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German Pages 310 [307] Year 1977
Römer und Germanen in Mitteleuropa
HISTORIKER-GESELLSCHAFT DER DDR VI. Zentrale Tagung der Fachgruppe Ur- und Frühgeschichte der Historiker-Gesellschaft der DDR vom 11. bis 13. Mai 1971 in Berlin veranstaltet in Verbindung mit der Fachgruppe Alte Geschichte unter dem Thema Zusammenstoß und Auseinandersetzung zwischen römischer Sklavenhaltergesellschaft und germanischer Gentilgesellschaft in Mitteleuropa
RÖMER UND GERMANEN IN MITTELEUROPA Im Auftrag der Historiker-Gesellschaft der DDR Herausgegeben von HEINZ GRÜNERT unter der Redaktion von HANS-JOACHIM DÖLLE
mit 41 Abbildungen
2., berichtigte Auflage
AKADEMIE-VERLAG 1976
BERLIN
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3-4 © Akademie-Verlag, Berlin 1975 Lizenznummer: 202 • 100/299/76 • Karten P 343/75 Umschlag: Karl Salzbrunn Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 7523087 (6104) • LSV 0225 Printed in GDR EVP 19,—
Inhalt
Grünert, Heinz Vorwort
1
Grünert, .Heinz Zusammenstoß und Auseinandersetzung zwischen römischer Sklavenhaltergesellschaft und germanischer Gentilgesellschaft in Mitteleuropa vom 1. Jh. v.u. Z. bis 2. Jh. u. Z
5
Krüger, Bruno Zusammenstoß und Auseinandersetzung zwischen römischer Sklavenhaltergesellschaft und germanischer Gentilgesellschaft in Mitteleuropa vom Ende des 2. Jh. bis zur Mitte des 4. Jh
23
Günther, Rigobert Zusammenstoß und Auseinandersetzung zwischen römischer Sklavenhaltergesellschaft und germanischer Gentilgesellschaft in Mitteleuropa von der Mitte des 4. Jh. bis zum Ende des 5. Jh
41
Laser, Rudolf Zur Einfuhr und Verbreitung römischer Münzen bei den Stämmen des freien Germaniens und zur Möglichkeit ihrer wirtschaftlichen Aussage (vorzugsweise anhand des Fundmaterials der DDR)
63
Wielowiejski, Jerzy Die Kontakte Noricums und Pannoniens mit den nördlichen Völkern im Lichte der römischen Importe Gabler, D6nes Zu Fragen der Handelsbeziehungen zwischen den Römern und den "Barbaren" im Gebiet östlich von Pannonien
69 87
Schlette, Friedrich Formen des römisch-germanischen Handels
123
Geisler, Horst Der römische Import auf dem kaiserzeitlichen Urnengräberfeld von Kemnitz, Kr. Potsdam-Land
131
Dölle, Hans-Joachim Zum römischen Einfluß auf die Herausbildung und Verwendung von Schloß und Schlüssel, Feinwaage und Gewicht bei den germanischen Stämmen
139
V
Doorselaer, André van Spuren von Eisenerzeugung bei gallischen und germanischen Bewohnern der nordwestlichen Grenzgebiete in der Römerzeit 149 Bülow, Gerda von Zur Verlegung der römischen Terra-Sigillata-Herstellungszentren in die ehemals germanischen Stammesgebiete unter dem Aspekt ihres Einflusses auf die germanische Keramikproduktion
161
Lange, Elsbeth Botanische Befunde zur germanischen Landwirtschaft in der römischen Kaiser zeit 169 Leube, Achim Probleme germanischer Adelsentwicklung im 1. und 2. Jh. Vinter dem Aspekt der römischen Beeinflussung 179 Keiling, Horst Das reich ausgestattete frühkaiserzeitliche Grab von Laiendorf, Kr. Güstrow
197
Schmidt, Berthold Reihengräber und ihre historische Interpretation
203
Schlette, Friedrich Zur Bildung germanischer Stammesverbände im 3. und 4. Jh
219
Günther, Rigobert Germanische Laeten, Foederaten und Gentile im nördlichen und nordöstlichen Gallien in der Spätantike 225 Doorselaer, André van Diskussionsbemerkungen zum Stand dei Laetenforschung in Belgien 235 Seyfarth, Wolfgang Germanen in römischen Diensten im 4. Jh. (unter Verwendung epigraphischer Quellen)
241
Härtel, Gottfried Die Rechtsverhältnisse in den römisch-germanischen Grenzprovinzen in der Niedergangsperiode der antiken Sklavenhaltergesellschaft . . .
253
Witkowski-Sommer, Gudrun Spuren römischer Beeinflussung im bildnerischen Schaffen der Germanen (Gebiet der DDR)
265
Fischer, Reinhard E., und Gerhard Schlimpert Der Beitrag der Onomastik zu den römisch-germanischen Beeinflussungen in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends
275
Irmscher, Johannes Quellenbeiträge der byzantinischen Historiographie zur Geschichte der Germanen in Mitteleuropa
285
Autorenverzeichnis
295
VI
Vorwort
In ihrem Bestreben, Schwerpunktaufgaben der Ur- und Frühgeschichtsforschung der DDR zu fördern und theoretische Probleme lösen zu helfen, hatte die Fachgruppe Ur- und Frühgeschichte der Historiker-Gesellschaft der DDR Fragen der Frühgeschichte der germanischen Stämme und der Herausbildung des deutschen Feudalstaates schon auf ihrer II., III. und IV. zentralen Tagung 1961 in Weimar, 1964 in Leipzig-Markkleeberg und 1966 in Potsdam ganze Themenkomplexe gewidmet. Die VI. zentrale Tagung vom 11. -13. 5.1971 in Berlin wurde nunmehr unter das einheitliche Thema "Zusammenstoß und Auseinandersetzung zwischen römischer Sklavenhaltergesellschaft und germanischer Gentilgesellschaft in Mitteleuropa" gestellt. Damit war die Aufgabe verbunden, über Ursachen, Verlauf, Triebkräfte und Ergebnisse dieses für die Entstehung der mitteleuropäischen Völker im frühen Mittelalter bedeutsamen, in den welthistorischen Zusammenhang eingebetteten Prozesses der revolutionären Überwindung von Gentilordnung und Sklavenhaltergesellschaft, durch den Voraussetzungen und Grundlagen für die neue, qualitativ höhere feudale Gesellschaftsformation geschaffen wurden, zu diskutieren, die Erkenntnis zu fördern und gleichzeitig in Einklang mit den Zielen der Historiker-Gesellschaft den Stand der Forschung zu popularisieren. Der Einladung waren als Mitglieder der Gesellschaft oder Gäste mehr als 150 Interessenten gefolgt. Neben Ur- und Frühhistorikern, Althistorikern, Mediävisten und Wirtschaftshistorikern aus Forschungsinstitutionen und Hochschuleinrichtungen, Mitarbeitern der Museen, Bodendenkmalpflegern und Studenten der die Tagung tragenden Disziplinen nahm eine erfreulich große Zahl von Fachlehrern und Kulturfunktionären an der Tagung teil. Vielen von ihnen war durch die dankenswerte Unterstützung der Direktoren der Forschungsstellen für Ur - und Frühgeschichte sowie der Räte der Bezirke und Kreise die Teilnahme ermöglicht worden. Als Ehrengäste der Historiker-Gesellschaft der DDR begrüßten die Teilneh-
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mer Fachkollegen aus der Volksrepublik Polen, der Ungarischen Volksrepublik und aus Belgien. Die Notwendigkeit, Ur- und Frühgeschichtsforschung in interdisziplinärer Zusammenarbeit zu betreiben, und das Bedürfnis der Archäologen, sie zu fördern und zu entwickeln, hat die Arbeit der Fachgruppe Ur- und Frühgeschichte seit ihrer Gründung im Jahre 1959 bestimmt. Dies kam auch durch die VI. Tagung zum Ausdruck, die in Kooperation mit der Fachgruppe Alte Geschichte der Historiker-Gesellschaft vorbereitet und durchgeführt wurde, die Vertreter vieler Disziplinen vereinigte und durch deren Referenten acht verschiedene Zweige der Gesellschafts - und Naturwissenschaften zu Worte kamen. Auch das Hauptreferat entstand in interdisziplinärer Zusammenarbeit und wurde in chronologisch aufeinanderfolgenden Abschnitten von zwei Archäologen und einem Althistoriker ausgearbeitet und gehalten. Es umriß weitgehend thesenhaft den Rahmen der Tagungsthematik und vermittelte einen Überblick über den Forschungsstand und offene Probleme, von denen eine Anzahl in vorbereiteten Referaten und in Diskussions beiträgen konkreter behandelt, ergänzt und vertieft wurden. Viele von ihnen beschäftigten sich entsprechend der archäologischen Quellensituation mit Fragen der römisch-germanischen Beeinflussungen im Bereich der materiellen Kultur und gingen dabei besonders den Formen und der Bedeutung von Austausch und Handel zwischen den Vinterschiedlichen Gesellschaftsformationen nach. Die Untersuchung der Auswirkungen der römisch-germanischen Zusammenstöße auf die Sozialstruktur der Germanen verzeichnet erfreulicherweise Fortschritte. Dagegen stand die Behandlung der römisch-germanischen Beeinflussungen in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Überbaus sowie in der Sprache noch zurück, um so augenfälliger, als einige vorgesehene Beiträge wegen Verhinderung der Referenten ausfallen mußten. Der vorliegende Band vereinigt die meisten der insgesamt 25 Referate bzw. größeren Diskussionsbeiträge der Tagung. * Insofern vermittelt er einen gewis 1 Einige Referate, die an anderer Stelle ausführlicher publiziert werden oder wurden, sind in gekürzter bzw. annotierter Form enthalten. Übersichten über den Gesamtablauf der Tagung vermitteln die in mehreren Fachzeitschriften erschienenen Berichte, vgl. H. Brachmann, in: Wissenschaftliche Mitteilungen der DHG 1971/11-III, S. 51-55, und in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 19, 1971/10, S. 1291-1294, S. Griesa, in: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 13, 1972/2, S. 280-286, R. Günther, in: Das Altertum 18, 1972/1, S. 6165. Außerdem erschien eine Mitteilung in: Namenkundliche Informationen 1971/ 19, S. 43. 2
sen Überblick über die gegenwärtigen Fragestellungen zum Forschungsobjekt und die Intensität ihrer Behandlung, zeigt aber auch Lücken und Nachholebedarf auf. Damit erfüllte die Tagung zugleich ein weiteres Ziel der Arbeit unserer Historiker-Gesellschaft und ihrer Fachgruppen, Rechenschaft über den Stand der Forschung zu legen, neue Fragen zu stellen, neue Aufgaben zu formulieren und neue Kooperationen anzubahnen. Zu den Fragen, die künftig stärker in den Mittelpunkt interdisziplinärer Forschung gerückt werden müssen, gehört vor allem, die Untersuchung der vielschichtigen Entwicklung der germanischen Bauern, die eine Hauptkraft in diesem historischen Prozeß bilden und deren Weg von Gentil- zu Markgenossen, von Produzenten auf Gemein- bzw. Gemeindeeigentum zu solchen auf Privateigentum dringend erforscht werden muß. Aber auch der Entwicklung der Produktivkräfte, der entscheidenden Triebkraft der historischen Progression, und ethnogenetischen Aspekten muß die unverminderte Aufmerksamkeit der Forschung gelten. Im Namen und Auftrag der Vorstände der veranstaltenden Fachgruppe Ur- und Frühgeschichte sowie der an der Vorbereitung und Durchführung beteiligten Fachgruppe Alte Geschichte der Historiker-Gesellschaft der DDR unter Vorsitz von Prof. Dr. F. SCHLETTE und Prof. Dr. R. GÜNTHER sei all denen gedankt, die durch ihre Ideen, ihre Einsatzbereitschaft und ihre Unterstützung zum Gelingen beigetragen haben. Wir danken dem Präsidenten der Gesellschaft, Prof. Dr. J . STREISAND, der herzliche Begrüßungsworte an die Teilnehmer richtete und gemeinsam mit dem Geschäftsführenden Vizepräsidenten, Dr. M. KRAUSE, der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Tagung sein volles Augenmerk widmete, sowie dem die Organisationsarbeit bewältigenden Sekretariat der Gesellschaft unter Leitung von Dipl. Hist. E. BIBOW. Unser Dank richtet sich ferner an die Leitung des Museums für Deutsche Geschichte, in derem Haus die Tagung stattfand, und den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Prof. Dr. G. MEYER, der die Tagungsteilnehmer zu einer von den Mitarbeitern des Museums für Ur - und Frühgeschichte unter komm. Leitung von Dipl. Prähist. F. GEUPEL aufgebauten materialreichen Sonderausstellung zum Themenkreis der Tagung willkommen hieß. Nicht zuletzt gilt der aufrichtige Dank den Mitarbeitern des Bereichs Ur- und Frühgeschichte der Sektion Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, die mit der wissenschaftlichen Vorbereitung der Tagung und ihrer Durchführung sowie mit der Drucklegung dieses Bandes beauf-
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tragt waren. Unter ihnen sei besonders Dipl. Prähist. H. - J. DÖLLE hervorgehoben, der den im Rahmenprogramm der Tagung veranstalteten Filmabend vorbereitet hatte und - seit 1. 1. 1973 als Mitarbeiter des Museums für Deutsche Geschichte - die Herausgabe des vorliegenden Bandes redaktionell betreut hat.
Heinz
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Grünert
Zusammenstoß und Auseinandersetzung zwischen römischer Sklavenhaltergesellschaft und germanischer Gentilgesellschaft in Mitteleuropa vom 1. Jh. v.u. Z. bis 2. Jh. u. Z. * von HEINZ GRÜNERT
In der Mitte des letzten Jh. v. u. Z. hatte der römische Sklavenhalterstaat durch den Sieg der Legionen Caesars über die noch freien gallischen Stämme seine nordwestliche Grenze an den Rhein vorgeschoben. Der Rhein wurde damit die Trennlinie zwischen Klassengesellschaft und Urgesellschaft, die zum ersten Male in der Weltgeschichte Mitteleuropa berührte. Zwar hatte es bereits vor diesem Vorrücken Zusammenstöße zwischen Römern und Germanen gegeben, vor allem durch den Einfall der vereinigten Kimbern-Teutonen-Stämme in Norditalien am Ende des 2. Jh. v. u. Z. und den Widerstand der in Gallien ansässig gewordenen Stammesgruppierung unter ihrem suebischen Anführer Ariowist zu Beginn des Gallischen Krieges, doch hatte sich die überlegene römische Militärmacht, wenn auch nach i. T. beträchtlichen Schwierigkeiten, durchgesetzt und die Germanen unterworfen bzw. vernichtet und ihre Reste vertrieben. Mit der Verlegung der Grenze an den Rhein und dem Vorrücken der römischen Legionen an die Donau nach dem-Alpenfeldzug der Jahr e 16/15 v. u. Z. begann eine halbtausendjährige Periode der direkten und ständigen Konfrontation, der Zusammenstöße und Auseinandersetzungen zwischen zwei Gesellschaftssystemen, der römischen Sklavenhaltergesellschaft der Spätantike auf der einen und der germanischen Gentilgesellschaft auf der anderen Seite. Als Folge dieser Auseinandersetzungen und ihres gegenseitigen Aufeinanderwirkens wurden beide Gesellschaftssysteme überwunden und Voraussetzungen für die Herausbildung der späteren Feudalgesellschaft geschaffen, die als neue Qualität der ökonomischen Gesellschaftsformation die römische Sklavenhalterund die germanische Gentilgesellschaft endgültig aufhob. Die römische Sklavenhaltergesellschaft verkörperte zu ihrer Zeit den welthistorischen Fortschritt. Im Gefüge dieser auf dem Privateigentum an den Hauptproduktionsmitteln und der Sklavenhaltung vieler Produzenten gegründeten Aus5
beutergesellschaft waren die Produktivkräfte rasch entfaltet worden. Die Arbeitsteilving nahm ständig zu und hatte eine bis dahin unbekannte Entwicklung von Produktion, Austausch, Handel, Verkehr und Kultur hervorgebracht. Die Weiterentwicklung der Produktivkräfte stieß jedoch immer mehr an die von den Produktionsverhältnissen gezogenen Grenzen. Seit der Mitte des 1. Jh. v.u. Z. traten Stagnationserscheinungen der gesellschaftlichen Entwicklung der Sklavenhalterordnung zutage. Das Desinteresse der versklavten Produzenten stand der schnellen Entfaltung der zur Versorgung der herrschenden Klasse und zur Unterhaltung der Militärmacht erforderlichen Warenproduktion entgegen. Der Klassenkampf der Sklaven nahm an Organisiertheit zu. Zahlreiche Erhebungen, unter denen die von Spartakus geführte wie ein Fanal die Jahrhunderte überstrahlt, zeigten ihre Macht. Die Zufuhr neuer Sklaven, die die grundlegende Existenzbedingung dieser Gesellschaftsdrdnung bildete und ständige Eroberungskriege stimuliert hatte, hielt mit den Bedürfnissen nicht Schritt. Ständige Kriege nach außen und Aufstände der Sklavenmassen im Innern, denen keine genügend starke bewaffnete Macht entgegengesetzt werden konnte, verschärften die Widersprüche zunehmend. In dieser krisenhaften Situation des letzten Jh. v.u. Z. konzentrierte die herrschende Klasse Roms die politische Macht. Die aristokratische Republik wurde durch den Prinzipat ersetzt. An die Spitze des Staates trat nach erbitterten Kämpfen innerhalb der herrschenden Klasse Octavian-Augustus. Gleichzeitig entstanden Keime neuer Produktionsverhältnisse. Die großen Grundbesitzer orientierten sich um. Sie begannen, Teile ihres Grundbesitzes zu parzellieren und kleine, persönlich anfangs freie Bauern sowie freigesetzte Sklaven als sogenannte Kolonen gegen Abgabe von Naturalien oder Geldzahlungen anzusiedeln. Ihre Ausbeutung erfolgte im Gefüge der Sklavenhalterordnung und unterlag deren Gesetzen. Der Fortschritt bestand darin, daß die über einen Teil ihrer Produkte verfügenden Kolonen ein höheres Interesse an der Weiterentwicklung der Produktion hatten als versklavte, völlig recht- und eigentumslose Produzenten. - Der römische Staat wurde durch derartige Maßnahmen für eine weitere Periode stabilisiert. Die germanischen Stämme, die sich in der 2. Hälfte des letzten Jh. v. u. Z. über weite Teile vor allem des nördlichen Mitteleuropas erstreckten und sich stellenweise noch in der Formierung befanden, lebten noch in der Gentilordnung. Zeitweilig trug diese schon militärdemokratischen Charakter, doch erst in der ständigen Auseinandersetzung mit den Römern traten militärdemokratische E r scheinungen verstärkt hervor. 6
Die allgemeine Verwendung des Hakenpfluges in der Nahrungsproduktion, die Einführung der Eisenproduktion und -Verarbeitung und andere Fortschritte im Bereich der Produktivkräfte hatten bereits Widersprüche zu den Produktionsverhältnissen hervorgerufen und die Produktion in großfamilialen Produktionskollektiven ermöglicht. Die Gentilfunktionäre hatten ihre Stellung gefestigt. Doch insgesamt war die Gentilordnung noch intakt. Die gemeinfreie Stammesbevölkerung verkörperte die Autorität dieser Gemeinschaften. Stämme bildeten die höchste Form des politischen Zusammenschlusses, die weder in ihrer sozialökonomischen noch in ihrer kulturellen und wahrscheinlich auch nicht in ihrer sprachlichen Entwicklung völlig übereinstimmten und unabhängig voneinander ihre politischen Vorstellungen und Ziele verfolgten, so daß nicht selten Stammeskriege ausbrachen. Nur bei der Verfolgung unmittelbarer gemeinsamer Anliegen kam es zwischen ihnen vor allem auf der Grundlage traditioneller Bindungen zu kurzfristigen Bündnissen. Die erste Etappe der Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen ist durch großangelegte Invasionen der Römer gekennzeichnet. Diese verfolgten das Ziel, die germanischen Stammesgebiete bis zur Elbe und Moldau zu e r obern, um damit die strategisch ungünstige Rhein-Donau-Grenze wesentlich zu begradigen und zugleich ein gewaltiges Sklavenpotential zu erschließen. Nach den Feldzügen des Drusus zwischen 12 und 9 v. u. Z., die bereits die Elbe erreichten, und seines Bruders Tiberius zwischen 8 und 6 v.u. Z. konnte Germanien bis zur Weser schon weitgehend als römische Provinz gelten (VÖLKL). Einige germanische Stämme dieses Gebietes waren gewonnen, unter anderem die Friesen, die meisten anderen gezwungen, die Anwesenheit der Römer zu dulden. Alle mußten Tribute aufbringen und zum Unterhalt der Besatzung beitragen. Die Römer orientierten sich seit Anfang der Berührungen darauf, Kontakte mit den gentilen Autoritäten herzustellen, um diese zu gewinnen, und konnten Teilerfolge verbuchen. Sie beeinflußten durch Geschenke die Lebensweise der germanischen Häuptlingsfamilien und zogen einzelne ihrer Angehörigen freiwillig oder als Geiseln in die römischen Gebiete, gelegentlich sogar nach Rom, wo sie römische Lebensweise und Kultur annahmen und den gentilen Verhältnissen entfremdet, teilweise für immer entzogen wurden. Einzelne erhielten das Bürgerrecht und die Ritterwürde. In der Folgezeit gingen einige dieser romanisierten Gentiladligen Klientel- oder diesen ähnliche Verhältnisse mit den Römern ein (vgl. KLOSE).
