Ankläger ungesäumt anzuzeigen. Die gerichtliche Verfolgung dieser Vergehen wird von dem öffentlichen Ankläger nur auf solche Anzeigen vorgenommen. Die über dergleichen Anzeigen der Ortspolizeibehörden von dem öffentlichen Ankläger aufgenommenen Protokolle haben öffentlichen Glauben. 16. Die sämmtlichen Beamten der gerichtlichen Polizei haben sich bei der Erfüllung ihrer Dienstpflichten gegenseitig prompte Hülfe zu leisten, die Unterbeamten der Gerichte, der Polizeibehörden, das Polizeimilitär, sowie eintretenden Falls die bewaffnete Macht sind gehalten, auf ergangene Aufforderung jene Beamten, sowie die richterlichen Behörden unweigerlich zu unterstützen und ihre Weisungen zu befolgen. §. 17. Auch ist jede erwachsene Mannsperson verbunden, den im vorigen §. genannten Beamten und Unterbeamten auf deren Aufforderung bei Ausübung ihrer Dienstobliegenheiten Beistand zu leisten, wenn es sich um Ergreifung oder Verfolgung von Verbrechern auf frischer That handelt, oder wenn Gefahr beim Verzuge ist. Die Erfüllung dieser Bürgerpflicht kann jedoch nur dann gefordert werden, wenn es sich nicht um die gerichtliche Verfolgung von Angehörigen im Sinne des Criminalgesetzbuchs handelt. Wer die Erfüllung- dieser Pflicht ohne genügende Gründe verweigert, wird mit einer Geldstrafe bis 50 Thaler belegt. Bei der Zumessung der Strafe ist vorzugsweise die Wichtigkeit des Falles 19*
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Brannschweig.
und die höhere oder niedrigere dienstliche Stellung des auffordernden Beamten zu berücksichtigen. Im Fall des Unvermögens tritt verhältnissmässigc Gefängnissatrafe ein. §. 18. Die Staatsanwälte, sowie der Oberstaatsanwalt sind befugt, die im §. 2 und 3 bezeichneten Beamten, insofern sie ihren Dienstobliegenheiten bei Ausübung der gerichtlichen Polizei nicht gehörig nachkommen, durch Ordnungsstrafen zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten. Gegen die Officiere des Polizeimilit&rs, die Oberforst- und Obersteuerbeamten und den Polizeidirector der Stadt Braunschweig werden solche Strafverfügungen ausschliesslich von dem Oberstaatsanwalt« erlassen. Die Ordnungsstrafen dürfen, je nachdem sie von den Staatsanwälten oder Oberstaatsanwälten angedroht werden, den Betrag von 10 resp. 25 Thaler für den einzelnen Fall nicht übersteigen. §. 19. Glaubt der Oberstaateanwalt, dass ein Beamter wegen seines Verfahrens bei Ausübung der gerichtlichen Polizei eine eigentliche Disciplinarstrafe verwirkt habe, so ist derselbe verpflichtet, die zuständige Disciplinarbehörde von einem solchen Falle in Kenntniss zu setzen. Auch steht der richterlichen Disciplinarbehörde das Recht zu, bei dem herzoglichen Staatsministerium die disciplinarische Bestrafung eines solchen Beamten zu beantragen. §. 20. Wenn ein Beamter der gerichtlichen Polizei oder ein sonstiger gerichtlicher oder Polizeibeamter bei Ausübung der gerichtlichen Polizei ein Dienstvergehen verübt hat, so wird das gerichtliche Verfahren auf den Antrag des Verletzten von dem betreffenden Staatsanwälte eingeleitet. §. 21. Liegt ein solcher im vorigen §. erwähnter Antrag nicht vor, so erfolgt die Einleitung der Untersuchung wegen der fraglichen Dienstvergehen auf Anweisung oder nach erfolgter Genehmigung des Oberstaatsanwaltes. §. 22. Der Cassationshof ist befugt, gegen den Oberstaatsanwalt, die Staatsanwälte und gegen alle richterlichen und polizeilichen Beamten und Unterbeamten, welche bei Ausübung gerichtspolizeilicher Functionen ein strafbares Dienstvergehen begangen haben, auch von Amtswegen die Einleitung der gerichtlichen Untersuchung zu verfügen, dem Oberstaatsanwälte zu dem Ende die entsprechende Auflage zu ertheilen, nötigenfalls die anderweit erforderlichen Massregeln zu ergreifen. §. 23. Das Gesetz vom 14. Januar 1849, desgleichen alle dem gegenwärtigen Gesetze widerstreitenden älteren gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen werden hiermit aufgehoben. Die gesetzlichen Bestimmungen über die militärischen Vergehen des Polizeimilitärs bleiben unverändert. Alle, die es angeht, haben sich hiernach zu achten. B r a u n s c h w e i g , den 19. März 1850.
5.
Gesetz, die gerichtliche Competenz bei politischen Verbrechen betreffend, vom 9. Februar 1896. §. 1. Uebcr politische Verbrechen (Gesetz vom 21. August 1849 §. 8 Abs. 8), sowie über die in dem letzten Absätze des §. 8 des Gesetzes vom
Gesetz zom 4. Mai 1858.
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21. August 1849 aufgeführten Verbrechen, erkennen die nach der Griese der Strafe zuständigen Gerichte. (Strafpr ocess-Ordnung §. 11, Gesetz vom 30. October 1851 No. 45 §. 2 und 3.) §. 2. D e r §. 8 des Gesetzes yom 21. August 1849, soweit er diesen Bestimmungen entgegensteht, wird hierdurch aufgehoben.
6.
Oesetz, die Zuständigkeit des Criminalsenats des Obergericht« in Strafsaehen and der Schwurgerichte betreffend, vom 4. Mai 1858. §. 1. Ueber alle mit Zuchthaus-, Ketten- oder Todesstrafe bedrohten Verbrechen; imgleichen aber Amtsverbrechen, welche mit Dienstentsetzung oder Dienstentlassung, als selbstständigen Strafen, bedroht sind, oder über Amtsverbreehen und aber gemeine Verbrechen, deren Bestrafung Dienstentsetzung oder Dienstentlassung zur Folge h a t ; sowie in den in dem Art. 47 des Landtagsabschiedes vom 11. Juli 1823 und in den §§. CO und 62 des Staatsdienstgesetzes vom 12. October 1832 vorgesehenen Fällen; erkennt, mit Zuziehung von Geschworenen, ein Gerichtshof, welcher besteht: aus dem Präsidenten des Criminalsenats des Obergerichts oder einem Richter desselben als Vorsitzenden, und zwei Richtern dieses Senate. Die Bestimmung der Richter steht dem Präsidenten des Criminalsenats zu. Ein Richter des Kreisgerichts, an dessen Sitze die Verhandlung statt hat, kann, wenn - der Vorsitzende des Schwurgerichts es nöthig findet, diesem beigegeben werden, um bei etwaigen Verhinderungsfällen Aushälfe zu leisten. Einfache, keine Nichtigkeit begründende Beschwerden in Beziehung auf das Verfahren des Schwurgerichtshofes sind, nach Beendigung des Straffalls, bei dem Anklagesenate des Obergerichts anzubringen und von diesem zu entscheiden. §. 2. Der Schwurgerichtshof tritt auf Anordnung des Criminalsenats des Obergerichts abwechselnd in Braunschweig und WolfehbOttel zusammen, vorbehaltlich der Ausnahmebestimmungen, welche der §. 34 des Gesetzes, Abänderungen der Strafprocess-Ordnung betreffend, enthält. §. 3. Die, zufolge der Bestimmungen dieses Gesetzes, nicht mehr an die Schwurgerichte verwiesenen Sachen gehören künftig zur Zuständigkeit der Kreisgerichte. In allen der Competenz der Kreisgerichte aberwiesenen Strafiällen, welche mit Zwangsarbeit a b e r 1 J a h r oder mit Gef&ngniss ü b e r 3 Jahre bedroht sind, haben jedesmal drei o r d e n t l i c h e Richter die Entscheidung abzugeben. Von diesen drei ordentlichen Richtern kann, im Falle der Behinderung, e i n e r auch durch einen Aushülfsrichter ersetzt werden. Ueber eine solche Zuziehung des AushOlfsrichters trifft der Vorsitzende des Kreisgerichts Bestimmung nach pflichtm&ssigem Ermessen; die Veranlassung der Zuziehung des Aushttlfsrichters ist jedoch im Sitzungsprotokolle zu bemerken. §. 4. Die diesen Bestimmungen entgegenstehenden gesetzlichen Vorschriften werden hierdurch aufgehoben. §. 5. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1859 in K r a f t Alle Strafsachen, in welchen am 1. Januar 1859 ein schwurgerichtliches E r kenntniss noch nicht abgegeben ist, gehen an das Gericht aber, zu dessen Zuständigkeit dieselben gehören.
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Sachsen-Weimar und Schwarzburgische Fürstenthümer.
In solchen, künftig zur Coinpetenz der Kreisgcrichte gehörigen Strafsachen, in denen am 1. Januar 1859 ein Anklageerkenntniss de« Anklagesenat« deB Obergerichts bereits erfolgt ist, hat das betreffende Kreisgericht die vom Oberstaatsanwälte etwa bereits erhobene, oder die von dem Staatsanwalt« noch zu erhebende Anklage dem Verfahren zum Grunde zu legen.
XIa.
Sachsen-Weimar und
Xlb.
Schwarzburgische Fürstenthümer. Gesetz vom 9. December 1864, die Abänderung der Strafproceai-Ordnimg und Gebührentaxe betreffend. Gleichlautend in Schwarzburg - Rudolitadt unter dem 24. November 1854 and in Schwarzburg- Sondershauien unter dem 10. December 1864 publicirt Statt des Artikels 2 vom Anfange bis zu den Worten: „4. alle Polizeivergehen ohne Rücksicht auf die Grösse der Strafe." §. 1. Die Verbrechen werden in Rücksicht auf das Strafverfahren in V e r b r e c h e n im engeren Sinne, in V e r g e h e n und in U e b c r t r e t u n g e n eingetheilt. I. Verbrechen im engeren Sinne sind: 1. Alle Verbrechen, welche einem Strafsatze von Zuchthaus unterliegen, gleichviel, ob Zuchthaus allein oder in Verbindung mit anderen Freiheitsstrafen angedroht ist, jedoch mit Ausnahme der in dem Artikel 221 des Strafgesetzbuches aufgeführten ausgezeichneten Diebstähle in einem Betrage von fünfzig Thalern und weniger; 2. alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatzc zu beurtheilen sind, der über vierjährige Arbeitshausstrafe hinaufgeht, jedoch mit Ausnahme der in den Artikeln 216 No. 4, 222, 223, 224 und 228 des Strafgesetzbuches angeführten Diebstähle; 3. die unter Artikel 197 Ziffer 1 und unter Artikel 199 des Strafgesetzbuches fallenden Verbrechen, das Letztere indessen nur, soweit es sich auf Artikel 197 Ziffer 1 bezieht. II. Alle nicht zu dem Verbrechen im engeren Sinne gehörige Verbrechen, insbesondere auch alle mit Geldstrafen allein bedrohten, sind V e r g e h e n , sofern sie nicht zu den Uebertretungen zu rechnen sind.
Gesetz vom 9. December 1854.
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I I I . Uebertretongen sind: 1. Alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatze vpn höchstens sechs Wochen Gefängnis« allein oder wahlweise mit verhältnissm&ssiger Geldstrafe zn bestrafen sind. 2. Ehrenkränkungen nnter den im Artikel 370 der Strafprocess-Ordnung nnd §. 89 dieses Gesetzes bestimmten Einschränkungen; 3. der Verwandtendiebstahl und die Entwendung von Lebensmitteln (Artikel 229 Abs. 1 und Artikel 230 des Strafgesetzbuches, §. 11 Schlusssatz des Gesetzes zum Schutze der Holzungen u. s. w., sowie die in den Artikeln 234 und 237 des Strafgesetzbaches bezeichneten Veruntrauungen und betrügerischen Handlungen, in sofern alle diese Verbrechen nicht sonst nach den Artikeln 218—226, 233, 240 und 241 ausgezeichnete sind und der Betrag ihres Gegenstandes fünf Thaler nicht übersteigt; 4. die in dem Art. 256 des Strafgesetzbaches erwähnten Fälschungen; 5. Defraudation von Wege- und Gemeindeabgaben; 6. alle Polizeivergehen. Die Zuständigkeit der Strafgerichte rttcksichtlich der Beeinträchtigung der Regalien, der Stener- und Zollcontraventionen, sowie anderer Defraudationen öffentlicher Abgaben richtet sich, vorbehaltlich der Bestimmung unter I I I . Ziffer 5 nach den Competenzvorschriften bei Verbrechen. Statt des Absatzes 2 des Artikels 3. §. 2. Die Voruntersuchung hat die Existenz und Natur des Verbrechens, sowie die Person des Thäters und die zu seiner Ueberführung dienenden Beweismittel soweit zu erforschen, dass entweder eine Anklage begründet und die Hauptverhandlung vorbereitet, oder der Ausspruch herbeigeführt wird, dass ein Grund zn weiterer gerichtlicher Verfolgung nicht vorliege. Bei Vergehen genOgen die von der Staatsanwaltschaft durch Einzelrichter oder durch Polizeibeamte veranlassten Ermittelungen zur Vorbereitung der Hauptverhandlung, und es kann auf dem Grunde solcher Ermittelungen die sofortige Erhebung der Anklage erfolgen, ohne dass es einer vorgängigen Vorlegung der aufgenommenen Verhandlungen an den Untersuchungsrichter bedarf. Zu Artikel 12. §. 3. Als Untersuchungsrichter können auch andere zum Richterarate befähigte Personen bestellt werden. Zu Artikel 13. §. 4. Die Ausschliessung der Einzelrichter und Untersuchungsrichter von der Thätigkeit als Mitglieder des Collegiums beschränkt sich auf die richterliche Mitwirkung in der Hanptverhandlung. Zu Artikel 16 statt Absatz 2. §. 5. Das Appellationsgericht bestimmt nach Anhörung des Oberstaatsanwaltes die Zeit und den Ort des Zusammentrittes der Geschworenengerichte in den einzelnen Geschworenenbezirken; es müssen jedoch in jedem Geschworenenbezirke jährlich mindestens zwei Geschworenengerichte abgehalten werden. Zu Artikel 18.
An die Stelle der Schlussbestimmung: „vorbehaltlich — Präsidenten", welche wegfällt, tritt folgende Vorschrift:
§. 6. Ueber die Zulassung der später noch abgegebenen Sachen befindet der Präsident des Geschworenengerichtes im Einverständnisse mit dem Oberstaatsanwälte; bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das Appellationsgericht Zu Artikel 19. §. 7. Das Appellationsgericht hat vor der Beschlussfassung den Oberstaatsanwalt mit seinen Anträgen zu hören.
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Sachsen-Weimar und Schwarzburgische Fürstentümer. Zu Artikel 23.
§. 8. Zu dem Amte eines Geschworenen können auch werden: a) die Geistlichen aller Kirchen und Religionsgesellschaften; b) die im activen Dienste stehenden Militärpersonen; c) die Volksschullehrer; d) die Dienstboten. Zu Artikel 25, statt des ersten, die Fälle der Ablehnungsbefugniss Absatzes.
nicht
berufen
enthaltenden
§. 9. Zur Ablehnung des Amtes eines Geschworenen sind berechtigt: 1 diejenigen, welche das sechszigste Lebensjahr zurückgelegt h a b e n ; 2. diejenigen, welche durch ein Zeugniss ihres Gemeindevorstandes nachweisen, dass sie den mit dem Amte eines Geschworenen verbundenen Aufwand aus eigenen Mitteln zu tragen ausser Stande sind; 3. diejenigen, welche H a u p t - oder Ergänzungsgeschworene (Artikel 3 0 und 3 2 ) gewesen s i n d ; die Ersteren f ü r ein J a h r und die Letzteren f ü r drei Monate von dem Ende des Geschworenengerichtes an, bei welchem sie als Geschworene zugegen w a r e n ; 4. Anwälte und Aerzte; 5. Hof-, Staats- und Gemeindebeamte, welche durch ein Zeugniss ihrer vorgesetzten Behörde ihre Unentbehrlichkeit im Dienste bescheinigen. Statt des Artikels 32. §. 10. Die Hauptgeschworenen f ü r das einzelne Geschworenengericht werden in folgender Weise bestimmt: Wenigstens vierzehn Tage vor dem Beginne eines Geschworenengerichts loost das Appellationsgericht im Beisein des Oberstaatsanwalts zweiundsiebenzig Namen von den auf der Jahresliste des Geschworenenbezirks verzeichneten Personen aus. Zu diesem Zwecke werden so viele Nummern, als Personen auf der Jahresliste stehen, in eine Urne gethan und davon zweiundsiebenzig durch den Präsidenten des Appellationsgerichts herausgezogen. Von den unter diesen Nummern auf der Jahresliste stehenden Personen wählt der Präsident des Appellationsgerichts nach seinem Ermessen sechsunddveissig aus, welche die Hauptgeschworenen des einzelnen Geschworenengerichts sind. Zu Artikel 33 statt des Schlussabsatzes. §. 11. Die Liste der Hauptgeschworenen und der Ergänzungsgeschworenen ist den Angeklagten, welche vor dem Geschworenengerichte zu erscheinen haben, spätestens am dritten T a g e vor der sie betreffenden Hauptverhandlung auf Anordnung des Präsidenten des Gerichtshofes mitzutheilen. Zu Artikel 34 §. 12. Ueber die Entsehuldiguugsgrüncle derjenigen Geschworenen, welche ausgeblieben 6ind, oder welche Entlassungs- oder IJeurlaubungsgesuche vorbringen, beschliesst der Gerichtshof nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und macht die Entscheidung in öffentlicher Sitzung bekannt. Ueber solche Entlassungs- und Beurlaubungsgesuche, auf welche noch vor Eröffnung des Geschworenengerichts Bescheid ertheilt werden k a n n , ist sogleich von dem Appellationsgerichte nach Gehör des Oberstaatsanwalts zu entscheiden; es sind jedoch auch in diesem Falle die Gesuche und Entscheidungen mit ihren Gründen bei Eröffnung des Geschworenengerichts in öffentlicher Sitzung bekannt zu machen. §. 1-3. D e r erste Satz im Artikel 39 der Strafprocess-Ordnung fällt weg.
O e n t i TOB 9. Deoember 1854.
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Zu Artikel 42, statt des ersten Satzes von den W o r t e n : „Für einzelne — beauftragen1* and za Artikel 43 Absatz 2. §. 14. Der Oberstaatsanwalt kann' Beamte der Staatsanwaltschaft mit einstweiliger Vertretung seiner selbst, sowie mit der Stellvertretung für andere Staatsanwälte beauftragen. Statt des Artikels 45. §. 15. Die Beamten der Staatsanwaltschaft vertreten, ein jeder in dem ihm zugewiesenen Geschäftskreise, den durch das vorgekommene Verbrechen verletzten Staat. Sie haben bei allen zu ihrer Kenntniss kommenden Verbrechen, welche nicht blos anf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, amtshalber dafür zu sorgen, dass dieselben untersucht und bestraft werden, zugleich aber anch zu wachen, dass Niemand schuldlos verfolgt werde. Sie haben darauf zu sehen, dass die Untersuchung den gesetzmässigen Gang einhalte und alle erforderliche Mittel benutzt werden. Sie haben das Recht, auch im Interesse des Angeklagten Rechtsmittel einzulegen. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, alle ihr erforderlich scheinende Anträge zu stellen, welche auf die Vorbereitung, Einleitung und Führung einer Untersuchung, auf die gerichtlichen Verfügungen und Beschlttsse in derselben, Bezug haben. Anträge stellt sie schriftlich oder mflndlich. In gleicher Weise giebt sie Erklärungen Aber Antrüge und Beschwerden des Angeschuldigten oder anderer Personen und aber Anfragen des Gerichts ab. Den Berathungen eines Gerichts Uber Gegenstände, bei denen die amtliche Thätigkeit der Staatsanwaltschaft eintritt, mit Ausnahme der bei einer Hauptverhandlung und in der Rechtgmittelinstanz nach vorgängiger mündlicher Verhandlung vorkommenden Berathungen, kann der zuständige Beamte der Staatsanwaltschaft beiwohnen; vor der Abstimmung hat er sich zu entfernen. Nimmt die Staatsanwaltschaft Unregelmässigkeiten oder Verzögerungen wahr, so hat sie auf geeignete Weise deren Abstellung zu veranlassen und erforderlichen Falls dem Oberstaatsanwälte Auzeige zu machen, damit dieser weitere Schritte bei dem Appellationsgericht thun könne. Die Beamten der Staatsanwaltschaft können innerhalb ihres Gcschäftskreises von den Gerichten jeder Zeit Einsicht oder Mittheilung der Acten begehren, ohne dass jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf. Zu Artikel 69. §. 16. Ueber die Zulässigkeit einer Ablehnung von Mitgliedern des Kreisgerichts, des Appellationsgerichts und des Gerichtshofes eines Geschworenengerichts entscheidet dasjenige Collegium, dessen Mitglieder abgelehnt werden, mit Ausschluss der Abgelehnten selbst, sofern nur drei stimmfähige, nicht abgelehnte Mitglieder zur Beschlussfassung übrig bleiben. Ist Letzteres nicht der Fall, so tritt die Vorschrift des Artikels 69 der Strafprocess-Ordnung ein, jedoch mit der Abänderung, dass bei Ablehnung von Mitgliedern des Gerichtshofes das Appellationsgericht zu entscheiden hat. Das Letztere hat auch dann die Entscheidung zu geben, wenn vor Zusammentritt des Geschworenengerichts gegen Mitglieder des Geschworenengerichtshofes Ablehnungen vorgebracht werden. Statt des Artikels 70. §. 17. Diejenigen Mitglieder eines Kreisgerichts oder Appellationsgerichts, welche an der Fällung eines Verweisungsbeschlusses, wodurch der Angeschuldigte in Anklagestand versetzt wurde, Theil genommen haben, können von dem Angeklagten blos aus diesem Grunde fflr die Hauptverhandlung n i c h t abgelehnt werden.
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Sachsen-Weimar und Schwarzburgische Fürstenthümer. Zu Artikel 81.
§. 18. Die Vorschrift im letzten Absätze dieses Artikels gilt blos för den Fall, d«M der Staatsanwalt Einleitung der Voruntersuchung bei dem Untersuchungsrichter beantragt Zu Artikel 86, statt des zweiten Absatzes. §. 19. Die zur gerichtlichen Verwahrung genommenen Gegenstände sind in der Weise zu bezeichnen, dass Verwechselungen nicht stattfinden können. Zu Artikel 88 Absatz 3. (. 20. Dem Betheiligten oder dessen Anwalte wird die Einsicht der Untersuchungsacten nur an Gerichtsstelle gestattet. Zu Artikel 93. §. 21. Die Unterschrift der vernommenen Personen ist dann nicht nothwendig, wenn der Beamte und zugleich ein Protokollfahrer das Protokoll unterzeichnen. Zu Artikel 108, statt Ziffer 1. §. 22. 1. wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathslos, als einen herumziehenden Lebenswandel führend, wegen der Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig ist. Zu Artikel 117. §. 23. Die Vernehmung des Angeschuldigten ist nothwendig: 1. wenn der Angeschuldigte sich in Untersuchungshaft befindet; oder 2. wenn die Voruntersuchung ein Verbrechen im engeren Sinne zum Gegenstande hat, und der Angeschuldigte nicht etwa flüchtig ist oder aus einem anderen Grunde erlangt werden kann. Statt des Artikels 131. §. 24. Die Untersuchungshaft des Angeschuldigten ist nur s t a t t h a f t , m u s s dann aber auch eintreten, wenn der Angeschuldigte nach seiner Vernehmung des ihm Bchuld gegebenen Verbrechens noch ferner verdächtig bleibt, kein sicheres Geleit erlangt hat und entweder 1. die Untersuchung sich auf ein Verbrechen im engeren Sinne bezieht, oder 2. zu besorgen steht, dass der Angeschuldigte durch Verabredung mit Mitschuldigen, oder mit Zeugen, oder durch Vernichtung der Spuren des Verbrechens die Untersuchung vereiteln oder erschweren werde; oder 3. der Angeschuldigte Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, wegen herumziehenden Lebenswandels, wegen der Schwere des Vergehens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig scheint. Zusatz zu Artikel 137. §. 25. Im Uebrigen richtet sich die Ordnung und Disciplin in den Untersuchungsgefängnissen nach den für diese bestehenden Hausordnungen. §. 26. Die im Art. 148 Abs. 3, Art. 157 Abs. 1, Art. 169 Abs. 1 enthaltene Vorschrift, wegen Zuziehung von Urkundspersonen, ist aufgehoben. Zu Artikel 160. §. 27. Der vorgängigen Namhaftmachung der zuzuziehenden Sachverständigen bedarf es nicht,
Gesetz vom 9. Detern ber 1869.
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Zu den Artikeln 179 ff, 189, 216 and 244. §. 28. Die Mitglieder der landesherrlichen Familie werden in ihren Wohnungen vernommen. Die Eidesformel wird ihnen von dem mit der Vernehmung beauftragten Richter vorgelesen and snr eigenhändigen Unterschrift vorgelegt. Zar Haaptverhandlung werden sie nicht vorgeladen, sondern es soll stets nur die von ihnen zu Protokoll gegebene Aussage verlesen werden. Statt des Artikels 189. §. 29. Die Vereidung der Zeugen unterbleibt nicht blos, wenn dieselben eidesunmflndig oder eidesunAhig sind, sondern auch, wenn der Bichter wegen der besonderen Beziehungen des Zeugen zu den in der Untersuchung befangenen Personen, oder zu den in dieser verhandelten Verhältnissen die Vereidung für bedenklich halt Die Vereidung der Zeugen erfolgt vor oder nach Abhörung derselben, nachdem sie zur Aussage der Wahrheit ermahnt und vor Begehung eines Meineides oder leichtsinnigen Eides verwarnt worden sind. Die Eidesformel richtet sich nach den sonst darüber bestehenden gesetzlichen Vorschriften, nach denen auch zu beurtheilen ist, inwiefern nach besonderen Religionsgrunds&tzen andere Versicherungen einem Eide gleich stehen. Der Zeuge schwört: „auf die an ihn gerichteten Fragen ohne Gunst, ohne Hass und ohne Furcht die ganze und lautere Wahrheit und Nichts als die Wahrheit zu sagen", oder — wenn die Eidesleistung n a c h der Abhörung erfolgt — .gesagt zu haben". Anstatt der Artikel 193—215. I. S c h l u s s der V o r u n t e r s u c h u n g . §. 30. Die Voruntersuchung wird geschlossen, sobald der Zweck derselben (§. 2 zu A r t 3) erreicht ist II. A n t r & g e d e r S t a a t s a n w a l t s c h a f t u n d A n k l a g e s c h r i f t . §. 31. Nach dem Schlüsse der Voruntersuchung hat der Staatsanwalt, insofern nicht Antrtge auf Vervollständigung der Untersuchung zu stellen sind, bei Verbrechen, welche vor das Kreisgericht gehören, die Anklageschrift zu fertigen und nebst den Acten dem Kreisgerichte zur Beschlussfassung über die Verletzung in den Anklagestand und die Anberaumung einer Hauptverhandlung mitzutheilen. Hält der Staatsanwalt dafür, dass die Hauptverhandlung vor ein Geschworeaengericht gehörig sei, so hat er die Acten dem Oberstaatsanwalt« ainzusenden, »elcher dieselben der Anklagekammer des Appellationsgerichts mit dem durch tine Darstellung derjenigen Thatsachen, welche den Gegenstand der Anklage bilden s o l l e n , zu begründenden Antrage aberreicht: bestimmte Angeschuldigte wegen bestimmter Verbrechen auf dem Grunde der zu bezeichnenden Strafgesetze in den Anklagestand zu versetzen and vor das Geschworenengericht zu Terweisen. Hat die Anklagekammer die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen (§§• 36, 37), so hat der Oberstaatsanwalt die Anklageschrift zu fertigen and diese lebst den Acten dem Prtsidenten des Gerichtshofes mitzutheilen. Hält die Staatsanwaltschaft dafür, dass die Einstellung der Untersuchung zu beantragen sei, so kommen die Vorschriften des A r t 95 zur Anwendung. §. 32. Eine A n k l a g e s c h r i f t i s t b e i S t r a f e d e r N i c h t i g k e i t erforderIch. Die Anklageschrift wegen eines vor das Geschworenengericht verwiesenen Verbrechens soll enthalten: 1. den Namen des Angeschuldigten und dessen persönliche Verhältnisse;
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Sachsen-Weimar nnd ßchwarabargische Fürstentümer.
2. eine Darstellung derjenigen Thatsachen, welche das, den Gegenstand der Anklage bildende Verbrechen begründen sollen, mit den etwaigen erschwerenden oder mildernden Umständen; 3. die Anklage in der Weise, dass der Angeschuldigte wegen des fraglichen, nach seinen thats&chlichen Bestandteilen anzugebenden Verbrechens angeklagt werde, das gleichfalls hier anzugebende Strafgesetz, oder eventuell ein anderes zu benennendes Strafgesetz verletzt zu haben; 4. zum Schlüsse sind die Beweismittel anzugeben, welche bei der künftigen Hauptverhandlung gebraucht werden sollen. Insbesondere sind die Namen und der Aufenthaltsort der Belastungs- und Vertheidigungs-Zeugen und der Sachverständigen, deren Abhörung die Staatsanwaltschaft bei der Hauptverhandlung verlangt, oder bei denen sie sich mit Vorlesung ihrer bereits in der Voruntersuchung enthaltenen Aussagen begnügen will, anzugeben. Die Anklageschrift wegen eines Verbrechens, welches vor das Kreisgericht zu verweisen ist, soll die vorstehend unter 1, 2 und 4 angegebenen B e s t a n d t e i l e enthalten, statt der förmlichen Anklage unter 3 jedoch nur das Verbrechen und das verletzte Strafgesetz bezeichnen. HI.
E n t s c h e i d u n g e n des K r e i s g e r i c h t s und der des Appellationsgerichts.
Anklagekammer
§. 33. Die Berathung der Anklagekammer Ober die Versetzung in den Anklagestand erfolgt in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts, welcher nur bei der Abstimmung nicht gegenwärtig ist. In gleicher Weise kann der Staatsanwalt den Berathungen des Kreisgerichts über Verweisung einer Sache zur Hauptverhandlung beiwohnen. Findet die Anklagekammer oder das Kreisgericht bei diesen Berathungen, dass die Voruntersuchung noch einer Vervollständigung bedarf, so wird dieselbe durch die Staatsanwaltschaft veranlasst. §. 34. Hält die Anklagekammer dafür, dass die Sache, weil sie kein Verbrechen im engeren Sinne betrifft, nicht vor das Geschworenengericht, sondern, weil ein Vergehen in F r a g e steht, vor das Kruisgericht, oder wegen dessen Unzuständigkeit vor ein anderes Kreisgericht, oder weil eine Uebertretung vorliegt, vor einen Einzelrichter gehörig sei, oder hält das Kreisgericht dafür, dass die Sache vor das Geschwornengericht, oder vor ein anderes Kreisgericht, oder vor einen Einzelrichter gehöre: so ist dieses auszusprechen und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. Verweisungen durch die Anklagekammer an die dem Appellationsgerichte untergeordneten Kreisgerichte oder Einzelrichter binden diese, und Verweisungen der Kreisgerichte an die ihnen untergeordneten Einzelrichter binden ebenfalls diese Letzteren. Bei anderen Verweisungen ist erforderlichen Falles der Streit über die Zuständigkeit nach Art. 63 zu erledigen. Die Verweisung wegen Nichtzuständigkeit hat keine Nichtigkeit der bisherigen Voruntersuchung zur Folge, vielmehr hat das Gericht, an welches verwiesen worden ist, auf dem Grunde derselben weiter zu verfahren. Sind mehrere Verbrechen Gegenstand der Voruntersuchung, und ist das Geschworenengericht rücksichtlich eines oder mehrerer, rücksichtlich anderer das Kreisgericht oder ein Einzelrichter zuständig, ingleichen, wenn das Kreisgericht rücksichtlich einzelner, nnd rücksichtlich anderer ein Einzelrichter zuständig ist, soll die Zuständigkeit des höheren Gerichts auch auf diejenigen Verbrechen erstreckt werden, welche eigentlich vor den niederen Richter gehörig sind, und es soll daher eine t e i l w e i s e Verweisung der Sache vor einen niederen Richter nicht eintreten. Ausgenommen sind jedoch hiervon diejenigen Fälle, in welchen schon nach dem zweiten und dritten Absätze des Art. 56 eine Erstreckung des Gerichtsstandes ausgeschlossen ist. §. 35. Findet die Anklagekammer oder das Kreisgericht, dass die in dem
Otesetx Tom 9. Deoember 18M.
SOI
Antrage oder der Anklageschrift angefahrte That durch kein Strafgesetz verboten ist, oder dass der Staatsanwalt ohne den erforderlich gewesenen Antrag eines Betheiligten, oder umgekehrt ein Privatankläger an der Stelle des Staatsanwalts aufgetreten ist, wo nur Letzterer hätte auftreten können, oder dass es an Beweismitteln fehlt, um den Angeschuldigten fQr dringend verdichtig halten zu können, oder dass dieser in Folge unzweifelhafter Thatsachen als straflos erscheint, so ist die Entscheidung zu geben: dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei. Die Entscheidung kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass zuvor Zeugen, welche zu.Gunsten des Angeschuldigten ausgesagt haben, ihre Aussagen eidlich bekräftigen. Dann hat der Untersuchungsrichter die Entscheidung erst nach erfolgter Vereidung dem Angeschuldigten bekannt zu machen. Kann die Vereidung nicht erfolgen, oder Andern die Zeugen ihre froheren Aussagen: so ist eine anderweite Entscheidung einzuholen. Ist bei einem abwesenden Angeschuldigten zu vermuthen, dass im Falle seiner Wiedererlangung der gegen ihn streitende Verdacht sich erhöhen werde, so kann statt der Entscheidung, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, beschlossen werden, dass die Sache bis zur Wiedererlangung des Angeschuldigten auf sich beruhen solle. §. 36. Treten die in dem vorigen Art. gedachten Fälle nicht ein, und erscheint der Angeschuldigte insbesondere dringend verdächtig, so ist ein V e r w e i s u n g s b e s c h l u s s auf Versetzung des Angeschuldigten in den Anklagestand zu ertheilen. Der Verweisungsbeschluss hat den Namen des Angeschuldigten, das ihm zur Last gelegte Verbrechen und das Strafgesetz, nach welchem es zu bestrafen ist, zu bezeichnen. In der Bezeichnung des Verbrechens und des Strafgesetzes ist das Gericht nicht an die Anträge der Staatsanwaltschaft gebunden. Auch ist eine eventuelle Bezeichnung des Verbrechens und der anzuwendenden Strafgesetze zulässig. Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Benutzung von Beweismitteln in der Hauptverhandlung dttrfen nicht abgelehnt werden. Das Gericht kann jedoch von Amtswegen die Benutzung von Beweismitteln in der Hauptverhandlung, welche die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat, und die es für erforderlich erachtet, namentlich die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen, oder auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. §. 37. Die in den §§. 3 4 — 3 6 gedachten Entscheidungen sind bei Strafe der Nichtigkeit mit den Unterschriften der Gerichtsmitglieder, welche an der Beschlussfassung Theil genommen haben, zu versehen. Weicht die Entscheidung des Gerichts von den Anträgen der Staatsanwaltschaft ab: so ist dieselbe der Letzteren sofort mitautheilen. Die Anklagekammer theilt den Verweisnngsbeschluss nebst den Acten dem Oberstaatsanwälte mit, welcher sodann die Anklageschrift zu entwerfen hat §. 38. Die Anklageschrift und der Verweisungsbeschluss ist dem Angeklagten, bei Strafe der Nichtigkeit — vorbehaltlich des Verfahrens bei abwesenden Angeklagten (Art. 218 und §. 55 unten) — mit der mündlichen oder schriftlichen Aufforderung mitzutheilen, diejenigen Beweismittel, welche er zur Hauptverhandlung herbeigeschafft, insbesondere die Zeugen, welche er vorgeladen zu sehen verlangt, binnen einer zu bestimmenden Frist anzugeben, damit dieselben zur Hauptverhandlung herangezogen werden können. Dem Angeklagten ist dabei zu bemerken, dass, wenn er die Benennung der Beweismittel in der gestellten Frist versäumt, ihm fiberlassen bleibe, dieselben zur Hauptverhandlung selbst mitzubringen. Der Verweisungsbeschluss kann auch durch Vorlesen bekannt gemacht werden. Die Ladung zur Hauptverhandlung wird entweder mit Zufertigung der Anklageschrift verbunden, oder sie erfolgt später.
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Sachsen-Weimar und Schwarztrargische Fflrstenthümer.
Die dem Angeklagten gesetzte Frist kann nach Befinden einmal verlängert werden. Die Mittheilung der Anklageschrift und des Verweisungsbeschlusses geschieht durch den Untersuchungsrichter, wenn nicht gleichzeitig die Ladung znr Hauptverhandlung erfolgt. IV.
V e r t h e i d i g u n g des
Angeschuldigten.
§. 39. Zur Fahrung von Vertheidigungen befugt sind die angestellten Anwälte, und die sonst von Staatswegen zu Vertheidigungen befähigten Personen. Staatsdiener, welche die juristische Staatsprüfung bestanden, oder den juristischen Doctorgrad erlangt haben, sind den zu Vertheidigungen befähigten Personen gleich zu stellen. Sie können jedoch, wenn sie nicht in einem der im Art. 65 gedachten Verhältnisse zu dem Angeschuldigten stehen, sich nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde mit einer Verteidigung befassen. §. 40. Der Angeschuldigte kann nach geschlossener Voruntersuchung sich mit seinem Vertheidigcr ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen. Von derselben Zeit ist die Einsicht der Acten dem Vertheidiger, auch, sofern nicht besondere Grfinde entgegenstehen, dem Angeschuldigten, diesem jedoch nur unter Aufsicht, und Beidun nur an Gerichtsstelle zu gestatten. Der Vertheidiger oder der Angeschuldigte kann von dem ihn nothwendig scheinenden Actenstücken Abschriften nehmen oder nehmen lassen. Von Gutachten der Sachverständigen sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu ertheilen. §. 41. Anträge des Angeklagten oder seines Vertheidigers auf Heranziehung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung sind der Staatsanwaltschaft bei Strafe der Nichtigkeit mitzutheilen. Ueber diese Anträge entscheidet das Kreisgericht in Fällen, die vor dasselbe verwiesen sind, in den Fällen dagegen, die vor dem Geschworenengerichte verhandelt werden, die Anklagekammer, oder wenn der Gerichtahof bereits zusammengetreten ist, dieser. Die Thatsachen, worOber ein Beweismittel erhoben werden soll, müssen bestimmt bezeichnet sein. Werden dieselben nicht für erheblich erachtet, und wird deshalb der Antrag des Angeklagten abgelehnt: so ist dieses demselben zu eröffnen, und es bleibt ihm unbenommen, die Beweismittel selbst zur Hauptverhandlung herbeizuschaffen, in welcher dann das Gericht entscheidet, ob es die herbeigeschafften Beweismittel erheben will. Wenn Ober einen und denselben Umstand von dem Angeklagten mehrere Zeugen vorgeschlagen Bind, so bestimmt das Gericht auch die Zahl der vorzuladenden Zeugen. Dasselbe kann auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. V.
F r e i l a s s u n g und V e r h a f t u n g des
Angeschuldigten.
§. 42. Bei der Entscheidung, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei (§. 35), ist derselbe, wenn er in Untersuchungshaft ist, sofort bei Bekanntmachung der Entscheidung der Haft zu entlassen; es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel eingewendet hat (§. 43), oder ein anderer Grund zur Verhaftung vorhanden ist. Ist dagegen ein Verweisungsbeschluss ertheilt worden, und der Angeschuldigte ist noch nicht verhaftet, so ist er sofort bei dessen Eröffnung in Haft zu nehmen, wenn er vor das Geschworenengericht verwiesen ist, ausgenommen bei denjenigen Verbrechen im engeren Sinne, welche das Gesetz blos mit Gefängnissstrafe bedroht, und bei denjenigen Vergehen oder Uebertretungen, welche nur in Folge einer Erotreckung des Gerichtsstandes (§. 34) an das Geschworenengericht gelangt
Oesetz rom 9. Deeamber 1M4.
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sind. Bei diesen auagenommenen Verbrechen and überhaupt, wenn die Hauptrerhandlung vor das Kreisgericht verwiegen ist, soll ea ron dem Ermeaaen dea letzteren abhängen, ob es die Verhaftung verfügen wilL Die Vorschriften über dag sichere Geleit (Art. 115 ff.) und aber die Abwendung der Haft durch Sicherheitsleistung (Art. 140 ff.) bleiben hier vorbehalten. Verhaftete, welche vor das Geschworenengericht verwiesen sind, sollen an den Ort, wo das Geschwornengericht gehalten wird, leitig abgeführt werden, jedoch nicht vor Ablauf der im §. 43 gedachten Nothfrist und, wenn sie gegen den Verweisungsbeschluss ein Rechtsmittel eingelegt haben, nicht vor dessen Erledigung. VI.
R e c h t s m i t t e l gegen die E n t s c h e i d u n g e n des K r e i s g e r i c h t s und der A n k l a g e k a m m e r des Appellationsgerichts.
§. 43. Gegen die in den §§. 34—36 erwähnten Entscheidungen der Anklagekammer nnd gegen die gleichen Entscheidungen des Kreisgerichts steht der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an das Oberappellationsgericht zu. Diese ist von dem Tage der Eröfihung der Entscheidung an innerhalb fünftägiger Nothfrist bei dem Kreisgerichte oder, gegen Entscheidungen der Anklagekammer, auch bei dieser schriftlich oder mOndlich mit Angabe der einzelnen Nichtigkeitsgründe einzuwenden und hat aufschiebende Wirkung. Ausser den Fällen der Nichtigkeitsbeschwerde steht der Staatsanwaltschaft gegen die erwähnten Entscheidungen des Kreisgerichts und der Anklagekammer, wenn dieselben von den Anträgen der ersteren abweichen, eine Berufung an das Appellationsgericht zu, welche ebenfalls innerhalb fflnftftgiger Nothfrist von Mittheilung der Entscheidung an bei dem Kreisgerichte, bezüglich der Anklagekammer, eingewendet werden muss. Der Berathung über diese Berufung, welche in nicht Öffentlicher Sitzung stattfindet, wohnt der Oberstaatsanwalt bei. Das Appellationsgericht entscheidet an der Stelle und mit den Befugnissen des Kreisgerichts und bezüglich der Anklagekammer. Die nach dem zweiten Abs. des §. 42 eintretende Verhaftung des Angeklagten wird nicht aufgeschoben, wenn gegen den Verweisungsbeschluss Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen worden ist. Die nach dem ersten Abs. des $. 42 eintretende Freilassung soll dagegen nur dann aufgeschoben werden, wenn die Staatsanwaltschaft dieses wegen eines einzuwendenden Rechtomittels sofort bei Mittheilung der Entscheidung beantragt. $. 44. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann von dem Angeklagten nnd von der Staatsanwaltschaft, von jedem Theile, soweit die vorige Entscheidung ihn berührt, nur aus folgenden Gründen erhoben werden: 1. wenn ein nichtzusttndiges Gericht für zuständig, oder ein zuständiges Gericht für nichtzuständig angenommen wurde (§. 34); ' 2. wenn der Staatsanwalt bei einem Verbrechen, welches nur auf Antrag eines Betheiligten verfolgt werden konnte, unberechtigter Weise ohne einen solchen Antrag aufgetreten ist, oder umgekehrt ein PrivatankUger an der Stelle des Staatsanwalts aufgetreten ist, wo Letzterer hätte auftreten müssen; 3. wenn gegen gesetzliche Vorschriften gefehlt wurde, bei denen die Strafe der Nichtigkeit ausdrücklich angedroht ist; 4. wenn das Gericht, welches die vorige Entscheidung ertheilt hat, nicht gehörig besetzt war; &. wenn die in Frage stehende That aus dem Grunde, weil kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden sei, für kein Verbrechen gehalten wurde, obgleich ein solches Gesetz vorhanden ist; oder wenn sie umgekehrt für ein Verbrechen gehalten wurde, während kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden ist;
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Stohsdn-Weimfcr and Sohwarsbargisohe Fflrstenthflmer.
ingleichen wenn die That durch unrichtige Gesetzesanslegung einem falschen Strafgesetze unterzogen worden ist. §. 45. Zur Ausfahrung der Nichtigkeitsbeschwerde kann auf Antrag eine weitere zehntägige Frist von Ablauf der Einwendungsfrist an verstattet werden. §. 46. Das Oberappellationsgericht entscheidet Ober die Nichtigkeitsbeschwerde in nicht öffentlicher Sitzung, ohne dass eine weitere Verhandlung vor demselben stattfindet. E s ist jedoch der Generalstaatsanwalt vorher davon zu benachrichtigen, damit er der Berathung beiwohnen, oder seine Ansicht schriftlich uiittheilen kann. Bevor eine Entscheidung ertheilt ist, steht es dem Beschwerdeführer stets frei, sein Rechtsmittel fallen zu lassen. Auch hat der Generalstaatsanwalt die Befugniss, die ven dem Staatsanwalte oder Oberstaatsanwalt« eingewendeten Nichtigkeitsbeschwerden wieder aufzugeben. §. 47. Findet das Oberappellationsgericht die Nichtigkeit begründet, so hat es zu den im §. 44 aufgezählten Nichtigkeitsgründen zu Nr. 1 nur auf die Zuständigkeit oder Nichtzuständigkeit des Gerichts zu erkennen; zu Nr. 2 auszusprechen, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei; zu Nr. 3 die Nichtigkeit der einzelnen fraglichen Handlungen auszusprechen, die Verbesserung des Mangels zu verfügen und die Sache zu nochmaliger Entscheidung zu verweisen; zu Nr. 4 die vorige Entscheidung aufzuheben und auf nochmalige Entscheidung zu erkennen; zu Nr. 5 nach Verschiedenheit der Fälle entweder zu erkennen, dass der Angeklagte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, oder die Sache zu nochmaliger Entscheidung an das vorige Gericht zu verweisen, oder nach Befinden die vorige Entscheidung gleich selbst abzuändern. §. 48. Die Entscheidung des Obcrappellationsgerichts ist nicht nur für den vorigen Richter, sondern auch für die nach abgehaltener Hauptverhandlung endlich entscheidende richterliche Behörde, das Kreisgericht, Appellationsgericht oder den Gerichtshof bei dem Geschworenengerichte, massgebend. Aberkannte Nichtigkeiten können nicht auf dem Wege einer, gegen das ertheilte Endurtheil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nochmals zur Entscheidung des Oberappellationsgerichts gebracht werden. §. 49. Nichtigkeiten aus den unter Nr. 1, 3 und 4 des §. 4 4 aufgeführten Granden, wegen welcher keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben wurde, sollen als durch Verzicht beseitigt angesehen werden und können daher überall nicht auf dem Wege einer, gegen das später ertheilte Endurtheil gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden. Nichtigkeiten aus den in dem §. 44 unter Nr. 2 und 5 erwähnten Gründen werden nicht als durch Verzicht beseitigt angenommen und können nach den unten» gegebenen näheren Vorschriften noch durch eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Endurtheil in Wirksamkeit gesetzt werden. VII.
Nachtrag
zur A n k l a g e s c h r i f t und N a c h b r i n g u n g Beweismitteln.
von
§. 50. Weicht ein Verweisungsbeschluss in der Bezeichnung des Verbrechens und des Strafgesetzes von der Anklageschrift ab (§. 36), so steht dem Staatsanwalte frei, eine entsprechende Abänderung der Anklageschrift vorzunehmen. §. 51. Wenn auf Verlangen der Staatsanwaltschaft Zeugen und Sachverständige, ausser den in der Anklageschrift benannten, zur Hauptverhandlung vorgeladen werden, so ist der Angeklagte wenigstens drei T a g e vor Beginn der Hauptverhandlung zu benachrichtigen.
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OeMts vom 9. December 1854. VIlI.
Bestellung eines Vertheidigers zur Hauptverhandlung.
§. 52. H a t der vor ein Geschworenengericht verwiesene Angeklagte nicht selbst einen Vertheidiger gewählt, so muss demselben ein Vertheidiger von Amtawegen zugeordnet werden. In anderen Fällen kann das Gerioht einem Antrage des Angeklagten auf Zaordnnng eines Vertheidigers statt geben, oder auch, ohne einen solchen Antrag, dann, wenn es die einzelne Sache zu erfordern scheint, von Amtawegen einen Vertheidiger bestellen. Zu Artikel 216 Absatz 3. §. 53. Die Vorschrift wegen des mindestens achttägigen Zeitraumes, der zwischen der Ladung und der Hauptverhandlung in der Mitte liegen soll, bezieht sich blos auf die vor dem Geschworenengerichte zu verhandelnden StraffUle. Auch gOt sie nicht für den Fall, wenn die Hauptverhandlung blos auf einen späteren Zeitpunct verlegt wird. Eine Verzichtleistung auf die Frist von Seiten der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ist statthaft. B e m e r k u n g : Die Bestimmung des Art. 28 gilt auch hier. §. 54. Die Vorschrift im zweiten Absazte des A r t 217 fällt weg. Zu Artikel 218 Absatz 1. §. 55. Ausserdem muss in der öffentlichen Vorladung erwähnt werden, dass der Vorgeladene in Anklagestand versetzt worden sei, unter allgemeiner Bezeichnung des ihm zur Last gelegten Verbrechens, sowie unter Angabe der Beweismittel, welche in der Hauptverhandlung gebraucht werden sollen. Statt des Artikels 220. §. 56. Erscheint ein vorgeladener Vertheidiger des Angeklagten nicht, so geht die Hauptverhandlung dennoch vor sich, jedoch bei Geschworenengerichtsfallen nur dann, wenn der Vertheidiger einen Stellvertreter bestellt hat und dieser erscheint, oder sonst ein anderer Vertheidiger noch sofort erlangt werden kann; ausserdem wird die Hauptverhandlung vertagt. Der ausgebliebene Vertheidiger ist, sofern er von richterlichen Amtswegen oder auf Antrag bestellt war, oder sonst die Vertheidigung übernommen hatte, in eine Geldstrafe von 1 bis 20 Thalern (1 Fl. 45 Kr. bis 35 Fl.) und in die Kosten der vergeblich angesetzten Verhandlung zu verurtheilen. Statt des Artikels 221. §. 57. Wenn bei der Hauptverhandlung kein Mitglied der Staatsanwaltschaft erscheint, so ist die Verhandlung stets zu vertagen. Erscheint dagegen der vorgeladene Privatankläger nicht, so wird dieses als ein Verzicht auf die Anklage angesehen. Statt des Artikels 228. §. 58. Die Oeffentlichkeit ist für die ganze Hauptverhandlung oder einen Theil derselben auszuschliessen, wenn eine Gefährdung der Ordnnng oder der Sittlichkeit zu befflrehten steht. Bei Manzverbrechen wird die Oeffentlichkeit stets und für die ganze Hauptverhandlung ausgeschlossen. Das Gericht spricht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verletzten, oder auch von Amtawegen die Ausschliessung der Oeffentlichkeit durch einen schriftlich abzufassenden, den Grand der Ausschliessung enthaltenden Beschluss aus. Dieser Beschluss wird vor Beginn der Hauptverhandlung, oder auch im Laufe derselben gefasst, und von dem Gerichtschreiber, im ersteren Falle bei dem Aufrufe der betreffenden Sache vorgelesen, worauf die Zuhörer sich sofort zu entfernen haben. Rechtsmittel gegen solchen Beschluss sind unzulässig und nicht zu beachten. Sammlung der n. d. Gesetze-
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Sachsen-Weimar und Schwanburgische Fürstentümer. Bei Verkündigung der ein.
des Endurtheils tritt jedenfalls die OefFentliehkeit
wie-
Zu Artikel 229 statt den 2. Satzes. §. 59. Der Präsident kann auf Antrag des Angeklagten oder Verletzten, oder von Amtswegen, auch einzelnen anderen, bei der Hauptverhandlung u n b e t e i ligten Personen den Zutritt verstatten. Zu Artikel 231. §. 60. Dfer Vorsitzende kann überhaupt gegen Jeden, welcher sich im Gerichtssaale ungebührlich beträgt oder den getroffenen Anordnungen nicht Folge leistet, eine Gefängnissstrafe bis zu acht Tagen, oder eine Geldstrafe bis zu fünf Thalern aussprechen. Hiergegen findet kein Rechtsmittel s t a t t Statt des Art. 234. §. 61. Der Vorsitzende fragt den Angeklagten nach seinem Namen, Vornamen, Alter, Gewerbe oder Beschäftigung, Wohnungs- und Geburtsort und ermahnt ihn dann zur Aufmerksamkeit. Hierauf trägt der Staatsanwalt, oder in Fällen, wo ein Privatankläger aufgetreten ist, dieser oder ein Anwalt desselben, den Gegenstand der Anklage kürzlich vor. Auch kann die Anklage auf Verlangen des Staatsanwaltes durch den Gerichtschreiber verlesen werden. Sodann lässt der Vorsitzende die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen aufrufen. Die Zeugen begeben sich dann in das für sie bestimmte Zimmer und der Vorsitzende hat nach Befinden Massregeln anzuordnen, um das Besprechen und Verabredungen der Zeugen zu verhindern. Im Falle des Nichterscheinens der zur Hauptverhandlung vorgeladenen Personen wird nach Vorschrift der Art. 217 flg. und der §§. 56 und 57 verfahren. Zu Artikel 236 statt des 2. Absatzes. §. 62. Der Staatsanwalt und der Angeklagte können im Laufe der Hauptverhandlung Beweismittel fallen lassen, wenn das Gericht zustimmt und der Gegner nicht in Bezug auf speciell anzugebende erhebliche Thatsachen die Benutzung derselben verlangt. Zu Artikel 237 statt des 1. und 2. Absatzes. §. 63. Die Zeugen und Sachverständigen werden in Anwesenheit des Angeklagten abgehört. Sie werden nach dem Ermessen des Vorsitzenden vor oder nach ihrer Abhörung, einzeln oder zusammen, in der Art. 161 und §. 29 dieses Gesetzes angegebenen Weise verwarnt und vereidet, mit Ausnahme der im Allgemeinen verpflichteten Sachverständigen, sowie der bereits in der Voruntersuchung vereideten Sachverständigen und Zeugen, bei welchen allen eine Erinnerung an ihren im Allgemeinen oder in der einzelnen Untersuchung schon geleisteten Eid genügen soll. Statt des Artikels 241. §. 64. Ausser dem Vorsitzenden können auch die Mitglieder des Gerichts und der Staatsanwalt an den Angeklagten oder an Zeugen und Sachverständige unmittelbar Fragen stellen, nachdem sie zuvor von dem Vorsitzenden die Erlaubniss hierzu erhalten haben. Auf dieselbe Weise kann auch der Vertheidiger Fragen an Zeugen und Sachverständige stellen. Dem Angeklagten, dem Privatbeteiligten, welcher sich dem Strafverfahren angeschlossen hat, sowie dem Privatankläger und dessen An walte, k a n n der Vorsitzende gestatten, unmittelbare Fragen an Zeugen und Sachverständige, bezüglich an den Angeklagten, zu stelleu.
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Oeseta Tom 9. December 1664.
Der Vorsitzende hat darauf zu sehen, dass nur zur Sache gehörige Fragen gestellt worden, und ist befugt, die Fragestellung in jedem Augenblicke selbst wieder zn abernehmen, oder auch das Verhör zu schliessen. Wird gegen Zurückweisung einer Frage Einspruch erhoben, so hat das Gericht darüber zu entscheiden. Eintretenden Falles hat der Vorsitzende die Zeugen Uber die ihnen nach Art. 177 zustehende Befugniss zu belehren. Statt des Artikels 244. §. 65. In der Regel ist die mündliche Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen erforderlich; jedoch genügt eine Vorlesung ihrer in der Voruntersuchung abgegebenen Aussagen und Gutachten, ausser den im Art. 222 und in den §§. 28, 36 und 41 dieses Gesetzes erwähnten Fällen, dann, wenn die Zeugen oder Sachverständigen in der Zwischenzeit verstorben sind, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist, oder ihrem Erscheinen nach dem Ermessen des Gerichts för längere Zeit erhebliche Hindernisse im Wege stehen. Besichtigungsprotokolle, frühere Straferkenntnisse, überhaupt Urkunden, welche für die Sache von Bedeutung sind, werden gleichfalls vorgelesen. Zu Artikel 246. §. 66. Eine Beeidigung der auf Anordnung des Vorsitzenden eingeführten Zeugen oder Sachverständigen kann auch dann vorgenommen werden, wenn wegen Erhebung dieser neuen Beweismittel eine Vertagung (Art 270) eingetreten war. Statt des 2. Absatzes des Artikels 255. §. 67. Das Gericht kann jedoch, nachdem es die Staatsanwaltschaft deshalb gehört hat, auch zur sofortigen UrtheilsfUlung über die andere That oder das andere Verbrechen schreiten, wenn es nicht dafür hält, dass die Sache vor ein Geschworenengericht gehöre, welchen Falls dieselbe an die Anklagekammer des Appellationsgerichts zurErtheilung eines neuen Verweisungsbeschlusses abzugeben ist. Zu Artikel 260, 307 und 320. §. 68. Die Belehrung des Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel ist nicht erforderlich; die zur Einwendung der letzteren geordneten Fristen laufen ohne Rücksicht auf erfolgte Belehrung von der Bekanntmachung des Urtheils an. Statt des Artikel 262. §. 69. Das über die Hauptverhandlung durch den Gerichtschreiber aufzunehmende Protokoll soll enthalten: die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichts, des Beamten der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers, des Angeklagten und seines Vertheidigers, des Privatbetheiligten, der sich etwa dem Strafverfahren angeschlossen hat, der erschienenen Zeugen und Sachverständigen. Es soll den Verlauf der Hauptverhandlung kürzlich erzählen und insbesondere der Vereidung der Zeugen und Sachverständigen, der Vorlesung von Stücken aus der Voruntersuchung und von sonstigen Urkunden Erwähnung thun. Von dem Inhalte der Erklärungen der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder Vertheidigers, der Zeugen und Sachverständigen, sowie der etwaigen Privatbetheiligten oder eines Privatanklägers wird nur das Wesentliche kürzlich in das Protokoll aufgenommen. Im Falle der Angeklagte, die Zeugen und Sachverständigen bereits in der Voruntersuchung vernommen worden waren, ist in dem Protokolle nur zu bemerken, ob und inwiefern ihre Aussagen von den früheren Angaben in erheblichen Puncten abweichen. Die zur Entscheidung gestellten Anträge, namentlich der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten oder Vertheidigers, werden mit den darauf erfolgten beson* 20*
Sachsen-Weimar und Schwarzburgische Fürstenthümer. deren Entscheidungen im Protokolle aafgenommen oder demselben als Beilage einverleibt, und ferner wird der endliche Urteilsspruch, auch im Falle besonderer Abfassung, rücksichtlich seines entscheidenden Theiles, sowie die Verkündigung des Urtheils in dem Protokolle vermerkt. Ein Protokoll über die Hauptverhandlung ist bei Strafe der Nichtigkeit erforderlich; es genügt jedoch, dass überhaupt ein Protokoll aufgenommen worden ist, und der Umstand, ob etwas im Protokolle vermerkt oder nicht vermerkt ist, hat an sich keine Nichtigkeit zur Folge. Zu Artikel 264. §. 70. Das Unterbleiben der Aufnahme eines besonderen Protokolls über die Berathung des Gerichts bei der UrtheilsfÜllung soll jedoch dann Nichtigkeit nicht zur Folge haben, wenn das Ergebniss der Abstimmungen des Gerichts unter Angabe der Stimmenzahl in das Protokoll über die Hauptverhandlung mit aufgenommen worden ist. Zu Artikel 266 und 267. §. 71. Bei einer Hauptverhandlung vor dem Kreisgerichte hängt die Bestellung eines Vertheidigers in den Fällen der Artikel 266 und 267 und die Vertagung der Verhandlung, im Falle ein Vertheidiger nicht zu erlangen ist, von dem Ermessen des Gerichtes ab. Zu Artikel 273. §. 72. Der Präsident kann, wenn er es für angemessen erachtet, eine Hauptverhandlung, so lauge sie noch nicht begonnen hat, auf Antrag der Staatsanwaltschaft, oder des Angeklagten oder auch von Amtswegen vertagen, oder einem später zusammentretenden Geschworenengerichte zuweisen. Zu Artikel 275 und folgende. §. 73. Wenn mehrere Hauptverhandlungen auf e i n e n Tag anberaumt worden sind, so kann alsbald bei dem Beginne der ersten die Geschworenenbank auch für jede folgende gebildet werden. Die für die erste Hauptverhandlung gebildete Geschworenenhank bleibt, wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sich damit einverstanden erklären, auch für die folgenden, an demselben Tage anstehenden Hauptverhandlungen. Wird auf Verlangen der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten für eine der folgenden Hauptverhandlungen eine neue Geschworenenbank gebildet, so bleibt nun diese, wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte damit einverstanden sind, für die noch folgenden Hauptverhandlungen bestehen. Verzögert sich wegen der Dauer der vorhergehenden Hauptverhandlangen oder aus sonstigen Gründen der festgesetzte Anfang einer Hauptverhandlung dergestalt, dass sie erst am vierten oder an einem noch späteren Tage nach demjenigen beginnt, an welchem die Geschworenenbank gebildet worden war, so muss zur Bildung einer neuen Geschworenenbank geschritten werden. In allen Fällen, wo die für eine frühere Hauptverhandlung gebildete Geschworenenbank für eine folgende bestehen bleibt, unterbleibt für letztere die Vereidung der Geschworenen, und es genügt die Verweisung auf den in der früheren Sache geleisteten Eid. Zu Artikel 282. §. 74. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens vor dem Geschworenengerichte finden, soweit etwas Anderes nicht bestimmt ist, die Vorschriften für die Hauptverhandlungen bei den Kreisgerichten Anwendung.
Gesetz vom 9. Deoemher 1854.
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Zu Artikel 285. §. 75. Der Vortrag des Präeidenten darf von Niemand, namentlich auch nicht von dem Angeklagten oder yon der Staatsanwaltschaft, unterbrochen oder zum Gegenstande irgend einer Aeusserung oder eines Antrages in der Sitzung gemacht werden. Zu Artikel 287, statt des 3. Absatzes. §. 76. Ist eventuell ein geringeres Verbrechen Gegenstand der Anklage, oder liegt einer der im Artikel 256 gedachten Fälle vor, so sind entsprechende weitere Fragen zu stellen. Eben dieses gilt in dem Artikel 255 erwähnten Falle dann, wenn der Gerichtshof nach Anhörung der Staatsanwaltschaft es unbedenklich findet, dass eine andere That, oder ein anderes Verbrechen, als in der Anklageschrift enthalten ist, der Aburtheilung mit unterstellt werde. Zu Artikel 289. §. 77. Der von dem Obmanne vor der Berathung den Geschworenen vorzulesenden Instruction ist noch Folgendes beizufügen: Die Berathung und der Ausspruch der Geschworenen muss sich auf die ihnen vom Präsidenten vorgelegten Fragen beschränken. Ihre Ansicht fiber die Zweckmässigkeit oder Rechtmässigkeit des Strafgesetzes darf auf ihren Ausspruch keinen Einfluss haben. Nicht sie, sondern die Richter sind berufen, die gesetzlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten wegen der ihm zur Last fallenden That treffen. Die Geschworenen haben daher ihren Ausspruch ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Folgen desselben zu fallen. Zu Artikel 301 statt des 2. Absatzes. §. 78. Das Urtheil muss enthalten eine Bezugnahme auf die das Erkenntnis« begründenden Fragen und Ausspruche der Geschworenen, die Bezeichnung der angewendeten strafgesetzlichen Bestimmungen und die zuerkannte Strafe, bei Strafe der Nichtigkeit. Zu Artikel 304. §. 79. Eine Aufnahme der an die Geschworenen gestellten Fragen und der dazu abgegebenen Aussprüche in das Protokoll bedarf es nicht; es genügt, dass jene Fragen mit den dazu erthciltcn Aussprachen in Urschrift dem Protokolle beigelegt werden. Zu Artikel 306, statt der Bestimmung unter Ziffer 8. §. 80. 8. wenn wider eine von dem Obcrappcllationsgcrichtc früher gegebene Entscheidung (Artikel 212) erkannt worden ist. Zu Artikel 327. §. 81. Wie dem Präsidenten bei den AppellationsVerhandlungen im Allgemeinen die Rechte des Vorsitzenden bei einer Hauptverhandlung, soweit er davon Gebrauch machen kann, zustehen, so hat er insbesondere auch dann, wenn Beweismittel erhoben werden, die im Artikel 246 gedachten Befugnisse. Statt Artikel 344. Mandatsverfahren. I. §. 82.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat der Einzelrichter, wenn der
Sachsen-Weimar und Schwarzbargische Fürstentümer. Angeschuldigte weder vorgeführt, noch die Verhaftung desselben erforderlieh ist, und nicht besondere Bedenken entgegen stehen: a) bei Polizeivergehen b) bei Defraudation yon Wege- und Gemeindeabgaben; c) bei den übrigen Uebertretungen; in dem letzteren Falle, sofern die Anschuldigung auf der Anzeige einer verpflichteten Person beruht, welche die That aus eigener amtlicher Wahrnehmung bekundet, ohne vorgingige Hauptverhandlung die verwirkte Strafe durch eine Strafverfügung festzusetzen. II. Die Strafverfolgung muss enthalten: 1. Die Beschaffenheit der Uebertretung, sowie die Zeit und den Ort derselben; 2. die dafür angegebenen Beweismittel; 3. die Festsetzung der Strafe und des Kostenpunkts, unter Anführung des einschlagenden Strafgesetzes oder polizeilichen Verbots; 4. die Eröffnung, dass der Angeschuldigte, wenn er sich durch die Strafverfügung beschwert finden sollte, innerhalb einer zehntägigen Frist, von dem Tage nach der Zustellung der Verfügung an gerechnet, seinen Einspruch dagegen schriftlich oder mündlich anzumelden habe, dass aber, falls in dieser Frist ein Einspruch nicht eingehe, die Strafverfügung Rechtskraft erlangen und gegen ihn vollstreckt werden würde. Diese Verfügung wird dem Angeschuldigten zugestellt. III. Wenn in der zehntägigen Frist ein Einspruch nicht erhoben wird, so wird die Strafverfügung vollstreckbar. Ist dagegen ein Einspruch erhoben worden, so wird der Angeschuldigte, unter Androhung des Verlustes seines Einspruchs, zur Hauptverhandlung vorgeladen. Erscheint derselbe nicht, so wird der Einspruch wirkungslos und das früher erlassene Mandat sofort vollstreckbar. Ein weiteres Rechtsmittel findet in diesen Fällen nicht statt, vorbehaltlich der Bestimmungen in dem Artikel 226, welche hier analog zur Anwendung kommen. Erscheint der Angeklagte in der Hauptverhandlung, so wird nach Artikel 347 verfahren. Zu Artikel 347. §. 83. Der Einzelrichter hat die §. 60 und Artikel 231 gedachten Befugnisse des Vorsitzenden. Bei Untersuchungen wegen Uebertretung des Gesetzes zum Schutze der Holzungen u. s. w. vom 1. Mai 1850, wegen Polizei vergehen und wegen Defraudationen von Wege- und Gemeindeabgaben geht die Hauptverhandlung vor sich, auch wenn ein Vertreter der Staatsanwaltschaft nicht anwesend ist. Zu Artikel 351. §. 84. Die Vorschrift im ersten Absätze des Artikels 351 „Mit ausgesprochene Schärfungen sind in diesem Falle stets aufzuschieben" fällt weg. Zu Artikel 352. §. 85. Auch in dem Falle, wenn der Verurtheilte der erkannten Strafe unbedingt sich unterwirft, ist zur Vollstreckung der Strafe regelmässig binnen vierundzwanzig Stunden zu schreiten. Zu Artikel 361, statt des ganzen zweiten Absatzes. §. 86. Die Kosten sind in diesem Falle von dem Staate zu übernehmen. Nur bei Verbrechen, welchc blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht und von
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diewem als Privatankläger verfolgt werden, hat Letzterer die Kosten zu tragen. Vertheidigungsgebühren vergütet der Staat oder Privatankläger nnr den angestellten Anwälten and nnr, sofern dieselben durch die mündliche Vertheidigung entweder vor dem Geschworenengerichte oder bei dem Kreisgerichte erwachsen sind; bei einer Hauptverhandlung vor dem Kreisgerichte jedoch nur dann, wenn dem Angeklagten ohne seinen Antrag lediglich von Amtswegen ein Vertheidiger bestellt worden war. Zu Artikel 365. §. 87. Bei eingewendeter Appellation werden Vertheidigungskosten auch dann nicht ersetzt, wenn der Angeklagte auf seine Appellation freigesprochen wird. Die Kosten eines Rechtsmittels, welches die Staatsanwaltschaft im Interesse des Angeklagten eingewendet hat, sind, mit Ausschluss der Vertheidigungsgebühren, stets auf die Staatscasse zu flbernehmen. Statt des Artikels 368. §. 88. Ist ein Angeklagter unvermögend, so sind die ihm zur Last gelegten Kosten einstweilen und bis er zu Vermögen kommt, Vertheidigungsgebühren jedoch nur mit der Artikel 361 und 86 dieses Gesetzes geordneten Beschränkung auf die Staatscasse zu übernehmen. Zu Artikel 370. §. 89. Wenn Verleumdungen und Beleidigungen im öffentlichen Dienste angestellter Personen, welche durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, von der Beschaffenheit sind, dass die zu erkennende Strafe eine sechswöchentliche Gefängnissstrafe oder verhältnissmässige Geldbusse nicht übersteigen würde, so kann das Kreisgericht nach Gehör des ' Staatsanwalts die Untersuchung an den Einzelrichter verweisen, in welchem Falle dann dqs im Artikel 346 No. 3 und Artikel 347 geordnete Verfahren unter Mitwirkung der Staatsanwaltschaft eintritt. Zu Artikel 372. §. 90. Der Einzelrichter kann vor Ausfertigung auf die Anklage beide Parteien zu einem Sahnetermine, unter Androhung einer Ordnungsstrafe bis zu fünf Thalern, vorladen und bei einem Vergleiche die Kosten ausser Ansatz lassen. Zu Artikel 374. §. 91. Der Einzelrichter ist befugt, sofort auf die Anklage einen Gerichtstag zur Hauptverhandlung anzusetzen, die Parteien zu demselben unter den für den Termin zur Vorverhandlung vorgeschriebenen Verwarnungen, und die Zeugen und Sachverständigen, wie Artikel 374 geordnet ist, vorzuladen. Wenn in diesem Falle der Richter eine Erhebung von Beweismitteln für erforderlich hält, welche von dem Angeklagten, oder zur Replik von dem Ankläger, im Termine angegeben worden sind, so ist die Hauptverhandlung zu vertagen. Der Richter hat das Recht, die Parteien unter den gesetzlichen Verwarnungen zum persönlichen Erscheinen in der Vorverhandlung oder Hauptverhandlung zu laden. Zu Artikel 375. 92. Werden von den Parteien oder Zeugen Ehrenkränkungen in einem Termine ausgestossen, so können dieselben auf Antrag des Verletzten sofort abgeurtheilt werden, sofern sie die Zuständigkeit des Einzelrichters nicht übersteigen. Zu Artikel 377. §. 93. Anwaltskosten werden, mit Ausnahme in erster Instanz nicht erstattet.
derer für die Anklageschrift,
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Sachsen-Meiningen.
