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German Pages 325 Year 2015
EDITION ANTIKE Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose
IUSTIN RÖMISCHE WELTGESCHICHTE Band I Lateinisch und deutsch
Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Peter Emberger unter Mitarbeit von Antonia Jenik
Verantwortlicher Bandherausgeber: Martin Hose Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung: Federica Casolari-Sonders (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Uwe Hermann, Berlin Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 Gutenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-18146-9 Gesamtnummer Band I–II ISBN 978-3-534-23312-0 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70737-9 eBook (epub): 978-3-534-70738-6
Inhalt Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die literarische Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Zu Sprache, Stil, Handschriften und zur Rezeptionsgeschichte . . . 15 Iustinus / Pompeius Trogus, Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Buch 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Buch 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Buch 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Buch 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Buch 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Buch 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Buch 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Buch 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Buch 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Buch 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Buch 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Buch 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Buch 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Buch 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Buch 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Buch 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Buch 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Zur Textgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Einleitung Die literarische Gattung Die historiae Philippicae des Trogus Pompeius aus dem 1. Jh. v. Chr. sind die einzige Universalgeschichte der Antike in lateinischer Sprache, die ein nicht christlicher Schriftsteller verfasst hat. Während dieses Werk bis auf Fragmente verloren gegangen ist, blieb die Bearbeitung durch Iustinus in späterer Zeit nahezu vollständig erhalten. Hinsichtlich der literarischen Gattung handelt es sich bei dem bearbeiteten Werk um eine Epitome (ἐπιτομή), eine eher schmucklose Kurzfassung, die Iustinus1 aus den 44 Büchern des Pompeius Trogus angefertigt hat2. Damit setzte Iustinus einen literarischen Prozess fort, der im 4. Jh. v. Chr. begonnen hatte, als man herausragende und umfangreiche literarische Werke aus dem Bereich der Philosophie, Historiographie, Theologie, Medizin oder Grammatik in gekürzter Form herausgab3. Iustinus hat dabei seine Vorlage ohne größere selbstständige Textvariationen4 zusammengekürzt; allerdings stellt seine Epitome eher eine Anthologie5 als eine Zusammenfassung der historiae Philippicae dar. Der Epitomator entschied, das zu übernehmen, was seiner Meinung nach der Kenntnis wert war, das aber auszulassen, was seinem Leser wohl kein Vergnügen bereiten und auch nicht als Vorbild dienen konnte6. Unter dieser Maßgabe litt notwendigerweise die innere Kohärenz der Epitome, sodass an einigen Stellen Übergänge fehlen, an anderen durch Verkürzungen inhaltliche Bezüge entstehen, die so von Trogus kaum beabsichtigt waren. Ferner ist bereits Trogus das Bemühen antiker Schriftsteller anzumerken, ein rhetorisches Kunstwerk vor-
1 S. dazu Augustinus, civ. dei 4,6: Iustinus, qui Graecam vel potius peregrinam Trogum Pompeium secutus non Latine tantum sicut ille, verum etiam breviter scripsit historiam, und Orosius 1,8,1: Pompeius historicus eiusque breviator Iustinus. 2 Seel, Weltgeschichte 1 und ANRW 1381, vermutet, dass Iustinus das Gesamtwerk des Trogus auf 1⁄10 gekürzt habe. 3 Brunt, Fragments 487, und Heckel, Justin V, weisen darauf hin, dass auch Trogus eine Epitome seiner Quellen vorgelegt hat. 4 Manches hat Gültigkeit für Trogus wie für Iustinus, sodass es äußerst schwierig ist, den genauen schriftstellerischen Anteil des Iustinus zu entscheiden, so z. B. Iust. 20,1,6: multae urbes adhuc… ostentant, dazu Steele, Justinus 24. 5 Alonso-Núñez, History 61, zu Iust. praef. 4: florum corpusculum. 6 Iust. praef. 4.
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Einleitung
zulegen, dem auch entsprechende Freiheiten zugestanden waren7. Historische bzw. chronologische Genauigkeit war zweitrangig8. Infolgedessen wurde kaum unterschieden, von welchem Herrscher konkret die Rede war, wenn ein Ptolemaios oder ein Philippos erwähnt wurde. Zeitangaben oder gar eine synchronisierende Darstellung der unterschiedlichen Jahreszählungen im griechischen und römischen Raum fehlen nahezu vollständig9, sind willkürlich herausgegriffen oder bleiben ohne Verankerung an Bekanntem10, sodass eine geschichtliche Einordnung der erwähnten Ereignisse problematisch ist. Hinzu kommt die Verknüpfung historischer Ereignisse mit mythischen Begebenheiten. In einer Hinsicht jedoch stand das Werk des Trogus der modernen Geschichtsschreibung näher als der antiken Praxis und ihren Idealen. Trogus war sich der Tatsache bewusst, dass die Stilisierung einer Rede für die agierenden Personen vor allem aus der Anlage des jeweiligen Schriftstellers erfolgte. Daher lehnte er eine ausführliche direkte Rede ab11, wobei gerade dieses Prinzip seit Thukydides nicht in Zweifel gezogen worden war12.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus Die Herkunft des Iustinus ist nicht eindeutig zu klären; ob er als Rhetoriklehrer im Rahmen einer Gesandtschaft nach Rom kam und dort aus der Kennt-
7 Zur Bedeutung der Rhetorik für die Geschichtsschreibung s. v. a. Quint. 10,1,31: proxima poetis et quadammodo carmen solutum est et scribitur ad narrandum, non ad probandum, und Cic. Brut. 42: concessum est rhetoribus ementiri in historiis, ut aliquid dicere possint argutius. Heckel, Justin 17f., meint daher, Iustinus sei an seinen rhetorischen Fertigkeiten zu messen. Nach Hose, Vergangenheit 12f., erlangt Geschichte ohnehin nur im Zusammenhang mit Rhetorik Bedeutung. Historische Kenntnisse seien nur in dem Maß relevant gewesen, wie sie die rhetorische Praxis benötigt habe, ebd. 15. 8 Für Seel, Universalgeschichte 225, gilt gerade die Durchbrechung eines grammatikalisch korrekten und chronologisch angemessenen Zeitenschemas als „wichtiges Strukturelement dieser Darstellungskunst“. 9 Die zumeist verwendeten Zeitangaben wie eodem tempore, interea, dum haec aguntur und diu sind höchst schwammig; vgl. Richter, Historiographie 14. 10 Burde, Universalgeschichtsschreibung 113f. Nach Iust. 1,2,13 hat das imperium Assyrii 1300 Jahre gedauert, ohne dass dessen Beginn oder dessen Ende eingeordnet würde. Gleiches gilt für das Reich der Meder, das 350 Jahre lang die Vorherrschaft beansprucht habe, 1,6,16f. 11 Auszüge aus Reden bzw. kurzen Ansprachen finden sich durchaus in direkter Rede, so Iust. 14,4,1–15, und 18,7,10–15. 12 Iust. 38,3,11; s. auch Seel, praefatio 52.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
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nis der Epitome des Florus ein rhetorisches Geschichtswerk schuf, muss reine Spekulation bleiben13. Die wichtigsten Nachrichten zu Trogus sind dem Werk selbst zu entnehmen14: Von Vokontiern abstammend15, wurde er etwa in der Mitte des 1. Jhs. geboren; sein Großvater hatte nach der lex Gellia Cornelia aus dem Jahr 72 das Bürgerrecht von Pompeius wegen seiner Teilnahme im Krieg gegen Sertorius (77–72) erhalten. Der Onkel väterlicherseits befehligte eine Reitereinheit im 3. Mithridatischen Krieg (66–63). Offensichtlich wechselte die Familie rechtzeitig vor dem Ausbruch der Spannungen zwischen den Triumvirn auf Caesars Seite, sodass der Vater die Aufsicht über dessen Schriftverkehr, Gesandtschaften und Siegel (epistularum et legationum, simul et anuli cura) übernehmen konnte und damit tiefen Einblick in Caesars Pläne gewann16. Trogus besaß eine umfassende Bildung; er hat die Geschichtswerke von Sallust und Livius benutzt und als Historiker auf die Darstellung alles dessen verzichtet, was Livius bereits beschrieben hatte17. Umstritten ist die Bedeutung des Titels, den Trogus wohl selber gewählt hat18, allerdings in Abweichung von der bis dahin geltenden Bedeutung der Gattung historia. Diese bezeichnete vielmehr ein Werk mit nur zeitgeschichtlichem Inhalt. Weil aber die praefatio auf den Titel nicht eingeht, dürfte er als Bezeichnung einer klar umrissenen Gattung bereits auf ältere Schriftsteller zurückgehen. So hatten im Bereich der griechischen Geschichtsschreibung bereits im vierten Jahrhundert Theopompos von Chios und Anaximenes aus Lampsakos historíai Philippikaí verfasst. Ihr Fokus lag auf den Leistungen des Makedonenkönigs Philipp II. (362–336). Das Werk des Trogus aber geht zeitlich und räumlich weit über dieses Thema hinaus: Es beginnt bei der Begründung der Herrschaft der Assyrer im 13. Jahrhundert und endet mit der völligen Unterwerfung Spaniens unter die römische Herrschaft in augusteischer Zeit. 13 Syme, Justin 369, geht von einem gallischen Ursprung des Namens aus; Steele, Justinus 31, und Heckel, Justin 19, der Iustinus für einen Rhetoriklehrer hält, vermuten hingegen, er stamme aus Afrika. 14 Iust. 43,5,11f. 15 Alonso-Núñez, History 69, erkennt in Trogus’ Darstellung gallischer Leistungen dessen Patriotismus, so in 12,13,1; 28,2,1–3; 31,5,9; 38,4,7–10. Aber ob im Verhältnis zum Gesamtwerk diese Erwähnungen den postulierten Patriotismus nachhaltig bestätigen, ist fraglich. 16 Iust. 43,5,12; dazu Seel, Weltgeschichte 89f. 17 Steele 24, Seel, ANRW 1381. Neben den historiae Philippicae hat der vir priscae eloquentiae (praef. 1) auf der Grundlage des Aristoteles ein zehnbändiges Werk de animalibus verfasst. Plin. mai. zieht es mehrfach heran: nat. hist. 7,33; 10,101; 11,229. 274. 276. Zu den insgesamt überlieferten 14 Fragmenten s. Seel, Fragmenta, S. 3–18. 18 Seel, ANRW 1382.
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Einleitung
Seel glaubt infolgedessen, dass der metaphorisch oder symbolisch verwendete Titel dem heutigen Begriff „hellenistische Geschichte“ entspreche19. Im Unterschied zur römischen Annalistik steht nicht mehr Rom, sondern die Geschichte des Mittelmeerraumes im Mittelpunkt. Römische Geschichte wird erst relevant, sobald sich Rom in die Auseinandersetzung mit den hellenistischen Mächten verstrickt. Trogus verfasste seine Darstellung bewusst für den nicht griechischsprachigen Raum in lateinischer Sprache20. Weil die römische Geschichte in die historische Entwicklung als lediglich ein Bestandteil eingebettet ist, zielte er nicht primär auf das stadtrömische Publikum ab, sondern auf das des gesamten westlichen Mittelmeerraumes. Insofern markiert dieses Geschichtswerk einen bedeutenden Einschnitt in der lateinischen Historiographie. Zudem trägt es der territorialen Entwicklung des imperium Romanum Rechnung und nimmt das zunehmende Gewicht des außeritalischen Raumes in den Blick. Bereits die historíai Philippikaí des Theopompos zeichneten sich durch verschiedene Exkurse aus21. Die Prologe verweisen auch bei Trogus darauf, dass er die Ursprünge von 40 Völkern, Städten, Ländern und Königen ausgeführt hat. Hinzu kommen fünf geographische Ausführungen, die dem Leser helfen sollen, Städte, Gebiete und Völker einordnen zu können. Trogus fügte diese Exkurse zu situs und origines jeweils an den Stellen ein, die sich ihm inhaltlich anboten. Dabei folgte er im Wesentlichen einer Darstellungsreihenfolge von Ost nach West. Damit stellt sich die Frage der Veröffentlichung durch Trogus bzw. Iustinus. Weil das zuletzt von Iustinus genannte Ereignis die Auslieferung parthi19 Seel, Weltgeschichte 267, A 132. Konkreter sieht es Urban, Trogus 95: Mit dem Vater Alexanders des Großen habe ein Philipp am Anfang des Hellenismus gestanden und auch an dessen Ende habe ein Philippos geherrscht: Philippos I. (94–83) und sein Sohn Philippos II. Philorhomaios (66–63), der aber von Pompeius nicht anerkannt wurde. Diesen „Symbolwert der Philippoi“ hält er für ausschlaggebend bei der Wahl des Werktitels. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb das Werk in den ersten sechs Büchern nicht auf die makedonische Geschichte eingeht. Tatsächlich steht beginnend mit Buch 7 und abschließend mit Buch 33 die makedonische Geschichte im Zentrum. Sechs dieser 27 Bücher widmen sich explizit den Leistungen Philipps und Alexanders des Großen. Burde, Universalgeschichtsschreibung 92, deutet den Titel als Zusammenfassung der Völker, die mit Rom im Kampf standen oder von ihm unterworfen wurden, was zugleich die Möglichkeit zu kritischen Äußerungen aus deren Munde geboten habe. 20 S. Iust. praef. 4: ut Graeca … nostra lingua legi possent. 21 Derartige Ausführungen sind freilich nicht singulär; bereits Herodot fügte Exkurse in seine Historien ein. Cato verfasste mit seinen origines ein Werk, das sich bereits im Titel explizit darauf festlegt, Ursprünge zu verdeutlichen.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
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scher Geiseln an Marcus Titius betrifft22, kann die Veröffentlichung frühestens zwischen 12 und 9 erfolgt sein23. Sofern die Feststellung, die Römer bezeichneten ihre Herrscher als Caesares und Augusti, von Trogus stammt, setzt dies den Beginn des Prinzipats unter Tiberius 14 n. Chr. voraus24. Dieser hierdurch aufgespannte Zeitraum passt in jedem Fall zu den von Iustinus genannten biographischen Angaben. Schwieriger ist die Datierung des Iustinus25; die Vermutungen reichen vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert26. Sofern die Aussage über die Herrschertitulatur eine Ergänzung des Epitomators ist, kann die Publikation erst nach dem Herrschaftsantritt Hadrians 117 erfolgt sein27. Das Werks des Trogus in verkürzter Form wiederaufzulegen, muss allerdings im Abwehrkampf gegen die Parther bzw. die Sasaniden, die 226/7 ein neues persisches Reich gründeten, für einen erweiterten Leserkreis vor allem im vierten Jahrhundert von Interesse gewesen sein; denn dieses Volk widersetzte sich offensichtlich so nachhaltig dem römischen Herrschaftsanspruch über die damals bekannte Welt, dass es in der Epitome als einziges von allen Völkern als gleichrangig anerkannt wird28. Zudem musste der römische Schriftsteller eingestehen, dass die Parther sogar 22 Iust. 42,5,12. Als letztes datierbares Ereignis wird in prol. XLII reges Tocharorum Asiani interitusque Saraucarum 6 n. Chr. genannt; dazu Alonso-Núñez, History 60. 23 So Burde, Universalgeschichtsschreibung 93. 24 Seel, Universalgeschichte 180, 14–30, 269 zu Iust. 41,5,8: sicuti Romani Caesares Augustosque cognominavere. Das setzt allerdings voraus, dass Trogus die Begrifflichkeit entsprechend ernst genommen hat. Weil die Schlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr. nicht erwähnt wird, hat Trogus nach Alonso-Núñez, World History 61, das Werk wohl zwischen 2 v. Chr. und 2 n. Chr. verfasst. 25 Geradezu symptomatisch ist, dass auch sein nomen gentile unklar bleibt, das in den Manuskripten nur im Genitiv als M. Iuniani Iustini genannt wird, sodass Iunianus oder Iunianius denkbar sind. Syme, Justin 369, bevorzugt Iunianius. 26 Galdi, epitoma 108, vermutet die Publikation zwischen 130 und 180, Steele, Justinus 41, 144 oder 145, Seel, Weltgeschichte 346, um 200, so auch Heckel, Justin 1; Norden, Kunstprosa 300, geht von einen Zeitpunkt ab dem dritten Jahrhundert aus, Klotz, Epitoma 548, vom vierten Jahrhundert; Syme, Justin 365, schlägt um 390 vor. 27 Heckel, Justin 5, geht davon aus, dass erst unter Antoninus Pius (138–161) diese Titel allgemein akzeptiert worden seien. 28 41,1,1: velut divisione orbis cum Romanis facta. Dass Iustinus Parther und Sasaniden nicht unterscheidet, verwundert nicht: Zum einen war Ardaschir I. (reg. 224–240), der Gründer des Sasanidenreiches, ein aufständischer Fürst aus dem Süden des Partherreiches, sodass sich keine Notwendigkeit für einen geographischen Exkurs bot; zum anderen stellte sich dem römischen Reich wiederum ein ethnisch vergleichbarer Gegner an der Ostgrenze mit weiterhin großem militärischen Potential entgegen. Der Begriff der Parther war hinreichend etabliert, sodass der Epitomator seine Hauptaufgabe, Denkwürdiges zusammenzustellen und Nebensächliches unberücksichtigt zu lassen, ohne Namensänderungen fortsetzen konnte.
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die Römer besiegt hätten; offensichtlich blieb es im günstigsten Fall bei einer Aufteilung der Welt und der Anerkennung ihres Reiches neben dem der Römer. Kaum zu datieren sind die Prologe, die Mitteilungen enthalten, die zum Teil gar nicht von Iustinus ausgeführt werden. Sie muss demnach ein weiterer, nicht mehr identifizierbarer Epitomator angefertigt haben, als das Werk des Trogus noch vollständig vorlag29. Sie verdeutlichen leider, dass der überwiegende Teil des Originalwerks verloren ist, lassen aber wenigstens den universalgeschichtlichen Anspruch des Trogus erkennen. Gleichwohl ist der Grundgedanke erhalten geblieben, dass eine translatio imperii, eine Abfolge von Weltreichen, die Hochkulturen des Mittelmeergebietes geprägt hat. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das bereits Herodot formuliert hat.30 In der lateinischen Literatur hat erstmals Aemilius Sura nach der Schlacht von Magnesia 190 und vor Ausbruch des 3. Makedonischen Krieges 171 diesen Gedanken aufgegriffen31. Die von ihm aufgezeichnete Abfolge von Weltreichen entspricht derjenigen bei Dionysios von Halikarnassos32 und ist bei beiden der des Trogus ähnlich: Assyria, Media, Persia, Macedonia, Roma; allerdings kontrastiert Trogus die Römer mit den Parthern. Für Dionysios stellte das römische Reich die Vollendung einer historischen Entwicklung dar, in deren Verlauf das nachfolgende Weltreich stets das vorangegangene vernichtet hat. Dass es eine Weiterentwicklung dieses teleologischen Modells geben könnte, steht für ihn nicht zur Diskussion33. Dies gilt auch für Trogus, der sich gleichfalls keine Kooperation oder Koexistenz mehrerer Reiche nebeneinander vorzustellen vermag34. 29 Die Prologe könnten auch entstanden sein, nachdem Iustinus seine Epitome bereits fertiggestellt hatte, aber die Weltgeschichte des Trogus noch verfügbar war, Heckel, Justin 2. 30 Herodot geht von den Reichen der Assyrer, Meder und Perser aus, 1,95.130. Ihm folgt Ktesias in seinen Persiká nach Diodor 2,1–34. 31 Aemilius Sura in seinem Werk de annis populi Romani nach Velleius Paterculus 1,6,6 summa imperii ad populum Romanum pervenit, und zwar in der inzwischen kanonierten Reihenfolge der Reiche von Assyrern, Medern, Persern und Makedonen. 32 Dion. Hal. ant. 1,2,3–3,5 erstellt dieselbe Abfolge, allerdings ohne die Parther. 33 Offenbar war das Modell zu seiner Zeit bereits so ausgeprägt, dass er auf genauere zeitliche Einordnungen verzichten konnte: Das medische Reich ging nach seiner Darstellung in der vierten Generation zugrunde, das persische dauerte nicht länger als 200 Jahre, das makedonische endete in der zweiten oder dritten Generation. Wichtig für ihn war, dass das römische Reich am längsten bestand; deswegen gibt er auch keine Dauer für das assyrische Reich an, denn das hätte in seiner Dauer das imperium Romanum übertroffen, Dion. Hal. 1,2,1; 1,3,3. 34 Diese Möglichkeit verwirft Iust. 11,12,15 ausdrücklich in Bezug auf eine Koexistenz von Persia und Macedonia.
Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus
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Ninos hat das erste Weltreich errichtet bzw. Tukulti-Ninurta I. (1244–1208), unter dessen Herrschaft und unter dessen gezieltem Bemühen, res gestae zu vollbringen35, Assyrien zur Großmacht aufstieg, die über die Völker des gesamten Ostens bis nach Indien und Äthiopien geherrscht habe (Iust. 1,1,8). Die Herrschaft der Assyrer habe von Ninos bis zum letzten König Sardanapallos (668– ca. 631) 1300 Jahre angedauert (1,2,13). Nach seinem Tod sei es zur ersten translatio imperii gekommen, und zwar zu den Medern (1,3,6). Die Niederlage des Astyages gegen Kyros habe um 550 das Ende der Meder und damit die zweite translatio herbeigeführt, sodass deren Herrschaft nach 350 Jahren auf die Perser übergegangen sei (1,6,16). Das persische Reich habe mit dem Sieg Alexanders über Dareios III. (336–330) geendet (10,3,7); nach der Schlacht von Gaugamela habe Alexander die Weltherrschaft übernommen (11,14,6–7)36. Diese translatio hatte deswegen einen besonderen Charakter: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Herrschaft von Großreichen auf den Osten beschränkt; nunmehr aber war das imperium Europae (12,16,5), das Philipp bereits errungen hatte, mit dem imperium Asiae (11,14,6) verbunden, sodass Alexander als rex terrarum omnium et mundi (12,16,9) in den Besitz eines summum regnum gelangt sei (11,12,15). Ein Erdbeben 198 in Rhodos und Kleinasien37 im Jahr vor der Schlacht von Kynoskephalai war das Vorzeichen für den Niedergang Makedoniens und den Aufstieg Roms; hier stießen die Mächte aufeinander, die bereits jeweils eine Hälfte der bekannten Welt beherrschten (30,4,6–14). Doch mit dem Sieg über die Makedonen war nach Trogus’ Meinung die Schicksalsgöttin noch nicht zufrieden (39,5,3); in weiteren Schlachten, vor allem in Pydna 168, wurde deutlich, dass die Herrschaft der Diadochenreiche zu einem Ende gelangt war. Eine letzte translatio auf das imperium Romanum war für Trogus ein teleologisches Faktum, das sich dank der militärischen Erfolge erst gegen die Nachbarn auf italischem Boden, dann auf der ganzen Welt habe vollziehen müssen (43,3,2). Entsprechend stellte die Eingliederung Ägyptens 30 einen konsequenten Schritt dar. Nach der Unterwerfung Spaniens endet das Werk des Trogus mit der Feststellung perdomito orbe (44,5,8). Das ist das Ende der „kinetischen Geschichte, das erreichte Ziel der Universalität“38. Der gleichsam von den Göttern erteil-
35 Damit hat Ninos nach Seel, Universalgeschichte 237, „Geschichte“ erfunden. 36 Dareios III. soll Alexander als obersten Lenker der Welt tituliert haben, 11,15,10. Die Weltherrschaft soll Alexander bei seiner Geburt vorausgesagt worden sein, 12,16,5. Die Weltherrschaft sei ein Charakteristikum von Alexanders Reich gewesen, 12,7,4. 37 30,4,3f. Wiederum durch ein Erdbeben wird die Herrschaft über Syrien im Voraus angekündigt, 40,2,1. 38 Seel, ANRW 1414, 1417, Universalgeschichte 256.
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Einleitung
te Auftrag imperium sine fine dedi; tu regere imperio populos39 scheint erfüllt, die aurea aetas unter dem Prinzipat des Augustus angebrochen. Die Geschichte der Welt und die Roms sind damit zur Deckung gekommen; von diesem Zeitpunkt an gab es zwar Gelegenheit zum Blick zurück auf res gestae einzelner Herrscher oder Völker, aber keine Möglichkeit mehr im Hinblick auf res gerendae40 – zumindest für Trogus konnte dieser Eindruck entstehen. Spätestens mit dem Beginn der Herrschaft Hadrians, dem Rückzug aus den von Trajan gegen die Parther eingerichteten Provinzen und den anhaltenden Auseinandersetzungen an der Ost- und Nordgrenze musste aber deutlich werden, dass trotz aller propagandistischen Verklärung der signa recepta die Parther immer noch ein Machtfaktor waren, der sich nicht ignorieren ließ und der durch die Sasaniden sogar neu etabliert wurde. Hier bot sich dem Epitomator die Möglichkeit, seine Leser über die Geschichte sowie die geographische Lage der Parther zu informieren – und zwar gerade durch die Intensität seiner Kürzungen. Die Widerstandsfähigkeit der Parther passte nicht mehr zum Konzept der translatio imperii und der Errichtung des imperium Romanum als Ende aller Geschichte. Die Welt war für Iustinus geteilt41. Er nahm nicht Stellung zu der Frage, ob dies das Wirken der fortuna war oder ob es an der virtus der Römer zu seinen Lebzeiten lag, die sich nicht mehr mit der Leistungsfähigkeit der Vorfahren messen ließ42. Dass der Weltgeschichte eine teleologische Abfolge von Weltreichen zugrunde liegen könnte, muss für antike Historiker eine reizvolle Vorstellung gewesen sein. Alle genannten Konzepte sind stets aus der Rückschau entwickelt worden, als die historische Entwicklung erwiesen zu haben schien, dass ein Volk dank göttlichen Beistands und aufgrund eigener Tüchtigkeit konkurrierenden Mächten überlegen war oder deswegen unterging, weil andere, noch stärkere Mächte aufstiegen. Trotzdem zeigt gerade die Auseinandersetzung mit den Parthern, dass der scheinbar bereits erreichte Endzustand durch aktuelle Entwicklungen revidiert werden konnte. 39 Vergil, Aen. 1,279; 6,851. 40 Seel, Universalgeschichte 284, 305. 41 Burde, Universalgeschichtsschreibung 68, weist auf die Abschwächung bei Iust. 41,1,1 durch velut hin. Für Alonso-Núñez, History 65, sind die Parther die moralischen Erben der Perser. 42 Bisweilen scheint das Werk Kritik am römischen Imperialismus zu üben, so Alonso-Núñez, History 68, z. B. in 28,2; 29,2,1–7; 31,5,2–9; 38,4–7. Andererseits finden sich kritische Bemerkungen auch bei annalistischen Geschichtsschreibern (s. z. B. die Rede des Calgacus bei Tac. Agr. 30,1–32,5), ohne dass sie Roms Herrschaft tief greifend reformieren wollten. Von Romfeindlichkeit im Denken des Trogus kann keine Rede sein, s. Richter 19.
Zu Sprache, Stil, Handschriften und zur Rezeptionsgeschichte
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Nach dem Werk des Trogus rückten die römischen Autoren zunächst von der Universalgeschichtsschreibung ab und stellen erneut Rom in den Mittelpunkt. Erst nachdem die Goten 410 Rom eingenommen hatten, schrieb Orosius wiederum eine Weltgeschichte, die nunmehr vom Geist des Christentums inspiriert war. Die Frage einer Finalität von Geschichte und dem Erreichen eines imperium ultimum erhielt hierdurch einen neuen Anstrich durch den christlichen Gott als arbiter saeculorum regnorum locorumque omnium43.
Zu Sprache, Stil, Handschriften und zur Rezeptionsgeschichte Sprache und Stil44 der Epitome tragen Züge, die von Sallust und Tacitus, vor allem im Hinblick auf die angestrebte brevitas, entlehnt sind. Teilweise werden fünf, sechs gedanklich getrennte Sachverhalte durch Partizipialkonstruktionen, Konjunktionen und Subjunktionen zusammengestellt. Häufig weicht gerade in indirekten Reden die Verwendung des Modus von der Erwartung des Lesers ab, was sicher bewusste Eigenwilligkeiten des Autors darstellt45. Die Handschriften, welche die Epitome enthalten, lassen sich in vier Klassen einteilen; sie sind zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert entstanden. Während des Mittelalters ist der Text häufig gelesen worden, sodass mehr als 230 Codices erhalten sind. Nachweisen lässt sich die Verwendung des Iustinus bei Orosius im 5., Cassiodorus im 6. und Isidorus von Sevilla am Anfang des 7. Jahrhunderts. Im Rahmen der Karolingischen Renaissance wurde die Epitome häufig benutzt, weil man in ihr gerade die außerrömische Geschichte in großer Kürze zusammengefasst fand. Für die Humanisten stellte sie „das eigentliche Compendium für die nichtrömische alte Geschichte“46 dar. Erstmals gedruckt wurde das Werk um 1470 in Venedig und Rom47; weil die Epitome auch als eine Quelle für die Geschichte Alexanders des Großen herangezogen wurde, finden sich Teile von 43 S. Oros. hist. 7,2,2. 8. 44 Zu den rhetorischen Mitteln Heckel, Justin 18: Iustinus verwende „the whole battery of rhethorical figures“. 45 S. z. B. Seel, Universalgeschichte 294, 333. 46 Rühl, Justinus 50. 47 Genau festlegen lässt sich der Zeitpunkt des erstmaligen Drucks nicht. Die in Venedig von Jenson gedruckte Ausgabe enthält die Jahresangabe 1470. Das in der Druckerei von Ulrich Hahn in Rom angefertigte Exemplar – auch dies lässt sich nur durch ein Distichon am Anfang des Werkes in Erfahrung bringen – weist weder eine Ortsnoch eine Jahresangabe auf. Rühl, Justinus 52, führt einen weiteren Druck an, den er für ähnlich alt hält. Die nächste gesicherte Ausgabe erschien bereits am 26. September 1472 durch Sweynheim und Pannartz im Palazzo Massimi alle colonne.
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Einleitung
ihr in Schulausgaben bis zum 19. Jahrhundert. Insgesamt aber war sie eher ein Handbuch, auf das Gelehrte zurückgriffen. Für die häufige Verwendung des Werkes ausschlaggebend war neben der Sammlung von Exempla die Grundidee der translatio imperii. Gerade im Mittelalter erhielt dieser Gedanke der antiken Historiographie infolge des Machtkampfes zwischen der weltlichen und der geistlichen Gewalt besondere Aktualität, als die Päpste eine kuriale Translationslehre entwickelten, derzufolge durch den Willen des Nachfolgers Petri das weltliche imperium übertragen wurde48.
48 Goez, Translatio 137–156.
Iustinus / Pompeius Trogus Historiae Weltgeschichte
Praefatio (1) Cum multi ex Romanis etiam consularis dignitatis viri res Romanas Graeco peregrinoque sermone in historiam contulissent, seu aemulatione gloriae sive varietate et novitate operis delectatus vir priscae eloquentiae, Trogus Pompeius, Graecas et totius orbis historias Latino sermone conposuit, ut, cum nostra Graece, Graeca quoque nostra lingua legi possent, prorsus rem magni et animi et corporis adgressus. (2) Nam cum plerisque auctoribus singulorum regum vel populorum res gestas scribentibus opus suum ardui laboris videatur, nonne nobis Pompeius Herculea audacia orbem terrarum adgressus videri debet, cuius libris omnium saeculorum, regum, nationum populorumque res gestae continentur? (3) Et quae historici Graecorum, prout commodum cuique fuit iter, segregatim occupaverunt, omissis quae sine fructu erant, ea omnia Pompeius divisa temporibus et serie rerum digesta conposuit. (4) Horum igitur quattuor et quadraginta voluminum (nam totidem edidit) per otium, quo in urbe versabamur, cognitione quaeque dignissima excerpsi et omissis his, quae nec cognoscendi voluptate iucunda nec exemplo erant necessaria, breve veluti florum corpusculum feci, ut haberent et qui Graece didicissent, quo admonerentur, et qui non didicissent, quo instruerentur. (5) Quod ad te non tam cognoscendi magis quam emendandi causa transmisi, simul ut et otii mei, cuius et Cato reddendam operam putat, apud te ratio constaret. (6) Sufficit enim mihi in tempore iudicium tuum, apud posteros, cum obtrectationis invidia decesserit, industriae testimonium habituro.
Vorwort1 (1) Viele Römer2, sogar Männer konsularischen Ranges, hatten Werke über die römische Geschichte in griechischer, also einer fremden Sprache abgefasst. Dagegen schrieb Trogus Pompeius, ein Mann, der über eine Redegabe verfügte, wie sie in alter Zeit üblich war, die griechische Geschichte und die Geschichte der ganzen Welt in lateinischer Sprache nieder – sei es aus eifrigem Streben nach Ruhm, sei es aus Freude an der Mannigfaltigkeit und Neuheit des Werkes. Dies tat er, damit man, da man unsere Geschichte auf Griechisch lesen kann, auch die griechische Geschichte in unserer Sprache lesen kann. Und damit nahm er wahrlich ein Unternehmen in Angriff, das große körperliche und geistige Anstrengung erforderte. (2) Denn da schon den meisten Geschichtsschreibern, die nur die Taten einzelner Könige oder Völker beschreiben, ihre Arbeit als höchst beschwerlich erscheint – muss es uns da nicht scheinen, als habe sich Pompeius mit herkulischer Kühnheit an den gesamten Erdkreis herangewagt, da seine Bücher die Taten aller Jahrhunderte, Könige, Stämme und Völker enthalten? (3) Und all das, was die griechischen Geschichtsschreiber entsprechend der ihnen jeweils zusagenden Methode gesondert und unter Auslassung alles Unergiebigen bearbeiteten, stellte Pompeius dar, getrennt nach Zeiträumen und entsprechend der Reihenfolge der Ereignisse geordnet. (4) Aus diesen vierundvierzig Büchern also – denn so viele gab er heraus – habe ich in meiner freien Zeit, während der wir uns in der Stadt Rom aufhielten, das jeweils Wissenswerteste exzerpiert und dabei das ausgelassen, was weder erfreulich und angenehm zu lesen noch seines beispielhaften Charakters wegen notwendig war. Und so habe ich gleichsam ein kleines Blumensträußchen gebunden, damit diejenigen, die Griechisch gelernt haben, ein Hilfsmittel zur Erinnerung haben und diejenigen, die es nicht gelernt haben, eines zur Unterweisung. (5) Dieses Exzerpt schicke ich dir , nicht so sehr zur Kenntnisnahme als vielmehr zur Korrektur, zugleich aber, um dir auch Rechenschaft über meine freie Zeit abzulegen, während der man – wie auch Cato meint – eifrig tätig sein soll. (6) Für jetzt genügt mir nämlich dein Urteil, bei der Nachwelt werde ich dann, wenn der missgünstige Neid vergangen ist, ein Zeugnis für meinen Fleiß haben.
Prologus libri I Primo volumine continentur haec. Imperium Assyriorum a Nino rege usque ad Sardanapallum: post quem translatum est per Arbacem ad Medos, usque ad ultimum regem Astyagem. Is a nepote suo Cyro pulsus regno, et Persae regno potiti. Ut Croeso Lydiae regi bellum intulit Cyrus victumque cepit. Hic in excessu dicti Aeolicarum et Ionicarum urbium situs originesque Lydorum et in Italia Tuscorum. Post Cyrum filius Cambyses Aegyptum domuit. Repetitae Aegyp ti origines urbium. Extincto Cambyse Darius occisis magis regnum Persicum accepit captaque Babylone bella Scythica molitus est.
Liber I 1 (1) Principio rerum gentium nationumque imperium penes reges erat, quos ad fastigium huius maiestatis non ambitio popularis, sed spectata inter bonos moderatio provehebat. (2) Populus nullis legibus tenebatur, arbitria principum pro legibus erant. (3) Fines imperii tueri magis quam proferre mos erat; intra suam cuique patriam regna finiebantur. (4) Primus omnium Ninus, rex Assyriorum, veterem et quasi avitum gentibus morem nova imperii cupiditate mutavit. (5) Hic primus intulit bella finitimis et rudes adhuc ad resistendum populos terminos usque Libyae perdomuit. (6) Fuere quidem temporibus antiquiores Vezosis Aegyptius et Scythiae rex Tanaus, quorum alter in Pontum, alter usque Aegyptum excessit. (7) Sed longinqua, non finitima bella gerebant nec imperium sibi, sed populis suis gloriam quaerebant contentique victoria imperio abstinebant. Ninus magnitudinem quaesitae dominationis continua possessione firmavit. (8) Domitis igitur proximis, cum accessione virium fortior ad alios transiret et proxima quaeque victoria instrumentum sequentis esset, totius Orientis populos subegit. (9) Postremum bellum illi fuit cum Zoroastre, rege Bactrianorum, qui primus dicitur artes magicas invenisse et mundi principia
Vorwort zum 1. Buch1 Das erste Buch enthält Folgendes: Die Herrschaft der Assyrer von König Ninos bis zu Sardanapallos. Nach ihm wurde sie durch Arbakes2 auf die Meder übertragen bis zu ihrem letzten König Astyages. Dieser wurde von seinem Enkel Kyros aus der Herrschaft vertrieben, und die Perser bemächtigten sich der Herrschaft. Wie Kyros gegen Kroisos, den König von Lydien, einen Krieg begann, Kroisos besiegte und gefangen nahm. Hier sind in einem Exkurs3 die Lage der aiolischen und jonischen Städte und die Ursprünge4 der Lyder und der in Italien ansässigen Etrusker5 geschildert. Nach Kyros bezwang sein Sohn Kambyses Ägypten. Die Ursprünge der Städte Ägyptens sind nachgetragen. Nach dem Tod des Kambyses und der Ermordung der Magier erhielt Dareios das Persische Reich und plante nach der Eroberung Babylons Kriegszüge gegen die Skythen.
Buch 1 1 (1) Am Anfang der Geschichte lag die Herrschaft über Stämme und Völker bei Königen, die zu dieser höchsten Würdenstellung nicht die Wohldienerei gegenüber dem Volk emporhob, sondern ihr maßvolles Verhalten, das bei rechtschaffenen Menschen Anerkennung fand. (2) Das Volk war durch keine Gesetze gebunden, der Machtspruch der Herrscher galt anstelle von Gesetzen. (3) Die Grenzen des Reiches eher zu schützen, als auszudehnen, war Brauch; das Königreich eines jeden begrenzte sich auf sein eigenes Vaterland. (4) Als Erster von allen änderte Ninos6, der König der Assyrer, diesen alten und den Völkern gleichsam von den Ahnen ererbten Brauch, weil er von einer bisher unbekannten Begierde nach Herrschaft getrieben wurde. (5) Er überzog als Erster seine Grenznachbarn mit Kriegen und unterjochte die bis dahin zum Widerstand noch unfähigen Völker bis hin zu den Grenzen Libyens7. (6) Der Zeit nach noch älter waren freilich der Ägypter Vezosis8 und Tanaos9, der König von Skythien, von denen der eine in das Pontosgebiet10, der andere bis nach Ägypten vor drang. (7) Aber sie führten Kriege in weit entfernten, nicht in benachbarten Ländern; und sie suchten, nicht für sich die Herrschaft, sondern für ihre Völker den Ruhm zu erringen, gaben sich mit dem Sieg zufrieden und verzichteten auf die Herrschaft. Ninos festigte die Größe der errungenen Vorherrschaft durch ununterbrochene Besitznahme. (8) Als er nun seine Nachbarvölker bezwungen hatte, wandte er sich, durch den Zuwachs an Streitkräften gestärkt, den anderen zu; und da jeder jüngste Sieg das Werkzeug für den folgenden war, unterwarf er so die Völker des gesamten Orients. (9) Den letzten Krieg führte er gegen Zoroastres11, den König der Baktrianer12, der als Erster die magischen Künste erfunden und die Ursprünge des Weltalls sowie die Bewegungen
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siderumque motus diligentissime spectasse. (10) Hoc occiso et ipse decessit, relicto adhuc impubere filio Ninia et uxore Samiramide. 2 (1) Haec neque inmaturo puero ausa tradere imperium nec ipsa palam tractare, tot ac tantis gentibus vix patienter Nino viro, nedum feminae parituris, simulat se pro uxore Nini filium, pro femina puerum. (2) Nam et statura utrique mediocris et vox pariter gracilis et liniamentorum qualitas matri ac filio similis. (3) Igitur bracchia et crura calciamentis, caput tiara tegit; et ne novo habitu aliquid occultare videretur, eodem ornatu et populum vestiri iubet, quem morem vestis exinde gens universa tenet. (4) Sic primis initiis sexum mentita puer esse credita est. (5) Magnas deinde res gessit; quarum amplitudine ubi invidiam superatam putat, quae sit fatetur quemve simulasset. (6) Nec hoc illi dignitatem regni ademit, sed admirationem auxit, quod mulier non feminas modo virtute, sed etiam viros anteiret. (7) Haec Babyloniam condidit murumque urbi cocto latere circumdedit, arenae vice bitumine interstrato, quae materia in illis locis passim invenitur e terra exaestuata. (8) Multa et alia praeclara huius reginae fuere; siquidem, non contenta adquisitos viro regni terminos tueri, Aethiopiam quoque imperio adiecit. (9) Sed et Indis bellum intulit, quos praeter illam et Alexandrum Magnum nemo intravit. (10) Ad postremum cum concubitum filii petisset, ab eodem interfecta est, duos et XXX annos post Ninum regno potita. (11) Filius eius Ninias contentus elaborato a parentibus imperio belli studia deposuit et, veluti sexum cum matre mutasset, raro a viris visus in feminarum turba consenuit. (12) Posteri quoque eius id exemplum secuti responsa gentibus per internuntios dabant. (13) Imperium Assyrii, qui postea Syri dicti sunt, mille trecentis annis tenuere.
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der Gestirne mit größter Genauigkeit untersucht haben soll. (10) Nach dessen Tod starb auch Ninos selbst und hinterließ seinen noch minderjährigen Sohn namens Ninyas13 sowie seine Gemahlin Samiramis14. 2 (1) Diese wagte weder, die Herrschaft dem unreifen Knaben zu übergeben, noch, sie selbst offen auszuüben, weil so viele und so große Völkerschaften Ninos, einem Mann, nur eher widerwillig gehorcht hatten und noch viel weniger ihr, einer Frau, gehorchen würden. Und daher tat sie so, als wäre sie statt der Gemahlin des Ninos sein Sohn, statt einer Frau ein Knabe. (2) Denn beide hatten eine mittelgroße Gestalt und auch eine gleich zarte Stimme; zudem waren die Gesichtszüge von Mutter und Sohn ähnlich. (3) Also bedeckte Samiramis ihre Arme und Beine mit Kleidung und ihr Haupt mit einer Tiara. Und um nicht den Anschein zu erwecken, als wollte sie durch diese neuartige Tracht etwas verbergen, erließ sie den Befehl, auch das Volk solle das gleiche Gewand tragen; und diese Art der Bekleidung behielt der gesamte Volksstamm seit jener Zeit bei. (4) So verleugnete sie ganz am Anfang ihr Geschlecht und wurde für einen Knaben gehalten. (5) Hierauf vollbrachte sie große Taten; sobald sie annahm, dass durch ihre großartigen Leistungen die Missgunst überwunden sei, bekannte sie, wer sie sei und für wen sie sich ausgegeben habe. (6) Und dieses Geständnis entriss ihr nicht die Herrscherwürde, sondern vermehrte die Bewunderung für sie, weil sie als Frau nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer an Tüchtigkeit übertroffen habe. (7) Sie gründete Babylon15 und ließ die Stadt mit einer Mauer aus gebrannten Ziegeln umgeben; dabei hatte man anstelle von Sand Erdpech dazwischengestrichen, einen Stoff, den man in jener Gegend überall finden kann, da er aus der Erde emporquillt. (8) Noch viele andere glänzende Taten vollbrachte diese Königin. Denn sie gab sich nicht damit zufrieden, die von ihrem Mann hinzugewonnenen Grenzen des Königreiches zu schützen, und fügte deshalb auch Äthiopien ihrem Machtbereich hinzu. (9) Doch auch gegen die Inder begann sie einen Krieg, zu denen außer ihr und Alexander dem Großen16 niemand vorgedrungen ist. (10) Zuletzt wurde sie, weil sie eine sexuelle Beziehung mit ihrem Sohn anstrebte, von ihm ermordet, nachdem sie zweiunddreißig Jahre lang nach dem Tod des Ninos die Herrschaft innegehabt hatte. (11) Ihr Sohn Ninyas war mit dem von seinen Eltern eroberten Reich zufrieden und legte den Kriegseifer ab; er wurde, als ob er mit seiner Mutter das Geschlecht getauscht hätte, nur selten von Männern gesehen und alterte in einer Schar von Frauen.17 (12) Auch seine Nachfolger, die sich diesem Beispiel anschlossen, gaben ihren Völkerschaften nur durch Mittelsmänner Weisungen. (13) Die Assyrer, die später Syrer genannt wurden, hatten die Herrschaft eintausenddreihundert Jahre lang18 inne.
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3 (1) Postremus apud eos regnavit Sardanapallus, vir muliere corruptior. (2) Ad hunc videndum (quod nemini ante eum permissum fuerat) praefectus ipsius Medis praepositus, nomine Arbactus, cum admitti magna ambitione aegre obtinuisset, invenit eum inter scortorum greges purpuras colo nentem et muliebri habitu, cum mollitia corporis et oculorum lascivia omnes feminas anteiret, pensa inter virgines partientem. (3) Quibus visis indignatus tali feminae tantum virorum subiectum tractantique lanam ferrum et arma habentes parere, progressus ad socios quid viderit refert; negat se ei parere posse, qui se feminam malit esse quam virum. (4) Fit igitur coniuratio; bellum Sardanapallo infertur. Quo ille audito non ut vir regnum defensurus, sed, ut metu mortis mulieres solent, primo latebras circumspicit, mox deinde cum paucis et inconpositis in bellum progreditur. (5) Victus in regiam se recepit, ubi extructa incensaque pyra et se et divitias suas in incendium mittit, hoc solo imitatus virum. (6) Post hunc rex constituitur interfector eius Arbactus, qui praefectus Medorum fuerat. Is imperium ab Assyriis ad Medos transfert. 4 (1) Post multos deinde reges per ordinem successionis regnum ad Asty agen descendit. (2) Hic per somnum vidit ex naturalibus filiae, quam unicam habebat, vitem enatam, cuius palmite omnis Asia obumbraretur. (3) Consulti arioli ex eadem filia nepotem ei futurum, cuius magnitudo praenuntietur, regnique ei amissionem portendi responderunt. (4) Hoc responso exterritus neque claro viro neque civi filiam suam, ne paterna maternaque nobilitas nepoti animos extolleret, sed ex gente obscura tum temporis Persarum Cambysi, mediocri viro, in matrimonium tradidit. (5) Ac ne sic quidem somnii metu deposito gravidam ad se filiam arcessit, ut sub avi potissimum oculis partus necaretur. (6) Natus infans datur occidendus Harpago, regis arcanorum participi. (7) Is veritus, si ad filiam mortuo rege venisset imperium, quia nullum
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3 (1) Als letzter König herrschte bei ihnen Sardanapallos19, ein Mann, der lasterhafter war als eine Frau. (2) Sein Statthalter namens Arbaktos20, der mit dem Oberbefehl über die Meder betraut war, hatte es trotz seines großen Eifers nur mühsam durchsetzen können, dass man ihn vorließ, um den König zu sehen, was man vor ihm noch keinem gestattet hatte.21 Da fand er Sardanapallos inmitten einer Schar von Huren vor, wie er gerade von einem Rocken Purpurwolle spann und in weibischer Kleidung Wollarbeiten unter den jungen Frauen verteilte; dabei waren sein Körper weichlicher und seine Blicke wollüstiger als die der Frauen. (3) Als Arbaktos das sah, war er entrüstet, dass so viele Männer einem solch weibischen Menschen untertan waren und sie, die Schwert und Waffen trugen, jemandem gehorchten, der Wolle spann. Daher brach er zu seinen Gefährten auf und berichtete ihnen, was er gesehen hatte. Er sagte, er könne demjenigen keinen Gehorsam leisten, der lieber eine Frau als ein Mann sein wolle. (4) So kam es zu einer Verschwörung; gegen Sardanapallos wurde ein Krieg begonnen. Als Sardanapallos davon hörte, handelte er nicht wie ein Mann, der seine Herrschaft verteidigen will, sondern sah sich, wie es Frauen in Todesangst zu tun pflegen, zuerst nach Schlupfwinkeln um; bald darauf zog er mit wenigen und ungeordneten Truppen in den Krieg. (5) Besiegt zog er sich in seinen Palast zurück, wo er einen Scheiterhaufen errichten und in Brand stecken ließ und sich mitsamt seinen Schätzen ins Feuer stürzte. Nur bei dieser Tat verhielt er sich wie ein richtiger Mann. (6) Nach ihm wurde sein Mörder Arbaktos, der Statthalter bei den Medern22 gewesen war, als König eingesetzt. Er übertrug die Herrschaft von den Assyrern auf die Meder. 4 (1) Nach vielen folgenden Königen ging dann gemäß der Nachfolgeregelung die Herrschaft auf Astyages23 über. (2) Dieser sah im Traum aus der Gebärmutter seiner einzigen Tochter24 einen Weinstock herauswachsen, dessen Ranke ganz Asien überschattete. (3) Wahrsager wurden zurate gezogen und gaben zur Antwort, Astyages werde von ebendieser Tochter einen Enkel haben, dessen Größe im Voraus verkündet werde, und ihm selbst werde der Verlust seiner Herrschaft prophezeit. (4) Durch diese Antwort erschreckt, gab Astyages seine Tochter weder einem edlen Mann noch einem seiner eigenen Untertanen zur Frau, damit nicht väterlicher und mütterlicher Adel den Enkel eingebildet machten, sondern Kambyses, einem Mann von niederem Stand25 aus dem damals noch ruhmlosen Volksstamm der Perser26. (5) Da sich aber nicht einmal dadurch seine Angst vor diesem Traum gelegt hatte, holte Astyages seine schwangere Tochter zu sich, damit das Neugeborene direkt vor den Augen des Großvaters getötet würde. (6) Man gab das neugeborene Kind dem Harpagos27, der in die Geheimnisse des Königs eingeweiht war, damit er es tötete. (7) Harpagos fürchtete, dass die Tochter, wenn die Herrschaft nach dem Tod des Königs an sie falle – Astyages hatte nämlich keinen männlichen Nachkommen ge-
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Astyages virilis sexus genuerat, ne illa necati infantis ultionem, quoniam a patre non potuisset, a ministro exigeret, pastori regii pecoris puerum exponendum tradit. (8) Forte eodem tempore et ipsi pastori natus filius erat. (9) Eius igitur uxor audita regii infantis expositione summis precibus rogat sibi perferri ostendique puerum. (10) Cuius precibus fatigatus pastor reversus in silvam invenit iuxta infantem canem feminam parvulo ubera praebentem et a feris alitibusque defendentem. (11) Motus et ipse misericordia, qua motam etiam canem viderat, puerum defert ad stabula, eadem cane anxie prosequente. (12) Quem ubi in manum mulier accepit, veluti ad notam adlusit, tantusque in illo vigor et dulcis quidam blandientis infantis risus apparuit, ut pastorem ultro rogaret uxor, suum partum pro illo exponeret permitteretque sibi sive fortunae ipsius sive spei suae puerum nutrire. (13) Atque ita permutata sorte parvulorum hic pro filio pastoris educatur, ille pro nepote regis exponitur. (14) Nutrici postea nomen Spargos fuit, quia canem Persae sic vocant. 5 (1) Puer deinde cum imperiosus inter pastores esset, Cyri nomen accepit. (2) Mox rex inter ludentes sorte delectus cum per lasciviam contumaces flagellis cecidisset, a parentibus puerorum querela regi delata, indignantibus a servo regio ingenuos homines servilibus verberibus adfectos. (3) Ille arcessito puero et interrogato, cum nihil mutato vultu fecisse se ut regem respondisset, admiratus constantiam in memoriam somnii responsique revocatur. (4) Atque ita cum et vultus similitudo et expositionis tempora et pastoris confessio convenirent, nepotem agnovit. (5) Et quoniam defunctus sibi somnio videretur agitato inter pastores regno, animum minacem dumtaxat in illo fregit. (6) Ceterum Harpago, amico suo, infestus in ultionem servati nepotis filium eius interfecit epulandumque patri tradidit. (7) Sed Harpagus ad praesens tempus dissimulato dolore odium regis in vindictae occasionem distulit. (8) Interiecto deinde tempore cum adolevisset Cyrus, dolore orbitatis admonitus scribit ei, ut ablegatus ab avo in Persas
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zeugt –, für die Ermordung ihres Kindes am Gehilfen Rache nehmen würde, weil sie sie am Vater nicht habe nehmen können. Deshalb übergab er den Knaben dem Hirten der königlichen Herde28, damit dieser ihn aussetzte.29 (8) Zufällig war zur selben Zeit auch dem Hirten selbst ein Sohn geboren worden.30 (9) Als nun die Gattin31 des Hirten von der Aussetzung des Königskindes hörte, bat sie ihn inständig, dass man ihr den Knaben herbeibringe und zeige. (10) Von ihren Bitten zermürbt, kehrte der Hirte in den Wald zurück und fand neben dem Kind eine Hündin, die dem Kleinen ihre Zitzen reichte32 und ihn gegen wilde Tiere und Vögel verteidigte. (11) Da wurde auch er selbst von Mitleid ergriffen, das – wie er gesehen hatte – sogar die Hündin ergriffen hatte, und trug den Knaben zu den Ställen, wobei die Hündin ihm besorgt folgte. (12) Sobald die Frau das Kind in den Arm nahm, liebkoste es sie wie die vertraute Mutter; und es zeigte eine so große Lebhaftigkeit und ein süßes, schmeichelndes Kinderlachen, sodass die Frau von sich aus den Hirten bat, er solle ihr eigenes Kind anstelle von jenem aussetzen und ihr erlauben, den Knaben aufzuziehen, sei es zu seinem Glück, sei es zu ihrer eigenen Hoffnung. (13) Und so vertauschte sich das Los der beiden Kleinen, und dieser wurde anstelle des Hirtensohnes aufgezogen, jener anstelle des Königsenkels ausgesetzt. (14) Die Amme erhielt später den Namen Spargos, weil die Perser den Hund so nennen. 5 (1) Weil der Knabe sich darauf unter den Hirten gebieterisch benahm, erhielt er den Namen Kyros33. (2) Als er dann unter den spielenden Kindern durch das Los zum König gewählt worden war und die eigensinnigen mutwillig mit der Geißel geschlagen hatte, erhoben die Eltern der Knaben Klage vor dem König, weil sie es für empörend hielten, dass frei geborene Menschen von einem königlichen Sklaven mit Schlägen, wie sie für Sklaven bestimmt sind, misshandelt worden waren. (3) Der König ließ den Knaben herbeiholen und befragte ihn. Als dieser, ohne eine Miene zu verziehen, zur Antwort gab, er habe wie ein König gehandelt, bewunderte der König dessen Unerschrockenheit und erinnerte sich wieder an den Traum und die Prophezeiung. (4) Und da nun die Ähnlichkeit der Gesichtszüge, die Zeit der Aussetzung und das Geständnis des Hirten zusammenpassten, erkannte er seinen Enkel. (5) Und weil er glaubte, der Traum habe sich erfüllt, da Kyros schon unter den Hirten die Königsherrschaft ausgeübt hatte, legte er wenigstens seine drohende Haltung ihm gegenüber ab. (6) Dagegen war er Harpagos, seinem Freund, feindlich gesinnt und tötete zur Rache für die Rettung seines Enkels den Sohn des Harpagos34 und setzte ihn seinem Vater zum Mahl vor.35 (7) Doch Harpagos verbarg für den Augenblick seinen Schmerz und sparte seinen Hass auf den König für eine günstige Gelegenheit zur Rache auf. (8) Als dann einige Zeit vergangen und Kyros herangewachsen war, schrieb ihm Harpagos, getrieben vom Kummer über den Verlust seines Sohnes, wie er von seinem Großvater nach Persien ge-
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fuerit, ut occidi eum parvulum avus iusserit, ut beneficio suo servatus sit, ut regem offenderit, ut filium amiserit. (9) Hortatur exercitum paret et pronam ad regnum viam ingrediatur, Medorum transitionem pollicitus. (10) Epistula quia palam ferri nequibat regis custodibus omnes aditus obsidentibus, exenterato lepori inseritur lepusque in Persas Cyro ferendus fido servo traditur; addita retia, ut sub specie venatoris dolus lateret. 6 (1) Lectis ille epistulis eadem somnio adgredi iussus, sed praemonitus, ut quem primum postera die obvium habuisset, socium coeptis adsumeret. (2) Igitur antelucano tempore ruri iter ingressus obvium habuit servum de ergastulo cuiusdam Medi, nomine Sybaren. (3) Huius requisita origine ut in Persis genitum audivit, demptis conpedibus adsumptoque comite Persepolim regreditur. (4) Ibi convocato populo iubet omnes praesto cum securibus esse et silvam viae circumdatam excidere. (5) Quod cum strenue fecissent, eosdem postera die adparatis epulis invitat; (6) dein cum alacriores ipso convivio factos videret, rogat: si condicio ponatur, utrius vitae sortem legant, hesterni laboris an praesentium epularum? ´Praesentium` ut adclamavere omnes, ait hesterno similem labori omnem vitam acturos, quoad Medis pareant; se secutos hodiernis epulis. (7) Laetis omnibus bellum Medis infert. (8) Astyages meriti sui in Harpago oblitus summam belli eidem committit, (9) qui exercitum acceptum statim Cyro per deditionem tradidit regisque crudelitatem perfidia defectionis ulciscitur. (10) Quod ubi Astyages audivit, contractis undique auxiliis ipse in Persas proficiscitur et repetito alacrius certamine pugnantibus suis partem exercitus de tergo ponit et tergiversantes ferro agi in hostes iubet (11) ac denuntiat suis, ni vincerent, non minus fortes post terga inventuros, quam a frontibus viros; proinde videant, fugientibus haec an illa pugnantibus acies rumpenda sit. (12) Ingens post necessitatem pugnandi animus exercitui
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schickt worden sei, wie der Großvater befohlen habe, ihn als kleines Kind zu töten, wie er durch seine Hilfe gerettet worden sei, wie er dadurch den König gegen sich aufgebracht und wie er seinen Sohn verloren habe. (9) Er forderte Kyros auf, ein Heer zu rüsten und den leichten Weg zur Herrschaft zu beschreiten, und sicherte ihm zu, dass die Meder zu ihm überlaufen würden. (10) Weil der Brief nicht offen überbracht werden konnte – denn die Wachen des Königs hielten alle Zugänge besetzt –, steckte man ihn in einen ausgeweideten Hasen und übergab den Hasen einem treuen Sklaven, damit er ihn nach Persien zu Kyros brachte. Man gab ihm zudem auch Netze mit, damit er wie ein Jäger aussah und die List dadurch verborgen blieb. 6 (1) Kyros las den Brief36 und erhielt dann im Traum den Befehl, ebendies zu versuchen, aber im Voraus noch den Rat, denjenigen, der ihm am nächsten Tag als Erster begegnen würde, als Gefährten zu seinen Unternehmungen hinzuzuziehen. (2) Als er nun vor Tagesanbruch seine Reise auf dem Land begann, begegnete ihm ein Sklave namens Sybaris aus dem Arbeitshaus eines Meders. (3) Kyros fragte ihn nach seiner Abstammung, und wie er hörte, dass er in Persien geboren war, nahm er ihm die Fußfesseln ab, zog ihn als Begleiter hinzu und kehrte nach Persepolis37 zurück. (4) Dort rief er das Volk zusammen und befahl allen, mit Beilen zu kommen und den Wald rings der Straße zu fällen. (5) Als sie das eifrig ausgeführt hatten, lud er sie am nächsten Tag zu einem prächtigen Mahl ein. (6) Als er dann sah, dass ebendieses Gastmahl sie in gehobene Stimmung versetzte, fragte er sie, welche von beiden Lebensweisen sie, wenn ihnen der Vorschlag dazu gemacht würde, wählen würden: Die gestrige Anstrengung oder das heutige Mahl? Als alle riefen „das heutige“, sagte er: Sie würden ihr ganzes Leben so verbringen, dass es der gestrigen Anstrengung gleiche, solange sie den Medern gehorchten; folgten sie aber ihm, dann so, dass es dem heutigen Mahl gleiche. (7) Da waren alle erfreut, und so begann er einen Krieg gegen die Meder. (8) Astyages aber, der sein Verbrechen an Harpagos vergessen hatte, vertraute ausgerechnet ihm die Gesamtleitung des Krieges an. (9) Harpagos übergab sofort das übernommene Heer ohne einen Schwertstreich an Kyros und rächte sich durch seinen treulosen Abfall für die Grausamkeit des Königs.38 (10) Sobald Astyages davon hörte, zog er von überall her Hilfstruppen zusammen, brach selbst nach Persien auf und nahm den Kampf mit größerem Eifer wieder auf. Er postierte einen Teil seines Heeres im Rücken der kämpfenden Truppen und erteilte den Befehl, diejenigen, die sich umwenden wollten, mit dem Schwert gegen die Feinde zu treiben. (11) Und er kündigte seinen Soldaten an, wenn sie nicht siegten, fänden sie in ihrem Rücken nicht minder tapfere Männer als vor sich; deshalb sollten sie überlegen, ob sie auf der Flucht diese oder im Kampf jene Schlachtreihe durchbrechen wollten. (12) Als die Soldaten so zum Kampf genötigt waren, wuchs der Mut sei-
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eius accessit. (13) Pulsataque cum Persarum acies paulatim cederet, matres et uxores eorum obviam occurrunt; orant in proelium revertantur; (14) cunctantibus sublata veste obscena corporis ostendunt rogantes, num in uteros matrum vel uxorum vellent refugere. (15) Hac repressi castigatione in proelium redeunt et facta inpressione quos fugiebant fugere conpellunt. (16) In eo proelio Astyages capitur, cui Cyrus nihil aliud quam regnum abstulit nepotemque in illo magis quam victorem egit, eumque maximae genti Hyrcanorum praeposuit. Nam in Medos reverti ipse noluit. (17) Hic finis imperii Medorum fuit. Regnaverunt annis CCCL. 7 (1) Initio regni Cyrus Sybaren, coeptorum socium, quem iuxta nocturnum visum ergastulo liberaverat comitemque in omnibus rebus habuerat, Persis praeposuit sororemque suam ei in matrimonium dedit. (2) Sed civitates, quae Medorum tributariae fuerant, mutato imperio etiam condicionem suam mutatam arbitrantes a Cyro defecerunt, quae res multorum bellorum Cyro causa et origo fuit. (3) Domitis deinde plerisque cum adversus Babylonios bellum gereret, Babyloniis rex Lydorum Croesus, cuius opes divitiaeque insignes ea tempestate erant, in auxilium venit; victusque iam de se sollicitus in regnum refugit. (4) Cyrus quoque post victoriam conpositis in Babylonia rebus bellum transfert in Lydiam. (5) Ibi fortuna prioris proelii perculsum iam Croesi exercitum nullo negotio fundit; Croesus ipse capitur. (6) Sed quanto bellum minoris periculi, tanto et mitior victoria. (7) Croeso et vita et patrimonii partes et urbs Beroe concessa, in qua etsi non regiam vitam, proximam tamen maiestati regiae degeret. (8) Haec clementia non minus victori quam victo utilis fuit.
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nes Heeres gewaltig an. (13) Doch als die bereits geschlagene Schlachtreihe der Perser allmählich zu weichen begann, rannten ihnen ihre Mütter und Frauen entgegen und baten sie, in die Schlacht zurückzukehren. (14) Als die Männer zögerten, hoben die Frauen das Gewand, zeigten ihnen ihre Schamteile und fragten, ob sie sich zurück in die Bäuche ihrer Mütter oder Frauen flüchten wollten. (15) Von dieser Zurechtweisung aufgehalten, kehrten die Männer in die Schlacht zurück, machten einen Angriff und trieben diejenigen in die Flucht, vor denen sie zu fliehen versucht hatten. (16) In dieser Schlacht wurde Asty ages gefangen genommen; ihm nahm Kyros nichts anderes als die Herrschaft39 und trat ihm gegenüber mehr als Enkel denn als Sieger auf; zudem betraute er ihn mit dem Oberbefehl über den großen Volksstamm der Hyrkaner40. Denn zu den Medern wollte Astyages selbst nicht zurückkehren. (17) Das war das Ende des Mederreiches. Sie herrschten dreihundertundfünfzig Jahre. 7 (1) Zu Beginn seiner Herrschaft betraute Kyros Sybaris, den Gefährten in seinen Unternehmungen, den er entsprechend dem nächtlichen Traumbild aus dem Arbeitshaus befreit und in allen Vorhaben zum Begleiter gehabt hatte, mit dem Oberbefehl über die Perser und gab ihm seine Schwester zur Frau. (2) Aber die Staaten, die den Medern tributpflichtig gewesen waren, glaubten, dass sich mit der Veränderung der Herrschaft auch ihre eigene Lage verändert habe, und fielen von Kyros ab – ein Umstand, der für Kyros Grund und Ursprung vieler Kriege war. (3) Als er hierauf die meisten bezwungen hatte und gegen die Babylonier Krieg führte, kam den Babyloniern der König der Lyder41, Kroisos42, dessen Macht und Reichtum43 zu dieser Zeit berühmt waren, zu Hilfe. Er wurde aber besiegt und floh, schon um sich selbst besorgt, in sein Reich zurück. (4) Und tatsächlich trug Kyros nach seinem Sieg, als er die Verhältnisse in Babylonien geordnet hatte, den Krieg nach Lydien hinüber. (5) Dort konnte er das Heer des Kroisos, das schon durch das Unglück der früheren Schlacht erschüttert war, ohne Schwierigkeiten schlagen; Kroisos selbst wurde gefangen genommen. (6) Aber je geringer die Gefahren des Krieges gewesen waren, desto milder war auch der Sieg. (7) Man ließ Kroisos das Leben44, einen Teil seines Vermögens und die Stadt Beroë45, in der er, wenn auch kein königliches Leben, so doch eines, das der königlichen Würde sehr nahekam, führen konnte.46 (8) Diese Milde war für den Sieger nicht weniger nützlich als für den Besiegten.
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(9) Quippe ex universa Graecia, cognito quod inlatum Croeso bellum esset, auxilia velut ad commune extinguendum incendium confluebant; (10) tantus Croesi amor apud omnes urbes erat passurusque Cyrus grave bellum Graeciae fuit, si quid in Croeso crudelius consuluisset. (11) Interiecto deinde tempore occupato in aliis bellis Cyro Lydi rebellavere, (12) quibus iterum victis arma et equi adempti iussique cauponas et ludicras artes et lenocinia exercere. (13) Ac sic gens industria quondam potens et manu strenua effeminata mollitie luxuriaque virtutem pristinam perdidit et quos ante Cyrum invictos bella praestiterunt, in luxuriam lapsos otium ac desidia superavit. (14) Fuere Lydis multi ante Croesum reges variis casibus memorabiles, nullus tamen fortunae Candauli conparandus. (15) Hic uxorem, quam propter formae pulchritudinem deperibat, praedicare omnibus solebat, non contentus voluptatum suarum tacita conscientia, nisi etiam matrimonii reticenda publicaret, (16) prorsus quasi silentium damnum pulchritudinis esset. (17) Ad postremum, ut adfirmationi suae fidem faceret, nudam sodali suo Gygi ostendit. (18) Quo facto et amicum in adulterium uxoris sollicitatum hostem sibi fecit et uxorem, veluti tradito alii amore, a se alienavit. (19) Namque brevi tempore caedes Candauli nuptiarum praemium fuit et uxor mariti sanguine dotata regnum viri et se pariter adultero tradidit. 8 (1) Cyrus subacta Asia et universo Oriente in potestatem redacto Scythiis bellum infert. (2) Erat eo tempore regina Scytharum Tamyris, quae non muliebriter adventu hostium territa, cum prohibere eos transitu Araxis fluminis posset, transire permisit, et sibi faciliorem pugnam intra regni sui terminos rata et hostibus obiectu fluminis fugam difficiliorem. (3) Itaque Cyrus traiectis copiis, cum aliquantisper in Scythiam processisset, castra metatus est. (4) Dein postera die simulato metu, quasi refugiens castra deseruisset, ita vini adfatim et ea, quae epulis erant necessaria, reliquit. (5) Quod cum nuntiatum reginae
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(9) Denn aus ganz Griechenland strömten auf die Kunde hin, dass Kroisos angegriffen worden sei, Hilfstruppen zusammen, wie um einen gemeinsamen Brand zu löschen; (10) so groß war die Beliebtheit des Kroisos in allen Städten, und Kyros hätte einen schweren Krieg gegen Griechenland erdulden müssen, wenn er allzu grausam mit Kroisos verfahren wäre. (11) Als dann einige Zeit vergangen und Kyros von anderen Kriegen in Anspruch genommen war, lehnten die Lyder sich auf. (12) Als sie zum zweiten Male besiegt worden waren, nahm man ihnen Waffen und Pferde weg und befahl ihnen, künftig nur noch Schenkwirtschaft, Schauspielkünste und Kuppelei zu treiben.47 (13) Und so wurde dieses einstmals durch seine Energie mächtige und tatkräftige Volk durch Verzärtelung und Schwelgerei verweichlicht und verlor seine frühere Tüchtigkeit. Und sie, die sich vor Kyros in Kriegen als unbesiegbar erwiesen hatten, versanken nun in Schwelgerei und wurden so von Müßiggang und Trägheit überwältigt.48 (14) Die Lyder hatten vor Kroisos viele Könige49, die wegen der Wechselfälle in ihrem Leben denkwürdig waren, doch keiner hatte ein Schicksal, das mit dem des Kandaules50 vergleichbar war.51 (15) Dieser pflegte seine Gattin, in die er wegen ihrer schönen Gestalt unsterblich verliebt war, bei allen zu rühmen. Denn es genügte ihm nicht, nur für sich im Stillen um seine Liebesgenüsse zu wissen, wenn er nicht auch die Geheimnisse seiner Ehe öffentlich bekannt machte, (16) ganz so, als ob Schweigen einen Verlust ihrer Schönheit bedeutete. (17) Um seine Beteuerung glaubhaft zu machen, zeigte er zuletzt seine Gattin seinem Kameraden Gyges nackt. (18) Dadurch machte er sich den Freund, der zum Ehebruch mit seiner Gattin verführt wurde, zum Feind und entfremdete sich zudem seine Gattin52, deren Liebe gleichsam einem anderen preisgegeben worden war. (19) Denn nach kurzer Zeit war die Ermordung des Kandaules53 der Preis für die Hochzeit, und die Gemahlin, mit dem Blut des Gatten als Mitgift, lieferte die Herrschaft ihres Mannes und zugleich sich selbst dem Ehebrecher aus.54 8 (1) Als Kyros Asien unterworfen und den gesamten Orient in seine Gewalt gebracht hatte, begann er gegen die Skythen einen Krieg. (2) Die Königin der Skythen55 war zu dieser Zeit Tamyris56, die nicht nach Art der Frauen durch den Anmarsch der Feinde in Schrecken versetzt wurde. Obgleich sie diese an der Überquerung des Flusses Araxes57 hätte hindern können, ließ sie eine Überschreitung zu, da sie glaubte, für sie sei der Kampf innerhalb der Grenzen ihres eigenen Reiches leichter, für die Feinde aber wegen des Flusses, der dann vor ihnen liege, die Flucht schwerer. (3) Daher konnte Kyros seine Truppen übersetzen und schlug, als er eine Zeitlang in das Skythenland vorgerückt war,58 ein Lager auf. (4) Hierauf tat er am folgenden Tag so, als hätte er Furcht bekommen und auf der Flucht das Lager aufgegeben, ließ aber genügend Wein und das, was für ein Mahl notwendig war, zurück. (5) Als der Königin das gemeldet
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esset, adulescentulum filium ad insequendum eum cum tertia parte copiarum mittit. (6) Cum ventum ad castra Cyri esset, ignarus rei militaris adulescens, veluti ad epulas, non ad proelium venisset, omissis hostibus insuetos barbaros vino se onerare patitur, (7) priusque Scythae ebrietate quam bello vincuntur. (8) Nam cognitis his Cyrus reversus per noctem saucios opprimit omnesque Scythas cum reginae filio interficit. (9) Amisso tanto exercitu et, quod gravius dolendum, unico filio Tamyris orbitatis dolorem non in lacrimas effudit, sed in ultionis solacia intendit hostesque recenti victoria exultantes pari insidiarum fraude circumvenit; (10) quippe simulata diffidentia propter vulnus acceptum refugiens Cyrum ad angustias usque perduxit. (11) Ibi conpositis in montibus insidiis ducenta milia Persarum cum ipso rege trucidavit. (12) In qua victoria etiam illud memorabile fuit, quod ne nuntius quidem tantae cladis superfuit. (13) Caput Cyri amputatum in utrem humano sanguine repletum coici regina iubet cum hac exprobratione crudelitatis: „satia te“ inquit „sanguine, quem sitisti cuiusque insatiabilis semper fuisti.“ (14) Cyrus regnavit annis XXX, non initio tantum regni, sed continuo totius temporis successu admirabiliter insignis. 9 (1) Huic successit filius Cambyses, qui imperio patris Aegyptum adiecit; (2) sed offensus superstitionibus Aegyptiorum Apis ceterorumque deorum aedes dirui iubet. (3) Ad Hammonis quoque nobilissimum templum expugnandum exercitum mittit, qui tempestatibus et harenarum molibus oppressus interiit. (4) Post haec per quietem vidit fratrem suum Mergim regnaturum. (5) Quo somnio exterritus non dubitavit post sacrilegia etiam parricidium facere. (6) Erat enim difficile, ut parceret suis, qui cum contemptu religionis grassatus etiam adversus deos fuerat (7) Ad hoc tam crudele ministerium magum quendam ex amicis delegit, nomine Cometen. (8) Interim ipse gladio sua sponte evaginato in femur graviter vulneratus occubuit poenasque luit seu imperati parricidii seu perpetrati sacrilegii. (9) Quo nun-
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wurde, sandte sie ihren sehr jungen Sohn59 mit einem Drittel ihrer Truppen zur Verfolgung des Kyros aus. (6) Als man zum Lager des Kyros gelangte, achtete der junge Mann, der im Kriegswesen keine Erfahrung besaß, nicht mehr auf die Feinde, so als ob er zu einem Mahl und nicht zu einer Schlacht gekommen wäre, und ließ zu, dass die Barbaren, die daran nicht gewöhnt waren, sich mit Wein schwer betranken. (7) Und so wurden die Skythen eher durch Trunkenheit als durch Kampf besiegt.60 (8) Denn als Kyros das erfuhr, kehrte er während der Nacht zurück, überfiel die Betrunkenen und tötete alle Skythen mitsamt dem Sohn der Königin61. (9) Als Tamyris ein so großes Heer und – was noch stärker schmerzte – ihren einzigen Sohn verloren hatte, ließ sie ihrem Schmerz über den Verlust ihres Kindes nicht durch Tränen freien Lauf, sondern lenkte ihn auf die tröstliche Rache und umgarnte die über den jüngst errungenen Sieg jubelnden Feinde mit der gleichen hinterlistigen Täuschung. (10) Denn sie tat so, als hätte sie wegen der erlittenen Niederlage ihr Vertrauen verloren, floh zurück und führte Kyros bis zu einem Engpass. (11) Dort legte sie in den Bergen einen Hinterhalt und ließ zweihunderttausend Perser mitsamt dem König selbst niedermetzeln. (12) An diesem Sieg war auch das denkwürdig, dass nicht einmal ein Bote am Leben blieb, der die so große Niederlage hätte melden können. (13) Den abgeschlagenen Kopf des Kyros ließ die Königin in einen Schlauch voll Menschenblut stecken und warf ihm dabei mit folgenden Worten seine Grausamkeit vor: „Sättige dich“, so sagte sie, „am Blut, nach dem du gelechzt hast und mit dem du niemals zu sättigen warst.“62 (14) Kyros herrschte dreißig Jahre63 und war nicht nur wegen des Beginns seiner Herrschaft, sondern auch wegen seines Erfolges, der die ganze Zeit hindurch beständig anhielt, außerordentlich berühmt. 9 (1) Ihm folgte sein Sohn Kambyses64 nach, der dem Reich seines Vaters Ägypten hinzufügte.65 (2) Doch er war aufgebracht über die abergläubischen Bräuche der Ägypter und ließ daher die Tempel des Apis und der übrigen Götter zerstören. (3) Um auch den hochberühmten Tempel des Ammon einzunehmen, schickte er ein Heer aus, das aber von Stürmen und Sandmassen überwältigt wurde und zugrunde ging. (4) Danach sah er im Traum, dass sein Bruder Mergis66 herrschen würde. (5) Durch diesen Traum erschreckt, zögerte er nicht, nach den Tempelschändungen auch noch einen Brudermord zu begehen. (6) Es war nämlich nur schwer möglich, dass einer, der ohne Scheu vor einem Frevel sogar gegen die Götter gewütet hatte, seine eigenen Verwandten verschonte. (7) Zu diesem so grausamen Dienst wählte er aus seinen Freunden einen gewissen Magier namens Kometes67 aus. (8) Unterdessen wurde er durch sein eigenes Schwert, das von selbst aus der Scheide fuhr, am Oberschenkel schwer verletzt und starb;68 und so leistete er Buße, sei es für den befohlenen Brudermord, sei es für die begangene Tempelschändung. (9) Als der
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tio accepto magus ante famam amissi regis occupat facinus prostratoque Mergide, cui regnum debebatur, fratrem suum subiecit Oropasten. (10) Erat enim et oris et corporis liniamentis persimilis, ac nemine subesse dolum arbitrante pro Mergide rex Oropasta constituitur. (11) Quae res eo occultior fuit, quod apud Persas persona regis sub specie maiestatis occulitur. (12) Igitur magi ad favorem populi conciliandum tributa et militiae vacationem in triennium remittunt, (13) ut regnum, quod fraude quaesierant, indulgentiae largitionibus confirmarent. (14) Quae res suspecta primo Hostani, viro nobili et in coniectura sagacissimo, fuit. (15) Itaque per internuntios quaerit de filia, quae inter regias paelices erat, an Cyri filius rex esset. (16) Illa nec se ipsam scire ait nec ex alia posse cognoscere, quia singulae separatim recludantur. (17) Tum pertractare caput dormienti iubet, nam mago Cambyses aures utrasque praeciderat. (18) Factus dein per filiam certior sine auribus regem esse, optimatibus Persarum rem indicat et in caedem falsi regis inpulsos sacramenti religione obstringit. (19) Septem tantum conscii fuere huius coniurationis, qui ex continenti, ne dato in paenitentiam spatio res per quemcumque narraretur, occultato sub veste ferro ad regiam pergunt. (20) Ibi obviis interfectis ad magos perveniunt, quibus ne ipsis quidem animus in auxilium sui defuit, (21) siquidem stricto ferro duos de coniuratis interficiunt. (22) Ipsi tamen corripiuntur a pluribus, quorum alterum Gobryas medium amplexus, cunctantibus sociis, ne ipsum pro mago transfoderent, quia res obscuro loco gerebatur, vel per suum corpus adigi mago ferrum iussit. (23) Fortuna tamen ita regente illo incolumi magus interficitur.
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Magier diese Nachricht erhielt, führte er die Untat rasch aus, ehe das Gerücht vom Tod des Königs sich verbreiten konnte,69 streckte Mergis, dem die Herrschaft bestimmt war, nieder und setzte dann seinen eigenen Bruder Oropastes an dessen Stelle.70 (10) Oropastes war Mergis nämlich sowohl in seinen Gesichtszügen als auch in seiner äußeren Gestalt überaus ähnlich.71 Und da niemand annahm, dass ein Betrug vorliege, wurde Oropastes anstelle des Mergis als König eingesetzt.72 (11) Diese Täuschung blieb umso mehr verborgen, als man bei den Persern die Person des Königs, angeblich wegen ihrer Erhabenheit, verborgen hält. (12) Um die Gunst des Volkes zu gewinnen, erließen die Magier nun für drei Jahre die Abgaben und den Kriegsdienst, (13) um so die Herrschaft, die sie durch Betrug errungen hatten, durch reiche Gnadengeschenke zu festigen.73 (14) Als Erster hielt Hostanes74, ein Adeliger, der die Fähigkeit besaß, die scharfsinnigsten Vermutungen anzustellen, das für verdächtig. (15) Daher suchte er, durch Mittelsmänner von seiner Tochter75, die sich unter den königlichen76 Nebenfrauen befand, zu erfahren, ob ein Sohn des Kyros König war. (16) Jene sagte, dass sie es weder selbst wisse noch von einer anderen erfahren könne, weil sie einzeln und abgesondert eingeschlossen würden. (17) Da befahl er ihr, dem König, während er schlafe, den Kopf genau zu betasten; denn Kambyses hatte dem Magier beide Ohren abschneiden lassen.77 (18) Als Hostanes hierauf von seiner Tochter darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass der König keine Ohren hatte, verriet er den vornehmsten Persern78 diesen Sachverhalt, verleitete sie zur Ermordung des falschen Königs und verpflichtete sie durch einen heiligen Eid. (19) Nur sieben waren Mitwisser dieser Verschwörung.79 Damit nicht einer, wenn ihm Zeit zur Reue gegeben wäre, das Vorhaben verriet, brachen sie unverzüglich80 mit Dolchen, die sie unter ihrem Gewand verborgen hatten, zum Palast auf.81 (20) Dort töteten sie alle, die ihnen begegneten, und gelangten zu den Magiern, denen es auch ihrerseits keineswegs an Mut fehlte, sich selbst zu helfen; (21) sie töteten nämlich mit gezücktem Schwert zwei Verschwörer82. (22) Dennoch wurden die Ma gier selbst von mehreren ergriffen. Gobryas83 umfasste einen der Magier in der Mitte, und als seine Gefährten84 zögerten, um nicht ihn selbst anstelle des Magiers zu durchbohren – denn das Handgemenge spielte sich an einem dunklen Ort ab –, befahl er, auch durch seinen eigenen Körper hindurch mit dem Dolch auf den Magier einzustechen. (23) Doch weil das Schicksal es so lenkte, blieb Gobryas unverletzt, der Magier aber wurde getötet.
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10 (1) Occisis magis magna quidem gloria recuperati regni principum fuit, sed multo maior in eo, quod, cum de regno ambigerent, concordare potu erunt. (2) Erant enim virtute et nobilitate ita pares, ut difficilem ex his populo electionem aequalitas faceret. (3) Ipsi igitur viam invenerunt, qua de se iudicium religioni et fortunae committerent, (4) pactique inter se sunt, ut die statuta omnes equos ante regiam primo mane perducerent, et cuius equus inter solis ortum hinnitum primus edidisset, is rex esset. (5) Nam et solem Persae unum deum esse credunt et equos eidem deo sacratos ferunt. (6) Et erat inter coniuratos Darius, Hystaspis filius, cui de regno sollicito equi custos ait, si ea res victoriam moraretur, nihil negotii superesse. (7) Per noctem deinde equum pridie constitutam diem ad eundem locum ducit ibique equae admittit, ratus ex voluptate Veneris futurum quod evenit. (8) Postera die itaque, cum ad statutam horam omnes convenissent, Darii equus cognito loco ex desiderio feminae hinnitum statim edidit et segnibus aliis felix auspicium domino primus emisit. (9) Tanta moderatio ceteris fuit, ut audito auspicio confestim equis desilierint et Darium regem salutaverint. (10) Populus quoque universus secutus iudicium principum eundem regem constituit. (11) Sic regnum Persarum septem nobilissimorum virorum virtute quaesitum tam levi momento in unum conlatum est. (12) Incredibile prorsus tanta patientia gessisse eos, quod ut eriperent magis, mori non recusaverint. (13) Quamquam praeter formam virtutemque hoc imperio dignam etiam cognatio Dario iuncta cum pristinis regibus fuit. (14) Principio igitur regni Cyri filiam in matrimonium recepit, regalibus nuptiis regnum firmaturus, ut non tam in extraneum translatum, quam in familiam Cyri reversum videretur. (15) Interiecto deinde tempore cum Assyrii descivissent et Babyloniam occupassent difficilisque urbis expugnatio esset, aestuante rege unus de interfectoribus magorum, Zopyrus, domi se verberibus lacerari toto corpore iubet, nasum, aures et labia sibi praecidi, atque ita regi inopinanti se offert.
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10 (1) Nach der Ermordung der Magier war der Ruhm der Fürsten zwar schon wegen der Wiedererlangung der Herrschaft groß, aber noch viel größer deswegen, weil sie auch während ihres Streites über die Herrschaft trotzdem einig bleiben konnten.85 (2) Sie waren einander nämlich an Tüchtigkeit und Adel so gleich, dass diese Gleichheit es dem Volk schwer machte, einen von ihnen zu wählen. (3) So fanden sie selbst einen Weg, um die Entscheidung über sich dem Willen der Götter und dem Schicksal anzuvertrauen. (4) Und sie einigten sich untereinander, alle an einem festgesetzten Tag ihre Pferde frühmorgens vor den Palast zu führen, und wessen Pferd während des Sonnenaufgangs als Erstes ein Wiehern ausstoße, der solle König sein.86 (5) Denn die Perser glauben, dass die Sonne der einzige Gott ist, und behaupten, dass Pferde gerade diesem Gott heilig seien. (6) Unter den Verschwörern befand sich auch Dareios87, der Sohn des Hystaspes. Als er über die Vergabe der Herrschaft beunruhigt war, sagte ihm sein Pferdewärter88, wenn nur dieser Umstand seinen Sieg behindere, dann gebe es keine Schwierigkeiten. (7) Hierauf führte er das Pferd in der Nacht vor dem festgesetzten Tag an ebendiesen Platz und ließ es sich dort einer Stute nähern, weil er glaubte, aufgrund des Fortpflanzungstriebs werde geschehen, was dann auch tatsächlich eintrat. (8) Als sich am nächsten Tag alle zur festgesetzten Stunde versammelt hatten, erkannte das Pferd des Dareios den Platz wieder, stieß daher aus Verlangen nach der Stute sofort ein Wiehern aus und ließ, während die anderen nichts taten, als Erstes das für seinen Herrn Glück bringende Zeichen hören. (9) Die übrigen Männer besaßen eine so große Beherrschung, dass sie, als sie das Zeichen hörten, unverzüglich von ihren Pferden sprangen und Dareios als König grüßten. (10) Auch das gesamte Volk schloss sich der Entscheidung der Fürsten an und setzte Dareios als König ein. (11) So wurde die Herrschaft über die Perser, die durch die Tüchtigkeit von sieben der vornehmsten Männer errungen worden war, durch einen so geringfügigen Anlass auf einen einzigen übertragen. (12) Es ist ganz unglaublich, dass die Männer mit solcher Bescheidenheit handelten, obgleich sie damals den Tod willig in Kauf genommen hatten, um den Magiern die Herrschaft zu entreißen. (13) Doch neben seiner edlen Gestalt und seinen Verdiensten, die dieser Herrschaft würdig waren, hatte Dareios auch eine verwandtschaftliche Bindung zu den vorigen Königen. (14) So nahm er zu Beginn seiner Herrschaft eine Tochter des Kyros89 zur Frau, um durch diese königliche Hochzeit seine Herrschaft zu festigen, damit sie nicht so sehr auf einen Fremden übergegangen als vielmehr in das Geschlecht des Kyros90 zurückgekehrt zu sein schien. (15) Als dann nach einiger Zeit die Assyrer abgefallen waren und Babylon besetzt hatten und sich eine Eroberung dieser Stadt als schwierig gestaltete, war der König in großer Unruhe.91 Da ließ sich einer von den Mördern der Magier, Zopyros92, zu Hause mit Geißelhieben den ganzen Körper zerfleischen, ließ sich Nase, Ohren und Lippen abschneiden und zeigte sich so dem ahnungslosen König.
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(16) Attonitum et quaerentem Darium causas auctoremque tam foedae lacerationis tacitus quo proposito fecerit edocet, formatoque in futura consilio transfugae titulo Babyloniam proficiscitur. (17) Ibi ostendit populo laniatum corpus, queritur crudelitatem regis, a quo in regni petitione non virtute, sed auspicio, non iudicio hominum, sed hinnitu equi superatus sit; (18) iubet illos ex amicis exemplum capere, quid hostibus cavendum sit; (19) hortatur, ne moenibus magis quam armis confidant, patianturque se commune bellum recentiore ira gerere. (20) Nota nobilitas viri pariter et virtus omnibus erat, nec de fide timebant, cuius veluti pignora vulnera corporis et iniuriae notas habebant. (21) Constituitur ergo dux omnium suffragio, et accepta parva manu semel atque iterum cedentibus ex consulto Persis secunda proelia facit. (22) Ac postremo universum sibi creditum exercitum Dario prodit urbemque ipsam in potestatem eius redigit. (23) Post haec Darius bellum Scythis infert, quod sequenti volumine referetur.
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(16) Als Dareios voller Bestürzung nach den Gründen und dem Verursacher einer so scheußlichen Zerfleischung fragte, unterrichtete Zopyros ihn heimlich, in welcher Absicht er das getan habe;93 und als er einen Plan für die Zukunft geschmiedet hatte, gab er sich als Überläufer aus und brach nach Babylon auf. (17) Dort zeigte er dem Volk seinen zerfetzten Körper und beklagte sich über die Grausamkeit des Königs, der ihn beim Streben nach der Herrschaft nicht durch ein persönliches Verdienst, sondern durch ein Zeichen, nicht durch das Urteil von Menschen, sondern durch das Wiehern eines Pferdes aus dem Feld geschlagen habe. (18) Zopyros befahl ihnen, sich an den Freunden des Königs ein Beispiel dafür zu nehmen, wovor seine Feinde sich hüten müssten; (19) er forderte sie auf, sie sollten den Mauern nicht mehr vertrauen als den Waffen und ihm gestatten, den Krieg gemeinsam mit ihnen zu führen, da sein Zorn noch frisch sei. (20) Allen waren die adelige Abkunft des Mannes und zugleich seine Tapferkeit bekannt, und sie hatten keine Bedenken hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit, da sie ja die körperlichen Wunden und Male des erlittenen Unrechts gleichsam als Unterpfand hatten. (21) Also wurde Zopyros unter allgemeiner Zustimmung als Anführer eingesetzt, erhielt eine kleine Schar und schlug gegen die Perser, die sich absichtlich zurückzogen, des Öfteren siegreiche Schlachten. (22) Und als man ihm zuletzt das gesamte Heer anvertraut hatte, spielte er es Dareios in die Hände und brachte die Stadt selbst in dessen Gewalt. (23) Danach begann Dareios gegen die Skythen einen Krieg, über den im folgenden Buch94 berichtet wird.
Prologus libri II Secundo volumine continentur haec. Scythiae et Ponti situs originesque Scythiae usque ad bellum, quo est inde pulsus Darius: qui post hanc fugam Graeciae bellum intulit per Datim et Tisaphernem, quod soli Athenienses sustinuere. Hic origines Athenarum repetitae et reges usque ad Pisistrati tyrannidem, qua extincta Marathone vicere Persas. Ut mortuo Dario filius eius Xerxes bellum Graeciae intulit: ac repetitae origines Thessaliae: expulsoque Graecia Xerxe bellum ab Atheniensibus translatum in Asiam usque ad Xerxis interitum.
Liber II 1 (1) In relatione rerum ab Scythis gestarum, quae satis amplae magnificaeque fuerunt, principium ab origine repetendum est. (2) Non enim minus inlustria initia quam imperium habuere, nec virorum magis quam feminarum virtutibus claruere, (3) quippe cum ipsi Parthos Bactrianosque, feminae autem eorum Amazonum regna condiderint, (4) prorsus ut res gestas virorum mulierumque considerantibus incertum sit, uter apud eos sexus inlustrior fuerit. (5) Scytharum gens antiquissima semper habita, quamquam inter Scythas et Aegyptios diu contentio de generis vetustate fuerit (6) Aegyptiis praedicantibus, initio rerum, cum aliae terrae nimio fervore solis arderent, aliae rigerent frigoris inmanitate, ita ut non modo primae generare homines, sed ne advenas quidem recipere ac tueri possent, priusquam adversus calorem vel frigus velamenta corporis invenirentur vel locorum vitia quaesitis arte remediis mollirentur, (7) Aegyptum ita temperatam semper fuisse, ut neque hiberna frigora nec aestivi solis ardores incolas eius premerent, (8) solum ita fecundum, ut alimentorum in usum hominum nulla terra feracior fuerit. (9) Iure igitur ibi primum homines natos videri debere, ubi educari facillime possent. (10) Contra Scythae caeli temperamentum nullum esse vetustatis argumentum putabant.
Vorwort zum 2. Buch Das zweite Buch enthält Folgendes: Die Lage von Skythien und Pontos und die Ursprünge Skythiens bis zu dem Krieg, in dem Dareios von dort vertrieben wurde. Nach dieser Flucht begann Dareios durch Datis und Tisaphernes1 einen Krieg gegen Griechenland, den allein die Athener auf sich nahmen. Hier sind die Ursprünge Athens nachgetragen und seine Könige bis zur Tyrannenherrschaft des Peisistratos, nach deren Beseitigung die Athener bei Marathon die Perser besiegten. Wie nach dem Tod des Dareios2 sein Sohn Xerxes3 Griechenland angriff. Die Ursprünge Thessaliens sind nachgetragen. Nach der Vertreibung des Xerxes aus Griechenland wurde der Krieg von den Athenern nach Asien hinübergetragen bis zum Tod des Xerxes.
Buch 2 1 (1) In einem Bericht über die von den Skythen4 vollbrachten Taten, die sehr ansehnlich und großartig waren, muss man mit ihrem Ursprung beginnen. (2) Ihre Anfänge waren nämlich nicht weniger berühmt als ihr Reich, und sie zeichneten sich durch die Verdienste der Männer nicht mehr aus als durch die der Frauen. (3) Denn sie selbst gründeten das Parthische5 und das Baktrianische6 Reich, ihre Frauen aber die Königreiche der Amazonen7, (4) sodass man, wenn man die Taten der Männer und der Frauen betrachtet, durchaus nicht entscheiden kann, welches von beiden Geschlechtern bei ihnen berühmter war. (5) Den Volksstamm der Skythen hielt man immer für den ältesten, obgleich zwischen Skythen und Ägyptern lange Zeit ein Streit über das Alter des jeweiligen Volkes herrschte. (6) Dabei hoben die Ägypter Folgendes hervor: Am Anfang der Welt hätten die einen Länder vor übermäßiger Sonnenhitze geglüht, die anderen vor außerordentlichem Frost gestarrt, sodass sie unter solchen Umständen nicht nur nicht als Erste Menschen hätten hervorbringen,8 sondern nicht einmal Fremdlinge hätten aufnehmen und schützen können, bevor man gegen die Hitze oder die Kälte Bedeckungen des Körpers erfunden habe oder die Unzulänglichkeiten der Gegend durch künstlich ersonnene Hilfsmittel habe ausgleichen können; (7) Ägypten dagegen sei immer so gemäßigt gewesen, dass weder winterliche Kälte noch sommerliche Sonnenglut seine Bewohner in Bedrängnis gebracht hätten. (8) Und der Boden sei so fruchtbar gewesen, dass kein Land in reicherem Maße Nahrungsmittel zum Nutzen der Menschen hervorgebracht habe. (9) Man müsse also zu Recht annehmen, dass die Menschen zuerst dort entstanden seien, wo sie am leichtesten hätten aufwachsen können. (10) Im Gegensatz dazu glaubten die Skythen, ein gemäßigtes Klima sei kein Beweis für das Alter.