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Tiberius' Nachfolger konnten die gewonnene Position in Germanien halten und teilweise ausbauen, erreichten aber nicht das gesteckte Ziel. Deshalb wurde im Jahre 4 u. Z. Tiberiiis wieder mit dem Kommando betraut. Er erzielte Erfolge, gelangte bis zur Elbe und ließ Teile der Legionen im Jahre 4/5 in Germanien überwintern. Dem römischen Ziel standen im wesentlichen nur noch die Markomannen entgegen, die sich wenige Jahre zuvor in Böhmen angesiedelt hatten. Der Versuch, sie im Jahre 6 mit der Macht von 12 Legionen zu unterwerfen, wurde durch den Ausbruch des pannonischen Aufstandes vereitelt, zu dessen Bekämpfung Tiberius abberufen wurde. Das besetzte Gebiet Germaniens befehligte seit 7 Publius Quinctilius Varus als Statthalter der drei Gallien und Oberbefehlshaber beider Rheinheere. Er verstärkte die Ausbeutving und die Maßnahmen zur Romanisierung und damit zugleich den Widerstand der betroffenen Stämme. Die Lehre von der Schwäche einzelner Stämme verwertend, bildete sich unter Arminius, einem selbst in Rom erzogenen Angehörigen der cheruskischen Häuptlingsschicht, im Gebiet zwischen Rhein und Weser der Bund von Stämmen, der den Römern im Jahre 9 die historische Niederlage beibrachte. Im Abwehrkampf hatten freie Stammeskrieger gegen die gut ausgerüsteten Soldaten des Sklavenhalterstaates gesiegt, gegen ein Heer, das weit von seiner Heimat entfernt für die Erweiterung des römischen Staates und damit für die Existenz der Sklavenhalterordnung kämpfte, an deren Bestand nur Teile des Offizierskorps unmittelbar interessiert waren. Drei römische Legionen mit Hilfstruppen und Troß, insgesamt etwa 20 000 - 30 000 Mann, waren aufgerieben worden. Friedrich ENGELS charakterisierte diesen Sieg als "einen der entscheidendsten Wendepunkte in der Geschichte" (MEW 19, 447). Für den Bestand der römischen Sklavenhalterordnung bedeutete diese Schlacht eine schwere Niederlage. Ihrer territorialen Expansion zum Erwerb von Grundbesitz und Sklaven, die Existenzbedingung der Sklavenhalterordnung war, wurde Einhalt geboten und somit die Krise des Gesellschaftssystems bedeutend verschärft. Für die germanischen Stämme östlich des Rheins und nördlich der Donau sicherte der Sieg die selbständige sozialökonomische und ethnische Entwicklung. In zunehmendem Maße bildeten sich im Fortgang der Kämpfe bei ihnen herrschaftlich-gentile Verhältnisse der militärischen Demokratie aus. In der ständigen Auseinandersetzung mit den Römern eigneten sie sich einige der in der Sklavenhaltergesellschaft entwickelten progressiven Errungenschaften an. Diese konnten sie im E r -
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gebnis des Sieges mit ihrer eigenen Entwicklung verbinden, ohne in das Gefüge der Sklavenhalterordnung einbezogen zu werden. Nach der Katastrophe wurde Tiberius zum dritten Male an die Rheingrenze beordert. Er stabilisierte die Lage, und die Römer gingen noch einmal in die Offensive. Sie erzielten, nachdem Tiberius Kaiser geworden war, unter dem Befehl des Drusus-Sohnes Germanicus in den Jahren 1 4 - 1 6 einige formale Siege, indem sie die Marser niedermetzelten, Mattium, den Stammeshauptort der Chatten, zerstörten, das Land der Brukterer verheerten und sich gegen den Stammesbund des Arminius bei Idistaviso und am Angrivarierwall behaupteten. Ihrem eigentlichen Ziel kamen sie damit nicht näher. Sie mußten eine so starke Heeresmacht binden, daß Tiberius die Einstellung der Invasion anordnete. Die von Tacitus überlieferte oder von ihm trefflich erfundene Begründung des Tiberius, man solle die Germanen sich selbst und ihrem Stammeshader überlas2
sen,
den die Römer durch Ausspielen der Stammesinteressen stets geschürt hat-
ten, nimmt direkt auf die zersplitterten gentilen Stammesverhältnisse Bezug. Tatsächlich prallten kurz danach die von Arminius und Marbod geführten Stammesbünde aufeinander. Dann lösten sie sich auf, weil keine unmittelbare Aufgabe ihre Existenz erforderte. Der Versuch des Arminius, die von ihm geführte Stammes gruppe zu einem festen Stammesverband zusammenzuschließen und eine Art Königsherrschaft zu errichten, scheiterte. Bei anderen Stämmen, vor allem bei den Markomannen und weiteren Stämmen des Elbgebietes sowie östlich davon siedelnden germanischen und nichtgermanischen Stämmen, kamen zwar Formen der Königsherrschaft auf; sie waren jedoch zunächst sehr labil und trafen überall auf doppelten Widerstand: einerseits vor allem auf die Bewahrung der freiheitlichen gentilen Verhältnisse durch die Stammesangehörigen, für die keine Notwendigkeit der Unterordnung unter Kriegshäuptlinge mehr bestand, andererseits - und dadurch verstärkt - auf den sich in Rivalitäten innerhalb der Häuptlingsfamilien und zwischen ihnen äußernden Widerstand des freien Gentiladels gegen neu aufkommende Herrschaftsansprüche. Derartige Rivalitäten haben sowohl Arminius als auch Marbod und andere zu Fall gebracht. Die zum Zwecke der Abwehrkämpfe und aus anderen Anlässen gebildeten Stammesbündnisse konnten zwar spontan, doch nie zufällig entstehen. Ihren Kern bildeten Stämme, die durch gemeinsame historisch-kulturelle und historisch-ethnische Traditionen miteinander verbunden waren. Derartige historische Verbindungen wurden u. a. in gemeinsamen Abstammungssagen bewahrt, in Kultgemein-
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schatten gepflegt und durch sie immer neu bekräftigt. PLINIUS (nat. hist.IV, 96 ff., bes. 100) und - auf ihm fußend - TACITUS (Germania 2) berichteten in der 2. Hälfte des 1. Jh. von solchen traditionellen Gemeinschaften, deren Beziehungen wenigstens bis in die letzten Jahrzehnte vor Beginn u. Z. zurückreichen. Zu nennen sind vor allem - die Ingwäonen an der Nordseeküste, zu denen Plinius u. a. die Chauken zählte und zu denen vermutlich auch die Friesen gehörten; - die Istwäonen im Rhein-Weser-Gebiet, als deren Angehörige Plinius die Sugambrer nannte; - und die Herminonen in den inner germanischen Gebieten entlang des Elbelaufes, unter denen Plinius die Sueben, Hermunduren^ Chatten und Cherusker subsumierte. Vieles an diesen Überlieferungen ist unklar, weil die römischen Autoren Kultund Abstämmlingsgemeinschaften weit weniger Interesse entgegenbrachten als Bünden mit militärisch-politischen Zielsetzungen, von denen unmittelbare Gefahren ausgingen. Je weiter die Vorgänge von den römischen Grenzen entfernt verliefen, um so verschwommener waren auch die Nachrichten, die zu den Autoren gelangten und von ihnen unter den jeweiligen Motiven ihrer Darstellung in der durch die Denkweisen der römischen Sklavenhalter Ordnung geprägten Sicht verarbeitet werden konnten. Mit besonderen Zweifeln ist Plinius' Überlieferung über den Kultverband der Herminonen behaftet. Die darunter genannten Sueben waren ursprünglich wahrscheinlich ein Einzelstamm, als deren unmittelbare Nachkommen vor allem die im 1. und 2. Jh. im nördlichen Mittelelbe-Havel-Gebiet ansässigen Semnonen anzusehen sind, galten im 1. Jh. aber schon als ethnische Sammelbezeichnung unterschiedlicher Ausdehnung. Ihre gleichwertige Nennung mit den anderen als Einzelstämme bekannten Einheiten löst weitere Verwunderung aus, weil Sueben (bzw. die aus ihnen vermutlich hervorgegangenen Semnonen) und Hermunduren auf der einen und Chatten und Cherusker auf der anderen Seite während des 1. Jh. gemäß den schriftlichen Überlieferungen kaum durch Gemeinsamkeiten verbunden waren. Da eine funktionierende Kultgemeinschaft als die im ideologischen Überbau verankerte und mehr oder weniger institutionalisierte Einrichtung zur Bewahrung ethnogenetischer Traditionen aber reale Kontakte zwischen ihren Gliedern voraussetzt, die sich normalerweise in vielfältiger Weise äußern und häufig auch im archäologischen Niederschlag abzeichnen, kann der Herminonenbund in dem von Plinius geschilderten Umfang während des 1. Jh. keine Bedeutung besessen ha-
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Abb. 1 Römische Provinzen und germanische Stammessitze im 1. und 2. Jh. (nach SCHLETTE sowi
RAETIA
- römische
Provinzen
Chauken
— germanische Stämme im IJahrhundert
F R A N K E N — germanische Stämme im 2.(3.) Jahrhundert Römische Lager und Städte: 1 Colonia Ulpia Noviomagus (NJjmegen) 2 Castra Vetera (Xanten) 3 Novaesium Y; TWYMAN; MAIER, 130). Damit wird aber auch zugleich die Frage beantwortet, weshalb sich die Heermeister germanischer Herkunft nicht mit den freien germanischen Stammesverbänden außerhalb des Reiches vereinigten, um das Weströmische Reich zu stürzen. Zwischen den freien Germanen und den hohen germanischen Aristokraten im römischen Dienst gab es keine gemeinsamen Interessen. Aber man muß auch berücksichtigen, daß die aristokratischen Oberschichten der freien germanischen Stammesverbände noch im 5. Jh. ihr höchstes Ziel in der Stellung römischer Föderaten sah. Der römische Geschichtsschreiber OROSIUS (7, 43, 5f.) berichtet, daß Athaulf, Nachfolger des Alarich und König der Westgoten 410 bis 415, zunächst danach gestrebt habe, den römischen Namen auszulöschen und das Reich der Römer zu einem Reich der Goten zu machen, so daß aus der Romania eine Gotia werden sollte. Aber er habe die Erfahrung gemacht, daß die Goten wegen ihrer Undiszipliniertheit und Wildheit keinen Gesetzen gehorchen könnten, aber ein Staat ohne Gesetze nicht bestehen könne. Deshalb habe er sich anders entschlossen und nun wolle er mit seinen Goten die Größe des römischen Namens wieder herstellen. Um größeren politischen Einfluß im Westreich zu erlangen, heiratete er 414 die weströmische Kaiserstochter Galla Placidia. Childerich, König der salischen Franken, nahm als weströmischer Föderat noch im letzten Jahrzehnt des Weströmischen Reiches auf römischer Seite an Kämpfen gegen die Westgoten teil. Noch Odoaker, Sohn eines Skirenfürsten, der 476 in Italien den letzten weströmischen Kaiser absetzte, ließ mit einer Gesandtschaft des römischen Senats die Kaiserinsignien nach Konstantinopel zum Kaiser Zeno senden, der Odoaker zum Patrizius von Byzanz ernannte. Als solcher stand er dann an der Spitze eines Staates, der sich noch nicht wesentlich geändert hatte, nur, daß an der Stelle des weströmischen Kaisers jetzt ein byzantinischer Patrizius, der zugleich germanischer König war, die Regierung innehatte. Und erst König Theudebert I. von Austrasien (533-548) war der erste germanische König, der Goldmünzen mit seinem eigenen Namen als Zeichen der vollen Souveränität prägte. So sehen wir die Entscheidung über die Frage Wer - Wen, die Aneignung und Gewinnung der politischen Macht im Rahmen dieser sozialen Revolution als einen Prozeß, der erst nach mehr als hundert Jahren seit dem Aufkommen der ersten germanischen Staaten auf römischem Boden seinen Abschluß fand.