Wenn im ersten T e r m i n e die gütliche Beilegung der Sache von dem Kostenpnncte abhängig ist, so können die K o s t e n , soweit sie zur Verrechnung für die Staatscasse bestimmt, von dem Gerichte nach seinem Ermessen ganz oder theilweise ausser Ansatz gelassen wurden; bei späterer Zurücknahme findet eine solche Ermächtigung nicht statt.
XIc.
Sachsen-Meiningen. Oesetz vom 22. Juni 1850, ttber die für die Rechtspflege bestellten Behörden. I.
Von
den
Gerichtsbehörden.
1. Von der Zuständigkeit der Gerichte im Allgemeinen. A r t . 1. Als ordentliche Gerichtsbehörden des Herzogthums sollen K r e i s g e r i c h t e u n d D e p u t a t i o n e n derselben, dann das A p p e l l a t i o n s g e r i c h t , G e s c h w o r e n e n g e r i c h t und das O b e r a p p e l l a t i o n s g e r i c h t bestehen. Neben diesen Behörden werden ferner als Gerichte für besondere Gegenstände beibehalten: 1. die Militärgerichte für Militärvcrbreehen und -vergehen, sowie für Militärdisciplinarsachen; und 2 . das nach Art. 2 0 des Gesetzes vom 2 5 . März 1 8 4 6 , die Entschädigung wegen aufgehobener Grundsteuerfreiheit etc. betreffend, gebildete Compromissgericht für die daselbst bezeichneten Streitigkeiten. Auf die unter 1 und 2 genannten Behörden finden die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung. Aueh bleibt es rflcksichtlich der Friedensgerichte bei den darüber bestehenden Gesetzen. A r t . 2. Die gerichtlichen Geschäfte, welche bisher den Verwaltungsämtern der Residenzpolizeidirection, den Forstämtern, den Amtseinnahmen und Steuerämtern, den Ortsbehörden, dem Hofmarschallamte oder den höheren Verwaltungs- und Finanzbehörden zustanden, insbesondere die ganze Polizeistrafgewalt und die B e strafung der Uebertretungen finanzieller Gesetze, gehen mit Vorbehalt der in den A r t 3 und 4 des Einführungsgesetzes zur Strafprocess-Ordnung enthaltenen B e stimmungen, auf die Gerichte über. Die Zuständigkeit der Ablösungsbehörden bleibt unverändert. A r t . 3 . D a s Herzogthum soll einen Geschworenenbezirk bilden. Die B e zirke der Kreisgeriehte und ihrer Deputationen sollen sich thunlichst an die bisherige Bezirkseintheilung der Kreis- und Stadtgericht, L a n d - und Stadtgerichte und Kreis- und Stadtgericht9deputationen anschliessen. Etwa erforderlich werdende Aenderungen werden im W e g e der Verordnung bestimmt. 2. Von der Besetzung und Zuständigkeit der einzelnen Gerichte. I. A r t . 4. J e d e s K r e i s g c r i c h t wird, abgesehen von den ausserhalb seines Sitzes befindlichen Deputationen (Art. 8 ) , b e s e t z t : mit einem K r e i s r i c h t e r als V o r -
Geset» vom SS. Juni 1860.
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stand, mindestens drei Assessoren, einem oder mehreren Actoaren, einem Registrator nebst den nfithigen Schreibern and Dienern. W o mehrere Actaare anzustellen sind, kann die Stelle des ersten Actuars mit der eines Kreiggerichtsasseasors verbanden sein. A r t . 5. Für Strafsachen werden ausserdem bei den Kreisgerichten Ergknzongsrichter nach den näheren Bestimmungen der Strafprocess-Ordnung ( A r t 11) ernannt und mittelst des Richtereides, sofern sie diesen nicht schon frflher abgelegt haben, verpflichtet A r t 6. Die richterlichen Geschifte, welche gesetzlich von Einzelrichtern zn erledigen sind ( A r t 9), werden durch D e p u t a t i o n e n d e r K r e i s g e r i c h t e besorgt, welche theils am Sitze der Kreisgerichte selbst, theils an anderen geeigneten Orten bestellt werden. A r t 7. Am Site eines Kreisgerichts werden zu diesem Behuf einzelne Mitglieder des Gerichts zur Besorgung der im A r t 6 bezeichneten Geschäfte deputirt Es können auf diese Weise mehrere nach Geschäftszweigen getrennte Deputationen bestehen. Die Deputirten handeln als solche selbstständig unter eigener Verantwortlichkeit und Unterschrift; sie bilden aber der Äusseren Geschäftseinrichtung nach nur eine Abtheilung des Kreisgerichts; insbesondere werden die Actuariats-, Registratur-, Canzlci- und Dienergeschäfte gemeinschaftlich von dem nämlichen Personal besorgt A r t 8. Die Deputationen, welche ausserhalb eines Kreisgerichtssitzes gebildet werden, sind ständige Gerichtsstellen für den ganzen Umfang der vor Einzelrichter gehörigen Geschifte. Sie werden besetzt mit einem Kreisgerichtsassessor als Richter, einem und nötigenfalls zwei Actuaren, nach Befinden einem Registrator und den erforderlichen Schreibern und Dienern. Die Actuare, sofern sie die Befähigung für das Richteramt haben, sind zugleich Geholfen für die richterlichen Geschäfte. Es kann ihnen selbst nach Anordnung des Appellationsgerichts ein ganzer Zweig der richterlichen Geschäfte, namentlich die freiwillige Gerichtsbarkeit, unter eigener Verantwortlichkeit abertragen werden. Bei Deputationen von geringerem Geschäftsumfang kann statt der Anstellung eines Actnars der Registrator oder ein Schreiber als Protokollführer verpflichtet werden. A r t 9. Vor E i n z e l r i c h t e r gehören alle die Geschäfte der Strafrechtspflege, welche durch die Strafprocess-Ordnung den Einzelrichtern zugewiesen sind. — A r t . 10. Zu den Geschäften der K r e i s g e r i c h t e als s o l c h e r gehört — die Strafrechtspflege nach den Bestimmungen der Strafprocess-Ordnung. — A r t 11. Fflr die bei den Kreisgerichten zu fuhrenden Voruntersuchungen über Verbrechen im engeren Sinne und über Vergehen werden von dem Appellationsgericht Mitglieder des Kreisgerichts als ständige Untersuchungsrichter unter eigener Verantwortlichkeit aufgestellt und öffentlich bekannt gemacht. A r t . 12. Die Kreisgerichte beschliessen bei den im A r t 10 bezeichneten Sachen in Versammlungen von wenigstens drei Richtern — bei der Ausübung der Strafrechtepflege nach Massgabe der Strafprocess-Ordnung. Alle übrigen Geschäfte der Kreisgerichte (Art. 10) werden durch den Kreisrichter oder durch die von ihm zu Referenten ernannten Assessoren ohne collegialische Berathung, bei schriftlichen Ausfertigungen aber unter seiner Mitsignatur, erledigt Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Referenten und dem Kreisrichter ist die Sache jedoch ebenfalls an das Collegium zur Entscheidung zu bringen. A r t 13. Die nicht am Kreisgerichtssitz wohnenden Assessoren ( A r t 8) sind verpflichtet, auch die ihnen vom Kreisrichter zugetheilten kreisgerichtlichen Geschäfte (Art. 10) zu besorgen.
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Bachsen-Meiningen.
A r t . 14. In Verhinderungsfällen wird der Kreisrichter, wenn das Appellationsgericht nicht eine andere Anordnung trifft, von dem ältesten a n w e s e n d e n Assessor, jeder Assessor mit Einschluss der Untersuchungsrichter nach Bestimmung des Kreisrichters von einem anderen Assessor oder dem Kreisrichter selbst vertreten. Nur die Kreisgerichtsassessoren, welche nicht am Sitz des Kreisgerichts wohnen, werden in Verhinderungsfällen von den ihnen beigegebenen Actuaren, sofern sie die Befähigung für das Richteramt haben, in Sachen ihres Gerichtssprengeis vertreten, wenn nicht der Kreisrichter oder das Appellationsgericht eine andere befähigte Person mit der Stellvertretung beauftragt. Fflr die Rechtsbeständigkeit der von einem Stellvertreter vorgenommenen Handlungen kommt nichts darauf an, ob wirklich ein Verhinderungsgrund vorgelegen bat, und ob die ordnungsmässige Beauftragung aus den Acten erhellt oder nicht. Ist ein ganzes Kreisgericht, oder sind so viele Mitglieder desselben verhindert, dass der Personenmangel durch das übrige Personal des Gerichts nicht ersetzt werden kann, so hat das Appellationsgericht auf Bericht des Gerichts entweder die Beiziehung anderer richterlicher Personen anzuordnen oder die Sache vor ein anderes Kreisgericht zu verweisen. Zu vorübergehender Aushülfe durch andere richterliche Personen bei vorhandenem Geschäftsandrang ist die Genehmigung des Staatsministeriums, Abtheilung der Justiz, durch das Appellationsgericht einzuholen. Ueber die Verwendung der Referendare und Auditoren zu ihrer Ausbildung oder zur Aushülfe bleiben die hierüber bestehenden Bestimmungen in Kraft. II. A r t . 15. Das A p p e l l a t i o n s g e r i c h t besteht einschliesslich des Vorstandes (Präsidenten oder Directors) aus mindestens sechs stimmführenden Mitgliedern nebst dem erforderlichen Secretariate-, Registratur-, Schreiber- und Dienerpersonal. A r t . 16. — Für die Strafrechtspflege ist die Zuständigkeit des Appellationsgerichts und der aus drei Mitgliedern desselben zu bildenden Anklagekammer in der Strafprocess-Ordnung bestimmt. — Die Mitglieder der Anklagekammer sowohl, als die der Abtheilung für freiwillige Gerichtsbarkeit ernennt der Herzog für je zwei Jahre. Die dem Appellationsgcricht als Aufsichtsbehörde und sonst zustehenden Befugnisse bleiben vorbehaltlich der Bestimmungen im Art. 24 ff. und 42 ff. dieselben, welche dem bisherigen Oberlandesgerichte zukamen. Jedoch soll die Aufsicht über die Untergerichte auch in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschliesslich des Vormundschaftswesens von dem vollen Rath des Appellationsgerichts geübt werden. A r t . 17. Die vor das Appellationsgericht gehörigen R e c h t s s a c h e n unterliegen einer collegialischen Berathung und Beschlussfassung. — Ausgenommen von der collegialischen Behandlung sind blos vorbereitende und rein processleitende Verfügungen, bei welchen die gemeinschaftliche Erledigung durch ein Mitglied und den Vorstand genügt; im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen beiden sind sie ebenfalls an das Collegium zur Entscheidung zu bringen. — A r t . 18. Der Vorstand des Appcllationsgcrichts wird in Verhinderungsfällen von dem ersten Rathe, und wenn auch dieser verhindert ist, von dem je nachfolgenden Mitglied vertreten. Ist das ganze Collegium, oder sind so viele Mitglieder desselben verhindert, dass es zur Beschlussfassung nicht mehr ausreichend besetzt bleibt, so wird die nötliige Stellvertretung oder Ergänzung durch Einberufung von unbetheiligten Kreisrichtern nach der Reihenfolge ihres Eintritts in diese Dienststufe, und, wo nöthig, von unbetheiligten Kreisgerichtsassessoren nach gleicher Reihenfolge von dem Staatsministerium, Abtheilung der Justiz, verfügt. Von der Reihenfolge der Einberufung ist jedoch in sofern eine Ausnahme zu machen, als jedesmal zunächst der Kreisrichter am Sitze des Appellationsgerichts einzuberufen ist.
Gesetz Tom St. Juni 1860.
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Wenn es bei vorübergehendem Geschäftsandrang einer Aushälfe durch stimmberechtigte Mitarbeiter bedarf, so werden dazu mit G e n e h m i g u n g des Herzogs Mitglieder von Kreisgerichten oder andere zum höheren Richteramt befähigte Personen einberufen.
in. A r t . 19. Die Zusammensetzung und Competenz der G e s c h w o r e n e n g e r i c h t e ist durch die Strafprocess-Ordnung bestimmt. IY. A r t . 20. Das O b e r a p p e l l a t i o n s g e r i c h t übt in Strafsachen als Cassationshof und sonst die in der Strafprocess-Ordnung ihm zugewiesenen Functionen aus. A r t . 21. Im Uebrigen bleibt die seitherige Competenz des Oberappellationsgerichts unverändert, mit Vorbehalt der im Art. 24 ff., 35, 38, 42 ff. getroffenen Bestimmungen. Ebenso verbleibt es bei den Vorschriften über die Actenversendung an Juristeniacultäten und Schöppensttthle in streitigen bflrgerlichen Rechtssachen, sowie über die Zuständigkeit auswärtiger Justizcollegien bei Klagen wegen Nichtigkeiten von Oberappellationsgerichtserkenntaissen. Das im §. 25 der provisorischen Oberappellationsgerichts-Ordnung nachgelassene Rechtsmittel der Revision soll jedoch nur in dem Falle zulässig sein, dass das Erkenntniss des Oberappellationsgerichts in Folge der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde von dem Justizcollegiuin des Inspections- oder Exinspectionshofes ganz oder theilweise aufgehoben worden ist. A r t 22. Macht sich bei dem Oberappellationsgericht wegen Verhinderung von Mitgliedern eine Erg&uzung oder wegen vorübergehenden Geschäfteandrangs eine Aushülfe nöthig, so wird dieselbe durch Beiziehung von Mitgliedern unbetheiligter Appellationsgerichte der zum Oberappellationsgericht vereinigten Staaten durch das Ministerium des Inspectionshofes angeordnet. 3. Von der Zustftndigkeit der Gerichte hinsichtlich der Entsetzung und Entlassung öffentlicher Diener. A r t . 23. Wird ein activer oder in Ruhestand versetzter Öffentlicher Diener (Staats-, Kirchen- oder Genieindediener) in Folge strafrechtlicher Untersuchung eines Verbrechens für schuldig erkannt, welches nach gesetzlicher Vorschrift neben der im Strafgesetzbuch gedrohten Strafe den Verlust seiner Dienststelle oder Pension nach sich zieht, so tritt dieser Verlust mit der rechtskräftigen Verurtheilung von selbst ein, ohne dass darauf besonders erkannt wird. Namentlich soll dieses in allen Fällen gelten, wo ein öffentlicher Diener wegen eines begangenen Verbrechens seines Staatsbürgerrechts ganz oder vorübergehend für verlustig erklärt wird. A r t 24. Liegt ausser dem Fall des A r t 23 gegen einen Öffentlichen Diener (Staats-, Kirchen- oder Gemeindediener) eine Anschuldigung vor, welche nach den bestehenden Gesetzen die Dienstentlassung unter Entziehung des Gehalts oder der Pension nach sich zieht, so kann dieselbe nur durch eine besondere gerichtliche Entscheidung durch das mit fünf Mitgliedern besetzte Appellationsgericht erfolgen. A r t . 25. Zur Auswirkung der im vorigen Artikel gedachten Entscheidung ist durch den Oberstaatsanwalt der geeignete Antrag zu stellen, über welchen ein Verfahren in den Formen des Strafprocesses (gerichtliche Disciplinaruntersuchung) eröffnet wird. Im Allgemeinen gilt für dieses Verfahren die Analogie der Bestimmungen, welche die Strafprocess-Ordnung für das strafrechtliche Verfahren vor den Kreisgerichten vorschreibt, nur dass
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Sachsen-Meiningen.
1. es ausser dem anfänglichen Antrag des Oberstaatsanwalts, welcher dem Angeschuldigten alsbald mitzutheilen ist, keiner weiteren Anklageschrift, sowie keiner Versetzung in den Anklagestand bedarf, der T a g zur Hauptverhandlung vielmehr angesetzt wird, sobald das Appellationsgcricht die Sache für genagend vorbereitet erachtet; 2. die Voruntersuchung nach der dem Appellationsgericht freistehenden Wahl entweder durch den Untersuchungsrichter desjenigen Kreisgerichts, in welchem der angeschuldigte Diener seinen Wohnsitz hat, oder durch ein dazu beauftragtes Mitglied des Appellationsgerichts geführt wird, und etwa darin vorkommende Recurse nur an das entscheidende Gericht gehen; 3. die Hauptverhandlung und Entscheidung in nicht öffentlicher Sitzung erfolgt, dafern der angeschuldigte Diener nicht eine öffentliche Verhandlung deshalb beantragt und das Appellati.onsgericht sie hierauf für zulässig erklärt; 4. die Appellation von der Entscheidung erster Instanz an das Oberappellationsgericht geht, welches darüber in nicht öffentlicher Sitzung entscheidet, wenn nicht auf Antrag des Angeschuldigten eine Entscheidung in öffentlicher Sitzung f ü r zulässig erkannt wird. 4. Gemeinschaftliche Bestimmungen für alle Gerichte. A r t . 26. Alle Gerichte müssen, wie bisher, ihre Bescheide und Erkenntnisse in bürgerlichen und Strafsachen stets mit Entscheidungsgründen versehen. — I I . V o n den Staatsanwälten. A r t . 29. Zur gerichtlichen Verfolgung der Verbrechen und Vergehen werden öffentliche Ankläger (Staatsanwälte) aufgestellt. Für jedes Kreisgericht einschliesslich der in dessen Bezirk befindlichen Deputationen, nach Befinden für mehrere Kreisgerichtc gemeinschaftlich, wird ein Staatsanwalt, bei dem Appellationsgericht ein Oberstaatsanwalt und bei dem Oberappellationsgcricht ein Generalstaatsanwalt angestellt Das Nähere über die Befugnisse und Obliegenheiten der Staatsanwälte ist in der Strafproccss-Ordnung bestimmt. A r t . 30. Die Staatsanwälte gehören als solche nicht zu den richterlichen Beamten. Der Oberstaatsanwalt darf aber für bürgerliche Rechtssachen zugleich Mitglied des Appellationsgerichts sein.
2.
Gesetz vom 30. Mai 1866, einige Abänderungen und Zusätse zur 8trafproce»gOrdnnng enthaltend. Statt des Art. 2 vom Anfange bis zu den Worten: „4) alle Polizeivergehen ohne Rücksicht auf die Grösse der Strafe." §. 1. Die Verbrechen werden in Rücksicht auf das Strafverfahren in Verbrechen im engeren Sinne, in Vergehen und in Ueburtretungcn eingetheilt I. Verbrechen im engeren Sinne sind: 1. Alle Verbrechen, welche der Todesstrafe oder einem Strafsatze von Zuchthaus unterliegen, gleichviel, ob Zuchthaus allein oder in Verbindung mit anderen Freiheitsstrafen angedroht ist, jedoch mit Ausnahme der in den Artikeln 221 und 233 des Strafgesetzbuches aufgeführten ausgezeichneten Diebstähle und Veruntreuungen in einem Betrage von funfeig Thalern und weniger;
Gesetz Tom 80. Mai 1866.
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2. alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatze an beurtheilen sind, der Aber vierjährige Arbeitahausstrafe hinausgeht, jedoch mit Ausnahme der in den Art. 216 Nr. 4, 222, 223, 224 und 228 de« Strafgesetzbuchs angefahrten Diebstahle, und der nach dem Art. 232 mit der Strafe des Diebstahls im A r t 216 Nr. 4 bedrohten Veruntreuungen; 3. die unter Art. 197 Ziffer 1 und unter Art. 199 des Strafgesetzbuchs fallenden Verbrechen, das Letztere indessen nur, soweit es sich auf Art. 197 Ziffer 1 bezieht IL Alle nicht zu den Verbrechen im engeren Sinne gehörige Verbrechen, insbesondere auch mit Geldstrafen allein bedrohten, sind Vergehen, sofern sie nicht zu den Uebertretungen zu rechnen sind. H l . Uebertretungen sind: 1. alle Verbrechen, welche nach einem Strufsatzc von höchstens sechs Wochen Gefängniss allein oder wahlweise mit verhältnissmässiger Geldstrafe cu bestrafen sind; 2. Ehrenkrinkungen unter den in dem §. 33 dieses Gesetzes bestimmten Einschränkungen; 3. der Verwandtendiebstahl und die Entwendung von Lebensmitteln (Art. 229 Abs. 1 und Art. 230 des Strafgesetzbuchs), sowie in den Art. 234 und 237 deB Strafgesetzbuchs bezeichneten Veruntreuungen und betrflgerischen Handlungen, insofern alle diese Verbrechen nicht sonst den Art. 218—226, 233, 240 und 241 ausgezeichnete sind, und der Betrag ihres Gegenstandes fünf Thaler nicht übersteigt; 4. die in dem A r t 256 des Strafgesetzbuchs erwähnten Fälschungen; 6. Defraudationen von Wege- und Gemeindeabgaben; 6. alle Polizeivergehen; 7. Uebertretungen des Recrutirungsgesetzes vom 7. November 1849. Anstatt des 2. Absatzes im A r t 16. §. 2. In dem Geschworenenbezirk tritt in der Regel in jedem vierten Monat ein Geschworenengericht zusammen. Eine Abweichung von dieser Zeitbestimmung bedarf der Genehmigung des Justizministeriums. Zu Artikel 23. §. 3. Zu dem Amte eines Geschworenen können auch nicht berufen werden: a) die Geistlichen aller Kirchen- und Religionsgesellschaften; b) die im activen Dienst stehenden Militärpersonen; c) die Volksschullehrer. Zu A r t 25 anstatt der beiden ersten Absitze bis zu den Worten „angezeigt werden" §. 4. Zur Ablehnung des Amtes eines Geschworenen sind berechtigt: 1. diejenigen, welche das sechszigste Lebensjahr zurückgelegt haben; 2. diejenigen, welche durch ein Zeugniss ihres Gemeindevorstandes nachweisen, dass sie den mit dem Amte eines Geschworenen verbundenen Aufwand aus eigenen Mitteln zu tragen ausser Stande sind; 3. diejenigen, welche Haupt- oder Erginzungsgeschworne ( A r t 30 und 32) gewesen sind; die ersteren für ein J a h r und die letzteren für vier Monate von dem Ende des Geschworenengerichts an, bei welchem sie als Geschworene zugegen waren; 4. Anwälte, Aerzte und Apotheker, sofern diese Letzteren keinen stellvertretenden Gehülfen haben; 5. Hof-, Staats- und Gemeindebeamte, welche durch ein Zeugniss ihrer vorgesetzten Behörde ihre Unentbehrlichkeit im Dienste bescheinigen. Jede Ablehnung von Seiten aller dieser Personen muss spätestens 5 Tage
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Stohaen-Meimngen.
nach Insinuation der Ladung dem Appellationsgericht angezeigt werden, welches alsbald darüber zu beschliessen und sowohl dem Bittsteller als dem Präsidenten des Geschworenengerichts die Entscheidung mitxutheilen, auch falls die Ablehnung für begründet erachtet wird, und die im Art. 33 der Strafprocessordnung bestimmte Frist noch eingehalten werden kann, an die Stelle des Ablehnenden sofort einen andern Geschworenen auszuloosen hat. Bei Eröffnung des Geschworenengerichts hat der Präsident desselben die Ablehnung, sowie die ertheilte Entscheidung in der Sitzung bekannt zu machen. Zu A r t 34. §. 5. Ueber die Entschuldigungsgründe derjenigen Geschworenen, welche ausgeblieben sind, oder welche Entlassung«- und Beurlaubungsgesuche vorbringen, beschliesst der Gerichtshof nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und macht die Entscheidung in öffentlicher Sitzung bekannt. Ueber solche Entlassungs- und Beurlaubungsgesuche und Ablehnungen, auf welche noch von Eröffnung des Geschworenengerichts Bescheid ertheilt werden kann, igt sogleich vor dem Appellationsgericht nach Gehör des Oberstaatsanwalts zu entscheiden, es sind jedoch auch in diesem Falle die ergangenen Entscheidungen bei Eröffnung des Geschworenengerichts in öffentlicher Sitzung bekannt zu machen. Zu Art. 42 statt des ersten Satzes von den Worten: „Für einzelne — beauftragen" und zu Art. 43 Absatz 2. §. 6. Der Oberstaatsanwalt kann Beamte der Staatsanwaltschaft mit einstweiliger Vertretung seiner selbst, sowie mit der Stellvertretung für andere Staatsanwälte beauftragen. Anstatt des dritten Absatzes im Art. 45. §. 7. Anträge stellt der Staatsanwalt mündlich oder schriftlich. In gleicher Weise giebt er Erklärungen Aber Anträge des Angeschuldigten oder anderer Personen, und über Anfragen des Gerichts ab. Den Berathungen eines Gerichts in der Voruntersuchung, sowie über die Versetzung in den Anklagestand kann er beiwohnen; vor der Abstimmung hat er sich zu entfernen. Zu Art. 86 statt des zweiten Absatzes. §. 8. Die zur gerichtlichen Verwahrung genommenen Gegenstände sind in der Weise zu bezeichnen, dass Verwechselungen nicht stattfinden können. Zu Art. 108 statt Ziffer 1. §.9.
1. wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, als einen herumziehenden Lebenswandel führend, wegen der Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdichtig ist.
Anstatt des Art. ¿31. §. 10. Eine Untersuchungshaft des Angeschuldigten ist nur statthaft, wenn derselbe nach seiner Vernehmung des ihm schuld gegebenen Verbrechens noch ferner verdächtig bleibt, kein sicheres Geleit erlangt hat, und entweder 1. die Untersuchung sich auf ein Verbrechen im engeren Sinne bezieht; 2. zu besorgen steht, dass der Angeschuldigte durch Verabredung mit Mitschuldigen, durch Verabredung mit Zeugen, bei Letzteren vorausgesetzt, dass die Besorgniss durch die Persönlichkeit der Zeugen unterstützt wird, oder durch Vernichtung der Spuren des Verbrechens die Untersuchung erschweren oder vereiteln werde; oder 3. der Angeschuldigte Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein Unbekann-
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Geaeta Tom 80. Mai 1856.
ter, alt Ausl&nder, als heimathlos, wegen herumziehenden Lebenswandels, wegen der Schwere des Vergehens oder ans sonstigen Gründen der Flocht verdichtig scheint Zu A r t 157 und 169. §. 11. Die im Art. 157 Abs. 1 und im Art. 169 Abs. 1 enthaltene Vorschrift wegen Zuziehung von Urkundspersonen ist aufgehoben. Zu den A r t 179 ff., 189, 216 und 244. §. 12. Die Mitglieder der landesherrlichen Familie werden in ihren Wohnungen vernommen. Die Eidesformel wird ihnen von dem mit der Vernehmung beauftragten Eichter vorgelesen und zur eigenhändigen Unterschrift vorgelegt Zur Hauptverhandlung werden sie nicht vorgeladen, sondern es soll stets nur die von ihnen zu Protokoll gegebene Aussage verlesen werden. Statt des ersten Abs. im Art. 189. 13. Die Vereidung der Zeugen unterbleibt nicht blos, wenn dieselben eidesnnmflndig oder eidesunfihig sind, sondern auch, wenn der Richter wegen der besonderen Beziehungen des Zeugen zu den in der Untersuchung befangenen Personen, oder zu den in dieser verhandelten Verhältnissen die Vereidung für bedenklich hilt. §. 14. reicht ist.
Anstatt des ersten Abs. im Art. 193. Die Voruntersuchung wird geschlossen, sobald
deren Zweck
er-
Anstatt des dritten Abs. im A r t 198. §. 15. Der Vertheidiger oder der Angeschuldigte kann von den ihm n o t wendig scheinenden ActenstQcken Abschriften nehmen oder nehmen lassen. Von Gutachten der Sachverständigen sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu ertheilen. Anstatt des zweiten Abs. im Art. 206. §. 16. Ist dagegen ein Verweisungserkenntniss ertheilt worden, und der Angeschuldigte ist noch nicht verhaftet, so ist er sofort bei dessen Eröffnung in Haft zu nehmen, wenn er vor das Geschworenengericht verwiesen ist, ausgenommen bei denjenigen Vergehen oder Uebertretungen, welche nur in Folge einer Erstreckung des Gerichtsstandes an das Geschworenengericht gelangen. Bei diesen abgenommenen Verbrechen, und Oberhaupt, wenn die Hauptverhandlung vor das Kreisgericht verwiesen ist, soll es von dem Ermessen des Letzteren abhftngen, ob es die Verhaftung verfügen will. Im Einverstkndniss mit dem Staatsanwalt kann aber auch die Verhaftung des vor das Geschworenengericht verwiesenen Angeschuldigten von dem Kreisgericht unterlassen werden, wenn weder aqs dessen Persönlichkeit, noch aus den sonstigen Umstanden ein Bedenken hiergegen hervorgeht. Gegen eine desfallsige abschlägige Verfügung findet jedoch kein Rechtsmittel s t a t t Anstatt des A r t 207. §. 17. Gegen die in den Art. 201—203 erwähnten Entscheidungen der Anklagekammer und gegen die gleichen Entscheidungen des Kreisgerichts steht der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an das Oberappellationsgericht zu. Diese ist von dem Tage der Eröffnung der Entscheidung an innerhalb fünftägiger Nothfrist bei dem Kreisgericht, oder gegen Entscheidungen der Anklage-
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kammer, auch bei dieser schriftlich oder mündlich mit Angabe der einzelnen Nichtigkeitsgründe einzuwenden, und hat aufschiebende Wirkung. Ausser den Fällen der Nichtigkeitsbeschwerde steht der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Kreisgerichts, dass der Angeklagte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, das Rechtsmittel der Appellation, und zwar an die Anklagekammer des Appellationsgerichts gegen Entscheidungen der Kreisgerichte, und an das Oberappellationsgericlit gegen Entscheidungen der Anklagekammer zu. Sie ist binnen fünftägiger Nothfrist, von Mittheilung der Entscheidung an, bei dem eröffnenden Gerichte einzuwenden. Ueber das Verfahren gelten dieselben Bestimmungen, wie bei der Nichtigkeitsbeschwerde im Art. 209. Ein gleiches Bechtsmittel der Appellation steht dem Angeklagten zu, wenn der Staatsanwalt bei dem Gericht auf Einstellung der Untersuchung angetragen hat, und seinem Antrag keine Folge gegeben worden ist. Die nach dem zweiten Abs. des Art. 206 eintretende Verhaftung des Angeklagten wird nicht aufgehoben, wenn gegen den Verweisungsbeschluss ein Rechtsmittel ergriffen worden ist. Die nach dem ersten Abs. des A r t 206 eintretende Freilassung soll dagegen nur dann aufgeschoben werden, wenn die Staatsanwaltschaft dieses wegen eines von ihr einzuwendenden Rechtsmittels sofort bei Mittheilung der Entscheidung beantragt. Gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters, rücksichtlich Kreisgerichts, ausser den in den Art. 201—203 genannten Fällen, findet Recurs nach den Vorschriften des Art. 99 und 100 statt. Anstatt deB Art. 219. §. 18. Erscheint ein gehörig vorgeladener Angeklagter bei der Hauptverhandlung nicht, und kann er auch nicht noch sofort durch einen Vorführungsbefehl erlangt werden, so ist die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit zu führen, und eine endliche Entscheidung zu ertheilen, welche demselben bei seiner Rückkunft oder Wiedererlangung mit Belehrung über das zuständige Rechtsmittel zu eröffnen ist. Die Nothfrist hierzu läuft ihm erst vom Tage der Eröffnung an. Erachtet jedoch das Gericht die persönliche Gegenwart des Angeklagten zur Ermittelung der Wahrheit für erforderlich, so hat dasselbe in diesem Falle die Vertaguug der Hauptverhandlung, und wegen etwaiger Verhaftung des Angeklagten das Geeignete zu beschliessen. Statt des A r t 228. §. 19. Die Oeffentlichkeit ist für die ganze Hauptverhandlung oder einen Theil derselben auszuschlieBsen, wenn eine Gefährdung der Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten steht. Bei Münzverbrechen wird die Oeffentlichkeit, nach dem Ermessen des Gerichts, ausgeschlossen. Das Gericht spricht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verletzten, oder auch von Amtswegen, die Ausschliessung der Oeffentlichkeit durch einen schriftlich abzufassenden, den Grund der Ausschliessung enthaltenden Beschluss aus. Dieser Beschluss wird vor Beginn der Hauptverhandlung, oder auch im Laufe derselben gefasst, und von dem Gerichtschreiber im ersteren Falle bei dem Aufrufe der betreffenden Sache, vorgelesen, worauf die Zuhörer sich sofort zu entfernen haben. Rechtsmittel gegen solchen Beschluss sind unzulässig und nicht zu beachten. Bei Verkündigung des Endurtheils tritt jedenfalls die Oeffentlichkeit wieder ein. Zu Art. 229 statt des 2. Satzes. §. 20. Der Vorsitzende kann auf Antrag des Angeklagten oder Verletzten, oder von Amtswegen, auch einzelnen anderen bei der Hauptverhandlung unbetheiligten Personen den Zutritt verstatten.
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Gesetz vom SO. Mai 1866. Zu Art. 231.
§. 21. Der Vorsitzende kann Oberhaupt Jeden, welcher sich ungebührlich beträgt oder den getroffenen Anordnungen nicht Folge leistet, mit einer Strafe bis zu 5 Thalera Geld oder im Falle des Unvermögens bis zu 8 Tagen Gefängniss belegen. Hiergegen findet kein Rechtsmittel statt. Zu A r t 237 statt des 1. und 2. Abs. §. 22. Die Zeugen und Sachverständigen werden in Anwesenheit des Angeklagten abgehört. Sie werden nach dem Ermessen des Vorsitzenden vor oder nach ihrer Abhörung, einzeln oder zusammen, in der in den Art. 161 und 189 dieses Gesetzes angegebenen Weise verwarnt und vereidet mit Ausnahme der im Allgemeinen verpflichteten Sachverständigen, sowie der bereits in der Voruntersuchung vereideten Sachverständigen und Zeugen, bei welchen allen eine Erinnerung an ihren im Allgemeinen oder in der einzelnen Untersuchung schon geleisteten Eid genOgen soll. Anstatt des Art. 244. §. 23. Eine Vorlesung der Aussagen von Zeugen und Gutachten von Sachverständigen in der Voruntersuchung findet ferner statt, wenn das Verweisungserkenntniss schon darauf erkannt hatte (Art 203), desgleichen in dem Art. 222 erwähnten Fall, und wenn als Beweismittel angegebene Zeugen und Sachverständige in der Zwischenzeit verstorben sind, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist, oder ihrem Erscheinen nach dem Ermessen des Gerichts erhebliche Hindernisse für längere Zeit im Wege stehen. Besichtigungsprotokolle, früher ergangene Straferkenntnissc gegen den Angeklagten, flberhaupt Urkunden, welche für die Sache von Bedeutung sind, werden gleichfalls vorgelesen. Zu Art. 246. §. 24. Eine Beeidigung der auf Anordnung des Vorsitzenden eingeführten Zeugen oder Sachverständigen kann auch dann vorgenommen werden, wenn wegen Erhebung dieser neuen Beweismittel eine Vertagung ( A r t 270) eingetreten war. Zu A r t 264. 25. Das Unterbleiben der Aufnahme eines besonderen Protokolls über die Berathung des Gerichts bei der Urtheilsftllung soll jedoch dann Nichtigkeit nicht zur Folge haben, wenn das Ergebniss der Abstimmungen des Gerichts unter Angabe der Stimmenzahl in das Protokoll Ober die Hauptverhandlung mit aufgenommen worden ist Zu Art. 289. §. 26. Der von dem Obmann vor der Berathung den Geschworenen vorzulesenden Instruction ist noch Folgendes beizufügen: Die Berathung und der Ausspruch der Geschworenen muss sich auf die ihnen vom Präsidenten vorgelegten Fragen beschränken. Ihre Ansicht über die Zweckmässigkeit oder Rechtmässigkeit des Strafgesetzes darf auf ihren Ausspruch keinen Einfluss haben. Nicht sie, sondern die Richter sind berufen, die gesetzlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten wegen der ihm zur Last fallenden That treffen. Die Geschworenen haben daher ihren Ausspruch ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Folgen desselben zu fällen. Sammlung d. n. d. Gesetze.
21
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Sachsen-Meiningen.
Zu Art. 301 statt des 2. Abs. §. 27. Das Urthcil muss enthalten eine Bezugnahme auf die das Erkeuntniss begründenden Fragen und Aussprüche der Geschworenen, die Bezeichnung der angewendeten strafgesetzlichen Bestimmungen und die zuerkannte Strafe, bei Strafe der Nichtigkeit. Zu Art. 304. §. 28. Einer Aufnahme der an die Geschworenen gestellten Fragen und der dazu abgegebenen Aussprüche in das Protokoll bedarf es nicht; es genügt, dass jene Fragen mit den dazu ertheilten Aussprachen in Urschrift dem Protokolle beigelegt werden. Zusatz zu dem dritten Absatz des Art. 307. §. 29. Unter einem abwesenden Angeklagten ist derjenige nicht zu verstehen, welcher auf eine ihm behändigte Ladung zur Hauptverhandlung nicht erscheint. Zu Art. 347. §. 30. Bei Untersuchungen von Forstvergehen und wegen Defraudationen von Wege- und Geineindeabgaben geht die Hauptverhandluag vor sich, auch wenn ein Vertreter der Staatsanwaltschaft nicht anwesend ist. Zu Art. 353. §. 31. Die Zeit, welche zu dem Transport nach der Strafanstalt verwendet wird, ist dem Verurtheilten ebenfalls in Anrechnung zu bringen. Zu Art. 361 statt des ganzen zweiten Absatzes. §. 32. Die Kosten sind in diesem Falle von dem Staate zu abernehmen. Nur bei Verbrecheil, welche blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht und von diesem als Privatankläger verfolgt werden, hat Letzterer die Kosten zu tragen. Vertheidigungsgebühren vergütet der Staat oder Privatankläger nur den angestellten Anwälten und nur, sofern dieselben durch die mündliche Verteidigung entweder vor dem Geschworenengerichte oder bei dem Kreisgerichte erwachsen sind; bei einer Hauptverhandlung vor dem Kreisgcrichte jedoch nur dann, wenn dem Angeklagten ohne seinen Antrag lediglich von Amtswegen ein Vertheidiger bestellt worden war, auch sind Reisekosten und Diäten des Vertheidigers von der Vergütung ausgenommen. Den von Amt3wcgen bestellten Vertheidigern, welche nicht zu den angestellten Anwälten gehören (Art. 197), sind die bescheinigten nothwendigen baaren Auslagen zu vergüten. Besondere Bestimmungen über das Verfahren bei Ehrenkränkungen. Anstatt der Art. 370 bis 377. §. 33. Bei den in dem ersten Abs. des Art. 185 und in den Art. 186, 189 und 190 deB Strafgesetzbuchs gedachten Verleumdungen und Beleidigungen, ausgenommen sofern diese Verbrechen gegen öffentliche Behörden gerichtet sind, oder bei im öffentlichen Dienste angestellten Personen durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, findet im Allgemeinen das für die Untersuchung von Uebertretungen geordnete Verfahren mit den nachstehend bemerkten einzelnen Abweichungen statt. §. 34. Der Einzelrichter kann vor Ausfertigung auf die Anklage beide Parteien, unter Androhung einer Ordnungsstrafe bis zu fünf Thalern, zu einem Sühnetermin vorladen oder auf einen freien Gerichtstag verweisen.
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Verordnung rom SS. Juli 1860.
{. 35. Dem Bichter steht die Befugniss zu, nach Erwägung der Persönlichkeiten und aller anderen Umstände des einzelnen Falles zur Herstellung seiner Ueberseugung von der Wahrheit oder Unwahrheit der in Betracht kommenden Thatsachen dem Ankläger oder dem Angeschuldigten die Ableistung eines Eides hierfiber aufzuerlegen. §. 36. Wenn Verleumdungen und Beleidigungen im öffentlichen Dienste angestellter Personen, welche durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, von der Beschaffenheit sind, dass die zu erkennende Strafe eine sechswAchentliche Geftngnissstrafe oder verh<nissmtssige Geldbusse nicht abersteigen wflrde, so hat das Kreisgericht nach Gehör des Staatsanwalts die Untersuchung an den Einzelrichter zu verweisen, in welchem Falle dann ebenfalls das im Art. 346 Kr. 3 und Art. 347 geordnete Verfahren unter Mitwirkung der Staatsanwaltschaft eintritt. §. 37. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli d. J . in K r a f t Diejenigen Untersuchungen, in welchen schon vor diesem Zeitpunct ein Verweisungserkenntniss ertheilt worden ist, sowie diejenigen Ehrenkrinkungssachen, in welchen bisher das, in den Art. 371—377 der Strafprocess-Ordnung von 1850 geordnete Verfahren stattgefunden hat, sollen, insofern in letzterem eine Anklage bereits erhoben worden ist, nach dem früheren Verfahret) verhandelt werden.
Xld.
Herzogtümer Anhalt. i.
Verordnung vom 28. Juli 1850 Uber die Organisation der Gerichtsbehörden. HI.
Organisation der Gerichtsbehörden. §. 10. Die Umgestaltung der sämmtlichen Gerichte beider HerzogthOmer, welche durph die vorstehend angeordnete Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, sowie durch Einführung der StrafprocessOrdnung nothwendig wird, erfolgt in nachstehender Weise. §. 11. Die gesammte Justizverwaltung wird in e r s t e r Instanz durch collegialisch eingerichtete Kreisgerichte, in Verbindung mit Einzelrichtern; in z w e i t e r Instanz durch das Oberlandesgericht; in d r i t t e r und h ö c h s t e r Instanz durch das Oberappellationsgericht ausgeflbt; jedoch mit Vorbehalt der in den {$. 6 und 7 gedachten Ausnahmsf&lle. 1. Gerieb ke erster Instanz. §. 12. Für den Umfang der beiden HerzogthQmer werden d r e i Kreisgerichte gebildet §. 13. Jedes dieser drei Kreisgerichte besteht aus einem Director und der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern (R&then und Assessoren), und wird denselben die zum Geschäftsbetriebe nöthige Anzahl von Unterbeamten (Secretftren, Registratoren und Gerichtsboten) beigeordnet. 21»
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Heraogthümer Anhalt.
§. 14. I n dem Sprengel der Kreisgerichte werden ausserdem nach dem BedUrfnis9 E i n z e l r i c h t e r und zwar mit dem, nach der Grösse des ihnen angewiesenen Bezirks, erforderlichen Personal an Actuarien oder Gerichtschreibern und Boten angestellt. Diese Einzelrichter sind Mitglieder des Kreisgerichts, in dessen Sprengel ihr Bezirk gelegen ist, sie stehen unter Aufsicht des betreffenden Kreisgerichtsdirectors, welcher sie erforderlichen Falls als Ergänzungsrichter und zu Plenarsitzungen einberuft. §. 18. Jedem Kreisgerichte steht innerhalb seines Gerichtssprengeis die unbeschränkte Ausübung der Gerichtsbarkeit zu in allen streitigen und nichtstreitigen bargerlichen Rechtssachen und in allen Strafsachen nach den Bestimmungen der Strafprocess-Ordnung. §. 19. Bei jedem Kreisgerichte werden aus der Zahl seiner Mitglieder ein oder mehrere Untersuchungsrichter und ein Staatsanwalt bestellt. Die fibrigen, nicht als Einzelrichter delegirten Mitglieder des Kreisgerichts haben in allen zur Competenz der Einzelrichter gehörigen Strafsachen (§. 2 1 ) bei dem Collegio das Richteramt als Einzelrichter mit zu verwalten. Diese Einzelrichter sind einander gegenseitig nach Anordnung des Kreisgerichtsdirectors zur Stellvertretung und Aushülfe verpflichtet §. 20. Der Untersuchungsrichter hat für den ganzen Kreisgerichtssprengel alle Voruntersuchungen über Verbrechen im engeren Sinne und über Vergehen nach den Bestimmungen der Strafprocess-Ordnung Cap. 6 — 1 1 und Cap. 15 zu führen. Dem Staatsanwalte sollen ausser seinen Obliegenheiten, nach Massgabe der Strafprocess-Ordnung, im Allgemeinen noch solche civil-richterliche Geschäfte, die mit der Stellung eines Staatsanwaltes verträglich sind, insbesondere aber die Aufsicht über die Sportel- und die gesammte StempelcassenVerwaltung übertragen werden. §. 21. Zur Zuständigkeit der Einzelrichter in den abgesonderten Gerichtsbezirken gehören: alle Uebertretungen, nach der genaueren Bezeichnung im Art. 2 No. 1 — 4 der Strafprocess-Ordnung, und sind namentlich zu den daselbst unter No. 4 gedachten Polizeivergehen diejenigen zu zählen, welche nach den im Publicationspatente zu den Criminalgesetzbüchern §. 2 No. 5, 6, 8 und 9 einer Strafe unterliegen. 2.
Oberlandesgericht.
§. 22. Für beide Herzogthümer besteht ein Oberlandesgericht, welches seinen Sitz in Dessau hat und aus zwei Senaten gebildet wird. Dem ganzen Gerichtshofe und dem ersten Senate desselben steht ein Präsident und dem zweiten Senate ein Vicepräsident vor. Jeder Senat muss ausser dem Präsidenten mit wenigstens drei Richtern besetzt sein. Auf Anordnung des ersten Präsidenten können Mitglieder eines Senats einem anderen Senate zur Aushülfe und Stellvertretung jederzeit beigegeben werden. Beide Senate bilden das Plenum, welches der erste Präsident zu versammeln hat, wenn 1. wichtige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu berathen und durch Beschluss festzustellen; 2. allgemeine Geschäftsberichte zu erstatten; 3. neue Gesetzentwürfe oder organische Einrichtungen im Justizdienste zu berathen oder zu begutachten sind ; ferner 4. in allen S a c h e n , bei welchen es auf Ausübung der Disciplinargewalt und Oberaufsicht über die Justiz-, Deposital- und Sportelverwaltung der sämmtlichen Untergerichte ankommt; endlich 5. steht dem Gerichtshofe die Ertheilung von Beglaubigungen nnd Bescheinigungen in der bisherigen Art zu.
Gesetz vom 28. November 1853.
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Der erste Senat bildet 1. die Appellationsinstanz für alle Untersuchungssachen, welche durch Rechtsmittel gegen Bescheide und Erkenntnisse der Einzelrichter und Kreisgerichte, nach Massgabe der gesetzlichen Vorschriften, an ihn gelangen; 2. die Beschwerdeinstanz för alle Einzelrichter und Kreisgerichte in Untersuchungssachen. So oft der Zusammentritt eines Geschworenengerichts erforderlich wird, wählt der erste Prisident des Oberlandesgerichts nach Art. 20 der Strafprocess-Ordnung den Präsidenten und die Beisitzer des Gerichtshofes des Geschworenengerichts, and bildet derselbe auch alljährlich nach Art. 14 des gedachten Gesetzbuches au« drei Mitgliedern beider Senate und aushülfsweise aus Mitgliedern der Kreisgerichtc d i e Anklagekammer. 3. Oberappellationsgericht. §. 23. Das für die vereinigten thoringischen Staaten bestehende Oberappellationsgericht zu J e n a bildet fortan in Rechtssachen für die HerzogthQmer Anhalt-Dessau und Anhalt-KOthen die dritte und höchste Instanz. Das Nähere hierüber wird in einem demnächst zu publicirenden provisorischen Gesetze bestimmt werden. §. 27. Beschwerden aber gerichtliche Verfügungen in allen processualischen Angelegenheiten folgen, sowohl in Civil- als in Strafsachen, dem Instanzenzuge der gegen Erkenntnisse in diesen Angelegenheiten zulässigen Rechtsmittel. Für Beschwerden Uber Verfügungen der Einzelrichter und Kreisgerichtc in nicht processualischen Angelegenheiten ist künftig das Oberlandesgericht die alleinige Instanz, so dass es bei dessen Entscheidung bewendet. Nur solche Beschwerden, welche den Geschäftsbetrieb oder die Verzögerung der Justizverwaltung betreffen, sind hinsichtlich aller Rechtsangelegenheiten im Aufsichtswege und demnach schliesslich durch das herzogliche Gesammtetaatsministerium zu erledigen. Bezüglich der Beschwerden, welche die Disciplin der Justizpersonen betreffen, verbleibt es bei den Bestimmungen des Civilstaatsdienergesetzes.
2.
Gents vom 28. November 1853, die Umgeitaltnng des herzogl. Oberlande«gerichts betreffend. §. 1. Die bisherige Eintheilung des Oberlandeegerichts in zwei Senate unter je einem Präsidenten wird hiermit aufgehoben und soll dasselbe künftig nur e i n Collegium, bestehend aus einem Präsidenten und mindestens vier Richtern (RSthen und Assessoren) bilden. Das Collegium des Oberlandesgerichts ist, in Folge der gegenwärtigen neuen Organisation, durch Versetzung einzelner Mitglieder auf andere angemessene Stellen, unter Belassung der bisherigen Besoldung (§. 18 des Staatsdienergesetzes No. 306), oder durch Dispositionsstellung derselben (§. 28b. ibid.) auf die erforderliche Anzahl von stimmführenden Mitgliedern nach und nach zurückzuführen. §. 2. Die gesetzlich festgestellten Competenzverhältnisse des Oberlandesgerichts bleiben zwar unverändert, jedoch sind die verschiedenen, in der Verordnung vom 26. Juli 1850 (No. 315) und in den später erschienenen Gesetzen, namentlich .in dem Zusatzgesetze zur Strafprocess-Ordnung vom 10. September 1853 (No. 421), dem vormaligen ersten oder zweiten Senate und dem Plenum besonders
Herzogtümer Anhalt überwiesenen Geschäfte nunmehr sämmtlich von dem neugebildeten Collegium, nach Massgabe der Geschäftsordnung, zu bearbeiten. §. 3. Die specielle Leitung und Bearbeitung der Oberrevisionsgeschäfte für die gesammte Sportel- und Stempelverwaltung der Gerichtsbehörden verbleibt, nach Massgabe der Verordnung vom 18. April 1851 (No. 330) und der hierauf sieh beziehenden Ministerialverordnungen, dem Oberstaatsanwalt, und ist derselbe in dieser Beziehung als beständiger Comraissarius des Oberlandesgerichts zu betrachten, in welcher Eigenschaft er die Untergerichte zur Erledigung der Erinnerungen anzuhalten und Ordnungsstrafen aufzuerlegen und zu vollziehen befugt ist §. 4. Bei der Berathung oder Begutachtung neuer Gesetzentwürfe oder organischer Einrichtungen im Justizdienste oder über Gnadengesuche in Untersuchungssachen hat das Oberlandesgericht den Oberstaatsanwalt hinzuzuziehen.
3.
Verordnung vom 28. Juli 1850 Uber das Ressort nnd die Gesch&ftsverwaltung der Beamten der Staatsanwaltschaft I. Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Die Beamten der Staatsanwaltschaft und deren ständige oder zeitige Substituten sind die Organe der Staateregierung für die Wahrnehmung des öffentlichen Interesses in den durch die Strafprocess-Ordnung und diese Verordnung näher bestimmten Angelegenheiten. Zu ihren Obliegenheiten gehört: a) die Ermittelung und Verfolgung strafbarer Gesetzesübertretungen nach den Vorschriften der Strafprocess-Ordnung; b) die Vertretung der Staatsbehörden in Disciplinaruntersuchnngen gegen Staatsund Kirchendiener und andere öffentliche Beamte; c) die Wahrnehmung des öffentlichen Interesses in Civilprocessen, welche die Scheidung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe betreffen, insofern und insoweit das künftige Civilprocessgesetz dies anordnet; d) die Vertretung der Rechte Seiner Hoheit des Herzogs, der Staatsregierung und der Staatsbehörden in allen streitigen und nichtstreitigen Civilsaehen, in welchen diese Hechte bei den inländischen Gerichten wahrzunehmen sind. Es sind jedoeh zur Legitimation der Staatsanwälte in diesen Sachen für jeden einzelnen Fall besondere Vollmachten auszustellen. In solchen Civilsachen ist denselben die Substitution eines anderen Rechtsanwalts erlaubt. §. 2. Bei einem jeden der drei Kreisgerichte und den in dem Sprengel desselben angestellten Einzelrichtern vertritt ein mit den Functionen eines Staatsanwaltes bekleideter richterlicher oder doch zum Richteramte qualificirter Staatsdiener, bei dem gemeinschaftlichen Oberlandesgerichte ein Oberstaatsanwalt, die Staatsanwaltschaft. In solchen Untersuchungen der Einzelrichter, welche Polizeiübertretungen, Jagd-, Forst- und Waldfrevel betreffen, sollen die Rechtsverfolgung an der Stelle des Staatsanwaltes unter dessen Aufsicht besondere Polizei- und Forstanwälte übernehmen. Die gesetzlichen Vorschriften fiber die Gerichtszuständigkeit in Strafsachen (§. 51—59 der Strafprocess-Ordnung) sind auch für die Competenz des Staatsanwaltes massgebend. §. 3. Alle Beamten der Staatsanwaltschaft sind der Aufsicht des herzoglichen Qesammtstaateministeriums untergeben.
Verordnung vom 26. Juli 1850.
327
Der Oberstaatsanwalt steht an der Spitze der Staatsanwaltschaft. Die Mitglieder derselben sind verpflichtet, seinen Anordnungen nachzukommen, von allen in ihrem Geschiftskreise von ihnen beantragten Untersuchungen, mit Ausnahme der Rügesachen bei polizeilichen Uebertretungen, J a g d - , Forst- nnd "Waldfreveln, ihm ungesäumt Anzeige zu machen, vor Erhebung wichtiger Anklagen, sowie bei der Anbringung von Beschwerden und Einlegung von Rechtsmitteln in zweifelhaften Fällen seine Ansicht einzuholen und nach derselben zu verfahren. Die frühere Verfügung im §. 7 der Erläuterung zum Titel X I X . , X X . und X X I . der Process-Ordnung, nach welcher die Untergerichte die Pflicht hatten, von allen Untersuchungen, welche sie nicht binnen vierzehn Tagen erledigen konnten, dem Obergerichte berichtliche Anzeige zu machen, wird hiermit aufgehoben. Ueber erhebliche und ein besonderes Aufsehen erregende Verbrechen muss der Oberstaatsanwalt dem herzoglichen Gesammtstaatsministerium Anzeige machen. §. 4. Beschwerden aber die Amtsführung der Unterstaatsanwälte und deren Substituten gehen zunächst an den Oberstaatsanwalt, und in letzter Instanz, gleich den Beschwerden Uber die Amtsführung des Oberstaatsanwaltes, an das herzogliche Gesammtstaatsministerium. §. 5. Dasselbe kann gegen alle Beamten der Staatsanwaltschaft Ordnungsstrafen jeder Art verhängen. Der Oberstaatsanwalt ist befugt, gegen alle bei den Kreisgerichten und den Einzelrichtern fungirenden Staats-, Polizei- und Forstanwälte Verweise und Geldstrafen bis zu 2 0 Thlr. zu verhängen, vorbehaltlich der Beschwerde gegen eine solche Ordnungsstrafe an das herzogliche Gesammtstaatsministerium. In Be^ug auf das Verfahren wegen Disciplinarvergehen der Beamten der Staatsanwaltschaft kommen die Vorschriften in den §§. 2 3 und 24 des Civilstaatsdienergeeetzes vom 10. April 1 8 5 0 zur Anwendung. §. 7. F ü r einzelne Fälle der Verhinderung des Oberstaatsanwaltes hat das herzogliche Gesammtstaatsministerium die Stellvertreter desselben zu ernennen. In allen dringenden und keinen Aufschub leidenden Sachen soll der Staatsanwalt, welcher bei dem am Orte befindlichen Kreisgerichte fungirt, als sein Vertreter angesehen werden. Sind andere Beamte der Staatsanwaltschaft verhindert, so muss der Oberstaatsanwalt für deren Vertretung Sorge tragen. In der Regel ist dieselbe einem benachbarten Mitgliede der Staatsanwaltschaft zu übertragen. Die Bewilligung einer Vergütung für die Stellvertretung findet nur mit Genehmigung des herzoglichen Gesammtetaatsministeriums statt. Sollte zu einer solchen Stellvertretung kein Beamter der Staatsanwaltschaft disponibel sein, so muss von dem herzoglichen Gesammtstaatsministerium zur Aushälfe ein Richter, oder eine zu dem Richteramte befähigte Person, abgeordnet werden. Tritt im Laufe einer Gerichtssitzung eine Verhinderung ein, so hat der Vorsitzende des Gerichts aus der Zahl der Richter oder der angestellten richterlichen Gehülfen sofort einen Vertreter der Staatsanwaltschaft abzuordnen. §. 8. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaft sind coordinirte Behörden, welche die gleichen Zwecke verfolgen und sich daher bei Erledigung der ihnen obliegenden Geschäfte innerhalb ihres Ressorts die bereiteste Unterstützung zu gewähren und den gegenseitigen Requisitionen Folge zu geben haben. So wenig der Staatsanwaltschaft zusteht, Amtshandlungen oder Ansichten der Gerichte einer Kritik zu unterwerfen, es sei denn in Beschwerde- und Rechtsschriften, ebenso wenig ist den Gerichten gestattet, Amtshandlungen und Ansichten der Staatsanwaltschaft einer solchen Beurtheilung zu unterwerfen, es sei denn in Beschlüssen und Erkenntnissen. Beide haben hierbei die Grenzen der sachlichen Erörterung Diemals zu überschreiten.
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Herzogtümer Anhalt.
Erheben sich zwischen den Gerichten und Staatsanwälten Differenzen, so sind diese von dem Präsidenten des Oberlandesgerichte und dem Oberstaatsanwälte gemeinschaftlich zu erledigen, und wenn eine Vereinigung zwischen den Letzteren nicht erreicht werden sollte, oder wenn diese Differenzen zwischen dem Oberlandesgerichte und dem Oberstaatsanwälte bestehen, in einem gemeinschaftlichen Berichte zur Entscheidung des herzoglichen Gesammtstaatsministeriums zu bringen. §. 9. Der Geschäftsverkehr mit den Gerichten ist überall so zu ordnen, dass so viel als möglich durch mündliche Rücksprache erledigt und unnöthige Schreiberei vermieden wird. Sowohl in Untersuchungs-, als in Disciplinar- und Ehescheidungssachen sind die Acten der Gerichte den Beamten der Staatsanwaltschaft auf deren Antrag vorzulegen oder zu verabfolgen. Requisitionen und Correspondenzen zwischen dem Oberstaatsanwälte und den Staatsanwälten einerseits und zwischen der Staatsanwaltschaft and den Gerichten andererseits sind in der Regel nicht in Form expedirter Schreiben, sondern durch Marginalanschreiben zu erlassen. An die Beamten der Polizeibehörden können in schleunigen Sachen auch mündliche Requisitionen gerichtet werden. Verfügungen und Beschlüsse der Gerichte sind der Staatsanwaltschaft zur Kenntnissnahme in der Urschrift vorzulegen.
4.
Durch Oesetz vom 10. September 1893 iat die Strafprocess-Ordnnng in folgenden Artikeln abgeändert: Statt des wegfallenden Art. 1. §. 1. Eine Bestrafung wegen Verbrechen und solcher Polizeivergehen, deren Untersuchung und Bestrafung nach dem Gesetze vom 23. November 1852 den Gerichten vorbehalten ist, kann nur nach vorgängigem Strafverfahren in Gemässheit der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung eintreten. Statt des Art. 2 vom Anfange bis zu den Worten: ,4) alle Polizeivergehen, ohne Rücksicht auf die Grösse der Strafe:" §. 2. Diu Verbrechen werden in Rücksicht auf das Strafverfahren in Verbrechen im engeren Sinne, in Vergehen und in Uebertretungen eingetheilt. I. Verbrechen im engeren Sinne sind: 1. alle Verbrechen, welche einem Strafsatze von Zuchthaus unterliegen, gleichviel ob Zuchthaus allein oder in Verbindung mit anderen Freiheitsstrafen angedroht ist, diejenigen Verbrechen jedoch ausgenommen, welche neben anderen Freiheitsstrafen nur mit einer, zwei Jahre nicht übersteigenden Zuchthausstrafe bedroht sind ; 2. die unter Art. 197 Zahl 1, ingleichen unter Art. 199 des Strafgesetzbuchs fallenden Verbrechen, das letztere indessen nur, soweit es sich auf Art. 197 Zahl 1 bezieht. II. Alle nicht zu den Verbrechen im engeren Sinne gehörigen Verbrechen sind Vergehen, sofern sie nicht zu den Uebertretungen zu rechnen sind. III. Uebertretungen sind: 1. alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatze von höchstens sechs Wochen Gefängnis» allein oder wahlweise mit verhältnissmässiger Geldstrafe zu bestrafen sind; 2. Ehrenkränkungen unter den im Art. 370 der Strafprocess-Ordnnng und §. 122 dieses Gesetzes bestimmten Einschränkungen;
Gesetz rom 10. September 1863.
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3. die im A r t 131 Zahl 5 und im Art. 135 de« Strafgesetzbuch« gedachten Körperverletzungen; 4. der Verwandtendiebstahl and die Entwendung von Lebensmitteln ( A r t 229 Abs. 1 and A r t 230 des Strafgesetzbachs), sowie die in den Art. 234 und 237 des Strafgesetzbuchs bezeichneten Veruntreuungen und betrügerischen Handinngen, insofern alle diese Verbrechen nicht sonst nach Art. 218—226, A r t 233, 240 und 241 ausgezeichnete sind, und der Betrag ihres Gegenstandes fünf Thaler nicht übersteigt; 5. diejenigen Polizeivergehen, welche in den Polizeigesetzen an sich oder im Rückfalle mit Arbeitshaus- oder Zuchthausstrafe bedroht sind, sowie die durch die Presse verübten Gesetzesübertretungen, für welche eine Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern oder eine Gefängnissstrafe bis zu sechs Wochen angedroht ist. Die Untersuchung und Bestrafung der Uebertretungen der zur Ordnung der Presse gegebenen Vorschriften (§. 4 — 1 1 des Gesetzes vom 26. Decepiber 1850) gehört zur Competenz der Polizeibehörden, welche nach dem Gesetze vom 23. November 1652 die Polizeistrafgewalt auszuübeq haben, und gelten für die übrigen Pressvergehen und Pressverbrechen (Abschn. III. §. 16 des Gesetzes vom 26. Deccmber 1850) die vorstehenden Competenzvorschriften. Statt des Abs. 2 des Art. 3. §. 3. Die Voruntersuchung hat die Existenz und Natur des Verbrechens, sowie die Person des Thäters und die zu seiner Ueberführung oder Entlastung dienenden Beweismittel soweit zu erforschen, daes entweder eine Anklage begründet und die Hauptverhandlung vorbereitet, oder der Ausspruch herbeigeführt werden kann, dass ein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung nicht vorliege. Bei Vergehen genügen die von der Staatsanwaltschaft durch Einzelrichter oder Polizeibeamte veranlassten Ermittelungen zur Vorbereitung der Hauptverhandlung, und es kann auf den Grund solcher Ermittelungen die sofortige Erhebung der Anklage erfolgeu, ohne dass es einer vorgängigen Vorlegung der aufgenommenen Verhandlungen an den Untersuchungsrichter bedarf. Zu Art. 4. §. 4. In Ansehung der Uebertretungen regelt sich die amtliche Wirksamkeil: der Staatsanwaltschaft nach den Vorschriften in dem §. 111 und folgenden dieses Gesetzes. Zu A r t §. 5.
10.
D e r zweite Absatz dieses Art. fällt hinweg.
Zu A r t 12 treten statt des zweiten Abs. folgende Vorschriften ein: §. 6. Der Untersuchungsrichter bildet keine besondere Behörde neben dem Kreisgericht. E s können auch den zu dem Kreisgericht gehörigen Einzelrichtern Voruntersuchungen, welche in ihre besonderen Gerichtsbezirke fallen, übertragen werden. Insbesondere kann den bei dem Kreisgericht beschäftigten Referendaren oder Auscultatoren von dem Kreiegerichtsdirector die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen, den Erstem auch, wenn sie mit dem Richtereide verpflichtet sind, die Führung von Voruntersuchungen oder Vorerörterungen bei Vergehen aufgetragen werden. Zu Art. 13. §. 7.
Die Thätigkeit der Einzelrichter und Untersuchungsrichter als Mitglie-
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HersogthUmer Anhalt.
der des Collegiums ist nur in Hauptverhandlungen und in solchen Recurssachen, welche Beschwerden über ihre Amtshandlungen betreffen, ausgeschlossen. Statt des Art. 16. §. 8. Das Herzogthum bildet Einen Geschworenenbezirk. Das Geschworenengericht tritt so oft zusammen, als dies das Oberlandesgericht auf Antrag des Oberstaatsanwalts oder nach Anhörung desselben für n o t wendig hält. Es ist daraof Bedacht zu nehmen, dass jeder StraffaU mindestens drei Monate nach der Rechtskraft des Verweisungsbeschlnsses zur Hauptverhandlung komme. §. 9. Der A r t 18 ftllt hinweg. Zu Art. 19. §. 10. An die Stelle der Schlussbestimmung „vorbehaltlich — Vorsitzenden" tritt folgende Vorschrift: Ueber die Zulassung der später noch abgegebenen Sachen befindet der Präsident des Geschworenengerichts im Einverständnis» mit dem Oberstaatsanwälte; bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das Staatsminieterium. Statt des Art. 20. §. 11. Der Gerichtshof des Geschworenengerichts besteht aus einem Präsidenten, vier beisitzenden Richtern und einem Gerichtschreiber. Das Staatsministerium erwählt für jede Sitzungsperiode aus der Zahl der angestellten Richter den Präsidenten und dessen Stellvertreter. Der erste Präsident des Oberlandesgerichts ernennt aus den Mitgliedern des Oberlandesgerichts und desjenigen Kreisgerichts, an dessen Sitze das Geschworenengericht gehalten wird, die Beisitzer und die Erginzungsrichter. Er bestimmt auch den dem Gerichtshofe beizugebenden Protokollfahrer. Am Orte des Geschworenengerichts nicht wohnende Mitglieder eines Kreisgerichte können nur unter Genehmigung des Staatsministeriums als Beisitzer oder Ergänzungsrichter hinzugezogen werden. Zu Art. 21. §. 12. Die Reihenfolge der einzelnen Hauptvcrhandlungen ist von dem Präsidenten nach vorheriger Verständigung mit dem Oberstaatsanwalt« zu bestimmen (§. 10). Statt des Art. 22. §. 13. Ist der Präsident des Gerichtshofes behindert, die Leitung der Hauptverhandlung in einzelnen Untersuchungen zu abernehmen, oder macht die Anzahl der abzuurtheilendcn Strafsachen dies nothwendig, so kann derselbe seinen Stellvertreter zum Vorsitz in einzelnen Untersuchungssachen berufen. Die beisitzenden Richter haben das Amt auf die Dauer der Sitzungsperiode zu verwalten. Nur bei eintretender Unfähigkeit (Art. 65), oder erfolgter und erkannter Ablehnung (Art 69), oder bei eintretender Krankheit derselben darf der Präsident des Gerichtshofes Ersatzrichter für dieselben aus der Zahl der Ergänzungsrichter und nötigenfalls aus den Mitgliedern eines Kreisgerichts herbeiziehen. Bei Hauptverhandlungen, welche voraussichtlich längere Zeit dauern werden, kann der Präsident vorsorglich zu den vier Beisitzern einen oder mehrere Ersatzrichter hinzunehmen, damit diese in Verhinderungsfällen sofort ergänzend eintreten. Statt des Art. 23. §. 14. Zu dem Ehrenamte jeder Staatsangehörige,
eines Geschworenen kann nur berufen werden
Gesets Tom 10. September 1853.
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welcher 30 Jahre alt ist, sich im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte befindet und lesen and schreiben kann. Zu Geschworenen können nicht berufen werden: 1. die Mitglieder des Staatsministeriums und der Staatsanwaltschaft; 2. die richterlichen Beamten und Gerichtsunterbeamten; 3. die Kreisdirectoren, Bürgermeister, reitende Jäger und Polizeidiencr, so lange sie in dieser Stellung sind; 4. die Geistlichen aller Kirchen und Religionsgesellechaftcn; 6. die im activen Dienste befindlichen Militärpersonen; 6. die Volksschullehrer; 7. die Dienstboten; 8. diejenigen, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen zu Geschworenen untauglich sind; 9. diejenigen, welche aus einer öffentlichen Casse Almosen gemessen; oder 10. wegen eines Verbrechens oder Vergehens in Anklagestand versetzt sind. Statt des Art. 25. §. 15. Zur Ablehnung des Amtes eines Geschworenen sind berechtigt: 1. diejenigen, welche das 60. Lebensjahr zurückgelegt haben; 2. diejenigen, welche durch ein Zeugniss ihrer Gemeindebehörde nachweisen, dass sie den mit dem Amte eines Geschworenen verbundenen Aufwand aus eigenen Mitteln zu tragen ausser Stande sind; 3. diejenigen, welche Haupt- oder Ergänzungsgeschworene gewesen sind, die Enteren für die Zeit eines Jahres, die Letzteren für die Sitzungsperiode des Geschworenengerichts, welches dem folgt, bei welchem sie als Geschworene thätig waren; 4. Anwilte und Aerzte; 5. Hof-, Staats- und Gemeindebearate, welche durch ein Zeugniss ihrer vorgesetzten Behörde ihre Unentbehrlichkeit im Dienst« bescheinigen. Statt des Art. 26. §. 16. Für jeden Kreisbezirk wird alljährlich im Monat August eine Urliste angefertigt, welche nach Vor- und Zunamen, Stand, Alter und Wohnort unter fortlaufenden Nnmmern diejenigen Personen enthalt, welche zu Geschworenen berufen werden können. In den St&dten des Kreises stellt der Bürgermeister, in den übrigen Gemeinden desselben der Kreisdirector diese Liste auf, welcher auch die Gemeindevorstände der letzteren damit beauftragen kann. Diese Listen werden im MonatSeptember eines jeden Jahres berichtigt, indem die inzwischen abgegangenen Personen gestrichen und die inzwischen hinzugekommenen Personen hinzugefügt werden. Die Urlisten mit den alljährlichen Ab- und Zugängen müssen an einem öffentlich bekannt zn machenden Orte 8 Tage lang zu Jedermanns Einsicht offen gelegt werden, mit der Aufforderung, dass Einwendungen dagegen innerhalb dieser Frist anzubringen und zu begründen sind. Behauptet Jemand, ohne Grund übergangen zu sein, oder will Jemand aus einem der im Art. 25 (§. 15 dieses Gesetzes) aufgezählten Gründe das Amt eines Geschworenen ablehnen, so hat er seine desfallsigen Einwendungen binnen der gedachten achttägigen Frist, welche ausschliessend ist, mündlich zum Protokoll oder schriftlich bei der Behörde, welche die Liste aufgestellt hat, mithin bei dem betreffenden Bürgermeister oder bei dem Kreisdirector anzubringen. Erachtet dieselbe die Einwendungen für begründet, so erfolgt die nachträgliche Eintragung oder Löschung binnen 3 Tagen nach Ablauf der F r i s t
332
Heraogthümer Anhalt. Statt der Art. 27—34.