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(11) Quippe naturam, cum primum incrementa caloris ac frigoris regionibus distinxit, statim ad locorum patientiam animalia quoque generasse; (12) sed et arborum ac frugum pro regionum condicione apte genera variata. (13) Et quanto Scythis sit caelum asperius quam Aegyptiis, tanto et corpora et ingenia esse duriora. (14) Ceterum si mundi, quae nunc partes sunt, aliquando unitas fuit, sive inluvies aquarum principio rerum terras obrutas tenuit, sive ignis, qui et mundum genuit, cuncta possedit, utriusque primordii Scythas origine praestare. (15) Nam si ignis prima possessio rerum fuit, qui paulatim extinctus sedem terris dedit, nullam prius quam septentrionalem partem hiemis rigore ab igne secretam, adeo ut nunc quoque nulla magis rigeat frigoribus; (16) Aegyptum vero et totum Orientem tardissime temperatum, quippe qui etiam nunc torrenti calore solis exaestuet. (17) Quodsi omnes quondam terrae submersae profundo fuerunt, profecto editissimam quamque partem decurrentibus aquis primum detectam, humillimo autem solo eandem aquam diutissime inmoratam; (18) et quanto prior quaeque pars terrarum siccata sit, tanto prius animalia generare coepisse. (19) Porro Scythiam adeo editiorem omnibus terris esse, ut cuncta flumina ibi nata in Maeotim, tum deinde in Ponticum et Aegyptium mare decurrant; (20) Aegyptum autem, quae tot regum, tot saeculorum cura inpensaque munita sit et adversum vim incurrentium aquarum tantis structa molibus, tot fossis concisa, ut, cum his arceantur, illis recipiantur aquae, nihilo minus coli nisi excluso Nilo non potuerit, nec possit videri hominum vetustate ultima, quae aggerationibus regum sive Nili trahentis limum terrarum recentissima videatur. (21) His igitur argumentis superatis Aegyptiis antiquiores semper Scythae visi. 2 (1) Scythia autem in orientem porrecta includitur ab uno latere Ponto, ab altero montibus Riphaeis, a tergo Asia et Phasi flumine. (2) Multum in longitudinem et latitudinem patet. (3) Hominibus inter se nulli fines. Neque enim agrum exercent,
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(11) Denn die Natur habe, sobald sie den Gebieten in unterschiedlicher Weise mehr Hitze oder Kälte zugeteilt habe, sofort auch die Lebewesen so erschaffen, dass sie die Gegebenheiten der jeweiligen Gegend hätten ertragen können, (12) seien doch auch die Arten der Bäume und Feldfrüchte je nach den in den Gebieten herrschenden Bedingungen verschieden. (13) Und je rauer das Klima bei den Skythen im Vergleich mit dem Klima bei den Ägyptern sei, desto abgehärteter seien sie an Körper und Geist. (14) Wenn im Übrigen die Erde, die jetzt geteilt ist, einst eine Einheit bildete – sei es, dass eine Überschwemmung am Anfang der Welt die Länder bedeckte, sei es, dass das Feuer, das auch die Welt hervorbrachte, alles in Besitz hatte –, dann behielten die Skythen beim Ursprung beider Anfänge die Oberhand. (15) Denn wenn das Feuer zuerst die Welt besetzt hielt, das allmählich verlosch und den Ländern einen Platz gab, dann sei kein Teil früher als der nördliche durch die Kälte des Winters vom Feuer getrennt worden, und zwar so weit, dass auch jetzt kein Teil in höherem Maße vor Frost starre; (16) Ägypten aber und der ganze Orient seien sehr langsam gemäßigt worden, da er ja auch jetzt noch von der brennend heißen Sonne erglühe. (17) Wenn nun aber alle Länder einstmals tief im Wasser versunken waren, dann sei sicherlich der jeweils am höchsten gelegene Teil beim Abfließen des Wassers zuerst freigelegt worden, auf dem am niedrigsten gelegenen Erdboden aber sei ebendieses Wasser am längsten verblieben; (18) und je früher ein jeder Erdteil getrocknet sei, desto früher habe er auch begonnen, Lebewesen hervorzubringen. (19) Nun sei aber Skythien so viel höher gelegen als alle anderen Länder, dass alle dort entspringenden Flüsse sich in das Maiotische9, hierauf dann in das Schwarze und das Ägyptische Meer ergössen. (20) Anders verhalte es sich dagegen mit Ägypten: Es sei durch die Fürsorge und den Aufwand so vieler Könige und so vieler Jahrhunderte geschützt und gegen die Gewalt der hineinströmenden Gewässer mit so großen Dämmen10 verbaut und von so vielen Kanälen zerteilt worden, dass es, während das Wasser durch die Dämme ferngehalten, von den Kanälen aber zurückgehalten werde, nichtsdestoweniger nur durch eine Absperrung des Nils habe bebaut werden können. Und es könne nicht in Bezug auf das Alter der Menschen dasjenige Land als das älteste erscheinen, das durch die Auftürmungen der Könige oder des Schlamm mit sich führenden Nils das jüngste Land zu sein scheine. (21) Da also die Ägypter durch diese Beweisgründe ins Hintertreffen geraten waren, schienen die Skythen immer die älteren zu sein. 2 (1) Skythien aber, das sich nach Osten hin erstreckt, wird auf der einen Seite vom Pontos eingeschlossen, auf der anderen von den Riphaischen Bergen11, im Rücken von Asien12 und vom Fluss Phasis13. (2) Es dehnt sich weit in die Länge und Breite aus. (3) Die Menschen haben untereinander keine Gebietsgrenzen; denn weder pflügen sie das Ackerland noch besitzen sie ein Haus
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nec domus illis ulla aut tectum aut sedes est, armenta et pecora semper pascentibus et per incultas solitudines errare solitis. (4) Uxores liberosque secum in plaustris vehunt, quibus coriis imbrium hiemisque causa tectis pro domibus utuntur. (5) Iustitia gentis ingeniis culta, non legibus. (6) Nullum scelus apud eos furto gravius: quippe sine tecto munimentoque pecora et armenta habentibus quid inter silvas superesset, si furari liceret? (7) Aurum et argentum non perinde ac reliqui mortales adpetunt. (8) Lacte et melle vescuntur. (9) Lanae his usus ac vestium ignotus et quamquam continuis frigoribus urantur, pellibus tamen ferinis ac murinis utuntur. (10) Haec continentia illis morum quoque iustitiam edidit, nihil alienum concupiscentibus; quippe ibidem divitiarum cupido est, ubi et usus. (11) Atque utinam reliquis mortalibus similis moderatio abstinentiaque alieni foret; (12) profecto non tantum bellorum per omnia saecula terris omnibus continuaretur, (13) neque plus hominum ferrum et arma quam naturalis fatorum condicio raperet, (14) prorsus ut admirabile videatur, hoc illis naturam dare, quod Graeci longa sapientium doctrina praeceptisque philosophorum consequi nequeunt, cultosque mores incultae barbariae conlatione superari. (15) Tanto plus in illis proficit vitiorum ignoratio quam in his cognitio virtutis. 3 (1) Imperium Asiae ter quaesivere; ipsi perpetuo ab alieno imperio aut intacti aut invicti mansere. (2) Darium, regem Persarum, turpi ab Scythia submoverunt fuga, (3) Cyrum cum omni exercitu trucidaverunt, (4) Alexandri Magni ducem Zopyriona pari ratione cum copiis universis deleverunt. (5) Romanorum audivere, non sensere arma. (6) Parthicum et Bactrianum imperium ipsi condiderunt. (7) Gens laboribus et bellis aspera, vires corporum inmensae; nihil parare, quod amittere timeant, nihil victores praeter gloriam concupiscunt. (8) Primus Scythis bellum indixit Vezosis, rex Aegyptius, missis prius legationibus, qui hostibus parendi legem dicerent. (9) Sed Scythae iam ante de adventu
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oder ein Dach oder einen festen Wohnsitz, da sie immer ihr Groß- und Kleinvieh weiden und gewöhnlich durch unbebaute Einöden umherstreifen. (4) Ihre Frauen und Kinder führen sie auf Wagen mit sich, die sie wegen der Regengüsse und der Winterkälte mit Lederhäuten bedeckt haben und anstelle von Häusern nutzen. (5) Gerechtigkeit herrscht aufgrund der natürlichen Anlage des Volksstammes, nicht aufgrund von Gesetzen. (6) Kein Verbrechen wiegt bei ihnen schwerer als Diebstahl: Denn da sie ohne Dach und Schutz ihr Großund Kleinvieh halten – was bliebe ihnen da inmitten der Wälder übrig, wenn das Stehlen erlaubt wäre? (7) Sie haben kein Verlangen nach Gold und Silber, so wie die übrigen Sterblichen. (8) Sie ernähren sich von Milch und Honig. (9) Der Gebrauch von Wolle und Kleidern ist ihnen unbekannt, und obwohl sie von fortwährender Winterkälte geplagt werden, verwenden sie dennoch nur Felle von Wildtieren und Hermelinen14. (10) Diese Genügsamkeit ließ bei ihnen auch einen gerechten Lebenswandel entstehen, da sie kein fremdes Eigentum begehren. Denn man giert nur dort nach Reichtum, wo man ihn auch nutzt. (11) Wenn doch auch die übrigen Menschen eine ähnliche Mäßigung und Enthaltsamkeit gegenüber fremdem Eigentum besäßen! (12) Sicherlich würden sich dann nicht so viele Kriege alle Jahrhunderte hindurch in allen Ländern unmittelbar aneinanderreihen, (13) und Eisen und Waffen würden nicht eine größere Zahl an Menschen dahinraffen als die naturgemäße Bestimmung des Schicksals. (14) Und es muss doch ganz wunderbar erscheinen, dass die Natur den Skythen das gibt, was die Griechen trotz langer Belehrung durch die Weisen und trotz der Vorschriften der Philosophen nicht erlangen können, und dass verfeinerte Sitten im Vergleich mit ungebildeter Barbarei von ihr übertroffen werden. (15) So viel mehr bewirkt bei den Skythen die Unkenntnis der Laster als bei den Griechen die Kenntnis der Tugend. 3 (1) Die Herrschaft über Asien suchten die Skythen dreimal zu erringen; sie selbst blieben ununterbrochen von fremder Herrschaft entweder unberührt oder unbesiegt. (2) Dareios, den König der Perser, vertrieben sie in schändlicher Flucht aus Skythien;15 (3) Kyros metzelten sie mitsamt seinem ganzen Heer nieder;16 (4) einen Heerführer Alexanders des Großen, Zopyrion, vernichteten sie auf gleiche Weise mit all seinen Truppen.17 (5) Sie hörten von den Waffen der Römer, mussten sie aber nicht fühlen. (6) Das Parthische und das Baktrianische Reich gründeten sie selbst.18 (7) Der Volksstamm hat durch die Anstrengungen und Kriege ein raues Wesen, seine Körperkräfte sind ungeheuerlich; sie erwerben nichts, was sie zu verlieren fürchten, nichts begehren sie als Sieger außer Ruhm. (8) Als Erster erklärte Vezosis, der ägyptische König, den Skythen den Krieg,19 nachdem er zuerst Gesandtschaften zu ihnen geschickt hatte, die den Feinden die Bedingungen für eine Unterwerfung verkünden sollten. (9) Die Skythen aber, die schon vorher durch ihre Grenznach-
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regis a finitimis certiores facti legatis respondent: (10) tam opulenti populi ducem stolide adversus inopes occupasse bellum, quod magis domi fuerit illi timendum, (11) quod belli certamen anceps, praemia victoriae nulla, damna manifesta sint. (12) Igitur non expectaturos Scythas, dum ad se veniatur, cum tanto sibi plura in hoste concupiscenda sint, ultroque praedae ituros obviam. (13) Nec dicta res morata. Quos cum tanta celeritate advenire rex didicisset, in fugam vertitur exercituque cum omni apparatu belli relicto in regnum trepidus se recepit. (14) Scythas ab Aegypto paludes prohibuere. (15) Inde reversi Asiam perdomitam vectigalem fecere, modico tributo magis in titulum imperii quam in victoriae praemium inposito. (16) XV annis pacandae Asiae inmorati uxorum flagitatione revocantur, per legatos denuntiantibus, ni redeant, subolem se ex finitimis quaesituras nec passuras, ut in posteritatem Scytharum genus per feminas intercidat. (17) His igitur Asia per mille quingentos annos vectigalis fuit. (18) Pendendi tributi finem Ninus, rex Assyriorum, inposuit. 4 (1) Sed apud Scythas medio tempore duo regii iuvenes, Plynos et Scolopitus, per factionem optimatum domo pulsi ingentem iuventutem secum traxere (2) et in Cappadociae ora iuxta amnem Thermodonta consederunt subiectosque Themiscyrios campos occupavere. (3) Ibi per multos annos spoliare finitimos adsueti conspiratione populorum per insidias trucidantur. (4) Horum uxores cum viderent exilio additam orbitatem, arma sumunt finesque suos submoventes primo, mox etiam inferentes bella defendunt. (5) Nubendi quoque finitimis animum omisere, servitutem, non matrimonium appellantes. (6) Singulare omnium saeculorum exemplum, ausae rem publicam augere sine viris; iam etiam cum contemptu virorum tuentur. (7) Et ne feliciores aliae aliis viderentur, viros, qui domi remanserant, interficiunt. (8) Ultionem quoque caesorum coniugum excidio finitimorum consequuntur. (9) Tum pace armis quaesita, ne genus interiret,
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barn vom Anmarsch des Königs in Kenntnis gesetzt worden waren, antworteten den Gesandten: (10) Es sei töricht, dass der Anführer eines so wohlhabenden Volkes gegen Mittellose voreilig einen Krieg begonnen habe, den er mehr daheim habe fürchten müssen, (11) weil der Ausgang des Kampfes im Krieg ungewiss sei und es keine Belohnungen für den Sieg gebe, die Verluste aber offenkundig seien. (12) Also würden die Skythen nicht warten, bis man zu ihnen komme, da es bei ihrem Feind so viel mehr Begehrenswertes für sie gebe, sondern von sich aus ihrer Beute entgegengehen. (13) Gesagt, getan. Als der König erfuhr, dass sie mit so großer Geschwindigkeit heranrückten, wandte er sich zur Flucht, ließ sein Heer mitsamt der ganzen Kriegsausrüstung im Stich und zog sich ängstlich in sein Reich zurück.20 (14) Sümpfe hielten die Skythen von Ägypten fern. (15) Von dort zurückgekehrt, unterjochten sie Asien21 und machten es tributpflichtig, wobei sie ihm mehr zum Zeichen ihrer Herrschaft als zum Lohn für ihren Sieg eine mäßige Abgabe auferlegten. (16) Nachdem sie fünfzehn Jahre mit der Befriedung Asiens zugebracht hatten, wurden sie durch die Forderung ihrer Frauen zurückgerufen. Diese ließen ihnen durch Gesandte melden, wenn sie nicht zurückkehrten, würden sie sich bemühen, von ihren Grenznachbarn Nachwuchs zu empfangen, und nicht zulassen, dass in Zukunft das Volk der Skythen durch die Schuld der Frauen aussterbe. (17) Ihnen war Asien also 1500 Jahre lang tributpflichtig. (18) Ninos22, der König der Assyrer, machte den Tributzahlungen ein Ende. 4 (1) Aber bei den Skythen waren in der Zwischenzeit zwei königliche Jünglinge, Plynos und Skolopitos23, durch die Partei der Adeligen aus ihrer Heimat vertrieben worden. Sie zogen eine gewaltige Jungmannschaft mit sich, (2) ließen sich an der Küste Kappadokiens24 nahe dem Fluss Thermodon nieder und nahmen die angrenzenden Felder von Themiskyra25 in Besitz. (3) Da sie dort viele Jahre lang ihre Grenznachbarn zu berauben pflegten, wurden sie durch einen gemeinsamen Überfall der Völker hinterlistig niedergemetzelt. (4) Als ihre Ehefrauen sahen, dass zu ihrer Verbannung auch noch der Witwenstand hinzugekommen war, ergriffen sie selbst die Waffen und verteidigten ihr Gebiet, indem sie Kriege anfangs nur davon fernhielten, bald aber auch selbst begannen. (5) Auch gaben sie den Gedanken an eine Hochzeit mit ihren Grenznachbarn auf, weil sie das Knechtschaft, nicht Ehe nannten. (6) Als ein einzigartiges Beispiel für alle Jahrhunderte wagten sie es, einen Staat ohne Männer zu vergrößern; und schon schützten sie ihn auch selbst, voller Verachtung gegenüber den Männern. (7) Und damit nicht die einen glücklicher zu sein schienen als die anderen, töteten sie auch jene Männer, die zu Hause geblieben waren. (8) Sie erlangten auch Rache für ihre erschlagenen Männer durch die Vernichtung ihrer Grenznachbarn. (9) Als sie dann mit Waffengewalt Frieden errungen hatten, gingen sie, damit ihr Stamm nicht ausstarb, sexuelle Beziehungen mit ihren Grenz-
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concubitus finitimorum ineunt. (10) Si qui mares nascerentur, interficiebant. Virgines in eundem ipsis morem, non otio neque lanificio, (11) sed armis, equis, venationibus exercebant, inustis infantum dexterioribus mammis, ne sagittarum iactus impediatur; unde dictae Amazones. (12) Duae his reginae fuere, Martesia et Lampeto, quae in duas partes agmine diviso, inclitae iam opibus, vicibus gerebant bella, soli terminos alternis defendentes, (13) et ne successibus deesset auctoritas, genitas se Marte praedicabant. (14) Itaque maiore parte Europae subacta Asiae quoque nonnullas civitates occupavere. (15) Ibi Epheso multisque aliis urbibus conditis partem exercitus cum ingenti praeda domum dimittunt. (16) Reliquae, quae ad tuendum Asiae imperium remanserant, concursu barbarorum cum Martesia regina interficiuntur. (17) In huius locum filia eius Orithyia regno succedit, cui praeter singularem belli scientiam eximia servatae in omne aevum virginitatis admiratio fuit. (18) Huius virtute tantum additum gloriae et famae Amazonum est, ut Herculi rex, cui duodecim stipendia debebat, quasi inpossibile imperaverit, ut arma reginae Amazonum sibi adferret. (19) Eo igitur profectus longis novem navibus comitante principum Graeciae iuventute inopinantes adgreditur. (20) Duae tum sorores Amazonum regna tractabant, Antiope et Orithyia; sed Orithyia foris bellum gerebat. (21) Igitur cum Hercules ad litus Amazonum adplicuit, infrequens multitudo cum Antiope regina nihil hostile metuente erat. (22) Qua re effectum est, ut paucae repentino tumultu excitae arma sumerent facilemque victoriam hostibus darent. (23) Multae itaque caesae captaeque, in his duae Antiopae sorores, Menalippe ab Hercule, Hippolyte a Theseo. (24) Sed Theseus obtenta in praemium captiva eandem in matrimonium adsumpsit et ex ea genuit Hippolytum. (25) Hercules post victoriam Menalippen captivam sorori reddidit et pretium arma reginae accepit. Atque ita functus imperio ad regem revertitur. (26) Sed Orithyia, ubi conperit bellum sororibus inlatum et raptorem esse Atheniensium principem, hortatur comites in ultionem frustraque et Ponti sinum et Asiam edomitam esse dicit, si Graecorum non tam bellis quam rapinis pateant.
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nachbarn ein. (10) Wenn männliche Nachkommen geboren wurden, töteten sie diese. Die Mädchen bildeten sie in derselben Weise aus wie sich selbst, nicht in Müßiggang und Wollarbeit, (11) sondern in Waffenhandwerk, Reiten und Jagen. Hierfür wurde die rechte Brust der Kinder ausgebrannt, damit sie ungehindert Pfeile abschießen konnten; daher wurden sie Amazonen genannt. (12) Sie hatten zwei Königinnen, Martesia und Lampeto26. Diese führten nach der Aufteilung des Heeres in zwei Gruppen, schon berühmt durch ihre Macht, wechselweise Krieg, indem sie abwechselnd die Grenzen ihres Landes verteidigten. (13) Und damit ihren Erfolgen nicht das Ansehen fehlte, rühmten sie sich, von Mars gezeugt worden zu sein.27 (14) Nachdem sie also den größeren Teil Europas unterworfen hatten, besetzen sie auch einige Staaten Asiens. (15) Dort gründeten sie Ephesos28 und viele andere Städte und entließen einen Teil des Heeres mit einer gewaltigen Kriegsbeute nach Hause. (16) Die Übrigen, die zum Schutz ihrer Herrschaft über Asien zurückgeblieben waren, wurden bei einem Barbarenangriff mitsamt ihrer Königin Martesia getötet. (17) Ihr folgte ihre Tochter Oreithyia29 in der Herrschaft nach, der außer wegen ihrer einzigartigen Fähigkeiten in der Kriegführung auch wegen ihrer Jungfräulichkeit, die sie sich ihr ganzes Leben lang bewahrte, außerordentliche Bewunderung zuteilwurde. (18) Durch ihre Tapferkeit erhielten der Ruhm und der Ruf der Amazonen einen so großen Zuwachs, dass jener König30, dem Herakles31 zu zwölf Aufgaben32 verpflichtet war, diesem gleichsam als etwas Unmögliches befahl, ihm die Waffen der Amazonenkönigin33 herbeizubringen. (19) Also brach Herakles mit neun Kriegsschiffen in Begleitung einer Jungmannschaft der Fürsten Griechenlands dorthin auf und griff die ahnungslosen Amazonen an. (20) Damals übten zwei Schwestern die Herrschaft bei den Amazonen aus: Antiope34 und Oreithyia35; aber Oreithyia führte gerade auswärts Krieg. (21) Als nun Herakles an der Küste der Amazonen landete, war nur eine geringe Schar zusammen mit ihrer Königin Antiope anwesend, die keinen feindlichen Angriff fürchtete. (22) So kam es, dass nur wenige Amazonen, vom plötzlichen Lärm aufgeschreckt, die Waffen ergriffen und den Feinden einen leichten Sieg schenkten. (23) Daher wurden viele Amazonen niedergemacht oder gefangen genommen, darunter zwei Schwestern der Antiope: Menalippe36 von Herakles und Hippolyte37 von Theseus38. (24) Theseus aber behielt seine Gefangene als Kriegsbeute, nahm sie zur Frau und zeugte mit ihr Hippolytos39. (25) Herakles gab nach dem Sieg die gefangene Menalippe ihrer Schwester zurück und erhielt als Lohn dafür die Waffen der Königin. Als er so seinen Befehl ausgeführt hatte, kehrte er zum König zurück. (26) Sobald aber Oreithyia erfuhr, dass ihre Schwestern angegriffen worden waren und ihr Entführer ein Fürst der Athener war, forderte sie ihre Gefährtinnen zur Rache auf und sagte, man habe sowohl die Bucht von Pontos als auch Asien umsonst unterjocht, wenn diese nicht so sehr den Kriegs- als vielmehr den Raubzügen der Griechen ausgesetzt seien.
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(27) Auxilium deinde a Sagylo, rege Scythiae, petit: genus Scytharum esse, cladem virorum, necessitatem armorum, belli causas ostendit, adsecutasque virtute, ne segniores viris feminas habere Scythae viderentur. (28) Motus ille domestica gloria mittit cum ingenti equitatu filium Panasagorum in auxilium. (29) Sed ante proelium dissensione orta ab auxiliis desertae bello ab Atheniensibus vincuntur. (30) Receptaculum tamen habuere castra sociorum, quorum auxilio intactae ab aliis gentibus in regnum revertuntur. (31) Post Orithyiam Penthesilea regno potita est, cuius Troiano bello inter fortissimos viros, cum auxilium adversus Graecos ferret, magna virtutis documenta extitere. (32) Interfecta deinde Penthesilea exercituque eius absumpto paucae, quae in regno remanserant, aegre se adversum finitimos defendentes usque tempora Alexandri Magni duraverunt. (33) Harum Minithyia sive Thalestris regina, concubitu Alexandri per dies tredecim ad subolem ex eo generandum obtento, reversa in regnum brevi tempore cum omni Amazonum nomine intercidit. 5 (1) Scythae autem tertia expeditione Asiana cum annis octo a coniugibus ac liberis afuissent, servili bello domi excipiuntur. (2) Quippe coniuges eorum longa expectatione virorum fessae nec iam teneri bello, sed deletos ratae servis ad custodiam pecorum relictis nubunt, (3) qui reversos cum victoria dominos velut advenas armati finibus prohibent. (4) Quibus cum varia victoria fuisset, admonentur Scythae mutare genus pugnae, memores non cum hostibus, sed cum servis proeliandum, nec armorum, sed dominorum iure vincendos, verbera in aciem, non tela adferenda, omissoque ferro virgas et flagella ceteraque servilis metus paranda instrumenta. (5) Probato omnes consilio instructi, sicut praeceptum erat, postquam ad hostem accessere, inopinantibus verbera intenta; adeoque illos perculerunt, ut quos ferro non poterant, metu verberum vincerent, fugamque
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(27) Darauf bat sie Sagylos, den König von Skythien, um Hilfe: Auch sie seien ein Skythenstamm, so legte sie dar, ferner den Verlust ihrer Männer, die Notwendigkeit zum Kampf, die Ursachen des Krieges und wie sie es durch ihre Tapferkeit erreicht hätten, dass man glaubte, die Skythen hätten Frauen, die nicht weniger energisch seien als die Männer. (28) Veranlasst durch den Ruhm des verwandten Volkes schickte Sagylos ihnen seinen Sohn Panasagoros40 mit einer gewaltigen Reitertruppe zu Hilfe. (29) Aber da noch vor der Schlacht eine Meinungsverschiedenheit41 aufkam und die Amazonen von den Hilfstruppen verlassen wurden, wurden sie im Kampf von den Athenern besiegt. (30) Doch wenigstens hatten sie das Lager der Verbündeten als Zufluchtsstätte, durch deren Hilfe sie unbehelligt von anderen Völkerschaften in ihr Reich zurückkehren konnten. (31) Nach Oreithyia erlangte Penthesileia42 die Herrschaft; große Beweise für ihre Tapferkeit zeigten sich im Trojanischen Krieg43 mitten unter den mutigsten Männern, als sie gegen die Griechen Hilfe brachte. (32) Als Penthesileia getötet44 und ihr Heer vernichtet worden war, konnten sich die wenigen Amazonen, die in ihrem Reich verblieben waren, nur mit Mühe gegen ihre Grenznachbarn verteidigen, hatten aber bis auf die Zeiten Alexanders des Großen45 Bestand. (33) Ihre Königin Minithyia46 oder Thalestris setzte durch, dass sie dreizehn Tage lang den Beischlaf mit Alexander vollziehen durfte, um Nachkommenschaft mit ihm zu zeugen.47 Nach der Rückkehr in ihr Reich kam sie bald darauf mit dem ganzen Volk der Amazonen um. 5 (1) Nachdem die Skythen aber auf ihrem dritten asiatischen Feldzug acht Jahre lang von ihren Ehefrauen und Kindern ferngeblieben waren, wurden sie zu Hause von einem Sklavenkrieg empfangen. (2) Denn die Frauen waren des langen Wartens auf ihre Männer müde geworden; und weil sie glaubten, dass diese nicht mehr im Krieg festgehalten würden, sondern schon vernichtet worden seien, heirateten sie die Sklaven, die zur Aufsicht über das Vieh zurückgelassen worden waren. (3) Die Sklaven wehrten bewaffnet ihre siegreich zurückkehrenden Herren wie Fremdlinge von ihren Grenzen ab. (4) Da Sieg und Niederlage sich bei den Skythen abwechselten, sahen sie sich dazu aufgefordert, die Kampftaktik zu ändern. Denn sie erinnerten sich daran, dass man nicht mit Feinden, sondern mit Sklaven zu kämpfen habe und diese nicht durch die Macht der Waffen, sondern durch das Recht, das den Herren zustehe, besiegen müsse; Peitschen müsse man in die Schlacht mitbringen, nicht Waffen, die Schwerter beiseitelassen und sich dagegen mit Ruten, Geißeln und den übrigen Gegenständen rüsten, die Sklaven Angst machen. (5) Dieser Plan fand Beifall. Als alle sich so ausgerüstet hatten, wie es angeordnet war, und gegen den Feind vorgerückt waren, streckten sie den ahnungslosen Gegnern die Peitschen entgegen. Und sie jagten ihnen damit solches Entsetzen ein, dass sie diejenigen, die sie mit dem Schwert nicht besiegen konnten, durch die Furcht vor
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non ut hostes victi, sed ut fugitivi servi capesserent. (6) Quicumque capi potuerunt, supplicia crucibus luerunt. (7) Mulieres quoque male sibi consciae partim ferro, partim suspendio vitam finierunt. (8) Post haec pax apud Scythas fuit usque tempora Ianthyri regis. (9) Huic Darius, rex Persarum, sicut supra dictum est, cum filiae eius nuptias non obtinuisset, bellum intulit (10) et armatis septingentis milibus hominum Scythiam ingressus, non facientibus hostibus pugnae potestatem metuens, ne interrupto ponte Histri reditus sibi intercluderetur, amissis LXXX milibus hominum, trepidus refugit; (11) quae iactura abundante multitudine inter damna numerata non est. (12) Inde Asiam et Macedoniam domuit; Ionas quoque navali proelio superat. (13) Dein cognito quod Athenienses Ionis contra se auxilium tulissent, omnem impetum belli in eos convertit. 6 (1) Nunc quoniam ad bella Atheniensium ventum est, quae non modo ultra spem gerendi, verum etiam ultra gesti fidem peracta sunt, operaque Atheniensium effectu maiora quam voto fuere, paucis urbis origo repetenda est, (2) et quia non, ut ceterae gentes, a sordidis initiis ad summa crevere. (3) Soli enim praeterquam incremento etiam origine gloriantur; (4) quippe non advenae neque passim collecta populi conluvies originem urbi dedit, sed eodem innati solo, quod incolunt, et quae illis sedes, eadem origo est. (5) Primi lanificii et olei et vini usum docuere. Arare quoque ac serere frumenta glandem vescentibus monstrarunt. (6) Litterae certe ac facundia et hic civilis disciplinae ordo veluti templum Athenas habent. (7) Ante Deucalionis tempora regem habuere Cecropem, quem, ut omnis antiquitas fabulosa est, biformem tradidere, quia primus marem feminae matrimonio iunxit. (8) Huic successit Cranaus, cuius filia Atthis nomen regioni dedit. (9) Post hunc Amphictyonides regnavit, qui primus Minervae urbem sacravit et nomen civitati Athenas dedit. (10) Huius temporibus aquarumaquarum inluvies maiorem partem populorum Graeciae absumpsit. (11) Superfuerunt, quos refugia montium receperunt, aut ad regem
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Schlägen besiegten und dass diese Männer nicht wie besiegte Feinde, sondern wie entflohene Sklaven die Flucht ergriffen.48 (6) Alle, die man gefangen nehmen konnte, büßten durch die Kreuzigung. (7) Auch die Frauen, die sich ihrer Schuld bewusst waren, beendeten teils durch das Schwert, teils durch den Strick ihr Leben. (8) Danach herrschte bei den Skythen bis zu den Zeiten des Königs Janthyros Frieden. (9) Gegen ihn begann, wie oben erwähnt49, der Perserkönig Dareios einen Krieg,50 weil ihm die Hochzeit mit der Tochter des Jan thyros verweigert worden war,51 (10) bewaffnete siebenhunderttausend52 Soldaten und griff Skythien an. Als die Feinde ihm keine Gelegenheit zum Kampf gaben, fürchtete er, dass ihm der Rückweg abgeschnitten würde, falls man die Brücke über den Ister53 abbräche. Nach dem Verlust von achtzigtausend Mann floh er ängstlich zurück. (11) Diese Einbuße wurde nicht als Niederlage gewertet, weil eine übergroße Zahl an Soldaten vorhanden war. (12) Darauf bezwang er Asien und Makedonien;54 auch die Jonier55 besiegte er in einer Seeschlacht56. (13) Als er dann erfuhr, dass die Athener den Joniern gegen ihn Hilfe gebracht hatten,57 richtete er den ganzen Kriegssturm gegen sie.58 6 (1) Nun ist die Darstellung zu den Kriegen der Athener gekommen, deren Beendigung nicht nur die Erwartung, die man an ihre Führung gesetzt hatte, sondern auch das Maß der Glaubwürdigkeit dessen, was geschehen war, überstieg; und zudem waren die Taten der Athener in ihrer Ausführung größer als im Gebet erstrebt. Daher muss in wenigen Worten der Ursprung der Stadt nachgetragen werden, (2) auch deswegen, weil sie nicht wie die übrigen Völker von armseligen Anfängen zu höchster Vollendung heranwuchsen. (3) Sie allein rühmen sich nämlich außer ihres Wachstums auch ihres Ursprungs. (4) Denn nicht Fremdlinge und auch nicht ein von überall her zusammengesammeltes Volksgemisch gab der Stadt ihren Ursprung,59 sondern sie wurden auf demselben Boden geboren, den sie bewohnen, und was ihr Wohnsitz ist, das ist zugleich auch ihr Ursprungsort. (5) Als Erste lehrten sie den Gebrauch von Wolle, Öl und Wein. Auch das Pflügen und das Säen von Getreide zeigten sie denjenigen Menschen, die sich ursprünglich nur von Eicheln ernährten. (6) Ohne Zweifel haben die Wissenschaften, die Beredsamkeit und diese Ordnung der Staatsverfassung Athen gleichsam zum Tempel.60 (7) Vor den Zeiten Deukalions61 hatten die Athener Kekrops62 zum König, von dem sie – wie jede Geschichte der Vorzeit sagenumwoben ist63 – überlieferten, dass er zweigestaltig war64, weil er als Erster65 Mann und Frau in der Ehe verband. (8) Ihm folgte Kranaos nach, dessen Tochter Atthis66 dem Gebiet ihren Namen gab.67 (9) Nach ihm herrschte Amphiktyon,68 der als Erster die Stadt der Minerva69 weihte und der Gemeinde den Namen Athen gab. (10) Zu seinen Zeiten raffte eine Überschwemmung den größeren Teil der Völker Griechenlands dahin. (11) Nur diejenigen blieben am Leben, die Zufluchtsorte in den Bergen fanden oder auf Flößen zu Deuka-
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Thessaliae Deucalionem ratibus evecti sunt, a quo propterea genus hominum conditum dicitur. (12) Per ordinem deinde successionis regnum ad Erechtheum descendit, sub quo frumenti satio est Eleusinae a Triptolemo reperta, (13) in cuius muneris honorem noctes initiorum sacratae. (14) Tenuit et Aegeus, Thesei pater, Athenis regnum, a quo per divortium discedens Medea propter adultam privigni aetatem Colchos cum Medo filio ex Aegeo suscepto concessit. (15) Post Aegeum Theseus ac deinceps Thesei filius Demophoon, qui auxilium Graecis adversus Troianos tulit, regnum possedit. (16) Erant inter Athenienses et Dorienses simultatium veteres offensae, quas vindicaturi bello Dorienses de eventu proelii oracula consuluerunt. (17) Responsum superiores fore, ni regem Atheniensium occidissent. (18) Cum ventum esset in bellum, militibus ante omnia custodia regis praecipitur. (19) Atheniensibus eo tempore rex Codrus erat, qui et responso dei et praeceptis hostium cognitis permutato regis habitu pannosus, sarmenta collo gerens castra hostium ingreditur. (20) Ibi in turba obsistentium a milite, quem falce astu convulneraverat, interficitur. Cognito regis corpore Dorienses sine proelio discedunt. (21) Atque ita Athenienses virtute ducis pro salute patriae morti se offerentis bello liberantur. 7 (1) Post Codrum nemo Athenis regnavit, quod memoriae nominis eius tributum est. (2) Administratio rei publicae annua magistratibus permissa. (3) Sed civitati nullae tunc leges erant, quia libido regum pro legibus habebatur. (4) Legitur itaque Solon, vir iustitiae insignis, qui velut novam civitatem legibus conderet. (5) Qui tanto temperamento inter plebem senatumque egit (cum, si quid pro altero ordine tulisset, alteri displiciturum videretur), ut ab utrisque parem gratiam traheret. (6) Huius viri inter multa egregia et illud memorabile fuit. (7) Inter Athenienses et Megarenses de proprietate Salaminae insulae prope usque interitum armis dimicatum fuerat. (8) Post multas clades capital esse apud Athenienses coepit, si quis legem de vindicanda insula tulisset. (9) Sollicitus igitur Solon,
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lion, dem König von Thessalien, hinaussegelten, von dem es deswegen heißt, er habe das Menschengeschlecht neu begründet.70 (12) Gemäß der Nachfolgeregelung ging dann die Herrschaft auf Erechtheus71 über, unter dem die Aussaat von Getreide in Eleusis72 von Triptolemos erfunden wurde. (13) Zu Ehren dieses Geschenks wurden die heiligen Mysteriennächte geweiht.73 (14) Auch Aigeus, der Vater des Theseus74, hatte die Herrschaft in Athen inne; von ihm trennte sich Medeia75 wegen ihres erwachsenen Stiefsohnes76 durch eine Scheidung und begab sich zusammen mit ihrem Sohn Medos77, den sie von Aigeus empfangen hatte, zu den Kolchiern.78 (15) Nach Aigeus hatten Theseus und danach der Sohn des Theseus79, Demophoon80, der den Griechen gegen die Trojaner Hilfe brachte,81 die Herrschaft inne. (16) Zwischen den Athenern und den Dorern82 bestanden seit Langem Rivalitäten, die zu gegenseitigen Beleidigungen geführt hatten. Weil die Dorer sich dafür durch einen Krieg rächen wollten, befragten sie die Orakel über den Ausgang der Schlacht. (17) Die Antwort war, dass sie die Oberhand behalten würden, wenn sie nicht den König der Athener töteten. (18) Als es zum Krieg kam, wurde den Soldaten befohlen, vor allem das Leben des Königs zu bewahren. (19) Die Athener hatten zu dieser Zeit Kodros zum König. Als dieser von der Antwort des Gottes und auch den Anordnungen der Feinde erfuhr, legte er sein Königsgewand ab und betrat zerlumpt und mit einem Reisigbündel auf den Schultern das Lager der Feinde. (20) Dort verwundete er im Gewühl der Leute, die sich ihm in den Weg stellten, listig einen Soldaten mit seiner Sichel und wurde von ihm getötet.83 Als die Dorer den Leichnam des Königs erkannten, zogen sie kampflos ab. (21) Und so wurden die Athener durch die Tapferkeit ihres Anführers, der sich für das Wohl des Vaterlandes dem Tod weihte, vom Krieg befreit. 7 (1) Nach Kodros herrschte in Athen niemand mehr als König, was man der Erinnerung an seine Person zuschrieb. (2) Die Verwaltung des Gemeinwesens wurde jeweils für ein Jahr Beamten anvertraut.84 (3) Aber die Bürgerschaft hatte damals noch keine Gesetze, weil die Willkür der Könige anstelle von Gesetzen galt. (4) Daher wurde Solon85, ein Mann von außerordentlicher Gerechtigkeit, gewählt86, um durch Gesetze gleichsam einen neuen Staat zu gründen. (5) Er fand einen so gerechten Mittelweg zwischen den Ansprüchen von Bürgerstand und Rat – obwohl es so aussah, als würde ein Antrag zugunsten des einen Standes dem jeweils anderen missfallen –, dass er von beiden Seiten den gleichen Dank erhielt. (6) Unter den vielen vortrefflichen Taten dieses Mannes war auch folgende denkwürdig:87 (7) Die Athener und die Megarer88 hatten um das Eigentumsrecht über die Insel Salamis89 mit Waffengewalt fast bis zur Vernichtung gekämpft. (8) Nach vielen Niederlagen begann es bei den Athenern als Kapitalverbrechen zu gelten, wenn einer ein Gesetz über die Beanspruchung der Insel einbrächte. (9) So war Solon beunruhigt, dass er ent-
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ne aut tacendo parum rei publicae consuleret aut censendo noceret sibi, subitam dementiam simulat, cuius venia non dicturus modo prohibita, sed et facturus erat. (10) Deformis habitu more vaecordium in publicum evolat (11) factoque concursu hominum, quo magis consilium dissimulet, insolitis sibi versibus suadere populo coepit, quod vetabatur, (12) omniumque animos ita cepit, ut extemplo bellum adversus Megarenses decerneretur insulaque devictis hostibus Atheniensium fieret. 8 (1) Interea Megarenses memores inlati Atheniensibus belli et deserti, ne frustra arma movisse viderentur, matronas Atheniensium in Eleusinis sacris noctu oppressuri naves conscendunt. (2) Qua re cognita dux Atheniensium Pisistratus iuventutem in insidiis locat, iussis matronis solito clamore ac strepitu etiam in accessu hostium, ne intellectos se sentiant, sacra celebrare; (3) egressosque navibus Megarenses inopinantes adgressus delevit ac protinus classe captiva intermixtis mulieribus, ut speciem captarum matronarum praeberent, Megara contendit. (4) Illi cum et navium formam et petitam praedam cognoscerent, obvii ad portum procedunt, quibus caesis Pisistratus paulum a capienda urbe afuit. (5) Ita Dorienses suis dolis hosti victoriam dedere. (6) Sed Pisistratus, quasi sibi, non patriae vicisset, tyrannidem per dolum occupat. (7) Quippe voluntariis verberibus domi adfectus lacerato corpore in publicum egreditur, (8) advocata contione vulnera populo ostendit, de crudelitate principum, a quibus haec se passum simulabat, queritur; (9) adduntur vocibus lacrimae et invidiosa oratione multitudo credula accenditur: amore plebis invisum se senatui simulat. (10) Obtinet ad custodiam corporis sui satellitum auxilium, per quos occupata tyrannide per annos XXXIII regnavit.
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weder durch sein Schweigen den Staat zu wenig unterstütze oder durch einen Antrag sich selbst schade, und tat deshalb so, als wäre er plötzlich wahnsinnig geworden. Der Wahnsinn sollte die Entschuldigung dafür sein, dass Solon das Verbotene nicht nur sagen, sondern auch tun wollte. (10) In abgerissener Kleidung rannte er wie ein Wahnsinniger in die Öffentlichkeit. (11) Und als die Menschen zusammenliefen, begann er, um seine Absicht desto mehr zu verbergen, in Versen90 – was für ihn ungewöhnlich war – dem Volk das zu raten, was verboten war. (12) Und dadurch wurden alle so ergriffen, dass man augenblicklich Krieg gegen die Megarer beschloss91 und die Insel nach dem vollständigen Sieg über die Feinde in den Besitz der Athener kam. 8 (1) Die Megarer erinnerten sich inzwischen an den Krieg, den sie gegen die Athener begonnen und wieder aufgegeben hatten. Damit es nicht so aussah, als hätten sie die Waffen vergeblich ergriffen, bestiegen sie ihre Schiffe, um die Ehefrauen der Athener bei den heiligen Feiern in Eleusis92 in der Nacht zu überfallen. (2) Als der Anführer der Athener, Peisistratos93, von diesem Plan erfuhr, postierte er die Jungmannschaft in einem Hinterhalt; den Frauen aber befahl er, die Feierlichkeiten mit dem üblichen Geschrei und Lärm zu begehen, auch wenn die Feinde herankämen, damit diese nicht merkten, dass man sie schon wahrgenommen hatte. (3) Und als die Megarer von ihren Schiffen gingen, griff er die Ahnungslosen an, vernichtete sie und brach sogleich mit der gekaperten Flotte nach Megara auf; dabei stellte er Frauen mitten unter seine Soldaten, um den Anschein zu erwecken, als hätte man die Ehefrauen gefangen genommen. (4) Als die Megarer nun die Gestalt der Schiffe und auch die erstrebte Beute erkannten, kamen sie ihnen bis zum Hafen entgegen. Als man sie niedergemacht hatte, war Peisistratos nur noch wenig davon entfernt, die Stadt zu erobern. (5) So schenkten die Dorer durch ihre eigene List dem Feind den Sieg. (6) Doch als ob Peisistratos für sich und nicht für sein Vaterland gesiegt hätte, bemächtigte er sich durch eine List der Tyrannenherrschaft.94 (7) Denn er ließ sich zu Hause freiwillig auspeitschen und trat mit zerfleischtem Körper an die Öffentlichkeit. (8) Dann berief er eine Versammlung ein, zeigte dem Volk seine Wunden und klagte über die Grausamkeit der Adeligen, von denen er – wie er vorgab – das erlitten habe. (9) Zu den Worten kamen noch Tränen, und durch seine missgünstige Rede wurde die leichtgläubige Menge entflammt: Wegen seiner Liebe zum Bürgerstand, so gab er vor, sei er dem Rat verhasst. (10) Er erhielt als Leibwache eine Eskorte von Begleitern, mit deren Hilfe er sich der Tyrannenherrschaft bemächtigte und dreiunddreißig Jahre lang95 herrschte.
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9 (1) Post huius mortem Diocles, alter ex filiis, per vim stuprata virgine a fratre puellae interficitur. (2) Alter, Hippias nomine, cum imperium paternum teneret, interfectorem fratris conprehendi iubet, (3) qui cum per tormenta conscios caedis nominare cogeretur, omnes amicos tyranni nominavit, (4) quibus interfectis quaerenti tyranno, an adhuc aliqui conscii essent, neminem ait superesse, quem amplius mori gestiat nisi ipsum tyrannum. (5) Qua voce eiusdem se tyranni victorem post vindictam pudicitiae sororis ostendit. (6) Huius virtute cum admonita civitas libertatis esset, tandem Hippias regno pulsus in exilium agitur, (7) qui profectus in Persas ducem se Dario inferenti Atheniensibus bellum, sicut supra significatum est, adversus patriam suam offert. (8) Igitur Athenienses audito Darii adventu auxilium a Lacedaemoniis, socia tunc civitate, petiverunt, (9) quos ubi viderunt quadridui teneri religione, non expectato auxilio instructis decem milibus civium et Plataeensibus auxiliaribus mille adversus sexcenta milia hostium in campis Marathoniis in proelium egrediuntur. (10) Miltiades et dux belli erat et auctor non expectandi auxilii; quem tanta fiducia ceperat, ut plus praesidii in celeritate quam in sociis duceret. (11) Magna igitur in pugnam euntibus animorum alacritas fuit, adeo ut, cum mille passus inter duas acies essent, citato cursu ante iactum sagittarum ad hostem venerint. Nec audaciae eius eventus defuit. (12) Pugnatum est enim tanta virtute, ut hinc viros, inde pecudes putares. (13) Victi Persae in naves confugerunt, ex quibus multae suppressae, multae captae sunt. (14) In eo proelio tanta virtus singulorum fuit, ut, cuius laus prima esset, difficile iudicium videretur. (15) Inter ceteros tamen Themistoclis adulescentis gloria emicuit, in quo iam tunc indoles futurae imperatoriae dignitatis apparuit. (16) Cynegiri quoque, militis Atheniensis, gloria magnis scriptorum laudibus celebrata est, (17) qui post proelii innumeras caedes, cum fugientes hostes ad naves egisset, onustam navem dextra manu tenuit nec prius dimisit, quam manum amitteret; (18) tunc quoque amputata dextera navem sinistra conprehendit, quam et ipsam cum amisisset,
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9 (1) Da nach seinem Tod Diokles96, einer von seinen beiden Söhnen97, eine junge Frau vergewaltigte, wurde er vom Bruder des Mädchens98 getötet. (2) Als der andere Sohn namens Hippias die väterliche Herrschaft innehatte,99 ließ er den Mörder seines Bruders ergreifen. (3) Als dieser100 durch die Folter gezwungen wurde, die Mitwisser des Mordes zu nennen, nannte er alle Freunde des Tyrannen. (4) Nach deren Ermordung antwortete er dem Tyrannen auf seine Frage, ob es noch irgendwelche Mitwisser gebe, dass niemand mehr am Leben sei, dessen Tod er noch wünsche, außer dem Tyrannen selbst. (5) Durch diese Aussage zeigte er sich nach der Rache für die verlorene Keuschheit seiner Schwester als Sieger über den Tyrannen. (6) Da seine Tapferkeit die Bürgerschaft an die verlorene Freiheit erinnerte, wurde Hippias schließlich aus der Herrschaft vertrieben und in die Verbannung gejagt.101 (7) Er begab sich zu den Persern und bot sich Dareios, der – wie oben erwähnt102 – gegen die Athener einen Krieg begann, als Anführer gegen sein eigenes Vaterland an. (8) Als nun die Athener vom Anmarsch des Dareios hörten, erbaten sie Hilfe von den Lakedaimoniern, dem damals verbündeten Staat. (9) Sobald sie aber sahen, dass die Lakedaimonier vier Tage lang von einer heiligen Verpflichtung aufgehalten wurden,103 rüsteten sie, ohne auf Hilfe zu warten, zehntausend Bürger aus und rückten mit einer Hilfstruppe von tausend Mann aus Plataiai104 gegen sechshunderttausend Feinde auf der Ebene von Marathon105 zur Schlacht aus.106 (10) Miltiades107 war der Anführer dieses Krieges und vertrat die Meinung, man solle nicht auf Hilfe warten. So große Zuversicht hatte ihn ergriffen, dass er glaubte, in der Schnelligkeit liege mehr Schutz als bei den Verbündeten. (11) Groß war also der Feuereifer bei den Soldaten, als sie in den Kampf zogen, und zwar in solchem Maße, dass sie, als noch ein Abstand von tausend Schritten zwischen beiden Schlachtreihen war, in schnellem Lauf auf den Feind trafen, noch bevor man Pfeile abschießen konnte. Und dieser Kühnheit blieb der Erfolg nicht versagt. (12) Es wurde nämlich mit solcher Tapferkeit gekämpft, dass man hätte glauben können, hier stünden Männer, dort wehrlose Schafe. (13) Besiegt flohen die Perser auf ihre Schiffe, von denen viele versenkt, viele gekapert wurden. (14) In dieser Schlacht war die Tapferkeit jedes Einzelnen so groß, dass es schwerfiel, ein Urteil zu fällen, wessen Ruhm der vorzüglichste sei. (15) Unter den Übrigen strahlte jedoch der Ruhm des jungen Themistokles hervor, bei dem sich schon damals die Begabung zur künftigen Feldherrnwürde zeigte. (16) Auch der Ruhm des Kynegeiros, eines athenischen Soldaten, wurde mit großem Lobpreis von den Schriftstellern gefeiert. (17) Als Kynegeiros nach zahllosen Metzeleien in der Schlacht die fliehenden Feinde zu den Schiffen getrieben hatte, hielt er ein voll besetztes Schiff mit der rechten Hand fest und ließ nicht eher los, als bis er seine Hand verlor. (18) Auch dann noch, als ihm die Rechte abgehauen worden war, ergriff er das Schiff, nun mit der Linken, und als er auch diese verloren hatte,
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ad postremum morsu navem detinuit. (19) Tantam in eo virtutem fuisse, ut non tot caedibus fatigatus, non duabus manibus amissis victus, truncus ad postremum et veluti rabida fera dentibus dimicaverit. (20) Ducenta milia Persae eo proelio sive naufragio amisere. (21) Cecidit et Hippias, tyrannus Atheniensis, auctor et concitor eius belli, diis patriae ultoribus poenas repetentibus. 10 (1) Interea et Darius, cum bellum restauraret, in ipso apparatu decedit, relictis multis filiis et in regno et ante regnum susceptis. (2) Ex his Ariamenes maximus natu aetatis privilegio regnum sibi vindicabat, quod ius et ordo nascendi et natura ipsa gentibus dedit. (3) Porro Xerses controversiam non de ordine, sed de nascendi felicitate referebat; (4) nam Ariamenen primum quidem Dario, sed privato provenisse; se regi primum natum. (5) Fratres itaque suos, qui ante geniti essent, privatum patrimonium, quod eo tempore Darius habuisset, non regnum vindicare sibi posse; se esse, quem primum in regno iam rex pater sustulerit. (6) Huc accedere, quod Ariamenes non patre tantum, sed et matre privatae adhuc fortunae, avo quoque materno privato procreatus sit; (7) se vero et matre regina natum et patrem non nisi regem vidisse, avum quoque maternum Cyrum se regem habuisse, non heredem, sed conditorem tanti regni. (8) Ita etsi in aequo iure utrumque fratrem pater reliquisset, materno tamen se iure et avito vincere. (9) Hoc certamen concordi animo ad patruum suum Artaphernen veluti ad domesticum iudicem deferunt, (10) qui domi cognita causa Xerxen praeposuit; adeoque fraterna contentio fuit, ut nec victor insultaverit nec victus doluerit ipsoque litis tempore munera invicem miserint, iucunda quoque inter se, non solum credula convivia habuerint, iudicium quoque ipsum sine arbitris, sine convitio fuerit. (11) Tanto moderatius tunc fratres inter se maxima regna dividebant, quam nunc exigua patrimonia partiuntur. (12) Igitur Xerxes bellum a patre
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biss er sich mit den Zähnen am Schiff fest.108 (19) So groß war seine Tapferkeit, dass er, nicht von so vielen Metzeleien erschöpft, nicht durch den Verlust beider Hände besiegt, zuletzt verstümmelt und wie ein wildes Tier mit den Zähnen kämpfte! (20) Zweihunderttausend Mann verloren die Perser in dieser Schlacht oder durch Schiffbruch. (21) Auch Hippias fiel109, der athenische Tyrann, der Verfechter und Anstifter dieses Krieges, und so vollzogen die rächenden Götter des Vaterlandes ihre Strafe an ihm. 10 (1) Inzwischen starb auch Dareios,110 als er den Krieg wieder aufnehmen wollte, mitten in den Vorbereitungen und hinterließ viele Söhne111, die er sowohl während seiner Herrschaft als auch davor bekommen hatte. (2) Von diesen beanspruchte Ariamenes112 als der Älteste nach dem Vorrecht des Alters die Herrschaft für sich,113 weil das Recht, die Reihenfolge der Geburt und die Natur selbst den Völkern das so bestimmt hatte. (3) Auf der anderen Seite aber brachte Xerxes eine gegenteilige Meinung vor, die sich nicht auf die Reihenfolge, sondern auf die glücklichen Umstände bei der Geburt stützte. (4) Denn Ariamenes sei Dareios zwar als Erster geboren worden,114 aber zu einer Zeit, als dieser noch Privatmann gewesen sei; er selbst hingegen als Erster zu einer Zeit, als dieser König gewesen sei. (5) Daher könnten seine Brüder, die vor ihm geboren seien, nur das Privatvermögen, das Dareios zu dieser Zeit besessen habe, nicht aber die Herrschaft für sich beanspruchen; er selbst sei es, den der Vater, als er schon König gewesen sei, während seiner Herrschaft als Ersten anerkannt habe. (6) Dazu komme, dass bei der Geburt des Ariamenes nicht nur sein Vater, sondern auch seine Mutter noch aus gewöhnlichem Stand und zudem sein Großvater mütterlicherseits ein Privatmann gewesen sei; (7) er selbst aber sei von einer königlichen Mutter115 geboren worden und habe zudem seinen Vater nur als König gesehen; und auch zum Großvater mütterlicherseits habe er Kyros, einen König, gehabt, nicht nur den Erben, sondern den Gründer dieses so großen Reiches. (8) Und so siege er, selbst wenn der Vater beide Brüder im gleichen Rechtsstand hinterlassen hätte, dennoch wegen des Rechtsstandes seiner Mutter und seines Großvaters. (9) Diesen Streit brachten sie einträchtigen Sinnes vor den Bruder ihres Vaters, Artaphernes116, wie vor einen häuslichen Schiedsrichter, (10) der nach einer im Haus stattfindenden Untersuchung Xerxes den Vorzug gab. Doch nur so weit ging der Wettstreit unter den Brüdern, dass weder der Sieger seinen Spott trieb noch der Besiegte Kummer empfand, dass sie sich unmittelbar während der Zeit des Streites gegenseitig Geschenke schickten, untereinander Gastmähler abhielten, die sogar heiter und nicht nur frei von Misstrauen waren, und dass auch das Urteil selbst ohne Zeugen und ohne Zank zustande kam. (11) So viel maßvoller teilten damals Brüder die größten Reiche untereinander auf, als jetzt117 geringe Privatvermögen verteilt werden. (12) Nun bereitete Xerxes den Krieg gegen Griechenland, den sein
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coeptum adversus Graeciam per quinquennium instruxit. (13) Quod ubi primum didicit Demaratus, rex Lacedaemoniorum, qui apud Xerxen exulabat, amicior patriae post fugam, quam regi post beneficia, ne inopinato bello opprimerentur, omnia in tabellis ligneis magistratibus perscribit easdemque cera superinducta delet, (14) ne aut scriptura sine tegmine indicium daret aut recens cera dolum proderet, fido deinde servo perferendas tradit iusso magistratibus Spartanorum tradere. (15) Quibus perlatis Lacedaemone quaestioni res diu fuit, quod neque scriptum aliquid viderent nec frustra missas suspicarentur, tantoque rem maiorem, quanto esset occultior putabant. (16) Haerentibus in coniectura viris soror regis Leonidae consilium scribentis invenit. (17) Erasa igitur cera belli consilia deteguntur. (18) Iam Xerxes septingenta milia de regno armaverat et trecenta milia de auxiliis, (19) ut non inmerito proditum sit, flumina ab exercitu eius siccata Graeciamque omnem vix capere exercitum eius potuisse. (20) Naves quoque rostratas mille ducentas, onerarias autem tria milia numero habuisse dicitur. (21) Huic tanto agmini dux defuit. Ceterum si regem spectes, divitias, non ducem laudes; (22) quarum tanta copia in regno eius fuit, ut, cum flumina multitudine consumerentur, opes tamen regiae superessent. (23) Ipse autem primus in fuga, postremus in proelio semper visus est, in periculis timidus, sicubi metus abesset, inflatus; (24) denique ante experimentum belli fiducia virium veluti naturae ipsius dominus et montes in planum deducebat et convexa vallium aequabat et quaedam maria pontibus sternebat, quaedam ad navigationis commodum per conpendium ducebat. 11 (1) Cuius introitus in Graeciam quam terribilis, tam turpis ac foedus dis cessus fuit. (2) Namque cum Leonida, rex Spartanorum, cum IV milibus militum angustias Thermopylarum occupasset, Xerxes contemptu paucitatis eos pugnam capessere iubet, quorum cognati Marathonia pugna interfecti fuerant. (3) Qui dum ulcisci suos quaerunt, principium cladis fuere; succedente dein inutili turba maior caedes editur. (4) Triduo ibi cum dolore et indignatione
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Vater begonnen hatte, fünf Jahre lang vor. (13) Sobald Demaratos, der König der Lakedaimonier, der bei Xerxes in Verbannung lebte,118 das erfuhr, verhielt er sich wohlwollender gegen das Vaterland nach der Vertreibung als gegen den König nach dessen Wohltaten. Damit sie nicht durch einen unvermuteten Krieg überrascht wurden, schrieb er den Behörden alles auf hölzerne Täfelchen ausführlich auf, überzog sie mit Wachs und löschte sie, (14) damit nicht entweder die unbedeckte Schrift einen Beweis lieferte oder das frische Wachs die List verriet.119 Hierauf übergab er die Täfelchen einem treuen Sklaven, damit er sie überbrachte, und befahl ihm, sie den Behörden der Spartaner zu übergeben. (15) Als die Täfelchen überbracht waren, wurde die Angelegenheit in Sparta lange untersucht, weil man keine Schrift sehen konnte, aber doch annahm, dass sie nicht grundlos geschickt worden seien; und man hielt das Rätsel für umso bedeutender, je geheimnisvoller es war. (16) Während die Männer über reine Vermutungen nicht hinauskamen, fand die Schwester des Königs Leonidas120 die Absicht des Schreibers heraus. (17) Als man nun das Wachs abkratzte, wurden die Kriegspläne aufgedeckt. (18) Schon hatte Xerxes siebenhunderttausend Mann aus seinem Reich bewaffnet und dreihunderttausend von den Hilfstruppen, (19) sodass mit vollem Recht berichtet wird, Flüsse seien von seinem Heer leer getrunken worden121 und ganz Griechenland habe sein Heer kaum fassen können. (20) Man sagt, dass er auch eintausendzweihundert Rammschiffe und dreitausend Lastschiffe gehabt habe.122 (21) Diesem so großen Heereszug fehlte allerdings ein Anführer. Denn wenn man freilich den König betrachtet, so könnte man wohl seine Schätze, nicht aber ihn selbst als Anführer loben. (22) In seinem Reich waren Schätze in solcher Fülle vorhanden, dass, obwohl Flüsse von der Menge seiner Soldaten ausgetrunken wurden, dennoch königlicher Reichtum übrig blieb. (23) Den König selbst aber sah man immer als Ersten auf der Flucht und als Letzten in der Schlacht; er war bei Gefahren furchtsam, sobald jedoch die Angst vergangen war, überheblich. (24) So ließ er, bevor er den Krieg erfahren musste, im Vertrauen auf seine Streitkräfte, als wäre er der Herr über die Natur selbst, Berge einebnen, Talkessel anfüllen und einige Meere durch Brücken123 überspannen, einige zur durch einen kürzeren Weg zusammenführen124, um die Schifffahrt zu erleichtern. 11 (1) So schrecklich der Einzug des Xerxes in Griechenland war, so schändlich und schimpflich war sein Abzug. (2) Denn als Leonidas, der König der Spartaner, mit viertausend Soldaten den Engpass der Thermopylen125 besetzte,126 ließ Xerxes aus Verachtung über ihre geringe Zahl diejenigen den Kampf beginnen, deren Verwandte in der Schlacht von Marathon getötet worden waren. (3) Während sie ihre Angehörigen zu rächen suchten, nahm bei ihnen die Niederlage ihren Anfang; als darauf die nutzlose Masse nachrückte, gab es ein größeres Blutbad. (4) Drei Tage lang wurde dort zum Kummer und zur Ent-
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Persarum dimicatum. (5) Quarta die cum nuntiatum esset Leonidae a XX milibus hostium summum cacumen teneri, tum hortatur socios, recedant et se ad meliora patriae tempora reservent, sibi cum Spartanis fortunam experiendam; (6) plura se patriae quam vitae debere, ceteros ad praesidia Graeciae servandos. (7) Audito regis imperio discessere ceteri, soli Lacedaemonii remanserunt. (8) Initio huius belli sciscitantibus Delphis oracula responsum fuerat, aut regi Spartanorum aut urbi cadendum. (9) Et idcirco rex Leonidas, cum in bellum proficisceretur, ita suos firmaverat, ut ire se parato ad moriendum animo scirent (10) angustiasque propterea occupaverat, ut cum paucis aut maiore gloria vinceret aut minore damno rei publicae caderet. (11) Dimissis igitur sociis hortatur Spartanos, meminerint qualitercumque proeliatis cadendum esse; caverent, ne fortius mansisse quam dimicasse videantur; (12) nec expectandum, ut ab hoste circumvenirentur, sed dum nox occasionem daret, securis et laetis superveniendum; (13) nusquam victores honestius quam in castris hostium perituros. (14) Nihil erat difficile persuadere persuasis mori: (15) statim arma capiunt et sexcenti viri castra quingentorum milium inrumpunt statimque regis praetorium petunt, aut cum illo aut, si ipsi oppressi essent, in ipsius potissimum sede morituri. (16) Tumultus totis castris oritur. Spartani, postquam regem non inveniunt, per omnia castra victores vagantur; caedunt sternuntque omnia, ut qui sciant se pugnare non spe victoriae, sed in mortis ultionem. (17) Proelium a principio noctis in maiorem partem diei tractum. (18) Ad postremum non victi, sed vincendo fatigati inter ingentes stratorum hostium catervas occiderunt. (19) Xerxes duobus vulneribus terrestri proelio acceptis experiri maris fortunam statuit. 12 (1) Sed Atheniensium dux Themistocles cum animadvertisset Ionas, propter quos bellum Persarum susceperant, in auxilium regis classe venisse, sollicitare eos in partes suas statuit, (2) et cum conloquendi copiam non haberet, quo applicituri erant, symbolos proponi et saxis proscribi curat: (3) „quae vos, Iones,
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rüstung der Perser gekämpft. (5) Als Leonidas am vierten Tag gemeldet wurde, dass der höchste Berggipfel von zwanzigtausend Feinden besetzt sei, da forderte er die Verbündeten auf, sich zurückzuziehen und sich für bessere Zeiten des Vaterlandes aufzusparen; er hingegen müsse mit den Spartanern das Glück erproben. (6) Mehr schulde er seinem Vaterland als seinem Leben; die Übrigen müssten zum Schutze Griechenlands erhalten werden. (7) Als sie den Befehl des Königs vernahmen, marschierten die Übrigen ab, nur die Lakedaimonier blieben zurück. (8) Zu Beginn dieses Krieges hatten sie das Orakel in Delphi befragt und die Antwort war gewesen, entweder der König der Spartaner oder die Stadt müsse fallen. (9) Und deshalb hatte König Leonidas, als er in den Krieg aufbrach, seine Männer so gestärkt, dass sie wussten, sie gingen mit Todesbereitschaft in den Kampf. (10) Und er hatte den Engpass deswegen besetzt, um mit wenigen entweder mit größerem Ruhm zu siegen oder mit geringerem Schaden für den Staat zu fallen. (11) Als nun die Verbündeten entlassen waren, forderte er die Spartaner auf, daran zu denken, dass sie ohnehin sterben müssten, wie auch immer sie gekämpft hätten; sie sollten sich vorsehen, dass es nicht so aussehe, als hätten sie mit größerer Tapferkeit an Ort und Stelle ausgeharrt als gekämpft. (12) Auch dürfe man nicht warten, bis sie vom Feind umzingelt seien, sondern müsse, solange die Nacht die Gelegenheit dazu biete, die Gegner überfallen, während sie sich in Sicherheit wiegten und fröhlich seien. (13) Nirgends würden sie selbst als Sieger ehrenvoller umkommen denn im Lager der Feinde. (14) Es war keineswegs schwierig, diejenigen zu überreden, die zum Sterben schon entschlossen waren. (15) Sogleich griffen sie zu den Waffen, und sechshundert Mann brachen in das Lager der fünfhunderttausend ein und näherten sich sofort dem Zelt des Königs, um entweder mit jenem oder, wenn sie selbst überwältigt würden, direkt bei seinem Thron zu sterben. (16) Im gesamten Lager entstand ein Aufruhr. Als die Spartaner den König nicht fanden, streiften sie siegreich durch das ganze Lager. Sie töteten und streckten alles nieder, weil sie wussten, dass sie nicht in der Hoffnung auf den Sieg kämpften, sondern zur Rache für ihren eigenen Tod. (17) Das Gefecht zog sich vom Anfang der Nacht bis in den Großteil des Tages hinein hin. (18) Zuletzt fielen sie inmitten von ungeheuren Scharen niedergestreckter Feinde, nicht besiegt, sondern vom Sieg erschöpft.127 (19) Als Xerxes im Gefecht auf dem Festland zwei Niederlagen erlitten hatte, beschloss er, zur See sein Glück zu erproben. 12 (1) Als aber Themistokles128, der Anführer der Athener, erkannte, dass die Jonier129, derentwegen sie den Krieg gegen die Perser unternommen hatten,130 zur Unterstützung des Königs mit einer Flotte gekommen waren, beschloss er, sie zum Übertritt auf seine Seite zu bewegen. (2) Und da er keine Möglichkeit zu einer Unterredung hatte, ließ er dort, wo sie anlegen würden, Schilder aufstellen und auf die Felsen schreiben: (3) „Welcher Wahnsinn, Jonier, beherrscht
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dementia tenet? quod facinus agitatis? bellum inferre olim conditoribus vestris, nuper etiam vindicibus cogitatis? (4) An ideo moenia vestra condidimus, ut essent qui nostra delerent? (5) Quid si non haec et Dario prius et nunc Xerxi belli causa nobiscum foret, quod vos rebellantes non destituimus? (6) Quin vos in haec castra vestra ex ista obsidione transitis? (7) aut si hoc parum tutum est, at vos commisso proelio ite cessim, inhibete remis et a bello discedite.“ (8) Ante navalis proelii congressionem miserat Xerxes IV milia armatorum Delphos ad templum Apollinis diripiendum, (9) prorsus quasi non cum Graecis tantum, sed et cum diis inmortalibus bellum gereret; (10) quae manus tota imbribus et fulminibus deleta est, ut intellegeret, quam nullae essent hominum adversum deos vires. (11) Post haec Thespiades et Plataeas et Athenas vacuas hominibus incendit, et quoniam ferro in homines non poterat, in aedificia igne grassatur. (12) Namque Athenienses post pugnam Marathoniam praemonente Themistocle, victoriam illam de Persis non finem, sed causam maioris belli fore, CC naves fabricaverant. (13) Adventante igitur Xerxe consulentibus Delphis oraculum responsum fuerat, salutem muris ligneis tuerentur. (14) Themistocles navium praesidium demonstratum ratus persuadet omnibus, patriam municipes esse, non moenia, civitatemque non in aedificiis, sed in civibus positam; (15) melius itaque salutem navibus quam urbi commissuros; huius sententiae etiam deum auctorem esse. (16) Probato consilio coniuges liberosque cum pretiosissimis rebus abditis insulis relicta urbe demandant; ipsi naves armati conscendunt. (17) Exemplum Atheniensium et aliae urbes imitatae. (18) Itaque cum adunata omnis sociorum classis et intenta in bellum navale esset angustiasque Salaminii freti, ne circumveniri a multitudine posset, occupassent, dissensio inter civitatum principes oritur. (19) Qui cum deserto bello ad sua tuenda dilabi vellent, timens Themistocles, ne discessu sociorum vires minuerentur, per servum fidum Xerxi nuntiat, uno in loco eum contractam Graeciam capere facillime posse. (20) Quodsi civitates, quae iam abire vellent, dissipentur, maiore labore ei singulas consectandas. (21) Hoc dolo inpellit regem signum pugnae dare.
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euch? Welche Untat habt ihr im Sinn? Gedenkt ihr, diejenigen anzugreifen, die einst eure Gründer waren, jüngst auch eure Beschützer? (4) Haben wir etwa deshalb eure Mauern gegründet, damit es Leute gibt, welche die unseren zerstören? (5) Welchen Grund hätten früher Dareios und nun Xerxes gehabt, gegen uns Krieg zu führen, wenn nicht diesen, dass wir euch, als ihr euch aufgelehnt habt, nicht im Stich gelassen haben? (6) Warum wechselt ihr nicht aus jener Gefangenschaft in dieses Lager, in das eure, über? (7) Oder wenn euch das zu unsicher ist, weicht doch wenigstens nach Beginn der Schlacht zurück, rudert rückwärts und entfernt euch vom Kriegsschauplatz.“131 (8) Vor dem Seegefecht hatte Xerxes viertausend Bewaffnete nach Delphi geschickt, um den Tempel des Apollon zu plündern, (9) ganz so, als ob er nicht nur gegen die Griechen, sondern auch gegen die unsterblichen Götter Krieg führte. (10) Diese ganze Schar wurde durch Unwetter und Blitze vernichtet, damit er erkannte, wie unbedeutend die Kräfte der Menschen gegen die Götter seien. (11) Danach steckte er die menschenleeren Städte Thespiai, Plataiai132 und Athen in Brand133 und wütete, weil er es mit dem Schwert gegen die Menschen nicht konnte, gegen die Gebäude mit Feuer. (12) Denn da Themistokles nach der Schlacht bei Marathon die Athener im Voraus gewarnt hatte, dass jener Sieg über die Perser nicht das Ende des Krieges, sondern die Ursache für einen noch größeren sein werde, hatten sie zweihundert Schiffe gebaut. (13) Als sie nun beim Heranrücken des Xerxes das Orakel von Delphi befragt hatten, war die Antwort gewesen, sie sollten ihr Wohl durch hölzerne Mauern schützen. (14) Da Themistokles meinte, damit sei auf den Schutz durch Schiffe hingewiesen, überzeugte er alle, dass das Vaterland die Landsleute seien, nicht die Mauern und dass der Staat nicht aus den Gebäuden, sondern aus den Bürgern bestehe. (15) Daher täten sie besser daran, ihr Wohl den Schiffen anzuvertrauen als der Stadt; auch der Gott vertrete dieser Meinung.134 (16) Dieser Plan fand Beifall. Sie vertrauten die Frauen und Kinder zusammen mit ihrem kostbarsten Besitz entlegenen Inseln an und verließen die Stadt; sie selbst bestiegen bewaffnet die Schiffe. (17) Das Beispiel der Athener ahmten auch andere Städte nach. (18) Als daher die ganze Flotte der Verbündeten in angespannter Erwartung des Seekrieges vereinigt war und sie, damit sie nicht von der Menge der Feinde umzingelt werden konnten, die Meerenge von Salamis besetzt hatten, entstand unter den Anführern der Staaten eine Meinungsverschiedenheit. (19) Als sie den Krieg aufgeben und zum Schutz ihres eigenen Besitzes auseinandergehen wollten, fürchtete Themistokles, dass durch den Abzug der Verbündeten die Kräfte verringert würden, und ließ daher Xerxes durch einen treuen Sklaven melden, er könne jetzt das an einem Ort vereinigte Griechenland sehr leicht in seine Gewalt bringen. (20) Wenn sich nun aber die Staaten, die schon abziehen wollten, zerstreuten, müsse er sie mit größerer Mühe einzeln verfolgen. (21) Durch diese List veranlasste er den König dazu, das Zeichen zum Kampf zu geben.
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Graeci quoque adventu hostium occupati proelium conlatis viribus capessunt. (22) Interea rex velut spectator pugnae cum parte navium in litore remanet. (23) Artemisia autem, regina Halicarnasi, quae in auxilium Xerxi venerat, inter primores duces bellum acerrime ciebat, (24) quippe ut in viro muliebrem timorem, ita in muliere virilem audaciam cerneres. (25) Cum anceps proelium esset, Iones iuxta praeceptum Themistoclis pugnae se paulatim subtrahere coeperunt; quorum defectio animos ceterorum fregit. (26) Itaque circumspicientes fugam pelluntur Persae et mox proelio victi in fugam vertuntur. (27) In qua trepidatione multae captae naves, multae mersae; plures tamen, non minus saevitiam regis, quam hostem timentes domum dilabuntur. 13 (1) Hac clade perculsum et dubium consilii Xerxen Mardonius adgreditur. (2) Hortatur ut in regnum abeat, ne quid seditionis moveat fama adversi belli et in maius, sicuti mos est, omnia extollens; (3) sibi CCC milia armatorum lecta ex omnibus copiis relinquat, qua manu aut cum gloria eius perdomiturum se Graeciam aut, si aliter eventus ferat, sine eiusdem infamia hostibus cessurum. (4) Probato consilio Mardonio exercitus traditur; reliquas copias rex ipse deducere in regnum parat. (5) Sed Graeci audita regis fuga consilium ineunt pontis interrumpendi, quem ille Abydo veluti victor maris fecerat, ut intercluso reditu aut cum exercitu deleretur aut desperatione rerum pacem victus petere cogeretur. (6) Sed Themistocles timens, ne interclusi hostes desperationem in virtutem verterent et iter, quod aliter non pateret, ferro patefacerent (satis multos hostes in Graecia remanere dictitans, nec augeri numerum retinendo oportere) (7) cum vincere consilio ceteros non posset, eundem servum ad Xerxen mittit certioremque consilii facit et occupare transitum maturata fuga iubet. (8) Ille perculsus nuntio tradit ducibus milites perducendos; ipse cum paucis Abydum contendit. (9) Ubi cum solutum pontem hibernis tempestatibus
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Auch die Griechen, die vom Anrücken der Feinde überrascht waren, begannen mit vereinten Kräften die Schlacht.135 (22) Inzwischen blieb der König gleichsam als Zuschauer des Kampfes mit einem Teil der Schiffe am Strand zurück. (23) Artemisia aber, die Königin von Halikarnassos136, die Xerxes zu Hilfe gekommen war,137 entflammte am heftigsten mitten unter den vordersten Anführern immer wieder den Kampf, (24) sodass man bei dem Mann weibische Furcht, bei der Frau aber männliche Kühnheit sehen konnte. (25) Als die Schlacht noch unentschieden war, begannen die Jonier, sich gemäß der Weisung des Themistokles allmählich heimlich aus dem Kampf zu entfernen. Ihr Abfall brach den Mut der Übrigen. (26) Daher wurden die Perser, als sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit umsahen, zum Weichen gebracht, in der Schlacht besiegt und in die Flucht geschlagen. (27) In diesem ängstlichen Durcheinander wurden viele Schiffe gekapert, viele versenkt; mehrere jedoch entwichen nach Hause, weil sie die Wut des Königs nicht weniger fürchteten als den Feind. 13 (1) Als Xerxes durch diese Niederlage erschüttert war und an seinen Plänen zweifelte, wandte sich Mardonios138 an ihn. (2) Er forderte ihn auf, in sein Reich abzuziehen, damit nicht das Gerücht von dem unglücklich verlaufenen Krieg, das – wie es eben seine Art sei – auch noch alles übertreibe, einen Aufruhr errege. (3) Ihm selbst solle er dreihunderttausend aus allen Truppen ausgewählte Bewaffnete zurücklassen. Mit dieser Schar werde er entweder zum Ruhme des Königs Griechenland unterjochen oder, wenn der Ausgang anders sein sollte, ohne Schande für den König vor den Feinden weichen. (4) Dieser Plan fand Beifall, und das Heer wurde Mardonios übergeben; der König selbst traf Vorbereitungen, um die übrigen Truppen in sein Reich fortzuführen. (5) Als aber die Griechen von der Flucht des Königs hörten, fassten sie den Beschluss, die Brücke, die er bei Abydos139 wie ein Sieger über das Meer hatte errichten lassen, abzubrechen, damit er, wenn ihm der Rückweg abgeschnitten wäre, entweder mitsamt seinem Heer vernichtet oder gezwungen würde, aus Verzweiflung über seine Lage als Besiegter um Frieden zu bitten. (6) Aber Themistokles fürchtete, dass sich bei den Feinden, wenn sie abgeschnitten seien, die Verzweiflung in Tapferkeit verkehren würde und sie sich den Weg, der ihnen auf andere Weise nicht zugänglich sei, mit dem Schwert bahnen würden; und er sagte immer wieder, dass hinreichend viele Feinde in Griechenland zurückgeblieben seien und es nicht nötig sei, ihre Zahl noch zu erhöhen, indem man sie zurückhalte. (7) Da er aber die Übrigen durch seinen Rat nicht umstimmen konnte, schickte er denselben Sklaven erneut zu Xerxes, setzte ihn von dem Plan in Kenntnis und hieß ihn, den Übergang in eiliger Flucht rasch in Angriff zu nehmen. (8) Xerxes war über die Nachricht bestürzt und übergab die Soldaten seinen Heerführern, damit diese sie hinüberführten; er selbst eilte mit wenigen Begleitern nach Abydos. (9) Da er dort die Brücke durch die Winterstürme be-
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offendisset, piscatoria scapha trepidus traiecit. (10) Erat res spectaculo digna et aestimatione sortis humanae, rerum varietate miranda in exiguo latentem videre navigio, quem paulo ante vix aequor omne capiebat, carentem omni etiam servorum ministerio, cuius exercitus propter multitudinem terris graves erant. (11) Nec pedestribus copiis, quas ducibus adsignaverat, felicius iter fuit, siquidem cotidiano labori (neque enim ulla est metuentibus quies) etiam fames accesserat. (12) Multorum deinde dierum inopia contraxerat et pestem, tantaque foeditas morientium fuit, ut viae cadaveribus implerentur alitesque et bestiae escae inlecebris sollicitatae exercitum sequerentur. 14 (1) Interim Mardonius in Graecia Olynthum expugnat. (2) Athenienses quoque in spem pacis amicitiamque regis sollicitat, spondens incensae eorum urbis etiam in maius restitutionem. (3) Postquam nullo pretio libertatem his venalem videt, incensis quae aedificare coeperat, copias in Boeotiam transfert. (4) Eo et Graecorum exercitus, qui centum milium fuit, secutus est ibique proelium commissum. (5) Sed fortuna regis cum duce mutata non est. Nam victus Mardonius veluti ex naufragio cum paucis profugit. (6) Castra referta regalis opulentiae capta. Unde primum Graecos diviso inter se auro Persico divitiarum luxuria cepit. (7) Eodem forte die, quo Mardonii copiae deletae sunt, etiam navali proelio in Asia sub monte Mycale adversus Persas dimicatum est. (8) Ibi ante congressionem, cum classes ex adverso starent, fama ad utrumque exercitum venit, vicisse Graecos et Mardonii copias occidione cecidisse. (9) Tantam famae velocitatem fuisse, ut, cum matutino tempore proelium in Boeotia commissum sit, meridianis horis in Asiam per tot maria et tantum spatii tam brevi horarum momento de victoria nuntiatum sit. (10) Confecto bello, cum de praemiis civitatium ageretur, omnium iudicio Atheniensium virtus ceteris praelata. (11) Inter duces quoque Themistocles princeps civitatum testimonio iudicatus gloriam patriae suae auxit.
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schädigt fand, setzte er in einem Fischerboot ängstlich über. (10) Das war eines Schauspiels würdig, würdig auch, daran das Los der Menschen zu ermessen, und staunenswert durch den Wechsel der Verhältnisse: Zu sehen, wie er sich in dem kleinen Kahn barg, er, den kurz zuvor kaum das ganze Meer hatte fassen können, wie er auf jeglichen Dienst sogar seiner Sklaven verzichten musste, er, dessen Heere wegen ihrer Menge den Ländern beschwerlich gewesen waren. (11) Auch für die Fußtruppen, die er den Heerführern zugewiesen hatte, verlief der Marsch nicht glücklicher, da zu der täglichen Anstrengung – denn für Leute, die sich fürchten, gibt es keine Ruhe – auch noch eine Hungersnot hinzugekommen war. (12) Der viele Tage lang anhaltende Mangel hatte dann auch eine Seuche hervorgerufen, und sie starben auf so grässliche Weise, dass sich die Wege mit Leichen bedeckten und Vögel und wilde Tiere durch den verführerischen Fraß angelockt wurden und dem Heer folgten. 14 (1) Unterdessen eroberte Mardonios in Griechenland Olynth140. (2) Er versuchte, auch die Athener zur Hoffnung auf Frieden und zur Freundschaft mit dem Perserkönig zu verführen, wobei er ihnen den noch großartigeren Wiederaufbau ihrer niedergebrannten Stadt feierlich versprach. (3) Als er sah, dass ihnen die Freiheit um keinen Preis verkäuflich war, steckte er alles, was er aufzubauen begonnen hatte, wieder in Brand141 und brachte seine Truppen nach Boiotien hinüber. (4) Dorthin folgte ihm auch ein Heer der Griechen, das hunderttausend Mann stark war, und dort lieferte man sich eine Schlacht.142 (5) Aber das Glück des Perserkönigs änderte sich mit dem neuen Anführer nicht. Denn Mardonios wurde besiegt und floh, wie aus einem Schiffbruch entkommen, mit wenigen Soldaten.143 (6) Das Lager, voll mit königlichem Reichtum, wurde erobert. Und von da an erfasste die Griechen, als sie das Gold der Perser untereinander aufgeteilt hatten, erstmals die mit dem Reichtum einhergehende Schwelgerei. (7) Zufällig wurde an demselben Tag, an dem die Truppen des Mardonios vernichtet wurden, auch in einer Seeschlacht in Asien unterhalb des Berges Mykale144 gegen die Perser gekämpft.145 (8) Als dort die Flotten einander gegenüberlagen, gelangte vor dem Gefecht das Gerücht zu beiden Heeren, dass die Griechen gesiegt hätten und die Truppen des Mardonios bis auf den letzten Mann gefallen seien. (9) So groß sei die Schnelligkeit des Gerüchts gewesen, dass, nachdem die Schlacht in Boiotien zur Morgenzeit geschlagen worden war, die Nachricht über den Sieg bereits in den Mittagsstunden, über so viele Meere und eine so große Strecke hinweg, in einem so kurzen Abstand von Stunden, in Asien verkündet worden sei. (10) Als nach Kriegsende über die Belohnungen für die Staaten verhandelt wurde, erhielt nach dem Urteil aller die Tapferkeit der Athener vor den Übrigen den Vorzug. (11) Und ebenso galt unter den Anführern Themistokles nach dem Zeugnis der Staaten als der Erste und mehrte so den Ruhm seines Vaterlandes.
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15 (1) Igitur Athenienses aucti et praemiis belli et gloria urbem ex integro condere moliuntur. (2) Cum moenia maiora conplexi fuissent, suspecti esse Lacedaemoniis coepere reputantibus, quibus ruina urbis tantum incrementi dedisset, quantum sit datura munita civitas. (3) Mittunt ergo legatos, qui monerent, ne munimenta hostibus et receptacula futuri belli extruant. (4) Themistocles ut vidit spei urbis invideri, non existimans abrupte agendum, respondit legatis, ituros Lacedaemonem, qui de ea re pariter cum illis consulant. (5) Sic dimissis Spartanis hortatur suos, opus maturent. (6) Dein ipse interiecto tempore in legatione proficiscitur, et nunc in itinere infirmitate simulata, nunc tarditatem collegarum accusans, sine quibus agi iure nihil posset, diem de die proferendo spatium consummando operi quaerebat; (7) cum interim nuntiatur Spartanis opus Athenis maturari, propter quod denuo legatos mittunt ad inspiciendam rem. (8) Tum Themistocles per servum magistratibus scribit Atheniensium, legatos vinciant pignusque teneant, ne in se gravius consulatur. (9) Adiit deinde contionem Lacedaemoniorum, indicat permunitas Athenas esse et posse iam inlatum bellum non armis tantum, sed etiam muris sustinere; (10) si quid ob eam rem de se crudelius statuerent, legatos eorum in hoc pignus Athenis retentos. (11) Graviter deinde castigat eos, quod non virtute, sed inbecillitate sociorum potentiam quaererent. (12) Sic dimissus veluti triumphatis Spartanis a civibus excipitur. (13) Post haec Spartani, ne vires otio corrumperent et ut bis inlatum a Persis Graeciae bellum ulciscerentur, ultro fines eorum populantur. (14) Ducem suo sociorumque exercitui deligunt Pausaniam, qui pro ducatu regnum Graeciae adfectans proditionis praemium cum Xerxe nuptias filiae eius paciscitur redditis captivis, ut fides regis aliquo beneficio obstringeretur. (15) Scribit praeterea Xerxi, quoscumque ad se nuntios misisset, interficeret, ne res loquacitate hominum proderetur. (16) Sed dux Atheniensium Aristides,
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15 (1) Die Athener, sowohl mit Belohnungen aus dem Krieg als auch mit Ruhm überhäuft, gingen nun daran, ihre Stadt neu zu gründen. (2) Da sie größere Mauern planten, begannen sie, den Lakedaimoniern verdächtig zu werden. Denn diese überlegten, welch großen Machtzuwachs eine befestigte Stadt denjenigen verschaffen werde, denen schon der Untergang ihrer Stadt so viel Zuwachs verschafft habe. (3) Sie schickten also Gesandte, welche die Athener davor warnen sollten, Befestigungen zum Nutzen der Feinde und Schlupfwinkel für einen künftigen Krieg zu errichten. (4) Wie Themistokles sah, dass man sie um die hoffnungsvolle Zukunft ihrer Stadt beneidete, glaubte er, nicht schroff verhandeln zu dürfen. Er antwortete deshalb den Gesandten, es würden Athener nach Lakedaimon gehen, um zusammen mit ihnen über diesen Sachverhalt zu beraten. (5) Als er die Gesandten so entlassen hatte, forderte er seine Landsleute auf, den Bau zu beschleunigen. (6) Darauf brach er selbst nach einiger Zeit in Begleitung einer Gesandtschaft auf; und indem er sich bald auf der Reise krank stellte, sich bald über die Langsamkeit seiner Kollegen beklagte, ohne die nichts rechtmäßig verhandelt werden könne, schob er die Angelegenheit von Tag zu Tag auf und suchte so, Zeit für die Fertigstellung des Baus zu gewinnen. (7) Da wurde inzwischen den Spartanern gemeldet, dass in Athen der Bau beschleunigt werde, weshalb sie abermals Gesandte ausschickten, um sich das Unternehmen anzusehen. (8) Da wies Themistokles durch einen Sklaven die Beamten der Athener schriftlich an, die Gesandten in Fesseln zu legen und als Unterpfand festzuhalten, damit man gegen ihn nicht allzu hart verfahre. (9) Hierauf wandte er sich an die Versammlung der Lakedaimonier und erklärte, Athen sei nun stark befestigt und könne jetzt einem Krieg, der gegen die Stadt begonnen werde, nicht nur mit Waffen, sondern auch durch seine Mauern standhalten. (10) Falls sie deswegen etwas Grausameres gegen ihn beschlössen, seien hierfür ihre Gesandten als Unterpfand in Athen festgesetzt. (11) Hierauf tadelte er sie schwer, weil sie nicht durch eigene Tüchtigkeit, sondern durch die Schwäche ihrer Verbündeten Macht zu erringen suchten. (12) Als er so entlassen war, wurde er von seinen Mitbürgern empfangen, als ob er über die Spartaner einen Triumph gefeiert hätte. (13) Danach plünderten die Spartaner, um ihre Kräfte nicht durch Müßiggang zu schwächen und um den Krieg, den die Perser zweimal gegen Griechenland begonnen hatten, zu rächen, von sich aus deren Gebiet. (14) Als Anführer für ihr eigenes Heer und das ihrer Verbündeten wählten sie Pausanias146. Dieser trachtete aber anstatt nach dem Kommando nach der Herrschaft über Griechenland und verlangte als Belohnung für seinen Verrat von Xerxes die Hochzeit mit dessen Tochter147, nachdem er die Gefangenen zurückgegeben hatte, um sich der Treue des Königs durch eine Gefälligkeit zu versichern. (15) Außerdem schrieb er Xerxes, er solle alle Boten, die er zu ihm geschickt habe, töten lassen, damit ihre Übereinkunft nicht durch die Geschwätzigkeit der Leute verraten werde. (16) Aber Aristides148, der Anführer
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belli socius electus, collegae conatibus obviam eundo, simul et in rem sapienter consulendo proditionis consilia discussit. Nec multo post accusatus Pausanias damnatur. (17) Igitur Xerxes, cum proditionis dolum publicatum videret, ex integro bellum instituit. (18) Graeci quoque ducem constituunt Cimona Atheniensem, filium Miltiadis, quo duce apud Marathonem pugnatum est, iuvenem, cuius magnitudinem futuram pietatis documenta prodiderunt; (19) quippe patrem ob crimen peculatus in carcerem coniectum ibique defunctum translatis in se vinculis ad sepulturam redemit. (20) Nec in bello iudicium deligentium fefellit, siquidem non inferior virtutibus patris Xerxen, terrestri navalique bello superatum, trepidum recipere se in regnum coegit.
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der Athener, der im Krieg zum Amtsgenossen des Pausanias gewählt worden war, zerschlug die Verratspläne, indem er den Unternehmungen seines Kollegen entgegentrat und zugleich auch auf kluge Weise zweckdienliche Maßnahmen ergriff. Und nicht lange danach wurde Pausanias angeklagt und verurteilt.149 (17) Als Xerxes nun den listigen Verrat öffentlich gemacht sah, begann er von Neuem einen Krieg. (18) Und die Griechen bestimmten den Athener Kimon150 zum Anführer, den Sohn des Miltiades, unter dessen Führung man bei Marathon gekämpft hatte,151 einen Jüngling, dessen künftige Größe in den Beweisen seiner Kindesliebe zum Vorschein kam. (19) Denn er kaufte seinen Vater, der wegen des Vorwurfs der Veruntreuung ins Gefängnis geworfen worden und dort verstorben war, zum Begräbnis frei, indem er sich selbst in Fesseln legen ließ.152 (20) Und im Krieg sahen sich diejenigen, die ihn gewählt hatten, in ihrem Urteil über ihn nicht getäuscht: Denn er stand den Verdiensten seines Vaters nicht nach, besiegte Xerxes in einem Land- und Seekrieg und zwang ihn so, sich ängstlich in sein Reich zurückzuziehen.
Prologus libri III Tertio volumine continentur haec. Ut mortuo Xerxe filius Artaxerxes ultus interfectorem patris Artabanum bellum cum defectore Aegypti habuit, primoque dux eius Achaemenes victus est, iterum per Bagabaxum Aegyptus recepta. Ut Graecis cum rege pacificatis bella inter ipsos orta sint. Inde repetitae Peloponnensium origines: ut ab Herculis posteris Dorico populo sit occupata. Deinde bella Argolica et Messania, coalitique Sicyone et Corintho tyranni. Bellum Crisaeum et quod Athenienses primo cum Boeotis, dein cum Peloponnesiis gesserunt.
Liber III 1 (1) Xerxes, rex Persarum, terror antea gentium, bello in Graecia infeliciter gesto etiam suis contemptui esse coepit. (2) Quippe Artabanus, praefectus eius, deficiente cotidie regis maiestate in spem regni adductus cum septem robustissimis filiis regiam vesperi ingreditur (nam amicitiae iure semper illi patebat), trucidatoque rege voto suo obsistentes filios eius dolo adgreditur. (3) Securior de Artaxerxe, puero admodum, fingit regem a Dario, qui erat adulescens, quo maturius regno potiretur, occisum; inpellit Artaxerxen parricidium parricidio vindicare. (4) Cum ventum ad domum Darii esset, dormiens inventus, quasi somnum fingeret, interficitur. (5) Dein cum unum ex regis filiis sceleri suo superesse Artabanus videret metueretque de regno certamina principum, adsumit in societatem consilii Baccabasum, (6) qui praesenti statu contentus rem prodit Artaxerxi: ut pater eius occisus sit, ut frater falsa parricidii suspicione oppressus, ut denique ipsi pararentur insidiae. (7) His cognitis Artaxerxes, verens Artabani numerum filiorum, in posterum diem paratum esse armatum exercitum iubet, recogniturus et numerum militum et in armis industriam singulorum. (8) Itaque cum inter ceteros ipse Artabanus armatus adsisteret, rex simulat se breviorem loricam habere, iubet
Vorwort zum 3. Buch Das dritte Buch enthält Folgendes: Wie nach dem Tod des Xerxes sein Sohn Artaxerxes1 sich an Artabanos, dem Mörder seines Vaters, rächte und einen Krieg gegen den Mann2 führte, der für den Abfall Ägyptens verantwortlich gewesen war, und wie anfangs sein Heerführer Achaimenes3 besiegt, Ägypten aber wiederum durch Bagabaxos4 zurückerobert wurde. Wie nach dem Friedensschluss der Griechen mit dem König unter ihnen selbst Kriege ausbrachen. Darauf sind die Ursprünge der Peloponnesier nachgetragen: Wie ihre Heimat von den Nachkommen des Herakles, dem Dorischen Volk, besetzt wurde. Hierauf die Argolischen und Messenischen Kriege und wie die Tyrannen von Sikyon5 und Korinth sich miteinander verbündeten. Der Krisaische Krieg6 und derjenige, den die Athener zuerst gegen die Boiotier, hierauf gegen die Peloponnesier führten.
Buch 3 1 (1) Xerxes, der König der Perser, früher der Schrecken der Völker, begann nach dem unglücklich geführten Krieg in Griechenland, auch von seinen eigenen Landsleuten verachtet zu werden. (2) Als das Ansehen des Königs täglich sank, wurde sein Statthalter Artabanos zur Hoffnung auf die Herrschaft verleitet. Mit seinen sieben überaus kräftigen Söhnen betrat er abends den Palast – denn nach dem mit der Freundschaft einhergehenden Vorrecht stand er ihm immer offen –, ermordete den König7 und ging gegen dessen Söhne, die seinem Wunsch im Weg standen, mit List vor. (3) Über Artaxerxes, der noch ein Knabe war, machte er sich recht wenige Sorgen und behauptete fälschlicherweise, Dareios, der bereits ein junger Mann war, habe den König getötet, um sich früher der Herrschaft zu bemächtigen. Er drängte Artaxerxes dazu, den Vatermord durch Brudermord zu rächen. (4) Als man zum Haus des Dareios kam, fand man ihn schlafend; er wurde, als hätte er sich nur schlafend gestellt, getötet. (5) Weil Artabanos hierauf sah, dass nach seinem Verbrechen nur noch einer von den Söhnen des Königs übrig geblieben war, und er die Streitigkeiten der Fürsten um die Herrschaft fürchtete, zog er Bakkabasos8 als Gefährten für sein Vorhaben hinzu. (6) Da dieser aber mit der gegenwärtigen Lage zufrieden war, verriet er die Angelegenheit Artaxerxes: Wie sein Vater ermordet, wie sein Bruder unter dem falschen Verdacht des Vatermordes überfallen worden sei und wie schließlich auf ihn selbst ein Attentat geplant werde. (7) Als Artaxerxes das erfuhr, befahl er aus Furcht vor der Zahl von Artabanos’ Söhnen, dass für den nächsten Tag das Heer kampfbereit unter Waffen stehen solle, weil er sowohl die Zahl der Soldaten als auch den Kampfgeist der Einzelnen prüfen wolle. (8) Und als sich nun unter den Übrigen auch Artabanos selbst bewaffnet aufstellte, tat der König so, als hätte er einen zu kleinen Panzer. Er befahl
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Artabanum secum commutare, exuentem se ac nudatum gladio traicit; tum et filios eius corripi iubet. (9) Atque ita egregius adulescens et caedem patris et necem fratris et se ab insidiis Artabani vindicavit. 2 (1) Dum haec in Persis geruntur, interea Graecia omnis ducibus Lacedaemoniis et Atheniensibus in duas divisa partes ab externis bellis velut in viscera sua arma convertit. (2) Fiunt igitur de uno populo duo corpora, et eorundem castrorum homines in duos hostiles exercitus dividuntur. (3) Hinc Lacedaemonii communia quondam civitatum auxilia ad vires suas trahebant, inde Athenienses et vetustate gentis et gestis rebus inlustres propriis viribus confidebant. (4) Atque ita duo potentissimi Graeciae populi institutis Solonis et Lycurgi legibus pares ex aemulatione virium in bellum ruebant. (5) Namque Lycurgus cum fratri suo Polydectae, Spartanorum regi, successisset regnumque sibi vindicare potuisset, Charillo, filio eius, qui natus postumus erat, cum ad aetatem adultam pervenisset, regnum summa fide restituit, (6) ut intellegerent omnes, quanto plus apud bonos pietatis iura quam omnes opes valerent. (7) Medio igitur tempore, dum infans convalescit tutelamque eius administrat, non habentibus Spartanis leges instituit, non inventione earum magis, quam exemplo clarior: (8) siquidem nihil lege ulla in alios sanxit, cuius non ipse primus in se documentum daret. (9) Populum in obsequia principum, principes ad iustitiam imperiorum firmavit. (10) Parsimoniam omnibus suasit, existimans laborem militiae adsidua frugalitatis consuetudine faciliorem fore. (11) Emi singula non pecunia, sed conpensatione mercium iussit. (12) Auri argentique usum velut omnium scelerum materiam sustulit.
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Artabanos, mit ihm zu tauschen; als dieser den Panzer ablegte und daher ungeschützt war, durchbohrte Artaxerxes ihn mit seinem Schwert; dann ließ er auch die Söhne des Artabanos ergreifen. (9) Und so rächte der vortreffliche junge Mann sowohl die Ermordung seines Vaters als auch die Tötung seines Bruders und rettete sich selbst vor dem Anschlag des Artabanos. 2 (1) Während das bei den Persern geschah, spaltete sich unterdessen ganz Griechenland unter der Führung der Lakedaimonier und Athener in zwei Parteien und richtete die Waffen von den auswärtigen Kriegen gleichsam gegen seine eigenen Eingeweide9. (2) Aus einem Volk wurden nun zwei Körper, und die Menschen aus ein und demselben Lager spalteten sich in zwei feindliche Heere. (3) Hier zogen die Lakedaimonier die einstmals gemeinsamen Hilfstruppen der Staaten auf die Seite ihrer eigenen Streitkräfte, dort setzten die Athener, berühmt sowohl durch das Alter ihres Volksstammes als auch durch ihre Taten, ihr Vertrauen in ihre eigenen Kräfte. (4) Und so stürzten die zwei mächtigsten Völker Griechenlands, durch die Einrichtung der solonischen10 und lykurgischen Gesetze einander ebenbürtig, sich aus Eifersucht auf ihre Kräfte in den Krieg11. (5) Lykurgos12 war seinem Bruder Polydektes, dem König der Spartaner, nachgefolgt und hätte die Herrschaft für sich beanspruchen können. Dennoch gab er dessen nachgeborenem Sohn Charillos, sobald dieser das Erwachsenenalter erreichte, die Herrschaft mit höchster Redlichkeit zurück, (6) damit alle erkannten, wie viel schwerer bei rechtschaffenen Menschen die mit der verwandtschaftlichen Bindung einhergehenden Pflichten wogen als alle Macht. (7) In der Zwischenzeit also, während das Kind heranwuchs und Lykurgos die Vormundschaft über es ausübte, richtete er bei den Spartanern Gesetze ein, da sie keine hatten. Größere Berühmtheit erlangte er dabei nicht durch die Erfindung der Gesetze als vielmehr durch sein eigenes Vorbild: (8) Denn er erließ für die anderen kein Gesetz, für das er nicht selbst als Erster in eigener Person ein Beispiel gegeben hatte. (9) Das Volk bestärkte er im Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, diese zur Gerechtigkeit in ihrer Amtsführung. (10) Allen riet er zur Sparsamkeit, weil er meinte, der anstrengende Kriegsdienst falle durch ständige Gewöhnung an Genügsamkeit leichter. (11) Er ordnete an, Ware jeweils nicht durch Geld, sondern durch Tausch zu erwerben. (12) Den Gebrauch von Gold und Silber schaffte er gleichsam als Quelle aller Verbrechen ab.
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3 (1) Administrationem rei publicae per ordines divisit: (2) regibus potestatem bellorum, magistratibus iudicia et annuos successores, senatui custodiam legum, populo sublegendi senatum vel creandi quos vellet magistratus potestatem permisit. (3) Fundos omnium aequaliter inter omnes divisit, ut aequata patrimonia neminem potentiorem altero redderent. (4) Convivari omnes publice iussit, ne cuius divitiae vel luxuria in occulto essent. (5) Iuvenibus non amplius una veste uti toto anno permissum, nec quemquam cultius quam alterum progredi nec epulari opulentius, ne imitatio in luxuriam verteretur. (6) Pueros puberes non in forum, sed in agrum deduci praecepit, ut primos annos non in luxuria, sed in opere et in laboribus agerent. (7) Nihil eos somni causa substernere et vitam sine pulmento degere neque prius in urbem redire, quam viri facti essent, statuit. (8) Virgines sine dote nubere iussit, ut uxores legerentur, non pecuniae, severiusque matrimonia sua viri coercerent, cum nullis frenis dotis tenerentur. (9) Maximum honorem non divitum et potentium, sed pro gradu aetatis senum esse voluit, nec sane usquam terrarum locum honoratiorem senectus habet. (10) Haec quoniam primo solutis antea moribus dura videbat esse, auctorem eorum Apollinem Delphicum fingit et inde se ea ex praecepto numinis detulisse, ut consuescendi taedium metus religionis evincat. (11) Dein ut aeternitatem legibus suis daret, iure iurando obligat civitatem, nihil eos de eius legibus mutaturos, priusquam reverteretur, et simulat se ad oraculum Delphicum proficisci, consulturum quid addendum mutandumque legibus videretur. (12) Proficiscitur autem Cretam ibique perpetuum exilium egit abicique in mare ossa sua moriens iussit, ne relatis Lacedaemonem solutos se Spartani religione iuris iurandi in dissolvendis legibus arbitrarentur. 4 (1) His igitur moribus ita brevi civitas convaluit, ut, cum Messeniis propter stupratas virgines suas in sollemni Messeniorum sacrificio bellum intulissent, gravissima se execratione obstrinxerint, non prius quam Messeniam expugnassent reversuros, tantum sibi vel de viribus suis vel de fortuna spondentes. (2) Quae res initium dissensionis Graeciae et intestini belli causa
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3 (1) Die Verwaltung des Staates verteilte er auf die Stände: (2) Den Königen13 übertrug er die Herrschaft über die Kriegführung, den Beamten14 die Gerichtsbarkeit und jährlich wechselnde Nachfolger, dem Rat15 die Wahrung der Gesetze, dem Volk die Vollmacht, den Rat zu ergänzen und die gewünschten Beamten zu wählen. (3) Die Grundstücke aller teilte er gleichmäßig unter allen auf, damit das Vermögen ausgeglichen war und so niemand mächtiger wurde als der andere. (4) Alle hieß er öffentlich gemeinsam speisen, damit es bei niemandem im Geheimen Reichtum und Schwelgerei gab. (5) Den Jünglingen war nicht erlaubt, mehr als ein Gewand im ganzen Jahr zu besitzen, und keiner durfte gepflegter als der andere in der Öffentlichkeit erscheinen und auch nicht herrlicher speisen, damit die Nachahmung nicht in Schwelgerei ausartete. (6) Lykurgos ordnete an, die erwachsenen Knaben nicht auf den Markt, sondern auf das Land zu führen, damit sie die ersten Jahre nicht in Schwelgerei, sondern mit Arbeit und Anstrengungen zubrachten. (7) Er setzte fest, dass sie zum Schlafen nichts unterlegen, ohne Fleisch als Zukost leben und nicht eher in die Stadt zurückkehren sollten, als bis sie Männer geworden seien. (8) Die jungen Mädchen ließ er ohne Mitgift heiraten, damit man Frauen wählte, nicht ihr Geld und damit die Männer ihre Ehefrauen strenger im Zaum halten konnten, weil sie von keinen Zügeln der Mitgift zurückgehalten wurden. (9) Er bestimmte, dass die höchste Ehre nicht den Reichen und Mächtigen, sondern gemäß ihrer Altersstufe den Greisen zukommen solle, und in der Tat hat nirgendwo auf der Welt das Greisenalter eine ehrenvollere Stellung als hier. (10) Weil er sah, dass all diese Maßnahmen anfangs hart waren – denn vorher hatten lockere Sitten geherrscht –, gab er vor, ihr Urheber sei der delphische Apollon und von dort habe er sie auf Anordnung der Gottheit hergebracht, damit die Angst vor dem Gott den Widerwillen, sich daran zu gewöhnen, überwand. (11) Um hierauf seinen Gesetzen ewigen Bestand16 zu verleihen, band er die Bürgerschaft durch einen Schwur, an seinen Gesetzen nichts zu verändern, ehe er zurückkehrte. Und er tat so, als wollte er zum Orakel von Delphi reisen, um es zu befragen, was an den Gesetzen noch ergänzt und geändert werden solle. (12) In Wahrheit aber reiste er nach Kreta und lebte dort in fortwährender Verbannung. Und als er starb, befahl er, seine Gebeine ins Meer zu werfen, damit sie nicht nach Lakedaimon zurückgebracht wurden und die Spartaner dann glauben könnten, sie seien von ihrer Eidesverpflichtung bezüglich der Aufhebung der Gesetze entbunden. 4 (1) Durch diese Bräuche also erstarkte die Bürgerschaft binnen kurzer Zeit so sehr, dass sie die Messenier17 wegen der Schändung ihrer jungen Mädchen beim feierlichen Opferfest der Messenier angriffen18 und sich durch die schlimmste Verfluchung verpflichteten, nicht eher zurückzukehren, als bis sie Messenien erobert hätten. So viel versprachen sie sich entweder von ihren Kräften oder von ihrem Glück. (2) Das war der Beginn der Spaltung Griechenlands und der
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et origo fuit. (3) Itaque cum contra praesumptionem suam annis X in obsidione urbis tenerentur et querelis uxorum post tam longam viduitatem revocarentur, (4) veriti ne hac perseverantia belli gravius sibi quam Messeniis nocerent. Quippe illis quantum iuventutis bello intercidat, mulierum fecunditate suppleri, sibi et bellis damna adsidua et fecunditatem uxorum absentibus viris nullam esse; (5) itaque legunt iuvenes ex eo genere militum, qui post ius iurandum in supplementum venerant, quibus Spartam remissis promiscuos omnium feminarum concubitus permisere, (6) maturiorem futuram conceptionem rati, si eam singulae per plures viros experirentur. (7) Ex his nati ob notam materni pudoris Partheniae vocati. (8) Qui cum ad annos XXX pervenissent, metu inopiae (nulli enim pater existebat, cuius in patrimonium successio speraretur) ducem Phalantum adsumunt, filium Arati, qui auctor Spartanis fuerat iuventutis ad generandam subolem domum remittendae, (9) ut, sicuti dudum patrem eius nascendi auctorem habuissent, sic ipsum spei ac dignitatis suae haberent. (10) Itaque nec salutatis matribus, e quarum adulterio infamiam collegisse videbantur, ad sedes inquirendas proficiscuntur; (11) diuque et per varios casus iactati tandem in Italiam deferuntur et occupata arce Tarentinorum, expugnatis veteribus incolis, sedes ibi constituunt. (12) Sed post annos plurimos dux eorum Phalantus per seditionem in exilium proturbatus Brundisium se contulit, quo expulsi sedibus suis veteres Tarentini concesserant. (13) His moriens persuadet, ut ossa sua postremasque reliquias conterant et tacite spargi in foro Tarentinorum curent; (14) hoc enim modo recuperare illos patriam suam posse Apollinem Delphis cecinisse. (15) Illi arbitrantes eum in ultionem sui civium fata prodidisse praeceptis paruere. (16) Sed oraculi diversa sententia fuerat. Perpetuitatem enim urbis, non amissionem hoc facto promiserat. (17) Ita ducis exulis consilio et hostium ministerio possessio Tarentina Partheniis in aeternum fundata, (18) ob cuius beneficii memoriam Phalanto divinos honores decrevere.
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Grund und Ursprung des Bruderkrieges. (3) Als die Spartaner nun gegen ihre Erwartung zehn Jahre lang bei der Belagerung der Stadt aufgehalten wurden und durch die Klagen ihrer Frauen, die so lange ihre Männer entbehren mussten, zurückgerufen wurden, (4) fürchteten sie, sich selbst durch diesen langwierigen Krieg schwerer zu schaden als den Messeniern. Denn bei diesen werde die Zahl der jungen Männer, die im Krieg fielen, durch die Fruchtbarkeit der Frauen wieder ausgeglichen; bei ihnen selbst dagegen gebe es die ständigen Verluste in den Kriegen, aber wegen der Abwesenheit der Männer bleibe die Fruchtbarkeit der Frauen ungenützt. (5) Daher wählten die Spartaner aus der Gruppe der Soldaten, die erst nach der Eidesleistung zur Ergänzung gekommen waren, Jünglinge aus. Diese schickten sie nach Sparta zurück und erlaubten ihnen den Beischlaf mit allen Frauen ohne Unterschied, (6) weil sie glaubten, eine Empfängnis werde schneller eintreten, wenn jede einzelne Frau sie mit mehreren Männern zu erreichen versuche. (7) Deren Kinder wurden wegen der befleckten Keuschheit ihrer Mütter „Parthenier“19 genannt. (8) Als sie ein Alter von dreißig Jahren erreichten, waren sie wegen ihrer Armut in Sorge: Denn keiner von ihnen hatte einen Vater, dessen Vermögen in der Erbfolge zu übernehmen er hätte hoffen können. Daher nahmen sie Phalantos, den Sohn des Aratos, – Aratos hatte den Spartanern den Rat erteilt, die jungen Männer zur Zeugung von Nachwuchs nach Hause zurückzuschicken – zum Anführer, (9) damit sie, wie sie früher seinen Vater als Urheber ihrer Geburt gehabt hatten, so nun ihn selbst als Urheber ihrer Hoffnung und Ehre hatten. (10) Und so brachen sie ohne Gruß für ihre Mütter, durch deren Ehebruch sie sich – wie sie glaubten – Schande zugezogen hatten, auf, um neue Wohnsitze zu suchen. (11) Als sie lange und auch durch verschiedene Ereignisse hin- und hergetrieben worden waren, gelangten sie schließlich nach Italien. Sie nahmen die Burg der Tarentiner20 ein, überwältigten die alteingesessenen Bewohner und errichteten dort ihre Wohnsitze. (12) Aber nach sehr vielen Jahren wurde ihr Anführer Phalantos während eines Umsturzes in die Verbannung gejagt. Er begab sich nach Brundi sium21, wohin die aus ihren Wohnsitzen vertriebenen ehemaligen Bewohner von Tarent gezogen waren. (13) Als er starb, überredete er sie, seine Gebeine und sterblichen Überreste zu zerreiben und dafür zu sorgen, dass sie heimlich auf dem Marktplatz der Tarentiner ausgestreut würden. (14) Denn auf diese Weise, so habe Apollon in Delphi geweissagt, könnten sie ihre Heimat wiedergewinnen. (15) Jene glaubten, dass er das Geschick seiner Mitbürger verraten habe, um sich an ihnen zu rächen, und gehorchten seinen Weisungen. (16) Aber der Sinn des Orakels war genau entgegengesetzt gewesen: Den ewigen Besitz der Stadt nämlich, nicht ihren Verlust hatte es durch diese Tat verheißen. (17) So wurde durch den Rat des verbannten Anführers und den Dienst der Feinde der Besitz von Tarent den Partheniern auf ewig gesichert. (18) Zur Erinnerung an seine Wohltat erkannten sie Phalantos göttliche Ehren zu.