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Die germanischen Heermeister in römischen Diensten vertraten völlig die Politik zur Erhaltung des zerfallenden weströmischen Staatswesens; sie hatten sich mit der Politik der herrschenden Klasse Roms identifiziert. Obwohl zeitweilig am Kaiserhofe antigermanische Strömungen durchbrachen, gab es doch keine besseren Verfechter römischer Politik als diese germanischen Heermeister. Und die politische Ideologie vom ewigen Rom, von der Roma Aeterna, war selbst im 5. Jh. noch so stark, daß sie auch die Oberschichten der germanischen Stammesverbände in ihren Bann zog, selbst wenn sie zeitweilig (PASCHOUD) Rom bekämpften. Hinzu kam, daß Rom seine germanischen Söldner gut bezahlte, und solange der Sold floß, war man an der Erhaltung dieses Staates interessiert. Ohne Übertreibung kann man hervorheben, daß die römische untergehende Sklavenhaltergesellschaft mit ihrem Staatsapparat ohne die germanischen Heermeister eher zusammengebrochen wäre. Aber dennoch blieben letzten Endes die freien germanischen Bauern und Handwerker der verschiedenen in das Reich eingedrungenen Stammesverbände Sieger und besiegelten den Untergang der sich längst zersetzten Sklavenhaltergesellschaft. Sie schufen mit der Vernichtung der politischen Macht der Sklavenhalter und der auf ihren Positionen stehenden spätrömischen Großgrundbesitzer eine wesentliche Voraussetzung für die Herausbildung des Feudalismus. Dieser seinem Charakter nach revolutionäre Übergang zu einer neuen Gesellschaftsformation war möglich, weil die Massen der Germanen der römischen Assimilierung widerstanden und ihre Anführer zu einem konsequenteren Kampf gegen Rom veranlaßten. Doch nun zurück zu den militärischen Auseinandersetzungen des 5. Jh. In den Jahren zwischen 395 und 406 reorganisierte Stilicho die römische Grenzverteidigung am Rhein. Stilicho wurde durch die Angriffe der Westgoten unter Alarich 402 und des Radagais auf Italien 406 genötigt, die römischen Truppen am Rhein merklich zu verringern. Am Oberrhein waren damals drei Befehlshaber für die Grenzverteidigung verantwortlich: der Dux von Mainz, der mit seinen Abteilungen das Gebiet zwischen Andernach und Selz schützen sollte, der Comes von Straßburg, der das südliche Elsaß bewachte und der Dux der Grenztruppen der Provinz Maxima Sequanorum, der die Schweizer Rheinseite verteidigte (PERRIN, 212 ff.). Hier interessiert vor allem das Gebiet des Dux von Mainz. Zu Beginn des 5. Jh. gab es in seinem Kommandobereich noch folgende Garnisonsorte am Rhein: Selz, Rheinzabern, Germersheim, Speyer, Altrip, Worms, Mainz, Bingen, Boppard, Koblenz und Andernach (Notitia dignitatum, ed. Seeck, occ. 41; SCHLEIERMA-
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CHER, 168). In Trier gab es außerdem zwei staatliche Waffenmanufakturen, eine Werkstatt für Schilde und eine Werkstatt für Schleudergeschütze. Die Grenztruppen hatten ihre alte Bedeutung längst eingebüßt und waren militärisch immer schwächer geworden. Schätzungsweise waren es etwa 10 000 Soldaten, die für die Grenzverteidigung in diesem Abschnitt zur Verfügung stehen sollten. Zu ihrer Unterstützung standen normalerweise im gallischen Hinterland weitere Truppen des mobilen Feldheeres, etwa 35 000 Fußsoldaten und etwa 6 000 Reiter. Aber die Bestände der gallischen Grenz- und Feldtruppen wurden mit den genannten Truppenabzügen entscheidend geschwächt. Da die Stadt Trier als Residenz der gallischen Präfektur nunmehr vor den Germaneneinfällen fast schutzlos lag, wurde um 402 der Sitz des Präfekten nach Arelate (Arles) verlegt. Zahlreiche römisch-gallische Großgrundbesitzer verließen unter diesen Umständen in dieser Zeit die bedrohten Grenzgebiete zwischen Saar, Mosel und Rhein, an der Maas und an der Scheide und zogen nach dem südlichen und südwestlichen Gallien, wo ihre Namen auch weiterhin belegt sind. Interessant ist, daß unsere Hauptquelle über die römische Truppenstationierung zu Beginn des 5. J h . , die Notitia Dignitatum, keine Limitan (Grenz-)verbände in der Provinz Germania II, also am Niederrhein, erwähnt. Hier hatten wahrscheinlich die fränkischen Föderaten den Grenzschutz übernommen, so daß dort keine Limitantruppen notwendig wurden. Andererseits zeigt die Konzentration der römischen Grenztruppen am Oberrhein, daß man in den Burgundern und Alamannen besonders gefährliche Gegner sah. Wichtig für das Verhältnis der fränkischen Föderaten zu den von Rom abhängigen Laeten ist auch, daß wir im Föderatengebiet keine Laetenstandorte finden, und daß die Laetenkontingente nicht den Befehlshabern der Grenztruppen, sondern der Feldarmee unterstanden. Da kam es zur bisher schwersten und folgenreichsten Invasion germanischer Stämme über den Rhein (DEMOUGLOT 1966; 1969; PERRIN, 191 ff.). Um die Wende von 406 zu 407 ^rangen die Vandalen, Alanen und Sueben über den Rhein. Die stark geschwächte römische Armee widerstand nicht mehr. Zwischen Mainz und Straßburg ergoß sich eine Sturmflut nach Gallien. Burgunder, Quaden, Alamannen und andere Stämme schlössen sich den ersten Vordringenden an, blieben aber in Rheinnähe sitzen (HIERONYMUS, epist. 123 ad Agerochiam; ORIENTIUS, Commonitorium 2, 184). Vergebens hatten die mit Rom verbündeten Chatten versucht, die Rheingrenze bei Mainz zu halten. In zwei Stoßlinien drangen die Stämme in Gallien ein (PERRIN, 222f.). Die eine wandte sich nach Westen und Südwesten und zog über Trier, Metz, Reims, Tournai, T6rouanne, Arras, Amiens, 49
Orléans nach Bordeaux. Die zweite Gruppe zog über Speyer, Straßburg, Beifort, Langres, Besançon, Autun in das Rhônetal und in die Provinz Narbonensis. Drei Jahre verwüsteten diese Stämme viele gallische Landstriche, darunter Aquitanien, Novempopulanien, die Provinz Lugdunensis und die Narbonensis. Nur wenige Städte konnten sich halten. Zerstört wurden Mainz, Worms,, Speyer, Straßburg, Reims, Arras, Térouanne, Tournai und andere. Trier wurde zeitweilig von den Germanen besetzt. Der römische Usurpator Konstantin III. (407-411) kam mit römischen Truppen aus Britannien nach Gallien, um mit diesen und mit Föderaten die Grenze wieder notdürftig zu schließen (PERRIN, 229 ff.). Da die Franken sich nicht zugleich gegen Rom erhoben, konnte wenigstens die Grenze am Unterrhein gehalten werden; aber die eingedrungenen Vandalen, Alanen und Sueben blieben im Land. 409 hatten sie sich den Zugang nach Spanien erkämpft und blieben dort vorübergehend seßhaft. Die Burgunder ließen sich im Gefolge dieser Hauptmacht im mittleren Rheinland, in der Pfalz, nieder und wurden ebenfalls römische Föderaten; ihr Zentrum lag ab 413 wahrscheinlich in der Gegend von Worms (PERRIN, 240 ff. ). Zwischen 410 und 420 wurde Trier mehrmals von den Germanen zerstört (KEMPF, 374). Die Colonia Ulpia Trajana bei Xanten war Anfang des 5. Jh. endgültig verfallen. Um 402 waren auch aus Regensburg die römischen Grenztruppen abgezogen worden, so daß Rätien nur noch mit sehr schwachen Kräften verteidigt werden konnte. In vielen Orten Rheinhessens hören die römischen Besiedlungsspuren um 400 auf; für die erste Hälfte des 5. Jh. zeigt sich meistens eine ungewöhnliche Fundleere. Zahlreiche Moselvillen wurden in diesen Jahren von den Besitzern aufgegeben. In den folgenden Jahrzehnten war von einer geordneten römischen Grenzverteidigung keine Rede mehr. Zwar gelang es einzelnen römischen Heermeistern, wie Constantius zwischen 413 und 421 und besonders Aetius, der von 433 bis 454 mit großer Routine und gutem Geschick die römische Politik in der Diplomatie und auf dem Schlachtfeld vertrat, die Germanen durch neue Verträge an Rom zu binden und damit ihre Stoßkraft vom Reich abzuwenden, aber das alles blieb Stückwerk. Die Burgunder wurden 436 von den Hunnen vernichtend am Rhein geschlagen. Es liegt die Vermutung nahe, daß Aetius, der mit den Hunnen in gutem Einvernehmen stand, diese dazu bewogen hatte, weil die Burgunder ihr Territorium weiter nach Westen ausdehnen wollten (PERRIN, 263 ff. ). 443 wurden die Reste der Burgunder in der Provinz Sapaudia (Savoyen) angesiedelt. 451 siegte das römisch-germanische Föderatenheer auf den Katalaunischen Feldern gegen
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die Hunnen Attilas; es war die letzte bedeutende militärische Leistung des Westreiches. Nach der Ermordung des Aetius 454 ging das römische System in Gallien und im Rheinland endgültig seinem Untergang entgegen. Es war schon ein Erfolg, wenn ein Kaiser wie Avitus (455-456), der Exponent der gallo-römischen Senatsaristokratie, neue Verträge mit den Franken und Alamannen abschließen konnte.
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Mitte des 5. Jh. war auch Britannien endgültig von den letzten Gruppen römischer Soldaten verlassen worden. Die Franken rückten vom Niederrhein aus zur Somme vor; die Alamannen besetzten wieder den Elsaß, Rheinhessen und die Rheinpfalz, wie in den fünfziger Jahren des 4. Jh. Köln wurde um 450 endgültig von den mittelrheinischen Franken besetzt; Trier fiel in den siebziger Jahren für immer in ihre Hand (EWIG, 56-59). Mitte des 5. Jh. gab es auch in Rätien keine regulären römischen Truppen mehr (SPINDLER, 67; ULBERT, 77). Den römischen Anspruch auf Gallien und theoretisch auf die alten Grenzen e r hoben nach dem Tode des Aetius noch zwei Heermeister in Gallien, Aegidius (457-463) und Syagrius (463-486) (STROHEKER 1948, 83). Zwischen Loire und Somme schob sich das restliche römische Besitztum in Gallien ein mit den Städten wie Paris, Soissons, Reims und Orléans. Im Norden grenzte dieses Gebiet an die salischen Franken, die in Tournai residierten, im Osten an die Francia Rhinensis mit dem Zentrum in dem nun fränkischen Köln. In Trier hatte ein fränkischer Comes die Verwaltung inne. Im Süden grenzte der Staat des Syagrius an die Westgoten. Nach dem Untergang Westroms 476 suchte Syagrius dieses Territorium als römisches Staatsgebiet in Gallien gegen die Germanen zu verteidigen. Aber der Frankenkönig Chlodwig vernichtete 486 in einer Schlacht bei Soissons den letzten Rest dieses ehemals so glanzvollen Reiches. Der Glanz war längst verblichen, und die sozialökonomische Formation, die dieser Staat repräsentierte, gehörte auf den Kehrichthaufen der Geschichte. Mit dem Untergang der römischen Sklavenhaltergesellschaft ergab sich jedoch in den hier zur Erörterung stehenden Territorien kein sozialökonomisches Vakuum. Schon längst hatten sich innerhalb der germanischen Gentilgesellschaft und innerhalb der letzten Entwicklungsstufe der antiken Sklavenhaltergesellschaft im Römischen Reich Elemente einer neuen Produktionsweise entwickelt, die nunmehr ihre volle Ausprägung fanden. Im Zusammentreffen der feudalen Keime in der Basis der spätantiken Klassengesellschaft mit der sich zersetzenden, sozial differenzierten Urgesellschaft vollzog sich die germanisch-spätantike (oder auch germa-
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nisch-romanische) Synthese als eine Genesisform des Feudalismus. Besonders wird diese Synthese durch die bäuerliche Landnanme der Franken geprägt, sie zeigt sich deutlich in Nordfrankreich nördlich der Seine, in Belgien, Südholland, im Rheinland und an der Mosel, bei den Alamannen auch im Dekumatland und im Elsaß (PETRI 1954). Synthese bedeutet hier nicht einfach die Vereinigung der beiden frühen, in der Zersetzung der alten Gesellschaftsordnungen entstehenden feudalen Verhältnisse. In der Synthese entstand etwas qualitativ Neues, die neue feudale Gesellschaft, - nicht als Summe der beiden aus der Spätantike und aus der sich zersetzenden germanischen Gentilordnung entstehenden feudalen Elemente. In der germanisch-spätantiken Synthese der Genesis des Feudalismus behielt die germanische Komponente in diesem Prozeß durch die bäuerliche Landnahme das Übergewicht. Die zweite in Europa weit verbreitete Genesisform des Feudalismus, die südeuropäische oder mittelmeerische Variante, soll hier nur kurz gestreift werden. Sie vollzog sich in einer Synthese zwischen feudalen Keimen der spätantiken Klassengesellschaft mit der sich zersetzenden Gentilordnung germanischer, slawischer und anderer Stämme, wobei jedoch die spätantike r o manische Komponente das Übergewicht behielt. Man kann sagen, daß das Schaltsystem der Elemente in beiden Genesisformen unterschiedlich strukturiert war und daher auch unterschiedlich funktionierte. Der spätere historische Verlauf zeigte, daß in beiden Entwicklungsformen des frühen Feudalismus günstige Möglichkeiten für die weitere Ausbildung der feudalen Gesellschaftsformation gegeben waren. Eine unmittelbare Genesis des Feudalismus aus der sich zersetzenden Urgesellschaft war nur dann möglich, wenn bereits existierende feudale Produktionsverhältnisse oder in Zersetzung befindliche Produktionsverhältnisse der spätantiken oder der altorientalischen Klassengesellschaft auf die noch in der Urgesellschaft lebenden Stämme bzw. Stammesverbände einwirkten und diesen gesellschaftlichen Umwandlungsprozeß in Richtung auf den Feudalismus beschleunigten oder begünstigten. Im spätrömischen Kaiserreich entwickelten sich feudale Elemente besonders auf den Großgrundbesitzungen, die sich seit dem Ende des 3. Jh. von den städti3
sehen (munizipalen) Territorien losgelöst hatten . Solche städtischen Grundbesitzungen waren im Rheinland besonders in Niedergermanien zu finden. Das städtische Territorium von Köln umfaßte z. B. in seiner Blütezeit bis zur Mitte des 3. Jh. das Gebiet am Rhein etwa von Krefeld-(Je llep im Norden bis zur obergermanischen Grenze, dem Vinxtbach, im Süden. Dabei war in Rheinnähe ein Strei 52
fen Landes als Militärland vom Zivilgebiet abgetrennt. Im Westen reichte das Kölner städtische Gebiet bis zur Rur; falls das Gebiet der Sunuci an das Kölner Territorium angeschlossen war, was einige Forscher vermuten, so reichte es weiter bis zur Wurm; im Süden gehörte Jünkerath in der nördlichen Eifel noch zum Kölner Gebiete Das "städtische" Territorium der Colonia Ulpia Trajana bei Xanten war noch umfangreicher und umschloß das Kugerner.Land, das Land der Baetasier, und attribuiert war der pagus Catualinus, so daß auch Aachen und das Land westlich bis über die Maas dazu gehörten (RÜGER, 82, 85-87; FAIDERFEYTMANS, 344). Seit dem Ende des 3. Jh. verkleinerten sich diese städtischen Gebiete, in denen das Veteranenland, mittelgroßer und kleinerer Grundbesitz dominierte, fortwährend (ENNEN). Einzelnen großen Grundbesitzern gelang es, ihre Besitzungen aus den städtischen Territorien herauszulösen. Die Städte verloren damit einen großen Teil ihrer Einnahmen, und die Großgrundbesitzer wurden immer mächtiger. Denn mit der Abtrennung der Großwirtschaften aus den städtischen Gebieten verloren die Städte auch vermögende Amtspersonen, die die sehr drückenden Funktionen der städtischen Dekurionen ausüben konnten. Die von den städtischen Lasten befreiten Großgrundbesitzer waren der Aufsicht des Provinzstatthalters direkt unterstellt. Außerdem gab es in den germanischen Provinzen, besonders in der Eifel (saltus Arduinnae), in der Pfalz und im Moselland große kaiserliche Grundbesitzungen (DEMARTEAU; PETRIKOVITS 1956; 1960, 109 ff.). Aus der Gegend von Mainz ist im 4. Jh. das große Gut des Remigius überliefert (AMMANUS MARCELLINUS 30, 2,10; SCHLEIERMACHER, 167 f.). Das reiche Grab des sogenannten Herrn von Morken aus der zweiten Hälfte des 6. Jh. wurde in den Ruinen eines großen Gutes errichtet, das am Ende des 4. Jh. verlassen wurde (DOPPELFELD und PIRLING, 66). Bis in die unmittelbare Nachbarschaft von Köln schoben sich diese Großgrundbesitzungen vor (FREMERSDORF, 3, 16f., 50). Zeichen des Großgrundbesitzes im Moselland waren die Prunkvillen von Nennig, Fließem, Blankenheim, Conz und Wittlich (STEINHAUSEN, 334). Besonders für das 4. Jh. ist die große Grundherrschaft charakteristisch. Es zeigt sich ein durchgreifender Wandel in den Besitzverhältnissen. Die Denkmäler der munizipalen Grundbesitzeraristokratie, die uns noch im 3. Jh. die bekannten Grabmäler von Neumagen, von Igel, von Trier und von Arlon hinterlassen hat, fehlen jetzt im 4. Jh. fast völlig (STEINHAUSEN, 343-347, 358f., 403f.). Die ländliche B e völkerung geriet in das Patrozinium der großen Grundherren. Die großen Grundherrschaften erscheinen als geschlossene Gebiete, wie z.B. das Gebiet der sog.