§. 17. Die abgeschlossenen Urlisten, welchen die aufstellende Behörde die nöthigen Bemerkungen über die Qualification der darin aufgenommenen Personen zu dem Berufe der Geschworenen, welcher Unabhängigkeit, Selbstständigkeit des Characters, Ruhe, Besonnenheit und ehrenhafte Gesinnung erfordert, beizufügen hat, werden dem betreffenden Kreisdirector, insoweit dieser dieselben nicht selbst aufgestellt hat, zugesendet. Derselbe hat diese Listen zu prüfen, etwaige Bedenken aber die Qualification der eingetragenen Personen durch Rücksprache mit den Vorständen der bezüglichen Gemeinden oder der Dirigenten der bezüglichen Gerichtscommissionen zu erledigen, das Resultat dieser Ermittelungen in die Listen einzutragen und dieselben sodann in der letzten Woche des Monats September jeden Jahres dem ersten Präsidenten des Oberlandesgerichts zu übersenden. §. 18. Dieser stellt aus den Urlisten eine Jahresliste der Personen auf, welche nach den Bemerkungen der Verwaltungsbehörden fähig sind, das Amt eines Geschworenen zu verwalten, und übersendet vier Wochen vor dem Beginn der Sitzungsperiode eines Geschworenengerichts dem Präsidenten dieses Gerichts ein Vcrzeichniss von 72 aus der Jahresliste ausgewählten Personen und eine Liste von zwölf oder mehr Ergänzungsgeschworenen, welche am Sitze des Geschworenengerichts oder in dessen nächster Umgegend ihren Wohnsitz haben. §. 19. Der Präsident des Geschworenengerichts reducirt die Anzahl der ihm angezeigten 72 Personen durch Auswahl nach seinem Ermessen auf 36, Diese 36 Personen sind bei dem Geschworenengerichte für die betreffende Sitzungsperiode als Hauptgeschworene, die in der Ergänzungsliste aufgestellten Personen als Ergänzungsgeschworene berufen. §. 20. Vierzehn Tage vor dem Beginne eines Geschworenengerichts hat der ernannte Präsident desselben durch Anschlag an Gerichtastelle desjenigen Kreisgerichts, an dessen Sitz dasselbe abgehalten werden soll, und in geeigneten inländischen öffentlichen Blättern den Zusammentritt desselben und die Kamen der bei demselben fungirenden Haupt- und Ergänzungsgeschworenen öffentlich bekannt zu machen. §. 21. Die 36 Hauptgcschworenen sind unter Angabe des Ortes, des Tages und der Stunde des Beginnes der Sitzung und unter Hinweisung auf die gesetzlichen Nachtheile des Ausbleibens (Art. 34) von dem Präsidenten des Gerichtohofes so vorzuladen, dass die Ladung acht Tage vor dem Beginn der Sitzung in ihren Händen ist. Die Ergänzungsgeschworenen sind in gleicher Weise von der auf sie getroffenen Wahl zu benachrichtigen uud aufzufordern, sich während der Sitzung bereit zu halten, so dass sie leicht hinzugezogen werden können. Die Namen der zu dem Geschworenengericht berufenen Mitglieder des Gerichtshofes und der Ergänzungsrichter, sowie die Liste der Haupt- und Ergänzungsgeschworenen ist den Angeklagten, welche vor dem Geschworenengericht zu erscheinen haben, spätestens am dritten Tage vor der sie betreffenden Hauptverhandlung auf Anordnung des Präsidenten des Gerichtshofs mitzuthcilen. Zu Art. 34. §. 22. Uebcr Entlassungs- und Beurlaubungsgesuche, auf welche noch vor Eröffnung des Geschworenengerichts Bescheid ertheilt werden kann, ist sogleich von dem Oberlandesgericht, nach Gehör des Oberstaatsanwalts, zu entscheiden; gehen dergleichen Gesuche erst nach Eröffnung des Geschworenengerichts ein, so entscheidet darüber der Gerichtshof desselben. In beiden Fällen sollen jedoch die erbetenen Entlassungen und Beurlaubungen nur aus triftigen Gründen ertheilt werden. Diejenigen Geschworenen, welche bereits bei dem ersten Geschworenengericht
Gesetx vom 10. September 1863.
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eines Jahres fnnctionirt haben und von dem ihnen nach § . 1 5 Zahl 3 dieses Gesetzes fftr die bevorstehende zweite Sitzungsperiode zustehenden Ablehnungsrechte Gebrauch machen wollen, mflssen dies binnen drei Tagen nach empfangener Vorladung bei Verlust dieses Rechts dem Präsidenten des Schwurgerichtehofes anzeigen, welchem in diesem Falle die Vervollständigung der Zahl der 36 Hauptgeschworenen aus dem ihm mitgetheilten Verzeichnisse der 72 Geschworenen (§. 18) zusteht §. 23. Der erste Satz im Art. 39 der Strafprocess-Ordnung fällt hinweg und der zweite Absatz beginnt mit den Worten: Die Polizeibehörden haben mit Einschluss der reitenden Jäger, in Ausflbung der criminalpolizeilichen Functionen, den Verbrechen aller Art etc. An die Stelle des letzten Satzes im zweiten Absätze tritt folgende Bestimmung: Sie mflssen jedoch ihre desfallsigen Verhandlungen sofort dem zuständigen Staatsanwalt« oder Strafrichter zur weiteren Entschliessung mittheilen, deren Aufforderungen sie hier, wie aberall, nachzukommen haben. Statt des Art. 42 und zu A r t 43 Abs. 2. §. 24. Der Oberstaatsanwalt kann Beamte der Staatsanwaltschaft mit einstweiliger Vertretung seiner selbst, sowie mit der Stellvertretung fflr andere Staatsanwälte beauftragen. Staatsanwälte können im Einrerständniss mit dem Kreisgerichtsdirector und unter ihrer Aufsicht Referendare oder Auscultatoren anweisen, die Staatsanwaltschaft in einzelnen Hauptverhandlungen vor dem Kreisgerichte zu vertreten. Die Stellvertretung des Generalstaatsanwalts kann dem Oberstaatsanwalt durch das Staatsministerium aufgetragen werden. Zu Art. 44. §. 25. Die Beamten der Staatsanwaltschaft (Art 41 und 42) sind in ihrer Amtsführung der Aufsicht und Disciplinargewalt der Gerichte in keiner Weise unterworfen. Statt des A r t 45. §. 26. Die Beamten der Staatsanwaltschaft vertreten, ein jeder in dem ihm zugewiesenen Geschäftskreise, den durch das vorgekommene Verbrechen verletzten Staat. Sie haben bei allen zu ihrer Eenntniss kommenden Verbrechen, welche nicht blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, Amtshalber dafür zu sorgen, dass dieselben untersucht und bestraft werden, zugleich aber auch zu wachen, dass Niemand schuldlos verfolgt werde. Sie haben darauf zu sehen, dass die Untersuchung den gesetzmässigen Gang einhalte und alle erforderlichen Mittel benutzt werden. Sie haben das Recht, auch im Interesse des Angeklagten Rechtsmittel einzulegen. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, alle ihr erforderlich scheinenden Anträge zu stellen, welche auf die Vorbereitung, Einleitung und Führung einer Untersuchung, auf die gerichtlichen Vertagungen und Beschlasse in derselben, sowie auf die Strafvollstreckung Bezug haben. Anträge stellt sie schriftlich oder mündlich. In gleicher Weise giebt sie Erklärungen über Anträge oder Beschwerden des Angeschuldigten oder anderer Personen und über Anfragen des Gerichts ab. Den Berathungen eines Gerichts über Gegenstände, bei denen die amtliche Thätigkeit der Staatsanwaltschaft eintritt, mit Ausnahme der bei einer Hauptverhandlung und in der Rechtsmittelinstanz nach vorgängiger mündlicher Verhandlung vorkommenden Berathungen, kann der zuständige Beamte der Staatsanwaltschaft bis zur Abstimmung beiwohnen.
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Henogthflmer Anhalt.
Nimmt die Staatsanwaltschaft Unregelmässigkeiten oder Verzögerungen wahr, so hat sie auf geeignete Weise deren Abstellung zu veranlassen. Die Beamten der Staatsanwaltschaft können innerhalb ihres Geschiftskreises von den Gerichten jederzeit Einsicht oder Mittheilung der Acten begehren, ohne dass jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf. Im Art. 5 6 sind im zweiten Abs. die W o r t e : §. 27. „Defraudation von Wegeabgaben und Gemeindeabgaben, wegen aller Polizeivergehen und wegen" zu streichen. Zu Art. 6 9 . §. 2 8 . Ueber die Zulässigkeit einer Ablehnung von Mitgliedern des Kreisgerichts, des Oberlandesgerichts und des Gerichtshofs eines Geschworenengerichts entscheidet dasjenige Collegium, dessen Mitglieder abgelehnt werden, mit Ausschluss der Abgelehnten selbst, sofern nur drei stimmfähige nicht abgelehnte Mitglieder zur Beschlussfassung übrig bleiben; ist letzteres nicht der Fall, so tritt die V o r schrift des Art. 69 der Strafprocess-Ordnung ein, jedoch mit der Abänderung, dass bei Ablehnung von Mitgliedern des Gerichtshofs eines Geschworenengerichts zu demselben aus den Ergänzungsrichtern (§. 1 1 ) und nötigenfalls aus den Mitgliedern eines Kreisgerichts die nöthigc Anzahl Richter zur Entscheidung Uber das Ablehnungsgesuch hinzuzuziehen ist. Wenn vor Zusammentritt des Geschworenengerichts gegen Mitglieder des Geschworenengerichtshofes für einzelne Fälle Ablehnungen vorgebracht werden, so hat das Oberlandesgericht darüber zu entscheiden. Eine Ablehnung gegen eine Mehrzahl von Mitgliedern eines Gerichts für einen einzelnen Fall muss gleichzeitig angebracht werden. Statt des Art. 70. §. 29. Diejenigen Mitglieder eines Kreisgerichts oder des Oberlandesgenchts, wclche an der Fällung eines Verweisungsbeschlusses, durch welchen der Angeklagte in den Anklagestand versetzt wurde, Theil genommen haben, können von demselben blos aus diesem Grunde für die Hauptverhandlung nicht abgelehnt werden. Statt der Art. 7 6 und 77. §. 30. Wenn der Untersuchungsrichter den Anträgen des Staatsanwalts hinsichtlich der Einleitung der Voruntersuchung oder hinsichtlich der Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen zu fügen Bedenken findet, so muss er die E r schliessung des Kreisgerichts veranlassen. 31. Ausserdem kann der Untersuchungsrichter, so oft er es wegen Wichtigkeit eines Untersuchungsschrittes für nöthig erachtet, die Entschliessung des Kreisgerichts einholen. Zu Art 81. §. 32. Die Vorschrift im letzten Absätze dieses Artikels gilt blos für den F a l l , wenn der Staatsanwalt die Einleitung einer Voruntersuchung bei dem Untersuchungsrichter beantragt. Statt des Art. 82. §. 3 3 . Der Staatsanwalt darf der Vornahme jeder Untersuchungshandlung vor dem Untersuchungsrichter, namentlich auch bei der Vernehmung des Angeschuldigten oder der Zeugen persönlich beiwohnen und bei dem Augenscheine, der Haussuchung oder der Durchsuchung von Papieren die Gegenstände bezeichnen, worauf sich diese Untersuchungshandlungen erstrecken sollen.
Gesell rom 10. September 1803.
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Der Untersuchungsrichter ist verpflichtet, den Staatsanwalt von der Vornahme der letztgedachten Untersuchungshandlangen auch ohne besonderen Antrag im Voraua zu benachrichtigen, kann sie aber auch ohne solche Benachrichtigung vornehmen, wenn diese wegen vorhandener Gefahr auf dem Verzuge nicht zu bewirken ist. Zu Art. 86 statt des zweiten Absatzes. §. 34. Die zur gerichtlichen Verwahrung genommenen Gegenstände sind in der Weise zu bezeichnen, dass Verwechselungen nicht stattfinden können. Zu Art. 88 Abs. 3. §. 35. Dem Betheiligten oder dessen Anwalte wird die Einsicht der Untersuchungsacten nur an Gerichtsstelle gestattet. Zu Art. 93 und 94. §. 36. Die Unterschrift der vernommenen Personen ist dann nicht nothwendig, wenn der Richter und zugleich ein Protokollführer das. Protokoll unterzeichnen. , Zu A r t 99 und 100. §. 37. Die hier nachgelassenen Recurse haben nur dann aufschiebende Wirkung, wenn die Gerichtsbehörde, gegen deren Verfügung der Becurs erhoben worden ist, oder die darüber zu beschliessen hat, dies ausdrücklich anordnet. g. 38.
Zu Art. 108 statt Zahl 1. 1. wenn der Verdichtige Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, als einen herumziehenden Lebenswandel führend, wegen der Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig ist.
Zu Art. 117. §. 39. Die Vernehmung des Angeschuldigten ist nothwendig, wenn 1. derselbe sich in Untersuchungshaft befindet; wenn 2. die Voruntersuchung ein Verbrechen im engeren Sinne zum Gegenstande hat, und der Angeschuldigte nicht etwa flüchtig ist, oder aus einem anderen Grunde nicht erlangt werden kann. Statt des Art. 131. §. 40. Die Untersuchungshaft des Angeschuldigten ist nur statthaft, muss dann aber auch eintreten, wenn derselbe nach seiner Vernehmung des ihm schuldgegebenen Verbrechens noch femer verdftchtig bleibt, kein sicheres Geleit erlangt hat nnd entweder 1. die Untersuchung sich auf ein Verbrechen im engeren Sinne bezieht; oder 2. zu besorgen steht, dass der Angeschuldigte durch Verabredung mit Mitschuldigen oder mit Zeugen, oder durch Vernichtung der Sporen des Verbrechens die Untersuchung vereiteln oder erschweren werde; oder 3. der Angeschuldigte Anstalten zur Flacht gemacht hat, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, wegen herumziehenden Lebenswandels, wegen der Schwere des Vergehens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig erscheint Zu Art. 143. § . 4 1 . Der dritte Abs. dieses Art fällt hinweg. §. 42. Die im A r t 148 Abs. 3, Art. 167 Abs. 1, Art. 169 Abs. 1 enthaltene Vorschrift wegen Zuziehung von Urkundspersenen ist aufgehoben.
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Henogthfimer Anhalt.
Zu Art. 160. §. 43a. Wenn der Angeschuldigte bereits zur Untersuchung gezogen wordeu Ut, kann die vorgängige Namhaftmachung der zuzuziehenden Sachverständigen unterbleiben. Statt des Schlusssatzes zu Art. 175. §. 43b. Wegen der den Zeugen zu gewährenden Gebühr wird auf die Bestimmungen im Art. 191 und auf das Zusatzgesetz zu §. 1 und §. 18 der Gebührentaxe verwiesen. Zu Art. 176 Zahl 3 und Art. 179. §. 44. Staatsbeamte und andere im öffentlichen Dienst stehende Personen dürfen zur Ablegung eines Zeugnisses über einen Gegenstand ihres amtlichen Wirkungskreises nur mit Vorwissen ihrer Dienstbehörde vorgeladen werden. Sind dieselben Mitglieder eines Collegiums, BO ist dieses um schriftliche Aufklärung der Sache zu ersuchen. Wegen Vernehmung und Vereidigung der Mitglieder der herzoglichen Familie als Zeugen in Sti-afsacben bewendet es bei der Verordnung vom 29. April 1851. Statt der Art. 188 und 189. §. 45a. Die in der Voruntersuchung von dem Untersuchungsrichter vernommenen Zeugen sind in der Regel zu vereidigen. Die Vereidigung derselben unterbleibt nicht blos, wenn dieselben eidesunmündig (d. h. ein Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht haben) oder cidesunfähig sind, sondern auch dann, wenn der Richter wegen der besonderen Beziehungen des Zeugen zu den in der Untersuchung befangenen Personen oder zu den in dieser verhandelten Verhältnissen die Vereidigung für bedenklich hält. Die Vereidigung der Zeugen erfolgt vor oder nach Abhörung derselben, nachdem sie zur Aussage der Wahrheit ermahnt und vor Begehung eines Meineides oder leichtsinnigen Eides verwarnt worden sind. Die Fähigkeit einen Eid zu leisten, sowie die Eidesformel richtet sich nach den darüber für den Civilprocess bestehenden gesetzlichen Vorschriften, nach denen auch zu beurtheilen ist, inwiefern nach besondern Religionsgrundsätzen andere Versicherungen einem Eide gleich stehen. Der Zeuge schwört: „auf die an ihn zu richtenden Fragen ohne Gunst, ohne Hass und ohne Furcht die ganze und lautere Wahrheit zu sagen, auch nichts von seiner Wissenschaft zurückzuhalten oder zu verschweigen." oder wenn die Eidesleistung nach der Abhörung erfolgt: „auf die an ihn gerichteten Fragen — gesagt, auch nichts von seiner Wissensehaft zurückgehalten oder verschwiegen zu haben." Statt des Schlusssatzes des Art. 191. §. 45b. Sie haben das Recht, eine Gebühr nach der Taxe für die Zeugengebühren zu verlangen, wenn der Angeschuldigte verurtheilt wird und die Zeugengebühr aus dessen Vermögen eingezogen werden kann. I.
Schlüge der Voruntersuchung.
Anstatt der Art. 193—215. §. 46. Die Voruntersuchung wird geschlossen, sobald der Zweck derselben (§. 3 zu Art. 3) erreicht ist. Der Untersuchungsrichter darf daher die Ermittelungen in derselben nicht weiter ausdehnen, als dieser Zweck es erfordert.
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Qesetz vom 10. September 1863. II.
Antrüge der Staatsanwaltschaft nnd Anklageschrift.
§. 47. Nach dem Schlosse der Voruntersuchung theilt der Untersuchungsrichter die Acten dem Staatsanwalt zur weitern Entschliessnng mit Derselbe hat bei Verbrechen, welche vor das Kreisgericht gehören, insofern nicht Antiige auf Vervollständigung oder auf Einstellung der Untersuchung ron ihm zu stellen sind, in welchem letztem Falle die Vorschriften des Art. 95 zur Anwendung kommen, die Anklageschrift zu fertigen und nebst den Acten dem Kreisgericht zur Beschlussfassung über die Versetzung in den Anklagestand und die Anberaumung einer Hauptverhandlung mitzutheilen. Hält der Staatsanwalt dafür, dass die Hauptrerhandlung vor ein Geschworenengericht gehörig sei, so hat er die Acten an den Oberstaatsanwalt einzusenden, welcher, wenn er nicht etwa deren Vervollständigung für nöthig erachtet, oder die Sache an den Staatsanwalt zur weitern Verfolgung deshalb zurückweist, weil nach seiner Ansicht nur ein vor das Kreisgericht gehöriges Verbrechen vorliegt, dieselben der Anklagekammer des Oberlandesgerichts entweder mit einem motivirten Antrage, den oder die Angeschuldigten nicht in den Anklagestand zu versetzen, oder mit dem durch eine Darstellung derjenigen Thatsachen, welche den Gegenstand der Anklage bilden sollen, zu begründenden Antrage aberreicht, bestimmte Angeschuldigte wegen bestimmter Verbrechen auf den Grund der zu bezeichnenden Strafgesetze in den Anklagestand zu versetzen und vor das Geschworenengericht zu verweisen. §. 48. Hat die Anklagekammer die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen (§. 53), so theilt dieselbe diesen Beschluss mit den Acten dem Oberstaatsanwälte mit, welcher die Anklage nach diesem Beschlüsse anzufertigen und diese nebst den Acten dem betreffenden Kreisgericht mitzutheilen hat. §. 49. Eine Anklageschrift ist bei Strafe der Nichtigkeit erforderlich. Die Anklageschrift wegen eines vor das Geschworenengericht verwiesenen Verbrechens soll enthalten: 1. den Namen des Angeschuldigten und dessen persönliche Verhältnisse; 2. eine Darstellung derjenigen Thatsschen, welche das den Gegenstand der Anklage bildende Verbrechen begründen sollen, mit den etwaigen erschwerenden oder mildernden Umständen; 3. die Anklage in der Weise, dass der Angeklagte wegen des fraglichen, nach seinen thatsächlichen Bestandteilen anzugebenden Verbrechens angeklagt werde, das gleichfalls hier anzugebende Strafgesetz oder eventuell ein anderes zu benennendes Strafgesetz verletzt zu haben; 4. zum Schlüsse sind die Beweismittel anzugeben, welche bei der künftigen Hauptverhandlung gebraucht werden sollen. Insbesondere sind die Namen und der Aufenthaltsort der Belastung«- und Vertheidigungszeugen und der Sachverständigen, deren Abhörung die Staatsanwaltschaft bei der Hauptverhandlung verlangt, oder bei denen sie sich mit Vorlesung ihrer bereits in der Voruntersuchung enthaltenen Aussagen begnügen will, anzugeben. Die Anklageschrift wegen eines Verbrechens, welches vor das Kreisgericht zu verweisen ist, soll die vorstehend unter 1, 2 und 4 angegebenen Bestandteile enthalten, statt der förmlichen Anklage unter 3 jedoch nur das Verbrechen und dss verletzte Strafgesetz bezeichnen. III. Entscheidungen des Kreisgerichts und der Anklagekammer des Oberlandesgerichts. §. 50. Die Berathung der Anklagekammer über die Anträge des Oberstaatsanwalts erfolgt in Anwesenheit desselben, welcher nur bei der Abstimmung nicht gegenwärtig iBt. In gleicher Weise kann der Staatsanwalt den Berathungen des Kreisgerichts Sammlung der u. d. Gesetxe-
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Herzogtümer Anhalt.
über seine Anträge wegen Einstellung der Untersuchung oder Verweisung der Sache zur Hauptverhandlung beiwohnen. Findet die Anklagekammer oder das Kreisgericht bei diesen Berathungen, dass die Voruntersuchung noch einer Vervollständigung bedarf, so wird dieselbe von ihnen durch den Untersuchungsrichter noch veranlasst. §. 51. Hält die Anklagekammer dafür, dass die Sache, weil sie kein Verbrechen im engern Sinne betrifft, nicht vor das Geschworenengericht, sondern weil ein Vergehen in F r a g e steht, vor das Kreisgericht, oder wegen dessen Unzuständigkeit vor ein anderes Kreisgericht, oder weil eine Uebertretung vorliegt, vor einen Einzelrichter gehörig sei, oder hält das Kreisgericht dafür, dass die Sache vor das Geschworenengericht oder vor ein anderes Kreisgericht oder vor einen Einzelrichter gehöre, so ist dieses auszusprechen und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. Verweisungen durch die Anklagekammer an die dem Oberlandesgericht untergeordneten Kreisgerichte oder Einzelrichter binden diese, und Verweisungen der Kreisgerichte au die ihnen untergeordneten Einzelrichter binden ebenfalls diese Letzteren. Bei anderen Verweisungen ist erforderliehen Falls der Streit über die Zuständigkeit nach Art. 63 zu erledigen. Die Verweisung wogen Nichtzuständigkeit hat keine Nichtigkeit der bisherigen Voruntersuchung zur Folge, vielmehr hat das Gericht, an welches verwiesen worden ist, auf den Grund derselben weiter zu verfahren. Sind mehrere Verbrechen Gegenstand der Voruntersuchung, und ist das Geschworenengericht rücksichtlich eines oder mehrerer, rücksichtlich eines andern das Kreisgericht oder ein Einzelrichter zuständig, ingleichen wenn das Kreisgericht rücksichtlich einzelner und rücksichtlich anderer ein Einzelrichter zuständig ist, so soll die Zuständigkeit des höheren Gerichts auch auf diejenigen Verbrechen erstreckt werden, welche eigentlich vor den niedern Richter gehörig sind, und es soll daher eine theilweise Verweisung der Sache vor einen niedern Richter nicht eintreten. Ausgenommen sind jedoch hiervon diejenigen Fälle, in welchen schon nach dem zweiten und dritten Abs. des Art. 5(i eine Erstreekung des Gerichtsstandes ausgeschlossen ist. §. 52. Tritt die Anklagekammer dem Antrage des Oberstaatsanwalts, den Angeschuldigten wegen Mangels an Beweismitteln zur Begründung eines dringenden Verdachts gegen ihn nicht in den Anklagestand zu versetzen, bei, oder findet dieselbe oder das Kreisgcricht, dass die in dem Antrage auf Versetzung in den Anklagestand oder die in der Anklageschrift angeführte That durch kein Strafgesetz verboten ist, oder dass der Staatsanwalt ohne den erforderlich gewesenen Antrug eines Betheiligtcn, oder umgekehrt ein Privatankläger an der Stelle des Staatsanwalts aufgetreten ist, wo nur Letzterer hätte auftreten können, oder dass es an Beweismittel!} fehlt, um den Angeschuldigten f ü r dringend verdächtig halten zu können, oder dass dieser in Folge unzweifelhafter Thatsaclien als straflos erscheint, so ist die Entscheidung zu geben, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei. * Ist bei einem abwesenden Angeschuldigten zu vermuthen, dass im Falle seiner Wiedererlangung der gegen ihn streitende Verdacht sich erhöhen werde, so kann statt der Entscheidung, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, beschlossen werden, dass die Sache bis zur Wiedererlangung des Angeschuldigten auf sich beruhen solle. §. 53. Treten die in dem vorigen Artikel gedachten Fälle nicht ein, und erscheint der Angeschuldigte insbesondere dringend verdächtig, so ist ein V e r w e i s u u g s b e s c h l u s s auf Versetzung des Angeklagten in den Anklagestand zu erth eilen. Der Verweisungsbeschluss hat den Namen des Angeschuldigten, das ihm zur
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Laut gelegte Verbrechen a n d d u Strafgesetz, nach welchem er zn beitrafen ist, zu bezeichnen. In der Bezeichnung des Verbrechens and des Strafgesetzes ist das Gericht nicht a n die Anträge der Staatsanwaltschaft gebunden. A a c h ist eine eventuelle Bezeichnung des Verbrechens und der anzuwendenden Strafgesetze zulässig. Die Antrige der Staatsanwaltschaft auf Benutzung von Beweismitteln in der Hauptverhandlung dürfen nicht abgelehnt werden. D a s Gericht kann jedoch von Amtswegen die Benutzung von Beweismitteln in der Hauptverhandlung, welche die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat und die es f ü r erforderlich erachtet, namentlich die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen oder auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. §. 54. Die in den §§. 5 1 — 5 3 gedachten Entscheidungen sind bei Strafe der Nichtigkeit mit den Unterschriften der Gerichtsmitglieder, welche au der Beschlussfassung Theil genommen haben, zu versehen. Weicht die Entscheidung des Gerichts von den Anträgen der Staatsanwaltschaft ab, so ¡Bt dieselbe der Letztern sofort mitzutheilen. §. 55. Die Anklageschrift und der Verweisungsbeschluss ist dem Angeklagten bei Strafe der Nichtigkeit, vorbehaltlich des Verfahrens bei abwesenden Angeklagten ( A r t 218 und §. 69), mündlich oder schriftlich mit der Aufforderung mitzutheilen, diejenigen Beweismittel, welche er zur Hauptverhandlung herbeigeschafft, insbesondere die Zeugen, welche er vorgeladen zu sehen verlangt, binnen einer zu bestimmenden Frist anzugeben, damit dieselben zur Hauptverhandlung herangezogen werden können. Dem Angeklagten ist dabei zu bemerken, dass, wenn er die Benennung der Beweismittel in der gestellten Frist versäumt, ihm überlassen bleibe, dieselben zur Hauptverhandlung selbst mitzubringen. Die dem Angeklagten gesetzte Frist kann nach Befinden einmal verlängert werden. Die Mittheilung der Anklageschrift und des Verweisungsbeschlusses geschieht durch den Untersuchungsrichter.
IV. Vertheidigung des Angeschuldigten. §. 56. Zur Fahrung von V e r t e i d i g u n g e n befugt sind die angestellten Anwälte und die sonst von Staatswegen dazu befähigten Personen. Referendare und Auscultatoren können ebenfalb durch die vorgesetzte Dienstbehörde von Amtswegen als Vertheidiger bestellt werden. §. 57. Der Angeschuldigte kann nach geschlossener Voruntersuchung sich mit seinem Vertheidiger ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen. Von derselben Zeit an ist die Einsicht der Acten dem Vertheidiger, auch, sofern nicht besondere Gründe entgegenstehen, dem Angeschuldigten, diesem jedoch nur unter Aufsicht, und beiden nur an Gerichtsstelle zu gestatten. Der Vertheidiger oder der Angeschuldigte kann von dem ihn nothwendig scheinenden Actenstucken Abschriften nehmen oder nehmen lassen. Von Gutachten der Sachverständigen sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu ertheilen. §. 58. Anträge des Angeklagten oder seines Vertheidigers auf Heranziehung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung (§. 55) sind der Staatsanwaltschaft bei Strafe der Nichtigkeit mitzutheilen. Ueber diese Anträge entscheidet das Kreisgericht in Fällen, die vor dasselbe verwiesen sind, in Fällen dagegen, die vor dem Geschworenengericht zu verhandeln sind, die Anklagekammer des Oberlandesgerichts, oder wenn der Gerichtshof des Geschworenengerichts bereits zusammengetreten ¡Bt, dieser. 22«
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Herzogthüiner Anhalt.
Die Thatsachcn, Ober welche ein Beweismittel erhoben werden soll, müssen bestimmt bezeichnet sein. Werden dieselben nicht für erheblich erachtet und wird deshalb der Antrag des Angeklagten abgelehnt, so ist dies demselben zu eröffnen, und es bleibt ihm unbenommen, die Beweismittel selbst zur Hauptverhandlung herbeizuschaffen, in welcher dann das Gericht entscheidet, ob es die herbeigeschafften Beweismittel erheben will. Wenn über einen und denselben Umstand von dem Angeklagten mehrere Zeugen vorgeschlagen sind, so bestimmt das Gericht auch die Zahl der zu vernehmenden Zeugen. Dasselbe kann auch die blosse Vorlesung der in der Voruntersuchung gestatteten Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. V.
Freilassung und Verhaftung des Angeschuldigten.
§. 59. Bei der Entscheidung, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei (§. 52), ist derselbe, wenn er sich in Untersuchungshaft befindet, sofort bei der Bekanntmachung der Entscheidung aus der Haft zu entlassen, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel eingewendet hat (§. 60), oder ein anderer Grund zur Verhaftung vorhanden ist. Ist dagegen ein Verweisungsbeschluss ertheilt worden und der Angeschuldigte ist noch nicht verhaftet, so ist er sofort bei dessen Eröffnung in Haft zu nehmen, wenn er vor das Geschworenengericht verwiesen ist, ausgenommen bei denjenigen Verbrechen im engern Sinne, welche das Gesetz blos mit Gefangnissstrafe bedrohet, und bei denjenigen Vergehen und Uehertretungen, welche nur in Folge einer Erstreckung des Gerichtsstandes (§. 51) an das Geschworenengericht gelangt sind. Bei diesen ausgenommenen Verbrechen und überhaupt, wenn die Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht vorzunehmen ist, soll es von dem Ermessen des Letztem abhängen, ob es die Verhaftung verfügen will. Die Vorschriften über das sichere Geleit (Art. 115 und f.) und über die Abwendung der Haft durch Sicherheitsleistung (Art. 140 ff.) bleiben hier gleichfalls anwendbar. Verhaftete, welche vor das Geschworenengericht verwiesen sind, sollen an den Ort, an welchem das* Geschworenengericht gehalten wird, zeitig abgeführt werden, jedoch nicht vor Ablauf der im §. 60 gedachten Nothfrist, und, wenn sie gegen den Verweisungsbeschluss ein Rechtsmittel eingelegt haben, nicht vor dessen Erledigung. VI.
Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des Kreisgerichts und der Anklagekammer des Oberlandesgericlits.
§. 60. Gegen die in den §§. 51—53 erwähnten Entscheidungen, sie mögen von dem Kreisgericht oder der Anklagekammer des Oberlandesgerichte ergangen sein, steht der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten aus einem der im §. 61 aufgeführten Nichtigkeitsgründe, der Staatsanwaltschaft aber ausserdem noch, wenn 1. das Gericht den Angeklagten nicht in den Anklagestand versetzt hat, weil derselbe entweder nicht für dringend verdächtig, oder weil derselbe wegen unzweifelhaft feststehender Thatsachen für straflos zu halten sei; oder wenn 2. wegen unrichtiger thatsächlicher Verhältnisse das Gericht ia der Bezeichnung des Verbrechens von den Anträgen der Staatsanwaltschaft abgewichen ist, das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde zu. Gegen die Entscheidung des Kreisgerichts ist dieselbe an das Oberlandesgericht innerhalb fünftägiger Nothfrist vom Tage der Eröffnung der Entscheidung
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an, bei dem Kreisgericht; ist sie aber gegen eine Entscheidung der Anklagekammer gerichtet, in gleicher Frist an das Oberappellationsgericht bei dem eröffnenden Gericht schriftlich oder mtlndlich, im erstem Falle unter Beiftgnng eines Duplicats, unter Angabc der einzelnen Grflnde einzuwenden und hat aufschiebende Wirkung. Die nach dem 2. Abs. des §. 59 eintretende Verhaftung des Angeklagten wird nicht aufgeschoben, wenn gegen den Verweisungsbeschluss Nichtigkeitsbeschwerde erhoben worden ist. Die nach dem 1. Abs. des §. 59 eintretende Freilassung soll dagegen nur dann aufgeschoben werden, wenn die Staatsanwaltschaft dieses wegen eines einzuwendenden Rechtsmittels sofort bei Mittheilung der Entscheidung beantragt hat. §. 61. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann aus folgenden Gründen erhoben werden: 1. wenn ein nichtzuständiges Gericht für zuständig oder ein zuständiges Gericht für nichtzuständig angenommen wurde (§. 51); 2. wenn der Staatsanwalt bei einem Verbrechen, welches nur auf Antrag eines Betheiligten verfolgt werden konnte, unberechtigter Weise ohne einen solchen Antrag aufgetreten ist, oder umgekehrt ein Privatankläger an der Stelle des Staatsanwalts aufgetreten ist, wo Letzterer hätte auftreten mflssen; 3. wenn gegen gesetzliche Vorschriften gefehlt wurde, bei denen die Strafe der Nichtigkeit ausdrücklich angedrohet ist; 4. wenn das Gericht, welches die vorige Entscheidung ertheilt hat, nicht gehörig besetzt war; 5. wenn die in Frage stehende That aus dem Grunde, weil kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden sei, fOr kein Verbrechen gehalten wurde, obgleich ein solches Gesetz vorhanden ist; oder wenn sie umgekehrt für ein Verbrechen gehalten wurde, während kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden ist; ingleichen wenn die That durch unrichtige Gesetzesauslegung einem falschen Strafgesetze unterzogen worden ist. §. 62. Die eingewendete Nichtigkeitsbeschwerde ist dem Gegner in Abschrift mitzutheilen und sendet das Gericht, wenn nicht der Beschwerdeführer bei deren Einlegung zur Ausführung der Beschwerde um eine weitere Frist, welche vom Gericht auf 10 Tage gestattet werden kann, gebeten hat, die Acten an das betreffende Obergericht ein. Ist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen eine Entscheidung der Anklagekammer erhoben, so ist nach der, den geschäftlichen Verkehr regelnden Anordnung des Oberappellationsgerichts vom 13. Mai 1851 zu verfahren. Das Obergericht entscheidet nach Anhörung des Oberstaatsanwalts, beziehungsweise des stellvertretenden Generalstaatsanwalts in nicht öffentlicher Sitzung, ohne dass eine weitere Verhandlung vor demselben stattfindet, über die Nichtigkeitsbeschwerde. Bevor eine Entscheidung ertheilt ist, steht es dem Beschwerdeführer frei, sein Rechtsmittel fallen zu lassen. Auch hat der Oberstaatsanwalt die Befugniss, die von dem Staatsanwalt eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde wieder aufzugeben. §. 63. Findet das Obergericht die Nichtigkeit begründet, so hat es zu den im §. 61 aufgezählten Nichtigkeitsgründen zu Nr. 1 nur auf die Zuständigkeit oder Nichtzuständigkeit des Gerichts zu erkennen; zu Nr. 2 auszusprechen, dass der Angeklagte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei; zu Nr. 3 die Nichtigkeit der einzelnen fraglichen Handlung auszusprechen, die Verbesserung des Mangels zu verfügen und die Sache zur nochmaligen Entscheidung zu verweisen;
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zu Nr. 4 die vorige Entscheidung aufzuheben und auf nochmalige Entscheidung zu erkennen; zu Nr. 5 nach Verschiedenheit der Fälle a) die Entscheidung aufzuheben und die Versetzung des Angeklagten in den Anklagestand zu beschliessen (§. 5 3 ) ; oder b) die Entscheidung, durch welche der Angeklagte in den Anklagestand versetzt worden ist, zu vernichten und denselben freizusprechen; oder c) die vorige Entscheidung abzuändern und das richtige Strafgesetz für die Anklage zu bezeichnen; ferner in den Fällen des §. 6 0 Zahl 1 und 2 ad 1. unter Aufhebung der vorigen Entscheidung die Versetzung des Angeklagten in den Anklagestand zu beschliessen (§. 5 3 ) ; ad 2. die vorige Entscheidung abzuändern und das richtige Strafgesetz für die Allklage zu bezeichnen. §. 64. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts oder Oberappellationsgerichts ist nicht nur für den vorigen ßichter, sondern auch für die nach abgehaltener Hauptverhandlung endlich entscheidenden richterlichen Behörden massgebend. Aberkannte Nichtigkeiten können nicht auf dem Wege einer, gegen das ertheilte Endurtheil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nochmals zur richterlichen Entscheidung gebracht werden. §. 65. Nichtigkeiten aus den unter Nr. 1, 3 und 4 des §. 61 aufgeführten Gründen, wegen welcher keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben wurde, sollen als durch Verzicht beseitigt angesehen werden, und können daher überall nicht auf dem Wege einer gegen das später ertheilte Endurtheil gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden. Nichtigkeiten aus den im §. 61 Zahl 2 und 5 erwähnten Gründen werden nicht als durch Verzicht beseitigt angenommen, und können nach den unten gegebenen näheren Vorschriften noch durch eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Endurtheil in Wirksamkeit gesetzt werden. VII.
Nachtrag zur Anklageschrift und Xachbringung von Beweismitteln.
§. 66. Weicht ein Verweisungsbeschluss in der Bezeichnung des Verbrechens und des Strafgesetzes von der Anklageschrift ab (§. 54), so steht dem Staatsanwalt frei, eine entsprechende Abänderung vorzunehmen. Eine solche Abänderung ist dem Angeklagten bei der Vorladung zur Hauptverhandlung mitzutheilen. Wenn auf Verlangen der Staatsanwaltschaft Zeugen und Sachverständige ausser den in der Anklage Benannten zur Hauptverhandlung vorgeladen werden, so ist der Angeklagte wenigstens 3 Tage vor Beginn der Hauptverhandlung zu benachrichtigen. VIIJ.
Bestellung eines Vcrtheidigers zur Hauptverhandlung.
§. 67. Hat der vor ein Geschworenengericht verwiesene Angeklagte nicht selbst einen Vertheidiger gewählt, so muss demselben ein Vertheidigcr von Amtswegen zugeordnet werden. In anderen Fällen kann das Gericht einem Antrage des Angeklagten auf Zuordnung eines Vertheidigers stattgeben, oder auch ohne einen solchen Antrag dann, wenn es die einzelne Sache zu erfordern scheint, einen Vertheidiger von Amtewegen bestellen. Statt des ersten Satzes im Art. 216. §. 68. Die Vorladung zur Hauptverhandlung geschieht durch das Kreisgcricht, welches den Verweisungsbeschluss in der Sache ertheilt (§. 53), und durch
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den Präsidenten des Schwurgerichtshofs, wenn die Anklagekammer des Oberlandesgerichts einen solchen Beschluss gefasst hat (§. 48, 5 3 und Art. 21). Zu Abs. 3 dieses Artikels. Die Vorschrift wegen des mindestens achttägigen Zeitraums, der zwischen Ladung und der Hauptverhandlung in der Mitte liegen soll, bezieht sich nicht den Fall, wenn die Hauptverhandlung blos auf einen spätem Zeitpunct verwird. Eine Verzichtleistung auf diese Frist von Seiten der Staatsanwaltschaft des Angeklagten ist statthaft. Im Art. 217 fällt der zweite Absatz hinweg.
der auf legt und
Zu A r t 218 Abs. 1. §. 69. Ausserdem muss in der öffentlichen Vorladung erwähnt werden, dass der Vorgeladene in Anklagestand versetzt worden sei, unter allgemeiner Bezeichnung des ihm zur Last gelegten Verbrechens, sowie unter Angabe der Beweismittel, welche in der Hauptverhandlung gebraucht werden sollen. Statt des Art. 220. §. 70. Erscheint ein vorgeladener Vertheidiger des Angeklagten nicht, so geht die Hauptverhandlung dennoch vor sich, jedoch bei Geschworenengerichtsf&llen nur dann, wenn der Vertheidiger einen Stellvertreter bestellt hat und dieser erscheint, oder sonst ein anderer Vertheidiger noch sofort erlangt werden k a n n ; ausserdem wird die Hauptverhandlung vertagt. Der ausgebliebene Vertheidiger ist, sofern er von richterlichen Amtswegen oder auf Antrag bestellt war, oder sonst die Vertheidigung übernommen hatte, in eine Geldstrafe von fünf bis zwanzig Thalern und bei Fällen der Vertagung der Hauptverhandlung zugleich in die Kosten der vergeblich angesetzten Verhandlung zu vcrurtheileu. Statt des Art. 221. . §. 71. Wenn bei der Hauptverhandlung kein Mitglied der Staatsanwaltschaft erscheint, so ist die Verhandlung stets zu vertagen. Erscheint dagegen der vorgeladene Privatankläger nicht, so wird dies als ein Verzicht auf die Anklage angesehen, in welchem Falle demselben die Kosten der Untersuchung zur Last fallen. Statt des Art. 228. §. 72. Die Oeffentlichkeit ist für die ganze Hauptverhandlung oder einen Theil derselben anszuschliessen, wenn eine Gefährdung der Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten steht. Bei Münzverbrechen wird die Oeffentlichkeit stets und f ü r die ganze Haupt Verhandlung ausgeschlossen. Das Gericht spricht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verletzten, oder auch von Amtswegen die Ausschliessung der Oeffentlichkeit durch einen schriftlich abzufassenden, den Grund der Ausschliessung enthaltenen Beschluss aus. Dieser Beschluss wird vor Beginn der Hauptverhandlung oder auch im Laufe derselben gefasst und von dem Gerichtschreiber, im erstem Falle bei dem Aufrufe der Sache, vorgelesen, worauf die Zuhörer sich sofort zu entfernen haben. Rechtsmittel gegen einen solchen Beschluss sind unzulässig und nicht zu beachten. Bei Verkündigung des Endurtheils tritt jedenfalls die Oeffentlichkeit wieder ein.
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Herzogthümer Anhalt. Zu Art. 229 statt des zweiten Satzes.
§. 73. Der Vorsitzende kann auf Antrag des Angeklagten oder Verletzten oder von Amtswegen auch einzelnen anderen bei der Hauptverhandlung unbeteiligten Personen den Zutritt verstatten. Zn Art. 231. §. 74. Der Vorsitzende, kann Oberhaupt gegen Jeden, der sich im Gerichtssaale ungebührlich beträgt oder den getroffenen Anordnungen nicht Folge leistet, eine Gefangnissstrafe bis zu acht Tagen oder eine Geldstrafe bis zu fünf Thalern aussprechen. Hiergegen findet kein Rechtsmittel statt. Statt des Art. 234. §. 75. Der Vorsitzende fragt den Angeklagten nach seinem Namen, Vornamen, Alter, Gewerbe oder Beschäftigung, Wohnungs- und Geburtsort und ermahnt ihn dann zur Aufmerksamkeit. Hierauf trägt der Staateanwalt, oder in Fällen, wo ein Privatankläger aufgetreten ist, dieser oder ein Anwalt desselben, den Gegenstand der Anklage kQrzlich vor. Auch kann die Anklage auf Verlangen des Staatsanwalts durch den Gerichtschreiber vorgelesen werden. Sodann lässt der Vorsitzende die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen aufrufen. Die Zeugen begeben sich dann in das für sie bestimmte Zimmer, und der Vorsitzende hat nach Befinden Massregeln anzuordnen, um das Besprechen und Verabredungen der Zeugen zu verhindern. Im Falle des Nichterscheinens der zur Hauptverhandlung vorgeladenen Personen wird nach Vorschrift des Art. 217 und ff. und der §§. 70 und 71 verfahren. Zu Art. 236 statt des zweiten Absatzes. §. 76. Der Staatsanwalt und der Angeklagte können im Laufe der Hauptverhandlung Beweismittel fallen lsfesen, wenn das Gericht zustimmt und der Gegner nicht in Bezug auf speciell anzugebende erhebliche Thatsachen die Benutzung derselben verlangt. Zu Art. 237 statt des ersten uud zweiten Absatzes. §. 77. Die Zeugen und Sachverständigen werden in Anwesenheit des Angeklagten abgehört. Sie werden nach dem Ermessen des Vorsitzenden vor oder nach ihrer Abhörung einzeln oder zusammen in der Art. 161, 189 und §. 45 dieses Gesetzes angegebenen Weise verwarnt und vereidet, mit Ausnahme der im Allgemeinen verpflichteten Sachverständigen, sowie der bereits in der Voruntersuchung vereideten Sachverständigen uud Zeugen, bei welchen allen eine Erinnerung an ihren im AUgemeinen oder in der Voruntersuchung schon geleisteten Eid genügen soll. Statt des Art. 241. §. 78. Der Vorsitzende kann dem Angeklagten oder dessen Vertheidiger, sowie einem Privatbetheiligten, welcher sich dem Strafverfahren angeschlossen hat, und dem Privatankläger, auch deren Anwälten gestatten, an den Angeklagten oder an Zeugen und Sachverständige unmittelbar Fragen zu stellen. Die Staatsanwaltschaft und die Mitglieder des Gericht« haben das Recht der unmittelbaren Fragstellung. Der Vorsitzende hat darauf zu sehen, dass nur zur Sache gehörige Fragen gestellt werden, und ist befugt, die Fragstellung in jedem Augenblicke selbst
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wieder zu übernehmen oder auch das Verhör zu schliessen. Wird gegen die Zurückweisung einer Frage Einspruch erhoben, so hat der Gerichtshof darüber zu entscheiden. Eintretenden Falls hat der Vorsitzende die Zeugen aber die ihnen nach Art. 177 zustehende Befugniss zu belehren. Statt des Art. 244. §. 79. In der Regel ist die mündliche Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen erforderlich, jedoch genügt eine Vorlesung ihrer in der Voruntersuchung abgegebenen Aussagen und Gutachten ausser den im Art. 222 und §§. 53 und 58 dieses Gesetzes erwähnten Fällen dann, wenn die Zeugen oder Sachverständigen in der Zwischenzeit verstorben sind, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist, oder ihrem Erscheinen nach dem Ermessen des Gerichts für längere Zeit erhebliche Hindernisse im Wege stehen. Besichtigungprotokolle, frühere Straferkenntnisse, Oberhaupt Urkunden, welche für die Sache von Bedeutung sind, werden gleichfalls vorgelesen. Zu Art. 246. §. 80. Eine Beeidigung der auf Anordnung des Vorsitzenden eingeführten Zeugen und Sachverständigen kann auch dann vorgenommen werden, wenn wegen Erhebung dieser neuen Beweismittel eine Vertagung (Art. 270) eingetreten war. §. 81. Im ersten Satze des Art. 254 sind die Worte des „Oberappellationsgerichts" zu streichen und ist vor dem Worte „Entscheidung" zu setzen „ oberrichterliche". Statt des zweiten Abs. des Art. 255. §. 82. Das Gericht kann jedoch, nachdem es die Staatsanwaltschaft deshalb gehört hat, auch zur sofortigen Urthcilsfällung über die andere That oder das andere Verbrechen schreiten, wenn es nicht dafür hält, dass die Sache vor das Geschworenengericht gehört, welchenfalls dieselbe an die Anklagekammer des Oberlandesgerichts zur Ertheilung eines neuen Verweisungsbeschlusses abzugeben ist. Statt des Art 258. §. 83. Ein gegen den Angeklagten auszusprechendes Strafurtheil musa angeben: 1. welches Verbrechen der Angeklagte als Urheber, Theilncbtner oder Begünstiger begangen hat, und ob das Verbrechen vollendet oder blos versucht worden ist; 2. die Strafe, zu welcher der Angeklagte verurtheilt wird; und zwar diese beiden Puñete bei Strafe der Nichtigkeit; 3. Sodann ist noch die Entscheidung über etwa geltend gemachte Privatansprüche und über die Kosten anzufügen. Statt des Art. 259. §. 84. Jedem Urtheile sind Gründe beizugeben, welche kürzlich enthalten sollen: 1. die Angabe, welche von denjenigen Thatsachen, die zu den Bestandteilen der den Gegenstand der Entscheidung bildenden strafbaren Handlung gehören, ferner, welche erschwerende, strafmildernde, oder die Strafbarkeit abschliessende Umstände für erwiesen oder für nicht erwiesen angenommen worden sind; 2. die Anführung der Beweismittel oder Thatsachen, auf deren Grund jener Beweis als erbracht oder als nicht erbracht angenommen worden ist; und
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Herzogthümer Anhalt.
3. im Falle einer Verurtheilung des Angeklagten die Hinweisung auf die in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen. Durch die Anträge des Staatsanwalts (Art. 247) wird das Gericht in keiner Weise gebunden. Zu Art. 260, 307 und 320. §. 85. Die Belehrung des Angeklagten Ober die ihm zustehenden Rechtsmittel ist nicht erforderlich; die zur Einwendung der Letzteren geordneten Fristen laufen ohne Rücksicht auf erfolgte Belehrung vou der Bekanntmachung des Urtheils an. Statt des A r t 262. §. 86. Das über die Hauptverhandlung durch den Gerichtschreiber aufzunehmende Protokoll soll enthalten die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichts, des Beamten der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers, des Angeklagten und seines Vertheidigers, des Privatbetheiligten, der sich etwa dem Strafverfahren angeschlossen hat, der erschienenen Zeugen und Sachverständigen. Es soll den Verlauf der Hauptverhandlung kürzlich erzählen und insbesondere der etwa erfolgten Vereidigung der Zeugen und Sachverständigen, der Vorlesung von Stücken aus der Voruntersuchung und von sonstigen Urkunden Erwähnung thun. Von dem Inhalte der Erklärungen der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder Vertheidigers, der Zeugen und Sachverständigen, sowie der etwaigen Privatbetheiligten oder eines Privatanklägers wird nur das Wesentliche kürzlich in das Protokoll aufgenommen. Im Falle der Angeklagte, die Zeugen und Sachverständigen in der Voruntersuchung vernommen worden waren, ist in dem Protokolle nur zu vermerken, ob und inwiefern ihre Aussagen von den früheren Angaben in erheblichen Puncten abweichen. Die zur Entscheidung gestellten Anträge, namentlich der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten oder Vertheidigers, werden mit den darauf erfolgten besonderen Entscheidungen im Protokolle aufgenommen oder demselben als Beilage einverleibt, und ferner wird der endliche Urteilsspruch, auch im Falle besonderer Abfassung, rücksichtlich seines entscheidenden Theils, sowie die Verkündigung des Urtheils, im Protokolle vermerkt. Ein Protokoll über die Hauptverhandlung ist bei Strafe der Nichtigkeit erforderlich, es genügt jedoch, dass überhaupt ein Protokoll aufgenommen worden ist, und der Umstand, ob ein bestimmter Vorgang im Protokoll vermerkt oder nicht vermerkt ist, hat an sich keine Nichtigkeit zur Folge. Zu Art. 264. §. 87. Das Unterbleiben der Aufnahme eines besondern Protokolls über die Berathung des Gerichts bei der Urtheilsfällung soll jedoch dann keine Nichtigkeit zur Folge haben, wenn das Ergebniss der Abstimmungen des Gerichts unter Angabc der Stimmenzahl in das Protokoll über die Hauptverhandlung mit aufgenommen worden ist. Zu Art. 266 und 267. §. 88. Bei einer Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht hängt die Bestellung eines Vertheidigers in den Fällen der Art. 266 und 267 und die Vertagung der Verhandlung, wenn ein Vertheidiger nicht zu erlangen ist, von dem Ermessen des Gerichts ab. I.
Statt des zweiten Absatzes des Art. 275.
§. 89. Sind weniger als dreissig und in Fällen des Art. 280 weniger als vierunddreissig Hauptgeschworene erschienen, so sind aus der Liste der Er-
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g&nzungsgeschworenen (§. 18) durch den Präsidenten so viele herbeizuziehen, als zur Ergänzung von dreissig resp. vierunddreissig Hauptgeschworenen erforderlich sind; und tritt statt des dritten Absatzes folgende Bestimmung ein: „Reichen die Ergänzungsgeschworenen zu dieser Ergänzung nicht zu, so hat der President andere auf dem ihm mitgetheilten Verzeichnisse (§. 18 dieses Gesetzes) befindlichen Personen oder nötigenfalls Personen aus der Jahresliste, welche an dem Orte des Geschworenengerichts oder in dessen Nähe ihren Wohnsitz haben, sofort beizuziehen, bis die Zahl von dreissig resp. vierunddreisaig Hauptgeschworenen erfüllt ist. Die Strafen des Ungehorsams in dem Art. 35 finden auf diese Personen keine Anwendung." II.
Zu Art. 275 und folgenden:
Wenn mehrere Hauptverhandlungen auf e i n e n Tag anberaumt sind, so kann alsbald beim Beginn der ersten die Geschworenenbank auch für jede folgende gebildet werden. Die für die erste Hauptverhandlung gebildete Geschworenenbank bleibt, wenn die Staatsanwaltschaft und die bei den anstehenden Hauptverhandlungen betheiligten Angeklagten sich damit einverstanden erklären, auch für die folgenden, an demselben Tage anstehenden Hauptverhandlungen. Wird auf Verlangen der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten für eine der folgenden Hauptverhandlungen eine neue Geschworenenbank gebildet, so bleibt nun diese, wenn die Staatsanwaltschaft und der oder die betreffenden Angeklagten damit einverstanden sind, für die nachfolgenden Hauptverhandlungen des Tages bestehen. Verzögert sich wegen der Dauer der vorhergehenden Hauptvcrhaudlungen oder aus sonstigen Grfinden der festgesetzte Anfang einer Hauptverhandlung dergestalt, dass sie erst am vierten oder an einem noch späteren Tage nach demjenigen beginnt, an welchem die Geschworenenbank gebildet worden war, so muss zur Bildung einer neuen Geschworenenbank geschritten werden. In allen Fällen, wo die für eine frühere Hauptverhandlung gebildete Geschworenenbank für eine folgende bestehen bleibt, unterbleibt für Letztere die Vereidigung, der Geschworenen und ^s genügt die Verweisung auf den in der frühern Sache geleisteten Eid. Im Art. 281 tritt an die Stelle des ersten Absatzes die Vorschrift: §. 90. Nach der Bildung der Geschworenenbank erfolgt die Ermahnung und Befragung des Angeklagten in der Art. 234 vorgeschriebenen Weise. Zu dem fünften Absatz dieses Artikels. Die Eidesformel richtet sich auch hier nach den Vorschriften im §. 4 5 dieses Gesetzes. Statt des Art. 282. §. 91. Hierauf wird der Verweisungsbeschluss und die Anklageschrift bei Strafe der Nichtigkeit durch den Gerichtschreiber vorgelesen. Die Staatsanwaltschaft kann, wenn sie es für angemessen hält, die Anklage entwickeln und auf die Beweise, welche für dieselbe vorgebracht werden sollen, aufmerksam machen. Sodann befragt der Präsident den Angeklagten, ob er sich schuldig bekenne oder nicht Bekennt der Angeklagte sich schuldig und räumt er auf näheres Befragen auch die thatsächlichen Bestandteile des Verbrechens, welches Gegenstand der Anklage ist, ein, so wird die Staatsanwaltschaft und der Vertheidiger darüber
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gehört, ob die Thatfrage durch das Geständnis« des Angeklagten für festgestellt zn erachten sei. Nimmt der Gerichtshof dieses an, so hat er, wofern ihm sonst gegen die Richtigkeit des Geständnisses kein Bedenken beigeht, nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Vertheidigers Ober die Anwendung des Gesetzes, ohne Zuziehung von Geschworenen, das Urtheil zu fällen und zu verkünden. Wenn Umstände in F r a g e kommen, welche Ausschliessung oder Milderung der gesetzlichen Strafe zu begrfinden geeignet sind, so unterbleibt die Verhandlung vor den Geschworenen nur dann, wenn die Staatsanwaltschaft rücksichtlich solcher Umstände sich zu Gunsten des Angeklagten erklärt und der Gerichtshof kein Bedenken hat, der dem Angeklagten günstigen Annahme beizutreten. Liegen die Voraussetzungen, unter denen nach dem Vorstehenden der Gerichtshof das Urtheil allein fällen kann, nicht vor, so beginnt die Verhandlung vor den Geschworenen. Die Zeugen und Sachverständigen werden aufgerufen, gegen die Ungehorsamen wird nach Vorschrift des Art. 223 verfahren. Die erschienenen Zeugen werden vorläufig wieder entlassen. Der Angeklagte wird vernommen und die Beweismittel werden vorgeführt. Alles nach den Art. 234 — 246 und nach den in den dazu gehörigen §§. dieses Gesetzes gegebenen Vorschriften. Zu Art. 285. §. 92. Der Vortrag des Präsidenten darf von Niemandem, namentlich auch nicht von dem Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft unterbrochen, oder zum Gegenstande irgend einer Aeusserung oder eines Antrages in der Sitzung gemacht werden. Zu Art. 287 statt des dritten Absatzes: §. 93. Ist eventuell ein geringeres Verbrechen Gegenstand der Anklage oder liegt einer der im Art. 256 gedachten Fälle vor, so sind entsprechende weitere Fragen zu stellen. Eben dies gilt in dem im Art. 255 erwähnten Falle dann, wenn der Gerichtshof nach Anhörung der Staatsanwaltschaft es unbedenklich findet, dass eine andere That oder ein anderes Verbrechen, als in der Anklageschrift enthalten ist, der Aburtheiluug mit unterstellt werde. Zu Art: 289. §. 94. Der von dem Obmann vor der Berathung den Geschworenen vorzulesenden Instruction ist noch Folgendes beizufügen: Die Berathung und der Ausspruch der Geschworenen muss sich auf die ihnen von dem Präsidenten vorgelegten Fragen beschränken. Ihre Ansicht über die Zweckmässigkeit oder Rechtmässigkeit des Strafgesetzes darf auf ihren Ausspruch keinen Einfluss ausüben. Nicht sie, sondern die Richter sind berufen, die gesetzlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten wegen der ihm zur L a s t fallenden That treffen. Die Geschworenen haben daher ihren Ausspruch ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Folgen desselben zu fällen. Zu Art. 3 0 1 statt des zweiten Satzes. §. 95. Das Urtheil muss enthalten eine Bezugnahme auf die das Erkenntniss begründenden Fragen und Aussprüche der Geschworenen, die Bezeichnung des Verbrechens und der angewendeten strafgesetzlichen Bestimmungen, sowie die zuerkannte Strafe; bei Strafe der Nichtigkeit Zu Art. 304. §. 96. Einer Aufnahme der an die Geschworenen gestellten Fragen und der dazu abgegebenen Aussprüche in das Protokoll bedarf es nicht; es genügt,
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Oesets Tom 10. September 1853. d u s jene Fragen mit den dazu ertheilten Antworten in Urschrift beigelegt werden.
dem Protokoll
Zu Art. 306. §. 97. Bei Zahl 2 ist zu setzen: „des Oberlandes- oder Oberappellationsgerichts" und bei Zahl 5 und 6 : „das Oberlandes- oder Oberappellationsgerieht". Statt Zahl 8 dieses Artikels: 8. wenn wider eine von dem Oberlandes- oder Oberappellationsgericht gegebene Entscheidung (§. 64) erkannt worden ist.
früher
Statt des ersten Satzes im zweiten Absätze des Art. 307 ist zu setzen: §. 98. „Dieses Rechtsmittel kaun nur der Angeklagte oder der Oberstaatsanwalt, ein jeder, soweit ihn die vorige Entscheidung berührt, ergreifen, vorbehaltlich der Bestimmung im vierten Satze des §. 26 dieses Gesetzes." Statt des dritten Absatzes im Art. 310. §. 99. Das Oberlandesgericht hat sodann mittelst Beschlusses die Acten an den Oberstaatsanwalt abzugeben, welcher dieselben an das Oberappellationsgerieht zur Erledigung des Rechtsmittels einsendet. Statt des dritten Absatzes des Art. 311 ist zu setzen: §. 100. „Für die Staatsanwaltschaft wird der Generalstaatsanwalt oder der mit dessen Functionen bekleidete Oberstaatsanwalt geladen." Statt des Art. 313. §. 101. Das Oberappellationsgerieht fallt die Entscheidung nach Stimmenmehrheit mit Beobachtung der näheren Verordnungen im Art. 253. Findet es die Nichtigkeitsbeschwerde begründet, so hebt es das vorige Urtheil auf und erkennt rücksichtlich der im Artikel 3 0 6 aufgezählten Nichtigkeitsgründe: zu 1 auf nochmalige Hauptverhandlung und Entscheidung durch ein anderes Geschworenengericht; zu 2 dass der Angeklagte von der erhobenen Anklage freizusprechen sei; zu 3 und 4, wie zu 1 ; zu 5 wenn die That für ein Verbrechen gehalten wurde, während sie kein» ist, wie zu 2, wenn aber die That für kein Verbrechen gehalten wurde, während sie nach den Strafgesetzen ein solches ist, so erkennt es an der Stelle und mit den Befugnissen des Gerichtshofes des Geschworenengerichts auf den Grund des Ausspruches der Geschworenen in der Sache selbst, oder es verweiset, wenn es noch auf thats&chliche Ermittelungen ankommt, die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht ; zu 6, 7 und 9 erkennt es nach Massgabe der Aussprüche der Geschworenen in der Sache selbst an der Stelle und mit den Befugnissen des Gerichtshofes des Geschworenengerichts; zu 8 wie zu 1, oder es erkennt, wenn es nur auf die Anwendung des richtigen Strafgesetzes ankommt, in der Sache gleich selbst, wie zu 6, 7 und 9. Die von dem Oberappellationsgerieht gegebene Entscheidung ist für die in der Sache anderweit entscheidenden Gerichte massgebend. Statt des Art. 316. §. 102. Offenbar grundlose Nichtigkeitsbeschwerden, welche an das Oberappellationsgerieht eingelegt sind (§. 60 dieses Gesetzes u. Art. 307 und 332),
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coli dasselbe an den Parteien und den Vertheidigern mit Geldstrafen, welche bis zu fünfzig Thalern ansteigen können, unnachsichtlich ahnden. Die gleiche Befugniss steht dem Oberlandesgerieht zu, wenn nach §. 60 dieses Gesetzes Nichtigkeitsbeschwerden dieser Art an dasselbe eingewendet worden sind. Statt des Art. 317. §. 103. Gegen Endurtheile eines Kreisgerichts findet die Appellation an das Oberlandesgericht statt. Sie kann gegen yerurtheilende und freisprechende Urtheile wegen vorliegender Nichtigkeiten (Art. 306), wegen der erkannten Strafart oder Strafgrösse, wegen der Entscheidung über etwaige privatrechtliche Ansprüche und wegen der Kosten ergriffen werden. Wegen angenommenen oder nicht angenommenen Beweises ist sie jedoch nur dann zulässig, wenn sie auf neue, speciell anzugebende erheblichc Thatsachen oder neue erhebliche Beweismittel begründet wird. Statt des ersten Satzes im Art. 318. §. 104. Die Appellation steht dem Angeklagten und dem Staatsanwalt oder dem Privatankläger, einem jeden, soweit das Endurtheil des Kreisgerichts ihn berührt oder dem Gegner zum Vortheil gereicht, zu, vorbehaltlich der Bestimmung im vierten Satze des §. 26 dieses Gesetzes. Statt des Art. 322. §. 105. Das Kreisgericht kann nach Umständen dem Angeklagten oder dem Staatsanwalt, wenn sie appellirt haben, zur besondern Ausführung der Appellation auf ihren Antrag eine anderweite zehntägige Frist gestatten. Zu Art. 323 statt des zweiten Absatzes. §. 106. Der Gegner des Appellanten kann binnen zehn Tagen eine Gegenausführung übergeben, und wenn die Appellation auf neue Thatsachen oder neue Beweismittel gestützt ist, auch einerseits neue Thatsachen oder Beweismittel anzeigen. Dem Angeklagten ist dies bei Mittheilung der Appellationsschrift zu eröffnen. Statt Art. 324. §. 101. Der Staatsanwalt berichtet sodann an den Oberstaatsanwalt, damit dieser die Sache weiter verhandle, und das Kreisgericht sendet die Acten an das Oberlandesgerieht ein, welches die eingewendete Appellation, wenn dieselbe versäumt oder nicht gehörig eingewendet worden ist, oder wenn bei einer blos wegen angenommenen oder nicht angenommenen Beweises eingelegten Appellation neue Beweismittel oder neue Thatsachen gar nicht, oder auch nicht speciell angezeigt, oder die angezeigten offenbar unerheblich sind, ohne Weiteres sofort verwirft, auch wenn nach Maasgabe der Appellationsbeschwerden nur über Kosten oder Civilansprflche zu entscheiden ist, ein Erkenntnis« in nicht öffentlicher Sitzung fallen kann, ausserdem aber einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung ansetzt Statt des ersten Satzes des Art. 325. §. 108. Zu dem Gerichtstage werden sämmtliche bei dem Rechtsmittel Betheiligte, ingleichen wenn neue Beweismittel zulässigerweise angezeigt worden sind und das Oberlandesgericht diese oder die neuen Thatsachen, worüber sie angegeben sind, nicht für offenbar unerheblich erachtet, die angegebenen Zeugen oder Sachverständigen dergestalt vorgeladen, dass ihnen die Ladungen wenigstens acht Tage vor dem Gerichtstage eingehändigt werden. Auch ist wegen Beischaffung etwa sonstiger Beweismittel die geeignete Sorge zu tragen.
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Eine Wiederholung der frühem Beweisaufnahme darf dasselbe nur dann anordnen, wenn sich wesentliche und durch die bisherigen Verhandlungen nicht au beseitigende Bedenken gegen die in dem ersten Urtheile enthaltene Feststellung der Thatsachen ergeben, oder wenn die Wiederholung mit Rflcksicht auf die vorgebrachten neuen Thatsachen oder Beweismittel nothwendig erscheint. Zu Art. 329. §. 109. Hinsichtlich derjenigen Thatsachen, welche in den Gründen des angefochtenen Erkenntnisses nach Massgabe des §. 84 dieses Gesetzes für erwiesen oder nicht erwiesen angenommen worden sind, muss das Oberlandesgericht seiner Entscheidung die in dem ersten Urtheile enthaltene Feststellung zum Grunde legen, insofern nicht die Erhebung der neuen Thatsachen oder neue Beweismittel, oder die gänzliche oder theilweise Wiederholung der in erster Instanz stattgefundenen Beweisaufnahme eine abweichende thatsächliche Feststellung begründen. Zu Art. 333 tritt nach den Schlussworten „zu erkennen" §. 110 der Zusatz hinzu: „oder, wenn die Nichtigkeit nicht in Mängeln des Verfahrens liegt, abändernd in der Sache selbst zu erkennen." §. 111. Das Verfahren vor dem Einzelrichter wegen Uebertretungen des Gesetzes vom 30. September 1849 über die Bestrafung der Holzdiebstähle und Frevel, sowie. über Raff- die und Leseholznutzung, soll sich zur Zeit noch ferner nach den sämmtlichen Vorschriften in den Art. 343—349 richten; bezüglich aller übrigen vor die Einzelrichter gehörigen Uebertretungen, welche einer Untersuchung und Bestrafung von Amtswegen unterliegen, kommen jedoch die folgenden, dieses Verfahren abändernden Bestimmungen zur Anwendung. Zu Art. 343: Die Wirksamkeit der Staatsanwaltschaft tritt nur in der Weise ein, dass sie 1. Anträge zur Einleitung, sowie zur Beschleunigung eines Strafverfahrens und im Laufe der Untersuchung zu stellen hat; 2. das Rechtsmittel des Recurses gegen Verfügungen des Eiuzelrichters nach Massgabe der A r t 100 und 345 einlegen kann; 3. Rechtsmittel gegen die Enderkenntnisse einzulegen befugt ist; und 4. Vollstreckung der Strafen zu beantragen hat. Uebertretungen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten zu untersuchen und zu bestrafen sind, dürfen nur durch diesen verfolgt werden, welcher dabei nicht blos dieselben Befugnisse hat, wie der Staatsanwalt, sondern auch zur Hauptverhandlung mit vorzuladen ist. Zu Art. 346. §. 112. Statt der Worte in Zahl 1 „und bei Polizei vergehen" ist zu setzen: „und bei der Competenz des Einzelrichters unterliegenden Polizeivergehen (§. 2 H I . 6). Statt des Art. 347. §. 113. Die Hauptverhandlung, zu welcher der Zutritt verstattet ist, soweit es die Räumlichkeit des Gerichtszimmers erlaubt, ist von dem Einzelrichter in der Weise vorzunehmen, dass der Angeschuldigte vernommen, die Beweise vorgeführt, darauf der etwa aufgetretene Privatankläger mit seinen Anträgen, dann der Angeschuldigte und der von ihm etwa mitgebrachte Vertheidiger mit ihrer Antwort gehört werden, und zuletzt, das Erkenntniss durch den Einzelrichter gefüllt und
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Henogtbflmer Anhalt.
ertönet wird. Ein verurtheilendes Erkenntniss muss das einschlagende Strafgesetz ausdrücklich anfahren. In das über die Hauptverhandlnng zu fahrende Protokoll ist das gefällte Erkenntniss aufzunehmen. Der Zuziehung des Staatsanwalts zu der Hauptverhandlung bedarf es nicht. Erscheint ein Privatankläger in der Hauptverhandlung nicht, so ist gegen ihn nach §. 71 dieses Gesetzes zu erkennen. Gegen dieses Erkenntniss steht demselben nur das Rechtsmittel der Restitution nach Massgabe des Art. 226 bei dem Einzelrichter, bezüglich mit dem Rechte des Recurses an das Kreisgericht zu. Statt des Art. 348. §. 114. Gegen die Entscheidung des Einzelrichters findet das Rechtsmittel der Appellation an das Oberlandesgericht statt Dasselbe kann gegen verurtheilende und freisprechende Entscheidungen nach allen Richtungen, wegen vorliegender Nichtigkeiten (Art. 306), wegen angenommenen oder nicht angenommenen Beweises, wegen der erkannten Strafart oder StrafgrögBe, wegen Entscheidung Uber etwaige privatrechtliche Ansprache und wegen der Kosten ergriffen werden. Der Angeklagte muss das Rechtsmittel bei dessen Verlust sofort nach der Urtheilsverkündigung und der ihm vom Richter darüber zu ertheilenden Belehrung unter Angabe und Motivirung der Beschwerden einlegen. Dem Staatsanwalte läuft hierzu eine Frist von zehn Tagen vom Ablauf des Tages der ihm von dem Einzelrichter nach der Urtheilsverkündigung vorzulegenden Untersuchung8acten an. §. 115. Auf eingelegte Appellation werden die Acten ohne weiteres Verfahren an das Oberlandesgericht eingesendet. Hat jedoch der Appellant neue und erhebliche Thatsachen oder die Erhebung bisher unbenutzter erheblicher Beweismittel zur Rechtfertigung des Rechtsmittels angebracht, so hat der Einzelrichter solche vor Einsendung der Acten zu untersuchen und festzustellen. Wenn das Oberlandesgericht die Sache für spruchreif hält, so entscheidet es über die Appellation in einer öffentlichen Sitzung, an welcher mindestens drei Richter Theil zu nehmen haben. Erachtet dasselbe aber erst noch eine Vervollständigung der Untersuchung für nöthig, so ordnet es diese unter Rücksendung der Acten an den Untersuchungsrichter an. §. 116. Bezüglich der Vorladungen zu dem Gerichtstage der Verhandlung und Entscheidung in demselben bleiben die Vorschriften in den Art. 325—331 massgebend. Erhebt jedoch bei der Verhandlung des Rechtsmittels der Oberstaatsanwalt oder der Privatankläger, der Angeklagte oder dessen Vertheidiger den Einwand, dass durch das Erkenntniss erster Instanz oder durch das demselben voraufgegangene Verfahren eine der im Art. 306 aufgezählten Nichtigkeiten vorliege, oder dass dasselbe aus dem Grunde nichtig sei, weil der Einzelrichter ein Erkenntniss gefällt habe, obschon kein gesetzlich nothwendiger Antrag des Staatsanwalts auf Einleitung der Untersuchung vorhanden, oder weil die vorgeschriebene Hauptverhandlung nicht gehörig erfolgt, oder weil keine Criminalübertretung oder keine solche Polizeiübertretung vorliege, welche zur Competenz des Einzelrichters gehöre : so hebt das Oberlandesgericht, wenn es den Einwand begründet findet, oder wenn es von Amtswegen wahrnimmt, dass eine solche Nichtigkeit vorhanden sei, das angegriffene Erkenntniss auf und erkennt nach Umständen entweder sogleich anderweit in der Sache selbst oder verweist die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück. Gegen das Erkenntniss des Oberlandesgerichts findet kein weiteres Rechtsmittel, namentlich keine Nichtigkeitsbeschwerde statt.