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5 (1) Interea Messenii, cum virtute non possent, per insidias expugnantur. (2) Dein cum per annos octoginta gravia servitutis verbera, plerumque et vincula ceteraque captivitatis mala perpessi essent, post longam poenarum patientiam bellum restaurant. (3) Lacedaemonii quoque eo conspiratius ad arma concurrunt, quod adversus servos dimicaturi videbantur. (4) Itaque cum hinc iniuria, inde indignitas animos acueret, Lacedaemonii de belli eventu oraculo Delphis consulto iubentur ducem belli ab Atheniensibus petere. (5) Porro Athenienses, cum responsum cognovissent, in contemptum Spartanorum Tyrtaeum, poetam claudo pede, misere, (6) qui tribus proeliis fusos eo usque desperationis Spartanos adduxit, ut servos suos ad supplementum exercitus manumitterent hisque interfectorum matrimonia pollicerentur, (7) ut non numero tantum amissorum civium, sed et dignitati succederent. (8) Sed reges Lacedaemoniorum, ne contra fortunam pugnando maiora detrimenta civitati infligerent, reducere exercitum voluerunt, (9) ni intervenisset Tyrtaeus, qui conposita carmina exercitui pro contione recitavit, in quibus hortamenta virtutis, damnorum solacia, belli consilia conscripserat. (10) Itaque tantum ardorem militibus iniecit, ut non de salute, sed de sepultura solliciti tesseras insculptis suis et patrum nominibus dextro bracchio deligarent, (11) ut, si omnes adversum proelium consumpsisset et temporis spatio confusa corporum liniamenta essent, ex indicio titulorum tradi sepulturae possent. (12) Cum sic animatum reges exercitum viderent, curant rem hostibus nuntiare; (13) Messeniis autem non timorem res, sed aemulationem mutuam dedit. (14) Itaque tantis animis concursum est, ut raro umquam cruentius proelium fuerit. (15) Ad postremum tamen victoria Lacedaemoniorum fuit. 6 (1) Interiecto tempore tertium quoque bellum Messenii reparavere, (2) in cuius auxilium Lacedaemonii inter reliquos socios etiam Athenienses adhibuere; (3) quorum fidem cum suspectam haberent, supervacaneos simulantes a bello eosdem dimiserunt. (4) Hanc rem Athenienses graviter ferentes pecuniam, quae erat in stipendium Persici belli ab universa Graecia conlata, a Delo
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5 (1) Inzwischen wurden die Messenier durch Hinterlist22 bezwungen, weil sie durch Tapferkeit nicht bezwungen werden konnten. (2) Nachdem sie hierauf achtzig Jahre lang die schwere Geißel der Knechtschaft, meistens auch Fesseln und die sonstigen mit der Gefangenschaft einhergehenden Misshandlungen ertragen und die Strafen lange erduldet hatten, nahmen sie den Krieg wieder auf.23 (3) Auch die Lakedaimonier eilten umso einmütiger zu den Waffen, als sie gegen Sklaven zu kämpfen glaubten. (4) Als daher auf der einen Seite Unrecht, auf der anderen Seite Entrüstung die Gemüter anstachelte, befragten die Lakedaimonier das Orakel in Delphi über den Ausgang des Krieges und erhielten den Befehl, sich einen Anführer für den Krieg von den Athenern zu erbitten. (5) Als nun aber die Athener von dem Orakelspruch erfuhren, schickten sie zur Verhöhnung der Spartaner Tyrtaios, einen Dichter24 mit einem lahmen Bein. (6) Dieser versetzte die Spartaner, als sie in drei Schlachten geschlagen wurden, so sehr in Verzweiflung, dass sie ihre Sklaven25 zur Ergänzung des Heeres freiließen und ihnen die Ehefrauen der Getöteten versprachen, (7) sodass sie den gefallenen Bürgern nicht nur in der Zahl, sondern auch im Rang nachrücken würden. (8) Doch um nicht durch einen Kampf gegen das Schicksal dem Gemeinwesen noch größeren Schaden zuzufügen, hatten die Könige der Lakedaimonier das Heer schon abziehen wollen, (9) wäre nicht Tyrtaios dazwischengetreten, der dem Heer in einer Versammlung selbst verfasste Gedichte vortrug,26 in denen er Ermahnungen zur Tapferkeit, Tröstungen für die Verluste und Ratschläge für den Krieg niedergeschrieben hatte. (10) Und dadurch versetzte er die Soldaten in so große Begeisterung, dass sie sich nicht um ihr Leben, sondern nur um ihre Bestattung sorgten und hölzerne Täfelchen, auf denen sie ihren eigenen Namen und den ihres Vaters eingraviert hatten, am rechten Arm festbanden, (11) damit man sie, wenn eine unglücklich verlaufene Schlacht alle dahinraffte und im Lauf der Zeit ihr Äußeres entstellt würde, aufgrund der Angabe der Aufschriften doch noch dem Grab übergeben konnte.27 (12) Als die Könige ihr Heer so ermutigt sahen, sorgten sie dafür, dass den Feinden das gemeldet wurde. (13) Bei den Messeniern aber bewirkte diese Nachricht nicht Angst, sondern gegenseitigen Wetteifer. (14) Man stürmte daher mit so großem Mut gegeneinander an, dass selten jemals eine Schlacht blutiger war. (15) Zuletzt jedoch lag der Sieg aufseiten der Lakedaimonier. 6 (1) Nach einiger Zeit28 nahmen die Messenier auch noch zum dritten Mal den Krieg wieder auf. (2) Zur Unterstützung in diesem Krieg zogen die Lakedaimonier neben den übrigen Verbündeten auch die Athener hinzu. (3) Weil sie aber glaubten, sich auf deren Treue nicht verlassen zu können, taten sie so, als wären sie überflüssig, und entließen sie aus dem Krieg.29 (4) Da die Athener über dieses Misstrauen gekränkt waren, schafften sie das Geld, das ganz Griechenland als Abgabe für den Perserkrieg zusammengetragen hatte, von Delos30
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Athenas transferunt, ne deficientibus a fide societatis Lacedaemoniis praedae ac rapinae esset. (5) Sed nec Lacedaemonii quievere, qui cum Messeniorum bello occupati essent, Peloponnenses inmisere, qui bellum Atheniensibus facerent. (6) Parvae tunc temporis classe in Aegyptum missa vires Atheniensibus erant. Itaque navali proelio dimicantes facile superantur. (7) Interiecto deinde tempore post reditum suorum aucti et classis et militum robore proelium reparant. (8) Iam et Lacedaemonii omissis Messeniis adversus Athenienses arma verterant. (9) Diu varia victoria fuit; ad postremum aequo Marte utrimque discessum. (10) Inde revocati Lacedaemonii ad Messeniorum bellum, ne medium tempus otiosum Atheniensibus relinquerent, cum Thebanis paciscuntur, ut Boeotiorum imperium his restituerent, quod temporibus belli Persici amiserant, ut illi Atheniensium bella susciperent. (11) Tantus furor Spartanorum erat, ut duobus bellis inpliciti suscipere tertium non recusarent, dummodo inimicis suis hostes adquirerent. (12) Igitur Athenienses adversus tantam tempestatem belli duos duces deligunt, Periclen, spectatae virtutis virum, et Sophoclen, scriptorem tragoediarum, (13) qui diviso exercitu et Spartanorum agros vastaverunt et multas Asiae civitates Atheniensium imperio adiecerunt. 7 (1) His malis fracti Lacedaemonii in annos XXX pepigerunt pacem, sed tam longum otium inimicitiae non tulerunt. (2) Itaque extra XV annos rupto foedere cum contemptu deorum hominumque fines Atticos populantur (3) et, ne praedam potius quam pugnam expetisse viderentur, hostes ad proelium provocant. (4) Sed Athenienses consilio Periclis ducis populationis iniuriam differunt in tempus ultionis, supervacuam pugnam existimantes, cum ulcisci hostem sine periculo possent. (5) Dein interiectis diebus naves conscendunt et nihil sentientibus Lacedaemoniis totam Spartam depraedantur multoque plura auferunt quam amiserant, (6) prorsus ut in conparatione damnorum longe pluris fuerit ultio quam iniuria. (7) Clara quidem haec Periclis expeditio
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nach Athen, damit es nicht den Lakedaimoniern, wenn sie sich von der Bündnistreue lossagten, zur Beute und zum Raub diente. (5) Aber auch die Lakedaimonier verhielten sich nicht ruhig. Obgleich sie durch den Krieg gegen die Messenier in Anspruch genommen waren, stifteten sie die Peloponnesier an, gegen die Athener einen Krieg zu beginnen. (6) Damals verfügten die Athener nur über geringe Streitkräfte, da sie gerade eine Flotte nach Ägypten entsandt hatten.31 Daher wurden sie, als sie den Kampf in einer Seeschlacht austrugen, mit Leichtigkeit besiegt. (7) Als dann einige Zeit vergangen war, nahmen sie nach der Rückkehr ihrer Leute, verstärkt durch die Kerntruppe der Flotte und der Soldaten, den Kampf wieder auf. (8) Schon hatten auch die Lakedaimonier von den Messeniern abgelassen und ihre Waffen gegen die Athener gerichtet. (9) Lange wechselten Sieg und Niederlage sich ab; zuletzt ging man mit gleichem Kriegsglück auf beiden Seiten auseinander. (10) Darauf wurden die Lakedaimonier zum Krieg gegen die Messenier zurückgerufen. Um aber die Athener in der Zwischenzeit nicht zur Ruhe kommen zu lassen, kamen die Lakedaimonier mit den Thebanern überein, dass sie für die Thebaner die Herrschaft über die Boiotier wieder aufbauen würden, die diese zu Zeiten des Perserkrieges verloren hatten,32 und dass die Thebaner dafür Kriege gegen die Athener unternehmen sollten. (11) So groß war die Wut der Spartaner, dass sie, obgleich sie in zwei Kriege verwickelt waren, sich nicht weigerten, auch noch einen dritten auf sich zu nehmen, wenn sie nur ihren Gegnern neue Feinde verschaffen könnten. (12) Also wählten die Athener gegen ein so großes Kriegsgewitter zwei Anführer: Perikles33, einen Mann von bewährter Tapferkeit, und Sophokles34, einen Tragödiendichter. (13) Diese teilten das Heer auf, verwüsteten die Felder der Spartaner und fügten viele Städte Asiens dem Machtbereich der Athener hinzu.35 7 (1) Durch diese Rückschläge gebrochen, schlossen die Lakedaimonier für dreißig Jahre Frieden,36 aber eine so lange Friedenszeit ertrugen die Feindseligkeiten nicht. (2) Daher brachen die Lakedaimonier nach Ablauf von fünfzehn Jahren37 den Vertrag und plünderten unter Verachtung von Göttern und Menschen das attische Gebiet. (3) Und um nicht den Anschein zu erwecken, als strebten sie mehr nach Beute denn nach Kampf, forderten sie die Feinde zur Schlacht heraus. (4) Aber die Athener verschoben auf Anraten ihres Anführers Perikles die Rache für das Unrecht der Plünderung auf einen dafür günstigen Zeitpunkt, da sie glaubten, eine Schlacht sei überflüssig, wenn sie sich auch ohne Gefahr am Feind rächen könnten. (5) Darauf bestiegen sie nach einigen Tagen ihre Schiffe und plünderten ganz Sparta, ohne dass die Lakedaimonier etwas merkten. Und sie raubten dabei weitaus mehr, als sie verloren hatten, (6) sodass nun bei einem Vergleich der Verluste die Rache bei Weitem schwerer wog als das Unrecht. (7) Zwar galt schon dieser Kriegszug
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habita, sed multo clarior privati patrimonii contemptus fuit. (8) Huius agros in populatione ceterorum intactos hostes reliquerant, sperantes adquirere se illi posse aut periculum ex invidia aut ex suspicione proditionis infamiam. (9) Quod ante prospiciens Pericles et futurum populo praedixerat et ad invidiae impetum declinandum agros ipsos dono rei publicae dederat, (10) atque ita, unde periculum quaesitum fuerat, ibi maximam gloriam invenit. (11) Post haec interiectis diebus navali proelio dimicatum est; victi Lacedaemonii fugerunt. (12) Nec cessatum deinceps est, quin aut terra aut mari varia proeliorum fortuna invicem se trucidarent. (13) Denique fessi tot malis pacem in annos L fecere, quam non nisi sex annis servaverunt. (14) Nam indutias, quas proprio nomine condixerant, ex sociorum persona rumpebant, (15) quippe quasi minus periurii contraherent, si ferentes sociis auxilia potius quam si aperto proelio dimicassent. (16) Hinc bellum in Siciliam translatum, quod priusquam expono, de Siciliae situ pauca dicenda sunt.
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des Perikles als glänzend, aber noch viel glänzender war seine Gleichgültigkeit gegenüber seinem Privatvermögen. (8) Die Feinde hatten nämlich seine Felder bei der Plünderung der übrigen unversehrt gelassen, weil sie hofften, sie könnten ihn entweder wegen des entstehenden Neides in Gefahr oder wegen des Verdachts auf Verrat in Verruf bringen. (9) Perikles hatte das schon früher vorhergesehen und dem Volk vorhergesagt, dass es so kommen werde; und er hatte auch, um den Sturm des Neides abzuwenden, ebendiese Felder dem Staat zum Geschenk gemacht. (10) Und so fand er gerade dort den größten Ruhm, wo man ihn in Gefahr hatte bringen wollen. (11) Danach wurde, als einige Tage vergangen waren, in einer Seeschlacht gekämpft; besiegt flohen die Lakedaimonier. (12) Und man zögerte nachher nicht, sich entweder zu Lande oder zu Wasser mit wechselndem Schlachtenglück gegenseitig niederzumetzeln. (13) Schließlich schlossen sie, von so vielen Niederlagen erschöpft, Frieden für fünfzig Jahre, den sie aber nur sechs Jahre lang einhielten.38 (14) Denn sie brachen den Waffenstillstand, den sie in ihrem eigenen Namen vereinbart hatten, unter dem Deckmantel ihrer Verbündeten, (15) gleich als ob sie sich weniger des Meineids schuldig machten, wenn sie eher ihren Verbündeten Hilfe brächten, als wenn sie in offener Schlacht kämpften. (16) Darauf wurde der Krieg nach Sizilien hinübergetragen. Doch ehe ich39 ihn darlege, muss man einige wenige Worte über die Lage Siziliens sagen.
Prologus libri IV Quarto volumine continentur res Siculae, ab ultima origine usque ad deletam Syracusis Atheniensium classem.
Liber IV 1 (1) Siciliam ferunt angustis quondam faucibus Italiae adhaesisse direptamque velut a corpore maiore impetu superi maris, quod toto undarum onere illuc vehitur. (2) Est autem terra ipsa tenuis ac fragilis et cavernis quibusdam fistulisque ita penetrabilis, ut ventorum tota ferme flatibus pateat; (3) nec non et ignibus generandis nutriendisque soli ipsius naturalis materia, quippe intrinsecus stratum sulphure et bitumine traditur, (4) quae res facit, ut spiritu cum igne in terra interiore luctante frequenter et conpluribus locis nunc flammas, nunc vaporem, nunc fumum eructet. (5) Inde denique Aetnae montis per tot saecula durat incendium. (6) Et ubi acrior per spiramenta cavernarum ventus incubuit, harenarum moles egeruntur. (7) Proximum Italiae promuntorium Regium dicitur, ideo quia Graece abrupta hoc nomine pronuntiantur. (8) Nec mirum, si fabulosa est loci huius antiquitas, in quem res tot coiere mirae. (9) Primum quod nusquam alias tam torrens fretum, nec solum citato impetu, verum etiam saevo, neque experientibus modo terribile, verum etiam procul visentibus. (10) Undarum porro in se concurrentium tanta pugna est, ut alias veluti terga dantes in imum desidere, alias quasi victrices in sublime ferri videas; nunc hinc fremitum ferventis aestus, nunc illinc gemitum in voraginem desidentis exaudias. (11) Accedunt vicini et perpetui Aetnae montis ignes et insularum Aeolidum, velut ipsis undis alatur incendium; (12) neque enim in tam angustis terminis aliter durare tot saeculis tantus ignis potuisset, nisi et humoris nutrimentis aleretur. (13) Hinc igitur fabulae Scyllam et Charybdin peperere, hinc latratus auditus, hinc monstri credita simulacra, dum navigantes magnis verticibus pelagi desidentis exterriti latrare putant undas, quas sorbentis aestus vorago conlidit. (14) Eadem causa etiam Aetnae montis perpetuos
Vorwort zum 4. Buch Das vierte Buch enthält die Geschichte Siziliens vom ältesten Ursprung bis zur Vernichtung der Flotte der Athener im Hafen von Syrakus.
Buch 4 1 (1) Sizilien1 soll einst durch eine schmale Landenge mit Italien zusammengehangen haben und durch die Gewalt des oberen Meeres2, das mit der ganzen Wucht der Wogen dorthin strömt, wie von einem größeren Körper weggerissen worden sein.3 (2) Das Land selbst aber ist dünn und brüchig und durch etliche Höhlen und Röhren so durchlässig, dass es fast in seiner Gesamtheit dem Wehen der Winde offensteht. (3) Und auch der Boden selbst ist in seiner Zusammensetzung von Natur aus so beschaffen, dass er Feuer hervorbringt und nährt, denn im Inneren soll er mit Schwefel und Erdpech bedeckt sein. (4) So kommt es, dass der Boden, wenn der Windhauch mit dem Feuer im Erdinneren kämpft, häufig und an mehreren Stellen bald Flammen, bald Dampf, bald Rauch ausstößt. (5) Daher dauert nun der Brand des Berges Ätna4 so viele Jahrhunderte lang an. (6) Und wo ein heftigerer Wind durch die Luftlöcher der Höhlen eindringt, werden Sandmassen herausgeworfen. (7) Das Vorgebirge, das Italien am nächsten liegt, wird deshalb Rhegion genannt, weil man auf Griechisch steil abfallende Klippen mit diesem Wort bezeichnet.5 (8) Und es ist nicht verwunderlich, wenn die frühe Geschichte dieses Ortes sagenumwoben ist, da an ihm so viele wunderbare Naturereignisse zusammenkommen. (9) Zuerst, dass nirgendwo sonst6 das Meer so ungestüm ist, nicht nur mit schnellem, sondern auch mit wildem Ansturm, und schrecklich nicht nur für diejenigen, die es unmittelbar erleben müssen, sondern auch für diejenigen, die es nur aus der Ferne betrachten. (10) Ferner ist der Kampf der gegeneinander anstürmenden Wogen so gewaltig, dass man die einen, als ob sie fliehen würden, in die Tiefe hinabsinken, die anderen sich gleichsam als Sieger in die Höhe erheben sieht. Bald kann man hier das Tosen der Flut, wenn sie aufbrandet, bald dort das Brausen, wenn sie in den Abgrund hinabsinkt, vernehmen. (11) Hinzu kommen die benachbarten und ewigen Feuer des Berges Ätna und der Aiolischen Inseln7, als ob der Brand von den Wogen selbst genährt würde. (12) Anders hätte nämlich in so engen Grenzen ein so großes Feuer nicht so viele Jahrhunderte lang andauern können, wenn es nicht auch von feuchter Nahrung genährt würde. (13) Daher also brachten Mythen8 eine Skylla9 und eine Charybdis10 hervor, daher hörte man ein Bellen, daher glaubte man, ein Ungeheuer zu sehen, während die Seefahrer durch die gewaltigen Strudel des sich senkenden Meeres in Schrecken versetzt wurden und meinten, dass die Wogen, die der Abgrund der schlürfenden Flut zusammenschlägt, bellten (14) Dieselbe Ursache liegt auch den beständigen Feuern des
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ignes facit. (15) Nam aquarum ille concursus raptum secum spiritum in imum fundum trahit atque ibi suffocatum tam diu tenet, donec per spiramenta terrae diffusus nutrimenta ignis incendat. (16) Iam ipsa Italiae Siciliaeque vicinitas, iam promuntoriorum altitudo ipsa ita similis est, ut quantum nunc admirationis, tantum antiquis terroris dederit, credentibus, coeuntibus in se promuntoriis ac rursum discedentibus solida intercipi absumique navigia. (17) Neque hoc ab antiquis in dulcedinem fabulae conpositum, sed metu et admiratione transeuntium. (18) Ea est enim procul inspicientibus natura loci, ut sinum maris, non transitum putes, quo cum accesseris, discedere ac seiungi promuntoria, quae ante iuncta fuerant, arbitrere. 2 (1) Siciliae primo Trinacriae nomen fuit, postea Sicania cognominata est. (2) Haec a principio patria Cyclopum fuit, quibus extinctis Cocalus regnum insulae occupavit. (3) Post quem singulae civitates in tyrannorum imperium concesserunt, quorum nulla terra feracior fuit. (4) Horum ex numero Anaxilaus iustitia cum ceterorum crudelitate certabat, cuius moderationis haud mediocrem fructum tulit; (5) quippe decedens cum filios parvulos reliquisset tutelamque eorum Micalo, spectatae fidei servo, commisisset, tantus amor memoriae eius apud omnes fuit, ut parere servo quam deserere regis filios mallent principesque civitatis obliti dignitatis suae regni maiestatem administrari per servum paterentur. (6) Imperium Siciliae etiam Karthaginienses temptavere, diuque varia victoria cum tyrannis dimicatum. (7) Ad postremum amisso Hamilcare imperatore cum exercitu aliquantisper quievere victi. 3 (1) Medio tempore, cum Regini discordia laborarent civitasque per dissensionem divisa in duas partes esset, veterani ex altera parte ab Himera in auxilium vocati, pulsis civitate contra quos inplorati fuerant et mox caesis quibus tulerant auxilium, urbem cum coniugibus et liberis sociorum occupavere, (2) ausi facinus nulli tyranno conparandum, quippe ut Reginis melius
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Berges Ätna zugrunde. (15) Denn jenes Zusammenströmen des Wassers zieht die mit sich fortgerissene Luft in die unterste Tiefe hinab und hält sie dort so lange erstickt zurück, bis sie durch die Luftlöcher der Erde verbreitet wird und die Brennstoffe entzündet. (16) Außerdem sind Italien und Sizilien so eng benachbart, außerdem ist auch die Höhe ihrer Vorgebirge so ähnlich, dass das bei den Alten ebenso viel Schrecken verursachte wie jetzt Staunen, da sie glaubten, die Vorgebirge würden miteinander zusammenstoßen und wieder auseinandertreten und dadurch massive Schiffe erfassen und vernichten. (17) Und das haben die Alten erdichtet, nicht um eine reizvolle Sage zu erfinden, sondern weil diejenigen, die dort mit dem Schiff vorbeifuhren11, Furcht und Bewunderung empfanden. (18) Die natürliche Beschaffenheit des Ortes erscheint nämlich bei einem Blick aus der Ferne so, dass man sie für einen Meerbusen und nicht für eine Wasserstraße halten kann; wenn man sich aber der Stelle nähert, kann man glauben, die vorher verbundenen Vorgebirge würden auseinandertreten und sich trennen. 2 (1) Sizilien trug anfangs den Namen Trinakria12, später wurde es Sikanien genannt.13 (2) Die Insel war zu Beginn die Heimat der Kyklopen14; nach deren Vernichtung ergriff Kokalos die Herrschaft über die Insel. (3) Nach seinem Tod gerieten einzelne Gemeinden unter die Herrschaft von Tyrannen, die kein anderes Land in reicherer Zahl hervorbrachte. (4) Einer von ihnen, Anaxilaos15, wetteiferte durch seine Gerechtigkeit mit der Grausamkeit der Übrigen und trug keinen geringen Gewinn aus diesem maßvollen Verhalten davon. (5) Denn als er bei seinem Tod kleine Söhne hinterließ und Mikalos16, einem Sklaven von bewährter Treue, die Vormundschaft über sie anvertraute, erinnerten sich alle mit solcher Zuneigung an Anaxilaos, dass sie lieber einem Sklaven gehorchen als die Söhne des Königs im Stich lassen wollten. Und die hochgestellten Männer der Gemeinde setzen ihren eigenen Rang hintan und ließen zu, dass die Hoheitsgewalt des Reiches durch einen Sklaven vertreten wurde.17 (6) Auch die Karthager18 versuchten, die Herrschaft über Sizilien zu gewinnen, und kämpften lange gegen die Tyrannen, wobei Sieg und Niederlage sich abwechselten. (7) Nachdem die Karthager ihren Feldherrn Hamilkar19 mitsamt seinem Heer verloren hatten, verhielten sie sich zuletzt als Besiegte eine Zeit lang20 ruhig. 3 (1) Als in der Zwischenzeit die Einwohner von Rhegion21 unter Zwietracht litten und die Bürgerschaft sich aufgrund des Zwistes in zwei Parteien gespalten hatte, rief die eine Partei die altgedienten Soldaten aus Himera22 zu Hilfe. Diese vertrieben die Leute, gegen die man sie um Hilfe angefleht hatte, aus der Stadt. Bald aber töteten sie auch diejenigen, denen sie Hilfe gebracht hatten, und nahmen dann die Stadt mitsamt den Ehefrauen und Kindern ihrer Verbündeten in Besitz. (2) Damit wagten sie eine Schandtat, die der keines Tyrannen vergleichbar war, sodass es freilich für die Einwohner von Rhegion besser gewesen wäre,
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fuerit vinci quam vicisse. (3) Nam sive victoribus captivitatis iure servissent sive amissa patria exulare necesse habuissent, non tamen inter aras et patrios lares trucidati crudelissimis tyrannis patriam cum coniugibus ac liberis praedam reliquissent. (4) Catinienses quoque cum Syracusanos graves paterentur, diffisi viribus suis auxilium ab Atheniensibus petivere; (5) qui seu studio maioris imperii, quod Asiam Graeciamque penitus occupaverant, seu metu factae nuper a Syracusanis classis, ne Lacedaemoniis illae vires accederent, Lamponium ducem cum classe in Siciliam misere, ut sub specie ferendi Catiniensibus auxilii temptarent Siciliae imperium. (6) Et quoniam prima initia frequenter caesis hostibus prospera fuerant, maiore denuo classe et robustiore exercitu Lachete et Chariade ducibus Siciliam petivere; (7) sed Catinienses sive metu Atheniensium sive taedio belli pacem cum Syracusanis remissis Atheniensium auxiliis fecerunt. 4 (1) Interiecto deinde tempore, cum fides pacis a Syracusanis non servaretur, denuo legatos Athenas mittunt, qui sordida veste, capillo barbaque promissis et omni squaloris habitu ad misericordiam commovendam adquisito contionem deformes adeunt; (2) adduntur precibus lacrimae et ita misericordem populum supplices movent, ut damnarentur duces, qui ab his auxilia deduxerant. (3) Igitur classis ingens decernitur; creantur duces Nicias et Alcibiades et Lamachos, tantisque viribus Sicilia repetitur, ut ipsis terrori essent, in quorum auxilia mittebantur. (4) Brevi post tempore revocato ad reatum Alcibiade duo proelia pedestria secunda Nicias et Lamachos faciunt; (5) munitionibus deinde circumdatis hostes etiam marinis commeatibus in urbe clausos intercludunt. (6) Quibus rebus fracti Syracusani auxilium a Lacedaemoniis petiverunt. (7) Ab his mittitur Gylippus solus, sed in quo instar omnium auxiliorum erat. (8) Is audito in itinere belli iam inclinato statu
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besiegt zu werden, als gesiegt zu haben. (3) Denn sei es, dass sie den Siegern nach den Regeln der Gefangenschaft als Sklaven gedient hätten, sei es, dass sie nach dem Verlust ihrer Heimat in der Verbannung hätten leben müssen – wenigstens wären sie nicht inmitten ihrer eigenen Altäre und väterlichen Laren niedergemetzelt worden und hätten nicht den grausamsten Tyrannen ihre Heimat mitsamt ihren Ehefrauen und Kindern als Beute hinterlassen müssen. (4) Als auch die Bewohner von Katane23 schwer zu leiden hatten, und zwar unter den Syrakusanern, hatten sie kein Vertrauen in ihre eigenen Kräfte und baten daher die Athener um Hilfe. (5) Die Athener schickten – sei es im Bestreben nach einem größeren Machtbereich, weil sie schon Kleinasien und Griechenland ganz in Besitz genommen hatten, sei es aus Furcht vor der unlängst von den Syrakusanern erbauten Flotte und davor, dass diese Streitkräfte sich den Lakedaimoniern anschließen könnten – den Feldherrn Lamponios24 mit einer Flotte nach Sizilien, um unter dem Anschein, als wollten sie den Bewohnern von Katane Hilfe bringen, zu versuchen, ob sie die Herrschaft über Sizilien erringen könnten. (6) Und weil die ersten Anfänge glücklich verlaufen waren, da man die Feinde häufig geschlagen hatte, segelten sie noch einmal mit einer größeren Flotte und einem stärkeren Heer unter der Führung des Laches und des Charias25 nach Sizilien. (7) Die Bewohner von Katane aber schickten – sei es aus Furcht vor den Athenern, sei es aus Überdruss am Krieg – die Hilfstruppen der Athener wieder zurück und schlossen mit den Syrakusanern Frieden. 4 (1) Als dann einige Zeit26 vergangen war und die Syrakusaner das Friedensversprechen nicht einhielten, schickten die Bewohner von Katane abermals Gesandte nach Athen. Diese wandten sich in schmutzigem Gewand, mit langem Kopf- und Barthaar und vollständig in Trauerkleidung, die sie angelegt hatten, um Mitleid zu erregen, ganz verunstaltet an die Versammlung. (2) Zu den Bitten kamen noch Tränen, und so sehr rührten sie mit ihrem Flehen das mitleidige Volk, dass die Feldherren, die von ihnen die Hilfstruppen abgezogen hatten, verurteilt wurden. (3) Also wurde die Entsendung einer gewaltigen Flotte beschlossen; als Feldherren wurden Nikias27, Alkibiades28 und Lamachos29 gewählt. Und die Streitkräfte, mit denen man zum zweiten Mal nach Sizilien fuhr, waren so groß, dass sie selbst denjenigen Schrecken einjagten, zu deren Unterstützung sie gesandt wurden. (4) Als man Alkibiades kurze Zeit später abberief, um ihn unter Anklage zu stellen,30 schlugen Nikias und Lamachos zwei siegreiche Schlachten zu Lande. (5) Hierauf umgaben sie Syrakus31 mit einer Befestigung und schnitten die in der Stadt eingeschlossenen Feinde auch von der Zufuhr zur See ab. (6) Durch diese Rückschläge gebrochen, baten die Syrakusaner die Lakedaimonier um Hilfe. (7) Die Lakedaimonier entsandten nur Gylippos,32 aber er war so viel wert wie alle Hilfstruppen zusammen. (8) Als er unterwegs hörte, dass die Kriegslage sich schon zum Schlechten gewendet hatte, besetzte
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auxiliis partim in Graecia, partim in Sicilia contractis opportuna bello loca occupat. (9) Duobus deinde proeliis victus, congressus tertio occiso Lamacho et hostes in fugam conpulit et socios obsidione liberavit. (10) Sed cum Athenienses a bello terrestri in navale se transtulissent, Gylippus classem a Lacedaemone cum auxiliis arcessit. (11) Quo cognito et ipsi Athenienses in locum amissi ducis Demosthenen et Eurymedonta cum supplemento copiarum mittunt. (12) Peloponnesii quoque communi civitatum decreto ingentia Syracusanis auxilia misere, et quasi Graeciae bellum in Siciliam translatum esset, ita ex utraque parte summis viribus dimicabatur. 5 (1) Prima igitur congressione navalis certaminis Athenienses vincuntur; castra quoque cum omni publica ac privata pecunia amittunt. (2) Super haec mala cum etiam terrestri proelio victi essent, tunc Demosthenes censere coepit, ut abirent Sicilia, dum res quamvis adflictae nondum tamen perditae forent. (3) Neque in bello male auspicato amplius perseverandum; esse domi graviora et forsitan infeliciora bella, in quae reservare hos urbis apparatus oporteat. (4) Nicias seu pudore male actae rei, seu metu destitutae spei civium, seu inpellente fato manere contendit. (5) Reparatur igitur navale bellum et animi a prioris fortunae procella ad spem certaminis revocantur; (6) sed inscitia ducum, qui inter angustias maris tuentes se Syracusanos adgressi, facile vincuntur. (7) Eurymedon dux in prima acie fortissime dimicans primus cadit, XXX naves, quibus praefuerat, incenduntur. (8) Demosthenes et Nicias et ipsi victi exercitum in terram deponunt, tutiorem fugam rati itinere terrestri. (9) Ab his relictas CXXX naves Gylippus invasit, ipsos deinde insequitur; fugientes partim capit, partim caedit. (10) Demosthenes amisso exercitu a captivitate gladio et voluntaria morte se vindicat, (11) Nicias autem ne Demosthenis quidem exemplo ut sibi consuleret admonitus cladem suorum auxit dedecore captivitatis.
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er mit Hilfstruppen, die er teils in Griechenland, teils in Sizilien zusammengezogen hatte, die für die Kriegführung günstigen Plätze. (9) Hierauf wurde er in zwei Schlachten besiegt, doch er kämpfte zum dritten Mal und schlug, nachdem Lamachos getötet worden war,33 die Feinde in die Flucht und befreite auch die Verbündeten aus der Belagerung. (10) Doch da die Athener sich vom Land- auf den Seekrieg verlegt hatten, ließ Gylippos von Lakedaimon eine Flotte mit Hilfstruppen kommen. (11) Als die Athener das erfuhren, schickten sie ihrerseits Demosthenes34 und Eurymedon35 mit Ergänzungstruppen als Ersatz für den gefallenen Feldherrn. (12) Auch die Peloponnesier schickten infolge eines gemeinsamen Beschlusses der Staaten den Syrakusanern gewaltige Hilfstruppen, und als ob der Krieg der Griechen nach Sizilien hinübergetragen worden wäre, so wurde auf beiden Seiten mit höchster Kraftanstrengung gekämpft. 5 (1) So wurden die Athener im ersten Seegefecht besiegt. Sie verloren auch ihr Lager mitsamt der ganzen Staatskasse und ihrem Privatvermögen. (2) Weil sie zusätzlich zu diesen Unglücksfällen auch noch in einer Landschlacht besiegt wurden, begann dann Demosthenes, die Ansicht zu äußern, sie sollten aus Sizilien abziehen, solange die Lage, wie misslich sie auch sein möge, doch noch nicht ganz hoffnungslos sei. (3) Und man dürfe nicht länger auf einem unter ungünstigen Vorzeichen begonnenen Krieg bestehen; zu Hause gebe es wichtigere und vielleicht unglücklichere Kriege, für die man diese Bestände der Stadt erhalten müsse. (4) Nikias hingegen – sei es aus Scham über den schlechten Verlauf, sei es aus Angst wegen der enttäuschten Hoffnung der Bürger, sei es, weil das Schicksal ihn dazu trieb – bestand darauf, zu bleiben. (5) Daher wurde der Krieg zur See wieder aufgenommen, und die Soldaten schöpften nach dem Sturm des früheren Unglücks wieder Hoffnung für den Kampf. (6) Doch durch die Ungeschicklichkeit ihrer Feldherren, die auf die Syrakusaner einen Angriff unternahmen, obwohl diese sich inmitten ihrer Meerenge36 schützten, wurden die Athener mit Leichtigkeit besiegt. (7) Der Feldherr Eurymedon37, der in der ersten Reihe sehr tapfer kämpfte, fiel als Erster; die dreißig Schiffe, die er befehligt hatte, wurden in Brand gesteckt. (8) Demosthenes und Nikias wurden ihrerseits besiegt und brachten ihr Heer an Land in Sicherheit, weil sie glaubten, auf dem Landweg sei die Flucht sicherer. (9) Der einhundertdreißig Schiffe, die sie zurückgelassen hatten, bemächtigte sich Gylippos, hierauf verfolgte er sie selbst; die Fliehenden ließ er teils gefangen nehmen, teils töten. (10) Nach dem Verlust seines Heeres gab Demosthenes sich mit seinem Schwert den Tod38 und rettete sich so vor der Gefangenschaft; (11) Nikias aber wurde durch das Vorbild nicht einmal des Demosthenes dazu ermahnt, auf seine Rettung bedacht zu sein, und vergrößerte die Niederlage seiner Leute noch durch die Schmach der Gefangenschaft.
Prologus libri V Quinto volumine continentur haec. Bellum inter Athenienses et Lacedaemonios, quod Deceleicum vocatur, usque ad captas Athenas. Ut expulsi sunt Athenis XXX tyranni. Bellum quod Lacedaemonii in Asia cum Artaxerxe gesserunt propter Cyrum adiutum. Hinc repetitum in excessu Cyri cum fratre bellum et Graecorum, qui sub eo militaverunt.
Liber V 1 (1) Dum Athenienses in Sicilia bellum per biennium cupidius quam felicius gerunt, interim concitor et dux eius Alcibiades absens Athenis insimulatur mysteria Cereris initiorum sacra, nullo magis quam silentio sollemnia, enuntiavisse, (2) revocatusque a bello ad iudicium, sive conscientia sive indignitatem rei non ferens, tacitus in exilium Elidem profectus est. (3) Inde, ubi non damnatum se tantum, verum etiam diris per omnium sacerdotum religiones devotum cognovit, Lacedaemona se contulit (4) ibique regem Lacedaemoniorum inpellit turbatis Atheniensibus adverso Siciliae proelio ultro bellum inferre. (5) Quo facto omnia Graeciae regna velut ad extinguendum commune incendium concurrunt; (6) tantum odium Athenienses inmoderati imperii crudelitate contraxerant. (7) Darius quoque, rex Persarum, memor paterni avitique in hanc urbem odii facta cum Lacedaemoniis per Tisaphernen, praefectum Lydiae, societate omnem sumptum belli pollicetur. (8) Et erat hic quidem titulus cum Graecis coeundi; re autem vera timebat, ne victis Atheniensibus ad se Lacedaemonii arma transferrent. (9) Quis igitur miretur tam florentes Atheniensium opes ruisse, cum ad opprimendam unam urbem totius Orientis vires concurrerent? (10) Non tamen inerti neque incruento cecidere bello, sed proeliati ad ultimum, victores etiam interdum, consumpti magis fortunae varietate quam victi sunt.
Vorwort zum 5. Buch Das fünfte Buch enthält Folgendes: Den Krieg zwischen den Athenern und den Lakedaimoniern, der Dekeleischer1 genannt wird, bis zur Einnahme Athens. Wie die dreißig Tyrannen aus Athen vertrieben wurden. Den Krieg, den die Lakedaimonier in Asien gegen Artaxerxes wegen der Unterstützung des Kyros führten. Darauf ist in einem Exkurs der Krieg des Kyros gegen seinen Bruder und jener der Griechen, die unter ihm Kriegsdienst leisteten, nachgetragen.
Buch 5 1 (1) Während die Athener in Sizilien den Krieg zwei Jahre lang mit mehr Leidenschaft als Glück führten, wurde unterdessen sein Anstifter und Anführer, Alkibiades, in Abwesenheit in Athen beschuldigt, er habe die heiligen Geheimriten der Ceres verraten, deren Feierlichkeit gerade darin besteht, dass man sie verschweigt. (2) Und als Alkibiades vom Krieg zum Gerichtsverfahren zurückgerufen wurde,2 brach er – sei es aus Schuldbewusstsein, sei es, weil er die schmachvolle Anklage nicht ertragen konnte – heimlich in die Verbannung nach Elis3 auf. (3) Sobald er erfuhr, dass er nicht nur verurteilt, sondern auch von allen Priestern in heiligen Zeremonien mit Verwünschungen verflucht worden war, begab er sich von Elis nach Lakedaimon.4 (4) Und dort drängte er den König der Lakedaimonier5 dazu, die Athener, die durch die unglücklich verlaufene Schlacht in Sizilien in Bedrängnis geraten waren, von sich aus anzugreifen. (5) Daraufhin liefen alle Staaten Griechenlands zusammen, wie um einen gemeinsamen Brand zu löschen. (6) Einen so großen Hass hatten die Athener sich durch die Grausamkeit und Maßlosigkeit ihrer Herrschaft zugezogen. (7) Auch Dareios6, der König der Perser, schloss in Erinnerung an den Hass seines Vaters7 und seines Großvaters8 auf diese Stadt mit den Lakedaimoniern durch Tisaphernes, den Statthalter von Lydien, ein Bündnis9 und versprach, alle Kriegskosten zu übernehmen. (8) Freilich war dieses Angebot nur ein Vorwand, um sich mit den Griechen verbünden zu können; in Wahrheit fürchtete Dareios nämlich, dass die Lakedaimonier nach ihrem Sieg über die Athener ihre Waffen gegen ihn richten würden. (9) Wer könnte sich also wundern, dass die so blühende Macht der Athener niedersank, da zur Vernichtung einer einzigen Stadt die Streitkräfte des ganzen Orients zusammenliefen? (10) Dennoch gingen die Athener nicht tatenlos und auch nicht in einem unblutigen Krieg unter, sondern kämpften bis zuletzt, waren bisweilen sogar siegreich und wurden eher durch die Unbeständigkeit des Schicksals vernichtet als tatsächlich besiegt.
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(11) Principio belli omnes ab his etiam socii desciverant, ut fit: quo se fortuna, eodem etiam favor hominum inclinat. 2 (1) Alcibiades quoque motum adversus patriam bellum non gregarii militis opera, sed imperatoris virtutibus adiuvat; (2) quippe acceptis V navibus in Asiam contendit et tributarias Atheniensium civitates auctoritate nominis sui ad defectionem conpellit. (3) Sciebant enim domi clarum, nec exilio videbant factum minorem, nec tam ablatum Atheniensibus ducem quam Lacedaemoniis traditum, partaque cum amissis imperia pensare. (4) Sed apud Lacedaemonios virtus Alcibiadis plus invidiae quam gratiae contraxit. (5) Itaque cum principes velut aemulum gloriae suae interficiendum insidiis mandassent, cognita re Alcibiades per uxorem Agidis regis, quam adulterio cognoverat, ad Tisaphernen, praefectum Darii regis, profugit, cui se celeriter officii comitate et obsequendi gratia insinuavit. (6) Erat enim et aetatis flore et formae veneratione nec minus eloquentia etiam inter Athenienses insignis, (7) sed in conciliandis amicitiarum studiis quam in retinendis vir melior, quia morum vitia sub umbra eloquentiae primo latebant. (8) Igitur persuadet Tisapherni, ne tanta stipendia classi Lacedaemoniorum praeberet; (9) vocandos enim in portionem muneris Ionios, quorum pro libertate, cum tributa Atheniensibus penderent, bellum sus ceptum sit. (10) Sed nec auxiliis nimis enixe Lacedaemonios iuvandos; quippe memorem esse debere alienam se victoriam, non suam instruere, et eatenus bellum sustinendum, ne inopia deseratur. (11) Nam regem Persarum dissentientibus Graecis arbitrum pacis ac belli fore, et quos suis non possit, ipsorum armis victurum; perfecto autem bello statim ei cum victoribus dimicandum. (12) Domesticis itaque bellis Graeciam obterendam, ne externis vacet, exaequandasque vires partium et inferiores auxilio levandos. (13) Non enim quieturos post hanc victoriam Spartanos, quia vindices se libertatis Graeciae
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(11) Zu Beginn des Krieges10 waren alle, sogar ihre Verbündeten, von ihnen abgefallen,11 so wie es eben geschieht: Wohin das Glück sich neigt, dorthin neigt sich auch die Gunst der Menschen. 2 (1) Auch Alkibiades unterstützte den gegen sein Vaterland angestifteten Krieg, nicht durch den Dienst als einfacher Soldat, sondern durch seine Fähigkeiten als Feldherr. (2) Denn als er fünf Schiffe erhielt, segelte er eilends nach Asien und trieb die tributpflichtigen Städte der Athener12 durch das Ansehen seines Namens dazu, von Athen abzufallen. (3) Sie wussten nämlich, dass Alkibiades in seiner Heimat berühmt war, und sahen, dass er durch die Verbannung nicht unbedeutender geworden war, dass er als Feldherr nicht so sehr den Athenern entrissen als vielmehr den Lakedaimoniern geschenkt worden war und die erworbene Kommandogewalt mit der verlorenen aufwog. (4) Doch bei den Lakedaimoniern zog Alkibiades sich durch seine Tüchtigkeit mehr Neid als Dank zu. (5) Als daher die hochgestellten Männer Anweisung gaben, ihn gleichsam als Rivalen ihres eigenen Ruhmes heimtückisch zu töten, erfuhr Alkibiades durch die Gemahlin13 des Königs Agis, mit der er ein ehebrecherisches Verhältnis hatte, von dem Vorhaben und floh zu Tisaphernes, dem Statthalter des Königs Dareios, bei dem er sich schnell durch gefällige Dienstbeflissenheit und willfährigen Gehorsam einschmeichelte. (6) Er stach nämlich sowohl durch sein blühendes Alter als auch durch seine verehrungswürdige Schönheit und nicht weniger durch seine Beredsamkeit sogar unter den Athenern hervor. (7) Doch er war ein Mann, der erfolgreicher war in seinen Bemühungen, Freundschaften zu gewinnen, als zu bewahren, weil die Fehler seines Charakters anfangs im Schatten seiner Beredsamkeit verborgen blieben. (8) Nun überredete er Tisaphernes, der Flotte der Lakedaimonier keinen so hohen Sold zu zahlen; (9) es müssten nämlich die Jonier für einen Teil dieser Zahlung her angezogen werden, für deren Freiheit – sie müssten ja den Athenern Tribute zahlen – man den Krieg überhaupt unternommen habe. (10) Aber auch mit Hilfstruppen dürfe man die Lakedaimonier nicht allzu eifrig unterstützen. Tisaphernes müsse nämlich daran denken, dass seine Vorbereitungen einem fremden Sieg, nicht seinem eigenen dienten, und man dürfe den Krieg nur so weit aufrechterhalten, dass er nicht aus Mangel aufgegeben werde. (11) Denn der König der Perser werde, wenn die Griechen uneins seien, der Schiedsrichter über Krieg und Frieden sein und diejenigen, die er nicht mit seinen Waffen besiegen könne, mit ihren eigenen besiegen; nach Kriegsende aber müsse er sofort gegen die Sieger kämpfen. (12) Daher müsse Griechenland durch innere Kriege aufgerieben werden, damit es keine Zeit für Kriege in fremden Ländern habe; die Kräfte der Parteien müssten ausgeglichen und die Schwächeren durch Hilfe unterstützt werden. (13) Ruhig verhalten würden die Spartaner sich nach diesem Sieg nämlich nicht, weil sie sich zu Beschützern der Freiheit Griechen-
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professi sint. (14) Grata oratio Tisapherni fuit. Itaque commeatus maligne praebere, classem regiam non totam mittere, ne aut victoriam daret aut necessitatem deponendi belli inponeret. 3 (1) Interea Alcibiades hanc operam civibus venditabat. (2) Ad quem cum legati Atheniensium venissent, pollicetur his amicitiam regis, si res publica a populo translata ad senatum foret, (3) sperans ut aut concordante civitate dux belli ab omnibus legeretur aut discordia inter ordines facta ab altera parte in auxilium vocaretur. (4) Sed Atheniensibus inminente periculo belli maior salutis quam dignitatis cura fuit. (5) Itaque permittente populo imperium ad senatum transfertur. (6) Qui cum insita genti superbia crudeliter in plebem consuleret, singulis tyrannidis sibi inpotentiam vindicantibus, ab exercitu Alcibiades exul revocatur duxque classi constituitur. (7) Statim igitur Athenas scribit, ex continenti se cum exercitu venturum recepturumque a quadringentis iura populi, ni ipsi redderent. (8) Hac denuntiatione optimates territi primo urbem prodere Lacedaemoniis temptavere, dein, cum id nequissent, in exilium profecti sunt. (9) Igitur Alcibiades intestino malo patria liberata summa cura classem instruit atque ita in bellum adversus Lacedaemonios pergit. 4 (1) Iam Sesto Mindarus et Pharnabazus, Lacedaemoniorum duces, instructis navibus expectabant. (2) Proelio commisso victoria penes Athenienses fuit. In eo bello maior pars exercitus et omnes ferme hostium duces caesi, naves LXXX captae. (3) Interiectis quoque diebus, cum bellum Lacedaemonii a mari in terram transtulissent, iterato vincuntur. (4) His malis fracti pacem petiere, quam ne acciperent opera eorum effectum est, quibus ea res quaestum praebebat. (5) Interea et Syracusanorum auxilia inlatum a Karthaginiensibus Siciliae bellum domum revocavit. (6) Quibus rebus destitutis Lacedaemoniis Alcibiades cum classe victrici Asiam vastat, multis locis proelia facit, ubique victor recipit civitates, quae defecerant, nonnullas capit et imperio Atheniensium adicit, (7) atque ita prisca navali gloria vindicata,
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lands erklärt hätten. (14) Diese Rede war dem Tisaphernes willkommen. Daher lieferte er nur kärglich Nachschub und schickte nicht die ganze königliche Flotte, um den Spartanern weder den Sieg zu schenken noch sie in eine solche Lage zu bringen, dass sie den Krieg notgedrungen beenden mussten. 3 (1) Inzwischen versuchte Alkibiades, diesen Dienst seinen Mitbürgern zu verkaufen. (2) Als Gesandte der Athener zu ihm kamen, versprach er ihnen die Freundschaft des Königs, wenn die Staatsgeschäfte vom Volk auf den Rat14 übertragen würden. (3) Denn er hoffte, dass er entweder, wenn die Bürgerschaft einträchtig sei, von allen zum Anführer des Krieges gewählt oder, wenn Zwietracht unter den Ständen aufgekommen sei, von der einen Partei zu Hilfe gerufen werde. (4) Aber die Athener waren wegen der drohenden Kriegsgefahr mehr um ihr Wohl als um ihre Würde besorgt. (5) Daher wurde mit Erlaubnis des Volkes die Herrschaft auf den Rat übertragen.15 (6) Da der Rat mit der Überheblichkeit, die diesem Stand angeboren ist, grausam gegen das einfache Volk verfuhr, indem Einzelne eine zügellose Tyrannenherrschaft für sich beanspruchten, wurde der verbannte Alkibiades vom Heer zurückgerufen und als Befehlshaber der Flotte eingesetzt. (7) Er schrieb also sofort nach Athen, er werde unverzüglich mit dem Heer kommen und den Vierhundert die Rechte des Volkes wieder entziehen, wenn sie diese nicht selbst zurückgäben. (8) Durch diese Ankündigung in Schrecken versetzt, versuchten die Adeligen zuerst, die Stadt den Lakedaimoniern in die Hände zu spielen, dann, als sie das nicht vermochten, gingen sie in die Verbannung. (9) Nachdem also Alkibiades das Vaterland vom inneren Unheil befreit hatte, rüstete er mit höchster Sorgfalt eine Flotte aus und brach so in den Krieg gegen die Lakedaimonier auf. 4 (1) Schon warteten16 Mindaros17 und Pharnabazos18, die Anführer der Lakedaimonier, mit einer kampfbereiten Flotte in Sestos. (2) Als man sich eine Schlacht lieferte,19 lag der Sieg aufseiten der Athener. In diesem Gefecht wurden der größere Teil des Heeres und beinahe alle Anführer der Feinde niedergemacht, achtzig Schiffe wurden gekapert. (3) Und ebenso wurden die Lakedaimonier nach einigen Tagen, als sie den Krieg vom Meer auf das Land verlegten, noch einmal besiegt.20 (4) Durch diese Misserfolge gebrochen, baten sie um Frieden; dass sie ihn nicht erhielten, wurde durch die Bemühungen derer bewirkt, denen diese Entscheidung Gewinn brachte. (5) Inzwischen rief ein Krieg, den die Karthager gegen Sizilien begonnen hatten,21 auch die Hilfstruppen aus Syrakus nach Hause zurück. (6) Als die Lakedaimonier infolge dieser Umstände im Stich gelassen waren, verwüstete Alkibiades mit seiner siegreichen Flotte Asien, schlug an vielen Orten Schlachten, eroberte überall siegreich die abtrünnigen Städte zurück, nahm einige andere ein und fügte sie dem Machtbereich der Athener hinzu. (7) Und nachdem er so den alten Ruhm zur See wiederher-
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adiecta etiam laude terrestris belli, desideratus civibus suis Athenas revertitur. (8) His omnibus proeliis ducentae naves hostium et praeda ingens capta. (9) Ad hunc redeuntis exercitus triumphum effusa omnis multitudo obviam procedit et universos quidem milites, praecipue tamen Alcibiaden miratur; (10) in hunc oculos civitas universa, in hunc suspensa ora convertit, hunc quasi de caelo missum et velut ipsam Victoriam contuentur; (11) laudant quae pro patria, nec minus admirantur quae exul contra gesserit, excusantes ipsi, iratum provocatumque fecisse. (12) Enimvero tantum in uno viro fuisse momenti, ut maximi imperii subversi et rursum recepti auctor esset, et unde stetisset eo se victoria transferret, fieretque cum eo mira quaedam fortunae inclinatio. (13) Igitur omnibus non humanis tantum, verum et divinis eum honoribus onerant; certant secum ipsi, utrum contumeliosius eum expulerint an revocaverint honoratius. (14) Ipsos illi deos gratulantes tulere obviam, quorum execrationibus erat devotus, (15) et cui paulo ante omnem humanam opem interdixerant, eum, si queant, in caelo posuisse cupiunt. (16) Explent contumelias honoribus, detrimenta muneribus, execrationes precibus. (17) Non Siciliae illis adversa pugna in ore est, sed Graeciae victoria; non classes per illum amissae, sed adquisitae; nec Syracusarum, sed Ioniae Hellespontique meminerunt. (18) Sic Alcibiades numquam mediocribus nec in offensam nec in favorem studiis suorum exceptus est. 5 (1) Dum haec aguntur, et a Lacedaemoniis Lysander classi belloque praeficitur et in locum Tisaphernis Darius, rex Persarum, filium suum Cyrum Ioniae Lydiaeque praeposuit, qui Lacedaemonios auxiliis opibusque ad spem fortunae prioris erexit. (2) Aucti igitur viribus Alcibiaden cum centum navibus in Asiam profectum, dum agros longa pace divites securus populatur et praedae dulcedine sine insidiarum metu sparsos milites habet, repentino adventu oppressere; (3) tantaque caedes palantium fuit, ut plus vulneris eo proelio Athenienses acciperent, quam superioribus dederant, (4) et tanta desperatio
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gestellt und zusätzlich in einem Landkrieg Lob errungen hatte, kehrte er, von seinen Mitbürgern sehnsüchtig erwartet, nach Athen zurück.22 (8) In all diesen Schlachten wurden zweihundert Schiffe der Feinde und eine gewaltige Kriegsbeute erobert. (9) Zu diesem Triumph des zurückkehrenden Heeres strömte die ganze Volksmenge herbei, eilte ihm entgegen und bestaunte zwar sämtliche Soldaten, vor allem jedoch Alkibiades. (10) Ihm wandte die gesamte Bürgerschaft ihre Augen, ihm ihre erwartungsvollen Gesichter zu; ihn betrachteten sie, als ob er vom Himmel gesandt wäre, und wie die Siegesgöttin Victoria selbst. (11) Sie lobten, was er für das Vaterland, und bestaunten nicht weniger, was er als Verbannter gegen es vollbracht hatte, wobei sie selbst ihn damit entschuldigten, dass er es nur getan habe, weil er erzürnt und gereizt gewesen sei. (12) In der Tat habe dieser eine Mann so viel Einfluss besessen, dass er für den Umsturz des größten Reiches und wiederum für seine Wiedererrichtung verantwortlich gewesen sei, und auf wessen Seite er gestanden habe, dorthin habe sich auch der Sieg gewendet und zusammen mit ihm sei eine gewissermaßen wunderbare Schicksalswende eingetreten. (13) So überhäuften sie ihn mit allen nicht nur menschlichen, sondern auch göttlichen Ehren. Sie stritten miteinander, ob sie ihn mit größerer Schmach vertrieben oder mit größeren Ehren zurückgerufen hätten. (14) Die Götter selbst trugen sie ihm als Gratulanten entgegen, in deren Namen er vorher mit Verwünschungen verflucht worden war, (15) und denjenigen, dem sie kurz zuvor jede menschliche Unterstützung versagt hatten, wollten sie, wenn sie könnten, in den Himmel heben. (16) Sie wogen die früheren Schmähungen durch Ehrenbezeigungen auf, die Verluste durch Geschenke, die Flüche durch Segenswünsche. (17) Nicht der unglücklich verlaufene Kampf in Sizilien23 war in aller Munde, sondern der Sieg in Griechenland; nicht die durch ihn verlorene Flotte, sondern die gewonnene; nicht an Syrakus, sondern an Jonien und an den Hellespont dachten sie. (18) So wurde Alkibia des von seinen Mitbürgern niemals mit gemäßigten Gefühlen aufgenommen, weder in der Ungnade noch in der Gunst. 5 (1) Währenddessen übertrugen die Lakedaimonier Lysandros24 den Oberbefehl über die Flotte und den Krieg. Und Dareios, der König der Perser, setzte anstelle des Tisaphernes seinen Sohn Kyros25 als Statthalter von Jonien und Lydien ein. Kyros ermutigte die Lakedaimonier durch Hilfstruppen und Geldmittel dazu, auf ihr früheres Glück zu hoffen. (2) So an Macht gestärkt, überfielen sie in einem plötzlichen Angriff Alkibiades26, der mit hundert Schiffen nach Asien aufgebrochen war, soeben die durch die lange Friedenszeit reich gewordenen Felder unbekümmert plünderte und aus Beutelust ohne Angst vor einem Hinterhalt seine Soldaten sich zerstreuen ließ. (3) So groß war das Gemetzel an den umherstreifenden Männern, dass die Athener in diesem Gefecht mehr Schaden erlitten, als sie in den früheren zugefügt hatten. (4) Und so groß war
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apud Athenienses erat, ut ex continenti Alcibiaden ducem Conone mutarent, (5) arbitrantes victos se non fortuna belli, sed fraude imperatoris, apud quem plus prior offensa valuisset quam recentia beneficia; (6) vicisse autem eum priore bello ideo tantum, ut ostenderet hostibus, quem ducem sprevissent, et ut carius eis ipsam victoriam venderet. (7) Omnia enim credibilia in Alcibiade vigor ingenii et morum luxuria faciebat. (8) Veritus itaque multitudinis impetum denuo in voluntarium exilium proficiscitur. 6 (1) Itaque Conon Alcibiadi suffectus, habens ante oculos cui duci successisset, classem maxima industria exornat; (2) sed navibus exercitus deerat, fortissimis quibusque in Asiae populatione amissis. (3) Armantur tamen senes aut inpuberes pueri, et numerus militum sine exercitus robore expletur. (4) Sed non magnam bello moram aetas fecit inbellis; caeduntur passim aut fugientes capiuntur; tantaque strages aut occisorum aut captivorum fuit, ut Atheniensium deletum non imperium tantum, verum etiam nomen videretur. (5) Quo proelio perditis et desperatis rebus ad tantam inopiam rediguntur, ut consumpta militari aetate peregrinis civitatem, servis libertatem, damnatis inpunitatem darent. (6) Ex qua conluvione hominum domini antea Graeciae conscripto exercitu vix libertatem tuebantur. (7) Iterum tamen fortunam maris experiundam decernunt. (8) Tanta virtus animorum fuit, ut, cum paulo ante salutem desperaverint, nunc non desperent victoriam. (9) Sed neque is miles erat, qui nomen Atheniensium tueretur, neque eae vires, quibus vincere consuerant, neque ea scientia militaris in his, quos vincula, non castra continuerant. Itaque omnes aut capti aut occisi. (10) Cum dux Conon proelio superfuisset solus, crudelitatem civium metuens cum octo navibus ad regem Cyprium concedit Euagoram. 7 (1) autem, dux Lacedaemoniorum, rebus feliciter gestis fortunae hostium insultat. (2) Captivas naves cum praeda bellica in triumphi modum ornatas mittit Lacedaemona (3) ac tributarias Atheniensium
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die Verzweiflung bei den Athenern, dass sie unverzüglich Alkibiades als Anführer durch Konon27 ersetzten, (5) weil sie glaubten, sie seien nicht durch das Kriegsglück besiegt worden, sondern durch die Tücke des Feldherrn, bei dem die frühere Kränkung eben doch schwerer gewogen habe als die jüngst empfangenen Wohltaten. (6) Gesiegt aber habe er im früheren Krieg nur deshalb, um den Feinden zu zeigen, welchen Feldherrn sie verschmäht hätten, und um ihnen den eigentlichen Sieg teurer zu verkaufen. (7) Denn der lebhafte Charakter und der zügellose Lebenswandel des Alkibiades machten alle Vermutungen glaubhaft. (8) Daher brach Alkibiades aus Angst vor dem Ansturm der Menge abermals in die freiwillige Verbannung auf. 6 (1) Und so rückte Konon an die Stelle des Alkibiades. Da er vor Augen hatte, welchem Feldherrn er nachgefolgt war, rüstete er mit größtem Einsatz eine Flotte aus. (2) Doch den Schiffen fehlte ein Heer, da gerade die Tapfersten bei der Plünderung Asiens gefallen waren. (3) Es wurden nun also Greise und unreife Knaben bewaffnet, und so füllte man die Zahl der Soldaten ohne Kerntruppe des Heeres wieder auf. (4) Aber die nicht kriegstauglichen Jahrgänge konnten den Krieg nicht lange fortführen; überall wurden sie niedergemacht oder auf der Flucht gefangen genommen. Und so groß war der Verlust an Leuten durch Tod oder Gefangenschaft,28 dass nicht nur das Reich der Athener, sondern auch ihr Name ausgelöscht schien. (5) Weil die Lage der Athener durch diese Schlacht verzweifelt und hoffnungslos geworden war, gerieten sie in so große Not, dass sie nach der Vernichtung der wehrfähigen Jahrgänge Fremden das Bürgerrecht, Sklaven die Freiheit und Verurteilten die Straflosigkeit gewährten. (6) Und mit dem Heer, das man aus dieser zusammengewürfelten Menschenmasse ausgehoben hatte, konnten die ehemaligen Herren Griechenlands nur mit Mühe ihre Freiheit schützen. (7) Doch sie beschlossen, wiederum ihr Glück auf dem Meer zu erproben. (8) So groß war die Tapferkeit der Soldaten, dass sie, obgleich sie kurz zuvor an ihrer Rettung verzweifelt waren, nun nicht an ihrem Sieg zweifelten. (9) Aber weder war ein solcher Soldat vorhanden, der den Namen der Athener schützen konnte, noch solche Streitkräfte, mit denen sie zu siegen gewohnt waren, noch eine solche Kriegskenntnis bei denjenigen, die sich im Gefängnis, nicht im Heerlager aufgehalten hatten. Daher wurden alle entweder gefangen genommen oder getötet.29 (10) Weil der Anführer Konon als Einziger diese Schlacht überlebte, begab er sich aus Furcht vor der Grausamkeit seiner Mitbürger mit acht Schiffen zum zyprischen König Euagoras30. 7 (1) Lysandros aber, der Anführer der Lakedaimonier, trieb nach diesen glücklich vollbrachten Unternehmungen seinen Spott mit dem Schicksal der Feinde. (2) Die gekaperten Schiffe mitsamt der Kriegsbeute sandte er geschmückt wie bei einem Triumphzug nach Lakedaimon. (3) Die tributpflich-
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civitates, quas metus dubiae belli fortunae in fide tenuerat, voluntarias recipit, nec aliud dicionis Atheniensium praeter urbem ipsam relinquit. (4) Quae cuncta cum Athenis nuntiata essent, omnes relictis domibus per urbem discurrere pavidi, alius alium sciscitari, auctorem nuntii requirere; (5) non pueros inprudentia, non senes debilitas, non mulieres sexus inbecillitas domi tenet: adeo ad omnem aetatem tanti mali sensus penetraverat. (6) In foro deinde coeunt atque ibi perpeti nocte fortunam publicam questibus iterant. (7) Alii fratres aut filios aut parentes deflent; cognatos alii, alii amicos cognatis cariores, et cum privatis casibus querelam publicam miscent: (8) iam se ipsos, iam ipsam patriam perituram miserioremque incolumium quam amissorum fortunam iudicantes; (9) sibi quisque ante oculos obsidionem, famem et superbum victoremque hostem proponentes; (10) iam ruinam urbis et incendia, iam omnium captivitatem et miserrimam servitutem recordantes; (11) feliciores prorsus priores urbis ruinas ducentes, quae incolumibus filiis parentibusque tectorum tantum ruinae taxatae sint. (12) Nunc autem non classem, in quam sicuti pridem confugiant, super esse, non exercitum, cuius virtute servati pulchriora possent moenia extruere. 8 (1) Sic defletae ac prope perditae urbi hostes superveniunt et obsidione circumdata obsessos fame urgent. (2) Sciebant enim neque ex advectis copiis multum superesse, et ne novae advehi possent providerant. (3) Quibus malis Athenienses fracti post longam famem et adsidua suorum funera pacem petivere, quae an dari deberet, diu inter Spartanos sociosque deliberatum. (4) Cum multi delendum Atheniensium nomen urbemque incendio consumendam censerent, negaverunt se Spartani ex duobus Graeciae oculis alterum eruturos, (5) pacem polliciti, si demissa Piraeum versus muri bracchia deicerent navesque, quae reliquae forent, traderent, reique publicae ex semet ipsis XXX rectores acciperent. (6) In has leges traditam sibi urbem Lacedaemonii formandam
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tigen Städte der Athener, welche die Furcht vor dem zweifelhaften Kriegsglück im Treueverhältnis gehalten hatte, nahm er, ihrem eigenen Wunsch entsprechend, wieder in Besitz und ließ den Athenern nur noch die Macht über ihre eigene Stadt allein. (4) Als all das in Athen gemeldet wurde, verließen alle ihre Häuser und liefen furchtsam durch die Stadt; einer befragte den anderen, und sie erkundigten sich nach dem Urheber dieser Botschaft. (5) Die Knaben hielt nicht ihre Unkenntnis, die Greise nicht ihre Gebrechlichkeit, die Frauen nicht die Schwäche ihres Geschlechts zu Hause fest: So sehr war das Wissen um dieses so große Unglück zu jeder Altersstufe vorgedrungen. (6) Hierauf versammelten sie sich auf dem Marktplatz und beklagten dort wiederholt die ganze Nacht hindurch das Schicksal ihres Staates. (7) Die einen beweinten ihre Brüder oder Söhne oder Eltern, die Verwandten die anderen, wieder andere ihre Freunde, die ihnen teurer waren als ihre Verwandten. Und sie beklagten zugleich mit ihren persönlichen Unglücksfällen auch den Staat: (8) Sie glaubten, dass schon sie selbst, schon ihr Vaterland untergehen werde und dass das Schicksal der unversehrt gebliebenen Bürger bejammernswerter sei als das der gefallenen. (9) Jeder stellte sich Belagerung, Hungersnot und einen hochmütigen, siegreichen Feind vor Augen. (10) Schon dachten sie an den Untergang der Stadt und die Feuersbrünste, schon an die Gefangenschaft und die erbärmlichste Versklavung aller. (11) Sie hielten die früheren Zerstörungen der Stadt31 für wahrlich glücklicher, weil dabei die Söhne und Väter unversehrt geblieben und nur die Zerstörungen der Häuser zu verbuchen gewesen seien. (12) Nun aber sei keine Flotte mehr übrig, auf die sie sich so wie damals flüchten könnten, kein Heer, durch dessen Tapferkeit sie gerettet würden und ihre Mauern dann schöner wieder aufbauen32 könnten. 8 (1) Über die so beweinte und schon fast verloren geglaubte Stadt kamen die Feinde, schlossen sie durch einen Belagerungsring ein,33 hungerten die Belagerten aus und brachten sie in große Bedrängnis. (2) Sie wussten nämlich, dass von den zuvor herbeigeschafften Vorräten nicht mehr viel übrig war, und hatten dafür gesorgt, dass keine neuen herbeigeschafft werden konnten. (3) Durch diese Leiden gebrochen, baten die Athener nach langer Hungersnot und unablässigem Sterben ihrer Leute um Frieden; ob dieser aber gewährt werden solle, wurde bei den Spartanern und ihren Verbündeten lange erwogen. (4) Während viele der Meinung waren, der Name der Athener müsse ausgelöscht und die Stadt durch einen Brand zerstört werden, sagten die Spartaner, dass sie nicht von den zwei Augen Griechenlands das eine ausstechen würden. (5) Sie versprachen, den Athenern Frieden zu gewähren, wenn diese die zum Piräus hin abführenden Mauerarme niederreißen, die noch übrigen Schiffe übergeben und für ihren Staat dreißig Lenker aus den Reihen der Spartaner annehmen würden. (6) Als die Stadt sich zu diesen Bedingungen ergeben hatte, übertrugen
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Lysandro tradiderunt. (7) Insignis hic annus et expugnatione Athenarum et morte Darii, regis Persarum, et exilio Dionysii, Siciliae tyranni, fuit. (8) Mutato statu Athenarum etiam civium condicio mutatur. (9) XXX rectores rei publicae constituuntur, qui fiunt tyranni. (10) Quippe a principio tria milia sibi satellitum statuunt, quantum ex tot cladibus prope nec civium superfuerat, (11) et quasi parvus hic ad continendam civitatem exercitus esset, septingentos milites a victoribus accipiunt. (12) Caedes deinde civium ab Alcibiade auspicantur, ne iterum rem publicam sub obtentu liberationis invaderet. (13) Quem cum profectum ad Artaxerxen, Persarum regem, conperissent, citato itinere miserunt, qui eum interciperent; (14) a quibus occupatus, cum occidi aperte non posset, vivus in cubiculo, in quo dormiebat, crematus est. 9 (1) Liberati hoc ultoris metu tyranni miseras urbis reliquias caedibus et rapinis exhauriunt. (2) Quod cum displicere uni ex numero suo, Therameni, didicissent, ipsum quoque ad terrorem omnium interficiunt. (3) Fit igitur ex urbe passim omnium fuga, repleturque Graecia Atheniensium exulibus. (4) Quod etiam ipsum auxilium cum miseris eriperetur (nam Lacedaemoniorum edicto civitates exules recipere prohibebantur), omnes se Argos et Thebas contulere; (5) ibi non solum tutum exilium egerunt, verum etiam spem reciperandae patriae receperunt. (6) Erat inter exules Thrasybulus, vir strenuus et domi nobilis, qui audendum aliquid pro patria et pro salute communi etiam cum periculo ratus, adunatis exulibus castellum Phylen Atticorum finium occupat. (7) Nec deerat quarundam civitatum tam crudelis casus miserantium favor. (8) Itaque et Ismenias, Thebanorum princeps, etsi publicis non poterat, privatis tamen viribus adiuvabat, (9) et Lysias, Syracusanus orator, exul tunc, quingentos milites stipendio suo instructos in auxilium patriae communis eloquentiae misit. (10) Fit itaque asperum proelium. Sed cum hinc pro patria summis viribus, inde pro aliena dominatione securius pugnaretur, tyranni vincuntur. (11) Victi in urbem refugerunt, quam exhaustam caedibus suis etiam
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die Lakedaimonier Lysandros die Neuordnung Athens. (7) Bemerkenswert war dieses Jahr34 durch die Eroberung Athens, durch den Tod des Dareios35, des Königs der Perser, und durch die Verbannung des Dionysios36, des Tyrannen von Sizilien. (8) Mit der veränderten Lage Athens änderte sich auch die Stellung seiner Bürger. (9) Dreißig Lenker wurden für den Staat eingesetzt, die zu Tyrannen wurden.37 (10) Denn zu Beginn richteten sie sich eine dreitausend Mann starke Leibwache ein – so viele Bürger waren nach so vielen Niederlagen kaum noch am Leben –, (11) und als ob dieses Heer noch zu klein wäre, um die Bürgerschaft im Zaum zu halten, erhielten sie von den Siegern noch siebenhundert Soldaten dazu.38 (12) Dann folgten Morde an den Bürgern, angefangen mit Alkibiades, damit er nicht wiederum den Staat unter dem Vorwand der Befreiung an sich reißen konnte. (13) Als die Tyrannen erfuhren, dass er zu Artaxerxes39, dem König der Perser, aufgebrochen war, schickten sie auf schnellstem Weg Leute aus, um ihn abzufangen. (14) Von diesen wurde Alkibiades überrascht,40 und da sie ihn nicht offen töten konnten, bei lebendigem Leib in dem Zimmer, in dem er schlief, verbrannt.41 9 (1) Befreit von dieser Furcht vor einem Rächer, ließen die Tyrannen die erbärmlichen Reste der Stadt durch Mord und Raub völlig ausbluten. (2) Als sie erfuhren, dass einem aus ihrer Zahl, Theramenes, das missfiel, brachten sie auch ihn selbst zur Abschreckung aller um.42 (3) So erfolgte aus der ganzen Stadt nach allen Seiten hin eine allgemeine Flucht, und Griechenland füllte sich mit ausgewanderten Athenern. (4) Als auch selbst diese Hilfe den Unglücklichen entrissen wurde – denn durch eine Verordnung der Lakedaimonier wurden die Staaten daran gehindert, die Verbannten aufzunehmen –, begaben sich alle nach Argos und Theben43. (5) Dort lebten sie nicht nur in sicherer Verbannung, sondern schöpften auch Hoffnung, ihr Vaterland wiederzugewinnen. (6) Unter den Verbannten befand sich Thrasybulos44, ein tüchtiger und in seiner Heimat adeliger Mann. Dieser glaubte, man müsse für das Vaterland und das allgemeine Wohl auch unter Gefahr etwas wagen. Deshalb vereinigte er die Verbannten und nahm Phyle, eine Festung auf attischem Gebiet, ein. (7) Auch fehlte es nicht an der Gunst einiger Staaten, die ein so grausames Schicksal beklagten. (8) Daher unterstützte sie Ismenias45, ein hochgestellter Thebaner, wenn er es auch mit staatlichen Streitkräften nicht vermochte, so doch mit seinen eigenen; (9) und auch Lysias, der syrakusanische Redner46, der damals verbannt war, schickte dem gemeinsamen Vaterland der Redekunst47 fünfhundert Soldaten, die er auf seine Kosten ausgerüstet hatte, zu Hilfe. (10) Und so kam es zu einem heftigen Kampf. Aber weil auf der einen Seite für das Vaterland mit höchster Kraftanstrengung, auf der anderen Seite für eine fremde Herrschaft allzu nachlässig gekämpft wurde, wurden die Tyrannen besiegt. (11) Besiegt flohen sie in die Stadt zurück, die sie zuvor durch die Morde entvölkert hatten und nun auch noch ihrer Waf-
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armis spoliant. (12) Deinde cum omnes Athenienses proditionis suspectos haberent, demigrare eos ex urbe iubent et in bracchiis muri, quae diruta fuerant, habitare, extraneis militibus imperium tuentes. (13) Post haec Thrasybulum corrumpere imperii societatem pollicentes conantur. (14) Quod cum non contigisset, auxilia a Lacedaemoniis petivere, quibus accitis iterato proeliantur. (15) In eo bello Critias et Hippolochus, omnium tyrannorum saevissimi, cadunt. 10 (1) Ceteris victis cum exercitus eorum, ex quibus maior pars Atheniensium erat, fugeret, magna voce Thrasybulus exclamat: cur se victorem fugiant potius quam ut vindicem communis libertatis adiuvent? (2) Civium illam meminerint aciem, non hostium esse; nec se ideo arma cepisse, ut aliqua victis adimat, sed ut adempta restituat; XXX se dominis, non civitati bellum inferre. (3) Admonet deinde cognationis, legum, sacrorum communium, tum vetusti per tot bella commilitii, orat misereantur exulum civium, si tam patienter ipsi serviant; reddant sibi patriam, accipiant libertatem. (4) His vocibus tantum promotum est, ut reversus in urbem exercitus XXX tyrannos emigrare Eleusinam iuberet, substitutis decem, qui rem publicam regerent; (5) qui nihil exemplo prioris dominationis territi eandem viam crudelitatis adgressi sunt. (6) Dum haec aguntur, nuntiatur Lacedaemone in bellum Athenienses exarsisse; ad quod comprimendum Pausanias rex mittitur. (7) Qui misericordia exulis populi permotus patriam miseris civibus restituit et decem tyrannos ex urbe Eleusinam emigrare ad ceteros iubet. (8) Quibus rebus cum pax statuta esset, interiectis diebus repente tyranni non minus restitutos exules quam se in exilium actos indignantur, quasi vero aliorum libertas sua servitus esset, et bellum Atheniensibus inferunt. (9) Sed ad conloquium veluti dominationem recepturi progressi per insidias conprehensi ut pacis victimae trucidantur. Populus, quem emigrare iusserant, in urbem revocatur. (10) Atque ita per multa membra civitas dissipata in unum tandem corpus redigitur, (11) et ne qua dissensio ex ante actis nasceretur, omnes iure iurando obstringuntur, discordiarum oblivionem fore.
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fen beraubten. (12) Weil sie hierauf alle Athener des Verrats verdächtigten, befahlen sie ihnen, aus der Stadt wegzuziehen und in den zerstörten Mauerarmen zu wohnen, und schützten ihre Herrschaft durch fremde Soldaten. (13) Danach versuchten sie, Thrasybulos zu bestechen, indem sie ihm die Teilhabe an der Herrschaft versprachen. (14) Als das nicht gelang, baten sie die Lakedaimonier um Hilfstruppen; als man diese herbeigerufen hatte, kämpften sie noch einmal. (15) In dieser Schlacht48 fielen Kritias49 und Hippolochos50, die grausamsten aller Tyrannen. 10 (1) Als nach dem Sieg über die übrigen Tyrannen deren Heer, das zum größeren Teil aus Athenern bestand, floh, rief Thrasybulos mit lauter Stimme, warum sie lieber vor ihm als Sieger fliehen würden, denn ihn als Retter der gemeinsamen Freiheit zu unterstützen. (2) Sie sollten daran denken, dass jene Truppe aus Mitbürgern bestehe, nicht aus Feinden. Und er habe nicht deshalb zu den Waffen gegriffen, um sie zu besiegen und ihnen dann etwas wegzunehmen, sondern um ihnen das Genommene zurückzugeben. Die dreißig Gebieter, nicht die Bürgerschaft greife er an. (3) Hierauf erinnerte er sie an ihre Verwandtschaft, ihre Gesetze und gemeinsamen Heiligtümer, dann an ihre alte Kriegskameradschaft während so vieler Kämpfe. Er bat sie, sich wenigstens der verbannten Mitbürger zu erbarmen, wenn sie schon selbst so geduldig dienten. Sie sollten ihm sein Vaterland zurückgeben und dafür die Freiheit erhalten. (4) Durch diese Worte konnte er so viel ausrichten, dass das Heer in die Stadt zurückkehrte und den dreißig Tyrannen befahl, nach Eleusis auszuwandern, und an ihrer Stelle zehn Männer einsetzte, die den Staat lenken sollten. (5) Diese ließen sich aber in keiner Weise durch das Beispiel der früheren Gewaltherrschaft abschrecken und beschritten denselben Weg der Grausamkeit. (6) Währenddessen wurde in Lakedaimon gemeldet, die Athener seien zum Krieg entbrannt; um diesen niederzuschlagen, schickte man König Pausanias51. (7) Dieser aber gab aus Mitleid mit dem verbannten Volk den unglücklichen Bürgern ihre Heimat zurück und befahl den zehn Tyrannen, aus der Stadt nach Eleusis zu den übrigen auszuwandern. (8) Als dadurch der Friede wiederhergestellt war, entrüsteten sich plötzlich nach einigen Tagen die Tyrannen nicht weniger über die Rückführung der Verbannten als über ihre eigene Vertreibung in die Verbannung, gerade als ob die Freiheit der anderen ihre eigene Sklaverei wäre, und griffen die Athener an. (9) Doch als sie zu einer Unterredung, wie wenn sie die Oberherrschaft wiedererlangen sollten, vortraten, wurden sie hinterlistig ergriffen und wie ein Friedensopfer niedergemetzelt. Das Volk, dem sie befohlen hatten, auszuwandern, rief man in die Stadt zurück. (10) Und so wurde die in viele Glieder zerstreute Bürgerschaft schließlich wieder zu einem einzigen Körper vereint; (11) und damit nicht aus den vorherigen Geschehnissen eine Uneinigkeit entstand, wurden alle durch einen Schwur verpflichtet, die Zwietracht zu vergessen.
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(12) Interea Thebani Corinthiique legatos ad Lacedaemonios mittunt, qui ex manubiis portionem praedae communis belli periculique peterent. (13) Quibus negatis non quidem aperte bellum adversus Lacedaemonios decernunt, sed tacitis animis tantam iram concipiunt, ut subesse bellum intellegi posset. 11 (1) Eodem forte tempore Darius, rex Persarum, moritur, Artaxerxe et Cyro filiis relictis. (2) Regnum Artaxerxi, Cyro civitates, quarum praefectus erat, testamento legavit. (3) Sed Cyro iudicium patris iniuria videbatur; itaque occulte adversus fratrem bellum parabat. (4) Quod cum nuntiatum Artaxerxi esset, arcessitum ad se fratrem et innocentiam dissimulatione belli simulantem conpedibus aureis vinxit interfecissetque, ni mater prohibuisset. (5) Dimissus igitur Cyrus iam non occulte bellum, sed palam, nec per dissimulationem, sed aperta professione parare coepit; auxilia undique contrahit. (6) Lacedaemonii memores Atheniensi bello enixa se eius opera adiutos, velut ignorantes, contra quem bellum pararetur, decernunt auxilia Cyro mittenda, ubi res eius exegisset, (7) quaerentes apud Cyrum gratiam et apud Artaxerxen, si vicisset, veniae patrocinia, cum nihil adversus eum aperte decrevissent. (8) Sed cum in bello fors proelii utrumque fratrem pugnae obtulisset, prior Artaxerxes a fratre vulneratur; (9) quem cum equi fuga periculo subtraxisset, Cyrus a cohorte regia oppressus interficitur. Sic victor Artaxerxes et praeda fraterni belli et exercitu potitur. (10) In eo proelio decem milia Graecorum in auxilio Cyri fuere, quae et in cornu, in quo steterant, vicerunt et post mortem Cyri neque armis a tanto exercitu vinci neque dolo capi potuerunt; (11) revertentesque inter tot indomitas nationes et barbaras gentes per tanta itineris spatia virtute se usque terminos patriae defenderunt.
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(12) Inzwischen schickten die Thebaner und Korinther Gesandte zu den Lakedaimoniern, um aus dem Verkaufserlös der geraubten Güter einen Anteil an der Beute aus dem gemeinsamen Krieg und der gemeinsamen Gefahr zu fordern. (13) Weil ihnen das verweigert wurde, beschlossen sie zwar nicht offen Krieg gegen die Lakedaimonier, empfanden aber im Stillen einen so großen Zorn, dass man erkennen konnte, ein Krieg sei nahe. 11 (1) Ungefähr zur selben Zeit starb Dareios, der König der Perser,52 und hinterließ zwei Söhne: Artaxerxes und Kyros53. (2) Die Königsherrschaft vermachte er in seinem Testament Artaxerxes, Kyros dagegen die Städte, deren Statthalter er war. (3) Kyros aber erschien das Urteil des Vaters ungerecht. Daher rüstete er heimlich zum Krieg gegen seinen Bruder. (4) Als Artaxerxes das gemeldet wurde, rief er seinen Bruder zu sich. Als Kyros Unschuld heuchelte und die Kriegsvorbereitung leugnete, ließ Artaxerxes ihn mit goldenen Fesseln binden; und er hätte ihn getötet, wenn die Mutter54 es nicht verhindert hätte. (5) So wurde Kyros entlassen und begann nun, nicht mehr heimlich, sondern öffentlich und nicht mehr mit Verstellung, sondern mit offener Erklärung zum Krieg zu rüsten. Von allen Seiten zog er Hilfstruppen zusammen. (6) Die Lakedaimonier, die sich daran erinnerten, dass sie im Krieg gegen Athen durch seine Hilfe eifrig unterstützt worden waren, beschlossen, als ob sie nicht wüssten, gegen wen zum Krieg gerüstet wurde, Kyros Hilfstruppen zu schicken, wenn es seine Lage erfordern sollte. (7) So hofften sie, bei Kyros Dank und bei Artaxerxes, wenn er siegen sollte, gnädige Schonung zu erlangen, da sie nichts offen gegen ihn beschlossen hatten. (8) Doch als im Krieg55 der blinde Zufall in der Schlacht beide Brüder einander im Gefecht gegenüberstellte, wurde zuerst Artaxerxes von seinem Bruder verwundet. (9) Als ihn jedoch sein scheuendes Pferd der Gefahr entzog, wurde Kyros von der königlichen Leibgarde überwältigt und getötet. So bemächtigte sich Artaxerxes als Sieger sowohl der Beute aus dem Bruderkrieg als auch des Heeres. (10) In dieser Schlacht befanden sich zehntausend Griechen unter den Hilfstruppen des Kyros, die auf dem Flügel, auf dem sie gestanden hatten, siegten und auch nach dem Tod des Kyros weder durch Waffen von einem so großen Heer besiegt noch durch List gefangen genommen werden konnten. (11) Und während sie inmitten so vieler unbezwungener Völker und barbarischer Stämme über so große Wegstrecken hinweg zurückkehrten, setzten sie sich durch ihre Tapferkeit bis zu den Grenzen ihres Vaterlandes zur Wehr.56
Prologus libri VI Sexto volumine continentur haec. Bellum Lacedaemoniorum gestum in Asia cum Persicis praefectis, ducibus belli Dercylide et Agesilao, usque ad proelium navale factum Cnido: quo victis illis Athenienses repetiere imperium. Dein bellum Corinthiacum et bellum Boeotium, quo Leuctris et Mantineae victi Spartani amisere imperium. In Thessalia deinde Iasonis et post illum Alexandri Pheraei coalitum atque extinctum imperium. Tum sociale bellum gestum adversus Athenienses a Chiis et Rhodiis et Byzantiis. Transitus hinc ad res Macedonicas.
Liber VI 1 (1) Lacedaemonii, more ingenii humani quo plura habent eo ampliora cupientes, non contenti accessione Atheniensium opum vires sibi duplicatas totius Asiae imperium adfectare coeperunt. Sed maior pars sub regno Persarum erat. (2) Itaque Hercylides dux in hanc militiam electus cum videret sibi adversus duos praefectos Artaxerxis regis, Pharnabazum et Tisaphernen, maximarum gentium viribus succinctos dimicandum, pacificandum cum altero statuit. (3) Aptior visus Tisaphernes, vir et industria potior et militibus Cyri quondam regis instructior, in conloquium vocatur et statutis condicionibus ab armis dimittitur. (4) Hanc rem Pharnabazus apud communem regem criminatur: ut Lacedaemonios Asiam ingressos non reppulerit armis, sed inpensis regiis aluerit (5) merceturque ab his, ut differant bella quam gerant, tamquam non ad unius summam imperii detrimentum omne perveniat. (6) Indignum ait bella non perfici, sed redimi, hostem pretio, non armis submoveri. (7) His vocibus regem Tisapherni alienatum hortatur, ut in locum eius navalis belli ducem eligat Conona Atheniensem, qui amissa bello patria Cypri exulabat; (8) quippe Atheniensibus, etsi fractae sint opes, manere tamen navalem usum, nec si
Vorwort zum 6. Buch Das sechste Buch enthält Folgendes: Den Krieg, den die Lakedaimonier unter der Führung des Derkylidas und des Agesilaos in Asien gegen die persischen Statthalter führten, bis zur Seeschlacht bei Knidos.1 Als sie darin besiegt wurden, erlangten die Athener ihre Herrschaft wieder. Hierauf den Korinthischen2 und Boiotischen Krieg, in dem die Spartaner bei Leuktra3 und Mantineia besiegt wurden und ihre Herrschaft verloren. Hierauf in Thessalien die erstarkte und wieder vernichtete Herrschaft des Jason von Pherai4 und nach seinem Tod die des Alexandros von Pherai5. Dann den von den Chiern, den Rhodiern und den Byzantiern gegen die Athener geführten Bundesgenossenkrieg. Von hier Übergang zur Makedonischen Geschichte.
Buch 6 1 (1) Die Lakedaimonier, die nach Art der menschlichen Veranlagung umso Größeres begehrten, je mehr sie hatten, waren nicht zufrieden damit, dass sich durch die Aneignung der athenischen Machtmittel ihre eigenen Kräfte verdoppelt hatten. So begannen sie, nach der Herrschaft über ganz Asien zu trachten. Aber dessen größerer Teil stand unter der Herrschaft der Perser. (2) Herkylidas6, der für diesen Feldzug zum Anführer gewählt worden war,7 sah, dass er gegen zwei Statthalter des Königs Artaxerxes8, Pharnabazos9 und Tisaphernes10, kämpfen musste, die mit den Streitkräften der größten Völkerschaften gerüstet waren, und beschloss daher, mit einem von beiden Frieden zu schließen. (3) Geeigneter hierfür schien ihm Tisaphernes, ein Mann, der aufgrund seiner Tatkraft mehr vermochte und auch besser ausgerüstet war, weil er die Soldaten des verstorbenen11 Prinzen Kyros befehligte. Tisaphernes wurde daher zu einer Unterredung eingeladen und ließ sich, als man Bedingungen festgesetzt hatte, dazu bewegen, die Waffen niederzulegen. (4) Darüber führte Pharnabazos bei ihrem gemeinsamen König Klage: Dass Tisaphernes die Lakedaimonier, als sie in Asien eingedrungen seien, nicht mit Waffengewalt zurückgeschlagen, sondern auf königliche Kosten unterhalten habe (5) und es von ihnen erkaufe, dass sie ihre Kriege verschöben, anstatt sie zu führen, ganz so, als ob nicht jede Schwächung das eine Reich in seiner Gesamtheit beträfe. (6) Schändlich sei es, so sagte er, Kriege nicht zu beenden, sondern sich davon loszukaufen und den Feind mit Geld, nicht mit Waffen abzuwehren. (7) Durch diese Äußerungen entfremdete er Tisaphernes den König und forderte Artaxerxes auf, an Stelle des Tisaphernes als Befehlshaber für den Seekrieg den Athener Konon12 zu wählen, der durch den Krieg sein Vaterland verloren hatte und auf Zypern in Verbannung lebte.13 (8) Denn den Athenern bliebe, auch wenn ihre Macht gebrochen sei, dennoch ihre Erfahrung im Seewesen. Und wenn man aus al-
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eligendus sit ex universis, meliorem alium esse. (9) Acceptis igitur quingentis talentis iussus est Conona classi praeficere. 2 (1) His cognitis Lacedaemonii et ipsi a rege Aegypti Hercynione auxilia navalis belli per legatos petunt, (2) a quo centum triremes et sexcenta milia modium frumenti missa; a ceteris quoque sociis ingentia auxilia contracta sunt. (3) Sed tanto exercitui et contra tantum ducem deerat dignus imperator. (4) Itaque postulantibus sociis Agesilaum, regem tunc Lacedaemoniorum, propter responsa oraculi Delphici diu Lacedaemonii an eum summae rei praeponerent deliberaverunt, (5) quibus futurus imperii finis denuntiabatur, cum regium claudicasset imperium; erat enim pede claudus. (6) Ad postremum statuerunt melius esse incessu regem quam imperio regnum claudicare. (7) Postquam Agesilaum cum ingentibus copiis in Asiam misere, non facile dixerim, quod aliud par ducum tam bene conparatum fuerit. (8) Quippe aetas, virtus, consilium, sapientia utrique prope una, gloria quoque rerum gestarum eadem. (9) Quibus cum paria omnia fortuna dederit, invictum tamen ab altero utrumque servavit. (10) Magnus igitur amborum apparatus belli, magnae res gestae fuerunt. (11) Sed Cononem seditio militum invadit, quos praefecti regis fraudare stipendio soliti erant, eo instantius debita poscentibus, quo graviorem sub magno duce militiam praesumebant. (12) Itaque Conon diu rege per epistulas frustra fatigato ad postremum ipse ad eum pergit, (13) a cuius aspectu et conloquio prohibitus est, quod eum more Persarum adorare nollet. (14) Agit tamen cum eo per internuntios et queritur opulentissimi regis bella inopia dilabi, et qui exercitum parem hostibus habeat, pecunia vinci, qua praestet, inferioremque eum ea parte virium inveniri, qua longe superior sit. (15) Postulat dari sibi ministrum inpensae, quia pluribus id mandare perniciosum sit. (16) Dato stipendio ad classem remittitur, nec moram agendis rebus facit; multa fortiter, multa feliciter agit, agros hostiles vastat, urbes expugnat et quasi tempestas quaedam cuncta prosternit.
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len Menschen einen auswählen müsse, so gebe es keinen anderen, der besser sei. (9) Pharnabazos nahm also fünfhundert Talente in Empfang und erhielt den Befehl, Konon zum Befehlshaber der Flotte zu ernennen. 2 (1) Als die Lakedaimonier das erfuhren, baten sie ihrerseits durch Gesandte Herkynion14, den König von Ägypten, um Hilfstruppen für einen Seekrieg. (2) Er sandte ihnen einhundert Triremen und sechshunderttausend Scheffel Getreide; auch von den übrigen Verbündeten wurden gewaltige Hilfstruppen zusammengezogen. (3) Aber diesem so großen Heer und gegen einen so bedeutenden Anführer fehlte ein würdiger Feldherr. (4) Als daher die Verbündeten Agesilaos15, den damaligen König der Lakedaimonier, forderten, überlegten die Lakedaimonier wegen der Sprüche des Delphischen Orakels lange, ob sie ihm die Gesamtleitung übertragen sollten. (5) Denn ihnen wurde prophezeit, es werde das Ende ihrer Herrschaft sein, wenn die königliche Herrschaft hinke. Agesilaos war nämlich auf einem Fuß lahm. (6) Zuletzt entschieden die Lakedaimonier, dass es besser sei, der König hinke beim Gehen als das Reich bei der Herrschaft. (7) Sie schickten Agesilaos mit einer gewaltigen Truppenmacht nach Asien,16 und ich könnte nicht leicht sagen, welches andere Feldherrenpaar so gut zusammengepasst hätte. (8) Denn Alter, Tapferkeit, Einsicht und Klugheit waren bei beiden beinahe gleich, auch der Ruhm ihrer Taten derselbe. (9) Obwohl ihnen das Schicksal alles zu gleichen Teilen verliehen hatte, bewahrte es dennoch beide davor, vom jeweils anderen besiegt zu werden. (10) Groß waren nun die Kriegsrüstungen der beiden, groß ihre Taten. (11) Aber gegen Konon brach eine Meuterei der Soldaten aus, welche die Statthalter des Königs um ihren Sold zu betrügen pflegten. Und umso drängender forderten die Soldaten das, was ihnen vorenthalten wurde, je schwerer der Kriegsdienst unter einem großen Feldherrn ihrer Vermutung nach sein würde. (12) Als Konon nun den König lange Zeit durch Briefe vergeblich bestürmt hatte, brach er zuletzt selbst zu ihm auf. (13) Er wurde daran gehindert, ihn zu sehen und mit ihm zu sprechen, weil er ihm nicht nach der Sitte der Perser seine Verehrung bezeigen wollte. (14) Dennoch verhandelte er mit ihm durch Unterhändler und beklagte sich, dass die Kriege des reichsten Königs durch Mangel erlahmten und dass er selbst, der ein ebenso starkes Heer habe wie die Feinde, im Hinblick auf das Geld, das er eigentlich in größerer Menge besitze, ins Hintertreffen gerate und dass man ihn in genau diesem Teil der Kräfte unterlegen finde, in dem er doch bei Weitem überlegen sei. (15) Er verlangte, man solle ihm einen Gehilfen zur Verwaltung der Ausgaben an die Seite stellen, weil es verderblich sei, diese Aufgabe mehreren anzuvertrauen. (16) Nach Auszahlung des Soldes wurde er zur Flotte zurückgeschickt und führte ohne Verzögerung seine Aufgaben aus. Vieles vollbrachte er tapfer, vieles glücklich; er verwüstete die Felder der Feinde, eroberte ihre Städte und warf wie ein Sturm alles nieder.