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"Landmauer" in der Eifel, wahrscheinlich eine große kaiserliche Domäne. Ihr Zentrum lag vermutlich in Palzkyll. Der ganze Domänenbezirk war von einer Mauer umgeben, die etwa 2 m hoch und 80 cm breit war, sie war 7.2 km lang und 2
umschloß einen Bezirk von etwa 220 km . In diesem Domänenbezirk lagen etwa hundert Einzelsiedlungen. Dieser Großgrundbesitz gehört in die Zeit der zweiten Hälfte des 4. Jh. (STEINHAUSEN, 440-444; EWIG, 23 f.). Andere kaiserliche oder private Großgrundbesitzungen lagen im Süden des Trierer Gebiets um Palzen und Nennig, in der Nähe von Waldfischbach in der Pfalz und in Euskirchen am Oberlauf der Erft (SPRATER 1929, 62; STEIN, 52; RÜGER, 102f.). Für die germanisch-spätantike Synthese in der Herausbildungsphase des Feudalismus ist die rasche Überwindung der spätantiken Gesellschaftsverfassung durch die bäuerliche Landnahme der Germanen charakteristisch (OUDALTZOVA et GOUTNOVA). Spätestens seit der Verlegung der gallischen Präfektur von Trier nach Arles zwischen 396 und 402 zogen die reichen gallo-römischen, oft senatorischen Großgrundbesitzer aus dem von den Germaneneinfällen bedrohten Norden und Nordwesten Galliens und aus den Rhein-Mosel-Gegenden ab und ließen sich in Gebieten südlich der Loire, wo sie sich sicherer glaubten, nieder, z.B. in der Provence, in Aquitanien, in der Auvergne und in anderen Landschaften (STROHEKER 1948, 19 f., 39; FOUET). Dies waren auch noch im 6. Jh. die Zentren des gallo-römischen Großgrundbesitzes. Dagegen verödeten die großen Prunkvillen und Höfe der Landmagnaten an der Mosel, im Rheinland, an Maas und Scheide bereits, ehe sich die Franken und Alamannen und Burgunder dort festsetzten (HATT, 296; GOSE; RÜGER, 46; GESCHWENDT, 87 ff., 101 ff.). Eine ganze Reihe großer Villen, die verfielen, haben Münzfunde erbracht, die spätestens um 402 herum enden (THILL, 463, 466; WEILER). Auch die Großgrundbesitzer von Köln und Trier verließen zu Beginn des 5. Jh. ihre Städte und zogen sich vornehmlich nach Arles zurück (PRINZ, 22 9; EWIG, 106; PETRI 1964, 591). Aber natürlich wanderte aus dem Rhein-Moselland nicht die gesamte gallorömische Bevölkerung ab. Jedoch wurden die bis dahin bestimmenden ökonomischen und sozialen Strukturelemente der spätantiken Klassengesellschaft dadurch geschwächt, daß sie der germanischen Komponente der frühfeudalen Elemente keinen großen Widerstand mehr entgegensetzen konnten. Die freie fränkische Dorfgemeinde spielte in diesen Gebieten fortan eine große Rolle im gesellschaftlichen Leben. Im nördlichen und nordwestlichen Gallien selbst waren noch starke Reste freier Bauern, keltischer und germanischer Herkunft, Laeten und Gentilen, verblieben, die dort Reste agrarischer Gemeinwesen in romanisierter Um54
weit bewahrt hatten. Diese bäuerlichen Schichten wurden durch die germanische bäuerliche Landnahme erweitert und gestärkt. Daneben verblieb auch ein beachtlicher Teil der gallo-römischen handwerklich tätigen Bevölkerung, z. B. die Glasmacher und die Edelmetallschmiede in Köln, Töpferhandwerker besonders in den Ar gönnen und in der Eifel, Metallhandwerker im mittleren und unteren Maasgebiet. Sie vermittelten die spätrömischen Erfahrungen der handwerklichen Produktion, besonders der keramischen, metallurgischen und Glasproduktion an die Germanen weiter (WERNER 1958; 1962). Eine kontinuierliche Entwicklung von spätrömischer Keramik zur frühfränkischen Keramik finden wir in dem ausgedehnten Gräberfeld von Krefeld-Gellep, in den Töpfereien von Mayen in der Eifel (PIRLING 1959; 1966, 230 ff.). Besonders auch im Maasgebiet um Namur bestand die gallo-römische handwerkliche Produktion weiter. Eine Kontinuität der B e gräbnisstätten gibt es besonders in Trier, Metz, Köln, Bonn, Krefeld-Gellep und Xanten (STEINHAUSEN, 498; PETRIKOVITS 1958, 65 ff.). Allgemein kann man wohl feststellen, daß die römische Oberschicht vor dem Germanensturm floh, aber daß die Handwerker, Kleinbauern, Pachtbauern und Kleinhändler blie ben. Natürlich zogen die neuen germanischen Fürstensitze auch die römisch-provinzialischen Goldschmiede an. Der Goldschmuck der reichen und adligen fränkischen Dame, deren Grab unter dem Kölner Dom gefunden wurde, stammt aus einer Kölner Werkstatt (DOPPELFELD und PIRLING, 14). Die Eigentums - und Klassenverhältnisse der gallo-römischen Bevölkerungsschichten, die nicht abwanderten, blieben zunächst auch nach der fränkischen Eroberung erhalten. So finden wir zeitweilig zwei Strukturen, die nebeneinander bestehen (gallo-römische Verhältnisse mit Überresten der Sklaverei und die feudalen Elemente der sich zersetzenden fränkischen Gentilgesellschaft). Die Franken ließen sich abseits von den Gallo-Romanen nieder und teilten ihre Ländereien nicht auf. Sie besaßen auf den verlassenen römischen Villen und Großgrundbesit?ungen genügend Land zur Besiedlung, so daß sie das spätrömische System der hospitalitas nicht in Anspruch zu nehmen brauchten. Sie teilten nicht die Güter mit deren ehemaligen Besitzern, sondern nahmen sie gänzlich in Beschlag. Nur selten finden sich Siedlungsspuren der Franken in den verlassenen Villen. Manchmal haben sie ihre Gräber darin angelegt (STEINHAUSEN, 528), häufig haben sie die Flureinteilungen, die Gewanne, übernommen. Aber was die Baulichkeiten anbetrifft, so haben wir mehr eine Kontinuität der Ruinen als der Siedlungen. Viele Orts - und Flurnamen im Luxemburgischen, aber auch in angrenzenden Gebieten enden auf -macher oder -mecher. Sie gehen auf lat. maceries zurück, das in
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der Spätantike die Bedeutung Trümmerstätte hat (THILL, 455). Allgemein entstanden fränkische Dörfer oft in der Nähe römischer Villen, aber die Villen bildeten nicht den Siedlungskern (STEINHAUSEN, 523; JANKUHN, 129; ROEREN, 223 ff.; SPRATER 1948, 21 f., 65). Wir wissen nicht genau, inwieweit sich der kirchliche Grundbesitz im RheinMoselland in die fränkische Zeit hinüber rettete. Zusammenhängender kirchlicher Großgrundbesitz ist im Rhein-Moselland nicht bekannt. Vermutlich haben auch die einrückenden Franken wenig zwischen römischem Staatsland und Kirchenland differenziert und schlugen alles dem Königsland zu. Die Entwicklung des kirchlichen und des klösterlichen Grundbesitzes im MerowingerStaat ist im wesentlichen eine Neuentwicklung und geht nur in Elementen auf die spätantike Zeit zurück. Diese Einschätzung trifft natürlich nur auf die Gebiete nördlich der Seine und im Rhein-Moselland zu; südlich der Loire ist die Kontinuität kirchlichen Grundbesit4 zes sichtbarer als in den nördlich davon gelegenen Gebieten. Die germanische Komponente in den frühen feudalen Elementen zeigt sich besonders in der stark zunehmenden Bedeutung des Adels seit dem Ende des 5. Jh. Im Rheinland gehören zu dieser Adelsschicht die sogenannten Fürstengräber des 6. Jh., davon zwei unter dem Kölner Dom, eins in Gellep und eins in Morken (DOPPELFELD und PIRLING). Köln, Mainz, Trier und Tongern waren in der Francia Rhinensis noch 5 städtische Zentren, wenngleich ihre Bedeutung stark zurückgegangen war.
Auch im alamannischen Siedlungsgebiet finden wir seit
der zweiten Hälfte des 4. Jh. eine weitverzweigte Stammesaristokratie. Bei Frankfurt/Praunheim auf dem Ebel wurde eine römische Villa mit fränkischen Einbauten aus der zweiten Hälfte des 4. Jh. entdeckt. Auch der Glauberg in Oberhessen war vielleicht der Sitz eines alamannischen Adligen vom Stamm der Bucinobanten (WERNER 1965, 445 ff., 450 ff.). Aus Pier im Kreis Düren kennen wir inschriftlich eine fränkische Herrin, sie nannte sich domina, namens Cheldofrida. Der Grabstein gehört in das Ende des 6. Jh. (EGGER, 156). Privates Grundeigentum, das verkäuflich war, scheint es nach der Lex Salica dagegen in der fränkischen Frühzeit des 5. Jh. noch nicht gegeben zu haben. Wohl aber vergab der fränkische König Land an Adlige, aber das war zu jener Zeit noch nicht privates Eigentum. In den Territorien des fränkischen Königreiches nördlich der Loire gingen die spätrömischen großen Grundherr schaffen in die Hände der fränkischen Könige und des Dienstadels über und in das Eigentum der Kirche, die auch die Ausbeutung von Sklaven und Kolonen fortsetzte (KORSUNSKtJ, 32). Es gibt aber kei-
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ne Angaben darüber, daß verarmte fränkische Bauern in unfreie Kolonen verwandelt wurden, wie das früher in der spätrömischen Zeit üblich war. Aber es gab in diesen Gebieten, in denen die bäuerliche fränkische Landnahme wirksam wurde, auch abhängige Personen auf den Gütern des Königs und der Kirche, als homines regi und homines ecclesiae, Königsleute und Kirchenleute (KORSUNSKIJ, 33). Diese gingen wahrscheinlich aus den verarmten Gemeindemitgliedern hervor, waren aber keine Kolonen aus spätantiker Zeit und nahmen eine Zwischenstellung zwischen Freien und Unfreien ein (NEUSYCHIN, 568). Vereinzelt zählen die Gesetze die homines regi und die homines ecclesiae auch zu den Freien. Zum Beispiel gibt es im Ripuarischen Recht einheitliche Strafen für Freie und für die genannten abhängigen Personengruppen. Die Kolonen, die man vor allem in den Gütern südlich der Loire findet, waren in fränkischer Zeit nicht zum Kriegsdienst verpflichtet, wohl aber die Königsleute und Kirchenleute. Sie bezahlten Bußgelder aus eigenen Mitteln und führten Prozesse vor den Richtern selbst. Sie standen jedoch unter dem Patronat des Königs oder des Bischofs und konnten nicht irgendeine weltliche Amtsperson als ihren Patron wählen. Ihr Wergeid war im Ripuarischen Recht mit der halben Höhe des Wergeides für einen Freien festgesetzt (KORSUNSKIJ, 33). Dieser Syntheseprozeß der feudalen Elemente ist für das 5. und 6. Jh. e r kennbar. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh. entwickelte sich das veräußerliche Grundeigentum - Allod - bei den Franken. Aber die freie fränkische Gemeinde bremste diesen Prozeß, hemmte die schrankenlose Verknechtung der Bauern und trug mit zur Bildung der patrimonialen Grundherrschaft bei. Städte hatten in dieser Entwicklungsform keinen wesentlichen Einfluß auf die Errichtung der feudalen Gesellschaftsformation. Schon vor der germanischen Eroberung verloren sie - bis auf wenige Ausnahmen - ihre Rolle als Zentren des Handwerks und des Handels - im Gegensatz zu den Städten etwa in Byzanz, in Italien, in Spanien und auch im südlichen Gallien. Damit veränderten sich auch in dem hier untersuchten Gebiet die Stadt-Land-Beziehungen von Grund auf. Im wesentlichen gab es in den fränkischen Gebieten westlich des Rheins drei Elemente als Voraussetzungen für die Entwicklung des fränkischen Feudalismus: 1. die Domänen des fränkischen Königs und seiner Gefolgsleute, 2. das galloromanische Grundeigentum, 3. die freie Bauerngemeinde, die sich sozial differenzierte und bis zum Ende des 7. Jh. durch die Zunahme der Hörigkeit zersetzte (OUDALTZOVA et GOUTNOVA, 5).
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Seit dem 6 . / 7 . Jh. ging die feudale Eigentums- und Klassenbildung verstärkt vor sich. Die feudale Hierarchie der Vasallität bildete sich heraus. Zentren des frühön westrheinischen fränkischen Feudalismus lagen im Pariser Becken, in der Pikardie, im Hennegau, in Südflandern, im Kölner Gebiet, in Brabant, E l saß, Lothringen und in Nordburgund (OUDALTZOVA et GOUDNOVA, 6).
Anmerkungen 1 Nach ZOSIMOS 2, 54,1 war Magnentius barbarischer (= germanischer) Abstammung (vgl. auch AUREL, VICTOR, Caes. 4, 26; PS. -VICTOR, Epit. 42, 7; JULIAN, Orat. 1, 34 A = 42, 5f. Hertl. und orat. 1, 34D = 43,10 Hertl.). Nach einer anderen Quelle war nur seine Mutter eine fränkische Kriegsgefangene (ZONARES 13, 6 p. II 13 A); entsprechend ZOSIMOS wurden seine Eltern in Gallien als Laeten angesiedelt (BIDEZ). Seine Geburtsstadt ist wahrscheinlich Amiens, wo sich seit dem Ende des 3. Jh. ein Standort der fränkischen Laeten befand (Vgl. XII Panegyrici latini, rec. G. Baehrens 8 (5), 21,1). 2 Zu den Kaisern aus den Reihen der gallischen Senatsaristokratie STROHEKER 1948, 45f., 52 ff. 3 Beispiel des Kölner Bürgers Masclinius Maternus aus der ersten Hälfte des 4. Jh. : CIL 13, 7918 (SCHMITZ, 85; MAIER, 87 ff., 101 ff.). 4 GREGOR v. TOURS, Hist. Franc. 2,21, beschreibt z. B. das Kircheneigentum in Clermont Mitte des 5. Jh. nur als ein kleines Besitztum innerhalb der Stadtmauern; um 500 besitzt die Kirche dort jedoch schon Häuser, Äcker und Weinberge (Hist. Franc. 2, 36). Im Trierer Raum gab es im 6. Jh. kirchliche Grundherr Schäften (EWIG, 314). 5 Über einen fränkischen dominus als Grundherr um 533 im Trierer Gebiet vgl. GREGOR v. TOURS, Hist. Franc. 3,15.
Literatur BIDEZ, J . 1925: Amiens, ville natale d l'empereur Magnence. In: Rev. Ét. anciennes 27, 312 ff. Bordeaux. DEMARTEAU, J . -E. 1904: L'Ardenne belgo-romaine. In: Bull. Inst, archéolog. Liégeois 34,1. fasc., 40 ff. Liège. DEMOUGEOT, E. 1966: La Gaule nord-orientale à la veille de la grande invasion germanique de 407. In: Rev. histor. 236, 17 ff. Paris. -
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Zur Einfuhr und Verbreitung römischer Münzen bei den Stämmen des freien Germaniens und zur Möglichkeit ihrer wirtschaftlichen Aussage (vorzugsweise anhand des Fundmaterials der DDR) von RUDOLF LASER
Bei der historischen Auswertung von Münzfuflden gilt es, auf einige in der Eigenart dieser Quellengattung liegende Besonderheiten hinzuweisen. Im Gegensatz zu anderen Bodenfunden läßt sich das "Herstellungsdatum" einer Münze meist sehr genau bestimmen. Umso unsicherer ist der Zeitpunkt ihres "In-die-ErdeKommens". Im wesentlichen haben wir es mit vier Fundgruppen unterschiedlichen Aussagewertes zu tun. 1. Bei Münzen als Grabbeigabe (häufig Edelmetall) ist ihre Niederlegung besonders im Verband mit römischen Bronzen, Gläsern und Sigillaten zeitlich recht genau anzugeben; 2. Hort- oder Schatzfunde wurden meist bald nach dem Präge datum der Schlußmünze vergraben; 3. bei Münzen aus germanischen Siedlungen sowie 4. Einzel- oder Streufunden ohne ersichtlichen archäologischen Fundzusammenhang und unbekannter vorheriger Umlaufdaüer bleibt die Zeit des Verlustes weitgehend unbekannt. In letzterer Gruppe sind durch strenge Fundkritik mögliche Sekundärfunde auszuscheiden. Auswertung und Ergebnisse beruhen allein auf archäologisch gesicherten Fundmünzen, ergänzt durch schriftliche Nachrichten über meist ältere, nicht mehr vorhandene Münzfunde. Räumlich beschränkt sich die Untersuchung auf das Gebiet der DDR. Eine Betrachtung sämtlicher römischer Fundmünzen zwischen Ostsee und ThüringerWald zeigt 1. 'eine regional unterschiedliche Häufung sowie 2. eine Konzentration in bestimmten Zentren; Als fundleer oder fundarm heben sich die Mittelgebirge (Harz, Thüringer Wald und Erzgebirge), ausgedehnte Waldgebiete sowie Niederungen mit hohem Grundwasserstand ab. Einzelfunde in Paßlagen könnten Übergänge bezeichnen. Eine deutliche Fundhäufung lassen erkennen: 1. Thüringer Becken, 2. zentrales Mitteldeutschland/Raum Halle - Merseburg 63
3. Altmark/Raum Magdeburg, 4. Lausitz/Raum Dresden, 5. Gebiet um Berlin, 6. nördliches Odergebiet. Dagegen sind das mecklenburgische Küstengebiet sowie Nordbrandenburg auffallend fundarm. Aus der räumlichen Verbreitung der Münzfunde können wichtige Schlüsse auf 1. die wirtschaftliche Durchdringung germanischer Siedlungsgebiete, 2. deren sozialökonomische Entwicklung, 3. Richtung und Verlauf von Verkehrsbahnen sowie 4. Stand und Umfang der Beziehungen zum Römischen Reich gezogen werden. Etwa seit spätrepublikanischer Zeit (2. Hälfte des 1. Jh. v. u. Z.) bis zum Ende des Römischen Reiches, und daher unter jeweils anderen politischen Bedingungen, gelangten römische Münzen in das freie Germanien. Der zeitlich wechselnde Zustrom kann als Gradmesser für die Kontakte zwischen Imperium und den germanischen Stämmen gelten. Für die Beziehungen in augusteischer Zeit und dem frühen 1. Jh. geben 18 Fundorte republikanischer Denare Aufschluß; 17 davon liegen westlich der Elbe, davon 15 westlich der Saale. Dem entspricht auch die Verbreitung der barbarisierten, vermutlich im ostgallischen Raum geprägten vollgewichtigen Silberdenare, deren Vorbild ein weitverbreiteter, in Rom geschlagener Denar des Augustus war. * Sämtliche 10 Münzen wurden ebenfalls westlich der Elbe gefunden. Ein verstärkter Münzzustrom setzte in der 2. Hälfte des 1. J h . , etwa mit Vespasianus (69-79), ein und erreichte um die Mitte des 2. Jh. seinen Höhepunkt. Dieser Abschnitt widerspiegelt die Zeit relativer Ruhe und langanhaltenden Friedens an der nördlichen Reichsgrenze. Der sich bereits seit Marcus Aurelius (161-180) abzeichnende leichte Rückgang ist als Folge der Markomannenkriege zwischen 167 und 180 zu verstehen. Die mit Comodus (180-192) einsetzende Krise des Reiches äußerte sich im plötzlichen und allgemeinen Rückgang des Münzzuflusses in das gesamte freie Germanien. Davon sind vorrangig die Einzelfunde betroffen, während die Horte zahlenmäßig ihren Höchststand erreichten. Um diese Zeit und in den Jahrzehnten danach müssen bestehende Verbindungen - hier sei an die stets mit den Römern befreundeten und daher bevorrechteten Hermunduren als Mittler gedacht - abgerissen und nicht wieder geknüpft worden sein. Hinzu kommt, daß die seit Septimius Severus (193-211) mit geringerem Feingehalt ausgebrachten 64
Denare von den Germanen abgelehnt wurden; das gilt auch für den seit 215 mit nur geringem Silberzusatz geprägten Antoninian. Spätestens zu Beginn des 3. Jh., wahrscheinlich schon früher - schriftliche Nachrichten sind für diese Zeit besonders dürftig -, war es mit der Ruhe an Rhein und Donau endgültig vorbei. Die Kämpfe mit den Alamannen um 213, die großen germanischen Einbrüche nach Rätien und Obergermanien 233 sprechen eine deutliche Sprache. In severischer Zeit kam es zu einem Wiederanstieg des Münzstromes, der nach Gallienus (255268) wieder abebbte. Für die folgenden Jahrzehnte bis zum endgültigen Fall des Limes um 260 bedarf es keiner Hinweise, daß ein nennenswerter Fernhandel aus dem umkämpften Gebiet nach Innergermanien kaum vorstellbar erscheint. Auch die römischen Donauprovinzen, Moesien, Dacien, Pannonien und Noricum, deren nördliche Handelsbahnen das Gebiet zwischen Elbe und Oder ohnehin nur streiften, kommen als Handelspartner kaum in Betracht, da zur selben Zeit gerade dort weite Teile des Reiches dem Ansturm der Goten und anderer Stämme e r lagen. Den unterschiedlich starken Münzzustrom in der Zeit vom 1. - 5. Jh. v e r deutlicht die Anzahl der gefundenen Einzelmünzen. Diese ist etwa proportional dem damals vorhandenen, tatsächlichen Münzvolumen. Es ergibt sich folgendes Bild: 1. Jh.