Gesetz vom 10. September 1853.
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Zu Art. 351. §. 117. Die Vorschrift im ersten Satze des Art. 3&1. „Eine mitausgesprochene Schärfung ist in diesem Falle stet« aufzuschieben." flült weg. Zu Art. 352. §. 118. Auch in dem Falle, wenn der Verurtheilte der erkannten Strafe sich unbedingt unterwirft, ist zur Vollstreckung der Strafe regelmässig binnen 24 Stunden zu schreiten. Zu Art. 361 statt des ganzen zweiten Satzes. §. 119. Die Kosten sind in diesem Falle von dem Staate zu abernehmen. Nur bei Verbrechen, welche blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht und von diesem als Privatankläger, verfolgt werden, hat Letzterer die Kosten zu tragen. Vertheidigungsgebahren vergütet der Staat oder Privatankläger nur den angestellten Anwälten, und nur, sofern dieselben durch die mündliche Verteidigung entweder vor dem Geschworenengerichte oder vor dem Kreisgerichte erwachsen sind, bei einer Hauptverhandlung vor dem Letzteren jedoch nur in dem Falle, wenn dem Angeklagten ohne seinen Antrag lediglich von Amtswegen ein Vertheidiger bestellt worden war. Auch sind Reisekosten und Diäten des Vertheidigers von der Verdatung ausgenommen. Statt des Art. 365. §. 120. Bei eingewendeten Rechtsmitteln trägt der unterliegende Theil die Kosten. Erlangt der Angeklagte auf sein Rechtsmittel blos eine Herabsetzung der Strafe, so soll er nichts destoweniger auch die Kosten seines Rechtsmittels zu übernehmen schuldig sein. Vertheidigungsgebahren in der Instanz des Rechtsmittels werden dem Angeklagten unter den im Art. 361 enthaltenen Einschränkungen von dem Staate oder Privatankläger nur dann ersetzt, wenn er mit einer Nichtigkeitsbeschwerde durchdringt, nicht aber, wenn er bei eingewendeter Appellation auf diese freigesprochen wird. Die Kosten eines Rechtsmittels, welches die Staatsanwaltschaft im Interesse des Angeklagten eingewendet hat, sind mit Ausschluss der Vertheidigungsgebahren stets auf die Staatscasse zu übernehmen. Statt des Art. 368. §. 121. Ist ein Angeklagter unvermögend, so sind die ihm zur Last gelegten Kosten einstweilen und bis er zu Vermögen kommt, Vertheidigungsgebühren jedoch nur mit der Art. 361 und g. 119 dieses Gesetzes geordneten Beschränkung auf die Staatscasse zu übernehmen. Zu Art. 370. 122.
Im ersten Satze ist statt der Worte: „auf Antrag einer öffentlichen Behörde" zu setzen: „durch deren amtliche Vorgesetzte:" Zusatz zu diesem Artikel. Wenn Verleumdungen und Beleidigungen im öffentlichen Dienste angestellter Personen, welche durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, von der BeSammlung der D. d. Gesetze. 23
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schaffenheit sind, dass die zu erkennende Strafe eine sechswöchentliche Gef&ngnissstrafe oder verhältnissmässige Geldbusse nicht abersteigen würde, so kann das Kreisgericht, nach Gehör des Staatsanwalts, die Untersuchung an den Einzelrichter verweisen, in welchem Falle dann das Art. 3 4 6 Nr. 3 und Art. 347 geordnete Verfahren, jedoch unter Mitwirkung der Staatsanwaltschaft, eintritt. Zu Art. 3 7 2 . §. 123. D e r Einzelrichter kann vor Ausfertigung auf die Anklage beide Parteien zum persönlichen Erscheinen in einem Sühnetermine unter Androhung einer Ordnungsstrafe bis zu fünf Thalern vorladen und bei einem Vergleiche die Kosten ausser Ansatz lassen. Zu Art. 3 7 4 . §. 124. D e r Einzelrichter ist befugt, sofort auf die Anklage einen Gerichtstag zur Hauptverhandlung anzusetzen, die Barteien zu demselben unter den für den Termin zur Verhandlung vorgeschriebenen Verwarnungen und die Zeugen und Sachverständigen, wie Art. 3 7 4 geordnet ist, vorzuladen. Wenn in diesem Falle der Richter eine Erhebung von Beweismitteln für erforderlich hält, welche von dem Angeklagten oder zur Replik von dem Ankläger im Termine angegeben worden sind, so ist die Hauptverhandlung zu vertagen. Der Richter hat das Recht, die Parteien unter den gesetzlichen Verwarnungen zum persönlichen Erscheinen in der Vorverhandlung oder Hauptverhandlung zu laden. Zu Art. 3 7 5 . §. 125. Werden von den Parteien oder Zeugen Ehrenkränkungen in einem Termine ausgestossen, so können dieselben auf Antrag des Verletzten sofort abgeurtheilt werden, sofern sie die Zuständigkeit des Einzelrichters nicht übersteigen. Zu Art. 3 7 7 . §. 126. Anwaltskosten werden nicht erstattet. Wenn im ersten Termine die gütliche Beilegung der Sache von dem Kostenpunete abhängig ist, so können die Kosten, soweit sie zur Verrechnung für die Staatscasse bestimmt, von dem Gericht nach seinem Ermessen gauz oder theilweise ausser Ansatz gelassen werden; bei späterer Zurücknahme der Anklage findet eine solche Ermächtigung nicht statt.
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Gesetz Tom 21. September 1857.
XII. Sachsen-Coburg-Gotha.
Oesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden vom 21. September 1867. Gerichtsbehörden. §. 1. F ü r die Rechtspflege bestehen, ausser den Schwurgerichten in den gesetzlich bestimmten Fällen und abgesehen von den besonderen Gerichten in MilitärBachen, sowie für das Herzogthum Gotha in Bergsachen und Forststrafsachen, künftig I. Justizämter (Stadtgerichte) ; I I . Kreisgerichte; I I I . das Appellationsgericht; I V . das Oberappellationsgericht. Die Justizcollegien zu Coburg und Gotha werden aufgehoben. I. Justizämter (Einzelrichter). §. 2. Der Vorstand eines Justizamtes (einer Justizamtsabtheilung) bleibt in der bisher den Vorständen dieser Behörden zugewiesenen Stellung. In Untersuchungssachen ist der Vorstand eines Justizamtes resp. einer fttr Untersuchungen zuständigen Justizamtsabtheilung der Einzelrichter seines Bezirks. §. 3. Aenderungen hinsichtlich der bisherigen Eintheilung des Landes in Justizamtsbezirke bleiben der besonderen Gesetzgebung beider Herzogthümer vorbehalten. II.
Kreisgerichte.
4. Für das Herzogthum Coburg und das Herzogthum Gotha bestellt in den Städten Coburg und Gotha j e ein collegialisch besetztes Kreisgericht. III.
Appellationsgericht.
§. 5. F ü r die Herzogthümer Coburg und Gotha gericht, welches in der Stadt Gotha seinen Sitz hat.
besteht
e i n Appellations-
IV. Das Oberappellationsgericht, §. G. Das Oberappellationsgericht zu Jena besteht als gemeinsames oberstes Gericht für die Herzogthümer Coburg und Gotha fort. Allgemeine Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gerichte. §. 7. Die Zuständigkeit der Gerichtsbehörden in bürgerlichen Rechtssachen wird durch ein besonderes Gesetz geregelt. In Strafsachen ist die Zuständigkeit der im §. 1 unter I . — I V . aufgeführten Gerichtsbehörden, sowie der Geschworenengerichte, ingleichen der Instanzenzug durch die Strafprocess-Ordnung und durch das Einführungsgesetz zu derselben bestimmt. Das Kreisgericht zu Gotha tritt bei Berufungen gegen Erkenntnisse der Waldgerichte (§§. 85 und folg. 99 des Gesetzes No. 415 der Gothaischen Gesetzsamm23*
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Bachsen-Coburg-Gotha.
lung) an die Stelle des aufgehobenen Justizcollegiums zu Gotha, ohne Betheiligung der Staatsanwaltschaft. Das Appellationsgericht tritt in Militärsachen als Obermilitärgericht, sowie in Bezug auf die Handhabung der Oberaufsicht und Disciplin im Gebiete der Strafrechtspflege und in allen sonstigen Beziehungen der Rechtspflege, hinsichtlich deren durch Gesetz nicht etwas Anderes bestimmt ist, an die Stelle der aufgehobenen Justizcollegien. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Oberappellationsgerichts behält es bei den deshalb bestehenden Bestimmungen sein Bewenden, insofern solche nicht durch die Strafprocess-Ordnung und durch das Einführungsgesetz zu derselben abgeändert werden. §. 8. Die mit gegenwärtigem Gesetze nicht im Einklang stehenden älteren gesetzlichen und sonstigen Bestimmungen werden hiermit aufgehoben. §. 9. Die zur Ausführung des Gesetzes nöthigen Verordnungen werden von der herzoglichen Staatsregierung getroffen. §. 10. Der Zeitpunct, zu welchem gegenwärtiges Gesetz in Kraft tritt, wird durch Verordnung bekannt gemacht werden.
2.
B e m e r k u n g : Neben dem Einführungsgesetze sind nachstehend nur die Paragraphen der Strafprocess-Ordnung vollständig abgedruckt, welche materiell erhebliche Abweichungen von der Weimarischen Strafprocess-Ordnung (Häberlin's Sammlung No. XI.) enthalten. Gesetz über die E i n f b h r u a g einer nenen Strafprocesi-Ordnung, vom 21. September 1807. §. 1. Die nachstehende Strafprocess-Ordnung (Beil. A.) und die dazu gehörige Gebührentaxe fQr die Verhandlungen in Strafsachen (Beil. B ) treten an dem durch eine besondere Verordnung noch zu bestimmenden Tage in gesetzliche Kraft. Von der nämlichen Zeit an sind alle bisher gültig gewesenen gesetzlichen Bestimmungen Qbcr das Verfahren und das Liquidiren in Strafsachen, insbesondere auch die in Coburg in dieser Beziehung bestehenden Vorschriften über die Erhebung der Stempelabgabe, sowie der Gebühren für die Bibliothek, die Annenanstalt und das Zucht- und Waisenhaus, aufgehoben, insofern nicht in dem Nach stehenden eine Ausnahme gemacht ¡8t. §. 2. Neben der Strafprocess-Ordnung bleiben auch ferner in Gültigkeit die gesetzlichen Bestimmungen: 1. über die Anklagen gegen Staatsbeamte wegen Verfassungsverletzungen (§. 163 ff. des Staatsgrundgesetzes) und über die Verhaftung der Landtaguabgeordueten (§. 86 das.); 2. über die Disciplinarstrafgewalt und das Disciplinarverfahren gegen öffentliche — weltliche und geistliche — Beamte und sonst in öffentlicher Pflicht stehende Personen; 3. über die Militärstrafgerichtsbarkeit und das Militärstrafverfahren; 4. über die Zuständigkeit und das Verfahren der Polizeibehörden in Polizeistrafsachen mit Inbegriff derjenigen, welche der Polizei der Presse, der Polizei im Berg- und Salinenwesen, sowie im Bereiche der Eisenbahnen einschliesslich der Bestimmung im §. 7 al. 2 des gothaischen Eisenbahnpolizeireglements, angehören, dagegen mit Ausschluss der bisherigen Bestimmun-
Strafprocess-Ordnung vom 21. September 1857.
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gen über die Zuständigkeit der Polizeibehörden zur Untersuchung und Bestrafung der Weggeldhinterziehungen, vorbehaltlich der Bestimmungen Ober das Einforderangsrecht der Einnahmebeamten; 5. Aber das Untersuchnngs- und Strafverfahren der Verwaltungsbehörden bei Steuer- und ZoIIcontraventionen, sowie bei Beeinträchtigung der Regalien und bei Hinterziehung anderer Öffentlicher Abgaben; 6. aber das Verfahren bei Forst vergehen im Herzogthum Gotha; 7. Ober das Verfahren wegen Untersuchung und Bestrafung der fleischlichen Vergehen im Herzogthum Coburg; 8. alle sonstigen Gesetze, Verordnungen und Instructionen, welche in den verschiedenen Zweigen der Hof-, Staats-, Kirchen-, Schulen- und Gemeindeverwaltung, ingleichen des Post-, Eisenbahn-, Telegraphen-, Innungs- und Gewerbswesens oder zur Aufrechthaltung der Ordnung und Disciplin in öffentlichen Anstalten Befugnisse zur Auflegung von Ordnungs- und Zwangsstrafen begründen, bezüglich Vorschriften über das desfallsige Strafverfahren enthalten. §. 3. Die Strafprocess-Ordnung kommt von dem Tage an, mit welchem sie nach §. 1 in Kraft tritt, auch rücksichtlich der vor diesem Tage begangenen Verbrechen, und zwar uneingeschränkt dann zur Anwendung, wenn das Strafverfahren wegen eines solchen Verbrechens bis zu dem gedachten Tage noch nicht begonnen hat. §. 4. Diejenigen Strafsachen, in welchen vor jenem Tage ein unbedingtes oder bedingtes Enderkenntniss bereits gefällt ist, werden nach den bisherigen Vorschriften erledigt, nur dass an die Stelle des Justizcollegiums zu Coburg oder Gotha das Appellationsgericht a b zweite Instanz tritt. Ist in dem Enderkenntniss auf einen Reinigungseid gesprochen, und im Falle der Verweigerung desselben eine Fortführung der Untersuchung nöthig, so ist diese nach den Vorschriften des folgenden Paragraphen fortzusetzen. An das Appellationsgericht werden auch die in zweiter Instanz bei den Justizcollegien liegenden noch unerledigten Sachen, ingleichen die bei denselben gegen schrifts&ssige Personen anhängigen Untersuchungen, in welchen ein Enderkenntniss vorliegt, zur Beendigung abgegeben. In z w e i t e r Instanz ist, wenn mit Ausschluss deijenigen Mitglieder des Appellationsgerichts, welche in ihrer früheren Stellung das angefochtene Erkenntaiss mitertheilt haben, weniger als drei stimmfähige Mitglieder zum anderweiten Erkenntniss übrig bleiben, Actenversendung erforderlich. Wenn ein zweitinstanzliches Erkenntaiss bereits vorliegt, so tritt da, wo noch ein Rechtsmittel zulässig ist, die Entscheidung durch das Oberappellationsgericht beziehendlich Actenversendung ein. Steht zu dem Zeitpuncte, wo die Strafprocess-Ordnung in Kraft tritt, nur noch die Vollziehung zuerkannter Strafen aus, so wird solche, je nachdem Verbrechen oder Vergehen, oder aber Uebertretungen in Frage sind, von dem betreffenden Kreisgericht oder dem betreffenden Einzelrichter angeordnet. §. 5. Die Erledigung aller übrigen zu der Zeit, wo die Strafprocess-Ordnung in Kraft tritt, begonnenen, noch nicht bis zu dem im vorigen Paragraphen bezeichneten Abschnitt gediehenen Untersuchungen, mit Inbegriff deijenigen, welche in Folge verweigerter Ableistung eines Reinigungseides fortzusetzen sind, erfolgt nach den Vorschriften der neuen Strafprocess-Ordnung. E s werden daher: 1. Untersuchungen, welche durch ein Geschworenengericht oder ein Kreisgericht zu erledigen sind, gleichviel, ob noch eine Vertheidigung des Angeklagten rückständig ist oder nicht, in das neue Strafverfahren übergeleitet. Die Acten sind deshalb an das zuständige Kreisgericht abzugeben und von demselben zuvOrderst dem betreffenden Staateanwalte zur Stellung seiner Anträge vorzulegen. Beantragt dieser die weitere Verfolgung, so ist die Sache als in der
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Voruntersuchung begriffen anzusehen und nach Massgabe der darüber in der Strafprocess-Ordnung gegebenen Vorschriften weiter zu führen. 2. Diejenigen Untersuchungen, welche sieh auf blosse Uebertretungen beziehen, werden an den Einzelrichter abgegeben, bezüglich von dem letzteren fortgeführt. §. 6. Die Wiederaufnahme einer nach dem älteren Rechte eingestellten oder sonst erledigten Untersuchung kann von dem T a g e an, mit welchem die Strafprocess-Ordnung in Kraft tritt, nur nach den Vorschriften derselben stattfinden. §. 7. Bei den nach M:'.«sgabe der Strafprocess-Ordnung zu führenden und resp. zu beendigenden Untersuchungen tritt in der darin näher angegebenen Weise die Staatsanwaltschaft in Thätigkeit. §. 8. Bei Herstellung der ersten Geschworenonlisten ist das im A r t 26 der Strafprocess-Ordnung vorgeschriebene Verfahren zu beobachten. Die Termine, innerhalb welcher die in der Strafprocess-Ordnung in die Monate August, September, October, November verlegten Handlungen (Art. 26) bei Herstellung der ersten Gescliworenenlisten vorzunehmen sind, werden durch eine besondere Verordnung bekannt gemacht werden. §. 9. Die Thalerangaben in der Strafprocess-Ordnung und Gebührcntaxe beziehen sich auf das Herzogthum Gotha, die Guldenangaben auf das Herzogthum Coburg. W o in der Strafprocess-Ordnung blos Ansätze nach dein l'halerfuss vorkommen, ist im Herzogthum Coburg der Tlialer zu t Gulden 4 5 Kreuzer rheinisch zu rechnen. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und vorgedrucktem herzoglichem Siegel. G o t h a , den 21. September 1 8 5 7 . A.
Strafprocess-Ordnung.
A r t . 1. Eine Bestrafung wegen Verbrechen einschliesslich der Polizeivergehen, soweit letztere vor die Gerichte gehören, kann nur nach vorgängigem Strafverfahren in Gemässheit der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung eintreten. A r t . 2. Die V e r b r e c h e n werden in Rücksicht auf das Strafverfahren in V e r b r e c h e n im engeren Sinne, in V e r g e h e n und in U e b e r t r e t u n g e n eingetheilt. I. Verbrechen im engeren Sinne sind: 1. Alle Verbrechen, welche der Todesstrafe oder einem Strafsatze von Zuchthaus unterliegen, gleichviel, ob Zuchthaus allein, oder in Verbindung mit anderen Freiheitsstrafen angedroht ist, jedoch mit Ausnahme der in dem Artikel 2 2 1 des Strafgesetzbuches aufgeführten ausgezeichneten Diebstähle in einem Betrage von fünfzig Thalern, beziehendlich hundert Gulden rheinisch und weniger; 2. alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatze zu beurtheilen sind, der über vierjährige Arbeitshausstrafe hinausgeht, jedoch mit Ausnahme der in den Artikeln 2 1 6 No. 4, 2 2 2 , 2 2 3 , 2 2 4 des Strafgesetzbuches angeführten Diebstähle; 3. die unter Art. 197 Ziffer 1 und unter Art. 199 des Strafgesetzbuches fallenden Verbrechen, das Letztere indessen nur, soweit es sich auf Art. 197 Ziffer 1 bezieht. I I . Alle nicht zu den Verbrechen im engeren Sinne gehörige Verbrechen, insbesondere auch alle mit Geldstrafen allein bedrohten, sind V e r g e h e n , sofern sie nicht zu den Uebertretungen zu rechnen sind. H I . Uebertretungen sind: 1. Alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatze von höchstens sechs Wochen Gefängniss allein, oder wahlweise mit verhältnissmässiger Geldstrafe zu bestrafen sind;
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2. Ehrenkränkungen unter den in dem Art. 370 der Strafprocess-Ordnnng bestimmten Einschränkungen; 3. der Verwandtendiebstahl und die Entwendnng von Lebensmitteln (Art. 229 Abs. 1 und Art. 230 des Strafgesetzbuches), sowie die in den Art. 234 und 237 des Strafgesetzbuches bezeichneten Veruntreuungen und betrügerischen Handlungen, insofern alle diese Verbrechen nicht sonst nach den Art. 218 bis 226, 233, 240 und 241 ausgezeichnete sind, und der Betrag ihres Gegenstandes fünf Thaler, beziehendlich zehn Gulden rheinisch nicht abersteigt; 4. die in dem A r t 256 des Strafgesetzbuches erwähnten Fälschungen ; 5. Defraudationen von Wege- und Gemeindeabgaben; 6. alle Polizeivergehen, soweit sie vor die Gerichte gehören. Die Zuständigkeit der Strafgerichte rücksichtlich der Beeinträchtigung der Kegalien, der Steuer- und Zollcontraventionen, sowie anderer Defraudationen öffentlicher Abgaben richtet sich, vorbehaltlich der Bestimmung unter H I . Ziffer 5, nach den Competenzvorschriften bei Verbrechen. Sofern nach dem Vorstehenden Strafsätze entscheidend sind, kommt es nicht auf die für den vorliegenden Fall selbst zu erkennende Strafe, sondern auf den gesetzlichen Strafsatz an, dem das einzelne in Frage stehende Verbrechen, oder auch mehrere ihrem Betrage nach zusammen zu rechnende Verbrechen unterliegen. Dabei soll die Möglichkeit, dass wegen Rückfalles der höchste gesetzliche Strafsatz überschritten werden, oder wegen Milderungsgründen unter den niedrigsten gesetzlichen Strafsatz heruntergegangen werden kann, nicht berücksichtigt werden, ausgenommen den Bückfall in denjenigen Fällen, wo in den Strafgesetzen seinetwegen ein besonderer Strafsatz aufgestellt ist. Sind bei dergleichen Theilnahme an einem Verbrechen für die einzelnen Theilnehmer verschiedene gesetzliche Strafsätze aufgestellt, so ist der höhere Strafsatz für die Stellung des ganzen Verbrechens rücksichtlich aller gleichen Theihiehmer entscheidend, auch wenn der nach dem höheren Strafgesetze zu Bestrafende nicht mit in der Untersuchung begriffen ist. Der Versuch, die ungleiche Theilnahme und die Begünstigung richten sich nach dem Hauptverbrechen, gleichviel, ob der Hauptverbrecher mit in der Untersuchung begriffen ist oder nicht A r t 3.
D a s S t r a f v e r f a h r e n z e r f ä l l t in d i e V o r u n t e r s u c h u n g u n d Hauptverhandlung.1 Die Voruntersuchung hat die Existenz und Natur des Verbrechens, sowie die Person des Th&ters und die Beweismittel soweit zu erforschen, das« entweder eine Anklage begründet und die Hauptverhandlung vorbereitet, oder der Ausspruch herbeigeführt wird, dass ein Grund zu weiterer gerichtlicher Verfolgung nicht vorliege. Bei Vergehen genügen die von der Staatsanwaltschaft durch Einzelrichter oder durch Polizeibeamte veranlassten Ermittelungen zur Vorbereitung der Hauptverhandlung, und es kann auf dem Grunde solcher Ermittelungen die sofortige Erhebung der Anklage erfolgen, ohne dass es einer vorgängigen Vorlegung der aufgenommenen Verhandlungen an den Untersuchungsrichter bedarf. Ist der Angeschuldigte in den Anklagestand versetzt, so wird cur Hauptverhandlung vor dem erkennenden Bichter geschritten, welche mit einem v e r u r t e i lenden oder freisprechenden Erkenntnisse schliesst. Bei Uebertretungen wird die Voruntersuchung und Hauptverhandlung vereinigt A r t 11. Ein Kreisgericht besteht ans dem Kreisrichter als Vorsitzendem und aus Gerichtsräthen oder Assessoren. Die Einzelrichter in dem Sprengel des Kreisgerichts haben zugleich die Stellung als Mitglieder des Kreisgerichts und können als solche verwendet werden. Als Gerichtsassessoren können zur Vervollständigung des Gerichts in einzel-
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nen Fällen Ergänzungsrichter gebraucht werden, welche aus den zum Richteramte befähigten Personen and den Rechtsanwälten zn nehmen sind. Das Staatsministerium hat nach gutachtlichem Vorschlage des Appellationsgerichte zu diesem Behnfe geeignete Personen auszuwählen, welche als Ergänzungsrichter mittelst des Richtereides zu verpflichten sind. Der Kreisrichter zieht sodann erforderlichen Falls bei einzelnen Verhandlungen einen oder mehrere Ergänzungsrichter, welche sich in dem Sprengel des Kreisgerichte aufhalten, zu. Er hat sich dabei zunächst an die Erg&nzungsrichter am Orte, wo das Gericht seinen Sitz hat, zu halten. Das Amt eines Ergänzungsrichters kann von einem Sachwalter nicht ohne triftige Abhaltungsgründe ausgeschlagen werden. A r t . 12. Ein Mitglied des Kreisgerichts wird als Untersuchungsrichter bestellt und fQhrt in dieser Eigenschaft die vor das Kreisgericht gehörigen Voruntersuchungen (Art. 10), unter Theilnahme des Kreisgerichts in dem weiter unten geordneten Masse. Nach Befinden können bei einem Kreisgerichte mehrere Mitglieder zu Untersuchungsrichtern bestellt weiden. Auch können andere Mitglieder für einzelne Voruntersuchungen als Untersuchungsrichter verwendet werden; insbesondere können d e n ' z u dem Kreisgerichte gehörigen Einzelrichtern Voruntersuchungen, welche in ihre besonderen Gerichtsbezirke fallen, übertragen werden. Als Untersuchungsrichter können auch andere zum Richteramte befähigte Per* sonen bestellt werden. A r t . 13. Das Kreisgericht beschließet und entscheidet als Collcgiuui durch drei Personen, bei allen öffentlichen Verhandlungen vor demselben mindestens dnreh drei Personen. Vor dem in letzter Weise besetzten Gerichte ist namentlich die Hauptverhandlung bei Vergehen abzuhalten. Einzelrichter und Untersuchungsrichter können in den von ihnen geführten Untersuchungen nicht bei der Haupt Verhandlung — Ergänzungsrichter in Sachen, worin sie als Sachwalter betheiligt gewesen sind, überhaupt nicht als Mitglieder des Collegiums thätig sein. A r t 16. Der Sprengel des Appellationsgerichts enthält einen Geschworenenbezirk und zwei kreisgerichtliche Sprengel. Das Appellationsgericht bestimmt nach Anhörung des Oberstaatsanwalts die Zeit und den Ort des Zusammentritte des Geschworenengerichts; es müssen jedoch jährlich mindestens zwei Geschworenengerichte abgehalten werden. A r t . 17. Die Geschworenengerichte werden an dem Sitze eines Kreisgerichts gehalten, vorbehaltlich der Bestimmung eines anderen Ortes in ausserordentlichen Fällen durch den Präsidenten des Appellationsgerichts. Der Letztere hat spätestens vierzehn Tage vor dem Beginne eines Geschworenengerichte den Zusammentritt desselben durch Anschlag an dem Gerichtsbrete der Kreisgerichte und in geeigneten öffentlichen Blättern bekannt zu machen. A r t . 18. Ein Geschworenengericht soll in der Regel nicht länger als drei Wochen beisammen bleiben und sich innerhalb dieser Zeit mit denjenigen Sachen beschäftigen, welche vierzehn Tage vor Eröfliiung des Gerichts an den Präsidenten des Geschworenengerichts abgegeben worden sind. Ueber die Zulassung der später noch abgegebenen Sachen bestimmt der Präsident des Geschworenengerichts im Einverständnisse mit dem Oberstaatsanwälte: bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das Appellationsgericht. A r t . 19. Können die an ein Geschworenengericht abgegebenen Sachen nicht sämmtlich bei demselben erledigt werden, oder sind Sachen zur Abgabe an das Geschworenengericht reif, der Zusammentritt des letzteren ist aber erst nach sechs Wochen zu gewärtigen, so kann das Appellationsgericht diese Sachen zu schnellerer Beförderung vor ein ausserordentliches Geschworenengericht verweisen. Das Appellationsgericht hat vor der Beschlussfassung den Oberstaatsanwalt mit seinen Anträgen zu hören.
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2. Die Geschworenen. A r t . 23. Das Ehrenamt eines Geschworenen im Allgemeinen kann jeder Staatsbürger männlichen Geschlechts bekleiden, welcher das dreissigste Jahr zurückgelegt und wenigstens ein Jahr lang seinen Wohnsitz in derjenigen Gemeinde gehabt hat, auf deren Urliste (Art 26) er kommen soll. Ausgenommen sind nur: 1. die verantwortlichen Mitglieder des Staateministeriums; 2. Richter, Protokollführer bei Gerichtsbehörden, Mitglieder der Staatsanwaltschaft, Gensd'armen und Polizeidiener, so lange sie in dieser Stellung sind; 3. die Vollksschullehrer; 4. die Dienstboten; 5. die Handwerksgesellen ohne eigenen Hausstand, sowie die Handlungs- und anderen Geschäftsgehülfen, welche keinen Hausstand haben oder sieh im Brod ihrer Handlungs- oder Geschäftsherren befinden; 6. Diejenigen, welche dauernde Unterstützung (Almosen) aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen; 7. Personen, die unter elterlicher Gewalt oder unter irgend einer Vormundschaft stehen ; 8. Diejenigen, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen zu Geschworenen untauglich sind; 9. Personen, welche nicht schreiben oder lesen können; 10. Gemeinschuldner, die mit ihren Gläubigern einen gerichtlichen Accord abgeschlossen haben, bis zur accordmässigen Befriedigung der Letzteren; 11. Gemeinschuldner, gegen welche Concurs eröffnet worden ist, während der Dauer dieses Concurses und innerhalb der nächsten zehn Jahre, insofern die vollständige Befriedigung der Gläubiger nicht schon früher erfolgt sein sollte; 12. Diejenigen, welche eine Freiheitsstrafe erstehen oder sich in gerichtlicher Untersuchungshaft befinden; 13. Diejenigen, welche nach den Bestimmungen des Gesetzes über den Verlust der staatsbürgerlichen und Ehrenrechte wegen Verbrechen dieser Rechte verlustig geworden oder an ihrer Ausübung behindert sind; 14. Diejenigen, welche nach Art. 34 des Rechts, das Amt eines Geschworenen zu bekleiden, für verlustig erklärt worden sind. A r t . 24. Für eine einzelne Sache sind zu dem Amte eines Geschworenen unfähig: 1. Diejenigen, welche in der Sache als Richter unfähig sein würden (Art 65 ff.); 2. Diejenigen, welche aus der Handlung, welche Gegenstand der Untersuchung ist, ein Privatinteresse für sich herleiten können; 3. Diejenigen, welche in der Sache als Protokollführer, Polizeibeamte oder Urkundspersonen thätig waren, oder als Anzeiger, Ankläger, sowie als Anwälte aufgetreten sind, oder als Zeugen oder Sachverständige abgehört wurden oder noch abgehört werden sollen. Wer eine Freiheitsstrafe ersteht oder sich in Untersuchungs- oder Wechselhaft befindet, ist für die Dauer seiner Haft zu dem Amte eines Geschworenen unfähig. A r t . 25. Zur Ablehnung des Amtes eines Geschworenen sind berechtigt: 1. Diejenigen, welche das sechszigste Lebensjahr zurückgelegt haben; 2. Diejenigen, welche durch ein Zeugniss ihres Gemeindevorstandes nachweisen; dass sie den mit dem Amte eines Geschworenen verbundenen Aufwand aus eigenen Mitteln zu tragen ausser Stande sind; 3. Diejenigen, welche Haupt- oder Ergänzungsgeschworenc (Art. 30 und 32) gewesen sind; die Ersteren für ein Jahr und die Letzteren für sechs Monate von dem Ende des Geschworenengerichts an, bei welchem sie als Geschworene zugegen waren; 4. Landtagsabgeordnete;
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5. im Activen Dienet stehende Militärpersonen, Geistliche, praeticirende Anwälte, und A e r z t e ; 6. Hof-, Staats- und Gemeindebeamte, sofern durch ein Zeugniss der vorgesetzten Behörde die U n e n t b e h r l i c h k e i t im Dienste bescheinigt wird. J e d e Ablehnung von Seiten aller dieser Personen muss wenigstens drei T a g e vor dem Beginne der Sitzung eines Geschworenengerichts dem Präsidenten des Gerichtshofes angezeigt werden. Die Ablehnungsgründe unter 1 und 2 können auch dem Einzelrichter vor Aufnahme d e r Jahreeliste ( A r t . 2 8 ) angezeigt werden, worauf der die Jahresliste anfertigende Ausschuss den A b l e h n u n g s g r u n d zu prüfen und im Falle d e r Billigung desselben den Ablehnenden nicht auf die Jahresliste zu bringen hat. A r t . 28. Aus d e n Bezirksurlisten wird alljährlich eine Jahresliste durch Auswahl gebildet. Die W a h l wird von einem Ausschüsse vorgenommen. D e r Ausschuss besteht aus dem Einzelrichter, welcher den Vorsitz f ü h r t , und nach dem Ermessen desselben aus vier bis acht Mitgliedern aus den Ortsvorständen der zum Bezirke des Einzelrichters gehörigen Stadt- und Landgemeinden, wozu noch zwei E r s a t z m ä n n e r f ü r Verhinderungsfälle kommen. I s t der Einzelrichter blos ü b e r eine Stadtgemeinde g e s e t z t , so werden die Ausschussmitglieder und E r s a t z m ä n n e r aus d e r Mitte des S t a d t r a t h e s und des die Bürgerschaft vertretenden Collegiums durch den Stadtrath und dieses Collegium zusammengenommen gewählt. Ist er blos über L a n d g e m e i n d e n g e s e t z t , so wählen die Ortsvorstände der vom Einzelrichter bestimmten volkreichsten Gemeinden die Ausschussmitglieder, ein j e d e r Ortsvorstand eine P e r s o n aus seiner Mitte. Die Ortsvorstände der zwei nächst volkreichsten Gemeinden wählen die E r s a t z m ä n n e r aus ihrer Mitte. Gehören Stadt- und Landgemeinden zu dem Bezirke des Einzelrichters, so sind die Ausschussmitglieder nach Verhältniss d e r Seelenzahl zwischen beiden Gattungen der Gemeinden zu vertheilen. Die S t ä d t e wählen die auf sie kommenden Ausschussmitglieder und einen E r s a t z m a n n in der vorbemerkten W e i s e , und die auf die Landgemeinden k o m m e n d e n , nebst einem Ersatzmanne, w e r d e n , so viel ihrer sind, von eben soviel L a n d g e m e i n d e n , welche die volkreichsten sind, gleichfalls in der vorgeordneten Weise gewählt. Die W a h l e n zu dem Ausschusse sind alljährlich im Monat August vorzunehmen u n d bis zum 1. S e p t e m b e r dem Einzelrichter anzuzeigen. A r t . 32. Die H a u p t g e s c h w o r e n e n f ü r d a s einzelne Geschworenengericht werden in folgender Weise bestimmt: Wenigstens vierzehn T a g e vor dem Beginne eines Geschworenengerichts loost das Appellationsgericht im Beisein des Oberstaatsanwaltes zweiundsiebenzig Namen von den auf der Jahresliste des Geschworenenbezirks verzeichneten Personen aus. Zu diesem Zwecke werden so viele Nummern, als Personen auf der Jahre»liste stehen, in eine Urne g e t h a n u n d davon zweiundsiebenzig durch den Präsidenten des Appellationsgerichts herausgezogen. Von den unter diesen Nummern auf der Jahresliste stehenden P e r s o n e n wählt der P r ä s i d e n t des Appellationsgerichte nach seinem Ermessen sechsunddreissig aus, welche die Hauptgeschworenen des einzelnen Geschworenengerichts sind. A r t 33. Die sechsunddreissig Hauptgeschworenen sind unter Angabe des Ortes, des T a g e s und d e r Stunde des Beginnes der Sitzung und unter Hinweisuog auf die gesetzlichen Nachtheile des Ausbleibens (Art. 3 4 ) von dem Präsidenten des Gerichtshofes so vorzuladen, dass die L a d u n g a c h t T a g e vor dem Beginne der Sitzung in ihren Händen ist. Die zwölf Ergänzungsgeschworenen (Art. 3 0 ) sind in gleicher Weise von der auf sie gefallenen W a h l zu benachrichtigen und aufzufordern, sich während der Sitzung einheimisch zu halten, so dass sie leicht herbeigeholt werden können. Die N a m e n der zu dem Geschworenengerichte berufenen Mitglieder des Gerichtshofes ("Art. 20) und die Liste der Hauptgeschworenen und der Ergänzung»-
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geschworenen sind den Angeklagten, welche vor dem Geschworenengerichte zu erscheinen haben, spätestens am dritten Tage vor dessen Eröffnung anf Anordnung des Präsidenten des Gerichtshofes mitzutheilen. A r t . 34. Geschworene, welche nicht der an sie ergangenen Ladnng gemäss erscheinen, oder sich vor Beendigung ihrer Amtsverrichtungen ohne Erlaubniss des Gerichtshofes, welche nur aus besonderen Gründen zu ertheilen ist, entfernen, sind ohne weiteres Verfahren von dem Gerichtshofe in eine Geldstrafe von fünfzig Tbalern, bei dem ersten Rückfalle von hundert Thalern und bei dem zweiten Rückfalle von hundert und fünfzig Thalern, wobei zugleich auf Verlust des Rechtes, das Amt eines Geschworenen bekleiden zu können, und auf öffentliche Bekanntmachung der Entscheidung zu erkennen ist, zu verurtheilen. Ein Antrag auf Aufhebung der Bestrafung ist unter der im Art. 226 enthaltenen Voraussetzung in der daselbst geordneten Weise zulässig. Ueber die Entschuldigungsgründe derjenigen Geschworenen, welche ausgeblieben sind, oder welche Entlassungs- oder Beurlaubungsgesuche vorbringen, beschliesst der Gerichtshof nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und macht die Entscheidung in öffentlicher Sitzung bekannt. Ueber solche Entlassungs- und Beurlaubungsgesuche, auf welche noch vor Eröffnung des Geschworenengerichts Bescheid ertheilt werden kann, ist sogleich von dem Appellationsgerichte nach Gehör des Oberstaatsanwaltes zu entscheiden; es sind jedoch auch in diesem Falle die Gesuche und Entscheidungen mit ihren Gründen bei Eröffnung des Geschworenengerichts in öffentlicher Sitzung bekannt zu machen. VI. Ministerien. A r t . 37. Das Staatsministerium, ingleichen das Justizministerium des Inspectionshofes des Oberappellationsgerichts entscheiden nur in den ihnen besonders vorbchaltenen Fällen. VIII. Verhältniss anderer Behörden. A r t . 39. Die Polizeibehörden, mit Einschluss der Gensd'armerie, haben sowohl den Polizeivergehen, als den Verbrechen aller Art, sofern sie nicht blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, nachzuforschen, und die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zur Aufklärung der Sache, 'zur Verhütung der Flucht des Thäters und der Verwischung der Spuren des Verbrechens zu treffen. Auch können sie die in den Art. 111, 144, 145, 156 ff. gedachten Handlungen, falls Gefahr auf dem Verzuge ist, unaufgefordert vornehmen. Sie müssen jedoch ihre desfallsigen Verhandlungen sofort dem zuständigen Staatsanwälte oder Strafrichter zu weiterer Entschliessung mittheilen und deren weiteren Aufforderungen nachkommen. A r t . 40. Die Gerichtsbehörden in Strafsachen haben die Befugniss, erforderlichen Falls die bewaffnete Macht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde, zum Beistande aufzufordern.
Drittes Capitel. Von der Staatsanwaltschaft und dem PrivatanklSger. I. Personal der Staatsanwaltschaft. A r t 41. Für jedes Kreisgericht und die in dessen Sprengel befindlichen Einzelrichter wird ein Staatsanwalt, bei dem Appellationsgerichte ein Oberstaatsanwalt und bei dem Oberappellationsgerichte, da nöthig, ein Generalstaatsanwalt angestellt. Erforderlichen Falls sind ständige oder zeitige Gehülfen zur Stellvertretung und zu Geschäftebesorgungen nach Anordnung des Staatsanwalts, dem sie zugeordnet sind, beizugeben. Die Mitglieder der Staatsanwaltschaft müssen zum Richteramte befähigt sein.
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A r t . 42. Der Oberstaatsanwalt kann Beamte der Staatsanwaltschaft mit einstweiliger Vertretung seiner selbst, sowie mit der Vertretung fflr andere Staatsanwälte beauftragen. Eben so kann das Staateministerium für einzelne Fälle Staatsanwälte dem Oberstaatsanwälte substituiren. Auch sonst zu dem Richteramte befähigte oder wirklich schon in einem Richteramte stehende Personen können zur Stellvertretung der Staatsanwälte und des Oberstaatsanwalts durch das Staatsministerium angewiesen werden. Zur Stellvertretung des Generalstaatsanwalts in einem einzelnen Falle kann das Staatsministerium den Oberstaatsanwalt oder eine im Richteramte stehende Person bestimmen. Art» 44. Der Oberstaatsanwalt und der Generalstaatsanwalt in Angelegenheiten, welche das Herzogthum Coburg-Gotha berühren, sind unmittelbar dem Staatsniiuisterium, der Generalstaatsanwalt in allgemeineren geschäftlichen Verhältnissen dem Justizministerium des Inspectionshofes des Oberappellationsgerichts untergeordnet. Sie erstatten Vorträge an diese Ministerien und haben deren Anordnungen nachzugehen. III. Amtsverhältniss der Staatsanwaltschaft im Allgemeinen. A r t . 45. Die Beamten der Staatsanwaltschaft vertreten, ein jeder in dem ihm zugewiesenen Geschäftskreise, den durch das vorgekommene Verbrechen verletzten Staat. Sie haben bei allen zu ihrer Renntniss kommenden Verbrechen, welche nicht bloss auf Antrag eines Bctheiligten untersucht werden, amtshalber dafür zu sorgen, dass dieselben untersucht und besUaft werden, zugleich aber auch zu wachen, dass Niemand schuldlos verfolgt werde. Sie haben darauf zu sehen, dass die Untersuchung den gesetzmässigen Gang einhalte und alle erforderlichen Mittel benutzt werden. Sie haben dass Recht, auch im Interesse des Angeklagten Rechtsmittel einzulegen. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, alle ihr erforderlich scheinenden Anträge zu stellen, welche auf die Vorbereitung, Einleitung und Führung einer Untersuchung, auf die gerichtlichen Verfügungen und Beschlüsse in derselben Bezug haben. Anträge stellt sie schriftlich oder mündlich. In gleicher Weise giebt sie Erklärungen über Anträge und Beschwerden des Angeschuldigten oder anderer Personen und über Anfragen des Gerichts ab. Den Berathungen eines Gerichts Aber Gegenstände, bei denen die amtliche Thätigkeit der Staatsanwaltschaft eintritt, mit Ausnahme der bei einer Hauptverhandlung und in der Rechtsmittelinstanz nach vorgängiger mündlicher Verhandlung vorkommenden Berathungen, kann der zuständige Beamte der Staatsanwaltschaft beiwohnen; vor der Abstimmung hat er sich zu entferneD. Nimmt die Staatsanwaltschaft Unregelmässigkeiten oder Verzögerungen wahr, so hat sie auf geeignete Weise deren Abstellung zu veranlassen und erforderlichen Falls dem Oberstaatsanwälte Anzeige zu machen, damit dieser weitere Schritte bei dem Oberappellationsgerichte thun könne. Die Beamten der Staatsanwaltschaft können innerhalb ihres Geschäftskreises von den Gerichten jeder Zeit Einsiebt oder Mittheilung der Acten begehren, ohne dass jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf. A r t . 50. Haben Mehrere an einem Verbrechen Theil genommen oder dasselbe begünstigt (Cap. V. des Strafgesetzbuches), und ist nicht rücksichtlich Aller ein Antrag des Betheiligten auf Untersuchung erforderlich, so findet das strafgerichtliche Verfahren von Amtswegen gegen diejenigen, bei welchen kein Antrag erforderlich ist, in gewöhnlicher Weise statt, auch wenn gegen die anderen Theilnehmer resp. Begünstiger kein Antrag gestellt wurde. A r t . 59. In allen Fällen, wo das Zuvorkommen den Ausschlag giebt, kann, wenn die Gerichtsbarkeit von Einzelriebtern verschiedener Kreisgerichte, oder die Gerichtsbarkeit verschiedener Kreisgerichte selbst zusammentrifft, das Appellations-
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gericht s&mmtliche oder einzelne Untersuchungen auch einem anderen der mehreren zusammentreffenden Gerichte dann zuweisen, wenn dies wegen der Wichtigkeit eines oder mehrerer Verbrechen, wegen der Zahl der in einen Bezirk lallenden Verbrechen oder der darin zn vernehmenden Zeugen, oder überhaupt zur Erleichterung des Verfahrens angemessen erscheint. A r t . 69. Ueber die Zuläasigkeit einer Ablehnung entscheidet bei Protokollfahrern das Gericht, zu welchem sie gehören, bei Einzelrichtern das Kreisgericht, bei Mitgliedern eines Kreisgerichts, des Appellationsgerichts und des Gerichtshofes eines Geschworenengerichts das Collegium, dessen Mitglieder abgelehnt werden, mit Ausschluss der Abgelehnten selbst, sofern wenigstens drei stimmfähige, nicht abgelehnte Mitglieder zur Beschlussfassung übrig bleiben. Ist letzteres nicht der Fall, so entscheidet darüber bei Mitgliedern des Kreisgerichts und des Gerichtshofes eines Geschworenengerichts — und zwar auch in dem Falle, wenn vor Zusammentritt des Geschworenengerichts Ablehnungen gegen Mitglieder des Gerichtshofes vorgebracht werden, das Appellationsgericht, bei Mitgliedern des Appellationsgerichts das Oberappellationsgericht, bei Mitgliedern des Oberappellationsgerichts das letztere selbst, ohne Theilnahme des Abgelehnten, und wenn so viele Mitglieder dieses Gerichts abgelehnt werden, dass nicht noch fünf stimmfähige Mitglieder vorhanden wären, das Justizministerium des Inspectionshofes. Nur einmalige Entscheidung aber die Ablehnung findet statt; Rechtsmittel dagegen sind unzulässig. A r t . 70. Diejenigen Mitglieder eines Kreisgerichts oder des Appellationsgerichts, welche an der Fallung eines Verweisungsbeschlusses, wodurch der Angeschuldigte in Anklagestand versetzt wurde, Theil genommen haben, können von dem Angeklagten blos aus diesem Grunde für die Hauptverhandlung nicht abgelehnt werden. A r t . 86. Gegenstände, an welchen oder mit welchen ein Verbrechen begangen sein soll, oder von welchen anzunehmen ist, dass sie der Urheber desselben am Orte der That zurückgelassen hat, überhaupt Gegenstände, welche dem Angeschuldigten oder Zeugen zur Anerkennung vorzulegen sind, oder in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen, sind, soweit es möglich, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Die zur gerichtlichen Verwahrung genommenen Gegenstände sind in der Weise zu bezeichnen, dass Verwechselungen nicht stattfinden können. Bei Gegenständen, welche nicht in gerichtliche Verwahrung genommen werden können, ist, soweit es erforderlich, Sorge zu tragen, dass sie in unverändertem Zustande erhalten werden. A r t . 93. Jedes Protokoll ist den gegenwärtig gewesenen Personen vorzulesen, auch auf Verlangen zum Durchlesen vorzulegen, damit sie dessen Inhalt genehmigen. Vorlesung oder Vorlegung und Genehmigung sind im Protokolle zu bemerken, und dieses sodann von allen Anwesenden, dem Beamten, Protokollfahrer und den etwa zugezogenen Urkundspersonen zu unterschreiben. Die Unterschrift der vernommenen Personen ist nur dann nothwendig, wenn nur e i n e Gcrichtsperson das Protokoll unterzeichnet (Art. 89). Verweigert Jemand die Genehmigung oder Unterschrift, so ist dieses nebst dem Grunde der Weigerung im Protokolle zu bemerken, auch diese Bemerkung vorzulesen und von dem Beamten und Protokollfahrer zu unterzeichnen. A r t . 96. Der bereits vernommene Angeschuldigte kann ungeachtet der Einstellung der Voruntersuchung seine etwaigen Entschuldigungsbeweise anzeigen und deren Erhebung durch den Untersuchungsrichter verlangen, ausser wenn das Kreisgericht ihm eine schriftliche Erklärung zustellt, dass alle Verdachtsgrande gegen ihn beseitigt seien. IX. Strafgewalt des Untersuchungsrichters. A r t . 98. Gegen diejenigen, welche sich bei irgend einer Verhandlung der Voruntersuchung ein ungebührliches Betragen zu Schulden kommen lassen, kann
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der Untersuchungsrichter eine Strafe bis zu fünf Thaler oder bis za acht Tagen Gef&ngniss, und wenn der Schuldige in H a f t i s t , Schärfung der letzteren durch Dunkelarrest, hartes Lager oder Entziehung warmer Kost bis auf acht Tage, unter Beobachtung der im Art. 12 des Strafgesetzbuches geordneten Beschränkungen, verfügen. A r t . 108. Selbst ohne vorgängige Vorladung kann der Untersuchungsrichter die Führung eines Verdächtigen vor Gericht zum Behufe seiner Vernehmung anordnen, soll aber auch in diesem Falle, sofern es möglich, einen Vorführungsbefehl erlassen: 1. wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, als einen herumziehenden Lebenswandel führend, wegen der Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig ist; 2. wenn er auf frischer T h a t betreten, oder unmittelbar nach der T h a t als des Verbrechens verdächtig durch Nacheile oder Nachruf bezeichnet wird, oder alsbald nach der T h a t im Besitze von Waffen, Geräthschaften, Schriften oder anderen Gegenständen betroffen wird, welche auf seine Theilnahnie an dem Verbrechen hinweisen; oder 3. wenn zu besorgen steht, dass er die Zeit zwischen der Vorladung und seiner Vernehmung zur Behinderung der Zwecke der Untersuchung missbrauchcn werde. V.
Vernehmung des Angeschuldigten.
A r t . 117. Die Vernehmung des Angeschuldigten ist nothwendig: 1. wenn der Angeschuldigte sieh in Untersuchungshaft befindet; oder 2. wenn die Voruntersuchung ein Verbrechen im engeren Sinne zum Gegenstande hat, und der Angeschuldigte nicht etwa flüchtig ist oder aus einem anderen Grunde nicht erlangt werden kann. Der Angeschuldigte ist fcssellos vor den Untersuchungsrichter zu stellen und mündlich zu vernehmen. D i r Richter kann dem Angeschuldigten gestatten, daneben noch schriftliche Auskunft zu ertheilen. VI.
Von der Untersuchungshaft.
A r t . 131. Die Untersuchungshaft des Angeschuldigten ist nur statthaft, muss dann aber auch eintreten, wenn der Angeschuldigte nach seiner Vernehmung des ihm schuldig gegebenen Verbrechens noch ferner verdächtig bleibt, kein sicheres Geleit erlangt hat und entweder 1. die Untersuchung sich auf ein Verbrechen im engeren Sinne beziehet, welches nicht blos mit Gefangnissstrafe bedroht ist; oder 2. zu besorgen steht, dass der Angeschuldigte durch Verabredung mit Mitschuldigen, oder mit Zeugen, oder durch Vernichtung der Spuren des Verbrechens die Untersuchung vereiteln oder erschweren werde; oder 3. der Angeschuldigte Anstalten zur Flucht gemacht h a t , oder als ein Unbekannter, als Aueländer, als heimathlos, wegen herumziehenden Lebenswandels , wegen der Schwere des Vergehens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig scheint. A r t . 140. Die Untersuchungshaft eines Angeschuldigten wegen Verdachts der Flucht (Art. 181 No. 3) soll auf Antrag des Angeschuldigten, wenn der Staatsanwalt zuvor darüber gehört worden, abgewendet oder beseitigt werden, wenn von dem Angeschuldigten die eidliehe Versicherung, dass er von seinem Aufenthaltsorte den Untersuchungsrichter benachrichtigen und sich auf Verlangen zu jeder Zeit stellen werde, gegeben oder eine Sicherheitsleistung durch gerichtliche Hinterlegung, Pfandbestellung oder Bürgschaft bewirkt wird. Von dem Ermessen des Untersuchungsrichters hängt es ab, auch mehrere dieser Sicherungsmassregeln zur Anwendung zu bringen.
Strafprocess-Ordnung vom 21. September 1857.
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Leistet ein Dritter die Sicherheit, so kann er die Rechts wohlthat der Vorausklagung nicht in Ansprach nehmen. A r t . 148. Papiere, welche sich bei der Durchsuchung f ü r die Untersuchung als erheblich ausweisen, sind in gerichtliche Verwahrung zu nehmen, und es ist, sofern es wegen ihrer Zahl angemessen erscheint, ein Verzeichniss derselben zu den Acten zu bringen. Sie sind in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschliessenden Umschlag zu bringen; auch ist dem bei der Durchsuchung etwa anwesenden Betheiligten die Beidrückung eines Siegels zu gestatten. Bei einer Entsiegelung sind der Angeschuldigte oder diejenige Person, deren Siegel beigedrückt ist, aufzufordern, derselben beizuwohnen. Für den F a l l , dass ?ie nicht zu erlangen sind, ist die Entsiegelung ohne sie vorzunehmen. A r t . 157. Das über die Art der Vornahme und die Ergebnisse des Augenscheins aufzunehmende Protokoll (Art. 89) ist dergestalt mit Bestimmtheit und Ausführlichkeit abzufassen, dass es eine vollständige und treue Anschauung der besichtigten Gegenstände gewährt. Es sind zu diesem Zwecke erforderlichen Falls Zeichnungen, Pläne oder Risse beizufügen und Masse, Gewichte, Grösse und Ortsverhältnisse nach bekannten und unzweifelhaften Bestimmungen zu bezeichnen. A r t . 158. Ist bei einem Augenscheine kein oder ein ungenügendes Protokoll aufgenommen worden, so sind die Wahrnehmungen der dabei anwesend gewesenen Personen nötigenfalls nach den Regeln über die Abhörung der Zeugen zu erheben. A r t . 160. Der Untersuchungsrichter wählt die Sachverständigen. Sind dergleichen ständig bestellt, so soll er Andere nur dann beiziehen, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, oder jene durch besondere Verhältnisse abgehalten sind. Personen, welche in den Art. 65 und 66 erwähnten Verhältnissen stehen, darf der Untersuchungsrichter nicht als Sachverständige gebrauchen. Alles dies gilt auch bei den Art. 118, 119 und 151 gedachten Sachverständigen. A r t . 161. Sachverständige, welche nicht ständig angestellt und nicht bereite als solche im Allgemeinen verpflichtet sind, sollen noch vor der Einnahme des Augenscheins von dem Untersuchungsrichter darauf eidlich verpflichtet werden, dass äie die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst abgeben wollen. Auch kann dem Sachverständigen, bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe bis zu fünfzig Thaler oder einer Gefängnissstrafe bis zu dreissig Tagen, Stillschweige» über die Gegenstände des Gutachtens auferlegt werden. II.
Vorladung der Zeugen.
A r t . 179. Form, Inhalt und Behändigung der Vorladungen von Zeugen richten sich nach den Vorschriften in dem Art. 103 ff. Es ist aber einer solchen Ladung die Verwarnung beizufügen, dass der Zeuge bei einer namhaft zu machenden Geldstrafe bis zu fünf Thalern der Ladung Folge zu leisten und ausserdem noch zu gewärtigen habe, dass er auf seine Kosten anderweit werde vorgeladen, nach Befinden auch zum Behufe der Abhörung vor Gericht werde vorgeführt werden. An Zeugen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht zu erscheinen verhindert sind und in iher Wohnung vernommen werden müssen, ist an Stelle der Vorladung eine entsprechende Benachrichtigung lind Anweisung zu erlassen. Bei Abhörung einer im Voraus ungewissen Zahl von Zeugen am Orte eines Verbrechens gilt, was im Art. 110 geordnet ist. A r t 180. Die Mitglieder der landesherrlichen Familie werden auf ihr Verlangen in ihren Wohnungen vernommen.
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A r t . 185. Bei Abhörung über diu Sache selbst ist der Zeuge zuvörderst zu einer zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Thatsachen, sodann aber durch weiteres Befragen zur Ergänzung derselben und zur Hebung vou etwaigen Dunkelheiten und Widersprüchen zu veranlassen. L'eberall ist der Grund seines Wissens zu erforschen; Fragen a b e r , durch welche ihm Thatumstände vorgehalten werden, die durch seine Antwort erst festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden. Auch kann dem Zeugen, bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe bis zu fünfzig Thaler oder einer Gefängnissstrafe bis zu dreissig Tagen, Stillschweigen über die Gegenstände der Vernehmung auferlegt werden. A r t . 189. Die Vereidung der Zeugen kann nur geschehen, wenn dieselben das 18. Lebensjahr erreicht haben und sonst eidesfähig sind. Auch unterbleibt die Vereidung, wenn der Richter wegen der besonderen Beziehungen des Zeugen zu den in der Untersuchung befangenen Personen, oder zu den in dieser verhandelten Verhältnissen die Vereidung für bedenklich hält. Die Vereidung der Zeugen erfolgt vor oder nach Abhörung derselben, nachdem sie zur Aussage der Wahrheit ermahnt und vor Begehung eines Meineides oder leichtsinnigen Eides verwarnt worden sind. Zum Behufe der Vereidung wird an die Zeugen die Anrede gerichtet: „Sie schwören und geloben vor Gott und den Menschen, auf die an Sie gerichteten Fragen ohne Gunst, ohne Hass und ohne Furcht die ganze und lautere Wahrheit und Nichts als die Wahrheit zu sagen" oder — wenn die Eidesleistung nach der Abhörung erfolgt — „gesagt zu haben." Jeder Zeuge hebt die rechte Hand empor und spricht die Worte: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." Diese Eidesformel kann, insofern es nach besonderen Religionsgrundsätzen erforderlich erscheint, angemessen abgeändert werden. Inwiefern andere Versicherungen einem Eide gleichstehen, ist ebenfalls nach den einschlagenden besonderen Religionsgrundsätzen zu beurtheilen. Die Vereidung von Mitgliedern der landesherrlichen Familie erfolgt in der Art, dass ihnen die Eidesformel von dem mit ihrer Vernehmung beauftragten Richter vorgelesen und von ihnen eigenhändig unterschrieben wird. I. Seliluss der Voruntersuchung. A r t . 193. Die Voruntersuchung wird geschlossen, selben (Art. 3) erreicht ist.
sobald der Zweck der-
II. Anträge der Staatsanwaltschaft und Anklageschrift. A r t . 1!)4. Nach dem Schlüsse der Voruntersuchung hat der Staatsanwalt, insofern nicht Anträge auf Vervollständigung der Untersuchung zu stellen sind, bei Verbrechen, welche vor das Kreisgericht gehören, die Anklageschrift zu fertigen und nebst den Acten dein Kreisgerichte zur Beschlussfassung über die Versetzung in den Anklagestand und die Anberaumung einer Hauptverhandlung initzutheilen. Hält der Staatsanwalt dafür, dass die Hauptverhandlung vor ein Geschworenengericht gehörig sei, so hat er die Acten dem Oberstaatsanwälte einzusenden, welcher dieselben der Allklagekammer des Appellatiousgerichts mit dem durch eine Darstellung derjenigen Thatsachen, welche den Gegenstand der Anklage bilden sollen, zu begründenden Antrage überreicht: bestimmte Angeschuldigte wegen bestimmter Verbrechen auf dem Grunde der zu bezeichnenden Strafgesetze in den Anklagestand zu versetzen und vor das Geschworenengericht zu verweisen. Hat die Anklagekammer die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen (Art. 199, 200), so hat die Oberstaatsanwaltschaft die Anklageschrift zu fertigen und diese nebst den Acten dem Präsidenten des Gerichtshofes mitzutheilen. Hält die Staatsanwaltschaft dafür, dass die Einstellung der Untersuchung zu beantragen sei, so kommen die Vorschriften des Art. 95 zur Anwendung.
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A r t . 195. Eine A n k l a g e s c h r i f t i s t b e i S t r a f e d e r N i c h t i g k e i t erforderlich. Die Anklageschrift wegen eines vor das Geschworenengericht verwiesenen Verbrechens soll enthalten: 1. den Namen des Angeschuldigten und dessen persönliche Verhältnisse; 2. eine Darstellung derjenigen Thatsachen, welche das, den Gegenstand der Anklage bildende Verbrechen begründen sollen, mit den etwaigen erschwerenden oder mildernden Umständen; 3. die Anklage in der Weise, dass der Angeschuldigte wegen des fraglichen, nach seinen thatsächlichen Bestandteilen anzugebenden Verbrechens angeklagt werde, das gleichfalls hier anzugebende Strafgesetz, oder eventuell ein anderes zu benennendes Strafgesetz, verletzt zu haben; 4. zum Schlüsse sind die Beweismittel anzugeben, welche bei der künftigen Hauptverhandlung gebraucht werden sollen. Insbesondere sind die Namen und der Aufenthaltsort der Belastungs- und Vertheidigungszeugen und der Sachverständigen, deren Abhörung die Staatsanwaltschaft bei der Hauptverhandlung verlangt, oder bei denen sie Bich mit Vorlesung ihrer bereits in der Voruntersuchung enthaltenen Aussagen begnügen will, anzugeben. Die Anklageschrift wegen eines Verbrechens, welches vor das Kreisgericht zu verweisen ist, soll die vorstehend unter 1, 2 und 4 angegebenen Bestandteile enthalten, statt der förmlichen Anklage unter 3 jedoch nur das Verbrechen und das verletzte Strafgesetz bezeichnen. III. Entscheidungen des Kreisgerichts und der Anklagekammer des Appellationsgerichts. A r t . 196. Die Berathung der Anklagekammer über die Versetzung in den Anklagestand erfolgt in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts, welcher nur bei der Abstimmung nicht gegenwärtig ist. In gleicher Weise kann der Staatsanwalt den Berathungen des Kreisgerichts über Verweisung einer Sache zur Hauptverhandlung beiwohnen. Findet die Anklagekammer oder das Kreisgericht bei diesen Berathungen, dass die Voruntersuchung noch einer Vervollständigung bedarf, so wird dieselbe durch die Staatsanwaltschaft veranlasst. A r t . 197. Hält die Anklagekammer dafür, dass die Sache, weil sie kein Verbrechen im engeren Sinne betrifft, nicht vor das Geschworenengericht, sondern weil ein Vergehen in Frage steht, vor das Kreisgericht, oder wegen dessen Unzuständigkeit vor . ein anderes Krcisgericht, oder weil eine Uebertretung vorliegt, vor einen Einzelrichter gehörig sei, oder hält das Kreisgericht dafür, dass die Sache vor das Geschworenengericht, oder vor ein anderes Kreisgericht, oder vor einen Einzelrichter gehöre: so ist dieses auszusprechen und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. Verweisungen durch die Anklagekammer an die dem Appellationsgerichte untergeordneten Kreisgerichte oder Einzelrichter binden diese, und Verweisungen der Kreisgerichte an die ihnen untergeordneten Einzelrichter binden ebenfalls diese letzteren. Bei anderen Verweisungen ist erforderlichen Falls der Streit über die Zuständigkeit nach A r t 63 zu erledigen. Die Verweisung wegen Nichtzuständigkeit hat keine Nichtigkeit der bisherigen Voruntersuchung zur Folge, vielmehr hat das Gericht, an welches verwiesen worden ist, anf dem Grunde derselben weiter zu verfahren. Sind mehrere Verbrechen Gegenstand der Voruntersuchung, und ist das Geschworenengericht rücksichtlich eines oder mehrerer, rücksichtlich anderer das Kreisgericht oder ein Einzelrichter zuständig, ingleichen, wenn das Kreisgericht rücksichtlich einzelner, und rücksichtlich anderer ein Einzelrichter zuständig ist, soll die Zuständigkeit des höheren Gerichts auch auf diejenigen Verbrechen erstreckt werden, welche eigentlich vor den niederen Richter gehörig sind, und es soll daher eine theilweise Verweisung der Sache vor einen niederen Richter nicht Sammlung der n. d. Gesetze.
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eintreten. Ausgenommen sind jedoch hiervon diejenigen F ä l l e , in welchen schon nach dem zweiten und dritten Absätze des Art. 56 eine Erstreckung des Gerichtsstandes ausgeschlossen ist. A r t . 198. Findet die Anklagekammer oder das Kreisgericht, dass die in dem Antrage oder der Anklageschrift angefahrte That durch kein Strafgesetz verboten ist, oder dass der Staatsanwalt ohne den erforderlich gewesenen Antrag eines Betheiligten, oder umgekehrt ein Privatankläger an der Stelle des Staatsanwalts aufgetreten ist, wo nur Letzterer hätte auftreten können, oder dass es an Beweismitteln fehlt, um den Angeschuldigten für dringend verdächtig halten zu können, oder dass dieser in Folge unzweifelhafter Thatsachen als straflos erscheint, so ist die Entscheidung zu geben: dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei. Die Entscheidung kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass zuvor Zeugen, welche zu Gunsten der Angeschuldigten ausgesagt haben, ihre Aussagen eidlich bekräftigen. Dann hat der Untersuchungsrichter die Entscheidung erst nach erfolgter Vereidung dem Angeschuldigten bekannt zu machen. Kann die Vereidung nicht erfolgen, oder ändern die Zeugen ihre früheren Aussagen, so ist eine anderweite Entscheidung einzuholen. Ist bei einem abwesenden Angeschuldigten zu vermuthen, dass im Falle seiner Wiedererlangung der gegen ihn streitende Verdacht sich erhöhen werde, so kann statt der Entscheidung, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, beschlossen werden, dass die Sache bis zur Wiedererlangung des Angeschuldigten auf sich beruhen solle. A r t . 199. Treten die in dem vorigen Artikel gedachten Fälle nicht ein und erscheint der Angeschuldigte insbesondere dringend verdächtig, so ist ein Verweisungsbeschluss auf Versetzung des Angeschuld igten in den Anklagestand zu ertheilen. Der Verweisungsbeschluss hat den Namen des Angeschuldigten, das ihm zur Last gelegte Verbrechen und das Strafgesetz, nach welchem es zu bestrafen ist, zu bezeichnen. In der Bezeichnung des Verbrechens und des Strafgesetzes ist das Gericht nicht an die Anträge der Staatsanwaltschaft gebunden. Auch ist eine eventuelle Bezeichnung des Verbrechens und der anzuwendenden Strafgesetze zulässig. Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Benutzung von Beweismitteln in der Hauptverhandlung dürfen nicht abgelehnt werden. Das Gericht kann jedoch von Amtswegen die Benutzung von Beweismitteln in der Hauptverhandlung, welche die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat, und die es für erforderlich erachtet, namentlich die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen, oder auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. A r t . 200. Die in den Art. 1 9 7 — 1 9 9 gedachten Entscheidungen sind bei Strafe der Nichtigkeit mit den Unterschriften der Gerichtsmitglieder, welche an der Bcschlussfassung Theil genommen haben, zu versehen. Weicht die Entscheidung des Gerichts von den Auträgcn der Staatsanwaltschaft ab, so ist dieselbe der letzteren sofort mitzuthcilen. Die Anklagekammer theilt den Verweisungsbeschluss nebst den Acten dem Oberstaatsanwälte mit, welcher sodann die Anklageschrift zu entwerfen hat. A r t . 201. Die Anklageschrift und der Verweisungsbeschluss ist dem Angeklagten, bei Strafe der Nichtigkeit — vorbehaltlich des Verfahrens bei abwesenden Angeklagten (Art. 218) — mit der mündlichen oder schriftlichen Aufforderung mitzutheilen, diejenigen Beweismittel, welche er zur Hauptverhandlung herbeigeschafft, insbesondere die Zeugen, welche er vorgeladen zu sehen verlangt, binnen einer zu bestimmenden Frist anzugeben, damit dieselben zur Hauptverhandlung herangezogen werden können. Dem Angeklagten ist dabei zu bemerken, dass, wenn er die Benennung der Beweismittel in der gestellten Frist versäumt, ihm Uberlassen bleibe, dieselben zur Hauptverhandlung selbst mitzubringen.