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(17) Quibus rebus territi Lacedaemonii ad patriae subsidium revocandum ab Asia Agesilaum decernunt. 3 (1) Interim Pisandrus ab Agesilao proficiscente dux patriae relictus ingentem classem summis viribus instruit, fortunam belli temptaturus. (2) Nec non et Conon tunc primum cum hostium exercitu concursurus magna cura suos ordinat. (3) Summa igitur non ducum tantum in eo proelio quam vulgi aemulatio fuit. (4) Nam et ipse dux Conon non tam Persis quam patriae studebat, (5) et sicuti adflictis Atheniensium rebus auctor amissae dominationis fuerat, sic volebat idem haberi redditae patriamque vincendo recipere, quam victus amiserat; (6) eo speciosius, quod ne ipsorum quidem Atheniensium, sed alieni proelii viribus dimicet, pugnaturus periculo regis, victurus praemio patriae, gloriamque diversis artibus quam priores civitatis suae duces consecuturus: (7) quippe illos vincendo Persas patriam defendisse, se Persas victores faciendo restituturum patriam esse. (8) Porro Pisandrus pro coniunctione Agesilai etiam virtutum aemulator erat contendebatque, ne a rebus gestis eius et gloriae splendore decederet, neu tot bellis ac saeculis quaesitum imperium brevis momenti culpa subverteret. (9) Eadem militum et omnium remigum cura erat, quos maior sollicitudo cruciabat, non tam ne ipsi quaesitas opes amitterent, quam ne pristinas Athenienses reciperent. (10) Sed quanto maius proelium fuit, tanto et clarior victoria Cononis. (11) Victi Lacedaemonii fugam capesserunt; praesidia hostium Athenis deducuntur, (12) populo restituta dignitate condicio servilis eripitur, multae quoque civitates recipiuntur. 4 (1) Hoc initium Atheniensibus resumendae potentiae et Lacedaemoniis habendae finis fuit. (2) Namque veluti cum imperio etiam virtutem perdidissent, contemni a finitimis coepere. (3) Primi igitur Thebani Atheniensibus auxiliantibus bellum his intulere, (4) quae civitas ex finitimis incrementis virtute Epaminondae ducis ad spem imperii Graeciae
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(17) Dadurch in Schrecken versetzt, beschlossen die Lakedaimonier, Agesilaos zum Schutz des Vaterlandes aus Asien zurückzurufen. 3 (1) Unterdessen rüstete Peisandros, den Agesilaos bei seiner Abreise als Anführer in der Heimat zurückgelassen hatte, mit höchster Kraftanstrengung eine gewaltige Flotte aus, weil er das Kriegsglück versuchen wollte. (2) Und auch Konon, der damals zum ersten Mal das Heer der Feinde angreifen wollte, stellte mit großer Sorgfalt seine Soldaten auf. (3) So herrschte in dieser Schlacht17 nicht nur unter den Anführern, sondern auch unter den gewöhnlichen Soldaten höchster Wetteifer. (4) Denn der Anführer Konon seinerseits war nicht so sehr um die Perser als vielmehr um sein Vaterland bemüht. (5) Und ebenso wie er in der bedrängten Lage der Athener der Verantwortliche für den Verlust ihrer Vorherrschaft gewesen war,18 so wollte er auch als der Verantwortliche für ihre Rückgewinnung gelten und das Vaterland, das er als Besiegter verloren hatte, durch einen Sieg wiedergewinnen. (6) Das war umso herrlicher, als er mit den Streitkräften nicht einmal der Athener selbst, sondern mit denen eines fremden Heeres den Kampf austrug. Das Wagnis seines Kampfes sollte der König tragen, den Lohn seines Sieges aber das Vaterland erhalten; und Konon wollte Ruhm durch völlig andere Künste erlangen als die früheren Anführer seines Staates. (7) Denn diese hätten durch einen Sieg über die Perser das Vaterland verteidigt, er aber werde, indem er die Perser zu Siegern mache, das Vaterland wiederherstellen. (8) Auf der anderen Seite aber eiferte Peisandros wegen seiner Verwandtschaft mit Agesilaos19 auch dessen Verdiensten nach und bemühte sich, seinen Taten und dem Glanz seines Ruhmes nicht nachzustehen und die in so vielen Kriegen und Jahrhunderten errungene Herrschaft nicht durch den Fehler eines kurzen Augenblicks zu vernichten. (9) Dasselbe Interesse hatten auch die Soldaten und alle Ruderer, die eine größere Unruhe quälte, nämlich nicht so sehr, dass sie selbst ihre errungene Macht verlieren, als vielmehr, dass die Athener ihre frühere zurückgewinnen könnten. (10) Aber je größer die Schlacht war, desto glänzender war auch Konons Sieg. (11) Besiegt ergriffen die Lakedaimonier die Flucht. Die feindlichen Besatzungstruppen wurden von Athen abgezogen; (12) das Volk erhielt seine Würde zurück und wurde dem Sklavenstand entrissen; auch viele Städte wurden zurückerobert. 4 (1) Das war für die Athener der Beginn zur Wiedererlangung der Macht und für die Lakedaimonier das Ende für den Besitz der Macht. (2) Denn als ob die Lakedaimonier mit der Herrschaft auch ihre Tapferkeit verloren hätten, begannen sie, von ihren Nachbarn verachtet zu werden. (3) Als Erste fingen also die Thebaner mit Hilfe der Athener einen Krieg gegen sie an.20 (4) Der Staat der Thebaner wurde aufgrund des Gebietszuwachses an seinen Grenzen durch die Tapferkeit des Anführers Epameinondas21 dazu ermutigt, die Herrschaft über
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erecta est. (5) Fit itaque terrestre proelium eadem Lacedaemoniorum fortuna, qua pugnatum adversus Conona navali proelio fuerat. (6) In eo bello Lysander, quo duce Athenienses victi a Lacedaemoniis fuerant, interficitur. (7) Pausanias quoque, alter dux Lacedaemoniorum, proditionis accusatus in exilium abiit. (8) Igitur Thebani potiti victoria universum exercitum ad urbem Lacedaemoniorum ducunt, facilem expugnationem rati, quoniam deserti a sociis omnibus erant. (9) Quod metuentes Lacedaemonii regem suum Agesilaum ex Asia, qui ibi magnas res gerebat, ad defensionem patriae arcessunt. (10) Occiso enim Lysandro nullius alterius fiduciam ducis habebant. (11) Cuius quoniam serus adventus erat, conscripto exercitu obviam hosti procedunt. (12) Sed victis adversus paulo ante victores nec animus neque vires pares fuere; prima itaque congressione funduntur. (13) Deletis iam suorum copiis supervenit rex Agesilaus, qui restituto proelio non difficulter recenti et multis expeditionibus indurato milite hostibus victoriam eripuit; ipse tamen graviter sauciatur. 5 (1) Quibus rebus cognitis Athenienses verentes, ne iterum Lacedaemoniis victoribus in pristinam sortem servitutis redigerentur, exercitum contrahunt (2) eumque in auxilium Boeotiorum per Iphicraten, XX quidem annos natum, sed magnae indolis iuvenem, duci iubent. (3) Huius adulescentis supra aetatem virtus admirabilis fuit, (4) nec umquam ante eum Athenienses inter tot tantosque duces aut spei maioris aut indolis maturioris imperatorem habuerunt, (5) in quo non imperatoriae tantum, verum et oratoriae artes fuere. (6) Conon quoque audito reditu Agesilai et ipse ex Asia ad depopulandos Lacedaemoniorum agros revertitur, (7) atque ita undique belli formidine circumstrepente clausi Spartani ad summam desperationem rediguntur. (8) Sed Conon vastatis hostium terris Athenas pergit, ubi magno civium gaudio exceptus plus tamen tristitiae ipse ex incensa et diruta a Lacedaemoniis patria quam laetitiae ex recuperata post tantum temporis cepit. (9) Itaque quae incensa
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Griechenland zu erhoffen. (5) Daher kam es zu einer Landschlacht22, in der die Lakedaimonier dasselbe Schicksal erlitten wie im Kampf gegen Konon in der Seeschlacht. (6) In dieser Schlacht wurde Lysandros, unter dessen Führung die Athener von den Lakedaimoniern besiegt worden waren,23 getötet. (7) Und Pausanias, der andere Anführer der Lakedaimonier, wurde wegen Verrats24 angeklagt und ging in die Verbannung25. (8) Als die Thebaner nun den Sieg errungen hatten, führten sie ihr gesamtes Heer zur Stadt der Lakedaimonier. Denn sie glaubten, bei deren Eroberung ein leichtes Spiel zu haben, weil die Lakedaimonier von all ihren Verbündeten im Stich gelassen worden waren. (9) Da die Lakedaimonier das fürchteten, riefen sie ihren König Agesilaos, der in Asien großartige Taten vollbrachte, von dort zur Verteidigung ihres Vaterlandes herbei.26 (10) Nach dem Tod des Lysandros hatten sie nämlich zu keinem anderen Feldherrn Vertrauen. (11) Weil aber Agesilaos zu spät ankam, hoben sie ein Heer aus und zogen dem Feind entgegen. (12) Aber da sie schon besiegt worden waren, besaßen sie gegenüber denjenigen, die kurz zuvor siegreich gewesen waren, weder den gleichen Mut noch die gleichen Streitkräfte. Daher wurden sie beim ersten Gefecht geschlagen.27 (13) Den bereits vernichteten Truppen seiner Landsleute kam König Agesilaos zu Hilfe, der die Schlacht wieder aufnahm und ohne Schwierigkeit mit seinen frischen und durch viele Feldzüge abgehärteten Soldaten den Feinden den Sieg entriss.28 Er selbst wurde jedoch schwer verwundet. 5 (1) Als die Athener davon erfuhren, fürchteten sie, dass sie, wenn die Lakedaimonier wiederum siegreich wären, erneut das frühere Los der Sklaverei ertragen müssten. Deshalb zogen sie ein Heer zusammen (2) und ließen es unter Iphikrates29, einem Jüngling, der zwar erst zwanzig Jahre alt war, aber großes Talent besaß, zur Unterstützung der Boiotier abmarschieren. (3) Die Tapferkeit dieses jungen Mannes, die über das für sein Alter gewöhnliche Maß hinausging, war bewundernswert, (4) und die Athener hatten unter so vielen und so großen Anführern vor ihm niemals einen Feldherrn, der entweder zu größerer Hoffnung Anlass gab oder reifere Begabung zeigte (5) und der nicht nur die Fähigkeiten eines Feldherrn, sondern auch die eines Redners besaß. (6) Als auch Konon von der Rückkehr des Agesilaos hörte, kehrte er seinerseits aus Asien zurück, um die Gebiete der Lakedaimonier zu plündern. (7) Und so wurden die Spartaner vom Schrecken des Krieges, der sich von allen Seiten lärmend vernehmen ließ, eingeschlossen und in höchste Verzweiflung versetzt. (8) Als Konon aber die Ländereien der Feinde verwüstet hatte, brach er nach Athen auf,30 wo er mit großer Freude von den Bürgern empfangen wurde. Er selbst empfand jedoch mehr Traurigkeit darüber, dass das Vaterland von den Lakedaimoniern in Brand gesteckt und zerstört worden war, als Freude darüber, dass er es nach so langer Zeit wiedergewonnen hatte. (9) Daher ließ er alles, was in
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fuerant, praedarum sumptu et exercitu Persarum restituit; quae diruta, refecit. (10) Fatum illud Athenarum fuit, ut ante a Persis crematae manibus eorum, et nunc a Lacedaemoniis dirutae ex spoliis Lacedaemoniorum restituerentur (11) versaque vice haberent nunc socios, quos tunc hostes habuerant, et hostes nunc paterentur, cum quibus iuncti tunc artissimis societatis vinculis fuerant. 6 (1) Dum haec geruntur, Artaxerxes, rex Persarum, legatos in Graeciam mittit, per quos iubet omnes ab armis discedere; qui aliter fecisset, eum se pro hoste habiturum; civitatibus libertatem suaque omnia restituit. (2) Quod non Graeciae laboribus adsiduisque bellorum internecivis odiis consulens fecit, (3) sed ne occupato sibi Aegyptio bello, quod propter auxilia adversus praefectos suos Lacedaemoniis missa susceperat, exercitus sui in Graecia detinerentur. (4) Fessi igitur tot bellis Graeci cupide paruere. (5) Hic annus non eo tantum insignis fuit, quod repente pax tota Graecia facta est, sed etiam eo, quod eodem tempore urbs Romana a Gallis capta est. (6) Sed Lacedaemonii securi insidiantes, absentiam Arcadum speculati castellum eorum expugnant occupatoque praesidium inponunt. (7) Itaque armato instructoque exercitu Arcades adhibitis in auxilium Thebanis amissa bello repetunt. (8) In eo proelio Archidamus, dux Lacedaemoniorum, vulneratus; (9) qui cum caedi suos iam ut victos videret, per praeconem corpora interfectorum ad sepulturam poposcit (10) (hoc est enim signum apud Graecos victoriae traditae), qua confessione contenti Thebani signum parcendi dedere. 7 (1) Paucis deinde post diebus neutris quicquam hostile facientibus, cum quasi tacito consensu indutiae essent Lacedaemoniis alia bella adversus finitimos gerentibus, Thebani Epaminonda duce occupandae urbis eorum spem ceperunt.
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Brand gesteckt worden war, unter Aufwendung der Kriegsbeute und mit Hilfe des persischen Heeres wiederherstellen; was zerstört worden war, ließ er wieder aufbauen. (10) Das war Athens Schicksal, dass es, vorher von den Persern niedergebrannt, jetzt durch deren Hände und, eben von den Lakedaimoniern zerstört, jetzt mit Hilfe der bei den Lakedaimoniern gemachten Beute wiederhergestellt wurde (11) und dass die Bewohner durch die Wende des Schicksals nun diejenigen zu Verbündeten hatten, die sie damals zu Feinden gehabt hatten, und nun diejenigen als Feinde ertragen mussten, mit denen sie damals durch die innigsten Bande eines Bündnisses vereint gewesen waren. 6 (1) Währenddessen schickte Artaxerxes, der König der Perser, Gesandte nach Griechenland, durch die er befehlen ließ, dass alle die Waffen niederlegen sollten;31 wer anders handle, den werde er für seinen Feind halten. Den Staaten gab er die Freiheit und ihren gesamten Besitz zurück. (2) Das machte er freilich nicht, weil er der Drangsal Griechenlands und dem ständigen mörderischen Hass in den Kriegen Abhilfe schaffen wollte, (3) sondern deshalb, damit nicht seine Heere in Griechenland festgehalten wurden, während er selbst durch den Krieg gegen Ägypten in Anspruch genommen war. Diesen Krieg hatte er wegen der Hilfstruppen, die man den Lakedaimoniern gegen seine Statthalter gesandt hatte, unternommen. (4) Durch so viele Kriege erschöpft, gehorchten die Griechen nun begierig. (5) Dieses Jahr war nicht nur dadurch bemerkenswert, dass plötzlich in ganz Griechenland Frieden geschlossen wurde, sondern auch dadurch, dass zur selben Zeit die Stadt Rom von den Galliern eingenommen wurde.32 (6) Doch die Lakedaimonier lauerten unbekümmert im Hinterhalt und kundschafteten aus, dass die Arkader abwesend waren. Da eroberten sie eine ihrer Festungen33, nahmen sie in Besitz und stationierten dort eine Besatzungstruppe.34 (7) Daher bewaffneten und rüsteten die Arkader ein Heer, zogen die Thebaner zur Hilfe hinzu und forderten das Verlorene durch einen Kampf zurück. (8) In dieser Schlacht wurde Archidamos35, der Anführer der Lakedaimonier, verwundet. (9) Als er sah, dass seine Männer schon besiegt waren und niedergehauen wurden, ließ er durch einen Herold die Her ausgabe der Leichname der Gefallenen zur Beerdigung fordern; (10) das ist nämlich bei den Griechen das Zeichen dafür, dass man den Feinden den Sieg überlässt. Mit diesem Eingeständnis waren die Thebaner zufrieden und gaben das Zeichen zur Schonung. 7 (1) Wenige Tage danach, als keine von beiden Parteien feindliche Handlungen beging, da gleichsam nach stillschweigender Übereinkunft Waffenstillstand herrschte und die Lakedaimonier andere Kriege gegen ihre Grenznachbarn führten, schöpften dann die Thebaner Hoffnung, unter der Führung des Epameinondas die Stadt der Lakedaimonier einnehmen zu können.
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(2) Igitur principio noctis taciti Lacedaemona proficiscuntur, non tamen adgredi incautos potuerunt. (3) Quippe senes et cetera inbellis aetas, cum adventum hostium praesensissent, in ipsis portarum angustiis armati occurrunt; (4) et adversus XV milia militum non amplius centum iam effetae aetatis viri pugnae se offerunt. (5) Tantum animorum viriumque patriae et penatium conspectus subministrat, tantoque praesentia quam recordatione sui maiores spiritus largiuntur. (6) Nam ut videre, inter quae et pro quibus starent, aut vincendum sibi aut moriendum censuerunt. (7) Pauci igitur sustinuere senes aciem, cui par ante dies universa iuventus esse non potuit. (8) In eo proelio duo duces hostium cecidere, (9) cum interim Agesilai adventu nuntiato Thebani recessere. (10) Nec bellum diu dilatum, siquidem Spartanorum iuventus senum virtute et gloria incensa teneri non potuit, quin ex continenti acie decerneret. (11) Cum victoria Thebanorum esset, Epaminonda, dum non ducis tantum, verum et fortissimi militis officio fungitur, graviter vulneratur. (12) Quo audito et his ex dolore metus et illis ex gaudio stupor inicitur atque ita velut ex placito consensu a proelio disceditur. 8 (1) Post paucos deinde dies Epaminonda decedit, cum quo vires quoque rei publicae ceciderunt. (2) Nam sicuti telo si primam aciem praefregeris, reliquo ferro vim nocendi sustuleris, sic illo, velut mucrone teli, ablato duce Thebanorum rei quoque publicae vires hebetatae sunt, ut non tam illum amisisse quam cum illo interisse omnes viderentur. (3) Nam neque hunc ante ducem ullum memorabile bellum gessere, nec postea virtutibus, sed cladibus insignes fuere, ut manifestum sit patriae gloriam et natam et extinctam cum eo fuisse. (4) Fuit autem incertum, vir melior an dux esset. (5) Nam et imperium non sibi semper, sed patriae quaesivit, (6) et pecuniae adeo parcus fuit, ut sumptus funeri defuerit. (7) Gloriae quoque non cupidior quam pecuniae; quippe recusanti omnia imperia ingesta sunt, (8) honoresque ita gessit, ut ornatum non accipere,
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(2) Also brachen sie bei Einbruch der Nacht heimlich nach Lakedaimon auf, fanden jedoch bei ihrem Angriff die Bewohner nicht unvorbereitet. (3) Denn die Greise und die übrigen nicht wehrfähigen Jahrgänge hatten die Ankunft der Feinde vorher bemerkt und traten ihnen direkt in den Engstellen der Tore bewaffnet entgegen. (4) Und gegen fünfzehntausend Soldaten stellten sich nicht mehr als einhundert36, bereits altersschwache Männer zum Kampf. (5) So viel Mut und Kraft verlieh ihnen der Anblick ihrer Vaterstadt und ihrer Penaten, und umso größere Begeisterung schenkten diese ihnen durch ihre tatsächliche Gegenwart als durch die bloße Erinnerung an sie. (6) Denn wie die Männer sahen, in welcher Umgebung und für wen sie hier dastanden, meinten sie, entweder siegen oder sterben zu müssen. (7) So hielten wenige Greise einer Schlachtreihe stand, der vor einigen Tagen die gesamte Jungmannschaft nicht gewachsen gewesen war. (8) In dieser Schlacht fielen zwei Anführer der Feinde. (9) Da wurde inzwischen die Ankunft des Agesilaos gemeldet, und die Thebaner zogen sich zurück.37 (10) Nicht lange schob man den Kampf auf, denn die Jungmannschaft der Spartaner, entflammt durch die Tapferkeit und den Ruhm der Greise, ließ sich nicht zurückhalten, unverzüglich die Entscheidung durch eine Schlacht herbeizuführen.38 (11) Als der Sieg bereits aufseiten der Thebaner lag, wurde Epameinondas, während er die Pflicht nicht nur des Feldherrn, sondern auch des tapfersten Soldaten erfüllte, schwer verwundet. (12) Auf diese Nachricht hin überkam die Thebaner Kummer und dann Furcht, die Spartaner Freude und dann Staunen; und so entfernte man sich, als ob man eine Übereinkunft getroffen hätte, vom Schlachtfeld. 8 (1) Nach wenigen Tagen39 verstarb dann Epameinondas, und mit ihm schwan den auch die Kräfte des Staates. (2) Denn wie man, wenn man einem Geschoß die vorderste Spitze abbricht, dadurch dem restlichen Eisen seine Schadenskraft nimmt, so wurden auch, als jener Anführer der Thebaner, gleichsam die Spitze des Geschoßes, dahingerafft war, die Kräfte ihres Staates stumpf, sodass es den Anschein hatte, als hätten sie nicht so sehr ihn verloren, sondern wären vielmehr alle mit ihm umgekommen. (3) Denn weder führten die Thebaner vor diesem Anführer irgendeinen denkwürdigen Krieg noch zeichneten sie sich später durch Verdienste, sondern höchstens durch Niederlagen aus, sodass es offenkundig ist, dass der Ruhm ihres Vaterlandes mit Epameinondas entstand und auch erlosch. (4) Es ließ sich aber nicht entscheiden, ob er als Mann oder als Feldherr besser war. (5) Denn die Herrschaft suchte er niemals für sich, sondern für sein Vaterland zu erringen, (6) und auch mit Geld ging er so sparsam um, dass sogar die Mittel fehlten, um seine Bestattung zu bezahlen. (7) Auch nach Ruhm war er nicht begieriger als nach Geld; denn alle militärischen Ämter wurden ihm gegen seinen Willen aufgedrängt, (8) und Ehrenämter bekleidete er so, dass er nicht Ansehen zu gewinnen, sondern es dem
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sed dare ipsi dignitati videretur. (9) Iam litterarum studium, iam philosophiae doctrina tanta, ut mirabile videretur, unde tam insignis militiae scientia homini inter litteras nato. (10) Neque ab hoc vitae proposito mortis ratio dissensit. (11) Nam ut relatus in castra semianimis vocem spiritumque collegit, id unum a circumstantibus requisivit, num cadenti sibi scutum ademisset hostis. (12) Quod ut servatum audivit adlatumque veluti laborum gloriaeque socium osculatus est, iterum quaesivit, utri vicissent. (13) Ut audivit Thebanos, bene habere se rem dixit atque ita velut gratulabundus patriae exspiravit. 9 (1) Huius morte etiam Atheniensium virtus intercidit; (2) siquidem amisso, cui aemulari consueverant, in segnitiam torporemque resoluti (3) non ut olim in classem et exercitus, sed in dies festos apparatusque ludorum reditus publicos effundunt (4) et cum actoribus nobilissimis poetisque theatra celebrant, frequentius scenam quam castra visentes versificatoresque meliores quam duces laudantes. (5) Tunc vectigal publicum, quo antea milites et remiges alebantur, cum urbano populo dividi coeptum. (6) Quibus rebus effectum est, ut inter otia Graecorum sordidum et obscurum antea Macedonum nomen emergeret, (7) et Philippus obses triennio Thebis habitus, Epaminondae et Pelopidae virtutibus eruditus, regnum Macedoniae Graeciae et Asiae cervicibus veluti iugum servitutis inponeret.
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Amt selbst zu verleihen schien. (9) Ferner war sein Interesse an Wissenschaften, ferner auch seine philosophische Bildung40 so groß, dass es erstaunlich schien, woher ein Mensch, der doch inmitten der Wissenschaften geboren war, über eine so außerordentliche Kenntnis des Kriegswesens verfügte. (10) Zu dieser Lebensweise stand auch sein Sterben nicht im Widerspruch. (11) Denn als er halbtot ins Lager zurückgebracht wurde und um Stimme und Atem rang, fragte er die Umstehenden nur danach, ob der Feind ihm seinen Schild geraubt habe, als er gefallen sei. (12) Wie er hörte, dass der Schild gerettet sei, ließ er ihn herbeibringen und küsste ihn wie einen Gefährten seiner Mühen und seines Ruhmes. Dann stellte er eine zweite Frage: Welche von beiden Parteien gesiegt habe? (13) Wie er hörte, die Thebaner, sagte er, dann stehe es gut, und hauchte so, als ob er dem Vaterland Glück wünschte, sein Leben aus. 9 (1) Mit seinem Tod ging auch die Tapferkeit der Athener zugrunde. (2) Denn da sie denjenigen verloren hatten, dem nachzueifern sie gewohnt waren, erschlafften sie in Trägheit und Erstarrung (3) und ließen die öffentlichen Einkünfte nicht wie einstmals in den Unterhalt von Flotte und Heer fließen, sondern in die Ausrichtung von Festtagen und prunkvollen Spielen (4) und belebten ihre Theater mit den berühmtesten Schauspielern und Dichtern. Häufiger suchten sie die Bühne auf als das Heerlager und lobten lieber Verskünstler als Feldherren. (5) Damals begann man, die öffentlichen Abgaben, mit denen man früher Soldaten und Ruderer unterhalten hatte, mit der städtischen Bevölkerung zu teilen. (6) So kam es, dass während des Müßiggangs der Griechen der vorher verachtete und ruhmlose Name der Makedonen auftauchte (7) und dass Philipp, der drei Jahre lang in Theben als Geisel gefangen gehalten41 und in den guten Eigenschaften des Epameinondas und Pelopidas42 unterwiesen worden war, die Herrschaft Makedoniens dem Nacken Griechenlands und Asiens wie das Joch der Sklaverei auferlegte.
Prologus libri VII Septimo volumine continentur origines Macedonicae regesque a conditore gentis Carano usque ad magnum Philippum: ipsius Philippi res gestae usque ad captam urbem Mothonen. Additae in excessu Illyriorum et Paeonum origines.
Liber VII 1 (1) Macedonia ante a nomine Emathionis regis, cuius prima virtutis experimenta in illis locis extant, Emathia cognominata est. (2) Huius sicuti incrementa modica, ita termini perangusti fuere. (3) Populus Pelasgi, regio Bottia dicebatur. (4) Sed postea virtute regum et gentis industria subactis primo finitimis, mox populis nationibusque, imperium usque extremos Orientis terminos prolatum. (5) In regione Paeonia, quae nunc portio est Macedoniae, regnasse fertur Pelegonus, pater Asteropaei, cuius Troiano bello inter clarissimos vindices urbis nomen accipimus. (6) Ex alio latere in Europa regnum Europus nomine tenuit. (7) Sed et Caranus cum magna multitudine Graecorum sedes in Macedonia responso oraculi iussus quaerere, cum Emathiam venisset, urbem Edessam non sentientibus oppidanis propter imbrium et nebulae magnitudinem gregem caprarum imbrem fugientium secutus occupavit; (8) revocatusque in memoriam oraculi, quo iussus erat ducibus capris imperium quaerere, regni sedem statuit; (9) religioseque postea observavit, quocumque agmen moveret, ante signa easdem capras habere, coeptorum duces habiturus, quas regni habu erat auctores. (10) Urbem Edessam ob memoriam muneris Aegaeas, populum Aegeadas vocavit. (11) Pulso deinde Mida (nam is quoque portionem Macedoniae tenuit) aliisque regibus pulsis in locum omnium solus successit (12) primusque adunatis gentibus variorum populorum veluti unum corpus Macedoniae fecit, crescentique regno valida incrementorum fundamenta constituit.
Vorwort zum 7. Buch Das siebte Buch enthält die Ursprünge Makedoniens und seine Könige vom Gründer des Volksstammes, Karanos, bis zum großen Philipp. Die Taten Phil ipps selbst bis zur Einnahme der Stadt Mothone. In einem Exkurs sind die Ursprünge der Illyrer und Paionier hinzugefügt.
Buch 7 1 (1) Makedonien wurde früher nach dem Namen des Königs Emathion1, von dessen Tapferkeit sich erste Beweise in diesen Gegenden finden lassen, Emathia genannt. (2) Wie sein Wachstum mäßig war, so waren auch seine Grenzen sehr eng. (3) Das Volk wurde Pelasger genannt, die Gegend Bottia. (4) Als aber später durch die Tapferkeit der Könige und den Einsatz des Volkes zuerst die Grenznachbarn, bald andere Völker und Stämme unterworfen wurden, dehnte das Reich sich bis zu den äußersten Grenzen des Orients aus.2 (5) In der Landschaft Paionien, die nun ein Teil Makedoniens ist, soll Pelegonos3 geherrscht haben, der Vater des Asteropaios, der – wie wir erfahren – im Trojanischen Krieg zu den berühmtesten Beschützern der Stadt zählte.4 (6) Auf der anderen Seite, in Europa5, hatte ein König namens Europos6 die Herrschaft inne. (7) Aber auch Karanos7, dem durch einen Orakelspruch befohlen war, Wohnsitze in Makedonien zu suchen, kam mit einer großen Gruppe von Griechen nach Emathia.8 Dann nahm er – was die Bewohner wegen starker Regengüsse und dichten Nebels gar nicht bemerkten – die Stadt Edessa ein, als er einer Herde Ziegen folgte, die vor dem Regen flüchtete. (8) Da erinnerte er sich wieder an den Orakelspruch9, der ihm befohlen hatte, sich unter der Führung von Ziegen ein Reich zu suchen, und gründete hier den Sitz seines Königreiches.10 (9) Auch später hielt er es ehrfurchtsvoll ein, wohin auch immer ein Heereszug sich in Bewegung setzte, vor den Feldzeichen ebendiese Ziegen mitzuführen, um diejenigen als Führer für seine Unternehmungen zu haben, die er auch als Gründer seines Reiches gehabt hatte. (10) Die Stadt Edessa nannte er zum Gedenken an dieses Geschenk Aigai11, das Volk Aigaiaden. (11) Als er dann Midas12 – denn auch dieser hatte einen Teil Makedoniens inne – verjagt und andere Könige vertrieben hatte, trat er allein an die Stelle aller. (12) Und als Erster schuf er durch die Vereinigung der Stämme verschiedener Völker gleichsam einen einzigen Körper Makedoniens und errichtete dem sich entwickelnden Reich eine starke Grundlage für sein Wachstum.
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2 (1) Post hunc Perdicca regnavit, cuius et vita inlustris et mortis postrema, veluti ex oraculo, praecepta memorabilia fuere. (2) Siquidem senex moriens Argeo filio monstravit locum, quo condi vellet; ibique non sua tantum, sed et succedentium sibi in regnum ossa poni iussit, (3) praefatus, quoad ibi conditae posterorum reliquiae forent, regnum in familia mansurum; (4) creduntque hac superstitione extinctam in Alexandro stirpem, quia locum sepulturae mutaverit. (5) Argeus moderate et cum amore popularium administrato regno successorem filium Philippum reliquit, qui inmatura morte raptus Aeropum, parvulum admodum, instituit heredem. (6) Sed Macedonibus adsidua certamina cum Thracibus et Illyriis fuere, quorum armis veluti cotidiano exercitio indurati gloria bellicae laudis finitimos terrebant. (7) Igitur Illyrii infantiam regis pupilli contemnentes bello Macedonas adgrediuntur. (8) Qui proelio pulsi rege suo in cunis prolato et pone aciem posito acrius certamen repetivere, (9) tamquam ideo victi antea fuissent, quod bellantibus sibi regis sui auspicia defuissent, (10) futuri vel propterea victores, quod ex superstitione animum vincendi ceperant; (11) simul et miseratio eos infantis tenebat, quem, si victi forent, captivum de rege facturi videbantur. (12) Conserto itaque proelio magna caede Illyrios fudere, ostenderuntque hostibus suis priore bello regem Macedonibus, non virtutem defuisse. (13) Huic Amyntas succedit et propria virtute et Alexandri filii egregia indole insigniter clarus; (14) cui Alexandro tanta omnium virtutum natura ornamenta extitere, ut etiam Olympio certamine vario ludicrorum genere contenderet. 3 (1) Cum interim Darius, rex Persarum, turpi ab Scythia fuga submotus, ne ubique deformis militiae damnis haberetur, mittit cum parte copiarum Magabasum ad subigendam Thraciam ceteraque eius tractus regna, quibus pro ignobili
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2 (1) Nach ihm herrschte Perdikkas13, dessen Leben glanzvoll und dessen letzte Anordnungen bei seinem Tod, so als kämen sie von einem Orakel, denkwürdig waren. (2) Denn als er im Greisenalter starb, zeigte er seinem Sohn Argeus14 den Platz, wo er bestattet werden wollte. Und er ordnete an, dass dort nicht nur seine eigenen Gebeine, sondern auch die Gebeine derer, die ihm in der Herrschaft nachfolgen würden, beigesetzt werden sollten. (3) Dabei sagte er voraus: Solange dort die sterblichen Überreste seiner Nachkommen bestattet seien, werde auch die Herrschaft in der Familie bleiben. (4) Und aufgrund dieser abergläubischen Bestimmung glaubt man, dass das Geschlecht mit Alexander erloschen sei, weil er einen anderen Bestattungsplatz gewählt habe.15 (5) Argeus übte die Herrschaft maßvoll aus und gewann die Liebe des Volkes. Er hinterließ als Nachfolger seinen Sohn Philippos16, der von einem frühzeitigen Tod dahingerafft wurde und seinen noch sehr kleinen Sohn Aëropos17 als Erben einsetzte. (6) Die Makedonen aber trugen ständig Gefechte mit den Thrakern und den Illyrern aus, und da sie durch die Kämpfe mit ihnen wie durch eine tägliche Übung abgehärtet waren, versetzten sie durch den Ruhm ihres kriegerischen Verdienstes ihre Grenznachbarn in Schrecken. (7) Weil nun die Illyrer den unmündigen König wegen seines Kindesalters verachteten, griffen sie die Makedonen in einem Krieg an. (8) Als die Makedonen in einer Schlacht geschlagen wurden, holten sie ihren König in seiner Wiege herbei, setzten ihn hinter der Schlachtreihe nieder und nahmen den Kampf heftiger wieder auf, (9) gleich als ob sie vorher nur deshalb besiegt worden wären, weil ihnen im Kampf der persönliche Oberbefehl ihres Königs gefehlt hätte; (10) und nun sollten sie gerade deswegen siegreich sein, weil sie aufgrund ihres Aberglaubens den Vorsatz gefasst hatten, zu siegen. (11) Zugleich hatten sie auch Mitleid mit dem Kind, das sie – wie sie glaubten – im Falle ihrer Niederlage von einem König zu einem Gefangenen machen würden. (12) Daher begannen sie die Schlacht, schlugen die Illyrer in einem großen Gemetzel und zeigten ihren Feinden, dass den Makedonen im früheren Kampf nur ihr König, nicht aber ihre Tapferkeit gefehlt hatte. (13) Diesem König folgte Amyntas18 nach, der sowohl wegen seiner eigenen Verdienste als auch wegen der vortrefflichen Begabung seines Sohnes Alexandros19 außerordentlich berühmt war. (14) Dieser Alexandros besaß von Natur aus so glänzende Fähigkeiten aller Art, dass er sich sogar beim Olympischen Wettkampf in verschiedenen Disziplinen von Kampfspielen messen konnte. 3 (1) Inzwischen war Dareios20, der König der Perser, in schändlicher Flucht aus Skythien vertrieben worden.21 Damit man ihn nicht überall aufgrund seiner Verluste in diesem Feldzug für entehrt hielt, schickte er Magabasos22 mit einem Teil seiner Truppen aus, um Thrakien und die übrigen Reiche dieses Landstrichs zu unterwerfen;23 zu diesen sollte Makedonien als unbedeutender Teil hinzu-
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momento erat accessura Macedonia. (2) Qui brevi tempore executo regis imperio legatis ad Amyntam, regem Macedoniae, missis obsides in pignus futurae pacis dari sibi postulabat. (3) Sed legati benigne excepti inter epulas ebrietate crescente rogant Amyntam, ut apparatui epularum adiciat ius familiaritatis adhibitis in convivium suum filiis et uxoribus; id apud Persas haberi pignus ac foedus hospitii. (4) Quae ut venerunt Persis eas petulantius contrectantibus filius Amyntae Alexander rogat patrem, respectu aetatis ac gravitatis suae abiret e convivio, pollicitus se hospitum temperaturum iocos. (5) Quo digresso mulieres quoque paululum e convivio evocat, cultius exornaturus gratioresque reducturus. (6) In quarum locum matronali habitu exornatos iuvenes opponit, eosque petulantiam legatorum ferro, quod sub veste gerebant, conpescere iubet. (7) Atque ita interfectis omnibus ignarus rei Magabasus, cum legati non redirent, mittit eo cum exercitus parte Bubarem ut in bellum facile et mediocre, (8) dedignatus ipse ire, ne dehonestaretur proelio tam foedae gentis. (9) Sed Bubares ante bellum amore filiae Amyntae captus omisso bello nuptias facit depositis que hostilibus animis in adfinitatis iura succedit. 4 (1) Post discessum a Macedonia Bubaris Amyntas rex decedit, cuius filio et successori Alexandro cognatio Bubaris non Darii tantum temporibus pacem praestitit, verum etiam Xerxen adeo conciliavit, ut, cum Graeciam veluti tempestas quaedam occupasset, inter Olympum Haemumque montes totius regionis eum imperio donaverit. (2) Sed nec virtute minus quam Persarum liberalitate regnum ampliavit. (3) Per ordinem deinde successionis regnum Macedoniae ad Amyntam, fratris eius Menelai filium, pervenit. (4) Hic quoque insignis industria et omnibus imperatoriis virtutibus instructus fuit, (5) qui ex Eurydice tres filios sustulit, Alexandrum, Perdiccam et Philippum, Alexandri Magni Macedonis patrem, et filiam Euryonem, ex Gygaea autem Archelaum, Arridaeum, Menelaum. (6) Cum Illyriis deinde et cum Olynthiis gravia bella gessit. (7) Insidiis etiam Eurydices uxoris, quae nuptias generi pacta
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kommen. (2) Als Magabasos in kurzer Zeit den Befehl des Königs ausgeführt hatte, schickte er Gesandte zu Amyntas, dem König von Makedonien, und forderte als Unterpfand des künftigen Friedens die Stellung von Geiseln. (3) Die Gesandten aber, die freundlich aufgenommen wurden, baten Amyntas während des Gastmahls in zunehmender Trunkenheit, er solle ihnen zusätzlich zu dem prunkvollen Mahl das Vorrecht einräumen, das Bekannten zusteht, und seine Töchter und Gemahlinnen zu seinem Gastmahl einladen; das gelte bei den Persern als Unterpfand und Übereinkunft der Gastfreundschaft. (4) Wie die Frauen nun kamen und von den Persern allzu frech berührt wurden, bat Alexandros, der Sohn des Amyntas, seinen Vater, sich aus Rücksicht auf sein Alter und seine Würde vom Gastmahl zurückzuziehen, und versprach ihm, die Freizügigkeit der Gäste zu zügeln. (5) Als Amyntas gegangen war, rief Alexandros auch die Frauen für eine kleine Weile vom Gastmahl weg, angeblich um sie schöner zu schmücken und in größerer Anmut zurückzubringen. (6) Dann ließ er mit Frauenkleidern ausstaffierte Jünglinge den Platz der Frauen einnehmen und befahl ihnen, die Frechheit der Gesandten mit dem Dolch, den sie unter dem Gewand trugen, zu zähmen. (7) Und so wurden alle Gesandten ermordet. Als sie nicht zurückkehrten, schickte Magabasos, ohne von diesem Vorfall zu wissen, Bubares mit einem Teil des Heeres dorthin, wie zu einem leichten und unbedeutenden Krieg. (8) Magabasos ließ sich nicht dazu herab, selbst zu gehen, damit er nicht durch den Kampf gegen ein so schimpfliches Volk entehrt wurde. (9) Aber Bubares verliebte sich vor dem Krieg in die Tochter des Amyn tas24 und gab daher den Kriegszug auf. Er hielt Hochzeit, legte seine feindliche Gesinnung ab und trat in ein rechtmäßiges Verwandtschaftsverhältnis ein. 4 (1) Nach dem Abzug des Bubares aus Makedonien starb König Amyntas.25 Seinem Sohn und Nachfolger Alexandros verschaffte die Verwandtschaft mit Bubares nicht nur den Frieden zur Zeit des Dareios, sondern auch die Gunst des Xerxes, und zwar in solchem Maße, dass Xerxes, als er Griechenland wie ein Sturm überraschte,26 Alexandros mit der Herrschaft über das gesamte Gebiet zwischen den Bergen Olympos27 und Haimos28 beschenkte. (2) Aber Alex andros vergrößerte sein Reich nicht weniger durch seine eigene Tapferkeit als durch die Freigebigkeit der Perser. (3) Hierauf fiel gemäß der Nachfolgeregelung die Herrschaft über Makedonien an Amyntas29, den Sohn seines Bruders Menelaos30. (4) Auch Amyntas zeichnete sich durch seine Tatkraft aus und besaß alle Vorzüge eines Feldherrn. (5) Er bekam von Eurydike31 drei Söhne, Alexandros32, Perdikkas33 und Philipp34, den Vater Alexanders des Großen35 von Makedonien, sowie eine Tochter, Euryone; von Gygaia36 aber bekam er Archelaos, Arridaios37 und Menelaos38. (6) Hierauf führte er gegen die Illyrer und die Olynthier schwere Kriege. (7) Auch wäre er durch einen Anschlag seiner Gemahlin Eurydike, die sich mit ihrem Schwiegersohn39 auf eine Hei-
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occidendum virum regnumque adultero tradendum susceperat, occupatus fuisset, ni filia paelicatum matris et sceleris consilia prodidisset. (8) Functus itaque tot periculis senex decessit, regno maximo ex filiis Alexandro tradito. 5 (1) Igitur Alexander inter prima initia regni bellum ab Illyriis pacta mercede et Philippo fratre dato obside redemit. (2) Interiecto quoque tempore per eundem obsidem cum Thebanis gratiam pacis reconciliat. Quae res Philippo maxima incrementa egregiae indolis dedit, (3) siquidem triennio Thebis obses habitus prima pueritiae rudimenta in urbe severitatis antiquae et in domo Epaminondae, summi et philosophi et imperatoris, deposuit. (4) Nec multo post Alexander insidiis Eurydices matris adpetitus occumbit, (5) cui Amyntas in scelere deprehensae propter communes liberos, ignarus eisdem quandoque exitiosam fore, pepercerat. (6) Frater quoque eius Perdicca pari insidiarum fraude decipitur. (7) Indignum prorsus libidinis causa liberos a matre vita privatos, quam scelerum suorum suppliciis liberorum contemplatio vindicaverat. (8) Perdiccae hoc indignior caedes videbatur, quod ei apud matrem miseri cordiam ne parvulus quidem filius conciliaverat. (9) Itaque Philippus diu non regem, sed tutorem pupilli egit. (10) At ubi graviora bella inminebant serumque auxilium in expectatione infantis erat, conpulsus a populo regnum suscepit. 6 (1) Ut est ingressus imperium, magna de illo spes omnibus fuit et propter ipsius ingenium, quod magnum spondebat virum, et propter vetera Macedoniae fata, (2) quae cecinerant, uno ex Amyntae filiis regnante florentissimum fore Macedoniae statum, cui spei scelus matris hunc residuum fecerat. (3) Principio regni cum hinc caedes fratrum indigne peremptorum, inde hostium multitudo, hinc insidiarum metus, inde inopia continui belli et exhausti regni inmaturam aetatem tironis urgerent: (4) bella, quae velut conspiratione quadam ad opprimendam Macedoniam multarum gentium ex diversis locis uno tempore confluebant, quoniam omnibus par esse
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rat geeinigt hatte und es übernehmen wollte, ihren Gemahl zu ermorden und die Herrschaft dem Ehebrecher auszuliefern, überrascht worden, wenn nicht die Tochter die ehebrecherische Beziehung und die verbrecherischen Pläne ihrer Mutter verraten hätte. (8) Als Amyntas nun so viele Gefahren überstanden hatte, starb er im Greisenalter, nachdem er die Herrschaft dem ältesten seiner Söhne, Alexandros, übergeben hatte. 5 (1) Alexandros kaufte sich nun gleich zu Beginn seiner Herrschaft, als man sich auf einen Preis geeinigt und er40 seinen Bruder Philipp als Geisel gestellt hatte, vom Krieg gegen die Illyrer los. (2) Nach einiger Zeit stellte er, erneut mit Philipp als Geisel, auch das Friedensverhältnis mit den Thebanern wieder her. Das steigerte Philipps Begabung in höchstem Maße. (3) Denn drei Jahre lang41 wurde er in Theben als Geisel festgehalten und legte die ersten Proben seiner Kindheit in dieser Stadt der alten Strenge und im Hause des Epameinondas ab, der sowohl der größte Philosoph als auch der größte Feldherr war.42 (4) Und nicht lange danach erlag Alexandros einem Anschlag seiner Mutter Eurydike,43 (5) die Amyntas, obwohl sie bei ihrem Verbrechen ertappt worden war, wegen der gemeinsamen Kinder verschont hatte, ohne zu ahnen, dass sie für ebendiese einmal verderblich sein würde. (6) Auch Alexandros’ Bruder Perdikkas wurde ein Opfer der gleichen heimtückischen Täuschung.44 (7) Es ist wirklich empörend, dass die Mutter, die gerade aus Rücksicht auf ihre Kinder von der Strafe für ihre Verbrechen befreit worden war, um der Lust willen ihren eigenen Kindern das Leben raubte. (8) Die Ermordung des Perdikkas erschien deshalb noch empörender, weil ihm bei seiner Mutter nicht einmal sein kleiner Sohn45 Mitleid verschafft hatte. (9) Daher trat Philipp lange nicht als König, sondern als Beschützer des unmündigen Knaben auf. (10) Sobald aber schwerere Kriege bevorstanden und die Hilfe, die man vonseiten des Kindes erwartete, zu spät gekommen wäre, übernahm er auf Drängen des Volkes die Herrschaft.46 6 (1) Wie er die Herrschaft antrat,47 setzten alle große Hoffnung auf ihn sowohl wegen seines Talents, das die künftige Größe des Mannes erahnen ließ, als auch wegen der alten Schicksalssprüche für Makedonien, (2) die prophezeit hatten, während der Herrschaft eines der Amyntas-Söhne werde Makedonien in höchster Blüte stehen. Für diese Hoffnung hatte das Verbrechen der Mutter nur noch diesen einen übrig gelassen. (3) Zu Beginn seiner Herrschaft belastete hier die Ermordung seiner schändlich getöteten Brüder, dort die Masse der Feinde, hier die Angst vor Anschlägen, dort die Not infolge des ununterbrochenen Krieges und des ausgebluteten Reiches den Neuling in seinem noch unreifen Alter. (4) Die Kriege, die von verschiedenen Seiten her gleichzeitig hereinbrachen, als hätten viele Völkerschaften sich zur Unterdrückung Makedoniens verschworen, glaubte er aufteilen zu müssen, weil er allen zu-
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non poterat, dispensanda ratus (5) alia interposita pactione conponit, alia redimit facillimis quibusque adgressis, quorum victoria et militum trepidos animos firmaret et contemptum sibi hostium demeret. (6) Primum illi cum Atheniensibus certamen fuit; quibus per insidias victis metu belli gravioris, cum interficere omnes posset, incolumes sine pretio dimisit. (7) Post hos bello in Illyrios translato multa milia hostium caedit; (8) hinc Thessaliam non praedae cupiditate, sed quod exercitui suo robur Thessalorum equitum adiungere gestiebat, nihil minus quam bellum metuentem inprovisus expugnat, (9) unumque corpus equitum pedestriumque copiarum invicti exercitus fecit; urbem nobilissimam Larissam capit. (10) Quibus rebus feliciter provenientibus Olympiadam, Neoptolemi, regis Molossorum, filiam, uxorem ducit, (11) conciliante nuptias fratre patrueli, auctore virginis, Arryba, rege Molossorum, qui sororem Olympiadis Troada in matrimonio habebat; quae causa illi exitii malorumque omnium fuit. (12) Nam dum regni incrementa adfinitate Philippi adquisiturum se sperat, proprio regno ab eodem privatus in exilio consenuit. (13) His ita gestis Philippus iam non contentus submovere bella ultro etiam quietos lacessit. (14) Cum Mothonam urbem oppugnaret, in praetereuntem de muris sagitta iacta dextrum oculum regis effodit. (15) Quo vulnere nec segnior in bellum nec iracundior adversus hostes factus est, (16) adeo ut interiectis diebus pacem deprecantibus dederit, nec moderatus tantum, verum etiam mitis adversus victos fuerit.
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gleich nicht gewachsen sein konnte. (5) Deshalb legte er die einen durch zwischenzeitliche Verträge bei, von den anderen kaufte er sich los; gerade diejenigen aber, die sich am leichtesten führen ließen, nahm er gleich in Angriff, um durch einen Sieg in diesen Kriegen sowohl seine ängstlichen Soldaten zu stärken als auch von den Feinden nicht länger verachtet zu werden. (6) Den ersten Kampf führte er gegen die Athener.48 Als er sie durch Hinterlist besiegt hatte, entließ er sie aus Furcht vor einem schwereren Krieg unversehrt und ohne dafür Lösegeld zu nehmen, obgleich er sie alle hätte töten können. (7) Danach trug er den Krieg nach Illyrien hinüber und machte viele Tausend Feinde nieder.49 (8) Darauf eroberte er, nicht aus Beutegier, sondern weil er seinem Heer die Kerntruppe der thessalischen Reiterei anschließen wollte, unvermutet Thessalien, das nichts weniger fürchtete als einen Krieg. (9) Und so schuf er aus den Truppen der Reiter und Fußsoldaten einen einzigen Körper seines unbesiegbaren Heeres. Er eroberte auch die hochberühmte Stadt Larissa. (10) Als das glücklich vonstatten ging, nahm er Olympias50, die Tochter des Neoptolemos51, des Königs der Molosser, zur Frau.52 (11) Diese Hochzeit vermittelte der Cousin väterlicherseits, der Vormund der jungen Frau, Arrybas53, der König der Molosser, der mit der Schwester der Olympias, Troas, verheiratet war. Das war für Arrybas die Ursache seines Untergangs und all seiner Unannehmlichkeiten. (12) Denn während er hoffte, durch die Verwandtschaft mit Philipp sein Reich vergrößern zu können, wurde er von diesem seines eigenen Reiches beraubt und alterte in der Verbannung.54 (13) Weil Philipp sich nach solchen Taten schon nicht mehr damit zufriedengab, Kriege nur abzuwehren, reizte er von sich aus auch Völker, die sich ruhig verhielten, zum Kampf. (14) Bei der Belagerung der Stadt Mothone55 wurde auf ihn, als er vorüberging, von den Mauern ein Pfeil abgeschossen und durchbohrte das rechte Auge des Königs. (15) Diese Verwundung machte ihn weder träger in der Kriegführung noch zorniger gegen die Feinde, (16) sodass er ihnen nach einigen Tagen auf ihre Bitte den Frieden gewährte und sich nicht nur maßvoll, sondern auch mild gegenüber den Besiegten verhielt.
Prologus libri VIII Octavo volumine continentur res gestae Philippi Magni post captam urbem Mothonen, a principio belli Phocensis, quod sacrum vocant, usque ad finem eius: interiectumque huic bellum, quod Philippus cum Chalcidicis urbibus gessit, quarum clarissimam delevit Olynthon. Ut Illyrici reges ab eo victi sunt, et Thracia atque Thessalia subactae, et rex Epiro datus Alexander eiecto Arybba, et frustra Perinthos oppugnata.
Liber VIII 1 (1) Graeciae civitates, dum imperare singulae cupiunt, imperium omnes perdiderunt. (2) Quippe in mutuum exitium sine modo ruentes omnibus per ire, quod singulae amitterent, non nisi oppressae senserunt; (3) siquidem Philippus, rex Macedoniae, velut e specula quadam libertati omnium insidiatus, dum contentiones civitatum alit auxilium inferioribus ferendo, victos pariter victoresque subire regiam servitutem coegit. (4) Causa et origo huius mali Thebani fuere, qui cum rerum potirentur, secundam fortunam inbecillo animo ferentes victos armis Lacedaemonios et Phocenses, quasi parva supplicia caedibus et rapinis luissent, apud commune Graeciae concilium superbe accusaverunt. (5) Lacedaemoniis crimini datum, quod arcem Thebanam indutiarum tempore occupassent, Phocensibus, quod Boeotiam depopulati essent: (6) prorsus quasi post arma et bellum locum legibus reliquissent. (7) Cum iudicium arbitrio victorum exerceretur, tanta pecunia damnantur, quanta exsolvi non posset. (8) Igitur Phocenses cum agris, liberis coniugibusque privarentur, desperatis rebus Philomelo quodam duce veluti deo irascentes templum Apollinis Delphis occupavere. (9) Inde auro et pecunia divites conducto mercennario milite bellum Thebanis intulerunt. (10) Factum Phocensium, tametsi omnes execrarentur propter sacrilegium, plus tamen invidiae Thebanis, a quibus ad hanc necessitatem conpulsi fuerant, quam ipsis intulit.
Vorwort zum 8. Buch Das achte Buch enthält die Taten Philipps des Großen nach der Eroberung der Stadt Mothone vom Beginn des Phokischen Krieges, den man den Heiligen1 nennt, bis zu dessen Ende. Und dazwischen eingeschoben ist der Krieg, den Philipp gegen die Städte der Chalkidike führte, deren berühmteste, Olynth, er zerstörte. Wie die illyrischen Könige von ihm besiegt, Thrakien und Thessalien unterworfen wurden und wie Alexandros nach der Vertreibung des Arrybas als König in Epeiros eingesetzt und Perinthos2 vergeblich belagert wurde.
Buch 8 1 (1) Die Staaten Griechenlands verloren, während jeder für sich zu herrschen begehrte, allesamt ihre Macht. (2) Denn während sie ohne Maß in das gegenseitige Verderben rannten, bemerkten sie erst, als sie schon unterdrückt waren, dass das, was sie einzeln verloren, für alle zugrunde ging. (3) Denn Philipp, der König von Makedonien, der wie von einer Warte aus der Freiheit aller auflauerte, nährte die Streitigkeiten der Staaten dadurch, dass er den Schwächeren Hilfe brachte, und zwang so Sieger wie Besiegte in gleicher Weise, die Versklavung, welche die Herrschaft eines Königs mit sich bringt, auf sich zu nehmen. (4) Grund und Ursprung dieses Unheils waren die Thebaner. Als sie sich nämlich der Herrschaft bemächtigt hatten, zeigten sie im Umgang mit ihrem glücklichen Los charakterliche Schwächen und klagten die durch Waffengewalt besiegten Lakedaimonier und Phoker3, als ob Mord und Raub noch eine zu geringe Strafe für sie gewesen wären, vor dem gemeinsamen Rat Griechenlands4 hochmütig an. (5) Den Lakedaimoniern wurde zum Vorwurf gemacht, dass sie die Burg von Theben5 zur Zeit des Waffenstillstands besetzt hätten, den Phokern dagegen, dass sie Boiotien geplündert hätten, (6) ganz so, als ob sie nach Waffengewalt und Krieg den Gesetzen noch Raum gelassen hätten. (7) Da nach dem Machtspruch der Sieger Gericht gehalten wurde, verurteilte man die Phoker zu einer so hohen Geldstrafe, dass sie diese nicht bezahlen konnten. (8) Als die Phoker nun ihrer Ländereien, Kinder und Frauen beraubt wurden, besetzten sie in ihrer Verzweiflung unter der Führung eines gewissen Philomelos gleichsam im Zorn auf den Gott den Tempel des Apollon zu Delphi.6 (9) Daher hatten sie Gold und Geld im Übermaß, warben Söldner an und begannen einen Krieg gegen die Thebaner. (10) Die Tat der Phoker brachte, obgleich alle sie wegen des Tempelraubes verfluchten, den Thebanern, welche die Phoker in diese Notlage getrieben hatten, mehr Anfeindung ein als ihnen selbst. (11) Daher schickten sowohl die Athener als auch die Lakedaimonier den Phokern Hilfstruppen. (12) So beraubte Philomelos im ersten Gefecht die Thebaner
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(11) Itaque auxilia his et ab Atheniensibus et a Lacedaemoniis missa. (12) Prima igitur congressione Philomelus Thebanos castris exuit. (13) Sequenti proelio primus inter confertissimos dimicans cecidit et sacrilegii poenas impio sanguine luit. (14) In huius locum dux Onomarchus creatur. 2 (1) Adversus quem Thebani Thessalique non ex civibus suis, ne victoris potentiam ferre non possent, sed Philippum, Macedoniae regem, ducem eligunt (2) et externae dominationi, quam in suis timuerunt, sponte succedunt. (3) Igitur Philippus, quasi sacrilegii, non Thebanorum ultor esset, omnes milites coronas laureas sumere iubet, atque ita veluti deo duce in proelium pergit. (4) Phocenses insignibus dei conspectis conscientia delictorum territi abiectis armis fugam capessunt, poenasque violatae religionis sanguine et caedibus suis pendunt. (5) Incredibile quantum ea res apud omnes nationes Phil ippo gloriae dedit; (6) illum vindicem sacrilegii, illum ultorem religionum, quod orbis viribus expiari debuisset, solum qui piacula exigeret extitisse. (7) Dignum itaque qui a diis proximus habeatur, per quem deorum maiestas vindicata sit. (8) Sed Athenienses audito belli eventu, ne in Graeciam Philippus transiret, angustias Thermopylarum pari ratione sicuti antea advenientibus Persis occupavere, sed nequaquam simili aut virtute aut causa: (9) siquidem tunc pro libertate Graeciae, nunc pro sacrilegio publico, tunc a rapina hostium templa vindicaturi, nunc adversus vindices templorum raptores defensuri; (10) aguntque propugnatores sceleris, cuius turpe erat alios vindices fuisse, (11) inmemores prorsus, quod in dubiis rebus suis illo deo etiam consiliorum auctore usi fuerant, quod illo duce tot bella victores inierant, tot urbes auspicato condiderant, tantum imperium terra marique quaesierant, quod nihil sine maiestate numinis eius aut privatae umquam aut publicae rei gesserant. (12) Tantum facinus admisisse ingenia omni doctrina exculta, pulcherrimis legibus institutisque formata, ut quid posthac suscenseri iure barbaris possit non haberent.
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ihres Lagers. (13) In der folgenden Schlacht7 fiel er beim Kampf im dichtesten Getümmel als Erster und büßte mit seinem frevelhaften Blut für den Tempelraub. (14) An seiner Stelle wurde Onomarchos8 zum Anführer gewählt. 2 (1) Gegen ihn wählten die Thebaner und Thessalier nicht einen ihrer eigenen Mitbürger zum Anführer, damit nicht die Macht des Siegers für sie unerträglich wurde, sondern Philipp, den König von Makedonien; (2) und aus Furcht, einem ihrer eigenen Mitbürger die Oberherrschaft zu übertragen, unterwarfen sie sich freiwillig der Herrschaft eines Fremden. (3) Nun befahl Philipp, als wäre er der Rächer des Tempelraubes und nicht der Thebaner, allen Soldaten, sich mit Lorbeer9 zu bekränzen, und zog so gleichsam unter der Führung des Gottes in die Schlacht.10 (4) Als die Phoker die Zeichen des Gottes erblickten, erschraken sie, weil sie sich ihrer Vergehen bewusst waren. Sie warfen die Waffen weg, ergriffen die Flucht und bezahlten so mit ihrem Blut und ihrem Leben für den Götterfrevel. (5) Es ist unglaublich, welch großen Ruhm diese Vergeltungsmaßnahme Philipp bei allen Völkern einbrachte: (6) Er habe sich als Rächer des Tempelraubes, er als Bestrafer des Frevels, er allein als derjenige gezeigt, der für das, was durch die Streitkräfte des ganzen Erdkreises hätte gesühnt werden müssen, Sühne gefordert habe. (7) Daher sei derjenige würdig, als der Nächste nach den Göttern zu gelten, der die verletzte Würde der Götter gerächt habe. (8) Als aber die Athener vom Ausgang des Krieges hörten, besetzten sie, damit Philipp nicht nach Griechenland hinüberzog, den Engpass der Thermopylen auf gleiche Weise wie früher beim Anmarsch der Perser,11 doch keineswegs mit ähnlicher Tapferkeit oder aus einem ähnlichen Beweggrund: (9) Denn damals taten sie es für die Freiheit Griechenlands, jetzt für einen öffentlichen Tempelraub, damals, um die Tempel vor der Plünderung durch die Feinde zu schützen, jetzt, um die Tempelräuber gegen die Rächer zu verteidigen. (10) Und sie spielten die Rolle von Vorkämpfern eines Frevels, als dessen Rächer nun zu ihrer Schande andere auftraten. (11) Dabei dachten sie gar nicht daran, dass sie sich in eigenen bedenklichen Situationen jenes Gottes auch als Urheber ihrer Pläne bedient,12 unter seiner Führung so viele Kriege siegreich unternommen, so viele Städte unter guten Vorzeichen gegründet, ein so großes Reich zu Wasser und zu Lande errungen und niemals ein entweder privates oder öffentliches Unternehmen ohne diese erhabene Gottheit ausgeführt hatten. (12) Ein so großes Verbrechen verübten geistvolle Menschen, die in jeder Wissenschaft ausgebildet und durch die vortrefflichsten Gesetze und Einrichtungen unterwiesen waren, sodass sie von nun an kein Recht mehr hatten, Barbaren zu zürnen.
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3 (1) Sed nec Philippus melioris fidei adversus socios fuit. (2) Quippe veluti timens, ne ab hostibus sacrilegii scelere vinceretur, civitates, quarum paulo ante dux fuerat, quae sub auspiciis eius militaverant, quae gratulatae illi sibique victoriam fuerant, hostiliter occupatas diripuit; (3) coniuges liberosque omnium sub corona vendidit; (4) non deorum inmortalium templis, non aedibus sacris, non diis penatibus publicis privatisque, ad quos paulo ante ingressus hospitaliter fuerat, pepercit: (5) prorsus ut non tam sacrilegii ultor extitisse quam sacrilegiorum licentiam quaesisse videretur. (6) Inde veluti rebus egregie gestis in Chalcidiam traicit, ubi bello pari perfidia gesto captisque per dolum et occisis finitimis regibus universam provinciam imperio Macedoniae adiungit. (7) Deinde ad abolendam invidiae famam, qua insignis praeter ceteros tunc temporis habebatur, per regna mittit et opulentissimas civitates, (8) qui opinionem sererent regem Philippum magna pecunia locare et muros per civitates et fana ac templa facienda, et ut per praecones susceptores sollicitarent. (9) Qui cum in Macedoniam venissent, variis dilationibus frustrati, vim regiae maiestatis timentes taciti proficiscebantur. (10) Post haec Olynthios adgreditur; receperant enim per misericordiam post caedem unius duos fratres eius, quos Philippus ex noverca genitos veluti participes regni interficere gestiebat. (11) Ob hanc igitur causam urbem antiquam et nobilem exscindit et fratres olim destinato supplicio tradit praedaque ingenti pariter et parricidii voto fruitur. (12) Inde, quasi omnia quae agitasset animo ei licerent, auraria in Thessalia, argenti metalla in Thra cia occupat, (13) et ne quod ius vel fas inviolatum praetermitteret, piraticam quoque exercere instituit. (14) His ita gestis forte evenit, ut eum fratres duo, reges Thraciae, non contemplatione iustitiae eius, sed invicem metuentes, ne alterius viribus accederet, disceptationum suarum iudicem eligerent. (15) Sed Philippus more ingenii sui ad iudicium veluti ad bellum inopinantibus fratribus instructo exercitu supervenit regnoque utrumque non iudicis more, sed fraude latronis ac scelere spoliavit.
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3 (1) Aber auch Philipp zeigte keine größere Redlichkeit gegenüber seinen Verbündeten. (2) Denn als ob er fürchtete, von den Feinden in frevelhaften Verbrechen übertroffen zu werden, nahm er die Städte, deren Anführer er kurz zuvor gewesen war, die unter seinem Oberbefehl Kriegsdienst geleistet und die ihn und sich selbst zum Sieg beglückwünscht hatten, wie ein Feind in Besitz und plünderte sie. (3) Die Frauen und Kinder aller verkaufte er als Sklaven. (4) Er verschonte nicht die Tempel der unsterblichen Götter, nicht die heiligen Gebäude und nicht die öffentlichen und privaten Penaten, zu denen er kurz zuvor noch als Gastfreund gekommen war, (5) sodass es ganz den Anschein hatte, als wäre er nicht so sehr der Rächer eines Frevels gewesen, sondern hätte vielmehr die unbeschränkte Freiheit zum Freveln zu erringen gesucht. (6) Darauf setzte er, als ob er diese Taten vortrefflich vollbracht hätte, nach Chalkidike13 über, wo er mit der gleichen Unredlichkeit Krieg führte. Und als er auch die benachbarten Könige durch eine List gefangen genommen und getötet hatte, fügte er den gesamten Landstrich dem makedonischen Machtbereich hinzu. (7) Um den üblen Ruf der Anfeindung zu tilgen, in dem er damals mehr als alle Übrigen stand, schickte er hierauf in alle Königreiche und reichsten Städte Leute, (8) welche die Kunde verbreiten sollten, dass König Philipp für viel Geld den Bau von Mauern ringsum in den Städten und auch von Heiligtümern und Tempeln ausschreibe und dass sie durch Herolde Unternehmer anlocken sollten. (9) Als die Unternehmer nach Makedonien kamen, wurden sie durch verschiedene Verzögerungen hingehalten und reisten dann aus Furcht vor der königlichen Macht heimlich wieder ab. (10) Danach griff Philipp die Olynthier an. Sie hatten nämlich aus Mitleid nach der Ermordung eines seiner Brüder die beiden anderen14 bei sich aufgenommen, die Philipp, weil sie von seiner Stiefmutter15 geboren waren, gleichsam als Teilhaber an der Herrschaft töten wollte. (11) Also zerstörte er aus diesem Grund die alte und berühmte Stadt,16 ließ seine Brüder hinrichten, wie er es schon seit Langem bestimmt hatte, und erfreute sich gleichzeitig an der gewaltigen Kriegsbeute und dem nun in Erfüllung gegangenen Wunsch nach Brudermord. (12) Darauf nahm er, als ob ihm alles, was er im Sinn hätte, erlaubt wäre, die Goldminen in Thessalien und die Silberbergwerke in Thrakien in Besitz, (13) und um kein menschliches oder göttliches Recht unverletzt zu lassen, begann er, auch noch Seeräuberei zu treiben. (14) Nach solchen Taten geschah es zufällig, dass ihn zwei Brüder, die Könige von Thrakien, zum Schiedsrichter ihrer Streitigkeiten wählten, nicht in Anbetracht seiner Gerechtigkeit, sondern aus gegenseitiger Furcht, er werde sich den Streitkräften des jeweils anderen anschließen. (15) Aber Philipp überfiel entsprechend seinem Charakter – er kam zum Urteilsspruch wie zu einem Kriegszug – die ahnungslosen Brüder mit einem gerüsteten Heer und beraubte beide nicht nach Art eines Schiedsrichters, sondern mit der Tücke und Bosheit eines Räubers ihrer Herrschaft.17
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4 (1) Dum haec aguntur, legati Atheniensium petentes pacem ad eum venerunt. (2) Quibus auditis et ipse legatos Athenas cum pacis condicionibus misit; ibique ex commodo utrorumque pax facta. (3) Ex ceteris quoque Graeciae civitatibus non pacis amore, sed belli metu legationes venere; (4) siquidem crudescente ira Thessali Boeotiique orant, ut professum adversus Phocenses ducem Graeciae exhibeat; (5) tanto odio Phocensium ardentes, ut obliti cladium suarum perire ipsi quam non perdere eos praeoptarent, expertamque Philippi crudelitatem pati quam parcere hostibus suis mallent. (6) Contra Phocensium legati adhibitis Lacedaemoniis et Atheniensibus bellum deprecabantur, cuius ab eo dilationem ter iam emerant. (7) Foedum prorsus miserandumque spectaculum, Graeciam etiamnunc et viribus et dignitate orbis terrarum principem, regum certe gentiumque semper victricem et multarum adhuc urbium dominam alienis excubare sedibus aut rogantem bellum aut deprecantem; (8) in alterius ope spem omnem posuisse orbis terrarum vindices, eoque discordia sua civilibusque bellis redactos, ut adulentur ultro sordidam paulo ante clientelae suae partem, (9) et haec potissimum facere Thebanos Lacedaemoniosque, antea inter se imperii, nunc gratiae imperantis aemulos. (10) Philippus inter haec venditatione gloriae suae tantarum urbium fastidium agitat atque utros potius dignetur aestimat. (11) Secreto igitur auditis utrisque legationibus his veniam belli pollicetur, iure iurando adactis responsum nemini prodituros; illis contra venturum se auxiliumque laturum; utrosque vetat parare bellum aut metuere. (12) Sic variato responso securis omnibus Thermopylarum angustias occupat. 5 (1) Tunc primum Phocenses captos se fraude Philippi animadvertentes trepidi ad arma confugiunt. (2) Sed neque spatium erat instruendi belli nec tempus ad contrahenda auxilia; et Philippus excidium minabatur, ni fieret deditio. (3) Victi igitur necessitate pacta salute se dediderunt. (4) Sed pactio eius fidei fuit, cuius antea fuerat deprecati belli
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4 (1) Währenddessen kamen Gesandte der Athener zu ihm und baten um Frieden. (2) Als er sie angehört hatte, schickte er seinerseits Gesandte mit Friedensbedingungen nach Athen. Und dort wurde zu beiderseitigem Vorteil Frieden geschlossen. (3) Auch aus den übrigen Staaten Griechenlands kamen Gesandtschaften, nicht aus Liebe zum Frieden, sondern aus Furcht vor einem Krieg. (4) Denn in ihrem immer heftiger werdenden Zorn baten die Thessalier und die Boiotier Philipp, er solle, wie versprochen, als Anführer Griechenlands gegen die Phoker auftreten. (5) Sie glühten nämlich vor solch großem Hass gegen die Phoker, dass sie ihr eigenes Unglück vergaßen und lieber selbst umkommen wollten, als die Phoker nicht zu vernichten, und lieber die aus Erfahrung bekannte Grausamkeit Philipps erdulden als ihre Feinde schonen wollten. (6) Dagegen versuchten die Gesandten der Phoker, welche die Lakedaimonier und Athener hinzugezogen hatten, den Krieg, dessen Aufschub sie schon dreimal18 von Philipp erkauft hatten, durch Bitten abzuwenden. (7) Wahrlich ein hässliches und klägliches Schauspiel, dass Griechenland, auch jetzt noch sowohl an Kräften als auch an Würde das erste Land der Welt, ohne Zweifel immer der Sieger über Könige und Völkerschaften und noch immer der Herr vieler Städte, vor fremden Thronen wartete, während es entweder um Krieg bat oder ihn durch Bitten abzuwenden suchte, (8) dass die Beschützer des Erdkreises ihre ganze Hoffnung auf den Beistand eines anderen gesetzt hatten und durch ihre Zwietracht und Bruderkriege so weit gebracht worden waren, dass sie von sich aus einem kurz zuvor noch verachteten Teil ihrer Schutzbefohlenen schmeichelten, (9) und dass hauptsächlich die Thebaner und die Lakedaimonier das taten, vorher untereinander Rivalen um die Herrschaft, nun um die Gunst des Herrschers. (10) Philipp prahlte inzwischen mit seinem Ruhm, heuchelte hochmütige Verachtung gegenüber so großen Städten und schätzte ab, welche von beiden Seiten er lieber begünstigen sollte. (11) So hörte er heimlich beide Gesandtschaften an und versprach dann den einen, ihnen den Krieg zu ersparen, nachdem er sie durch einen Schwur verpflichtet hatte, niemandem seine Antwort zu verraten, den anderen dagegen, dass er kommen und Hilfe bringen werde; beiden verbot er, sich zu einem Krieg zu rüsten oder davor zu fürchten. (12) Als er so allen eine unterschiedliche Antwort gegeben hatte und sie sich daher in Sicherheit wiegten, besetzte er den Engpass der Thermopylen.19 5 (1) Da erkannten die Phoker zum ersten Mal, dass sie durch Philipps Tücke überlistet worden waren, und nahmen ängstlich Zuflucht zu den Waffen. (2) Sie hatten aber weder Gelegenheit, zum Krieg zu rüsten, noch Zeit, Hilfstruppen zusammenzuziehen; und Philipp drohte ihnen die Vernichtung an, wenn sie nicht kapitulierten. (3) So von ihrer Notlage bezwungen, ergaben sie sich, nachdem sie sich die Schonung ihres Lebens ausbedungen hatten. (4) Aber die Abmachung war ebenso zuverlässig wie zuvor das Versprechen, dass der Krieg von
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promissio. (5) Igitur caeduntur passim rapiunturque; non liberi parentibus, non coniuges maritis, non deorum simulacra templis suis relinquuntur. (6) Unum tantum miseris solacium fuit, quod, cum Philippus portione praedae socios fraudasset, nihil rerum suarum apud inimicos viderunt. (7) Reversus in regnum, ut pecora pastores nunc in hibernos, nunc in aestivos saltus traiciunt, sic ille populos et urbes, ut illi vel replenda vel derelinquenda quaeque loca videbantur, ad libidinem suam transfert. (8) Miseranda ubique facies et excidio similis erat. (9) Non quidem pavor ille hostilis nec discursus per urbem militum erat, non tumultus armorum, non bonorum atque hominum rapina, sed tacitus maeror et luctus, (10) verentibus ne ipsae lacrimae pro contumacia haberentur. (11) Crescit dissimulatione ipsa dolor, hoc altius demissus, quo minus profiteri licet. (12) Nunc sepulcra maiorum, nunc veteres penates, nunc tecta, in quibus geniti erant quibusque genuerant, considerabant, (13) miserantes nunc vicem suam, quod in eam diem vixissent, nunc filiorum, quod non post eam diem nati essent. 6 (1) Alios populos in finibus ipsis hostibus opponit; alios in extremis regni terminis statuit; quosdam bello captos in supplementis urbium dividit. (2) Atque ita ex multis gentibus nationibusque unum regnum populumque constituit. (3) Conpositis ordinatisque Macedoniae rebus Dardanos ceterosque finitimos fraude captos expugnat. (4) Sed nec a proximis manus abstinet; siquidem Arrybam, regem Epiri, uxori suae Olympiadi artissima cognatione iunctum, pellere regno statuit atque Alexandrum, (5) privignum eius, uxoris Olympiadis fratrem, puerum honestae pulchritudinis, in Macedoniam nomine sororis arcessit, (6) omnique studio sollicitatum spe regni simulato amore ad stupri consuetudinem perpulit, maiora in eo obsequia habiturus sive conscientiae pudore sive regni beneficio. (7) Cum igitur ad XX annos pervenisset, ereptum Arrybae regnum puero admodum tradit, scelestus in utroque. (8) Nam nec in eo ius cognationis servavit, cui ademit regnum, et eum, cui dedit, inpudicum fecit ante quam regem.
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ihnen abgewendet werde. (5) Sie wurden also ohne Unterschied niedergemacht und fortgeschleppt; man ließ nicht die Kinder ihren Eltern, nicht die Ehefrauen ihren Gatten, nicht die Götterbilder ihren Tempeln. (6) Nur ein einziger Trost blieb den Unglücklichen, nämlich dass sie nichts von ihrem Besitz bei ihren Feinden sahen, da Philipp seine Verbündeten um ihren Anteil an der Beute betrogen hatte. (7) Als Philipp in sein Reich zurückkehrte, siedelte er so, wie die Hirten ihre Viehherden bald auf die Winter-, bald auf die Sommerweide treiben, Völker und Städte ganz nach seinem Belieben um, so wie die betreffende Gegend seiner Meinung nach entweder bevölkert oder verlassen werden sollte. (8) Überall herrschte ein beklagenswerter Anblick, der einer Vernichtung glich. (9) Man bemerkte allerdings nicht die übliche Furcht vor dem Feind, auch nicht ein Hin- und Herlaufen von Soldaten durch die Stadt, keinen Waffenlärm, keinen Raub von Vermögen und Menschen, sondern stille Wehmut und Trauer, (10) wobei sie fürchteten, dass man schon Tränen für Widerspenstigkeit halten könnte. (11) Gerade durch die Verstellung wächst der Schmerz und gräbt sich umso tiefer ein, je weniger man ihn äußern darf. (12) Bald betrachteten sie die Gräber ihrer Ahnen, bald die alten Penaten, bald die Häuser, in denen sie geboren waren und in denen sie ihre Kinder gezeugt hatten, (13) und beklagten dabei bald ihr eigenes Los, dass sie bis zu diesem Tag gelebt hätten, bald das ihrer Kinder, dass sie nicht erst nach diesem Tag geboren seien.20 6 (1) Die einen Völker stellte Philipp unmittelbar in den Grenzgebieten den Feinden entgegen, die anderen siedelte er an den äußersten Grenzen seines Reiches an, einige, die er im Krieg gefangen genommen hatte, verteilte er als Ergänzung auf die Städte. (2) Und so schuf er aus vielen Völkerschaften und Stämmen ein Reich und ein Volk. (3) Als er die Verhältnisse in Makedonien geordnet und geregelt hatte, unterwarf er die Dardaner und die übrigen Nachbarvölker, die er durch Tücke überlistete.21 (4) Aber auch von seinen nächsten Verwandten ließ er die Hände nicht. Denn er beschloss, Arrybas, den König von Epeiros, der mit seiner eigenen Gemahlin Olympias durch engste Verwandtschaft verbunden war,22 aus der Herrschaft zu vertreiben, (5) und ließ dessen Stiefsohn Alexandros23, den Bruder seiner Gemahlin Olympias, einen Knaben von edler Schönheit, im Namen der Schwester nach Makedonien kommen. (6) Und ihn verlockte er mit allem Eifer durch die Hoffnung auf die Herrschaft und trieb ihn dann mit geheuchelter Liebe in ein unsittliches Verhältnis, um ihn gefügiger zu machen, entweder wegen des beschämenden Schuldbewusstseins oder weil er ihm die Herrschaft vermitteln würde. (7) Als Alexandros nun das zwanzigste Lebensjahr erreichte, übergab Philipp ihm, obwohl er noch ein Knabe war, die Herrschaft,24 die er Arrybas entrissen hatte, und frevelte an beiden. (8) Denn er wahrte bei demjenigen, dem er die Herrschaft nahm, nicht das den Verwandten zustehende Recht und machte denjenigen, dem er sie gab, vorher zum Lustknaben und dann erst zum König.
Prologus libri IX Nono volumine continentur haec. Ut Philippus a Perintho summotus. Byzantii origines, a cuius obsidione summotus Philippus Scythiae bellum intulit. Repetitae inde Scythicae res ab his temporibus, in quibus illa prius finierant, usque ad Philippi bellum, quod cum Athea Scythiae rege gessit. Unde reversus Graeciae bellum intulit victisque Chaeroneae, cum bella Persica moliretur praemissa classe cum ducibus, a Pausania occupatis angustiis nuptiarum filiae occisus est, priusquam bella Persica inchoaret. Repetitae res inde Persicae ab Dario Notho, cui successit filius Artaxerxes cognomine Mnemon, qui post fratrem Cyrum victum pulsaque Cnido per Conona classe Lacedaemoniorum bellum cum Euagora rege Cyprio gessit: originesque Cypri repetit.
Liber IX 1 (1) In Graeciam Philippus cum venisset, sollicitatus paucarum civitatium direptione et ex praeda modicarum urbium quantae opes universarum essent animo prospiciens, bellum toti Graeciae inferre statuit. (2) Ad cuius emolumentum egregie pertinere ratus, si Byzantium, nobilem et maritimam urbem, receptaculum terra marique copiis suis futurum, in potestatem redegisset, eandem claudentem sibi portas obsidione cinxit. (3) Haec namque urbs condita primo a Pausania, rege Spartanorum, et per septem annos possessa fuit; dein variante victoria nunc Lacedaemoniorum, nunc Atheniensium iuris habita est; (4) quae incerta possessio effecit, ut nemine quasi suam auxiliis iuvante libertatem constantius tueretur. (5) Igitur Philippus longa obsidionis mora exhaustus pecuniae conmercium de piratica mutuatur. (6) Captis itaque CLXX navibus mercium et distractis anhelantem inopiam paululum recreavit. (7) Deinde, ne unius urbis obpugnatione tantus exercitus tereretur, profectus cum fortissimis multas Chersonensi urbes expugnat, (8) filiumque Alexandrum, decem et octo annos natum, ut sub militia patris tirocinii rudimenta deponeret, ad se arcessit. (9) In Scythiam quoque
Vorwort zum 9. Buch Das neunte Buch enthält Folgendes: Wie Philipp von Perinthos vertrieben wurde. Die Ursprünge der Stadt Byzantion, von deren Belagerung Philipp vertrieben wurde und dann einen Krieg gegen die Skythen begann. Darauf ist die skythische Geschichte nachgetragen von den Zeiten an, mit denen sie vorher geendet hatte, bis zum Krieg Philipps, den er gegen Atheas, den König von Skythien, führte. Von Skythien zurückgekehrt, begann Philipp einen Krieg gegen Griechenland und siegte bei Chaironeia. Als er seine Kriege gegen Persien plante und bereits eine Flotte mit Heerführern vorausgeschickt hatte, wurde er von Pausanias, der sich während der Hochzeit von Philipps Tochter an einer Engstelle postiert hatte, ermordet, bevor er seine Kriege gegen Persien beginnen konnte. Darauf ist die Persische Geschichte nachgetragen von Dareios Nothos1 an, dem sein Sohn Artaxerxes mit dem Beinamen Mnemon nachfolgte. Dieser führte, nachdem er seinen Bruder Kyros2 besiegt und Konon die Flotte der Lakedaimonier bei Knidos geschlagen hatte, einen Krieg gegen den zyprischen König Euagoras3. Und die Ursprünge von Zypern trägt der Autor nach.
Buch 9 1 (1) Als Philipp nach Griechenland kam, wurde er durch die Plünderung einiger weniger Staaten verführt und malte sich aufgrund der Beute aus nur mittelmäßigen Städten aus, wie groß die Reichtümer aller sein würden. Daher beschloss er, gegen ganz Griechenland einen Krieg zu beginnen. (2) Er glaubte, es sei dafür von außerordentlichem Nutzen, wenn er Byzantion4, eine berühmte Seestadt, als künftigen Rückzugsort für seine Truppen zu Wasser und zu Lande in seine Gewalt brächte, und umgab sie daher, als sie ihm ihre Tore verschloss, mit einem Belagerungsring.5 (3) Diese Stadt nun hatte zuerst Pausanias, der König der Spartaner, gegründet6 und sieben Jahre lang in seinem Besitz ge habt; hierauf war sie, als Sieg und Niederlage sich abwechselten, in der Gewalt bald der Lakedaimonier, bald der Athener. (4) Dieses unsichere Besitzverhältnis bewirkte, dass die Stadt ihre Freiheit standhaft verteidigte, da keiner sie als sein Eigentum mit Hilfstruppen unterstützte. (5) Da nun Philipp durch die lange Dauer der Belagerung arm geworden war, erschloss er sich durch Seeräuberei eine neue Geldquelle. (6) So kaperte er einhundertsiebzig Schiffe voll Waren, verkaufte sie einzeln und half dadurch seinem quälenden Mangel ein wenig ab. (7) Damit nicht durch die Belagerung einer einzigen Stadt ein so großes Heer mürbe gemacht wurde, brach er hierauf mit den Tapfersten auf und eroberte viele Städte der Chersones. (8) Und er ließ seinen achtzehnjährigen7 Sohn Alexander zu sich kommen, damit dieser im Kriegsdienst unter seinem Vater die Proben seiner Rekrutenzeit ablegte. (9) Um Beute zu machen,
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praedandi causa profectus est, more negotiantium inpensas belli alio bello refecturus. 2 (1) Erat eo tempore rex Scytharum Atheas, qui cum bello Histrianorum premeretur, auxilium a Philippo per Apollonienses petit, in successionem eum regni Scythiae adoptaturus; (2) cum interim Histrianorum rex decedens et metu belli et auxiliorum necessitate Scythas solvit. (3) Itaque Atheas remissis Macedonibus nuntiari Philippo iubet, neque auxilium eius se petisse neque adoptionem mandasse; (4) nam neque vindicta Macedonum egere Scythas, quibus meliores forent, neque heredem sibi incolumi filio deesse. (5) His auditis Philippus legatos ad Atheam mittit inpensae obsidionis portionem petentes, ne inopia deserere bellum cogatur; (6) quod eo promptius eum facere debere, quod missis a se in auxilium eius militibus ne sumptum quidem viae, non modo officii pretia dederit. (7) Atheas inclementiam caeli et terrae sterilitatem causatus, quae non patrimoniis ditet Scythas, sed vix alimentis exhibeat, respondit nullas sibi opes esse, quibus tantum regem expleat; (8) et turpius putare parvo defungi quam totum abnuere; (9) Scythas autem virtute animi et duritia corporis, non opibus censeri. (10) Quibus inrisus Philippus soluta obsidione Byzantii Scythica bella adgreditur, praemissis legatis, quo securiores faceret, qui nuntient Atheae: dum Byzantium obsidet, vovisse se statuam Herculi, (11) ad quam in ostio Histri ponendam se venire, pacatum accessum ad religionem dei petens, amicus ipse Scythis venturus. (12) Ille, si voto fungi vellet, statuam sibi mitti iubet; non modo ut ponatur, verum etiam ut inviolata maneat pollicetur; exercitum autem fines ingredi negat se passurum. (13) Ac si invitis Scythis statuam ponat, eo digresso sublaturum versurumque aes statuae in aculeos sagittarum. (14) His utrimque inritatis animis proelium committitur. Cum virtute et animo praestarent Scythae, astu Philippi vincuntur. (15) XX milia puerorum ac feminarum capta,
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brach Philipp auch ins Skythenland auf, um nach der Gewohnheit der Händler die Kosten des einen Krieges durch einen anderen Krieg wieder einzubringen. 2 (1) Zu dieser Zeit war Atheas der König der Skythen. Da er von den Histria nern mit Krieg bedrängt wurde, bat er Philipp durch die Apollonier um Hilfe und sagte, er werde ihn zur Nachfolge in der skythischen Herrschaft adoptieren. (2) Da starb aber unterdessen der König der Histrianer und befreite die Skythen von der Furcht vor einem Krieg und auch von der Notwendigkeit, Hilfs truppen in Anspruch zu nehmen. (3) Daher schickte Atheas die Makedonen zurück und ließ Philipp melden, er habe ihn weder um seine Hilfe gebeten noch seine Adoption in Auftrag gegeben. (4) Denn weder bedürften die Skythen des Schutzes durch die Makedonen – sie seien nämlich tapferer als diese – noch fehle ihm ein Erbe, da ja sein Sohn wohlauf sei. (5) Als Philipp das hörte, schickte er Gesandte zu Atheas, die einen Teil der Belagerungskosten forderten, damit er nicht gezwungen sei, den Krieg aus Mangel aufzugeben. (6) Das müsse Atheas umso bereitwilliger tun, als er den Soldaten, die Philipp zu seiner Hilfe geschickt habe, nicht einmal die Reisekosten, geschweige denn einen Lohn für ihren Dienst gezahlt habe. (7) Atheas brachte als Entschuldigung das raue Klima und den unfruchtbaren Boden vor, der die Skythen nicht mit Vermögen bereichere, sondern kaum mit Nahrungsmitteln ernähre, und gab zur Antwort, er besitze keinen Reichtum, mit dem er einen so bedeutenden König zufriedenstellen könne; (8) und er halte es für schändlicher, nur einen Teil seiner Schuld zu begleichen, als sie in ihrer Gesamtheit zu verweigern. (9) Die Skythen aber schätze man wegen ihrer Tapferkeit und körperlichen Abhärtung, nicht wegen ihres Vermögens. (10) Durch derartige Aussagen verhöhnt, hob Philipp die Belagerung von Byzantion auf und nahm die Kriegszüge gegen die Skythen in Angriff. Um die Skythen unvorsichtiger zu machen, hatte Philipp Gesandte vorausgeschickt, die Atheas Folgendes melden sollten: Während der Belagerung von Byzantion habe Philipp dem Herakles ein Standbild gelobt (11) und komme jetzt, um es an der Mündung des Ister aufzustellen. Er bat die Skythen daher um einen friedlichen Zutritt, um den Gott zu verehren, da er selbst als Freund zu ihnen kommen wollte. (12) Atheas befahl ihm jedoch, wenn er sein Gelübde erfüllen wolle, ihm das Standbild zu senden. Er versprach ihm, dass es nicht nur aufgestellt würde, sondern auch unbeschädigt bleibe. Doch er sagte, er werde es nicht dulden, dass ein fremdes Heer sein Gebiet betrete. (13) Und falls Philipp das Standbild gegen den Willen der Skythen aufstelle, werde Atheas selbst es nach Philipps Weggang wieder entfernen und das Erz des Standbildes in Pfeilspitzen umgießen. (14) Dadurch erhitzten sich die Gemüter auf beiden Seiten, und man lieferte sich eine Schlacht. Obgleich die Skythen an Tapferkeit und Mut überlegen waren, wurden sie doch durch Philipps Verschlagenheit besiegt. (15) Zwanzigtausend Knaben und Frauen wurden gefangen genommen,
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pecoris magna vis, auri argentique nihil. Ea primum fides inopiae Scythicae fuit. (16) XX milia nobilium equarum ad genus faciendum in Macedoniam missa. 3 (1) Sed revertenti a Scythia Triballi Philippo occurrunt; negant se transitum daturos, ni portionem praedae accipiant. (2) Hinc iurgium et mox proelium; in quo ita in femore vulneratus est Philippus, ut per corpus eius equus interficeretur. (3) Cum omnes occisum putarent, praeda amissa est. Ita Scythica velut devota spolia paene luctuosa Macedonibus fuere. (4) Ubi vero ex vulnere primum convaluit, diu dissimulatum bellum Atheniensibus infert, (5) quorum causae Thebani se iunxere, metuentes, ne victis Atheniensibus veluti vicinum incendium belli ad se transiret. (6) Facta igitur inter duas paulo ante infestissimas civitates societate legationibus Graeciam fatigant; communem hostem putant communibus viribus submovendum; (7) neque enim cessaturum Philippum, si prospere prima successerint, nisi omnem Graeciam domuerit. (8) Motae quaedam civitates Atheniensibus se iungunt; quasdam autem ad Philippum belli metus traxit. (9) Proelio commisso, cum Athenienses longe maiore militum numero praestarent, adsiduis bellis indurata virtute Macedonum vincuntur. (10) Non tamen inmemores pristinae gloriae cecidere; quippe adversis vulneribus omnes loca, quae tuenda a ducibus acceperant, morientes corporibus texerunt. (11) Hic dies universae Graeciae et gloriam dominationis et vetustissimam libertatem finivit. 4 (1) Huius victoriae callide dissimulata laetitia est. Denique non solita sacra Philippus illa die fecit, non in convivio risit, non ludos inter epulas adhibuit, non coronas aut unguenta sumpsit, et quantum in illo fuit, ita vicit, ut victorem nemo sentiret. (2) Sed nec regem se Graeciae, sed ducem appellari iussit. (3) Atque ita inter tacitam laetitiam et dolorem hostium temperavit, ut neque apud suos exultasse neque apud victos insultasse videretur. (4) Atheniensibus, quos passus infestissimos fuerat, et captivos gratis remisit et bello consumptorum corpora sepulturae reddidit,
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eine große Menge Vieh, aber überhaupt kein Gold oder Silber. Das war zum ersten Mal der sichere Beweis für die Armut der Skythen. (16) Zwanzigtausend edle Stuten wurden zur Fortpflanzung ihrer Rasse nach Makedonien geschickt. 3 (1) Doch bei Philipps Rückkehr aus Skythien traten ihm die Triballer8 entgegen. Sie sagten, sie würden ihm den Durchzug verwehren, wenn sie nicht einen Teil der Beute bekämen. (2) Hieraus entwickelten sich ein Streit und bald eine Schlacht. In ihr wurde Philipp derart am Schenkel verwundet, dass durch sein Bein hindurch das Pferd getötet wurde. (3) Da alle ihn für tot hielten, büßte man die Beute ein. So hätten die skythischen Beutestücke, als wären sie verflucht, den Makedonen beinahe viel Trauer gebracht. (4) Sobald Philipp aber von seiner Verwundung genesen war, begann er den lange verheimlichten Krieg gegen die Athener. (5) Die Thebaner schlossen sich deren Sache an, weil sie fürchteten, dass nach einem Sieg über die Athener gleichsam die benachbarte Feuersbrunst des Krieges auf sie übergreifen könnte. (6) Nachdem also zwischen den beiden kurz zuvor9 noch höchst verfeindeten Staaten ein Bündnis zustande gekommen war, bestürmten sie Griechenland durch Gesandtschaften: Der gemeinsame Feind, so glaubten sie, müsse auch durch gemeinsame Streitkräfte zurückgedrängt werden; (7) Philipp werde nämlich, wenn die ersten Unternehmungen günstig ausgefallen seien, nicht ruhen, wenn er nicht ganz Griechenland bezwungen habe. (8) Einige Staaten ließen sich bewegen und schlossen sich den Athenern an, einige andere aber zog die Furcht vor einem Krieg auf Philipps Seite. (9) Man lieferte sich eine Schlacht10, und obwohl die Athener durch ihre weitaus größere Zahl an Soldaten überlegen waren, wurden sie dennoch von der durch ständige Kriege abgehärteten Kampfkraft der Makedonen besiegt. (10) Dennoch fielen sie nicht, ohne ihres alten Ruhmes zu gedenken: Denn sie alle deckten mit Wunden vorn auf der Brust im Sterben mit ihren Körpern die Plätze, die ihnen ihre Anführer zur Verteidigung zugewiesen hatten.11 (11) Dieser Tag beendete für ganz Griechenland sowohl den Ruhm seiner Vorherrschaft als auch die uralte Freiheit. 4 (1) Die Freude über diesen Sieg wurde klug verborgen. Deshalb vollzog Philipp an jenem Tag nicht die gewohnten Opfer, lachte beim Mahl nicht, ließ keine Spiele während des Essens zu, verwendete keine Kränze oder Salb öle, und soweit es ihn betraf, siegte er so, dass niemand einen Sieger bemerkte. (2) Und er ließ sich auch nicht König von Griechenland, sondern Feldherr nennen. (3) Und derart beachtete er zwischen seiner stillen Freude und dem Kummer der Feinde das rechte Maß, dass er weder bei seinen Leuten zu frohlocken noch bei den Besiegten seinen Spott zu treiben schien.12 (4) Den Athenern, die er als äußerst feindselig erfahren hatte, sandte er die Gefangenen ohne Lösegeld zurück, übergab ihnen die Leichname der im Kampf Gefallenen zur
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reliquiasque funerum ut ad sepulcra maiorum deferrent ultro hortatus est. (5) Super haec Alexandrum filium cum amico Antipatro, qui pacem cum his amicitiamque iungeret, Athenas misit. (6) Thebanorum porro non solum captivos, verum etiam interfectorum sepulturam vendidit. (7) Principes civitatis alios securi percussit, alios in exilium redegit, bonaque omnium occupavit. (8) Pulsos deinde per iniuriam in patriam restituit. Ex horum numero trecentos exules iudices rectoresque civitati dedit. (9) Apud quos cum potentissimi quique rei eius ipsius criminis postularentur, quod per iniuriam se in exilium egissent, huius constantiae fuerunt, ut omnes se auctores faterentur meliusque cum re publica actum, cum damnati essent quam cum restituti, contenderent. (10) Mira prorsus audacia: de iudicibus vitae necisque suae, quemadmodum possunt, sententiam ferunt contemnuntque absolutionem, quam dare inimici possunt, et quoniam rebus nequeunt ulcisci, verbis usurpant libertatem. 5 (1) Conpositis in Graecia rebus Philippus omnium civitatum legatos ad formandum rerum praesentium statum evocari Corinthum iubet. (2) Ibi pacis legem universae Graeciae pro meritis singularum civitatum statuit, consiliumque omnium veluti unum senatum ex omnibus legit. (3) Soli Lacedaemonii et regem et leges contempserunt, servitutem, non pacem rati, quae non ipsis civitatibus conveniret, sed a victore ferretur. (4) Auxilia deinde singularum civitatum describuntur, sive adiuvandus ea manu rex oppugnante aliquo foret seu duce illo bellum inferendum. (5) Neque enim dubium erat imperium Persarum his apparatibus peti. (6) Summa auxiliorum CC milia peditum fuere et equitum XV milia. (7) Extra hanc summam et Macedoniae exercitus erat et confinis domitarum gentium barbaria. (8) Initio veris tres duces in Asiam Persarum iuris praemittit, Parmenionem, Amyntam et Attalum, (9) cuius sororem nuper expulsa Alexandri matre Olympiade propter stupri suspitionem in matrimonium receperat.
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Bestattung und forderte sie von sich aus auf, die sterblichen Überreste der Toten zu den Gräbern ihrer Vorfahren zu bringen. (5) Darüber hinaus schickte er seinen Sohn Alexander mit seinem Freund Antipatros13 nach Athen, damit er mit ihnen ein Friedens- und Freundschaftsbündnis schloss. (6) Dagegen ließ er sich von den Thebanern nicht nur die Gefangenen, sondern auch die Bestattung der Gefallenen abkaufen. (7) Von den hochgestellten Männern des Staates ließ er die einen durch das Beil hinrichten, die anderen in die Verbannung treiben und beschlagnahmte den Besitz aller. (8) Hierauf führte er die widerrechtlich Vertriebenen in die Heimat zurück. Aus ihrer Zahl gab er der Bürgerschaft dreihundert Verbannte als Richter und Lenker. (9) Als nun bei diesen die Mächtigsten vorgeladen wurden wegen ebendieses Vergehens, dass sie diese widerrechtlich in die Verbannung getrieben hätten, zeigten sie eine solche Standhaftigkeit, dass alle sich als Antragsteller zu erkennen gaben und erklärten, es habe besser um den Staat gestanden, als die Verbannten verurteilt gewesen seien, denn jetzt, da sie zurückgeführt seien. (10) Das war eine ganz erstaunliche Kühnheit: Über ihre Richter über Leben und Tod gaben sie, soweit sie es vermochten, ihr Urteil ab und verachteten den Freispruch, den ihre Feinde ihnen gewähren konnten; und da sie die verlorene Freiheit nicht durch Taten rächen konnten, beanspruchten sie diese wenigstens mit Worten. 5 (1) Als die Verhältnisse in Griechenland geordnet waren, ließ Philipp Gesandte aller Staaten nach Korinth rufen, um die gegenwärtigen Angelegenheiten zu regeln. (2) Dort legte er die Friedensbedingungen für ganz Griechenland gemäß den Verdiensten der einzelnen Staaten fest und wählte aus allen eine allgemeine Ratsversammlung, gleichsam einen einzigen Senat. (3) Allein die Lakedaimonier verachteten sowohl den König als auch seine Bedingungen, weil sie das, was nicht von den Staaten selbst vereinbart, sondern vom Sieger bestimmt sei, für Knechtschaft, nicht für Frieden hielten. (4) Hierauf wurde jedem einzelnen Staat vorgeschrieben, Hilfstruppen zu stellen, sei es, dass diese Schar den König unterstützen musste, wenn jemand ihn angriff, sei es, dass unter seiner Führung ein Krieg begonnen werden musste. (5) Es war nun nicht zweifelhaft, dass diese Vorbereitungen dem Reich der Perser galten. (6) Die Gesamtzahl der Hilfstruppen betrug zweihunderttausend Fußsoldaten und fünfzehntausend Reiter. (7) Zusätzlich zu dieser Zahl gab es noch das Heer Makedoniens und auch das angrenzende Barbarenland der unterjochten Völkerschaften. (8) Zu Frühlingsbeginn schickte Philipp drei Heerführer in das unter der Herrschaft der Perser stehende Asien voraus: Parmenion14, Amyntas15 und Attalos16, (9) dessen Schwester17 Philipp jüngst geheiratet hatte,18 nachdem er Olympias, Alex anders Mutter, wegen des Verdachts auf Ehebruch verstoßen hatte.
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6 (1) Interea, dum auxilia a Graecia coeunt, nuptias Cleopatrae filiae et Alexandri, quem regem Epiri fecerat, celebrat. (2) Dies erat pro magnitudine duorum regum, et conlocantis filiam et uxorem ducentis, apparatibus insignis. (3) Sed nec ludorum magnificentia deerat; ad quorum spectaculum Philippus cum sine custodibus corporis medius inter duos Alexandros, filium generumque, contenderet, (4) Pausanias, nobilis ex Macedonibus adulescens, nemini suspectus, occupatis angustiis Philippum in transitu obtruncat diemque laetitiae destinatum foedum luctu funeris facit. (5) Hic primis pubertatis annis stuprum per iniuriam passus ab Attalo fuerat, cuius indignitati haec etiam foeditas accesserat. (6) Nam perductum in convivium solutumque mero Attalus non suae tantum, verum et convivarum libidini velut scortum vile subiecerat ludibriumque omnium inter aequales reddiderat. (7) Hanc rem aegre ferens Pausanias querelam Philippo saepe detulerat. (8) Cum variis frustrationibus non sine risu differretur et honoratum insuper ducatu adversarium cerneret, iram in ipsum Philippum vertit ultionemque, quam ab adversario non poterat, ab iniquo iudice exegit. 7 (1) Creditum est etiam inmissum ab Olympiade, matre Alexandri, fuisse, nec ipsum Alexandrum ignarum paternae caedis extitisse; (2) quippe non minus Olympiada repudium et praelatam sibi Cleopatram quam stuprum Pausaniam doluisse. (3) Alexandrum quoque regni aemulum fratrem ex noverca susceptum timuisse; eoque factum, ut in convivio antea primum cum Attalo, mox cum ipso patre iurgaret, (4) adeo ut etiam stricto gladio eum Philippus consectatus sit aegreque a filii caede amicorum precibus exoratus. (5) Quamobrem Alexander ad avunculum se in Epirum cum matre, inde ad reges Illyriorum contulerat; (6) vixque revocanti mitigatus est patri precibusque cognatorum aegre redire conpulsus. (7) Olympias quoque fratrem suum Alexandrum, Epiri regem, in bellum subornabat pervicissetque, ni filiae nuptiis pater
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6 (1) Während die Hilfstruppen aus Griechenland sich versammelten, feierte Philipp inzwischen die Hochzeit19 seiner Tochter Kleopatra20 mit Alexandros21, den er zum König von Epeiros gemacht hatte. (2) Der Tag war entsprechend der Bedeutung der beiden Könige – sowohl dessen, der seine Tochter vermählte, als auch dessen, der sie zur Frau nahm – durch seinen Prunk bemerkenswert. (3) Aber auch an prachtvollen Spielen fehlte es nicht, und Philipp brach ohne Leibwächter inmitten der beiden Alexander, seinem Sohn und seinem Schwiegersohn, auf, um sie anzusehen. (4) Da postierte sich Pausanias22, ein adeliger junger Makedone, der keinem verdächtig war, an einer Engstelle23, ermordete Philipp, als dieser vorüberging, und befleckte so den zur Freude bestimmten Tag durch die Trauer über Philipps Tod.24 (5) Dieser Pausanias war in den ersten Jahren seines Erwachsenwerdens von Attalos gewaltsam missbraucht worden,25 und zu dieser unwürdigen Behandlung war auch noch folgende Abscheulichkeit hinzugekommen: (6) Attalos hatte ihn zu einem Gelage mitgenommen und ihn dann, als er vom Wein betrunken war, nicht nur seiner Wollust, sondern auch der seiner Gäste wie einen billigen Lustknaben preisgegeben und ihn damit unter seinen Altersgenossen zum allgemeinen Gespött gemacht. (7) Weil Pausanias unter diesem Vorfall litt, hatte er oftmals vor Philipp Klage erhoben. (8) Als er mit verschiedenen leeren Hoffnungen nicht ohne Gelächter hingehalten wurde und obendrein seinen Gegner noch durch eine Kommandostelle geehrt sah, richtete sich sein Zorn gegen Philipp selbst, und er nahm die Rache, die er an seinem Gegner nicht nehmen konnte, an dem ungerechten Richter. 7 (1) Man glaubte auch, Pausanias sei von Olympias, Alexanders Mutter, angestiftet worden und auch Alexander selbst habe genaue Kenntnis über die Ermordung seines Vaters gehabt. (2) Denn Olympias habe darunter, dass man sie verstoßen und Kleopatra ihr vorgezogen habe, nicht weniger gelitten als Pau sanias unter seiner Schändung. (3) Alexander seinerseits habe den von seiner Stiefmutter geborenen Bruder26 als Rivalen um die Herrschaft gefürchtet. Und so sei es gekommen, dass er früher einmal bei einem Gastmahl zuerst mit Attalos, dann mit seinem Vater selbst gestritten habe, (4) und zwar so sehr, dass Philipp ihn sogar mit gezücktem Schwert verfolgt habe und sich nur mit Mühe durch die Bitten seiner Freunde von der Ermordung seines eigenen Sohnes habe abbringen lassen.27 (5) Deshalb hatte Alexander sich zusammen mit seiner Mutter zu seinem Onkel nach Epeiros und von dort zu den Königen der Illyrer begeben; (6) und er hatte sich, als sein Vater ihn zurückrief, kaum versöhnen und nur mit Mühe durch die Bitten seiner Verwandten zur Rückkehr drängen lassen. (7) Olympias ihrerseits stiftete ihren Bruder Alexandros28, den König von Epeiros, insgeheim zum Krieg an. Und sie hätte ihn auch dazu bewogen, wenn Philipp nicht seine Tochter mit ihm vermählt hätte und damit seinem künftigen
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generum occupasset. (8) His stimulis irarum utrique Pausaniam de inpunitate stupri sui querentem ad tantum facinus inpulisse credebantur. (9) Olympias certe fugienti percussori etiam equos habuit praeparatos. (10) Ipsa deinde audita regis nece cum titulo officii ad exequias cucurrisset, in cruce pendentis Pausaniae capiti eadem nocte, qua venit, coronam auream inposuit, quod nemo alius audere nisi haec superstite Philippi filio potuisset. (11) Paucos deinde post dies refixum corpus interfectoris super reliquias mariti cremavit et tumulum ei eodem fecit in loco parentarique eidem quotannis incussa populo superstitione curavit. (12) Post haec Cleopatram, a qua pulsa Philippi matrimonio fuerat, in gremio eius prius filia interfecta, finire vitam suspendio coegit; spectaculoque pendentis ultione potita est, ad quam per parricidium festinaverat. (13) Novissime gladium illum, quo rex percussus est, Apollini sub nomine Myrtales consecravit, hoc enim nomen ante Olympiadis parvulae fuit. (14) Quae omnia ita palam facta sunt, ut timuisse videatur, ne facinus ab ea commissum non probaretur. 8 (1) Decessit Philippus XL et septem annorum, cum annis XXV regnasset. (2) Genuit ex Larissaea saltatrice filium Arridaeum, qui post Alexandrum regnavit. (3) Habuit et multos alios filios ex variis matrimoniis regio more sus ceptos, qui partim fato, partim ferro periere. (4) Fuit rex armorum quam conviviorum apparatibus studiosior, (5) cui maxime opes erant instrumenta bellorum; divitiarum quaestu quam custodia sollertior. (6) Itaque inter cotidianas rapinas semper inops erat. (7) Misericordia in eo et perfidia pari iure dilectae. Nulla apud eum turpis ratio vincendi. (8) Blandus pariter et insidiosus, adloquio qui plura promitteret quam praestaret; in seria et iocos artifex. (9) Amicitias utilitate, non fide colebat. Gratiam fingere in odio, instruere inter concordantes odia, apud utrumque gratiam quaerere sollemnis illi consuetudo. (10) Inter haec eloquentia et insignis oratio, acuminis et sollertiae plena, ut nec ornatui facilitas nec facilitati
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Schwiegersohn zuvorgekommen wäre.29 (8) Man glaubte, dass beide, Olympias und Alexander, von erbittertem Zorn angestachelt worden seien und daher Pau sanias, als er sich darüber beklagte, dass die Schändung straflos geblieben sei, zu diesem so großen Verbrechen verleitet hätten. (9) Immerhin hatte Olympias für den Mörder sogar Pferde zur Flucht bereitgehalten. (10) Als sie dann von der Ermordung des Königs hörte und unter dem Vorwand der Pflichterfüllung zur Leichenfeier eilte, setzte sie selbst dem am Kreuz hängenden Pausanias30 noch in derselben Nacht, in der sie kam, einen goldenen Kranz aufs Haupt, was kein anderer außer ihr hätte wagen können, solange Philipps Sohn noch am Leben war. (11) Wenige Tage darauf ließ sie dann den abgenommenen Leichnam des Mörders über den sterblichen Überresten ihres Gatten verbrennen und für ihn an derselben Stelle ein Grab errichten und sorgte dafür, dass ihm alljährlich ein Totenopfer dargebracht wurde, da sie dem Volk eine abergläubische Scheu eingejagt hatte. (12) Danach zwang sie Kleopatra, von der sie aus der Ehe mit Philipp verdrängt worden war, ihr Leben durch den Strick zu beenden, nachdem sie zuvor ihre Tochter31 in ihrem Schoß hatte töten lassen.32 Und durch den Anblick der Erhängten erlangte sie die Rache, die sie durch den Gattenmord angestrebt hatte. (13) Zuletzt weihte sie dem Apollon das Schwert, mit dem der König durchbohrt worden war,33 unter dem Namen Myrtale. Diesen Namen trug Olympias nämlich früher als kleines Mädchen.34 (14) All das wurde so öffentlich vollzogen, dass sie gefürchtet zu haben schien, man werde sonst nicht glauben, dass sie das Verbrechen verübt habe. 8 (1) Philipp starb im Alter von siebenundvierzig Jahren,35 nachdem er fünfundzwanzig Jahre geherrscht hatte. (2) Mit einer Tänzerin aus Larissa36 zeugte er einen Sohn, Arridaios37, der nach Alexander herrschte. (3) Philipp hatte aus verschiedenen Ehen nach königlichem Brauch auch viele andere Söhne, die teils eines natürlichen Todes starben, teils durch das Schwert umkamen. (4) Als König war er eifriger auf Waffenrüstungen als auf prächtige Gastmähler bedacht, (5) und sein Reichtum diente ihm hauptsächlich als Werkzeug für seine Kriege. Er war geschickter beim Erwerb von Schätzen als bei deren Bewahrung. (6) Daher war er während seiner täglichen Raubzüge immer mittellos. (7) Mitleid und Treulosigkeit zu zeigen, schätzte er gleichermaßen. Keine Art des Sieges galt ihm als schändlich. (8) Er war schmeichelnd und hinterlistig zugleich, ein Mann, der beim Gespräch mehr versprach, als er dann tatsächlich erfüllte, ein Künstler in Ernst und Scherz. (9) Freundschaften pflegte er nach dem Nutzen, nicht nach der Treue. Wohlwollen trotz seines Hasses zu heucheln, zwischen Einträchtigen Hass zu säen und bei beiden Gunst zu suchen, war eine seiner üblichen Gewohnheiten. (10) Dabei besaß er Beredsamkeit und eine ausgezeichnete Redegabe, voll Scharfsinn und Schlauheit, sodass es weder dem Schmuck an Leichtigkeit noch der Leichtigkeit am Schmuck der
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inventionum deesset ornatus. (11) Huic Alexander filius successit et virtute et vitiis patre maior. (12) Itaque vincendi ratio utrique diversa. Hic aperta, ille artibus bella tractabat. Deceptis ille gaudere hostibus, hic palam fusis. (13) Prudentior ille consilio, hic animo magnificentior. (14) Iram pater dissimulare, plerumque etiam vincere; hic ubi exarsisset, nec dilatio ultionis nec modus erat. (15) Vini nimis uterque avidus, sed ebrietatis diversa vitia. Patri mos erat etiam de convivio in hostem procurrere, manum conserere, periculis se temere offerre; Alexander non in hostem, sed in suos saeviebat. (16) Quam ob rem saepe Philippum vulneratum proelia remisere, hic amicorum interfector convivio frequenter excessit. (17) Regnare ille cum amicis nolebat, hic in amicos regna exercebat. Amari pater malle, hic metui. (18) Litterarum cultus utrique similis. Sollertiae pater maioris, hic fidei. (19) Verbis atque oratione Philippus, hic rebus moderatior. (20) Parcendi victis filio animus et promptior et honestior. Frugalitati pater, luxuriae filius magis deditus erat. (21) Quibus artibus orbis imperii fundamenta pater iecit, operis totius gloriam filius consummavit.