= 209 Stück
4. Jh.
= 135 Stück
2. Jh.
= 653 Stück
5. Jh.
=
3. Jh.
= 439 Stück
57 Stück
Damit stellt sich die Frage, auf welche Weise die römischen Gepräge in unser Gebiet gelangten. Während vom 1. bis zum späten 2. Jh. Handel und Austausch vorrangig waren, ist, seitdem sich das Imperium von den angreifenden germanischen Stämmen in die Defensive gedrängt sah, verstärkt mit Beute aus den tief in die römischen Provinzen führenden Plünderungszügen zu rechnen. Hinzu kommen römische Tributzahlungen und Bestechungsgelder, mit denen der Frieden erkauft wurde; dazu zählen auch Zuwendungen an den germanischen Adel. Aufschlußreich hierzu ist der Bericht des CASSIUS DIO (Historia Romana 77, 14) wo es heißt: "Ferner schickten viele der Völkerschaften, die an der Meeresküste in der Gegend der Elbmündung wohnten, Gesandte zu ihm (gemeint ist Kaiser Caracalla 211-217 ) und baten ihn um seine Freundschaft, um Geld von ihm zu erhalten. Da er sich nämlich so benahm, machten sich viele an ihn und drohten ihm mit 65
Krieg, und mit diesen allen schloß er Freundschaft. Wenn er dann nämlich auch wider Erwarten mit ihnen sprach, so unterwarfen sie sich doch beim Anblick der Goldstücke. Ihnen nämlich schenkte er die echten, während er in Rom nur gefälschtes Gold und Silber ausgebeh ließ. Die Silbermünzen waren versilbertes Blei und die Goldmünzen vergoldetes Erz. " Ein geringerer Münzanteil könnte schon zu dieser Zeit als Sold germanischer Krieger eingeflossen sein. Die sichere Entscheidung für eine der erwähnten Möglichkeiten ist meist sehr schwierig. Für das späte 3. Jh. läßt sich jedoch ein archäologisch überzeugender Nachweis führen. Mitteldeutschland, im schwächeren Maße aber auch das Gebiet östlich der Elbe, zeigt eine auffallende Häufung später Aurei, vor allem von Herrschern des gallischen Sonderreiches (259-274), also von Postumus bis Tetricus. Meist kamen diese Münzen als Einzelfunde oder Grabbeigaben (spätkaiserzeitliche "Fürstengräber" vom Typ Leuna-Haßleben) unzirkuliert in die Erde. Sie stellen sicher Beutegut in Mitteldeutschland seßhafter Stämme dar, das im ostgallischen Rheingebiet gemacht und den an diesen Zügen beteiligten Adligen in das Grab mitgegeben wurde. Im gleichen mitteldeutschen Fundgebiet, und nur in diesem, kommt eine provinzialrömische Bronzegefäßform (ovale Bronzetabletts vom Typus Voigtstedt - Eggers Typ 121) vor. Zweifellos gelangten diese Tabletts aus demselben Raum anläßlich der gleichen Unternehmungen nach Mitteldeutschland. Eine wichtige Frage ist, ob die nach Innergermanien eingeführten römischen Münzen dort als Geld dienten.
Daß die Germanen bestimmte spätrepubli-
kanische Münztypen, und zwar "serrati" (Roma; Dioskuren) und "bigati" (Roma; Victoria auf Zweigespann) bevorzugten, erwähnte erstmals TAQTUS in Germania 5, wo es aber auch heißt, daß sich die Bewohner im Landesinneren (inferiores) lieber des Tauschhandels bedienten. Bemerkenswert ist der Hinweis, daß die Germanen das Silber, also die kleinere Münze (Denar), dem Golde (Aureus) vorzogen, weil es beim Erwerb von allerlei Krämerwaren bequemer sei. Letztere Feststellung läßt darauf schließen, daß ein beträchtlicher Teil der Münzen an im Lande reisende römische Händler zurückfloß. Im römisch-germanischen Grenzbereich lagen die Dinge sicher anders. Hier ist anzunehmen, daß man den Wert der römischen Münzen kannte und zu schätzen wußte und sich ihrer im Handel allgemein bediente. Im Austausch zwischen den germanischen Stämmen untereinander wird vor allem der Wert des Münzmetalles bedeutsam gewesen sein. Wahrscheinlich bestand ein erheblicher Teil der im freien Germanien hergestell66
ten Schmucksachen aus eingeschmolzenen Münzen. Die sich besonders im Thüringer Becken häufenden Denarhorte stellten neben ihrer Schatzfunktion gewiß auch für den Schmelztiegel bestimmte Edelmetallreserven dar. Nehmen wir über mehrere Jahrhunderte tatsächlich bestehende Ware-Geld-Beziehungen in Innergermanien an, so ist es nur schwer vorstellbar, daß diese nach dem Zusammenbruch des Reiches oder schon zuvor, als die Emission der für Klein- und Binnenhandel benötigten römischen Nomialsorten so gut wie aufhörte, sofort abbrachen. Eigene germanische Prägungen, zumindest aber dem Bedarf entsprechende Solidus-Stückungen hätten sich als Behelf angeboten; dafür aber fehlen bislang alle archäologischen Hinweise. Daß es bei den innergermanischen Stämmen bis zum 5. Jh. überhaupt ein allgemeines Zahlungsmittel, etwa in Form von Metallgeräten, Barren oder gewogenem Silber gab, ist ebenfalls zu bezweifeln. An keiner Stelle wurden bisher mit den slawischen Hacksilberfunden vergleichbare Schätze geborgen. Auch das Fehlen germanischer Waagen und Gewichte im Fundgut der ersten drei Jahrhunderte u. Z. vermag die gezogenen Schlüsse noch zu bekräftigen. Die Bezeichnung "Geld" in dem uns geläufigen Sinne, und zwar "als allgemeines Äquivalent zur Vermittlung der Warenproduktion und -Zirkulation" verdienen die römischen Fundmünzen Innergermaniens sicher nicht. Von einer auch bescheidenen Geldwirtschaft waren die sozialökonomischen Verhältnisse noch weit entfernt. Fortgeschrittene Warenproduktion sowie Warenaustausch, die den Gebrauch gemünzten Geldes erst sinnvoll und notwendig machen, steckten noch in den Anfängen.
Anmerkung 1 Denar Augustus (30 v. bis 14. u. Z.) Vs. Kopfbild m. Lorbeer nach re. CAESAR AVGVSTVS DIVI F PATER PATRIAE Rs. Gajus und Lucius frontal stehend, beide halten Speer und Schild. Im Feld Simpulum und Lituus. AVGVSTI F(ili) CO(n)S(ules) DESIG(nati) PRINC(ipes) IVVENT(utis) im Abschnitt C(ajus) L(ucius) CAESARES RIC 1,1923, Nr. 350/51 etwa 2 v. bis 14 u. Z. Originale dieses Typs fehlen im Untersuchungsgebiet ebenso wie andere augusteische Denare. Von neun unter Augustus geprägten, archäologisch gesicherten Fundmünzen - es handelt sich durchweg um Asse - wurden allein sieben westlich der Elbe geborgen.
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Die Kontakte Noricums und Pannoniens mit den nördlichen Völkern im Lichte der römischen Importe Von JERZY WIELOW1EJSKI
Die vorliegenden Ausführungen haben zwei Aufgaben: 1. die Kontakte Noricums und Pännoniens nach Norden anhand der römischen Importe darzustellen und 2. die Funktionen der römischen Importe bei den Bewohnern der nördlichen Gebiete aufzuzeigen. Zur Lösung der ersten Aufgaben werden nur die Importe herangezogen, die mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit aus den beiden Donauprovinzen kamen, für die zweite dagegen alle wichtigen Importgüter unabhängig von ihrer Herkunft. Selbstverständlich wäre es methodisch richtig, gleichzeitig die römischen I m porte in den nördlichen Gebieten und die nördlichen Importe im Römischen Reich zu erörtern. Da die letzteren jedoch bisher noch nicht gesammelt und bearbeitet sind, ist eine Beschränkung auf die römischen Importe im Gebiet zwischen mittlerer Donau und Ostsee notwendig. Dieses Gebiet umfaßt den nördlich der Donau gelegenen Teil Österreichs, die Tschechoslowakei, Polen und die DDR. Der Forschungsstand über die römischen Importe ist in diesen Ländern ungleichmäßig. Die beiden Inventarwerke, die das gesamte Gebiet umfassen (BOLIN 1926; EGGERS 1951), sind schon stärk veraltet. Neue Inventare der römischen Münzfunde gibt es nur für den nördlichen Teil Niederösterreichs (MITSCHAMÄRHEIM), die Tschechoslowakei (POCHITONOV; ONDROUCH), den mittleren Teil der DDR (LASER) und Südpolen (KONIIQ KUNISZ 1969). Außerdem liegt eine Schätzung für ganz Polen vor (KUNISZ 1965). Neue Zusammenstellungen der industriellen Importe haben LASER für den mittleren Teil der DDR, MOTYKOVA-SNEIDRO VA (1963; 1967) für Böhmen und WIELOWIEJSKI (1970) für Nordösterreich, die Tschechoslowakei und Polen veröffentlicht.
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Der Erkenntniswert der römischen Importe Industrielle Importe Nicht alle Importgruppen eignen sich gleichermaßen dazu, die Probleme des Zuflusses, der Verteilung und der Funktion der Importe zu lösen. Man muß sich deshalb auf die Kategorien stützen, die den folgenden Bedingungen genügen: 1. Sie müssen authentisch sein. 2. Die Kenntnisse über Herkunft, Typologie und Chronologie müssen dem fortgeschrittenen Forschungsstand entsprechen. 3. Die zahlenmäßige Stärke muß so groß sein, daß eine statistische Erfassung möglich ist. 4. Ihr Vorkommen in den Objekten der einheimischen Kultur muß bekannt sein. Diesen Bedingungen entsprechen die Bronze-, Silber-, Glas - und Terra sigillataGefäße sowie einige Fibelformen am meisten. Unter den Importgegenständen aus Metall sind die Bronzegefäße, von denen bisher über 500, vorwiegend aus Gräbern, bekannt geworden sind, am wichtigsten. Die größte Funddichte tritt in Pommern und der Tschechoslowakei auf, wobei Eimer, Kasserollen und Kellen mit Sieb ani zahlreichsten sind (EGGERS 1951; WIELOWIEJSKI 1970, Tab. II undni). Die meisten Gefäße kamen aus dem Süden über Noricum und Pannonien, insbesondere über die Bernsteinstraße. Die Zuflußrichtung von Bronzeeimern mit gewellten Kanneluren ist weiterhin unbekannt. Dagegen bestätigen neue Funde von Fußbecken mit gewellten Kanneluren aus Polen die These von deren westlicher Herkunft (WERNER, 404 f; WIELOWIEJSKI 1970, 37). Silbergefäße, von denen bisher 27 Stück bekannt geworden sind, kamen in der Mehrzahl höchstwahrscheinlich aus dem Süden. Gemeinsam mit einigen Formen der Bronzegefäße bilden sie die typische Ausstattung der sogenannten Fürstengräber. Die römischen Fibeln kann man nicht immer von den einheimischen unterscheiden. Die Mehrzahl der rund 600 Exemplare stammt aus Gräbern Böhmens und der Slowakei (LAMIOVA -SCHMIEDLOVA; MOTYKOVA -SNEIDRO VA 1963; 1967; WIELOWIEJSKI 1970, Tab. V, Abb, 8). Norisch-pannonische Fibeln des 1. Jh. konzentrieren sich in der Tschechoslowakei und in dem nördlich der Donau gelegenen Teil Österreichs (GARBSCH; WIELOWIEJSKI 1970, Karten 1 und 2). Die Tatsache, daß in Böhmen ungefähr 100 in der Slowakei dagegen nur 17 Fibeln aus dem Beginn des 1. Jh. gefunden wurden (A 67, 236, 237, 238 a-b sowie diejenigen mit Tierköpfen), während die Typen aus der Mitte des 1. Jh. und später
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(A 68, 238 d und spätere sowie 242) in Böhmen durch 9 und in der Slowakei durch 35 Exemplare vertreten sind, spiegelt in einem gewissen Grade die lebhaften r ö misch -markomannischen Kontakte in der ersten Periode (Herrschaft Marbods) und die römisch-quadischen in der zweiten Periode (Regnum Vannianum) wider. Auch in Polen weist die Verbreitung der Fibelfunde eine Verschiebung des Verkehrs auf den Haupthandelswegen von Westen nach Osten nach (WIELOWIEJSKI 1970, 42 f., Karten 1 und 2; WOJ^GIEWICZ, 224 ff.). Zwischen der mittleren Donau und den Bergzügen der Sudeten und Karpaten waren die römischen Fibeln öfter im Gebrauch als in den nördlich dieser Gebirge gelegenen Gebieten. Tabelle I. Fundstellen mit Terra Sigillata in Mitteleuropa Land
Siedlung
DDR
15
18
1
4
38
12 34 47
2 1 5
_
8 7 13
22 42 65
7 6
4 50
-
1 15
12 71
121
80
1
48
250
CSSR
Polen
Böhmen Mähren Slowakei Kleinpolen übrige Provinzen
Zusammen
Gräber - Schatzfeld fund
-
-
Oberflä- Zusammen chenfund
T e r r a sigillata-Gefäße sind aus rund 250 Fundstellen (Tabelle 1) (über 800 bestimmte Gefäße) in der Tschechoslowakei, in Polen und in der DDR bekannt geworden (KRIZEK 1939; 1961; 1966; EGGERS 1951; RUTKOWSH 1960; 1968; VOIGT; LASER; WIELOWIEJSKI 1970). Die Verteilung der Funde weist starke Unterschiede in den drei von der Grenze des Imperiums verschieden entfernten Zonen auf. In den römischen Siedlungen auf dem linken Donauufer waren die Sigillaten ein Massenartikel. Auf dem Gebiet der Tschechoslowakei treten Sigillatafunde vorwiegend in Siedlungen auf. In Polen dagegen (im Vergleich zur Gesamtzahl der Fundstellen) ist ein Gleichgewicht zwischen Siedlungs- und Grabfunden mit Sigillata zu beobachten, obwohl die Mehrzahl der Gefäße aus Gräbern stammt (WIELOWIEJSKI 1970, Tab. XI und Xn). Ähnlich sieht es in der DDR aus. In Mecklenburg und Brandenburg wurden 6 Grabfundstellen, in Sachsen und
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Sachsen-Anhalt 10 Grabfundstellen, 6 Siedlungen und ein Schatzfund, in Thüringen dagegen nur 2 Grabfunde, aber 6 Siedlungsfunde mit Sigillata nachgewiesen. Diese Verhältnisse erklären sich durch die Unterschiede in den Gebräuchen der damaligen Bevölkerung. Die Bewohner der Gebiete südlich der Sudeten und Karpaten und die Thüringens besaßen verhältnismäßig viele römische Gefäße und bedienten sich ihrer im täglichen Leben. Die nördlich dieser Regionen wohnende Bevölkerung dagegen benutzte solche Gefäße seltener im täglichen Leben, legte sie aber häufiger als Beigaben in die Gräber. Die Funde anderer römischer Keramik sowie der Lampen (26 Exemplare, davon 8 in Polen) weisen dieselbe Aufteilung auf (WIELOWIEJSKt 1970, 60-62). Von den Glas gefäßen des 1. bis 4. Jh. wurden 124 typologisch bestimmt, wov bei 19 in der DDR, 20 in der CSSR (Mähren und Slowakei) und 85 in Polen gefunden wurden. Der Forschungsstand ermöglicht es leider nicht in allen Fällen, die Herkunft der einzelnen Gläser aus bestimmten Werkstätten festzustellen. Besonders unklar ist die Herkunft der Typen 189-196, 201-203 und 227-238 von EGGERS (1951). Die Mehrzahl der Gläser stammt aus westlichen Zentren, an zweiter Stelle stehen die italischen und an dritter die östlichen Gläser. Auf Grund der neueren Forschung kann man die Rahmenchronologie des Zuflusses der industriellen Importe (EGGERS 1951; 1955) genauer darstellen und entwickeln. Die Zeitdauer der einzelnen Phasen kann wie folgt angegeben werden: Phase A: 50 v. u. Z. - 10 u. Z.; Phase Bl: 10-70 (mit zwei ca. durch das Jahr 40 getrennten Stufen); Phase B2: 70-180 (mit zwei ca. durch das Jahr 120 getrennten Stufen); Phase Cl: 180-230/240; Phase C2: 230/240-310; Phase C3: 310-375 (WIELOWIEJSKI 1970, 71-84, Tab. XIV und XV; WO^GIEWICZ, 238-241; etwas anders GODtfOWSKI 1970, 101-112). Römische Münzen Bei der Untersuchung der römischen Fundmünzen muß davon ausgegangen werden, daß sichere Schlüsse über Richtung und Chronologie ihres Zuflusses und über ihre Rolle in den nördlichen Gebieten nur möglich sind, wenn die Funde auf beiden Seiten der mittleren Donau gleichwertig behandelt werden. Der Vergleich der Metall- und chronologischen Zusammensetzung der Münzfunde aus Noricum und Pannonien, aus den Gebieten zwischen mittlerer Donau und den Sudeten und Karpaten sowie aus Polen hat charakteristische Unterschiede und Ähnlichkeiten ergeben. Die Funde aus Nordösterreich und der Westslowakei