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Der Verweisungsbeschluss kann auch durch Vorlesen bekannt gemacht werden. Die Ladung zur Hauptverhandlung wird entweder mit Zufertigung der Anklageschrift verbunden, oder sie erfolgt später. Die dem Angeklagten gesetzte Frist kann nach Befinden ein Mal verlängert werden. Die Mittheilung der Anklageschrift und des Verweisungsbeschlusses geschieht durch den Untersuchungsrichter, wenn nicht gleichzeitig die Ladung zur Hauptverhandlung erfolgt. IV. Verteidigung des Angeschuldigten. A r t . 202. Zur Fahrung von Verteidigungen befugt sind die Rechtsanwälte, und die sonst von Staatswegei^ ermächtigten Personen. Diesen sind Staatsdiener, welche die juristische Staatsprüfung bestanden, oder den juristischen Doctorgrad erlangt haben, gleichzuachten. Sie können jedoch, wenn sie nicht in einem der im Artikel 65 gedachten Verhältnisse zu dem Angeschuldigten stehen, sich nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde mit einer Verteidigung befassen. • A r t . 203. Der Angeschuldigte kann nach geschlossener Voruntersuchung sich mit seinem Verteidiger ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen. Von derselben Zeit ist die Einsicht der Acten dem Verteidiger, auch, sofern nicht besondere Gründe entgegenstehen, dem Angeschuldigten, diesem jedoch nur unter Aufsicht, und beiden iu der Regel nur an Gerichtsstelle zu gestatten. Der Verteidiger oder der Angeschuldigte kann von den ihm nothwendig scheinenden Actenstücken Abschriften nehmen, oder nehmen lassen. Von Gutachten der Sachverständigen sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu erteilen. A r t . 204. Anträge des Angeklagten oder seines Verteidigers auf Heranziehung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung sind der Staatsanwaltschaft bei Strafe der Nichtigkeit mitzuteilen. Ueber diese Anträge entscheidet das Kreisgericht in Fällen, die vor dasselbe verwiesen sind, in den Fällen dagegen, die vor dem Geschworenengerichte verhandelt werden, die Anklagekammer, oder, wenn der Gerichtshof bereits zusammengetreten ist, dieser. Die Thatsachen, worüber ein Beweismittel erhoben werden soll, müssen bestimmt bezeichnet sein. Werden dieselben nicht für erheblich erachtet und wird deshalb der Antrag des Angeklagten abgelehnt, so ist dieses demselben zu eröffnen, und es bleibt ihm unbenommen, die Beweismittel selbst zur Hauptverhandlung herbeizuschaffen, in welcher dann das Gericht entscheidet, ob es die herbeigeschafften Beweismittel erheben will. Wenn über einen und denselben Umstand von dem Angeklagten mehrere Zeugen vorgeschlagen sind, so bestimmt das Gericht auch die Zahl der vorzuladenden Zeugen. Dasselbe kann auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. V. Freilassung und Verhaftung des Angeschuldigten. A r t . 205. Bei der Entscheidung, dasa der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei (Art. 198), ist derselbe, wenn er in Untersuchungshaft ist, sofort bei Bekanntmachung der Entscheidung der Haft zu entlassen; es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel eingewendet hat (Art. 206), oder ein anderer Grund zur Verhaftung vorhanden ist. Ist dagegen ein Verweisungsbeschluss e r t e i l t worden, und der Angeschuldigte ist noch nicht verhaftet, so ist er sofort bei dessen Eröffnung in Haft zu nehmen, wenn er vor das Geschworenengericht verwiesen ist, ausgenommen bei denjenigen 24*
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Verbrochen im engeren Sinne, welche das Gesetz blos mit Geföngnissstrafe bedroht, und bei denjenigen Verbrechen oder Uebertretungen, welche nur in Folge einer Erstreckung des Gerichtsstandes (Art. 197) an das Geschworenengericht gelangt sind. Bei diesen nusgenonimenen Verbrechen und überhaupt, wenn die Hauptverhandlung vor das Kreisgericht verwiesen ist, soll es von dein Ermessen des letzteren abhängen, ob es die Verhaftung verfügen will. Die Vorschriften über das sichere Geleit (Art. 115 ff.) und über die Abwendung der H a f t durch Sicherheitsleistung (Art. 140 ff.) bleiben hier vorbehalten. Verhaftete, welche vor das Geschworenengericht verwiesen sind, sollen an den Ort, wo das Geschworenengericht gehalten wird, zeitig abgeführt werden, j e doch nicht vor Ablauf der im Art. 206 gedachten Nothfrist und, wenn sie gegen den Verweisungsbeschluss ein Rechtsmittel eingelegt h a b e n , nicht vor dessen Erledigung. VI. Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Kreisgerichts und der Anklagekammer des Appellationsgerichts. A r t . 206. Gegen die in den Art. 1 9 7 — 1 9 9 erwähnten Entscheidungen der Anklagekammer und gegen die gleichen Entscheidungen des Kreisgerichts steht der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an das Oberappellationsgericht zu. Diese ist von dem T a g e der Eröffnung der Entscheidung an innerhalb fünftägiger Nothfrist bei dem Kreisgerichte, oder gegen Entscheidungen der Anklagekammer, auch bei dieser schriftlich oder mündlich mit Angabe der einzelnen Nichtigkeitsgründe einzuwenden und hat aufschiebende Wirkung. Ausser den Fällen der Nichtigkeitsbeschwerde steht der Staatsanwaltschaft gegen die erwähnten Entscheidungen des Kreisgerichts und der Anklagekammer, wenn dieselben von den Anträgen der ersteren abweichen, eine Berufung an das Appellationsgericht zu, welche ebenfalls innerhalb fünftägiger Nothfrist von Mittheilung der Entscheidung a n , bei dem Kreisgerichte oder der Anklagekammer, eingewendet werden muss. Der Berathung über diese B e r u f u n g , welche in nicht öffentlicher Sitzung stattfindet, wohnt der Oberstaatsanwalt bei. Das Appellationsgericht entscheidet an der Stelle und mit den Befugnissen des Kreisgerichts und bezüglich der Anklagekaminer. Ist gleichzeitig eine Nichtigkeitsbeschwerde und eine Appellation, gleichviel, ob von derselben Seite oder von verschiedenen Seiten eingewendet worden, so hat das Appellationsgericht, welchem beide Rechtsmittel anzuzeigen sind, zu ermessen, ob es zweckmässiger sei, zuerst die Appellation zu erledigen, oder zunächst die Nichtigkeitsbeschwerde zur Entscheidung des Oberappellationsgerichts zu bringen. Von der gefassten Entschliessung ist der Staatsanwalt und der Angeklagte, in Kenntniss zu setzen. Im Falle der Abgabe der Sache an das Oberappellationsgericht hat dasselbe sich der Entscheidung zu unterziehen, und die letztere an das Appellationsgericht gelangen zu lassen, welches hierauf, wenn sich die Appellation durch die Entscheidung des Appellationsgerichts nicht von selbst erledigt, der Entscheidung über die Appellation sich unterzieht.. Das Appellationsgericht ist hierbei an die Rechtsansicht, auf welcher die Entscheidung des Oberappellationsgerichts beruht, gebunden. Die nach dem zweiten Absätze des Art. 205 eintretende Verhaftung des Angeklagten wird nicht aufgeschoben, wenn gegen den VerweisungsbeBchluss Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen worden ist. Die nach dem ersten Absätze des Art. 205 eintretende Freilassung soll dagegen nur dann aufgeschoben werden, wenn die Staatsanwaltschaft dieses wegen eines einzuwendenden Rechtsmittels sofort bei Mittheilung der Entscheidung beantragt. A r t . 207. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann von dem Angeklagten uud von der Staatsanwaltschaft, von jedem Theile, soweit die vorige Entscheidung ihn berührt, nur aus folgenden Gründen erhoben werden:
Strafprocess-Ordnung vom 21. September 1857. 1. wenn ein nichtzuständiges Gericht fOr zuständig, oder ein zuständiges Gericht für nichtzuständig angenommen wurde (Art 197); 2. wenn der Staatsanwalt bei einem Verbrechen, welches nur auf Antrag eines Betheiligten verfolgt werden konnte, unberechtigter Weise ohne einen solchen Antrag aufgetreten ist, oder umgekehrt ein Privatankläger an der Stelle des Staatsanwalts aufgetreten ist, wo Letzterer hätte auftreten müssen; 3. wenn gegen gesetzliche Vorschriften gefehlt wurde, bei denen die Strafe der Nichtigkeit ausdrücklich angedroht ist; 4. wenn das Gericht, welches die vorige Entscheidung ertheilt hat, nicht gehörig besetzt war; 5. wenn die in Frage stehende That aus dem Grunde, weil kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden sei, für kein Verbrechen gehalten wurde, obgleich ein solches Gesetz vorhanden ist, oder, wenn sie umgekehrt für ein Ver-! brechen gehalten wurde, während kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden ist, ingleichen, wenn die That durch unrichtige Gesctzesauslegang einem falschen Strafgesetze unterzogen worden ist. A r t . 208. Zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kann auf Antrag eine weitere zehntägige Frist von Ablauf der Einwendungsfrist an verstattet werden. A r t 209. Das Oberappellationsgericht entscheidet über die Nichtigkeitsbeschwerde in nicht öffentlicher Sitzung, ohne das» eine weitere Verhandlung vor demselben stattfindet. Es ist jedoch der Generalstaatsanwalt vorher davon zu benachrichtigen, damit er der Berathung beiwohnen oder seine Ansicht schriftlich mittheilen kann. Bevor eine Entscheidung ertheilt ist, steht ca dem Beschwerdeführer stets frei, sein Rechtsmittel fallen zu lassen. Auch hat der Generalstaatsanwalt die Befugniss, die von dem Staatsanwaltc oder Oberstaatsanwälte eingewendeten Nichtigkeitsbeschwerden wieder aufzugeben. A r t . 210. Findet das Oberappellationsgericht die Nichtigkeit begründet, so hat es zu den im A r t 207 aufgezählten Nichtigkeitagründen zu No. 1 nur auf die Zuständigkeit oder Nichtzuständigkeit des Gerichts zu erkennen; zu No. 2 auszusprechen, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei; zu No. 3 die Nichtigkeit der einzelnen fraglichen Handlungen auszusprechen, die Verbesserung des Mangels zu verfugen und die Sache zu nochmaliger Entscheidung zu verweisen; zu No. 4 die vorige Entscheidung aufzuheben und auf nochmalige Entscheidung zu erkennen; zu No. 5 nach Verschiedenheit der Fälle entweder zu erkennen, dass der Angeklagte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, oder die Sache zu nochmaliger Entscheidung an das vorige Gericht zu verweisen, oder nach Befinden die vorige Entscheidung gleich selbst abzuändern. A r t . 211. Die Entscheidung des Oberappellationsgerichts ist nicht nur für den vorigen Richter, sondern auch für die nach abgehaltener Hauptverhandlung endlich entscheidende richterliche Behörde, das Rreisgericht, Appellationsgericht oder den Gerichtshof bei dem Geschworenengerichte, massgebend. Aberkannte Nichtigkeiten können nicht auf dem Wege einer, gegen das ertheilt« Endurtheil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nochmals zur Entscheidung des Oberappellationsgerichts gebracht werden. A r t . 212. Nichtigkeiten aus den unter No. 1, 3 und 4 des Art. 207 aufgeführten Gründen, wegen welcher keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben wurde, sollen als durch Verzicht beseitigt angesehen werden und können daher überall nicht auf dem Wege einer, gegen das spätere Endurtheil gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden.
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Nichtigkeiten aus den in dem Art. 207 unter 2 und 5 erwähnten Gründen werden nicht als durch Verzicht beseitigt angenommen und können nach den unten gegebenen näheren Vorschriften noch durch eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen da» Endurtheil in Wirksamkeit gesetzt werden. VII.
Nachtrag zur Anklageschrift und Nachbringung von Beweismitteln.
A r t . 2 1 3 . Weicht ein Verweisungsbeschluss in der Bezeichnung der Verbrechens und des Strafgesetzes von der Anklageschrift ab (Art. 1 9 9 ) , so steht dem Staatsanwalte frei, eine entsprechende Abänderung der Anklageschrift vorzunehmen. A r t . 2 1 4 . Wenn auf Verlangen der Staatsanwaltschaft Zeugen und Sachverständige, ausser den in der Anklageschrift benannten, zur Hauptverhandlung vorgeladen werden, so ist der Angeklagte wenigstens drei T a g e vor Beginn der Hauptverhandlung davon zu benachrichtigen. VIII.
Bestellung eines Vertheidigers zur Hauptverhandlung.
A r t . 215. Hat der vor ein Geschworenengericht verwiesene Angeklagte nicht selbst einen Vertheidiger gewählt, so muss demselben ein Vertheidiger von Amtswegen zugeordnet werden. I n anderen Fällen kann das Gericht einem Antrage der Angeklagten auf Zuordnung eines Vertheidigers Statt geben, oder auch, ohne einen solchen Antrag, dann, wenn es die einzelne Sache zu erfordern scheint, von Amtawegen einen Vertheidiger bestellen. IX.
Vorladung zur Hauptverhandlung.
A r t . 2 1 6 . Die Vorladung zur Hauptverhandlung geschieht, wenn die Sache vor das Kreisgericht verwiesen ist, durch dieses Gericht, und wenn sie vor das Geschworenengericht verwiesen ist, durch den Präsidenten des Gerichtshofes (Artikel 2 1 ) . E s sind alle Betheiligten, der Angeklagte, dessen Vertheidiger, ferner der Staatsanwalt oder Oberstaatsanwalt, oder der Privatankläger (Art. 4 9 ) und die Privatbeteiligten, welche sich dem Strafverfahren angeschlossen haben, sodann die Zeugen und Sachverständigen vorzuladen. Zu Zeugen angegebene Mitglieder der landesherrlichen Familie (Art. 1 7 9 ) werden zur Hauptverhandlung nicht vorgeladen. Zwischen der Behändigung der Ladung, welche nach den Vorschriften in Art. 1 0 3 ff. geschieht, und dem Tage, an welchem die Hauptvcrhandlung vorgenommen wird, soll in den vor dem Geschworenengericht zu verhandelnden Straffällen ein Zeitraum von mindestens acht Tagen iii der Mitte liegen. Der Einhaltung dieser Frist bedarf es in dem Falle nicht, wenn die Hauptverhandlung blos auf einen späteren Zeitpunct verlegt wird. Eine Verzichtleistung auf die Frist von Seiten der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ist nicht statthaft. Die Ladung soll eine allgemeine Androhung der für den Fall des Ausbleibens gesetzlich bestimmten Nachtheile enthalten. A r t . 217. Weist der Angeklagte uach, dass er wegen Krankheit oder einer sonstigen unabwendbaren Ursache nicht erscheinen kann, so ist die Hauptverhandlung zu vertagen. A r t . 218. Kann dem Angeklagten die Ladung wegen Abwesenheit nicht behändigt werden, so ist derselbe, wie im Art. 1 1 2 geordnet ist, öffentlich vorzuladen. Dabei muss zwischen der Einrückung in die öffentlichen Blätter und dem T a g e , an welchem die Hauptvcrhandlung gehalten werden soll, ein Zeitraum von mindestens drei Monaten in der Mitte liegen. Auch muss in derselben erwähnt werden, dass der Vorgeladene in Anklagestand versetzt worden sei, unter allgemeiner Bezeichnung des ihm zur Last gelegten Verbrechens, sowie unter Angabe
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der Beweismittel, welche in der Hauptverhandlung gebraucht werden sollen, nnd es muss ferner die Ladung die Verwarnung, dass im Falle des Ausbleibens die im Art» 219 geordneten Nachtheile eintreten, ausdrücklich enthalten. Zugleich Í8t die Ladung dem etwaigen Stellvertreter oder Bevollmächtigten, oder einem Angehörigen des Angeklagten (Art. 37 des Strafgesetzbuches), sofern dergleichen Personen dem Gerichte bekannt sind, mitzutheilen, welche für den Fi}ll, dass sie das Ausbleiben des Angeklagten genugsam zu entschuldigen vermögen, eine Vertagung der Hauptverhandlung beantragen können. Auch steht ihnen frei, für den Angeklagten einen Vertheidiger zu bestellen, wenn ein solcher nicht schon bestellt ist (Art. 205). A r t 220. Erscheint ein vorgeladener Vertheidiger des Angeklagten nicht, so geht die Hauptverhandlung dennoch vor sieb, jcdoch bei Verbrechen im engeren Sinne und bei solchen Vergehensfällen, wo das Gericht die Mitwirkung des Vertheidigers für nothwendig hält, nur dann, wenn der Vertheidiger einen Stellvertreter bestellt hat und dieser erscheint, oder sonst ein anderer Vertheidiger noch sofort erlangt werden kann; ausserdem wird die Hauptverhandlung vertagt. Der ausgebliebene Vertheidiger ist, sofern er von richterlichem Amtswegen oder auf Antrag bestellt war, oder sonst die Vertheidigung übernommen hatte, in eine Geldstrafe von 1—20 Thlr. (1 fl. 45 kr. biß 35 fl.) und in die Rosten der vergeblich angesetzten Verhandlung zu verurtheilen. A r t . 221. Wenn bei der Hauptverhandlung kein Mitglied der Staatsanwaltschaft erscheint, so ist die Verhandlung stets zu vertagen. Erscheint dagegen der vorgeladene Privatankläger nicht, so wird dieses als ein Verzicht auf die Anklage angesehen. A r t . 228. Die Oeffentlichkeit ist für die ganze Hauptverhandlung oder einen Theil derselben auszuschliessen, wenn eine Gefährdung der Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten steht. Bei Münzverbrechen kann die Oeffentlichkeit im öffentlichen Interesse ebenfalls ausgeschlossen werden. Das Gericht spricht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verletzten, oder auch von Amtswegen, die Ausschliessung der Oeffentlichkeit durch einen schriftlich abzufassenden, den Grund der Ausschliessung enthaltenden Beschluss aus. Dieser Beschluss wird vor Beginn der Hauptverhandlung, oder auch im Laufe derselben, gefasst, und von dem Gerichtsschreiber, im ersteren Falle bei dem Aufrufe der betreffenden Sache vorgelesen, worauf die Zuhörer sich sofort zu entfernen haben. Rechtsmittel gegen solchen Beschluss sind unzulässig und nicht zu beachten. Bei Verkündigung des Endurtheils tritt jedenfalls die Oeffentlichkeit wieder ein. A r t 229. Der Ausschliessung der Oeffentlichkeit ungeachtet sind der durch das Verbrechen Verletzte und Personen, welche dem Richterstande oder dem Stande der Anwälte angehören, bei der Hauptverhandlung zuzulassen. Der Präsident kann auf Antrag des Angeklagten oder Verletzten, oder von Amtswegen, auch einzelnen anderen bei der Hauptverhandlung unbetheiligten Personen den Zutritt verstatten. A r t 231. Dem Vorsitzenden liegt die Erhaltung der Ordnung und Ruhe in dem Gerichtssaale ob. Zeichen des Beifalls und der Missbilligung sind untersagt Der Vorsitzende hat bei eintretenden Störungen das Recht, zu crmahnen und einzelne oder auch sämmtliche Zuhörer aus dem Gcrichtssaale entfernen zu lassen, ohne dass hieraus eine Nichtigkeit (Art. 227) abgeleitet werden kann. Es hängt von seinem Ermessen ab, wenn er den Wiedereintritt der Zuhörer gestatten will. Er kann überhaupt gegen Jeden, welcher sich im Gcrichtssaale ungebührlich beträgt, oder den getroffenen Anordnungen nicht Folge leistet, eine Gefängnissstrafe bis zu acht Tagen, oder eine Geldstrafe bis zu fünf Thalcrn aussprechen. Hiergegen findet kein Rechtsmittel statt.
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A r t . 234. Der Vorsitzende f r a g t den Angeklagten nach seinem Namen, Vornamen, Alter, Gewerbe oder Beschäftigung, Wohnung»- und Geburtsort und crmahnt ihn dann zur Aufmerksamkeit. Hierauf trägt der Staatsanwalt, oder in Fällen, wo ein Privatankläger aufgetreten ist, dieser oder ein Anwalt desselben, den Gegenstand der Anklage kürzlich vor. Auch kann die Anklage auf Verlangen des Staatsanwalts durch den Gerichtschreiber verlesen werden. Sodann lässt der Vorsitzende die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen aufrufen. Die Zeugen begeben sich dann in das f ü r sie bestimmte Zimmer, und der Vorsitzende hat nach Befinden Massregeln anzuordnen, um das Besprechen und Verabredungen der Zeugen zu verhindern. Im Falle des Nichterscheinens der zur Hauptverhandlung vorgeladenen Personen wird nach Vorschrift der Art. 217 ff. verfahren. IV.
Beweisverfahren.
A r t . 236. Auf die Vernehmung des Angeklagten folgt die Vorführung der von dem Staatsanwalte und dann die Vorführung der von dem Angeklagten zu gebrauchenden Beweismittel. Die Reihenfolge der einzelnen Beweismittel bestimmt der Vorsitzende. Der Staatsanwalt und der Angeklagte können im Laufe der Hauptverhandlung Beweismittel fallen lassen, wenn das Gericht zustimmt und der Gegner nicht in Bezug auf speciell anzugebende erhebliche Thatsachen die Benutzung derselben verlangt. A r t . 237. Die Zeugen und Sachverständigen werden in Anwesenheit des Angeklagten abgehört. Sie werden nach dein Ermessen des Vorsitzenden vor oder nach ihrer Abhörung, einzeln oder zusammen, in der Art. 161 und 189 dieses Gesetzes angegebenen Weise verwarnt und vereidet, mit Ausnahme der im Allgemeinen verpflichteten Sachverständigen, sowie der bereits in der Voruntersuchung vereideten Sachverständigen und Zeugen, bei welchen allen eine Erinnerung an ihren im Allgemeinen oder in der einzelnen Untersuchung schon geleisteten Eid genügen soll. Die Abhörung geschieht durch den Vorsitzenden nach den Vorschriften, welchc der Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung zu befolgen hat. Zeugen, welche in ihren Angilben abweichen, kann der Vorsitzende in ein Gegenverhör ziehen. Im Falle einer unzulässigen Verweigerung eines Zeugnisses oder Eides ist gegen den Ungehorsamen eine Strafe bis zu zwanzig Thalern oder sechs Wochen Gefängniss zu erkennen. Es findet dagegen kein Rechtsmittel statt. Zeugen und Sachverständige bleiben nach ihrer Abhörung iin Sitzungssaale anwesend, bis der Vorsitzende sie entlässt. A r t . 241. Ausser dem Vorsitzenden können auch die Mitglieder des Gerichts und der Staatsanwalt an den Angeklagten oder an Zeugen und Sachverständige unmittelbar Fragen stellen, nachdem sie zuvor von dem Vorsitzenden die Erlaubniss hierzu erhalten haben. Auf dieselbe Weise kann auch der Vertheidiger Fragen an Zeugen und Sachverständige stellen. Dem Angeklagten, dem P r i v a t b e t e i l i g t e n , welcher sich dein Strafverfahren angeschlossen hat, sowie dem I'rivatankläger und dessen Anwalte, kann der Vorsitzende gestatten, unmittelbare Fragen an Zeugen und Sachverständige, bezüglich an den Angeklagten, zu stellen. Der Vorsitzende hat darauf zu sehen, dass nur zur Sache gehörige Fragen gestellt werden, und ist befugt, die Fragestellung in jedem Augenblicke selbst wieder zu übernehmen, oder auch das Verhör zu schliessen. Wird gegen Zurückweisung einer F r a g e Einspruch erhoben, so hat das Gericht darüber zu entscheiden. Eintretenden Falles hat der Vorsitzende die Zeugen über die ihnen nach Art. 177 zustehende Befugniss zu belehren.
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A r t . 244. In der Regel ist die mündliche Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen erforderlich; jedoch genügt eine Vorlesung ihrer in der Voruntersuchung abgegebenen Aussagen nnd Gutachten, ausser den im Art. 199, 204 und 222 dieses Gesetzes erwähnten Fällen, dann, wenn die Zeugen oder Sachverständigen in der Zwischenzeit verstorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist, oder ihrem Erscheinen nach dem Ermessen des Gerichts für längere Zeit erhebliche Hindernisse im Wege stehen. Bei Mitgliedern der landesherrlichen Familie soll stets nur die von ihnen zu Protokoll gegebene Aussage verlesen werden (vergl. A r t 180, 189, 216). Besichtigungsprotokolle, frühere Straferkenntnisse, überhaupt Urkunden, welche für die Sache von Bedeutung sind, werden gleichfalls vorgelesen. A r t 246. Der Vorsitzende hat zur Beförderung der Wahrheit die Befugniss, Beweismittel zu erheben. Er kann neue Zeugen und Sachverständige in die Gerichtssitzung einführen lassen und abhören, neue Gutachten herbeischaffen lassen, auch mit dem Gerichte Augenschein nehmen, oder hierzu ein Mitglied des Gerichts abordnen, welches sodann Bericht zu erstatten hat. Diese Beweiserhebungen sollen nur zur Aufklärung dienen und die neuen Zeugen und Sachverständigen nicht beeidigt werden; ausgenommen wenn der Staatsanwalt und der Angeklagte gemeinschaftlich deren Beeidigung verlangen. Eine Beeidigung der auf Anordnung des Vorsitzenden eingeführten Zeugen oder Sachverständigen kann auch dann vorgenommen wei'den, wenn wegen Erhebung dieser neuen Beweismittel eine Vertagung (Art. 270) eingetreten war. A r t . 255. Ergiebt die Hauptverhandlung, dass dem Angeklagten eine andere That oder ein anderes Verbrechen zur LaBt zu legen ist, als in dem Verweisungsbeschluss enthalten, so wird derselbe, vorbehaltlich der in dem folgenden Artikel geordneten Ausnahmen, zwar von der erhobenen Anklage freigesprochen, es bleibt jedoch dem Staatsanwalt« die weitere Verfolgung der anderen That oder des anderen Verbrechens vorbehalten, und es ¡et auf seine diesfallsigen Anträge das Geeignete zu verfögen. Das Gericht kann jedoch, nachdem es die Staatsanwaltschaft und den Angeklagten deshalb gehört hat, auch zur sofortigen Urtheilsfällung über die andere That oder das andere Verbrechen schreiten, wenn es nicht dafür hält, dass die Sache vor ein Geschworenengericht gehöre, welchen Falles dieselbe an die Anklagekammer des Appellationsgerichts zur Ertheilung eines neuen Verweisungsbeschlusses abzugeben ist. A r t 260. Hat das Gericht das Urtheil beschlossen, so erfolgt dessen Verkündigung in öffentlicher Sitzung. Das Gericht begiebt sich zu diesem Bchufe aus dem Bcrathungszimmer in den Geiichtssaal zurück, der etwa abgeführt gewesene Angeklagte wird wieder vorgeführt und der Vorsitzende spricht das Urtheil mit den Gründen desselben nach Be6nden unter Vorlesung der angewendeten Strafgesetze aus. Die Belehrung des Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel ist nicht erforderlich; die zur Einwendung der letzteren geordneten Fristen laufen ohne Rücksicht auf erfolgte Belehrung von der Bekanntmachung des Urtheil» an. Ausnahmsweise kann bei umfänglichen Sachen die Verkündigung des Urtheils auf längstens acht Tage, unter sofortiger Ansetzung des Eröffnungstages, verschoben werden, muss aber dann ebenfalls in öffentlicher Sitzung erfolgen. VII. Protokollführung. A r t . 262. Das über die Hauptverhandlung durch den Gerichtschreiber aufzunehmende Protokoll soll enthalten: die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichts, des Beamten der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers, des Angeklagten und seines Vertheidigers, des Privatbeteiligten, der sich etwa dem Strafverfahren angeschlossen hat, der erschienenen Zeugen und Sachverständigen,
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Es soll den Verlauf der Hauptverhandlung kürzlich erzählen und insbesondere der Vereidung der Zeugen und Sachverständigen, der Vorlesung von Stücken aus der Voruntersuchung und von sonstigen Urkunden Erwähnung thun. Von dem Inhalte der Erklärungen der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder Vertheidigers, der Zeugen und Sachverständigen, sowie der etwaigen Privatbetheiligten oder eines Privatanklägers wird nur das Wesentliche kürzlich in das Protokoll aufgenommen. Im Falle der Angeklagte, die Zeugen und Sachverständigen bereits in der Voruntersuchung vernommen worden waren, ist in dem Protokolle nur zu bemerken, ob und inwiefern ihre Aussagen von den früheren Angaben in erheblichen Puncten abweichen. Die zur Entscheidung gestellten Anträge, namentlich der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten oder Vertheidigers werden mit den darauf erfolgten besonderen Entscheidungen im Protokolle aufgenommen oder demselben als Beilage einverleibt, und ferner wird der endliche Urtheilsspruch, auch im Falle besonderer Abfassung, rücksichtlich seines entscheidenden Theiles sowie die Verkündigung des Urtheils in dem Protokolle vermerkt. Ein Protokoll über die Hauptverhandlung ist bei Strafe der Nichtigkeit erforderlich; es genügt jedoch, dass überhaupt ein Protokoll aufgenommen worden ist, und der Umstand, ob etwas im Protokolle vermerkt oder nicht vermerkt ist, hat an sich keine Nichtigkeit zur Folge. A rt. 264. Ueber die Berathung des Gerichts bei der Urtheilsfällung ist bei Strafe der Nichtigkeit entweder ein besonderes kurzes Protokoll zu fertigen, welches das Resultat der Abstimmungen mit Angabe der Stimmenzahl enthält, oder es ist das Ergebniss der Abstimmungen des Gerichts unter Angabe der Stimmenzahl in das Protokoll über die Hauptverhandlung mit aufzunehmen. A r t . 266. Störungen der Verhandlung durch den Angeklagten sucht der Vorsitzende durch Ermahnung desselben zu beseitigen. Im Wiederholungsfälle kann das Gericht erkennen, dass der Angeklagte aus der Sitzung ganz oder zeitweilig zu entfernen und die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortzusetzen sei. Das gefällte Endurthcil wird ihm dann durch ein Mitglied des Gerichts verkündigt Hat der Angeklagte aber keinen Vertheidigcr, so hängt es vom Ermessen des Kreisgerichts ab, ihm bei seiner Entfernung einen solchen zu bestellen, und wenn ein Vertheidiger nicht erlangt werden kann, die Hauptverhandlung zu vertagen. A r t . 267. Eine Vertagung der Hauptverhandlung tritt auch ein, wenn der Angeklagte dergestalt erkrankt, dass er derselben nicht mehr beiwohnen kann und nicht selbst in deren Fortsetzung während seiner Abwesenheit einwilligt. Willigt er ein, so bestimmt, falls er noch keinen Vertheidiger hat, das Ermessen des Kreisgerichts darüber, ob ihm ein solcher zu bestellen sei. A r t . 273. Der Präsident des Gerichtshofs des Geschworenengerichts hat die in den Art. 230, 231 und 246 aufgezählten Rechtc und Pflichten. Auch kann er, wenn er es für angemessen erachtet, eine Hauptverhandlung, so lange sie noch nicht begonnen hat, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten, oder auch von Amtewegen vertagen, oder einem später zusammentretenden Geschworenengerichte zuweisen. A r t . 280. Nimmt eine Hauptverhandlung voraussichtlich einen längeren Zeitraum in Anspruch, so sind statt zwölf Geschworenen, deren vierzehn auszul ö s e n , von welchen die ersten zwölf Hauptgeschworene und die letzten zwei Ersatzgeschworene sind. Das Recht der Ablehnung vermindert sich in diesem Falle verhältnissmässig. Die beiden Ersatzgeschworenen treten nach der Reihe ihrer Ausloosung an die Stelle von Hauptgeschworenen, welche etwa verhindert werden, der Hauptverhandlung fortwährend beizuwohnen. F ü r diesen Fall müssen sie selbst aber, bei Strafe der Nichtigkeit, der gauzen Hauptverhandlung ohne Unterbrechung beigewohnt haben.
Strafprocess-Ordnung vom 21. September 1857. Wenn mehrere Hauptverhandlungen auf einen T a g anberaumt worden lind, so kann alsbald bei dem Beginne der ersten die Geschworenenbank auch fflr jede folgende gebildet werden. Die f ü r die erste Hanptverhandlnng gebildete Geschworenenbank bleibt, wenn die Staatsanwaltschaft and der Angeklagte sich damit einverstanden erklären, anch für die folgenden, an demselben T a g e anstehenden Hauptverhandinngen. Wird auf Verlangen der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten f ü r eine der folgenden Hauptverhandlungen eine neue Geschworenenbank gebildet, so bleibt nun diese, wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte damit einverstanden sind, für die noch folgenden Hauptverhandlungen bestehen. Verzögert sich wegen der Dauer der vorhergehenden Hauptverhandlungen oder aus sonstigen Gründe« der festgesetzte Anfang einer Hauptverhandlung dergestalt, dass sie erst am vierten oder an einem noch spätem Tage nach demjenigen beginnt, an welchem die Geschworenenbank gebildet worden war, so muss zur Bildung einer neuen Geschworenenbank geschritten werden. III.
Vereidung der Geschworenen, Beweisverfahren der Parteien.
und
Ausfahningen
A r t . 281. Nach der Bildung der Geschworenenbank erfolgt die Befragung und Ermahnung des Angeklagten in der im A r t 234 vorgeschriebenen Weise. Sodann werden die Geschworenen bei Strafe der Nichtigkeit von dem Präsidenten des Gerichtshofs vereidet, mit Ausnahme der Fälle, wo die f ü r eine frühere Hauptverhandlung gebildete Geschworenenbank fQr eine folgende bestehen bleibt; in diesen Fällen unterbleibt fQr letztere die Vereidignng der Geschworenen, und es genügt die Verweisung auf den in der früheren Sache geleisteten Eid. Zum Behufe der Vereidung hält der Präsident an die Geschworenen, welche sich von ihren Sitzen erheben, folgende Anrede: Sie schwören und geloben vor Gott und den Menschen, die Belastungsund Entlastungsgrande, welche gegen und für den Angeklagten N. N. vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, weder das Interesse des Angeklagten noch das der bürgerlichen Gesellschaft, welche ihn anklagt, zu verrathen, mit Niemand ausser mit Ihren Mitgeschworencn aber den zu ertheilenden Ausspruch Rflcksprache zu nehmen, nicht zu hören auf die Stimme des Hasses oder der Bosheit, noch auf die der Furcht oder der Zuneigung, und sich zu entscheiden nach den BelastungsgrOnden und den Vertheidigungsmitteln, ohne Rücksicht auf das Strafgesetz und nach Ihrer vollen inneren Ueberzeugung, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können. Jeder Geschworene wird einzeln von dem Präsidenten aufgerufen, hebt die rechte Hand empor und antwortet: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe! Inwiefern andere Versicherungen einem Eide gleich stehen, ist nach den einschlagenden besonderen Religionsgrundsätzeb zu beurtheilen. A r t . 282. Hierauf wird der Verweisungsbeschluss und die Anklageschrift bei Strafe der Nichtigkeit durch den Gerichtschreiber verlesen. Die Staatsanwaltschaft kann, wenu sie es für angemessen hält, die Anklage entwickeln und auf die Beweise, welche far dieselben vorgebracht werden sollen, aufmerksam machen. Sodann befragt der Präsident den Angeklagten, ob er sich schuldig bekenne, oder nicht. Bekennt der Angeklagte sich schuldig und räumt er auf näheres Befragen auch die thatsächlichen Bestandteile des Verbrechens, welches Gegenstand der Anklage ist, ein, so wird die Staatsanwaltschaft und der Vertheidiger darüber gehört, ob die Thatfrage als durch das Gcständniss des Angeklagten festgestellt zu erachten sei.
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Nimmt der Gerichtshof dieses an, so hat er, wofern ihm sonst gegen dio Nichtigkeit des Geständnisses kein Bedenken beigeht, nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Vertheidigers ü b e r die Anwendung des Gesetzes ohne Zuziehung von Geschworenen das Urtheil zu fällen. W e n n Umstände in F r a g e kommen, welche Ausschliessung oder Milderung der gesetzlichen Strafe zu begründen geeignet sind, so unterbleibt die Verhandlung vor den Geschworenen nur dann, wenn die Staatsanwaltschaft rücksichtlich solcher Umstände sich zu Gunsten des Angeklagten erklärt und der Gerichtshof kein Bedenken hat, der dem Angeklagten günstigen Annahme beizutreten. Liegen die Voraussetzungen, unter denen, nach dem Vorstehenden, der Gerichtshof das Urtheil allein fällen kann, nicht' vor, so beginnt die Verhandlung vor den Geschworenen. • Die Zeugen und Sachverständigen werden aufgerufen, gegen die Ungehorsamen wird nach Vorschrift des A r t 2 2 3 verfahren. Die erschienenen Zeugen werden vorläufig wieder entlassen. Der Angeklagte wird vernommen und die Beweismittel werden vorgeführt. Alles dies nach den in den Art. 2 3 4 — 2 4 6 gegebenen Vorschriften. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens vor dem Geschworenengerichte finden, soweit etwas Anderes nicht bestimmt ist, die Vorschriften f ü r die Hauptverhandlungen bei den Kreisgerichten Anwendung. IV.
Vortrag
des Präsidenten und Fragestellung Geschworenen.
an
die
A r t . 285. Nachdem der Präsident die Verhandlungen geschlossen, giebt er eine Darstellung der wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung. E r führt in möglichst einfacher und gedrängter Zusammenstellung die f ü r und wider den Angeklagten streitenden Beweise auf und macht auf gesetzliche Vorschriften aufmerksam, welche bei Beurtheilung der T h a t f r a g e etwa in Betracht kommen, ohne Entw i c k l u n g von Ansichten über den vorliegenden Fall. Von diesem Zeitpuncte an bis zur Eröffnung des Ausspruchs der Geschworenen (Art. 296) soll die Sitzung nicht unterbrochen werden. D e r Vortrag des Präsidenten darf von Niemand, namentlich auch nicht von dem Angeklagten oder von der Staatsanwaltschaft, unterbrochen oder zum Gegenstand irgend einer Aeusserung oder eines Antrages in der Sitzung gemacht werden. A r t . 287. Die an die Geschworenen zu richtenden Fragen sind so zu stellen, dass sie sich mit J a oder Nein beantworten lassen. Die H a u p t f r a g e beginnt mit den W o r t e n : Ist der Angeklagte schuldig, und inuss die ^tatsächlichen Bestandtheile des Verbrechens, welches Gegenstand der Anklage ist, enthalten. Ist eventuell ein geringeres Verbrechen Gegenstand der Anklage, oder liegt einer der Art. 256 gedachten Fälle vor, so sind entsprechende weitere Fragen zu stellen. Eben dieses gilt in dem Art. 2 5 5 erwähnten Fälle dann, wenn der Gerichtshof nach Anhörung der Staatsanwaltschaft es unbedenklich findet, dass eine andere T h a t oder ein anderes Verbrechen, al6 in der Anklageschrift enthalten ist der Aburtheilung mit unterstellt werde. Es ist verstattet, wenn mehrere Umstände bei einem Verbrechen zusammentreffen, auf einzelne Umstände besondere Fragen zu stellen. Auch kann die Frage über die T h a t an sich und darüber, ob die T h a t von der Eigenschaft sei, welche das Gesetz zum Begriffe des Verbrechens erfordert, getrennt werden. Auf Thatsachen, welche die Verhängung einer Strafe ausschliessen, oder eine Milderung der Strafe unter den gesetzlichen Strafsatz herab begründen, 6ind geeigneten Falles besondere Fragen zu stellen. Ueber thatsächliche Verhältnisse, welche für die Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafsatzes von Bedeutung sind, ingleichcn über die Voraussetzun-
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gen des Backfalles, werden keine Fragen an die Geschworenen gerichtet; sie stehen zur ausschliesslichen Erwägung des Gerichtshofs. V. Berathung und Abstimmung der Geschworenen. A r t . 289. Die Berathung der Geschworenen leitet ein von ihnen aus ihrer Mitte zu wählender Obmann. Bei dieser Wahl entscheidet einfache Stimmenmehrheit und bei Stimmengleichheit das Loos. Der Obmann hat vor der Berathung den Geschworenen folgende Instruction vorzulesen: Das Gesetz fordert von den Geschworenen keine Rechenschaft Aber die Gründe, durch welche sie sich aberzeugt haben. Es schreibt ihnen keine Hegeln vor, von welchen sie die Vollständigkeit eines Beweises abhängig machen sollen. Es schreibt ihnen aber vor, mit Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt zu prüfen, welchen Eindruck die wider den Angeklagten vorgebrachten Beweise und die Gründe seiner Vertheidigung auf ihre UrtheiLskraft gemacht haben. Das Gesetz sagt ihnen nicht: Ihr müsset jede Thatsache für wahr halten, die von dieser oder jener Zahl von Zeugen bekundet wird. Es sagt ihnen eben sowenig: Ihr dürft nicht einen Beweis als hinreichend geführt ansehen, der nicht auf diesen oder jenen Urkunden, auf so und so viel Zeugen odet Anzeigen beruht Es richtct an sie die einzige Frage: seid ihr durch die vorgelegten Beweise vollkommen überzeugt, dass der Angeklagte des Verbrechent, welches man ihm zur Lagt legt, schuldig sei oder nicht. Die Berathung und der Ausspruch der Geschworenen muss sich auf die ihnen vom Präsidenten vorgelegten Fragen beschränken. Ihre Ansicht über die Zweckmässigkeit oder Rechtmässigkeit des Strafgesetzes darf auf ihren Ausspruch keinen Einfluss haben. Nicht sie, sondern die Richter sind berufen, die gesetzlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten wegen der ihm zur Last fallenden That treffen. Die Geschworenen haben daher ihren Ausspruch ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Folgen desselben zu fällen. Der Obmann hat ferner den Geschworenen noch die folgenden Art. 291, 292 293 vorzulesen. Die Instruction und die letztgedachten Artikel sollen in dem Berathungszimmer der Geschworenen in mehreren Exemplaren angeschlagen sein. VIII.
Protokollführung, Zwischenvorfälle, Vertagung und Einstellung des Verfahrens.
A r t . 304. Ueber die Protokollführung bei der Hauptverhandlung vor den Geschworenengerichten gelten die Vorschriften in den Art. 262 und 263 mit dem Zusätze, dass das Protokoll auch die Namen der Geschworenen, die Vorgänge bei Bildung der Geschworenenbank, und die Vereidung der Geschworenen erwähnen soll, und mit der Einschränkung, dass der Inhalt der Vernehmungen des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen nicht aufgenommen zu werden braucht. Der Inhalt neuer, in der Voruntersuchung noch nicht vorgekommener Beweise, ingleichen Abweichungen des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen von ihren in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen sind auf Anordnung des Präsidenten von Amtswegen oder auf Antrag eines Betheiligten in das Protokoll aufzunehmen. Auch über die Berathung des Gerichtshofs ist ein kurzes Protokoll, wie Art. 264 bestimmt, aufzunehmen. A r t . 305. Die Verordnungen in den Art. 265, 266 und 267, insoweit nicht den letzteren beiden Artikeln die Art. 215 und 220 entgegenstehen, ingleichen in den A r t 268—271 über Zwischenvorfälle, Vertagung und Einstellung der
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Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten finden auch bei den Geschworenengerichten Anwendung. Im Falle des Art. 269 entscheidet der Gerichtshof ohne die Geschworenen. A r t . 306. 8. wenn wider eine von dem Oberappellationsgerichte früher gegebene Entscheidung (Art. 211) erkannt worden ist. IT.
Nichtigkeitsbeschwerde gegen Endurtheile der Geschworenengeri chte.
A r t . 307. Endurtheile bei einem Geschworenengerichte können blos wegen Nichtigkeiten (Art. 306) durch eine an das Oberappellationsgericht gehende Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden. Dieses Rechtsmittel kann nur der Angeklagte oder der Oberstaatsanwalt, ein jeder, soweit ihn die vorige Entscheidung berührt, ergreifen. Es ist bei dem Appellationsgerichte einzuwenden, innerhalb zehntägiger Nothfrist vom Tage der Eröffnung des vorigen Urtheils an, und mit bestimmter Anführung der einzelnen Nichtigkeitsgründe. Die Einwendung geschieht mündlich zu Protokoll oder schriftlich; im letzteren Falle ist ein Duplicat beizufügen. Ist das vorige Urtheil gegen einen abwesenden Angeklagten gefällt worden, so ist demselben das Urtheil bei seiner Rückkehr oder Wiedererlangung zu eröffnen. Eine Belehrung des Angeklagten über das ihm zustehende Rechtsmittel ist nicht erforderlich, und die Nothfrist zur Einwendung desselben läuft ihm erst vom Tage der Urtheilseröffiiung an. Bei Verbrechen, wo ein Privatankläger aufgetreten ist, hat dieser in Beziehung auf die Nichtigkeitsbeschwerde alle Rechte des Oberstaatsanwalts. A r t . 320. Die Appellationen sind bei dem Kreisgerichte mündlich zu Protokoll zu geben oder schriftlich einzuwenden, welchen Falls ein Duplicat beizufügen ist. Nichtigkeitsgründe müssen einzeln bestimmt angegeben werden; auch andere beschwerende Puncte sollen deutlich bezeichnet, jedoch eine allgemein eingewendete Appellation angesehen werden, als sei sie gegen alle einzelne Theile des Urtheils, welche gegen den Appellanten gehen, gerichtet. Dem Angeklagten und dem Staatsanwalte läuft zur Einwendung eine zehntägige Nothfrist nach den näheren Bestimmungen im Art. 307. Eine Belehrung des Angeklagten über das ihm zustehende Rechtsmittel ist nicht erforderlich. Die zur Einwendung desselben geordnete Frist läuft vielmehr ohne Rücksicht auf erfolgte Belehrung von der Bekanntmachung des Urtheils an. Auch gilt hier Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit analogischer Anwendung der Vorschriften im Art. 308. Die Entscheidung über die nachgesuchtc Wiedereinsetzung ist dem Appellationsgericht zu überlassen. Ein Privatbetheiligter, welcher sich nach Art. 319 einem Hauptrechtsmittel anschliessen will, muss dieses binnen einer zehntägigen Nothfrist von dem Tage an thun, an welchem er von der Einwendung eines Hauptrechtsraittels Kenntniss erlangt hat. A r t . 327. Sind Beweismittel zu erheben, so sind die für die Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten gegebenen Vorschriften analogisch anzuwenden, mit der Modification, dass nach den einleitenden Handlungen in den Art. 233 und 234, soweit sie hier Platz greifen, zuvörderst der in dem vorigen Artikel gedachte Vortrag eines Mitgliedes des Appellationsgerichts zu halten ist, sodann die Erhebung der Beweismittel, wie in der Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten, folgt, und endlich das Gehör der Parteien, wie in dem vorigen Artikel bestimmt ist, den Beschluss macht. Wie dem Präsidenten bei den Appellationsverhandlungen im Allgemeinen die Rechte des Vorsitzenden bei einer Hauptverhandlung, soweit er davon Gebrauch
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machen kann, zustehen, so hat er insbesondere auch dann, wenn Beweismittel erhoben werden, die im Art. 246 gedachten Befugnisse. A r t . 343. Der Einzelrichter hat bei den zu seiner Zuständigkeit gehörigen Verbrechen, soweit deren Untersuchung nicht in den Strafgesetzen von dem Antrage eines Betheiligten abhängig gemacht ist, von Amtswegen und ohne dass es eines Antrages des Staatsanwalts bedarf, wegen Einleitung der Untersnchung Entschliessung zu fassen. Durch diese Vorschrift wird die Befugniss und die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft bei Anzeigen von Verbrechen, die zur Zuständigkeit des Einzelrichters gehören, Anträge auf Einleitung der Untersuchung zu stellen, nicht aufgehoben. Der Einzelrichter hat auf solche Anträge Entschliessung zu fassen und sie dem Staatsanwalt mitzutheilen. Auch hat der Einzelrichter von den bei ihm eingegangenen Anzeigen und den auf sie gefassten Entschliessungen wöchentlich den Staatsanwalt in Kenntniss zu setzen. Der Staatsanwalt kann Anträge in Bezug auf die Untersuchung beim Einzelrichter anbringen. Bei Uebertretungen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht und bestraft werden, ist die Mitwirkung des Staatsanwalts gänzlich ausgeschlossen. Dieselben können nur durch den Betheiligten, als Privatankläger, verfolgt werden, •reicher dabei die dem Staatsanwalt nach dem Inhalt des gegenwärtigen Capitels zustehenden Befugnisse ebenfalls hat. A r t 345. Der Einzelrichter hat die beschlossene Untersuchung, ohne dass es der Mitwirkung des Staatsanwalts und des Privatanklägers bedarf, fortzufOhren und zu beendigen. Auch ist eine vorherige Benachrichtigung derselben von einzelnen Untersuchungshandlungen, namentlich auch in den Art. 82 gedachten Fällen, nicht erforderlich. Beschliesst der Einzelrichter (¿¡e Einstellung der Untersuchung — wozu es einer Anfrage beim Kreisgericht nicht bedarf — so hat er dies dem Staatsanwalt, beziehendlich dem Privatankläger unverzüglich zu eröfihen. Im Uebrigen hat der Einzelrichter im Allgemeinen die Vorschriften zu beobachten, welche der Untersuchungsrichter bei den Kreisgerichten zu beobachten hat. Das Verfahren von ihm ist jedoch ein abgekürztes, dergestalt, dass die Voruntersuchung mit Hauptverhandlung verbunden wird. Es hängt von seinem Ermessen ab, ob er sofort, oder erst nach weiteren Untersuchungsschritten in einer Voruntersuchung einen T a g zur Hauptverhandlung anBetzen will. Recurae gegen seine Verfügungen finden nach Analogie der Vorschriften im Art. 100, jedoch nur an das Kreisgericht statt. Bei folgenden einzelnen Handlungen gelten besondere Vorschriften: 1. Vorläufige Festnehmung des Angeschuldigten zum Behufe der Vorfahrung findet nur in den im A r t 108 Nr. 1 und 2 gedachten Fällen, und bei Polizeivergehen nur in den Fällen Nr. 1 statt-, 2. Steckbriefe (Art. 114) sind unzulässig; 3. Bei Uebertretungen, welche allein oder wahlweise mit Geldstrafe bedroht sind, kann der Angeschuldigte bei Strafe des Eingeständnisses, unter Androhung der für den Fall des Ungehorsams eintretenden Strafe, vorgeladen werden, auf welche letztere im Falle des Ungehorsams zu erkennen ist Die Ladung soll schriftlich erlassen werden, eine Frist von mindestens acht Tagen enthalten und die Vorschrift des Art. 226 hier analogisch Anwendung finden; 4. Untersuchungshaft kann nur in den Fällen des Art. 131, Nr. 3 verhängt werden ; 5. Durchsuchung von Papieren dritter Personen (Art. 146) und Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen (Art. 162 ff.) finden nicht s t a t t 6. Sind Sachverständige abzuhören, so genügt die Abhörung eines einzigen ;
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auch werden Sachverständige nur mittelst Handschlages an Eidesstatt verpflichtet; 7. Zeugen werden vereidet; ausgenommen bei Polizei vergehen, sofern dabei der Richter nach seinem Ermessen einen blossen Handschlag an Eidesstatt für genügend erachtet. Beamte, welche eine Aussage innerhalb ihres Dienstwirkungskreises erstatten, sind blos auf ihre Dienstpflicht zu verweisen; 8. Führung eines Protokolles ist bei der Hauptverhandlung stets, und bei Untersuchungshandlungen, welche zur Voruntersuchung gehören (Art. 345) nur dann erforderlich, wenn diese Handlung gebraucht und in derselben nicht wiederholt werden; 9) Urkundspersonen (Artikel 90) sind zu keiner Untersuchungshandlung beizuziehen. Mandats-Verfahren. I. A r t . 346. Der Einzelrichter hat, wenn der Angeschuldigte weder vorgeführt, noch die Verhaftung desselben erforderlich ist, und nicht besondere Bedenken entgegen stehen, a) bei Polizeivergehen; b) bei Defraudationen von Wege- und Gemeindeabgaben; c) bei den übrigen Uebertretungen; in dem letzteren Falle, sofern die Anschuldigung auf der Anzeige einer verpflichteten Person beruht, welche die That aus eigener amtlicher Wahrnehmung bekundet, ohne vorgängige Hauptverhandlung die verwirkte Strafe durch eine Strafverfügung festzusetzen. II. Die Strafverfügung muss enthalten: 1. die Beschaffenheit der Uebertretung, sowie die Zeit und den Ort derselben; 2. die dafür angegebenen Beweismittel; 3. die Festsetzung der Strafe und des Kostenpunctes, unter Anführung des einschlagenden Strafgesetzes oder polizeilichen Verbots; 4. die Eröffnung, dass der Angeschuldigte, wenn er sich durch die Strafverfügung beschwert finden sollte, innerhalb einer zehntägigen Frist, von dem Tage nach der Zustellung der Verfügung an gerechnet, seinen Einspruch dagegen schriftlich oder mündlich anzumelden habe, dass aber, falls in dieser Frist ein Einspruch nicht eingehe, die Strafverfügung Rechtskraft erlangen und gegen ihn vollstreckt werden würde. Diese Verfügung wird dem Angeschuldigten zugestellt. III. Wenn in der zehntägigen Frist ein Einspruch nicht erhoben wird, so wird die Strafverfügung vollstreckbar. Ist dagegen ein Einspruch erhoben worden, so wird der Angeschuldigte, unter Androhung des Verlustes seines Einspruchs, zur Hauptverhandlung vorgeladen. Erscheint derselbe nicht, so wird der Einspruch wirkungslos und das früher erlassene Mandat sofort vollstreckbar. Ein weiteres Rechtsmittel findet in diesen Fällen nicht statt, vorbehaltlich der Bestimmungen in dem Art. 226, welche hier analog zur Anwendung kommen. Erscheint der Angeklagte in der Hauptverhandlung, so wird nach Art. 347 verfahren. A r t . 347. Eine Ladung des Staatsanwalts, beziehendlich des Privatanklägers zur Hauptverhandlung ist blos dann erforderlich, wenn sie vom Einzelrichter für nöthig erachtet wird. Die Hauptverhandlung geht jedoch vor sich, auch wenn der Staatsanwalt, beziehendlich der Privatankläger nicht erschienen ist.
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ßtrafprocess-Ordnung rom 21. September 1867.
Die Hauptverhandlung, zu welcher der Zutritt verstattet ist, soweit es die Räumlichkeit des Gerichtszimmers erlaubt, ist von dem Einzelrichter in der Weise vorzunehmen, dass der Angeschuldigte vernommen, die Beweise vorgeführt, darauf der Staatsanwalt, oder der Privatankläger,' sofern dieselben erschienen sind, mit ihren Anträgen, danu der Angeschuldigte und der von ihm etwa mitgebrachte Vertheidiger mit ihrer Antwort gehört werden und zuletzt das Erkenntniss durch den Einzelrichter gefallt und eröffnet wird. Ein verurteilendes Erkeuntniss muss das einschlagende Strafgesetz oder polizeiliche Verbot ausdrücklich anfahren. In das aber die Hftuptverhandlung zu fahrende Protokoll ist das gefällte Erkenntniss aufzunehmen. Ist der Staatsanwalt, beziehendlich der Privatankläger bei Eröffnung des Erkenntnisses nicht anwesend, so hat der Einzelrichter ihnen dasselbe durch Behändigung einer Abschrift bekannt zu machen. Die Bekanntmachung an den Staatsanwalt kann auch durch Vorlegung der Acten erfolgen. In diesem Falle gilt der Tag, wo solche erfolgt ist, als T a g der Bekanntmachung. Der Einzelrichter hat die im Art. 231 gedachten Befugnisse des Vorsitzenden. A r t . 348. Gegen die Entscheidung des Einzelrichters findet das Rechtsmittel der Appellation in gleicher Weise, wie in den Art. 317 ff. geordnet ist, statt. E s wird bei dem Einzelrichter eingewendet und geht an das Kreisgericht. Das Kreisgericht lässt aber das eingewendete Rechtsmittel in öffentlicher Sitzung verhandeln. Die in den Art. 320 ff. gegebenen Vorschriften sind für die Einwendung des Rechtsmittels und für die Verhandlung und Entscheidung darüber allenthalben analogisch massgebend. Auch findet gegen die Entscheidung des Kreisgerichts nur noch eine Nichtigkeitsbeschwerde nach Analogie der Bestimmungen in den Art. 332 ff. unmittelbar an das Oberappellationsgericht statt. A r t . 349. Ueber die Wiederaufnahme einer von dem Einzelrichter geführten Untersuchung entscheidet die Analogie der Vorschriften in den Art. 334 bis 342. Der Einzelrichter kann jedoch, wenn sich in Bezug auf eine wegen mangelnden Beweises eingestellte Untersuchung neue Beweismittel ergeben, sowie in den Fällen der Art. 336 und 337 die Wiederaufnahme der Untersuchung verfügen, ohne dass es hierzu eines Antrags des Staatsanwalts bedarf. A r t . 351. Dem Verurtheilten ist verstattet, wenn er oder sein Gegner ein Rechtsmittel gegen das ergangene Urtheil eingewendet hat, die vorlaufige Antretung der erkannten Strafe zu verlangen. Wird auf ein Rechtsmittel des Gegners eine Freiheitsstrafe höherer Art erkannt, so ist die inzwischen verbüsste Freiheitsstrafe niederer Art in ihrer ganzen Zeitdauer auf die Freiheiststrafe höherer Art so, als wenn der Verurtlieilte diese während der ganzen fraglichen Zeit verbüest hätte, anzunehmen. Diese Anrechnung tritt ein, ohne dass darauf besonders erkannt zu sein brauchte. A r t . 361. Lossprechende Erkenntnisse und Erkenntnisse, dass der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, haben den Angeschuldigten zugleich von den Kosten freizusprechen, soweit sie nicht durch eigene, wissentlich falsche Angabe desselben verursacht worden sind. Die Kosten sind in diesem Falle von dem Staate zu abernehmen. Nur bei \ erbrechen, welche blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht und von diesem als Privatankläger verfolgt werden, hat Letzterer die Kosten zu tragen. In Schwurgerichtsf&llen hat, insofern die Verteidigung durch Rechtsanwälte geführt worden ist, der Staat dem Freigesprochenen auch alle Vertheidigungskosten zu vergüten. In KreisgerichtsfMlcn werden vom Staat oder Privatankläger Vertheidigungskosten nur vergütet, wenn das Gericht ausdrücklich darauf erkennt; ein solches Erkenntniss hängt davon a b , ob die Zuziehung eines Vertheidigers nach Ansicht des Gerichts erforderlich war. Auf Diäten und Reisekosten des Sammlung d. n. d. Gesetze.
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V e r t e i d i g e r s erstreckt sieh in Kreisgeriehtsfällen die Vergütung blos dann, wenn der Vertheidiger dem Angeklagten auf seinen Antrag oder von Amtswegen durch das Gericht bestellt worden war. Die Kosten der V e r t e i d i g u n g vor einem Einzelrichter werden in keinem Falle vergütet. Wird eine Untersuchung nach den Art. 95, 97 und 271 eingestellt, so ist der Angeschuldigte mit Kosten zu verschonen. Bei Verbrechen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht und bestraft werden, hat dann der die Einstellung beantragte B e t e i l i g t e die Kosten zu übernehmen. Eine Uebereinkunft des Betheiligten mit dem Angeschuldigten, dass Letzterer die Kosten abstatte, ist zulässig. A r t . 365. Bei eingewendeten Rechtsmitteln trägt der unterliegende Theil die Kosten. Wird der Angeklagte auf eine eingewendete Appellation freigesprochen, so werden ihm die Kosten seiner V e r t e i d i g u n g nicht ersetzt; dringt er dagegen mit einer Nichtigkeitsbeschwerde durch, so sind die Kosten seiner V e r t e i d i g u n g in der Instanz des Rechtsmittels von dem Staate oder Privatankläger unter den im Art. 361 angegebenen Einschränkungen zu erstatten. Erlangt der Angeklagte auf sein Rechtsmittel blos eine Herabsetzung der S t r a f e , so soll er nichts desto weniger auch die Kosten seines Rechtsmittels zu übernehmen schuldig sein. Die Kosten eine» Rechtsmittels, welches die Staatsanwaltschaft im Interesse des Angeklagten eingewendet hat, sind, mit Ausschluss der Vertheidigungsgebühren, stets auf die Staatscasse zu übernehmen. A r t . 368. Ist ein Angeklagter unvermögend, so sind die ihm zur Last gelegten Kosten einstweilen und bis er zu Vermögen kommt, auf die Staatscasse zu übernehmen; Vertheidigungskosten jedoch n u r : 1. wenn das Gericht dem Angeklagten auf seinen Antrag oder von Amtswegen einen V e r t e i d i g e r zugeordnet hat (Art. 2 1 5 ) ; 5?. in Schwurgerichtsfiillen auch, wenn der Angeklagte den Vertheidiger selbst bestellt hat. liier sind jedoch etwaige Reisekosten und Diäten des V e r t e i digers von d i r verlagsweisen Berichtigung aus der Staatscasse ausgeschlossen, insofern sie durch die Wahl eines am Orte der Verhandlung wohnhaften Vertheidiger.« zu vermeiden gewesen wären. A r t . 370. Bei den in den Art. 185, 186, 189 und 190 des Strafgesetzbuches gedachten Verleumdungen und Beleidigungen, ausgenommen sofern diese Verbrechen gegen öffentliche Behörden gerichtet sind, oder bei im öffentlichen Dienste angestellten Personen durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, oder eine Bestrafung nach dem Selilusssatze des Art. 185 des Strafgesetzbuches eintritt, findet das in den nachstehenden Artikeln geordnete besondere Verfahren statt. Wenn dagegen Verleumdungen und Beleidigungen im öffentlichen Dienste angestellter Personen, welche durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, von der Beschaffenheit sind, dass die zu erkennende Strafe eine sechswöchentliche Gefängnissstrafe oder verhältnismässige Geldbusse nicht übersteigen würde, so kann das Kreisgcricht nach Gehör des Staatsanwalts die Untersuchung an den Einzelriclitcr verweisen, in welchem Falle dann die im sechszehnten Capitel der Strafproeess-Ordnung enthaltenen Vorschriften Anwendung finden. Ist eine Elirenverletzung, für welche das Verfahren in den nachstehenden Artikeln angeordnet ist, durch ein anderes, von Amtswegen zu verfolgendes Verbrechen mit begangen worden, so ist dieselbe auf Antrag des Verletzten in dem wegen dieses Verbrechens nach Massgabe der Strafproeess-Ordnung einzuleitenden Verfahren mit zur strafrichterliclien Verfolgung zu ziehen, und findet in diesem Falle das in den nachstehenden Artikeln geordnete Verfahren keine Anwendung.
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Strafyrocess-Ordnung TOB 21. September 1867.
A r t 371. Der zur Verfolgung der Verleumdung oder Beleidigung Berechtigte tritt als Ankläger bei dem Einzelrichter de« Anzuklagenden an f. Eine Vertretung durch die Staatsanwaltschaft findet nicht statt. Die Anklage muss den Erfordernissen der Anklageschrift in dem Art. 195 entsprechen und, bevor eine Ladung daranf ergeht, mit der Angabe der Beweismittel versehen werden. Spätere Angaben derselben sind unzulässig. Auch CivilansprUche aus dem Verbrechen können in der Anklage mit verfolgt werden. Die Anklage kann zu Protokoll gegeben oder in einer Anklageschrift angebracht werden, welche von einem Anwalte gefertigt sein und mit einem Duplicate Qbergcben werden muss. A r t . 372. Der Einzelrichter kann vor Ausfertigung auf die Anklage beide Parteien zn einem Sühnetermine, unter Androhung einer Ordnungsstrafe bis zu ffinf Thalern, vorladen, und bei einem Vergleiche die Kosten ausser Ansatz lassen. Hält er einen solchen Versfihueversuch nicht für angemessen, oder bleibt derselbe erfolglos, so hat er auf die Anklage entweder einen Tag zur Vorverhahdlung anzusetzen und beide Theile hierzu dergestalt vorzuladen, dass die Behändigung der Ijidimg wenigstens am achten Tage vor dem angesetzten Tage erfolgt, oder er ladet die Parteien alsbald auf einen Gerichtstag zur Hauptverhandlung vor (Art. 374). Im ersteren Falle wird der Ankläger bei Verlust der Anklage und der Angeklagte unter Mittheilung der Anklage mit der Aufforderung geladen, im Termine sich auf den thatsächlichen Inhalt der Auklage bei Strafe des Eingeständnisses einzulassen, und seine thatsächlichen Einreden nebst Beweismitteln bei Verlust derselben vorzubringen. Alles bei Strafe der Nichtigkeit. A r t . 373. Beide Theile können in dem für die Vorverhandlung angesetzten Termine durch Bevollmächtigte erscheinen, welche sich sofort Ober ihren Auftrag ausweisen müssen. Der Richter hat aber auch das Recht, die Parteien unter den gesetzlichen Verwarnungen (Art 372) zum persönlichen Erscheinen in der Vorverhandlung zu laden. Der Einzelrichter eröffnet den Termin durch Pflegung der Güte und fordert in deren Entstehung zuvörderst den Angeklagten zur Einlassung auf die Anklage und zur Angabe seiner Einreden und deren Beweismittel auf. Sodann ist der Ankläger zur Einlassung auf die Einreden und Angabe seiner Repliken und deren Beweismittel, und zum Schlüsse in ähnlicher Weise der Angeklagte zur Antwort und zum Dupliciren aufzufordern. Es ist den Parteien verstattet, Urkunden, welche sie als Beweismittel gebrauchen wollen, sofort in dem Termine vorzulegen, und der Richter ist dabei ermächtigt, dem Gegner die Erklärung über deren Aechtheit, bei Strafe der Anerkennung, aufzulegen. Der Gegner kann die Anerkennung durch Erbieten zu einem Ableugnungseide ablehnen. Zu dem Zwecke der in der Replik und in der Duplik abzugebenden Erklärungen können die Parteien Vertagung des Termins beantragen. Einreden, Repliken, Dupliken und sonstige Erklärungen sind zu Protokoll zu geben. Das Protokoll hat der Aufforderungen an die Parteien zu gedenken, ist vorzulesen und, wenn es genehmigt ist, von den Parteien zu unterzeichnen, bei Strafe der Nichtigkeit Sollte eine Partei eine Besichtigung zur Herstellung eines Beweises beantragt haben, so ist diese von dem Einzelrichter vorzunehmen. Bei einem Versäumnisse der Parteien an dem Termine kommt die Analogie der Vorschriften im A r t 226 zur Anwendung. A r t . 374. Findet der Einzelrichter die Sache von der Beschaffenheit, dass die zu erkennende Strafe eine sechswöchentliche Gefängnissstrafe oder verhältnissmäs6ige Geldstrafe nicht (Ibersteigen würde, so hat er die Sache weiter zu erledigen. 25«
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Ist dieselbe bereit« durch die Vorvcrhandlung soweit erörtert, dass sie spruchreif ist, sind insbesondere keine weiteren Beweise zu erheben, so fällt er sofort noch in dem Termine zur Vorverhandlung das Erkenntnis«. Sind dagegen noch weitere Beweise zu erheben, so hat er einen Gerichtstag zur Hauptverhandlung anzusetzen und dazu den Ankläger bei Verlust seiner Anklage, den Angeklagten mit Bedrohung, dass auch in seiner Abwesenheit weiter verhandelt werde, und die etwa als Beweismittel angegebenen Zeugen und Sachverständigen, unter Beobachtung der Vorschrift im Art. 2 1 6 vorzuladen. Erscheint der Ankläger weder selbst noch durch einen Bevollmächtigten in dem Gerichtstage, so wird ohne weitere Verhandlung von dem Einzelrichter auf Verlust der Anklage erkannt. Erscheint er, so wird nach kurzem Vortrage der Anklage und der Vorverhandlungen zur Aufnahme der Beweismittel geschritten; Zeugen und Sachverständige werden „abgehört: Urkunden, welche noch nicht in der Vorverhandlung vorgelegt wurden, werden nunmehr vorgelegt und der Angeklagte zur Erklärung darüber, wie Art. 3 7 3 vorschreibt, aufgefordert. Darauf folgen die Ausführungen der Parteien' und die Fällung des Urtheils durch den Einzelrichter. I s t der Angeklagte weder selbst noch durch einen Bevollmächtigten erschienen, so geht die Verhandlung nichts desto weniger vor sich. Es trifft denselben aber der Nachtheil, dass von ihm anzuerkennende Urkunden für anerkannt geachtet werden. Ladet der Einzelrichter sofort auf die Anklage beide Parteien auf einen Gerichtstag zur Hauptvcrhandlung vor, so muss die Ladung bei Strafe der Nichtigkeit, so wie die Ladung zur Vorverhandlung eingerichtet werden (Art. 3 7 2 ) und zugleich werden die angegebenen Zeugen und Sachverständigen, wie Art. 2 1 6 geordnet ist, vorgeladen. In dem Termine wird, wie im Art. 3 7 3 und m den Absätzen 4 und 5 geordnet, verfahren, und es finden die daselbst getroffenen Bestimmungen auf beide Parteien ihre Anwendung. Wenn bei einer solchen Verhandlung der Richter eine Erhebung von Beweismitteln für erforderlich hält, welche von dem Angeklagten, oder zur Replik von dem Ankläger im Termine angegeben worden sind, so ist die Hauptverhandlung zu vertagen. Das aber die Hauptverhandlung aufzunehmende Protokoll soll die im Art. 2 6 2 angegebenen Erfordernisse haben. Der darin kürzlich angegebene Inhalt der Vernehmungen der Zeugen und Sachverständigen soll den Anwesenden vorgelesen werden. Bei Versäumnissen des Gerichtstages durch die Parteien gelten die Vorschriften im Art. 2 2 6 . Im Allgemeinen sind hier die für das Verfahren vor den Einzelrichtcru überhaupt aufgestellten Regeln, namentlich auch über die Rechtsmittel gegen deren Entscheidungen, anzuwenden (Art. 3 4 5 — 3 4 8 ) . Der Richter hat das Recht, die Parteien unter den gesetzlichen Verwarnungen zum persönlichen Erscheinen auch in der Hauptverhandlung zu laden. A r t . 3 7 5 . Hält der Einzeb-icbter nach dem Schlüsse der Vorverhandlung (Art. 3 7 3 ) dafür, dass die zu erkennende Strafe eine sechswöchentliche Gefängnissstrafe oder vcrhältnissmässige Geldstrafe übersteigen würde, so sendet er die Acten an das Kreisgericht zur weiteren Erledigung der Sache ein. Giebt dieses die Sache au ihn zurück, weil es nur eine geringere Strafe für gerechtfertigt hält, so hat sich der Einzelrichter der weiteren Erledigung, wie Art. 3 7 4 bestimmt, zu unterziehen. Im entgegengesetzten Falle setzt das Kreisgericht, wenn es die Sache nicht wegen eines Ungehorsams der Parteien bei der Vorverhandlung zu einer sofortigen Entscheidung geeignet findet, einen Gerichtstag zur Hauptverhandlung an, wobei rücksichtlich der Vorladungen und sonst verfahren wird, wie Art. 3 7 4 bei dem Verfahren vor dem Einzelrichter vorschreibt. Sind in der Sache keine Beweise zu erheben, so werden bei der Hauptver-
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bandhing, nach erstattetem Vortrage der Anklage nnd der Vorverhandlungen, sofort die Parteien mit ihren Ausführungen gehört und darauf da« Urtheil gefällt Ueber die Oeffentlichkeit der Hauptverhandlung, die Urtheilsfällnng und die Rechtsmittel gelten die Vorschriften aber die vor die Kreisgerichte gehörigen Sachen. Werden von den Parteien oder Zeugen Ehrenkränkungen in einem Termine ausgestossen, so können dieselben auf Antrag des Verletzten sofort abgeurtheilt werden, sofern sie die Zuständigkeit des Einzelrichters nicht abersteigen (s. übrigens Art. 269). A r t 376. Sowohl der Einzelrichter (Art 374), als das Kreisgericht (Art 375) ist befugt, die Entscheidung Ober den ^tatsächlichen Beweis einer Beleidigung oder Verleumdung von einem Eide des Angeschuldigten oder des Privatankl&gers abhängig zu machen. Mit Abnahme dieses Eides ist bis nach eingetretener Rechtskraft des Erkenntnisses Anstand zu nehmen. Zur Eidesleistung selbst ist der Schwurpflichtigc unter der Verwarnung vorzuladen, dass bei seinem Ausbleiben der Eid für verweigert gelten soll. Bei einem Versäumnisse des Schwurpflichtigen gilt A r t 226. Erscheint der Gegner in dem Schwörungstermine nicht, so trifft ihn kein Rechtsnachtheil. Bei den Kreisgerichten wird der Termin in öffentlicher Sitzung abgehalten. Das etwa ausgesetzt gewesene endliche Erkenntnis« ist in diesem Termine zu ertheilen. A r t 377. Geständniss, Eid oder Eidesverweigerung (Art. 376) begründen in Ehrenkränkungssachen vollständigen Beweis der dabei in Frage stehenden Thatsachen nach den Regeln des Civilprocesses. Auch über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz und in der Instanz der Rechtsmittel ist nach den Regeln des Civilprocesses zu entscheiden. Anwaltskosten werden in erster Instanz nur erstattet 1. für die Anklageschrift; 2. für Terminsabwartungen und Vollmachtsausfertigungen, wenn die vertretene Partei nicht am Sitze des Gerichts wohnt und nicht persönlich erscheint.