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Erfindungsgabe fehlte. (11) Ihm folgte sein Sohn Alexander nach, der sowohl an Tüchtigkeit als auch an Lastern seinen Vater noch übertraf. (12) Daher war auch die Art des Sieges bei beiden verschieden: Alexander führte seine Kriege offen, Philipp mit Kunstgriffen. Philipp freute sich, wenn er die Feinde getäuscht, Alexander, wenn er sie im offenen Kampf geschlagen hatte. (13) Phil ipp plante klüger, Alexander war hochherziger. (14) Zorn verbarg der Vater, meistens überwand er ihn auch; sobald Alexander in Zorn entbrannt war, gab es weder Aufschub der Rache noch Maß. (15) Beide waren allzu gierig nach Wein, aber die Laster, die mit ihrer Trunkenheit einhergingen, waren verschieden: Beim Vater war es Brauch, sogar vom Gelage weg gegen den Feind auszurücken, sich auf ein Gefecht einzulassen und sich den Gefahren blindlings auszusetzen; Alexander wütete nicht gegen den Feind, sondern gegen seine eigenen Leute. (16) Daher ging Philipp oft verwundet aus den Schlachten, dieser entfernte sich häufig als Mörder seiner Freunde vom Gelage38. (17) Philipp wollte bei seinen Freunden nicht den König herauskehren, Alexander übte Königsherrschaft gegen seine Freunde aus. Der Vater wollte lieber geliebt werden, Alexander gefürchtet. (18) Die Ausbildung in den Wissenschaften war bei beiden ähnlich. Der Vater besaß größere Schlauheit, Alexander größere Redlichkeit. (19) In Worten und in der Rede war Philipp, Alexander in Taten maßvoller. (20) Der Sohn zeigte mehr Bereitwilligkeit und Edelmut, die Besiegten zu schonen. Der Vater frönte mehr der Genügsamkeit, der Sohn mehr der Schwelgerei. (21) Durch solche Eigenschaften legte der Vater den Grundstein für die Weltherrschaft und vollendete der Sohn den Ruhm des Gesamtwerkes.39
Prologus libri X Decimo volumine continentur Persicae res. Ut Artaxerxes Mnemon pacificatus cum Euagora rege Cyprio bellum Aegyptium in urbe Ace conpararit, ipse in Cadusis victus, defectores in Asia purpuratos suos persecutus, primum Dotamen praefectum . Paphlagonon origo repetita: deinde praefectum Hellesponti Ariobarzanen, deinde in Syria praefectum Armeniae Oronten, omnibusque victis decesserit filio successore Ocho. Is deinde occisis optimatibus Sidona cepit: Aegypto bellum ter intulit. Ut post mortem Ochi regnarit Arses, deinde Darius, qui cum Alexandro Macedonum rege bello conflixit.
Liber X 1 (1) Artaxerxi, regi Persarum, ex paelicibus centum quindecim filii fuere, sed tres tantum iusto matrimonio suscepti, Darius, Ariaretes et Ochus. (2) Ex his Darium contra morem Persarum, apud quos rex non nisi morte mutatur, per indulgentiam pater regem vivus fecit, (3) nihil sibi ablatum existimans, quod in filium contulisset, sinceriusque gaudium ex procreatione capturus, si insignia maiestatis suae vivus in filio conspexisset. (4) Sed Darius post nova paternae pietatis exempla interficiendi patris consilium cepit, (5) sceleratus, si solus parricidium cogitasset, tanto sceleratior, quod in societatem facinoris adsumptos quinquaginta fratres fecit parricidas. (6) Ostenti prorsus genus, ubi in tanto populo non solum sociari, verum etiam sileri parricidium potuit, ut ex quinquaginta liberis nemo inventus sit, quem aut paterna maiestas aut veneratio senis aut indulgentia patris a tanta inmanitate revocaret. (7) Adeone vile paternum nomen apud tot numero filios fuit, ut, quorum praesidio tutus etiam adversus hostes esse debuerit, eorum insidiis circumventus tutior ab hostibus quam a filiis fuerit?
Vorwort zum 10. Buch Das zehnte Buch enthält die Persische Geschichte. Wie Artaxerxes Mnemon mit dem zyprischen König Euagoras Frieden schloss und in der Stadt Ake einen Krieg gegen Ägypten vorbereitete. Wie er selbst im Gebiet der Kadusier besiegt wurde und seine abtrünnigen Würdenträger in Asien verfolgte: Zuerst Dotames, den Statthalter von Paphlagonien, – der Ursprung der Paphlagonier ist nachgetragen – dann den Statthalter des Hellespont, Ariobarzanes, dann in Syrien den Statthalter von Armenien, Orontes. Wie er nach dem Sieg über alle verstarb und seinen Sohn Ochos als Nachfolger hinterließ. Dieser eroberte dann nach der Ermordung der Adeligen Sidon. Dreimal begann er einen Krieg gegen Ägypten. Wie Arses1 nach dem Tode des Ochos herrschte, dann Dareios, der mit Alexander, dem König der Makedonen, in Kampf geriet.
Buch 10 1 (1) Artaxerxes2, der König der Perser, hatte von seinen Nebenfrauen3 einhundertfünfzehn Söhne, aber nur drei aus seiner rechtmäßigen Ehe: Dareios4, Ariaretes5 und Ochos6. (2) Von ihnen machte der Vater gegen die Sitte der Perser, bei denen ein Thronwechsel nur im Todesfall stattfindet, Dareios noch zu seinen eigenen Lebzeiten aus nachsichtiger Liebe zum König. (3) Denn er glaubte, ihm sei nichts genommen, was er auf seinen Sohn übertragen habe, und hoffte, sich aufrichtiger an seinem Sprössling freuen zu können, wenn er die Ehrenzeichen der eigenen Würde noch zu seinen Lebzeiten an seinem Sohn erblicken könnte. (4) Doch Dareios fasste nach diesen ungewöhnlichen Beweisen der väterlichen Liebe den Entschluss, seinen Vater zu ermorden. (5) Das wäre schon frevelhaft gewesen, wenn nur er die Ermordung des Vaters geplant hätte, umso frevelhafter war es jedoch, als er fünfzig seiner Brüder zur Teilnahme an seinem Verbrechen hinzuzog und dadurch zu Vatermördern machte. (6) Es ist wahrlich gleichsam ein Wunder, wenn bei einer so großen Menge an Leuten ein Vatermord nicht nur gemeinsam geplant, sondern auch verschwiegen werden konnte, sodass sich unter fünfzig Kindern keines finden ließ, das entweder die väterliche Würde oder die Ehrfurcht vor dem Greis oder die nachsichtige Liebe des Vaters von einer solchen Unmenschlichkeit abgehalten hätte. (7) War denn der Begriff „Vater“ bei einer so großen Anzahl von Söhnen so wertlos, dass der König von der Heimtücke derer, unter deren Schutz er sogar gegen Feinde hätte sicher sein müssen, umstrickt wurde und vor den Feinden sicherer war als vor seinen eigenen Söhnen?
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2 (1) Causa parricidii sceleratior ipso parricidio fuit. (2) Occiso quippe Cyro fraterno bello, cuius mentio supra habita est, Aspasian, paelicem eius, rex Artaxerxes in matrimonium receperat. (3) Hanc patrem cedere sibi sicuti regnum Darius postulaverat; qui pro indulgentia sua in liberos primo facturum se dixerat, (4) mox paenitentia ductus, ut honeste negaret quod temere promiserat, Solis eam sacerdotio praefecit, quo perpetua illi ab omnibus viris pudicitia imperabatur. (5) Hinc exacerbatus iuvenis in iurgia primo patris erupit, mox facta cum fratribus coniuratione, dum patri insidias parat, deprehensus cum sociis poenas parricidii diis paternae maiestatis ultoribus dedit. (6) Coniuges quoque omnium cum liberis, ne quod vestigium tanti sceleris extaret, interfectae. (7) Post haec Artaxerxes morbo ex dolore contracto decedit, rex quam pater felicior. 3 (1) Hereditas regni Ocho tradita, qui timens parem coniurationem regiam cognatorum caede et strage principum replet, nulla, non sanguinis, non sexus, non aetatis, misericordia permotus, scilicet ne innocentior fratribus parricidis haberetur. (2) Atque ita veluti purificato regno bellum Cadusiis infert. (3) In eo adversus provocatorem hostium Codomannus quidam cum omnium favore processisset, hoste caeso victoriam suis pariter et prope amissam gloriam restituit. (4) Ob haec decora idem Codomannus praeficitur Armeniis. (5) Interiecto deinde tempore post mortem Ochi regis ob memoriam pristinae virtutis rex a populo constituitur, Darii nomine, ne quid regiae maiestati deesset, honoratus; (6) bellumque cum Alexandro Magno diu variante fortuna magna virtute gessit. (7) Postremo victus ab Alexandro et a cognatis occisus vitam pariter cum Persarum regno finivit.
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2 (1) Der Anlass für den Vatermord war noch frevelhafter als der versuchte Vatermord selbst. (2) Denn als Kyros im oben erwähnten Bruderkrieg7 getötet worden war, hatte König Artaxerxes dessen Nebenfrau Aspasia8 geheiratet. (3) Dareios hatte gefordert, sein Vater solle sie ihm ebenso wie die Herrschaft überlassen. Artaxerxes hatte, wie es seiner nachgiebigen Art gegenüber seinen Kindern entsprach, anfangs gesagt, dass er es tun werde. (4) Bald aber wurde er von Reue ergriffen, und um ehrenhaft verweigern zu können, was er blindlings versprochen hatte, übertrug er Aspasia das Priesteramt des Sonnengottes9, mit dem ihr ewige Keuschheit gegenüber allen Männern auferlegt wurde.10 (5) Hierüber war der Jüngling erbittert und brach anfangs in Zankreden gegen seinen Vater aus. Dann stiftete er mit seinen Brüdern eine Verschwörung an, wurde aber ertappt, während er ein Attentat auf seinen Vater plante, und leistete zusammen mit seinen Gefährten den Göttern, den Rächern der väterlichen Würde, Buße für den versuchten Vatermord.11 (6) Auch die Frauen aller Verschwörer wurden zusammen mit ihren Kindern ermordet, damit keine Spur eines so großen Verbrechens übrig blieb. (7) Danach starb Artaxerxes an einer Krankheit,12 die er sich durch seinen Kummer zugezogen hatte, als König glücklicher denn als Vater. 3 (1) Das Erbe der Herrschaft ging an Ochos über. Weil er eine gleiche Verschwörung fürchtete, füllte er den ganzen Palast mit seinen ermordeten Verwandten und den hingeschlachteten Fürsten, ohne jedes Mitleid mit Blutsverwandtschaft, Geschlecht oder Alter, um nur nicht für unschuldiger als seine Brüder, die Vatermörder, zu gelten. (2) Und als er so sein Reich gleichsam gereinigt hatte, begann er13 einen Krieg gegen die Kadusier14. (3) Als dabei gegen einen Herausforderer der Feinde ein gewisser Kodomannos15 unter allgemeinem Beifall vorgetreten war, tötete er den Feind und gab so seinen Landsleuten den Sieg und zugleich den beinahe verlorenen Ruhm zurück. (4) Wegen dieser herrlichen Kriegstaten wurde Kodomannos zum Statthalter bei den Armeniern ernannt. (5) Als dann einige Zeit vergangen war, setzte ihn das Volk nach dem Tod des Königs Ochos16 als König ein,17 weil man sich an seine frühere Tapferkeit erinnerte, und ehrte ihn mit dem Namen Dareios, damit es der königlichen Erhabenheit an nichts fehlte. (6) Und Dareios führte gegen Alexander den Großen lange mit wechselndem Glück und großer Tapferkeit Krieg. (7) Schließlich wurde er von Alexander besiegt und von seinen Verwandten18 ermordet; und mit seinem Leben endete zugleich auch das Reich der Perser.19
Prologus libri XI Undecimo volumine continentur res gestae Alexandri magni usque ad interitum regis Persarum Darii, dictaeque in excessu origines et reges Cariae.
Liber XI 1 (1) In exercitu Philippi sicuti variae gentes erant, ita eo occiso diversi motus animorum fuere. (2) Alii quippe iniusta servitute oppressi ad spem se libertatis erigebant, (3) alii taedio longinquae militiae remissam sibi expeditionem gaudebant, (4) nonnulli facem nuptiis filiae accensam rogo patris subditam dolebant. (5) Amicos quoque tam subita mutatione rerum haud mediocris metus ceperat, reputantes nunc provocatam Asiam, nunc Europam nondum perdomitam, (6) nunc Illyrios, Thracas et Dardanos ceterasque barbaras gentes fidei dubiae et mentis infidae; qui omnes populi si pariter deficiant, sisti nullo modo posse. (7) Quis rebus veluti medela quaedam interventus Alexandri fuit, (8) qui pro contione ita vulgus omne consolatus hortatusque pro tempore est, ut et metum timentibus demeret et in spem omnes inpelleret. (9) Erat hic annos XX natus, in qua aetate ita moderate de se multa pollicitus est, ut appareret plura eum experimentis reservare. (10) Macedonibus inmunitatem cunctarum rerum praeter militiae vacationem dedit; quo pacto tantum sibi favorem omnium conciliavit, ut corpus hominis, non virtutem regis mutasse se dicerent. 2 (1) Prima illi cura paternarum exequiarum fuit, in quibus ante omnia caedis conscios ad tumulum patris occidi iussit. (2) Soli Alexandro Lyncestarum fratri pepercit, servans in eo auspicium dignitatis suae; nam regem eum primus salutaverat. (3) Aemulum quoque imperii, Caranum, fratrem ex noverca susceptum, interfici curavit. (4) Inter initia multas gentes rebellantes conpescuit, orientes nonnullas seditiones extinxit. (5) Quibus rebus erectus citato gradu in Graeciam
Vorwort zum 11. Buch Das elfte Buch enthält die Taten Alexanders des Großen1 bis zum Tod des Perserkönigs Dareios. In einem Exkurs sind die Ursprünge und Könige Kariens geschildert.
Buch 112 1 (1) Wie in Philipps Heer3 unterschiedliche Völkerschaften vertreten waren, so waren auch ihre Empfindungen nach seiner Ermordung4 verschieden. (2) Denn die einen, die durch ungerechte Sklaverei unterdrückt waren, wurden zur Hoffnung auf Freiheit ermutigt, (3) die anderen freuten sich aus Widerwillen gegen den Kriegsdienst in einem weit entfernten Land, dass ihnen der Feldzug erlassen war; (4) manche schmerzte es, dass man die Fackel, die man für die Hochzeit der Tochter5 entzündet hatte, unter den Scheiterhaufen des Vaters legen musste. (5) Auch Philipps Freunde hatte bei diesem so plötzlichen Wechsel der Verhältnisse eine nicht geringe Furcht ergriffen, wenn sie bedachten, dass jetzt Asien zum Kampf herausgefordert, jetzt Europa noch nicht unterjocht sei, (6) dass jetzt bei den Illyrern6, den Thrakern7, den Dardanern8 und den übrigen Barbarenstämmen zweifelhafte Zuverlässigkeit und mangelnde Treue herrschten. Wenn all diese Völker gleichzeitig abfielen, könne man sich in keiner Weise halten. (7) Gegen diese Ängste wirkte Alexanders Auftreten gewissermaßen wie ein Heilmittel: (8) Er tröstete und ermutigte in einer Versammlung das ganze Volk entsprechend den Umständen so, dass er den Ängstlichen die Furcht nahm und auch bei allen neue Hoffnung weckte. (9) Er war zwanzig Jahre alt,9 und schon in diesem Alter zeigte er ein vielversprechendes Talent, aber in so zurückhaltender Weise, dass es offensichtlich war, er sparte sich noch mehr für die Beweise auf. (10) Den Makedonen gewährte er Freiheit von sämtlichen Verpflichtungen mit Ausnahme des Kriegsdienstes. Auf diese Weise verschaffte er sich bei allen so große Gunst, dass sie sagten, nur der Körper des Menschen, nicht aber die Verdienste des Königs hätten sich für sie geändert. 2 (1) Seine erste Sorge galt der Bestattung seines Vaters,10 während der er vor allem anderen die Mitwisser des Mordes11 am Grab des Vaters töten ließ.12 (2) Allein ihren Bruder, den Lynkesten13 Alexandros, verschonte er, weil er sich mit ihm ein günstiges Vorzeichen seiner Herrscherwürde bewahren wollte. Denn dieser hatte ihn als Erster als König begrüßt. (3) Alexander sorgte dafür, dass auch sein Rivale um die Herrschaft, Karanos14, ein von der Stiefmutter geborener Bruder, getötet wurde. (4) Zu Beginn bezähmte Alexander viele Völkerschaften, die sich auflehnten, und unterdrückte einige im Entstehen begriffene Aufstände. (5) Durch diese Erfolge ermutigt, zog er im Eilmarsch nach Grie-
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contendit, ubi exemplo patris Corinthum evocatis civitatibus dux in locum eius substituitur. (6) Inchoatum deinde a patre Persicum bellum adgreditur. (7) In cuius apparatu occupato nuntiatur Athenienses et Lacedaemonios ab eo ad Persas defecisse auctoremque eius defectionis magno auri pondere a Persis corruptum Demosthenem oratorem extitisse, (8) qui Macedonum deletas omnes cum rege copias a Triballis adfirmaverit producto in contionem auctore, qui in eo proelio, in quo rex ceciderit, se quoque vulneratum diceret. (9) Qua opinione mutatos omnium ferme civitatium animos esse; praesidia Macedonum obsideri. (10) Quibus motibus occursurus tanta celeritate instructo paratoque exercitu Graeciam oppressit, ut, quem venire non senserant, videre se vix crederent. 3 (1) In transitu hortatus Thessalos fuerat beneficiorumque Philippi patris maternaeque suae cum his ab Aeacidarum gente necessitudinis admonuerat. (2) Cupide haec Thessalis audientibus exemplo patris dux universae gentis creatus erat et vectigalia omnia reditusque suos ei tradiderant. (3) Sed Athenienses, sicuti primi defecerant, ita primi paenitere coeperunt, (4) contemptum hostis in admirationem vertentes pueritiamque Alexandri spretam antea supra virtutem veterum ducum extollentes. (5) Missis itaque legatis bellum deprecantur, quibus auditis et graviter increpitis Alexander bellum remisit. (6) Inde Thebas exercitum convertit, eadem indulgentia usurus, si parem paenitentiam invenisset. (7) Sed Thebani armis, non precibus nec deprecatione usi sunt. Itaque victi gravissima quaeque supplicia miserrimae captivitatis experti sunt. (8) Cum in consilio de excidio urbis deliberaretur, Phocenses et Plataeenses et Thespienses et Orchomenii, Alexandri socii victoriaeque participes, excidia urbium suarum crudelitatemque Thebanorum referebant, (9) studia in Persas non praesentia tantum, verum et vetera adversus Graeciae libertatem increpantes, (10) quam ob rem odium eos omnium populorum esse; quod vel ex eo manifestari, quod iure iurando se omnes obstrinxerint, ut victis Persis Thebas diruerent. (11) Adiciunt et scelerum priorum fabulas,
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chenland, wo er nach dem Vorbild seines Vaters die Staaten nach Korinth berief15 und an Philipps Stelle als Feldherr eingesetzt wurde.16 (6) Hierauf nahm er den von seinem Vater begonnenen Krieg gegen Persien in Angriff. (7) Während er von den Vorbereitungen dazu in Anspruch genommen war, wurde ihm gemeldet, dass die Athener und Lakedaimonier von ihm zu den Persern abgefallen seien und der Anstifter zu diesem Abfall der Redner Demosthenes17 gewesen sei, den die Perser mit einer großen Goldsumme bestochen hätten.18 (8) Demosthenes habe versichert, alle Truppen der Makedonen seien mitsamt ihrem König von den Triballern19 vernichtet worden;20 und er habe in der Versammlung einen Augenzeugen vorgeführt, der ausgesagt habe, auch er selbst sei in der Schlacht, in welcher der König gefallen sei, verwundet worden. (9) Diese Kunde habe die Stimmung in fast allen Staaten umschlagen lassen; die Besatzungstruppen der Makedonen seien eingeschlossen. (10) Um diesen Bewegungen entgegenzutreten, überfiel Alexander Griechenland mit einem gerüsteten und kampfbereiten Heer in so großer Geschwindigkeit, dass sie kaum glauben konnten, den vor sich zu sehen, dessen Kommen sie nicht bemerkt hatten. 3 (1) Auf seinem Marsch hatte er die Thessalier ermutigt und an die Wohltaten seines Vaters Philipp21 sowie seine Verwandtschaft mütterlicherseits mit ihnen vom Geschlecht der Aiakiden22 her erinnert. (2) Weil die Thessalier das begierig hörten, war er nach dem Vorbild seines Vaters zum Anführer des gesamten Stammes gewählt worden,23 und sie hatten ihm all ihre Steuern und Einkünfte übergeben. (3) Doch ebenso wie die Athener als Erste abgefallen waren, begannen sie auch als Erste, das zu bereuen; (4) ihre Verachtung für den Feind verkehrte sich in Bewunderung,24 und sie erhoben Alexanders Knabenalter, das sie zuvor verachtet hatten, über die Verdienste der alten Feldherren. (5) Daher schickten sie Gesandte zu ihm und versuchten, den Krieg durch Bitten abzuwenden; als Alexander sie angehört und hart getadelt hatte, ersparte er ihnen den Krieg. (6) Darauf führte er sein Heer nach Theben, um dieselbe Nachsicht zu üben, wenn er die gleiche Reue vorfände. (7) Aber die Thebaner machten von den Waffen, nicht von Bitten und Entschuldigungen Gebrauch. Daher mussten sie als Besiegte25 die härtesten Strafen der erbärmlichsten Gefangenschaft erfahren. (8) Als im Kriegsrat über die Zerstörung der Stadt beratschlagt wurde, brachten die Phoker, die Plataier, die Thespier und die Orchomenier26, Alexanders Verbündete und Teilhaber an seinem Sieg, die Zerstörungen ihrer eigenen Städte und die Grausamkeit der Thebaner vor. (9) Dabei tadelten sie nicht nur deren jetzige Perserfreundschaft, sondern auch die frühere27, die sich gegen die Freiheit Griechenlands gerichtet habe. (10) Deshalb seien die Thebaner bei allen Völkern verhasst; das zeige sich schon daran, dass alle sich durch einen Schwur verpflichtet hätten, nach einem Sieg über die Perser Theben zu zerstören. (11) Sie fügten auch noch Sagen von früheren Verbrechen der Thebaner hin-
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quibus omnes scaenas repleverint, ut non praesenti tantum perfidia, verum et vetere infamia invisi forent. 4 (1) Tunc Cleadas, unus ex captivis, data potestate dicendi: non a rege se defecisse, quem interfectum audierint, sed a regis heredibus; (2) quicquid in eo sit admissum, credulitatis, non perfidiae culpam esse, cuius tamen iam magna se supplicia pependisse deleta iuventute. (3) Nunc senum feminarumque sicuti infirmum, ita innoxium restare vulgus, quod ipsum stupris contumeliis que ita vexatum esse, ut nihil amarius umquam sint passi; (4) nec iam pro civibus se, qui tam pauci remanserint, orare, sed pro innoxio patriae solo et pro urbe, quae non viros tantum, verum et deos genuerit. (5) Privata etiam regem superstitione deprecatur geniti apud ipsos Herculis, unde originem gens Aeacidarum trahat, actaeque Thebis a patre eius Philippo pueritiae; (6) rogat urbi parcat, quae maiores eius partim apud se genitos deos adoret, partim educatos summae maiestatis reges viderit. (7) Sed potentior fuit ira quam preces. Itaque urbs diruitur; agri inter victores dividuntur; (8) captivi sub corona venduntur, quorum pretium non ex ementium commodo, sed ex inimicorum odio extenditur. (9) Miseranda res Atheniensibus visa; itaque portas refugis profugorum contra interdictum regis aperuere. (10) Quam rem ita graviter tulit Alexander, ut secunda legatione denuo bellum deprecantibus ita demum remiserit, ut oratores et duces, quorum fiducia totiens rebellent, sibi dedantur; (11) paratisque Atheniensibus, ne cogantur, subire bellum, eo res deducta est, ut retentis oratoribus duces in exilium agerentur, (12) qui ex continenti ad Darium profecti non mediocre momentum Persarum viribus accessere.
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zu,28 von denen alle Theater voll seien, sodass sie nicht nur wegen ihrer gegenwärtigen Treulosigkeit, sondern auch wegen ihrer alten Schande verhasst seien. 4 (1) Dann sagte Kleadas29, einer der Gefangenen, dem man die Erlaubnis, zu sprechen, gegeben hatte: Nicht vom König seien sie abgefallen, von dessen Ermordung sie gehört hätten, sondern von den Erben des Königs. (2) Welches Vergehen sie auch immer damit verübt hätten – es sei die Schuld ihrer Leichtgläubigkeit, nicht ihrer Treulosigkeit, für die sie jedoch schon durch die Vernichtung ihrer Jungmannschaft teuer bezahlt hätten. (3) Nun sei nur mehr die ebenso unschuldige wie schwache Menge der Alten und Frauen übrig, die ihrerseits durch Schändungen und Schmähungen so gequält sei, dass sie niemals etwas Bittereres erduldet hätten. (4) Und er bitte nicht mehr für seine Mitbürger, von denen nur so wenige übrig geblieben seien, sondern für den unschuldigen Boden des Vaterlandes und für die Stadt, die nicht nur Männer30, sondern auch Götter31 hervorgebracht habe. (5) Er beschwor den König sogar bei dessen persönlicher Ehrfurcht vor dem bei ihnen geborenen Herakles, von dem das Geschlecht der Aiakiden seinen Ursprung herleite, und vor der Tatsache, dass sein Vater Philipp seine Kindheit in Theben zugebracht habe.32 (6) Er bat Alexander, die Stadt zu schonen, die seine Ahnen teils als Götter verehre, die in ihren Mauern geboren seien, teils als Könige von höchster Würde gesehen habe, die in ihren Mauern erzogen worden seien. (7) Doch der Zorn war mächtiger als die Bitten. Daher wurde die Stadt zerstört;33 die Felder teilte man unter den Siegern auf; (8) die Gefangenen verkaufte man als Sklaven, deren Preis sich nicht nach dem Vorteil der Käufer bemaß, sondern nach dem Hass der Feinde in die Höhe getrieben wurde. (9) Dieses Vorgehen erschien den Athenern beklagenswert. Daher öffneten sie gegen das Verbot des Königs ihre Tore zur Zuflucht für die Flüchtlinge. (10) Darüber war Alexander so ungehalten, dass er ihnen, als sie durch eine zweite Gesandtschaft noch einmal einen Krieg durch Bitten abzuwenden suchten, diesen erst unter der Bedingung ersparte, dass sie ihm die Redner34 und Feldherren35 auslieferten, die ihnen das Vertrauen gaben, sich so oft aufzulehen. (11) Als die Athener sich dazu bereit erklärten, damit sie nicht gezwungen waren, den Krieg auf sich zu nehmen, wurde die Angelegenheit dahingehend entschieden, dass die Redner bleiben durften, die Feldherren aber in die Verbannung geschickt wurden. (12) Sie begaben sich unverzüglich zu Dareios36, und damit erhielten die Streitkräfte der Perser eine nicht unbeträchtliche Verstärkung.
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5 (1) Proficiscens ad Persicum bellum omnes novercae suae cognatos, quos Philippus in excelsiorem dignitatis locum provehens imperiis praefecerat, interfecit. (2) Sed nec suis, qui apti regno videbantur, pepercit, ne qua materia seditionis procul se agente in Macedonia remaneret (3) et reges stipendiarios conspectioris ingenii ad conmilitium secum trahit, segniores ad tutelam regni relinquit. (4) Adunato deinde exercitu naves onerat, unde conspecta Asia incredibili ardore mentis accensus duodecim aras deorum in belli vota statuit. (5) Patrimonium omne suum, quod in Macedonia Europaque habebat, amicis dividit, sibi Asiam sufficere praefatus. (6) Priusquam ulla navis litore excederet, hostias caedit, petens victoriam bello, quo totiens a Persis adpetitae Graeciae ultor electus sit, (7) quibus longa iam satis et matura imperia contigisse quorumque tempus esse vices excipere melius acturos. (8) Sed nec exercitus eius alia quam regis animorum praesumptio fuit; (9) quippe obliti omnes coniugum liberorumque et longinquae a domo militiae Persicum aurum et totius Orientis opes iam quasi suam praedam ducebant, nec belli periculorumque, sed divitiarum meminerant. (10) Cum delati in continentem essent, primus Alexander iaculum velut in hostilem terram iecit armatusque de navi tripudianti similis prosiluit atque ita hostias caedit, (11) precatus, ne se regem illae terrae invitae accipiant. (12) In Ilio quoque ad tumulos eorum, qui Troiano bello ceciderant, parentavit. 6 (1) Inde hostem petens militem a populatione Asiae prohibuit, parcendum suis rebus praefatus, nec perdenda ea, quae possessuri venerint. (2) In exercitu eius fuere peditum XXXII milia, equitum IV milia quingenti, naves centum octoginta duae. (3) Hac tam parva manu universum terrarum orbem utrum sit admirabilius vicerit an adgredi ausus fuerit, incertum est. (4) Cum ad tam periculosum bellum exercitum legeret, non iuvenes robustos nec primum florem aetatis, sed veteranos, plerosque etiam emeritae militiae, qui cum patre patruisque militaverant, elegit, (5) ut non tam milites quam magistros militiae
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5 (1) Als Alexander zum Krieg gegen die Perser aufbrach, ließ er alle Verwandten seiner Stiefmutter37, die Philipp in eine höhere Würdenstellung erhoben und mit Befehlshaberstellen betraut hatte, töten. (2) Aber auch seine eigenen Angehörigen, die zur Herrschaft geeignet schienen,38 verschonte er nicht, damit in Makedonien kein Zündstoff für einen Aufstand zurückblieb, während er in der Ferne tätig war. (3) Und er zog die ihm tributpflichtigen Könige, die durch ihre Fähigkeiten unter den übrigen hervorstachen, als Kriegskameraden mit sich, die trägeren hingegen ließ er zum Schutz seines Reiches zurück. (4) Hierauf vereinigte er das Heer und belud die Schiffe; als er von da aus Asien erblickte, wurde er von einer unglaublichen Begeisterung entflammt und ließ zwölf Götteraltäre als Weihgabe für den Krieg errichten. (5) Sein gesamtes Vermögen, das er in Makedonien und Europa besaß, verteilte er unter seinen Freunden, wobei er vorausschickte, ihm genüge Asien. (6) Ehe ein Schiff vom Strand ablegte, ließ er Opfertiere schlachten und erbat den Sieg in dem Krieg, für den er zum Rächer Griechenlands gewählt worden sei, das die Perser so oft angegriffen hätten. (7) Den Persern sei eine schon lange genug andauernde und zur vollen Reife gelangte Herrschaft zuteilgeworden, und es sei an der Zeit, dass diejenigen ihre Stelle einnähmen, die besser handeln würden. (8) Aber auch sein Heer hegte keine andere Erwartung als der König. (9) Denn alle vergaßen ihre Frauen und Kinder und den Kriegsdienst in einem weit von der Heimat entfernten Land, hielten dabei das persische Gold und den Reichtum des gesamten Orients schon gleichsam für ihre eigene Beute und dachten nicht an die Gefahren des Krieges, sondern nur an die Schätze. (10) Als sie ans Festland gelangten,39 schleuderte Alexander als Erster seinen Speer wie auf Feindesland, sprang bewaffnet wie bei einem Kriegstanz vom Schiff und schlachtete so die Opfertiere, (11) wobei er betete, jene Länder möchten ihn willig als König annehmen. (12) Auch in Ilion40 brachte er an den Gräbern derer, die im Trojanischen Krieg gefallen waren,41 Totenopfer dar. 6 (1) Darauf griff er den Feind an, hielt aber sein Heer von der Plünderung Asiens ab, wobei er vorausschickte, sie sollten ihr Eigentum schonen und nicht das vernichten, zu dessen Besitznahme sie gekommen seien. (2) In seinem Heer befanden sich zweiunddreißigtausend Fußsoldaten, viertausendfünfhundert Reiter und einhundertzweiundachtzig Schiffe.42 (3) Ob es bewundernswerter ist, dass er mit dieser so kleinen Schar die ganze Welt besiegte oder dass er ihn damit überhaupt anzugreifen wagte, lässt sich nicht entscheiden. (4) Als Alexander zu diesem so gefahrvollen Krieg sein Heer aushob, wählte er nicht kräftige junge Männer und auch nicht die in erster Blüte stehenden Jahrgänge, sondern altgediente Soldaten, die meisten sogar ausgedient, die unter seinem Vater und seinen Onkeln43 Kriegsdienst geleistet hatten, (5) sodass man hätte glauben können, es seien nicht so sehr Soldaten als vielmehr Lehrmeister für
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electos putares. (6) Ordines quoque nemo nisi sexagenarius duxit, ut, si principia castrorum cerneres, senatum te priscae alicuius rei publicae videre diceres. (7) Itaque nemo in proelio fugam, sed victoriam cogitavit; nec in pedibus cuiquam spes, sed in lacertis fuit. (8) Contra rex Persarum Darius fiducia virium nihil astu agere, adfirmans suis occulta consilia victoriae furtivae convenire, (9) nec hostem regni finibus arcere, sed in intimum regnum accipere, gloriosius ratus repellere bellum quam non admittere. (10) Prima igitur congressio in campis Adrasteis fuit. (11) In acie Persarum sexcenta milia militum fuere, quae non minus arte Alexandri quam virtute Macedonum superata terga verterunt. Magna itaque caedes Persarum fuit. (12) De exercitu Alexandri novem pedites, centum XX equites cecidere, (13) quos rex inpense ad ceterorum solacia humatos statuis equestribus donavit cognatisque eorum inmunitates dedit. (14) Post victoriam maior pars Asiae ad eum defecit. (15) Gessit et plura bella cum praefectis Darii, quos iam non tam armis quam terrore nominis sui vicit. 7 (1) Dum haec aguntur, interim indicio captivi ad eum defertur insidias ei ab Alexandro Lyncesta, genero Antipatri, qui praepositus Macedoniae erat, parari. (2) Ob quam causam timens, ne quis interfecto eo in Macedonia motus oreretur, in vinculis eum habuit. (3) Post haec Gordien urbem petit, quae posita est inter Phrygiam maiorem et minorem; (4) cuius urbis potiundae non tam propter praedam cupido eum cepit, sed quod audierat in ea urbe in templo Iovis iugum Gordii positum, cuius nexum si quis solvisset, eum tota Asia regnaturum antiqua oracula cecinisse. (5) Huius rei causa et origo illa fuit. Gordius cum in his regionibus bubus conductis araret, aves eum omnis generis circumvolare coeperunt. (6) Profectus ad consulendos augures vicinae urbis obviam in porta habuit virginem eximiae pulchritudinis, percontatusque eam, quem potissimum augurem consuleret; (7) illa audita causa consulendi, gnara artis ex disciplina parentum, regnum
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den Kriegsdienst ausgewählt worden. (6) Auch den Rang eines Hauptmanns durfte niemand bekleiden, der nicht sechzig Jahre alt war, sodass man bei der Betrachtung des Hauptquartiers des Lagers hätte sagen können, man sehe die Ratsversammlung eines altehrwürdigen Staates vor sich. (7) Daher dachte niemand in der Schlacht an Flucht, sondern nur an den Sieg, und keiner setzte seine Hoffnung auf seine Füße, sondern nur auf seine Arme. (8) Auf der anderen Seite unternahm der Perserkönig Dareios44 im Vertrauen auf seine Streitkräfte nichts mit Verschlagenheit und versicherte seinen Leuten, geheime Pläne passten nur zu einem erschlichenen Sieg. (9) Und er wolle den Feind nicht an den Grenzen seines Reiches abwehren, sondern ihn in das Innerste seines Reiches eindringen lassen, weil er es für ruhmvoller hielt, den Krieg zurückzuschlagen, als ihn erst gar nicht einzulassen. (10) So fand das erste Gefecht auf den adrastischen Feldern statt.45 (11) In der Schlachtreihe der Perser befanden sich sechshunderttausend46 Soldaten, die nicht weniger durch Alexanders Feldherrnkunst als durch die Tapferkeit der Makedonen besiegt wurden und sich zur Flucht wandten. Daher war das Gemetzel an den Persern groß. (12) In Alexanders Heer fielen neun Fußsoldaten und einhundertzwanzig Reiter, (13) die der König zum Trost der Übrigen mit großem Aufwand bestatten ließ und mit Reiterstatuen ehrte. Ihren Verwandten gewährte er Steuerfreiheit. (14) Nach diesem Sieg fiel der größere Teil Asiens zu ihm ab. (15) Alexander führte auch mehrere Kriege gegen die Statthalter des Dareios, die er schon nicht so sehr durch seine Waffen als vielmehr durch den Schrecken seines Namens besiegte. 7 (1) Während dieser Ereignisse wurde ihm unterdessen durch die Aussage eines Gefangenen mitgeteilt, dass der Lynkeste Alexandros, der Schwiegersohn des Antipatros47, des Statthalters von Makedonien, ein Attentat auf ihn plane. (2) Aus diesem Grund fürchtete Alexander, dass nach der Tötung des Alexandros in Makedonien ein Aufruhr entstehen könne, und hielt ihn gefangen.48 (3) Danach49 zog er zu der Stadt Gordion50, die zwischen Groß- und Kleinphrygien liegt. (4) Ihn ergriff die Begierde, sich dieser Stadt zu bemächtigen, nicht so sehr wegen der Beute, sondern weil er gehört hatte, dass in dieser Stadt im Tempel des Jupiter51 das Wagenjoch des Gordios52 aufgestellt sei und dass alte Orakelsprüche verkündet hätten, wenn jemand dessen Knoten löse, werde er über ganz Asien herrschen. (5) Grund und Ursprung dieser Prophezeiung war folgender:53 Während Gordios in dieser Gegend mit gemieteten Ochsen pflügte, begannen Vögel aller Art, ihn zu umfliegen. (6) Als er sich aufmachte, um die Vogelschauer der benachbarten Stadt zu befragen, begegnete ihm am Stadttor ein junges Mädchen54 von außerordentlicher Schönheit, und er erkundigte sich bei ihr, welchen Vogelschauer er am besten befragen solle. (7) Sie hörte, was der Anlass für die Befragung war, und da sie sich durch die Unterweisung ihrer Eltern auf diese Kunst verstand, gab sie zur Antwort, ihm werde eine Königs-
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ei portendi respondit polliceturque se et matrimonii et spei sociam. (8) Tam pulchra condicio prima regni felicitas videbatur. (9) Post nuptias inter Phrygas orta seditio est. (10) Consulentibus de fine discordiarum oracula responderunt regem discordiis opus esse. (11) Iterato quaerentibus de persona regis, iubentur eum regem observare, quem reversi primum in templum Iovis euntem plaustro repperissent. (12) Obvius illis Gordius fuit, statimque eum regem consalutant. (13) Ille plaustrum, quo vehenti regnum delatum fuerat, in templo Iovis positum maiestati regiae consecravit. (14) Post hunc filius Mida regnavit, qui ab Orpheo sacrorum sollemnibus initiatus Phrygiam religionibus inplevit, quibus tutior omni vita quam armis fuit. (15) Igitur Alexander capta urbe cum in templum Iovis venisset, iugum plaustri requisivit, (16) quo exhibito, cum capita loramentorum intra nodos abscondita reperire non posset, violentius oraculo usus gladio loramenta caedit atque ita resolutis nexibus latentia in nodis capita invenit. 8 (1) Haec illi agenti nuntiatur Darium cum ingenti exercitu adventare. (2) Itaque timens angustias magna celeritate Taurum transcendit, in qua festinatione quingenta stadia cursu fecit. (3) Cum Tarsum venisset, captus Cydni fluminis amoenitate per mediam urbem influentis proiectis armis plenus pulveris ac sudoris in praefrigidam undam se proiecit, (4) cum repente tantus nervos eius occupavit rigor, ut interclusa voce non spes modo remedii, sed nec dilatio periculi inveniretur. (5) Unus erat ex medicis, nomine Philippus, qui solus remedium pollicetur; sed et ipsum Parmenionis pridie a Cappadocia missae epistulae suspectum faciebant, (6) qui ignarus infirmitatis Alexandri scripserat, a Philippo medico caveret, nam corruptum illum a Dario ingenti pecunia esse. (7) Tutius tamen ratus dubiae se fidei medici credere quam indubitato morbo perire. (8) Accepto igitur poculo epistulas medico tradidit atque ita inter bibendum oculos in vultum legentis intendit. (9) Ut securum conspexit, laetior factus est sanitatemque quarta die recepit.
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herrschaft prophezeit; und sie versprach ihm, dass sie sowohl seine Ehegefährtin als auch die Gefährtin seiner Hoffnung sein wolle. (8) Ein so schöner Vorschlag schien ihm das erste Glück auf dem Weg zur Herrschaft zu sein. (9) Nach der Hochzeit brach unter den Phrygern Zwietracht aus. (10) Als sie nun die Orakel über das Ende der Zwistigkeiten befragten, antworteten diese, für die Zwistigkeiten sei ein König vonnöten. (11) Als die Phryger ein zweites Mal anfragten, nun wegen der Person des Königs, erhielten sie den Befehl, denjenigen als König zu ehren, den sie bei ihrer Rückkehr als Ersten auf einem Wagen zum Tempel des Jupiter fahren sähen. (12) Entgegen kam ihnen Gordios, und sofort begrüßten sie ihn laut als König. (13) Jener stellte den Wagen, auf dem er gefahren war, als man ihm die Königsherrschaft übertragen hatte, im Tempel des Jupiter auf und weihte ihn der Königswürde. (14) Nach seinem Tod herrschte sein Sohn Midas, der von Orpheus55 in die heiligen Feiern eingeweiht wurde und Phrygien56 mit Kultbräuchen erfüllte, wodurch er sein ganzes Leben lang sicherer war als durch Waffen. (15) Als Alexander nun nach der Einnahme der Stadt in den Tempel des Jupiter kam, suchte er das Joch des Wagens. (16) Man zeigte es ihm, und da er die zwischen den Knoten versteckten Enden der Riemen nicht finden konnte, erfüllte er den Orakelspruch auf ziemlich gewaltsame Weise: Er durchschlug mit seinem Schwert die Riemen und entdeckte so, als die Verschlingungen sich gelöst hatten, die in den Knoten verborgenen Enden. 8 (1) Als er damit beschäftigt war, wurde ihm gemeldet, dass Dareios mit einem gewaltigen Heer heranrücke. (2) Daher überschritt er aus Furcht vor den Engpässen mit großer Geschwindigkeit den Taurus;57 bei dieser Hast schaffte er fünfhundert Stadien im Eilmarsch. (3) Als er nach Tarsus58 kam, ließ er sich von dem lieblichen Fluss Kydnos59, der mitten durch die Stadt floss, verlocken, warf seine Waffen beiseite und stürzte sich, mit Staub und Schweiß bedeckt, in die eiskalte Flut. (4) Da befiel plötzlich eine solche Starre seine Muskeln, dass ihm die Stimme versagte und man nicht nur keine Hoffnung auf ein Heilmittel sah, sondern auch keinen Aufschub der Todesgefahr. (5) Unter den Ärzten fand sich nur einer, Philippos60, der als Einziger ein Heilmittel versprach. Aber gerade ihn machte nun ein Brief des Parmenion61, der am vorigen Tag aus Kappadokien62 geschickt worden war, verdächtig: (6) Parmenion hatte, ohne von Alexanders Krankheit zu wissen, geschrieben, er solle sich vor dem Arzt Phil ippos in Acht nehmen, denn jener sei von Dareios mit einer gewaltigen Geldsumme bestochen worden. (7) Dennoch hielt Alexander es für sicherer, sich der zweifelhaften Treue seines Arztes anzuvertrauen, als an seiner unzweifelhaften Krankheit zugrunde zu gehen. (8) Er nahm also den Trinkbecher entgegen, übergab dem Arzt den Brief und hielt so, während er trank, den Blick gespannt auf die Miene des Lesenden gerichtet. (9) Als er sie unbekümmert sah, wurde er heiterer und erlangte am vierten Tag seine Gesundheit wieder.
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9 (1) Interea Darius cum CCCC milibus peditum et centum milibus equitum in aciem procedit. (2) Movebat haec multitudo hostium respectu paucitatis suae Alexandrum, sed interdum reputabat, quantas res cum ista paucitate gessisset quantosque populos fudisset. (3) Itaque cum spes metum vinceret, periculosius differre bellum ratus, ne desperatio suis cresceret, circumvectus suos singulas gentes diversa oratione adloquitur. (4) Illyrios et Thracas opum ac divitiarum ostentatione, Graecos veterum bellorum memoria internecivique cum Persis odii accendebat; (5) Macedonas autem nunc Europae victae admonet, nunc Asiae expetitae, nec inventos illis toto orbe pares viros gloriatur; (6) ceterum et laborum finem hunc et gloriae cumulum fore. (7) Atque inter haec identidem consistere aciem iubet, ut hac mora consuescant oculis turbam hostium sustinere. (8) Nec Darii segnis opera in ordinanda acie fuit; quippe omissis ducum officiis ipse omnia circumire, singulos hortari, veteris gloriae Persarum imperiique perpetuae a diis inmortalibus datae possessionis admonere. (9) Post haec proelium ingentibus animis committitur. In eo uterque rex vulneratur. Tam diu certamen anceps fuit, quoad fugeret Darius. (10) Exinde caedes Persarum secuta est. Caesa sunt peditum sexaginta unum milia, equitum decem milia; capta XL milia. Ex Macedonibus cecidere pedestres CXXX, equites CL. (11) In castris Persarum multum auri ceterarumque opum inventum. (12) Inter captivos castrorum mater et uxor eademque soror et filiae duae Darii fuere. (13) Ad quas visendas hortandasque cum Alexander veniret, conspectis armatis invicem se amplexae, velut statim moriturae, conplorationem ediderunt. (14) Provolutae deinde genibus Alexandri non mortem, sed, dum Darii corpus sepeliant, dilationem mortis deprecantur. (15) Motus tanta mulierum pietate Alexander et Darium vivere dixit et timentibus mortis metum dempsit easque et haberi et salutari ut reginas praecepit; (16) filias quoque non sordidius dignitate patris sperare matrimonium iussit.
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9 (1) Inzwischen rückte Dareios mit vierhunderttausend Fußsoldaten und hunderttausend Reitern zur Schlacht aus. (2) Diese Masse von Feinden bestürzte Alexander angesichts der geringen Anzahl seiner eigenen Soldaten; doch bisweilen überdachte er, welche Taten er mit dieser geringen Anzahl vollbracht und welch große Völker er geschlagen habe. (3) Als daher die Hoffnung über die Furcht siegte, glaubte er, es sei zu gefährlich, den Krieg aufzuschieben, weil dadurch die Verzweiflung bei seinen Soldaten zunehmen könnte; und so ritt er bei seinen Männern umher und redete den einzelnen Völkerschaften in verschiedenen Ansprachen zu. (4) Die Illyrer und die Thraker feuerte er durch den Hinweis auf die Schätze und Reichtümer an, die Griechen durch die Erinnerung an die alten Kriege und ihren tödlichen Hass gegen die Perser; (5) die Makedonen aber erinnerte er bald an das besiegte Europa, bald an das begehrte Asien und prahlte, es hätten sich auf der ganzen Welt keine Männer finden lassen, die ihnen gewachsen seien. (6) Im Übrigen werde das sowohl das Ende ihrer Anstrengungen als auch die Krönung ihres Ruhmes sein. (7) Und währenddessen ließ er das Heer immer wieder haltmachen, damit sie sich durch diese Verzögerung daran gewöhnten, den Anblick der feindlichen Menge zu ertragen. (8) Auch Dareios war nicht träge in seinen Bemühungen bei der Aufstellung seiner Schlachtreihe: Denn ohne sich darum zu kümmern, dass das die Aufgabe seiner Heerführer war, ging er zusätzlich persönlich überall herum, ermutigte Einzelne und erinnerte sie an den alten Ruhm der Perser und den ewigen Besitz der Herrschaft, den ihnen die unsterblichen Götter verliehen hätten. (9) Danach begann man mit ungeheurem Mut die Schlacht.63 In ihr wurden beide Könige verwundet.64 So lange blieb der Kampf unentschieden, bis Dareios floh. (10) Daraufhin folgte ein Gemetzel an den Persern. Getötet wurden einundsechzigtausend Fußsoldaten und zehntausend Reiter, gefangen genommen wurden vierzigtausend. Von den Makedonen fielen einhundertdreißig Fußsoldaten und einhundertfünfzig Reiter. (11) Im Lager der Perser entdeckte man eine große Menge an Gold und anderem Reichtum. (12) Unter den Leuten, die man im Lager gefangen genommen hatte, befanden sich die Mutter65, die Schwestergemahlin66 und zwei Töchter des Dareios67. (13) Als Alexander kam, um sie zu besuchen und zu ermutigen, umarmten sie sich gegenseitig beim Anblick der Bewaffneten und stießen ein Wehklagen aus, als ob sie gleich sterben müssten. (14) Hierauf fielen sie zu Alexanders Füßen nieder und versuchten nicht, ihren Tod durch Bitten abzuwenden, sondern baten nur flehentlich um einen Aufschub ihres Todes, bis sie den Leichnam des Dareios bestattet hätten. (15) Gerührt von dieser so großen Liebe der Frauen, sagte ihnen Alexander, dass Dareios noch am Leben sei, nahm den Verängstigten die Furcht vor dem Tod und ordnete an, sie als Königinnen zu behandeln und auch zu grüßen. (16) Die Töchter ihrerseits ließ er eine Hochzeit erhoffen, die nicht niedriger sei, als es der Herrscherwürde ihres Vaters zukomme.
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10 (1) Post haec opes Darii divitiarumque adparatum contemplatus admiratione tantarum rerum capitur. (2) Tunc primum luxuriosa convivia et magnificentiam epularum sectari, tunc et Barsinen captivam diligere propter formae pulchritudinem coepit, (3) a qua postea susceptum puerum Herculem vocavit. (4) Memor tamen adhuc Darium vivere Parmeniona ad occupandam Persicam classem aliosque amicos ad recipiendas Asiae civitates misit, (5) quae statim audita fama victoriae ipsis Darii praefectis cum auri magno pondere tradentibus se in potestatem victorum venerunt. (6) Tunc in Syriam proficiscitur, ubi obvios cum infulis multos Orientis reges habuit. (7) Ex his pro meritis singulorum alios in societatem recepit, aliis regnum ademit suffectis in loca eorum novis regibus. (8) Insignis praeter ceteros fuit Abdalonymus, rex ab Alexandro Sidoniae constitutus, (9) quem Alexander, cum operam oblocare ad puteos exhauriendos hortosque inrigandos solitus esset, misere vitam exhibentem regem fecerat spretis nobilibus, ne generis id, non dantis beneficium putarent. (10) Tyriorum civitas cum coronam auream magni ponderis per legatos in titulum gratulationis Alexandro misisset, grate munere accepto Tyrum se ire velle ad vota Herculi reddenda dixit. (11) Cum legati rectius id eum Tyro Vetere et antiquiore templo facturum dicerent, deprecantes eius introitum, ita exarsit, ut urbi excidium minaretur; (12) confestimque exercitu insulae adplicito, non minus animosis Tyriis fiducia Karthaginiensium, bello excipitur. (13) Augebat enim Tyriis animos Didonis exemplum, quae Karthagine condita tertiam partem orbis quaesisset, turpe ducentes, si feminis suis plus animi fuisset in imperio quaerendo quam sibi in tuenda libertate. (14) Amota igitur inbelli aetate Karthaginem et arcessitis mox auxiliis non magno post tempore per proditionem capiuntur. 11 (1) Inde Rhodum Alexander, Aegyptum Ciliciamque sine certamine recepit. (2) Ad Iovem deinde Hammonem pergit consulturus et de eventu futurorum et de origine sua. (3) Namque mater eius Olympias confessa viro suo Philippo
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10 (1) Als er danach den Reichtum des Dareios und den Prunk seiner Schätze betrachtete, ergriff ihn Bewunderung für so große Mittel. (2) Damals begann er zum ersten Mal, nach üppigen Gelagen und prachtvollen Mählern zu streben, damals auch, Barsine68, eine Kriegsgefangene, wegen ihrer schönen Gestalt zu lieben. (3) Von ihr bekam er später einen Sohn, den er Herakles69 nannte. (4) Dennoch dachte er daran, dass Dareios noch am Leben sei, und schickte deshalb Parmenion aus, um sich der persischen Flotte zu bemächtigen, und andere seiner Freunde, um die Städte Asiens einzunehmen. (5) Diese Städte gerieten sofort, als man das Gerücht vom Sieg vernahm, in die Gewalt der Sieger, da die Statthalter des Dareios sich mit einer großen Menge Gold in Alexanders Hand gaben. (6) Dann brach Alexander nach Syrien auf, wo ihm viele Könige des Orients mit den wollenen Stirnbinden der Schutzflehenden entgegenkamen. (7) Von diesen nahm er, je nach den Verdiensten der Einzelnen, die einen in ein Bündnis auf, den anderen entriss er die Herrschaft und setzte neue Könige an ihre Stelle. (8) Unter den Übrigen stach Abdalonymos70 hervor, der von Alexander als König von Sidon71 eingesetzt wurde. (9) Obwohl Abdalonymos seine Arbeitskraft zum Ausschöpfen von Brunnen und zur Bewässerung von Gärten zu verdingen pflegte und nur ein ärmliches Leben führte, hatte Alexander ihn zum König gemacht und dabei die Adeligen übergangen, damit sie die Herrschaft nicht für ein Vorrecht ihrer Abkunft, sondern allein für einen Gnadenerweis des Gebers hielten. (10) Als der Staat der Tyrier Alexander durch Gesandte eine goldene Krone von großem Gewicht zum Zeichen der Beglückwünschung schickte, nahm er das Geschenk dankbar an und sagte, er wolle nach Tyros gehen, um dem Herakles72 Gelübde zu erfüllen. (11) Als die Gesandten antworteten, das solle er besser in Alt-Tyros73 und im älteren Tempel tun, und auf diese Weise versuchten, seinen Einzug durch Bitten abzuwenden, entbrannte er in solchen Zorn, dass er der Stadt die Vernichtung androhte. (12) Und als sein Heer unverzüglich auf der Insel landete, wurde er kriegerisch empfangen, da die Tyrier im Vertrauen auf die Hilfe der Karthager nicht weniger mutig waren. (13) Denn der Mut der Tyrier wurde durch das Vorbild Didos74 verstärkt, die nach der Gründung Karthagos75 ein Drittel der Welt errungen hatte. Die Tyrier hielten es nämlich für schändlich, wenn ihre Frauen bei der Erringung der Herrschaft mehr Mut besessen hätten76 als sie selbst bei der Verteidigung der Freiheit. (14) Nachdem sie also die nicht wehrfähigen Jahrgänge nach Karthago weggebracht und dann Hilfstruppen herbeigerufen hatten, wurden sie nicht lange Zeit danach durch Verrat gefangen genommen.77 11 (1) Darauf nahm Alexander Rhodos, Ägypten und Kilikien kampflos ein. (2) Hierauf brach er zu Jupiter Ammon auf, um ihn sowohl über den Ausgang seiner künftigen Unternehmungen als auch über seine eigene Abstammung zu befragen. (3) Denn seine Mutter Olympias hatte ihrem Ehemann Philipp ge-
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fuerat, Alexandrum non ex eo se, sed ex serpente ingentis magnitudinis concepisse. (4) Denique Philippus ultimo prope vitae suae tempore filium suum non esse palam praedicaverat. (5) Qua ex causa Olympiada velut stupri conpertam repudio dimiserat. (6) Igitur Alexander cupiens originem divinitatis adquirere, simul et matrem infamia liberare, per praemissos subornat antistites, quid sibi responderi vellet. (7) Ingredientem templum statim antistites ut Hammonis filium salutant. (8) Ille laetus dei adoptione hoc se patre censeri iubet. (9) Rogat deinde, an omnes interfectores parentis sui sit ultus. Respondetur patrem eius nec interfici posse nec mori; regis Philippi plene peractam ultionem. (10) Tertia interrogatione poscenti victoriam omnium bellorum possessionemque terrarum dari respondetur. (11) Comitibus quoque suis responsum, ut Alexandrum pro deo, non pro rege colerent. (12) Hinc illi aucta insolentia mirusque animo increvit tumor exempta comitate, quam et Graecorum litteris et Macedonum institutis didicerat. (13) Reversus ab Hammone Alexandream condidit et coloniam Macedonum caput esse Aegypti iubet. 12 (1) Darius cum Babyloniam perfugisset, per epistulas Alexandrum precatur, redimendarum sibi captivarum potestatem faciat, inque eam rem magnam pecuniam pollicetur. (2) Sed Alexander pretium captivarum regnum omne, non pecuniam petit. (3) Interiecto tempore aliae epistulae Darii Alexandro redduntur, quibus filiae matrimonium et regni portio offertur. (4) Sed Alexander sua sibi dari rescripsit iussitque supplicem venire, regni arbitria victori permittere. (5) Tunc spe pacis amissa bellum Darius reparat et cum quadringentis milibus peditum, centum milibus equitum obviam vadit Alexandro. (6) In itinere nuntiatur uxorem eius ex conlisione abiecti partus decessisse, eiusque mortem inlacrimatum Alexandrum exequiasque benigne prosecutum, idque eum non amoris, sed humanitatis causa fecisse; (7) nam semel tantum eam ab Alexandro visam esse, cum matrem parvulasque filias eius frequenter consolaretur. (8) Tunc se ratus vere
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standen, sie habe Alexander nicht von ihm, sondern von einer ungeheuer großen Schlange empfangen.78 (4) Schließlich hatte auch Philipp gegen Ende seines Lebens öffentlich geäußert, Alexander sei nicht sein Sohn. (5) Aus diesem Grund hatte er Olympias, als ob sie des Ehebruchs überführt worden wäre, verstoßen.79 (6) Da Alexander sich also eine göttliche Abstammung zu verschaffen und zugleich seine Mutter von der Schande zu befreien wünschte, wies er die Tempelvorsteher durch vorausgeschickte Boten insgeheim an, welche Antwort er erhalten wolle. (7) Als er den Tempel80 betrat, begrüßten ihn die Tempelvorsteher sofort als den Sohn des Ammon. (8) Alexander war über die Adoption durch den Gott erfreut und ordnete an, man solle ihn für den Sohn dieses Vaters halten. (9) Hierauf fragte er, ob er sich an allen Mördern seines Vaters gerächt habe. Es wurde ihm zur Antwort gegeben, sein Vater könne weder ermordet werden noch sterben; die Rache für König Philipp sei vollständig vollzogen. (10) Als er in einer dritten Anfrage den Sieg in allen Kriegen und den Besitz aller Länder forderte, wurde ihm zur Antwort gegeben, es werde gewährt. (11) Seinen Gefährten dagegen wurde geantwortet, dass sie Alexander als Gott, nicht als König verehren sollten. (12) Von da an wurde Alexanders Überheblichkeit größer, und in seinem Charakter wuchs ein sonderbarer Stolz, während die Umgänglichkeit daraus verschwand, die er sowohl durch die Wissenschaften der Griechen81 als auch durch die Einrichtungen der Makedonen gelernt hatte. (13) Nach seiner Rückkehr vom Ammon-Tempel gründete er Alex andria und ordnete an, dass diese makedonische Niederlassung die Hauptstadt Ägyptens sein solle. 12 (1) Als Dareios nach Babylon geflohen war, bat er Alexander durch einen Brief, er möge ihm die Möglichkeit geben, die gefangenen Frauen loszukaufen, und versprach als Gegenleistung eine große Geldsumme. (2) Aber Alexander forderte als Lösegeld für die Gefangenen das gesamte Reich des Dareios, kein Geld. (3) Nach einiger Zeit wurde Alexander ein zweiter Brief des Da reios überbracht, in dem ihm die Heirat mit einer Tochter und ein Teil des Reiches angeboten wurden. (4) Alexander aber antwortete schriftlich, ihm werde nur gegeben, was ihm ohnehin schon gehöre, und befahl Dareios, als Schutzflehender zu kommen und die unumschränkte Macht über sein Reich dem Sieger zu übergeben. (5) Weil Dareios dann die Hoffnung auf Frieden verloren hatte, nahm er den Krieg wieder auf und zog Alexander mit vierhunderttausend Fußsoldaten und einhunderttausend Reitern82 entgegen. (6) Unterwegs wurde ihm gemeldet, seine Gemahlin83 sei an einer Verletzung infolge einer Fehlgeburt verstorben und Alexander habe ihren Tod beweint und sie gütig zu Grabe geleitet; und das habe er nicht aus Liebe, sondern aus Menschlichkeit getan, (7) denn er habe sie nur ein einziges Mal gesehen, während er die Mutter und die kleinen Töchter des Königs häufig getröstet habe. (8) Da hielt Dareios sich für
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victum, cum post proelia etiam beneficiis ab hoste superaretur, gratumque sibi esse, si vincere nequeat, quod a tali potissimum vinceretur. (9) Scribit itaque et tertias epistulas et gratias agit, quod nihil in suos hostile fecerit. (10) Offert deinde et maiorem partem regni usque Euphratem flumen et alteram filiam uxorem, pro reliquis captivis XXX milia talentum. (11) Ad haec Alexander gratiarum actionem ab hoste supervacaneam esse respondit; (12) nec a se quicquam factum in hostis adulationem, nec quod in dubios belli exitus aut in leges pacis sibi lenocinia quaereret, (13) sed animi magnitudine, qua didicerit adversus vires hostium, non adversus calamitates contendere; (14) polliceturque praestaturum se ea Dario, si secundus sibi, non par haberi velit. (15) Ceterum neque mundum posse duobus solibus regi, nec orbem summa duo regna salvo statu terrarum habere. (16) Proinde aut deditionem ea die aut in posteram aciem paret; nec polliceatur sibi aliam, quam sit expertus, victoriam. 13 (1) Postera die aciem producunt, cum repente ante proelium confectum curis Alexandrum somnus adripuit. (2) Cum ad pugnam solus rex deesset, a Parmenione aegre excitatus, quaerentibus somni causas omnibus inter pericula, cum etiam in otio semper parcior fuerit, (3) magno se aestu liberatum ait, somnumque sibi a repentina securitate datum, quod liceat cum omnibus Darii copiis confligere; veritum se longam belli moram, si Persae exercitum divisissent. (4) Ante proelium utraque acies hostibus spectaculo fuit. (5) Macedones multitudinem hominum, corporum magnitudinem armorumque pulchritudinem mirabantur, Persae a tam paucis victa suorum tot milia stupebant. (6) Sed nec duces circuire suos cessabant. (7) Darius vix denis Armeniis singulos hostes, si divisio fieret, evenire dicebat; (8) Alexander Macedonas monebat, ne multitudine hostium, nec corporis magnitudine vel coloris novitate moverentur; (9) tantum meminisse iubet, cum isdem se tertio pugnare; nec meliores factos putarent fuga, cum in aciem secum tam tristem memoriam caedium
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wahrhaft besiegt, weil er nach den Schlachten auch an Wohltaten vom Feind übertroffen worden sei; und es sei ihm angenehm, dass er, wenn er schon nicht zu siegen vermöge, gerade von einem solchen Feind besiegt werde. (9) Daher schrieb er auch noch einen dritten Brief und dankte Alexander, dass er gegen seine Verwandten nichts Feindseliges unternommen habe. (10) Hierauf bot er ihm den größeren Teil seines Reiches bis zum Fluss Euphrat an, zudem seine andere Tochter84 als Gemahlin und für die übrigen Gefangenen dreißigtausend Talente. (11) Darauf antwortete Alexander, Danksagungen vonseiten des Feindes seien überflüssig: (12) Er habe nicht in der Absicht gehandelt, entweder dem Feind zu schmeicheln oder sich für den zweifelhaften Kriegsausgang oder die Friedensbedingungen Vorteile zu verschaffen, (13) sondern er habe aus Großmut gehandelt, die ihn gelehrt habe, gegen die Streitkräfte der Feinde zu kämpfen, nicht gegen die Schicksalsschläge, die sie heimsuchten. (14) Und er versprach, Dareios das zu gewähren, wenn er als der Zweite nach ihm gelten wolle, nicht aber als Gleichrangiger. (15) Schließlich könne weder die Welt von zwei Sonnen beherrscht werden noch der Erdkreis zwei Weltreiche besitzen, wenn der Zustand der Länder unverändert bewahrt bleiben solle. (16) Demnach solle Dareios entweder zu einer Kapitulation an diesem Tag oder für den nächsten zu einer Schlacht Vorkehrungen treffen. Und er solle sich keinen anderen Ausgang versprechen als den, den er schon erfahren habe. 13 (1) Am folgenden Tag ließen sie ihre Heere ausrücken,85 als plötzlich vor der Schlacht Alexander, der von Sorgen erschöpft war, vom Schlaf übermannt wurde. (2) Als allein der König noch zum Kampf fehlte, konnte Parmenion ihn nur mit Mühe wecken, und alle fragten ihn, weshalb er mitten in der Gefahr schlafen könne, während er doch sogar in Mußezeiten immer nur recht wenig schlafe. (3) Da sagte er, er sei von einer großen Unruhe befreit worden und den Schlaf habe ihm die plötzliche Sorglosigkeit geschenkt, weil es ihm nun vergönnt sei, mit allen Streitkräften des Dareios in Kampf zu geraten. Er habe einen langen Aufschub des Krieges gefürchtet, wenn die Perser ihr Heer geteilt hätten. (4) Vor der Schlacht stellten sich beide Heere den Feinden zur Schau. (5) Die Makedonen bewunderten die Menge der Leute, ihre Körpergröße und die Schönheit ihrer Waffen; die Perser waren verblüfft, dass so viele Tausende ihrer Leute von einer so geringen Zahl86 besiegt worden waren. (6) Aber auch die Heerführer säumten nicht, unter ihren Soldaten herumzugehen. (7) Dareios sagte, bei einer Aufteilung käme kaum auf zehn Armenier je ein Feind; (8) Alexander ermahnte die Makedonen, sich nicht von der Menge der Feinde und nicht von ihrer Körpergröße oder ihrer ungewohnten Hautfarbe beunruhigen zu lassen. (9) Er befahl ihnen, sich nur daran zu erinnern, dass sie mit denselben Feinden schon das dritte Mal kämpften. Auch sollten sie nicht glauben, dass jene durch ihre Flucht tapferer geworden seien, da sie die so traurige Erinnerung an das Gemetzel un-
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suarum et tantum sanguinis duobus proeliis fusi ferrent; (10) et quemadmodum Dario maiorem turbam hominum esse, sic virorum sibi. (11) Hortatur, spernant illam aciem auro et argento fulgentem, in qua plus praedae quam periculi sit, cum victoria non ornamentorum decore, sed ferri virtute quaeratur. 14 (1) Post haec proelium committitur. Macedones in ferrum cum contemptu totiens a se victi hostis ruebant; contra Persae mori quam vinci praeoptabant. (2) Raro in ullo proelio tantum sanguinis fusum est. (3) Darius cum vinci suos videret, mori et ipse voluit, sed a proximis fugere conpulsus est. (4) Suadentibus deinde quibusdam, ut pons Cydni fluminis ad iter hostium inpediendum intercluderetur, non ita se saluti suae velle consultum ait, ut tot milia sociorum hosti obiciat; debere et aliis fugae viam patere, quae patuerit sibi. (5) Alexander autem periculosissima quaeque adgrediebatur, et ubi confertissimos hostes acerrime pugnare conspexisset, eo se semper inmergebat periculaque sua esse, non militis volebat. (6) Hoc proelio Asiae imperium rapuit, quinto post acceptum regnum anno; (7) cuius tanta felicitas fuit, ut post hoc nemo rebellare ausus sit patienterque Persae post imperium tot annorum iugum servitutis acceperint. (8) Donatis refectisque militibus XXXIV diebus praedam recognovit. (9) In urbe deinde Susa XL milia talentum invenit. (10) Expugnat et Persepolim, caput Persici regni, urbem multis annis inlustrem refertamque orbis terrarum spoliis, quae interitu eius primum apparuere. (11) Inter haec octingenti admodum Graeci occurrunt Alexandro, qui poenam captivitatis truncata corporis parte tulerant, rogantes, ut sicuti Graeciam se quoque ab hostium crudelitate vindicaret. (12) Data potestate redeundi agros accipere maluerunt, ne non tam gaudium parentibus quam detestandum sui conspectum reportarent. 15 (1) Interea Darius in gratiam victoris a cognatis suis aureis conpedibus catenisque in vico Parthorum Thara vincitur, (2) credo ita diis inmortalibus
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ter ihren Kameraden und an die so große Menge an Blut, das in zwei Schlachten vergossen worden sei, in sich trügen. (10) Und wie Dareios eine größere Menge an Leuten habe, so habe er selbst eine größere Menge an richtigen Männern. (11) Er forderte sie auf, jenes von Gold und Silber glänzende Heer zu verachten, das mehr Beute als Gefahr bringe, da der Sieg nicht durch den Glanz der Rüstungen, sondern durch die Kraft des Schwertes errungen werde. 14 (1) Danach lieferte man sich die Schlacht. Die Makedonen stürmten mit Verachtung gegen die Schwerter der Feinde an, die sie so oft besiegt hatten; dagegen wollten die Perser lieber sterben als besiegt werden. (2) Selten wurde in einer Schlacht so viel Blut vergossen. (3) Als Dareios sah, dass seine Soldaten besiegt wurden, wollte er selbst auch sterben, wurde aber von den Leuten in seiner unmittelbaren Umgebung zur Flucht gedrängt. (4) Als hierauf einige rieten, die Brücke über den Fluss Kydnos87 abzubrechen, um die Feinde am Marsch zu hindern, sagte er, er wolle nicht so für sein Wohl gesorgt wissen, dass er so viele Tausende seiner Verbündeten dem Feind preisgebe. Auch anderen müsse der Fluchtweg offenstehen, der ihm selbst offengestanden habe. (5) Alexander aber setzte sich den gefährlichsten Situationen aus, und wo er die Feinde im dichtesten Getümmel am heftigsten kämpfen sah, dort warf er sich immer hinein und wollte, dass die Gefahren die seinen seien, nicht die seiner Soldaten. (6) Durch diese Schlacht riss er die Herrschaft über Asien an sich, im fünften Jahr nach seinem Herrschaftsantritt. (7) So groß war sein Glück, dass danach niemand sich mehr aufzulehnen wagte und die Perser nach ihrer so viele Jahre andauernden Herrschaft das Sklavenjoch geduldig auf sich nahmen. (8) In den folgenden vierunddreißig Tagen beschenkte Alexander seine Soldaten, ließ sie sich erholen und nahm die Beute in Augenschein. (9) In der Stadt Susa entdeckte er hierauf vierzigtausend Talente. (10) Er eroberte auch Persepolis88, die Hauptstadt des persischen Reiches, eine Stadt, die viele Jahre lang berühmt war und voll mit Beutestücken aus aller Welt, die nun bei ihrem Untergang zum ersten Mal zum Vorschein kamen. (11) Unterdessen kamen Alexander ungefähr achthundert Griechen entgegen, die nach der Verstümmelung eines Teils ihres Körpers eine qualvolle Gefangenschaft hatten ertragen müssen. Und sie baten ihn, er möge auch sie ebenso wie Griechenland von der Grausamkeit der Feinde befreien.89 (12) Obgleich er ihnen die Möglichkeit zur Rückkehr gewährte, wollten sie lieber Ländereien erhalten, um nicht ihren Eltern nicht so sehr Freude als vielmehr ihren verabscheuungwürdigen Anblick nach Hause bringen zu müssen. 15 (1) Inzwischen wurde Dareios, um die Gunst des Siegers zu gewinnen, von seinen Verwandten90 mit goldenen Fesseln und Ketten in Thara91, einem Dorf der Parther, gebunden. (2) Dabei entschieden – wie ich glaube – die unsterblichen
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iudicantibus, ut in terra eorum, qui successuri imperio erant, Persarum regnum finiretur. (3) Alexander quoque citato cursu postera die supervenit; ibi cognovit Darium clauso vehiculo per noctem exportatum. (4) Iusso igitur exercitu subsequi cum sex milibus equitum fugientem insequitur; in itinere multa et periculosa proelia facit. (5) Emensus deinde plura milia passuum cum nullum Darii indicium repperisset, respirandi equis data potestate unus e militibus, dum ad fontem proximum pergit, in vehiculo Darium multis quidem vulneribus confossum, sed spirantem adhuc invenit; (6) qui applicito captivo cum civem ex voce cognovisset, id saltim praesentis fortunae habere se solacium dixit, quod apud intellecturum locuturus esset nec incassum postremas voces emissurus. (7) Perferri haec Alexandro iubet: se nullis in eum meritorum officiis maximorum illi debitorem mori, quod in matre liberisque suis regium eius, non hostilem animum expertus felicius hostem quam cognatos propinquosque sortitus sit; (8) quippe matri et liberis suis ab eodem hoste vitam datam, sibi a cognatis ereptam, quibus et vitam et regna dederit. (9) Quamobrem gratiam illis eam futuram, quam ipse victor volet. (10) Alexandro referre se, quam solam moriens potest, gratiam, precari superum inferumque numina et regales deos, ut illi terrarum omnium victori contingat imperium. (11) Pro se iustam magis quam gravem sepulturae veniam orare. (12) Quod ad ultionem pertineat, iam non suam, sed exempli communemque omnium regum esse causam, quam neglegere illi et indecorum et periculosum esse; quippe cum in altero iustitiae eius, in altero etiam utilitatis causa versetur. (13) In quam rem unicum pignus fidei regiae, dextram se ferendam Alexandro dare. Post haec porrecta manu expiravit. (14) Quae ubi Alexandro nuntiata sunt, viso corpore defuncti tam indignam illo fastigio mortem lacrimis prosecutus est (15) corpusque regio more sepeliri et reliquias eius maiorum tumulis inferri iussit.
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Götter es so, dass im Land derer, die in der Herrschaft nachfolgen sollten,92 das Reich der Perser zu Ende ging. (3) Alexander kam nun im Eilmarsch am folgenden Tag dazu. Dort erfuhr er, dass Dareios während der Nacht in einem geschlossenen Wagen fortgeschafft worden war. (4) So befahl Alexander seinem Heer, ihm zu folgen, und setzte dem Flüchtigen mit sechstausend Reitern nach; unterwegs schlug er viele gefährliche Schlachten. (5) Als er hierauf mehrere Tausend Meilen zurückgelegt und keine Spur von Dareios gefunden hatte, ließ er die Pferde verschnaufen. Da entdeckte einer von seinen Soldaten93, während er zu einer Quelle in unmittelbarer Nähe ging, Dareios in einem Wagen, zwar mit vielen Stichwunden übersät, aber noch atmend. (6) Man zog einen gefangenen Perser hinzu, und als Dareios ihn an der Sprache als Landsmann erkannte, sagte er, so habe er in seinem gegenwärtigen Unglück doch wenigstens den Trost, dass er in Gegenwart eines Menschen sprechen werde, der ihn verstehen könne, und er seine letzten Worte nicht vergeblich hören lassen werde. (7) Er befahl, Alexander Folgendes zu verkünden: Er, Dareios, sterbe als Alexanders Schuldner, ohne ihm irgendwelche Gegendienste für die größten Wohltaten, die er ihm verdanke, erbracht zu haben. Denn er habe an seiner Mutter und seinen Kindern Alexanders königliche, nicht feindliche Gesinnung erfahren und mit dem Feind, den ihm das Los des Schicksals zugeteilt habe, mehr Glück gehabt als mit seinen Verwandten und Angehörigen: (8) Denn seiner Mutter und seinen Kindern sei von ebendiesem Feind das Leben geschenkt, ihm selbst aber sei es von seinen eigenen Verwandten entrissen worden, denen er sowohl das Leben auch als Königreiche geschenkt habe. (9) Deswegen werde jenen der Dank zuteilwerden, den der Sieger selbst wolle. (10) Alexander statte er den einzigen Dank ab, zu dem er als Sterbender noch imstande sei: Er bete zu den Gottheiten der Oberund Unterwelt und den Schutzgöttern der Könige, dass Alexander der Sieg und die Herrschaft über alle Länder zuteil würden. (11) Für sich bitte er um die eher gerechtfertigte als schwer zu gewährende Gnade der Bestattung. (12) Was die Rache angehe, so sei das schon nicht mehr seine eigene Sache, sondern eine, die in beispielhafter Weise alle Könige angehe, und sie zu vernachlässigen, sei für Alexander sowohl unehrenhaft als auch gefährlich: Denn bei dieser Angelegenheit gehe es einerseits um seinen Gerechtigkeitssinn, andererseits aber auch um seinen Vorteil. (13) Darauf gebe er das einzig ihm verbliebene Pfand seines königlichen Vertrauens: Den Handschlag seiner Rechten, damit man ihn Alexander überbringe. Danach streckte er die Hand aus und starb.94 (14) Sobald Alexander das gemeldet wurde, besah er den Leichnam des Verstorbenen, ehrte den für diesen hohen Rang so unwürdigen Tod mit Tränen95 (15) und befahl, den Leichnam nach königlichem Brauch zu bestatten und die sterblichen Überreste in den Gräbern seiner Ahnen beizusetzen.
Prologus libri XII Duodecimo volumine continentur Alexandri magni bella Bactriana et Indica usque ad interitum eius, dictaeque in excessu res a praefecto eius Antipatro in Graecia gestae, et ab Archidamo, rege Lacedaemoniorum, Molossoque Alex andro in Italia, quorum ibi est uterque cum exercitu deletus. Additae his origines Italicae Apulorum, Lucanorum, Samnitium, Sabinorum, et ut Zopyrion in Ponto cum exercitu periit.
Liber XII 1 (1) Alexander in persequendo Dario amissos milites magnis funerum inpensis extulit, reliquis expeditionis eius sociis tredecim milia talentum divisit. (2) Equorum maior pars aestu amissa, inutiles etiam qui superfuerant facti. (3) Pecunia omnis, CXC milia talentum, Ecbatana congesta eique Parmenio praepositus. (4) Dum haec aguntur, epistulae Antipatri a Macedonia ei redduntur, quibus bellum Agidis, regis Spartanorum, in Graecia, bellum Alexandri, regis Epiri, in Italia, bellum Zopyrionis, praefecti eius in Scythia continebatur. (5) Quibus varie adfectus plus tamen laetitiae cognitis mortibus duorum aemulorum regum quam doloris amissi cum Zopyrione exercitus cepit. (6) Namque post profectionem Alexandri Graecia ferme omnis in occasionem reciperandae libertatis ad arma concurrerat, (7) auctoritatem Lacedaemoniorum secuta, qui Philippi Alexandrique et pacem soli spreverant et leges respuerant; dux huius belli Agis, rex Lacedaemoniorum, fuit. (8) Quem motum Antipater contractis militibus in ipso ortu oppressit. (9) Magna tamen utrimque caedes fuit. (10) Agis rex cum suos terga dantes videret, dimissis satellitibus, ut Alexandro felicitate, non virtute inferior videretur, tantam stragem hostium edidit, ut agmina interdum fugaret. (11) Ad postremum etsi a multitudine victus, gloria tamen omnes vicit.
Vorwort zum 12. Buch Das zwölfte Buch enthält die Kriege Alexanders des Großen in Baktrien und Indien bis zu seinem Tod. In einem Exkurs sind die von seinem Statthalter Antipatros in Griechenland vollbrachten Taten geschildert, die des Archidamos1, des Königs der Lakedaimonier, und die des Molossers Alexandros in Italien, die dort beide mit ihrem Heer vernichtet wurden. Hinzugefügt sind die italischen Ursprünge der Apulier, der Lukaner, der Samniten, der Sabiner und wie Zopyrion in Pontos mit seinem Heer umkam.
Buch 122 1 (1) Alexander ließ die bei der Verfolgung des Dareios gefallenen Soldaten mit einem aufwendigen Begräbnis bestatten; unter den übrigen Gefährten dieses Feldzuges verteilte er dreizehntausend Talente3. (2) Der größere Teil der Pferde war durch die Hitze zugrunde gegangen; auch diejenigen, die überlebt hatten, konnten nicht mehr eingesetzt werden. (3) Das gesamte Geld, einhundertneunzigtausend Talente, wurde in Ekbatana4 zusammengetragen; die Aufsicht darüber übertrug man Parmenion5. (4) Währenddessen wurden Alexander Briefe des Antipatros6 aus Makedonien7 übergeben, die den Krieg des Agis8, des Königs der Spartaner, in Griechenland, den Krieg des Alexandros, des Königs von Epeiros, in Italien9 und den Krieg des Zopyrion10, Alexanders Statthalters, in Skythien zum Inhalt hatten. (5) Diese Botschaften riefen unterschiedliche Empfindungen in Alexander hervor. Dennoch empfand er mehr Freude über die Nachricht vom Tod der beiden Könige, seiner Rivalen, als Kummer über den Verlust des Heeres zusammen mit Zopyrion. (6) Denn nach Alexanders Aufbruch war fast ganz Griechenland zu den Waffen geeilt, um die Gelegenheit zur Wiedergewinnung der Freiheit zu nutzen, (7) wobei es dem einflussreichen Vorbild der Lakedaimonier folgte, die als Einzige den Frieden mit Philipp und Alexander verachtet und ihre Bedingungen verschmäht hatten.11 Der Anführer dieses Krieges war Agis, der König der Lakedaimonier. (8) Diesen Aufruhr unterdrückte Antipatros, als er Soldaten zusammengezogen hatte,12 unmittelbar bei seinem Entstehen. (9) Dennoch war das Gemetzel auf beiden Seiten groß. (10) Als König Agis sah, wie seine Soldaten sich zur Flucht wandten, entließ er seine Leibwächter, damit er Alexander nur an Glück, nicht aber an Tapferkeit unterlegen schien, und richtete unter den Feinden ein solches Blutbad an, dass er bisweilen ganze Heeresabteilungen in die Flucht schlug. (11) Auch wenn er zuletzt von der Überzahl überwältigt wurde, übertraf er dennoch alle an Ruhm.13
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2 (1) Porro Alexander, rex Epiri, in Italiam auxilia Tarentinis adversus Bruttios deprecantibus sollicitatus, ita cupide profectus fuerat, velut in divisione orbis terrarum Alexandro, Olympiadis, sororis suae, filio, Oriens, sibi Occidens sorte contigisset, (2) non minorem rerum materiam in Italia, Africa Siciliaque, quam ille in Asia et in Persis habiturus. (3) Huc accedebat, quod, sicut Alexandro Magno Delphica oracula insidias in Macedonia, ita huic responsum Dodonaei Iovis urbem Pandosiam amnemque Acherusium praedixerat. (4) Quae utraque cum in Epiro essent, ignarus eadem et in Italia esse, ad declinanda fatorum pericula peregrinam militiam cupidius elegerat. (5) Igitur cum in Italiam venisset, primum illi bellum cum Apulis fuit, (6) quorum cognito urbis fato brevi post tempore pacem et amicitiam cum rege eorum fecit. (7) Erat namque tunc temporis urbs Apulis Brundisium, quam Aetoli secuti fama rerum in Troia gestarum clarissimum ac nobilissimum ducem Diomeden condiderant; (8) sed pulsi ab Apulis consulentes oracula responsum acceperant, locum qui repetissent perpetuo possessuros. (9) Hac igitur ex causa per legatos cum belli comminatione restitui sibi ab Apulis urbem postulaverant; (10) sed ubi Apulis oraculum innotuit, interfectos legatos in urbe sepelierunt, perpetuam ibi sedem habituros. Atque ita defuncti responso diu urbem possederunt. (11) Quod factum cum cognovisset Alexander, antiquitatis fata veneratus bello Apulorum abstinuit. (12) Gessit et cum Bruttiis Lucanisque bellum multasque urbes cepit; cum Metapontinis et Poediculis et Romanis foedus amicitiamque fecit. (13) Sed Bruttii Lucanique cum auxilia a finitimis contraxissent, acrius bellum repetivere. (14) Ibi rex iuxta urbem Pandosiam et flumen Acheronta, non prius fatalis loci cognito nomine quam occideret, interficitur moriensque non in patria fuisse sibi periculosam mortem, propter quam patriam fugerat, intellexit. (15) Corpus eius Thurii publice redemptum sepulturae tradiderunt. (16) Dum haec in Italia aguntur, Zopyrion quoque, praefectus Ponti ab Alexandro Magno
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2 (1) Alexandros nun, der König von Epeiros, war nach Italien gerufen worden, weil ihn die Tarentiner14 flehentlich um Hilfe gegen die Bruttier15 baten. Und er war so begierig aufgebrochen, als ob bei einer Aufteilung der Welt16 Alexander, dem Sohn seiner Schwester Olympias, der Orient, ihm aber der Okzident durch das Los zugefallen wäre. (2) Dabei glaubte Alexandros, er werde in Italien, Afrika und Sizilien keine geringeren Möglichkeiten zu großen Taten haben als Alexander in Asien und bei den Persern. (3) Hinzu kam noch, dass ihm, so wie delphische Orakelsprüche Alexander dem Großen ein Attentat in Makedonien prophezeit hatten,17 ein Orakelspruch des Jupiter von Dodona18 die Stadt Pandosia und den Fluss Acheron19 als Stätte seines Untergangs vorhergesagt hatte.20 (4) Da diese beiden Örtlichkeiten in Epeiros lagen, hatte er, ohne zu wissen, dass es sie auch in Italien gab,21 sich recht begierig für den Feldzug in einem fremden Land entschieden, um den Gefahren des Schicksals auszuweichen. (5) Als er nun nach Italien kam, führte er zuerst Krieg gegen die Apulier, (6) schloss aber, als er vom Schicksal ihrer Stadt22 erfuhr, kurze Zeit später ein Friedens- und Freundschaftsbündnis mit ihrem König. (7) Die Apulier besaßen nämlich zu jener Zeit die Stadt Brundisium23, welche die Aitoler24 gegründet hatten. Diese waren dem Anführer Diomedes25 gefolgt, dem die Kunde von seinen in Troja vollbrachten Taten größte Berühmtheit und Bekanntheit verliehen hatte. (8) Als die Aitoler aber von den Apuliern vertrieben wurden und das Orakel befragten, hatten sie die Antwort erhalten, dass diejenigen, die den Platz zurückverlangten, ihn ewig in ihrem Besitz haben würden. (9) Aus diesem Grund hatten sie also durch Gesandte unter Androhung eines Krieges verlangt, dass ihnen die Stadt von den Apuliern zurückgegeben werde. (10) Sobald aber den Apuliern dieser Orakelspruch bekannt wurde, töteten sie die Gesandten und bestatteten sie in der Stadt, damit sie dort einen dauernden Aufenthaltsort hatten. Da die Apulier auf diese Weise den Orakelspruch erfüllten, hatten sie die Stadt lange Zeit in ihrem Besitz. (11) Als Alex andros das erfuhr, verzichtete er aus Ehrfurcht vor den Göttersprüchen der Vorzeit auf einen Krieg gegen die Apulier. (12) Auch mit den Bruttiern und den Lukanern führte er Krieg und eroberte viele Städte26; mit den Metapontinern27, den Pödikulern28 und den Römern29 schloss er Verträge und Freundschaftsbündnisse. (13) Als aber die Bruttier und die Lukaner von ihren Nachbarn Hilfstruppen zusammengezogen hatten, nahmen sie den Krieg heftiger wieder auf. (14) Dort wurde der König nahe der Stadt Pandosia30 und dem Fluss Acheron getötet, wobei er den Namen der verhängnisvollen Gegend nicht eher erfuhr, als bis er fiel.31 Und im Sterben erkannte er, dass ihm in der Heimat der Tod, um dessentwillen er aus der Heimat geflohen war, nicht gefährlich geworden wäre. (15) Seinen Leichnam kauften die Bewohner der Stadt Thurioi auf Staatskosten los und übergaben ihn dem Grab.32 (16) Während das in Italien geschah, hielt sich auch Zopyrion, den Alexander der Große als Statthalter
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relictus, otiosum se ratus, si nihil et ipse gessisset, adunato XXX milium exercitu Scythis bellum intulit (17) caesusque cum omnibus copiis poenas temere inlati belli genti innoxiae luit. 3 (1) Haec cum nuntiata in Parthia Alexandro essent, simulato maerore propter Alexandri cognationem exercitui suo triduo luctum indixit. (2) Omnibus deinde velut perpetrato bello reditum in patriam expectantibus coniugesque ac liberos suos animo iam quodam modo conplectentibus ad contionem exercitum vocat. (3) Ibi nihil actum tot egregiis proeliis ait, si incolumis orientalis barbaria relinquatur; nec se corpus, sed regnum Darii petisse; persequendos que eos esse, qui a regno defecerint. (4) Hac oratione velut ex integro incitatis militum animis Hyrcaniam Mardosque subegit. (5) Ibi ei occurrit Thalestris sive Minythyia, Amazonum regina, cum CCC mulieribus XXXV dierum inter confertissimas gentes itinere confecto ex rege liberos quaesitura; (6) cuius conspectus adventusque admirationi omnibus fuit et propter insolitum feminis habitum et propter expetitum concubitum. (7) Ob hoc tredecim diebus otio a rege datis, ut est visa uterum implesse, discessit. (8) Post haec Alexander habitum regum Persarum et diadema insolitum antea regibus Macedonicis, velut in leges eorum, quos vicerat, transiret, adsumit. (9) Quae ne invidiosius in se uno conspicerentur, amicos quoque suos longam vestem auratam purpureamque sumere iubet. (10) Ut luxum quoque sicut cultum Persarum imitaretur, inter paelicum regiarum greges electae pulchritudinis nobilitatisque noctium vices dividit. (11) His rebus ingentes epularum apparatus adicit, ne ieiuna et destructa luxuria videretur, conviviumque iuxta regiam magnificentiam ludis exornat, (12) inmemor prorsus tantas opes amitti his moribus, non quaeri solere. 4 (1) Inter haec indignatio omnium totis castris erat, a Philippo illum patre tantum degenerasse, ut etiam patriae nomen eiuraret moresque Persarum adsumeret,
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von Pontos33 zurückgelassen hatte, für träge, wenn er nicht auch selbst etwas leistete. Daher vereinigte er ein Heer von dreißigtausend Mann und begann einen Krieg gegen die Skythen34. (17) Er wurde aber zusammen mit all seinen Truppen erschlagen und büßte so für den Krieg, den er grundlos gegen ein unschuldiges Volk begonnen hatte.35 3 (1) Diese Ereignisse wurden Alexander in Parthien gemeldet. Er heuchelte Wehmut wegen seiner Verwandtschaft mit Alexandros36 und ordnete in seinem Heer eine dreitägige Trauerzeit an. (2) Als hierauf alle, als wäre der Krieg beendet, die Rückkehr in ihr Vaterland erwarteten und ihre Ehefrauen und Kinder im Geist gewissermaßen schon umarmten, rief er das Heer zu einer Versammlung. (3) Dort sagte er, mit so vielen vortrefflichen Schlachten sei nichts erreicht, wenn das orientalische Barbarenland unversehrt bleibe. Er habe auch nicht nach der Person, sondern nach dem Reich des Dareios verlangt; und man müsse diejenigen37 verfolgen, die vom Reich abgefallen seien. (4) Als er durch diese Rede38 den Mut seiner Soldaten gleichsam von Neuem angefeuert hatte, unterwarf er Hyrkanien39 und die Marder40. (5) Dort begegnete ihm Thalestris oder Minythyia41, die Königin der Amazonen, die mit dreihundert Frauen eine Wegstrecke von fünfunddreißig Tagen mitten durch die am dichtesten besiedelten Gebiete zurückgelegt hatte, weil sie vom König Kinder empfangen wollte.42 (6) Ihr Anblick und ihre Ankunft erregten bei allen Bewunderung sowohl wegen ihres für eine Frau ungewohnten Äußeren als auch wegen ihres Wunsches, den Beischlaf mit Alexander zu vollziehen. (7) Der König gewährte dafür dreizehn Tage Ruhezeit, und sobald sie schwanger zu sein schien, zog sie wieder fort.43 (8) Danach legte Alexander die Kleidung der Perserkönige und das bei den makedonischen Königen vorher nicht übliche Diadem an,44 als ob er die Gewohnheiten derer übernähme, die er besiegt hatte. (9) Damit diese Kleidung nicht allzu viel Missgunst erregte, wenn man sie nur an ihm erblickte, befahl er auch seinen Freunden, ein langes, golddurchwirktes Purpurgewand anzulegen.45 (10) Um ebenso wie die Kleidung auch die Ausschweifungen der Perser nachzuahmen, teilte er seine Nächte abwechselnd zwischen den Scharen der königlichen Nebenfrauen von auserlesener Schönheit und adeliger Abkunft auf. (11) Zusätzlich zu all dem entfaltete er einen gewaltigen Prunk beim Mahl, damit die Schwelgerei nicht dürftig und billig erschien, und schmückte das Gastmahl entsprechend königlicher Pracht mit Spielen, (12) ganz ohne daran zu denken, dass man durch diese Gewohnheiten so großen Reichtum gewöhnlich verliert und nicht erwirbt. 4 (1) Inzwischen herrschte im ganzen Lager bei allen Unmut darüber, dass er gegenüber seinem Vater Philipp so entartet sei, dass er sogar den Namen seines Vaterlandes gänzlich verleugne und die Sitten der Perser annehme, die er
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quos propter tales mores vicerat. (2) Sed ne solus vitiis eorum, quos armis subiecerat, succubuisse videretur, militibus quoque suis permisit, si quarum captivarum consuetudine tenerentur, ducere uxores, (3) existimans minorem in patriam reditus cupiditatem futuram habentibus in castris imaginem quandam larum ac domesticae sedis; (4) simul et laborem militiae molliorem fore dulcedine uxorum. (5) In supplementa quoque militum minus exhauriri posse Macedoniam, si veteranis patribus tirones filii succederent militaturi in vallo, in quo essent nati, (6) constantioresque futuri, si non solum tirocinia, verum et incunabula in ipsis castris posuissent. (7) Quae consuetudo in successoribus quoque Alexandri mansit. (8) Igitur et alimenta pueris statuta et instrumenta armorum equorumque iuvenibus data, et patribus pro numero filiorum praemia statuta. (9) Si quorum patres occidissent, nihilo minus pupilli stipendia patrum trahebant, quorum pueritia inter varias expeditiones militia erat. (10) Itaque a parvula aetate laboribus periculisque indurati invictus exercitus fuere, neque castra aliter quam patriam neque pugnam aliud umquam quam victoriam duxere. (11) Haec suboles nomen habuit Epigoni. (12) Parthis deinde domitis praefectus his statuitur ex nobilibus Persarum Andragoras; inde postea originem Parthorum reges habuere. 5 (1) Interea Alexander non regio, sed hostili odio saevire in suos coepit. (2) Maxime indignabatur carpi se sermonibus suorum patris Philippi patriaeque mores subvertisse. (3) Propter quae crimina Parmenio quoque senex, dignitate regi proximus, cum Philota filio, de utroque prius quaestionibus habitis, interficitur. (4) Fremere itaque omnes universis castris coepere innoxii senis filiique casum miserantes, interdum se quoque non debere melius sperare dicentes. (5) Quae cum nuntiata Alexandro essent, verens, ne haec opinio etiam in Macedoniam divulgaretur et victoriae gloria saevitiae macula infuscaretur, simulat se ex amicis quosdam in patriam victoriae nuntios missurum. (6) Hortatur milites suis scribere,
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wegen solcher Sitten besiegt hatte. (2) Doch damit es nicht den Anschein hatte, als wäre er als Einziger den Lastern derer, die er mit Waffengewalt unterworfen hatte, erlegen, erlaubte er auch seinen Soldaten, gefangene Frauen zu heiraten, wenn sie mit ihnen ein Verhältnis hatten. (3) Denn er glaubte, das Verlangen der Männer nach der Rückkehr in die Heimat werde geringer sein, wenn sie im Lager ein Abbild ihrer Laren und ihres häuslichen Wohnsitzes besäßen. (4) Zugleich werde auch der anstrengende Kriegsdienst durch die Reize der Ehefrauen angenehmer werden. (5) Auch bei der Ergänzung der Soldaten könne Makedonien dann weniger ausbluten, wenn den altgedienten Vätern ihre Söhne als Rekruten nachfolgten, um bei ebendem Schanzwall Kriegsdienst zu leisten, innerhalb dessen sie geboren seien. (6) Und sie würden standhafter sein, wenn sie nicht nur ihre Zeit als Rekruten, sondern auch ihre Zeit als Kleinkinder mitten im Lager verbracht hätten. (7) Diese Gewohnheit behielten auch Alexanders Nachfolger bei. (8) Also bestimmte man für die Knaben ein Verpflegungsgeld, rüstete die jungen Männer mit Waffen und Pferden aus und setzte für die Väter je nach der Anzahl ihrer Söhne Belohnungen fest. (9) Wenn die Väter fielen, bezogen die unmündigen Knaben nichtsdestoweniger den Sold ihrer Väter, und ihre Kindheit während der verschiedenen Feldzüge war Kriegsdienst. (10) Daher bildeten sie, weil sie von Kindesbeinen an durch Strapazen und Gefahren abgehärtet waren, ein unbesiegbares Heer und hielten weder das Lager für etwas anderes als ihr Vaterland noch den Kampf jemals für etwas anderes als den Sieg. (11) Diese Nachkommenschaft trug den Namen Epigonen46. (12) Als Alexander hierauf die Parther unterjocht hatte, wurde bei ihnen aus dem Kreis der vornehmen Perser Andragoras47 als Statthalter eingesetzt. Von ihm leiteten später die Könige der Parther ihren Ursprung her. 5 (1) Inzwischen begann Alexander mit dem Hass nicht eines Königs, sondern eines Feindes gegen seine eigenen Leute zu wüten.48 (2) Am meisten war er darüber entrüstet, dass er durch das Gerede seiner Männer dafür scharf kritisiert wurde, dass er die Sitten seines Vaters Philipp und seines Vaterlandes völlig verkehrt habe. (3) Wegen dieser Vorwürfe wurde auch der greise49 Parmenion, der dem König im Rang am nächsten stand, zusammen mit seinem Sohn Philotas getötet, nachdem man zuvor gerichtliche Untersuchungen gegen beide angestellt hatte.50 (4) Daher begannen alle, im gesamten Lager zu murren, und beklagten das Schicksal des unschuldigen Greises und seines Sohnes, wobei sie bisweilen sagten, dass auch sie selbst nichts Besseres erwarten dürften. (5) Als Alexander das gemeldet wurde, fürchtete er, dass diese Meinung sich auch in Makedonien verbreiten und der Ruhm seines Sieges durch den Schandfleck der Grausamkeit verdunkelt werden könnte. Deshalb tat er so, als wollte er einige seiner Freunde als Boten seines Sieges in die Heimat schicken. (6) Die Soldaten forderte er auf, an ihre Angehörigen zu schreiben,
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rariorem habituros occasionem propter militiam remotiorem. (7) Datos fasces epistularum tacite ad se deferri iubet; (8) ex quibus cognito de se singulorum iudicio in unam cohortem eos, qui de rege durius opinati fuerant, contribuit, aut consumpturus eos aut in ultimis terris in colonias distributurus. (9) Inde Drancas, Euergetas vel † Parimas, Parapamenos, Adaspios ceterosque populos, qui in radice Caucasi morabantur, subegit. (10) Interea unus ex amicis Darii Bessus vinctus perducitur, qui regem non solum prodiderat, verum et interfecerat. (11) Quem in ultionem perfidiae excruciandum fratri Darii tradidit, reputans non tam hostem suum fuisse Darium quam amicum eius, a quo esset occisus. (12) Et ut his terris nomen relinqueret, urbem Alexandream super amnem Tanaim condidit, intra diem septimum decimum muro sex milium passuum consummato, translatis eo trium civitatum populis, quas Cyrus condiderat. (13) In Bactrianis quoque Sogdianisque XII urbes condidit, distributis his, quoscumque in exercitu seditiosos habebat. 6 (1) His ita gestis sollemni die amicos in convivium vocat, (2) ubi orta inter ebrios rerum a Philippo gestarum mentione praeferre se patri ipse rerumque suarum magnitudinem extollere caelo tenus coepit adsentante maiore convivarum parte. (3) Itaque cum unus e senibus, Clitos, fiducia amicitiae regiae, cuius palmam tenebat, memoriam Philippi tueretur laudaretque eius res gestas, adeo regem offendit, ut telo a satellite rapto eundem in convivio trucidaverit. (4) Qua caede exultans mortuo patrocinium Philippi laudemque paternae militiae obiectabat. (5) Postquam satiatus caede animus conquievit et in irae locum successit aestimatio, modo personam occisi, modo causam occidendi considerans, pigere eum facti coepit; (6) quippe paternas laudes tam iracunde accepisse se quam nec convicia debuisset, amicumque senem et innoxium a se occisum inter epulas et pocula dolebat. (7) Eodem igitur furore in paenitentiam quo pridem in iram versus mori voluit. (8) Primum in fletus progressus amplecti mortuum, vulnera tractare, quasi audienti confiteri dementiam, adreptumque
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da sie wegen des Feldzuges in weiter entfernten Gegenden dann seltener Gelegenheit dazu haben würden.51 (7) Die abgegebenen Briefbündel ließ er sich heimlich bringen. (8) Als er aus ihnen das Urteil der Einzelnen über sich in Erfahrung gebracht hatte, vereinigte er diejenigen, die sich allzu hart über den König geäußert hatten, zu einer Truppenabteilung in der Absicht, sie entweder aufreiben zu lassen oder in den entlegensten Ländern auf neue Niederlassungen zu verteilen. (9) Darauf52 unterwarf er die Dranken53, die Euergeten54 oder Parimer, die Parapamener55, die Adaspier und die übrigen Völker,56 die am Fuße des Kaukasus wohnten. (10) Inzwischen wurde einer von den Freunden des Dareios namens Bessos gefesselt zu ihm gebracht,57 der den König nicht nur verraten, sondern auch ermordet hatte.58 (11) Diesen lieferte Alexander zur Strafe für seine Treulosigkeit dem Bruder des Dareios59 zur Folter aus. Dabei bedachte er, dass Dareios nicht so sehr sein eigener Feind gewesen sei als vielmehr der Freund dessen, der ihn ermordet habe. (12) Und um diesen Ländern seinen Namen zu hinterlassen, gründete Alexander am Ufer des Flusses Tanaïs60 die Stadt Alexandreia61, wobei die sechstausend Schritte lange Stadtmauer innerhalb von siebzehn Tagen vollendet wurde. In sie übersiedelte er die Bevölkerung dreier Städte, die Kyros62 gegründet hatte. (13) Auch bei den Baktrianern und den Sogdianern63 gründete er zwölf Städte und auf diese verteilte er alle, die er in seinem Heer für Meuterer hielt. 6 (1) Nach solchen Taten rief er an einem Festtag seine Freunde zu einem Gastmahl.64 (2) Sobald man unter den Angetrunkenen auf die von Philipp vollbrachten Taten zu sprechen kam, begann Alexander, sich selbst über seinen Vater zu stellen und die Größe seiner eigenen Taten in den Himmel zu heben, wobei ihm der größere Teil seiner Gäste zustimmte. (3) Als daher einer von den Greisen, Kleitos65, im Vertrauen darauf, dass er der engste Freund des Königs war, das Andenken Philipps in Schutz nahm und seine Taten lobte,66 beleidigte er den König damit so sehr, dass dieser einem seiner Leibwächter die Waffe entriss und Kleitos beim Gastmahl erschlug.67 (4) Über diesen Mord frohlockend, warf er dem Toten die Verteidigung Philipps und sein Lob auf den Feldzug seines Vaters vor. (5) Als seine Wut durch den Mord gesättigt war und sich legte und an die Stelle seines Zorns ruhige Überlegung trat, dachte er bald über die Person des Ermordeten, bald über den Anlass für den Mord nach und begann, seine Tat zu bereuen. (6) Denn es schmerzte ihn, dass er die Lobreden auf seinen Vater so jähzornig aufgenommen hatte, wie er nicht einmal Schimpfreden hätte aufnehmen dürfen, und dass er seinen greisen und überdies unschuldigen Freund68 inmitten von Speisen und Bechern ermordet hatte. (7) Er wandte sich nun mit derselben Raserei der Reue zu wie zuvor dem Zorn und wollte sterben. (8) Zuerst brach er in Tränen aus, umarmte den Toten, betastete seine Wunden und gestand ihm, als ob dieser es noch hören
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telum in se vertit peregissetque facinus, nisi amici intervenissent. (9) Mansit haec voluntas moriendi etiam sequentibus diebus. (10) Accesserat enim paenitentiae nutricis suae et sororis Cliti recordatio, cuius absentis eum maxime pudebat: (11) tam foedam illi alimentorum suorum mercedem redditam, ut, in cuius manibus pueritiam egerat, huic iuvenis et victor pro beneficiis funera remitteret. (12) Reputabat deinde, quantum in exercitu suo, quantum apud devictas gentes fabularum atque invidiae, quantum apud ceteros amicos metum et odium sui fecerit, (13) quam amarum et triste reddiderit convivium suum, non armatus in acie quam in convivio terribilior. (14) Tunc Parmenion et Philotas, tunc Amyntas consobrinus, tunc noverca fratresque interfecti, tunc Attalus, Eurylochus, Pausanias aliique Macedoniae extincti principes occurrerunt. (15) Ob haec illi quadriduo perseverata inedia est, donec exercitus universi precibus exoratus est, precantis, ne ita mortem unius doleat, (16) ut universos perdat, quos in ultimam deductos barbariam inter infestas et inritatas bello gentes destituat. (17) Multum profuere Callisthenis philosophi preces; condiscipulatu apud Aristotelen familiaris illi et tunc ab ipso rege ad prodenda memoriae acta eius accitus. (18) Revocato igitur ad bella animo Chorasmos et Dahas in deditionem accepit. 7 (1) Dein, quod primo ex Persico superbiae regiae more distulerat ne omnia pariter invidiosiora essent, non salutari, sed adorari se iubet. (2) Acerrimus inter recusantes Callisthenes fuit. Quae res et illi et multis principibus Macedonum exitio fuit, siquidem sub specie insidiarum omnes interfecti. (3) Retentus tamen est a Macedonibus mos salutandi regis explosa adoratione. (4) Post haec Indiam petit, ut Oceano ultimoque Oriente finiret imperium. (5) Cui gloriae ut etiam exercitus ornamenta convenirent, phaleras equorum et arma militum argento
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könnte, seinen Wahnsinn. Dann riss er die Waffe an sich und richtete sie gegen sich selbst; und er hätte die Tat auch vollbracht, wären nicht seine Freunde dazwischengetreten. (9) Dieser Wunsch, zu sterben, blieb auch noch an den folgenden Tagen bestehen. (10) Denn zu seiner Reue war auch die Erinnerung an seine Amme69, die Schwester des Kleitos, hinzugekommen, und trotz ihrer Abwesenheit schämte er sich vor ihr am meisten: (11) Einen so abscheulichen Lohn habe er ihr für ihre Nahrung bezahlt, dass er ihr, in deren Armen er seine Kindheit zugebracht hatte, als junger Mann und Sieger nun für ihre Wohltaten einen Leichnam zurückschicke. (12) Hierauf überlegte er, wie viel Gerede und Anfeindung in seinem Heer, wie viel bei den besiegten Völkerschaften, wie viel Furcht und Hass gegenüber seiner Person er bei seinen übrigen Freunden hervorgerufen habe, (13) wie bitter und traurig er sein Gastmahl gemacht habe, da er bewaffnet in der Schlacht nicht schrecklicher sei als beim Gastmahl. (14) Dann traten ihm Parmenion und Philotas, dann sein Cousin Amyntas70, dann seine Stiefmutter71 und seine Brüder72, die er hatte ermorden lassen, dann Attalos73, Eurylochos74, Pausanias75 und die anderen hochgestellten Männer Makedoniens, die er hatte töten lassen, vor Augen. (15) Deshalb hungerte er vier Tage lang beharrlich, bis er sich schließlich durch die Bitten des gesamten Heeres erweichen ließ, das ihn anflehte, er solle doch nicht den Tod eines Einzigen so sehr bedauern, (16) dass er alle zusammen zugrunde richte, die er in das entfernteste Barbarenland geführt habe und jetzt inmitten von feindlichen und durch den Krieg aufgestachelten Völkerschaften im Stich lasse. (17) Viel nützten dabei die Bitten des Philosophen Kallisthenes76. Dieser war ebenso wie Alexander ein Schüler des Aristoteles77 gewesen und ihm daher vertraut; und Kallisthenes war damals vom König selbst herbeigerufen worden, um seine Taten der Nachwelt zu überliefern.78 (18) Als Alexander also sein Augenmerk wieder auf die Kriege gerichtet hatte, nahm er die Kapitula tion der Chorasmer79 und der Daher80 an. 7 (1) Hierauf befahl er, dass man ihn nicht nur begrüßen, sondern ihm seine Verehrung bezeigen81 solle. Dieses Ritual, in dem der Hochmut der persischen Könige zum Ausdruck kam, hatte er anfangs noch aufgeschoben, damit nicht alles zugleich allzu verhasst war. (2) Unter den Gegnern dieses Rituals war Kallisthenes der erbitterteste. Das brachte sowohl ihm82 als auch vielen hochgestellten Makedonen83 den Untergang, weil sie alle unter dem Vorwand, sie planten ein Attentat, getötet wurden. (3) Dennoch behielten die Makedonen ihre bisherige Art, den König zu begrüßen, bei, und man verwarf die persische Ehrbezeigung. (4) Danach brach Alexander nach Indien auf, um sein Reich mit dem Ozean und dem äußersten Orient zu begrenzen. (5) Damit aber zu diesem Ruhm auch die Ausrüstung des Heeres passte, ließ er den Kopf- und Brustschmuck der Pferde und die Waffen der Soldaten mit Silber überziehen und nannte sein Heer
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inducit exercitumque suum ob argenteos clipeos Argyraspidas appellavit. (6) Cum ad Nysam urbem venisset, oppidanis non repugnantibus fiducia religionis Liberi patris, a quo condita urbs erat, parci iussit, laetus non militiam tantum, verum et vestigia se dei secutum. (7) Tunc ad spectaculum sacri montis duxit exercitum, naturalibus bonis, vite hederaque, non aliter vestiti, quam si manu cultus colentiumque industria exornatus esset. (8) Sed exercitus eius, ubi ad montem accessit, repentino impetu mentis in sacros dei ululatus instinctus cum stupore regis sine noxa discurrit, ut intellegeret non tam oppidanis se parcendo quam exercitui suo consuluisse. (9) Inde montes Daedalos regnaque Cleophidis reginae petit. Quae cum se dedidisset ei, concubitu redemptum regnum ab Alexandro recepit, inlecebris consecuta, quod armis non poterat; (10) filiumque ab eo genitum Alexandrum nominavit, qui postea regno Indorum potitus est. (11) Cleophis regina propter prostratam pudicitiam scortum regium ab Indis exinde appellata est. (12) Peragrata India cum ad saxum mirae asperitatis et altitudinis, in quod multi populi confugerant, pervenisset, cognoscit Herculem ab expugnatione eiusdem saxi terrae motu prohibitum. (13) Captus itaque cupidine Herculis acta superare cum summo labore ac periculo potitus saxo omnes eius loci gentes in deditionem accepit. 8 (1) Unus ex regibus Indorum fuit, Porus nomine, viribus corporis et animi magnitudine pariter insignis, (2) qui bellum iam pridem audita Alexandri opinione in adventum eius parabat. (3) Commisso itaque proelio exercitum suum Macedonas invadere iubet, sibi regem eorum privatum hostem deposcit. (4) Nec Alexander pugnae moram fecit; sed prima congressione vulnerato equo cum praeceps ad terram decidisset, concursu satellitum servatur. (5) Porus multis vulneribus obrutus capitur. (6) Qui victum se adeo doluit, ut, cum veniam ab hoste accepisset, neque cibum sumere voluerit neque vulnera curari passus sit aegreque sit ab eo obtentum, ut vellet vivere. (7) Quem Alexander ob honorem virtutis incolumem in regnum remisit. (8) Duas ibi urbes condidit; unam Nicaeam, alteram ex nomine equi Bucephalen vocavit.