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knüpfen an die norisch-pannonischen an, da Bronze gegenüber Silber überwiegt. In Böhmen und Mähren hat Silber gegenüber Bronze ein geringes, in Sarmatien und Polen (mit Ausnahme von Masuren) dagegen ein entschiedenes Übergewicht. Noricum, Böhmen, die Ostslowakei, Schlesien, Großpolen und Pommern haben einen größeren prozentualen Anteil an Goldmünzen als die östlich benachbarten Gebiete. Hinsichtlich der Chronologie knüpfen die Funde aus dem nördlich der Donau gelegenem Teil Österreichs, aus Böhmen, Schlesien und Kleinpolen an die Noricums an, die Mährens und der Westslowakei dagegen an die Pannoniens (WIELOW1EJSKI 1970, Tab. XXIX-XXXI, Abb. 15 - 17). Ich möchte hier an meine These erinnern, daß Funde römischer Münzen erst dann zur Grundlage historischer Betrachtungen werden können, wenn der Nachweis gelingt, daß sie hinsichtlich der Topographie, Metallzusammensetzung und Chronologie im Verhältnis zu den sich in der Erde befindlichen Münzen repräsentativ sind. Diese wiederum müssen gegenüber der Münzmenge, die auf dem gegebenem Gebiet im Umlauf war, genau so repräsentativ sein (WIELOWIEJSKI 1961). Diese These wurde anhand der Kleinfunde (Grab-, Siedlungs - und Einzelfunde zusammen) römischer Münzen in der Tschechoslowakei und in Polen nachgeprüft (WIELOWIEJSKI 1966). Das Ergebnis gestattet es anzunehmen, daß die entdeckten Funde annähernd proportional der in der Erde verborgenen Münzmenge sind (MATUSZEWSKI i WIELOWIEJSKI). Die Analyse der Funde römischer Münzen auf beiden Seiten der mittleren Donau hat gezeigt, daß die Kleinfunde r e präsentativer als die Schatzfunde sind. Vermutlich geben die in der Erde befindlichen Münzen annähernd die Spezifik der Münzen wieder, die in der römischen Zqit in dem gegebenen Gebiet umliefen. Auch die Chronologie des Münzauflusses muß auf Grund der Kleinfunde rekonstruiert werden; die Schatzfunde spielen dafür nur eine sekundäre Rolle. In der Geschichte des Zuflusses der römischen Münzen lassen sich 5 Zeitabschnitte unterscheiden. Im 1. Zeitabschnitt (vom Ende des 1. Jh. v.u. Z. bis zum Anfang des 2. Jh.) flössen die Münzen der späten Republik und der frühen Kaiserzeit zu. Denjenigen Forschern, die den Zufluß der republikanischen Münzen nach Norden im 3. bis 2. Jh. v. u. Z. beginnen lassen (MAJEWSKI; GUMOWSH; KUNISZ 1965), kann nicht beigepflichtet werden. Da der Zufluß dieser Münzen nach Pannonien erst in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v . u . Z . einsetzte (MÖCSY 1961-1962), ist anzunehmen, daß sie in die Tschechoslowakei und nach Polen erst am Ende dieses Jahrhunderts gelangen konnten. Der Standpunkt von BOLIN (1930; 1958) und anderer Forscher, die den Bericht des TAQTUS (Germania 5) über die Vor-
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liebe der Germanen zu den serrati bitaque falsch datierten und daher annahmen, daß die Denare, die in den Jahren 63-107 emittiert, von den Bewohnern der nördlichen Gebiete nicht angenommen wurden, wurde bereits als unrichtig nachgewiesen (WIELOWIEJSKI 1966). Der Münzzufluß in die Tschechoslowakei war während des 1. Zeitabschnittes annähernd dreimal größer als nach Polen. Der Zeitabschnitt 2 (vom Anfang des 2. bis zum ersten Drittel des 3. Jh.) war der Zeitraum des stärksten Münzzuflusses. Die Anzahl der Fundstellen wuchs nahezu auf das Dreifache an, wobei die Steigerung südlich der Karpaten und Sudeten das Doppelte und nördlich dieser Gebirge bis zur Ostsee das Vierfache erreichte. In den Denarschätzen nördlich der Donau sind die Münzen Marc Aurels im Verhältnis zu den älteren Emissionen bedeutend zahlreicher als im römischen Imperium (GODJ^OWSKI 1966), was man durch den Markomannenkrieg erklären kann (WIELOWIEJSKI 1970, Tab. XXXVIII und XXXIX). Dagegen zeigt die plötzliche Verminderung des Münzzuflusses seit Septimius Severus an, daß die neuen, devaluierten Denare und später die Antoniniane ungern angenommen wurden. Der Zeitabschnitt 3 (vom zweiten Drittel des 3. bis zum Anfang des 4. Jh.) wies eine allgemeine Abnahme des Münzzuflusses auf, die sich in Polen und Sarmatien bedeutend stärker bemerkbar machte als in dem nördlich der Donau gelegenem Teil Österreichs und in der Tschechoslowakei. Im Zeitabschnitt 4 (vom Anfang des 4. Jh. bis ca. zum Jahre 360) stieg der Zufluß von Bronze- und Goldmünzen insbesondere in die Gebiete südlich der Sudeten und Karpaten an. Während des Zeitabschnittes 5 (ca. vom Jahre 360 bis zum 6. Jh.) erfolgte ein Massenzufluß von Solidi vor allem nach Pommern. Der Zufluß römischer Münzen hörte in der e r sten Hälfte des 5. Jh. nach Polen (mit Ausnahme von Pommern) und dem nördlichen Österreich und im 6. Jh. nach allen nördlich der Donau gelegenen Gebieten auf. Der Wert der römischen und frühbyzantinischen Münzen, die in Polen gefunden wurden, übersteigt den Wert der Münzen, die in den nördlich der Donau gelegenen Teilen Österreichs und in der Tschechoslowakei gefunden wurden, nahezu um das Siebenfache. Die Hauptgebiete, in denen sich das römische Geld konzentrierte, waren somit die Flußgebiete von Oder und Weichsel und die Küstengebiete der Ostsee.
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Römische Einwirkungen auf die Kultur der Bewohner nördlicher Gebiete Die römischen Einflüsse auf die Kultur der Bewohner nördlicher Gebiete sind schwer auffindbar, da nicht leicht zu entscheiden ist, ob die neuen Erscheinungen des 1. bis 4. Jh. tatsächlich aus römischen Einflüssen, der Berührung mit anderen ethnischen Gruppen oder der eigenen inneren Entwicklung zu erklären sind. In der Landwirtschaft kann nur die Einführung schwerer Pflüge mit Pflugschar und Pflugmesser aus Eisen im 3. bis 4. Jh. mit großer Wahrscheinlichkeit als Anzeichen römischer Einwirkungen angesehen werden (WIELOWIEJSKI 1960, 147 ff.; 1970, 227-229; PODWltfSKA, 85 ff.). Dagegen ist ungewiß, ob die gewaltige Entwicklung des Bergbaus und der Eisenmetallurgie mit den Beziehungen zum Süden verbunden war (MAJEWSKL, 51; PIASKOWSH, 352; WIELOWIEJSKI 1970, 229 f.). Die Erzeugnisse aus Buntmetall liefern wiederum mehr Hinweise. Norischpannonische Gürtelschließen wurden in Böhmen in Bronze (MOTYKOVÄSNEIDROVÄ 1964, 350-361; GARBSCH, 92-94), diese böhmischen wiederum in Großpolen in Eisen nachgeahmt (KOSTRZEWSKI 1955, 222). Verschiedene römische Fibelformen wurden ebenfalls nachgebildet und später schöpferisch weiterentwickelt. Unter römischem Einfluß wurden Fibeln öfters aus Bronze und Silber hergestellt (JAMKA 38; KOSTRZEWSKI, CHMtE LEWSKI i JAZDZEWSKI, 263; WIELOWIEJSKI 1970, 231 f.). Aus der frührömischen Zeit stammen die ersten Spuren figuraler Metallplastik aus Kleinpolen (NOSEK, 143-146, Abb. 44, 45). Im 3. Jh. wurden in Böhmen und in anderen Gebieten Scheibenfibeln in Tiergestalt hergestellt, wobei die Tiermotive auf Terra sigillata als Muster dienten (THOMAS, 12 ff.). Diese Fibeln wurden oftmals mit vergoldetem Blech belegt, eine Technik, die wahrscheinlich aus den römischen Provinzen übernommen wurde (SVOBODA 1946, 62-65). An der Wende vom 2. zum 3. Jh. eignete man sich die Emailtechnik an, die sich insbesondere in den Ostseegebieten entwickelte (POBOL i NAUMOV, 436, Tab. H). Zu den höchsten Leistungen der Edelmetallschmiedetechnik gehören goldene und silberne Prunkfibeln des 3. J h . , die in reichen Gräbern der Slowakei, Böhmens, Schlesiens und anderer polnischer Gebiete gefunden wurden. Sie weisen auf die schöpferische Tätigkeit der einheimischen Edelmetallschmiede hin, die provinzialrömische und heimische Fibelformen umgestalteten und weiterentwickelten, wobei sie Techniken der antiken Goldschmiedekunst (Filigran, Granulation, Vergoldung,
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Verzierung mit Edelsteinen u. a.) anwandten (KOLMK). Das Treiben und wahrscheinlich auch das Stanzen aus der Form fanden bei der Herstellung von Zierblechen, Plättchen, Scheren und anderen Gegenständen Anwendung. Gehen wir zur keramischen Produktion über. Der Auffassung von KOSTRZEWSKI (1919, 182), daß die spätlatdnezeitlichen birnenförmigen Gefäße mit zylindrischem Hals und facettiertem Rand Nachahmungen römischer Bronzeeimer mit Delphinattachen seien, kann nicht zugestimmt werden. Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß sie bereits hergestellt wurden, bevor der Zufluß der Bronze eimer einsetzte (BOHNSACK, 80; MARCINIAK, 114, Tab. 1). Es ist dagegen nicht ausgeschlossen, daß die Herstellung der birnenförmigen Gefäße durch keltische Tongefäße angeregt wurde, die nach dem Vorbild der Metallgefäße gearbeitet worden waren (KOSTRZEWSKI 1919, 182, Note 4). Die Verbreitung des Mäandermotivs in der einheimischen Keramik steht im Zusammenhang mit dem Handel mit römischen Stoffen, die mit diesem Motiv verziert waren (WIELOWIEJSKI 1970, 233). Gefäße aus Glas, Bronze, Terra sigillata und anderen römischen Keramikarten dienten als Vorbilder für eine Reihe einheimischer Gefäßformen. Daß das römische Glas gefiel, zeigt auch die Herstellung der Tongefäße mit "Fenstern" (SAKAR). Die Verwendung der Töpferscheibe im 3. Jh. in den nördlich der Donau gelegenen Gebieten verband eine Reihe Forscher ebenfalls mit römischen Einflüssen (WIELOWIEJSKI 1960, 106-112, dort die ältere Literatur). Die bisher entdeckten Überreste von Töpferwerkstätten aus dem 3. bis 4. Jh. erbringen jedoch keine Analogie zwischen der einheimischen und der typisch römischen Töpferwarenproduktion auf dem Gebiet des Imperiums (Zusammenstellung der Ofenfunde aus Pannonien bei MOCSY 1962, 676 f.). Die Öfen ähneln in Form und Konstruktion den keltischen Erdöfen der Spätlatönezeit, die aus den Donaugebieten, der Tschechoslowakei und Südpolen bekannt sind (Zusammenstellung bei FILIP 1956, 319 und WIELOWIEJSKI 1970, 236). Dieser Umstand veranlaßte die tschechischen Forscher zu der Annahme, daß die Herstellung der grauen Keramik im 3. bis 4. Jh. in Böhmen und Kleinpolen eine Fortsetzung älterer, keltischer Tradition sei (SVOBODA 1948, 84 ff.; FILIP 1951, 305; SNEIDROVA 1954, 237 f.). Dem widerspricht jedoch die Lücke im archäologischen Material des 1. bis 2. Jh. Es ist wahrscheinlicher, daß in der spätrömischen Kaiserzeit ziemlich enge Bindungen zwischen den Töpferwerkstätten an der oberen Weichsel und den Töpfereien im Vorfeld der Karpaten und im Moldau- und Donaugebiet bestanden, wovon enge Analogien in der Herstellung, der Gefäßverzierung und im Ofenbau zeugen
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(GAJEWSKI, 299). Neuere Entdeckungen von Öfen und die weitere Erforschung der Keramikproduktion in Ungarn und Niederösterreich erbrachten weitere A r gumente dafür, daß das Töpferhandwerk im Norden, das die Töpferscheibe und den kuppeiförmigen Ofen verwendete, mit Pannonien verbunden war. In den e r sten Jh. u. Z. gab es in Pannonien zwei Formen der Keramikproduktion nebeneinander: die keltische, der sich die autochthone, und die römische, der sich die eingewanderte, romanisierte Bevölkerung bediente. Im 3. Jh. verdrängte die römische Produktion die keltische, die sich daraufhin nach Norden ausbreitete (WIELOWIEJSKI 1970, 237 f.). Die Herstellungstechnik, einige Gefäßformen und Ziermotive der gedrehten Keramik im Gebiet der oberen Weichsel zeigen keltische Traditionen, daneben sind aber auch Nachahmungen gewisser römischer und aus dem Schwarzmeergebiet stammender Formen zu beobachten. Sehr wahrscheinlich ist die Ansicht von SCHINDLER, daß die Kenntnis der Drehbank zur Bernsteinbearbeitung in Pommern von den Römern übernommen wurde. Die Herstellung hölzerner Daubeneimer wurde vermutlich ebenfalls durch Einwirkungen aus den Donauprovinzen angeregt (ZEMAN; WIELOWIEJSKI 1960, 88-90). Obwohl die Produktionsverbesserungen, die aus dem Süden übernommen wurden, verhältnismäßig gering waren, so mußten doch die Kontakte mit dem Römerreich zu einer gewaltigen Steigerung in einigen Zweigen der einheimischen P r o duktion führen, insbesondere bei der Gewinnung solcher Rohstoffe wie Bernstein und Eisen sowie bei der Jagd auf Pelztiere (WIELOWIEJSKI 1970, 239). Die römischen Einflüsse auf die Entwicklung des Austausches sind eng mit der Frage verbunden, welche Funktion die römischen Münzen bei den Bewohnern der nördlichen Gebiete besaßen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die r ö mischen Münzen nicht das erste Metallgeld nördlich der Donau waren, da ihnen keltische Münzen vorausgingen. Aus dem Bericht des TACITUS (Germania 5) geht hervor, daß in Germanien zwei Zonen bestanden, die sich durch die Entfernung von den Grenzen des Imperiums und das Niveau des Austausches unterschieden. Die Zone 1 umfaßte die Bewohner der Grenzländer, die den Wert der römi sehen Münzen kannten und sich ihrer bedienten. Zu der Zone 2 gehörten die Bewohner des Inneren Germaniens, die nur ältere und einfachere Austauschformen ohne Metallgeld kannten. Die Münzfunde aus dem 1. Jh. gestatten es, den Bereich jeder dieser beiden Zonen zu präzisieren. Der ersten Zone gehörten die an Rhein und Donau wohnenden Stämme (proximi) an, der zweiten dagegen die Stämme im Inneren des Landes (interiores). Im 2. Jh. hörte diese Gliederung infolge des 77
massenhaften Zuflusses römischer Münzen auch in die Gebiete zwischen Oder und Weichsel auf. Aus dem Text des TAQTUS (Germania 5; 42) geht indirekt hervor, daß die Münzen vorwiegend in den Besitz der Stammesaristokratie gelangten. Die Tatsache, daß die Mehrzahl der gefundenen Münzen aus Schätzen stammt, zeugt davon, daß sich ein bedeutender Teil der Geldmenge im Besitz nur einiger Individuen konzentrierte. Außer den großen Schätzen gab es jedoch auch zahlreiche kleine, besonders in Böhmen, Mähren und Schlesien. Vom verbreiteten Besitz der Münzen unter der Ortsbevölkerung zeugen zahlreiche einzeln gefundene Münzen. Man muß daher damit rechnen, daß nicht nur die Stammesältesten, sondern auch ein Teil der übrigen Bevölkerung Münzen besaßen und sich ihrer bedienten. Der Anschauung von LASER (s.S. 63 ff.) und einiger anderer Referenten, daß die Münzen nur im Grenzhandel als Geld betrachtet wurden, kann ich nicht beipflichten. Im Austausch zwischen den germanischen Stämmen im Innern Germaniens sollte angeblich nur der Metallwert eine Rolle gespielt haben. Für die Verwendung der Münzen im äußeren und inneren Austausch spricht jedoch, daß ihre große Mehrzahl in demselben Zustand und mit gleicher Zeitstellung wie im Gebiet des Imperiums gefunden wurden. Man kann vermuten, daß in den überaus meisten Fällen die römischen Münzen von den Bewohnern der nördlichen Gebiete entsprechend der Funktion behandelt wurden, für die sie geprägt worden waren. Den Umfang der geldlichen Funktionen dieser Münzen kann man wie folgt darstellen: 1. Erhalt der Münzen für an fremde Kaufleute gelieferte Waren und für diesen geleistete Dienstleistungen sowie aus außerökonomischer Tätigkeit (Subsidien, Lösegeld, Raub u. a.); 2. Verwendung der Münzen als Wertmesser durch die Stammesaristokratie; 3. Benutzung der Münzen im inneren Austausch, vor allem zwischen den einzelnen Stämmen und gewiß auch im Gebiet der Stämme mit stärker entwickeltem Austausch; 4. Gebrauch der Münzen als Mittel zur Hortung (WIELOWIEJSKI 1970, 240-245). Die vergleichende Analyse der Metall- und chronologischen Zusammensetzung der Münzfunde zu beiden Seiten der mittleren Donau zeigte neben gewissen Analogien auch charakteristische Unterschiede. Da die geldliche Funktion der Münzen im Bereich des Römerreiches eine vollständige war, in den nördlichen Ländern diese jedoch verschiedene Faktoren wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art beschränkten, kann man annehmen, daß die festgestellten Unterschiede das unterschiedliche Niveau der geldlichen Funktion der Münzen in verschiedenen Teilen der nördlichen Länder widerspiegeln. Diese Beobachtungen führten mit Hilfe der statistischen Methode (Czekanowskis Tabellen und Dendritmethode)
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zur Beantwortung der Frage, welche Regionen in je 5 Zeitabschnitten Ähnlichkeiten aufweisen bezüglich: 1. der Struktur des Auftretens der Funde; 2. der Metallzusammensetzung der Funde (Anteil der Silber - bzw. Bronzemünzen an der Gesamtzahl der Kleinfunde); 3. der Zahl der Funde von römischen Münzen auf je 2