XIII. S a c h s e n - A l t e n b u r g . Str&fproceu-Ordnnag mit E i n f t h r u n g s - P a t e n t vom 27. F e b r u a r 1854. Zum Behuf zeitgemftsser Umgestaltung des Strafverfahrens haben Wir eine Strafprocess-Ordnung auf der Grundlage der Mündlichkeit und Oeffentlichkeit mit Staatsanwaltschaft und eine Gebührentaxe für die Verhandlungen in Strafsachen zu erlassen beschlossen. Mit Zustimmung getreuer Landschaft bringen Wir beide andurch als allgemeine Landesgesetze zur öffentlichen Kenntniss und bestimmen zugleich über deren Anwendung Folgendes: A r t . 1. Von dem Tage an, an welchem die Strafprocess-Ordnung und die Gebührentaxe in gesetzliche Kraft treten, sind alle bis dahin gültig gewesenen
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gesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren und das Liquidiren von Gebühren und Verlägen in Strafsachen, namentlich auch das Gesetz, die Sicherstellung der Abgeordneten gegen persönliche Haft ctc. betr., vom 23. November 1848 aufgehoben, insofern nicht zu Folge der nachstehenden Anordnungen oder der in der Strafprocess-Ordnung und der GebQhrentaxe selbst enthaltenen Vorschriften eine Ausnahme stattfindet. Der T a g , an welchem die Strafprocess-Ordnung und die Gebühren tax« in gesetzliche Kraft treten, wird von Unserem Ministerium durch eine besondere Verordnung öffentlich bekannt gemacht werden. A r t . 2. Neben der Strafprocess-Ordnung bleiben auch ferner in GQltigkeit die gesetzlichen Bestimmungen: 1. über die Anklagen gegen die verantwortlichen Glieder des Ministeriums wegen verfassungswidrig ertheilter oder gegengezeichneter Befehle; 2. über die Disciplinarstrafgewalt und das Disciplinarverfahren gegen öffentliche — weltliche und geistliche — Beamte und Diener und sonst in öffentlicher Pflicht stehende Personen; 3. über die Strafbefugniss und das Verfahren bei Verletzungen der vor Behörden und bei öffentlichen Anstalten bestehenden Ordnung und Disciplin; 4. über die Militärstrafgerichtsbarkcit und das Militärstrafverfahren; 5. alle Gesetze, Verordnungen und Instructionen, welche in den verschiedenen Zweigen der Hof-, Staats-, Kirchen-, Schulen- und Gemeindeverwaltung, ingleichen des Post-, Innungs- und Gewerbswesens Strafbefugnisse begründen und Vorschriften über das Strafverfahren enthalten, soweit sie nicht mit den Bestimmungen dieses Publicationspatents iu unmittelbarem Widerspruche stehen. A r t . 3. Die Strafprocess-Ordnung und die Gebührentaxe treten von dem Tage an, mit welchem sie nach Art. 1. in Kraft treten, auch rücksichtlich der vor diesem Tage begangenen Verbrechen oder Vergehen, und zwar uneingeschränkt dann in Wirksamkeit, wenn das Strafverfahren wegen eines solchen Verbrechens oder Vergehens am gedachten Tage noch nicht begonnen hat. Für begonnen ist das Strafverfahren zu achten, sobald von dem zuständigen Gerichte irgend ein Schritt zur Einleitung der Untersuchung geschehen ist. Vorliegende Anzeigen wegen Verbrechen, auf welche ein solcher Schritt noch nicht geschehen ist, sind sofort an die betreffenden Staatsanwälte oder Privatankläger, derartige Anzeigen wegen Vergehen aber an den Einzelrichter abzugeben. A r t . 4. Die vor dem Tilge, mit welchem die Strafprocess-Ordnung und die Gebührentaxe in Kraft treten, begonnenen Untersuchungen, welche dem provisorischen Gesetz, die Einführung von Schwurgerichten bei Aburtheilung von politischen und Pressvergehen betreffend, vom 24. März 1849 unterfallen, werden in das neue Strafverfahren übergeleitet. Die Acten werden an das nunmehr zuständige Gericht abgegeben; ein etwa vorliegendes, die Versetzung in den Anklagestand aussprechendes Erkenntniss wird als nicht vorhanden betrachtet; die Untersuchung tritt, mag ein solche« Erkenntniss vorliegen oder nicht, in den Stand der Voruntersuchung zurück. Von dem nunmehr [zuständigen Gerichte werden die Acten, wenn es sich um ein Verbrochen handelt, dem Staatsanwälte zur Stellung etwaiger Anträge vorgelegt. Die Erledigung aller übrigen zur Zeit, wo die Strafprocess-Ordnung in Kraft tritt, bereits begonnenen Untersuchungen geht von den Justizbehörden, wo sie anhängig sind, bei V e r b r e c h e n an das zuständige Criminalgericht, bei V e r g e h e n auf den zuständigen Einzelrichter über. Diese Erledigung wird alsdann in folgender Weise vermittelt: 1. Ist die begonnene Untersuchung zum Enderkenntniss noch nicht geschlossen, oder mindestens dasselbe noch nicht gefällt worden, so wird die Untersuchung nach den Vorschriften der neuen Strafprocess-Ordnung weiter behandelt. Zu diesem Behufe sind bei V e r b r e c h e n die Untersuchungsacten dem Staatsanwälte
Strafprocess-Ordnung vom 27. Februar 1854.
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oder Privatankläger zur Stellung seiner Anträge vorzulegen; bei V e r g e h e n dagegen hat der Einzelrichter das Weitere processordnungsmässig zu verfügen. 2. Ist bereit« in solchen Untersuchungen das erstinstanzliche Enderkenntniss gefällt worden, oder schwebt die Untersuchung schon in der Rcchtsmittelinstanz, oder ist die Rechtsmittelinstanz bereits erschöpft, so wird die Untersuchung sowohl rücksichtlich des weiteren Verfahrens und der etwaigen Entscheidungen in den Rechtsmittelinstanzen, als auch rücksichtlich der Strafvollstreckung nach dem früheren Rechte zu Ende geführt, nur mit der einzigen Abänderung, dass bei V e r g e h e n aber das Rechtsmittel der Appellation gegen ein von einem Untergerichte gefälltes erstinstanzliches Erkenntniss statt des Appellationsgerichts das zuständige Criminalgericht zu entscheiden hat. A r t . 5. Die Wiederaufnahme einer nach dem älteren Rechte durch ein freisprechendes oder verurtheilendes Erkenntniss erledigten Untersuchung kann von dem Tage an, mit welchem die Strafprocess-Ordnung in Kraft tritt, nur nach den Vorschriften derselben stattfinden. Wenn nur eine Entbindung von der Instanz erfolgt ist, kann in Untersuchungen wegen Verbrechen der Staatsanwalt, und wenn dieselben nur auf Antrag des Betheiligten zu führen gewesen und geführt worden waren, der Betheiligte eine Wiederaufnahme der Untersuchung beantragen, wenn er neue Beweismittel beibringt, welchc entweder schon vorhandene Verdachtagründe verstärken oder neue solche Gründe darbieten; der Einzelrichter dagegen hat unter gleichen Voraussetzungen bei Vergehen von Anitswegcn oder bezüglich auf Antrag des dazu Berechtigten die Wiederaufnahme der Untersuchung zu verfügen. Urkundlich haben Wir dieses Patent eigenhändig vollzogen und solches mit Unserem herzoglichen Insiegel bedrucken lassen.
Erstes CapMel. Allgemeine Bestimmungen. A r t . 1. Eine Bestrafung wegen Verbrechen und Forstpolizei vergehen kann nur nach vorgängigem Strafverfahren, in Gemässheit der gegenwärtigen Strafprocess-Ordnung, eintreten (vgl. jedoch Publicutionspatent zu (lieser StrafprocessOrdnung Art. 3 ff.) A r t . 2. Die Verbrechen werden in Rücksicht auf das Strafverfahren in Verbrechen im engeren Sinne und Vergehen eingetheilt. I. V e r b r e c h e n im e n g e r e n S i n n e , welche in nachfolgenden Gesetzesbestimmungen vorzugsweise „Verbrechen" genannt werden, sind: 1. alle criminell strafbaren pressgesetzwidrigen Handlungen ohne Rücksicht auf Art und Grösse der Strafen; 2. alle Verbrechen, welche nicht zu den Vergehen (siehe unten I I ) gehören. Diese unter 1 und 2 erwähnten Verbrechen werden wiederum eingetheilt in: A. V e r b r e c h e n e r s t e r C l a s s e ; zu denen alle diejenigen Verbrechen gehören, welchc mit mehr als vierjährigem Arbeitshaus, mit Zuchthaus- oder Todesstrafe bedroht sind, mit Ausnahme jedoch aller nach Art. 223 und 240 des Criniinalgesetzbuches zu bcurtheilenden, resp. im Rückfalle verübten einfachen Diebstähle, sowie aller mit der Strafe des einfachen Diebstahls bedrohten einfachen betrügerischen Handlungen und Veruntreuungen. B. V e r b r e c h e n z w e i t e r C l a s s e ; zu welchen alle übrigen Verbrechen im engeren Sinne zu rechnen sind. I I . V e r g e h e n sind: 1. alle Verbrechen, welche nach einem Strafsatz von höchstens sechs Wochen Gefängnis», allein oder wahlweise mit verhältnissmässiger Geldstrafe zu bestrafen oder, jedoch mit Ausnahme der im Cap. 17 des Crimiualgesctzbu-
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che» aufgeführten Verbrechen, mit Geldstrafe allein bedroht sind (siehe jcdoeh I. 1); 2. Forstpolizeivergehen gegen §. 13 bis §. 24, verglichen mit §. 26 des Gesetzes zum Schutze der Holzungen etc., vom 19. Januar 1849; 3. Ehrenkränkungen unter den Einschränkungen, welche in Art. 330 ff. näher bestimmt sind; 4. die im Art. 132 Ziff. 1 und A r t 138 des Criminalgesetzbuches gedachten Körperverletzungen; 5. der Verwandtendiebstahl und die Entwendung von Victualien (Art. 237, 238 des Criminalgesetzbuches), sowie die in Art. 244, 245 Schlusssatz des Criminalgesetzbuches bezeichneten Veruntreuungen und betrügerischen Handlungen, insofern der Betrag des Gegenstandes aller dieser Vergehen fünf Thaler nicht übersteigt; 6. die in Art. 250 und 252 des Criminalgesetzbuches erwähnten Fälschungen. Hinsichtlich der Defraudationen von Zöllen, Steuern und anderen Staatsabgaben, Wege- und Gemeindeabgaben verbleibt es bei den zeitherigen gesetzlichen Bestimmungen. Tritt bei solchen Defraudationen gerichtliches Verfahren ein, so sind dieselben, sofern sie mit Geldstrafen bedroht sind, oder, wenn deren Strafe nach dem Ermessen des Criminalgerichts und des Staatsanwalts 6 Wochen Gefangniss nicht übersteigt, als Vergehen, ausserdem und, wenn auf Gcwerbsentziehung zu erkennen ist, als Verbrechen zu behandeln. Sofern nach dem Vorstehenden Strafsätze entscheidend sind, kommt es nicht auf die für den vorliegenden Fall selbst zu erkennende Strafe, sondern auf den Strafsatz an, dem das einzelne in Frage stehende Verbrechen, oder auch mehrere ihrem Betrage nach zusammenzurechnende Verbrechen nach dem Gesetze, oder bei Defraudationen (siehe vorstehendes Alinea) und bei Ehrenkränkungen (siehe Art. 330) nach dem Ermessen des Criminalgerichts und des Staatsanwalts unterliegen. Da-, bei soll die Möglichkeit, dass wegen Rückfalls der höchste gesetzliche Strafsatz überschritten werden oder wegen Milderungsgründen unter den niedrigsten gesetzlichen Strafsatz heruntergegangen werden kann, nicht berücksichtigt werden: ausgenommen den Rückfall in denjenigen Fällen, wo in dem besonderen Theil des Strafgesetzbuches seinetwegen ein besonderer Strafsatz aufgestellt ist (s. Art. 240 und 306 des Criminalgesetzbuches). (Vergl. oben sub I. A.) Sind bei der gleichen Theilnahme an einem Verbrechen für die einzelnen Theilnehmer verschiedene gesetzliche Strafsätze aufgestellt, so ist der höhere Strafsatz für die Stellung des ganzen Verbrechens rücksichtlich aller gleichen Theilnehmer entscheidend, auch wenn der nach dein höheren Strafsatz zu Bestrafende nicht mit in der Untersuchung begriffen ist. Der Versuch, ungleiche Theilnahme und die Begünstigung richten sich nach dem Hauptverbrechen, gleichviel, ob der Ilauptvcrbrecher mit in der Untersuchung begriffen ist oder nicht. A r t . 3. Das Strafverfahren zerfallt in die Voruntersuchung und Hauptverhandlung. Die Voruntersuchung hat die Existenz und Natur des Verbrechens, sowie die Person des Thätcrs und die zu seiner Ueberführung dienenden Beweismittel soweit zu erforschen, dass entweder eine Anklage begründet und die Hauptverhandlung vorbereitet, oder der Ausspruch herbeigeführt werden kann, dass ein Grund zu weiterer gerichtlicher Verfolgung nicht vorliege. Genügen zur Vorbereitung der Hauptverhandlung schon die von der Staatsanwaltschaft durch Beamte der Untergerichte oder Polizeibcamte veranlassten Ermittelungen, so kann auf den Grund solcher Ermittelungen ohne Voruntersuchung, und ohne dass es einer vorgängigen Vorlegung der aufgenommenen Verhandlungen an das Criminalgcricht zur Prüfung ihrer Vollständigkeit bedarf, die sofortige Erhebung der Anklage erfolgen (siehe Art. 176). Ist der Angeschuldigte in den Anklagestand versetzt, so wird zur Hauptver-
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handlung vor dem erkennenden Bichtor geschritten, welche mit einem verurtheilendeo oder freisprechenden Erkenntnis* schliesst Bei Vergehen wird die Voruntersuchung und Hauptverhandlung vereinigt (•. jedoch A r t 301 ff.). A r t . 4. Die Voruntersuchung und mit ihr die Hauptverhandlung wird bei V e r g e h e n von Amtswegen, oder hinsichtlich der nur auf Antrag eines Betheiligten zu untersuchenden Vergehen auf Antrag eines Privatanklägers eingeleitet In der Untersuchung wegen Vergehen steht der Staatsanwaltschaft eine Th&tigkeit nicht zu, mit Ausnahme der in Art. 36 und 183 gedachten Concnrrenz der Verbrechen und Vergehen. Die Voruntersuchung bei V e r b r e c h e n dagegen wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines Privatanklägers und die Hauptverhandlung bei V e r b r e c h e n lediglich auf förmliche Anklage durch einen Staatsanwalt oder Privatankläger eingeleitet Regelmässig werden alle Verbrechen durch die Staatsanwaltschaft von Amtswegen verfolgt. Ausgenommen sind diejenigen Verbrechen, welche nach Vorschrift der Strafgesetze nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht und bestraft werden sollen. Bei diesen Verbrechen tritt die Staateanwaltschaft nur, wenn der Betheiligte einen Antrag gestellt hat, in Wirksamkeit, oder der Betheiligte selbst verfolgt das Verbrechen als Privatankläger (Art 29 dritter Satz). Unter den Betheiligten sind in dem gegenwärtigen Gesetze immer sowohl die unmittelbar, als die mittelbar Betheiligten und die Dienst- oder Aufsichtsbehörden, welche zu einem Antrage berechtigt sind, zu verstehen. A r t 5. Das Strafverfahren ist mQndlich und mit Niederschriften verbunden. Die Voruntersuchung ist nicht öffentlich; die Hauptverhandlung ist regelmässig öffentlich. A r t . 6. Alle in dem Strafverfahren thätige Behörden haben mit gleicher Sorgfalt die zur Ueberffihrung und die zur Verteidigung des Angeschuldigten dienenden Umstände zu berücksichtigen. A r t 7. Privatrechtliche Ansprache aus Vergehen und Verbrechen sind auf Antrag des Beschädigten im Strafverfahren mit zu erledigen, wenn nicht die N o t wendigkeit weiterer Ausführung eine Verweisung derselben vor die Civilgerichte angemessen erscheinen lässt A r t . 8. Fristen, welche in dem gegenwärtigen Gesetz geordnet und von einem bestimmten Tag an vorwärts oder rückwärts bestimmt sind, werden so berechnet, dass jener Tag nicht mitgezählt wird; auch sind die für den Angeschuldigten oder Angeklagten, für dessen Vertheidiger, für Betheiligte bei der Untersuchung und für den Staatsanwalt gesetzten Fristen ausschliessend und können nicht verlängert werden; vorbehaltlich jedoch der weiter unten folgenden abweicheoden" Bestimmungen in einzelnen Fällen.
Zweites Capilel. Von den Gerichtsbehörden in Strafsachen. I.
Einzelrichter.
A r t 9. Die Untersuchung und Bestrafung der Vergehen gehört vor die Justizäroter (Stadtgerichte), bei welchen diese Thätigkeit durch denjenigen Beamten, welchem dieser Geschäftskreis vorzugsweise zugewiesen ist, Einzelrichter — und erst dann, wenn der Letztere behindert ist, durch einen anderen, von dem Oberbeamten dazu bestimmten Beamten des Justizamts ausgeübt wird. II. Criminalgerichte. A r t . 10. Die Criminalgerichte entscheiden bei Vergehen in höherer Instanz über den Einzelrichtern. Sie führen bei Verbrechen die Voruntersuchung und fällen das Erkenntniss über die Versetzung in den Anklagestand (Verweisungser-
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Sachsen-Altenbnrg.
kenntniss), sowie über das Rechtsmittel des Recnrses nach Art. 79 dergestalt, dass das eine der beiden in dem Herzogthume Sachsen-Altenburg bestehenden Criminalgerichte diese Entscheidung über die bei dem anderen Criminalgerichte vorgekommenen Voruntersuchungen zu fällen hat. Die Ilauptverhandlung wegen der Verbrechen zweiter Clause wird vor ihnen vorgenommen und sie entscheiden über deren Ergebnisse in erster Instanz. A r t . 11. Ein Criminalgericht besteht aus dem Criminalgerichtedirector als Vorsitzendem nnd aus Assessoren. Als Criminalgerichtsasscssoren können zur Vervollständigung des Gerichts in einzelnen Fällen Ergänzungsrichter gebraucht werden, welche aus den zum Richteramte befähigten Personen und den angestellten Sachwaltern zu nehmen sind. D a s Ministerium hat nach gutachtlichem Vorschlag des Appellationsgcrichto zu diesem Bchufe geeignete Personen auszuwählen, welche als Ergänzungsrichter mittelst des Richtereides zu verpflichten sind. Der Criminalgerichtsdirector zieht sodann erforderlichen Falls bei einzelnen Verhandlungen einen oder mehrere Ergänzungsrichter, welche sich in dem Sprengel des Criminalgerichts aufhalten, zu. E r hat sich dabei zunächst an die Ergänzungsrichter am Ort, wo das Gericht seinen Sitz hat, zu halten. Das Amt eines Ergänznngsricliters kann von einem Sachwalter nicht ohne triftige Abhaltungsgründe ausgeschlagen werden. A r t . 12. Der Crhninalgerichtsdircctor bestimmt sich oder ein anderes Mitglied des Criminalgerichts als Untersuchungsrichter für j e d e einzelne Voruntersuchung. Der Untersuchungsrichter hat diese unter Theilnahme des Criminalgerichts in dem weiter unten geordneten Masse zu führen. Nach Befinden können Ergänzungsrichtern und den zum Criminalgerichtsbezirk gehörigen Einzelrichtern Voruntersuchungen und einzelne Geschäfte derselben übertragen werden. A r t . 13. Das Criminalgericht beschliesst und entscheidet als Collegium durch mindestens drei Personen. Vor dem in dieser Weise besetzten Gericht ist namentlich die Hauptvcrhandlung bei Verbrechen zweiter Classe abzuhalten. Hinsichtlich der Abstimmung gelten überall die Bestimmungen im Art. 2 3 9 . Einzelrichter und Untersuchungsrichter sind fähig, in den von ihnen geführten Untersuchungen als Mitglieder des Collegiums thätig zu sein; ausgenommen in den Fällen, in denen das Criminalgericht über ihre Verfügungen, EnUchliessungen und Entscheidungen zu beschliesscn und zu entscheiden hat. Unfähig zu solcher Thätigkeit sind Ergänzungsrichter in Sachen, worin sie als Sachwalter betheiligt gewesen sind. A r t . 14. Der Criniinalgcrichtsdirector bestimmt aus den Mitgliedern des Criminalgerichts mit Einschluss der Ergänzungsrichter den Präsidenten und die Beisitzer des Gerichts der Ilauptverhandlung, welchem er auch den Gerichtschreiber oder Protokollführer beizugeben hat. Auch hat derselbe, wenn die Hauptvcrhandlung eine längere Dauer erwarten lässt, den Beisitzern des Gerichts der Hauptvcrhandlung einen oder mehrere Ersatzrichter beizugeben, damit diese in Verhinderungsfällen sofort ergänzend eintreten. Ist der Präsident des Gerichts der Hauptvcrhandlung selbst in der L a g e , sein Amt nicht verwalten zu können, so tritt derjenige Beisitzer dieses Gerichts, welcher zugleich Mitglied des Criminalgerichts ist, wenn mehrere Mitglieder des letzteren Beisitzer sind, der älteste derselben an sciue Stelle, und es ist im Uebrigen das Gericht durch einen Ersatzrichter zu ergänzen. I s t keiner der Beisitzer ordentliches Mitglied des Criminalgerichts, so hat der Criminalgerichtsdirector den Vorsitz im Gericht der Hauptverhandlung zu übernehmen. I I I . Gerichtshof. A r t . 15. Die Hauptvcrhandlung bei Verbrechen erster Classe wird vor einem besonders zu bildenden Gerichtshof vorgenommen. Die Urtheilsfällung er-
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folgt durch denselben in erster Tristan» auf Grand der Ergebnisse der Hanptverhandlung. Das Herzogthum Sachsen-Altenburg bildet Einen Gerichtshofbezirk. Der Gerichtshof hat seinen Sita in Altenburg, seine Sitzungen hllt er an dem Sitze eines der beiden Criminalgerichte ab, vorbehaltlich der Bestimmung eines anderen Ortes in ausserordentlichen Fällen durch den Präsidenten des Appellationsgerichts. Der Letztere hat spätestens vierzehn Tage vor dem Beginn einer öffentlichen Sitzung des Gerichtshofs den Zusammentritt desselben durch Anschlag an dem Gerichtsbret der Criminalgerichte und in geeigneten öffentlichen Büttern bekannt zu machen. Der Gerichtshof besteht ans einem Präsidenten und vier Beisitzern. Der President des Appellationsgerichte wählt den Präsidenten des Gerichtshofes aus den Mitgliedern des Appellationsgerichts; er kann auch unter Genehmigung des Ministeriums einen andern richterlichen Beamten zum Präsidenten wählen. Zu Beisitzern ernennt der Präsident des Appellationsgerichts Mitglieder dieses Gerichts oder der Criminalgerichte, Einzelrichter oder Eigänzungsrichter. Wer in einer Sache Untersuchungsrichter gewesen ist, kann für dieselbe auch Mitglied des Gerichtshofs sein. Die Namen der erwählten Mitglieder des Gerichtshofs sind in der wegen des Zusammentritts des letzteren zu erlassenden Bekanntmachung mit zu veröffentlichen. Der Präsident des Appellationsgerichte bestimmt auch den dem Gerichtshof beizugebenden Gerichtsschreiber oder Protokollführer. Der Präsident des Gerichtshofs erlässt die Ladungen an die Bctheiligtcn bei den Untersuchungen, welche vor dem Gerichtshof verhandelt werden sollen, ordnet die Herbeischafiung der Beweisstücke und sonst alles für die Haltung des Gerichts Erforderliche an. E r bestimmt die Reihenfolge der einzelnen Hauptverhandlungen, sofern mehrere Untersuchungen nach einander verhandelt werden, und macht sie vor dem Beginne der Sitzungen durch Anschlag in dem Sitzungssaale des Gerichtshofes bekannt. Der Präsident des Gerichtshofes ist befugt, die Leitung der Hauptverhandlung in einzelnen Untersuchungen einem Beisitzer an seiner Stelle zu übertragen. Bei Verhinderung einzelner Beisitzer ist er berechtigt, an deren Stelle Ersatzrichter beizuziehen, welche er zunächst aus Mitgliedern eines Criminalgerichte zu nehmen hat. Bei Hauptverhandlungen, welche voraussichtlich längere Zeit dauern werden, kann der Präsident des Appellationsgerichts vorsorglich zu den vier Beisitzern des Gerichtshofs einen oder mehrere Ersatzrichter hinzuwählen, damit diese in Verhinderungsfällen sofort ergänzend eintreten. Die Wahl der Ersatzrichter ist gleichfalls in die Bekanntmachung über den Zusammentritt des Gerichtehofs aufzunehmen. Ist der Präsident des Gerichtshofs selbst in der Lage, sein Amt nicht verwalten zu können, so tritt derjenige Beisitzer des Gerichtshofs* welcher zugleich Mitglied des Appellationsgerichts ist, und wenn mehrere Mitglieder dieses Gerichts Beisitzer sind, der älteste derselben an seine Stelle und es ist im Uebrigen der Gerichtshof durch einen Ersatzrichter zu ergänzen. Ist keiner der Beisitzer zugleich Mitglied des Appellationsgerichte, so hat der verfügbare nächste Beisitzer den Vorsitz im Gerichtshof zu übernehmen. IV. Appellationsgericht. A r t . 16. Das Appellationsgericht entscheidet durch wenigstens drei Mitglieder über das Rechtsmittel der Appellation gegen Verweisungserkenntnisse in den im Art. 189 1 und 2 erwähnten Fällen, jedoch im letzteren Falle nicht, wenn es Bich um ein Verbrechen erster Classe handelt (siehe auch Art. 17), gegen Ender-
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Sachse n-Altenbarg.
kenntnisse in Untersuchungen wegen Verbrechen zweiter Classe in allen Füllen (siehe Art. 272 ff.) und ausnahmsweise auch gegen Enderkenntnisse über-Verbrechen erster Classe, wenn das aus dem Criminalgericht gebildete Gericht der Hauptverhandlung Aber dieselben nach A r t 241 und 242 zu erkennen gehabt hat, sowie ttber Appellationen wegen Ungehorsamsstrafen (siebe Art. 210) and wegen Feststellung der Kosten (siehe Art. 3 2 9 ) , fiber Ablehnung von Mitgliedern der Criminalgerichte (siehe Art. 49), endlich Aber Competenzstreitigkeiten zwischen Einzelrichtera unter verschiedenen Criminalgerichten und zwischen den Criminalgerichten selbst (Art. 43) und Ober Nichtigkeitsbeschwerden in Untersuchungen wegen Vergehen (s. Art. 304 in fine). V.
Oberappellationsgcricht.
A r t 17. Das Oberappellationsgericht entscheidet aber das Rechtsmittel der Appellation gegen Verweisungserkenntnisse in Untersuchungen wegen Verbrechen erster Classe im Falle des Art. 189 Nr. 2, sowie gegen Enderkenntnisse des Gerichtshofs (Art. 272 in fine), über Nichtigkeitsbeschwerden in Untersuchungen wegen Verbrechen (s. Art. 260 ff.) und über die Ablehnung von Mitgliedern des Appcllationsgerichts (s. A r t 49). Bei öffentlichen Verhandlungen vor dem Oberappellationsgericht muss es wenigstens mit fünf Mitgliedern besetzt sein. VI.
Ministerium.
A r t . 18. Das Ministerium, ingleichcn das Justizministerium des Inspcctionshofs des Oberappellationsgerichts entscheiden nur in den ihnen besonders vorbchaltenen Fällen. VII.
Nebenpersonen bei den Gerichtsbehörden in Strafsachen.
A r t . 19. Die Gerichtsbehörden in Strafsachen müssen mit den erforderlichen Nebenpersonen versehen sein. Gerichtschreiber oder Protokollführer mUssen zur Führung der Protokolle beeidigt sein. VIII.
Verhältnis» anderer Behörden.
A r t . 20. Die Polizeibehörden haben, mit Einschluss der Gensd'armerie, den Vergehen und Verbrechen aller Art, sofern sie nicht blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, nachzuforschen und die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zur Aufklärung der Sache, zur Verhütung der Flucht des Th&ters und der Verwischung der Spuren des Verbrechens zu treffen. Auch können sie die in Art. 91, 123, 124, 136 ff. gedachten Handlungen, falls Gefahr auf dem Verzuge ist, unaufgefordert vornehmen, sie müssen jedoch ihre diesfallsigen Verhandlungen sofort dem zuständigen Staatsanwalt oder Gericht zur weitern Entschliessung mittheilen, deren Aufforderungen sie hier, wie überall, nachzukommen haben. A r t . 21. Di«! Gerichtsbehörden in Strafsachen haben die Befugniss, wenn Gefahr im Verzuge ist, die bewaffnete Macht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde, zum Beistand aufzufordern. Dritte» C apitel. Von der Staatsanwaltschaft und dem Privatankläger. I.
Personal der Staatsanwaltschaft.
A r t . 22. Für jedes Criminalgericht wird ein Staatsanwalt und bei dem Oberappellationsgericht, da nöthig, ein Generalstaatsanwalt angestellt. Die Mitglieder der Staatsanwaltschaft müssen zum Richteramte befähigt sein. Erforderlichen Falls können zu dem Richteramte befähigte oder wirklich schon in
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einem Bichteramte stehende Personen als sündige oder zeitige Geholfen von dein Ministerium den Staatsanwälten zor Stellvertretung nnd Geschäftsbesorgung beigegeben werden. II. Unterordnung der Staatsanwälte. A r t . 23. Zu dem Geschäftskreise der Staatsanwälte gehören alle Voruntersuchungen bei dem Criminalgericht, alle Hauptverhandlungen wegen Verbrechen, die Verhandlungen vor dem Appellationsgericht, und sofern sie nicht von einem Generalataatsanwalt geführt werden, vor dem Oberappellationsgericht. Sie sind innerhalb ihres Geschäftskreises der Aufsicht des Ministeriums untergeordnet, haben die erforderlichen allgemeineren Geschäftsberichte an dasselbe zn erstatten, auch in einzelnen Straffällen, wenn es sich um den Anfang oder die Einstellung einer Untersuchung, auch um einzelne Untersuchungsschritte handelt, und ihnen desfalls Zweifel beigehen, an dasselbe zu berichten und dessen Weisungen zu befolgen, Oberhaupt in allen Fällen den Weisungen des Ministeriums nachzukommen. Wegen Veraäumniss und Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften Seiten der Beamten der Staatsanwaltschaft ist von der betreffenden Gerichtsbehörde an das Ministerium Anzeige zur weitern Verfügung zu erstatten. A r t 24. Der Staatsanwalt und der Generalstaatsanwalt in Angelegenheiten, welche nur das Herzogthum S. Altenburg berühren, sind unmittelbar dem Ministerium, der Generalstaatsanwalt in allgemeineren geschäftlichen Verhältnissen dem Justizministerium des Inspectionshofs des Oberappellationsgerichts untergeordnet. Sie erstatten Vorträge an diese Ministerien und haben deren Anordnungen nachzugehen. III.
Amt»Verhältnis» der Staatsanwaltschaft im Allgemeinen.
A r t . 25. Die Beamten der Staatsanwaltschaft vertreten, ein jeder in dem ihm zugewiesenen Geschiftskreise, den durch das vorgekommene Verbrechen verletzten Staat. Sie haben bei allen zu ihrer Kenntniss kommenden Verbrechen, welche nicht blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, Amtshalber dafür zu sorgen, dass dieselben untersucht und bestraft werden, zugleich aber auch zu wachen, dass Niemand schuldlos verfolgt werde, jedoch haben sie das Becht nicht, im Interesse des Angeklagten Rechtsmittel einzulegen. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, alle ihr erforderlich scheinenden Anträge zu stellen, welche auf die Vorbereitung, Einleitung und Führung einer Untersuchung, auf die gerichtlichen Verfügungen und Beschlasse in derselben, Bezug haben. Anträge stellt sie schriftlich oder mflndlich. In gleicher Weise giebt sie Erklärungen aber Anträge und Beschwerden des Angeschuldigten oder anderer Personen und aber Anfragen des Gerichts ab. Den Berathungen eines Gerichts Uber Gegenstände, bei denen die amtliche Thätigkeit der Staatsanwaltschaft eintritt, mit Ausnahme der bei einer Hauptverhandlung und in der Rechtsmittelinstanz nach vorgängiger mfindlicher Verhandlung vorkommenden Berathungen kann der zuständige Beamte der Staatsanwaltschaft beiwohnen; vor der Abstimmung hat er sich zu entfernen. Die Beamten der Staatsanwaltschaft können innerhalb ihres Geschäftskreises von den Gerichten jeder Zeit Einsicht oder Mittheilung der Acten begehren, ohne dass jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf. A r t . 26. Die Staatsanwälte können bei einer Voruntersuchung die Unterstatzung der Polizeibeamten in dem weiter unten geordneten Masse in Anspruch nehmen. IV. Privatankläger. A r t . 27. Bei den auf Antrag des Betheiligten zu untersuchenden Vergeben hat der Betheiligte den Antrag unmittelbar bei dem zuständigen Justizamt zu stellen (s. Art. 9), bei Verbrechen dagegen, welche auch nur auf Antrag eines
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Betheiligten (Art. 4) untersucht and bestraft werden, hat der Betheiligte diesen Antrag bei dem zuständigen Staatsanwalt oder bei dem zuständigen Criininalgericht, welches denselben dann an den Staatsanwalt abzugeben hat, zu stellen. Haben mehrere Personen an dem Verbrechen Theil genommen oder dasselbe begünstigt, so soll der gegen einen Theilnehmer oder Begünstiger gestellte Antrag auch gegen die übrigen gelten. A r t . 28. Steht der Betheiligte unter Vormundschaft oder väterlicher Gewalt, so wird er durch seinen Vormund oder Hausvater, und wenn dieser selbst der Thäter sein sollte, durch einen ihm besonders zu bestellenden Vormund vertreten. Hat der Betheiligte das sechszehnte Jahr zurflckgelegt, und ist sonst willensföhig, so ist sein Vertreter nicht befugt, einen Antrag auf Untersuchung zu stellen, wenn der Betheiligte persönlich sich gegen die Stellung des Antrags erklärt. A r t . 29. Der an den Staatsanwalt gelangte Antrag ist von demselben zu prüfen, und wenn er ihn für begründet erachtet, verfahrt er weiter in derselben Weise wie bei Verbrechen, welche er von Amtswegen zu verfolgen hat. Findet er den Antrag nicht begründet, so kann er die gerichtliche Verfolgung verweigern; der Betheiligte kann aber hiergegen Becurs an das Ministerium ergreifen. Verweigert auch dieses die gerichtliche Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft, so steht dem Betheiligten frei, als Privatankl&ger aufzutreten, und die Sache selbst oder durch einen Anwalt vor Gericht zu verfolgen. Er hat dabei die Rechte und Befugnisse des Staatsanwalts, soweit nicht etwas Anderes geordnet ist (s. Art. 60, 91, 124, 132). Die Zurücknahme des Antrags auf Untersuchung Seiten des Privatanklägers ist an die Zustimmung des Staatsanwalts nicht gebunden. A r t 30. Bei Theilnahme Mehrerer an einem Verbrechen oder Vergehen und bei Begünstigungen von dergleichen, wobei nur rücksichtlich eines oder mehrerer derselben, nicht aber rücksichtlich aller ein Antrag des Bethciligten auf Untersuchung erforderlich ist, findet das strafgerichtliche Verfahre« von Amtswegen gegen diejenigen, bei welchen kein Antrag erforderlich ist, in gewöhnlicher Weise statt, auch wenn gegen die anderen Theilnehmer oder Begünstiger kein Antrag gestellt wurde.
Viertes Capltel. Von der Gerichtszuständigkeit in Strafsachen. I.
Einzelne Gerichtsstände.
A r t . 31. Die Untersuchung eines Verbrechens oder Vergehens ist in der Regel bei demjenigen Gericht zu führen, in dessen Bezirk dasselbe begangen worden ist. Gehört ein bestimmter Erfolg zu den Erfordernissen des Verbrechens oder Vergehens und tritt dieser in einem anderen Bezirke ein, als wo die strafbare Handlung begangen wurde, so entscheidet der Bezirk, in welchem die Handlung vorgenommen wurde. Gehören mehrere Handlungen zu dem Thatbestand eines Verbrechens oder "Vergehens und sie fallen in verschiedene Bezirke, so tritt das Gericht desjenigen Bezirks ein, in welchen die letzte jener Handlungen fällt. A r t . 32. Bei Verbrechen und Vergehen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, wird das Gericht des Wohnortes des Angeschuldigten, oder wenn er im Inland keinen Wohnort hat, das Gericht des Bezirks, worin er seinen Aufenthalt hat, an der Stelle des Gerichts des begangenen Verbrechens oder Vergehens ausnahmsweise dann zuständig, wenn der Betheiligte hinsichtlich
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der Vergehen bei dem Juatizamt, hinsichtlich der Verbreehen aber bei dem Criminalgericht, in dessen Sprengel der Wohnort oder Aufenthaltsort des Angeschuldigten gelegen ist, die Untersuchung beantragt hat. A r t . 33. Wenn eine strafbare Handlung im Anstände begangen wurde, ist hinsichtlich der Vergehen dasjenige Justizamt, hinsichtlich der Verbrechen dasjenige Criminalgericht zuständig, in dessen Sprengel der Wohnort oder in Ermangelung eines solchen der Aufenthaltsort des Angeschuldigten gelegen ist. Dasselbe Gericht ist zuständig, wenn der Ort des begangenen Verbrechens oder Vergehens ungewiss ist. Wird dieser vor der Versetzung in den Anklagestand noch ermittelt, so ist die Untersuchung an das Gericht des begangenen Verbrechens oder Vergehens zur Fortsetzung abzugeben, das bereits Verhandelte aber bleibt gfiltig. A r t . 34. Wo keiner der bisher erwähnten Gerichtsstände Platz greift, ist der Einzelrichter oder das Criminalgericht zuständig, in dessen Sprengel der Verbrecher bei dem Beginn der Voruntersuchung betroffen wird. II.
Zusammentreffen mehrerer Gerichtsstände.
A r t . 35. Ist die Gerichtsbarkeit am Ort des begangenen Verbrechens oder Vergehens streitig, oder ist das Verbrechen oder Vergehen auf der Grenze zweier Gerichtsbezirke begangen worden, oder hat Jemand mehrere Wohnorte oder Aufenthaltsorte, so wird unter den mehreren bei demselben Verbrechen oder Vergehen in Frage kommenden Gerichten dasjenige zuständig, welches dem anderen zuvorgekommen ist (s. jedoch Art. 44). A r t . 36. Hat Jemand mehrere Verbrechen oder Vergehen begangen, wegen welcher verschiedene gleichstehende Gerichte zuständig sind, so ist dasjenige Gericht, welches den anderen zuvorgekommen ist, auch in Ansehung der vor die anderen Gerichte gehörigen Verbrechen oder Vergehen vorzugsweise zuständig. Dies gilt auch dann, wenn der Angeschuldigte während des Ganges einer Untersuchung noch Verbrechen oder Vergehen begangen hat, wegen welcher andere Gerichte zuständig wären. Nur wenn der Angeschuldigte wegen Verbrechen bereits in Anklagestand versetzt ist, kann die Zuständigkeit des Gerichts nicht auf andere Verbrechen, welche erst nach der Versetzung in Anklagestand begangen wurden und vor andere Gerichte gehören, erstreckt werden. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Vergehen, wenn deshalb die Untersuchung bereits eingeleitet worden ist. Sind von dem Angeschuldigten Verbrechen und Vergehen begangen worden, so soll sich die Zuständigkeit des Criminalgerichts auch auf die Vergehen erstrecken; ausgenommen sind jedoch Untersuchungen wegen derjenigen Ehrenkränkungen, bei welchen das Art. 330 ff. geordnete Verfahren eintritt. Hinsichtlich der im Auslande begangenen und (s. Art. 2 des Criminalgesetzbuchs und §. 72 des Grundgesetzes) im Inlande zu bestrafenden Vergehen wird dasjenige Criminalgericht zuständig, welches wegen concurrirender Verbrechen zuständig ist. Bei allen Untersuchungen, welche durch einen Betbeiligten als Privatankläger (Art. 29) verfolgt werden, soll keine Art der in dem gegenwärtigen Artikel gedachten Erstreckungen des Gerichtsstandes Anwendung finden. Art. 37. Haben mehrere Personen an der VerÜbung eines Verbrechens oder Vergehens Theil genommen, so begründet die Zuständigkeit eines Gerichts aber den Hauptverbrecher auch die Zuständigkeit über die ungleichen Theilnehmer und Begünstiger, selbst wenn die Handlungen derselben in anderen Gerichtsbezirken verübt wordeh sind. Sind bei mehreren gleichen Theilnehmern verschiedene Gerichte zuständig, so wird das zuvorkommende Gericht über alle glciche Theilnehmer zuständig. Auch bei den Untersuchungen, welche blos auf Antrag geführt werden, finden die im gegenwärtigen Artikel festgesetzten Erstreckungen des Gerichtsstandes Anwendung (Art, 32).
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A r t 38. Unter mehreren Gerichten ist das zuvorkommende dasjenige, welches der Zeit nach zuerst von seiner Zuständigkeit gegen den Angeschuldigten durch Vorladung oder Vernehmung desselben in seiner Eigenschaft als Angeschuldigter oder durch Verhaftung oder Verfolgung desselben mittelst der Nacheile oder durch Steckbrief Gebrauch gemacht hat. A r t . 39. In allen Fällen, wo das Zuvorkommen den Ausschlag giebt, kann, wenn die Gerichtsbarkeit von Eizelnrichtern unter demselben Criminalgericht zusammentrifft, das Letztere, wenn die Gerichtsbarkeit von Eizelnrichtern verschiedener Criminalgerichte, oder die Gerichtsbarkeit verschiedener Criminalgerichte selbst zusammentrifft, das vorgesetzte Appellationsgericht sämmtliche oder einzelne Untersuchungen auch einem anderen der mehreren zusammentreffenden Gerichte als dem zuvorkommenden Gericht dann zuweisen, wenn dies wegen der Wichtigkeit eines oder mehrerer Verbrechen oder Vergehen, wegen der Zahl der in einen Bezirk fallenden Verbrechen oder Vergehen oder der darin zu vernehmenden Zeugen oder überhaupt zur Erleichterung des Verfahrens angemessen erscheint. III.
Befreite Gerichtsstände und Commissionen.
A r t . 40. Rücksichtlich der befreiten Gerichtsstände bewendet es bei den diesfallsigen gesetzlichen Bestimmungen. A r t . 41. Wegen zu besorgender Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder wegen Mangels hinreichender Gefängnisse kann das Appellationsgericht ausnahmsweise Untersuchungen den zuständigen Richtern entnehmen und anderen zu solchen Untersuchungen befugten Gerichten zuweisen. A r t . 42. Ausserordentliche Commissionen in Untersuchungssachen, welche nicht besonders gesetzlich geordnet sind, finden nicht statt, unbeschadet jedoch der ferneren Gültigkeit der Bestimmungen in den drei letzten Sätzen von §. 45 des Grundgesetzes. IV.
Streitigkeiten über die Gerichtszuständigkeit.
A r t . 43. Streitigkeiten über die Zuständigkeit in Strafsachen zwischen Einzelrichtern unter demselben Criminalgericht entscheidet das Letztere. Streitigkeiten über die Zuständigkeit zwischen Einzelrichtern unter verschiedenen Criminalgerichten, Bowie zwischen den verschiedenen Criininalgerichten entscheidet das Appellationsgericht. Bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit findet nur einmalige Entscheidung statt, und Recurse dagegen sind unzulässig. In der Zwischenzeit hat jedes der streitenden Gerichte die zur Einleitung der Untersuchung und Herstellung des Thatbestandes nöthigen, und insbesondere alle diejenigen Handlungen vorzunehmen, wobei Gefahr auf dem Verzug haftet. V.
Verhalten nicht zuständiger Gerichte.
A r t . 44. Alle, auch nicht zuständige Untersuchungsgerichte haben die Berechtigung und Pflicht, alle diejenigen Handlungen vorzunehmen, welche zur Herstellung des Thatbestandes oder Festhaltung eines Verbrechers gehören, insofern Gefahr auf dem Verzug schwebt; sie müssen jedoch den zuständigen Gerichten oder Staatsanwälten alsbald Mittheilung machen und die von ihnen aufgenommenen Verhandlungen Ubersenden. Eben so haben dieselben die allgemeine Verpflichtung, ihnen zugehende Anzeigen verübter Verbrechen oder Vergehen, zu deren Untersuchung ein anderes Gericht zuständig ist, an- oder aufzunehmen und hinsichtlich der Vergehen an das zuständige Justizamt, hinsichtlich der Verbrechen aber an die zuständige Staatsanwaltschaft zu befördern.
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Fünftes Capitel Von der Unfähigkeit und Ablehnung der Gerichtepersonen und d e r Staatsanwälte. I.
Unfähigkeit der Gerichtsperaonen.
A r t . 45. Richter und Protokollführer sind zu gerichtlichen Handlungen in einer Untersuchung unfähig, wenn sie in derselben früher a b Staatsanwalt oder Sachwalter thätig waren, ferner wenn sie selbst durch das Verbrechen oder Vergehen verletzt worden sind, der Angeschuldigte oder der durch das Verbrechen oder Vergehen Verletzte mit ihnen durch das Band der Ehe oder durch Veriöbniss, durch Blutsverwandtschaft in absteigender oder aufsteigender Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritteu Grad, oder durch Schwägerschaft in absteigender oder aufsteigender Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad verbanden ist. Auch das Verhältniss zwischen Adoptiveltern oder Pflegeeltern und deren Kinder macht unfähig. Die Bestimmung der Verwandtschaftsgrade erfolgt nach römisch-rechtlicher Berechnung. Die Unfähigkeit tritt in allen diesen Fällen selbst dann ein, wenn das sie begründende Verhältniss nicht mehr vorhanden oder aufgelöst ist. A r t . 46. Unfähig ist ferner derjenige Richter oder Protokollführer, welcher als Zeuge des in Frage stehenden Verbrechens oder Vergehens vernommen worden ist. A r t . 47. Der. Unfähige ist verpflichtet, seine Unfähigkeit sofort anzuzeigen; wenn er Protokollführer ist, dein Richter, bei welchem er das Protokoll zu fahren hat; wenn er Einzelrichter ist, dem Oberbeamten des Justizamtes (Stadtgerichts), zu dem er gehört; wenn er Mitglied des Criminalgerichts, des Appellationsgerichts oder des Oberappellationsgerichts ist, dem Gericht, zu welchem er gehört. Der Unfähige hat sich gerichtlicher Handlungen bei Strafe der Nichtigkeit zu enthalten, ausgenommen derjenigen, bei welchen Gefahr auf dem Verzug ist. II. Ablehnung der Gerichtspersonen. A r t . 48. Der Angeschuldigte uad der Staatsanwalt, auch bei Verbrechen oder Vergehen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, der Letztere, können Mitglieder des Gerichts und Protokollf&hrer ablehnen, wenn sie Gründe anzugeben und zu bescheinigen vermögen, welche geeignet sind, gegen den Abzulehnenden den Verdacht zu erregen, dass er bei der in Frage stehenden Untersuchung parteiisch, unglaubwürdig oder befangen sei. Ein Bestärkungseid ist zur Bescheinigung der Ablehnungsgründe unzulässig. Bestätigt aber der Abzulehnende die Wahrheit des Ablehnungsgrundes selbst auf seinen Diensteid, so bedarf es keiner weitem Bescheinigung. Gerichtspersonen, welche an einer Hauptverhandlung oder an einer Verhandlung in der Instanz der Rechtsmittel Theil nehmen sollen, müssen spätestens vor dem Beginn der Verhandlung abgelehnt werden. A r t . 49. Ueber die Znlässigkeit einer Ablehnung entscheidet bei Einzelrichtern und deren Protokollführern das Criminalgericbt, bei andern Gerichtspersonen, auch Protokollführern, das Gericht, zu welchem sie gehören, mit Ausschluss der Abgelehnten selbst durch mindestens drei seiner stimmfähigen Mitglieder. Sind drei stimmfähige Mitglieder nicht mehr vorhanden, so entscheidet über die Ablehnung bei Mitgliedern eines Criminalgerichts und des Gerichtshofs das Appellationsgericht, bei Mitgliedern des Letzteren das Oberappellationsgericht und bei Mitgliedern des Oberappellationsgerichts das Justizministerium des InBpectionshofs. Sammlung der n. d. Gesetze.
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Nur einmalige Entscheidung aber die Ablehnung findet statt; Rechtsmittel dagegen sind unzulässig. Bei Unfähigkeit, Ablehnung, ingleichen bei sonstigen Verhinderungen richterlicher Personen ist, sofern nicht durch das übrige Personal des Gerichts der P'ersonenmangel ersetzt werden kann, dadurch Abhülfe zu gewähren, dass bei dem Eipzelrichter das Justizamt, zu dem er gehört, bei den Criminalgerichten und bei dem Gerichtshof das Appellationsgericht, bei dem Appellationsgericht das Ministerium und bei dem Oberappellationsgericht das Justizministerium des Inspectionshofs für Stellvertretung sorgt und zwar dieses Letztere mit der Befugnis s , Mitglieder unbetheiligter Appellationsgerichte (Justizcollegien) seines Sprengeis dem Oberappellationsgericht beizugeben oder auch einem solchen unbeteiligten Appellationsgericht (Justizcollegium) die Sache zur Entscheidung zu Obertragen. III. Unfähigkeit des Staatsanwalts. A r t . 50. Ein Staatsanwalt wird aus denselben Gründen unfähig, welche einen Sichter unfähig machen (Art. 45 und 46). Der unfähige Staatsanwalt ist verpflichtet, sich der Behandlung der Untersuchung, wobei seine Unfähigkeit eintritt, bei Strafe der Nichtigkeit zu enthalten, und dieselbe seinem Stellvertreter zu Qberlassen, auch dem Ministerium davon Anzeige zu machen, und erforderlichen Falles, wenn ein Stellvertreter ermangelt, die Anordnung einer Stellvertretung zu veranlassen. Ist der Generalstaatsanwalt unfähig, so ist dem Ministerium Anzeige zu machen und von diesem eine Stellvertretung anzuordnen. Eine Ablehnung eines Staatsanwalts findet nicht statt Sechstes Capitel. Von der Voruntersuchung im Allgemeinen. I.
Stellung des Untersuchungsrichters und des Criminalgerichts im Allgemeinen. A r t . 51. Die Voruntersuchung (Art. 3) wird von dem Untersuchungsrichter persönlich und unmittelbar geführt (s. Art. 12 Abs. 1). Sind Untersuchungshandlungen in einem fremden Gerichtsbezirk vorzunehmen, oder dient deren Vornahme daselbst zur Erleichterung, so hat er den Richter des fremden Gerichtsbezirks um die Vornahme zu ersuchen. , A r t . 52. In der Regel hat der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung wegen Verbrechen nicht eher zu beginnen, als bis der Staatsanwalt einen dahin zielenden Antrag gestellt hat. Bei Verbrechen hat die Staatsanwaltschaft Anträge auf Einleitung der Voruntersuchung an das Criminalgericht, Anträge in einer bereits eingeleiteten Voruntersuchung aber an den Untersuchungsrichter zu stellen. Erhält das Criminalgericht auf irgend eine Weise Kenntniss von einem Verbrechen, bevor der Staatsanwalt einen Antrag gestellt hat, so hat es einen Untersuchungsrichter zu bestellen, welcher dem Staatsanwalt unverweilt von jenem Verbrechen Nachricht zu geben, vorher aber auch schon, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, die zur Feststellung des Thatbestandes und zur Verfolgung oder Festnehmung des Thäters erforderlichen Handlungen vorzunehmen h a t A r t . 53. Ist Untersuchung beantragt worden, so hat der Untersuchungsrichter von nun an überhaupt auch von Amtswegen einzuschreiten und das Geeignete zu verfügen. A r t 54. Auf alle Anträge auf Voruntersuchung und in derselben hat der Untersuchungsrichter regelmässig alsbald Entschliessung zu fassen. Er kann Anträge ablehnen und muss dann den Staatsanwalt oder die sonst betheiligten Personen sofort davon in Kenntniss setzen. A r t . 55. In zweifelhaften Fällen steht dem Untersuchungsrichter bei Ver-
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brechen frei, über einen Antrag de« Staatsanwalts die Fintnrhlimsnng des Criannalgerichts einzuholen. Auch ausserdem kann er, so oft er es wegen Wichtigkeit einer Untenuchnngshandlung bei Verbrechen nöthig findet, eine Berathnng und Beachlussfassung des Criminalgerichts veranlassen. Er nimmt dann an der Berathang, aber nicht an der Beschlussfassung Theil. A r t . 56. Von den Versammlungen des Criminalgerichts, welche die Voruntersuchung bei Verbrechen betreffen, und von den Gegenstanden, welche darin zur Besprechung kommen sollen, ist der Staatsanwalt, soviel thunlich, vorher zu benachrichtigen, damit er seine Ansichten daraber schriftlich oder mündlich vortragen kann ( A r t 25). A r t . 57. Alle eine Voruntersuchung betreffenden Beschlasse des Criminalgerichts sind dem Untersuchungsrichter und von diesem bei Verbrechen dem Staatsanwalt und den sonst betheiligten Personen, bei Vergehen vom Einzelrichter nur den letzteren alsbald zu eröffnen. A r t . 58. Das Criminalgericht ist bei Verbrechen ermächtigt, jederzeit von dem Untersuchungsrichter mündlichen und nach Befinden schriftlichen Vortrag Aber den Stand der Untersuchung zu erfordern und ihm Weisungen über den einzuschlagenden Gang der Untersuchung zu ertheilen. I I . Stellung des Staatsanwalts in der Voruntersuchung. A r t 59. Der Staatsanwalt hat ihm zugekommene Anzeigen von Verbrechen, sofern er sie für erheblich erachtet, und zu seiner Kenntnis« kommende Beweismittel unter gleicher Voraussetzung dem Criminalgericht mitzutheilen und zugleich die geeigneten Antrüge zu stellen, auch zur Entdeckung unbekannter Thftter durch Aufsuchung dahin fahrender Anzeigen mitzuwirken. A r t . 60. Untersuchungshandlungen nimmt der Staatsanwalt selbst nicht vor. Er ist jedoch berechtigt, Personen, durch welche er Aufklärung Aber begangene Verbrechen zu erhalten glaubt, vorläufig und unbeeidigt durch Beamte der Untergerichte oder Polizeibeamte vernehmen zu lassen, und kann der Verhandlung selbst beiwohnen. Auch sonst, wenn durch Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, kann der Staatsanwalt durch Beamte der Untergerichte oder Polizeibeamte Augenschein, Haussuchung und andere Untersuchungshandlungen nach Massgabe der flber dieselben bestehenden besonderen Vorschriften vornehmen lassen, auch denselben beiwohnen. In allen diesen F&llen sind die aufgenommenen Verhandlungen dem Criminalgerichte unverweilt mitzutheilen, welches alsdann das weitere Erforderliche, n ö t i genfalls Wiederholung oder Ergänzung der Verhandlung zu verfügen h a t Die in diesem Artikel dem Staatsanwalt eingeräumten Befugnisse stehen dem Privatankliger ( A r t 29) nicht zu. A r t . 61. Der Staatsanwalt darf der Vernehmung des Angeschuldigten oder der Zeugen durch den Untersuchungsrichter nicht beiwohnen. Er ist aber berechtigt, dem Augenschein, einer Haussuchung oder der Durchsuchung von Papieren beizuwohnen, und kann die Gegenstände bezeichnen, worauf sich diese Untersuchungshandlungen erstrecken sollen. Der Untersuchungsrichter ist verpflichtet, den Staatsanwalt von der Vornahme dieser Handlungen auch ohne besonderen Antrag im Voraus zu benachrichtigen, kann sie aber auch ohne solche Benachrichtigung vornehmen, wenn diese wegen vorhandener Gefahr auf dem Verzuge nicht zu bewirken ist (siehe jedoch A r t 4 wegen der Vergehen). III. Verfahren bei Denunciationcn. A r t . 62. Beruht die Veranlassung eines Strafverfahrens auf einer Anzeige, so ist die Voruntersuchung zunächst auf die PrQfung der Anzeige zu richten. Der Anzeigende ist über alle Umst&nde zu vernehmen, von welchen die Beurtheilung seiner persönlichen GlaubwQrdigkcit und der Wahrscheinlichkeit seiner 26*
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Anzeige abhingt, Uber die etwa vorhandenen Benreismittel, auch nach Befinden über die Beweggründe seiner Anzeige. D e r Anzeigende hat seine Anzeige nicht eidlich zu bestärken und überhaupt keine Beweislast zu übernehmen, vorbehaltlich jedoch seiner Vereidung als Zeuge. E r hat auch keine Sicherheit wegen der Untersuchungskosten oder wegen Schäden zu leisten. Erscheint die Anzeige nicht so begründet, dass weitere Schritte geschehen könnten, so hat dies das Criminalgericht bei Verbrechen dem Staatsanwalt und dem Anzeigenden, bei Vergehen der Einzelrichter nur dem Letzteren kostenfrei zu eröffnen. A r t . 63. Namenlose Anzeigen, ebenso Anzeigen, die von einem völlig Unbekannten herrühren, berechtigen zunächst nur zu solchen den Grund oder Ungrund der Anzeige möglicher Weise aufklärenden Untersuchungshandlungen, welche für die Ehre oder andere Rechte der beschuldigten Person ohne Nachtheil sind. Auf gleiche Weise soll es in dem Falle gehalten werden, wenn der Anzeigende Verschweigung seines Namens verlaugt. IV.
Verfahren bei vorhandenen Spuren und Gegenständen oder Vergehens.
eines Verbrechens
A r t . 64. Sind Spuren eines begangenen Verbrechens oder Vergehens die Veranlassung eines Strafverfahrens, so ist die Voruntersuchung zunächst durch Augenschein und in sonst geeigneter Weise auf Verfolgung der Spuren zu richten, um zu ermitteln, ob ein Verbrechen oder Vergehen wirklich begangen worden ist. A r t . 65. Gegenstände, an welchen oder mit welchen ein Verbrechen oder Vergehen begangen sein soll, oder welche der Angeschuldigte am Orte der That zurückgelassen bat, überhaupt Gegenstände, welche von dem Angeschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind, oder in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen, sind, soweit es möglich, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Die zur gerichtlichen Verwahrung genommenen Gegenstände sind in der Weise zu bezeichnen, dass Verwechslungen nicht stattfinden können. Bei Gegenständen, welche nicht in gerichtliche Verwahrung genommen werden können, ist, soweit es erforderlich, Sorge zu tragen, dass sie in unverändertem Zustande erhalten werden. V.
Privatrechtliche Vorfragen.
A r t . 66. Hängt die Behandlung oder Entscheidung einer Strafsache von privatrechtlichen Vorfragen oder Zwischenpuncten ab, so kann die Voruntersuchung auch hierauf erstreckt werden. Ist ein Rechtsstreit darüber anhängig, so ist die Untersuchung deshalb nicht auszusetzen, es sei denn, dass das Untersuchungsgericht solches für zweckmässig erachtet. V I . Anschluss eines Privatbeteiligten an die Untersuchung. A r t . 67. Will sich Jemand wegen privatrechtlicher Ansprüche einer Untersuchung anschliessen, so kann dies nur so lange geschehen, als die Voruntersuchung noch nicht geschlossen ist. E r hat seine Ansprüche genügend anzuführen und zu bescheinigen, und der Angeschuldigte ist dagegen zu hören, ohne dass jedoch dadurch der Fortgang des Strafverfahrens aufgehalten werden darf. Der Verletzte kann zur Wahrnehmung seiner Privatreclite, nicht aber, sofern er als Zeuge abgehört werden soll, in der Voruntersuchung mit einem Sachwalter erscheinen, auch durch einen solchen oder durch einen sonst gehörig legitimirten Bevollmächtigten sich vertreten lassen. Wiefern der Sachwalter oder der sonstige Bevollmächtigte, wenn sie ohne Beisein des Auftraggebers für denselben vor Gericht handeln, den ihnen hieran-
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ter gewordenen Auftrag durch Beibringung einer Vollmacht nachzuweisen haben, ist nach der Bürgerlichen Process-Ordnung zu beortheilen. Die Einsicht der Untersuchungsacten ist dem Betheiligten oder dessen Anwalt in der Regel, und wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, nicht zu verweigern, jedoch nur an Geriehtsstelle gestattet. Die Verfolgung seiner Ansprüche kann der Betheiligte zu jeder Zeit, selbst während der Hauptverhandlung, wieder aufgeben. V I I . Protokollführung und Urkundspersonen. A r t . 68. Zu jeder Verhandlung in Untersuchungen wegen Verbrechen hat der Untersuchungsrichter, ebenso der an seiner Stelle handelnde Einseirichter einen verpflichteten Protokollführer zuzuziehen, vorbehaltlich einer Ausnahme in dringenden Fällen, welche zu den Acten zu bemerken i s t (Siehe noch A r t 302). Polizeibeamte müssen über die von ihnen vorgenommenen Untersuchungshandlungen Niederschriften fertigen. A r t . 69. Sind nach den weiter unten folgenden Bestimmungen Urkundepersonen (Gerichtsschöppen) zuzuziehen, so müssen diese volljährig, unbescholten, bei der Sache unbeteiligt und als Urkundspersonen entweder allgemein oder für den einzelnen Fall verpflichtet sein. Die Verpflichtung geschieht mittelst Handschlags zur Aufmerksamkeit auf Alles, was vor ihnen vorgenommen, besichtigt und ausgesagt werden wird, mit der Eröffnung, dass sie darüber möglicher Weise Zeugniss vor Gericht abzulegen, bis dahin aber Stillschweigen zu beobachten haben. A r t . 70. Die Protokolle werden gleich bei Vornahme der Verhandlung, und wo dies nicht thunlich ist, unmittelbar nachher aufgenommen. Der Protokollführer führt sie selbstständig; sie können aber auch laut, so dass die Anwesenden es hören, von dem Richter dictirt werden. A r t 71. Sie enthalten die Bezeichnung des Ortes, Jahres und Tages der Aufnahme, und die Benennung der gegenwärtigen Personen; 6odann die Verhandlung selbst, die gerichtlichen Wahrnehmungen und die Aussagen der etwa vernommenen Personen, welche, so weit möglich, in denselben Ausdrücken, womit sie geschehen sind, niederzuschreiben sind. A r t . 72. Jedes Protokoll ist den vernommenen Zeugen vorzulesen, auch auf Verlangen zum Durchlesen vorzulegen, damit sie dessen Inhalt genehmigen. Vorlesung oder Vorlegung und Genehmigung sind im Protokoll zu bemerken und dieses sodann von dem Beamten, Protokollführer, den etwa zugezogenen Urkundspersonen und den vernommenen Personen zu unterschreiben. Verweigert Jemand die Genehmigung oder Unterschrift, so ist dieses nebst dem Grund der Weigerung im Protokoll zu bemerken, auch diese Bemerkung vorzulesen und von dem Beamten nnd Protokollführer zu unterzeichnen. Die Unterschrift der vernommenen Personen ist dann nicht nothwendig, wenn der Beamte und zugleich der Protokollführer das Protokoll unterzeichnen. A r t . 73. In der Niederschrift des Protokolls darf nichts Erhebliches ausge-. löscht, zugesetzt oder verändert werden; was durchstrichen wird, muss noch lesbar sein. Erhebliche Aenderungen, Berichtigungen, welche eiu Vernommener seiner Aussage beifügt, ingleichen verschiedene Ansichten des Richters, Protokollführers und der Urkundspersonen über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Fassung des Protokolls, sind in das Protokoll ausdrücklich aufzunehmen oder am Rand des Protokolls oder in einem Nachtrag zu bemerken, vorzulesen, zu genehmigen und zu unterschreiben, wie im Art. 72 geordnet ist. VIII.
Einstellung der Untersuchung.
A r t 74. Bei Verbrechen, welche, von Amtswegen, ohne Antrag eines Betheiligten, zu untersuchen und zu bestrafen sind, ist die Voruntersuchung von dem Untersuchungsrichter einzustellen, wenn der Staatsanwalt darauf anträgt und das
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Criminalgericht damit einverstanden ist. Ist das Criminalgericht nicht damit einverstanden, so hat der Staatsanwalt das Recht des Recurses im Art' 79. Bei derartigen Vergehen darf der Einzelrichter nur mit Zustimmung des Criminalgericht« die Untersuchung einstellen. Hatte sich Jemand wegen privatrechtlicher Ansprache dem Strafverfahren angeschlossen, so ist ihm die etwaige Einstellung der Untersuchung durch den Untersnchungsrichtcr bekannt zu machen. Er hat dagegen keinen Recurs, kann aber nunmehr seine Ansprüche noch vor den Civilgerichten verfolgen. A r t . 75. Der bereits vernommene Angeschuldigte kann ungeachtet der Einstellung der Voruntersuchung seine etwaigen Entschuldigungsbeweise anzeigen und deren Erhebung durch den Untersuchungsrichter verlangen. Wenn jedoch das Criminalgericht ihm eine schriftliche Erklärung zustellt, dass alle Verdachtsgründe gegen ihn beseitigt seien, so kann er diese Erhebung nur auf seine Kosten fordern. A r t . 76. Bei Verbrechen oder Vergehen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, ist die Voruntersuchung stets einzustellen, wenn der Betheiligte dies verlangt oder auch seinen Antrag ganz zurücknimmt, gleichviel, ob bei Verbrechen der Staatsanwalt an der Stelle des Betheiligten oder dieser Letztere selbst bei der Untersuchung bisher th&tig gewesen ist. Ueber die Vertretung unter Vormundschaft oder väterlicher Gewalt stehender Betheiligter gelten auch hier die Vorschriften in Art. 28. Hat bei Verbrechen der Staatsanwalt für den Betheiligten die Betreibung der Untersuchung übernommen oder bei Vergehen der Einzelrichter dieselbe auf Antrag des Betheiligten eingeleitet, so kann nicht ohne Zustimmung des Betheiligten die Untersuchung eingestellt werden; ausgenommen, wenn das Criminalgericht mit der Einstellung der Untersuchung einverstanden ist, welchen Falls jedoch dem Betheiligten die eigene weitere Verfolgung der Sache als Privatankläger (Art. 29) unbenommen sein soll. Haben Mehrere an einem Verbrechen oder Vergehen, welches nur auf Antrag zu untersuchen ist, Theil genommen oder dasselbe begünstigt, und ist rücksichtlich eines derselben aus anderen Gründen, als wegen Mangels an Beweismitteln, an der Zurechnunggfthigkeit oder wegen Verj&hrong die Einstellung der Untersuchung beantragt, oder der Antrag auf Untersuchung ganz zurückgenommen, so soll dieses auch zu Gunsten der anderen Theilnebmer und Begünstiger wirken. Im Uebrigen steht dem Angeschuldigten auch in dem Fall des gegenwärtigen Artikels die in dem vorigen Artikel gedachte Befugniss zu. I X Strafgewalt des Untersuchungsrichters. A r t 77. Gegen Diejenigen, welche sich bei irgend einer Verhandlung der Voruntersuchung ein ungebührliches Betragen zu Schulden kommen lassen, kann der Untersuchungsrichter eine Strafe bis zu acht Tagen GefUngnUs, und gegen den Angeschuldigten, wenn er in Haft ist, Schärfung derselben durch Dunkelarrest, hartes Lager oder Entziehung warmer Kost bis auf acht Tage, unter Beobachtung der im Art. 8 des Criminalgesetzbuchs geordneten Beschränkungen, äussersten Falls auch bei ungebührlichem Betragen der gröbsten Art oder, wenn der Angeschuldigte eine anrüchige Person ist, körperliche Züchtigung verfügen. Wird gegen derartige Verfügungen des Untersuchungsrichters ein Rechtsmittel eingewendet (vergl. Art. 78 und bezügl. Art. 8 0 ) , so ist demselben insofern aufschiebende Wirkung nicht beizumessen, als es dem Richter zusteht, die zuerkannten Strafen, wenn solches die Erhaltung und Sicherung des richterlichen Ansehens nnumginglich erfordert, ungeachtet des dagegen erhobenen Rechtsmittels sofort vollstrecken zu lassen und erst nachträglich deshalb Bericht zu erstatten. X. Rechtsmittel in der Voruntersuchung. A r t 78.