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wegen der silbernen Schilde Argyraspiden84. (6) Als er zur Stadt Nysa85 kam, leisteten die Stadtbewohner im Vertrauen auf die Verehrung für Vater Liber86, den Gründer ihrer Stadt,87 keinen Widerstand, und Alexander befahl, sie zu schonen. Denn er war erfreut, nicht nur dem Feldzug, sondern auch den Spuren des Gottes gefolgt zu sein. (7) Dann zog er mit seinem Heer zur Besichtigung des heiligen Berges88, der mit den guten Gaben der Natur, Rebe und Efeu, nicht anders bewachsen war, als ob er von Menschenhand gepflegt und durch den Fleiß von Landarbeitern geschmückt worden wäre. (8) Sobald aber sein Heer sich dem Berg näherte, wurde es von plötzlicher Begeisterung zu heiligem Jubelgeheul für den Gott angestachelt und lief zum Erstaunen des Königs auseinander, ohne Schaden zu nehmen, sodass er erkannte, dass die Schonung der Stadtbewohner weniger für diese als für sein eigenes Heer von Vorteil gewesen war. (9) Von dort zog er zu den Daidalischen Bergen89 und den Reichen der Königin Kleophis90. Sie ergab sich ihm und erhielt ihr Reich, das sie durch Beischlaf losgekauft hatte, von Alexander zurück. Und so erreichte sie durch Verführung, was sie mit Waffen nicht erreichen konnte. (10) Den von Alexander gezeugten Sohn nannte sie Alexandros91, und er bemächtigte sich später der Herrschaft über die Inder. (11) Weil Königin Kleophis ihre Keuschheit preisgegeben hatte, wurde sie seit jener Zeit von den Indern königliche Hure92 genannt. (12) Als Alexander Indien durchzogen hatte und zu einem erstaunlich schroffen und hohen Felsen gelangte, auf den sich viele Völker geflüchtet hatten, erfuhr er, dass Herakles von der Eroberung ebendieses Felsens durch ein Erdbeben abgehalten worden war.93 (13) Weil ihn daher die Begierde ergriff, die Taten des Herakles zu übertreffen, bemächtigte er sich unter höchster Anstrengung und Gefahr des Felsens und nahm die Kapitulation aller Völkerschaften dieses Ortes an. 8 (1) Unter den Königen der Inder befand sich einer namens Poros94, der sich durch Körperkräfte und Geistesgröße in gleicher Weise auszeichnete. (2) Dieser hatte schon längst von Alexanders Ruf gehört und rüstete deshalb gegen Alexanders Anmarsch zum Krieg. (3) Als man sich daher eine Schlacht lieferte,95 befahl er seinem Heer, die Makedonen anzugreifen; für sich verlangte er ausdrücklich ihren König als persönlichen Gegner. (4) Auch Alexander schob den Kampf nicht auf. Als aber beim ersten Angriff sein Pferd96 verwundet wurde und er kopfüber zu Boden stürzte, wurde er durch seine herbeieilenden Leibwächter gerettet.97 (5) Poros wurde, von vielen Wunden bedeckt, gefangen genommen. (6) Die Niederlage schmerzte ihn so sehr, dass er, obgleich sein Feind ihn begnadigt hatte, weder Speise zu sich nehmen wollte noch die Versorgung seiner Wunden zuließ und man ihn nur mit Mühe dazu bringen konnte, dass er weiterleben wollte. (7) Alexander schickte ihn in Anerkennung seiner Tapferkeit unbehelligt in sein Königreich zurück. (8) Dort gründete er zwei Städte; die eine nannte er Nikaia, die andere nach dem Namen seines Pferdes98 Bukephala.99
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(9) Inde Adrestas, Catheanos, Praesidas, Gangaridas caesis eorum exercitibus expugnat. (10) Cum ad Cufites venisset, ubi eum hostium CC milia equitum opperiebantur, exercitus omnis non minus victoriarum numero quam laboribus fessus lacrimis eum deprecatur, finem tandem bellis faceret; (11) aliquando patriae reditusque meminisset, respiceret militum annos, quibus vix aetas ad reditum sufficeret. (12) Ostendere alius canitiem, alius vulnera, alius aetate consumpta corpora, alius cicatricibus exhausta; (13) solos se esse, qui duorum regum, Philippi Alexandrique, continuam militiam pertulerint. (14) Tandem orare, ut reliquias saltim suas paternis sepulcris reddat, quorum non studiis deficiatur quam annis, (15) ac, si non militibus, vel ipsi sibi parcat, ne fortunam suam nimis onerando fatiget. (16) Motus his tam iustis precibus velut in finem victoriae castra solito magnificentiora fieri iussit, quorum molitionibus et hostis terreretur et posteris admiratio sui relinqueretur. (17) Nullum opus laetius milites fecere. Itaque caesis hostibus cum gratulatione in eadem reverterunt. 9 (1) Inde Alexander ad amnem Acesinem pergit; per hunc in Oceanum devehitur. (2) Ibi Agensonas Sibosque, quos Hercules condidit, in deditionem accepit. (3) Hinc in Mandros et † Sugambros navigat, quae gentes eum armatis LXXX milibus peditum et LX milibus equitum excipiunt. (4) Cum proelio victor esset, exercitum ad urbem eorum ducit. (5) Quam desertam a defensoribus cum de muro, quem primus ceperat, animadvertisset, in urbis planitiem sine ullo satellite desiluit. (6) Itaque cum eum hostes solum conspexissent, clamore edito undique concurrunt, si possint in uno capite orbis bella finire et ultionem tot gentibus dare. (7) Nec minus Alexander constanter restitit et unus adversus tot milia proeliatur. (8) Incredibile dictu est, ut eum non multitudo hostium, non vis magna telorum, non tantus lacessentium clamor terruerit, solus tot milia ceciderit ac fugaverit. (9) Ubi vero obrui multitudine se vidit,trunco se, qui tum propter murum stabat,
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(9) Darauf unterwarf er die Adresten100, die Katheanen101, die Praisiden und die Gangariden102, nachdem er ihre Heere niedergemacht hatte. (10) Als er zu den Kufiten103 kam, wo ihn zwanzigtausend Reiter der Feinde erwarteten, bat ihn das gesamte Heer unter Tränen, weil es nicht weniger durch die Zahl der Siege als durch die Anstrengungen erschöpft war, er möge endlich den Kriegen ein Ende machen. (11) Er solle doch einmal an die Heimat und die Rückkehr denken und auf die Jahre seiner Soldaten Rücksicht nehmen, deren Lebenszeit kaum noch zur Rückkehr ausreiche. (12) Der eine zeigte sein graues Haar, der andere seine Wunden, wieder andere ihre vom Alter erschöpften und von Narben geschwächten Körper. (13) Sie seien die Einzigen, die den ununterbrochenen Kriegsdienst unter zwei Königen, Philipp und Alexander, ertragen hätten. (14) Schließlich baten sie, er möge wenigstens ihre sterblichen Überreste den Gräbern ihrer Väter übergeben. Er werde nicht von ihrem Eifer, sondern von ihren Jahren im Stich gelassen. (15) Und wenn er schon nicht seine Soldaten schonen wolle, so doch wenigstens sich selbst, damit er sein Glück nicht durch die übermäßige Belastung überbeanspruche. (16) Von diesen so triftigen Bitten gerührt, befahl er, gleichsam als Krönung seines Sieges ein ungewöhnlich prächtiges Lager104 aufzuschlagen, durch dessen massigen Aufbau sowohl der Feind in Schrecken versetzt als auch der Nachwelt ein Anlass zu Bewunderung des Königs hinterlassen werden sollte. (17) Kein Werk führten seine Soldaten fröhlicher aus. Und so kehrten sie, als sie die Feinde niedergemacht hatten, unter Glückwünschen in ebendieses Lager zurück. 9 (1) Von dort machte Alexander sich zum Fluss Akesines105 auf; auf ihm fuhr er zum Ozean.106 (2) Dort nahm er die Kapitulation der Agensoner und der Siber107 an, deren Ursprung Herakles begründet hatte. (3) Von hier segelte er zu den Mandrern und den Sugambrern108; diese Völkerschaften empfingen ihn mit achtzigtausend bewaffneten Fußsoldaten und sechzigtausend Reitern. (4) Nachdem er aus der Schlacht als Sieger hervorgegangen war, führte er sein Heer zu ihrer Stadt. (5) Weil er von der Mauer aus, die er als Erster erreicht hatte, bemerkte, dass die Stadt von ihren Verteidigern verlassen war109, sprang er ohne einen seiner Leibwächter auf den ebenen Boden der Stadt hinab. (6) Als ihn nun die Feinde ganz allein erblickten, erhoben sie ein Geschrei und liefen von allen Seiten zusammen, um zu versuchen, ob sie mit dem Leben dieses Einen die Kriege der ganzen Welt beenden und so vielen Völkerschaften Rache verschaffen könnten. (7) Alexander setzte sich nicht weniger standhaft zur Wehr und kämpfte allein gegen so viele Tausende. (8) Es ist unglaublich, dass ihn nicht die Menge der Feinde, nicht die große Masse ihrer Waffen, nicht das so laute Geschrei der Angreifer in Schrecken versetzte, sondern dass er allein so viele Tausende niedermachte und verjagte. (9) Sobald er aber sah, dass er von der Überzahl überwältigt wurde, lehnte er sich an einen Baumstamm, der da
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adplicuit, (10) cuius auxilio tutus cum diu agmen sustinuisset, tandem cognito periculo eius amici ad eum desiliunt, ex quibus multi caesi; (11) proeliumque tam diu anceps fuit, quoad omnis exercitus muris deiectis in auxilium veniret. (12) In eo proelio sagitta sub mamma traiectus cum sanguinis fluxu deficeret, genu posito tam diu proeliatus est, donec eum, a quo vulneratus fu erat, occideret. (13) Curatio vulneris gravior ipso vulnere fuit. 10 (1) Itaque ex magna desperatione tandem saluti redditus Polyperchonta cum exercitu Babyloniam mittit, ipse cum lectissima manu navibus conscensis Oceani litora peragrat. (2) Cum venisset ad urbem Ambigeri regis, oppidani invictum ferro audientes sagittas veneno armant atque ita gemino mortis vulnere hostem a muris submoventes plurimos interficiunt. (3) Cum inter multos vulneratus etiam Ptolomeus esset moriturusque iam iamque videretur, per quietem regi monstrata in remedia veneni herba est, qua in potu accepta statim periculo liberatus est maiorque pars exercitus hoc remedio servata. (4) Expugnata deinde urbe reversus in navem Oceano libamenta dedit, prosperum in patriam reditum precatus; (5) ac veluti curru circa metam acto, positis imperii terminis, quatenus aut terrarum solitudines prodire passae sunt aut mare navigabile fuit, secundo aestu ostio fluminis Indi invehitur. (6) Ibi in monumenta a se rerum gestarum urbem Barcem condidit arasque statuit relicto ex numero amicorum litoralibus Indis praefecto. (7) Inde iter terrestre facturus, cum arida loca medii itineris dicerentur, puteos opportunis locis fieri praecepit, quibus ingenti dulci aqua inventa Babyloniam redit. (8) Ibi multae devictae gentes praefectos suos accusaverunt, quos sine respectu amicitiae Alexander in conspectu legatorum necari iussit. (9) Filiam post haec Darii regis Statiram in matrimonium recepit; (10) sed et optimatibus Macedonum lectas ex omnibus gentibus nobilissimas virgines tradidit, ut communi facto crimen regis levaretur.
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neben der Mauer stand. (10) Als er, durch ihn geschützt, lange Zeit der Schar standgehalten hatte, erkannten schließlich seine Freunde110 die Gefahr und sprangen zu ihm hinunter. Viele von ihnen wurden niedergemacht. (11) Und das Gefecht blieb so lange unentschieden, bis man die Mauer niederriss und das ganze Heer zu Hilfe kam. (12) In diesem Gefecht wurde er von einem Pfeil unterhalb der Brustwarze getroffen, und als er wegen des Blutverlusts die Kraft verlor, kniete er sich nieder und kämpfte so lange weiter, bis er denjenigen, von dem er verwundet worden war, getötet hatte. (13) Die Heilung der Wunde war gefährlicher als die Wunde selbst.111 10 (1) Als Alexander schließlich, nachdem man alle Hoffnung schon aufgegeben hatte, dem Leben zurückgegeben war, schickte er Polyperchon112 mit dem Heer nach Babylon; er selbst bestieg mit einer auf das Sorgfältigste auserlesenen Schar die Schiffe und streifte an den Küsten des Ozeans entlang. (2) Als er zur Stadt des Königs Ambiger113 kam, bestrichen die Stadtbewohner ihre Pfeile mit Gift, weil sie gehört hatten, dass man ihn mit Eisen nicht besiegen konnte, und töteten so, während sie den Feind durch doppelt tödliche Wunden von ihren Mauern fernzuhalten suchten, sehr viele. (3) Unter vielen anderen war auch Ptolemaios114 verwundet worden, und es hatte den Anschein, als würde er im nächsten Augenblick sterben. Da wurde dem König im Traum ein Kraut als Heilmittel gegen das Gift gezeigt.115 Als Ptolemaios das in einem Trank zu sich nahm, war er sogleich von der Gefahr befreit, und auch der größere Teil des Heeres wurde durch dieses Heilmittel gerettet. (4) Als Alexander hierauf die Stadt erobert hatte, kehrte er auf sein Schiff zurück und brachte dem Ozean Trankopfer dar,116 wobei er um eine glückliche Rückkehr in sein Vaterland bat. (5) Und als ob er den Wagen um die Wendemarke gelenkt hätte, nachdem er die Grenzsteine seines Reiches gesetzt hatte, so weit wie entweder die Einöden der Erde das Vorrücken gestatteten oder das Meer schiffbar war, fuhr er mit günstiger Flut in die Mündung des Flusses Indus ein. (6) Dort gründete er als Denkmal seiner Taten die Stadt Barke117, errichtete Altäre118 und ließ einen aus der Zahl seiner Freunde119 als Statthalter bei den an den Küsten lebenden Indern zurück. (7) Als er von hier aus über Land marschieren wollte und man ihm sagte, auf halber Strecke liege eine Wüste120, befahl er, an geeigneten Orten Brunnen anzulegen.121 In ihnen entdeckte man eine gewaltige Menge an Süßwasser, und so konnte er nach Babylon zurückkehren. (8) Dort beklagten sich viele besiegte Völkerschaften über seine Statthalter122, die Alexander ohne Rücksicht auf die Freundschaft vor den Augen der Gesandten töten ließ. (9) Danach nahm er Stateira123, die Tochter des Königs Dareios, zur Frau. (10) Aber auch den vornehmsten unter den Makedonen übergab er die edelsten, aus allen Völkerschaften ausgewählten jungen Frauen, damit durch diese gemeinsame Tat das Vergehen des Königs abgeschwächt wurde.124
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11 (1) Tunc ad contionem exercitum vocat et promittit se aes alienum omnium propria inpensa soluturum, ut praedam praemiaque integra domos ferant. (2) Insignis haec munificentia non summa tantum, verum etiam titulo muneris fuit nec a debitoribus magis quam a creditoribus gratius excepta, quoniam utrisque exactio pariter ac solutio difficilis erat. (3) XX milia talentum in hos sumptus expensa. (4) Dimissis veteranis exercitum iunioribus supplet. (5) Sed retenti veteranorum discessum aegre ferentes missionem et ipsi flagitabant nec annos, sed stipendia sua numerari iubebant, pariter in militiam lectos pariter sacramento solvi aequum censentes. (6) Nec iam precibus, sed convicio agebant, iubentes eum solum cum patre suo Hammone inire bella, quatenus milites suos fastidiat. (7) Contra ille nunc castigare milites, nunc lenibus verbis monere, ne gloriosam militiam seditionibus infuscarent. (8) Ad postremum cum verbis nihil proficeret, ad corripiendos seditionis auctores e tribunali in contionem armatam inermis ipse desiluit et nemine prohibente tredecim correptos manu sua ipse ad supplicium duxit. (9) Tantam vel illis moriendi patientiam metus regis vel huic exigendi supplicii constantiam disciplina militaris dabat. 12 (1) Inde separatim auxilia Persarum in contione adloquitur. (2) Laudat perpetuam illorum cum in se tum in pristinos reges fidem; sua in illos beneficia commemorat, ut numquam quasi victos, sed veluti victoriae socios habuerit, denique se in illorum, non illos in gentis suae morem transisse, adfinitatibus conubiorum victos victoribus miscuisse. (3) Tum quoque ait custodiam corporis sui non Macedonibus tantum se, verum et illis crediturum. (4) Atque ita mille ex his iuvenes in numerum satellitum legit auxiliorumque portionem formatam in disciplinam Macedonum exercitui suo miscet. (5) Quam rem aegre Macedones tulerunt, iactantes hostes suos in officium suum a rege subiectos. (6) Tunc universi flentes regem adeunt;
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11 (1) Darauf rief er das Heer zu einer Versammlung und versprach, die Schulden aller aus eigenen Mitteln zu bezahlen, damit sie ihre Beute und Belohnungen ungeschmälert nach Hause bringen konnten. (2) Diese Freigebigkeit war nicht nur wegen der Geldsumme, sondern auch wegen der Bezeichnung „Geschenk“ bemerkenswert und wurde von den Schuldnern mit nicht größerer Dankbarkeit aufgenommen als von den Gläubigern, weil für beide Seiten die Eintreibung sowie die Abzahlung der Schulden gleich schwierig waren. (3) Zwanzigtausend Talente wurden für diese Aufwendungen ausgezahlt. (4) Als Alexander die altgedienten Soldaten entlassen hatte, ergänzte er das Heer durch jüngere. (5) Aber diejenigen, die er behielt, waren ungehalten über den Weggang der altgedienten Soldaten und forderten daher ihren eigenen Abschied. Und sie verlangten, dass nicht ihre Lebensjahre, sondern ihre Dienstjahre gezählt würden, weil sie der Meinung waren, es sei nur recht und billig, dass diejenigen, die gleichzeitig zum Kriegsdienst ausgehoben worden seien, auch gleichzeitig vom Dienst eid entbunden würden.125 (6) Und schon brachten sie bei den Verhandlungen nicht mehr Bitten, sondern Schimpfreden vor und hießen Alexander, allein mit seinem Vater Ammon Kriege zu beginnen, weil er ja seine Soldaten zurückweise. (7) Alexander dagegen tadelte seine Soldaten bald, bald ermahnte er sie mit milden Worten, den ruhmvollen Feldzug nicht durch ihre Meuterei zu beflecken. (8) Da er mit Worten nichts ausrichten konnte, sprang er zuletzt selbst von seinem erhöhten Feldherrnsitz unbewaffnet mitten in die bewaffnete Versammlung hinab, um die Rädelsführer der Meuterei zu ergreifen, packte, ohne dass ihn jemand daran hinderte, eigenhändig dreizehn von ihnen und führte sie selbst zur Hinrichtung ab. (9) Entweder verlieh die Angst vor dem König den Soldaten so große Fügsamkeit, dass sie den Tod hinnahmen, oder die Disziplin im Heer gab dem König die Festigkeit, die Hinrichtung auszuführen. 12 (1) Hierauf sprach er die Hilfstruppen der Perser in einer Versammlung gesondert an. (2) Er lobte ihre beständige Treue sowohl zu ihm als auch ganz besonders zu den früheren Königen. Er erwähnte seine Wohltaten ihnen gegenüber, dass er sie niemals als Besiegte, sondern als Verbündete seines Sieges behandelt habe, schließlich, dass er ihre Sitten, nicht sie die Sitten seines Volkes angenommen hätten und dass die Besiegten sich mit den Siegern durch eheliche Verwandtschaftsbeziehungen vermischt hätten. (3) Dann sagte er auch, er wolle die Bewachung seiner Person nicht nur seinen Makedonen anvertrauen, sondern auch ihnen. (4) Und so nahm er aus ihrer Schar tausend junge Männer in die Zahl seiner Leibwächter auf und gliederte eine Abteilung der Hilfstruppen, die nach makedonischer Art ausgebildet und geschult war, in sein Heer ein. (5) Über dieses Vorgehen waren die Makedonen gekränkt, wobei sie immer wieder vorbrachten, der König habe den Dienst, der eigentlich ihnen zustehe, den Feinden zugeteilt. (6) Dann wandten sich alle weinend an den König.
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orant, suppliciis suis potius saturaret se quam contumeliis. (7) Qua modestia obtinuerunt, ut undecim milia militum veteranorum exauctoraret. (8) Sed et ex amicis dimissi senes Polyperchon, Clitos, Gorgias, Polydamas, Amadas, Antigenes. (9) Dimissis Crateros praeponitur, iussus praeesse Macedonibus in Antipatri locum, Antipatrumque cum supplemento tironum in locum eius evocat. (10) Stipendia revertentibus veluti militantibus data. (11) Dum haec aguntur, unus ex amicis eius Hephaestion decedit, dotibus primo formae pueritiaeque, mox obsequiis regi percarus. (12) Quem contra decus regium Alexander diu luxit tumulumque ei duodecim milium talentum fecit eumque post mortem coli ut deum iussit. 13 (1) Ab ultimis litoribus Oceani Babyloniam revertenti nuntiatur legationes Karthaginiensium ceterarumque Africae civitatium, sed et Hispaniarum, Siciliae, Galliae, Sardiniae, nonnullas quoque ex Italia adventum eius Babyloniae opperiri. (2) Adeo universum terrarum orbem nominis eius terror invaserat, ut cunctae gentes veluti destinato sibi regi adularentur. (3) Hac igitur ex causa Babyloniam festinanti, velut conventum terrarum orbis acturo, quidam ex magis praedixit, ne urbem introiret, testatus hunc locum ei fatalem fore. (4) Ob haec omissa Babylonia in Borsipam urbem trans Euphraten, desertam olim, concessit. (5) Ibi ab Anaxarcho philosopho conpulsus est rursus magorum praedicta contemnere ut falsa et incerta et, si fatis constent, ignota mortalibus ac, si naturae debeantur, inmutabilia. (6) Reversus igitur Babyloniam multis diebus otio datis intermissum olim convivium sollemniter instituit; (7) totusque in laetitiam effusus cum diei noctem pervigilem iunxisset, recedentem iam e convivio Medius Thessalus instaurata comisatione et ipsum et sodales eius invitat. (8) Accepto poculo media potione repente velut telo confixus ingemuit (9) elatusque convivio semianimis tanto dolore cruciatus est, ut ferrum in remedia posceret tactumque hominum velut vulnera indolesceret. (10) Amici causas morbi intemperiem
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Sie baten ihn, sich lieber an ihren Hinrichtungen zu sättigen als an Erniedrigungen. (7) Durch diese Unterwürfigkeit setzten sie durch, dass Alexander elftausend altgedienten Soldaten den Abschied gab. (8) Aber auch die bejahrten unter seinen Freunden wurden entlassen: Polyperchon, Kleitos126, Gorgias127, Polydamas128, Amadas129 und Antigenes130. (9) Die Aufsicht über die Entlassenen übertrug er Krateros131 mit dem Befehl, anstelle des Antipatros die Makedonen zu befehligen, und Antipatros berief er mit einer Ergänzungsmannschaft von Rekruten an die Stelle des Krateros.132 (10) Den Rückkehrern wurde Sold gezahlt, so als ob sie immer noch Kriegsdienst leisteten. (11) Währenddessen starb einer von seinen Freunden, Hephaistion133, der anfangs durch die Gaben seiner Schönheit und Jugend, dann durch seine Ergebenheit dem König sehr lieb war. (12) Alexander betrauerte ihn lange Zeit, was für einen König unangebracht war, errichtete ihm ein Grab für zwölftausend Talente und ordnete an, ihn nach seinem Tod als Gott zu verehren. 13 (1) Während Alexander von den äußersten Küsten des Ozeans nach Babylon zurückkehrte, wurde ihm gemeldet, dass Gesandtschaften der Karthager und der übrigen Staaten Afrikas, aber auch von Spanien, Sizilien, Gallien und Sardinien, einige auch aus Italien134 seine Ankunft in Babylon erwarteten. (2) So sehr hatte der Schrecken seines Namens den gesamten Erdkreis erfüllt, dass alle Völkerschaften ihm wie dem ihnen bestimmten König schmeichelten. (3) Als er nun aus diesem Grund nach Babylon eilte, wie wenn er eine Versammlung der Welt abhalten wollte, warnte ihn einer von den Magiern davor, die Stadt zu betreten, und versicherte ihm, dieser Ort werde für ihn verhängnisvoll sein. (4) Deswegen zog Alexander an Babylon vorbei und begab sich nach Borsipa135, einer schon lange verlassenen Stadt jenseits des Euphrat. (5) Dort wurde er von dem Philosophen Anaxarchos136 dazu gedrängt, wiederum die Weissagungen der Magier zu verachten; denn sie seien falsch und ungewiss und zudem, wenn sie auf dem Schicksal beruhten, den Menschen unbekannt und, wenn sie der Natur geschuldet seien, unabänderlich. (6) Also kehrte er nach Babylon zurück. Als er viele Tage müßig verbracht hatte, veranstaltete er auf festliche Weise wieder eines seiner schon lange ausgesetzten Gastmähler. (7) Er gab sich ganz der Fröhlichkeit hin, und als er dem Tag noch eine durchwachte Nacht angereiht hatte und sich schon vom Gastmahl entfernen wollte, veranstaltete der Thessalier Medios137 von Neuem ein Trinkgelage und lud Alexander selbst und seine Tischgenossen dazu ein. (8) Alexander nahm den Trinkbecher entgegen und stöhnte plötzlich mitten im Trinken auf, wie wenn er von einem Wurfgeschoss durchbohrt würde. (9) Man trug ihn halbtot vom Gelage weg, und er wurde von so großem Schmerz gequält, dass er ein Schwert zur Linderung forderte und ihn jede menschliche Berührung wie eine Verwundung schmerzte. (10) Seine Freunde verbreiteten, die Ursache seiner Krankheit sei seine übermäßige Trun-
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ebrietatis disseminaverunt, re autem vera insidiae fuerunt, quarum infamiam successorum potentia oppressit. 14 (1) Auctor insidiarum Antipater fuit, qui cum carissimos amicos eius interfectos videret, Alexandrum Lyncestam, generum suum, occisum, (2) se magnis rebus in Graecia gestis non tam gratum apud regem quam invidiosum esse, (3) a matre quoque eius Olympiade variis se criminationibus vexatum. (4) Huc accedebant ante paucos dies supplicia in praefectos devictarum nationum crudeliter habita. (5) Ex quibus rebus se quoque a Macedonia non ad societatem militiae, sed ad poenam vocatum arbitrabatur. (6) Igitur ad occupandum regem Cassandrum filium dato veneno subornat, qui cum fratribus Philippo et Iolla ministrare regi solebat, (7) cuius veneni tanta vis fuit, ut non aere, non ferro, non testa contineretur, nec aliter ferri nisi in ungula equi potuerit; praemonito filio, ne alii quam Thessalo et fratribus crederet. (8) Hac igitur causa apud Thessalum paratum repetitumque convivium est. (9) Philippus et Iollas praegustare ac temperare potum regis soliti in aqua frigida venenum habuerunt, quam praegustatae iam potioni supermiserunt. 15 (1) Quarto die Alexander indubitatam mortem sentiens agnoscere se fatum domus maiorum suorum ait, nam plerosque Aeacidarum intra XXX annum defunctos. (2) Tumultuantes deinde milites insidiisque perire regem sus picantes ipse sedavit eosque omnes, cum prolatus in editissimum urbis locum esset, ad conspectum suum admisit osculandamque dexteram suam flentibus porrexit. (3) Cum lacrimarent omnes, ipse non sine lacrimis tantum, verum sine ullo tristioris mentis argumento fuit, ut quosdam inpatientius dolentes consolatus sit, quibusdam mandata ad parentes eorum dederit: (4) adeo sicuti in hostem, ita et in mortem invictus animus fuit. (5) Dimissis militibus circumstantes amicos percontatur, videanturne similem sibi reperturi regem. (6) Tacentibus cunctis tum ipse, ut hoc nesciat, ita illud scire vaticinarique se ac paene oculis videre dixit, quantum sit in hoc certamine sanguinis fusura Macedonia, quantis caedibus, quo cruore mortuo sibi parentatura.
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kenheit; in Wahrheit handelte es sich jedoch um ein Attentat, dessen Schändlichkeit durch die Macht der Nachfolger unterdrückt wurde. 14 (1) Anstifter des Attentats war Antipatros, da er sehen musste, dass die liebsten Freunde getötet, der Lynkeste Alexandros138, sein Schwiegersohn, ermordet worden war, (2) dass er selbst trotz seiner großartigen Taten in Griechenland beim König nicht so sehr beliebt als vielmehr verhasst war139 (3) und dass er auch von dessen Mutter Olympias140 mit verschiedenen Anschuldigungen belästigt worden war. (4) Dazu kamen die Hinrichtungen, die vor wenigen Tagen an den Statthaltern der besiegten Völker grausam vollzogen worden waren. (5) Aufgrund dieser Vorkommnisse glaubte Antipatros, auch er sei aus Makedonien nicht zur Teilnahme am Kriegsdienst, sondern zur Bestrafung hergerufen worden. (6) Um nun dem König zuvorzukommen, stiftete er insgeheim seinen Sohn Kassandros141 an, der zusammen mit seinen Brüdern Phil ippos142 und Jollas143 den König bei Tisch zu bedienen pflegte, und händigte ihm ein Gift aus. (7) Die Wirkung dieses Giftes war so stark, dass es nicht in Kupfer, nicht in Eisen, nicht in einem irdenen Krug aufbewahrt und nicht anders als im Huf eines Pferdes getragen werden konnte.144 Auch hatte Antipa tros seinen Sohn im Voraus gewarnt, keinem anderen als dem Thessalier145 und seinen Brüdern zu vertrauen. (8) Aus diesem Grund also wurde bei dem Thessalier ein Gelage vorbereitet und neu begonnen. (9) Philippos und Jollas, die den Trank des Königs vorzukosten und zu mischen pflegten, hielten das Gift in kaltem Wasser bereit, das sie über den schon vorgekosteten Trank gossen. 15 (1) Als Alexander am vierten Tag fühlte, dass an seinem Tod nicht mehr zu zweifeln war, sagte er, er erkenne das Schicksal seines Geschlechts, denn die meisten Aiakiden146 seien im dreißigsten Lebensjahr gestorben. (2) Hierauf beruhigte er selbst seine lärmenden Soldaten, die argwöhnten, dass der König durch ein Attentat zugrunde gehe. Und als er sich auf den höchsten Platz der Stadt hatte hinauftragen lassen, ließ er sie alle vor, damit sie ihn sehen konnten, und streckte den weinenden Männern seine rechte Hand zum Kuss hin. (3) Alle weinten, doch er selbst blieb nicht nur ohne Tränen, sondern auch ohne jedes Anzeichen von Niedergeschlagenheit, sodass er selbst einige, die zu hemmungslos trauerten, tröstete, einigen anderen Aufträge für ihre Eltern erteilte: (4) So unbesiegbar war sein Mut, wie dem Feind, so nun auch dem Tod gegenüber. (5) Als er die Soldaten entlassen hatte, fragte er seine Freunde, die um ihn herumstanden, ob sie glaubten, wieder einen König zu finden, der ihm ähnlich sei. (6) Als alle schwiegen, sagte er dann selbst, dass er zwar das nicht wisse, wohl aber jenes wisse und prophezeie und fast schon mit eigenen Augen sehe, wie viel Blut Makedonien in diesem Kampf vergießen, mit wie vielen Morden und mit welchem Blutbad es ihm Totenopfer darbringen werde.
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(7) Ad postremum corpus suum in Hammonis templum condi iubet. (8) Cum deficere eum amici viderent, quaerunt, quem imperii faciat heredem. Respondit „dignissimum“. (9) Tanta illi magnitudo animi fuit, ut, cum Herculem filium, cum fratrem Arridaeum, cum Roxanen uxorem praegnantem relinqueret, oblitus necessitudinum dignissimum nuncuparit heredem: (10) prorsus quasi nefas esset viro forti alium quam virum fortem succedere, aut tanti regni opes aliis quam probatis relinqui. (11) Hac voce veluti bellicum inter amicos cecinisset aut malum Discordiae misisset, ita omnes in aemulationem consurgunt et ambitione vulgi tacitum favorem militum quaerunt. (12) Sexta die praeclusa voce exemptum digito anulum Perdiccae tradidit, quae res gliscentem amicorum dissensionem sedavit. (13) Nam etsi non voce nuncupatus heres, iudicio tamen electus videbatur. 16 (1) Decessit Alexander mense Iunio, annos tres et XXX natus, vir supra humanam potentiam magnitudine animi praeditus. (2) Qua nocte eum mater Olympias concepit, visa per quietem est cum ingenti serpente volutari, nec decepta somnio est, nam profecto maius humana mortalitate opus utero tulit; (3) quam cum Aeacidarum gens ab ultima saeculorum memoria et regna patris, fratris, mariti ac deinceps maiorum omnium inlustraverint, nullius tamen nomine quam filii clarior fuit. (4) Prodigia magnitudinis eius ipso ortu nonnulla apparuere. (5) Nam ea die, qua natus est, duae aquilae tota die perpetes supra culmen domus patris eius sederunt, omen duplicis imperii, Europae Asiaeque, praeferentes. (6) Eadem quoque die nuntium pater eius duarum victoriarum accepit, alterius belli Illyrici, alterius certaminis Olympici, in quod quadrigarum currus miserat, quod omen universarum terrarum victoriam infanti portendebat. (7) Puer acerrimis litterarum studiis eruditus fuit. (8) Exacta pueritia per quinquennium sub Aristotele doctore, inclito omnium philosophorum, crevit. (9) Accepto deinde imperio
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(7) Zuletzt ordnete er an, seinen Leichnam im Tempel des Ammon147 beizusetzen. (8) Als seine Freunde ihn ermatten sahen, fragten sie ihn, wen er zum Erben seines Reiches mache. Er antwortete: „Den Würdigsten“. (9) Er besaß eine solche Geistesgröße, dass er, obgleich er seinen Sohn Herakles148, obgleich er seinen Bruder Arridaios149, obgleich er seine schwangere Gemahlin Rhoxane150 hinterließ, seine Verwandtschaft nicht berücksichtigte und stattdessen den Würdigsten zu seinem Erben ernannte, (10) ganz so, als ob es ein Frevel wäre, dass einem tapferen Mann ein anderer als ein tapferer Mann nachfolgt oder die Macht eines so großen Reiches anderen als bewährten Männern hinterlassen wird. (11) Und als ob er mit diesem Wort unter seinen Freunden zum Angriff geblasen oder den Apfel der Zwietracht mitten unter sie geworfen hätte, so erhoben sich alle zum eifersüchtigen Wettstreit und suchten, durch Wohldienerei gegenüber dem einfachen Volk heimlich die Gunst der Soldaten zu erringen. (12) Am sechsten Tag, als ihm schon die Stimme versagte, zog Alexander seinen Ring vom Finger und übergab ihn Perdikkas151. Damit beschwichtigte die zunehmende Uneinigkeit unter seinen Freunden. (13) Denn auch wenn Perdikkas nicht durch eine Äußerung zum Erben ernannt war, schien er doch durch dieses Urteil auserwählt zu sein. 16 (1) Alexander starb im Monat Juni152 im Alter von dreiunddreißig Jahren153. Er war ein Mann, der mit einer Geistesgröße begabt war, die menschliches Vermögen überstieg. (2) In der Nacht, in der seine Mutter Olympias ihn empfing, schien es ihr im Traum, als würde sie sich mit einer gewaltigen Schlange winden.154 Und dieser Traum trog sie nicht, denn tatsächlich trug sie in ihrem Schoß ein Geschöpf, das größer war als alle menschliche Vergänglichkeit. (3) Und obwohl Olympias durch das Geschlecht der Aiakiden155 vom frühesten Menschengedenken an und durch die Herrschaft ihres Vaters156, ihres Bruders157, ihres Gatten158 und all ihrer Vorfahren der Reihe nach zu hohem Ruhm gelangte, so war sie dennoch durch den Namen keines anderen Menschen berühmter als durch den ihres Sohnes.159 (4) Einige Zeichen160 von Alexanders Größe zeigten sich auch unmittelbar bei seiner Geburt. (5) Denn am Tag seiner Geburt saßen zwei Adler den ganzen Tag über fortwährend auf dem Giebel seines Vaterhauses und zeigten so das Vorzeichen seiner doppelten Herrschaft, über Europa und Asien, an. (6) Auch an ebendiesem Tag erhielt sein Vater die Nachricht von zwei Siegen: der eine im Illyrischen Krieg,161 der andere im Olympischen Wettkampf,162 zu dem er vierspännige Wagen geschickt hatte. Das war ein Vorzeichen, das dem neugeborenen Kind den Sieg über alle Länder ankündigte. (7) Als Knabe bildete sich Alexander mit leidenschaftlichem Eifer in den Wissenschaften.163 (8) Nach Vollendung seines Knabenalters164 wuchs er fünf Jahre lang unter der Leitung des Aristoteles auf, der unter allen Philosophen weithin berühmt war. (9) Nach seinem Herrschaftsantritt ließ Alexander sich
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regem se terrarum omnium ac mundi appellari iussit (10) tantamque fiduciam sui militibus fecit, ut illo praesente nullius hostis arma nec inermes timuerint. (11) Itaque cum nullo hostium umquam congressus est, quem non vicerit, nullam urbem obsedit, quam non expugnaverit, nullam gentem adiit, quam non calcaverit. (12) Victus denique ad postremum est non virtute hostili, sed insidiis suorum et fraude civili.
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dann König aller Länder und der ganzen Welt nennen (10) und erweckte bei seinen Soldaten so großes Vertrauen, dass sie in seiner Gegenwart die Waffen keines Feindes fürchteten, auch wenn sie selbst unbewaffnet waren. (11) Daher griff Alexander niemals einen Feind an, den er nicht besiegte, belagerte keine Stadt, die er nicht eroberte, und näherte sich keinem Volksstamm, den er nicht unterwarf. (12) Zuletzt wurde er schließlich nicht durch die Tapferkeit eines Feindes, sondern durch einen Anschlag seiner eigenen Leute und durch die Tücke seiner eigenen Untertanen besiegt.
Prologus libri XIII Tertio decimo volumine continentur haec. Ut mortuo Alexandro optimates castrorum eius provinciarum imperia sint partiti; ut veterani, qui ab eodem lecti erant in colonias, moliti relictis illis in Graeciam redire a Pithone sint deleti. Bellum Lamiacum, quod Antipater in Graecia gessit. Bellum quo Perdiccas regem Ariarathem occidit; occisus est. Bellum quo Eumenes Neoptolemum et Crateron occidit. Additae in excessu origines regesque Quirenarum.
Liber XIII 1 (1) Extincto in ipso aetatis ac victoriarum flore Alexandro Magno triste apud omnes tota Babylonia silentium fuit. (2) Sed nec devictae gentes fidem nuntio habuerunt, quod ut invictum regem ita inmortalem esse crediderant, (3) recordantes quotiens praesenti morte ereptus esset, quam saepe pro amisso repente se non sospitem tantum suis, verum etiam victorem obtulisset. (4) Ut vero mortis eius fides adfuit, omnes barbarae gentes paulo ante ab eo devictae non ut hostem eum, sed ut parentem luxerunt. (5) Mater quoque Darii regis, quae amisso filio a fastigio tantae maiestatis in captivitatem redacta indulgentia victoris in eam diem vitae non paenituerat, audita morte Alex andri mortem sibi ipsa conscivit, (6) non quod hostem filio praeferret, sed quod pietatem filii in eo, quem ut hostem timuerat, experta esset. (7) Contra Macedones versa vice non ut civem ac tantae maiestatis regem, verum ut hostem amissum gaudebant, et severitatem nimiam et adsidua belli pericula execrantes. (8) Huc accedebat, quod principes regnum et imperia, vulgus militum thesauros et grande pondus auri velut inopinatam praedam spectabant, illi successionem regni, hi opum ac divitiarum hereditatem cogitantes. (9) Erant enim in thesauris L milia talentum et in annuo vectigali tributo tricena milia.
Vorwort zum 13. Buch Das dreizehnte Buch enthält Folgendes: Wie nach Alexanders Tod die Vornehmsten seines Lagers die Herrschaft über die Provinzen unter sich verteilten. Wie die altgedienten Soldaten, die er für die neuen Niederlassungen ausgewählt hatte, diese verließen und beabsichtigten, nach Griechenland zurückzukehren, und wie sie von Peithon vernichtet wurden. Den Lamischen Krieg, den Antipatros in Griechenland führte. Den Krieg, in dem Perdikkas König Ariarathes tötete. Wie er selbst getötet wurde. Den Krieg, in dem Eumenes Neoptolemos und Krateros tötete. Hinzugefügt sind in einem Exkurs die Ursprünge und die Könige von Kyrene.
Buch 13 1 (1) Als Alexander der Große mitten in der Blüte seines Lebens und seiner Siege starb,1 herrschte in ganz Babylon bei allen trauriges Schweigen. (2) Aber gerade die besiegten Völkerschaften schenkten der Nachricht keinen Glauben, weil sie den König ebenso für unsterblich wie auch für unbesiegbar gehalten hatten. (3) Denn sie erinnerten sich daran, wie oft er dem drohenden Tod entrissen worden war, wie oft er, als man ihn für verloren hielt, plötzlich seinen eigenen Leuten nicht nur wohlbehalten, sondern auch siegreich entgegengetreten war. (4) Sobald aber sein Tod bestätigt wurde, betrauerten ihn alle Barbarenstämme, die er kurz zuvor besiegt hatte, nicht wie einen Feind, sondern wie einen Vater. (5) Auch die Mutter des Königs Dareios2, die nach dem Verlust ihres Sohnes von der Höhe einer so großen Würdenstellung in Gefangenschaft geraten, aber wegen der Nachsicht des Siegers bis zu diesem Tag ihres Lebens nicht überdrüssig gewesen war, beging auf die Nachricht von Alexanders Tod Selbstmord3, (6) nicht etwa weil sie den Feind dem Sohn vorzöge, sondern weil sie ja die Ergebenheit eines Sohnes an demjenigen erfahren habe, den sie wie einen Feind gefürchtet hatte. (7) Umgekehrt freuten sich dagegen die Makedonen, als hätten sie nicht einen Mitbürger und König von so großer Würde, sondern einen Feind verloren, und verfluchten sowohl seine allzu große Strenge als auch die ständigen Gefahren des Krieges. (8) Hinzu kam, dass die Befehlshaber Herrschaft und Kommandostellen, die Masse der einfachen Soldaten Schätze und eine große Menge Gold wie eine unvermutete Beute erwarteten, wobei jene an die Nachfolge in der Herrschaft, diese an die Erbschaft des Vermögens und der Reichtümer dachten. (9) In den Schatzkammern befanden sich nämlich fünfzigtausend Talente und an jährlichen Tributabgaben jeweils dreißigtausend.
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(10) Sed nec amici Alexandri frustra regnum spectabant. Nam eius virtutis ac venerationis erant, ut singulos reges putares; (11) quippe ea formae pulchritudo et proceritas corporis et virium ac sapientiae magnitudo in omnibus fuit, ut qui eos ignoraret, non ex una gente, sed ex toto terrarum orbe electos iudicaret. (12) Neque enim umquam ante Macedonia vel ulla gens alia tam clarorum virorum proventu floruit, (13) quos primo Philippus, mox Alexander tanta cura legerat, ut non tam ad societatem belli quam in successionem regni electi viderentur. (14) Quis igitur miretur talibus ministris orbem terrarum victum, cum exercitus Macedonum tot non ducibus, sed regibus regeretur? (15) qui numquam sibi repperissent pares, si non inter se concurrissent, multosque Macedonia pro uno Alexandros habuisset, nisi Fortuna eos aemulatione virtutis in perniciem mutuam armasset. 2 (1) Ceterum occiso Alexandro non ut laeti ita et securi fuere omnibus unum locum conpetentibus, (2) nec minus milites quam invicem se timebant, quorum et libertas solutior et favor incertus erat. (3) Inter ipsos vero aequalitas discordiam augebat nemine tantum ceteros excedente, ut ei aliquis se submitteret. (4) Armati itaque in regiam coeunt ad formandum rerum praesentium statum. (5) Perdicca censet Roxanes expectari partum, quae exacto mense octavo matura iam ex Alexandro erat, et si puerum peperisset, hunc dari successorem patri. (6) Meleager negat differenda in partus dubios consilia, neque expectandum, dum reges sibi nascerentur, cum iam genitis uti liceret; (7) seu puer illis placeat, esse Pergami filium Alexandri natum ex Barsine, nomine Herculem, (8) seu mallent iuvenem, esse in castris fratrem Alexandri Arridaeum, comem et cunctis non suo tantum, verum et patris Philippi nomine acceptissimum. (9) Ceterum Roxanen esse originis Persicae, nec esse fas, ut Macedonibus ex sanguine eorum, quorum regna deleverint, reges constituantur, (10) quod nec ipsum Alexandrum voluisse dicit; denique morientem nullam de eo mentionem habuisse. (11) Ptolomeus recusabat regem Arridaeum non propter maternas modo sordes,
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(10) Aber Alexanders Freunde strebten nicht unberechtigt nach der Herrschaft. Denn sie besaßen solche Tüchtigkeit und Würde, dass man jeden Einzelnen für einen König hätte halten können. (11) Denn alle hatten eine solch schöne Gestalt, einen solch hohen Körperwuchs und solch große Kraft und Weisheit, dass einer, der sie nicht kannte, hätte glauben können, sie seien nicht aus einem einzigen Volksstamm, sondern aus der ganzen Welt ausgewählt worden. (12) Denn niemals zuvor hatte Makedonien oder ein anderes Volk diesen Vorrat an berühmten Männern, der es in solcher Blüte stehen ließ. (13) Diese Männer hatte anfangs Philipp, dann Alexander mit so großer Sorgfalt ausgewählt, dass es den Anschein hatte, als wären sie nicht so sehr zur Teilnahme an einem Krieg als vielmehr zur Nachfolge in der Herrschaft auserlesen worden. (14) Wer dürfte sich also wundern, dass mit solchen Helfern der Erdkreis besiegt wurde, da das Heer der Makedonen nicht von so vielen Feldherren, sondern von so vielen Königen gelenkt wurde? (15) Sie hätten niemals Gegner gefunden, die ihnen ebenbürtig gewesen wären, wenn sie nicht gegenseitig aneinandergeraten wären, und Makedonien hätte viele Männer vom Rang eines Alexander anstatt nur eines einzigen gehabt, wenn nicht das Schicksal sie in ihrem Wetteifer um die Tüchtigkeit zu ihrem gegenseitigen Verderben bewaffnet hätte.4 2 (1) Freilich waren sie nach Alexanders Tod zwar froh, aber nicht sorglos, da sie alle gemeinsam nach der einen Rangstelle strebten (2) und auch die Soldaten, deren Freiheit allzu zügellos und deren Gunst zudem unsicher war, nicht weniger als sich gegenseitig fürchteten. (3) Unter ihnen selbst aber vermehrte ihre Gleichheit die Zwietracht, da keiner die Übrigen so sehr überragte, dass einer sich ihm untergeordnet hätte. (4) Sie versammelten sich daher bewaffnet im Palast, um die gegenwärtigen Angelegenheiten zu regeln. (5) Perdikkas5 riet, die Niederkunft der Rhoxane6 abzuwarten, die schon im achten Monat von Alexander schwanger war, und wenn sie einen Knaben gebäre, diesen zum Nachfolger des Vaters zu machen. (6) Meleagros7 sagte, man dürfe die Beschlüsse nicht auf zweifelhafte Geburten hinausschieben und nicht warten, bis ihnen Könige geboren würden, da man sich doch derer bedienen könne, die bereits geboren seien: (7) Wenn sie einen Knaben wollten, so gebe es in Pergamon einen von Barsine8 geborenen Sohn Alexanders namens Herakles9, (8) oder wenn sie lieber einen Jüngling wollten, so befinde sich im Lager ein Bruder Alexanders, Arridaios10, der umgänglich und bei allen nicht nur aufgrund seiner Person, sondern auch aufgrund des Namens seines Vaters Philipp äußerst beliebt sei. (9) Dagegen sei Rhoxane persischer Abstammung, und es sei nicht recht, dass für die Makedonen aus dem Blut derer, deren Reiche sie vernichtet hätten, Könige eingesetzt würden, (10) was – wie er sagte – nicht einmal Alexander selbst gewollt habe; schließlich sei er bei seinem Tod nicht auf das Kind zu sprechen gekommen. (11) Ptolemaios11 lehnte Arridaios als König ab, nicht nur wegen der nie-
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quod ex Larissaeo scorto nasceretur, sed etiam propter valetudinem maiorem, quam patiebatur, ne ille nomen regis, alius imperium teneret; (12) melius esse ex his legi, qui prae virtute regi suo proximi fuerint, qui provincias regant, quibus bella mandentur, quam sub persona regis indignorum imperio subiciantur. (13) Vicit Perdiccae sententia consensu universorum. (14) Placuit itaque Roxanes expectari partum, et, si puer natus fuisset, tutores Leonatum et Perdiccam et Crateron et Antipatrum constituunt confestimque in tutorum obsequia iurant. 3 (1) Cum equites quoque idem fecissent, pedites indignati nullas sibi consiliorum partes relictas Arridaeum, Alexandri fratrem, regem appellant satellites que illi ex turba sua legunt et nomine Philippi patris vocari iubent. (2) Quae cum nuntiata equitibus essent, legatos ad mitigandos eorum animos duos ex proceribus, Attalum et Meleagrum mittunt, qui potentiam ex vulgi adulatione quaerentes omissa legatione militibus consentiunt. (3) Statim et seditio crevit, ubi caput et consilium habere coepit. (4) Tum ad delendum equitatum cuncti in regiam armati inrumpunt, (5) quo cognito equites trepidi ab urbe discedunt castrisque positis et ipsi pedites terrere coeperunt. (6) Sed nec procerum inter se odia cessabant. (7) Attalus ad interficiendum Perdiccam, ducem partis alterius, mittit, (8) ad quem armatum et ultro provocantem cum accedere percussores ausi non fuissent, tanta constantia Perdiccae fuit, ut ultro ad pedites veniret et in contionem vocatos edoceret, quod facinus molirentur. (9) Respicerent contra quos arma sumpsissent: non illos Persas, sed Macedonas, non hostes, sed cives esse, plerosque etiam cognatos eorum, certe conmilitones, eorundem castrorum ac periculorum socios; (10) edituros deinde egregium hostibus suis spectaculum, ut quorum armis victos se doleant, eorum mutuis caedibus gaudeant, parentaturosque sanguine suo manibus hostium a se interfectorum.
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deren Abkunft seiner Mutter, weil er von einer Hure12 aus Larissa geboren sei, sondern auch wegen der schlimmen Krankheit13, an der er litt, damit nicht Arridaios den bloßen Königstitel, ein anderer aber die Herrschaft besitze. (12) Besser sei es, aus den Männern auszuwählen, die wegen ihrer Tüchtigkeit ihrem König am nächsten gestanden hätten, die Provinzen verwalteten, denen Kriege anvertraut seien, als dass sie angeblich der Person des Königs, tatsächlich aber der Herrschaft Unwürdiger unterworfen seien. (13) Die Meinung des Perdikkas wurde durch einstimmigen Beschluss angenommen. (14) Man beschloss daher, Rhoxanes Niederkunft abzuwarten, und sie setzten, würde ein Knabe geboren, Leonatos14, Perdikkas, Krateros15 und Antipatros16 als seine Vormunde ein und schworen diesen Vormunden unverzüglich Gehorsam. 3 (1) Als auch die Reiter dasselbe taten, entrüsteten die Fußsoldaten sich darüber, dass man ihnen kein Mitspracherecht bei den Beratungen überlassen hatte, und ernannten Arridaios, Alexanders Bruder, zum König. Und sie wählten für ihn aus ihren eigenen Leuten Leibwächter aus und ordneten an, ihn nach dem Namen seines Vaters Philippos zu nennen. (2) Als den Reitern das gemeldet wurde, schickten sie zwei von den Vornehmen, Attalos17 und Meleagros, als Gesandte zu ihnen, um sie zu beschwichtigen. Diese suchten aber, durch Schmeichelei gegenüber dem einfachen Volk für sich selbst Macht zu erringen, missachteten ihre Pflicht als Gesandte und stimmten den Soldaten zu. (3) Sofort wuchs auch der Aufstand, sobald es einen Anführer und Plan gab. (4) Dann drangen alle bewaffnet in den Palast ein, um die Reiterei zu vernichten. (5) Auf diese Kunde hin entfernten sich die Reiter ängstlich von der Stadt, schlugen ein Lager auf und begannen nun ihrerseits, die Fußsoldaten in Schrecken zu versetzen. (6) Aber auch die gegenseitigen Hassgefühle der Vornehmen ließen nicht nach. (7) Attalos18 schickte Leute aus, um Perdikkas, den Anführer der anderen Partei, zu töten. (8) Während die Mörder nicht wagten, sich ihm zu nähern, weil er bewaffnet war und sie von sich aus herausforderte, war die Standhaftigkeit des Perdikkas so groß, dass er von sich aus zu den Fußsoldaten ging, sie zu einer Versammlung rief und ihnen vor Augen hielt, welches Verbrechen sie planten. (9) Sie sollten bedenken, gegen wen sie die Waffen ergriffen hätten: Jene seien keine Perser, sondern Makedonen, keine Feinde, sondern Mitbürger, die meisten auch ihre Verwandten, jedenfalls Kriegskameraden, Gefährten ein und desselben Lagers und derselben Gefahren. (10) Ferner würden sie ihren Feinden ein vortreffliches Schauspiel bieten, sodass diese sich über das gegenseitige Morden derjenigen freuen könnten, von denen sie zu ihrem Schmerz mit Waffengewalt besiegt worden seien, und sie würden mit ihrem eigenen Blut den Seelen der von ihnen getöteten Feinde Totenopfer darbringen.
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4 (1) Haec cum pro singulari facundia sua Perdicca perorasset, adeo movit pedites, ut probato consilio eius dux ab omnibus legeretur. (2) Tum equites in concordiam revocati in Arridaeum regem consentiunt. (3) Servata est portio regni Alexandri filio, si natus esset. (4) Haec agebantur posito in medio Alexandri corpore, ut maiestas eius testis decretorum esset. (5) His ita compositis Macedoniae et Graeciae Antipater praeponitur, regiae pecuniae custodia Cratero traditur, castrorum et exercitus et rerum cura Meleagro et Perdiccae adsignatur; (6) iubeturque Arridaeus rex corpus Alexandri in Hammonis templum deducere. (7) Tunc Perdicca, infensus seditionis auctoribus, repente ignaro collega lustrationem castrorum propter mortem regis in posterum edicit. (8) Postquam armatum exercitum in campo constituit, consentientibus universis evocatos, dum transit, de singulis manipulis seditiosos supplicio tradi occulte iubet. (9) Reversus inde inter principes provincias dividit, simul ut et aemulos removeret et munus imperii beneficii sui faceret. (10) Prima Ptolomeo Aegyptus et Africae Arabiaeque pars sorte venit, quem ex gregario milite Alexander virtutis causa provexerat; (11) cui ad tradendam provinciam Cleomenes, qui Alexandriam aedificaverat, datur. (12) Confinem huic provinciae Syriam Laomedon Mytilenaeus, Ciliciam Philotas accipiunt. (13) Pitho Illyrius Mediae maiori, Atropatos minori, socer Perdiccae, praeponitur. (14) Susiana gens Coeno, Phrygia maior Antigono, Philippi filio, adsignatur. (15) Lyciam et Pamphyliam Nearchus, Cariam Cassander, Lydiam Menander sortiuntur. (16) Leonato minor Phrygia evenit; Thracia et regiones Pontici maris Lysimacho, Cappadocia cum Paphlagonia Eumeni data. (17) Summus castrorum tribunatus Seleuco, Antiochi filio, cessit. (18) Stipatoribus regis satellitibusque Cassander, filius Antipatri, praeficitur. (19) In Bactriana ulteriore et Indiae regionibus priores praefecti retenti. (20) Seras inter amnes Hydaspem et Indum Taxiles habebat. (21) In colonias in Indis conditas Pithon, Agenoris filius, mittitur. Parapamenos, finem Caucasi montis, Oxyartes accepit. (22) Arachossi Cedrossique Sibyrtio traduntur;
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4 (1) Als Perdikkas das mit seiner einzigartigen Beredsamkeit vortrug, beeindruckte er die Fußsoldaten so sehr, dass sein Plan Beifall fand und er von allen zum Anführer gewählt wurde. (2) Dann ließen sich auch die Reiter wieder zur Eintracht bewegen und einigten sich auf Arridaios als König. (3) Ein Teil des Reiches wurde für Alexanders Sohn, falls ein solcher geboren werden sollte, aufbewahrt. (4) Das wurde verhandelt, während Alexanders Leichnam in ihrer Mitte aufgebahrt war, damit seine erhabene Würde Zeuge ihrer Beschlüsse war. (5) Als die Verhältnisse so geordnet waren, wurde Antipatros mit dem Oberbefehl über Makedonien und Griechenland betraut; die Aufsicht über das königliche Vermögen wurde Krateros übertragen, die Verwaltung des Lagers, des Heeres und der inneren Belange Meleagros und Perdikkas zugewiesen; (6) und König Arridaios19 erhielt den Befehl, Alexanders Leichnam in den Tempel des Ammon zu überführen.20 (7) Dann ordnete Perdikkas, aufgebracht über die Rädelsführer der Meuterei, plötzlich ohne Wissen seines Amtskollegen21 für den folgenden Tag ein Sühneopfer für das Heerlager wegen des Todes des Königs22 an. (8) Als er das Heer bewaffnet auf dem Feld hatte Aufstellung nehmen lassen, schritt er durch die Reihen, rief unter allgemeinem Einverständnis aus den einzelnen Kompanien die Meuterer heraus und ließ sie heimlich hinrichten. (9) Nach seiner Rückkehr verteilte er dann die Provinzen unter den Befehlshabern23, um seine Rivalen zu entfernen und zugleich auch einen Kommandoposten zu seinem persönlichen Gnadengeschenk machen. (10) Zuerst fielen Ägypten und ein Teil Afrikas und Arabiens durch das Los Ptolemaios zu, den Alexander wegen seiner Tapferkeit aus dem Rang eines einfachen Soldaten befördert hatte. (11) Ptolemaios wurde an Kleomenes, den Erbauer Alexandrias, verwiesen, um sich die Provinz übergeben zu lassen. (12) Das an diese Provinz angrenzende Syrien erhielt Laomedon aus Mytilene, Kilikien Philotas24. (13) Der Illyrer Peithon erhielt den Oberbefehl über Großmedien, Atropatos, der Schwiegervater des Perdikkas, den Oberbefehl über Kleinmedien. (14) Der Volksstamm von Susiana wurde Koinos, Großphrygien Antigonos25, dem Sohn des Philippos, zugewiesen. (15) Lykien und Pamphylien erhielt Nearchos, Karien Kassandros, Lydien Menandros durch das Los zugeteilt. (16) Leonatos fiel Kleinphrygien zu; Thrakien und die Gebiete am Schwarzen Meer wurden Lysimachos26, Kappadokien mitsamt Paphlagonien Eumenes27 gegeben. (17) Das oberste Tribunenamt im Lager fiel Seleukos28, dem Sohn des Antiochos, zu.29 (18) Der Oberbefehl über die Begleiter und Leibwächter des Königs wurde Kassandros30, dem Sohn des Antipatros, übertragen. (19) Im jenseitigen Baktrien und in den Gegenden Indiens wurden die früheren Statthalter beibehalten. (20) Die Serer zwischen dem Fluss Hydaspes und dem Indus beherrschte Taxiles. (21) In die bei den Indern gegründeten Niederlassungen wurde Peithon, der Sohn des Agenor, geschickt. Die Parapamener und das Gebiet des Kaukasusberges erhielt Oxyartes31. (22) Die Arachossier und die Gedrossier wurden Sibyrtios übergeben, die
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Drancae et Arei Stasanori. (23) Bactrianos Amyntas sortitur, Sogdianos † Sicheos Staganor, Parthos Philippus, Hyrcanos Phrataphernes, Carmanos Tle ptolemus, Persas Peucestes, Babylonios Archon Pellaeus, Arcesilaus Mesopotamiam. (24) Cum haec divisio velut fatale munus singulis contigisset, ita magna incrementorum memoria plurimis fuit; (25) siquidem non magno post tempore, quasi regna, non praefecturas divisissent, sic reges ex praefectis facti magnas opes non sibi tantum paraverunt, verum etiam posteris reliquerunt. 5 (1) Dum haec in Oriente aguntur, in Graecia Athenienses et Aetoli bellum, quod iam vivo Alexandro moverant, summis viribus instruebant. (2) Causae belli erant, quod reversus ab India Alexander epistulas in Graeciam scrips erat, quibus omnium civitatium exules, praeter caedis damnati, restituebantur. (3) Quae recitatae praesenti universa Graecia in mercatu Olympiaco magnos motus fecerunt, (4) quia plurimi non legibus pulsi patria, sed per factionem principum fuerunt, verentibus isdem principibus, ne revocati potentiores in re publica fierent. (5) Palam igitur iam tunc multae civitates libertatem bello vindicandam fremebant. (6) Principes tamen omnium Athenienses et Aeto li fuere. (7) Quod cum nuntiatum Alexandro esset, mille naves longas sociis imperari praeceperat, quibus in Occidente bellum gereret, excursurusque cum valida manu fuerat ad Athenas delendas. (8) Igitur Athenienses contracto XXX milium exercitu et ducentis navibus bellum cum Antipatro, cui Graecia sorte evenerat, gerunt eumque detractantem proelium et Heracleae urbis moenibus tuentem se obsidione cingunt. (9) Eodem tempore Demosthenes, Atheniensis orator, pulsus patria ob crimen accepti ab Harpago auri, qui crudelitatem Alexandri fugerat, quod civitatem in eiusdem Alexandri bellum inpelleret, forte Megaris exulabat. (10) Qui ut missum ab Atheniensibus Hyperidem legatum cognovit, qui Peloponnesum in societatem armorum sollicitaret, secutus eum Sicyona, Argos et Corinthum ceterasque civitates eloquentia sua Atheniensibus iunxit. (11) Ob quod factum missa ab Atheniensibus obviam navi ab exilio revocatur. (12) Interim in obsidione Antipatri Leosthenes, dux
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Dranken und die Areier Stasanor. (23) Die Baktrianer erhielt Amyntas durch das Los zugeteilt, die Sogdianer Sicheos Staganor32, die Parther Philippos, die Hyrkaner Phrataphernes, die Karmanier Tleptolemos, die Perser Peukestes, die Babylonier Archon aus Pella, Arkesilaos Mesopotamien. (24) Diese Verteilung war für jeden Einzelnen wie ein Geschenk des Schicksals gekommen und bedeutete so für die meisten ein bedeutendes Ereignis ihres Machtzuwachses. (25) Denn nicht lange Zeit danach wurden so, als ob sie Königreiche und keine Befehlshaberstellen verteilt hätten, Könige aus den Statthaltern, und sie erwarben nicht nur für sich große Macht, sondern hinterließen sie auch ihren Nachkommen. 5 (1) Während das im Orient geschah, rüsteten in Griechenland die Athener und Aitoler mit höchster Kraftanstrengung zum Krieg33, den sie schon zu Lebzeiten Alexanders erregt hatten. (2) Die Ursache des Krieges war, dass Alexander nach seiner Rückkehr aus Indien Briefe nach Griechenland geschrieben hatte, in denen die Verbannten aller Staaten zurückgerufen wurden, mit Ausnahme derer, die wegen Mordes verurteilt waren. (3) Als diese Anordnungen in Gegenwart von ganz Griechenland auf der Festversammlung zu Olympia verlesen wurden,34 verursachten sie großen Aufruhr, (4) weil die meisten Verbannten nicht nach den Gesetzen aus ihrem Vaterland vertrieben worden waren, sondern durch die Partei hochgestellter Männer, und nun fürchteten ebendiese Männer, die Zurückgerufenen würden im Staat allzu mächtig werden. (5) Unverhohlen murrten also schon damals viele Staaten, man müsse die Freiheit durch einen Krieg wiederherstellen. (6) Die Ersten von allen waren jedoch die Athener und Aitoler. (7) Als Alexander das gemeldet wurde, hatte er angeordnet, den Verbündeten die Stellung von tausend Kriegsschiffen zu befehlen, um mit ihnen im Okzident zu Krieg führen; und er wollte mit dieser starken Schar auslaufen, um Athen zu zerstören. (8) Also zogen die Athener ein dreißigtausend Mann starkes Heer und zweihundert Schiffe zusammen und führten Krieg gegen Antipatros, dem Griechenland durch das Los zugefallen war. Als Antipatros sich nicht auf eine Schlacht einließ und hinter den Mauern der Stadt Herakleia Schutz suchte, schlossen die Athener ihn durch einen Belagerungsring ein. (9) Zur selben Zeit wurde Demosthenes35, der athenische Redner, aus seinem Vaterland vertrieben. Denn man hatte ihn beschuldigt, von Harpagos36, der vor Alexanders Grausamkeit geflohen war, dafür Gold angenommen zu haben, dass er den Staat zu einem Krieg eben gegen Alexander verleite. Und nun lebte Demosthenes zufällig in Megara in Verbannung. (10) Wie er erfuhr, dass die Athener Hypereides37 als Gesandten geschickt hatten, um die Peloponnes zur Waffengemeinschaft aufzuwiegeln, folgte er ihm und brachte Sikyon, Argos, Korinth und die übrigen Staaten durch seine Beredsamkeit zum Anschluss an die Athener. (11) Wegen dieser Leistung schickten ihm die Athener ein Schiff entgegen und riefen ihn aus der Verbannung zurück. (12) Unterdessen wurde Leosthenes38, der Anfüh-
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Atheniensium, telo a muris in transeuntem iacto occiditur. (13) Quae res tantum animorum Antipatro dedit, ut etiam vallum rescindere auderet. (14) Auxilium deinde a Leonato per legatos petit, qui cum venire cum exercitu nuntiatus esset, obvii ei Athenienses cum instructis copiis fuere, ibique equestri proelio gravi vulnere ictus extinguitur. (15) Antipater tametsi auxilia sua videret victa, morte tamen Leonati laetatus est; quippe et aemulum sublatum et vires eius accessisse sibi gratulabatur. (16) Statim igitur exercitu eius recepto, cum par hostibus etiam proelio videretur, solutus obsidione in Macedoniam concessit. (17) Graecorum quoque copiae finibus Graeciae hoste pulso in urbes dilapsae. 6 (1) Interea Perdicca bello Ariarathi, regi Cappadocum, inlato proelio victor nihil praemii praeter vulnera et pericula rettulit. (2) Quippe hostes ab acie in urbem recepti occisis coniugibus et liberis domos quisque suas cum omnibus copiis incenderunt; (3) eodem congestis etiam servitiis semet ipsi praecipitant, ut nihil hostis victor suarum rerum praeter incendii spectaculo frueretur. (4) Inde, ut viribus auctoritatem regiam adquireret, ad nuptias Cleopatrae, sororis Alex andri Magni et alterius Alexandri quondam uxoris, non aspernante Olympiade, matre eius, intendit, (5) sed prius Antipatrum sub adfinitatis obtentu capere cupiebat. (6) Itaque fingit se in matrimonium filiam eius petere, quo facilius ab eo supplementum tironum ex Macedonia obtineret. (7) Quem dolum praesentiente Antipatro, dum duas eodem tempore uxores quaerit, neutram obtinuit. (8) Post haec bellum inter Antigonum et Perdiccam oritur. (9) Antigono Crateros et Antipater auxilium ferebant, qui facta cum Atheniensibus pace Polyperchonta Graeciae et Macedoniae praeponunt. (10) Perdicca alienatis regibus, Arridaeo et Alexandro, Magni filio, in Cappadocia, quorum cura illi mandata fuerat, de summa belli in consilium adhibet. (11) Quibusdam placebat bellum in Macedoniam transferri, ad ipsum fontem et caput regni, ubi et Olympias esset, mater Alexandri, (12) non mediocre momentum partium et civium favor
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rer der Athener, bei der Belagerung des Antipatros durch ein Geschoss getötet, das von den Mauern auf ihn geschleudert wurde, als er vorbeiging. (13) Dieser Vorfall verlieh Antipatros so großen Mut, dass er sogar den Wall einzureißen wagte. (14) Hierauf bat er Leonatos durch Gesandte um Hilfe. Als gemeldet wurde, Leonatos marschiere mit einem Heer heran, rückten die Athener ihm mit gerüsteten Truppen entgegen. Dort wurde Leonatos in einem Reitergefecht schwer verwundet und starb. (15) Obgleich Antipatros seine eigenen Hilfstruppen besiegt sah, freute er sich dennoch über den Tod des Leonatos. Denn er beglückwünschte sich, dass ein Rivale beseitigt war und zudem dessen Streitkräfte ihm zugefallen waren. (16) Sofort brachte er also das Heer des Leonatos an sich. Weil Antipatros den Feinden auch in einer Schlacht gewachsen zu sein glaubte, befreite er sich aus der Belagerung und begab sich nach Makedonien. (17) Als der Feind aus dem Gebiet Griechenlands vertrieben war, gingen auch die Truppen der Griechen in ihre Städte auseinander. 6 (1) Inzwischen griff Perdikkas Ariarathes39, den König der Kappadokier, an und ging aus der Schlacht als Sieger hervor, trug aber keine Beute außer Wunden und Gefahren davon. (2) Denn die Feinde zogen sich aus der Schlacht in ihre Stadt zurück, töteten ihre Frauen und Kinder und steckten allesamt ihre Häuser zusammen mit all ihrer Habe in Brand. (3) Dorthin trieben sie auch ihre Sklaven und stürzten sich dann selbst hinein, damit der siegreiche Feind sich an nichts aus ihrem Besitz außer am Anblick der Feuersbrunst erfreuen konnte. (4) Darauf richtete Perdikkas, um seiner Macht königliches Ansehen zu verschaffen, sein Streben auf eine Hochzeit mit Kleopatra40, der Schwester Alexanders des Großen und ehemaligen Gemahlin des anderen Alexandros41, ohne dass ihre Mutter Olympias das ablehnte. (5) Vorher aber wollte er Antipatros unter dem Vorwand einer Verschwägerung für sich gewinnen. (6) Daher gab er vor, er bewerbe sich um die Hochzeit mit der Tochter des Antipatros42, um von ihm umso leichter eine Ergänzungsmannschaft von Rekruten aus Makedonien erhalten zu können. (7) Da Antipatros jedoch diese List im Voraus merkte, erhielt Perdikkas, während er zur selben Zeit zwei Gattinnen suchte, keine von beiden. (8) Danach brach zwischen Antigonos und Perdikkas ein Krieg aus. (9) Antigonos erhielt von Krateros und Antipatros Hilfe. Diese schlossen mit den Athenern Frieden und betrauten Polyperchon mit dem Oberbefehl über Griechenland und Makedonien. (10) Perdikkas hatte die Könige, Arridaios und Alexander43, den Sohn Alexanders des Großen, über die ihm die Aufsicht übertragen worden war, weggebracht und zog in Kappadokien seine Freunde über die Gesamtleitung des Krieges zurate. (11) Einige waren der Meinung, man müsse den Krieg nach Makedonien hinübertragen, gerade zur Quelle und zum Haupt des Reiches, wo auch Olympias, Alexanders Mutter, sei, (12) eine nicht unbeträchtliche Verstärkung für die Parteien und die Gunst der Bürger wegen
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propter Alexandri Philippique nomina; (13) sed in rem visum est ab Aegypto incipere, ne in Macedoniam profectis Asia a Ptolomeo occuparetur. (14) Eumeni praeter provincias, quas acceperat, Paphlagonia et Caria et Lycia et Phrygia adiciuntur. (15) Ibi Crateron et Antipatrum opperiri iubetur; adiutores ei dantur cum exercitibus suis frater Perdiccae Alcetas et Neoptolemus; (16) Clito cura classis traditur; Cilicia Philotae adempta Philoxeno datur; ipse Perdicca Aegyptum cum ingenti exercitu petit. (17) Sic Macedonia in duas partes discurrentibus ducibus in sua viscera armatur, ferrumque ab hostili bello in civilem sanguinem vertit, exemplo furentium manus ac membra sua ipsa caesura. (18) Sed Ptolomeus in Aegypto sollerti industria magnas opes parabat. (19) Quippe et Aegyptios insigni moderatione in favorem sui sollicitaverat et reges finitimos beneficiis obsequiisque devinxerat; (20) terminos quoque imperii adquisita Cyrene urbe ampliaverat factusque iam tantus erat, ut non tam timeret hostes quam timendus ipse hostibus esset. 7 (1) Cyrene autem condita fuit ab Aristaeo, cui nomen Battos propter linguae obligationem fuit. (2) Huius pater Grinus, rex Therae insulae, cum ad oraculum Delphos propter dedecus adulescentis filii nondum loquentis deum deprecaturus venisset, responsum accepit, quo iubebatur filius eius Battos Africam petere et urbem Cyrenen condere; usum ibi linguae accepturum. (3) Cum responsum ludibrio simile videretur propter solitudinem Therae insulae, ex qua coloni ad urbem condendam in Africam tam vastae regionis proficisci iubebantur, res omissa est. (4) Interiecto deinde tempore velut contumaces pestilentia deo parere conpelluntur, quorum tam insignis paucitas fuit, ut vix unam navem conplerent. (5) Cum venissent in Africam, pulsis accolis montem Cyran et propter amoenitatem loci et propter fontis ubertatem occupavere. (6) Ibi Battos, dux eorum, linguae nodis solutis loqui primum coepit, quae res animos eorum ex promissis dei iam parte percepta in reliquam spem condendae urbis
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der Namen Alexander und Philipp. (13) Doch es erschien zweckdienlich, mit Ägypten zu beginnen, damit nicht nach ihrem Abzug nach Makedonien Ptolemaios Asien in Besitz nahm. (14) Eumenes wurden außer den Provinzen, die er schon erhalten hatte, noch Paphlagonien, Karien, Lykien und Phrygien hinzugegeben. (15) Ihm wurde befohlen, dort Krateros und Antipatros zu erwarten; als Helfer wurden ihm Alketas44, der Bruder des Perdikkas, und Neoptolemos mitsamt ihren Heeren beigegeben. (16) Das Kommando über die Flotte wurde Kleitos übertragen; Kilikien wurde Philotas abgenommen und Philoxenos gegeben; Perdikkas selbst zog mit einem gewaltigen Heer nach Ägypten. (17) So bewaffnete sich Makedonien, während die Feldherren in zwei Parteien auseinandergingen, gegen seine eigenen Eingeweide und richtete das Schwert vom Krieg mit den Feinden gegen das Blut der Bürger, um sich nach der Art der Wahnsinnigen seine Hände und Glieder selbst abzuhauen.45 (18) Aber Ptolemaios rüstete in Ägypten geschickt und energisch gewaltige Streitkräfte. (19) Denn er hatte die Ägypter durch sein außerordentlich maßvolles Verhalten dazu gebracht, ihm ihre Gunst zu schenken, und sich auch die benachbarten Könige durch Wohltaten und Gefälligkeiten verpflichtet. (20) Auch die Grenzen seines Reiches hatte er durch die Erwerbung der Stadt Kyrene46 vergrößert, und er war schon so groß geworden, dass er nicht so sehr die Feinde fürchten musste, als vielmehr selbst für die Feinde furchtbar war. 7 (1) Kyrene nun war von Aristaios gegründet worden,47 der wegen seiner Stummheit den Namen Battos48 trug. (2) Sein Vater Grinos49, der König der Insel Thera50, war zum Orakel nach Delphi gekommen, um wegen der Schande seines Sohnes, der als junger Mann noch nicht sprechen konnte, Fürbitte beim Gott einzulegen. Da erhielt er einen Orakelspruch, in dem seinem Sohn Battos befohlen wurde, nach Afrika zu gehen und die Stadt Kyrene zu gründen; dort werde er auch die Fähigkeit erlangen, seine Zunge zu benützen. (3) Diese Antwort sah einem spöttischen Spruch ähnlich, denn die Bevölkerungszahl der Insel Thera war klein – und da erhielten die Leute den Befehl, von dort als Siedler zur Gründung einer Stadt nach Afrika, in ein so unermesslich großes Gebiet, aufzubrechen! Deshalb unterließ man das Vorhaben. (4) Als dann einige Zeit vergangen war, wurden die Bewohner von Thera, als wären sie widerspenstig, durch eine Seuche genötigt, dem Gott zu gehorchen. Ihre Anzahl war so außerordentlich klein, dass sie kaum ein einziges Schiff füllen konnten. (5) Als sie nach Afrika kamen, vertrieben sie die Anwohner und nahmen den Berg Kyras sowohl wegen seiner lieblichen Lage als auch wegen einer ergiebigen Quelle in Besitz.51 (6) Dort begann der Anführer Battos, weil sich das hemmende Band seiner Zunge gelöst hatte, zum ersten Mal zu sprechen. Dieser Umstand entflammte sie, weil sich von den Versprechungen des Gottes ein Teil schon erfüllt hatte, zur Hoffnung auf die Erfüllung des noch übrigen Teils: Die Gründung ei-
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accendit. (7) Positis igitur castris opinionem veteris fabulae accipiunt, Cyrenen, eximiae pulchritudinis virginem, a Thessaliae monte Pelio ab Apolline raptam perlatamque in eiusdem montis iuga, cuius collem occupaverant, a deo repletam quattuor pueros peperisse, Nomium, Aristaeum, Autuchum, Agraeum; (8) missos a patre Hypseo, rege Thessaliae, qui perquirerent virginem, loci amoenitate captos in isdem terris cum virgine resedisse; (9) ex his pueris tres adultos in Thessaliam reversos avita regna recepisse; (10) Aristaeum in Arcadia late regnasse, eumque primum et apium et mellis usum et lactis ad coagula hominibus tradidisse solstitialisque ortus sideris primum invenisse. (11) Quibus auditis Battos virginis nomine ex dei responsis agnito urbem Cyrenen condidit. 8 (1) Igitur Ptolomeus huius urbis auctus viribus bellum in adventum Perdiccae parabat. (2) Sed Perdiccae plus odium adrogantiae quam vires hostium nocebat, quam exosi etiam socii ad Antipatrum gregatim profugiebant. (3) Neoptolemus quoque in auxilium Eumeni relictus non solum transfugere, verum etiam prodere partium exercitum voluit. (4) Quam rem cum praesensisset Eumenes, cum proditore decernere proelio necesse habuit. (5) Victus Neoptolemus ad Antipatrum et Polyperchonta profugit eisque persuadet, ut continuatis mansionibus laeto ex victoria et securo fuga sua Eumeni superveniant. (6) Sed res Eumenen non latuit. Itaque insidiae in insidiatores versae, et qui securum adgressuros se putabant, securis in itinere et pervigilio noctis fatigatis occursum est. (7) In eo proelio Polyperchon occiditur. (8) Neoptolemus quoque cum Eumene congressus diu mutuis vulneribus acceptis conluctatus est; in summa victus occumbit. (9) Victor igitur duobus proeliis continuis Eumenes adflictas partes transitione sociorum paululum sustentavit. (10) Ad postremum tamen Perdicca occiso ab exercitu hostis cum Pithone [et] Illyrio et Alceta, fratre Perdiccae, appellatur bellumque adversus eos Antigono decernitur.
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ner Stadt. (7) Also schlugen sie ein Lager auf und vernahmen die Kunde einer alten Sage: Kyrene, eine junge Frau von außerordentlicher Schönheit, sei von Apollon vom Pelion, einem Berg in Thessalien, geraubt und auf ebendiesen Gebirgskamm gebracht worden, von dem sie selbst eine Anhöhe in Besitz genommen hatten. Sie sei vom Gott geschwängert worden und habe vier Knaben geboren: Nomios, Aristaios, Autuchos und Agraios. (8) Kyrenes Vater Hypseus, der König von Thessalien, habe Leute ausgeschickt, welche die junge Frau suchen sollten, und diese seien, von dem lieblichen Ort bezaubert, mit der jungen Frau in ebendiesem Landstrich zurückgeblieben. (9) Von Kyrenes Knaben seien drei im Erwachsenenalter nach Thessalien zurückgekehrt und hätten das Reich des Großvaters in Besitz genommen. (10) Aristaios habe in Arkadien weithin geherrscht und als Erster die Menschen den Nutzen von Bienen und Honig sowie von Milch zur Gewinnung von Käse gelehrt und als Erster den Aufgang der Sonne im Sommersolstitium entdeckt. (11) Als Battos diese Erzählung hörte, erkannte er den Namen der jungen Frau aus den Orakelsprüchen des Gottes wieder und gründete die Stadt Kyrene. 8 (1) Nun rüstete Ptolemaios, verstärkt durch die Streitkräfte dieser Stadt, zum Krieg gegen den Anmarsch des Perdikkas. (2) Doch der Hass, den sich Perdikkas durch seine Anmaßung zuzog, brachte ihm größeren Schaden als die Streitkräfte der Feinde; denn aus Abscheu dagegen flohen sogar seine Verbündeten scharenweise zu Antipatros. (3) Auch Neoptolemos, den man zur Unterstützung des Eumenes zurückgelassen hatte, wollte nicht nur überlaufen, sondern sogar das Heer seiner Partei verraten. (4) Da Eumenes das im Voraus merkte, hielt er es für notwendig, mit dem Verräter in einer Schlacht eine Entscheidung herbeizuführen. (5) Besiegt floh Neoptolemos zu Antipatros und Polyperchon und überredete sie, Eumenes, der über den Sieg erfreut sei und sich wegen seiner eigenen Flucht in Sicherheit wiege, durch ununterbrochene Tagesmärsche zu überraschen. (6) Doch der Plan blieb Eumenes nicht verborgen. Daher kehrte sich die Hinterlist gegen die Hinterlistigen, und diejenigen, die glaubten, sie könnten einen Mann angreifen, der sich in Sicherheit wiege, wurden selbst angegriffen, als sie sich auf dem Marsch in Sicherheit wiegten und durch das nächtliche Wachbleiben ermüdet waren. (7) In diesem Gefecht wurde Polyperchon getötet.52 (8) Und Neoptolemos, der mit Eumenes kämpfte, rang lange Zeit mit ihm, wobei sie sich gegenseitig Verwundungen beibrachten. Am Ende wurde er besiegt und fiel. (9) Als Eumenes nun aus zwei aufeinanderfolgenden Schlachten als Sieger hervorgegangen war, konnte er seine Partei trotz der Schwächung durch das Überlaufen der Verbündeten noch ein wenig aufrechterhalten. (10) Zuletzt wurde er jedoch nach der Ermordung des Perdikkas vom Heer zusammen mit dem Illyrer Peithon53 und Alketas, dem Bruder des Perdikkas, zum Feind erklärt und der Krieg gegen sie Antigonos übertragen.
Prologus libri XIV Quarto decimo volumine continentur haec. Bellum inter Antigonum et Eumenen gestum: quem ut Cappadocia expulit Antigonus, sic Phrygia minore Arridaeum et Cliton victos in Hellesponto navali bello. Repetitum rursus bellum ab Eumene per Argyraspidas, quo victus ab Antigono interiit. Ut in Macedonia Cassander victo Polyperchonte receptaque a defectore Nicanore Munychia matrem Alexandri Olympiada Pydnae obsessam interfecit.
Liber XIV 1 (1) Eumenes ut Perdiccam occisum, se hostem a Macedonibus iudicatum bellumque Antigono decretum cognovit, ultro ea militibus suis indicavit, (2) ne fama aut rem in maius extolleret aut militum animos rerum novitate terreret; (3) simul an, ut circa se animati essent cognosceret, sumpturus consilium ex motu universorum. (4) Constanter tamen praefatus est, si cui haec terrori essent, habere eum discedendi potestatem. (5) Qua voce adeo cunctos in studium partium suarum induxit, ut ultro illum omnes hortarentur rescissurosque se ferro decreta Macedonum adfirmarent. (6) Tunc exercitu in Aeoliam promoto pecunias civitatibus imperat, recusantes dare hostiliter diripit. (7) Inde Sardas profectus ad Cleopatram, sororem Alexandri Magni, ut eius voce centuriones principalesque confirmarentur, existimaturos ibi maiestatem regiam verti, unde soror Alexandri staret. (8) Tanta veneratio magnitudinis Alexandri erat, ut etiam per vestigia mulierum favor sacrati eius nominis quaereretur. (9) Cum reversus in castra esset, epistulae totis castris abiectae inveniuntur, quibus his, qui Eumenis caput ad Antigonum detulissent, magna praemia definiebantur. (10) His cognitis Eumenes vocatis ad contionem militibus primo gratias agit, quod nemo inventus esset, qui spem cruenti praemii fidei sacramenti anteponeret, (11) tum deinde callide subnectit confictas has a se epistulas ad experiundos suorum animos esse. (12) Ceterum salutem suam in omnium potestate esse, nec Antigonum nec quemquam ducum sic velle vincere,
Vorwort zum 14. Buch Das vierzehnte Buch enthält Folgendes: Den Krieg zwischen Antigonos und Eumenes. Wie Antigonos Eumenes aus Kappadokien vertrieb, ebenso Arridaios und Kleitos aus Kleinphrygien, als er sie am Hellespont in einer Seeschlacht besiegt hatte. Den Krieg, den Eumenes mit Hilfe der Argyraspiden wieder aufnahm und in dem er von Antigonos besiegt wurde und umkam. Wie Kassandros in Makedonien, als er Polyperchon besiegt und von dem abtrünnigen Nikanor1 Munychia2 wiedererobert hatte, Alexanders Mutter, Olympias, in Pydna belagerte und tötete.
Buch 14 1 (1) Wie Eumenes3 erfuhr, dass Perdikkas4 getötet5, er selbst von den Makedonen zum Feind erklärt und der Krieg Antigonos6 übertragen worden war, teilte er das von sich aus seinen Soldaten mit, (2) damit das Gerücht nicht entweder die schwierige Lage noch übertrieb oder die Soldaten durch die neuen Ereignisse in Schrecken versetzte, (3) zugleich auch, um zu erfahren, wie sie ihm gegenüber gesinnt waren, da er entsprechend der allgemeinen Stimmung einen Beschluss fassen wollte. (4) Jedoch schickte er standhaft voraus, wenn diese Vorgänge jemanden in Schrecken versetzten, so habe er die Erlaubnis, wegzugehen. (5) Durch diese Äußerung verleitete er allesamt so sehr zum Eifer für seine eigene Partei, dass sie ihn alle von sich aus anfeuerten und bekräftigen, sie würden die Beschlüsse der Makedonen mit ihrem Schwert ungültig machen. (6) Dann ließ Eumenes das Heer nach Aiolien vorrücken7 und erlegte den Städten Zahlungen auf; diejenigen, die diese Zahlungen verweigerten, plünderte er wie ein Feind. (7) Von da marschierte er nach Sardeis8 zu Kleopatra9, der Schwester Alexanders des Großen, damit durch ihr Wort die Zenturionen und Hauptleute bestärkt wurden, weil sie glauben würden, die Königswürde wende sich der Seite zu, auf der Alexanders Schwester stehe. (8) So gewaltig war die Verehrung für Alexanders Größe, dass man sogar auf den Spuren der Frauen die Gunst suchte, die sein geheiligter Name verlieh. (9) Nach der Rückkehr des Eumenes ins Lager fand man dort Sendschreiben, die im ganzen Lager verstreut waren und in denen für diejenigen, die Antigonos den Kopf des Eumenes brächten, große Belohnungen ausgesetzt wurden. (10) Als Eumenes das erfuhr, rief er die Soldaten zu einer Versammlung und dankte ihnen zuerst, dass sich niemand gefunden habe, der die Hoffnung auf eine mit Blut besudelte Belohnung der Eidestreue vorziehe. (11) Hierauf fügte er dann schlau hinzu, diese Sendschreiben habe er sich selbst ausgedacht, um die Gesinnung seiner Leute auf die Probe zu stellen. (12) Im Übrigen sei sein Leben in der Gewalt aller; weder Antigonos noch irgendeiner der Feldherren wolle so siegen, dass
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ut ipse in se exemplum pessimum statuat. (13) Hoc facto et in praesenti labantium animos deterruit et in futurum providit, ut, si quid simile accidisset, non se ab hoste corrumpi, sed ab duce temptari milites arbitrarentur. (14) Omnes igitur operam suam certatim ad custodiam salutis eius offerunt. 2 (1) Cum interim Antigonus cum exercitu supervenit castrisque positis pos tera die in aciem procedit. (2) Nec Eumenes moram proelio fecit; qui victus in munitum quoddam castellum confugit. (3) Ubi cum videret se fortunam obsidionis subiturum, maiorem exercitus partem dimisit, ne aut consensu multitudinis hosti traderetur aut obsidio ipsa multitudine gravaretur. (4) Legatos deinde ad Antipatrum, qui solus par Antigoni viribus videbatur, supplices mittit, a quo cum auxilia Eumeni missa Antigonus didicisset, ab obsidione recessit. (5) Erat quidem solutus ad tempus metu mortis Eumenes, sed nec salutis dimisso exercitu magna spes erat. (6) Omnia igitur circumspicienti optimum visum est ad Alexandri Magni Argyraspidas, invictum exercitum et tot victoriarum praefulgentem gloria, decurrere. (7) Sed Argyraspides post Alexandrum omnes duces fastidiebant, sordidam militiam sub aliis post tanti regis memoriam existimantes. (8) Itaque Eumenes blandimentis agere, suppliciter singulos adloqui, nunc conmilitones suos, nunc patronos appellans, periculorum orientalium socios, nunc refugia salutis suae et unica praesidia, (9) commemorans solos esse, quorum virtute Oriens sit domitus, solos, qui militiam Liberi patris, qui Herculis monumenta superarint; (10) per hos Alexandrum magnum factum, per hos divinos honores et inmortalem gloriam consecutum. (11) Orat, ut non tam ducem se quam conmilitonem recipiant unumque ex corpore suo esse velint. (12) Receptus hac lege paulatim imperium, primum monendo singulos, mox quae perperam facta erant blande corrigendo usurpat; nihil in castris sine illo agi, nihil administrari sine sollertia illius poterat.