1000 km . Die Dendritentfernungen ließen nach der Elimination der vier längsten Abschnitte je 5 Gruppen von Regionen in 4 untersuchten Fragen unterscheiden (WIELOWIEJSKI 1970, 245-250, Tab. XLII-XLV, Abb. 22-25). Das Ergebnis der Berechnungen, die Zusammenstellung der 11 nördlichen Regionen nach ihrer Dendritentfernung von den Donauprovinzen, führte zur Gruppierung dieser Regionen in fünf Zonen: 1. der nördlich der Donau gelegene Teil von Österreich und die Westslowakei, wo die geldlichen Funktionen der Münzen sehr hoch waren; 2. Böhmen und Mähren, wo die geldlichen Funktionen der Münzen hoch waren; 3. Schlesien, wo diese Funktionen mittelmäßig waren; 4. Ostslowakei, Klein- und Großpolen, Masovien und Pommern, wo diese Funktionen geringer waren; 5. Masuren, wo diese Funktionen am niedrigsten waren (WIELOWIEJSKI 1970, 251 f., Abb. 26). Die Unterschiede zwischen den Regionen ergaben sich aus deren verschiedener Entfernung von der Donau, aus dem Verlauf der Haupthandelsstrecken und auch aus dem Stand der sozialökonomischen Entwicklung. Während.der Zufluß der Münzen vor allem von der Intensität des römischen Handels abhing, mußte ihre geldliche Funktion unter der einheimischen Bevölkerung mit der Entwicklung der lokalen Produktion und des lokalen Austausches verbunden sein. Die römischen Einwirkungen auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse sind besonders mit dem Problem der sog. Fürstengräber verbunden. Elemente, die die "Fürstengräber" ausschließlich kennzeichnen sind: a) bronzene oder silberne Scheren und Messer; b) silberne oder goldene Gefäße; c) silberne oder goldene Toilettegegenstände; d) zusammenlegbare Bronzeuntersätze (Dreiund Vierfüße). Hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) kennzeichnende Elemente der Fürstengräber sind: a) Lage auf besonderen Begräbnisstätten; b) Körper bestattung; c) Bestattung in einer Grabkammer oder unter einem Grabhügel; d) Fehlen eiserner Waffen; e) wenigstens einige römische Gefäße aus Bronze, Glas oder Keramik; f) wenigstens einige silberne oder goldene Schmuckstücke; /
g) Holzeimer; h) Glasspielsteine. Der These von KIETLINSKA, wonach diese Gräber auf keltische Einflüsse zurückgehen und in ihnen Priester oder P r i e s t e r fürsten ruhten, kann nicht beigepflichtet werden, da sich eine Reihe von Gegen79
argumenten anführen läßt (WIELOWIEJSKI 1970, 259-263). Anknüpfend an den Bericht des TACITXJS (Germania 5) kann man annehmen, daß die Gräber, die / HETLINSKA zu ihren Gruppen A-C rechnet, eher die Bestattungen von Mitgliedern der Stammesaristokratie sind, die vielleicht politische und religiöse Macht / vereinigten. Dagegen können die Gräber der Gruppe D, die von HETLINSKA als Bestattungen von P r i e s t e r f ü r s t e n bezeichnet wurden, nicht als typische "Fürsten.gräber" anerkannt werden. Mit HACHMANN (17) kann angenommen werden, daß sich der besprochene Gräbertyp bei der einheimischen Aristokratie im Norden unter römischem Einfluß verbreitet hat. Seit langem wird die Annahme römischer Religionsvorstellungen durch die Bewohner des Nordens erwogen. In Analogie zu Nordgallien und dem westlichen G e r manien, wo Merkurstatuetten die zahlreichsten sind, sei darauf hingewiesen, daß auch unter den nicht allzu zahlreichen Statuetten in der Tschechoslowakei und in Polen dieser Gott nicht seltener als andere vertreten ist (WIELOWIEJSKI 1970, 263-265). Es gibt auch einige Anzeichen für römische Einwirkungen auf die Bestattungssitten, was sich z.B. an der Beigabe von Münzen zeigt (WIELOWIEJSKI 1970, 266 f.). Wenn noch die zahlreichen Nachahmungen und Aneignungen im Bereich der Gebrauchskunst (Form und Ornamentik der Tongefäße und Metallerzeugnisse) und auch die für uns nicht greifbaren ästhetischen Eindrücke derjenigen, die mit den verschiedenen Anzeichen der römischen Zivilisation und Kunst in Berührung kamen, in Betracht gezogen werden, dann entsteht ein sehr abwechslungsreiches Bild des römischen Einflusses auf die geistige Kultur der nördlichen Völker. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Einwirkungen die im Bereich der materiellen Kultur überstiegen, deren Rolle bisher eher überschätzt wurde, unter anderem dadurch, daß nicht wahrgenommen wurde, in welchem Ausmaß keltische Errungenschaften adaptiert wurden (WIELOWIEJSKI 1970, 168).
Die Bedeutung der gegenseitigen Kontakte Zuerst ist es notwendig, den nach Norden führenden Handel Noricums und Pannoniens mit eigenen Erzeugnissen und die Bedeutung der aus Norden importierten Produkte für die Befriedigung der lokalen Bedürfnisse zu erörtern. Anfangs lieferten beide Provinzen den nördlich der Donau wohnenden Stämmen Bronze-
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kessel, Fibeln und Gürtelbeschläge, fernerhin jedoch Gefäße aus Terra sigillata und anderer Keramik. Im 3. und 4. Jh. kamen in Siscia und Sirmium geprägte Münzen hinzu. Damit konnte der Bernsteinimport, dessen größter Teil für andere Teile des Imperiums bestimmt war, wohl nicht ausgeglichen werden. Es ist anzunehmen, daß einige Handelsgüter, wie Vieh, Getreide und Holz, hauptsächlich für die nördlichen Teile Noricums und Pannoniens bestimmt waren. Eine viel größere Rolle spielte die Vermittlung der beiden Provinzen in den Handelsbeziehungen anderer Teile des Imperiums mit den nördlichen Völkern. Das waren im 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jh. Italien und im 2. bis 3. Jh. Ostgallien und das Rheinland. Man darf annehmen: 1. Die Mehrzahl der römischen Importe, die im nördlich der Donau gelegenen Teil Österreichs, in der Tschechoslowakei und in Polen gefunden wurden, gelangten über Noricum und Pannonien dorthin. Im 1. Jh. dominierte diese Herkunftsrichtung im ganzen erörterten Gebiet, in den späteren Jahrhunderten dagegen zwischen der mittleren Donau und dem Bergzug der Sudeten und Karpaten sowie in Süd- und Mittelpolen, obwohl auch das Gebiet der Weichselmündung in hohem Grade über die Bernsteinstraße mit römischen Importen beliefert wurde. 2. Im Handel Noricums und Pannoniens mit dem Norden spielte die eigene Produktion eine verhältnismäßig geringe Rolle und beschränkte sich auf die Befriedigung einiger Bedürfnisse der Grenzstämme. 3. Während die norisch-pannonischen Importe vorwiegend in die angrenzenden Gebiete nördlich der Donau gelangten, treten die Importe aus anderen Provinzen im ganzen Gebiet zwischen mittlerer Donau und Ostsee auf. 4. Die Grundlage für den Austausch Noricums und Pannoniens mit den nördlichen Stämmen war die Vermittlung von Erzeugnissen aus Italien und den Westprovinzen nach Norden und die von Waren aus dem Norden in andere Teile des Imperiums (WIELOWIEJSKI 1970, 289-292). Bedeutend schwieriger ist es, den Handel der Bewohner der nördlichen Länder mit Noricum und Pannonien zu erforschen, festzustellen, inwieweit die aus dem Norden bezogenen Güter eigene Bedürfnisse befriedigten und die Vermittlerrolle der Nachbarstämme im Handel der beiden Provinzen zu untersuchen. Menge und Qualität der römischen Importe zeigen, daß der Bernsteinexport aus dem Gebiet der Weichselmündung eine größere Bedeutung als derjenige aus Sambien hatte. Von einem Anteil der Gebiete der Tschechoslowakei und Polens am Transithandel zeugen schriftliche (JORDANES, Geticam, 21; TACITUS, Germania 17) und archäologische Quellen (norisch-pannonische Fibeln im Elbgebiet und im Baltikum: PUZINAS; GARBSCH, 128 f., 224 ff., Karten 1, 60, 61, Glasgefäße in Skandinavien: EGGERS 1951, 62). Verallgemeinert kann gesagt werden: 1. Im 81
Handel der Bewohner des Gebietes zwischen mittlerer Donau und Ostsee spielte die Ausfuhr eigener Erzeugnisse die Hauptrolle. 2. Die aus dem Grenzgebiet gelieferten Waren befriedigten vorwiegend Bedürfnisse in den Donauprovinzen. Dagegen läßt das Beispiel des Bernsteins vermuten, daß Waren aus dem Oder- und dem Weichselgebiet und von der Ostseeküste in weite Teile des römischen Reiches verteilt wurden. 3. Das erörterte Gebiet der nördlichen Länder spielte eine wichtige Rolle im Transithandel aus dem römischen Reich in die ostbaltischen Länder, und zwar in der frührömischen Periode zum mittleren und unteren Elbgebiet und in der spätrömischen Periode nach Skandinavien. Das Hauptmotiv für die Tätigkeit der römischen Kaufleute war der Gewinn, für den sie mitunter das Recht brachen (TACITUS, Annalenü, 62). Dieser Gewinn mußte sehr groß sein, damit sich das Risiko, der Zoll und die Transportkosten lohnten. Pannonien hatte einen bedeutend größeren Anteil am Handel nach Norden als Noricum. Während dieser Handel für Noricum außer in der ersten Hälfte des 1. Jh. keine größere Bedeutung hatte, spielte er für Pannonien von der Mitte des 1. Jh. bis zur Mitte des 3. Jh. eine wichtige Rolle als ein Faktor, der in gewissem Grade den Defizitcharakter der Wirtschaft dieser Provinz für den römischen Staat milderte. Es ist nicht zu leugnen, daß der Handel der nördlichen Stämme mit den Römern auch negative Seiten hatte (WIELOWIEJSKI 1960, 236). Es muß jedoch unterstrichen werden, daß die Kontrahenten der Römer freiwillig an diesem Handel teilnahmen und auch Nutzen davon trugen. Die römischen Importe dienten der einheimischen Aristokratie zur Hebung des Lebensstandards und des Prestiges. Der massenhafte Zufluß von Denaren im 2. Jh. und von Solidi im 4. und 5. Jh. gestattet die Vermutung, daß die römischen Kaufleute damals mehr Waren käuflich erwarben, als sie selbst mit sich brachten. Es ist anzunehmen, daß in den Zeiten, in denen ein gesteigerter Bedarf an Waren aus dem Norden im Römischen Reich bestand, deren Lieferanten eine große Menge von Edelmetallen zum Schaden für die Finanzen des Imperiums erhielten, wovon die Verbote für die Ausfuhr von Gold zeugen (Zusammenstellung bei D^BROWSKI i KOLENDO, 419-421). Die an der Grenze ansässigen Stämme waren am Handel mit den Römern stärker interessiert als die, die die nördlicher gelegenen Gebiete bewohnten. Einzelne Stämme zogen auch aus dem Transit und der Vermittlung im Handel der weiter entfernt wohnenden Stämme mit den römischen Provinzen Nutzen. Die weiten Entfernungen und die Transportschwierigkeiten bewirkten, daß mit dem Vordringen nach Norden die Preise der römischen Erzeugnisse wahrscheinlich anstiegen, die einheimischen Produkte dagegen immer billiger 82
wurden. Dies war aller Wahrscheinlichkeit nach einer der Hauptgründe dafür, daß die römischen Kaufleute, in der Jagd nach maximalem Gewinn, so weit nach Norden vordrangen. Deshalb kann angenommen werden, daß der Handel mit den fremden Kaufleuten den Bewohnern der polnischen Gebiete und des nördlichen Teils der DDR weniger Nutzen brachte als der Bevölkerung in den Zonen des Grenz- und Nahhandels (WIELOWIEJSKI 1970, 297 ff.). Wenn man die Bedeutung der römischen Einwirkungen auf die Stämme im Nor/
den allgemein bewerten will, so kann man der Anschauung von J^OWMIANSKI, nach der sich die kulturelle Distanz zwischen diesen und dem römischen Reich in den ersten Jahrhunderten u. Z. nicht wesentlich verringerte, nicht beipflichten. In der frührömischen Periode unterlagen die Stämme im Norden den römischen Einflüssen eher passiv. Diese Einflüsse trugen im 1. und 2. Jh. nicht zur Steigerung der Produktion bei. Sie beeinflußten dagegen die Entwicklung des Austausches und stärkten Macht und gesellschaftliche Position der Stammesaristokratie. Diese Schicht führte im 3. und 4. Jh. eine zielbewußte Annahme derjenigen Elemente des technischen Fortschritts in der Landwirtschaft, in der Metallurgie, im Goldschmiedehandwerk, in der Töpferei und in der Holzbearbeitung ein, die ihren Interessen dienten und zugleich - wenigstens einigen nördlichen Stämmen sichere, von der vorübergehenden Konjunktur unabhängige Grundlagen der wirtschaftlichen Entwicklung gaben (WIELOWIEJSKI 1970, 299-303).
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Zu Fragen der Handelsbeziehungen zwischen den Römern und den "Barbaren" .im Gebiet östlich von Pannonien von DENES GABLER
Während die wirtschaftlichen Verbindungen der in Pannonien und nördlich davon lebenden Bevölkerungsgruppen auf Grund der guten Materialsammlungen und Publikationen (WIELOWIEJSKI)* immer klarer erkennbar werden, beschäftigten sich mit dem Handel der östlich der Provinz lebenden Stämme - zunächst Sarmaten, Osier und Cotiner - nur wenige Forscher. Es fehlt ein Corpus der römischen Importgegenstände, und bei der Veröffentlichung der Funde eines sarmatischen Friedhofes wurde nur ein verhältnismäßig begrenztes Material veröffent/
licht. PARDUCZ (1941; 1944; 1950) erwähnt zwar häufig römische Importgegenstände - er verwendet diese aber in erster Linie zur Datierung der Gräberfelder und nicht zur Erforschung der WirtschaftsVerbindungen. Obwohl die Angaben äußerst mangelhaft sind, wollen wir es doch versuchen, die Handelsverbindungen der in Pannonien und östlich davon lebenden Völker zu untersuchen. Das archäologische Fundmaterial kann in diese Arbeit nur in dem Maße einbezogen werden, wie das die Publikationen ermöglichen (KOVRIG; SELLYE). Eine corpusartige Sammlung konnten wir nur für die Terra-Sigillaten durchführen.
Die Marktorte Die sarmatisch-römischen Handelsverbindungen beschränkten sich zunächst auf einen Warenaustausch im Grenzgebiet. Wir besitzen keine Angaben dafür, daß die Barbaren zur Ausübung des Handels auch in das Innere der Provinz kommen konnten - wie es TACITUS (Germania 41) für die Hermunduren erwähnt. Es ist anzunehmen - ebenfalls auf Grund einer bekannten Stelle des TACITUS (Annales II, 62) - daß römische Kaufleute im Gebiet östlich von Pannonien ebenso tätig waren wie am Hofe des Maroboduus. Eine Inschrift aus Brigetio erwähnt einen
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Kaufmann, der seine Tätigkeit wahrscheinlich im Barbaricum ausübte (CIL in 11045). Der bedeutendste Ort des Warenaustausches war aber - wie überall - das Legionslager. Der wichtigste Platz für den Osthandel dürfte wohl das im Knotenpunkt der großen Handelsstraßen gelegene Aquincum gewesen sein, wohin die Jazygen - wie dies von CASSIUS DIO (71,19) im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag von 179 erwähnt wird - an bestimmten Tagen zum Verkauf ihrer Waren kommen durften. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Festlegung der Markttage ein Zugeständnis an die barbarisch-römischen Handelsbeziehungen war. Die strenge Militäraufsicht war nicht nur aus Gründen der militärischen Sicherheit nötig (CASSIUS DIO 71,11, 3), sondern auch wegen der Einhaltung der verschiedenen Zollvorschriften. Das Abhalten von Märkten wurde nur an verhältnismäßig wenigen Orten zugelassen (Codex Iustinianus 4, 63, 6), und auch das ist erst nach dem Friedensvertrag des Marcus Aurelius anzunehmen. So wurden z.B. im Jahre 369 entlang des langen gotischen Limes nur zwei Marktorte genehmigt (PATSCH 1929, 53; ALFÖLDI und NAGY, 744; PÖCZY, 86). Am s a r matischen Abschnitt könnten neben Aquincum noch Intercisa, Lugio, Bonoma und Acumincum in Betracht kommen. Der anwachsende Warenverkehr bzw. die allmähliche Schwächung des Limes könnten aber den Rahmen gesprengt haben. Im 4. Jh. konnten Marktflecken auch neben manchem kleinen Burgus vorkommen. An der quadischen Grenze wurde ein Burgus an der Solva z.B. Commercium benannt (CIL III, 3653). Die Forschung klärte bereits die Ausgangspunkte und die Richtung der Handelswege, die in das freie Germanien führten (WHEELER, 13; ROBINSON). Es zeichnen sich auch jene Straßen klar ab, die aus Nordpannonien durch das Gebiet der heutigen Westslowakei entlang der Flüsse Vag (Waag), Morva (March), Garam (Gran) undlpoly (Eipel) führten (KOLNIK, 47; KRIZEK 1961, 303). Für das Gebiet der Großen Ungarischen Tiefebene konnte diese Frage noch nicht eindeutig gelöst werden. Die Siedlungen an den über Sümpfe und Flüsse führenden Straßen, die auch PTOLEMAIOS (n, 7) erwähnt, waren gewiß wichti- • ge Stationen, aber ihre Lokalisation können wir gar nicht erst versuchen. Es ist aber wahrscheinlich, daß Parthiscum, dessen Name von dem Fluß Parthissus (Theiß) abgeleitet ist (PLINIUS, Nat.hist. 4,80; AMMIANUS MARCELLINUS 17,13,14), mit Szeged gleichgesetzt werden kann. Bei den meisten Orten deuten die Namen keltischen Ursprungs auf eine frühere Entstehung (Bormanum, Pessium).