Der Staatsanwalt, der Angeschuldigte, der Verletzte, Zeugen, Sach-
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verständige, Personen, welche Sicherheit geleistet haben, überhaupt jeder Betheiligte, haben & der Voruntersuchung, wenn sie sich durch irgend eine Verfügung, Entscheidung oder auch Verzögerung des Untersuchungsrichters verletxt halten, daa Recht, eine anderweite Verfügung oder Entscheidung des Criminalgerichts zu verlangen. Sie haben dann mündlich öder schriftlich, so lange der in Frage stehende Gegenstand noch offen und unerledigt ist, einen kürzlichen Antrag auf Abgabe der Sache an das Criminalgericht zu stellen, worauf der Untersuchungsrichter auf gleiche Weise, wie Art. 55 vorgesehen, eine Berathung und Beschlussfassung des Criminalgerichts zu veranlassen hat. Art. 79. Bei Vergehen findet gegen Verfügungen und Entscheidungen des Criminalgerichts in der Voruntersuchung (siehe Art. 301) ein Rechtsmittel nicht statt, bei Verbrechen dagegen können Verfügungen und Entscheidungen de« Criminalgericht« in der Voruntersuchung von dem Staatsanwalt, dem Angeschuldigten oder einem sonst dabei Betheiligten, mittelst Recurses (siehe Art 10) angefochten werden. Der Recurs ist binnen drei Tagen vom Tage der Eröffnung der criminalgeriehtlichen Entscheidung an bei dem Untersuchungsrichter schriftlich oder mündlich einzulegen und hat, sofern nicht Qefahr auf dem Verzuge haftet, aufschiebende Wirkung; vorbehaltlich der besonderen Bestimmung in Art 112. Der Untersuchungsrichter hat den Staatsanwalt, den Angeschuldigten oder die sonst Betheiligten über den Recurs zu hören und darauf die Acten an das Criminalgericht, gegen dessen Verfügungen oder Entscheidungen recurrirt worden ist, zur Beförderung an das andere Criminalgericht zur anderweiten Verfügung oder Entscheidung abzugeben, welches letztere entscheidet, ohne dass ein weiteres Rechtsmittel zulässig ist A r t 80. Gegen Entscheidungen des Criminalgerichts, welche die in den Art. 77 und 90 gedachten Strafen betreffen, findet kein Recurs statt Siebentes Capilel. Von der Beschlagnahme der Legitimationspapiere, der Vorladung, Vernehmung und Verhaftung des Angeschuldigten in der Voruntersuchung. A r t 81. Als Angeschuldigter kann nur Derjenige behandelt werden, gegen den bestimmte Beweismittel oder Verdachtsgründe vorliegen, dass er ein Vergehen oder Verbrechen begangen habe, vorausgesetzt, dass bei Verbrechen ein Antrag des Staatsanwalts auf Untersuchung, und bei Verbrechen und Vergehen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht und bestraft werden, ein Antrag des Betheiligten hinzutritt I. Beschlagnahme der Legitimationspapiere des Angeschuldigten. A r t 82. Der Untersuchungsrichter kann — jedoch bei Verbrechen, wenn nicht Gefahr auf dem Verzuge haftet, nur nach vorherigem Gehör des Staateanwalts — zum Behuf der Sicherstellung der Person des Angeschuldigten für den Zweck der Untersuchung die Legitimationspapiere des Letzteren mit Beschlag belegen, falls ihm diese Massregel ausreichend oder sonst zweckdienlich erscheint. IL Vorladung des Angeschuldigten. A r t 83. Die erste Vorladung des Angeschuldigten geschieht entweder mündlich in Folge eines vom Untersuchungsrichter hierzu ertheilten schriftlichen Befehls welcher dem Vorzuladenden zur Einsicht vorzuzeigen ist, oder schriftlich durch eine vom Untersuchungsrichter unterzeichnete, an den Vorzuladenden unmittelbar gerichtete Ladung, welche dem Letzteren einzuhändigen ist Sowohl der Vorladungsbefehl, als die schriftliche Ladung müssen das Gericht, zu welchem der vorladende Untersuchungsrichter gehört, bezeichnen und den Na-
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men des Vorgeladenen, die Angabe, dass der Vorgeladene sich wegen einer gegen ihn erstatteten Anzeige verantworten solle, Tag and Stunde, auch den Ort des Erscheinens und die Bedeutung enthalten, dass der Vorgeladene bei jeder Vorladung in der vorliegenden Untersuchung im Fall des Nichterscheinens persönlich werde vor Gericht geführt werden können. A r t 84. Spätere Vorladungen des Angeschuldigten geschehen nach Ermessen des Untersuchungsrichters schriftlich oder mündlich, ohne dass es der in dem vorigen Artikel vorgeschriebenen Form bedarf. A r t . 85. Der Untersuchungsrichter bedient sich zur Besorgung der Ladungen der Gerichtsdiener oder der Ortsbehörden. Hält sich der Vorzuladende in einem anderen inländischen Gerichtsbezirk auf, so kann der Untersuchungsrichter nach seinem Ermessen das andere Gericht um Behändigung der Ladung ersuchen oder auch unter Benachrichtigung desselben die Ladung unmittelbar bewirken lassen. Ueber die geschehene Ladung ist Nachricht zu den Acten zu bringen. A r t . 86. Ist der Angeschuldigte nicht anwesend, so erfolgt die Vorzeigung oder Behändigung von Vorladungsbefehlen oder schriftlichen Ladungen an seinen Ehegatten oder an einen bei ihm wohnenden Angehörigen oder an einen seiner Dienstleute, und dieses steht der Vorladung des Angeschuldigten in Person gleich; ausgenommen wenn die gedachten Personen die Amiahme der Vorladung ablehnen, wozu sie verpflichtet sind, wenn sie ausser Stand sind, dem Angeschuldigten selbst Nachricht zu geben oder ihm die Ladung zukommen zu lassen. Auch hierüber ist Nachricht zu den Acten zu bringen. III. Vorführung des Angeschuldigten. A r t . 87. Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne eine ausreichende Entschuldigungsursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vorführungsbefehl zu erlassen, dem Vorgeladenen vorzuzeigen und derselbe vor Gericht zu führen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniss der Vorführung. A r t 88. Selbst ohne vorgängige Vorladung kunn der Untersuchungsrichter die Führung eines Verdächtigen vor Gericht zum Behuf seiner Vernehmung anordnen, soll aber auch in diesem Fall, sofern es möglich, einen Vorführungsbefehl erlassen: 1. wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, als einen herumziehenden Lebenswandel führend, wegen der Schwere der ihn etwa treffenden Strafe oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig ist; 2. wenn er auf frischer That betreten, oder unmittelbar nach der That als des Verbrecheus oder Vergehens verdächtig durch Nacheile oder Nachruf bezeichnet wird, oder alsbald nach der That im Besitz von Waffen, Geräthschaften, Schriften oder anderen Gegenständen betroffen wird, welche auf seine Theilnabme an dem Verbrechen oder Vergehen hinweisen; oder 3. wenn zu besorgen steht, dass er die Zeit zwischen der Vorladung und seiner Vernehmung zur Behinderung der Zwecke der Untersuchung missbrauchen werde. A r t . 89. Bei einem Aufruhr, Laiidfriedensbruch oder einer mit Verübung eines schweren Verbrechens verbundenen Schlägerei ist der Untersuchungsrichter befugt, wenn die Schuldigen nicht alsbald ausgemittelt werden können, gegen alle Diejenigen einen Vorführungsbefehl ohne vorgängige Vorladung zu erlassen, welche dem Vorgang beigewohnt haben und von dem Verdacht der Theilnahme nicht völlig frei sind. A r t 90. Begiebt sich der Untersuchungsrichter nach Verübung eines schweren Verbrechens an Ort und Stelle, um erkundigungsweise eine unbestimmte Zahl von Personen abzuhören, so kann er Jedem, bei dem er es angemessen findet, befehlen, dass er während desselben oder auch des folgenden Tages seine Woh-
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nuog weht verlasse oder sich wenigstens nicht ausserhalb des Ortes begebe. Wer diesem Befehl zuwider handelt, wird auf Betreten zum Zweck seiner Vernehmung festgenommen und kann von dem Untersnchnngsrichter zu einer Gefängnissstrafe bis zu acht Tagen oder entsprechender Geldbnsse verurtheilt werden. IV. Vorläufige Verwahrung zum Behuf der Vorführung. A r t 91. Wenn einer der im Art. 88 aufgeführten Fälle vorliegt, kann eine vorläufige Verwahrung eines Verdächtigen znm Behuf der Vorführung vor den Untersuchungsrichter von .Einzelrichten] und Polizeibeamten, ohne dass es einer schriftlichen Anordnung bedarf, verfügt und vorgenommen, auch bei Verbrechen vom Staatsanwalt — nicht auch vom Privatankläger (Art. 29) — in Abwesenheit oder bei sonstiger Verhinderung des Untersuchungsrichters der Einzelrichter oder Polizeibeamte, welche dem zu entsprechen haben, dazu veranlasst werden. Zum Behuf der vorläufigen Verwahrung kann auch von dem Einzelrichter oder Polizeibeamten eine Haussuchung vorgenommen werden, wie Art. 93 verordnet ist Der in Verwahrung Genommene ist im Laufe des folgenden Tages entweder freizulassen, wenn sich die Gründe der Verwahrung erledigt haben, oder dem zuständigen Richter zu Ubergeben. V.
Verfahren gegen Angeschuldigte, deren Aufenthalt unbekannt ist oder die abwesend sind, und sicheres Geleit. A r t . 92. Ist der Aufenthalt eines Angeschuldigten unbekannt, ohne dass derselbe als flüchtig erscheint, so kann der Untersnchnngsrichter eine öffentliche Vorladung desselben erlassen. Dieselbe ist am Gerichtsort öffentlich anzuschlagen, in drei inländische oder ausländische öffentliche Blätter einzurücken und muss (.'ine den Umständen angemessene Frist enthalten. Sie ist, wie j n dem Art. 83 vorgeschrieben ist, einzurichten und ist mit der Verwarnung zu versehen, dass der Angeschuldigte im Fall des Aussenbleibens zu gewärtigen habe, dass die gegen einen Flüchtigen geordneten Massregeln gegen ihn angewendet werden. A r t 93. Sind die Bedingungen zu einem Vorfiihrungsbefelil oder zur Fahrung vor Gericht zu sofortiger Vernehmung vorhanden ( A r t 87 und 89) und ist des Angeschuldigten Aufenthalt unbekannt oder ist er abwesend, so kann der Untersuchungsrichter nach Ermessen Haussuchung nach der Person des Angeschuldigten oder Nacheile an Orten, wo der Angeschuldigte sich muthmasslich aufhält, verfügen oder das Ersuchen um vorläufige Festnehmung des Angeschuldigten zum Behuf der Vorfahrung vor Gericht an die Behörden solcher Orte richten. Haussuchung in anderen Wohnungen, als der des Angeschuldigten darf jedoch nur dann vorgenommen werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass der Angeschuldigte sich darin aufhalte. Unter dieser Voraussetzung kann auch eine allgemeine Haussuchung in einem ganzen Ort oder in einer bestimmten Abtheilung desselben gehalten werden. In allen Fällen der Haussuchung ist das Art. 124 geordnete Verfahren zu beobachten. A r t 94. Wenn die Bedingungen zu einer Vorfahrung auch ohne vorgängige Vorladung vorhanden sind (Art. 88), kann der Untersuchungsrichter den Angeschuldigten, der abwesend oder flüchtig ist, durch ein offenes, in inländische und nach Befinden ausländische öffentliche Blätter einzurückendes, allgemeines Ersuchen der Behörden um vorläufige Festnehmung des Angeschuldigten (Steckbrief) verfolgen. A r t . 95. Einem abwesenden oder flüchtigen Angeschuldigten, der sich gegen sicheres Geleit vor dem Gerichte stellen zu wollen bereit erklärt, kann dieses
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Geleit von dem Ministerium, Dach Befinden gegen Sicherheitsleistung, dergestalt ertheilt werden, dass er a) bei Verbrechen bis zur Verküngung eines Erkenntnisses auf Versetzung in den Anklagestand oder anch bis zur Verkündung eines Enderkenntnisses, jedoch dann nur gegen Sicherheitsleistung, b) bei Vergehen bis zur Verkündung des Enderkenntnisses, von Festnehmung seiner Person befreit sein soll Die Sicherheitsleistung ist nach den Vorschriften in dem Art. 119 f. zu beurth eilen. A r t 96. Das sichere Geleit wirkt nur rficksichtlich desjenigen Verbrechens odeT Vergehens, in Ansehung dessen es ertheilt ist. Es verliert seine Wirkung, wenn der Angeschuldigte auf eine an ihn ergangene Vorladung ungehorsam ausbleibt, wenn er Anstalten zur Flucht macht, wenn er sich der Fortsetzung der Untersuchung durch die Flucht oder Verbergen seines Aufenthaltes entzieht und wenn er Bedingungen, unter welchen ihm das sichere Geleit ertheilt worden ist, nicht erfüllt. VI. Vernehmung des Angeschuldigten. A r t . 97. Der Angeschuldigte ist fessellos vor den Untersuchungtrichter zu stellen und mündlich zu vernehmen. Der Richter kann dem Angeschuldigten gestatten, daneben noch schriftlich Auskunft zu ertheilen. A r t . 98. Ist der Angeschuldigte der deutschen Sprache nicht kundig, so ist die Vernehmung mit Zuziehung eines beeidigten Sachverstandigen (Dolmetschers) vorzunehmen. Fragen und Antworten sind in der deutschen Uebersetzung zu Protokoll zu bringen; der Dolmetscher hat daneben noch eine Aufzeichnung in der Ursprache zu machen und dem Angeschuldigten vorzulesen, welche dem Protokoll beizufügen ist Dem Angeschuldigten ist auch gestattet, seine Antworten selbst niederzuschreiben. A r t . 99. Ist der Angeschuldigte taub, so werden ihm schriftliche Fragen vorgelegt, und ist er stumm, so wird er aufgefordert, schriftlich zu antworten. Ist eins oder das andere nicht möglich und die Vernehmung kann noch durch Zeichen bewirkt werden, so ist der Angeschuldigte mit Hülfe einer oder mehrerer Personen, welche der Zeichensprache des Angeschuldigten am Besten kundig sind oder sonst die Geschicklichkeit besitzen, sich mit Taubstummen zu verständigen, und zuvor eidlich zu verpflichten sind, zu vernehmen. A r t . 100. Die Vernehmung eines Angeschuldigten, welcher auf ergangene Vorladung erschienen ist, hat der Untersuchungsrichter sofort vorzunehmen. Ein vorgeführter Angeschuldigter (Art. 87, 88) und ein von dem Einzelrichter oder einem Polizeibeamten in Verwahrung genommener und an den Untersuchungsrichter abgegebener Angeschuldigter (Art. 91), ist längstens binnen vierundzwanzig Stunden und in dem Fall des Art. 89 längstens binnen drei Tagen, von dem Augenblick seiner Vorführung oder seiner Abgabe an den Untersuchungsrichter an gerechnet, während welcher Zeit er vorläufig in Verwahrung gehalten werden kann, von dem Grund seiner Vorführung in Kenntniss zu setzen und zu vernehmen. A r t 101. Der Untersuchungsrichter hat den Angeschuldigten bei seiner ersten Vernehmung zu ermahnen, dass er die ihm vorzulegenden Fragen bestimmt, deutlich und der Wahrheit gemäss beantworte. Nach Befinden kann diese Ermahnung bei späteren Vernehmungen wiederholt werden. A r t . 102. Ferner ist der Angeschuldigte über seinen Vor- und Zunamen, Alter, Geburts- und Wohnort, Stand und Gewerbe, ingleichen, soweit es zum Zweck der Untersuchung erforderlich erscheint, auch über seine Familien- und Vermögensverhältnisse, seinen Lebenslauf und darüber, ob und weshalb er schon in Untersuchung gewesen, welche Erkenntnisse über ihn ergangen, und welche Strafen er verbüsst habe, zu befragen.
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A r t . 108. In der Hauptsache hat der Untersuchungsrichter dem Angeschuldigten das Verbrechen oder Vergehen, dessen er sich verdichtig gemacht hat, an bezeichnen and ihn zu veranlassen, sich Uber die den Gegenstand der Anschuldigung bildenden That» sehen in einer zusammenhängenden, umständlichen Erxählung EU erklären. Die weitere Befragung ist auf die Erginzung der Erzählung, auf die Entfernung etwaiger Dunkelheiten und Widersprüche und insbesondere darauf zu richten, dass der Angeschuldigte alle gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe erfahre und vollständige Gelegenheit zu deren Beseitigung und seiner Rechtfertigung erhalte. Giebt er Thatsachen oder Beweismittel zu seiner Entlastung an, so sind dieselben zu erheben, sofern sie nicht offenbar unerheblich sind. A r t 104. Die an den Angeschuldigten zu stellenden Fragen dOrfen nicht unbestimmt, dunkel, vieldeutig oder auf verschiedene Umstände zugleich gerichtet sein. Insbesondere ist auch die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, in welchen eine vom Angeschuldigten geleugnete oder doch wenigstens noch nicht eingestandene Thatsache als bereits zugestanden angenommen wird. Fragen, mit welchen dem Angeschuldigten Thatumstände vorgehalten werden, die durch seine Antwort erst festgestellt werden sollen, dürfen erst dann gestellt werden, wenn der Angeschuldigte nicht in anderer Weise auf jene Thatumstände geführt werden konnte. Bei der Frage nach Mitschuldigen ist die Bezeichnung bestimmter Personen, soviel thunlich, zu vermeiden. A r t 106. Gegenstände, welche sich auf das Verbrechen oder Vergehen beziehen, insbesondere zur Ueberweisung des Angeschuldigten dienen, sind ihm zur Anerkennung vorzulegen, und derselbe ist, sofern eine Vorlegung nicht möglich ist, zu diesen Gegenständen zum Behuf ihrer Anerkennung zu fahren. A r t 106. Der Angeschuldigte darf nicht durch Versprechungen, Vorspiegelungen, Drohungen oder Zwang zu Geständnissen oder irgend anderen Angaben bewogen werden. A r t 107. Verweigert er Oberhaupt oder auf einzelne Fragen zu antworten, stellt er sich taub, stumm, wahnsinnig, blödsinnig, fallsüchtig, und der Untersuchungsrichter ist aach seinen eigenen Wahrnehmungen, oder nach dem Gutachten Sachverständiger, oder nach Aussagen von Zeugen, von der Verstellung Oberzeugt, so ist der Angeschuldigte aufmerksam zu machen, dass sein Verhalten die Untersuchung verlängere, einen nachtheiligen Einfluss auf die Beurtheilung der Sache ausaben könne, auch möglicher Weise etwaige Vertheidigungsgrttnde für ihn verloren gehen könnten. A r t 108. Weichen frohere und spätere Angaben des Angeschuldigten von einander ab, widerruft er insbesondere frühere Geständnisse, so ist er ftber die Veranlassung zu den Abweichungen und die Gründe seines Widerrufes zu befragen. A r t 109. Weichen die Angaben des Angeschuldigten in erheblichen Umstanden von den Aussagen Mitschuldiger oder den Angaben eines Zeugen ab, so kann der Richter die Mitschuldigen oder Zeugen dem Angeschuldigten dann gegenüherstellen, wenn die Erlangung einer Aufklärung dadurch wahrscheinlich ist A r t 110. Gestindnisse des Angeschuldigten entbinden den Untersuchungsrichter nicht von der Pflicht, den Thatbestand, soweit es möglich, zu ermitteln. Ist das Geständniss der Thäterschaft umfassend und sonst unterstatzt, so hingt die weitere Vervollständigung der Voruntersuchung rücksichtlich des Beweises der Thiterschaft bei Verbrechen von den besonderen Anträgen des Staatsanwalts ab. Art. 111.
VII. Von der Untersuchungshaft Die Untersunchagshaft des Angeschuldigten ist nur
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rauss danii aber auch eintreten, wenn der Angeschuldigte nach seiner Vernehmung des ihm schuldgegebenen Verbrechens oder Vergehens noch ferner verdächtig bleibt, kein sicheres Geleit erlangt hat und entweder: 1. die Untersuchung sich auf ein Verbrechen bezieht, welches mit Todes- oder Zuchthausstrafe bedroht ist oder mit mehr, als vierjähriger Arbeitshansstrafe im höchsten Strafsatz; oder 2. zu besorgen steht, dass der Angeschuldigte durch Verabredung mit Mitschuldigen oder mit Zeugen oder durch Vernichtung der Spuren des V e r brechens oder Vergehens die Untersuchung vereiteln oder erschweren werde; oder 3. der Angeschuldigte Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein Unbekannter, als Ausländer, als heimathlos, wegen herumziehenden Lebenswandels oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig scheint. A r t . 1 1 2 . Nach Vernehmung eines vorgeführten oder vorläufig festgenommenen Angeschuldigten ( A r t 8 7 , 88, 89, 9 1 ) hat der Untersuchungsrichter sofort zu beschlossen, ob derselbe wieder auf freien Fuss gestellt oder in die Untersuchungshaft genommen werden soll. In diesem Fall, sowie überhaupt wenn die Untersuchungshaft unmittelbar nach der Vernehmung eines Angeschuldigten voinUntersuchungsrichter beschlossen wird, ist der Beschluss mit dem Grund der Haft dem Angeschuldigten mündlich zu eröffnen und dieses zu den Acten zu bemerken. Beschliesst der Untersuchungsrichter die Haft später, so ist ein Verhaftsbcfehl mit Gründen auszufertigen und dem Angeschuldigten bei seiner Verhaftung zuzustellen. Ist Gefahr im Verzug vorhanden, so ist der Verhaftsbefehl innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden nach der Verhaftung auszufertigen und dem Angeschuldigten zuzustellen. Auch kann, wenn der Angeschuldigte abwesend oder flüchtig ist, mit einem offenen Ersuchen nach Art. 9 4 verfahren werden. A r t . 1 1 3 . Wird die Haft von dein Criminalgericht (Art. 7 8 ) aufgehoben, so ist der Angeschuldigte sofort zu entlassen; es sei denn, dass bei Verbrechen der Staatsanwalt gegen die Entscheidung des Cfiminalgerichts sofort bei deren Eröffnung Rccurs einwendet oder wenigstens sofort den Recurs vorläufig anzeigt und längstens binnen drei Tagen ausführt. Geschieht dieses nicht, so bewendet es bei der Entscheidung des Criminalgerichts. A r t . 1 1 4 . Die Untersuchungshaft ist mit möglichster Schonung der Person und der Ehre des Angeschuldigten zu vollziehen, und es soll derselbe keine grösseren Beschränkungen erleiden, als der Zweck erfordert, sich seiner Person zu versichern oder für die Untersuchung nachtheilige Verabredungen zu hindern. I n der Regel ist der Angeschuldigte zwar in eiuem öffentlichen Gefängniss zu verwahren; auf sein Verlangen und seine Kosten kann aber auch die Bewachung in seiner oder in einer andern Privatwohnung angeordnet werden, wenn der Zweck der Haft dadurch ebenfalls mit Sicherheit zu erreichen ist. A r t . 115. Gewohnte Bedürfnisse, Bequemlichkeiten und Beschäftigungen darf der Gefangene sich auf feine Kosten verschaffen, insofern sie mit dem Zweck der Haft vereinbar sin A r t . 207. Nachdem das Schwurgericht gebildet ist und die Geschworenen sich an ihre Plätze begeben baben, richtet der Präsident folgende Worte an sie, die sie stehend anzuhören haben: „Sie schwören und geloben einen leiblichen Eid zu Gott, dem Allmächtigen, bei den gegenwärtigen Verhandlungen ohne Hass und ohne Zuneigung, nach den Ergebnissen der Ihnen vorzulegenden Beweise, mit der Unparteilichkeit und Festigkeit eines rechtschaffenen Mannes einen gewissenhaften Spruch abzugeben, während der Verhandlung, und bevor Sie Ihren Spruch ertheilt, mit Niemand als mit Ihren Mitgeschworenen über die Sache zu sprechen, auch nachher zu keiner Zeit irgend Jemand eine Mittheilung darüber zu machen, wer von Ihnen für oder gegen den Angeklagten bei Ihrem Spruche gestimmt hat.'' Mit aufgehobener Hand antwortet jeder einzeln von dem Präsidenten aufzurufende Geschworene: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." Mit dieser Beeidigung findet gleichzeitig diejenige der IlQlfsgeschworcnen statt. A r t . 208. Hierauf ist das Verweisungsurtheil und die. Anklageschrift von dem Gerichtschreiber zu verlesen. A r t . 209. Der Präsident verordnet den namentlichen Aufruf der Zeugen. Der Geriehtschreiber verliest die tibergebenen Listen. Die erschienenen Zeugen vermahnt der Präsident zur Wahrheit, verwarnt sie vor dem Meineide und weist sie an, sich in das für sie bestimmte Zimmer zu begeben und den Sitzungssaal nicht zu betreten, bis sie vorgerufen werden. A r t . 210. Die einmal begonnene Verhandlung kann nur durch die Pausen, welche der Präsident nach seinem Ermessen bestimmt, unterbrochen und, wenn sie an einem Tage nicht beendigt zu werden vermag, nur bis zum nächsten Werktage vertagt werden. Jedoch kann der Assisenhof bis zur Vernehmung des ersten Zeugen, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten, oder von Amtswegen die Vertagung der Sache auf einen späteren Tag derselben oder auf die nächste Assise noch aussprechen. Nach Vernehmung des ersten Zeugen ist dieses nur noch zulässig wegen Unmöglichkeit, die Verhandlung fortzusetzen. A r t . 211. Nach geschehener Verlesung der Anklageschrift fragt der Präsident den Angeklagten, ob er der in derselben Bezeichnete sei, und was er auf dieselbe zu erklären habe. Eingeständniss oder Ablehnung der Schuld ist in das Sitzungsprotokoll einzutragen. Andere Erklärungen des Angeklagten bedürfen keiner Aufnahme in das Protokoll, es sei denn, (lass der Präsident es verordnet. Verweigert ein Angeklagter eine Antwort darüber, ob er der Anklage schuldig sei oder nicht, so ist anzunehmen, dass er sich fQr nicht schuldig erklärt. A r t . 212. Nach der Erklärung des Angeklagten kann die Staatsanwaltschaft, wenn sie es für nöthig hält, in einem kurzen Vortrag den Gegenstand der Anklage näher auseinander setzen. A r t 213. Stellt sich während der Verhandlung heraus, dass kein Erfolg • o n der Weiterführung der Anklage zu erwarten ist, so kann mit Zustimmung des Assieenhofes die Staatsanwaltschaft die Anklage fallen lassen. In diesem Falle erfolgt kein Spruch der Geschworenen, sondern der Präsident entlässt das Schwurgericht und entbindet den Angeklagten von der Anklage.
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Dies« Entbindung von der Anklage ist in ihrer Wirkung einem freisprechenden Endurtheile gleich zu achten. A r t 214. Die Beweisaufnahme über den objectiven Thatbestand erfolgt zunächst durch Verlesung der betreffenden Protokolle und Berichte; sodann durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. Der Präsident lässt die auf das Verbrechen bezüglichen Ueberführungsstiiuke dem Angeklagten vorlegen und fordert ihn auf, selbst zu antworten, ob er dieselben anerkenne. Der Präsident lässt diese Gegenstände geeigneten Falls auch den Zeugen zur Anerkennung vorlegen. A r t . 2 1 5 . Der Präsident vernimmt sodann, nach vorgängiger Beeidigung, sämmtliche Zeugen einzeln. E r befragt sie insbesondere, ob der Angeklagte die Person sei, auf welche sich ihre Aussagen beziehen. Er f r a g t darauf den Angeklagten, ob er sich über das, waB der Zeuge gegen ihn vorgebracht habe, äussern wolle. Der Zeuge darf nicht unterbrochen werden. Der Angeklagte und dessen Vertheidiger, die Staatsanwaltschaft und die Civilpartei können, nach erhaltener Erlaubniss des Präsidenten, selbst Fragen an die Zeugen stellen. Der Präsident, die Eichter und Geschworenen, nachdem sie den Präsidenten um das Wort ersucht haben, können ebenfalls von den Zeugen jede Aufklärung fordern, die sie zur Entdeckung der Wahrheit für nützlich erachten. Unzulässige und ungehörige Fragen ist der Präsident zurückzuweisen befugt. A r t . 216. Alle Personen, deren Zeugniss über einen Thatumstand benutzt werden soll, sind mündlich zu vernehmen, sofern es nicht wegen Todes- oder anderer dauernder Ursachen unthunlich ist. In solchen Fällen können frühere Protokolle verlesen werden. A r t . 217. Die Zeugen haben sich bis zu ihrer Vernehmung in einem besonderen Zimmer aufzuhalten. Sachverständige jedoch können während der ganzen Verhandlung und müssen bei der Vernehmung solcher Personen anwesend sein, die über Umstände zu berichten haben, welche bei dem Gutachten zu berücksichtigen sind. A r t . 218. Der Zeuge, der, wenn er vernommen werden soll, noch nicht erschienen ist oder sich wieder entfernt hat, kann auf Anordnung des Präsidenten vorgeführt werden, und trifft ihn die Strafe des A r t 85. Nach ihrer Vernehmung verbleiben die Zeugen im Sitzungssaal, sofern nicht der Präsident, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten, oder von Amtswegen die Entfernung auf eine gewisse Zeit verordnet. A r t . 219. Mit dem Angeklagten soll ein eigentliches Verhör während der Verhandlung nicht vorgenommen werden. Doch steht es dem Staatsanwalt sowohl, als dem Präsidenten zu, ihn zu einer Erklärung aufzufordern, wenn er durch Aussagen direct belastet wird oder Ueberf&hrungsstücke vorgelegt werden. Wenn mehrere Angeklagte vorhanden sind, so kann der einzelne Angeklagte auch zu den bezeichneten Erklärungen hinsichtlich seiner Mitangeklagten aufgefordert werden. A r t 220. Wenn die Aussage eines Zeugen in einem wesentlichen Widerspruch mit seinen früheren Aussagen vor dem Untersuchungsrichter steht, so kann das betreffende Protokoll verlesen werden. Ergiebt sich eine Aussage offenbar als falsch, so ist auf den Antrag der Staatsanwaltschaft darüber ein besonderes Protokoll aufzunehmen; der Zeuge kann sogleich verhaftet und die Verfolgung bei dem Untersuchungsrichter durch Antrag der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden. A r t 221. Staatsanwaltschaft und V e r t e i d i g u n g können sich der Vernehmung eines Zeugen widersetzen, der ihnen nicht vom Gegentheile nach Vorschrift des Art. 1 7 5 rechtzeitig bekannt gemacht worden ist. Sammlung d. n. d. Gesetze. 39
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A r t . 222. Die besondere Aufgabe des Präsidenten ist die Ermittelung der Wahrheit. Er kann zu dem Ende alle Massrcgeln ergreifen, die er für dienlich hält, insbesondere die Vorladung und eidliche und nicht eidliche Vernehmung von Zeugen, oder die Verlesung schriftlicher Aussagen von Zeugen verordnen, deren Namen nicht auf den Zeugcnlisten stehen. A r t . 223. Die Staatsanwaltschaft kann bei derselben Sache durch mehr als einen ihrer Beamten erscheinen und nach ihrem Ermessen die Verrichtungen unter dieselben vertheilen. A r t . 224. Es können für denselben Angeklagten mehr als ein Vertheidiger auftreten und die Verrichtungen unter sich vertheilen, vorbehaltlich der Befbgniss des Assisenpräsidenten, einen Missbrauch dieses Hechts zu verhüten. A r t . 225. Der Vertheidiger, welcher die Würde des Gerichts verletzt oder mit seinen ihm durch das Gesetz gegebenen Befugnissen Missbrauch treibt, kann, nachdem mit Zustimmung des Präsidenten in dem Protokoll davon Vermerkung gemacht ist, auf den Antrag der Staatsanwaltschaft zu einer den Umständen angemessenen Disciplinarstrafe bis zu hundertundfünfzig Gulden mit oder ohne Entziehung der Praxis, bei den Strafgerichten bis zu einem Jahre durch den Assisenhof verurtheilt werden. A r t . 226. Nach Beendigung der Zeugenverhöre wird die Staatsanwaltschaft mit der Rechtfertigung der Anklage und der Vertheidiger mit seiner Schutzrede, sowie die Civilpartei oder deren Anwalt gehört. Bei mehreren Angeklagten bestimmt der Präsident die Reihenfolge der Vorträge der verschiedenen Vertheidiger. Der Staatsanwaltschaft und der Civilpartei ist eine Entgegnung gestattet; der Angeklagte und dessen Vertheidiger haben aber jedesmal das letzte Wort. A r t . 227. Sollte sich während der Verhandlung vor dem Schwurgericht ein Zustand oder Umstand unzweifelhaft herausstellen, wodurch die Strafbarkeit aufgehoben wird, und wegen dessen schon die Anklagekammer die Anklage hätte verwerfen können (Art. 16), so können die Geschworenen durch den Beschluss des Assisenliofs entlassen und der Angeklagte von der Anklage entbunden werden. A r t . 228. Nachdem Staatsanwaltschaft und Vertheidiger ihre Vorträge geendigt, ist der Angeklagte zu befragen, ob er zu seiner Rechtfertigung etwas vorzubringen habe. Ergreift der Angeklagte zu seiner Vertheidigung das Wort, so stellt der Staatsanwaltschaft keine Erwiderung zu. A r t . 229. Hierauf soll der Präsident den Geschworenen eine Uebersicht der vorgelegten Beweise geben, ihnen einschlägige Rechtsbegriffe erklären and sie überhaupt zur Findung ihres Spruchs anleiten, ohne seine eigene Meinung über etwas auszusprechen, was zur eigentlichen Entscheidung der Geschworenen gehört. A r t . 230. Nach der Darstellung des Präsidenten darf bis zum erfolgten Ausspruch der Geschworenen keine Unterbrechung der Verhandlung durch Verschiebung auf den nächsten Tag mehr stattfinden. A r t 231. Der Präsident stellt darauf die von den Geschworenen zu beantwortenden Fragen. Sie werden schriftlich abgefasst und von dem Präsidenten unterschrieben und verlesen. A r t . 232. In der Regel beginnt die Hauptfrage mit den Worten : „Ist der Angeklagte schuldig?" und lautet daun wörtlich, wie die Schlussformel der Anklageschrift. Sind mehrere Angeklagte in einer Sache, so ist hinsichtlich eines jeden eine besondere Frage zu stellen. A r t . 233. Geeigneten Falls kann der Eingang der Frage geändert werden. Auch ist es dem Ermessen des Präsidenten überlassen, von Amtswegen oder auf den Wunsch der Geschworenen die Thatsachen, welche durch den Spruch derselben festgestellt werden sollen, nicht in eine Frage zusammenzufassen, sondern einzeln zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen.
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Dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft steht kein Widersprach zu. A r t . 234. Haben sich bei der Verhandlung Thatumstände ergeben, welche die Anwendung einer Strafe ausschliessen oder die Anwendung einer schwereren oder milderen Strafe begründen, und welche als solche in dem Strafgesetz besonders hervorgehoben sind, so stellt der Präsident Ober diese Umstände die geeigneten Fragen. A r t . 235. J e nach dem Ergebnis der Verhandlung ist auch darüber eine zusätzliche Frage zu stellen, ob nicht wenigstens ein Versuch des den Gegenstand der Anklage bildenden Verbrechens vorliege, oder ob der Angeklagte nicht wewenigstens Gehülfe oder Begünstiger sei, oder sich eines Vergehens aus Fahrlässigkeit schuldig gemacht habe. A r t . 236. Ueberhaupt können zusätzliche Fragen gestellt werden, wenn das Ergebniss der Verhandlung den Gesichtspunct verändert hat, unter welchem die Handlungen, auf denen die Anklage beruht, an und für sich und in Verbindung mit den erst bei der Verhandlung hervorgetretenen Umständen strafbar erscheinen. A r t . 237. Hatte der Angeklagte zur Zeit der That das sechszehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt, so stellt der Präsident an die Geschworenen die Frage, ob er mit Unterscheidungsvermögen gehandelt habe. A r t . 238. Ueberdie Voraussetzungen des Rückfall» (Strafgesetzbuch Art. 95) ist an die Geschworenen keine Frage zu richten. A r t . 239. Wenn gegen einen Antrag des Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft auf Stellung zusätzlicher Fragen (Art. 234, 235, 2 3 6 ) Widerspruch erhoben wird, so steht dem Assisenhof die Entscheidung zu, und zwar in den Fällen der Art. 235 und 236, insbesondere darüber, ob die Stellung der Fragen unterbleiben soll, weil eine bessere Vorbereitung der Ankluge oder Vertheidigung nothwendig erscheint, und ob der Staatsanwaltschaft eine anderweitige Verfolgung vorzubehalten ist. A r t . 240. Die von den Geschworenen zu beantwortenden Fragen können auch, wenn dies nach den vorliegenden Umständen zweckmässig erscheint, vor dem Schluss der Verhandlung und vor dem Beginn der mündlichen Vorträge festgestellt und verlesen werden. A r t . 241. Nachdem der Präsident den Geschworenen die erforderliche Erläuterung über die Abstimmung und die Form ihrer Antworten gegeben hat, überreicht er ihnen die Fragen zugleich mit dem Verweisungsurtheil, der Anklageschrift und den übrigen Actenstücken, mit Ausnahme der Protokolle über die Zeugenvernehmungen, und entlässt sie in ihr Berathungszimmer. A r t . 242. Nach Entfernung der Geschworenen hat der Angeklagte den Sitzungssaal zu verlassen. A r t . 243. In ihrem Berathungszimmer wählen sich die Geschworenen durch Stimmenmehrheit einen Vormann, der ihre Berathung und Abstimmung zu leiten hat. A r t . 244. Die Geschworenen dürfen ihr Berathungszimmer, welches zu bewachen ist, vor einem Beschlüsse über ihren Spruch nicht verlassen und Niemand ist ohne Erlaubniss des Präsidenten der Zutritt zu ihnen gestattet. Der zuwiderhandelnde Geschworene kann in eine Geldstrafe von hundert Gulden und jeder Andere in eine Gefängnissstrafe bis zu vierundzwanzig Stunden verurtheilt werden. Wenn jedoch die Geschworenen einer Aufklärung von dem Präsidenten bedürfen, so können Bie zu diesem Zwecke denselben in ihr Berathungszimmer zu sich entbieten. Art. 245. Nachdem die Fragen den Geschworenen gestellt sind, begeben sich dieselben in ihr Zimmer, um dort zu berathen und zu beschliessen. Bevor die Geschworenen zur Berathung schreiten, liest ihr Vormann ihnen nachfolgende Anweisung und Ermahnung vor, welche an einer in die Augen fallenden Stelle ihres Zimmers in grosser Schrift angeheftet ist; 39*
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Fraukfurt.
„Das Gesetz fordert von den Geschworenen keine Rechenschaft über die Gründe, aus welchen sie ihre Ueberzeugungen geschöpft haben, es schreibt ihnen keine Kegeln vor, nach welchen sie die Vollständigkeit und Zulänglichkeit eines Beweises zu ermessen haben. Es legt ihnen nur die Pflicht auf, alle für oder wider den Angeklagten vorgebrachten Beweise sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, und nach der durch diese Prüfung gewonnenen innigsten Ueberzeugung einen Ausspruch über Schuld oder Nichtschuld zu fällen." „Die Geschworenen dürfen nicht vergessen, dass sich ihre Forschung auf die Thatsachen beschränken muss, wclche den Gegenstand der ihnen vorgelegten Fragen bilden. Ueber die Zweckmässigkeit des zur Anwendung kommenden Strafgesetzes steht ihnen kein Urthcil zu, und die Schwere der Strafe, welche den Angeschuldigten treffen kann, darf auf ihre Erschliessung nicht von Einfluss sein." A r t . 246. Die Geschworenen berathen zuerst über die Hauptthat und dann über jeden der Umstände. A r t . 247. Der Vormann befragt die übrigen Geschworenen in der Reihenfolge, in welcher die Fragen gestellt sind, und ein jeder von ihnen antwortet in nachstehender Weise: 1. wenn der Geschworene überzeugt ist, dass die That nicht erwiesen oder dass der Angeklagte derselben nicht überführt sei, so antwortet er: „Nein, der Angeklagte ist nicht schuldig." In diesem Falle hat der Geschworene nichts weiter zu antworten. 2. wenn dagegen der Geschworene überzeugt ist, dass die That erwiesen ist, und der Angeklagte derselben mit allen Umständen überführt sei, so antwortet er: „Ja, der Angeklagte ist schuldig, das Vergehen oder Verbrechen mit allen Umständen begangen zu haben, welche in der gestellten Frage enthalten sind." 3. wenn der Geschworene aber überzeugt ist, dass die That erwiesen und der Angeklagte derselben überführt sei, dass jedoch nur einer oder einige Umstände erwiesen seien, so antwortet er: „Ja, der Angeklagte ist schuldig, das Vergehen oder Verbrechen mit dem und dem Umstände begangen zu haben, aber es ist nicht erwiesen, dass er es mit dem und dem weiteren Umstände verübt hat." 4. wenn endlich der Geschworene überzeugt ist, dass die That erwiesen ist, dass aber keiner der Umstände dargethan sei, so antwortet er: „Ja, der Angeklagte ist schuldig, aber keiner der Umstände ist gegen ihn erwiesen." Auch in diesem Falle haben die Geschworenen diese Umstände einzeln anzuführen. A r t . 248. Hat indessen der Präsident des Assisenhofs an die Geschworenen eine Frage auch darüber gestellt, ob sich ein Zustand oder eine Thatsache ergeben habe, welcher die Strafbarkeit völlig aufhebt (Art. 227), so antwortet ein jeder der Geschworenen auf die Frage ihres Vormanns wie folgt: 1. wenn der Geschworene überzeugt ist, dass die That nicht erwiesen, oder dass der Angeklagte derselben nicht überführt, oder dass der Zustand oder die Thatsache, welche die Strafbarkeit völlig aufheben, erwiesen sei, so antwortet er: „Nein, der Angeklagte ist nicht schuldig." 2. wenn dagegen der Geschworene überzeugt ist, dass die That erwiesen und dass der Angeklagte derselben überführt, oder dass der Zustand oder die Thatsache, welche die Strafbarkeit völlig aufheben, nicht erwiesen sei, so antwortet er: „Ja, der Angeklagte ist schuldig."
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Nach dem Ergebnis» dieser Abstimmung wird der Aussprach der Geschworenen in Eine Antwort zusammengefasst A r t . 249. Der Spruch der Geschworenen wird von dem Vormann auf demselben Blatt, welches die an die Geschworenen gerichteten Fragen enthält, neben die entsprechende Frage niedergeschrieben, und ist dieses Blatt dem, Sitzungsprotokolle des Assisenhofs anzufügen. Es darf in demselben nichts zwischen die Zeilen geschrieben, radirt oder verändert werden. Einschaltungen über oder zwischen den Zeilen, Durchstreichungen, Löschungen oder Randzusätze müssen von dem Vormann der Geschworenen ausdrücklich genehmigt sein. A r t . 250. Jede Entscheidung der Geschworenen gegen den Angeklagten erfordert eine Mehrheit von mehr als sieben Stimmen. Die Geschworenen haben bei Beantwortung jeder Frage, wenn sie gegen den Angeklagten ausfällt, schriftlich anzumerken, dass sie den Ausspruch mit mehr als sieben Stimmen beschlossen haben. Die Zahl der Stimmen, welche für oder wider einen gefassten Beschluss waren, ist nicht anzugeben. A r t . 251. Nachdem die Geschworenen ihren Beschluss gefasst haben, treten sie in den Sitzungssaal zurück. Der Präsident fragt sie, welches das Ergebnis» ihrer Berathung sei? Der Vormann verliest hierauf den Spruch. A r t . 252. Ist der Spruch der Geschworenen unverständlich, zweideutig, widersprechend oder unvollständig, so können dieselben von dem Gericht zu nochmaliger Berathung aufgefordert werden. A r t . 253. Sind die Richter einstimmig der Ueberzeugung, dass sich die Geschworenen in der Sache selbst geirrt haben, so soll im Falle eines Spruches, wodurch der Angeklagte für schuldig oder überführt erklärt wird, das Urtheil des Gerichts ausgesetzt und die Sache an die nächste ABsise zur nochmaligen Verhandlung verwiesen werden. Einen solchen Beschluss kann der Assisenhof nur von Amtswegen, jedoch nur einmal, fassen. An der Verhandlung der Sache in der nächsten Assise darf keiner der früheren Geschworenen Theil nehmen. Nach dem Ausspruche der Geschworenen der wiederholten Verhandlung muss jedenfalls der Spruch der Richter folgen. A r t . 254. Die Verkündigung des Ausspruchs der Geschworenen muss in Gegenwart aller Geschworenen erfolgen, und derselbe von dem Präsidenten des Assisenhofs und dem Gerichtschreiber unterzeichnet werden. A r t . 255. Gegen den Ausspruch der Geschworenen findet keine Berufung statt. A r t . 256. Der Präsident lässt den Angeklagten vorfordern, oder beziehungsweise, wenn er verhaftet ist, vorführen, worauf in dessen Gegenwart der Ausspruch der Geschworenen von dem Gerichtschreiber verlesen wird. Erscheint der Angeklagte nicht, oder konnte die Vorforderung nicht sogleich bewirkt werden, so wird der Ausspruch in Abwesenheit des Angeklagten verkündigt. A r t 257. Ist der Angeklagte für nichtschuldig erklärt worden, so spricht ihn der Präsident von der Anklage frei und verordnet seine Haftentlassung, sofern er sich nicht aus andern Gründen in Haft befindet. Auch sind die für ihn in Betreff der Anklage, wovon er freigesprochen wird, geleisteten Cautionen zurückzugeben. A r t . 258. Ist der Angeklagte für schuldig, beziehungsweise überführt erklärt worden, so werden Staatsanwalt und Verteidigung über die Anwendung des Strafgesetzes gehört, wobei über die Wahrheit der That nicht mehr gesprochen werden darf. Zugleich kann die Civilpartei Anträge über ihre Entschädigungsansprüche stellen und begründen. Einer jeden dieser Parteien steht nur einmal das Wort zu, dem Angeklagten jedenfalls das letzte.
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A r t . 2 5 9 . Fällt die That, de reu der Angeschuldigte für schuldig erklärt worden, unter kein Strafgesetz, so spricht ihn der Gerichtshof frei und verordnet seine Haftentlassung, wenn er nicht aus andern Gründen verhaftet ist. Fällt dagegen die T h a t unter ein Strafgesetz, so wird die gesetzliche Strafe ausgesprochen, auch über die Civilansprüche erkannt, so weit sie liquid sind. A r t . 2 6 0 . Das Urtheil ist in der nämlichen Sitzung zu verkündigen. A r t . 261. Die Geschworenen sind befugt, den schuldig erkannten Angeklagten unter Angabe der Gründe zur Begnadigung zu empfehlen. Die gleiche Befugniss steht auch dem Gerichtshofe zu. In beiden Fällen ist in dem Berathungszimmer des Assisenhofs ein von dem Präsidenten und Gerichtschreiber zu unterschreibendes Protokoll aufzunehmen, welches die Staatsanwaltschaft mit Beifügung eines Berichts und der Acten dem Senat einzureichen hat.
XII.
Verfahren
in Assisenflachen im F a l l e eines
Geständnisses.
A r t . 2 6 2 . Wenn der eines zur Zuständigkeit der Assisen gehörigen Verbrechens Angeklagte ein theilweises oder beschränktes Geständniss ablegt, wodurch das Verbrechen nicht völlig eingestanden erscheint, so findet das Verfahren in den Assisen zur Einholung eines Spruchs der Geschworenen statt, wie wenn kein Geständniss abgelegt wäre. A r t . 263. Legt aber der Angeklagte nach Verlesung der Anklageschrift ein volles Geständniss seiner Schuld ab, durch welches er die Anklage als begründet zugiebt, ßo findet keine Verhandlung vor Geschworenen statt, sondern die Sache ist ohne Geschworene abzuurtheilen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft werden die Geschworenen entlassen und die Sache entweder sofort zur Aburtheilung gebracht oder an eine spätere öffentliche Sitzung verwiesen. A r t . 264. Ein Widerruf des Geständnisses nach Entlassung der Geschworenen hat nicht die Folge, dass nunmehr bei Aburtheilung der Sache wiederum Geschworene herbeizuziehen wären. Ueber die Statthaftigkeit des Widerrufs und die Wirkung desselben entscheidet das Gericht in dem, in der Sache vor ihm zu erlassenden Erkenntnisse. A r t . 2 6 5 . Wenn der Widerruf für statthaft erkannt wird, so finden die weiteren Beweisverhandlungen nach Vorschrift der Art. 2 1 5 u. f. statt. Wenn kein Widerruf des Geständnisses erfolgt, oder wenn der Widerruf für unstatthaft erkannt wird, so bleibt dein Ermessen des Assisenhofs überlassen, inwieweit derselbe noch anderweite Wahrheitserforschungen für nöthig erachtet. A r t . 266. Die Aburtheilung der Sache geschieht nun auf den Inhalt der Acten der vom Untersuchungsrichter geführten Untersuchung, nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und der V e r t e i d i g u n g über die Anklage und die zu verhängende Strafe und der Civilpartei mit ihren Entschädigungsansprüchen. Auf Antrag der Parteien, oder auf Verordnung des Präsidenten können einzelne Protokolle und Berichte aus den Acten verlesen werden. A r t . 267. Wird die Sache nicht sogleich weiter verhandelt, sondern auf eine spätere Sitzung zurückgewiesen, so kann von dem Präsidenten ein Referent bestellt werden. Von der Vorberaumung der Sitzung ist dem Angeklagten wenigstens fünf Tage vor der Sitzung Kenntniss zu geben. In dieser Sitzung beginnt die Verhandlung mit Verlesung der Anklagende und des Protokolls über das abgelegte Geständniss aus der früheren Sitzung. Im Uebrigen gelten die Bestimmungen des Art. 2 6 5 . A r t . 268. Nachdem die Verhandlung geschlossen ist, erlässt da« Assisen-
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gericht durch den Präsidenten mündlich da« UrtheiJ. Dabei sind die Vorschriften des Art. 6 6 einzuhalten. Statt der Anführung des Spruchs der Geschworenen ist in dem Endurtheile Bezug auf das Geständniss, oder auf die sonstigen Beweisgrflnde der That, nach Inhalt des Sitzungsprotokolls, zu nehmen. A r t . 2 6 9 . Eine Empfehlung zur Begnadigung kann durch das Gericht nach Vorschrift des Art. 261 geschehen.
XIII.
Hauptverfabren im Zuchtpolizeigericht.
A r t . 270. Bei dem Zuchtpolizeigericht wird eine Sache durch die Staatsanwaltschaft entweder unmittelbar, oder in Folge eines Verweisung» urtheils der Anklagekammer oder des Cassationshofs anhängig gemacht A r t . 271. Besteht ein Verweisungserkenntniss, so erwirkt die Staatsanwaltschaft bei dem Vorsitzer des Zuchtpolizeigerichts eine Ladung zur Verhandlung, unter Bezng auf das Verweisungserkenntniss. A r t . 272. Besteht kein Verweisungserkenntniss und handelt es eich um ein Vergehen, das nicht mit Correctionshaus- oder Zuchthausstrafe bedroht ist, so genügt gleichfalls die Auswirkung einer Ladung bei dem Vorsitzer des Zuchtpolizeigerichts, in welcher der Gegenstand der Beschuldigung bezeichnet ist. A r t . 273. Handelt es sich aber, während kein Verweisungserkenntniss vorliegt, um eine That, welche mit Correctionshaus- oder Zuchthausstrafe bedroht ist, so hat die Staatsanwaltschaft dem Zuchtpolizeigericht einen schriftlichen Klageantrag einzureichen, in welchem die That thatsächlich und rechtlich formulirt ist. A r t . 274. Das Zuchtpolizeigericht hat die Klage in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft vorerst zu prüfen. Das Zuchtpolizeigericht kann Vervollständigungen der Acten durch den Untersuchungsrichter verfügen. Findet das Zuchtpolizeigericht, dass kein Grund zur Weiterverfolgung vorliegt, oder glaubt das Zuchtpolizeigericht, dass die That zur Zuständigkeit der Assisen gehöre, oder dass eine zur Zuständigkeit des Rflgegerichts gehörige Uebertretung vorliege, so erlässt es dcmgemäss Erkenntnis«. A r t . 275. Gegen dieses Erkenntniss kann die Staatsanwaltschaft binnen einer Frist von fünf Tagen Einspruch auf der Canzlei des Gerichts erheben, um der Anklagekammer die Acten zur Entscheidung vorzulegen und deren Verweisungserkenntniss zu erwirken. A r t . 276. Findet dagegen das Zuchtpolizeigericht, nach Prüfung des Klageantrags der Staatsanwaltschaft, dass Grund zur Weiterverfolgung im Zuchtpolizeigericht vorhanden ist, so verfügt es die Mittheilung des Klageantrags an den Beschuldigten. Auf diese Verfügung hat die Staatsanwaltschaft die Ladung zur Verhandlung bei dem Vorsitzer des Zuchtpolizeigerichts zu erwirken. A r t . 277. Mit der Erwirkung der Ladung hat die Staatsanwaltschaft zugleich die vorzuladenden Zeugen und Sachverständigen namhaft zu machen, doch kann sie auch noeh bis zur Sitzung Zeugen und Sachverständige in die Sitzung bestellen oder laden lassen. Der Beschuldigte kann die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen zur Vernehmung in der Sitzung beantragen, oder solche in die Sitzung mitbringen. Art. 278. Kann die Ladung nicht zugestellt werden, so ist es dem Ermessen der Staatsanwaltschaft überlassen, ob sie nach Anleitung des Art. 155 die Einstellung des Verfahrens bis zur Ergreifung des Beschuldigten, oder dessen öffentliche Ladung durch EinrQckung in öffentliche Blätter und Annchlagung an das Gerichtsbrett beantragen will.
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A r t . 2 7 9 . Zwischen der Ladung und der Sitzung zur Verhandlung mnss ein Zwischenraum von wenigstens fünf Tagen und, wenn die Vorladung in öffentlichen Blättern geschieht, von wenigstens zehn Tagen sein. A r t . 2 8 0 . Der Beschuldigte kann in der Sitzung in Begleitung eines Rechtsbeistandes oder mehrerer Reehtabeistände erscheinen. In Sachen, welche keine Freiheitsstrafe nach sich ziehen, kann er durch einen Anwalt vertreten werden. Das Gericht kann jedoch sein persönliches Erscheinen verordnen. A r t . 2 8 1 . Erscheint der gehörig geladene Beschuldigte zur bestimmten Stunde nicht in der Sitzung, so wird die Sache in seiner Abwesenheit verhandelt und das Urtheil gesprochen. Das Urtheil ist dem Beschuldigten oder dessen Anwalt oder Bevollmächtigten in Abschrift nach Vorschrift des Art. 74 mitzutheilen. A r t . 2 8 2 . Gegen dieses Urtheil kann der Beschuldigte binnen einer Frist von fünf Tagen, vom T a g e der Zustellung des Urtheils und, wenn ihm dieses nicht zugestellt werden konnte, hinnen dreissig Tagen von der Anschlagnng an's Gerichtsbrett an, durch eine Erklärung auf der Canzlei des Gerichts schriftlich oder mündlich Einspruch erheben. In diesem Falle wird der Beschuldigte zu einer neuen Sitzung vorgeladen. A r t 2 8 3 . Ist Einspruch erhoben, so wird das Urtheil, wenn der Beschuldigte in der neuen Sitzung erscheint, als nicht ergangen betrachtet und die Sache nach Vorschrift des Art. 2 8 4 verhandelt. In diesem Verfahren dürfen indess die Aussagen früher zu Protokoll vernommener Zeugen, welche aus irgend einem Grunde zur Sitzung nicht gestellt werden können, sowie die Erklärungen der etwa vernommenen Mitbeschuldigten, und überhaupt alle Actenstücke, welche nach dem Ermessen des Gerichts über die Sache Licht verbreiten können, verlesen werden. Bleibt der Beschuldigte abermals aus, so wird sein Einspruch ohne Weiteres verworfen und das Ungehorsamsurtheil für wiederhergestellt erklärt. Ein nochmaliger Einspruch gegen dieses zweite Urtheil ist nicht zulässig. Die Kosten des ersten Verfahrens fallen dem Beschuldigten jedenfalls zur Last. A r t . 2 8 4 . In der Sitzung leitet der Vorsitzer des Gerichts die Verhandlung. Dieselbe beginnt, nach Aufruf der Sache, mit der Vernehmung des Beschuldigten über seine persönlichen Verhältnisse. Nachdem hierauf, wenn ein Verweisungsurtheil oder ein Klageantrag besteht, diese verlesen sind und Staatsanwaltschaft, sowie Civilpartei den Gegenstand der Beschuldigung und Ansprüche auseinander gesetzt haben, vernimmt der Vorsitzer den Beschuldigten, worauf die Beweisaufnahme durch Lesung der Protokolle und Berichte über den Thatbestand und die Vernehmung der erschienenen Zeugen vorgenommen wird. Der Beschuldigte kann zu jeder Zeit zu Erklärungen aufgefordert werden. Die Vernehmung der Zeugen geschieht durch den Vorsitzer; die Richter, die Staatsanwaltschaft, die Civilpartei und der Beschuldigte, beziehungsweise dessen Rechtsbeistände, können mit Erlaubniss des Vorsitzers Fragen an die Zeugen richten. Nach der Beweisaufnahme wird zuerst die Civilpartei, welche adhärirt hat, mit ihren Entschädigungsansprüchen, und darauf die Staatsanwaltschaft mit ihrem Schlussantrage gehört. Ihnen kann der Beschuldigte antworten, beziehungsweise antworten lassen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht gebunden, sich in ihren Schlussanträgen an die Anträge ihrer Klage zu halten, sofern nicht durch ihre neuen Anträge die T h a t unter den Begriff eines Vergehens von höherer Strafbarkeit fallen würde. A r t . 2 8 5 . Wenn nach dem Ergebnies der Verhandlung die Handlungen, welche den Gegenstand der Beschuldigung bilden, an und für sich oder in Verbindung mit neuen Umständen unter einem veränderten Gesichtspunct strafbar erscheinen, so ist die Staatsanwaltschaft befugt, in ihrem Schlussantrag diese B e -
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schuldigung von diesem Gesichtspunct an« zu formaliren. Dem Ermessen des Gerichts ist es anheim gestellt, in einem solchen Falle die Sache an den Untersuchungsrichter oder die Staatsanwaltschaft zurück zu verweisen. Würde die That unter den Begriff eines Vergehens von höherer Strafbarkeit fallen, so muss die Zurflckverweisung geschehen und beziehungsweise die Incompetenz des Gerichts ausgesprochen werden, wenn jene That vor einem anderen Gericht abzuurtheilen ist. A r t 286. Wenn der Angeschuldigte in der Sitzung ein Geständniss ablegt, so hat die Beweisaufnahme nur soweit zu geschehen, als es das Ermessen des Gerichts für nothwendig hält. A r t . 287. Die Staatsanwaltschaft kann mit Zustimmung des Gerichts ihre Klage wieder fallen lassen. In diesem Falle wird der Angeschuldigte freigesprochen. A r t . 288. In dem Sitzungsprotokoll sind die Zugeständnisse des Beschuldigten aufzunehmen. Von den Aussagen der bereits früher vernommenen Zeugen sind nar wesentliche Zusätze und Abweichungen und von den Aussagen der in der Sitzung zum ersten Male erschienenen Zeugen in das Wesentliche des Inhalts zu Protokoll zu nehmen. A r t . 289. Das Zuchtpolizeigericht kann, bevor es sein Urthcil abgiebt, noch neue Ermittelungen durch den Untersuchungsrichter verordnen. Das Gericht kann auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten oder von Amtswegen die Verhandlung bis zu einem anderen Tage aussetzen, um neue Zeugen vorladen oder andere Beweise herbeibringen zu lassen. Die Vorschriften des Art. 220 gelten auch für das Verfahren vor dem Zuchtpolizeigericht. A r t . 290. Nachdem die Verhandlung über die Beweisaufnahme geschlossen ist, verkündigt das Gericht sein Urthcil mit Entscheidungsgriindcn in der nämlichen oder in einer der nächsten Sitzungen. Das Gericht spricht seine Incompetenz aus, oder spricht den Angeschuldigten frei, oder verurtheilt ihn und erkennt zugleich über die Ansprüche des Civiladhärenten, je nach dem Ergebniss der Beweise und den einschlagenden Gesetzen. Ist die Sache in Folge eines Verweisungsurthcils der Anklagekammer oder des Cassationshofes an das Zuchtpolizeigericht gelangt, so kann Letzteres seine Incompetenz nicht aussprechen, sondern muss jedenfalls über die Anschuldigung selbst ein Urtheil abgeben, wenn nicht der Fall des Art. 294 eintritt. A r t . 291. Erkennt das Gericht in der verfolgten That nur eine zur Zuständigkeit des Rügegerichts gehörige Uebertretung oder Vergehen, so verweist es, falls die Staatsbehörde oder der Angeschuldigte oder die Civilpartei die Verweisung an das Rügegericht verlangt haben, die Sache an dasselbe. War solch ein Verlangen nicht geltend gemacht worden, so spricht das Zuchtpolizeigericht die Strafe aus und entscheidet über die Entschädigungsansprüche, wenn deren erhoben worden sind. In diesem Falle erkennt das Gericht in letzter Instanz. A r t . 292. Seine Ueberzeugung über Schuld oder Nicbtschuld des Angeschuldigten gründet das Gericht auf die ihm vorgelegten oder vorgeführten Beweismittel , nämlich Urkunden, über den objectiven Thatbestand aufgenommene Protokolle, Berichte, Aussagen von Zeugen und von Sachverständigen. Von dem Ausschwören von Reinigungs-, ErfüUungs- oder zugeschobenen Eiden kann die Entscheidung nicht abhängig gemacht werden. A r t . 293. Befindet sich der Verurtheilte auf freiem Fuss, so kann mit dem Erkenntniss zugleich ein Haftbefehl gegen denselben erlassen werden. A r t . 294. Ergeben sich aus der Verhandlung neue Thatumstände, welche die Qualification der That so ändern, dass die Competenz der Assisen begrün-
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det erscheint, so geht die Sache znrück an die Staatsanwaltschaft zur Stellung der geeigneten Anträge bei dem Untersuchungsrichter.
XIV.
Berufung gegen Urtheile des Zuchtpolizeigerichts.
A r t . 295. Die Berufung gegen von dem Zuchtpolizeigericht in erster Instanz erlassene Erkenntnisse geht an das Appellationsgericht. Gegen Zwischenbescheide kann die Berufung nur mit derjenigen gegen das Endurtheil verbunden werden. A r t . 29t>. Die Berufung ist binnen einer von dem Tage der Urtheilsverkündigung laufenden Frist von zehn Tagen auf der Canzlei des Zuchtpolizeigerichts schriftlich oder mündlich anzumelden und dem Gegentheile davon Kenntniss zu geben. Gegen ein Contumacialurtheil des Zuchtpolizeigerichts läuft die zehntägige Frist jedoch erst vom Tage der Zustellung des Urtbeils oder, wenn dieses nicht zugestellt werden konnte, von Ablauf der im Art. 282 erwähnten 30 Tage. A r t . 297. Die Berufung hat aufschiebende Wirkung; jedoch soll ein freigesprochener Angeschuldigter in Freiheit gesetzt werden, wenn nicht von der Staatsanwaltschaft sofort Einspruch erhoben und in den nächsten drei Tagen nach Verkündigung des Urtheils Berufung angezeigt worden ist. A r t . 298. Im Falle der Berufung hat die Staatsanwaltschaft nach Ablauf der zehntägigen Frist, unter Vorlegung der Acten, bei dem Präsidenten des Appellationsgerichts die Vorberaumung einer Sitzung zur Verhandlung der Sache zu erwirken. A r t . 299. Zwischen der Ladung und der Sitzung zur Verhandlung muss ein Zwischenraum von wenigstens zehn Tagen sein. A r t . 300. In der Regel sollen Zeugen, deren Aussagen in ihrem wesentlichen Theil früher zu Protokoll genommen worden, in der Berufungsinstanz nicht nochmals abgehört werden. Doch kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft sowohl, a h des Beschuldigten die nochmalige Abhör solcher Zeugen stattfinden. Auch können neue Beweismittel eingebracht werden. A r t . 301. Nach Aufruf der Sache in der Sitzung und nachdem der Beschuldigte aber seine persönlichen Verhältnisse befragt worden, erstattet ein ernannter Referent des Gerichts Bericht Ober die Lage der Sache; die Beweisaufnahme, soweit nöthig erachtet, findet statt und es gelten im Uebrigen über den Gang des Verfahrens die Bestimmungen des Art. 284. A r t 302. Sollte der Beschuldigte in der Sitzung nicht erscheinen, so wird, wenn die Berufung von ihm angezeigt worden ist, dieselbe ohne weitere Verhandlung darüber, auf Antrag der Staatsanwaltschaft, für verfallen erklärt und das zuchtpolizeigerichtliche Erkenntniss bestätigt. Ist dagegen von der Staatsanwaltschaft Berufung angezeigt worden, und der Beschuldigte erscheint nicht in Person, oder durch einen Anwalt, wenn ihm dieses nach Vorschrift des A r t 280 gestattet ist, in der Sitzung, so wird in seiner Abwesenheit verhandelt und erkannt. A r t . 303. Der Beschuldigte kann in den beiden Fällen des vorhergehenden Artikels gegen das in seiner Abwesenheit erwirkte Erkenntniss Einspruch erheben. Von diesem Einspruch gelten die Vorschriften der Art. 282 und 283. A r t . 304. Nach dem Schlüsse der Verhandlung erfolgt das bestätigende oder abändernde Urtheil des Gerichtshofes mit Entscheidungsgründcn in derselben oder einer der nächsten Sitzungen. A r t . 305. Wird ein Urtheil des Zuchtpolizeigerichts wegen Verletzung wesentlicher Processformen aufgehoben, so entscheidet das Appellationsgericht auch immer zugleich in der Hauptsache.
Gesetz vom 15. Mai 1856. A r t . 306. Die Art. 280, 288, 289, 291, 292, 293, das Verfahren in der Berufungsinstanz.
XV.
619 294 gelten auch fflr
Verfahren im Riigegericht und Berufung gegen die Urtheile desselben.
A r t . 307. Bei dem Rügegericht wird eine Sache anhängig gemacht entweder in Folge eines bestehenden Verweisungserkenntnisses oder durch unmittelbare Ladung. A r t 308. In der Ladung ist der Gegenstand der Beschuldigung zu bezeichnen. A r t . 309. Zwischen der Ladung und der Verhandlung muss dem Beschuldigten, dringende Fälle ausgenommen, wenigstens Ein freier Tag gelassen sein. A r t . 310. Kann die Ladung dem Beschuldigten nicht zugestellt werden, so kann entweder das Verfahren einstweilen eingestellt oder die Ladung an das Gerichtsbrett angeschlagen werden. In letzterem Falle sollen zwischen der Ladung und der Verhandlung der Sache wenigstens fünf freie Tage in der Mitte liegen. A r t . 311. Der Vorgeladene kann sich durch einen Anwalt oder Angehörigen •ertreten lassen. Doch kann auch sein persönliches Erscheinen verlangt werden. A r t . 312. Erscheint der Vorgeladene nicht, so kommen die Vorschriften der Art. 281—283 zur Anwendung. A r t . 313. Das Riigegericht kann in den geeigneten Fällen schon vor der Verhandlung der Sache den Thatbestand durch Augenschein oder Sachverstandige näher ermitteln. Auch kann das Rügegericht die für eine Sitzung bereits anberaumte oder schon begonnene Verhandlung einer Sache auf eine andere Sitzung verschieben oder aussetzen. A r t . 314. In der zur Verhandlung der Sachc bestimmten Sitzung wird mit der Vernehmung des Beschuldigten aber seine persönlichen Verhältnisse begonnen. Alsdann setzen Staatsbehörde und Civilpartei den Gegenstand der Beschuldigung und Ansprüche auseinander, worauf die Zeugen verhört, Protokolle und Berichte, wenn deren vorhanden, verlesen und der Beschuldigte vernommen wird. Civilpartei und Staatsanwalt stellen sodann ihre Schlussanträge, welche der Beschuldigte beantworten kann, und das Gericht verkündigt in derselben oder einer der nächsten Sitzungen sein Urtheil nach dem Erfolg dtr Beweisaufnahme und den einschlagenden Gesetzen. Wenn die Sache in Folge eines Verwcisungsurtheils bei dem RQgegericht anhängig gemacht worden ist, so kann diesen seine Incompetenz nicht aussprechen, sofern nicht durch die Verhandlung sich neue Thatsachen herausgestellt haben, nach welchen die Sache vor ein höheres Gericht gehört. A r t 315. Die Berufung von dem RQgegericht geht an das Zuchtpolizeigericht Ueber aufschiebende Wirkung und Einlegungsfrist gelten die im Art. 296 und 297 enthaltenen Vorschriften. A r t . 316. Nach Ablauf der zehntägigen Einlegungsfrist erwirkt die Staatsanwaltschaft die Vorberaumung einer Sitzung zur Verhandlung. Zwischen der Ladung und der Verhandlung müssen wenigstens drei Tage in der Mitte liegen. A r t 317. In der Sitzung wird die Sache mit möglichster Abkürzung nach Inhalt der Art. 300—304 verhandelt, jedoch ohne Ernennung eines Referenten und ohne Bestellung eines Anwalts für den Beschuldigten, wenn derselbe keinen für sich bevollmächtigt oder mitgebracht hat. A r t . 318. Die Vorschriften der Art. 280, 285—288, 290 und 292 gelten auch für das Verfahren vor dem Riigegericht
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XVI.
Besonderes Verfahren bei der Privatklage.
A r t . 3 1 9 . Bei dem Zuchtpolizeigericht hat der verletzte Privatkläger seine Klage in der Canzlei schriftlich einzureichen, auch hierbei die Beweismittel zugleich anzugeben. B e i dem Rügegericht wird eine blosse Ladung erwirkt, unter Angabe der Beschuldigung und der Beweismittel. A r t 3 2 0 . Die bei dem Zuchtpolizeigericht eingereichte Privatklage wird dem Beklagten zur Beantwortung binnen einer Frist von acht Tagen mitgetheilt, nach deren Verlauf der Verletzte um Vorberaumung einer Sitzung zur Verhandlung und Erlassung der Ladung des Beschuldigten und der Zeugen anrufen kann. B e i der Beantwortung der Klage hat der Beklagte zugleich die Zeugen, deren Vorladung er wünscht, namhaft zu machen. Die Parteien können ausser den geladenen Zeugen auch noch andere in die Sitzung mitbringen. A r t . 3 2 1 . Vor der Verhandlung der Sache in der Sitzung des Gerichts kann der Vorsitzer und zwar sowohl vor, als nach der Mittheilung der Klage zur Beantwortung, auf Antrag der Parteien Ermittelungen des Thatbestandes durch eines der Mitglieder des Gerichts oder die Hülfsbeainten der Polizei verordnen. A r t . 3 2 2 . In allen Fällen können sich die Parteien durch hiesige Anwälte vertreten lassen. Auch kann die Vertretung durch Angehörige zugelassen werden. A r t . 3 2 3 . In allen Fällen, in welchen nach den hiesigen Gesetzen in den Civilgerichtcn Real- und Personalarrest zulässig ist, kann derselbe auch bei der strafgerichtlichen Privatklage auf Gefahr und Kosten des Klägers stattfinden. Der Kläger kann einen oder mehrere Zeugen in seiner Klage benennen und dadurch den Richter in den Stand setzen, wenn er es für angemessen erachtet, diese Zeugen behufs der Erkennung eines Arrestes sofort zu vernehmen. A r t . 3 2 4 . In den geeigneten Fällen kann der Vorsitzer des Gerichts vor der Verhandlung der Sache einen Termin zum Güteversuch anberaumen, der durch ein von dem Vorsitzer zu bezeichnendes Mitglied des Gerichts abzuhalten ist. A r t . 3 2 5 . In der Sitzung zur Verhandlung, wozu beide Theile vorzuladen sind, trägt der Kläger den Gegenstand der Klage vor, worauf die Beweisaufnahme durch den Präsidenten geschieht. Zum Schlüsse rechtfertigen die Parteien ihre Anträge. A r t . 3 2 6 . Im Uebrigen gelten bei der Verhandlung und Aburtheilung dieselben Bestimmungen, wie bei der öffentlichen Klage, soweit nicht die Natur der Privatklage ihrer Anwendung entgegensteht. Auch steht unter derselben Voraussetzung den Parteien der Privatklage das Rechtsmittel der Berufung an das Appellationsgericht, beziehungsweise Zuchtpolizeigericht, zu.
XVII.
Nichtigkeitsklage und
Cassationshof.