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er gegen sich selbst das schlechteste Beispiel gebe. (13) Dadurch schreckte Eumenes für den Augenblick die Schwankenden ab und traf auch für die Zukunft derart Vorsorge, dass die Soldaten, wenn sich etwas Ähnliches ereignen sollte, glauben würden, sie würden nicht vom Feind bestochen, sondern von ihrem eigenen Feldherrn auf die Probe gestellt. (14) Alle boten ihm nun um die Wette ihren Dienst zum Schutz seines Lebens an. 2 (1) Da kam inzwischen unvermutet Antigonos mit seinem Heer dazu, schlug ein Lager auf und rückte am folgenden Tag zur Schlacht aus.10 (2) Auch Eumenes schob die Schlacht nicht auf; er wurde aber besiegt und flüchtete sich in ein befestigtes Kastell.11 (3) Als er dort sah, dass er das Schicksal einer Belagerung auf sich nehmen musste, entließ er den größeren Teil seines Heeres, damit er nicht entweder infolge eines einstimmigen Beschlusses der Menge dem Feind ausgeliefert oder die Belagerung schon durch die bloße Masse an Leuten belastender wurde. (4) Hierauf schickte er Gesandte als Schutzflehende zu Antipatros12, der als Einziger den Streitkräften des Antigonos gewachsen schien. Als Antigonos erfuhr, dass Antipatros Eumenes Hilfstruppen geschickt hatte, gab er die Belagerung auf. (5) Zwar war Eumenes für den Augenblick von der Todesangst befreit, doch auch die Hoffnung auf Rettung war nach der Entlassung des Heeres nicht groß. (6) Wie er nun alles genau überlegte, schien es ihm das Beste, zu den Argyraspiden13 Alexanders des Großen, dieser unbesiegbaren Heeresschar, die im Ruhm so vieler Siege erglänzte, seine Zuflucht zu nehmen. (7) Aber die Argyraspiden verschmähten nach Alexander alle Feldherren: Denn seit sie des so großen Königs gedachten, hielten sie den Kriegsdienst unter anderen für schmählich. (8) Daher schmeichelte ihnen Eumenes bei den Verhandlungen, sprach jeden Einzelnen demütig flehend an, indem er sie bald seine Kriegskameraden, bald seine Beschützer nannte, seine Gefährten in den Gefahren des Orients, bald die Zuflucht seines Lebens und seinen einzigen Schutz. (9) Dabei erwähnte er, sie allein seien es, deren Tapferkeit den Orient bezwungen habe, sie allein, welche den Kriegsdienst des Vaters Liber, welche die Erinnerungszeichen des Herakles14 übertroffen hätten. (10) Durch sie sei Alexander groß geworden, durch sie habe er göttliche Ehren und unsterblichen Ruhm erlangt. (11) Er bat sie, ihn nicht so sehr als Anführer denn vielmehr als Kriegskameraden aufzunehmen und zu bestimmen, dass er einer von ihrem Verband sei. (12) Als er unter dieser Bedingung aufgenommen worden war, eignete er sich, indem er zuerst jeden Einzelnen ermahnte und dann Fehler schmeichlerisch verbesserte, allmählich den Oberbefehl an. Nichts konnte man im Lager ohne ihn ausführen, nichts ohne seine Geschicklichkeit handhaben.
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3 (1) Ad postremum cum Antigonum venire cum exercitu nuntiatum esset, conpellit in aciem descendere. (2) Ibi cum ducis imperia contemnunt, hostium virtute superantur. (3) In eo proelio non gloriam tantum tot bellorum cum con iugibus et liberis, sed et praemia longa militia parta perdiderunt. (4) Sed Eumenes, qui et auctor cladis erat nec aliam spem salutis reliquam habebat, victos hortabatur. (5) Nam et virtute eos superiores fuisse adfirmabat, quippe ab his V milia hostium caesa, et si in bello perstent, ultro hostes pacem petituros. (6) Damna, quibus se victos putent, duo milia mulierum et paucos infantes et servitia esse, quae melius vincendo possint reparare quam deserendo victoriam. (7) Porro Argyraspides neque fugam se temptaturos dicunt post damna patrimoniorum et post coniuges amissas, neque bellum gesturos contra liberos suos; (8) ultroque eum conviciis agitant, quod se post tot annos emeritorum stipendiorum redeuntes domum cum praemiis tot bellorum ab ipsa missione rursus in novam militiam inmensaque bella revocaverit, (9) et a laribus iam quodam modo suis et ab ipso limine patriae abductos inanibus promissis deceperit, (10) nunc quoque amissis omnibus felicis militiae quaestibus ne victos quidem in misera et inopi senecta quiescere sinat. (11) Ignaris deinde ducibus confestim ad Antigonum legatos mittunt petentes, ut sua reddi iubeat. Is redditurum se pollicetur, si Eumenen sibi tradant. (12) Quibus cognitis Eumenes cum paucis fugere temptavit; sed retractus desperatis rebus, cum concursus multitudinis factus esset, petit ut postremum sibi adloqui exercitum liceret. 4 (1) Iussus ab universis dicere facto silentio laxatisque vinculis prolatam, sicut erat catenatus, manum ostendit. (2) „Cernitis, milites“ inquit, „habitum atque ornamenta ducis vestri, quae mihi non hostium quisquam inposuit; nam hoc etiam solacio foret. (3) Vos me ex victore victum, vos me ex imperatore captivum fecistis, quater intra hunc annum in mea verba iure iurando obstricti estis. (4) Sed ista omitto, neque enim miseros convicia decent; (5) unum oro, si
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3 (1) Als zuletzt gemeldet wurde, Antigonos komme mit einem Heer, zwang Eumenes sie, sich auf eine Schlacht einzulassen.15 (2) Weil sie dort die Befehle ihres Feldherrn missachteten, wurden sie durch die Tapferkeit der Feinde besiegt. (3) In dieser Schlacht verloren sie nicht nur den Ruhm so vieler Kriege mitsamt ihren Ehefrauen und Kindern, sondern auch die durch einen langen Kriegsdienst erworbene Beute. (4) Aber Eumenes, der für diese Niederlage verantwortlich war und keine andere Hoffnung auf Rettung mehr hatte, ermutigte die Besiegten. (5) Denn er versicherte ihnen, dass sie an Tapferkeit überlegen gewesen seien, da sie ja fünftausend Feinde erschlagen hätten, und dass, wenn sie im Krieg ausharrten, die Feinde von sich aus um Frieden bitten würden. (6) Die Verluste, aufgrund derer sie sich für besiegt hielten, beliefen sich auf zweitausend Frauen, wenige Kinder und Sklaven, die sie besser durch einen Sieg wiedererlangen könnten als durch Aufgabe des Sieges. (7) Die Argyraspiden sagten nun aber, sie wollten nach der Einbuße ihres Vermögens und dem Verlust ihrer Ehefrauen weder die Flucht versuchen noch gegen ihre eigenen Kinder Krieg führen. (8) Und von sich aus setzten sie ihm mit Schimpfreden zu: Dass er sie, während sie nach so vielen abgeleisteten Dienstjahren mit der Beute aus so vielen Kriegen nach Hause zurückkehrten, unmittelbar nach ihrer Entlassung wieder zu neuem Kriegsdienst und unermesslich großen Kriegen zurückgerufen habe; (9) und dass er sie gewissermaßen schon von ihren Laren und unmittelbar von der Schwelle des Vaterlandes weggeführt und mit leeren Versprechungen getäuscht habe; (10) und dass er sie auch jetzt, nachdem sie ihren ganzen Gewinn aus einem glücklichen Feldzug verloren hätten, nicht einmal nach ihrer Niederlage im Alter elend und arm ausruhen lasse. (11) Hierauf schickten sie ohne Wissen ihrer Anführer unverzüglich Gesandte zu Antigonos mit der Bitte, er möge den Befehl zur Rückgabe ihres Besitzes erteilen. Dieser versprach ihnen die Rückgabe, wenn sie ihm Eumenes auslieferten. (12) Als Eumenes das erfuhr, versuchte er, mit einigen wenigen zu fliehen. Doch er wurde zurückgeholt und bat in seiner verzweifelten Lage, als die Menge zusammenlief, man möge ihm erlauben, zum letzten Mal eine Ansprache an das Heer zu halten. 4 (1) Er wurde von allen zum Sprechen aufgefordert. Als Stille eingetreten war und man seine Fesseln gelockert hatte, streckte er seine Hand aus, so wie er gebunden war, zeigte sie ihnen und sagte16: (2) „Ihr seht, Soldaten, die Kleidung und den Schmuck eures Feldherrn, den mir nicht einer der Feinde angelegt hat, denn das wäre mir noch ein Trost. (3) Ihr habt mich von einem Sieger zu einem Besiegten, ihr habt mich von einem Feldherrn zu einem Gefangenen gemacht, viermal innerhalb dieses Jahres habt ihr euch durch einen Schwur auf mich verpflichtet. (4) Aber das übergehe ich, denn für Unglückliche sind Schimpfreden unangebracht. (5) Nur um das eine bitte ich euch: Dass ihr mich,
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propositorum Antigoni in meo capite summa consistit, inter vos me velitis mori. (6) Nam neque illius interest, quemadmodum aut ubi cadam, et ego fuero ignominia mortis liberatus. (7) Hoc si inpetro, solvo vos iure iurando, quotiens vos sacramento mihi devovistis. (8) Aut si ipsos pudet roganti vim adhibere, ferrum huc date et permittite, quod vos facturos pro imperatore iurastis, imperatorem pro vobis sine religione iuris iurandi facere.“ (9) Cum non obtineret, preces in iram vertit. (10) „At vos“, ait, „devota capita, respiciant dii periuriorum vindices talesque vobis exitus dent, quales vos ducibus vestris dedistis. (11) Nempe vos idem paulo ante et Perdiccae sanguine estis aspersi et in Antipatrum eadem moliti. (12) Ipsum denique Alexandrum, si fas fuisset eum mortali manu cadere, interempturi, quod maximum erat, seditionibus agitastis. (13) Ultima nunc ego perfidorum victima has vobis diras atque inferias dico: (14) ut inopes extorresque omne aevum in hoc castrensi exilio agatis devorentque vos arma vestra, quibus plures vestros quam hostium duces absumpsistis.“ (15) Plenus deinde irae custodes suos praecedere ad Antigoni castra coepit. (16) Sequitur exercitus prodito imperatore suo et ipse captivus, triumphumque de se ipse ad victoris castra ducit, (17) omnia auspicia regis Alexandri et tot bellorum palmas laureasque una secum victori tradentes; (18) et ne quid deesset pompae, elephanti quoque et auxilia orientalia subsecuntur. (19) Tanto pulchrior haec Antigono quam Alexandro tot victoriae fuerunt, ut, cum ille Orientem vicerit, hic etiam eos, a quibus Oriens victus fuerat, superaverit. (20) Igitur Antigonus domitores illos orbis exercitui suo dividit, redditis eorum quae in victoria ceperat. (21) Eumenen verecundia prioris amicitiae in conspectum suum venire prohibitum adsignari custodibus praecepit. 5 (1) Interea Eurydice, uxor Arridaei regis, ut Polyperchonta a Graecia redire in Macedoniam cognovit et ab eo arcessitam Olympiada, (2) muliebri aemulatione perculsa, abutens valetudine viri, cuius officia sibi vindicabat, (3) scribit regis nomine Polyperchonti, Cassandro exercitum tradat, in quem regni administrationem rex transtulerit. Eadem et in Asiam Antigono per epistulas nuntiat.
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wenn Antigonos vor allem anderen nach meinem Kopf verlangt, in eurer Mitte sterben lasst. (6) Denn ihm liegt nichts daran, wie oder wo ich falle, und ich werde so von der Schande eines unehrenhaften Todes befreit sein. (7) Wenn ihr mir das gewährt, entbinde ich euch von eurem Schwur, sooft ihr euch auch durch einen Diensteid mir geweiht habt. (8) Oder wenn ihr euch selbst schämt, einem Bittenden Gewalt anzutun, dann gebt mir ein Schwert und erlaubt, dass euer Feldherr das, was ihr für euren Feldherrn zu tun geschworen habt, nun für euch ohne heiligen Schwur tut.“ (9) Als er das Schwert nicht erhielt, verwandelten sich seine Bitten in Zorn (10) und er sagte: „Doch auf euch, ihr verfluchten Männer, mögen die Götter, die Rächer des Meineides, blicken und euch ein solches Ende bereiten, wie ihr es euren Feldherren bereitet habt. (11) Denn ihr seid doch diejenigen, die sich kurz zuvor mit dem Blut des Perdikkas bespritzt und auch gegen Antipatros dasselbe beabsichtigt haben. (12) Ihr hättet schließlich sogar Alexander getötet, wenn er von der Hand eines Sterblichen hätte fallen dürfen, und ihr habt ihn – was das Äußerste war – mit Meutereien geplagt. (13) Ich nun, das letzte Opfer von euch Treulosen, widme euch das als Verwünschungen und Totenopfer: (14) Mögt ihr arm und heimatlos euer ganzes Leben verbannt in diesem Lager zubringen, und mögen eure eigenen Waffen euch verschlingen, mit denen ihr mehr eigene als feindliche Feldherren vernichtet habt.“ (15) Voll Zorn begann er hierauf, seinen Wächtern zum Lager des Antigonos voranzugehen. (16) Das Heer folgte ihm, durch den Verrat an seinem Feldherrn auch selbst gefangen, und führte den Triumphzug über sich selbst zum Lager des Siegers, (17) wobei sie alle glücklichen Unternehmungen des Königs Alexander und die Siegespreise und Siegeslorbeeren so vieler Kriege zusammen mit sich selbst dem Sieger auslieferten. (18) Und damit es dem feierlichen Zug an nichts fehlte, folgten auch Elefanten und die Hilfstruppen des Orients nach. (19) Umso herrlicher war dieser eine Sieg für Antigonos als für Alexander so viele, da Alexander den Orient besiegte, Antigonos dagegen auch diejenigen überwand, die den Orient besiegt hatten. (20) So verteilte Antigonos diese Bezwinger des Erdkreises auf sein eigenes Heer, nachdem er ihnen ihren Besitz zurückgegeben hatte, den er beim Sieg erbeutet hatte. (21) Aus Scham wegen ihrer früheren Freundschaft verhinderte er, dass Eumenes vor ihm erschien, und ordnete an, ihn den Wächtern zu übergeben.17 5 (1) Inzwischen erfuhr Eurydike18, die Gemahlin des Königs Arridaios19, dass Polyperchon20 aus Griechenland nach Makedonien zurückkehrte und Olympias21 herbeigerufen hatte. (2) Da nützte sie, von weiblicher Eifersucht angestachelt, den schlechten Gesundheitszustand ihres Gatten22 aus, eignete sich seine Amtsgeschäfte an (3) und schrieb im Namen des Königs an Polyperchon, er solle sein Heer Kassandros23 übergeben, auf den der König die Verwaltung des Reiches übertragen habe. Dasselbe meldete sie brieflich auch Antigonos nach Asien.
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(4) Quo beneficio devinctus Cassander nihil non ex arbitrio muliebris audaciae gerit. (5) Dein profectus in Graeciam multis civitatibus bellum infert. (6) Quarum excidio velut vicino incendio territi Spartani urbem, quam semper armis, non muris defenderant, tunc contra responsa fatorum et veterem maiorum gloriam armis diffisi murorum praesidio includunt. (7) Tantum eos degeneravisse a maioribus, ut, cum multis saeculis murus urbi virtus civium fuerit, tunc cives salvos se non existimaverint fore, nisi intra muros laterent. (8) Dum haec aguntur, Cassandrum a Graecia turbatus Macedoniae status domum revocavit. (9) Namque Olympias, mater Alexandri regis, cum ab Epiro in Macedoniam prosequente Aeacida, rege Molossorum, veniret prohiberique finibus ab Eurydice et Arridaeo rege coepisset, (10) seu memoria mariti seu magnitudine filii et indignitate rei moti Macedones ad Olympiada transiere, cuius iussu et Eurydice et rex occiditur, sex annis post Alexandrum potitus regno. 6 (1) Sed nec Olympias diu regnavit. Nam cum principum passim caedes muliebri magis quam regio more fecisset, favorem sui in odium vertit. (2) Itaque audito Cassandri adventu diffisa Macedonibus cum nuru Roxane et nepote Hercule in Pydnam urbem concedit. (3) Proficiscenti Deidamia, Aeacidae regis filia, et Thessalonice privigna, et ipsa clara Philippi patris nomine, multaeque aliae principum matronae, speciosus magis quam utilis grex, comites fuere. (4) Haec cum nuntiata Cassandro essent, statim citato cursu Pydnam venit et urbem obsidione cingit. (5) Cum fame ferroque urgeretur, Olympias longae obsidionis taedio pacta salute victori se tradidit. (6) Sed Cassander ad contionem vocato populo, sciscitaturus quid de Olympiade fieri velint, subornat parentes interfectorum, qui sumpta lugubri veste crudelitatem mulieris accusarent. (7) A quibus accensi Macedones sine respectu pristinae maiestatis occidendam decernunt, (8) inmemores prorsus, quod per filium eius virumque
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(4) Kassandros war durch diesen Gunstbeweis verpflichtet und führte alles nach dem Willen der kühnen Frau aus. (5) Hierauf marschierte er nach Griechenland und griff viele Staaten an. (6) Die Spartaner wurden durch deren Untergang wie durch einen benachbarten Brand in Schrecken versetzt und daher umgaben sie ihre Stadt, die sie immer mit Waffen und nicht durch Mauern verteidigt hatten, damals im Widerspruch zu den Aussagen der Göttersprüche und zu dem alten Ruhm ihrer Ahnen mit einer Schutzwehr von Mauern, weil sie kein Vertrauen mehr in ihre Waffen hatten. (7) So sehr waren sie gegenüber ihren Ahnen entartet, dass, während viele Jahrhunderte hindurch die Tapferkeit der Bürger für die Stadt als Mauer gedient hatte, damals die Bürger glaubten, sie könnten nicht gerettet werden, wären sie nicht hinter Mauern verborgen! (8) Währenddessen wurde Kassandros durch die stürmische Lage in Makedonien von Griechenland nach Hause zurückgerufen. (9) Denn Olympias, die Mutter des Königs Alexander, kam in Begleitung des Aiakides24, des Königs der Molosser, von Epeiros nach Makedonien, und Eurydike und König Arridaios begannen, sie von ihrem Gebiet abzuwehren. (10) Da traten die Makedonen, sei es durch die Erinnerung an ihren Gatten, sei es durch die Größe ihres Sohnes und das unwürdige Geschehen veranlasst, zu Olympias über. Auf ihren Befehl wurden sowohl Eurydike als auch der König getötet, nachdem er sechs Jahre25 lang nach Alexanders Tod die Herrschaft innegehabt hatte. 6 (1) Doch auch Olympias herrschte nicht lange. Denn da ihr Verhalten eher dem einer Frau als dem eines Königs entsprach und sie überall Blutbäder unter den hochgestellten Männern anrichtete,26 verwandelte sich die ihr entgegengebrachte Gunst in Hass. (2) Als sie von der Ankunft des Kassandros hörte, zog sie sich daher aus Misstrauen gegenüber den Makedonen mit ihrer Schwiegertochter Rhoxane27 und ihrem Enkel Herakles28 in die Stadt Pydna29 zurück. (3) Auf ihrer Reise wurde sie begleitet von Deïdameia30, der Tochter des Königs Aiakides, ihrer Stieftochter Thessalonike31, ihrerseits berühmt wegen des Namens ihres Vaters Philippos32, und vielen anderen Ehefrauen hochgestellter Männer, einer eher ansehnlichen als nützlichen Schar. (4) Als Kassandros das gemeldet wurde, kam er sogleich im Eilmarsch nach Pydna und schloss die Stadt durch einen Belagerungsring ein. (5) Als Olympias von Hunger und Schwert bedrängt wurde und der langen Belagerung überdrüssig war, ergab sie sich dem Sieger, nachdem sie sich die Schonung ihres Lebens ausbedungen hatte. (6) Kassandros aber rief das Volk zu einer Versammlung, um zu erfragen, was ihrer Meinung nach mit Olympias geschehen sollte, und stiftete die Eltern der Ermordeten insgeheim an, Trauerkleidung anzulegen und dann die Frau wegen ihrer Grausamkeit anzuklagen. (7) Von diesen Leuten aufgehetzt, beschlossen die Makedonen ohne Rücksicht auf die frühere Herrscherwürde, Olympias zu töten. (8) Dabei dachten sie gar nicht mehr daran, dass
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non solum vitam ipsi inter finitimos tutam habuissent, verum etiam tantas opes imperiumque orbis quaesissent. (9) Sed Olympias ubi obstinatos venire ad se armatos videt, veste regali, duabus ancillis innixa ultro obviam procedit. (10) Qua visa percussores adtoniti fortuna maiestatis prioris et tot in ea memoriae occurrentibus regum suorum nominibus substiterunt, (11) donec a Cassandro missi sunt, qui eam confoderent, non refugientem gladium sed nec vulnera aut muliebriter vociferantem, sed virorum fortium more pro gloria veteris prosapiae morti succumbentem, ut Alexandrum posses etiam in moriente matre cognoscere. (12) Compsisse insuper expirans capillos et veste crura contexisse fertur, ne quid posset in corpore eius indecorum videri. (13) Post haec Cassander Thessalonicen, regis Arridaei filiam, uxorem duxit; filium Alexandri cum matre in arcem Amphipolitanam custodiendos mittit.
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sie durch ihren Sohn und Gatten nicht nur selbst mitten unter ihren Grenznachbarn ein Leben in Sicherheit geführt, sondern auch so großen Reichtum und die Weltherrschaft errungen hatten. (9) Sobald Olympias aber Bewaffnete voller Entschlossenheit auf sich zukommen sah, schritt sie ihnen in königlichem Gewand, auf zwei Dienerinnen gestützt, von sich aus entgegen. (10) Bei ihrem Anblick blieben die Mörder stehen, erschüttert über das Schicksal ihrer früheren Herrscherwürde und weil ihnen in der Person dieser Frau so viele Namen ihrer Könige in den Sinn kamen, (11) bis Kassandros Leute schickte, die sie durchbohren sollten. Dabei wich sie vor dem Schwert nicht zurück und auch nicht vor Verwundungen oder schrie wie eine Frau, sondern starb33 wie tapfere Männer, gemäß dem Ruhm ihres alten Geschlechts, sodass man Alexander sogar noch in seiner sterbenden Mutter hätte erkennen können. (12) Obendrein soll sie im Sterben ihre Haare geordnet und mit ihrem Gewand die Schenkel bedeckt haben, damit man an ihrem Körper nichts Anstößiges sehen konnte. (13) Danach nahm Kassandros Thessalonike, die Tochter des Arridaios, zur Frau; Alexanders Sohn schickte er zusammen mit seiner Mutter34 zur Bewachung in die Burg von Amphipolis35.
Prologus libri XV Quinto decimo volumine continentur haec. Ut Demetrius Antigoni filius Gazae victus est ab Ptolomaeo. Ut Cassander in Macedonia filium Alexandri regis interfecit, ac alterum Polyperchon. Ut Cypro Ptolomaeum vicit classe Demetrius idemque ab obsidione Rhodi summotus est. Repetita in excessu origo Rhodiorum: unde digressus Demetrius liberavit a Cassandro Graeciam. Dein pater eius Antigonus bellum cum Lysimacho et Seleuco habuit. Repetitaeque Seleuci res et regis Indiae Sandrocotti. Ut victus bello Antigonus interiit reliquiaeque imperii sunt a filio collectae. Cleonymi deinde Spartani res gestae Corcyrae et Illyrico et in Italia: cui ablata Corcyra. Rex Cassander interiit.
Liber XV 1 (1) Perdicca et fratre eius, Eumene ac Polyperchonte ceterisque ducibus diversae partis occisis finitum certamen inter successores Alexandri Magni videbatur, cum repente inter ipsos victores nata discordia est. (2) Quippe pos tulantibus Ptolomeo et Cassandro et Lysimacho, ut pecunia in praeda capta provinciaeque dividerentur, Antigonus negavit se in eius belli praemia socios admissurum, in cuius periculum solus descenderit; (3) et ut honestum adversus socios bellum suscipere videretur, divulgat se Olympiadis mortem a Cassandro interfectae ulcisci velle et Alexandri, regis sui, filium cum matre obsidione Amphipolitana liberare. (4) His cognitis Ptolomeus et Cassander inita cum Lysimacho et Seleuco societate bellum terra marique enixe instruunt. (5) Tenebat Ptolomeus Aegyptum cum Africae parte maiore et Cypro et Phoenice. Cassandro parebat Macedonia cum Graecia. (6) Asiam et partem Orientis occupaverat Antigonus, cuius filius Demetrius prima belli congressione a Ptolomeo apud Galamam vincitur. (7) In quo proelio maior Ptolomei moderationis gloria quam ipsius victoriae fuit; (8) siquidem et amicos Demetrii non solum cum suis rebus, verum etiam additis insuper muneribus dimisit et ipsius Demetrii privatum omne instrumentum ac familiam reddidit adiecto honore verborum, (9) non se propter praedam, sed propter dignitatem inisse bellum,
Vorwort zum 15. Buch Das fünfzehnte Buch enthält Folgendes: Wie Demetrios, der Sohn des Antigonos, in Gaza von Ptolemaios besiegt wurde. Wie Kassandros in Makedonien den Sohn des Königs Alexander tötete und Polyperchon den anderen. Wie Demetrios bei Zypern Ptolemaios mit einer Flotte besiegte und derselbe von der Belagerung von Rhodos vertrieben wurde. In einem Exkurs ist der Ursprung der Rhodier nachgetragen. Als Demetrios sich von Rhodos entfernt hatte, befreite er Griechenland von Kassandros. Hierauf führte sein Vater Antigonos einen Krieg gegen Lysimachos und Seleukos. Nachgetragen ist die Geschichte des Seleukos und des Königs von Indien, Sandrokottos. Wie der im Krieg besiegte Antigonos umkam und die Überreste seines Reiches von seinem Sohn zusammengelesen wurden. Hierauf die Taten des Spartaners Kleonymos1 auf Korkyra, in Illyrien und Italien2: Korkyra wurde ihm entrissen. König Kassandros kam um.
Buch 15 1 (1) Nach dem Tod des Perdikkas3 und seines Bruders4, des Eumenes5 und des Polyperchon6 und der übrigen Anführer der Gegenpartei schien der Kampf zwischen den Nachfolgern Alexanders des Großen beendet. Da entstand plötzlich unter den Siegern selbst Zwietracht. (2) Denn als Ptolemaios7, Kassandros8 und Lysimachos9 forderten, dass das erbeutete Geld und die Provinzen verteilt werden sollten, sagte Antigonos10, er werde keine Teilhaber an der Beute dieses Krieges zulassen, auf dessen Gefahren er sich allein eingelassen habe. (3) Und um den Anschein zu erwecken, als unternähme er einen ehrenhaften Krieg gegen seine Verbündeten, ließ er allgemein bekannt machen, er wolle den Tod der von Kassandros ermordeten Olympias11 rächen und den Sohn Alexanders, seines Königs, zusammen mit seiner Mutter12 aus der Gefangenschaft in Amphipolis13 befreien. (4) Als Ptolemaios und Kassandros das erfuhren, schlossen sie ein Bündnis mit Lysimachos und Seleukos14 und rüsteten zu Lande und zu Wasser eifrig zum Krieg. (5) Ptolemaios hatte Ägypten mitsamt dem größeren Teil Afrikas inne, zudem Zypern und Phönizien. Kassandros gehorchte Makedonien mit Griechenland. (6) Asien und einen Teil des Orients hatte Antigonos besetzt, dessen Sohn Demetrios15 beim ersten Gefecht im Krieg von Ptolemaios bei Galama16 besiegt wurde. (7) In dieser Schlacht errang Ptolemaios größeren Ruhm wegen seines maßvollen Verhaltens als wegen des eigentlichen Sieges. (8) Denn er entließ die Freunde des Demetrios nicht nur mitsamt ihrem Besitz, sondern auch mit Geschenken, die er ihnen obendrein überreicht hatte, und gab auch den gesamten persönlichen Hausrat des Demetrios und seine Dienerschaft zurück, wobei er noch ehrenhafte Worte hinzufügte: (9) Nicht wegen der Beute, sondern wegen seiner Würde habe er diesen Krieg begonnen,
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indignatum, quod Antigonus devictis diversae factionis ducibus solus communis victoriae praemia corripuisset. 2 (1) Dum haec aguntur, Cassander ab Apollonia rediens incidit in Audariatas, qui propter ranarum muriumque multitudinem relicto patrio solo sedes quaerebant; (2) veritus, ne Macedoniam occuparent, facta pactione in societatem eos recepit agrosque iis ultimos Macedoniae adsignat. (3) Deinde, ne Hercules, Alexandri filius, qui annos XIV excesserat, favore paterni nominis in regnum Macedoniae vocaretur, occidi eum tacite cum matre Barsine iubet corporaque eorum terra obrui, ne caedes sepultura proderetur, (4) et quasi parum facinoris in ipso primum rege, mox in matre eius Olympiade ac filio admisisset, (5) alterum quoque filium cum matre Roxane pari fraude interfecit, scilicet quasi regnum Macedoniae, quod adfectabat, aliter consequi quam scelere non posset. (6) Interea Ptolomeus cum Demetrio navali proelio iterato congreditur et amissa classe hostique concessa victoria in Aegyptum refugit. (7) Demetrius filium Ptolomei Leontiscum et fratrem Menelaum amicosque eius cum privati instrumenti ministerio, pari provocatus antea munere, Aegyptum remittit; (8) et ut appareret eos non odii, sed dignitatis gloria accensos, donis muneribusque inter ipsa bella contendebant. (9) Tanto honestius tunc bella gerebantur quam nunc amicitiae coluntur. (10) Hac victoria elatus Antigonus regem se cum Demetrio filio appellari a populo iubet. (11) Ptolomeus quoque, ne minoris apud suos auctoritatis haberetur, rex ab exercitu cognominatur. (12) Quibus auditis Cassander et Lysimachus et ipsi regiam sibi maiestatem vindicaverunt. (13) Huius honoris ornamentis tam diu omnes abstinuerunt, quam diu filii regis sui superesse potuerunt. (14) Tanta in illis verecundia erat, ut cum opes regias haberent, regum tamen nominibus aequo animo caruerint, quoad Alexandro iustus heres fuit. (15) Sed Ptolomeus et Cassander ceterique factionis alterius duces cum carpi se singulos ab Antigono viderent, dum privatum singulorum, non commune universorum bellum ducunt nec
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denn er sei darüber entrüstet gewesen, dass Antigonos nach seinem Sieg über die Anführer der Gegenpartei allein die Belohnungen aus dem gemeinsamen Sieg an sich gerissen habe. 2 (1) Währenddessen begegnete Kassandros auf seiner Rückkehr von Apollonia17 den Audariaten, die wegen einer Frösche- und Mäuseplage ihren heimatlichen Boden verlassen hatten und neue Wohnsitze suchten. (2) Da Kassandros fürchtete, sie könnten Makedonien besetzen, schloss er mit ihnen einen Vertrag, nahm sie in ein Bündnis auf und wies ihnen die äußersten Gebiete Makedoniens zu. (3) Damit nicht Herakles18, Alexanders Sohn, der das vierzehnte Lebensjahr überschritten hatte, wegen der Gunst, die ihm der Name seines Vaters einbrachte, auf den Thron Makedoniens berufen wurde, befahl Kassandros hierauf, Herakles zusammen mit seiner Mutter Barsine heimlich zu töten19 und ihre Leichname in der Erde zu verscharren, damit der Mord nicht durch ein Begräbnis verraten wurde. (4) Und als ob er zu wenige Untaten zuerst gegen den König selbst, dann gegen dessen Mutter Olympias und den Sohn begangen hätte, (5) tötete er mit gleicher Tücke auch den anderen Sohn20 zusammen mit seiner Mutter Rhoxane21, als ob er freilich die Herrschaft über Makedonien, nach der er trachtete, nicht anders als durch ein Verbrechen erlangen könnte. (6) Inzwischen kämpften Ptolemaios und Demetrios noch einmal in einer Seeschlacht22. Nach dem Verlust seiner Flotte überließ Ptolemaios dem Feind den Sieg und floh nach Ägypten zurück. (7) Da Demetrios durch die vorausgegangene gleiche Gunstbezeigung herausgefordert war,23 schickte er den Sohn des Ptolemaios, Leontiskos24, seinen Bruder Menelaos25 und seine Freunde mitsamt der Dienerschaft aus ihrem persönlichen Haushalt, nach Ägypten zurück. (8) Und damit offensichtlich war, dass sie nicht aus Hass, sondern um ihrer Würde willen zum Streben nach Ruhm entflammt waren, wetteiferten sie sogar mitten in den Kriegen mit Geschenken und Gunstbezeigungen. (9) So viel ehrenhafter wurden damals Kriege geführt, als jetzt Freundschaften gepflegt werden. (10) Antigonos war durch diesen Sieg stolz geworden und ließ sich daher zusammen mit seinem Sohn Demetrios vom Volk zum König ernennen. (11) Damit Ptolemaios bei seinen Leuten nicht in geringerem Ansehen stand, wurde auch er vom Heer zum König ernannt. (12) Auf diese Nachricht hin eigneten sich Kassandros und Lysimachos ihrerseits die Königswürde an. (13) Diese ehrenvolle Auszeichnung hatte keiner von ihnen angenommen, solange noch Söhne ihres Königs am Leben sein konnten. (14) So groß war ihre Achtung, dass sie, obgleich sie königliche Macht besaßen, dennoch gleichmütig auf den Königstitel verzichteten, solange Alexander einen rechtmäßigen Erben besaß. (15) Doch Ptolemaios, Kassandros und die übrigen Anführer der anderen Partei sahen, dass Antigonos sie einzeln schwächte, solange jeder Einzelne einen persönlichen Krieg und nicht alle einen gemeinsamen führten und
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auxilium ferre alter alteri volunt, quasi victoria unius, non omnium foret, (16) per epistulas se invicem confirmantes tempus, locum coeundi condicunt bellumque communibus viribus instruunt. (17) Cui cum Cassander interesse propter finitimum bellum non posset, Lysimachum cum ingentibus copiis in auxilium sociis mittit. 3 (1) Erat hic Lysimachus inlustri quidem Macedoniae loco natus, sed virtutis experimentis omni nobilitate clarior, (2) quae tanta in illo fuit, ut animi magnitudine philosophiam ipsam viriumque gloria omnes, per quos Oriens domitus est, vicerit. (3) Quippe cum Alexander Magnus Callisthenen philosophum propter salutationis Persicae interpellatum morem insidiarum, quae sibi paratae fuerant, conscium fuisse iratus finxisset (4) eumque truncatis crudeliter omnibus membris abscisisque auribus ac naso labiisque deforme ac miserandum spectaculum reddidisset, (5) insuper in cavea cum cane clausum ad metum ceterorum circumferret: (6) tunc Lysimachus, audire Callisthenen et praecepta ab eo virtutis accipere solitus, miseratus tanti viri non culpae, sed libertatis poenas pendentis, venenum ei in remedia calamitatium dedit. (7) Quod adeo Alexander aegre tulit, ut eum obici ferocissimo leoni iuberet. (8) Sed cum ad conspectum eius concitatus leo impetum fecisset, manum amiculo involutam Lysimachus in os leonis inmersit abreptaque lingua feram exanimavit. (9) Quod cum nuntiatum regi esset, admiratio in satisfactionem cessit, carioremque eum propter constantiam tantae virtutis habuit. (10) Lysimachus quoque magno animo regis veluti parentis contumeliam tulit. (11) Denique omni ex animo huius facti memoria exturbata postea in India insectanti regi quosdam palantes hostes, cum a satellitum turba equi celeritate desertus esset, solus ei per inmensas harenarum moles cursus comes fuit. (12) Quod idem antea Philippus, frater eius, cum facere voluisset, inter manus regis expiraverat. (13) Sed Lysimachum desiliens equo Alexander hastae cuspide ita in fronte vulneravit, ut sanguis aliter cludi non posset quam diadema sibi demptum rex adligandi vulneris causa capiti eius inponeret. (14) Quod auspicium primum regalis maiestatis Lysimacho fuit.
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der eine dem anderen keine Hilfe bringen wollte, als ob es der Sieg eines Einzelnen und nicht der Sieg aller wäre. (16) Da bestärkten sie sich gegenseitig durch Briefe, bestimmten Zeitpunkt und Ort für eine Zusammenkunft und rüsteten mit gemeinsamen Kräften zum Krieg. (17) Da Kassandros wegen eines Krieges gegen seine Grenznachbarn nicht daran teilnehmen konnte, schickte er Lysimachos mit einer gewaltigen Truppenmacht seinen Verbündeten zu Hilfe. 3 (1) Dieser Lysimachos stammte zwar aus einer angesehenen Familie Makedoniens, war aber aufgrund der Proben seiner Tüchtigkeit berühmter als durch jeglichen Adel. (2) Diese Tüchtigkeit war in ihm so gewaltig, dass er an Geistesgröße die Philosophie selbst und an Ruhm, den ihm seine Körperkraft verlieh, alle, die den Orient bezwungen hatten, übertraf. (3) Damals hatte Alexander der Große im Zorn über die Ablehnung der persischen Begrüßungssitte fälschlich behauptet, dass der Philosoph Kallisthenes26 Mitwisser an einem gegen ihn geplanten Attentat gewesen sei;27 (4) dann hatte er ihm auf grausame Weise alle Glieder verstümmeln und Ohren, Nase und Lippen abschneiden lassen, sodass er einen abscheulichen und erbarmungswürdigen Anblick bot; (5) obendrein hatte er ihn zusammen mit einem Hund in einen Käfig eingesperrt und zur Einschüchterung der Übrigen herumgeführt. (6) Da erbarmte sich Lysimachos, der ein Schüler des Kallisthenes gewesen war und von ihm Weisungen über die Tugend vernommen hatte, des so großen Mannes, der nicht für eine Schuld, sondern nur für seinen Freimut büßen musste, und gab ihm Gift als Heilmittel gegen sein Unglück. (7) Darüber war Alexander so ungehalten, dass er Lysimachos einem furchtbar wilden Löwen vorwerfen ließ. (8) Als aber Löwe, durch den bloßen Anblick gereizt, Lysimachos anfiel, umwickelte dieser seine Hand mit dem Mantel, steckte sie in das Maul des Löwen, riss ihm die Zunge ab und tötete so das wilde Tier.28 (9) Als dem König das gemeldet wurde, ging seine Bewunderung in Genugtuung über, und er hatte Lysimachos wegen seiner beständigen und außerordentlichen Tapferkeit noch lieber. (10) Auch Lysimachos ertrug großmütig die Schmach, die ihm der König zugefügt hatte, wie die von einem Vater. (11) Schließlich war die Erinnerung an dieses Ereignis ganz aus seinem Gedächtnis verdrängt. Als später in Indien der König einige umherstreifende Feinde verfolgte und wegen der Schnelligkeit seines Pferdes von der Schar seiner Leibwächter getrennt wurde, blieb Lysimachos sein einziger Begleiter auf dem Ritt durch die gewaltigen Sanddünen. (12) Als sein Bruder Philippos zuvor dasselbe hatte tun wollen, war er unter den Händen des Königs gestorben.29 (13) Doch als Alexander von seinem Pferd sprang, verletzte er Lysimachos mit der Spitze seines Speeres so schwer an der Stirn, dass das Blut sich nicht anders stillen ließ als dadurch, dass der König seine königliche Stirnbinde abnahm und sie zum Verbinden der Wunde um den Kopf des Lysimachos wand. (14) Das war für Lysimachos das erste Vorzeichen königlicher Würde.
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(15) Sed et post mortem Alexandri, cum inter successores eius provinciae dividerentur, ferocissimae gentes quasi omnium fortissimo adsignatae sunt. (16) Adeo etiam consensu universorum palmam virtutis inter ceteros tulit. 4 (1) Priusquam bellum inter Ptolomeum sociosque eius adversum Antigonum committeretur, repente ex Asia maiore digressus Seleucus novus Antigono hostis accesserat. (2) Huius quoque et virtus clara et origo admirabilis fuit; (3) siquidem mater eius Laodice, cum nupta esset Antiocho, claro inter Philippi duces viro, visa sibi est per quietem ex concubitu Apollinis concepisse, (4) gravidamque factam munus concubitus a deo anulum accepisse, in cuius gemma anchora sculpta esset; iussaque donum id filio, quem peperisset, dare. (5) Admirabilem fecit hunc visum et anulus, qui postera die eius dem sculpturae in lecto inventus est, et figura anchorae, quae in femore Seleuci nata cum ipso parvulo fuit. (6) Quamobrem Laodice anulum Seleuco eunti cum Alexandro Magno ad Persicam militiam, edocto de origine sua, dedit. (7) Ubi post mortem Alexandri occupato regno Orientis urbem condidit, ibi quoque geminae originis memoriam consecravit. (8) Nam et urbem ex Antiochi patris nomine Antiochiam vocavit et campos vicinos urbi Apollini dicavit. (9) Originis eius argumentum etiam in posteris mansit, siquidem filii nepotesque eius anchoram in femore veluti notam generis naturalem habuere. (10) Multa in Oriente post divisionem inter socios regni Macedonici bella gessit. (11) Principio Babyloniam cepit; inde auctis ex victoria viribus Bactrianos expugnavit. (12) Transitum deinde in Indiam fecit, quae post mortem Alexandri, veluti cervicibus iugo servitutis excusso, praefectos eius occiderat. (13) Auctor libertatis Sandrocottus fuerat, sed titulum libertatis post victoriam in servitutem verterat; (14) siquidem occupato regno populum, quem ab externa dominatione vindicaverat, ipse servitio premebat. (15) Fuit hic humili quidem genere natus, sed ad regni potestatem maiestate numinis inpulsus. (16) Quippe cum procacitate sua Nandrum regem offendisset, interfici a rege iussus salutem pedum celeritate quaesierat. (17) Ex qua fatigatione
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(15) Aber auch nach Alexanders Tod, als die Provinzen unter seinen Nachfolgern verteilt wurden, wies man Lysimachos, gleichsam als dem Tapfersten von allen, die wildesten Völkerschaften zu. (16) So sehr trug er auch nach einhelligem Urteil den Siegespreis der Tüchtigkeit unter den Übrigen davon. 4 (1) Ehe Ptolemaios und seine Verbündeten den Krieg gegen Antigonos eröffneten, war plötzlich Seleukos aus Asien abmarschiert und als neuer Feind für Antigonos hinzugekommen. (2) Auch die Tapferkeit des Seleukos war berühmt und seine Abstammung zudem bewundernswert. (3) Denn seine Mutter Laodike30, die Gattin des Antiochos, eines berühmten Mannes unter Philipps Heerführern, glaubte im Traum, sie habe durch den Beischlaf mit Apollon empfangen, (4) sei schwanger geworden und habe als Geschenk für den Beischlaf von dem Gott einen Ring erhalten, in dessen Gemme ein Anker eingeschnitten war; und ihr sei befohlen worden, dieses Geschenk dem Sohn, den sie gebären würde,31 zu geben. (5) Bewundernswert machten dieses Traumbild sowohl der Ring32, den man am folgenden Tag mit ebendieser Gravierung im Bett fand, als auch die Figur eines Ankers, die sich gleich bei der Geburt des Seleukos am Schenkel des Kleinen zeigte. (6) Deswegen händigte Laodike Seleukos den Ring aus, als er mit Alexander dem Großen zum persischen Feldzug aufbrach, und unterrichtete ihn genau über seine Abstammung. (7) Wo Seleukos nach Alexanders Tod, als er sich der Herrschaft über den Orient bemächtigt hatte, eine Stadt gründete, dort verewigte er auch das Andenken an seine doppelte Abstammung: (8) Denn einerseits nannte er die Stadt nach dem Namen seines Vaters Antiochos Antiocheia, andererseits weihte er die der Stadt benachbarten Felder dem Apollon. (9) Ein Zeichen dieser Abstammung erhielt sich auch bei seinen Nachkommen, da seine Söhne und Enkel gleichsam als natürliches Erkennungszeichen ihrer Abkunft am Schenkel einen Anker hatten. (10) Nach der Verteilung des Makedonischen Reiches unter den Verbündeten führte Seleukos im Orient viele Kriege. (11) Zu Beginn nahm er Babylon ein.33 Als sich durch diesen Sieg seine Kräfte vermehrt hatten, eroberte er darauf das Land der Baktrianer. (12) Hierauf marschierte er nach Indien hinüber, das nach Alexanders Tod dessen Statthalter getötet hatte, als ob es das Joch der Sklaverei von seinem Nacken abgeschüttelt hätte. (13) Urheber dieses Freiheitskampfes war Sandrokottos34 gewesen, aber er hatte den Begriff „Freiheit“ nach seinem Sieg in Sklaverei verwandelt. (14) Denn als er sich der Herrschaft bemächtigt hatte, unterdrückte er das Volk, das er von der Fremdherrschaft befreit hatte, selbst durch Sklaverei. (15) Er war zwar von niederer Abstammung, wurde aber durch die Würde einer Gottheit zur Königsmacht getrieben. (16) Da er nämlich durch seine Frechheit König Nandros beleidigt hatte, war vom König seine Hinrichtung befohlen worden, doch Sandrokottos hatte in der Schnelligkeit seiner Füße sein Heil gesucht. (17) Als er wegen
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cum somno captus iaceret, leo ingentis formae ad dormientem accessit sudoremque profluentem lingua ei detersit expergefactumque blande reliquit. (18) Hoc prodigio primum ad spem regni inpulsus contractis latronibus Indos ad novitatem regni sollicitavit. (19) Molienti deinde bellum adversus praefectos Alex andri elephantus ferus infinitae magnitudinis ultro se obtulit et veluti domita mansuetudine eum tergo excepit duxque belli et proeliator insignis fuit. (20) Sic adquisito regno Sandrocottus ea tempestate, qua Seleucus futurae magnitudinis fundamenta iaciebat, Indiam possidebat, (21) cum quo facta pactione Seleucus conpositisque in Oriente rebus in bellum Antigoni descendit. (22) Adunatis igitur omnium sociorum copiis proelium committitur; in eo Antigonus occiditur, Demetrius, filius eius, in fugam vertitur. (23) Sed socii profligato hostili bello denuo in semet ipsos arma vertunt et, cum de praeda non convenirent, iterum in duas factiones diducuntur. (24) Seleucus Demetrio, Ptolomeus Lysimacho iunguntur. Cassandro defuncto Philippus filius succedit. (25) Sic quasi ex integro nova Macedoniae bella nascuntur.
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dieser ermüdenden Anstrengung vom Schlummer übermannt wurde und schlafend dalag, näherte sich ihm ein Löwe von gewaltiger Gestalt, leckte ihm den herabfließenden Schweiß mit der Zunge ab und verließ ihn schweifwedelnd, als er aufwachte. (18) Durch dieses Vorzeichen wurde Sandrokottos zum ersten Mal zur Hoffnung auf die Herrschaft verleitet, versammelte Räuber und wiegelte die Inder dazu auf, eine neue Herrschaft einzusetzen. (19) Während er hierauf einen Krieg gegen Alexanders Statthalter plante, trat ihm ein wilder Elefant von unermesslicher Größe von sich aus entgegen, nahm, als wäre er gebändigt und gezähmt, Sandrokottos auf seinen Rücken und war ein ausgezeichneter Führer und Streiter im Krieg. (20) So erlangte Sandrokottos die Königsherrschaft und hatte zu der Zeit, als Seleukos den Grundstein für seine künftige Größe legte, Indien in seinem Besitz. (21) Mit ihm schloss Seleukos einen Vertrag, ordnete die Verhältnisse im Orient und ließ sich auf den Krieg mit Antigonos ein. (22) Nach Vereinigung der Truppen aller Verbündeten lieferte man sich also eine Schlacht35. In ihr wurde Antigonos getötet, sein Sohn Demetrios in die Flucht geschlagen. (23) Doch als die Verbündeten den Krieg gegen die Feinde zu Ende gebracht hatten, richteten sie von Neuem ihre Waffen gegeneinander und spalteten sich, weil sie sich über die Beute nicht einigen konnten, wiederum in zwei Parteien auf. (24) Seleukos verbündete sich mit Demetrios,36 Ptolemaios mit Lysimachos.37 Dem verstorbenen Kassandros38 folgte sein Sohn Philippos39 nach. (25) So entstanden gleichsam von Neuem für Makedonien neue Kriege.
Prologus libri XVI Sexto decimo volumine continentur haec. Ut mortuo Cassandro ortisque inter filios eius certaminibus Demetrius adiutor alteri adhibitus occiso eo Macedoniae regnum tenuit: quo mox eiectus a Pyrro Epiri rege, translatis in Asiam bellis captus a Seleuco decessit. Ut Ptolomaeus nuncupato successore filio Philadelpho decessit. Ut Lysimachus in Ponto captus ac missus a Dromichaete rursus in Asia civitates, quae sub Demetrio fuerant, et in Ponto Heracleam occuparit. Repetitae inde Bithyniae et Heracleoticae origines, tyrannique Heracleae Clearchus et Satyrus et Dionysius, quorum filiis interfectis Lysimachus occupavit urbem.
Liber XVI 1 (1) Post Cassandri regis filiique eius Philippi continuas mortes Thessalonice regina, uxor Cassandri, non magno post tempore ab Antipatro filio, cum vitam etiam per ubera materna deprecaretur, occiditur. (2) Causa parricidii fuit, quod post mortem mariti in divisione inter fratres regni propensior fuisse pro Alexandro videbatur. (3) Quod facinus eo gravius omnibus visum est, quod nullum maternae fraudis vestigium fuit, (4) quamquam in parricidio nulla satis iusta causa ad sceleris patrocinia praetexi potest. (5) Ob haec igitur Alexander in ultionem maternae necis gesturus cum fratre bellum auxilium a Demetrio petit. (6) Nec Demetrius spe invadendi Macedonici regni moram fecit. (7) Cuius adventum verens Lysimachus persuadet genero suo Antipatro, ut malit cum fratre in gratiam reverti quam paternum hostem in Macedoniam admitti. (8) Incohatam igitur inter fratres reconciliationem cum praesensisset Demetrius, per insidias Alexandrum interfecit (9) occupatoque Macedoniae regno caedem apud exercitum excusaturus in contionem vocat. (10) Ibi priorem se petitum ab Alexandro adlegat, nec fecisse se, sed occupasse insidias. (11) Regem autem se Macedoniae vel aetatis experimentis vel causis iustiorem esse. (12) Patrem enim suum et Philippo regi et Alexandro Magno socium in omni militia
Vorwort zum 16. Buch Das sechzehnte Buch enthält Folgendes: Wie nach dem Tod des Kassandros Streitigkeiten unter seinen Söhnen entstanden und Demetrios als Helfer für den einen hinzugezogen wurde und nach dessen Ermordung die Herrschaft über Makedonien innehatte. Bald wurde er von Pyrrhos, dem König von Epeiros, daraus vertrieben, trug die Kriege nach Asien hinüber, wurde von Seleukos gefangen genommen und starb. Wie Ptolemaios starb, nachdem er seinen Sohn Philadelphos zu seinem Nachfolger ernannt hatte. Wie Lysimachos in Pontos von Dromichaites gefangen genommen und freigelassen wurde und wiederum in Asien die Städte, die unter der Herrschaft des Demetrios gestanden hatten, sowie in Pontos Herakleia besetzte. Nachgetragen sind darauf die Ursprünge Bithyniens und Herakleias und die Tyrannen von Herakleia: Klearchos, Satyros und Dionysios. Nach der Ermordung ihrer Söhne besetzte Lysimachos die Stadt.
Buch 16 1 (1) Nach dem Tod des Königs Kassandros1 und unmittelbar darauf seines Sohnes Philippos2 wurde die Königin Thessalonike, die Gemahlin des Kassandros, nicht lange Zeit später von ihrem Sohn Antipatros3 ermordet,4 obgleich sie sogar bei ihrer Mutterbrust um ihr Leben flehte. (2) Der Anlass für den Muttermord war, dass Thessalonike nach dem Tod ihres Gatten, als das Reich5 unter den Brüdern aufgeteilt wurde, Alexandros6 bevorzugt zu haben schien. (3) Diese Untat erschien allen umso schwerer, als aufseiten der Mutter keine Spur von Tücke vorhanden war, (4) obwohl bei einem Verwandtenmord überhaupt kein hinlänglich gerechtfertigter Grund als Entschuldigung für das Verbrechen vorgeschützt werden kann. (5) Da Alexandros also deswegen zur Rache für die Ermordung seiner Mutter gegen seinen Bruder Krieg führen wollte, bat er Demetrios7 um Hilfe.8 (6) Und Demetrios, der hoffte, das Makedonische Reich an sich reißen zu können, zögerte nicht. (7) Aus Furcht vor der Ankunft des Demetrios überredete Lysimachos9 seinen Schwiegersohn Antipatros, sich lieber mit seinem Bruder auszusöhnen, als den Feind seines Vaters nach Makedonien einzulassen. (8) Da nun Demetrios im Voraus bemerkte, dass sich zwischen den Brüdern eine Versöhnung angebahnt hatte, tötete er Alexandros auf hinterlistige Weise,10 (9) bemächtigte sich der Herrschaft über Makedonien und berief eine Versammlung ein, um den Mord vor dem Heer zu rechtfertigen. (10) Dort brachte er vor, dass er als Erster von Alexandros bedroht worden sei und nicht ein Attentat verübt habe, sondern einem zuvorgekommen sei. (11) Er aber sei der rechtmäßigere König von Makedonien, teils aufgrund der Erfahrung seines Alters, teils aus anderen Gründen. (12) Sein Vater11 sei nämlich sowohl für König Philipp12 als auch für Alexander den Großen
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fuisse; (13) liberorum deinde Alexandri ministrum et ad persequendos defectores ducem extitisse. (14) Contra Antipatrum, avum horum adulescentium, amariorem semper ministrum regni quam ipsos reges fuisse. (15) Cassandrum vero patrem, extinctorem regiae domus, non feminis, non pueris pepercisse nec cessasse, quoad omnem stirpis regiae subolem deleret. (16) Horum scelerum ultionem, quia nequisset ab ipso Cassandro exigere, ad liberos eius translatam. (17) Quamobrem etiam Philippum Alexandrumque, si quis manium sensus est, non interfectores suos ac stirpis suae, sed ultores eorum Macedoniae regnum tenere malle. (18) Per haec mitigato populo rex Macedoniae appellatur. (19) Lysimachus quoque cum bello Doricetis, regis Thracum, premeretur, ne eodem tempore adversus Demetrium dimicare necesse haberet, tradita ei altera parte Macedoniae, quae Antipatro, genero eius, obvenerat, pacem cum eo fecit. 2 (1) Igitur Demetrius totis Macedonici regni viribus instructus cum Asiam occupare statuisset, iterato Ptolomeus, Seleucus et Lysimachus, experti priore certamine, quantae vires essent concordia, pacta societate adunatisque exercitibus bellum adversus Demetrium transferunt in Europam. (2) His comitem se et belli socium iungit Pyrrus, rex Epiri, sperans non difficilius Demetrium amittere Macedoniam posse quam adquisierat. (3) Nec spes frustra fuit; quippe exercitu eius corrupto ipsoque in fugam acto regnum Macedoniae occupavit. (4) Dum haec aguntur Lysimachus generum suum Antipatrum regnum Macedoniae ademptum sibi fraude soceri querentem interficit filiamque suam Eurydicen, querelarum sociam, in custodiam tradit, (5) atque ita universa Cassandri domus Alexandro Magno seu necis ipsius seu stirpis extinctae poenas partim caede, partim supplicio, partim parricidio luit. (6) Demetrius quoque a tot exercitibus circumventus, cum posset honeste mori, turpiter se dedere Seleuco maluit. (7) Finito bello Ptolomeus cum magna rerum gestarum gloria moritur. Is contra ius gentium minimo natu ex filiis ante infirmitatem regnum tradiderat eiusque rei populo
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ein Gefährte in jedem Feldzug gewesen; (13) hierauf habe er sich als Gehilfe von Alexanders Kindern und als Anführer bei der Verfolgung der Abtrünnigen erwiesen.13 (14) Antipatros14 dagegen, der Großvater dieser jungen Männer, sei immer ein unangenehmerer Reichsverwalter gewesen als die Könige selbst. (15) Ihr Vater Kassandros aber, der Vernichter des Königshauses, habe nicht Frauen, nicht Knaben geschont und nicht geruht, als bis er die gesamte Nachkommenschaft des königlichen Geschlechts ausgelöscht habe.15 (16) Die Rache für diese Verbrechen sei, weil Demetrios sie nicht an Kassandros selbst habe nehmen können, auf dessen Kinder übertragen worden. (17) Wenn die Seelen der Verstorbenen noch eine Empfindung besitzen, würden deshalb auch Philipp und Alexander16 es vorziehen, dass nicht diejenigen, die sie selbst und ihr ganzes Geschlecht ermordet hätten, sondern diejenigen, die sie gerächt hätten, die Herrschaft über Makedonien innehätten. (18) Durch diese Worte besänftigte Demetrios das Volk und wurde zum König von Makedonien ernannt.17 (19) Weil Lysimachos von Doriketes18, dem König der Thraker, mit Krieg bedrängt wurde, übergab er seinerseits, um nicht zur selben Zeit auch noch gegen Demetrios kämpfen zu müssen, diesem den anderen Teil Makedoniens, der seinem Schwiegersohn Antipatros zugefallen war, und schloss mit ihm Frieden. 2 (1) Demetrios war nun mit den gesamten Streitkräften des Makedonischen Reiches ausgerüstet und beschloss, Asien in Besitz zu nehmen. Da schlossen Ptolemaios19, Seleukos20 und Lysimachos, die im früheren Kampf erfahren hatten, welch große Kräfte in der Eintracht liegen,21 noch einmal ein Bündnis, vereinigten ihre Heere und trugen den Krieg gegen Demetrios nach Europa hin über. (2) Ihnen schloss sich als Begleiter und Verbündeter im Krieg Pyrrhos22, der König von Epeiros, an, weil er hoffte, Demetrios könne Makedonien ebenso leicht verlieren, wie er es erworben hatte. (3) Und seine Hoffnung war nicht vergeblich: Denn Pyrrhos bestach das Heer des Demetrios, trieb ihn selbst in die Flucht und bemächtigte sich der Herrschaft über Makedonien. (4) Währenddessen tötete Lysimachos seinen Schwiegersohn Antipatros, der sich beklagte, dass ihm die Herrschaft über Makedonien durch die Tücke seines Schwiegervaters entrissen worden sei, und ließ seine eigene Tochter Eurydike23, die sich diesen Klagen anschloss, in Haft nehmen. (5) Und so leistete das gesamte Geschlecht des Kassandros Alexander dem Großen teils durch Ermordung, teils durch Hinrichtung, teils durch Verwandtenmord Buße, sei es für dessen eigenen Tod, sei es für die Auslöschung seiner Nachkommenschaft. (6) Auch Demetrios, der von so vielen Heeren umringt war, wollte sich zu seiner Schande lieber dem Seleukos ergeben, obgleich er ehrenhaft hätte sterben können.24 (7) Als Ptolemaios nach Kriegsende starb, besaß er großen Tatenruhm.25 Er hatte noch vor seiner Altersschwäche26 entgegen dem bei den Völkern herrschenden Brauch
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rationem reddiderat; (8) cuius non minor favor in accipiendo quam patris in tradendo regno fuerat. (9) Inter cetera patris et filii mutuae pietatis exempla etiam ea res amorem populi iuveni conciliaverat, quod pater regno publice ei tradito privatus officium regi inter satellites fecerat omnique regno pulchrius regis esse patrem duxerat. 3 (1) Sed inter Lysimachum et Pyrrum regem, socios paulo ante adversus Demetrium, adsiduum inter pares discordiae malum bellum moverat. (2) Victor Lysimachus pulso Pyrro Macedoniam occupaverat. (3) Inde Thraciae ac deinceps Heracleae bellum intulerat, cuius urbis et initia et exitus admirabiles fuere. (4) Quippe Boeotiis pestilentia laborantibus oraculum Delphis responderat, coloniam in Ponti regione sacram Herculi conderent. (5) Cum propter metum longae ac periculosae navigationis mortem in patria omnibus praeoptantibus res omissa esset, bellum his Phocenses intulerunt, (6) quorum cum adversa proelia paterentur, iterato ad oraculum decurrunt; responsum idem belli quod pestilentiae remedium fore. (7) Igitur conscripta colonorum manu in Pontum delati urbem Heracleam condiderunt, et quoniam fatorum auspiciis in eas sedes delati erant, brevi tempore magnas opes paravere. (8) Multa deinde huius urbis adversus finitimos bella, multa etiam domesticae dissensionis mala fuere. Inter cetera magnifica vel praecipue illud memorabile fuit. (9) Cum rerum potirentur Athenienses victisque Persis Graeciae et Asiae tributum in tutelam classis descripsissent, omnibus cupide ad praesidium salutis suae conferentibus soli Heracleenses ob amicitiam regum Persicorum conlationem abnuerant. (10) Missus itaque ab Atheniensibus Lamachus cum exercitu ad extorquendum quod negabatur, dum relictis in litore navibus agros Heracleensium populatur, classem cum maiore parte exercitus naufragio repentinae tempestatis amisit. (11) Itaque cum neque mari posset amissis navibus, neque terra auderet cum parva manu inter tot ferocissimas gentes reverti, Heracleenses honestiorem
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dem jüngsten seiner Söhne27 die Herrschaft übergeben und vor seinem Volk über diese Handlung Rechenschaft abgelegt. (8) Die Gunst des Volkes gegenüber dem Sohn bei der Annahme der Herrschaft war nicht geringer als die gegenüber dem Vater bei der Übergabe der Herrschaft. (9) Unter anderen Beispielen der gegenseitigen Zuneigung zwischen Vater und Sohn hatte dem Jüngling auch das die Liebe des Volkes verschafft, dass der Vater nach der öffentlichen Herrschaftsübergabe als Privatmann dem König inmitten seiner Leibwächter gedient und es für schöner als jegliche Herrschaft gehalten hatte, der Vater eines Königs zu sein. 3 (1) Aber zwischen Lysimachos und König Pyrrhos, die kurz zuvor noch Verbündete gegen Demetrios gewesen waren, hatte das beständige Übel unter Gleichrangigen, die Zwietracht, einen Krieg erregt. (2) Lysimachos war Sieger gewesen und hatte nach der Vertreibung des Pyrrhos Makedonien in Besitz genommen. (3) Darauf hatte er einen Krieg gegen Thrakien und danach gegen Herakleia28 begonnen, eine Stadt, deren Anfang und auch Ende bewundernswert waren. (4) Denn als die Boiotier an einer Seuche litten, hatte ihnen das Orakel in Delphi zur Antwort gegeben, sie sollten im Pontosgebiet eine dem Herakles geweihte Niederlassung gründen. (5) Als alle aus Furcht vor der langen und gefährlichen Seereise lieber den Tod in der Heimat wünschten und die Aufforderung missachteten, begannen die Phoker einen Krieg gegen sie. (6) Als die Schlachten gegen die Phoker unglücklich verliefen, nahmen die Boiotier noch einmal zum Orakel ihre Zuflucht. Die Antwort war, dass das Mittel gegen den Krieg dasselbe sein werde wie gegen die Seuche. (7) Also hoben die Boiotier eine Schar Siedler aus und gründeten, als sie nach Pontos gelangten, die Stadt Herakleia. Und weil sie durch die Winke des Schicksals in diese Wohnsitze gelangt waren, verschafften sie sich dort in kurzer Zeit große Macht. (8) Zahlreich waren hierauf die Kriege dieser Stadt gegen ihre Grenznachbarn, zahlreich auch die mit der inneren Uneinigkeit einhergehenden Nöte. Unter den übrigen großartigen Geschehnissen war auch besonders folgendes denkwürdig: (9) Als die Athener sich der Herrschaft bemächtigten und nach ihrem Sieg über die Perser Griechenland und Asien eine Abgabe zum Unterhalt der Flotte auferlegten, da hatten alle sie zum Schutz ihres Wohls begierig entrichtet, allein die Bewohner von Herakleia aber wegen ihrer Freundschaft mit den Perserkönigen ihren Beitrag verweigert. (10) Daher schickten die Athener Lamachos29 mit einem Heer aus, um den Herakliensern das abzuringen, was sie verweigerten. Lamachos ließ die Schiffe am Strand zurück, und während er gerade die Felder der Heraklienser plünderte, verlor er seine Flotte mit dem größeren Teil des Heeres durch einen Schiffbruch infolge eines plötzlichen Sturms.30 (11) Als er daher weder zu Wasser zurückkehren konnte, weil er die Schiffe verloren hatte, noch es zu Lande mit seiner kleinen Schar inmitten so
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beneficii quam ultionis occasionem rati instructos commeatibus auxiliisque dimittunt, (12) bene agrorum suorum populationem inpensam existimantes, si quos hostes habuerant amicos reddidissent. 4 (1) Passi sunt inter plurima mala etiam tyrannidem; (2) siquidem cum plebs et novas tabulas et divisionem agrorum divitum inpotenter flagitaret, diu re in senatu tractata cum exitus rei non inveniretur, (3) ad postremum adversus plebem nimio otio lascivientem auxilia a Timotheo, Atheniensium duce, mox ab Epaminonda Thebanorum petivere. (4) Utrisque negantibus ad Clearchum, quem ipsi in exilium egerant, decurrunt. (5) Tanta calamitatium necessitas fuit, ut cui patriam interdixerant, eum ad tutelam patriae vocarent. (6) Sed Clearchus, exilio facinorosior redditus et dissensionem populi occasionem invadendae tyrannidis existimans, (7) primo tacitus cum Mithridate, civium suorum hoste, conloquitur et inita societate paciscitur, ut revocatus in patriam prodita ei urbe praefectus eius constitueretur. (8) Postea autem insidias, quas civibus paraverat, in ipsum Mithridatem verterat. (9) Namque cum velut arbiter civilis discordiae de exilio reversus esset, statuto tempore, quo urbem Mithridati traderet, ipsum cum amicis suis cepit, captumque accepta ingenti pecunia dimisit. (10) Atque ut in illo subitum se ex socio fecit hostem, sic ex defensore senatoriae causae repente patronus plebis evasit (11) et adversus auctores potentiae suae, a quibus revocatus in patriam, per quos in arce conlocatus fuerat, non solum plebem accendit, verum etiam nefandissima quaeque tyrannicae crudelitatis exercuit. (12) Igitur populo ad contionem vocato neque adfuturum se amplius grassanti in populum senatui ait; intercessurum etiam, si in pristina saevitia perseveret; (13) quodsi pares se crudelitati senatorum arbitrentur, abiturum cum militibus suis neque civilibus discordiis interfuturum; (14) sin vero diffidant viribus propriis, vindictae se civium non defuturum. (15) Proinde consulant sibi ipsi:
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vieler wilder Völkerschaften wagte, statteten die Heraklienser, welche die Gelegenheit zu einer Wohltat für ehrenhafter hielten als zur Rache, die Athener mit Proviant und Hilfstruppen aus und ließen sie gehen. (12) Dabei glaubten sie, die Plünderung ihrer Felder sei gut aufgewendet, wenn sie diejenigen, die sie zu Feinden gehabt hätten, nun zu Freunden gemacht hätten. 4 (1) Unter sehr vielen Unannehmlichkeiten mussten die Heraklienser auch eine Tyrannenherrschaft erdulden. (2) Denn als das einfache Volk sowohl neue Schuldbücher als auch eine Verteilung der Grundstücke der Reichen ungestüm forderte, wurde im Rat lange über diese Angelegenheit verhandelt. Als man keinen Ausweg fand, (3) erbaten sie zuletzt gegen den Bürgerstand, der durch allzu langes Nichtstun zügellos geworden war, Hilfstruppen von Timotheos31, dem Feldherrn der Athener, dann von Epameinondas32, dem der Thebaner. (4) Da beide ablehnten, nahmen sie Zuflucht zu Klearchos33, den sie selbst in die Verbannung getrieben hatten.34 (5) So groß waren ihre Not und ihr Unglück, dass sie denjenigen, den sie aus der Heimat verbannt hatten, zum Schutz der Heimat zurückriefen. (6) Klearchos aber, durch die Verbannung noch verbrecherischer gemacht, hielt die Uneinigkeit des Volkes für eine gute Gelegenheit, die Tyrannenherrschaft an sich zu reißen.35 (7) So besprach er sich zuerst heimlich mit Mithridates36, dem Feind seiner Mitbürger, ging mit ihm ein Bündnis ein und kam mit ihm überein, dass er ihm nach seiner eigenen Rückberufung in die Heimat die Stadt in die Hände spielen und dafür als deren Befehlshaber eingesetzt werden wolle. (8) Später aber hatte er den hinterlistigen Verrat, den er gegen seine Mitbürger geplant hatte, an Mithridates selbst begangen. (9) Denn nachdem er gleichsam als Schiedsrichter der bürgerlichen Zwietracht aus der Verbannung zurückgekehrt war, nahm er zur festgesetzten Zeit, als er die Stadt Mithridates übergeben sollte, diesen selbst zusammen mit seinen Freunden gefangen und entließ seinen Gefangenen erst nach Empfang einer gewaltigen Geldsumme. (10) Und wie er sich bei Mithridates plötzlich von einem Verbündeten zu einem Feind machte, so entwickelte er sich von einem Verteidiger der Ratsinteressen plötzlich zum Schutzherrn des Bürgerstands. (11) Und gegen die Urheber seiner Macht, die ihn in seine Heimat zurückgerufen und seine Stationierung in der Burg veranlasst hatten, entflammte er nicht nur das einfache Volk, sondern übte auch die ruchlosesten Gräuel tyrannischer Grausamkeit aus. (12) Er rief also das Volk zu einer Versammlung und erklärte, er werde nicht länger dem Rat in seinem Wüten gegen das Volk beistehen; er werde sich auch widersetzen, wenn der Rat in seiner früheren Erbarmungslosigkeit verharre. (13) Wenn das Volk also der Grausamkeit der Ratsherren gewachsen zu sein glaube, werde er mit seinen Soldaten abziehen und sich nicht in die Zwistigkeiten der Bürger einmischen; (14) wenn es aber auf seine eigenen Kräfte nicht vertraue, werde er es nicht versäumen, die Bürger
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iubeant abire se, an, si malint, vel causae popularis socium remanere. (16) His verbis sollicitata plebs summum ad eum imperium defert et, dum senatus potentiae irascitur, in servitutem se tyrannicae dominationis cum coniugibus et liberis tradit. (17) Igitur Clearchus LX senatores conprehensos (nam ceteri in fugam dilapsi erant) in vincula conpingit. (18) Laetari plebs, quod a duce potissimum senatorum senatus deleretur, versaque vice auxilium eorum in exitium conversum esse. (19) Quibus dum mortem passim omnibus minatur, cariora eorum pretia fecit, (20) siquidem Clearchus magna pecunia, quasi minis populi occulte eos subtracturus, accepta spoliatos fortunis vita quoque spoliavit. 5 (1) Cognito deinde quod bellum sibi ab iis, qui profugerant, misericordia in auxilium sollicitatis civitatibus pararetur, servos eorum manumittit (2) et, ne quid mali adflictis honestissimis domibus deesset, uxores eorum filiasque nubere servis suis proposita recusantibus morte conpellit, ut eos sibi fidiores et dominis infestiores redderet. (3) Sed matronis tam lugubres nuptiae graviores repentinis funeribus fuere. (4) Itaque multae se ante nuptias, multae in ipsis nuptiis occisis prius novis maritis interficiunt et se tam funestis calamitatibus virtute ingenui pudoris eripiunt. (5) Proelium deinde committitur, quo victor tyrannus captivos senatores in triumphi modum per ora civium trahit. (6) Reversus in urbem alios vincit torquetque alios, alios occidit; nullus locus urbis a crudelitate tyranni vacat. (7) Accedit saevitiae insolentia, crudelitati adrogantia. (8) Interdum ex successu continuae felicitatis obliviscitur se hominem, interdum Iovis filium dicit. (9) Eunti per publicum aurea aquila velut argumentum generis praeferebatur, (10) veste purpurea et cothurnis regum tragicorum et aurea corona utebatur, (11) filium quoque suum Ceraunon vocat, ut deos non mendacio tantum, verum etiam nominibus inludat. (12) Haec illum facere duo nobilissimi iuvenes, Chion et Leonides, indignantes patriam
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zu beschützen. (15) Sie sollten demnach für sich selbst überlegen, ob sie befehlen wollten, dass er abziehe oder, wenn sie das lieber wollten, dass er vielmehr zurückbleibe und sich der Sache des Volkes anschließe. (16) Das durch diese Worte aufgewiegelte Volk übertrug ihm die höchste Amtsgewalt und lieferte sich, während es der Macht des Rates zürnte, zusammen mit Frauen und Kindern in die Sklaverei einer tyrannischen Gewaltherrschaft aus. (17) Klearchos ließ nun sechzig Ratsherren ergreifen – denn die übrigen waren fluchtartig auseinandergelaufen – und in Fesseln legen. (18) Der Bürgerstand freute sich, weil der Rat gerade vom Anführer der Ratsherren vernichtet wurde und umgekehrt die Hilfe für die Ratsherren sich in ihr Verderben verwandelt hatte. (19) Indem Klearchos allen Ratsherren ohne Unterschied den Tod androhte, trieb er das Lösegeld für sie in die Höhe. (20) Er ließ sich nämlich eine große Geldsumme geben, so als ob er vorhätte, die Ratsherren der Bedrohung durch das Volk heimlich zu entziehen, und raubte dann denjenigen, denen er bereits das Vermögen geraubt hatte, auch noch das Leben. 5 (1) Hierauf erfuhr er, dass die entflohenen Ratsherren andere Städte dazu angeregt hatten, ihnen aus Mitleid Hilfe zu bringen, und nun zum Krieg gegen ihn rüsteten. Da ließ er die Sklaven dieser Ratsherren frei, (2) und damit den bedrängten vornehmsten Familien kein Unglück erspart blieb, nötigte er die Frauen und Töchter unter Androhung des Todes im Falle einer Weigerung, ihre eigenen Sklaven zu heiraten, damit diese ihm selbst gegenüber treuer und ihren Herren gegenüber feindseliger wurden. (3) Aber für die Ehefrauen waren so unheilvolle Hochzeiten bedrückender als der plötzliche Tod. (4) Daher töteten sich viele vor der Hochzeit, viele unmittelbar während der Hochzeit, nachdem sie vorher ihre neuen Ehemänner ermordet hatten, und entzogen sich durch die Tapferkeit, die ihnen das edle Ehrgefühl verlieh, ihrem so trauervollen Unglück. (5) Hierauf lieferte man sich eine Schlacht, aus welcher der Tyrann als Sieger hervorging und dann die gefangenen genommenen Ratsherren wie bei einem Triumph vor den Augen seiner Mitbürger mit sich führte. (6) In die Stadt zurückgekehrt, ließ er die einen fesseln und die anderen foltern, wieder andere töten. Kein Ort in der Stadt blieb von der Grausamkeit des Tyrannen verschont. (7) Zur Wut kam Überheblichkeit hinzu, zur Grausamkeit Anmaßung. (8) Bisweilen vergaß er über dem Erfolg in seinem fortdauernden Glück, dass er ein Mensch war, bisweilen nannte er sich Jupiters Sohn. (9) Wenn er in der Öffentlichkeit umherschritt, wurde ein goldener Adler gleichsam als Zeichen seiner Abkunft vorangetragen. (10) Er trug ein purpurfarbenes Gewand, die Kothurnschuhe der Könige in den Tragödien und einen goldenen Kranz. (11) Und seinen Sohn37 nannte er Keraunos38, um die Götter nicht nur durch die Lüge, sondern auch noch durch die Namen zu verhöhnen. (12) Zwei Jünglinge vornehmster Abkunft, Chion39 und Leonides40, die über seine Taten
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liberaturi in necem tyranni conspirant. (13) Erant hi discipuli Platonis philosophi, qui virtutem, ad quam cotidie perfectius praeceptis magistri erudiebantur, patriae exhibere cupientes L cognatos veluti clientes in insidiis locant. (14) Ipsi more iurgantium ad tyrannum veluti ad regem in arcem contendunt; (15) qui iure familiaritatis admissi, dum alterum priorem dicentem intentus audit tyrannus, ab altero obtruncatur. (16) Sed et ipsi sociis tardius auxilium ferentibus a satellitibus obruuntur. (17) Qua re factum est, ut tyrannus quidem occideretur, sed patria non liberaretur. (18) Nam frater Clearchi Satyrus eadem via tyrannidem invadit, multisque annis per gradus successionis Heracleenses regnum tyrannorum fuere.
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empört waren, verschworen sich zur Ermordung des Tyrannen, um das Vaterland zu befreien. (13) Sie waren Schüler des Philosophen Platon, welche die Tugend, zu der sie täglich auf vortreffliche Weise durch die Weisungen ihres Lehrers ausgebildet wurden, für ihr Vaterland verwirklichen wollten und daher fünfzig Verwandte gleichsam als Schutzbefohlene in einem Hinterhalt postierten. (14) Sie selbst eilten wie Prozessgegner zu dem Tyrannen wie zu einem König in die Burg.41 (15) Sie wurden nach dem Vorrecht, das Bekannten zusteht, vorgelassen, und während der Tyrann den einen, der als Erster sprach, aufmerksam anhörte, wurde er von dem anderen niedergehauen.42 (16) Doch weil ihre Gefährten zu langsam Hilfe brachten, wurden sie ihrerseits von den Leibwächtern überwältigt. (17) Und so kam es, dass zwar der Tyrann getötet, das Vaterland aber nicht befreit wurde. (18) Denn der Bruder des Klearchos, Satyros, riss auf demselben Weg die Tyrannenherrschaft an sich, und viele Jahre lang standen die Bewohner von Herakleia über die verschiedenen Stufen der Nachfolge hinweg unter der Herrschaft der Tyrannen.43
Prologus libri XVII Septimo decimo volumine continentur haec. Ut Lysimachus occiso filio Agathocle per novercam Arsinoen bellum cum rege Seleuco habuit, quo victus interiit: ultimumque certamen conmilitonum Alexandri fuit. Ut Seleucus amissis in Cappadocia cum Diodoro copiis interfectus est ab Ptolomaeo fratre Arsinoes uxoris Lysimachi, in cuius vicem Ptolomaeus cognomine Ceraunus creatus ab exercitu rex Macedoniam occupavit; bella cum Antiocho et Pyrro conposuit, datis Pyrro auxiliis, quibus iret contra Romanos defensum Tarentum. Inde repetitae origines regum Epiroticorum usque ad Pyrrum, ipsiusque Pyrri res gestae priusquam in Italiam traiecit.
Liber XVII 1 (1) Per idem ferme tempus Hellesponti et Chersonesi regionibus terrae motus fuit, (2) maxime tamen Lysimachia urbs, ante duos et XX annos a Lysimacho rege condita, eversa est. (3) Quod portentum dira Lysimacho stirpique eius ac regni ruinam cum clade vexatarum regionum portendebat. (4) Nec ostentis fides defuit, nam brevi post tempore Agathoclem, filium suum, quem in successionem regni ordinaverat, per quem multa bella prospere gesserat, non solum ultra patrium, verum etiam ultra humanum morem perosus ministra Arsinoe noverca veneno interfecit. (5) Haec illi prima mali labes, hoc initium inpendentis ruinae fuit. (6) Nam parricidium principum secutae caedes sunt luentium supplicia, quod occisum iuvenem dolebant. (7) Itaque et ii, qui caedibus superfuerant, et ii, qui exercitibus praeerant, certatim ad Seleucum deficiunt (8) eumque pronum iam ex aemulatione gloriae bellum Lysimacho inferre conpellunt. (9) Ultimum hoc certamen conmilitonum Alexandri fuit et velut ad exemplum fortunae par reservatum. (10) Lysimachus quattuor et LXX annos natus erat, Seleucus septem et LXX. (11) Sed in hac aetate utrique animi iuveniles erant imperiique cupiditatem insatiabilem gerebant; (12) quippe cum orbem terrarum duo soli tenerent,
Vorwort zum 17. Buch Das siebzehnte Buch enthält Folgendes: Wie Lysimachos nach der Ermordung seines Sohnes Agathokles durch dessen Stiefmutter Arsinoë einen Krieg gegen König Seleukos führte, in dem er besiegt wurde und umkam: Und das war der letzte Kampf unter Alexanders Kriegskameraden. Wie Seleukos, nachdem er in Kappadokien seine Truppen zusammen mit Diodoros verloren hatte, von Ptolemaios, dem Bruder der Arsinoë, der Gemahlin des Lysimachos, getötet wurde. Wie Ptolemaios mit dem Beinamen Keraunos an seiner Stelle vom Heer zum König gewählt wurde und Makedonien in Besitz nahm. Die Kriege gegen Antiochos und Pyrrhos legte er bei und gab Pyrrhos Hilfstruppen, damit er mit ihnen gegen die Römer ziehen konnte, um Tarent zu verteidigen. Darauf sind die Ursprünge der epeirotischen Könige bis auf Pyrrhos nachgetragen und die Taten des Pyrrhos selbst, bevor er nach Italien übersetzte.
Buch 17 1 (1) Ungefähr zur selben Zeit1 gab es in den Gebieten des Hellespont und der Chersones ein Erdbeben. (2) Am stärksten wurde jedoch die Stadt Lysimacheia, die König Lysimachos2 vor zweiundzwanzig Jahren gegründet hatte,3 zerstört. (3) Dieses Vorzeichen prophezeite Lysimachos und seinem Geschlecht Schreckliches und den Untergang seiner Herrschaft zusammen mit großem Unheil für die heimgesuchten Gebiete. (4) Und die Vorzeichen blieben nicht unerfüllt: Denn kurze Zeit danach ließ Lysimachos seinen Sohn Agathokles4, den er für die Nachfolge in der Herrschaft bestimmt und mit dessen Hilfe er viele Kriege glücklich geführt hatte, von dessen Stiefmutter Arsinoë5 vergiften. Denn Lysimachos hatte gegen Agathokles einen Hass entwickelt, der in seiner Maßlosigkeit nicht nur für einen Vater, sondern auch für einen Menschen unüblich war. (5) Das war für Lysimachos der erste Unglücksfall, das der Anfang seines drohenden Untergangs. (6) Denn auf die Ermordung seines Sohnes folgten Morde an den hochgestellten Männern, die dafür büßten, dass sie über die Tötung des Jünglings trauerten. (7) Daher fielen diejenigen, die das Morden überlebt hatten, und auch die Befehlshaber der Heere um die Wette zu Seleukos6 ab (8) und veranlassten ihn, der schon aus Wetteifer um den Ruhm dazu geneigt war, Lysimachos anzugreifen. (9) Das war der letzte Kampf unter Alexanders Kriegskameraden, und dieses Paar wurde gleichsam als Beispiel für das Wirken des Schicksals aufgespart. (10) Lysimachos war vierundsiebzig Jahre alt, Seleukos siebenundsiebzig. (11) Aber noch in diesem Alter besaßen beide jugendlichen Mut und trugen unersättliche Gier nach Herrschaft in sich. (12) Denn obwohl beide allein den Erdkreis innehatten, glaubten sie,
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angustis sibi metis inclusi videbantur vitaeque finem non annorum spatio, sed imperii terminis metiebantur. 2 (1) In eo bello Lysimachus amissis ante variis casibus quindecim liberis non instrenue moriens postremus domus suae ruinae cumulus accessit. (2) Laetus tanta victoria Seleucus et, quod maius victoria putat, solum se de cohorte Alex andri remansisse victoremque victorum extitisse, non humanum esse opus, sed divinum munus gloriatur, (3) ignarus prorsus non multo post fragilitatis humanae se ipsum exemplum futurum. (4) Quippe post menses admodum septem a Ptolomeo, cuius sororem Lysimachus in matrimonio habuerat, per insidias circumventus occiditur (5) regnumque Macedoniae, quod Lysimacho eripuerat, cum vita pariter amittit. (6) Igitur Ptolomeus cum et in gratiam memoriae Magni Ptolomei patris et in favorem ultionis Lysimachi ambitiosus ad populares esset, primo Lysimachi filios conciliare sibi statuit (7) nuptiasque Arsinoes, sororis suae, matris eorum, petit puerorum adoptione promissa, (8) ut cum in locum patris eorum successisset, nihil illi moliri vel verecundia matris vel appellatione patris auderent. (9) Fratris quoque, regis Aegypti, concordiam per epistulas deprecatur, professus deponere se offensam erepti paterni regni neque amplius a fratre quaesiturum, quod honestius a paterno hoste perceperit, (10) omnique arte adulatur eum, ne Antigono Demetrii filio, Antiocho filio Seleuci, cum quibus bellum habiturus erat, tertius sibi hostis accederet. (11) Sed nec Pyrrus, rex Epiri, omissus, ingens momentum futurus, utri parti socius accessisset, (12) qui et ipse spoliare singulos cupiens omnibus se partibus venditabat. (13) Itaque Tarentinis adversus Romanos laturus auxilium ab Antigono naves ad exercitum in Italiam deportandum mutuo petit, ab Antiocho pecuniam, qui opibus quam militibus instructior erat, ab Ptolomeo Macedonum militum auxilia. (14) Sed Ptolomeus, cui nulla dilationis ex infirmitate virium venia esset, quinque milia peditum, equitum IV milia, elephantos L non amplius quam in biennii usum dedit. (15) Ob haec Pyrrus filia Ptolomei in matrimonium accepta vindicem
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von zu engen Grenzen eingeschlossen zu sein, und maßen ihr Lebensziel nicht an dem Zeitraum der Jahre, sondern an den Grenzlinien ihres Reiches. 2 (1) Nachdem Lysimachos vorher durch verschiedene Unglücksfälle fünfzehn Kinder verloren hatte, starb er in diesem Krieg7 nicht feige, und sein Tod stellte den abschließenden Höhepunkt für den Untergang seines Geschlechts dar. (2) Seleukos war erfreut über einen so großen Sieg und – was er für noch größer hielt als den Sieg – darüber, dass er als Einziger aus Alexanders Gefolge übrig geblieben war und sich als Sieger über die Sieger erwiesen hatte. Er rühmte sich, dass das kein Menschenwerk, sondern ein göttliches Geschenk sei, (3) wobei er gar nicht ahnte, dass er selbst nicht lange danach ein Beispiel für menschliche Vergänglichkeit sein werde. (4) Denn nach ungefähr sieben Monaten wurde er von Ptolemaios8, dessen Schwester9 Lysimachos zur Frau gehabt hatte, hinterlistig umgarnt und ermordet (5) und verlor die Herrschaft über Makedonien, die er Lysimachos entrissen hatte, zugleich mit seinem Leben.10 (6) Ptolemaios warb nun beim Volk um die Gunst, die der Erinnerung an seinen Vater, Ptolemaios den Großen11, entsprang, und um den Dank dafür, dass er Lysimachos gerächt hatte; und daher beschloss er, zuerst die Söhne des Lysimachos für sich zu gewinnen. (7) Und er strebte eine Hochzeit mit ihrer Mutter Arsinoë, seiner eigenen Schwester, an, wobei er ihr die Adoption ihrer Söhne versprach, (8) damit diese, wenn er an die Stelle ihres Vater träte, entweder aus Rücksicht auf ihre Mutter oder aufgrund der Anrede „Vater“ nichts gegen ihn zu unternehmen wagten. (9) Auch seinen Bruder12, den König von Ägypten, bat er brieflich um Eintracht und erklärte, er sei nicht mehr gekränkt darüber, dass dieser ihm die väterliche Herrschaft entrissen habe, und wolle nicht weiter das von seinem Bruder verlangen, was er sich auf ehrenhaftere Weise vom Feind seines Vaters13 angeeignet habe. (10) Und er schmeichelte seinem Bruder mit aller Kunst, damit dieser sich nicht Antigonos14, dem Sohn des Demetrios15, und Antiochos16, dem Sohn des Seleukos, gegen die er selbst Krieg führen würde, als sein dritter Feind anschloss. (11) Aber auch Pyrrhos17, der König von Epeiros, wurde nicht übergangen, der für diejenige der beiden Parteien, der er sich als Verbündeter anschlösse, eine nicht unbeträchtliche Verstärkung darstellen würde. (12) Pyrrhos wollte seinerseits die Einzelnen berauben und pries sich daher allen Parteien an. (13) Daher bat er, als er den Tarentinern Hilfe gegen die Römer bringen wollte,18 Antigonos leihweise um Schiffe, um sein Heer nach Italien überzusetzen, Antiochos, der mit Vermögen besser ausgestattet war als mit Soldaten, um Geld und Ptolemaios um makedonische Soldaten. (14) Ptolemaios19 nun, der ihn nicht mit der Entschuldigung, seine Kräfte seien zu schwach, hinhalten konnte, gab ihm fünftausend Fußsoldaten, viertausend Reiter und fünfzig Elefanten20, aber höchstens für zwei Jahre. (15) Dafür nahm Pyrrhos die Tochter des Ptolemaios21 zur Frau, ließ ihn22
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eum regni reliquit, pacificatus cum omnibus finitimis, ne abducta in Italiam iuventute praedam hostibus regnum relinqueret. 3 (1) Sed quoniam ad Epiri mentionem ventum est, de origine regni eius pauca narranda sunt. (2) Molossorum primum in ea regione regnum fuit. (3) Post Pyrrus, Achillis filius, amisso per absentiam Troianis temporibus paterno regno in his locis consedit: qui Pyrridae primo, postea Epirotae dicti sunt. (4) Sed Pyrrus cum in templum Dodonaei Iovis ad consulendum venisset, ibi Lanassam, neptem Herculis, rapuit, ex cuius matrimonio octo liberos sustulit. (5) Ex his nonnullas virgines nuptum finitimis regibus tradidit opesque adfinitatium auxilio magnas paravit. (6) Atque ita Heleno, filio Priami regis, ob industriam singularem regnum Chaonum et Andromacham Hectoris e matrimonio suo, quos in divisione Troianae praedae acceperat, uxorem tradidit, (7) brevique post tempore Delphis insidiis Orestis, filii Agamemnonis, inter altaria dei interiit. (8) Successor huic Piales filius fuit. (9) Per ordinem deinde regnum ad Tharybam descendit, (10) cui, quoniam pupillus et unicus ex gente nobili superesset, intentiore omnium cura servandi eius educandique publice tutores constituuntur. (11) Athenas quoque erudiendi gratia missus. Quanto doctior maioribus suis, tanto et populo gratior fuit. (12) Primus itaque leges et senatum annuosque magistratus et rei publicae formam conposuit, (13) et ut a Pyrro sedes, sic vita cultior populo a Tharyba statuta. (14) Huius filius Neoptolemus fuit, ex quo nata est Olympias, mater magni Alexandri, et Alexander, (15) qui post eum regnum Epiri tenuit et in Italia bello gesto in Bruttiis interiit. (16) Post eius mortem frater Aeacidas regno successit, qui adsiduis adversus Macedonas bellorum certaminibus populum fatigando offensam civium contraxit (17) ac propterea in exilium actus Pyrrum filium, bimum admodum parvulum, in regno reliquit. (18) Qui et ipse, cum a populo propter odium patris ad necem quaereretur, furtim subtractus in Illyrios defertur (19) traditusque est Beroae, Glauciae regis uxori, nutriendus, quae et ipsa
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als Beschützer des Reiches zurück und schloss mit allen Grenznachbarn Frieden, um nicht, wenn er die Jungmannschaft nach Italien abzöge, sein Reich den Feinden als Beute zurückzulassen. 3 (1) Aber da nun die Rede auf Epeiros gekommen ist,23 muss man einige wenige Worte über den Ursprung dieses Reiches sagen. (2) Das erste Reich in diesem Gebiet war das der Molosser.24 (3) Später ließ Pyrrhos25, der Sohn des Achill, sich in dieser Gegend nieder, als er wegen seiner Abwesenheit in den Zeiten des Trojanischen Krieges sein väterliches Reich verloren hatte. Die Bewohner wurden anfangs Pyrrhiden, später Epeiroten genannt. (4) Als Pyrrhos nun in den Tempel des Dodonäischen Jupiter kam, um sich Rat zu holen, raubte er dort Lanassa, die Enkelin des Herakles, und bekam aus der Ehe mit ihr acht Kinder. (5) Von diesen gab er einige junge Mädchen den benachbarten Königen zur Ehe und verschaffte sich durch seine Verwandtschaftsbeziehungen große Macht. (6) Und so überließ er Helenos, dem Sohn des Königs Priamos, wegen seiner einzigartigen Tatkraft das Reich der Chaonen26 und gab ihm Hektors Gattin Andromache zur Frau; er hatte nämlich Helenos und Andromache bei der Verteilung der trojanischen Beute erhalten und entließ Andromache nun aus der Ehe. (7) Kurze Zeit später kam Pyrrhos in Delphi durch einen Anschlag des Orestes, Agamemnons Sohn, inmitten der Altäre des Gottes ums Leben. (8) Sein Nachfolger war sein Sohn Piales. (9) Gemäß der Erbfolge ging hierauf die Herrschaft auf Tharybas über. (10) Weil dieser unmündig und als Einziger aus dem adeligen Geschlecht noch am Leben war, sorgten alle eifrig für seinen Schutz und seine Erziehung, und so wurden von Staats wegen Vormunde für ihn eingesetzt. (11) Tharybas selbst wurde auch nach Athen geschickt, um sich zu bilden. Je gelehrter er war als seine Vorfahren, desto beliebter war er auch beim Volk. (12) Er richtete als Erster Gesetze, einen Rat, jährlich wechselnde Beamten und eine Staatsverfassung ein. (13) Und wie von Pyrrhos der Wohnsitz, so wurde dem Volk von Tharybas eine verfeinerte Lebensweise begründet. (14) Sein Sohn27 war Neoptolemos, von dem Olympias, die Mutter des großen Alexander, abstammte und Alexandros, (15) der nach ihm die Herrschaft über Epeiros innehatte und in dem Krieg, den er in Italien führte, im Gebiet der Bruttier ums Leben kam.28 (16) Nach dem Tod des Alex andros folgte sein Bruder29 Aiakides30 in der Herrschaft nach. Weil dieser das Volk ständig durch Kriege und Kämpfe gegen die Makedonen zermürbte, zog er sich die Ungnade seiner Mitbürger zu. (17) Deshalb wurde er in die Verbannung getrieben und ließ seinen Sohn Pyrrhos, einen kleinen Jungen von ungefähr zwei Jahren, in der Herrschaft zurück. (18) Aber das Volk suchte wegen seines Hasses auf den Vater auch nach ihm, um ihn zu ermorden. Daher wurde er heimlich weggebracht, zu den Illyrern geschickt (19) und Beroë, der Gemahlin des Königs Glaukias31, zur Pflege übergeben, die auch selbst dem Ge-
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genus Aeacidarum erat. (20) Ibi eum seu misericordia fortunae eius seu infantilibus blandimentis inductus rex adversum Cassandrum, Macedoniae regem, qui eum sub belli comminatione deposcebat, diu protexit, addito in auxilium etiam adoptionis officio. (21) Quibus rebus moti Epirotae odio in misericordiam verso annorum XI eum in regnum revocaverunt, datis tutoribus, qui reg num usque in adultam eius aetatem tuerentur. (22) Adulescens deinde multa bella gessit tantusque rerum successu haberi coeptus est, ut Tarentinos solus adversus Romanos tueri posse videretur.
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schlecht der Aiakiden32 angehörte. (20) Dort beschützte ihn der König, sei es aus Mitleid mit dessen Schicksal, sei es durch die kindlichen Liebkosungen bewogen, lange Zeit gegen Kassandros33, den König von Makedonien, der unter Androhung eines Krieges die Auslieferung des Pyrrhos verlangte, und erwies dem Knaben auch noch den Dienst der Adoption34, um ihn zu unterstützen. (21) Das rührte die Epeiroten, ihr Hass verwandelte sich in Mitleid, und sie riefen Pyrrhos im Alter von elf Jahren in das Reich zurück35 und stellten ihm Vormunde an die Seite, die bis zu seiner Volljährigkeit das Reich schützen sollten. (22) Als junger Mann führte er hierauf viele Kriege und begann, wegen seiner erfolgreichen Taten als ein so bedeutender Mann zu gelten, dass es den Anschein hatte, als könnte nur er die Tarentiner gegen die Römer schützen.
Anmerkungen Vorwort 1 2
3 4 5 6 7 8
Iustin hat die praefatio zwar eigenständig verfasst, aber Gedanken und Formulierungen aus der Vorrede des Pompeius Trogus benutzt. Etwa Q. Fabius Pictor (Teilnehmer am 2. Punischen Krieg; 218–201 v. Chr.), L. Cincius Alimentus (210 v. Chr. Prätor in Sizilien), A. Postumius Albinus (Konsul 151 v. Chr.), C. Acilius (2. Jh. v. Chr.). Ihre in griechischer Sprache verfassten Geschichtswerke sind nur mehr in Fragmenten erhalten. Siehe Iust. 2,4,18. Vgl. Hor. ars 333 f.: aut prodesse volunt aut delectare poetae, / aut simul et iucunda et idonea dicere vitae. Und somit Geschichtswerke, die in griechischer Sprache verfasst waren, zu lesen verstanden. Der Widmungsempfänger ist unbekannt. M. Porcius Cato Censorius, auch Cato der Ältere genannt, 234–149 v. Chr. Biographie von Cornelius Nepos erhalten. Der Stelle liegt wohl Catos Werk Origines oder Ciceros Zitat (Planc. 66) zugrunde: etenim M. Catonis illud quod in principio scripsit Originum suarum semper magnificum et praeclarum putavi, 'clarorum virorum atque magnorum non minus oti quam negoti rationem exstare oportere.' Vgl. auch Suet. Galba 9: nemo rationem otii sui reddere cogeretur.
Buch I 1
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Die überlieferten prologi, kurze Inhaltsangaben zu den einzelnen Büchern des Pompeius Trogus, sind vom Iustintext unabhängig und werden hier den einzelnen Büchern vorangestellt. Da sie unmittelbar auf dem Originalwerk des Trogus, den historiae Philippicae, basieren, kann der Vergleich verdeutlichen, wie sehr Iustin seine Vorlage gekürzt hat. Arbakes, der Zerstörer Ninives (625 v. Chr.), wird in Iust. 1,3,1 ff. Arbaktos genannt.
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4 5 6 7 8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Anmerkungen
Geographische und ethnographische Beschreibungen in Form eines Exkurses in Geschichtswerken haben in der Antike eine lange Tradition. Man denke nur an Herodot oder Iulius Caesar (Germanenexkurs in de bello Gallico). Viele der von Trogus behandelten Themen und Exkurse, die in den Prologen Erwähnung finden, hat Iustin allerdings übergangen. Der Ausdruck origines, „Ursprünge“, erinnert an das gleichnamige Werk Catos des Älteren, von dem nur Bruchstücke erhalten sind. Der Ursprung der Etrusker war schon in der Antike umstritten. Nach Hdt. 1,94 stammten sie aus Lydien. Iust. 20,5,9 hält sie für die Gründer der Raeter (nach dem Namen ihres Anführers Raetus). Legendärer Gründer des assyrischen Reiches und Erbauer der Hauptstadt Ninive. Die Keilschriften erwähnen jedoch keinen Herrscher dieses Namens. Zu ihm vgl. Diod. 2,1 ff. D. h. Nordafrika mit Ausschluss von Ägypten. Eigentlich Sesostris: Name dreier ägyptischer Herrscher der 12. Dynastie (1956–1853/2 v. Chr.), die allmählich zu einer sagenhaften Herrschergestalt vereinigt wurden. Nach Iust. 2,3,8 ff. war Sesostris 1500 Jahre älter als Ninos. Zu ihm vgl. Diod. 1,53 ff. und Hdt. 2,102 ff. Der Name wurde vermutlich vom Fluss Tanais, heute Don, abgeleitet. Zu den Skythen siehe Iust. 2,1 ff. Gebiet am Schwarzen Meer. Seine Lebenszeit (etwa um 1000 v. Chr.) und Wirkungsstätte in Zentral asien/Ostiran sind umstritten. Er wird in der Regel als Religionsstifter oder Priester-Prophet gedeutet (vgl. Zoroastrismus). Baktrien: entspricht etwa dem heutigen Afghanistan. Wohl weitgehend eine Sagengestalt. Sein Name findet sich nicht in keilschriftlichen Quellen. Zu ihm vgl. Diod. 2,20 f. Semiramis: Sagenhafte Königin Assyriens, der das Weltwunder der „Hängenden Gärten“ in Babylon zugeschrieben wird. Eine Lebensbeschreibung bietet Diod. 2,4 ff. Hochberühmte Stadt am Euphrat, südlich von Baghdad. Eine ausführliche Beschreibung gibt Hdt. 1,178 ff. Siehe Iust. 12,7 ff. Mit ihm lässt sich Sardanapallos vergleichen, der ähnliche Charakterzüge aufwies. Siehe Iust. 1,3. Abweichend Hdt. 1,95. Assurbanipal, letzter König des assyrischen Reiches; 669– ca. 627 v. Chr. Im Prolog zu Buch 1 heißt er Arbakes (siehe dort). Nach Diod. 2,24,4 soll er einen Eunuchen bestochen haben. Nach Iust. 42,3,6 galt Medos, Sohn der Heroine Medeia, als Stammvater der Meder. Zu ihnen Hdt. 1,95 ff.
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Letzter König der Meder. Mandane; vgl. Hdt. 1,107. Nach Hdt. 1,107 entstammte Kambyses keineswegs einem niederen Stand. Zu den Persern Hdt. 1,130 ff. Zu Harpagos Hdt. 1,108 ff. Nach Hdt. 1,110 Mithradates. Geschichten von ausgesetzten Königskindern sind in allen antiken Kulturen verbreitet. Man vergleiche etwa die bekannten Erzählungen über Romulus und Remus oder Moses. Nach Hdt. 1,112 hatte die Frau des Hirten eine Totgeburt zu beklagen. Nach Hdt. 1,112 Kyno bzw. Spako. Die Erzählung erinnert an Romulus und Remus, die eine Wölfin gesäugt haben soll. Es handelt sich um Kyros II., den Begründer des persischen Weltreiches (regierte 559? –530 v. Chr.). Sein Name wurde vom griechischen Wort κύριος, „der Herr“, abgeleitet. Nach Strab. 15,3,6 hieß er ursprünglich Agradates. Vgl. auch Hdt. 1,113 f. Harpagos’ Sohn war nach Hdt. 1,119 etwa dreizehn Jahre alt. Vgl. Hdt. 1,119. Die Erzählung erinnert an das Verbrechen des Tantalos, der den Göttern seinen eigenen Sohn Pelops zum Mahl vorsetzte, um deren Allwissenheit zu erproben. Vgl. Hdt. 1,124. Hauptstadt Persiens; von Alexander dem Großen 330 v. Chr. zerstört; siehe Iust. 11,14,10. 550 v. Chr. Vgl. Hdt. 1,123 f. 127. 129. Nach Hdt. 1,130 hatte Astyages 35 Jahre lang die Herrschaft inne. Zur Erhebung des Kyros II. gegen Astyages im Jahre 550 v. Chr. vgl. ebd. 1,123 ff. Hyrkanien: Landschaft am südöstlichen Winkel des Kaspischen Meeres. Lydien lag in Kleinasien; Hauptstadt Sardes. Zu den Lydern vgl. Hdt. 1,94. Regierungszeit ca. 560–547 v. Chr. Sein Reichtum, den er vor allem aus Bergwerken im Gebiet von Pergamon erzielte (zudem Goldwäscherei im Fluss Paktolos), war sprichwörtlich. Vgl. Hdt. 1,30 ff.: Dialog mit Solon über den Reichtum. Zunächst sollte Kroisos auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden; Hdt. 1,86 f. Die Stadt Barene in Medien. Kroisos war nach seiner Begnadigung als Ratgeber an der Seite des Kyros zu finden. Vgl. Hdt. 1,155 f. 207 f. Die Perserherrschaft währte von 546–334 v. Chr. und endete durch Alex ander den Großen.