88
Die Straßen Die Straßen, die durch das Sarmatenland führten, stellten in Friedens Zeiten die Verbindung zwischen den römischen Provinzen Dacien und Pannonien her und ersparten einen großen Umweg. Wie die römischen Importgegenstände beweisen, machten die römischen Kaufleute von dieser Möglichkeit Gebrauch. Aus Aquincum führte eine Straße in das dacische Porolissum, wobei sie ungefähr die heutige Strecke Budapest - Szolnok - Debrecen verfolgte (FITZ 1965, 81-82). Ihr Verlauf wird auch durch zahlreiche römische Importfunde bewiesen (GABLER 1968 a, 231). Auf eine Station an dieser Straße weisen vielleicht die römischen Mauern und Ziegel in Üllö (Kom.Pest) hin (SOPRONI 1958, 42). Möglicherweise gab es eine solche auch in Debrecen (BALLA 1962). Die Terra Sigillaten und Münzen, die entlang dieser Strecke zutage kamen, beweisen, daß hier am Ende des 2. und zu Beginn des 3. Jh. ein reger Verkehr abgewickelt wurde. Auf die Bedeutung der Straße Aquincum - Porolissum weisen auch zwei Inschriften hin. Die eine dieser Inschriften bezieht sich auf eine Zollstation in Porolissum (DAICOVICIU 1937/40, 323; VITTINGHOFF, 368). Wenn sie nicht aus Porolissum nach ihren späteren Fundort Nagykaroly (Carei) verschleppt wurde, so war dort eine kaiserliche Poststation (vielleicht das aus den Quellen bekannte Ulpianum?: extra fines Daciae) (BALLA und TÖTH 1968 a, 129). Schon frühere Forschungen nahmen an, daß aus Aquincum über Hatvan eine wichtige Handelsstraße in die Richtung von Miskolc führte (KUZSTNSZKY 1934, 20; ALFÖLDI und NAGY, 381). Das wird durch den genio commercii Altar aus Räkospalota gegenüber Aquincum an der Mündung des Räkos -Baches (CIL IQ 3617) und zahlreiche andere Funde bewiesen. Von dieser zweigte auch die im Tal des Saj6- und Hernad-Flusses nördlich führende Straße ab (SALAMON 1960). Der genaue Verlauf der Straße zwischen Intercisa und Bologa (Sebesvär) ist kaum bekannt, jedoch dürfte Intercisa - wie das von TÖTH (57, Anm. 65) gesammelte römische Fundmaterial beweist - der Ausgangspunkt einer wichtigen Handelsstraße gewesen sein (BARKÖCZI, 514). Die Straße Lugio - Szeged - Micia kann anhand der archäologischen Funde von der Mündung der Maros an verfolgt werden (PATSCH 1937, 138; SEBESTY^N, 148; GABLER 1968 a, 212). Der von einem kaiserlichen servus vilicus errichtete genio commercii Altar (CIL HI 3753) und die Steindenkmäler der Handel treibenden augustalis (BALLA und TÖTH 1968 a, 129) in Micia machen auf die B e deutung dieser Siedlung für den Handel aufmerksam, die mit dem Verkehr ent89
lang der Maros in Zusammenhang steht. Die bereits in der Urzeit benutzte Salzstraße des Marostales kann außer an zahlreichen Importgegenständen auch an 2 den gestempelten Ziegeln der Legio XIII Gemina gut verfolgt werden. Diese Ziegel weisen wahrscheinlich auf eine Station oder auf eine Reihe von Poststationen hin, die zur Sicherung dieser Straßenstrecke dienten und gleichzeitig auch Wechselstationen gewesen sein könnten. Die Kontrolle war3 Aufgabe der dacischen Truppeneinheiten, wie die gestempelten Ziegel beweisen. Das von PTOLEMAIOS erwähnte Parthiscum wurde schon früher in die Gegend von Szeged lokalisiert. Die Funde aus der dortigen mittelalterlichen Festung (LAKATOS 1964/65; 1965) und die auf die Poststation bezügliche Inschrift /
(SEBESTYEN, 153; GOSTAR, 169) weisen darauf hin, daß diese Siedlung ein Knotenpunkt des Handels zwischen Pannonien und Dacien und zwischen diesen Provinzen und den Jazygen war. Vielleicht wurde die Poststation von Szeged Anfang des 3. Jh. gebaut, da ein gestempelter Ziegel in die Zeit des Caracalla datiert werden konnte (LAKATOS 1964/65, 69). Über den weiteren Verlauf dieser Straße zwischen Szeged und Lugio (Dunaszekcso) hat sich KÖHEGYI (113) geäußert. Die fünfte Straße, deren Ausgangspunkt Acumincum war, führte über Parthiscum ebenfalls in das dacische Micia (FITZ 1962, 70; BALLA und TÖTH 1968 b).
Der römische Export Nachstehend wollen wir kurz jene Fundgruppen behandeln, welche auf dem Gebiet der Ungarischen Tiefebene (Alföld) und des Ungarischen Hochlandes häufiger vorkommen. Mit den Sigillaten befassen wir uns nicht, da darüber bereits mehrere Arbeiten erschienen sind (GABLER 1968a; 1968b; 1969) (Abb. 1).
Keramik Die Sammlung der Importkeramik, bis auf die Sigillaten und deren Nachahmungen (GABLER 1968a, 236), wurde bisher von der Forschung versäumt. Die besten Bearbeitungen stammen von PÄRDUCZ (1941; 1944; 1950, 2, 29) und PÖCZY. Nach Pärducz wurde in zwei sarmatischen Friedhöfen (Kiskörös-Seregfelyes, Kom. Bäcs-Kiskun; Felsöpusztaszer, Kom. Csongräd) Keramik gefunden, die 90
aus der Töpfersiedlung von Aquincum-Gasfabrik stammen könnten. Diese Werkstatt erlebte ihre Blütezeit in der Mitte des 2. Jh. (KUZSINSSKY 1932, 340), und es kann angenommen werden, daß ihre Waren noch im Laufe dieses Jahrhunderts in das Barbaricum gelangten. Auffällig ist das Fehlen von Amphoren. Daraus kann gefolgert werden, daß die Wein- und Ölausfuhr Pannoniens gering war, denn der Weinhandel der in Rheinnähe wohnenden Germanen wird neben den schriftli-
a AQUINCUM %
0 43
fall
POROLfSSUM 3.
Intercisa*
O Lugn Micia
Q. $URSA
MOES/A
SUPER/OR
Abb. 1 Die Verbreitung der Sigillaten im "Barbaricum" ostwärts von Pannonien.
91
chen Quellen (TACITUS, Germania 23) auch durch die großen Amphorenfunde in Jütland und Westfalen bewiesen (WHEELER, 6). Der Grund dafür war der niedri/
ge Ertrag des relativ unentwickelten pannonischen Weinbaus (MOCSY 1962, 669). Die verhältnismäßig häufige gestempelte Keramik kann nicht in jedem Fall einfach als Import angesehen werden. Nach SALAMON (1969a) tauchten nach der Aufgabe Daciens in der Tiefebene zahlreiche neue Volksgruppen dacischer Abstammung auf, unter denen sich auch Töpfer befanden. Ihre Keramik kann zunächst mit der dacischen und besonders mit der aus Maroskeresztur verglichen werden (SALAMON 1969b, 327). Besonders stark ist die Verwandtschaft der pan/ nonischen und sarmatischen Keramik im 4. Jh. (POCZY, 85). Bronzegefäße (Abb. 2) Während im Gebiet des Freien Germaniens, besonders in Jütland und im Balticum, zahlreiche Bronzegefäße römischen Ursprungs gefunden wurden (WIELOWIEJSKI, 304 erwähnt 430 Stück) und sie auch häufig in der Umgebung von Tanais V
vorkommen (SELOV), sind solche Funde in dem von uns untersuchten Gebiet Seltenheiten. Im Gebiet der Jazygen, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Imperiums wohnten, konnte bisher eine einzige Kasserolle aus dem 2. Jh. festgestellt / werden (RADNOTI, 52). Zwei Bronzegefäße gehören einer späteren Zeit an: der / Krug aus Szada (RADNOTI, 164), der wahrscheinlich gallischen Ursprungs ist, dem 2. bis 3. Jh. und die Schüssel aus Bereg, die mit der aus Ceke verglichen werden kann, dem 3. bis 4. Jh. Die übrigen Schüsseln können nicht näher datiert wenden (NAGY, 27: Köbänya; PARDUCZ 1931, 132: Mogyoröd; 1941; 1944; 1950, 2, 25, 29; 1950, 69: Täpiöszele). In Orgoväny wurde die Platte eines Prunkpant
zers und in Läszlöfalva das Bruchstück einer Patera gefunden (TOTH, 57). Das seltene Vorkommen von Bronzegefäßen kann damit erklärt werden, daß die sarmatisch-römischen Handelsbeziehungen zur Blütezeit der italischen Werkstätten noch sehr locker waren. Das völlige Fehlen von Silbergefäßen und die Seltenheit der Bronzegefäße weisen gleichzeitig auf die bescheidenen wirtschaftlichen Mittel der Völker der Tiefebene hin. Fibeln Den größten Teil der Metallfunde machen die Fibeln aus, deren Zahl im Verhältnis nicht niedriger ist als in den Gebieten nördlich von Pannonien. Die Stücke römischen Ursprungs umfassen nur einige Typengruppen. Am ältesten sind die 4 seltenen Aucissa-Fibeln , die von KOVRIG in die Flavierzeit datiert werden,
92
sowie einige kräftig profilierte
5
(Typ Kovrigl, 7) und norisch-pannonische
6
Fibeltypen. Im Gebiet der Tiefebene kamen zahlreiche Scheibenfibeln zutage, aus deren Häufigkeit man schon früher folgerte, daß einige Varianten ausschließlich für den Export hergestellt wurden (SELLYE, 31). Sie sind verhältnismäßig gut datierbar, nach SELLYE (11) wurden die Fibeln aus der Tiefebene am Ende des 2. und zu
Abb. 2
Die Verbreitung der römischen Bronzegefäße und Statuetten im "Barbaricum" ostwärts von Pannonien. (Mit den römischen Poststationen). '
/
Beginn des 3. Jh. hergestellt (ALFÖLDI und PARDUCZ). Das bekräftigen auch die neueren Forschungen von THOMAS. Diese Fibeln kamen also im Zuge jenes Handels in die Tiefebene, der sich zur Zeit des Marcus Aurelius anbahnte. Das93
selbe konnte auch von den Kniefibeln aus dem 2. und 3. Jh. festgestellt werden (KOVRIG, 20). Das seltene Vorkommen in der Slowakei und die Häufigkeit in 7 der Tiefebene lassen darauf schließen, daß die Werkstatt dieser Fibeln für einen bedeutenden sarmatischen Export arbeitete (PATEK, 58). Neben diesen Haupttypen kommen noch Ankerfibeln und Armbrustfibeln vor. Die ersteren können mit größter Wahrscheinlichkeit in den Beginn des 3. Jh. datiert werden. 8 PATEK (24) datiert die kräftig profilierten Fibeln mit Knopf später als Marcus / / Aurelius (LAMIOVA-SCHMIEDLOVA). Aus dem 2. und 3. Jh. stammen die Fibel mit Trompetenkopf und die T-Fibel mit Spiralenkonstruktion aus Kiskunffe/ legyhäza (PARDUCZ 1941; 1944; 1950, 1, 66-68). Östlich der Provinz Pannonien wurden bisher sehr wenige Zwiebelkopffibeln gefunden; der wichtigste Fundort ist der durch Keramik gut datierbare Friedhof von Hortobägy-Poroshät (ZOLTAI, Tai. 67, 34; PARDUCZ 1931, 110). Die Prüfung des Fibelmaterials führte zu dem Ergebnis, daß die frühesten Typen bereits in der Flavier zeit erschienen, ihre Einfuhr aber zunächst in der ersten Hälfte des 2. Jh. aufhörte. Die überwiegende Mehrheit bilden die Scheiben- und Kniefibeln, die in der ganzen Tiefebene verbreitet waren und am Ende des 2. und zu Beginn des 3. Jh. in das Barbaricum gerieten. Weitere Bronzegegenstände Einen wesentlichen Teil des Bronzematerials bilden Bronzespiegel. Sie wurden wahrscheinlich während der gesamten Kaiserzeit vom 1. bis zum 4. Jh. hergestellt. Ein großer Teil wurde in den frühen sarmatischen Gräberfeldern gefun9 den.
Für die Datierung der in ziemlich großer Menge zutage gekommenen Bron-
zedosen und -büchsen gibt es wenig Anhaltspunkte. Im Vergleich zum Freien Germanien wurden in dem von uns bearbeiteten Gebiet Sehr wenige Bronzestatuetten gefunden. Der größte Teil der in Holland und Dänemark gefundenen Bronzestatuetten sind Darstellungen des Jupiter und des Mars (FREDRICH, 9; BROGAN, 210), dagegen kamen östlich von Pannonien in Kobanya eine I s i s - (NAGY, 27), in Derecske eine Herkules- (Deri Muzeum Debrecen) und bei Kiskörös eine Victoriastatuette (TOTH, 57) zutage (Abb. 2). Aus Szeged wurde ein Alabasterrelief bekannt (LAKATOS 1964/65; 1965) 1 0 . Wie bei den Bronzestatuetten ist auch die Datierung der zerstreut gefundenen Bronze schlüssel, Eimer griffe 11 , Stilen und Bronzelampen 12 schwierig.
94
Glasgegenstände Römische Glasgegenstände kamen bisher an 21 Fundorten zum Vorschein (Abb. 3), der größte Teil besteht jedoch aus kleinen, zur Untersuchung ungeeigneten Bruchstücken. Einige Glasgefäße konnten datiert werden, z. B. in / Hödmezöväsärhely (PARDUCZ, 1937, 80) und Crvenka (Grab 4 enthielt eine Münt
ze Claudius II: SIMOVLJEVIC 1957, 60). Es sind spätrömische Erzeugnisse des 4. Jh. Daher kann man annehmen, daß die Glaseinfuhr in dieser Zeit am stärki
sten war (BARKOCZI und SALAMON). Häufig wurden Glas gegenstände auch in 13 Hügelgräbern gefunden und können daher in das Ende des 3. und in das 4. Jh. datiert werden. Römische Gläser sind auch im Freien Germanien ziemlich selten und fehlen im Gebiet Böhmens beinahe völlig (WIELOWIEJSKI, 304).
Abb. 3
Die Verbreitung der römischen Gläser im "Barbaricum" ostwärts von Pannonien. 95
Münzen Über die Münzen ans den Gräbern der Völkerwanderungszeit liegen zwei gute Zusammenfassungen vor (HUSZAR; KERENYI). Auch die Münzen des Banat wurden zusammengestellt (PROTASE). Da eine ähnliche Publikation des römischen Fundmaterials noch aussteht, wurden die erreichbaren Daten bisher nur unter numismatischen und nicht unter wirtschaftsgeschichtlichen Gesichtspunkten betrachtet. Die Sammlung der Einzelfunde aus dem Barbari cum wurde bisher nicht durchgeführt, ein Mangel, der besonders für das Hochland fühlbar ist, da aus /
diesem Gebiet bisher nur Siedlungen bekannt sind, die Arbeiten von HUSZAR und /
KERENYI aber nur die Grabfunde aufführen. Nach unserer Zusammenstellung können die in den Siedlungen und Gräbern aus der Kaiser- und Vö lker wander ungs zeit im Barbari cum gefundenen Gepräge nach Jahrhunderten folgendermaßen gruppiert werden:
Tabelle I. Römische Münzen in den völkerwanderungszeitlichen Gräberfeldern und Siedlungen im Barbari cum ostwärts von Pannonitn Denarii
Bronzemünzen
Aurei und Solidi
1. Jh. v. u. Z. 1. Jh. 2. Jh. 3. Jh. 4. Jh.
3 21 225 25 3
4 28 61 262
5 1 12 24
Zusammen
277
355
42
Zeit
zusammen 3 30 254 98 289
Diese Zusammenstellung umfaßt die Münzen aus dem 5. Jh. nicht. Die Goldmünzen sind Streufunde. Bronze- und Silbermünzen kamen an 227 Fundorten zutage (Abb. 4), die größte Anzahl in den Hügelgräbern von Hortobägy-Poroshät, wo der Münzumlauf von Hadrian bis Alexander Severus verfolgt werden kann (KÖHEGYI, 111).
96
87
773
iP' uu
û1
\ s'
770129
m
•776 w. 747)179 717
' 74$ 787< •733
L mx 746
709
37 AQUINCUM a(f736-33*150 40 ,•84 M o b 715 {38 39 159 122