A r t . 3 2 7 . Das Verfahren und die Erkenntnisse der Gerichte können durch die Nichtigkeitsklage angefochten werden: 1. wegen Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit; 2. wegen Verletzung, Verabsäumung oder unrichtiger Anwendung solcher Processvorschriften und Grundsätze, wodurch in Bezug auf die Personen oder die Zusammensetzung der Gerichte und der Schwurgerichte, oder in Bezug auf die von ihnen abgegebenen Urtheile und Entscheidungen, oder in Bezug auf die Personen der Parteien wesentliche Mängel entstehen ; 3. wegen Verletzung, Verabsäumung oder unrichtiger Anwendung solcher Pro-
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cessvorschriften and Grundsätze, deren Nichtbeachtung einen wesentlichen Mangel des Verfahrens begründet; 4. wegen Verletzung oder falscher Anwendung des materiellen Strafgesetzes. Jedoch kann die Nichtigkeitsklage nicht aas dem Grunde erhoben werden, dass eine andere strafrechtliche Bestimmung hätte zur Anwendung kommen sollen, wenn die angewendete und die anzuwendende Strafbestimmung ganz dieselbe Strafandrohung enthalten oder wenn das anzuwendende Gesetz in seinem höchsten Strafansatz weiter geht als das angewendete. A r t 328. Die Nichtigkeitsklage ist nur zulässig gegen Urtheile letzter Instanz. A r t . 329. Gegen processleitende und das Erkenntniss vorbereitende Entscheidungen kann die Nichtigkeitsklage nur nach dem Endurtbeil und in Verbindung mit diesem eingeleitet werden. A r t . 330. In Bezug auf die Nichtigkeitsklage werden den Endurtheilen gleich geachtet die Erkenntnisse der Anklagekammer, welche auf Einsprach der Staatsanwaltschaft von Erkenntnissen des Zuchtpolizeigerichts (Art. 275) und diejenigen der Anklagekammer, welche in Folge der Anträge der Staatsanwaltschaft nach beendigter Untersuchung erfolgt sind. Durch die Unterlassang der Nichtigkeitsbeschwerde gegen diese Erkenntnisse der Anklagekammer werden im Falle der Weiterverfolgung alle Nichtigkeiten solcher Erkenntnisse und des vorhergegangenen Verfahrens geheilt A r t 331. Die Nichtigkeitsbeschwerde steht sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten oder Angeklagten zu; jedoch finden in Bezug auf die erste folgende Beschränkungen statt: Wegen Verletzung solcher Förmlichkeiten, welche vom Gesetz nur zur Sicherung der Verteidigung vorgeschrieben sind, kann die Nichtigkeitsklage nur zum Vortheile des Angeschuldigten erhoben werden. Die Staatsanwaltschaft kann ferner freisprechende Urtheile des Assisenhofes durch die Nichtigkeitsklage nur wegen Verletzung oder falscher Anwendung des materiellen Strafgesetzes und die Verfügung des Assisenpräsidenten, wodurch der Angeschuldigte freigesprochen wird, nur in dem Falle anfechten, wenn dieselbe erfolgt ist, obgleich der Ausspruch der Geschworenen auf „Schuldig" lautet A r t . 332. Auf alle von der Staatsanwaltschaft erhobenen Nichtigkeitsklagen kann der Cassationshof wegen geschehener Verletzung oder falscher Anwendung des materiellen Strafgesetzes auch eine dem Verurtheilten günstige Entscheidung erlassen. A r t 333. Bei der Privatklage steht den Parteien die Nichtigkeitsklage zu gegen Endurtheile letzter Instanz. A r t . 334. Die Civilpartei, welche der öffentlichen Klage adhärirt hat, kann eine selbstständige Nichtigkeitsbeschwerde nicht erheben, sondern sie kann nur einer Nichtigkeitsklage der Staatsbehörde gegen Urtheile, in welchen über den Civilpunct erkannt ist, adhäriren, um für den Fall der Vernichtung ihre Civilanträge zu stellen. A r t . 335. Die Nichtigkeitsklage hat aufschiebende Wirkung. Jedoch wird die in letzter Instanz verfügte Freilassung dadurch nicht gehemmt. Auch wird die weitere Vorbereitung des Hanptverfahrens dadurch nicht unterbrochen. A r t 336. Die Nichtigkeitsklage ist binnen einer Frist von fünf Tagen nach Verkündigung, beziehungsweise Zustellung des Erkenntnisses, auf der Canzlei des Gerichts anzumelden. Bei Contumacialurtheilen beginnt der Lauf der fünftägigen Frist erst nach Ablauf der Einspruchsfrist. Die Anmeldung der Nichtigkeitsklage kann für den Beschuldigten oder An-
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geklagten auch durch dessen Vertheidiger oder Anwalt oder einen andern Vertreter mittelst Specialvollmacht geschehen. A r t . 337. Die von der Staatsanwaltschaft geschehene Anmeldung der Nichtigkeitsklage ist dem Beschuldigten binnen einer Frist von drei Tagen abschriftlich mitzutheilen. Gleichzeitig ist von der geschehenen Anmeldung in dem durch Art. 334 vorgesehenen Falle der Civilpartei Mittheilung zu machen. A r t . 338. Die Anmeldung der Nichtigkeitsklage von Seiten eines Beschuldigten, gegen den ein noch nicht vollzogener Haftbefehl besteht, kann nur dann angenommen werden, wenn sich derselbe binnen der Anmeldungsfrist zugleich zur Haft stellt. A r t . 339. Nach Ablauf der in den Art. 336 und 337 vorgeschriebenen Fristen können bei Nichtigkeitsklagen gegen Erkenntnisse der Anklagekammer binnen einer weiteren Frist von vierzehn Tagen, bei Nichtigkeitsklagen gegen Erkenntnisse einer anderen strafgerichtlichen Behörde binnen einer weiteren Frist von vier Wochen die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte oder Verurtheilte, sowie bei der Privatklage die Parteien eine schriftliche Rechtfertigung der erhobenen Nichtigkeitsklage bei der Canzlei des Gerichts einreichen, beziehungsweise die Civilpartei ihre Anträge stellen und ausführen. Diese Schriften sind dem Gegentheil, beziehungsweise auch der Civilpartei binnen drei Tagen mitzutheilen und bleibt diesen überlassen, binnen einer weiteren Frist von vierzehn Tagen, beziehungsweise vier Wochen die versuchte Rechtfertigung der Nichtigkeitsbeschwerde in einem bei der Kanzlei des Gerichts einzureichenden Schriftsatz zu widerlegen. A r t . 340. Nach Ablauf der im Art. 339 bestimmten Fristen übermittelt das betreffende Gericht, insofern es nicht das Appellationsgericht selbst ist, die Acten mit einem durch seinen Secret&r zu fertigenden Verzeichnisse dem Appellationsgericht. A r t . 341. Das Appellationsgericht versendet die eingegangenen Acten, nachdem dieselben von dem Gerichtsecretär in einem hierzu anberaumten Termine ordnungsmässig inrotulirt worden sind, an ein durch Beschluss des Gerichts bestimmtes Spruchcollegium. Dem Inrotulationstcrmine können die Betheiligten beiwohnen, und ist denselben zu dem Ende von dem anberaumten Termine spätestens am Tage vorher Kenntniss zu geben. Der Staatsanwaltschaft sowohl als dem Angeklagten oder Vcrurtheilten, sowie bei der Privatklage den Parteien, steht es frei, in dem Inrotulationstermine Eines von den drei Spruchcollegien, welche der Senat als Cassationshof für die Dauer des Provisoriums bezeichnet hat, für den betreffenden Fall auszunehmen. Die Erklärung hierüber wird zu Protokoll gegeben. Mehrere Angeklagte haben sich entweder darüber zu vereinigen, welches Spruchcolleg sie ausnehmen wollen, oder das Loos entscheidet darüber, welcher von ihnen dieses zu thun befugt sein soll. E i n e Ablehnung gilt alsdann für sämmtliche Angeklagte. A r t . 342. Das erwählte Spruchcollegium entscheidet über die erhobene Nichtigkeitsklage unter Beobachtung der für dasselbe bezüglich der Zusammensetzung des Spruchcollegiums, der Berathung und Urtheilsfassung geltenden Vorschriften. A r t . 343. Die Urtheile sind von dem Vorsitzer des Spruchcollegiums und einem Secretär zu unterzeichnen und mit dem Siegel des Spruchcollegiums zu versehen. Diese Urtheile müssen enthalten: a) das Datum der Entscheidung; b) Bezeichnung des Angeklagten oder Verurtheilten nach Namen, Stand, Alter, Wohnort oder Heimath;
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c) die Namen der Beamten der Staatsanwaltschaft im Falle der öffentlichen Klage, Bezeichnung des Klägers im Falle der Privatklage und des Adhärenten im Falle der Civiladh&sion nach Namen, Stand und Wohnort; d) die Erwähnung der Anträge der Staatsanwaltschaft oder des Klägers, des Angeklagten oder Verurtheilten und beziehungsweise der Civilpartei; e) die Entscheidungsgrande und Erwähnung des betreffenden Gesetzes; f) die Entscheidung selbst. A r t . 344. Die zurQckgekommcnen Acten werden in der nächsten öffentlichen Sitzung, in welche die Parteien zu laden sind, und in welche der Angeklagte oder Verurtheilte im Falle der Verhaftung vorzuführen ist, entsiegelt, und das dabei befindliche Urtheil wird rerkQndet. A r t . 345. Die Urschriften der Urtheile werden einstweilen bei dem Appellationsgericht verwahrt, demnächst aber an den zu bestellenden Cassationshof abgeliefert. A r t . 346. Von den Urschriften geschehen die beglaubigten abschriftlichen Ausfertigungen mit der Unterschrift des Secretärs des Appellationsgerichts und BeidrOckung dcB Siegels dieses Gerichts. A r t . 347. Wenn ein Urtheil vernichtet wird, so ist der Entscheidungsspruch des Cassationsurtheils nebst dem Datum desselben in dem Urtheilsregister des Geriohts, dessen Erkenntniss vernichtet wird, am Rande dieses letzten von dem betreffenden Gerichtssecretär einzutragen und muss bei den Ausfertigungen der Urtheile mit hinzugefügt werden. A r t . 348. Vernichtet der Cassationshof ein Erkenntniss des Rogegerichts, des Zuchtpolizeigerichts, des Appellationsgerichts als zuchtpolizeilicher Berufungsinstanz oder des Assisenhofs wegen Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen Qber die Zuständigkeit (Art 327 unter 1) oder ein Erkenntniss, welches zu dem im Art. 330 erwähnten gehört, so verweist der Cassationshof die Sache zugleich an das zust&ndige Gericht oder erkennt über die gestellten Anträge auf Versetzung in den Anklagestand. A r t . 349. Wird ein Urtheil des Rfigegerichts, des Zuchtpolizeigerichts oder Appellationsgerichts wegen Verletzung von Processvorschriften (Art. 327 unter 2 und 3) in dem Urtheil selbst oder wegen Verletzung oder irriger Anwendung des materiellen Strafgesetzes vernichtet, so erkennt der Cassationshof als Revisionshof zugleich in der Sache selbst A r t 350. Wird ein solches Urtheil wegen Verletzung von Processvorschriften (Art. 327 unter 2 und 3) in dem, dem Urtheil vorhergehenden Verfahren vernichtet, so verweist der Cassationshof die Sache in die Lage zurück, in welcher sie sich vor der ersten Nichtigkeit befand, und stellt zugleich die Normen fest, nach welchen das Gericht, dessen Urtheil vernichtet wird, zu verfahren hat. Eine Nichtigkeitsklage gegen das neue Erkenntniss findet nur wegen Verletzung oder falscher Anwendung des materiellen Gesetzes statt. A r t . 351. Wenn ein Urtheil des Assisengerichts wegen Verletzung von Processvorschriften (Art. 327 unter 2 und 3) in dem Urtheile, oder wegen Verletzung oder falscher Anwendung des Gesetzes, oder wenn die freisprechende Verfügung des Asaisenprisidenten vernichtet wird, so erkennt der Cassationshof gleichfalls als Revisionshof in der Sache selbst. A r t . 352. Wird ein Urtheil des Assisengerichts wegen Verletzung von Processvorschriften ( A r t 327 unter 2 und 3) in dem Verfahren nach dem Aussprach der Geschworenen bis zum Urtheile vernichtet, so treten die Bestimmungen des Art. 350 ein. A r t 353. Wird aber ein Urtheil des Assisenhofs sammt dem Verfahren vor dem Schwurgericht und dem Ausspruch der Geschworenen vernichtet, so wird die Sache zur nochmaligen schwurgerichtlichen Verhandlung zurückgewiesen. In diesem Falle muss der Assisenhof und das neue Schwurgericht aus anderen Personen zusammengesetzt sein, als in der vorausgegangenen Verhandlung.
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Eine Nichtigkeitsklage gegen das neue Urtheil kann nur wegen Verletzung oder falscher Anwendung des materiellen Gesetzes stattfinden. A r t . 3.r>4. Wird in Rogegerichts- und Zuchtpolizeigerichtssachen die ergriffene Nichtigkeitsklage verworfen, so können der Beschuldigte und die Parteien einer Privatklage vom Cassationshofe in eine Geldbusse von fünfundzwanzig Gulden oder im Unvermögeusfall zu einer Gefangnissstrafe bis zu vierzehn Tagen verurlheilt werden.
XVIII.
B e r e c h n u n g des F r i s t e n l a u f e s .
A r t . 355. Bei allen Fristen dieses Gesetzes von einem bestimmten T a g e an ist dieser T a g selbst nicht mitzurechnen. A r t . 356. Die Gesetze, welche Gerichtsferien anordnen, finden auf StrafSachen keine Anwendung. Sonn- und Feiertage hemmen den Lauf der Fristen nicht.
XIX.
Processkosten.
A r t . 357. Ein jedes Erkenntniss hat stets auch die Verurtheilung in die Kosten gegen den Vtrurtheilten oder Unterliegenden auszusprechen. A r t . 358. Werden in einem Erkenntniss mehrere Personen als Theilnchmer eines oder mehrerer Verbrechen oder Vergehen verurtheilt, so ist ein j e d e r Einzelne in einen verhältnissmässigen Antheil der Kosten und zugleich solidarisch in die den Uebrigen zur L a s t fallenden Kosten zu verurtheilen, für den Fall, dass die Antheile eines oder mehrerer Mitverurtheilten nicht beigetrieben werden können. Jedoch ist es dem Ermessen des Richters überlassen, ausnahmsweise einen Verurtheilten nur in einen verhältnissmässigen oder einen bestimmten Betrag der Kosten, ohne solidarische I i a f t f ü r seinen Mitschuldigen, zu verurtheilen.
XX.
Vollstreckung der
Straferkenntnisse.
A r t . 359. Die Betreibung der Vollstreckung der Strafurtheile, im Falle der öffentlichen Klage liegt der Staatsanwaltschaft ob. A r t . 360. Freiheitsstrafen sind von dem Polizeiamt, auf Antrag der Staatsanwaltschaft, in Vollzug zu setzen. A r t . 361. Geldstrafen sind von dem Fiscalat, auf Antrag der Staateanwaltschaft, beizutreiben und an das Rechneiamt abzuliefern. A r t . 362. Wenn derjenige, gegen welchen die Staatsanwaltschaft den Vollzug einer erkannten Strafe betreibt, Gründe hat, sich der Art des Vollzuges zu widersetzen, so kann er sie durch Einspruch geltend machen. Der Einspruch ist durch Erklärung bei dem Gerichtsecretär des Zuchtpolizeigerichts zu erheben. Die Entscheidung darüber kommt in allen Fällen dem Zuchtpolizeigericht zu, vorbehaltlich der Berufung an das Appellationsgericht und der Nichtigkeitsklage. Die Entscheidung geschieht in öffentlicher Sitzung nach Anhörung des Opponenten und der Staatsanwaltschaft und, wenn Veranlassung dazu vorliegt, nach Aufnahme der Beweise. Der Vollzüg der Strafe wird durch einen Einspruch nicht gehemmt, sofern nicht das Gericht die vorläufige Einstellung verfügt.
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XXI.
Erneuerung des Verfahrens.
A r t . 363. Durch die in den Strafgerichten ergangenen rechtskräftigen Urtheile und Entscheidungen, wodurch über die Schuld oder Unschuld des Beschuldigten oder Angeklagten endlich entschieden worden ist, wird die öffentliche Klage für alle Zukunft erledigt, so dass wegen derselben That ein anderes Verfahren nicht mehr stattfinden kann. Jedoch kann eine solche endliche Entscheidung von dem Cassationshofe, wenn er auch in der Sache bereits mit einer Nichtigkeitsklage befasst war, in den folgenden Fällen wieder aufgehoben und das Verfahren erneuert werden: 1. wenn zwei mit einander unvereinbare, dasselbe Verbrechen oder Vergehen betreffende Strafartheile vorliegen; 2. wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass das angebliche Verbrechen oder Vergehen gar nicht begangen worden ist; 3. wenn ein falsches Zeugniss, wagen dessen der Zeuge rechtskräftig verurthdilt worden ist; oder 4. wenn eine falsche Urkunde, wegen deren eine Person rechtskräftig verurtheilt worden ist, in der Verhandlung, welche eine Verurtheilung zur Folge gehabt hat, als Beweismittel gedient hat; 5. wenn eine Freisprechung oder Entbindung von der Anklage auf ein falsches Zeugniss oder eine falsche Urkunde, wegen deren eine Verurtheilung rechtskräftig erfolgt ist, stattgefunden hat. A r t . 364. In solchen Fällen sendet die Staatsanwaltschaft auf das Ansuchen des Verurtheilten oder von Amtswegen die Acten nebst den betreffenden Urtheilen an das Appellationsgericht, welches die Acten znr Entscheidung an ein Spruchcollegium versendet. Für das dabei einzuhaltende Verfahren kommen die Art. 341, 343—346 zur Anwendung. A r t 365. In den Fällen unter 1, 3, 4 und 5 des Art. 363 vernichtet der Cassationshof, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die angegriffenen Urtheile und verordnet die Erneuerung des Verfahrens in dem zuständigen Gericht. In dem Falle unter 2 des erwähnten Artikels lässt der Cassationshof, sobald der stattgefundene Irrthum glaubhaft gemacht werden kann, durch den Untersuchungsrichter die Beweise aufnehmen, vernichtet das Urthcil, wenn der Beweis des stattgefundenen Irrthums erbracht ist, und verweist die Sache zur Erneuerung des Verfahrens an das zuständige Gericht. A r t . 366. Die Zeugen, welche wegen falschen Zeugnisses verurtheilt worden sind, können in dem neuen Verfahren weder beeidigt noch unbeeidigt vernommen werden. A r t . 367. Bei der Erneuerung des Verfahrens müssen, wenn es sich von einem zur Zuständigkeit der Assisen gehörigen Verbrechen handelt, der Assisenhof und das neue Schwurgericht ans anderen Personen zusammengesetzt sein, als in dem vorausgegangenen Verfahren. A r t 368. Es kann auch von den Kindern, Eltern, Geschwistern und Ehegatten eines verstorbenen Verurtheilten die Erneuerung des Processes beantragt werden, wenn die Verurtheilung ein zur Zuständigkeit der Assisen gehöriges Verbrechen betrifft.
Beschlossen in Unserer Grossen Rathsversammlung am 16. September 1856.
Sammlung der n. d. Gesetze.
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Mecklenburg-Schwerin.
xvrn.
Mecklenburg-Schwerin. Die Criminalgerichts-Ordnung von 1817 ist durch eine Reihe yon Verordnungen, vom 12. Januar 1838, vom 8. und 15. Januar 1839, vom 12. Januar 1841, vom 17. und 25. Januar 1855, vom 31. Januar und 7. Februar 1859 hinsichtlich Verfahrens, Competenz der Gerichte, Beweise« und Rechtmittel fortgebildet. Ein Fortschritt zu neuen Strafprocessgrundsätzen ist: 1.
Die Verordnung vom 1. Januar 1856, betreffend d u Verfahren wegen der zur Competenz de« Criminalcolleginmi gehörenden Verbrechen. 1. Im Allgemeinen. §• 1. Das Verfahren wegen der zu der Competenz des Criminalcollegiums gehörenden Verbrechen erfolgt nach den Bestimmungen des bestehenden Rechts, soweit diese nicht in dem Folgenden abgeändert werden. 2. Gerichtspersonen. a. Zahl der Mitglieder. §. 2. Das Criminnlcollegium besteht fortan ans s e c h s ordentlichen Mitgliedern, einem Director und fünf R&then, und den nach dem Bedüfrnisse angestellten ausserordentlichen Mitgliedern. b. Unfähigkeit. §. 3. Ein Mitglied des Criminalcollegiums ist zu der Ausübung seines Amtes rechtlich unfähig und hat sich derselben, ausser wo Gefahr im Verzuge ist, zu enthalten: 1. wenn es selbst oder einer seiner Angehörigen ein Interesse an der Sache hat. Als Angehörige in diesem Sinne werden angesehen: Blutsverwandte in gerader Linie und der Seitenlinie bis zum dritten Grade civilrechtlicher Berechnung einschliesslich, Stief- und Schwiegereltern und Kinder, Ehegatten, Schwäger, Verlobte, angenommene Eltern und Kinder, Vormünder und Pflegebefohlene, während der Dauer dieser Verhältnisse; 2. wenn es mit dem Criminalfiscal oder dem Vertheidiger des Angeschuldigten in gerader Linie blutsverwandt oder verschwägert ist.
Verordnung vom 1. Januar 1856.
3. 4. 5. 6.
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Tritt diese Schwägerschaft zwischen einem Mitgliede des Criminalcollegiums und dem Criminalfiscal erst nach deren Anstellung ein, so hat derjenige, durch welchen sie herbeigeführt ist, aus seinem Amte auszuscheiden; wenn es in derselben Sache Rathgeber oder Vertheidiger des Angeschuldigten gewesen ist ; wenn es in frfiheren Dienstverhältnissen an solchen Beziehungen der Sache Theil genommen hat, welche auf die Entscheidung derselben Einflusa haben; wenn es in der Sache als Zeuge vernommen worden ist; wenn es Gläubiger oder Schuldner des Angeschuldigten ist c. Ablehnung.
§. 4. Eine Ablehnung des ganzen Collcgiums als solchen ist unzulässig. Ein einzelnes Mitglied darf nicht im Allgemeinen, sondern nur für die in Frage stehende einzelne Sache abgelehnt werden. Die Ablehnung ist bei dem Director oder in dem geeigneten Falle bei dessen Stellvertreter anzubringen, entweder schriftlich in einem versiegelten Antrage, oder mündlich ohne Beisein anderer Personen, als etwa des Gerichtschreibers. Die Ablehnung eines derjenigen Mitglieder, welche an der Schlussverhandlung Theil nehmen, §. 18, muss spätestens an dem Tage vor der letzteren geschehen. §. 5. Zu der Begründung der Ablehnung ist die bestimmte Angabc und nötigenfalls die Bescheinigung der Thatsachen erforderlich, auf welchen die Ueberzeugung des Antragstellers beruht, dass die fragliche Person in dieser Sache kein unparteiischer Richter sein werde. Ob die angeführten Gründe erheblich und ausreichend, ob sie genügend bescheinigt sind oder nicht, steht zu der Berathung und Beschlussnahme der übrigen Mitglieder des Gerichts. Nach Befinden ist die Erklärung des Abgelehnten über die AblehnungsgrQnde zu erfordern. Eine eidliche Bestärkung ist zu dem Zwecke der letzteren nicht zulässig. §. 6. Wegen frivoler Ablehnungsanträge ist der Antragsteller, daher auch der Vertheidiger, welcher den Antrag erhob, mit angemessener Geldstrafe, aushülflieh entsprechendem Gefängniss zu belegen. d. Ergänzung. §• 7. Sollte dem Criminalcollegium in Folge von rechtlicher Unfähigkeit, Ablehnung, Tod, Krankheit, Abwesenheit oder sonstiger dringender Behinderung die zu der Vornahme einzelner, keinen Aufschub gestattender Handlungen erforderliche Zahl von Mitgliedern abgehen, so wird die fehlende Zahl einstweilen durch landesherrliche Committirung anderer, zu der Ausübung des Richteramtes befähigter Männer ergänzt. 3 . Fristen und Termine. §• 8. Alle in dem gedachten Verfahren, §. 1, vorkommenden Fristen und Ladungen zu Terminen sind peremtorisch. 40*
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Mecklenburg-Schwerin. 4. Kosten.
§• f . . Mit der Verurtheilung Jos Angeschuldigten zu einer Strafe, sie mag in der ersten oder einer späteren Instanz erfolgen, ist zugleich die Verurtheilung desselben in die Kosten des Verfahrens auszusprechen. Werden mehrere, in derselben Untersuchung befangen gewesene Theilnehmer einer strafbaren Handlung zu einer Strafe verurtheilt, so ist zwar jeder nach dem Verhältnisse seiner Betheiligung in einen entsprechenden Antheil an den Kosten zu verurtheilen, sie haften jedoch für dieselben solidarisch. Wird der Angeschuldigte von der Instanz entbunden oder freigesprochen, so hat er die Kosten des Verfahrens nicht zu tragen, soweit er dieselben nicht selbst verschuldet hat. In demselben Umfange sind dem Freigesprochenen auch die Kosten der Vertheid igung zu erstatten. Die Kosten eines eingelegten Rechtsmittels fallen dem unterliegenden Theile zur Last. Hinsichtlich des Criminalfiscals werden dieselben dem Obsiegenden aus der Criminalcasse erstattet. Bei der Versäumung von Fristen und Terminen trägt der Säumige die dadurch verursachten Kosten. f>. Criminalfiscal.
§. 10. Zu der spocielleren Wahrnehmung des öffentlichen Interesses an der Untersuchung und Bestrafung der zu der Competenz des Criminalcollegiums gehörenden Verbrechen, in der in dem Nachfolgenden näher bestimmten Art und Weise, wird bei demselben ein C r i m i n a l f i s c a l angestellt. Derselbe hat seinen Wohnsitz zu B Q t z o w und steht unmittelbar unter dem Justizministerium. Dieselben Gründe, welche den Richter unfähig machen, §. 2, hindern auch den Criminalfiscal, sein Amt zu Qben. Ist er auf diese Weise oder in anderer Veranlassung behindert, so ernennt das Justizministerium einen Stellvertreter für ihn. Eine Ablehnung des Criminalfiscals ist nicht zulässig. §• 11. Sein Beruf ist: darüber zu wachen, dass die zu der Competenz des Criminalcollegiums gehörenden Verbrechen in dein gesetzlichen Gange des Verfahrens, unter Anwendung aller geeigneter gesetzlicher Mittel zur Erforschung der Wahrheit, auf die zweckmässigste Weise untersucht und dem Rechte gemäss bestraft werden. §. 12. Zu dem Ende ist er berechtigt und verpflichtet: 1. nach Beendigung der Untersuchung die letztere vor der Schlussverhandlung seiner sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, auf Berichtigung, Vervollständigung und Beschränkung derselben bei dem Criminalcollegium anzutragen, und auf solche Weise dahin zu wirken, dass die Untersuchung thunlichst fehlerfrei und spruchreif in die Schlussverhandlung hinübergehe. Gegen die Weigerung des Criminalcollegiums, seinen betreffenden Anträgen zu entsprechen, gebührt ihm die. an keine Nothfrist und keine Förmlichkeiten gebundene Querel an das Oberappellationsgericht; 2. mit Anträgen des unter Nr. 1 beregten Inhalts darf er auch noch in der zweiten und dritten Instanz bei den Gerichten hervorgehen, welche das zweite oder dritte Erkenntniss abzufassen haben. Gegen das Verfahren der Spruchbehörden, welche das zweite Erkenntnis»
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abfassen, hat er dieselbe Qnerel, gegen die ihn beschwerenden eigenen Verfügungen der Oberappell&tionsgerichts eine einmalige Vorstellong. 3. Nicht minder ist er berechtigt und verpflichtet: sich au der Schlugeverhandlung nach Massgabe der §§. 19 ff. zu betheiligen; das zuständige Rechtsmittel gegen das erste Erkenntnis» zu ergreifen, §. 39; sich dem Rechtsmittel des Angeschuldigten nach der Bestimmung des §. 40, Nr. 2 anzuschliessen; die s&mentliehen in der Sitche ergehenden Erkenntnisse gegen die Rechtsmittel des Angeschuldigten in Schutz zu nehmen, 39, und auf Sicherungsmassregeln §. 17, Nr. 5, Abs. 2 anzutragen. §. 13. Ausser seiner Besoldung erhilt der Criminalfiscal für seine amtliche Thätigkeit kein Honorar. Jedoch werden ihm die Reisekosten und sonstigen in seinem Berufe vorkommenden Auslagen aus der Criminalcasse erstattet und dQrfen dem Angeschuldigten nie zur Last gelegt werden. 6. Vorbereitendes Verfahren, f H. Das vorbereitende Verfahren unterliegt fortwährend den Bestimmungen der §§. 14—18, Th. 2 der Criminalgerichts-Ordnung. §. 15. Das Criminalcollegium ist verbunden, sich Ober die Annahme der aus dem vorbereitenden Verfahren an dasselbe gelangenden Sachen spätestens binnen a c h t Tagen zu erklären. 7. D u r c h f ü h r u n g der Untersuchung. §• 16.
Wegen der Durchführung der Untersuchungen verbleibt es bei den Bestimmungen der §§. 2, 3 der Verordnung vom 27. März 1855, betreffend die Zuständigkeit des Criminalcollegiums. 8. SehlU88Verhandlung und Erkenntniss. a. Allgemeine Bestimmungen. §. 17. 1. Der in dem §. 5 der Verordnung vom 15. Januar 1838, betreffend die Spruchreife der Criminaluntersuchungssachen, erwähnten Ubersichtlichen Promemorien bedarf es fortan nicht mehr. Dagegen hat 2. das Criminalcollegium nach Beendigung der Untersuchung, vor der Schlussverhandlung, die Acten dem Criminalfiscal zu dem, in dem §. 12, Nr. 1 bezeichneten Zwecke zuzustellen. 3. Nach der Erledigung dieses Verfahrens wird ein Referent, wozu jedoch nie der Inquirent zu nehmen, und ein Correferent, wozu regelmässig der Letztere zu wählen, bestellt. Diese haben das Collegium zunächst durch m ü n d l i c h e Vorträge so weit von der Sache in Kenntniss zu setzen, dass es in Grundlage dieser Vorträge und der weiteren Verhandlungen das Erkenntniss abgeben kann. 4. Hierauf soll fortan noch eine besondere S c h l u s s v e r h a n d l u n g vordem Criminalcollegium stattfinden und 5. nach dieser das erste Erkenntniss nicht mehr von einer der, in dem §. 5 der Verordnung vom 8. Januar 1839, betreffend die Erkenntnisse und Rechtsmittel in Criminalsachen, gedachten allgemeinen Spruchbehörden, sondern von dem Criminalcollegium selbst abgefasst werden. Dabei gehen auch die Rechte und Pflichten der Spruchbehörden hinsichtlich
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der Sicherungsmassregeln aus dem §. 15 der Verordnung vom 12. J a n u a r 1841, betreffend den Beweis im Criminalprocesse, auf da« Criminalcollegium Ober. b. Besetzung des Gericht«. §• 18. An beiden Handlungen § . 1 7 Nr. 4, 5 haben in der Regel alle, durch Krankheit, Abwesenheit, dringende und unaufschiebbare anderweitige Geschäft« oder rechtliche Gr&ndc nicht behinderten o r d e n t l i c h e n Mitglieder des Collegiums, regelmässig aber f ü n f und mindestens d r e i derselben Theil zu nehmen. Der in der Sache bestellt gewesene Inquirent ist als solcher weder an dieser Theilnahme behindert, noch berechtigt, sich derselben zu entziehen. Nur kann er nie als Vorsitzender der Schlussverhandlung fungiren. Im Uebrigen kommt auch hier die Bestimmung des §. 7 zur Anwendung. c. Schlussverhandlung. Allgemeine Beschaffenheit. §• 19Die Schlussverhandlung besteht in einem m ü n d l i e h e n , in der Regel ö f f e n t l i c h e n Verfahren vor dem Criminalcollegium, §. 18, in welchem dem Angeschuldigten die Ergebnisse der Untersuchung übersichtlich vorgehalten, die noch für nöthig erachteten schliesslichen Erörterungen der Sache vorgenommen, dem Angeschuldigten die Schlussfragcn vorgelegt werden, dessen V e r t e i d i g u n g mündlich geführt und der Criminalfiscal gehört wird. §. 20. Die Schlussverhandlung iBt m ü n d l i c h . Jedoch ist über sie ein Protokoll aufzunehmen, welches den Gang der Verhandlung, die an den Angeschuldigten, die Zeugen und Kunstverständigen gerichteten F r a g e n , die von ihnen ertheilten Antworten, die V e r t e i d i g u n g und die Vorträge des Criminalfiscals in ihren wesentlichen Momenten enthalten muss. Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichtschreibcr zu unterschreiben. §•21.
Die Schlussverhandlung ist insoweit ö f f e n t l i c h , dass unbescholtenen und unverdächtigen, anständig gekleideten M ä n n e r n , soweit der K;ium es erlaubt, der Zutritt zu ihr gestattet ist. Die Zurückweisung Einzelner aus den angedeuteten Rücksichten unterliegt dem Ermessen des Vorsitzenden und findet dagegen keinerlei Reclamation statt. Auch steht es zum Ermessen des Gerichts, die Ocffentliclikcit aus Rücksichten der Sittlichkeit oder wegen eines anderen öffentlichen Interesses auszuschliessen. Gegen diesen Beschluss steht Niemand eine Beschwerde zu. Das Gericht kann jedoch nach Befinden auch zu der Verhandlung in geheimer Sitzung die Gerichtsangehörigen mit Einschluss des Geistlichen, nähere Angehörige des Angeschuldigten, den Verletzten und einzelne andere Personen zulassen. §• 22. Der Vorsitzende hat das Recht und die Pflicht, die Ordnung und Ruhe in dem Sitzungsloeale und in dessen Nähe zu erhalten. E r kann diejenigen, welehc die Verhandlungen durch Aeusserungen des Beifalls oder des Missfallcns, oder andere Ungebühr stören, ermahnen oder entfernen und nach Befinden das Sitzungslocal von den Zuhörern ganz räumen lassen. Widerspenstige kann er sofort auf vierundzwanzig Stunden in H a f t führen lassen. §• 23. Werden in der öffentlichen Sitzung Verbrechen oder Vergehen begangen, so
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kann d u Gericht sofort die verwirkte Strafe erkennen, ohne weitere Förmlichkeiten , als dass der T h i t e r vernommen und dessen Verantwortung gehört worden ist. ».24. Die Leitung der Verhandlung gebohrt dem Vorsitzenden. Dieser kann das Verhör des Angeschuldigten nnd der Auskunftsperuonen einem der abrigen Richter flbertragen. Ohne seine Genehmigung darf Niemand das Wort nehmen. Bestellung des Verteidigers. §. 25. 1. In allen Fällen ist dem Angeschuldigten auf sein Verlangen, über welches er zu beiragen, in Bezug auf den $ . 1 7 No. 4 der Verordnung vom 8. Januar 1839, betreffend die Erkenntnisse und Rechtsmittel in Criminalsachen, auch ohne solches, dem Unvermögenden auf Kosten der Gerichtscasse, ein Vertheidiger für die Scblossverhandlung nach Massgabe der gedachten Verordnung zu bestellen. 2. Dem Vertheidiger ist die gesetzliche Unterredung mit dem Angeschuldigten und die Einsicht der Untersuchungsacten in der Gerichtsregistratur zu gestatten. Ob die Verabfolgung der Acten an den Vertheidiger zu gewähren, steht zu dem Ermessen des Gerichts. 3. Das Honorar der Vertheidiger, $. 23 der gedachten Verordnung, ist, da sie in Znkunft keine schriftliche Verteidigung mehr anzufertigen haben, entsprechend abzumindern. Ansetzung des Termins. §• 26. 1. Zugleich wird der Termin für die Schlussverhandlung so geräumig angesetzt, dass der Vertheidiger bis dahin, nach der Beschaffenheit des Falles, die Acten einsehen und die Verteidigung vorbereiten kann, in der Regel innerhalb vier, spätestens sechs Wochen nach der Beschaffung des in §. 17 No. 2 erwähnten Verfahrens. 2. Von diesem Termine ist gleichzeitig der Angeschuldigte und der Crimin&lfiscal in Kenntniss zu setzen und sind zu demselben, unter Androhung der in § . 2 7 erwähnten Nachtheile des Nichterscheinens, vorzuladen: der Angeschuldigte, wenn er sich nicht iu Haft befindet, der Vertheidiger, die Zeugen und Kunstverständigen, welche das Gericht noch zu vernehmen gedenkt. Nichterscheinen der Geladenen. §. 27. 1. Leistet der Angeschuldigte der Ladung keine Folge, so steht es zum Ermessen des Gerichts, entweder die Schlussverhaudlung ohne ihn vorzunehmen, ohne dass demselben demnächst irgend welche Einwendungen aus seiner unterbliebenen Schlussvernehmung und V e r t e i d i g u n g zustehen, oder die Verhandlung zu vertagen und den Angeschuldigten zn dem anzusetzenden neuen Termine realiter zu gestellen. 2. Erscheint der Vertheidiger nicht, so ist die Schlussverhandlung zu vertagen nnd der ausgebliebene Vertheidiger, sofern er nicht durch eingetretene unüberwindliche Hindernisse entschuldigt ist, in eine Geldstrafe von 25 Thalern und in die Kosten des vergeblich angesetzten Termins zu verurteilen. Auch kann das Gericht für den späteren Termin einen anderen Vertheidiger bestellen. 3. Sind Zeugen ausgeblieben, die nicht etwa durch den Gerichtsdiener sogleich gestellt werden können, oder Sachverständige, so sind dieselben unter derselben Voraussetzung wie in No. 2 in eine Geldstrafe von 20 Thalern oder acht Tagen Gefängniss und in alle durch ihr Ausbleiben veranlassten Kosten zu verurteilen.
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Ob anter solchen Umständen die Schluss Verhandlung zu vertagen oder ohne jene Personen vorzunehmen ist, steht zum Ermessen des Gerichts. Gang der Verhandlung. §. 28. Die zu der Beweisführung dienenden Gegenstände werden vor der Eröffnung der Verhandlung in das Gerichtslocal gebracht. §. 29. Nachdem das Gericht in dasselbe eingetreten ist und an dem Sitzungstische Platz genommen hat, wird der Angeschuldigte ungefesselt vorgeführt, wenn er verhaftet ist, in Begleitung einer Wache. Sind mehrere Angeschuldigte da, so hat der Vorsitzende zu bestimmen, ob sie gleichzeitig oder nach einander vorzuführen und die Schluss Verhandlung mit ihnen gleichzeitig oder getrennt durchgeführt werden soll. §• 30. Der Vorsitzende hält dann dem nach Namen und Stand bezeichneten Angeschuldigten, beziehungsweise den vorgefahrten mehreren Angeschuldigten, in einem Ubersichtlichen Vortrage die Ergebnisse der Untersuchung vor. Welche Ausdehnung diesem Vortrage zu geben, wie weit dabei insbesondere in die Einzelheiten des objectiven und des subjectiven Thatbestandes und de» gegen den Angeschuldigten vorliegenden Beweises einzugchen, li&ngt von der Beschaffenheit und Lage des Falles ab. Der Vortrag kann daher den Umständen nach bald sehr kurz sein, bald einer weiteren Ausdehnung unterliegen. §•31. Ob nach diesem Vortrage zur thunlichsten Erledigung der ' etwa in der Untersuchung noch übrig gebliebenen Dunkelheiten und Zweifel noch eine weitere Erörterung einzelner Puncto der Untersuchung stattfinden soll und in welchem Umfange, ob insbesondere der Angeschuldigte oder Mitangeschuldigte noch über das Eine oder Andere zu befragen, denselben die zu der Beweisführung dienenden Gegenstände, §. 28, nochmals zur Anerkennung vorgelegt werden sollen, ob noch Zeugen oder Kunstverständige zu hören, Confrontationen vorzunehmen und dergleichen mehr, steht zum Ermessen des Gerichts, beziehungsweise des Vorsitzenden. Dieser bestimmt die Reihenfolge, in welcher die Zeugen und Kunstverständigen vorzuführen, und ob dieselben, nsch ihrer Vernehmung, bei der weiteren Verhandlung zugegen sein dürfen oder wieder abzutreten haben. Desgleichen bestimmt e r , ob der Angeschuldigte etwa während der Abhörung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitangeschuldigten aus dem Sitzungssaale zu entfernen. Den Obrigen Mitgliedern des Gerichts und dem CriminHlfiscalc steht das Recht zu, dem Angeschuldigten, den Zeugen und Sachverständigen, nachdem der Vorsitzende ihnen das Wort ertheilt, §. 24, unmittelbar Fragen vorzulegen. Dor Angeschuldigte und dessen Vertheidiger können nur durch die Vermitte.lung des Vorsitzenden Fragen stellen. §. 32. 1. Nach Beendigung dieser weiteren Erörterungen, wenn solche stattgefunden, sonst gleich nach dem übersichtlichen Vortrage, §. 3 0 , werden dem Angeschuldigten die Schlussfragen vorgelegt. 2. Eis ist ihm gestattet, bei der Beantwortung derselben dasjenige vorzutragen, was er selbst zu seiner V e r t e i d i g u n g zu sagen hat. 3. Hierauf ist es dem Criminalfiscal gestattet, auf die für die Beurthcilung des Falles wesentlichen Gesichtspuncte oder einzelne derselben aufmerksam zu machen, auch, sofern es noch nicht früher geschehen, auf die Ausscheidung einzelner Verbrechen und auf eine bestimmte Strafe anzutragen, ohne dass das Geriebt dadurch in seiner Entscheidung auf dieses Strafmass beschränkt wird.
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4. Demnächst ist der Vertheidiger, wenn der Angeschuldigte einen solchen bat, zu dem Vortrage der Veftheidigung aufzufordern. Dieser Vortrag ist frei zu halten und so einzurichten, dass die einzelnen tatsächlichen und rechtlichen Vertheidignngsmomente in geordneter Reihenfolge, bestimmt, kurz und bündig, ohne Weitläufigkeit und nicht zu der Sache gehörige Abschweifungen lind Einmischungen vorgetragen werden. Der Vorsitzende ist berechtigt und verpflichtet, den Vertheidiger nötigenfalls in die entsprechende Grenze zu weisen. Wegen solcher Aeosserungen, welche in einer schriftlichen V e r t e i d i g u n g constitutionswidrijg sein würden, kann der Vertheidiger nicht allein sofort von dem Vorsitzenden zurechtgewiesen werden, sondern es bleibt auch deren anderweitige Ahndung dem Ermessen des Gerichts überlassen. 5. Der Criminalfiscal, dessen Vorträge ebenfalls den vorstehenden Bestimmungen unterliegen, hat das Recht, auf die V e r t e i d i g u n g zu erwidern, wogegen dem Angeschuldigten oder dessen Vertheidiger noch eine schliessliche Erklärung zusteht. §• 33. Die Schlussverhandlung darf nur aus besonderen Gründen unterbrochen oder zur Fortsetzung in einem anderen Termine verschoben werden. d.
Erkenntniss.
§. 34. Nachdem der Vorsitzende die Verhandlung geschlossen, zieht sich das Gericht in das Berathungszimmer zurück, um das Erkenntniss zu berathen und zu beschliessen. Der verhaftete Angeschuldigte wird nach Befinden einstweilen aus dem Sitzungszimmer wieder abgeführt. §. 35. In der Regel hat das Gericht, auf weiteren m ü n d l i c h e n Vortrag des fOr die Sache bestellten Referenten und Correferenten, das Erkenntniss s o f o r t zu beschliessen und in ö f f e n t l i c h e r Sitzung, nachdem der vorher etwa abgeführte Angeschuldigte wieder vorgeführt worden, durch den Vorsitzenden zu verkündigen. Es steht jedoch zum Ermessen des Gerichts, die Abfassung und Verkündigung des Erkenntnisses auszusetzen, aber regelmässig nicht über acht T a g e . Ist der nicht verhaftete Angeschuldigte dann nicht mehr anwesend, so hat das Gericht die Wahl, denselben zu der bezeichneten Verkündigung des Erkenntnisses nochmals vorzuladen, oder demselben das letztere auf andere geeignete Weise zu eröffnen. Das Erkenntniss ist, nach seiner Verkündigung, in einer besonderen, von allen Mitgliedern des Gerichts unterzeichneten Ausfertigung mit den Entscheidungsgründen spätestens binnen a c h t Tagen zu den Acten zu bringen. Dem Criminalfiscal ist, wenn er nicht bei derselben zugegen, sofort nach der Verkündigung oder sonstigen Eröffnung des Erkenntnisses eine Abschrift desselben zuzufertigen. §• 36. In Ansehung des Beweises bewendet es bei den Bestimmungen des bestehenden Rechts, insbesondere der Verordnung vom 12. Januar 1841 , betreffend den Beweis im Criminalprocesse, und der Verordnung vom 25. Janaar 1855, betreffend den Beweis durch Anzeigen im Criminalprocesse. §•37. 1. Das Erkenntniss wird durch mündliche Abstimmung — über welchc ein abgesondert von den Acten aufzubewahrendes, von allen gegenwärtigen Mitgliedern des Gerichts zu unterzeichnendes Protokoll aufzunehmen ist — nach Stimmenmehrheit gefasst.
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Bei Stimmengleichheit geht die mildere Meinung vor. 2. Bei mehr als zwei verschiedenen Meinungen aber dieselbe F r a g e , von welchen keine die Mehrheit für sich hat, werden die dem Angeschuldigten nacht e i l i g s t e n Stimmen den zunächst minder nachtheiligen so lange zugezihlt, bis sich eine Majorität ergiebt Ist es zweifelhaft, welche Meinung minder nachtheilig sei, so ist darüber besonders abzustimmen, wobei die Stimmenmehrheit und bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidet. 3. In Ansehung des Beweises durch Anzeigen verbleibt es ausserdem bei der Bestimmung des § . 1 1 Abs. 1 der Verordnung vom 12. J a n u a r 1 8 4 1 .
9.
Rechtsmittel.
a. Zulissigkeit. §•38. Hinsichtlich der N o t w e n d i g k e i t eines zweiten und dritten, sowie hinsichtlich der Zulissigkeit eines zweiten Erkenntnisses im Interesse des Angeschuldigten im Criminalprocesse verbleibt es bei den Bestimmungen der Verordnung vom 8. J a n u a r 1 8 3 9 , betreffend die Erkenntnisse und Rechtsmittel im Criminalprocesse. Ein drittes Erkenntnis» ist dagegen nach der Bestimmung des §. 2 der Verordnung vom 17. J a n u a r 1855, betreffend die Abänderung der Criminalerkenntnisse u. s. w., nur noch dann z u l ä s s i g , wenn das zweite Erkenntniss auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe, oder auf gänzliche Amtsentsetzung, und was derselben gleich zu achten, z. B . auf Entziehung der Praxis für immer mit oder ohne anderweitige Strafbestimmung, gerichtet, oder durch dasselbe das erste Erkenntniss zum Nachtheilc des Angeschuldigten abgeändert worden ist. §• 3 9 . Dagegen hat der Criminalfiscal nicht allein das Recht, so oft er das e r e t e Erkenntniss zu gelinde erachtet, mittelst des von ihm zu ergreifenden Rechtsmittels der R e v i s i o n ein zweites Erkenntniss zu verlangen, sondern er ist auch berechtigt, jedes Erkenntniss gegen den Angeschuldigten in Schutz zu nehmen. Gegen daB zweite Erkenntniss hat er selbst dann kein Rechtsmittel, wenn dasselbe das erste Erkenntniss zu Gunsten des Angeschuldigten abgeändert hat. §• 4 0 . 1. Derselbe hat die Absieht, seinerseits von dem gedachten Rechtsmittel Gebrauch machen zu wollen, spätestens binnen d r e i Tagen nach der an ihn erfolgten Zufertigung des Erkenntnisses zu den Acten zu erklären. 2. Jedoch ist er, wenn der Angeschuldigte ein nicht nothwendiges zweites Erkenntniss verlangt hat, berechtigt, sich dem von diesem ergriffenen Rechtsmittel auch noch später zur Erwirkung einer Abänderung des Erkenntnisses zum Naehtheile desselben anzuschliessen. 3. E r ist daher von dem, von dem Angeschuldigten ergriffenen Rechtsmittel, sowie von der, von demselben zu Protokoll gegebenen V e r t e i d i g u n g , § . 1 7 Nr. 3 der Verordnung vom 8. J a n u a r 1 8 3 9 , sofort in Kenntniss zu setzen. 4. Die unter No. 2 erwähnte Befugniss hat auch der Angeschuldigte, wenn der Criminalfiscal ein Rechtsmittel ergriffen hat, zu der Herbeiführung eines ihm günstigeren Erkenntnisses. E r ist daher auch seinerseits von dem, von dem Criminalfiscal ergriffenen Rechtsmittel zu benachrichtigen. b.
Vertheidiger.
§• 4 1 . Wegen der Bestellung eines V e r t e i d i g e r s des Angeschuldigten gegen das erste und zweite Erkenntniss verbleibt es bei den Bestimmungen des §. 17 No. 2 und 4 der Verordnung vom 8. J a n u a r 1 8 3 9 .
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Ali Vertheidiger sind fortan nur die bei einer der drei Justizcanzleien, §. 42, und der Justizcanzlei zu N e u s t r e l i t z immatriculirten Advocaten zulässig. c.
Spruchbehörden.
§. 42. Das zweite Erkenntnis« ist in Zukunft nicht mehr von einer der in dem §. 5 der Verordnung vom 8. Januar 1839 erwähnten fünf allgemeinen Spruchbehörden, sondern von einer der drei Justizcanzleien zu S c h w e r i n , G ü s t r o w und R o s t o c k abzufassen. d. Verfahren. Im
Allgemeinen. §. 43. Hat der Angeschuldigte seine V e r t e i d i g u n g zu Protokoll gegeben, §. 17 No. 3 der Verordnung vom 8. Januar 1839, so hat auch der Criminalfiscal seine Erwiderung auf dieselbe vor der Absendung der Acten zum ferneren Spruche, §. 17 No. 1 daselbst, zum Protokolle vorzutragen. §. 44. 1. Nach dem Eingange der Acten setzt das Gericht, welches das zweite oder dritte Erkenntniss abzufassen hat, so oft eine weitere Vertheidiguug für den Angeschuldigten zu führen ist, oder der Criminalfiscal das Rechtsmittel der Revision ergriffen hat, einen möglichst nahen Termin, in der Regel innerhalb v i e r , spätestens s e c h s Wochen, zur Verhandlung der Sache an, zu welchem in beiden bezeichneten Fällen der Vertheidiger und der Criminalfiscal geladen werden. 2. Es steht zu dem Ermessen des Gerichts, auch den Angeschuldigten dazu vorzuladen, oder wenn sich derselbe in Haft befindet, dazu vorführen zu lassen; desgleichen Mitangeschuldigte, Zeugen und Kunstverständige; theils um sich von deren Persönlichkeit zu überzeugen, theils zu der weiteren Erörterung dunkel oder zweifelhaft gebliebener Punctc der Untersuchung, wie im §. 31. 3. Diese weitere Erörterung ist auch zu der thunlichsten Vermeidung von Zwischcncrkenntnissen anzuwenden, die in der Regel nicht stattfinden, sondern durch die eigene weitere Erörterung des Gerichts zu ersetzen sind. Allemal hat das Gericht sorgfältig zu erwägen, auf welchem der beiden bezeichneten Wege, der obwaltenden Sachlage nach, dem erkannten Mangel am einfachsten, kürzesten und zweckmässigsten abgeholfen werden kann, und darnach zu verfahren. §. 45. Zu der Vorladung oder Vorführung des Angeschuldigten u. s. w. und zu solchen weiteren Erörterungen ist das Gericht jedoch so oft berechtigt, als es dergleichen zu seiner Informirung für die Urtheilsfällung angemessen erachtet, auch wenn keine Verteidigung vor ihm zu führen und der Criminalfiscal nicht zu hören ist. Der Vertheidiger und der Criminalfiscal sind auch in diesem Falle, mit der Freilassung denselben beizuwohnen, von dem Tage solcher Vornahme vorher in Kenntniss zu setzen. §• 46. Vor der Abhaltung des Termins muss das Collegium, durch die von dem bestellten Referenten und Correferenten erstattete m ü n d l i c h e Relation und Correlation, soweit von der Sache in Kenntniss gesetzt worden sein, dass es sich in dem Stande befindet, auf den Grund dieser Vorträge und der weiteren Verhandlung das Erkenntniss abzufassen. §• 47. Das Verfahren findet vor dem versammelten Collegium statt. Dasselbe ist m ü n d l i c h und ö f f e n t l i c h , wie in den §§. 19—23, und sind in demselben die bezüglichen Bestimmungen der §§. 24, 25 Nr. 2, 3, 26, 27, 28, 29, 31, 33 entsprechend zur Anwendung zu bringen.
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Erscheint der zu der Führung der Verteidigung geladene Vertheidiger nicht, 60 tritt die Vorschrift des §. 27 No. 2 ein. Erscheint der zu der Rechtfertigung des von ihm eingelegten Rechtsmittels der Revision geladene Criminaliiscal nicht, so hat das Gericht dessenungeachtet seine Beschwerde von Amtswegen zu prüfen und, soweit sie begründet erscheint, in Gemässheit derselben zu entscheiden. In derselben Weise ist zu verfahren, wenn der Criminaliiscal, nachdem er sich dem Rechtsmittel des Angeschuldigten angeschlossen, §. 40 No. 2, in dem Verhandlungstermine, zu welchem er geladen war, nicht erschienen ist. Verhandlung. §. 48. In dem Verhandlungstermine bezeichnet der Vorsitzende zunächst in einer übersichtlichen Einleitung den dermaligen Stand der Sache und schreitet dann, wenn solche stattfinden sollen, zu den weiteren Vornahmen, §. 44 No. 2, 3, fort. Hierauf folgt, wenn eine solche zu fuhren, die Verteidigung des Angeschuldigten, auf welche der Criminalfiscal nach Befinden erwidert und der Vertheidiger beschliesst. Demnächst rechtfertigt der Criminalfiscal die von ihm ergriffene Revision oder trägt seine adhärirenden Anträge, §. 40 No. 2 , vor. Hierauf erwidert der Vertheidiger und rechtfertigt zugleich die etwaige Adhäsion des Angeschuldigten, §. 40 No. 4, worauf dann der Criminalfiscal beziehungsweise beschliesst und wegen jener Adhäsion erwidert, hinsichtlich welcher dann noch dem Vertheidiger das letzte Wort verbleibt. §•49. Die Vorträge des Vertheidigers und des Criminalfiscals unterliegen den Bestimmungen des §. 32 No. 4. Sie haben sich auf das nach der dermaligen Sachlage noch in Betracht Kommende zu beschränken. e. Erkenntnis». §. 50. 1. Das Erkenntniss ist, auf den m ü n d l i c h e n Vortrag des Referenten und des Correferenten, in der Regel spätestens innerhalb v i e r z e h n Tage nach stattgehabter Verhandlung abzugeben. Für die Abfassung desselben gelten die Vorschriften der §§. 36, 37. 2. Geht dem Erkenntnisfe kein Verhandlungstermin vorauf, so ist dasselbe, ebenfalls auf m ü n d l i c h t Relation und Correlation, innerhalb der für die Abhaltung jenes Termins bestimmten Frist, §. 44 No. 1, abzugeben. 3. Die Entscheidungsgründe des zweiten und dritten Erkenntnisses sind , unter Vermeidung aller nicht notwendigen Wiederholungen aus den Personen- und SachVerhältnissen, in gedrängter Kürze auf die Erörterung der nach der dermaligen Sachlage noch relevanten Puncte zu beschränken. §•51. Nach erfolgter Zurücksendung der Acten verfährt das Criminalcollegium mit der Verkündigung des Erkenntnisses und dessen abschriftlicher Mittheilung an den Criminalfiscal nach §. 35. 10.
Anwendung dieser Verordnung.
§• 52. Diese Verordnung tritt im Allgemeinen mit dem 1. April d. J . in Wirksamkeit, auch in den bereits obschwebenden Untersuchungen, in dem Umfange, in welchem es der dermalige Stand der letzteren noch gestattet. Wegen der Unzulässigkeit des dritten Erkenntnisses, §. 38 Abs. 2, verbleibt es bei der Bestimmung des §. 4 der betreffenden Verordnung vom 17. Januar 1855.
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Auch ist in den bereit« zum Spruche versendeten Sachen das Erkenntnis* selbst, wenn es noch nicht abgefasst sein sollte, von der betreffenden Spruchbehörde abzufassen und hinsichtlich der an die Justucanzlei zu N e u s t r e l i t z versendeten Sachen die bisherige Form des Spruchverfahrens von derselben beizubehalten. Gegeben durch Unser Staatsministerium, S c h w e r i n , am 1. Februar 1856.
2.
Verordnung, betreffend die Abänderung de« Art 17 No. 1 — 4 der vorstehenden Verordnung, vom 29. Januar 1859. Die Bestimmungen des § . 1 7 No. 1, 2, 3 und 4 der Verordnung vom 1. Februar 1856 werden hierdurch dahin abgeändert: 1. Der in dem §. 5 der Verordnung vom 15. Januar 1838, betreffend die Spruchreife der Criminaluntersuchungssachen, erwähnten abersiehtlichen Promemorien bedarf es fortan nicht mehr; vielmehr ist 2. sobald der Inquirent die Untersucbungsacten für spruchreif erklärt, auch nicht etwa in besonderen Fällen auf Anregung desselben ein Beschluss des Collegiums über die Spruchreife erforderlich wird, sofort ein Referent zu bestellen, wozu jedoch nie der Inquirent zu nehmen, und ein Correferent, wozu regelmässig der Letztere zu wählen ist. Diese haben das Collegium zunächst durch m ü n d l i c h e Vorträge soweit von der Sache in Kenntniss zu setzen, dass es in Grundlage dieser Vorträge und der weiteren Verhandlungen das Erkenntniss abgeben kann; 3. Nach abgehaltener Belationsconferenz hat das Criminalcollegium die Acten dem Criminalfiscal zu dem, in dem § . 1 2 No. 1 bezeichneten Zwecke zuzustellen ; 4. Nach der Erledigung dieses Verfahrens soll fortan noch eine besondere S c h l u s s v e r h a n d l u n g vor dem Criminalcollegium stattfinden. Gegeben durch Unser Staatsministerium, S c h w e r i n , am 29. Januar 1859.
XIX.
Königreich Sachsen. Strafproce »»-Ordnung mit Einfthrungfgesets vom 13. Auguit 1856. Behufs zeitgemässer Umgestaltung des Strafverfahrens haben Wir eine Strafprocess-Ordnung auf der Grundlage der Unmittelbarkeit und Oeffentlichkeit mit Staatsanwaltschaft zu erlassen beschlossen. Unter Zustimmung Unserer getreuen Stände bringen Wir dieselbe als ein all-
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gemeines Landesgesetz hierdurch zur öffentlichen Kenntniss und bestimmen zugleich über deren Anwendung Folgendes: I. Unser Justizministerium wird den Tag, mit welchem die StrafprocessOrdnung in Kraft tritt, durch Verordnung bekannt machen. II. Neben der Strafprocess-Ordnung bleiben auch femer in Gültigkeit: 1. die strafprocessualischen Vorschriften des Königlichen Hausgesetzes vom 30. December 1837; 2. die Vorschriften im §. 84 der Verfassungsurkunde über die Verhaftung von Landtagsabgeordneten; 3. das Gesetz über das Verfahren in den an den Staatsgerichtshof gelangenden Sachen vom 3. Februar 1838; 4. die Vorschriften über das Verfahren in Militärstrafsachen, in Zoll- und Steuerstrafsachen, sowie überhaupt bei denjenigen Vergehen, deren Untersuchung und Bestrafung den Verwaltungsbehörden zugewiesen ist; 5. die Vorschriften über das Verfahren bei Uebertretungen des Gesetzes vom 22. Februar 1844, den Schutz der Rechte an literarischen Erzeugnissen betreffend ; 6. die Vorschriften über das Disciplinarverfahren gegen Staatsdiener und andere in öffentlichen Pflichten stehende Personen, sowie gegen die Studirenden auf der Universität Leipzig; 7. die in dem Gesetze vom 10. Mai 1851 enthaltenen Bestimmungen über das standrechtliche Verfahren. Ist jedoch in den Fällen unter Nr. 4 und 7 die Sache zur weiteren Untersuchung und Aburtheilung an die Justizbehörden abgegeben worden, so findet auch hier das in der Strafprocess-Ordnung vorgeschriebene Verfahren statt. III. Die Strafprocess-Ordnung tritt mit dem nach Art. I bestimmten Tage auch rücksichtlich der Untersuchung und Aburtheilung der vor diesem Tage begangenen Verbrechen, unter den nachstehenden näheren Bestimmungen, in Kraft. IV. Die bei den Gerichten erster Instanz bereits anhängigen Untersuchungen, welche nach den Vorschriften der Art. 45 fg. der Strafprocess-Ordnung nicht von dem Einzelrichter abgeurtheilt werden können, sind an das Bezirksgericht zur Fortstellung abzugeben und von diesem zuförderst der Staatsanwaltschaft zur Erklärung vorzulegen. Insoweit diese Untersuchungen aber zur Zuständigkeit des Einzelrichters gehören, hat der Einzelrichter dieselben nach Massgabe der Vorschriften im Art. 358 ff. der Strafprocess-Ordnung fortzustellen und zu beendigen. Die Rechtsbeständigkeit derjenigen Handlungen, welche von den Gerichten in diesen Untersuchungen bis dahin, wo die Strafprocess-Ordnung in Kraft tritt, vorgenommen worden sind, ist lediglich nach den zeither gültigen Vorschriften zu beurtheilen. V. Die Bestimmungen des vorigen Artikels Absatz 1 leiden auf solche Untersuchungen keine Anwendung, in welchen vor dem nach Art. I bestimmten Tage bereits ein Definitiverkenntniss von dem Untersuchungsgeriehte oder dem Spruchcollegium oder dem Appellationsgcrichte abgefasst, oder die Acten zur Abfassung eines solchen an das Spruchcollegium oder das Appellationsgericht eingesendet worden. Vielmehr sind diese Untersuchungen nach dem zeitherigen Verfahren fortzustellen und zu beendigen. Dies gilt insbesondere in Betreff der Zulässigkeit von Rechtsmitteln und des Iustanzcnzugs. Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet hier nicht statt. VI. Ist eine Untersuchung vor dem nach Art. I bestimmten Tage wegen Mangels ausreichender Beweismittel beigelegt oder durch eine Freisprechung des Angeklagten in Mangel Verdachts oder mehreren Verdachts beendigt worden, so kann die Staatsanwaltschaft, beziehendlich der Privatankläger, die Wiederaufnahme der Untersuchung aus denselben Gründen beantragen, aus welchen die Wiederaufnahme einer nach jenein Tage eingestellten (Art. 125, 235 der Strafprocess-
Strafprocess-Ordnung mit EinfBhrnngs-Gesetx vom 13. August 1855. Ordnung) Voruntersuchung zulässig igt. Vergl. Art. 386 der Strafprocess-Ordnung Abschnitt 1 und 2. I s t der Angeklagte durch ein vor jenem T a g e ertheiltes Erkenntniss verurtheilt worden, so kann die Wiederaufnahme von der Staatsanwaltschaft, beziehendlich dem Privatankliger, aus den im A r t 386 Nr. 4 angegebenen Gründen beantragt werden. In Betreff des Antrags des Angeklagten auf Wiederaufnahme einer vor jenem Tage beendigten Untersuchung gelten die Vorschriften des Art. 387. Ueber den Antrag auf Wiederaufnahme entscheidet, wenn das frühere Erkenntniss von einem Appellationsgerichte in erster Instanz oder vom Oberappellationsgerichte geftUt worden war, das Letztere, ausserdem das Bezirksgericht desjenigen Bezirks, woselbst die Untersuchung anhängig gewesen. Dieselben Bestimmungen gelten auch rücksichtlich der Wiederaufnahme solcher Untersuchungen, welche nach jenem Tage zwar, aber in Folge der Vorschrift im vorigen Artikel nach den Grundsitzen des früheren Verfahrens abgeurtheilt worden sind. Im Uebrigen leiden bei der Wiederaufnahme früherer Untersuchungen die Bestimmungen der Strafprocess-Ordnung, insbesondere auch des Art. 3 9 1 Anwendung. VII. Die zeitherigen gesetzlichen Bestimmungen aber das Untersuchungsverfahren werden, soweit nicht vorstehend etwas Anderes bestimmt ist, hierdurch aufgehoben. VIII. Ueber die Anwendung der Strafprocess-Orduung auf die Fälle eines strafgerichtlichen Verfahrens gegen Mitglieder des Hauses Schönburg wird, soweit hierbei die recessmässigen Verhältnisse in Frage kommen, nur nach Einvernehmen und mit Einverständniss desselben, seiner Zeit Bekanntmachung erfolgen.
Allgemeiner
Theil.
Erstes Capitel. Allgemeine Bestimmungen. Untersuch ungsprincip. A r t . 1. (1) Verbrechen werden im öffentlichen Interesse zur Bestrafung gezogen. Anklageform. A r t . 2. (2) Das strafgerichtliche Verfahren setzt in der Regel (Art. 358) einen Antrag auf Anwendung der Strafgesetze voraus. Derselbe wird, soweit nicht für gewisse Fälle etwas Anderes in den Gesetzen bestimmt ist (vergl. Art. 31 Privatanklage), von den durch das Gesetz hiermit beauftragten Beamten und zwar von Amtawegen (vergl. jedoch Art. 29) gestellt. Beruf der Behörden und Beamten im Strafverfahren. Alle in dem Strafverfahren Wirkungskreise die Erforschung nehmen und daher mit gleicher t e i d i g u n g des Angeschuldigten sichtigen.
A r t . 3. (3) thätigen Behörden und Beamten haben in ihrem der thatsächlichen Wahrheit zum Zielpuncte zu Sorgfalt die zur Ueberführung und die zur Verdienenden Umstände zu erörtern und zu berück-
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Abtheilungen des Strafverfahrens. A r t . 4. (4) Da» Verfahren zerfällt in üie Voruntersuchung, das Anklageverfahren und die Hauptverhandlung. Vergl. jedoch Art. 2 5 3 ff. ( V o n der unmittelbaren Vorladung) und Art. 3 5 8 ff. ( V o n dem Verfahren vor dem Einzelrichter). D i e Voruntersuchung erhebt den Thatbestand und sammelt die sowohl zur UeberfQhrung als auch zur Entlastung des Angeschuldigten dienenden Beweismittel soweit, das? über die Verweisung zur Hauptverhandlung entschieden und im Falle dieser Verweisung die Hauptverhandlung selbst ununterbrochen abgehalten werden kann. D i e Prüfung der Ergebnisse der Voruntersuchung behufs dieser Entscheidung, sowie diese Entscheidung selbst bilden das Anklageverfahren. In der Hauptverhandlung erfolgt die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gerichte und auf Grund derselben die verurtheilende oder freisprechende Endentscheidung über die erhobene Anklage. Mündlichkeit (Unmittelbarkeit) und Oeffentlichkeit. A r t . 5. (5) Das Strafverfahren ist mündlich, jedoch mit Niederschriften verbunden. Der Angeschuldigte erscheint in Person vor dem Bezirksgerichte bei den Hauptverhaudlungen und in denjenigen Verhandlungsterminen, in denen über Einsprüche gegen die Erkenntnisse der Einzelrichter entschieden wird, vorbehaltlich der Bestimmungen über das Verfahren gegen Abwesende und Flüchtige. Ueber das Erscheinen des Angeklagten vor dem Oberappellationsgerichte im Falle der Entscheidung desselben über eine Berufung gegen ein Enderkenntniss dos Bezirksgerichts ist im Art. 3 4 3 das Weitere bestimmt. Die Hauptverhaudlungen vor dem Bezirksgerichte, sowie die Verhandlungen desselben über Einsprüche gegen Erkenntnisse der Einzelrichter sind öffentlich. Jetloch ist nur erwachsenen Personen der Zutritt gestattet. Inwieweit die Verhandlungen vor dem Oberappellationsgerichte öffentlich sind, bestimmt Art. 3 4 4 . Lieber die Oeffentlichkeit der Verhandlungstermine bei dem Einzelrichter vergl. Art. 3(JG. Die Berathungen der Richter über eine zu ertheilende Entscheidung sind auch bei öffentlichen Sitzungen dergestalt geheim, dass die Richter entweder in das BerathungszimnuT sich zurückziehen, oder im Sitzungssaale mit leiser Stimme beratschlagen. (Vergl. jedoch wegen der Enderkenntnisse Art. 2 9 6 Abs. 6). Geheime Sitzung. A r t . 6. (6) D a s Gericht ist befugt, auf den Antrag des Staatsanwalts, des Verletzten oder des Bezüchtigten, sowie auch von Amtwegen die Oeffentlichkeit der Verhandlung, ohne Unterschied, ob diese bereits begonnen hat oder nicht, auszuschliessen und die Verhandlung in geheimer Sitzung vorzunehmen, wenn nach seinem Ermessen bei der Oeffentlichkeit der Verhandlung Verletzung des Schamgefühls oder Gefahr für die öffentliche Ordnung zu befürchten ist oder sonst das Interesse des Staates den Ausschluss der Oeffentlichkeit r&thlich macht. (Vergl. noch Art. 3 7 6 ) . Da» Enderkenntniss, welches auf eine geheime Verhandlung gegründet wird, ist jedoch in einer öffentlichen Sitzung bekannt zu machen. (Vergl. jedoch Art. 3 6 7 Abs. 4). Ob auch die Entscheidungsgrfinde in derselben öffentlichen Sitzung und ob sie überhaupt in öffentlicher Sitzung bekannt gemacht werden sollen, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. D e r geheimen Verhandlung können der Verletzte, die Mitglieder der Staats-
Strafprocess-Ordnnng mit EinfBhnings-Gesetz Tom 13. August 1855. anwaltschaft, der Vorstand des Justizministeriums und die bei demselben angestellten R&the, sowie, nach dem Ermessen des Gerichtsvorsitzenden, richterliche Beamte, Sachwalter and Mitglieder der Polizeibehörden beiwohnen. Personen vor erfalltem achtzehnten Ahersjahre und Frauenspersonen können, wenn sie die Angeschuldigten oder Verletzten sind, zu der geheimen Verhandlung den gesetzlichen Vertreter und beziehendlich den Ehemann, sowie einen oder, unter Genehmigung des Gerichtsvorsitzenden, einige ihrer n&chsten Verwandten und Freunde mitbringen. A r t 7. (7) Das Erkenntniss, welches auf Grund einer geheimen Verhandlung ertheilt worden ist, kann von dem Staatsanwalt«, sowie von dem Angeklagten mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden, wenn die Ausschliessung der Oeffentlichkeit aus einem anderen, als einem der im Art. 6 in Verbindung mit Art. 376 angegebenen Grande stattgefunden hatte. Es ist jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde, bei Verlust derselben, noch vor dem Beginne der Verhandlung in der geheimen Sitzung, bei dem in letzterer erkennenden Gerichte vorläufig anzumelden. (VergL noch Art. 89). Veröffentlichung von Actenstücken. A r t . 8. (8) Die Veröffentlichung von Actenstücken, insbesondere von Verweisungserkenntnissen durch die Presse ohne Genehmigung des Gerichts ist, so lange sie noch nicht bei der öffentlichen Verhandlung vorgelesen worden sind oder die Untersuchung ihre Endschaft erreicht hat, bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern untersagt. Berathungen richterlicher Entscheidungen. A r t . 9. Jeder richterlichen Entscheidung soll, insoweit sie nicht durch das Gesetz einem einzelnen Richter übertragen ist, eine mflndliche Berathung der Richter vorausgehen. Der Vorsitzende leitet die Berathung. Hängt eine zu ertheilende Entscheidung von der Beantwortung mehrerer, sich gegenseitig bedingender Fragen ab, so ist der Aber eine der letzteren gefasste Beschluss auch für diejenigen Gerichtsmitglieder, welche etwa bei der Abstimmung in der Minderheit geblieben sind, bei ihrer Abstimmung aber die anderen Fragen bindend. Ausschluss gesetzlicher Beweisregeln. A r t 10. Soweit die Richter aber thats&chliche Verhältnisse zu urtheilen haben, sind sie nur an ihre, durch die vorliegenden Beweise gewonnene Ueberzeugung gebunden. Ausfertigung der Entscheidungen. A r t . 11. (11) Die richterlichen Entscheidungen werden nur da, wo das Gesetz es vorschreibt, mittelst Erkenntnisses, in den übrigen Fällen durch einfachen Beschluss ertheilt. Jedes Erkenntniss ist von den Richtern, welche an der Abfassung desselben Theil genommen haben, cigenh&ndig und zwar auch von denen, welche etwa bei der Abstimmnng in der Minderheit gewesen sind, zu unterzeichnen. Wäre ein Richter ausser Stand, zu unterzeichnen, so genügt es, wenn Aber diese Verhinderung durch einen der übrigen Richter eine schriftliche Bemerkung unter das Erkenntniss gebracht wird. Sammlung der n.