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Anmerkungen
48 Nachahmer dieser verweichlichten Lebensweise wurden in der Folge als lyderkrank bezeichnet. 49 Gyges – Ardys (Gyges’ Sohn; ab ca. 644 v. Chr.) – Sadyattes II. (ca. 625– 600 v. Chr.) – Alyattes (ca. 600–561 v. Chr.; Vater des Kroisos). 50 Der letzte Herrscher der Heraklidendynastie. Sein Name lautet Sadyattes oder Adyattes, Kandaules könnte ein sakraler Beiname sein (Hermes?). 51 Die folgende Erzählung von Kandaules und Gyges folgt Hdt. 1,7 ff. 52 Sich vor fremden Personen nackt zu zeigen, galt bei den Lydern als Schande; vgl. Hdt. 1,10. 53 Ca. 680 v. Chr. 54 Damit ging die Herrschaft von der Herakliden-Dynastie in die Mermnaden-Dynastie über, die Gyges (ca. 680–644 v. Chr.) begründet hatte. 55 Nach Hdt. 1,205 war sie die Königin der Massageten. Zu deren Lebensweise Hdt. 1,215 ff. 56 Die Berichte über Tamyris (um 530 v. Chr.) klingen sagenhaft. Der wohl glaubwürdigste stammt von Hdt. 1,205 ff.; dort die Namensform Tomyris. 57 Nach Hdt. 1,202 anderer Name für den Oxos. 58 Nach Hdt. 1,207 f. hatte Kroisos zum Einmarsch geraten. 59 Spargapises; vgl. Hdt. 1,213. 60 Vgl. hierzu Sen. epist. 83,22. 61 Nach Hdt. 1,213 beging er in aussichtsloser Lage Selbstmord. 62 Iustin folgt Hdt. 1,214. 63 Nach Hdt. 1,214 herrschte Kyros 29 Jahre. 64 Kambyses II., Kyros’ II. ältester Sohn; persischer Großkönig 530–522 v. Chr.; vgl. Hdt. 3,66. 65 Die Eroberung fällt ins Jahr 525 v. Chr. Nach ägyptischem Glauben war Kambyses sogar Ägypter. Vgl. Hdt. 3,2. 66 Smerdis; vgl. Hdt. 3,30. Leiblicher Bruder des Kambyses; Namensformen: Bardiya, Tanaoxares u. a. 67 Gometes. Hdt. 3,30. 62 berichtet jedoch, dass Prexaspes mit der Ermordung beauftragt worden sei. 68 Diese Verletzung fügte er sich nach Hdt. 3,64 bei einem Sprung auf sein Pferd zu. 69 Nach Hdt. 3,62 war Kambyses zu dieser Zeit noch am Leben. 70 Iustins Bericht ist ungenau: Während Prexaspes als Mörder des Mergis anzusehen ist (im Auftrag des Kambyses), haben die beiden Brüder Kometes und Oropastes (bei Hdt. 3,63 Patizeithes und Smerdis), die an der Ermordung des Mergis nicht beteiligt waren, die Verheimlichung seines Todes benutzt, um sich des persischen Königsthrones zu bemächtigen; Hdt. 3,61. Unterstützt wurde der Betrug anfangs auch durch Prexaspes selbst, der nach dem Tod des Kambyses die Ermordung des Mergis leug-
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nete; vgl. Hdt. 3,67. 74. Schließlich offenbarte er jedoch die ganze Wahrheit; vgl. Hdt. 3,75. Zudem lag Namensgleichheit vor; Hdt. 3,61. Nach Hdt. 3,67 herrschte er sieben Monate lang. So auch Hdt. 3,67. Richtig Otanes; vgl. ausführlich Hdt. 3,68 ff., dem sich Iustin anschließt. Phaidyme; Hdt. 3,68. Gemeint ist Kambyses II.; Hdt. 3,68. Der Grund für diese Verstümmelung ist unklar; Hdt. 3,69. Aspathines und Gobryas; Hdt. 3,70. Otanes, Intaphernes, Gobryas, Megabyzos, Asphatines, Hydarnes und Dareios; Hdt. 3,70. Als Schauplatz der Tat ist wohl Susa gedacht. Nach Hdt. 3,71 ff. hatte Dareios zum sofortigen Losschlagen geraten. 522/1 v. Chr. Wohl Asphatines und Intaphernes, die nach Hdt. 3,78 jedoch nur Verwundungen davontrugen. Bereits Heerführer und Statthalter unter Kyros II., mit einer Schwester des Dareios verheiratet, der seinerseits mit einer Tochter des Gobryas vermählt war; vgl. Hdt. 7,2. 5. Nach Hdt. 3,78 nur Dareios. Zu den Verhandlungen über das weitere Schicksal des Reiches vgl. Hdt. 3,80 ff. Vgl. Hdt. 3,84. Dareios I., aus dem Geschlecht der Achaimeniden (Tod 486 v. Chr.). Sein Vater war Statthalter in Persien; vgl. Hdt. 3,70. Hdt. 3,85 nennt ihn Oibares. Nach Hdt. 3,88 die beiden Töchter des Kyros, Artystone und Atossa, die ihm vier Söhne gebar; vgl. Hdt. 7,2. Kyros II. stammte aus dem Geschlecht der Teispiden. Auf Inschriften des Dareios erscheint er als Achaimenide. Die Erhebung erfolgte durch Nitindu-Bel (Nebukadnezar III.); vgl. ausführlich Hdt. 3,150 ff. Zu Zopyros vgl. Hdt. 3,153 ff. Dass er ein Teilnehmer an der Verschwörung gewesen sei, ist jedoch ein Irrtum des Iustin, der ihn vielmehr mit seinem Vater Megabyzos zu verwechseln scheint; Hdt. 3,153; vgl. ferner Diod. 10,19. Vgl. Hdt. 3,154 f. Der abschließende Hinweis auf das folgende Buch zeigt, dass Iustin die Einteilung der Bücher beziehungsweise deren Inhalt sehr gewissenhaft von Pompeius Trogus übernommen hat und sich ihm darin anschließt.
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Anmerkungen
Die Worte quod sequenti volumine referetur stammen dabei von Trogus selbst, der seinerseits den Leser auf das Folgende einzustimmen versucht.
Buch II 1
Die beiden Anführer heißen richtigerweise Datis und Artaphernes; Hdt. 6,94. Tisaphernes tritt erst im Peloponnesischen Krieg in Erscheinung (richtig Iust. 5,1,7. 2,5). Ob diese Verwechslung auf Trogus selbst zurückgeht, entzieht sich unserer Kenntnis. Sie findet sich auch bei Ampel. 15,9. 2 Dareios I. 3 Xerxes I.: Regierungszeit 486–465 v. Chr. 4 Ausführlich Hdt. 4,1 ff. 5 Zu den Parthern siehe Iustins Ausführungen in den Büchern 41 und 42. 6 Zu den Baktrianern siehe Iust. 41,6. 7 Zu den Amazonen, denen u. a. auch der Amazonas seinen Namen verdankt, siehe Kap. 4. 8 Vgl. Kap. 6 (zu den Athenern). 9 Das Asowsche Meer. 10 Schon Menes, der erste König Ägyptens, soll mit der Anlegung derartiger Dämme begonnen haben; Hdt. 2,99. 11 Ein mythisches Gebirge im hohen Norden zwischen Europa und Asien. 12 Südasien. 13 Fluss im südwestlichen Kaukasos, der ins Schwarze Meer mündet (Kolchis). 14 D. h. Felle von größeren und kleineren Wildtieren (Bären oder Wölfen bzw. Mardern und Wieseln). 15 Siehe Iust. 1,10,23. 2,5,9 ff. 16 Siehe Iust. 1,8. 37,3,2. 17 Siehe Iust. 12,1,4. 2,16 f. 37,3,2. 18 Siehe Iust. 2,1,3. 19 Siehe Iust. 1,1,6. 20 Nach Hdt. 2,103 und Diod. 1,55 wurden die Skythen jedoch unterworfen. Vgl. aber auch Plin. nat. 33,52. 21 Wohl nur Teile des mittleren und südlicheren Asiens. 22 Zu Ninos siehe Iust. 1,1,4. 23 Vgl. Oros. hist. 1,15,1: Plynos et Scolopetius. 24 Landschaft im Osten Kleinasiens. 25 An der Südküste des Schwarzen Meeres. 26 Vgl. Oros. hist. 1,15,4: Marpesia et Lampeto.
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27 Man ist sogleich an Romulus und Remus erinnert, die sich gleichfalls rühmten, Abkömmlinge des Mars/Ares zu sein. 28 An der Westküste Kleinasiens (Jonien). 29 Nach Oros. hist. 1,15,6 Sinope. 30 Eurystheus, mythischer König von Argos, der Herakles auf Befehl Heras zwölf scheinbar unlösbare Aufgaben auferlegte. 31 Berühmter griechischer Heros; Sohn der Alkmene, der Gattin des thebanischen Königs Amphitryon, und des Zeus: Daher Hera verhasst, die ihm u. a. bei seiner Geburt zwei Schlangen in die Wiege schickte. 32 „Dodekathlos“: u. a. Erlegung des Nemëischen Löwen, Tötung der Hy dra, Reinigung der Ställe des Augias. 33 Bald wird Menalippe, bald Hippolyte als Amazonenkönigin genannt (statt Hippolyte auch die Namen Deilyke oder Oiolyke; bei Iust. 2,4,20 Antiope). 34 Tochter des Ares und der Otrere oder Hippolyte. Nach anderen Überlieferungen regierte nicht Antiope das Amazonenreich, sondern Hippolyte, wobei Antiope als Schwester oder Tochter der Königin auftritt. 35 Möglicherweise identisch mit Otrere, Mutter der Penthesileia, die Iust. 2,4,31 als Nachfolgerin der Oreithyia nennt. 36 Auch Melanippe oder Glauke, Tochter des Ares. 37 Tochter des Ares. Nach Serv. Aen. 11,661 ist sie die Mutter der Antiope. 38 Sohn des Aigeus und der Aithra (siehe Iust. 2,6,14); mythischer König und Heros von Athen. Berühmtheit erlangte er u. a. durch die Tötung des Minotauros auf Kreta mit Hilfe der Ariadne. 39 Die einzelnen Fassungen variieren untereinander sehr, wobei u. a. auch Hippolyte oder Menalippe als Gattin des Theseus und Mutter des Hippolytos genannt werden. Seine Stiefmutter, Phaidra (zweite Ehefrau des Theseus) soll sich in ihn verliebt haben. 40 Von ihm und seinem Vater Sagylos ist sonst nichts bekannt. 41 Der Grund bleibt unklar. Iustin hat hier wohl stark gekürzt. 42 Tochter des Ares und der Otrere. 43 Sie trat nach dem Tod Hektors in den Krieg ein. 44 Von Achill, der sich daraufhin in seine Feindin verliebt haben soll; Prop. 3,11,15 f. 45 356–323 v. Chr. Zu Alexander dem Großen (Alexander III.; König von Makedonien) siehe Iustins Ausführungen in den Büchern 11 und 12. 46 Auch Minythyia; siehe Iust. 12,3,5. 47 Siehe Iust. 12,3,5 ff. 42,3,7. Zur Glaubwürdigkeit dieser Erzählung vgl. Plut. Alex. 46. 48 Vgl. Hdt. 4,1 ff. 49 Siehe Iust. 1,10,23. 50 Vgl. Hdt. 4,1. 83 ff.
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Anmerkungen
51 Abweichend Hdt. 4,1. 7,20. 52 Ebenso Hdt. 4,87. Abweichend Diod. 2,5,5: 800 000. 53 Der untere Teil der Donau. Zum Erbauer der Brücke, Mandrokles aus Samos, vgl. Hdt. 4,87 f. 54 Siehe Iust. 7,3,1 ff. 55 Die Griechen Kleinasiens, die 499 v. Chr. gegen die Perser revoltierten. Für den Jonischen Aufstand ist Hdt. 5,23 f. 49 f. 97–6,33 der einzige Zeuge. 56 Bei der Insel Lade 496 v. Chr.; Hdt. 6,6 ff. 57 Athen hatte die Jonier mit zwanzig Schiffen unterstützt; Hdt. 5,97. 99. 58 Das war der Anfang des Persereinfalls in Griechenland unter dem Kommando des Datis und des Artaphernes (im Vorwort zum Buch 2 fälschlich Tisaphernes genannt). 59 Das war vielmehr bei der Stadt Rom der Fall. 60 Die rühmenden Worte des Trogus bzw. Iustins erinnern an die Leichenrede des Perikles bei Thuk. 2,35 ff. Sie sind wohl als Kontrast zu den Anfängen der Stadt Rom zu sehen (man vgl. hierzu etwa die Aitoler-Rede bzw. die Rede des Mithridates: Iust. 28,2. 38,4 ff.). Ob diese Stellen jedoch als Beweis für eine anti-römische Tendenz des Trogus-Werkes gewertet werden können, ist fraglich. 61 Sohn des Prometheus. Zu ihm siehe Iust. 2,6,10 ff. 62 Sein Grab lag auf der Akropolis von Athen. 63 Vgl. Flor. epit. 1,4,3 (= 1,10,3): qui nisi in annalibus forent, hodie fabulae viderentur. 64 Mischwesen aus Mensch und Schlange. 65 Trogus und Iustin zeigen reges Interesse an sogenannten „Erst-Erfindern“ (πρῶτος εὑρετής; lat. primus inventor). Man vgl. etwa Iust. 2,6,12 (Triptolemos) und 13,7,10 (Aristaios). Ablehnend Sen. brev. vit. 13,3 ff. 66 Er hatte drei Töchter: Kranae, Kranaichme und Atthis. 67 Attika. Zuvor Aktaia; Paus. 1,2,6. 68 Amphiktyon regierte zwölf Jahre lang Athen. 69 Gemeint ist Athene, die Schutzgöttin Athens, die mit der römischen Göttin Minerva gleichgesetzt wurde. 70 Zu ihm und seiner Gattin Pyrrha vgl. Ov. met. 1,318 ff.: Schöpfung des Menschengeschlechts durch das Werfen von Steinen. 71 Auch Erichthonios, mit dem er vielleicht ursprünglich identisch war (?). 72 Stadt in Attika. 73 Die Eleusinischen Mysterien mit dem Kult von Demeter/Ceres und Persephone/Proserpina. 74 Zu Theseus siehe Iust. 2,4,23 f. 75 Tochter des Königs Aietes von Kolchis, die den Argonauten unter der Führung Jasons das Goldene Vlies verschaffte. Anschließend Flucht nach Iol-
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kos (Jasons Heimat), später nach Korinth. Von dort aus gelangte Medeia schließlich nach Athen, wo sie König Aigeus ehelichte. 76 Medeia soll versucht haben, Theseus zu ermorden. 77 Nach Iust. 42,3,6 Gründer des Mederreiches. 78 Siehe Iust. 42,2,12. 79 Ein weiterer Sohn des Theseus war Hippolytos; siehe Iust. 2,4,24. 80 Seine Mutter war Phaidra. 81 Paus. 1,23,8 rechnet ihn sogar zu jenen Griechen, die sich im Bauch des Trojanischen Pferdes verborgen haben sollen. 82 Griechischer Volksstamm. 83 Vgl. Lykurg Leokrates 84 ff. 84 Man fühlt sich an die Einrichtung des Konsulats bei den Römern erinnert. Anfänglich wurden die Archonten auf Lebenszeit gewählt, dann auf zehn Jahre. Erst seit 683/2 v. Chr. bekleideten sie ihr Amt nur mehr für ein Jahr. 85 Geb. ca. 640 v. Chr. Neben dem Spartaner Lykurgos (siehe Iust. 3,2,5 ff.) der bedeutendste griechische Gesetzgeber. Biographie von Plutarch erhalten. 86 594/3 v. Chr. (zum Archonten). 87 Die folgende Episode fand vor Solons Wahl zum Archonten statt (um 600 v. Chr.). 88 Megara: westlich von Athen, auf der Landverbindung zwischen Mittelgriechenland und der Peloponnes. 89 Berühmt durch die Seeschlacht zwischen Griechen und Persern (480 v. Chr.). 90 Solon gilt als erster bedeutender Dichter Athens (elegische und iambische Dichtung). Nach Plut. Sol. 8,1 ff. umfasste Solons Kampfaufruf 100 Zeilen und trug den Titel „Salamis“. Fragmente bietet Diog. Laert. 1,47. 91 Solons Kampfaufruf kann mit der zeitgenössischen paränetischen Dichtung (Kallinos, Tyrtaios) verglichen werden. 92 Siehe Iust. 2,6,13. 93 Um 600–528/7 v. Chr. Der Krieg gegen Megara fällt in die Zeit von 565 und 561 v. Chr. Er wird später mit dem solonischen Feldzug gegen Megara vermischt; vgl. Aristot. Ath. pol. 17,2; Plut. Sol. 8,3. 94 561/60 v. Chr. 95 Andere Lesart: XXXIIII, „vierunddreißig Jahre“. Die Regierungszeit wurde durch zwei Verbannungen unterbrochen; Hdt. 1,60. 61; vgl. auch Aristot. Ath. pol. 17,1: 33 Jahre. 96 Ein Irrtum Iustins: Er hieß nach Hdt. 5,55 Hipparchos und wurde von Harmodios und Aristogeiton 514 v. Chr. ermordet. 97 Vgl. Aristot. Ath. pol. 17,2: vier Söhne. 98 Harmodios.
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Anmerkungen
99 Seit 528/7 v. Chr. 100 Gemeint ist Aristogeiton; Aristot. Ath. pol. 17,1. Iustin hat die beiden Verschwörer vertauscht. 101 510 v. Chr. 102 Siehe Iust. 2,5,13. 103 Sie durften nicht vor dem Vollmond ins Feld ziehen; Hdt. 6,106 f. 104 Stadt in Boiotien (nördlich von Attika). 105 Stadt in Attika (vgl. Marathonlauf). 106 490 v. Chr. 107 Miltiades der Jüngere, geb. ca. 555 v. Chr. 524/3 v. Chr. Archon; Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 108 Ähnliches berichtet Lucan. 3,603 ff. über Gaius Acilius in einem Seegefecht bei Massilia; vgl. Suet. Iul. 68,4. 109 So auch Cic. Att. 9,10,3. Die Richtigkeit dieser Nachricht ist ungewiss (möglicherweise verschied Hippias auf Lemnos). 110 486 v. Chr. 111 Vgl. Hdt. 7,2. 112 So auch Plut. de frat. amor. 18. Vgl. auch Hdt. 7,2: Artobazanes. 113 Nach Hdt. 7,2 f. wurde die Nachfolge noch zu Lebzeiten des Dareios geregelt. 114 Seine Mutter war die Tochter des Gobryas; Hdt. 7,2. 115 Dareios’ Mutter war Atossa, eine Tochter des Kyros; siehe Iust. 1,10,14. 116 Nach Plut. de frat. amor. 18 Artabanos; vgl. auch Hdt. 7,3: Demaratos aus Sparta; zu ihm siehe Iust. 2,10,13 f. 117 Wohl zur Zeit des Trogus, auf den diese Feststellung zurückgehen dürfte. 118 In Susa; Hdt. 7,3. 239. Zu seiner Verbannung Hdt. 6,61 ff. 119 Nach Iust. 21,6,6 soll auch der Karthager Hamilkar auf diese Weise versucht haben, die Pläne Alexanders des Großen an seine Landsleute zu übermitteln. 120 Nach Hdt. 7,239 die Gemahlin des Leonidas, Gorgo. 121 Eine humoristische Übertreibung des Trogus, die auch zum Unterhaltungswert des Werkes beiträgt; vgl. hierzu Hdt. 7,127. 196. 122 Die Stelle ist schlecht überliefert und wird nach Oros. hist. 2,9,2 hergestellt; vgl. Hdt. 7,89. 123 Über den Hellespont (Dardanellen). 124 Kanal durch das Vorgebirge Athos. 125 Der einzige Durchgang für Truppen von Nord- nach Mittelgriechenland. 126 480 v. Chr.; vgl. zudem Hdt. 7,205 ff. 127 Vgl. Hdt. 7,228: Grabepigramm zu Ehren der Gefallenen. 128 Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 129 Vielmehr die Jonier und die Karer; Hdt. 8,19. 22.
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Siehe Iust. 2,5,13. Vgl. Hdt. 8,22. In Boiotien. Vgl. Hdt. 8,50. Vgl. Hdt. 7,143. 480 v. Chr. Stadt an der Südwestküste Kleinasiens (Geburtsstadt Herodots; heute Bodrum). Zu Artemisia Hdt. 7,87 f. 93. 137 Sie hatte nach Hdt. 7,99 fünf Schiffe gestellt. 138 Vornehmer Perser, dessen Mutter die Schwester des Dareios I. war. Mardonios selbst hatte dessen Tochter Artazostre geheiratet; Hdt. 6,43. 7,5. 139 Stadt in Mysien, an der engsten Stelle des Hellesponts. 140 Stadt auf der Chalkidike, von Philipp II. von Makedonien zerstört. 141 Vgl. Hdt. 9,13. 142 479 v. Chr. bei Plataiai: Sieg durch Aristeides und Pausanias. 143 Nach Hdt. 9,64 fiel Mardonios im Kampf. 144 An der Westküste Kleinasiens. Den Namen hat Oros. hist. 2,11,4 richtig erhalten. 145 Sieg durch Xanthippos und Leotychidas; Hdt. 9,90 ff. 146 Der Sieger von Plataiai (siehe Iust. 2,14,4, wo sein Name aber fehlt); Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 147 Abweichend Hdt. 5,32. 148 Der Sieger von Plataiai (siehe Iust. 2,14,4, wo sein Name aber fehlt); Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 149 Ursprünglich freigesprochen, wurde Pausanias später erneut angeklagt und verurteilt. Er entzog sich der Verhaftung und floh in den Tempel der Athena Chalkioikos, wo er verhungerte; Thuk. 1,95. 128 ff. 150 Geb. um 510 v. Chr.; Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 151 Siehe Iust. 2,9,9 ff. 152 Vgl. Hdt. 6,136; Nep. Cim. 1, Milt. 7,4 ff.
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Artaxerxes I. Regierungszeit 465–424/3 v. Chr. Gedacht ist an den libyschen König Inaros, der Ägypten 460–454 v. Chr. zum Aufstand gegen Persien veranlasste. Nach seiner Gefangennahme wurde er gekreuzigt. Sohn von Dareios I. und Atossa. Unter Xerxes und Artaxerxes I. Statthalter von Ägypten. Richtigerweise Megabyzos; siehe auch Iust. 3,1,5: Bakkabasos.
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Anmerkungen
Stadt am Golf von Korinth. Benannt nach der Stadt Krisa/Kirrha (West-Phokis; siehe auch Iust. 24,1,4). 465 v. Chr. Vgl. auch Diod. 11,69. Siehe das Vorwort zu Buch 3: Bagabaxos. Ähnlich Lucan. 1,3 über den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius. Siehe Iust. 2,7,4 ff. Peloponnesischer Krieg (Darstellung von Thukydides und Xenophon): Archidamischer Krieg 431–421 v. Chr. – Nikiasfrieden – Dekeleisch-Jonischer Krieg 414–404 v. Chr. 12 Sagenhafter Gesetzgeber der Spartaner. Seine Lebensdaten sind widersprüchlich: 11.–8. Jh. v. Chr. Biographie von Plutarch erhalten. 13 Zwei. 14 Fünf Ephoren. 15 Die Gerusia, „Rat der Alten“ (28 Geronten). 16 Vgl. Liv. 38,34,9: 800 Jahre. 17 Bewohner von Messenien. Westlich von Lakonien (Peloponnes). 18 Der Erste Messenische Krieg; zur Datierung der Messenischen Kriege vgl. V. Parker, Chiron 21 [1991], 25–47. 19 „Jungfernsöhne“: vom griechischen Wort παρθένος, „Jungfrau“. 20 Tarent in Süditalien (Apulien), die einzige spartanische Kolonie in der Magna Graecia. 21 Das heutige Brindisi. 22 Worauf diese List beruhte, bleibt unklar. 23 Der Zweite Messenische Krieg. Nach Paus. 4,14,6 ff. wurden die Messenier von Aristomenes angeführt. 24 Fünf Bücher überliefert: Elegien (Kampfaufrufe), Eunomía (Gedicht über die Verfassung Spartas), Kriegslieder. 25 Heloten; vgl. Paus. 4,16,6. 26 Vgl. auch Iust. 2,7,11 zu Solon. 27 Tyrtaios erscheint hier als Erfinder von Erkennungsmarken für Soldaten (vgl. die antike Vorstellung vom „Erst-Erfinder“). 28 Da der Zweite Messenische Krieg ins 7. Jahrhundert v. Chr. fällt, der Dritte nach einem großen Erdbeben in Sparta (464 v. Chr.) ausbrach, umfasst der Ausdruck interiecto tempore einen Zeitraum von rund 180 Jahren. 29 Vgl. Thuk. 1,102: Hilfskontingent unter Kimon. 30 Eine Insel der Kykladen (Ägäis). Geburtsort der Artemis und des Apollon; Mutter: Leto. 31 Um den Ägyptern unter der Führung des Inaros gegen die Perser beizustehen (vgl. das Vorwort zu Buch 3). Das Expeditionskorps wurde vernichtend geschlagen. 32 Die Thebaner hatten Xerxes I. unterstützt.
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33 Berühmter Staatsmann der Athener; er starb 429 v. Chr. in Athen an der Pest. Biographie von Plutarch erhalten. 34 Berühmter attischer Tragiker (geb. 497/6 v. Chr.); sieben Tragödien erhalten: u. a. Antigone, Aias, Oidipus Tyrannus und Oidipus auf Kolonos. 35 Iustin hat hier anscheinend ungenau exzerpiert: Sophokles war nur im Krieg gegen Samos (441–39 v. Chr.) Mitstratege des Perikles. 36 Bereits 446/5 v. Chr.; vgl. Thuk. 1,115. 37 431 v. Chr.: Vorstoß des spartanischen Königs Archidamos II. nach Attika. 38 421 v. Chr.: Friedensschluss durch Nikias – 415 v. Chr.: Aufbruch der athenischen Flotte nach Sizilien. 39 Pompeius Trogus, den Iustin hier zitiert.
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Die folgende Beschreibung Siziliens zeigt Trogus’ Interesse an Naturwissenschaften (vgl. Plinius den Älteren oder Senecas „Naturales Quaestiones“). Seine Schriften über Botanik und Zoologie sind bis auf wenige Fragmente verloren. Weitere Beschreibungen: Mela 2,115 ff.; Plin. nat. 3,86 ff.; Strab. 6,2 f. 2 Mare superum: das Adriatische Meer im Gegensatz zum mare inferum, dem Tyrrhenischen Meer; vgl. Iustin 20,1,7. 3 Eine andere antike Erklärung war die Annahme eines Erdbebens; vgl. Strab. 6,1,6. 4 Größter Vulkan Europas. Rund 3369 m ü. M. 5 Von ῥήγνυμι, „zerbrechen“, „zersprengen“, abgeleitet. 6 Die Straße von Messina. 7 Benannt nach Aiolos, dem Herrscher über die Winde; heute die Liparischen Inseln. 8 Zur Kritik an dieser mythischen Deutung vgl. Cic. nat. deor. 1,108; Lucr. 4,732 ff. 9 Ein in einen Felsen verwandeltes Meeresungeheuer. 10 Felsen mit gefährlichem Strudel. 11 Zum Beispiel die Argonauten oder Odysseus; vgl. Apoll. Rhod. 4,822 ff.; Hom. Od. 12,201 ff. 12 Aufgrund der Dreiecksgestalt der Insel (τρία ἄκρα). Mela 2,115 spricht von der Form eines Deltas Δ. 13 Sizilien hieß dann Sikelia. Der Namenswechsel beruht auf der Einwanderung der Sikanoi und Siculi. 14 Ihr Wohnsitz wurde unter dem Ätna lokalisiert; vgl. Verg. georg. 4,170 ff.
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Anmerkungen
15 Auch Anaxilas; vgl. Diod. 11,48. 494–476 v. Chr. Tyrann von Rhegion (liegt auf dem italischen Festland; an der bruttischen Küste). Er herrschte auch über Messana/Zankle (im NO Siziliens). 16 Nach Diod. 11,48 ff. Mikythos; vgl. auch Hdt. 7,170. 17 476–467 v. Chr. Die Söhne des Anaxilaos wurden 461 v. Chr. gestürzt. 18 Siehe Iustins Ausführungen in Buch 19. 19 Karthagischer Feldherr; ca. 500–480 v. Chr. 480 v. Chr. Kriegszug gegen Himera. Von Theron, Tyrann von Akragas, und Gelon, Tyrann von Syrakus, vernichtend geschlagen. 20 Rund 70 Jahre lang. 21 Lat. Regini, im Gegensatz zu den Bewohnern von Regium Lepidum: Regienses. 22 An der Nordküste Siziliens; eine jonisch-dorische Siedlung. 23 An der Ostküste Siziliens. 24 Er wird sonst nirgends erwähnt. 25 Nach Diod. 12,54,4 Charoiades. Die Expedition fällt ins Jahr 427 v. Chr. 26 Der Ausdruck interiecto deinde tempore umfasst einen Zeitraum von zwölf Jahren: 1. Sizilische Expedition 427 v. Chr. – 2. Expedition 415 v. Chr. 27 Ca. 470–413 v. Chr. Biographie von Plutarch erhalten. 28 Ca. 450–404/3 v. Chr. Biographie von Plutarch erhalten. 29 Um 470 v. Chr. geboren. Neben Nikias und Alkibiades einer der drei strategoí autokrátores („der bevollmächtigten Heerführer“) der sizilischen Expedition. 30 Siehe Iust. 5,1,1 ff. 31 An der SO-Küste Siziliens; 734/3 v. Chr. von Korinth gegründet. Die Belagerung der Stadt dauerte von Mai 414 bis Ende August 413 v. Chr. 32 Im Sommer 414 v. Chr. 33 Vgl. Diod. 13,8 und Thuk. 6,101. 34 Nicht der berühmte athenische Redner (vgl. Iust. 11,2,7. 13,5,9). Demosthenes wurde im Frühjahr 413 v. Chr. nach Syrakus entsandt. 35 Er kam im Dezember 414 v. Chr. nach Sizilien. 36 D. h. im Hafen von Syrakus. 37 Der Name ist schlecht überliefert; vgl. Oros. hist. 2,14,21: Eurylochus dux. 38 Abweichend Thuk. 7,86: zusammen mit Nikias von den Syrakusanern hingerichtet.
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Dekeleisch-Jonischer Krieg 414–404 v. Chr. Dekeleia: Grenzfestung im Norden Attikas, die Sparta aufgrund ihrer strategischen Bedeutung 413– 404 v. Chr. besetzt hielt. 2 Siehe Iust. 4,4,4. 3 Stadt auf der Peloponnes. 4 415 v. Chr. 5 Agis II.; 427/6–400 v. Chr. 6 Dareios II. mit dem Beinamen Nothos; 423–405/4 v. Chr. 7 Artaxerxes I. 8 Xerxes I. 9 412 v. Chr. Ein Jahr später erfolgte die Erneuerung des Vertrages. 10 Des Dekeleisch-Jonischen Krieges. 11 Nach der Niederlage der Athener in Sizilien. 12 Die Städte Joniens. 13 Timaia. 14 Die Bule, βουλή. 15 411 v. Chr.: Machtergreifung des Rats der 400. 16 Stadt in Thrakien am Ufer des Hellespontos, wo nach Thuk. 8,102 allerdings die Athener mit achtzehn Schiffen den Feind erwarteten. 17 Spartanischer Flottenkommandant; fiel in der Schlacht von Kyzikos 410 v. Chr. 18 Persischer Satrap, der 409 v. Chr. ein Bündnis mit Athen schloss. 19 Wohl die Schlacht von Abydos im Jahr 411 v. Chr. 20 Wohl die Schlacht von Kyzikos im Jahr 410 v. Chr.; dann wäre aber der Ausdruck interiectis quoque diebus falsch. 21 Karthago wurde von den Segestanern gegen das von Syrakus unterstützte Selinunt zu Hilfe gerufen. 22 408 v. Chr. 23 Siehe Iust. 4,5. 24 Ab 407 v. Chr. Flottenkommandant. Biographie von Plutarch erhalten. Sein Nachfolger war Kallikratidas. 25 Kyros der Jüngere, der Bruder des Artaxerxes II.; ca. 423–401 v. Chr. 26 Nicht Alkibiades, vielmehr seinen Unterführer Antiochos bei Notion 407 v. Chr. 27 Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 28 Die Verluste wurden durch Kallikratidas, den Nachfolger des Lysandros, beigebracht. 29 Bei Aigospotamoi 405 v. Chr.
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Anmerkungen
30 Euagoras I.; ca. 435–374/3 v. Chr. Freund Athens. Hatte daher Konon beim Aufbau einer Flotte unterstützt. 31 Durch Xerxes und Mardonios; siehe Iust. 2,12,11. 14,3. 32 Siehe Iust. 2,15,1. 33 Durch Agis, Pausanias und Lysandros (vgl. Diod. 13,107). Die Kapitulation erfolgte 404 v. Chr. 34 404 v. Chr. 35 Dareios II.; Todesjahr 405/4 v. Chr. 36 Ein Irrtum Iustins oder bereits seiner Quelle, des Trogus: Dionysios I. von Syrakus wurde 404 v. Chr. nur belagert (vgl. Diod. 14,8,4 ff.). Die Vertreibung seines Sohnes, Dionysios II., durch Timoleon erfolgte erst 343 v. Chr. Siehe auch Iustins Ausführungen in Buch 20. 37 Eine Namensliste findet sich bei Xen. Hell. 2,3,2. 38 Unter dem Kommando des Kallibios. 39 Artaxerxes II. Mnemon; 405/4–359 v. Chr. Biographie von Plutarch erhalten. 40 Alkibiades hatte inzwischen bei Pharnabazos, einem persischen Satrapen, Zuflucht gefunden. 41 404 v. Chr. Vgl. Diod. 14,11. Nach Nep. Alc. 10,6 entkam er aus dem brennenden Haus und wurde auf der Flucht durch Pfeilschüsse getötet. 42 Auf Veranlassung des Kritias 404 v. Chr.; vgl. Xen. Hell. 2,3,15 ff. 43 Xen. Hell. 2,4,1 nennt Megara und Theben. 44 Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 45 Urheber eines Bündnisses zwischen Theben und Athen 395 v. Chr. 46 Lysias’ Vater Kephalos stammte aus Syrakus, von wo er nach Athen gezogen war; Lysias selbst wurde bereits in Athen geboren (wohl um 445 v. Chr.). 31 seiner Reden sind nahezu vollständig erhalten, dazu zahlreiche Titel und Fragmente. 47 Siehe Iust. 2,6,6. 48 403 v. Chr. bei Munychia, Piräus, gegen das Heer des Thrasybulos. 49 Geb. um 460 v. Chr. Einer der führenden Häupter der 30 Tyrannen; Onkel Platons, in dessen Dialogen „Timaios“ und „Kritias“ er erscheint. 50 Nach Xen. Hell. 2,4,19 Hippomachos, der ebenso wie Hippolochos (vgl. ebd. 2,3,2) den 30 Tyrannen angehörte. 51 Regierungszeit 408/7–395/4 v. Chr. 52 Siehe Iust. 5,8,7. 53 Artaxerxes II. und Kyros der Jüngere. Siehe Iust. 5,5,1. 8,13. 54 Parysatis. 55 401 v. Chr. bei Kunaxa. Vgl. Diod. 14,19 ff. 56 Die Rückführung der Truppen erfolgte durch Cheirisophos und Xenophon, der die Geschehnisse in seinem Werk „Anabasis“ schildert.
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394 v. Chr.: Sieg des Konon über die spartanische Flotte. 395–386 v. Chr.: Friede des Antalkidas. 371 v. Chr.: Sieg der Boiotier unter der Führung des Epameinondas. Tyrann von Pherai in Thessalien; 370 v. Chr. ermordet. Seit 369 v. Chr. Tyrann von Pherai; 358 v. Chr. ermordet. Richtigerweise Derkylidas; vgl. das Vorwort zu Buch 6. 399 v. Chr.: Nachfolger des Thibron. Siehe Iust. 5,11,1. Siehe Iust. 5,4,1. Siehe Iust. 5,2,5. 5,1. Siehe Iust. 5,11,9. Siehe Iust. 5,5,4. Siehe Iust. 5,6,10. Nach Diod. 14,79,4 Nephereus. Agesilaos II. 444/3–360/59 v. Chr. Biographie von Plutarch und Corne lius Nepos erhalten. 396 v. Chr. 394 v. Chr. bei Knidos: Tod des Peisandros. Siehe Iust. 5,6. Er war sein Schwager. Dieser Krieg begann bereits 395 v. Chr. Berühmter Feldherr Thebens; starb 362 v. Chr. Biographie von Plutarch und Cornelius Nepos erhalten. Bei Haliartos 394 v. Chr. Siehe Iust. 5,7. 8. Sein verspätetes Erscheinen in der Schlacht wurde als Absicht gedeutet. Nach Tegea. 394 v. Chr. Iustin meint wohl die Schlacht am Fluss Nemea. Bei Koroneia 394 v. Chr. Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 393 v. Chr. Der 387/6 v. Chr. geschlossene Königsfrieden; auch „Frieden des Antalkidas“ genannt (nach dem Spartaner Antalkidas). Durch die Senonen unter der Führung des Brennus (vae victis); vgl. Li vius 5,39 ff. Die Festung Kromnos in Arkadien. 364 v. Chr.
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Anmerkungen
35 Archidamos III. Sohn des Agesilaos II. Spartanischer König 359–338 v. Chr. 36 Nach Plut. Ages. 32,3 ungefähr 200. 37 Die Version des Iustin ist wohl gegenüber Plut. Ages. 34 (Agesilaos erreichte vor Epameinondas Sparta) zu verwerfen. 38 Schlacht von Mantineia 362 v. Chr. 39 Der Ausdruck post paucos deinde dies steht im Widerspruch zu Iust. 6,8,11–13. Es dürfte folglich eine Verschreibung vorliegen. 40 Sein Lehrer war Lysis aus Tarent, ein Schüler des Pythagoras. 41 Siehe Iust. 7,5,1 ff. 42 Fiel 364 v. Chr. in der Schlacht von Kynoskephalai gegen Alexandros von Pherai. Biographie von Cornelius Nepos und Plutarch erhalten.
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Nach Hes. theog. 985 Sohn des Tithonos und der Eos. Unter Alexander dem Großen; siehe Iust. 12,9 f. Vgl. Hom. Il. 21,141. Er wurde von Achill getötet; vgl. Hom. Il. 21,140 ff. Gemeint ist Europia. Sohn des Makedon, Archeget der Makedonen, und der Oreithyia. Begründer des makedonischen Königshauses; vgl. Diod. 7,15 ff.; vgl. aber auch Hdt. 8,137 ff., wo Perdikkas als Stammvater der Makedonen erscheint. 8 Aus Argos. 9 Vgl. Diod. 7,16, wo ein ähnlicher Orakelspruch an Perdikkas ergeht. 10 Vgl. hierzu Ov. met. 3,3 ff. über die Gründung von Theben durch Kadmos. 11 „Ziegenstadt“. 12 Mythischer Vorfahr des phrygischen Königshauses. Der Sage nach wurde alles, was er berührte, zu Gold. Vgl. Hdt. 7,73; Iust. 11,7,14; Ov. met. 11,85 ff. 13 Perdikkas I. Gilt nach Hdt. 8,137 ff. als Stammvater des makedonischen Königshauses (7. Jh. v. Chr.). 14 Nach Hdt. 8,139 Argaios. 15 Alexander der Große hatte Anweisung gegeben, seinen Leichnam im Tempel des Jupiter Ammon beizusetzen; siehe Iust. 12,15,7. 13,4,6. 16 Vgl. Hdt. 8,139. 17 Aëropos I.; vgl. Hdt. 8,139. 18 Amyntas I. Nach Hdt. 8,139 war er der Nachfolger seines Vaters Alketas.
Buch VII
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19 Alexandros I. Philhellen († nach 460 v. Chr.). Er unterstützte während seiner Regierung den Einfall des Xerxes in Griechenland. 20 Dareios I. 21 Siehe Iust. 2,5,8 ff. 22 Nach Hdt. 4,143 Megabazos. 23 513 v. Chr. 24 Namens Gygaia; vgl. Hdt. 5,21. 25 Ca. 497/6 v. Chr. 26 Siehe Iust. 2,10,12 ff. 27 An der Grenze zwischen Makedonien und Thessalien. Galt als Wohnsitz der Götter. 28 In Thrakien. 29 Amyntas III. (ca. 392–370 v. Chr.). Zuvor (ca. 454– ca. 392): Perdikkas II., Archelaos, Orestes, Aëropos II. und dessen Sohn Pausanias (Gegenkönig Amyntas II.). 30 Ein Irrtum des Iustin: Amyntas III. war der Sohn des Arridaios und der Urenkel des Alexandros I. Menelaos hingegen war der Sohn des Alex andros I., Perdikkas II. sein Bruder. 31 Enkelin des Arrabaios, des Fürsten der Lynkesten. Die Heirat mit Amyntas erfolgte um 390 v. Chr. 32 Alexandros II.; Nachfolger des Amyntas III.; 368 v. Chr. ermordet. 33 Perdikkas III.; König von Makedonien 365–359 v. Chr. 34 Geboren um 382 v. Chr. 35 Alexander III., 356–323 v. Chr. Zu ihm siehe Iustins Ausführungen in den Büchern 11 und 12. 36 Nicht identisch mit der bei Iust. 7,3,9 erwähnten gleichnamigen Tochter des Amyntas I. 37 Zusammen mit Archelaos von Philipp II. ermordet; siehe Iust. 8,3,10. 38 Nach der Thronbesteigung Philipps II. 359 v. Chr. geflüchtet. 39 Ptolemaios Alorites. Ermordete nach Iust. 7,5,4 Alexandros II., den Nachfolger des Amyntas III. 40 Nach Diod. 16,2 hatte bereits Amyntas III. seinen Sohn Philipp als Geisel gestellt. 41 Nach Diod. 16,2 kehrte Philipp erst nach Perdikkas’ Tod (359 v. Chr.) nach Makedonien zurück. 42 Siehe Iust. 6,8,4 ff. 9,7. 43 368 v. Chr. 44 Möglicherweise ein Irrtum des Iustin. Nach Diod. 16,2,4 fiel Perdikkas vielmehr im Kampf gegen die Illyrer (gegen König Bardylis?). 45 Amyntas. Von Alexander dem Großen hingerichtet. Siehe auch Iust. 12,6,14.
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Anmerkungen
46 Zudem erzog er seinen eigenen Sohn, Alexander den Großen, zum Thronerben. 47 Zu Philipps Regierungszeit, 359–336 v. Chr., siehe Iust. 9,8,1. 48 Unter der Führung des Mantias 359 v. Chr. bei Methone. Dieser sollte dem makedonischen König Argaios gegen Philipp zu Hilfe eilen. 49 Gegen König Bardylis (358 v. Chr.), der zusammen mit etwa 7000 Mann im Kampf fiel. 50 Nach Iust. 9,7,13 soll sie als Kind den Namen Myrtale getragen haben. Ihren Namen Olympias erhielt sie erst nach dem Olympischen Sieg des Philipp 356 v. Chr. 51 Sohn und Nachfolger Alketas’ I.; zunächst Alleinherrscher, teilte er nach Thronstreitigkeiten die Herrschaft mit seinem Bruder Arrybas. Sein Tod fällt in die Jahre zwischen 364/3 und 357 v. Chr. Siehe auch Iust. 17,3,14. 52 357 v. Chr. 53 Jüngerer Bruder des Neoptolemos; vgl. Iust. 8,6,4 und Paus. 1,11. 54 Siehe Iust. 8,6,7. 55 Methone, 355/4 v. Chr.
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Der Dritte Heilige Krieg 356–346 v. Chr.; durch den Philokratesfrieden beendet. Stand 341/40 v. Chr. auf Seiten der Athener. Das Vergehen der Phoker bestand darin, ein dem Apollon geheiligtes Stück Land in der Gegend von Kirrha bebaut zu haben; vgl. Diod. 16,23,3. Der Gerichtshof der Amphiktyonen, der aus Abgeordneten aller griechischen Staaten bestand und sich zweimal jährlich versammelte. Ihm oblag auch die Aufsicht über das Delphische Orakel. Die Kadmeia; 382 v. Chr. unter der Führung des Phoibidas eingenommen. 356 v. Chr. Zum Ganzen vgl. Diod. 16,23 ff. Bei Neon, einer Stadt in Phokis, 354 v. Chr.; vgl. Diod. 16,28 ff. und Paus. 10,2,4. Nach Diod. 16,56,5 Bruder des Philomelos. Der Lorbeer war dem Apollon heilig und besaß in seinem Kult eine wichtige Aufgabe. Die Schlacht auf dem Krokusfeld bei Pagasai 352 v. Chr. Vgl. Iust. 2,11. Durch Befragung des Delphischen Orakels. Seel liest in Thraciam. Die Lesung in Chalcidiam folgt hier dem Vorwort zu Buch 8: bellum, quod Philippus cum Chalcidicis urbibus gessit.
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Siehe Iust. 7,4,5. Gygaia; siehe Iust. 7,4,5. 348 v. Chr. Iustin scheint ungenau exzerpiert zu haben: In Thrakien hatten sich Amadokos II. und Berisades gegen Kersobleptes, den Sohn des Kotys, erhoben, der daraufhin sein Reich mit ihnen zu teilen hatte. Als ihnen daher Charidemos, der Schwager des Kersobleptes, den Krieg erklärte, riefen sie Philipp II. zu Hilfe. Wird sonst nicht erwähnt. 346 v. Chr. Zu einer Parallele vgl. Liv. 1,29: Zerstörung Alba Longas. 344/3 v. Chr. Vgl. Iust. 7,6,10 f. Seit 336 v. Chr. mit Philipps Tochter, Kleopatra, vermählt. Ging 334 nach Italien, wo er gegen verschiedene Stämme kämpfte. Schließlich ermordet. 342 v. Chr.
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Dareios II. (423–405/4 v. Chr.), Sohn des Artaxerxes I. und einer Babylonierin; daher sein Beiname Nothos, „Bastard“. Siehe Iust. 5,8,13. 11,1 ff. Siehe Iust. 5,6,10. 330 n. Chr. von Kaiser Konstantin umbenannt in Konstantinopolis, heute Istanbul. 340/39 v. Chr. Ein Irrtum des Trogus. Vgl. auch Vell. 2,7,7, der Byzantion für eine milesische Kolonie hält. Zur Gründungszeit vgl. Hdt. 4,144. Alexander wurde 356 v. Chr. geboren. Volksstamm an der unteren Donau; vgl. Hdt. 4,49. Während des Dritten Heiligen Krieges. Die Schlacht von Chaironeia 338 v. Chr. Als Vorlage diente wohl Sall. Catil. 61,2 f. Das Gegenteil berichtet Diod. 16,87. Geb. 399/8 v. Chr. Während der Invasion Alexanders in Kleinasien Statthalter von Makedonien; siehe Iust. 11,7,1. Er starb wahrscheinlich im Jahre 319 v. Chr. Um 400 v. Chr. geboren. Eine seine Töchter war die Gemahlin des Attalos. Wird von Diod. 16,91,2 und 17,2,4 nicht genannt. Vielleicht identisch mit Plut. Dem. 18.
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Anmerkungen
16 Schwiegersohn des Parmenion. Nach dem Tode Philipps auf Befehl Alexanders des Großen ermordet (vgl. Diod. 17,2,4 f. 5,1 f.; siehe auch Iust. 11,5,1. 12,6,14). 17 Kleopatra II., die nach Plut. Alex. 9 die Nichte des Attalos war (falsch auch Diod. 17,2,3). Nach Philipps Ermordung von Olympias zum Selbstmord gezwungen (siehe Iust. 9,7,12). Ihre Verwandten wurden schließlich von Alexander ermordet (siehe Iust. 11,5,1). 18 337 v. Chr. 19 336 v. Chr. in Aigai. 20 Jüngere Schwester Alexanders des Großen. Aus dieser Ehe gingen Neo ptolemos II. und Kadmeia hervor. 21 Siehe Iust. 8,6,5 ff. 22 Ein Offizier aus dem Stabe König Philipps. 23 Im Theater. 24 Vgl. Diod. 16,94. 25 Vgl. Diod. 16,93,7 f. 26 Karanos; siehe Iust. 11,2,3. Seine Existenz ist jedoch zweifelhaft. 27 Ausführlicher Plut. Alex. 9. 28 Siehe Iust. 8,6,5 ff. 29 Siehe Iust. 9,6,1. 30 Nach Diod. 16,94,4 wurde Pausanias bereits auf der Flucht getötet. 31 Europa; vgl. Athen. deipn. 13,557e. 32 Abweichend Paus. 8,7,7: Tod durch Feuer. 33 Vgl. Val. Max. 1,8,ext.9. 34 Nach Plut. mor. 401a-b hieß sie auch Polyxena bzw. Stratonike. 35 336 v. Chr. 36 Philinna. 37 Philippos III. Arridaios; war nach Plut. Alex. 77 aufgrund eines Gifttrankes, den ihm Olympias verabreicht haben soll, schwachsinnig; 317 v. Chr. auf Olympias’ Befehl hin ermordet. Siehe Iust. 13,2,11. 14,5,10. 38 Z. B. des Kleitos; siehe Iust. 12,6,3. Zum Umgang mit seinen Freunden siehe auch ders. 12,5,1 ff. 39 Der vorliegende Vergleich Philipps mit seinem Sohn Alexander hat Sallusts Gegenüberstellung Catos mit Iulius Caesar (Synkrisis) zum Vorbild: Sall. Catil. 53,6 ff. Dass Trogus die Werke Sallusts gekannt hat, bezeugt er selbst in 38,3,11.
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Artaxerxes IV. mit dem Beinamen Arses, 338–336 v. Chr. Sohn des Artaxerxes III. Ochos. Artaxerxes II. Mnemon; siehe Iust. 5,8,13. Plut. Art. 27,2 erwähnt 360 Nebenfrauen. Er war der älteste Sohn des Artaxerxes, geboren um 412 v. Chr. Seel liest Ariaratus. Plut. Art. 30,1 nennt ihn Ariaspes. Artaxerxes III. mit dem Beinamen Ochos, 359–338 v. Chr. Seine Gemahlin wurde zusammen mit drei Töchtern nach der Schlacht bei Issos von Alexander dem Großen gefangen genommen; vgl. Curt. 3,13,12 f. Siehe Iust. 5,11. Zu ihr vgl. Plut. Art. 26,3 ff. Vgl. Plut. Art. 27,2 f. Zur Verehrung der Sonne durch die Perser vgl. Iust. 1,10,5. Bei den Römern hatten die Vestalinnen das Jungfräulichkeitsgebot zu halten; bei Verletzung folgte die Todesstrafe. Vgl. Plut. Art. 29. 359 v. Chr. Ebenso wie sein Vater Artaxerxes II. 408/7 v. Chr.; siehe das Vorwort zu Buch 10. Ein iranischer Nomadenstamm an der SW-Küste des Kaspischen Meeres. Dareios III. Der Beiname Kodomannos, der recht zweifelhaft ist, findet sich nur bei Iustin. 333 v. Chr. von Alexander dem Großen in der Schlacht von Issos besiegt. 338 v. Chr. von Bagoas vergiftet; vgl. Diod. 17,5,3. Ochos’ Nachfolger war vielmehr sein Sohn Arses; siehe das Vorwort zu Buch 10. Dass Bessos, Barsaentes und Nabarzanes Verwandte des Dareios gewesen seien, wird sonst nirgends berichtet. Siehe Iust. 11,15.
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Alexander III., 356–323 v. Chr. Quellen neben Iustin: Curtius Rufus, Plutarch, Diodor (Buch 17) und Arrian („Anabasis“). Die Darstellung des Trogus fußt wohl auf Kleitarchos, einem Zeitgenossen Alexanders des Großen. Zu Buch 11 siehe ausführlich den Kommentar von Heckel/Yardley, Justin, 72 ff. Siehe Iust. 9,5,6 f.
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Anmerkungen
Zu Philipps Tod siehe Iust. 9,6 ff. Siehe Iust. 9,6,1. Siehe Iust. 7,6,7. Siehe Iust. 8,3,14 f. Siehe Iust. 8,6,3. 336 v. Chr. In Aigai, heute Vergina, wo bei Ausgrabungen möglicherweise auch die Grabstätte Philipps II. entdeckt wurde. Heromenes und Arrabaios, die beiden Brüder des Lynkesten Alexandros. Ihr Vater war Aëropos II.; vgl. Arr. an. 1,25,1. Vgl. hierzu auch das Vorgehen Octavians nach der Einnahme von Perusia (heute Perugia): Suet. Aug. 15. Aus der Landschaft Lynkestis, in Makedonien. Siehe Iust. 9,7,3. Siehe Iust. 9,5,1. 336 v. Chr. Berühmter athenischer Redner und Politiker, 384–322 v. Chr. Biographie von Plutarch erhalten. Vgl. Diod. 17,4,8. Siehe Iust. 9,3,1 ff., wo sich die Ereignisse jedoch auf Philipp II. beziehen. Vgl. Arr. an. 1,7,2 f.; siehe auch Iust. 11,4,1. Der Feldzug fällt ins Jahr 335 v. Chr. Vgl. Diod. 16,35,1. Die Nachkommen des Aiakos, zu denen sich auch das molossische Königshaus zählte, dem auch Olympias, die Mutter Alexanders des Großen, angehörte. Siehe hierzu auch Iust. 17,3,1 ff. Vgl. Diod. 17,4,1. Ähnlich hatten sich die Athener gegenüber Alkibiades verhalten; siehe Iust. 5,4,11 ff. Vgl. Diod. 17,14,1: 6000 gefallene Thebaner und mehr als 30000 Gefangene. Vgl. Diod. 17,13,5: Thespier, Plataier und Orchomenier. Vgl. Hdt. 7,233. 9,15,4. 86 ff. Vgl. Nep. Epam. 6,2 f.: Oidipus und Orestes. Sonst unbekannt. Ausgezeichnete Männer wie Pindar, Epameinondas oder Pelopidas. Dionysos und Herakles. Siehe Iust. 7,5,2 f. 335 v. Chr. Das Haus des Dichters Pindar wurde verschont. Im Jahre 315 v. Chr. erfolgte der Wiederaufbau durch Kassandros. Nach Diod. 17,15,1 zehn, vor allem Demosthenes und Lykurgos.
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Namentlich Charidemos. Vgl. Arr. an. 1,10,6. Dareios III. Siehe Iust. 9,5,9. 7,2. 12. Karanos (siehe Iust. 11,2,3) und Amyntas, den Sohn des Perdikkas III., einen Neffen Philipps II. 39 334 v. Chr. Der Übergang erfolgte über den Hellespont. 40 Troja. 41 Unter anderem Achill und Ajax; vgl. Diod. 17,17,3. 42 Vgl. Diod. 17,17,3 f. 43 Alexandros II. und Perdikkas III.; siehe Iust. 7,4,5. 44 Dareios III.; siehe Iust. 10,3,3 ff. 45 334 v. Chr. am Fluss Granikos. 46 Diese Zahlenangabe ist wohl stark übertrieben; vgl. Diod. 17,19,4 f. 47 Mit Alexander dem Großen eng befreundet; siehe Iust. 9,4,5. 48 Er wurde später ermordet; siehe Iust. 12,14,1. 49 333 v. Chr. 50 Westlich des heutigen Ankara am Fluss Sangarios. 51 Möglicherweise Zeus Sabazios. 52 Sagenhafter Gründer des phrygischen Reiches, dessen Hauptstadt nach ihm benannt wurde. 53 Vgl. auch Arr. an. 2,3,1 ff. 54 In diesem Mädchen kann vielleicht die phrygische Göttin Kybele erkannt werden. 55 Zur Verbindung des Midas mit dem thrakischen Sänger Orpheus vgl. Ov. met. 11,92. 56 Nach Iust. 7,1,11 anfänglich Herrscher über einen Teil Makedoniens; von dort von Karanos vertrieben. 57 Durch die Kilikische Pforte. 58 Geburtsstadt des Apostels Paulus. 59 Vgl. Curt. 3,4,8 f. 60 Aus Akarnanien, Westgriechenland. 61 Siehe Iust. 9,5,8. 12,5,3. 62 Dies berichtet nur Iustin. 63 333 v. Chr. bei Issos. 64 Alexander an der rechten Hüfte; vgl. Curt. 3,11,10. Dass auch Dareios verwundet wurde, wird sonst nicht erwähnt. 65 Sisygambis/Sisyngambris. 66 Stateira. 67 Barsine, die von Iust. 12,10,9 Stateira genannt wird, und Drypetis.
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Anmerkungen
68 Tochter des Artabazos, die nach Iust. 15,2,3 auf Veranlassung des Kassandros zusammen mit ihrem Sohn getötet wurde. Die Nachricht ist jedoch fraglich. 69 Nach Heckel/Yardley, Justin, 142, verwechselt ihn Iustin mit Rhoxanes Sohn, Alexandros IV. Siehe Iust. 14,6,2. 15,2,3. 5. 70 Zu ihm siehe Curt. 4,1,19 ff. Diod. 17,46,6 nennt ihn Ballonymos. 71 An der Küste Phöniziens, nördlich von Tyros. Siehe Iust. 18,3 ff. 72 Der tyrische Stadtgott Melquart. 73 Alt-Tyros, Palaityros, lag Tyros, das auf einer Insel gelegen war, gegenüber. Vgl. Curt. 4,2,4. 74 Königin Dido, auch Elissa genannt; vgl. Verg. Aen. 1,335 ff. Siehe auch Iust. 18,4 ff. 75 814/3 v. Chr. Siehe auch Iust. 18,6,9. 76 Vgl. hierzu allgemein Plut. de mul. vir. (= mor. 242e–243 ff.). 77 332 v. Chr. Dass die Stadt durch Verrat erobert worden sei, berichtet nur Iustin. 78 Vgl. Plut. Alex. 2,6. 3,1 f. 79 Siehe auch Iust. 9,5,9. 7,2. 12. 80 Das in der Oase Siwa gelegene Ammoneion. 81 Sein Lehrer war der griechische Philosoph Aristoteles. Siehe auch Iust. 12,6,17. 16,8. 82 Diod. 17,39,4 und Arr. an. 3,8,6 bieten andere Zahlen. 83 Stateira. 84 Stateira bzw. Barsine; siehe Iust. 11,9,12. 12,10,9. 85 331 v. Chr. bei Gaugamela. 86 Nach Arr. an. 3,12,5 bestand Alexanders Heer aus 47000 Mann. 87 Ein Irrtum Iustins. Nach Arr. an. 3,15,4 der Fluss Lykos. 88 Siehe auch Iust. 1,6,3. 89 Vgl. Diod. 17,69,3. 90 Von Bessos; siehe Iust. 12,5,10. 91 Der Name erscheint nur bei Iustin. 92 Die Parther; siehe Iustin Buch 41. 93 Nach Curt. 5,13,24 Polystratos. 94 330 v. Chr. Nach Arr. an. 3,22,6 war Dareios ungefähr fünfzig Jahre alt. 95 Vgl. Plut. Pomp. 80,7: Caesars Reaktion beim Anblick des toten Pompeius.
Buch XII 1
Archidamos III., spartanischer König 359–338 v. Chr.; unterstützte in Italien die Tarentiner gegen die Lukaner und fiel 338 v. Chr. bei Mandurium.
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Zu Buch 12 siehe ausführlich den Kommentar von Heckel/Yardley, Justin, 181 ff. Nach Diod. 17,74,5 8000 Talente. Die ehemalige Hauptstadt der Meder, heute Hamadan. Geb. 400 v. Chr. Zu Parmenion vgl. Arr. an. 3,19,7. 26,3. Zu Antipatros siehe Iust. 9,4,5. 11,7,1 bzw. Buch 13 passim. Siehe Iust. 11,7,1. Agis III., König von Sparta 338–331 v. Chr. Biographie von Plutarch erhalten. Siehe Iust. 8,6,5 ff. 9,6,1. 17,3,14 f. Vgl. auch Liv. 8,3,24. 9,17,17. 19,10. Um 325 v. Chr. Siehe auch Iust. 2,3,4. 37,3,2. Siehe Iust. 9,5,3. Nahe Megalopolis, das Agis belagerte. Vgl. Curt. 6,1,1 ff. Siehe Iust. 3,4,11 ff. 20,1,15. Zum Ursprung ihres Namens siehe Iust. 23,1,12. Vgl. Iust. 30,4,15. 41,1,1. Diese Prophezeiung ist sonst unbekannt. In Epeiros. Zur Gründungssage der Orakelstätte vgl. Hdt. 2,55. Entspringt am Berg Tomaros. Vgl. Liv. 8,24,1 f. Vgl. Liv. 8,24,5. Dies wird im Folgenden erzählt. Das heutige Brindisi. 266 v. Chr. von den Römern in Besitz genommen. Nach Strab. 6,3,6 durch Theseus oder Iapyx. Sohn des Tydeus. Verließ nach der Rückkehr aus Troja seine Heimatstadt Argos und zog nach Italien, wo er von König Daunos in Apulien aufgenommen wurde. Heirat mit dessen Tochter Euippe. Zu seinen Taten vor Troja vgl. Hom. Il. 2,567 ff. 5,142 f. 23,290 ff. u. a. Siehe auch Iust. 20,1,10. Vgl. Liv. 8,24,4: Herakleia, Sipontum, Consentia und Terina. Die Bewohner von Metapontum; am Golf von Tarent. Volksstamm an der SO-Küste Italiens. Auch Peucetii genannt. Vgl. Plin. nat. 3,38 und Strab. 6,3,8. Vgl. Liv. 8,17,10. Vgl. auch Gell. 17,21,33. In Bruttium. Vgl. Liv. 8,24,11. Zur Datierung vgl. ebd. 8,24,1. Vgl. Liv. 8,24,14 ff. Vgl. Curt. 10,1,44: Thrakien. Vgl. Curt. 10,1,44: Geten. Siehe Iust. 2,3,4.
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Anmerkungen
36 Er war der Bruder seiner Mutter Olympias und der Gatte seiner Schwester Kleopatra. 37 Bessos, Nabarzanes und Barsaentes. 38 Vgl. Curt. 6,3. 39 Am Kaspischen Meer. 40 Am Südufer des Kaspischen Meeres; auch Amardoi genannt. 41 Siehe Iust. 2,4,33. 42 Vgl. Diod. 17,77,3. 43 Vgl. Curt. 6,5,24 ff. Zur Glaubwürdigkeit dieser Erzählung vgl. Plut. Alex. 46. Nach Iust. 2,4,33 starb Thalestris bald nach der Rückkehr in ihr Reich. 44 Vgl. Curt. 6,6,2 ff.; Diod. 17,77,5. 45 Vgl. Diod. 17,77,5. 46 Ἐπίγονοι, „die Nachgeborenen“, „die Nachkommen“. 47 Der von Iust. 41,4,7 genannte Andragoras ist möglicherweise dessen Sohn. 48 Siehe auch Iust. 9,8,15. 49 Nach Curt. 7,2,33 war Parmenion siebzig Jahre alt. Siehe auch Iust. 12,1,3. 50 330 v. Chr. 51 Vgl. Curt. 7,2,36 ff. 52 In den Jahren 330–325 v. Chr. 53 Vgl. Arr. an. 3,28,1; Curt. 6,6,36; Diod. 17,78,4. 54 Vgl. Diod. 17,81,1. 55 Siehe auch Iust. 13,4,21. 56 Seel liest † Arimaspos, Parapamesadas ceterosque populos. Vgl. auch Oros. hist. 3,18,7. 57 329 v. Chr. durch Spitamenes. Nach Curt. 6,6,13 ließ sich Bessos nach Dareios’ Tod Artaxerxes nennen. 58 Siehe Iust. 11,15,1. 59 Oxathres oder Oxyathres; vgl. Curt. 6,2,9.11. 60 Nach Heckel/Yardley, Justin, 219, der Fluss Iaxartes (Syr-darya). 61 Alexandreia Eschate; 327 v. Chr. gegründet. 62 Kyros II., der Begründer des persischen Weltreiches; Regierungszeit 559– 530 v. Chr.; siehe Iust. 1,5 ff. 63 Vgl. Strab. 11,11,4. 64 Vgl. Curt. 8,1,22 ff. 65 Genannt „der Schwarze“; Sohn des Dropidas und Bruder der Amme Alexanders des Großen; er wurde von Alexanders Heer des Hochverrates beschuldigt. Vgl. Curt. 8,1,19 ff.; Plut. Alex. 50. 66 Er hatte bereits unter Philipp II. gedient; vgl. Curt. 8,1,20. 30. 33. 67 328 v. Chr. in Marakanda. 68 Zudem hatte ihm Kleitos in der Schlacht am Granikos das Leben gerettet; vgl. Curt. 8,1,20.
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69 Nach Curt. 8,1,21 Hellanike. 70 Sohn des Perdikkas III., des Onkels Alexanders des Großen. Siehe Iust. 7,5,6 ff. Vgl. auch Curt. 6,9,17. 10,24. 71 Kleopatras Ermordung erfolgte auf Veranlassung Olympias’; siehe Iust. 9,7,12. 11,2,3. 72 Nach Heckel/Yardley, Justin, 227, ein rhetorischer Plural. Es könnte Alexanders Stiefbruder Karanos gemeint sein; siehe Iust. 11,2,3. Denkbar wäre auch, dass Alexander mehrere Brüder hatte, deren Namen in Vergessenheit gerieten. Zudem wurde auch die Möglichkeit erwogen, dass fratres hier als Cousins zu verstehen ist; vgl. Heckel/Yardley, Justin, 228. 73 Onkel von Kleopatra II., der Gemahlin Philipps II.; siehe Iust. 9,5,8. 11,5,1. 74 Über seine Ermordung durch Alexander den Großen ist sonst nichts bekannt. 75 Wohl der Mörder Philipps II.; siehe Iust. 9,6,4. 7,1 f. Zu seiner Hinrichtung siehe ebd. 9,7,10. 76 Geb. etwa 370 v. Chr.; von Olynth; Aristoteles’ Großneffe, bei dem er auch aufwuchs. Nach Plut. Alex. 52,2 ff. zog Alexander auch Anaxarchos von Abdera zu Rate. 77 384–322 v. Chr.; griechischer Philosoph aus Stageira in Makedonien; Schüler Platons; 343–340 v. Chr. Lehrer Alexanders des Großen. Vgl. Plut. Alex. 7. 78 Das Werk trug vermutlich den Titel Ἀλεξάνδρου Πράξεις, „Alexandergeschichte“, und war die erste zusammenhängende Darstellung des Alexanderfeldzuges. Daneben verfasste Kallisthenes eine „Griechische Geschichte“ in zehn Büchern, worin die Ereignisse der Jahre 387/6–357/6 v. Chr., Antalkidasfrieden – Ausbruch des Phokischen Krieges, geschildert sind. Von beiden Werken sind nur Fragmente erhalten. 79 Vgl. Curt. 8,1,8. 80 Vgl. Arr. an. 3,28,8. 81 Das Ritual der Proskynese. 82 327 v. Chr. hingerichtet. Siehe Iust. 15,3,3 ff. Sein Tod wurde von Theophrast betrauert; vgl. Cic. Tusc. 3,21. 5,25. 83 Vgl. Arr. an. 4,13,3 f.; Curt. 8,6,8 f. 84 „Silberschildler“: ein Elitekorps schwerer makedonischer Infanterie. Siehe Heckel/Yardley, Justin, 237 f. 85 Nach Heckel/Yardley, Justin, 238, Dionysopolis (Nagarahara). 86 Der Gott Dionysos/Bacchus. 87 Vgl. Curt. 8,10,11. 88 Namens Meros; vgl. Curt. 8,10,12. 89 Vgl. Curt. 8,10,19; Oros. hist. 3,19,1. 90 Vgl. Curt. 8,10,22 f.; Oros. hist. 3,19,1: Cleophylis.
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Anmerkungen
91 Nach Curt. 8,10,36 ist die Vaterschaft unklar. 92 Die Bezeichnung „königliche Hure“ legte die augusteische Propaganda auch Kleopatra VII. zu; vgl. Plin. nat. 7,119; Prop. 3,11,39: meretrix regina. 93 Skeptisch Arr. an. 4,28,1 f. 94 Vgl. Curt. 8,12,13; Strab. 15,1,29. Nach Heckel/Yardley, Justin, 245, „not a name but rather a title,‘rajah of the Paurava’“. 95 Am Hydaspes; zur Datierung, 326 v. Chr., vgl. Heckel/Yardley, Justin, 246. 96 Nach Strab. 15,1,29 Alexanders berühmtes Pferd Bukephalas. 97 Nach Curt. 8,14,34 bestieg Alexander einfach ein anderes Pferd. 98 Bukephalas; vgl. Arr. an. 5,19,5; Strab. 15,1,29. 99 Zur Gründung dieser beiden Städte vgl. Arr. an. 5,19,4 und Curt. 9,1,6. 3,23. 100 Vgl. Arr. an. 5,22,3f 101 Vgl. Arr. an. 5,22,1 f. 102 Die Praesiden und Gangariden lebten jenseits des Ganges; vgl. Curt. 9,2,3. 103 Seel liest Sophitis ; Oros hist. 3,19,5 bietet Cofides. Zu Sophites vgl. Curt. 9,1,24 ff. 104 Nach Arr. an. 5,29,1 und Curt. 9,3,19 ließ Alexander zwölf Altäre für die olympischen Götter errichten. 105 Nebenfluss des Indus, heute Chenab. 106 Nach Curt. 9,3,22 umfasste Alexanders Flotte 1000 Schiffe. 107 Vgl. Oros. hist. 3,19,6: Gesonas Sibosque. Zu den Sibern vgl. Curt. 9,4,1 f. 108 Die Stelle ist schlecht überliefert, vgl. Heckel/Yardley, Justin, 257. Die in den Handschriften überlieferten Sugambrer lebten in Germanien, am rechten Rheinufer. Seel liest daher Sudracas. Vgl. auch Oros. hist. 3,9,6: Subagras. 109 Nach Curt. 9,5,2 war die Stadt voller Feinde, was auch bei Iustin in weiterer Folge plötzlich der Fall ist. 110 Curt. 9,5,14 f. nennt Leukestes, Timaios, Leonnatos und Aristonos. 111 Vgl. Curt. 9,5,22 ff. 112 Vornehmer Makedone, zwischen 390 und 380 v. Chr. geboren. Wurde nach Iust. 12,12,8 am Ende des Feldzuges aufgrund seines Alters aus dem Heer verabschiedet. Nach Heckel/Yardley, Justin, 260, liegt eine Verwechslung mit Krateros vor. 113 Die Stelle ist schlecht überliefert: Seel liest Ambi regis. Vgl. auch Oros. hist. 3,19,11: Ambira rex. Der Name lautet vermutlich Sambos; vgl. Curt. 9,8,13. 17. 114 Ptolemaios I. Soter, 367/6–282 v. Chr.; Begründer der Dynastie der Ptolemaier in Ägypten, die erst mit Kleopatra VII. im Jahre 30 v. Chr. zu Ende
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ging. Nach Curt. 9,8,22 hielt man ihn für einen Sohn Philipps II. Siehe auch Iust. 13,4,10. 16,2,7. Vgl. Curt. 9,8,25 ff. Vgl. Arr. an. 6,19,4 f. Sonst nicht erwähnt; möglicherweise liegt ein Irrtum des Iustin vor. Vgl. Heckel/Yardley, Justin, 265 f. Vgl. Diod. 17,104,1. Gemeint ist Peithon, Sohn des Agenor, 325 v. Chr. Vgl. Arr. an. 6,15,4. Zu Peithon siehe auch Iust. 13,4,21. Die Gedrosische Wüste; SO-Iran und SW-Pakistan. Vgl. Curt. 9,10,5 ff. Diese Aufgabe fiel Leonnatos zu; vgl. Curt. 9,10,2. Curt. 10,1,1 ff. nennt Kleandros, Sitalkes, Herakon und Agathon. Eigentlich Barsine; bei Issos 333 v. Chr. von Alexander gefangen genommen; siehe Iust. 11,9,12. Nach Alexanders Tod auf Betreiben der Rhoxane ermordet; vgl. Plut. Alex. 77,6. Massenhochzeit zu Susa im Jahre 324 v. Chr. Zur Meuterei von Opis im Jahre 324 v. Chr. vgl. Curt. 10,2,8 ff. Genannt „der Weiße“; 322 v. Chr. Befehlshaber über die makedonische Flotte. Zu ihm siehe auch Iust. 13,6,16. Nicht mit dem in Iust. 12,6,3 genannten Kleitos identisch. Befehlshaber Alexanders des Großen; 328 v. Chr. in Baktra zurückgelassen; 327 v. Chr. in Indien; vgl. Arr. an. 4,16,1. 23,7. 5,12,1. Vornehmer Makedone. Vor 380 v. Chr. geboren. Die Stelle scheint schlecht überliefert: Seel liest Polydamas, [Ammadas], Antigenes. Bei Ammadas oder Amadas scheint eine Doppelschreibung, die aus dem vorangehenden Polydamas entstanden sein könnte, vorzuliegen (Dittographie). Anstelle des Amadas wurde auch die Lesung Amyntas vorgeschlagen. Vgl. Arr. an. 5,16,3. 6,17,3. Befehlshaber Alexanders des Großen; Tod 321/20 v. Chr. Zu ihm siehe Iust. 13,2,14. 4,5. 6,9. 15. 324 v. Chr. 324 v. Chr. in Ekbatana; vgl. Arr. an. 7,14,1 ff. 18,2 f. Vgl. Plin. nat. 3,57. Borsippa, südwestlich von Babylon. Aus Abdera in Thrakien; Anhänger der Philosophie des Demokritos, 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. Aus Larisa. Nach dem Tode Alexanders schloss er sich zuerst Perdikkas, später Antigonos an. Siehe Iust. 11,7,1 f.
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Anmerkungen
139 Zuvor eng befreundet; siehe Iust. 9,4,5: Alexandrum [...] cum amico Antipatro. 140 Siehe Iust. 7,6,10. 141 Um 355–298/7 v. Chr.; kam 324 v. Chr. zu Alexander, der ihn misshandelte; vgl. Plut. Alex. 74; belagerte 317 v. Chr. Olympias in Pydna und ließ sie schließlich töten; siehe Iust. 14,6,1 ff.; ermordete auch Rhoxane, die Gattin Alexanders des Großen; siehe Iust. 15,2,5. Zu Kassandros siehe auch Iust. 13,4,15. 18 und Buch 14–16 passim. 142 Der Name erscheint nur hier. 143 Auch Jolaos. Sein Grab wurde nach Diod. 19,11,8 von Olympias geschändet. 144 Vgl. Curt. 10,10,16 und Plut. Alex. 77,4. 145 Dem in 12,13,7 genannten Medios. 146 Siehe Iust. 11,3,1. 147 Siehe Iust. 11,11,2 ff. 148 Siehe Iust. 11,10,3. 149 Siehe Iust. 9,8,2. 13,2,11. 150 Siehe Iust. 13,2,5. 9. 14; floh 317 v. Chr. mit ihrer Schwiegermutter Olympias nach Pydna, siehe Iust. 14,6,2; 310 v. Chr. von Kassandros ermordet; siehe Iust. 15,2,5. 151 Sohn des Orontes; vgl. Arr. an. 1,14,2; treuer Gehilfe Alexanders des Großen, dessen Schwester er heiratete; siehe Iust. 13,6,4. Siehe auch Curt. 10,5,6; Iust. Buch 13 passim und 14,4,11. 152 Am 13. Juni 323 v. Chr. Zur Stelle vgl. Heckel/Yardley, Justin, 293, und H. Koch, Rheinisches Museum 143 [2000], 326–337. 153 Geb. 356 v. Chr. 154 Siehe Iust. 11,11,3. 155 Siehe Iust. 11,3,1. 156 Neoptolemos; siehe Iust. 7,6,10. 157 Alexandros; siehe Iust. 8,6,7. 158 Philipp II.; siehe Iust. 7,6,10. 159 Siehe Iust. 14,1,8. 5,10. 160 Vgl. Plut. Alex. 3. 161 Nach Heckel/Yardley, Justin, 295, „Parmenion’s victory over Grabus“. 162 Aufgrund dieses Sieges soll die Mutter Alexanders des Großen, die ursprünglich Myrtale hieß, ihren Namen Olympias erhalten haben. Siehe Iust. 7,6,10. 9,7,13. 163 Durch Leonidas und Lysimachos; vgl. Plut. Alex. 5,7 f. 164 343/2 v. Chr.
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Siehe Iust. 12,16,1. Sisygambis, nach der Schlacht von Issos 333 v. Chr. gefangen genommen, blieb sie 331 in Susa zurück. Siehe Iust. 11,9,12. Nach Curt. 10,5,21 ff durch Verhungern. Entsprechend Flor. epit. 2,13,1 über den Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius: invidens Fortuna principi gentium populo ipsum illum in exitium sui armavit: „Daher beneidete Fortuna das führende Volk der Völker und trieb es zu seinem eigenen Untergang zu den Waffen.“ Zu Perdikkas siehe Iust. 12,15,12. Zu Rhoxane und ihrem Sohn Alexander IV. siehe Iust. 12,15,9. 15,2,5. Sohn des Neoptolemos; Feldherr Alexanders des Großen; kämpfte 333 v. Chr. bei Issos. Siehe Iust. 11,10,2. Siehe Iust. 12,15,9. Philippos III. Arridaios; siehe Iust. 9,8,2. Siehe Iust. 12,10,3. Von Philinna. Siehe Iust. 9,8,2. Geb. um 356 v. Chr.; unterstützte nach Alexanders Tod anfangs Perdikkas, dann Antipatros; fiel 322 v. Chr. im Lamischen Krieg; siehe Iust. 13,5,15. Siehe Iust. 12,12,9. Siehe Iust. 9,4,5. 12,1,4. Sonst unbekannt. Curt. 10,8,2 erzählt dies von Meleagros. Iustin bzw. Trogus verwechselt Philippos III. Arridaios mit dem gleichnamigen makedonischen Feldherrn Arridaios, der sich später mit Ptolemaios I. gegen Perdikkas verbündete. Vgl. Diod. 18,3,5. Siehe Iust. 12,15,7. Vgl. Diod. 18,28. Des Meleagros. Anders Curt. 10,9,11 ff.: Grund war die Beendigung der Entzweiung. Die sogenannten Diadochen. Zu den im Folgenden genannten Personen siehe ausführlich H. Berve, Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage, Bd. 1/2, München 1926. Zur Neuordnung des Alexanderreiches im Jahre 323 v. Chr. vgl. Diod. 18,3. Natürlich nicht der Sohn des Parmenion; siehe Iust. 12,5,3. Antigonos mit dem Beinamen Monophthalmos, „der Einäugige“; 382– 301 v. Chr.; diente unter Philipp II. und Alexander dem Großen (siehe Iust.
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Anmerkungen
16,1,12); Vater des Demetrios Poliorketes (siehe Iust. 15,1,6); zu seinem Tod siehe Iust. 15,4,22. Geb. 361 v. Chr.; nach Iust. 15,3,6 Schüler des Kallisthenes; nahm 305 v. Chr. zusammen mit Kassandros, Ptolemaios I. und Seleukos I. den Königstitel an; zudem Heirat mit Ptolemaios’ Tochter Arsinoë; fiel 281 v. Chr. in der Schlacht von Kurupedion (Lydien) gegen Seleukos I.; siehe Iust. 15,3,1 ff. 16,1,19. 17,1,8 ff. 2,1. 4. 24,3,3. Ca. 361–316 v. Chr.; aus Kardia; Biographie von Cornelius Nepos und Plutarch erhalten. Zu ihm siehe Iust. Buch 14 passim. Seleukos I. Nikator, der Begründer der Seleukiden-Dynastie; geb. ca 355 v. Chr.; Teilnehmer am Asienfeldzug Alexanders des Großen; nahm 305 v. Chr. den Königstitel an; besiegte Lysimachos 281 v. Chr. bei Kurupe dion; 281 v. Chr. von Ptolemaios Keraunos ermordet; siehe Iust. 15,4,1 ff. 16,2,1 ff. 17,1,7 ff. 2,1 ff. Nach Perdikkas’ Ermordung erhielt er Babylonien; vgl. Diod. 18,39,6. Siehe Iust. 12,14,6. Vater Rhoxanes, der Gattin Alexanders des Großen. Die Stelle scheint schlecht überliefert: Seel liest † Soleus Staganor. Siehe auch Iust. 41,4,1. Der Lamische Krieg 323/2 v. Chr.: Benannt nach der Stadt Lamia in Thessalien, wo Antipatros von athenischen Truppen unter der Führung des Leosthenes belagert wurde. Vgl. Diod. 18,13,1 ff. 324 v. Chr. Zu Demosthenes siehe Iust. 11,2,7. Richtig Harpalos; floh nach Alexanders Rückkehr aus Indien nach Athen, wo er um Aufnahme bat; dort inhaftiert, floh er; dies führte zur Verurteilung des Demosthenes. Attischer Redner 390/89–322 v. Chr.; auf Befehl des Antipatros auf Aigina getötet. Athenischer Rhetor, der den Widerstand Athens gegen Makedonien forcierte; im Lamischen Krieg Befehlshaber der athenischen Truppen; fiel während der Belagerung Lamias 323/2 v. Chr. Ariarathes I.; vgl. Diod. 18,16. 41,19,4. Siehe Iust. 9,6,1. Er war in Italien bei Pandosia gefallen; siehe Iust. 8,6,5. 9,6,1. 12,2,1 ff. Namens Nikaia. Alexandros IV., der erst nach dem Tod seines Vaters Alexander des Großen (323 v. Chr.) geboren worden war. Zu seinem Tod 311 v. Chr. siehe Iust. 15,2,5. Diente bereits unter Alexander dem Großen; wurde nach der Ermordung des Perdikkas 321 v. Chr. zusammen mit Eumenes zum Feind erklärt;
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kämpfte gegen Antigonos, von dem er in Pisidien besiegt wurde; floh nach Termessos, wo er Selbstmord beging, um einer drohenden Auslieferung zu entgehen; vgl. Diod. 18,41,7. 44 ff; Iust. 13,8,10; Plut. Alex. 55. Vgl. Iust. 3,2,1. 8,4,5. 12,15,11. 13,1,15. Stadt im heutigen Libyen. Vgl. Diod. 18,19 ff. Um 630 v. Chr. Diese Datierung ist allerdings umstritten. Begründer der Battiaden-Dynastie. Nach Hdt. 4,155 sei der Name Battos aus dem libyschen Wort für „König“ entstanden. Zur Gründungssage der Stadt Kyrene vgl. Hdt. 4,150 ff. Anders Hdt. 4,150: Battos’ Vater sei Polymnestos gewesen sowie Grinnos der Sohn des Aisanios. Santorin, eine Insel der Kykladen. Der Name des Berges findet sich nur hier. Zur Quelle vgl. Hdt. 4,158. 321 v. Chr. Es liegt aber eine Verwechslung mit Krateros vor: vgl. Iust. 14,5,1, wo Polyperchon noch am Leben ist, und das Vorwort zu Buch 13. Zum Tod des Krateros vgl. Diod. 18,30,5. Es ist wohl, da ein Feldherr Illyrios sonst unbekannt ist, cum Pithone [et] Illyrio zu lesen; vgl. Iust. 13,4,13: Pitho Illyrius.
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Festungskommandant (Phrurarch) von Munychia; Diod. 18,72,3. 75,1 f. Mit einem Kastell versehener Hügel in Athen/Piräus; 318–307 v. Chr. von Kassandros’ Truppen besetzt; Diod. 18,68. 74,3. Siehe Iust. 13,4,16. Siehe Iust. 12,15,12. Siehe Iust. 13,6,16. 8,1 f. 10. Nach Perdikkas’ Ermordung kam es auf der Konferenz von Triparadeisos im Jahre 321 v. Chr. zu einer Neuverteilung des Alexanderreiches. Siehe Iust. 13,4,14. 320 v. Chr. Hauptstadt Lykiens. Siehe Iust. 9,6,1. 13,6,4. 320 v. Chr. bei Orkynia; Plut. Eum. 9. Vgl. Plut. Eum. 10. Siehe Iust. 9,4,5. Siehe Iust. 12,7,5. Siehe Iust. 12,7,12 f. 316 v. Chr. in Gabiene; Plut. Eum. 15.
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Anmerkungen
16 Ob hier Trogus selbst seinen Vorsatz vergessen hat, keine direkten Reden in sein Werk einzufügen (siehe Iust. 38,3,11), oder ob Iustin die ursprünglich in indirekter Form abgefasste Rede in eine direkte umgearbeitet hat, lässt sich nicht entscheiden. Ebenso Iust. 18,7,10 ff. 17 Nach Nep. Eum. 12,4 wurde Eumenes schließlich ohne Wissen des Antigonos von seinen Wächtern erdrosselt. 18 Geb. um 337 v. Chr. 19 Siehe Iust. 9,8,2. 20 Siehe Iust. 12,10,1. 15,1,1. 21 Siehe Iust. 7,6,10. 9,5,9. 11,11,3 ff. u. a. 22 Siehe Iust. 13,2,11. 23 Siehe Iust. 12,14,6. 13,4,18. 24 Bruder des Alexandros, nach dessen Tod er den Thron bestieg; Vater des Pyrrhos; fiel 313 v. Chr. in einer Schlacht gegen Kassandros’ Bruder Philippos. Siehe Iust. 17,3,16 und Diod. 19,74,3 ff. 25 Sechs Jahre und vier Monate; vgl. Diod. 19,11,5. 26 Vgl. Diod. 19,11,8 f. 27 Siehe Iust. 12,15,9. 28 Iustin hat hier Rhoxanes Sohn Alexandros IV. mit Herakles, dem Sohn Alexanders des Großen und der Barsine, verwechselt. Siehe Iust. 11,10,3. 13,2,7. 15,2,3. 29 Makedonische Hafenstadt (Schlacht 168 v. Chr. zwischen Perseus und den Römern unter Lucius Aemilius Paullus). 30 Pyrrhos’ Schwester; Gemahlin des Demetrios Poliorketes; Diod. 19,35,5. 31 Tochter Philipps II.; Gattin des Kassandros, siehe Iust. 16,1,1; Diod. 19,35,5. 52,2. 32 Am Ende des Kapitels (14,6,13) nennt Iustin ihn Arridaios. Es dürfte demnach Philippos III. Arridaios gemeint sein. Siehe Iust. 9,8,2. 13,2,8. 11. 3,1. Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit Philipp II. vor. 33 316 v. Chr. 34 316 v. Chr. Zu Rhoxanes Ermordung siehe Iust. 15,2,5. 35 357 v. Chr. von Philipp II. erobert (nach der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. von den Römern eingenommen).
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Vgl. Diod. 20,104 f.; Liv. 10,2,1 ff. Kleonymos unterstützte 303 v. Chr. Tarent gegen die Lukaner. Siehe Iust. 13,8,10. 14,1,1. Alketas; siehe Iust. 13,6,15. 8,10.
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Siehe Iust. 14,4,21. Ein Irrtum des Iustin; siehe Iust. 13,8,7. Siehe Iust. 12,10,3. Siehe Iust. 12,14,6. Siehe Iust. 13,4,16. Siehe Iust. 13,4,14. Siehe Iust. 14,6,7 ff. Rhoxane und Alexandros IV. Siehe Iust. 15,2,5. Siehe Iust. 14,6,13. Siehe Iust. 13,4,17. Mit dem Beinamen Poliorketes, „Städteeroberer“; 337/6–283 v. Chr.; Biographie von Plutarch erhalten; 299/8 v. Chr. Bündnis mit Seleukos I., der seine Tochter Stratonike zur Frau nahm; siehe Iust. 16,1,5 ff. 2,1. 3. 6. 312 v. Chr. Das Vorwort zu Buch 15 nennt richtigerweise Gaza als Schlachtort; vgl. Diod. 19,4 ff.; Plut. Demetr. 5. Im Süden Illyriens, am Ufer des Aoos. Siehe Iust. 14,6,2. 309 v. Chr. Zu Barsine vgl. Iust. 11,10,2. Alexandros IV.; siehe Iust. 13,2,14. 4,3. 6,10. 14,6,13. Siehe Iust. 14,6,2. Bei Salamis 306 v. Chr.; vgl. Diod. 20,49 ff. Siehe Iust. 15,1,6 ff. Sohn des Ptolemaios I. und einer athenischen Hetäre; vgl. Athen. deipn. 13,576e. Bruder Ptolemaios’ I.; vgl. Diod. 19,62,4. Siehe Iust. 12,6,17. 7,1 f. Vgl. Curt. 8,5 ff. Curt. 8,1,14 ff. hält diese Überlieferung für unrichtig. Vgl. Curt. 8,2,33 ff. Nach ihr wurden zahlreiche Städte mit Namen Laodikeia benannt; vgl. Strab. 16,2,4. Ca. 355 v. Chr. Vgl. App. Syr. 9,56. 312 v. Chr.; vgl. App. Syr. 9,54 f. Vgl. Arr. an. 5,6,2; Plut. Alex. 62,2.4: Androkottos. Bei der Stadt Ipsos in Phrygien 301 v. Chr.; vgl. Plut. Demetr. 29 f. Zudem heiratete er die Tochter des Demetrios, Stratonike; vgl. Plut. Demetr. 32. Lysimachos heiratete die Tochter des Ptolemaios, Arsinoë II.; vgl. Plut. Demetr. 31. Zu Arsinoë II. siehe Iust. 17,1,4. 2,7. 24,2,1 ff. 3,5.
318
Anmerkungen
38 298/7 v. Chr.; vgl. Paus. 9,7,2: Wassersucht und Zerfraß von Maden bei lebendigem Leibe. 39 Philippos IV.; folgte 297 v. Chr. Kassandros als makedonischer König nach und starb kurze Zeit später.
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Siehe Iust. 12,14,6. 13,4,18. Philippos IV.; siehe Iust. 15,4,24. Sohn des Kassandros; vertrieb seinen Bruder Alexandros, der daraufhin Pyrrhos und Demetrios Poliorketes zu Hilfe rief. 294 v. Chr.; zu Thessalonike siehe Iust. 14,6,3. 13. D. h. des makedonischen Reiches. Sohn des Kassandros; Plut. Pyrrh. 6 f., Demetr. 36 f. Siehe Iust. 15,1,6. 295 v. Chr. Siehe Iust. 13,4,16. 294 v. Chr. Antigonos; siehe Iust. 15,1,6. Philipp II., der Vater Alexanders des Großen. Siehe Iust. 13,6,6 ff. Siehe Iust. 9,4,5. Siehe Iust. 14,6,6 ff. Gemeint sind wohl Philipp II. und Alexander der Große. 294 v. Chr. Seel liest Dromichaetis; vgl. das Vorwort zu Buch 16. Siehe Iust. 12,10,3. Siehe Iust. 13,4,17. Siehe Iust. 15,2,15. Pyrrhos von Epeiros, geb. 319/8 v. Chr.; König der Molosser 306–302 und 297–272 v. Chr.; König von Makedonien 288–284 v. Chr.; 280 v. Chr. von Tarent um Hilfe gegen Rom gebeten, kämpfte er von nun an im Westen („Pyrrhussieg“); 275/4 Rückkehr nach Epeiros; fiel schließlich im Straßenkampf in Argos; Biographie von Plutarch erhalten; zu Pyrrhos siehe auch Iust. 17,2,11 ff. 18,1 ff. 2,11 f. 25,3,3 ff. u. a. Gemahlin des Antipatros. 286 v. Chr. Demetrios starb 283 v. Chr. 282 v. Chr. Er war etwa 84 Jahre alt.
Buch XVII
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27 Ptolemaios II. Philadelphos, 308–246 v. Chr. Sein älterer Bruder Ptolemaios Keraunos wurde übergangen. 28 Herakleia Pontika am Schwarzen Meer, ca. 560 v. Chr. von Megara aus gegründet. 29 Siehe Iust. 4,4,3. 9. 30 424 v. Chr.; vgl. Thuk. 4,75. 31 Sohn Konons; ca. 411–355/4 v. Chr. Biographie von Cornelius Nepos erhalten. 32 Siehe Iust. 6,4,4. 7,1 ff. 7,5,3. 33 Geb. 391/90 v. Chr., 353/2 von Verschwörern ermordet; Diod. 15,81,5. 16,36,3. 34 Die Gründe für seine Verbannung sind nicht bekannt. 35 364 v. Chr. 36 Nach Xen. an. 7,8,25 Satrap von Lykaonien und Kappadokien. 37 Klearchos hatte zwei Söhne, Timotheos und Dionysios. 38 „Der einschlagende Blitzstrahl“ galt den Griechen als heilig. Neben Klearchos’ Sohn trug auch der Sohn Ptolemaios’ I. den Beinamen Keraunos. 39 Aus Herakleia. Die siebzehn unter seinem Namen überlieferten Briefe sind nicht von Chion verfasst; sie gehören wohl in die zweite Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. 40 Memnon, ein griechischer Geschichtsschreiber des 1./2. Jh., (FGrHist 434) F1,3 nennt neben Chion noch Leon und Euxenos. 41 Eine Parallele bietet Livius 1,40,5 ff.: Ermordung des Tarquinius Priscus. 42 352 v. Chr. 43 Satyros übernahm zunächst für sieben Jahre die Regierung, ehe er sie an Klearchos’ Sohn Timotheos übergab. Diesem folgte 337/6 v. Chr. sein Bruder Dionysios nach.
Buch XVII 1 2 3 4 5 6
Die Erzählung schließt an Iust. 16,3,3 an. Siehe Iust. 13,4,16. Um 309 v. Chr.; Diod. 20,29. Die Stadt haben wohl die Bewohner von Kardia besiedelt, das Lysimachos zerstört hatte; Paus. 1,9,8. Sohn von Lysimachos und Nikaia; 283/2 v. Chr. von seinem Vater der Verschwörung bezichtigt und hingerichtet. Arsinoë II., Tochter von Ptolemaios I. und Berenike I., geb. ca. 316 v. Chr.; 300/299 Ehe mit Lysimachos. Siehe Iust. 13,4,17.
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Anmerkungen
Der Krieg fand in der Schlacht von Kurupedion (Lydien) 281 v. Chr. sein Ende; App. Syr. 62 ff. Ptolemaios Keraunos; ein Sohn von Ptolemaios I. und Eurydike; siehe Iust. 16,2,7; später Heirat mit der Witwe des Lysimachos, Arsinoë II.; fiel 279 v. Chr. im Kampf gegen die Kelten; siehe Iust. 24,1 ff. Er war vielmehr Arsinoës Halbbruder. 281 v. Chr. Siehe Iust. 12,10,3. Ptolemaios II. Philadelphos; siehe Iust. 16,2,7. Von Seleukos. Antigonos II. Gonatas, um 319–239 v. Chr.; seit 276 v. Chr. König von Makedonien. Demetrios Poliorketes; siehe Iust. 15,1,6. Antiochos I. Soter, 324–261 v. Chr.; nach der Ermordung seines Vaters, Seleukos I., 281 v. Chr. König im Seleukidenreich. Siehe Iust. 16,2,2. 280 v. Chr.; siehe Iust. 18,1,1 f. Ptolemaios Keraunos. Die Zahl ist wohl stark übertrieben; Plut. Pyrrh. 15,5. Möglicherweise ein Irrtum Iustins, da Antigone, die Gemahlin des Pyrrhos, nicht die Tochter des Ptolemaios Keraunos war, sondern die Stieftochter des Ptolemaios I. Soter. Antigones leibliche Eltern hingegen waren Philippos und Berenike, die später Ptolemaios I. geheiratet hat. Ein Widerspruch zu Iust. 18,1,3, der berichtet, dass Pyrrhos seinen eigenen 15-jährigen Sohn Ptolemaios zurückgelassen habe. Epeiros wurde bereits von Iust. in 16,2,2 erwähnt. Vgl. Plut. Pyrrh. 1 ff. Der Zweitname des Neoptolemos, der auch in Verg. Aen. 2,469. 491 u. a. erscheint; vgl. Paus. 10,26,4. Als seine Mutter gilt Deidameia, die Tochter des Lykomedes. Im Norden von Epeiros. Neoptolemos war vielmehr der Sohn von Alketas I., Tharybas’ Sohn. Siehe Iust. 7,6,10 ff. 8,6,4 ff. 9,6,1. 7,5 ff. 12,1,4. 2,1 ff. 23,1,15. Vielmehr sein Cousin. Siehe Iust. 14,5,9. König der Taulantier. Siehe hierzu auch Iust. 11,4,5. 12,16,3. Siehe Iust. 12,14,6. 13,4,18. 317 v. Chr. 306 v. Chr.
Zur Textgestaltung Der lateinische Text folgt im Wortlaut der Ausgabe von O. Seel (Stuttgart 1972), die abweichenden Stellen basieren in den überwiegenden Fällen auf der elektronischen Textfassung von Marie-Pierre Arnaud-Lindet (2003). Die restlichen Abweichungen sind zur besseren Übersicht in einer weiteren Gruppe aufgeführt und gehen auf eigene Konjekturen der Übersetzer (Buch 1–17: Emberger) bzw. auf den textkritischen Apparat der Ausgabe von O. Seel zurück. Buch, Kapitel
Seel
Arnaud-Lindet
I 8,8 1 9,12 I 10,19 II 2,6 II 4,29 II 7,6 II 7,9 II 8,7 II 9,4 II 9,8 II 9,15 II 9,18 II 10,11 II 10,12 II 11,6 II 11,16 II 15,11 II 15,16 III 2,3 III 3,8 III 3,10
interfecit permittunt hortatur, non tecti munimento Et ante et om. noceret om. degreditur quam tum tum tum tum per om. se om. sciunt castigavit electus om. trahere eligerentur vincat
interficit remittunt hortatur, ne tecto munimentoque Sed ante et censendo noceret sibi egreditur nisi tunc tunc tunc tunc per se sciant castigat belli socius electus trahebant legerentur evincat
322 III 5,2 III 5,8 IV 1,3 IV 1,12 IV 3,7 IV 4,10 IV 5,3 V 2,3 V 2,3 V 4,10 V 6,6 V 8,9 V 11,6 VI 4,8 VI 5,11 VI 6,9 VI 7,12 VI 9,3 VII 2,14 VII 3,4 VII 3,4 VII 3,4 VII 4,5 VII 5,3 VII 6,3 VII 6,12 VIII 2,6 VIII 3,6 IX 1,2 IX 1,3 IX 3,1 IX 4,1 IX 4,9 IX 5,1 IX 5,7 IX 6,6 IX 7,8 IX 7,12
Zur Textgestaltung
captae civitatis infunderent materia. Quippe et om. fecerant a om. servare parta qui pensaret ut Eaque conluvione XXX tyranni se om. victoriam iunctae poscit et om. apparatuque contenderit
eas om. e om. Euryonen Thebis triennio rerum se om. religionum; in Thraciam In est, ab Scythia est om. fuerant firmandum erant scortorum iure creduntur ultionem
captivitatis infligerent materia, quippe nisi et fecerunt a Lacedaemone reservare partaque pensare velut Ex qua conluvione XXX om. enixa se victoria iuncti poposcit et his apparatusque contenderet Persis eas e convivio Euryonem triennio Thebis regni se religionum, in Chalcidiam Ad est; a Scythia est fuerunt formandum erat scortum vile credebantur ultione
Zur Textgestaltung
IX 8,5 X 1,1 X 1,5 X 1,6 XI 1,10 XI 2,2 XI 3,5 XI 3,8 XI 5,6 XI 7,6 XI 8,2 XI 8,3 XI 9,1 XI 10,12 XI 12,7 XI 13,2 XI 13,8 XI 15,13 XI 15,13 XII 2,7 XII 3,11 XII 4,4 XII 4,4 XII 4,10 XII 5,1 XII 5,2 XII 5,9 XII 5,9 XII 5,12 XII 6,1 XII 6,15 XII 7,3 XII 7,5 XII 8,9 XII 8,10 XII 8,10
maximae Ariaratus L L facto Lyncestae fratri increpatis concilio petitae pulchritudinis; percontatus una die post stadia add. fluentis ac adplicato ab om. cuius etiam ne corporis porrexit manum expiravit et destricta ex labore dulcedinem aliter castra Interea et Philippi patris Parapamesadas Adaspios om. in eam convocat morte modus ab argenteis clipeis † Catheanos Sophitis CC milia equitum
323
maxime Ariaretes quinquaginta quinquaginta pacto Lyncestarum fratri increpitis consilio adpetitae pulchritudinis, percontatusque una die om. influentis et adplicito ab Alexandro cum etiam nec corporis porrecta manu expiravit ac destructa et laborem dulcedine castra aliter et om. patris Philippi Parapamenos Adaspios eo vocat mortem mos ob argenteos clipeos Catheanos Cufites CC milia equitum
324 XII 8,14 XII 9,5 XII 10,2 XII 11,1 XII 11,1 XII 11,2 XII 12,3 XII 12,8 XII 16,6 XIII 1,4 XIII 1,15 XIII 2,4 XIII 3,1 XIII 4,4 XIII 4,5 XIII 4,11 XIII 4,11 XIII 4,18 XIII 4,24 XIII 5,10 XIII 7,11 XIV 1,13 XIV 1,14-2,1 XIV 4,3 XIV 4,15 XV 3,11 XV 3,15 XVI 1,5 XVI 1,5 XVI 1,15 XVI 1,19 XVI 1,19 XVI 2,1 XVI 3,1 XVI 4,2 XVI 4,2 XVI 4,3
Zur Textgestaltung
Tantum desiliit Ambi regis Hinc exercitus a om. Hinc [Ammadas] altera … altera eum om. provincia firmandum tribu agebant regum tractandam additur regiis cum om. Peloponneson dei om. milites om. offerunt, cum interim qui ter ira post Alexandri mortem Post cum fratre gesturus omnem stirpem regiae subolis Dromichaetis adversus eum Macedoniae adversus Demetrium om. tabulas novas flagitarent ad om.
Tandem desiluit Ambigeri regis Tunc exercitum a creditoribus Tum Amadas alterius … alterius eum post hostem pro uno formandum turba agebantur rerum tradendam datur regis Cum haec Peloponnesum ex dei responsis milites post temptari add. offerunt. Cum interim quater irae postea mortem Alexandri Ob gesturus cum fratre omnem stirpis regiae subolem Doricetis adversus Demetrium Macedonici adversus Demetrium post ante novas tabulas flagitaret ad postremum
Zur Textgestaltung
325
XVI 4,9 XVI 4,15 XVI 5,15 XVII 2,7 XVII 3,7 XVII 3,21
de om. populari occupatur Arsinoae Orestae in om.
de exilio popularis obtruncatur Arsinoes Orestis usque in
Buch, Kapitel
Seel
Abweichungen aus anderen Quellen
II 12,1 IV 1,9 IV 3,5 V 10,3 VIII 2,6 IX 1,7 XII 5,9 XII 9,3 XII 10,1 XII 12,8 XIII 4,23 XIII 6,9 XIII 8,5 XIII 8,7 XIV 1,5 XIV 5,1 XIV 5,3 XV 1,1 XVI 4,15
susceperunt tam om. pridem sacrorum, debuit teneretur † Arimaspos Sudracas Polyperconta Polypercon † Soleus Polyperconta Polyperconta Polypercon ultra bellum Polyperconta Polyperconti Polyperconte se, an sibi malint
susceperant alias tam nuper sacrorum communium, debuisset tereretur † Parimas crucem add. † Sugambros crucem add. Polyperchonta Polyperchon † Sicheos crucem add. Polyperchonta Polyperchonta Polyperchon ultro illum Polyperchonta Polyperchonti Polyperchonte se, an, si malint
Informationen zum Buch Der römische Geschichtsschreiber Marcus Junianus Justinus verfasste wahrscheinlich zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. die Kurzfassung einer umfangreichen Universalgeschichte aus augusteischer Zeit. Über Justin selbst ist nichts bekannt. Seine ›Römische Geschichte‹ ist aber von großer Bedeutung für die sonst nicht überlieferte ›Historiae Philippicae‹ von Pompeius Trogus, eine Ergänzung zur römischen Geschichte des Livius. Die universale Konzeption des Werkes hat sehr stark auf die Spätantike und das Mittelalter gewirkt. Mit dieser zweisprachigen Ausgabe liegt Justins Weltgeschichte erstmals wieder neu ins Deutsche übersetzt vor.
Informationen zum Autor Peter Emberger war Mitarbeiter im Fachbereich Altertumswissenschaften (Klassische Philologie) der Universität Salzburg. Derzeit unterrichtet er Latein am Theresianum in Wien.